Fachdidaktik Russisch
Eine Einführung
0424
2014
978-3-8233-7720-7
978-3-8233-6720-8
Gunter Narr Verlag
Anka Bergmann
Das Studienbuch behandelt sowohl die Geschichte des Unterrichtsfaches Russisch als auch Zielsetzungen und Bedingungen gegenwärtigen Russischunterrichts im deutschsprachigen Raum. Ausgehend von einem knappen Überblick über relevante lernpsychologische und spracherwerbstheoretische Annahmen, bildungspolitische Prämissen der Kompetenzorientierung und (fremdsprachen)didaktische Prinzipien der Aufgaben- und Handlungsorientierung werden zentrale Bereiche der Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenz unter Berücksichtigung der Standards des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens, der Rahmenlehrpläne sowie der aktuellen Lehrwerke für den Russischunterricht thematisiert. Das Buch richtet sich an Studierende der Lehramtsstudiengänge Russisch und eignet sich für den Einsatz in Lehrveranstaltungen. Durch integrierte Beispiele für Übungs- und Aufgabenformate finden auch Referendare und praktizierende LehrerInnen Anregungen für die Konzeption und Gestaltung eines kompetenzorientierten Russischunterrichts.
<?page no="2"?> Anka Bergmann (Hrsg.) Fachdidaktik Russisch Eine Einführung Mit Beiträgen von Anka Bergmann, Ursula Behr, Klaus Hartenstein, Christine Heyer, Grit Mehlhorn, Astrid Seidel, Wolfgang Stadler und Heike Wapenhans <?page no="3"?> Prof. Dr. Anka Bergmann lehrt Fachdidaktik Russisch am Institut für Slawistik der Humboldt- Universität zu Berlin. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 ∙ Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 ∙ D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Printed in the EU ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-6720-8 <?page no="4"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................ 9 I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart ............................................................................... 13 Anka Bergmann / Christine Heyer 1. Russischlernen im deutschsprachigen Raum vor 1945 14 2. Russischunterricht in Deutschland nach 1945 ............ 16 2.1 Russisch als Schulfach in der Bundesrepublik Deutschland bis 1990 ................................................................................ 16 2.2 Russisch als Schulfach in der DDR bis 1990 .......................... 18 2.3 Russischunterricht nach 1990 in den neuen Bundesländern - Neuorientierung .................................................................... 22 3. Rahmenbedingungen und Situation des Russischunterrichts in der Gegenwart .......................... 23 II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch .... 31 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung für das Praxisfeld Russischunterricht ....................................... 32 Klaus Hartenstein 1.1 Ein wissenschaftliches „Kredo“ für die Fremdsprachendidaktik 32 1.2 Theoretische Aspekte des Lehrens und Lernens für das Praxisfeld Russischunterricht ................................................ 34 1.3 Sprachbegriffe für den Fremdsprachenunterricht ................. 51 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven für einen kompetenzorientierten Russischunterricht ................. 57 Anka Bergmann / Wolfgang Stadler 2.1 Kompetenzorientierung als bildungspolitisches Paradigma des Fremdsprachenunterrichts im 21. Jahrhundert .............. 57 2.2 Lernergebnisse und Standardisierung ................................... 58 2.3 Instrumente der Standardisierung und Kompetenzorientierung 63 2.4 Das Kompetenzmodell der Bildungsstandards im Bereich des Fremdsprachenlernens .......................................................... 71 2.5 Kompetenzmodelle für das Fach Russisch ............................. 73 2.6 Prinzipien und Perspektiven kompetenzorientierten Russischunterrichts ................................................................ 77 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis III Handlungsfelder des Russischunterrichts .........................83 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten ......................................................................84 Anka Bergmann 1.1 Das Training der Fertigkeiten - isoliert und integriert ........... 84 1.2 Textkompetenz ....................................................................... 86 1.3 Lernaufgaben .......................................................................... 92 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts auf der Grundlage von Aufgaben 99 Anka Bergmann / Astrid Seidel 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten ...........................................................108 3.1 Hörverstehen, Hör-Seh-Verstehen ........................................ 108 Christine Heyer 3.2 Lesen und Leseverstehen ...................................................... 121 Heike Wapenhans 3.3 Sprechen als komplexe Sprachaktivität im Russischunterricht 134 Ursula Behr/ Heike Wapenhans 3.4 Kommunikative Sprachaktivität Schreiben ........................... 146 Anka Bergmann 3.5 Sprachmittlung als kommunikative Aktivität im Russischunterricht ................................................................ 158 Ursula Behr/ Heike Wapenhans 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln .............................171 4.1 Aussprache und Aussprachevermittlung .............................. 171 Grit Mehlhorn 4.2 Russische Schrift ................................................................... 183 Christine Heyer 4.3 Wortschatz- und Grammatikvermittlung .............................. 190 Klaus Hartenstein 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln .......................214 Grit Mehlhorn 5.1 Landeskunde: Von reiner Faktenvermittlung zum interkulturellen Lernen.......................................................... 214 5.2 Sprache und Kulturspezifik .................................................. 216 5.3 Kulturelle Themen im Russischunterricht ............................ 217 5.4 Interkulturelles L ernen im Russischunterricht .................... 219 5.5 Interkulturelles Lernen mit literarischen Texten .................. 223 5.6 Interkulturelle Begegnungen ................................................ 225 6 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht 228 Ursula Behr 6.1 Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Forderung............. 228 6.2 Konzepte zur Förderung von Mehrsprachigkeit .................. 239 6.3 Sprachenübergreifende Lernarrangements .......................... 233 6.4 Sprachenübergreifende Kompetenzen ................................. 234 6.5 Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen .................. 235 6.6 Sprachenübergreifendes Lernen im Schulalltag .................. 239 7. Sozialformen und Differenzierung .............................. 241 Grit Mehlhorn 7.1 Sozialformen......................................................................... 241 7.2 Weitere Arbeitsformen und alternative Methoden .............. 242 7.3 Differenzierung..................................................................... 243 7.4 Schüler mit russischsprachigem Hintergrund im Russischunterricht ............................................................... 246 7.5 Inklusion .............................................................................. 250 7.6 Differenzierung in der Evaluation ........................................ 251 8. Medieneinsatz im Russischunterricht ........................ 253 Heike Wapenhans 8.1 Begriffsklärung: Medien, Medienkompetenz ....................... 253 8.2 Funktionen von Medien im Russischunterricht ................... 258 8.3 Ausgewählte Medien im Russischunterricht ....................... 260 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer .............. 266 Anka Bergmann 9.1 Studien- und Handbücher ................................................... 267 9.2 Grammatiken ....................................................................... 268 9.3 Zweisprachige Wörterbücher .............................................. 271 9.4 Einsprachige erklärende Wörterbücher ............................... 271 9.5 Weitere Nachschlagewerke ................................................. 272 9.6 Elektronische Ressourcen .................................................... 273 9.7 Korpora in der Sprachvermittlung ...................................... 274 9.8 Lernerkorpus ....................................................................... 275 IV Evaluation im Russischunterricht .................................. 279 Wolfgang Stadler 1. (Wie) kann man Sprachen testen? .............................. 280 2. Der Fehler im Russischunterricht ............................... 282 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien ........................ 284 3.1 Transparenz durch Reliabilität und Validität ...................... 285 7 <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis 3.2 Authentizität und Praktikabilität .......................................... 289 4. Testformate ....................................................................293 4.1 Rezeptive Fertigkeiten: Hören und Lesen testen ................... 294 4.2 Produktive Fertigkeiten: Sprechen und Schreiben testen ..... 296 4.3 Unterschied zwischen rezeptiven und produktiven Fertigkeiten ........................................................................... 298 4.4 Linguistische Kompetenz: Grammatik und Lexik oder Sprache im Kontext testen ..................................................... 299 Literaturverzeichnis ..................................................................... 313 Sachregister .................................................................................... 347 Die Autorinnen und Autoren ...................................................... 351 8 5. Integriertes Testen ( комбинированное или интегральное тестирование ) ...........................................................304 6. Dynamisches Testen ( динамическое тестирование ).....305 7. Die ТРКИ -Formate....................................................307 <?page no="8"?> Vorwort Die Fremdsprache Russisch ist seit mehr als einem halben Jahrhundert Unterrichtsfach in deutschen Schulen. Auch in Österreich und der Schweiz gibt es, wenn auch in geringerem Umfang, Russischunterricht 1 . Auf dem Hintergrund einer geteilten Geschichte in den beiden deutschen Staaten hat das Fach nach 1990 seine Position und seine Ansprüche im fremdsprachlichen Angebot der Schulen neu bestimmen müssen. Nach einem starken Rückgang der Lernerzahlen vor allem in den neuen Bundesländern nimmt die Nachfrage nach fremdsprachlichem Russischunterricht seit kurzem wieder zu. Der gesellschaftliche Bedarf an Kenntnissen des Russischen resultiert vor allem aus dem Status des Russischen als internationale Verkehrssprache und dem Umfang der deutsch-russischen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Es ist politisch erklärter Wille, das Erlernen der russischen Sprache in Deutschland (wie umgekehrt das Erlernen der deutschen Sprache in Russland) im Sinne der gegenseitigen Beziehungen zu fördern. Die Rahmenbedingungen für das Fach haben sich in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Dazu gehören neben gesamteuropäischen sprachpolitischen Entwicklungen nationale bildungspolitische Setzungen, die für alle schulischen Fremdsprachen gelten, und damit verbundene didaktisch-methodische Prinzipien, die sich in curricularen Vorgaben und Lehr- und Lernmaterialien spiegeln. Hinzu kommen Aspekte wie eine veränderte Schülerschaft, eine globalisierte Kommunikationslandschaft und mediale Möglichkeiten, die die russische Sprache für das Lernen im deutschen Sprachraum präsenter machen. Ein zeitgemäßer attraktiver Russischunterricht muss diese Rahmenbedingungen berücksichtigen. Eine wissenschaftlich ausgerichtete Fachdidaktik Russisch hat die Aufgabe diese Entwicklungen zu reflektieren und theoretisch zu begründen. Sie macht die Vermittlung und Aneignung der Fremdsprache Russisch in institutionalisierten Kontexten zu ihrem Forschungsgegenstand und leitet daraus Vorschläge für die inhaltliche, methodische und organisatorische Verbesserung des Lernens ab. Anknüpfungspunkte ergeben sich für die Russischdidaktik aus zweifacher Perspektive: Zum einen gab es eine umfangreiche fachdidaktische Literatur (Methodik des Russischunterrichts) in den lehrerbildenden Hochschulen der DDR; diese Traditionslinie ist allerdings angesichts des veränderten Status der Schulfremdsprache Russisch sowie aufgrund des gravierenden Rückbaus personeller und sächlicher Ressourcen faktisch Mitte der 1990er Jahre abgebrochen. Andererseits lässt sich vieles, was für den Unterricht in anderen Fremdsprachen in neuester Zeit gesagt wurde, auf den Russischunterricht übertragen. Für ein Gesamtbild des Russischunterrichts in der Gegenwart sind neuere Konzeptionen, Prinzipien und Methoden des Fremdsprachenunterrichts auf die sozialen und motivationalen Voraussetzungen der Russischlerner und die spezifischen Aspekte des Russischunterrichts zu beziehen. Die Russischdidaktik kann ihrerseits Erfahrun- 1 Die Darlegungen in diesem Studienbuch berücksichtigen punktuell auch Aspekte des Russischunterrichts in Österreich und der Schweiz. <?page no="9"?> Vorwort 10 gen und Erkenntnisse in gegenstandsspezifischen Bereichen (z.B. Umgang mit der morphologischen Komplexität der zu lernenden Sprache, heterogene Lernerschaft, binnendifferenzierter Unterricht u.ä.) zum fremdsprachendidaktischen Diskurs beitragen. Momentan liegt keine speziell für dieses Unterrichtsfach konzipierte Fachdidaktik vor. Dies war Anstoß zur Herausgabe dieses Buches. Die beteiligten Autoren 2 kommen aus verschiedenen Bereichen: der universitären Russischlehrerausbildung in Deutschland und Österreich, der Fachdidaktik, Sprachlehrforschung und Linguistik sowie der Lehrplan-, Lehrmittel- und Unterrichtsentwicklung. Diese Perspektiven schlagen sich in den jeweiligen Beiträgen nieder und setzen Schwerpunkte in der Darstellung eines facettenreichen Gegenstandes. Allen Autoren sei an dieser Stelle für die kompetente Mitarbeit und die zuweilen erforderliche Geduld herzlich gedankt! Anliegen dieses Studienbuches ist es in erster Linie die Fragen zu behandeln, die das Lehren und Lernen der Fremdsprache Russisch im institutionalisierten schulischen Kontext betreffen. Das Buch richtet sich an Lehrkräfte in allen Phasen des beruflichen Werdegangs: • Studierende der Lehramtsstudiengänge gewinnen einen Überblick über die gesamte Breite des Gegenstandsfeldes, lernen grundlegende Positionen kennen und finden Anregungen für das weiterführende vertiefte Studium. • Referendaren in Fachseminaren soll das Buch einen systematisierenden Überblick als Ausgangspunkt für die Gestaltung der unterrichtlichen Praxis geben. • Lehrern im aktiven Schuldienst, insbesondere denjenigen, die nach einer kürzeren oder längeren Pause wieder Russisch unterrichten, kann es einen Einstieg in den aktuellen fachdidaktischen Diskurs bieten. • Lehrkräfte an Universitäten, die fachdidaktische und sprachpraktische Lehrveranstaltungen in den Lehramtsstudiengängen planen und durchführen, finden hier hoffentlich Anregungen für die eigene Lehrtätigkeit. Das Buch gliedert sich in vier große thematische Blöcke: Der erste zeichnet die Entwicklung des Russischlernens und des Russischunterrichts im deutschsprachigen Raum nach und widmet sich den gegenwärtigen Rahmenbedingungen des schulischen Russischunterrichts. Kapitel II führt in die wissenschaftlichen Grundlagen der Fachdidaktik Russisch ein. Dabei geht es zunächst um grundlegende Aspekte des Lehr-Lerngefüges Russischunterricht und eine lernwissenschaftlich begründete Ableitung der Handlungsmöglichkeiten der Lehrenden. Danach wird Russischunterricht in einer Makroperspektive im gegenwärtigen bildungspolitischen Paradigma der Kompetenzorientierung verortet. Das anschließende Kapitel III. steckt Handlungsfelder des Russischunterrichts ab und nimmt vielfältige Aspekte des komplexen Praxisfeldes in den Blick: Dazu gehören neben der Arbeit an den kommunikativen Fertigkeiten und sprachlichen Mitteln ebenso Sozialformen, zur Verfügung stehende Medien und Referenzmaterialien. Als Tertiärsprache und 2 Begriffe zur Bezeichnung von Personen werden in der männlichen Genusform verwendet und dienen der gleichberechtigten Bezeichnung von Personen beiderlei Geschlechts. <?page no="10"?> 11 Vorwort Brückensprache in den slawischen Sprachraum sind für Russisch zudem Aspekte sprachübergreifenden Lernens relevant. Dem Testen, Bewerten und Beurteilen als einem wichtigen Aspekt (nicht nur) schulischen Fremdsprachenlernens ist abschließend ein eigenes Kapitel gewidmet. Das vorliegende Studienbuch soll einen Überblick über die gesamte Breite des Gegenstandsfeldes Russischunterricht ermöglichen. Eine Vollständigkeit in der Darstellung der fachdidaktischen Problematik ist in dieser Form allerdings nicht zu leisten. Für die vertiefte Beschäftigung mit einem Thema findet der Leser weiterführende Literaturhinweise und Aufgaben, die die Auseinandersetzung mit dem Thema unterstützen und zur Reflexion anregen sollen. Marginalien, Querverweise und Sachregister helfen bei der Orientierung im Buch, denn nicht zwingend ist es von vorn nach hinten zu lesen. Frau Sabine Lefèvre gilt mein herzlicher Dank für die kompetente Umsetzung des Manuskripts in eine druckreife Vorlage. Berlin, März 2014 Anka Bergmann <?page no="12"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart Anka Bergmann / Christine Heyer Wenn in diesem Abschnitt in sehr geraffter Form auf die Geschichte des Unterrichtsfaches Russisch zurückgeblickt wird, so geht es insbesondere um die Legitimation des Faches und ein Verständnis der heutigen Situation auf der Grundlage der historischen Entwicklung. Die Entscheidung für oder gegen eine Fremdsprache als schulisches Unterrichtsfach erfolgt immer in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, diese implizieren vielfältige Wirkzusammenhänge politischer, wirtschaftlicher, bildungs- und sprachpolitischer Aspekte. Eine Vorstellung davon zu haben, welche Faktoren die Situation und die Perspektiven des eigenen Fachs beeinflussen, ist wichtig für das Verständnis verbreiteter Vorstellungen über Ziele und Inhalte sowie den Nutzen des Faches. (Angehende) Lehrkräfte sollten sich damit auseinandersetzen, um ihr Fach in der Öffentlichkeit vertreten zu können und - nicht zuletzt - um immer wiederkehrenden Vorurteilen und Einwänden gegen „ihr― Fach entgegenzutreten. <?page no="13"?> 1. Russischlernen im deutschsprachigen Raum vor 1945 Der Blick auf die Geschichte des Russischunterrichts macht deutlich, dass die Einführung von Russischunterricht immer sehr direkt mit Erwartungen an einen praktischen Nutzen im Sinne politischer, ökonomischer und militärischer Interessen verbunden war. Dabei konnten institutionalisierte Formen erst dann zum Tragen kommen, „wenn ein dauerhaftes gesellschaftliches Bedürfnis an Kenntnissen― dieser Sprache vorlag (Hoffmann 2006, 12). Eine umfassende Darstellung des Russischunterrichts an deutschen Schulen in drei Jahrhunderten (18.-20. Jahrhundert) gibt Basler (1987), weitere Studien zu einzelnen Zeiträumen vervollständigen das Bild (Buttke 1966, Hoffmann 1990, 1992, Keipert 2004). In einer umfangreichen Dokumentation von Schröder (1980-1985) wird die Entwicklung des Unterrichts in den slawischen Sprachen im Gesamtkontext der Geschichte des Unterrichts in den modernen Fremdsprachen behandelt. Eine knappere, sehr gut strukturierte Analyse der Voraussetzungen und bildungspolitischen Zusammenhänge für Unterricht in slawischen Sprachen im deutschen Sprachraum bis 1945 liegt mit Hoffmann (2006) vor. Die Geschichte des Russischlernens im deutschen Sprachraum reicht zurück so lange es wirtschaftliche und kulturelle Kontakte zu Russland gibt. Das Russische hatte bis zum 18. Jahrhundert zunächst große Bedeutung als Handelssprache. Die hanseatischen Kaufleute ließen ihre Dolmetscher in Russland ausbilden, die Rechtsstellung der Sprachschüler war dabei vertraglich geregelt. Aber die Kaufleute mussten auch selbst über Sprachkenntnisse verfügen. Diese erwarben sie nach einer Erstunterweisung durch „sprakelerer― hauptsächlich unmittelbar im beruflichen Umfeld auf dem Wege der „Parliermethode―; der sprachlichen Orientierung dienten Gesprächsbücher und Wörterverzeichnisse. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich neben engen Handelsbeziehungen zunehmend auch ein geistig-kultureller Austausch. Die institutionelle Vermittlung des Russischen beschränkte sich allerdings auch fortan auf wenige Möglichkeiten in universitären Lernkontexten und höheren Schulen. Ein frühes Zentrum des institutionalisierten Russisch- (und auch Polnisch-) unterrichts war die Universität in Halle als Wirkungsstätte der Pietisten um August Herrmann Francke. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es Belege für Russischunterricht für einige wenige höhere Schulen. Als potentielles Unterrichtsfach wird die russische Sprache aber erst mit der gestiegenen Bedeutung des zaristischen Russlands und den sich ausweitenden Wirtschaftsbeziehungen zu Russland an der Wende zum 20. Jahrhundert interessant. Als ständiges Unterrichtsfach wurde Russisch zuerst an höheren Militär-, Beamten- und Handelslehranstalten mit einer direkten berufspraktischen Orientierung eingeführt. Darüber hinaus gab es in Bayern, vor allem aber in Preußen, Berlin und den Ostprovinzen fakultativen Russischunterricht an höheren Schulen, die Einführung geschah insbesondere auf Drängen von Handelsvereinen. Die institutionellen Grundlagen des Russischunterrichts wurden 1917 in Preußen mit einer amtlichen Regelung der Überblicksdarstellungen zum Russischlernen Wirtschaftliche und kulturelle Kontakte als Motivation zum Russischlernen Das 20. Jahrhundert: Russischlernen in institutionellen Kontexten <?page no="14"?> 15 1. Russischlernen im deutschsprachigen Raum vor 1945 Lehramtsausbildung und der Möglichkeit einer Lehramts-Zusatzprüfung für Russisch gefestigt. Für die Zeit der Weimarer Republik sind Bemühungen um Russischunterricht im Gesamtkontext der Auseinandersetzungen um Ziele und Wege des neusprachlichen Unterrichts und vielfältiger Reformprojekte zu sehen. Es gab eine breite Palette unterschiedlicher Auffassungen zum Anliegen des Unterrichts in den neuen Fremdsprachen, die sich zwischen der Betonung des Bildungswerts und dem praktischen Nutzen der Fremdsprachenkenntnisse bewegten. Dabei ist vor allem die Positionierung des Allgemeinen Deutschen Neuphilologen-Verbandes von Bedeutung, der in den „Hamburger Leitsätzen― 1921 für eine Einführung des Russischen (und anderer slawischer Sprachen) nach „örtlichen Bedürfnissen― plädierte (Leitsätze 1921, Hoffmann 2006, 129 f.). Dies führte, begünstigt durch verschiedene Faktoren der innen- und außenpolitischen Situation, aber nur kurzzeitig zu einer Zunahme des Russischunterrichts; bereits während der Weltwirtschaftskrise kam es zu einem „dramatischen Rückgang― (Hoffmann 2006, 132) des Unterrichts an höheren Schulen, bevor schließlich in der Zeit des Nationalsozialismus jegliche Formen des Russischunterrichts den Zielen und Strategien der Kriegsführung untergeordnet wurden. Einen Sonderfall stellt die Deutsch-Russische Schule Berlin (1931-1945) dar, in der Russisch nicht nur als Fremdsprache unterrichtet wurde, sondern in einigen Fächern auch Unterrichtssprache war (Basler 1983). Die Tradition des Russischlernens im deutschsprachigen Raum bis 1945 ist offensichtlich bei Lehrkräften wenig bekannt und wie Hoffmann (2006, 119) feststellt, der Blick auf die Anfänge und die Frühgeschichte weitgehend „durch die völlig unterschiedlichen Traditionen in Deutschland -Ost und -West verstellt―. Positionierung des Allgemeinen Deutschen Neuphilologen-Verbandes für die Einführung des Russischunterrichts <?page no="15"?> 2. Russischunterricht in Deutschland nach 1945 Die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen 1945 und die nachfolgende Teilung in zwei deutsche Staaten im Jahre 1949 schufen Bedingungen, die wesentlichen Einfluss auf die jeweilige Gesamtsituation des Fremdsprachenunterrichts hatten, auf deren Hintergrund sich wiederum die in beiden Staaten stark unterscheidende Etablierung des Schulfaches Russisch vollzog. Ein besonderer Zustand bezüglich des schulischen Fremdsprachenunterrichts herrschte unmittelbar nach dem Krieg: in den jeweiligen Besatzungszonen wurde die der Besatzungsmacht entsprechende Sprache gefördert; für Berlin galt bis zur Teilung, dass Englisch, Französisch und Russisch gleichermaßen in den Schulen zur Wahl standen. 2.1 Russisch als Schulfach in der Bundesrepublik Deutschland bis 1990 Der Einzug des Schulfaches Russisch in neusprachliche Gymnasien in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Mitte der 1960er Jahre. Das „Hamburger Abkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens― vom 28.10.1964 ermöglichte länderspezifische Regelungen zur Einführung einer dritten Fremdsprache an Gymnasien (Hamburger Abkommen, § 13). Zur Wahl standen dabei Sprachen, die bis dahin nicht zu den traditionellen Schulfremdsprachen gehörten. Russisch wurde danach an einigen Schulen, an denen die Bedingungen (Lehrkräfte) vorhanden waren und Schüler es wünschten, als dritte Fremdsprache auf der Sekundarstufe II (Klasse 11) oder auf der Sekundarstufe I (beginnend in der Jahrgangsstufe 9) unterrichtet. Es hatte in der Regel den Status eines Wahlfaches. Auf Grund großer Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Sprache - Russisch galt als ideologisch belastet und schwer erlernbar (Schröder 1999, 16) -, nahm aber nur ein verschwindend kleiner Teil der Lerner am Russischunterricht teil; „1982 lernen an den westdeutschen Gymnasien und Gesamtschulen ganze 25.547 Schüler Russisch, das sind 0,31% der Gesamtpopulation― (ebd.). Die Gründe der wenigen Schüler, sich für Russisch als Unterrichtsfach zu entscheiden, waren unterschiedlich; nicht selten wurde das Fach als Alternative zu Latein gewählt. Bis Ende der 1980er Jahre stieg die Anzahl der Russisch lernenden Schüler (1989: 0,54% der Gesamtschülerzahl, ebd.) leicht an; die breite Zustimmung zur Politik Gorbatschows unter der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland führte dazu, dass das Interesse an Russland und an der russischen Sprache (vorübergehend) zunahm. Unabhängig vom Russischunterricht an staatlichen Schulen war bereits nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland Russisch ab Klasse 1 an Waldorfschulen eingeführt; es wurde nach dem an diesen Schulen vorherrschenden Lehrkonzept geboten. Russischlernen nach 1945: unterschiedliche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten Hamburger Abkommen: Einführung einer 3. Fremdsprache an Gymnasien. Russisch als Wahlfach <?page no="16"?> 17 2. Russischunterricht in Deutschland nach 1945 Die Rolle, die dem Schulfach Russisch im schulischen Fremdsprachenangebot der Bundesrepublik Deutschland aus bildungspolitischer Sicht zugemessen wurde, spiegelt sich in den „Homburger Empfehlungen― wider, die einige der führenden Fachdidaktiker der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der 1980er Jahre in die Diskussion einbrachten (Christ et al. 1980). Nach ihren Vorstellungen zur Entwicklung einer sprachenteiligen Gesellschaft, in der es vor allem die einseitige Orientierung auf das Englische zu überwinden galt, sollte Russisch auf Grund seines Status als Weltsprache als wahlobligatorisches Fremdsprachenangebot an allen Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen vorgehalten werden. De facto hatte aber Russisch als Schulfremdsprache bis 1990 weitgehend den Charakter eines fakultativen Angebots. Ausnahmen bilden Berlin (West), Hamburg und Niedersachsen: Dort fand wahlobligatorischer Russischunterricht im Schuljahr 1987/ 88 bereits ab Klasse 7 statt (Rottmann 1988, 8f.). Das Unterrichtsfach Russisch hatte es auf Grund fehlender eigener Traditionen schwer, sich fachdidaktisch zu profilieren. Eine eigenständige und konsensfähige Konzeption ist bis weit in die 1980er Jahre schwer nachweisbar: Eine Betrachtung der Diskussion zu offensichtlich unterrichtsrelevanten Problemen des Faches, die u. a. in der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Zielsprache Russisch― 1 geführt wurde, bildet eine eher pluralistische Sicht auf Unterrichtsziele und Methoden ab: So finden sich noch in den 1980er Jahren Unterrichtsbeispiele (Keil 1988), die in Zielen und Verfahren Grammatik überbetonen (Merkmal einer Grammatik-Übersetzungs-Methode) neben solchen, die eine deutliche Hinwendung zu einer kommunikativen Orientierung von Zielstellungen in der Unterrichtspraxis erkennen lassen (Haagen 1986, 1988). In dem von Rottmann herausgegebenen Sammelband „Beiträge zur Didaktik und Methodik des Russischunterrichts― (1988) werden erstmals einige unterrichtsrelevante Positionen einer Konzeption für einen fertigkeitsorientierten Russischunterricht dargelegt. Rahmenrichtlinien und Lehrpläne für das Fach Russisch in einzelnen Bundesländern (z.B. Rahmenrichtlinien Russisch Niedersachen 1983, Lehrplan Russisch Rheinland-Pfalz 1986) haben orientierende Funktion bezüglich Zielstellungen und Auswahl von Unterrichtsstoffen. Ziele des Russischunterrichts sind in der Regel in den offiziellen Dokumenten im Bereich Sprache, Landeskunde und Literatur angesiedelt. So heißt es z.B. im Lehrplan Russisch Rheinland-Pfalz (1986, 33): „Der Lernbereich Sprache umfasst alle sprachbezogenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zu einem sicheren und situationsgerechten Umgang mit der russischen Sprache erforderlich sind―. Die Rahmenrichtlinien der Bundesländer enthalten häufig auch Hinweise zu Unterrichtsverfahren, deren Auswahl scheint wohl eher den Intentionen und praktischen Erfahrungen der jeweiligen Lehrplanverfasser zu folgen. Anfangs wurden im Russischunterricht vor allem sowjetische Lehrmaterialien eingesetzt, die die russische Sprache „adressatenneutral― vermittelten; eine Zusammenstellung der Lehrbücher gibt Rottmann (1988, 11f.). Die dort aufgeführten Lehrbücher von Steinbrecht (1986) und Denninghaus & Š ubik (1987) entsprachen nunmehr deutlicher der Lernerspezifik im Russischunter- 1 Die Zeitschrift erschien 1980 und wurde mit Heft 4/ 1993 eingestellt. Homburger Empfehlungen: Vorstellungen von einer sprachenteiligen Gesellschaft Fachdidaktik Russisch Ziele, Curricula, Lehrmaterialien <?page no="17"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 18 richt in Deutschland. In der Übersicht ist der Band 1 von Контакты (Zeller 1988) noch nicht enthalten, der eine deutliche Orientierung auf kommunikative Ziele aufweist. 2.2 Russisch als Schulfach in der DDR bis 1990 Die Geschichte des Russischunterrichts in der DDR ist untrennbar verbunden mit einem ausgesprochen engmaschigen Netz zentraler Vorgaben (Beschlüsse, Verordnungen, Anweisungen) und administrativer Bestimmungen, die vor allem aus der politisch-ideologischen und wirtschaftlichen Bindung an die Sowjetunion resultierten und die letztlich insgesamt zu einer sprachenpolitisch nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des Russischunterrichts im schulischen Fremdsprachenangebot führten. Die administrativen größtenteils deutlich aufeinander abgestimmten Maßnahmen erstreckten sich auf alle Bereiche, die die Gestaltung des Russischunterrichts beeinflussten und damit Rahmenbedingungen für das Schulfach schufen, so auf die Lehrplanentwicklung und die darauf aufbauende Lehrwerksentwicklung, das Angebot von Unterrichtsmitteln, die Ausgestaltung so genannter Fachunterrichtsräume, aber auch auf außerunterrichtliche und außerschulische Angebote zur Beschäftigung mit der russischen Sprache; sie bezogen sich des Weiteren auf die Lehrerausbildung und die Lehrerweiterbildung, auf Organisationsformen des Erfahrungsaustauschs unter Fachkollegen sowie die Entwicklung einer Fachdidaktik Russisch als Wissenschafts- und Lehrdisziplin. Auf diese Weise sollten politisch-ideologische Zielsetzungen, die an das Lernen und Lehren der russischen Sprache geknüpft wurden (z.B. die Anerkennung der unbedingten Vorbildrolle der Sowjetunion für die DDR), durchgesetzt werden. Doch bei aller Einbindung des Unterrichtsfaches in (letztlich nicht umsetzbare) strategische Überlegungen der Partei- und Staatsführung der DDR und der damit verbundenen politisch-ideologischen Überfrachtung des Schulfaches darf nicht übersehen werden, dass die Geschichte der Praxis und Theorie des Russischunterrichts in der DDR durchaus bewahrenswerte Elemente hervorbrachte. Mit dem „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule― wurde im Mai/ Juni 1946 erstmals in einer deutschen Gesetzgebung der Unterricht in einer fremden Sprache für alle Schüler ab Klasse 5 verbindlich (Schmidt 1984, 435). Damit wurde der Fremdsprachenunterricht, der bisher nur an höheren Schulen angesiedelt und damit selbstverständliches Bildungsgut ausschließlich für eine bürgerliche Elite war, Bestandteil der Allgemeinbildung. Das wesentliche Ziel des Fremdsprachenunterrichts bestand zunächst darin, „die jungen Menschen von chauvinistischem Gedankengut befreien zu helfen und sie zur Achtung fremder Völker und deren Kultur zu erziehen― (Böhme 1985a, 466). Während die ersten Stundentafeln noch die Möglichkeit zuließen, Russisch, Englisch oder Französisch zu lernen, wurde „im Interesse der Partei der Arbeiterklasse und der Deutschen Verwaltung ein möglichst weitverbreiteter Russischunterricht angestrebt― (ebd., 466). Zentrale Vorgaben für den Russischunterricht in der DDR Politisch-ideologische Zielsetzung: Anerkennung der Vorbildrolle der Sowjetunion 1946 erstmals Unterricht in einer Fremdsprache für alle Schüler ab Klasse 5 <?page no="18"?> 19 2. Russischunterricht in Deutschland nach 1945 Bis 1949/ 50 wurde diese Aufgabe weitgehend gelöst: 100 Prozent der Oberschüler (Klasse 9 bis 12) und 92,7% der Schüler der Klassen 5 bis 8 lernten Russisch (Böhme 1985a, 467). Unterrichtet wurde nach einheitlichen Lehrplänen, die bereits 1946 ausgearbeitet wurden und bis 1950/ 51 gültig waren (Röske 1984, 439). Die Folgelehrpläne spiegelten mit der Konzentration auf (lautes) Lesen und Übersetzen und der Überbetonung der Grammatik deutlich eine konzeptionelle Orientierung an der Grammatik-Übersetzungs-Methode wider. Die in diesem und allen weiteren Lehrplänen der DDR ausgewiesenen politischideologischen Ziele, die im Russischunterricht erreicht werden sollten, waren - von einigen Differenzierungen abgesehen - grundsätzlich auf die Erziehung der Schüler zur Freundschaft mit der Sowjetunion und die Anerkennung der Vorbildrolle der UdSSR durch die Schüler gerichtet (Lehrplan für die Grundschulen. Russisch 1951, 2f.). Die hohe Präsenz des Schulfaches Russisch führte schon in den ersten Jahren des Russischunterrichts vor allem Unterrichtspraktiker dazu, sich mit dem Gegenstand des Faches, seinen Zielen, auszuwählenden Inhalten und Methoden stärker auseinanderzusetzen. Ein Forum für entsprechende Diskussionen wurde 1948 mit der Herausgabe der Zeitschrift „Russischunterricht― geschaffen. Die Beiträge dieser Zeitschrift bildeten in den Folgejahren allmähliche Veränderungen in der Theorie und Praxis des Russischunterrichts ab: Diese bezogen sich auf die Überwindung einer für den Schulbetrieb überzogenen Behandlung der Grammatik, auf die Orientierung, Können vor allem im Sprechen und Hören zu entwickeln, und damit auch auf eine Abkehr von Verfahren des Übersetzens, die vordergründig im Unterricht dominierten. Dabei war eine Orientierung an der sowjetischen Fremdsprachenmethodik unverkennbar. Von großer Bedeutung für die Profilbildung des Faches Russisch und die Entwicklung einer eigenständigen Methodik waren die Arbeiten von Otto Hermenau (insbesondere 1953, 1955, 1960, 1963). Darin nimmt er erstmals eine Bestimmung des Begriffs Methodik des Russischunterrichts (1955, 38) vor, beschreibt Beziehungen der Russischmethodik zu Grundwissenschaften und arbeitet ein Begriffssystem aus, das regulierend im fachdidaktischen Diskurs wirkte. Wenn auch seine Ausführungen ideologische Positionen enthalten, die nur aus zeitgeschichtlichen Zusammenhängen heraus zu verstehen sind, ist dennoch seine uneingeschränkte Bedeutung für die Entwicklung der Russischmethodik als Wissenschaftsdisziplin anzuerkennen. Er hat entscheidend dazu beigetragen, • das für die deutsche Schule völlig neue Unterrichtsfach Russisch organisch in den Kreis der traditionellen neusprachlichen Unterrichtsfächer Englisch und Französisch einzugliedern, • die Methodik bzw. Didaktik des Russischunterrichts als einen pädagogischen Wissenschaftszweig der deutschen Fremdsprachendidaktik zu begründen und • möglichst solide Voraussetzungen für einen zielgerichteten, ergebnisorientierten Unterricht zu schaffen. (Kirschbaum 2001, 17) Diskussionen zu Theorie und Praxis des Russischunterrichts Otto Hermenau - Begründer der Russischmethodik als Wissenschaftszweig <?page no="19"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 20 In neuen Lehrplänen Ende der 1950er Jahre wurden Hermenaus theoretische Positionen von einem der Lebenspraxis stärker zugewandten Russischunterricht (1955, 25ff.) deutlich; in ihnen wird die planmäßige Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten insbesondere im Hören und Sprechen auf der Basis sicherer Kenntnisse postuliert. In einer weiteren Lehrplangeneration, deren Einzelpläne von 1968 bis 1971 schrittweise eingeführt wurden (Ziele/ Inhalte Russisch 1968), wird die Beherrschung der russischen Sprache nunmehr als ein wesentlicher Bestandteil der („sozialistischen―) Allgemeinbildung angesehen. Im Lehrplanwerk erfolgt eine Ausdifferenzierung und Präzisierung der Ziele zugunsten einer höheren kommunikativen Zielsetzung, die Böhme (1985b, 577) wie folgt zusammenfasst: 1. Sehr deutlich […] wird die sprachpraktische Orientierung bei Vorrangigkeit der Entwicklung des verstehenden Hörens und Sprechens (und folglich geringeren Anforderungen im Schreiben), wobei das stille Lesen in der Oberstufe zunehmend an Bedeutung gewinnt. Insbesondere erfolgt eine Neuproportionierung der Ziele entsprechend ihrer kommunikativen Relevanz und eine genauere Darstellung der Ziele im kommunikativen Können. 2. Es wird klar zwischen Ziel- und Mittlertätigkeiten unterschieden. 3. An Stelle des Übersetzens wird das sinngemäße Übertragen muttersprachig vorgegebener Aussagen gefordert. Das Herübersetzen wird nur noch in Verbindung mit dem stillen Lesen als Ziel betrachtet. 4. Konsequent wird die dienende Funktion der Kenntnisse hervorgehoben. 5. Erziehungsbereiche im Sinne der politisch-ideologischen, sittlich-moralischen, musisch-ästhetischen und intellektuellen Erziehung sowie erzieherische Potenzen des Unterrichtsstoffes werden genau umrissen. Erstaunlich kritisch und differenziert - so mutet es zumindest aus heutiger Sicht an - werden in der eingangs erwähnten Zeitschrift, die seit 1957 unter dem Titel „Fremdsprachenunterricht― erscheint, in Beiträgen zu unterschiedlichen Gegenständen Unterrichtsergebnisse im Fach Russisch kommentiert und Probleme der Unterrichtsgestaltung benannt (z.B. Böhme 1985b, 582; Seltmann 1974, 69; Serner 1974, 436ff.) In dieser Zeitschrift erfolgte auch mit einem Beitrag von Utheß der Aufruf, sich an der Diskussion zur Weiterentwicklung des Russischunterrichts zu beteiligen (1986, 515). Vor allem Fachberater, die in den jeweiligen Verwaltungskreisen für die fachliche Betreuung der Russischlehrkräfte zuständig waren, nutzten diese Möglichkeit. Der Meinungsaustausch war Auftakt für die Entwicklung des Grundkonzepts für eine weitere Lehrplangeneration (Utheß, S. & Utheß, H. 1987, 529ff.). Die darauf fußenden Entwürfe der Lehrpläne (LAPO 1987, 545ff.) werden zur Diskussion gestellt - damit deutet sich eine Form der Einbeziehung von Lehrkräften in die Lehrplangestaltung an, die bis dahin so nicht praktiziert wurde. Die geplante schrittweise Einführung dieser Lehrpläne beginnend mit dem Schuljahr 1988/ 89 (zunächst in Klasse 5 und 10) wurde durch die grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht mehr in ihrer Gesamtheit vollzogen. Weiterentwicklung der Ziele des Russischunterrichts Zeitschrift Fremdsprachenunterricht als Forum zum Meinungsaustausch und zur Weiterentwicklung des Unterrichts <?page no="20"?> 21 2. Russischunterricht in Deutschland nach 1945 Den knappen Überblick sollen folgende Ergänzungen abschließen, die sich auf unterschiedliche Aspekte der wechselvollen Gesamtsituation des Russischunterrichts in der DDR beziehen: 1. Sehr früh wurden adressatenbezogene Lehrbücher für den Russischunterricht herausgegeben (Heyer 1994), die für alle Schülerinnen und Schüler verbindliche Unterrichtsmittel waren und - mit der Existenz von einheitlichen Lehrplänen - auf deren Basis entwickelt wurden. Die Lehrbücher wurden seit Mitte der 1970er Jahre durch Unterrichtshilfen für die Hand des Lehrers ergänzt. Diese unterstützten gezielt die Lehrplanumsetzung. Ihre unterrichtspraktischen Vorschläge sollten nach Meinung der Autoren eigentlich empfehlenden Charakter haben, jedoch bewirkten ihre bis ins Detail ausgearbeiteten Unterrichtsaufrisse häufig deren unveränderte Übernahme - ungeachtet der konkreten Lernsituation vor Ort. Ergänzend zu den genannten Materialien wurden Bildmaterialien sowie auditive und audiovisuelle Unterrichtsmittel entwickelt. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Hör-Seh-Verstehens erlangte der mehrteilige Fernsehkurs „Мы говорим по-русски― für Klasse 9 und 10 (Günther 1972, Günther & Danders 1972), der seit Beginn der 1970er Jahre über das Zweite Programm des Fernsehens der DDR ausgestrahlt und direkt in Russischstunden übertragen wurde. Dazu wurden die Stundenpläne der Russischstunden an den Schulen mit großem logistischem Aufwand den Sendezeiten des Fernsehfunk-Kurses angeglichen. 2. Die administrative Führung des Russischunterrichts auf der Basis einheitlicher Lehrwerke ermöglichte zentrale Abschlussprüfungen am Ende der 10. Klasse und zentrale Abiturprüfungen im Fach Russisch sowohl im schriftlichen Bereich für alle Schüler als auch im mündlichen Bereich für Schüler, die dafür nach bestimmten Kriterien (z.B. bei Diskrepanz zwischen Vornote und Prüfungsnote) ausgewählt wurden. Prüfungsergebnisse waren Gegenstand von Analysen auf regionaler und zentraler Ebene. 3. 1952 wird erstmals Russischunterricht ab Klasse 3 ermöglicht. Dieser erweiterte Russischunterricht wird an einigen ausgewählten Schulen (hauptsächlich in Berlin) eingeführt (Röske 1984, 451), in den Jahren 1953 bis 1955 wird das Angebot an Schulen mit erweitertem Russischunterricht wesentlich vergrößert. Derartige Schulen bestanden bis 1990 in vielen Städten der DDR. Darüber hinaus gab es Spezialschulen für Russisch mit Internatscharakter (in Wiesenburg und Wickersdorf), in denen Schülerinnen und Schüler von Klasse 9 bis Klasse 12 durch verstärkten Russischunterricht (häufig von Muttersprachlern erteilt) auf einschlägige Studienrichtungen (auch auf ein Studium in der Sowjetunion) vorbereitet wurden. 4. Seit dem Schuljahr1964/ 65 gab es regelmäßig Wettbewerbe in der russischen Sprache für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler im Fach Russisch (Olympiade 1972, 190f.) Ihnen wurde die Möglichkeit geboten, an Russischolympiaden der DDR teilzunehmen. Die Qualifizierung dafür erfolgte über Schulolympiaden und Folgeausscheide auf Kreis- und Bezirksebene. Sieger dieser höchsten Olympiadestufe in der DDR hatten die Chance, zu Internationalen Russischolympiaden delegiert zu werden, die Bedenkenswerte Aspekte des Russischunterrichts in der DDR <?page no="21"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 22 im Dreijahres-Rhythmus von der Internationalen Vereinigung der Lehrkräfte für russische Sprache und Literatur (МАПРЯЛ) organisiert wurden. 2.3 Russischunterricht nach 1990 in den neuen Bundesländern - Neuorientierung Sich bereits Ende 1989 abzeichnende politische und gesellschaftliche Veränderungen in der DDR führten dazu, dass auch die Vorzugsstellung von Russisch als einziger Pflichtfremdsprache in DDR-Schulen von vielen Bürgern in Frage gestellt wurde, beispielsweise in Diskussionen an „Runden Tischen―. Besonders kritisch wurde die starke Einbindung des Faches in politischideologische Zielstellungen der Partei- und Staatsführung der DDR gesehen, kritisiert wurden aber auch die im Fach erzielten Ergebnisse. Es kam zur massiven Abwahl des Unterrichtsfaches, auf die bildungspolitisch reagiert werden musste. Empfehlungen einer vom Bildungsminister einberufenen Arbeitsgruppe waren deshalb darauf gerichtet, Vorschläge für eine veränderte Fremdsprachenausbildung ab Klasse 5 zu unterbreiten (Kirschbaum 1990, 57), die den Vorstellungen breiter Kreise der ostdeutschen Bevölkerung entsprachen. Darin waren auch Überlegungen zur Weiterführung eines Russischunterrichts eingebunden, für die engagierte Russischlehrkräfte - unterstützt durch Fachdidaktiker argumentierten (z.B. Mey 1992, Borgwardt 1991). Nach vollzogener Einheit und mit Gründung der neuen Bundesländer gab es bereits mit Beginn des Schuljahres 1991/ 92 neue Rahmenrichtlinien in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen für einen Russischunterricht, der an Gymnasien (wie in den alten Bundesländern), und - als Novum in der Bundesrepublik - auch an Sekundarschulen erteilt werden kann. Russisch hat darin in der Regel den Status einer zweiten (wahlobligatorischen) oder dritten Fremdsprache. Die Rahmenpläne orientierten sich zunächst deutlich in Zielstellung, Inhalten und im Aufbau an denen der alten Bundesländer. Eine gewichtige Rolle spielten auch die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Russisch (EPA 1989), die noch vor der Vereinigung in der BRD in Kraft getreten waren. Auf ihrer Grundlage wurden Mitte der 1990er Jahre länderspezifische Prüfungsanforderungen ausgearbeitet, die die Unterrichtsgestaltung vor allem in der Kursstufe an den Gymnasien beeinflussten (Niemeyer 1991, 455; vgl. auch Heyer 2013). Sie bildeten die Basis für die angestrebte bundesweite Angleichung und Vergleichbarkeit der Abiturabschlüsse. Grundlegende Veränderung der Gesamtsituation nach 1990 <?page no="22"?> 3. Rahmenbedingungen und Situation des Russischunterrichts in der Gegenwart Maßgeblichen Einfluss auf den gesamten Bereich des institutionellen Fremdsprachenlernens hatte das Erscheinen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. (Europarat 2001) als gemeinsame Basis für die Entwicklung von Curricula und Lehrmaterialien. Die seitdem in den Bundesländern in Kraft gesetzten neuen Rahmenpläne bzw. Bildungsstandards für Russisch orientieren sich in Struktur und Zielvorgaben am Kompetenzmodell sowie den Niveaustufen des GeR (s. Kap. II.2.) Gegenwärtig kann Russisch im fremdsprachlichen Profil der Schulen als 2., 3. oder 4. Fremdsprache vertreten sein, in Waldorfschulen sowie in wenigen Schulen mit speziellem Profil wird es als 1. Fremdsprache oder als Arbeitssprache im bilingualen Sachfachunterricht geführt. Eine Besonderheit stellen die Staatlichen Europa-Schulen Berlin (SESB) dar, ein Modell des zweisprachigen Unterrichts ab der 1. Klasse mit dem Ziel der integrierten Erziehung bilingualer Lerngruppen. Die Schüler werden nach dem Zweiweg-Immersionsmodell in zwei Sprachen (Erst- und Partnersprache) alphabetisiert und literalisiert und zu einem bilingualen Schulabschluss (nach der 10. und nach der 12. bzw. 13. Klasse) geführt. Die Sprachenkombination Deutsch-Russisch gehört zu den ersten drei bei Gründung der SESB 1992 vertretenen Sprachkombinationen und wird derzeit in zwei Grundschulen und einer weiterführenden Schule vertreten. Für den fremdsprachlichen Russischunterricht gelten heute die gleichen Anforderungen wie für alle im Sekundarbereich wählbaren Fremdsprachen. C2 Abitur in der SESB C1 angehende Russischlehrer (bis zum Beginn der schulpraktischen Ausbildungsanteile) B2 Sekundarstufe II B1 Sekundarstufe I RU als 2.FS Sekundarstufe II RU als 3./ 4. FS A2 A1 Abb. 1: Erreichte Niveaustufen der Sprachkompetenz im schulischen Russischunterricht und in der Lehramtsausbildung Russisch im fremdsprachlichen Profil der Schulen Anforderungen im Sekundarbereich <?page no="23"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 24 In 15 Bundesländern (außer Saarland) kann Russisch bis zum Abitur geführt werden. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung wurden 2004 neu gefasst und waren bis 2007 in den Ländern umzusetzen. Die Abiturprüfungen werden zunehmend auf der Grundlage zentral vorgegebener Aufgabenstellungen durchgeführt (Zentralabitur). Der Platz, den Russisch damit gegenwärtig im Gesamtkontext des Fremdsprachenunterrichts einnimmt, entspricht dem Grundgedanken des europäischen Mehrsprachigkeitskonzepts und schließt im Wesentlichen an die Idee eines sprachenteiligen Diversifikationsmodells an, wie es bereits in den Homburger Empfehlungen (Christ et al. 1980, 76f.) angestrebt wird. Nach Englisch, das als Fundamentalsprache für (fast) alle Schüler erste Fremdsprache ist und mittlerweile in der Primarstufe in der Regel ab Klasse 3 beginnt, besteht im Bereich der weiteren Fremdsprachen Wahlmöglichkeit: als internationale Verkehrssprachen sind dies insbesondere Französisch, Spanisch, Russisch, in geringerem Umfang Italienisch (in Österreich liegt Italienisch auf Platz 3 der am häufigsten gewählten modernen Fremdsprachen an allen höheren Schultypen). Obgleich diese Sprachen bildungspolitisch gleichberechtigt nebeneinander stehen, sind in der schulischen Praxis die Wahlmöglichkeiten durch die Fixierung auf Englisch als 1. Fremdsprache, die starke Tradition und die formal-administrative Begünstigung von Französisch und Latein immer noch erheblich eingeschränkt. Eine zeitgemäße Gestaltung des Fremdsprachenangebots wird in Zukunft zunehmend weitere Sprachen berücksichtigen müssen, die aufgrund ihrer geopolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung für Deutschland oder als Nachbar- oder Brückensprachen relevant sind. Nach den Lernerzahlen liegt Russisch seit 2003 konstant auf Platz 4 der modernen Fremdsprachen (nach English, Französisch, Spanisch), durch die starke Frequenz der alten Sprache Latein insgesamt auf Platz 5 der in Deutschland gelernten Schulfremdsprachen (bis 2003 noch vor Spanisch). Nach einem massiven Rückgang der Lernerzahlen ist seit dem Schuljahr 2009/ 2010 eine leicht positive Entwicklung zu verzeichnen. Allerdings ist wohl weiterhin davon auszugehen, dass „Deutschland im Hinblick auf den Russischunterricht an den Schulen auch heute noch ein geteiltes Land ist― (Hoffmann 2006, 119), die Lernerzahlen sind in den neuen Bundesländern wesentlich höher als im Gebiet der alten Bundesrepublik. Schuljahr absolut Veränderung in % Platz von Russisch in der Sprachenfolge 2000/ 2001 162 400 4 2001/ 2002 151 800 -6,5 4 2002/ 2003 145 300 -4,3 5 Das Unterrichtsfach im Gesamtkontext der schulischen Fremdsprachen Entwicklung der Lernerzahlen <?page no="24"?> 25 3. Rahmenbedingungen und Situation des Russischunterrichts in der Gegenwart 2003/ 2004 136 800 -5,8 5 2004/ 2005 132 100 -3,4 5 2005/ 2006 119 113 -9,8 5 2006/ 2007 108 975 -8,5 5 2007/ 2008 99 991 -8,2 5 2008/ 2009 99 884 -0,1 5 2009/ 2010 101 377 +1,5 5 2010/ 2011 104 464 +3,0 5 2011/ 2012 106 620 +2,1 5 Abb. 2: Schüler mit fremdsprachlichem Russischunterricht an allgemeinbildenden Schulen Deutschlands (Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland) An beruflichen Schulen sind die Zahlen deutlich geringer (5405 Schüler im Schuljahr 2011/ 12) mit der Folge, dass letztlich nur wenig berufsbezogene Sprachkompetenz ausgebildet wird. Auch an Hochschulen, privaten Sprachschulen, Weiterbildungseinrichtungen und Volkshochschulen werden Russischkurse angeboten. Hier sind vor allem die Niveaustufen A1-A2 nachgefragt, deren Hauptziel die Vermittlung einer grundlegenden kommunikativen Kompetenz in Alltagssituationen ist. Erheblich weniger Lerner besuchen die Kurse für höhere Niveaustufen. Verlässliche Zahlen liegen hierfür allerdings nicht vor. Wer beruflich vor der Notwendigkeit steht, Russischkenntnisse zu erwerben, nimmt dafür häufig privat Unterricht bei Muttersprachlern. Seit 1973 bietet das Russicum beim Landesspracheninstitut Bochum intensive und bei Bedarf individuelle Kurse an, deren Konzeption darauf ausgerichtet ist, in möglichst kurzer Zeit ein Maximum an kommunikativer Handlungsfähigkeit in der Sprache zu erwerben. Während im Bereich der universitären Ausbildung und der Erwachsenenbildung das Interesse für eine Fremdsprache stark durch berufspraktische Erwägungen determiniert ist, sind die Motive für die Fremdsprachenwahl bei Schülern vielfältig und können auch durch Faktoren wie Sympathien/ Antipathien gegenüber einer bestimmten Lehrperson, Wahlverhalten von Mitschülern, Selbstbild im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen u.ä. determi- Motivation zum Russischlernen <?page no="25"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 26 niert sein. In Bezug auf das Russische wirkt der ehemalige Status als Pflichtfremdsprache und die damit verbundene Ideologisierung des Russischunterrichts in einer ambivalenten gesellschaftlichen Akzeptanz und häufig emotional geprägten Ablehnung in Teilen der Elternschaft und bei Schulleitungen nach. Darüber hinaus wird aber immer die aktuelle Entwicklung in Russland selbst und in den deutsch-russischen Beziehungen für die Nachfrage nach Russischunterricht eine Rolle spielen. Gründe, die für eine Förderung des schulischen Russischangebots sprechen, leiten sich ab aus dem kommunikativen Wert der Sprache (dem so genannten Q-Value), als dessen Maß die Zahl der Sprecher in der Welt gilt, aber auch in welchem Umfang die Sprache als Fremdsprache insgesamt gelernt wird. Für das Russische gibt es je nach Quelle unterschiedliche Angaben. Karaulov (1997) geht von rund 163 Mio. Erstsprachlern und 70 Mio. Sprechern des Russischen als Zweit- oder Fremdsprache aus. Russisch ist Amtssprache in Russland und Weißrussland, offizielle Sprache in Kasachstan, Kirgistan und auf der Krim sowie Verkehrssprache in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In den Ländern des Baltikums gibt es russischsprachige Minderheiten, in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas war Russisch nach 1945 obligatorische Schulfremdsprache und wird ähnlich wie in den neuen Bundesländern nach einem zeitweiligen Rückgang wieder zunehmend gelernt. Zudem gibt es infolge von Migrationsprozessen große russischsprachige Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Ländern, z.B. den USA, Israel, Deutschland, Finnland, Tschechien. Russisch ist eine der sechs Amtssprachen der UNO und Arbeitssprache des Europarats (neben Deutsch und Italienisch). Die maßgebliche politische Absicht, das Erlernen der russischen Sprache sowie des Studiums der Literatur und Kultur Russlands zu fördern, wurde 2003 in Jekaterinburg in einem gegenseitigen Abkommen zwischen Deutschland und Russland erklärt. Darin verpflichten sich die Regierungen Deutschlands und Russlands zu „umfassenden Bemühungen um die Förderung des Erlernens der Sprache des jeweiligen Partners, zu größtmöglicher Unterstützung des Sprachunterrichts an Bildungseinrichtungen verschiedener Art sowie zur Verbesserung der Qualität des Deutschbzw. Russischunterrichts und die Erhöhung der Zahl der diese Sprachen Erlernenden (Sprachabkommen 2003). Infolge der Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte ist Russisch zu der nach Deutsch am meisten gesprochenen Sprache in Deutschland geworden (s. Anstatt 2011). Sie wird vor allem in Familien verwendet, die aus russischsprachigen Ländern stammen, wobei es sich hierbei im Hinblick auf sprachliche Sozialisation und Spracheinstellungen nicht um eine homogene Sprechergruppe handelt. Dazu gehören insbesondere Russlanddeutsche (Aussiedler, Spätaussiedler), jüdische Immigranten und weitere russischsprachige Zuwanderer. Anstatt (2011) geht von insgesamt ca. 4,5 Mio. Sprechern des Russischen in Deutschland aus (vgl. auch Brehmer 2007). Für die Vitalität der Sprache gibt es eine Reihe positiv wirkender Faktoren: • Ein großer Teil der Familienkommunikation findet auf Russisch statt. • Es gibt über den engsten Familienkreis hinaus Verwendungsmöglichkeiten für die russische Sprache in realen und virtuellen sozialen Netzwer- Gründe für Russisch in der Schule: der kommunikative Wert der Sprache Deutsch-Russisches Abkommen über das Erlernen der Sprache Die russische Sprache in Deutschland: meistgesprochene Migrantensprache <?page no="26"?> 27 3. Rahmenbedingungen und Situation des Russischunterrichts in der Gegenwart ken (Nachbarschaften, Freundeskreise, Geschäfte und andere Infrastruktur). • Der Zugang zu russischsprachigen Medien ist vielfältig gewährleistet. • Viele Russischsprecher haben eine enge Bindung an das Herkunftsland durch Kontakte zu nicht migrierten Familienangehörigen. Von der ersten zur zweiten Generation ist ein starker Integrationsschub in die aufnehmende Gesellschaft zu beobachten, der im Allgemeinen mit einem Rückgang der Sprache verbunden ist. Da aber das Russische für Jugendliche der zweiten Generation einen hohen ideellen Wert hat (Anstatt 2011), ist zu erwarten, dass weiterhin Interesse am Erhalt der Herkunftssprache besteht. Für einen umfassenden Erwerb der Herkunftssprache ist aber der Familienumkreis nicht ausreichend. Einrichtungen, die gezielt den Spracherwerb unterstützen, sind traditionell die so genannten Samstagsschulen. Zunehmend werden darüber hinaus durch private Initiativen Möglichkeiten der Sprachförderung in bilingualen Kindergärten und Schulen geschaffen (bislang hauptsächlich in größeren Städten). Ziel ist die Ausbildung eines kompetenten Bilingualismus auf der Grundlage der Integration in die Aufnahmegesellschaft und Stützung der Herkunftssprache (vgl. Esser 2006). Die rechtliche Lage und die praktischen Möglichkeiten für herkunftssprachlichen Unterricht (auch „muttersprachlicher Unterricht― genannt) in staatlichen Schulen sind in den Bundesländern unterschiedlich. Die Auswahlmöglichkeit der Herkunftssprache als zweite Fremdsprache ab der siebten Jahrgangsstufe ist allerdings sehr beschränkt. Die genannten Faktoren bedingen die besondere Situation des fremdsprachlichen Russischunterrichts, die keine der anderen 2./ 3. Fremdsprachen betrifft: Das Fach Russisch wird von einem hohen Anteil herkunftssprachlicher Lerner gewählt. Die didaktischen Konzepte des traditionellen Fremdsprachenunterrichts werden den Bedürfnissen dieser Lerner, die mit unterschiedlich ausgeprägten „Vorkenntnissen― in den Unterricht kommen, nicht gerecht. Da es schulorganisatorisch kaum Möglichkeiten zur äußeren Differenzierung gegenüber Lernern ohne jegliche Vorkenntnisse gibt, stehen Lehrkräfte vor der Aufgabe in hohem Maße binnendifferenziert zu arbeiten. Vielfältige praktische Erfahrungen in diesem Bereich sind bislang nur ansatzweise aufgearbeitet und theoretisch begründet (vgl. Mehlhorn 2011, Bergmann 2014, Maier 2014). Als Fazit lässt sich feststellen, dass die Perspektiven des schulischen Russischunterrichts durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sind und sich nicht allein aus dem ohne Zweifel vorhandenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarf an Sprachkenntnissen und einem daraus erwachsenden berufspraktischen Nutzen des Russischlernens (ersichtlich z.B. aus sprachlichen Anforderungen in Stellenausschreibungen) ableiten. Wichtig ist, dass das Fach zu einem neuen gesamtdeutschen Selbstverständnis findet, die Nachwirkungen der unterschiedlichen Ost-West-Tradition überwindet und seinen Platz im Gesamtkontext des schulischen Fremdsprachenangebots definiert. Diese Aufgabe stellt sich vor allem den Fachverbänden, die die Interessen der Russischlehrkräfte vertreten. 1962 wurde der Deutsche Russischlehrerverband (DRLV) gegründet, der nach 1990 die Gründung von Landesverbänden in den neuen Bundesländern unterstützte. Seit Interesse am Erhalt der Herkunftssprache Russisch Eine besondere Situation: herkunftssprachliche Lerner im Russischunterricht Perspektiven für das Unterrichtsfach Russisch <?page no="27"?> I. Bedingungen des Russischlernens in Geschichte und Gegenwart 28 2008 gibt es den Fachverband Russisch und Mehrsprachigkeit (RuM), der die Interessen des Fachs Russisch auch im Gesamtverband Moderne Fremdsprachen (GMF) vertritt. Beide Fachverbände sind Mitglied in der Internationalen Assoziation der Russischlehrkräfte МАПРЯЛ (Международная Ассоциация преподавателей русского языка и литературы; 1968 gegründet). Für das Fach Russisch gibt es eine Reihe außerunterrichtlicher Aktivitäten, an denen Akteure in Deutschland und Russland beteiligt sind und deren Durchführung maßgeblich von Russischlehrkräften getragen wird. Das sind im Einzelnen: • Prüfungen zum TRKI-Zertifikat (Тест по русскому языку как ино странному): eine 1998 durch staatlichen Erlass etablierte Zertifikatsprüfung Russisch auf verschiedenen Niveaustufen, die erstmals 2001 in Deutschland durchgeführt wurde und auch für Schüler angeboten wird. • Russisch-Olympiaden auf Schul-, Landes-, Bundesebene. Die Besten der Bundesolympiade werden zu der alle drei Jahre stattfindenden Internationalen Olympiade nach Moskau delegiert. • Schulpartnerschaften, Schüleraustausch • Bundescup „Spielend Russisch lernen― • Bundeswettbewerb Fremdsprachen Nicht zuletzt wird die Entwicklung der Schulfremdsprache Russisch von der Attraktivität des Unterrichts und dem Engagement der Russischlehrer abhängen. Oftmals in der Geschichte des Russischunterrichts war der Mangel an qualifizierten Russischlehrern ein gravierendes Hindernis für den Ausbau des Faches (vgl. Basler 1987, Mitter 1964). Daher ist es notwendig, an den slawistischen Instituten im Interesse des eigenen Nachwuchses die Belange der Lehramtsausbildung systematisch zu berücksichtigen. Die Fachdidaktik wird dabei nicht nur die Ausbildung künftiger Lehrkräfte im Blick haben müssen, sondern sich ebenso um die Vernetzung aller Ausbildungsphasen und die Weiterbildung der Lehrer bemühen. Aufgaben 1. Wie hat sich Russisch als Schulfach in beiden deutschen Staaten entwickelt? Wie begründen Sie den jeweils unterschiedlichen Status des Faches? 2. Welche Vorstellungen zur Gestaltung einer sprachenteiligen Gesellschaft werden in den „Homburger Empfehlungen― entwickelt? Inwieweit sind die Vorschläge heute Realität? 3. Welche grundlegenden Veränderungen hat es nach 1990 für das Schulfach Russisch im Osten Deutschlands gegeben? 4. Da die Fremdsprachenfolge an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland nicht einheitlich geregelt ist, bestehen hier große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Informieren Sie sich über die Wahlmöglichkeiten in Ihrem Bundesland! 5. Führen Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis eine kleine Umfrage durch, welche Fremdsprachen heute vor allem in der Schule gelernt wer- <?page no="28"?> 29 3. Rahmenbedingungen und Situation des Russischunterrichts in der Gegenwart den sollten. Diskutieren Sie die Ergebnisse in der Gruppe und vergleichen sie mit den realen Wahlmöglichkeiten! Diskutieren Sie, welche Motive, Einstellungen und Zielsetzungen mit der Entscheidung für das Lernen einer Fremdsprache verbunden sein können. Weiterführende Literatur Anstatt, T. (2011): „Russisch in der zweiten Generation. Zur Sprachsituation von Jugendlichen aus russischsprachigen Familien in Deutschland―. In: Eichinger, Ludwig M. & Plewnia, A. & Steinle, M. (Hrsg.): Sprache und Integration. Über Mehrsprachigkeit und Migration (Studien zur deutschen Sprache 57). Tübingen, 101-128. Christ, H. (1980): „Ein Vorschlag zur Veränderung der Schulsprachenpolitik: Die Homburger Empfehlungen―. In: Neusprachliche Mitteilungen 33/ 2, 97-99. Hoffmann, E. (2006): „Slawischer Fremdsprachenunterricht im deutschsprachigen Raum vor 1945―. In: Doff, S. & Wegner, A. (Hrsg.): Fremdsprachendidaktik im 20. Jahrhundert. Konstitutierung einer wissenschaftlichen Disziplin im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. (MAFF, Bd. 15), 123-140. Pavlenko, A. (2008): ―Russian in post-Soviet countries‖. [Русский язык в постсоветских странах]. In: Russian Linguistics 32(2008), 59-80. Schröder, K. (2014): „ Es gibt für die Deutschen Gründe genug, Russisch zu bewahren und zu lernen: Russisch als Herkunftssprache und als Nachbarsprache im Rahmen einer gestuften europäischen Mehrsprachigkeit―. In: Bergmann, A. (Hrsg.): Kompetenzorientierung und Schüleraktivierung im Russischunterricht. (Kolloquium Fremdsprachenunterricht 49). Frankfurt/ M. Peter Lang, ersch. 2014. <?page no="30"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch Dieses Kapitel führt in die theoretischen Grundlagen der Fachdidaktik Russisch ein. Zunächst wird ein Postulat für den wissenschaftlichen Zuschnitt von Fremdsprachendidaktik im Allgemeinen formuliert. Danach werden am Beispiel des Russischen als Fremdsprache (für deutsche Lerner) wichtige Aspekte des Lehr-Lern-Gefüges Russischunterricht, d.h. des Praxisfelds der Fremdsprachendidaktik Russisch, beschrieben. Dies geschieht v.a. mit Blick auf verschiedene Lehroptionen, um einen ersten orientierenden Überblick über die diversen Handlungsmöglichkeiten zu geben, die dem Unterrichtenden für die Vermittlung des Russischen zur Verfügung stehen. Die vorgestellten Lehralternativen werden dabei lernwissenschaftlich begründet, um eine Vorstellung von fachdidaktischer Theoriebildung zu vermitteln. In einem zweiten Abschnitt werden die bildungstheoretischen Bezüge und bildungspolitischen Steuerungsinstrumente beschrieben, die makroperspektivisch die Handlungsbedingungen im Praxisfeld Russischunterricht determinieren. Dies wird von der Ebene der europäischen Sprachpolitik ausgehend über nationale bildungspolitische Vorgaben hin zu den Prinzipien eines zeitgemäßen Russischunterrichts geführt. Dabei wird verdeutlicht, wie sich das Kompetenzmodell des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens in den Kompetenzmodellen der nationalen Standards und Rahmenpläne fortsetzt. <?page no="31"?> 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung für das Praxisfeld Russischunterricht Klaus Hartenstein 1.1 Ein wissenschaftliches „Kredo“ für die Fremdsprachendidaktik Die Fremdsprachendidaktik liefert die wissenschaftliche Grundlage für das Praxisfeld der institutionellen Fremdsprachenvermittlung. Unabdingbare Voraussetzung ist die empirische Erforschung des Lernens. Man muss wissen, wie Fremdsprachen gelernt werden, um Lehre darauf abstimmen und durch sie möglichst effektive Lernprozesse auslösen zu können. Vermittlungsbemühungen, die sich diesen Grundsatz zueigen machen, stellen die Lern(er)zentrierung oder -orientierung der Fremdsprachenlehre sicher (Bausch & Krumm 2003, 4; Edmondson & House 2006, 4f.). Diese Fachdidaktik Russisch, verstanden im Sinne einer didaktische und methodische Aspekte integrierenden wissenschaftlichen Disziplin (Kron 1994, 39), macht sich diese Programmatik zueigen 1 . Einer vollumfänglichen Realisierung des o.g. Kredos sind allerdings Steine in den Weg gelegt. Die Fremdsprachenforschung kann wegen der Komplexität dessen, was vor sich geht, wenn man eine Fremdsprache erlernt, bislang keine ausformulierte, empirisch abgesicherte und allgemein anerkannte Theorie des Fremdsprachenerwerbs vorlegen. Es fehlt an einer klaren Antwort auf die Frage, wo genau die Möglichkeiten bzw. Grenzen der unterrichtlichen Steuerung des Fremdsprachenlernens liegen. Ein Zugriff ist nur indirekt möglich, da die kognitive Basis dieser Tätigkeit, die mentalen Prozesse, die im Lerner ablaufen, sich der unmittelbaren Beobachtung entzieht. Dies hat Konsequenzen für die wissenschaftliche Erforschung des Fremdsprachenlernens und für die an sie anknüpfende Lehrpraxis. In einer lernerzentrierten Sprachlehre ist man auf Indikatoren für potenzielle Lernprozesse angewiesen, die „Fenster― zum prozeduralen lernersprachlichen Wissen sind. Besonders aussagekräftig sind sprachbzw. erwerbsbezogene Lernerfragen des Typs „Warum heißt es Мне семнадцать лет und nicht годов? ―, „Wie soll ich mir diese vielen Endungen eigentlich merken? ― Sie sind direkt zugängliche Verbalisierungen bewusster Lernhandlungen und stellen natürliche, nicht durch ein speziell arrangiertes Untersuchungsverfahren elizitierte Lernprozessdaten dar (Eckerth 1998, Raabe 1989, 195f., 1992). Dadurch werden sie zu Anknüpfungspunkten für die Fremdsprachenlehre, die gezielt auf das entsprechende Lernproblem eingehen kann. Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Fremdsprachenlernen stehen verschiedene, aus der Kognitionspsychologie und den empiri- 1 Vgl. Henrici (2000) und Vogel & Bahns (2001) zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der z.T. immer noch gängigen fremdsprachendidaktischen Praxis, Lehrmaßnahmen ohne eine Anbindung an lernwissenschaftliche Befunde zu verbreiten. Empirische Erforschung des Lernens für eine wissenschaftliche Begründung des Praxisfeldes Russischunterricht Lernerfragen sind Indikatoren für Lernprozesse. <?page no="32"?> 33 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung schen Sozialwissenschaften stammende Instrumente zur Verfügung, die, zur Erkenntnissteigerung miteinander kombiniert, in einem mehr-methodischen Zugriff eingesetzt werden; neben ethnographischen Zugriffen, v.a. Unterrichtsbeobachtungen, auf Introbzw. Retrospektion abzielende Zugriffe, v.a. Sprachlernbiographien, Lautdenkprotokolle, Interviews, Fragebögen (Dörnyei 2003, Grotjahn 2003a, Heine & Schramm 2007). Bemühungen um eine lernwissenschaftliche Begründung von Fremdsprachenlehre können vorerst nur aus verschiedenen vorliegenden, gezwungenermaßen fragmentarischen Ansätzen zu einer Fremdsprachenerwerbstheorie erfolgen. Das Fehlen eines umfassenden Erklärungsansatzes für das Fremdsprachenlernen bedeutet jedoch nicht, in einem „theoriefreien― Raum lehren zu müssen. Je nach der Phase des Lernprozesses, z.B. Neulernen oder Automatisierung zielsprachlichen Wissens, die durch Lehre angestoßen und gesteuert werden soll, lassen sich die entsprechenden Handlungen durch Konzepte aus unterschiedlichen erwerbstheoretischen Ansätzen begründen. Für das Neulernen von bestimmten Erscheinungen der zielsprachlichen Grammatik, z.B. der Verwendung der (un)bestimmten Bewegungsverben des Typs идти/ ходить, lässt sich eine mögliche Lehrhandlung, die Anbahnung selbst entdeckenden Lernens aus dem Lernersprachenansatz motivieren. Lehrseitig wird diese initiiert durch entsprechende Auswahl, Anordnung und Präsentation der zu vermittelnden Strukturen sowie begleitet durch kognitivierende Lehrmaßnahmen (s. II, 1.2.2.); vgl. z.B. die Sätze 1. Куда ты идёшь? - На работу. und 2. После обеда мы долго ходили по магазинам., präsentiert mit der Anregung, für die Ermittlung der Gebrauchsregularitäten der beiden Verben auf kontextuelle lexiko-grammatische Indikatoren zu achten. Dieses Lehrverfahren kann zu einer tieferen Verarbeitung der zielsprachlichen Struktur führen: Über die bewusste Wahrnehmung neuer Erscheinungen zu deren Integration als analysiertes Wissen in den vorhandenen lernersprachlichen Besitz. Der Lerner muss die grammatische Analyse weitgehend selbst vornehmen und eigene Wissensressourcen aktivieren, mit nur geringen Anteilen an lehrseitiger Steuerung, hier die o.g. Instruktion und ein geeignetes Feedback auf die Lernprodukte. Ein zusätzlicher affektiver Faktor kann diesen kognitiven Prozess unterstützen, indem er für weitere Lernaktivitäten motivationsfördernd wirkt und die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts fördert, denn Selbstentdecktes schreibt der Lerner primär seinen eigenen erfolgreichen Bemühungen zu. Für die Automatisierungsphase, d.h. das sichere und rasche Anwenden bzw. Abrufen des neu erworbenen Wissens, bietet sich indes die Lehrhandlung an, (quasikommunikative) Strukturübungen nach dem pattern drill- Muster durchzuführen, z.B. des Frage-Antwort-Typs: Geben Sie eine positive Antwort, indem Sie gemäß dem angeführten Muster ein Bewegungsverb gebrauchen: Вы были на Франкфуртской книжной ярмарке? - Да, я ездил туда в четверг. 1. Вы были на дне рождения тёщи? - Да, мы ходили туда с мужем. 2. ... Die entsprechende erwerbstheoretische Begründung lässt sich aus der behavioristischen Lerntheorie ableiten, die Fremdsprachenlernen als Verhaltens- Kombination verschiedener Erklärungsansätze für eine lernwissenschaftliche Begründung von Fremdsprachenlehre <?page no="33"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 34 konditionierung durch imitatives Lernen auffasst und insb. der audiolingualen Fremdsprachenlehrmethode zugrunde liegt (Lado 1964, Neuner 2003, 228f.; Rivers 1972). Die von ihr geförderte, auf Kontrolle über das Sprachwissen abzielende Schaffung einer stabilen Assoziation zwischen einem gegebenen Stimulus und einer erwünschten Reaktion ohne Beteiligung des bewusst begrifflich gliedernden Verstands ist durchaus vereinbar mit kognitiven, die Sprach(lern)bewusstheit fokussierenden Lerntheorien (s. 1.2.2). Der schnelle Abruf von neu gelerntem, durch Aufmerksamkeitslenkung erworbenem explizitem Wissen wird dadurch erzielt, dass durch seinen wiederholten, formale und kommunikative Aspekte der Zielsprache übenden Gebrauch die entsprechenden Zugriffspfade im Lernergedächtnis stabilisiert und ihre Aktivierungsmuster routinisiert werden, so dass dessen Anwendung, z.B. für die Fertigkeit Sprechen, „flüssig(er)― wird. 1.2 Theoretische Aspekte des Lehrens und Lernens für das Praxisfeld Russischunterricht Fremdsprachenlernen hat einen dialektischen Charakter. Es ist einerseits durch ein Wechselspiel von äußerlich manifesten sozialen Interaktionen gekennzeichnet, das im schulischen Kontext auf der Achse Lehrer - Lerner bzw. Lerner - Lerner stattfindet und andererseits durch nicht direkt beobachtbare lernerseitige Wissensverarbeitungsprozesse markiert. Daher ist es für die wissenschaftliche Erklärung des (gesteuerten) Fremdsprachenerwerbs sinnvoll, interaktionale, d.h. den Lerner und seine Lernumwelt betreffende, und kognitive, d.h. auf die im Lerner ablaufenden Wissensverarbeitungsprozesse abzielende Aspekte zu integrieren. Für eine fremdsprachendidaktische Theorie, die den potenziellen Wirkungszusammenhang zwischen lehrseitiger Wissensvermittlung und lernerseitiger Wissenskonstruktion erklären will, liegt ein Zuschnitt nahe, der durch einen interdisziplinären, d.h. Erkenntnisse insb. aus Linguistik und Psychologie sowie Pädagogik und Soziologie berücksichtigenden, und einen integrativen, d.h. die Spezifik des (unterrichtlichen) Lehr-Lern-Gefüges von Fremdsprachen betrachtenden Ansatz gekennzeichnet ist. Ein solcher, die engen fachwissenschaftlichen Grenzen überschreitender Zugriff ist der der Fremdsprachenforschung, der modernen Fremdsprachendidaktik bzw. der Sprachlehr(und Lern)forschung (Decke- Cornill & Küster 2010, 3; Edmondson & House 2006, 12-18; Timm & Vollmer 1993). Die Notwendigkeit, einschlägige Befunde, Modelle und Theorien aus den genannten Bezugswissenschaften zu berücksichtigen und zusammenzuführen, ergibt sich aus den drei Hauptforschungsfragen, die die lehrseitige Steuerung von fremdsprachlichen Lernprozessen aufwirft: • Was wird gelernt, und was kann bzw. soll entsprechend gelehrt werden? • Wie wird gelernt, und wie kann Lehre diese Prozesse anbahnen, unterstützen und fördern? • Warum gibt es individuell unterschiedliche Lernwege, und wie kann Lehre an diese anknüpfen? Interdisziplinärer Zuschnitt der Fremdsprachenforschung Hauptforschungsfragen für die Steuerung von Lernprozessen <?page no="34"?> 35 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung In einer ersten Annäherung kann Fremdsprachenlehre, d.h. die pädagogisch beabsichtigte, geplante Steuerung von möglichst erfolgreichen Lernprozessen einer Zielsprache in einem institutionalisierten Lehr-Lern-Kontext; vgl. die Definition von schulischem (Fremdsprachen)Unterricht in Terhart (1997, 134), aus einer Mikroperspektive auf die Kernkomponenten der unterrichtlichen Vermittlungssituation betrachtet werden, die durch drei Faktoren und ihre Wechselbeziehungen gekennzeichnet sind (vgl. das didaktische Dreieck in Decke-Cornill & Küster 2010, 2), • die beiden personalen Aktanten Lehrer und Lerner; • die durch deren soziale Rollen vorgegebenen Handlungen Lehren und Lernen; • den Lehrstoff, verstanden primär als zielsprachliche Einheiten und Strukturen und sekundär als Lernerstrategien sowie landeskundlichbzw. kulturbezogenes Wissen. (Zur Makroperspektive institutioneller Fremdsprachenlehre, d.h. ihren sozioökonomischen und sprachenbzw. bildungspolitischen Rahmenbedingungen s. Kap. II.2.). Wegen der starken interindividuellen Variation von Lernereigenschaften ist die Komplexität der unterrichtlichen Lehr-Lern-Situation hoch. Ein vergleichender Blick auf den Erstspracherwerb und das Fremdsprachenlernen mag dies verdeutlichen (Apeltauer 1993, Edmondson 1999, 33ff.; Saville- Troike 2005, 16ff.). Eine Erstsprache wird, ein ausreichendes Sprachangebot sowie keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorausgesetzt, von allen Individuen unausweichlich und erfolgreich erworben. Dieser Prozess läuft im frühen Kindesalter ohne besondere Mühe unbewusst ab und führt zu einem mündlich verfügbaren Kernrepertoire an sprachlichen Mitteln. Der Erwerb mehrerer Erstsprachen ist in diesem Stadium möglich. Kompetenzzuwachs, insb. durch die schulische Sozialisation gefördert, ergibt sich danach v.a. im Wortschatz und in Bereichen, die über die Grundgrammatik hinausgehen, sowie in der Ausbildung von Lesen und Schreiben. Fremdsprachenlernen hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass es fast nie zu einer muttersprachlichen Kompetenz führt. Die Lerner bringen aufgrund ihrer persönlichen Lernerfahrungen und Sozialisationsverläufe unterschiedliche Voraussetzungen mit. Dies gilt besonders für spät beginnende Fremdsprachen, zu denen das Russische im deutschen Bildungssystem gehört. Aufgrund migrationsbedingter Veränderungen der Lernerschaft kommt für den Russischunterricht in Deutschland noch erschwerend hinzu, dass er als Fremdsprachenunterricht mittlerweile immer mehr die Aufgaben eines herkunftsbzw. muttersprachlichen Förderunterrichts übernehmen muss. Er wird von großen Teilen bibzw. semilingualer Schüler besucht (Anstatt & Dieser 2007, Brehmer 2007, genauer dazu s. auch: I.3). 1.2.1 Individuelle Lernervariablen Die den Lerner als Individuum kennzeichnenden Eigenschaften werden in der Fremdsprachenforschung unter der Sammelbezeichnung Lerner- oder Persönlichkeitsmerkmale zusammengefasst. Diese Variablen sind biologi- Faktoren des komplexen Lehr-Lern- Gefüges Interindividuelle Variation in institutionellen Lehr- Lern-Situationen <?page no="35"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 36 scher, insb. Alter, sowie affektiver und kognitiver Natur, sie umfassen erworbene sozialisations- und kulturspezifische sowie angeborene Eigenschaften, z.B. Motivation, Einstellungen, Selbstkonzept, Lernstile und -strategien (Vollmer et al. 2001, Edmondson & House 2006, 173ff., 187ff.; Grotjahn 1988, Riemer 1997, 1ff., 2009; Saville-Troike 2006, 81ff.; Skehan 1991, 1998). In ihren verschiedenen Ausprägungen machen sie die idealisierten Lernertypen aus. Lernermerkmale sind, z.T. mit heterogenen Befunden, von der Fremdsprachenforschung intensiv untersucht worden, denn sie werden in ihrem Zusammenspiel als die entscheidenden Einflussfaktoren für individuelle Unterschiede im Lernerfolg angesehen, den Lerner trotz gleicher Lernbedingungen erzielen. Lernwissenschaftlich von Interesse ist, welches Merkmal sich wie auf den Fremdsprachenerwerb auswirkt und dabei mit welchen anderen in einen Wirkungszusammenhang tritt. Lehrwissenschaftlich stellt sich die Frage, inwieweit Fremdsprachenvermittlung Lernermerkmale berücksichtigen soll bzw. kann. Zu den o.g. Lernermerkmalen und ihren Interdependenzen sollen exemplarisch einige Erkenntnisse der Fremdsprachenforschung angeführt werden. 2 1. Alter: Jugendliche und Erwachsene lernen in gesteuerten Erwerbskontexten tendenziell stärker kognitiv, da ihre Analysefähigkeit größer ist. Fremdsprachlicher Frühbeginn ist nur im natürlichen Erwerbskontext von Vorteil, denn die Lerngeschwindigkeit ist höher, wegen weitaus häufigerem Vorkommen von Fossilisierung aber nicht unbedingt das finale Beherrschungsniveau. Für den „akzentfreien― Erwerb der Aussprache existiert offenbar eine optimale Phase, die spätestens mit der Pubertät endet, aber, z.B. motivationsbedingt, einen normgerechten Ausspracheerwerb in folgenden Altersstufen nicht ausschließt (Grotjahn 2003b, 2005, Singleton 2001). 2. Motivation : Sie bestimmt den Aufwand an Lernerenergie, den ein Lerner bereit ist, zu leisten, und wird über ein Bündel von interagierenden kognitiven und affektiven Faktoren konzeptualisiert (William & Burden 1997). Gardner definiert Motivation, allerdings mit Blick auf den ungesteuerten Zweitsprachenerwerb, als „... motivation involves four aspects: a goal (= Motiv, Orientierung; K.H.), effortful behaviour, a desire to attain the goal in question, and favourable attitudes towards the activitiy in question― (Gardner 1985, 50) und unterscheidet zwischen der integrativen, d.h. dem Motiv, sich mit der zielsprachlichen Kultur zu identifizieren, z.B. indem man deren Literatur lesen kann, und der instrumentellen Motivation, d.h. rein utilitaristischen Orientierungen, z.B. eine bestimmte Sprache zu lernen, um damit im Beruf erfolgreich zu sein (Edmondson & House 2006, 198ff.). Für den gesteuerten Fremdsprachenerwerbskontext greift dieser statische Motivationsbegriff zu kurz, wie Dörnyei (1990, 1998, 2001a) mit seiner die drei Ebenen Fremdsprache, Lernermerkmale und Lernsituation integrierenden Motivationstheorie zeigt (Kleppin 2001/ 2, Riemer 2001a). Er weist nach, dass Gardners Dichotomie einsei- 2 Vgl. zu Geschlecht und Sprachlerneignung Saville-Troike (2006, 84f.), Riemer (2009), zum Konstrukt Feld(un)abhängigkeit und seiner Relevanz für die Begründung von Lernstilen Riemer (1997, 63ff.). Kategorien individueller Lernerpersönlichkeitsmerkmale Motivation hat viele Aspekte <?page no="36"?> 37 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung tig das Lernpotenzial der integrativen Motivation betont (Riemer 1997, 10ff.), die interindividuell und lernphasenübergreifend starke Variation von Motivation ausblendet und den Einfluss insb. der Bedingungsfaktoren der schulischen Lern-Lehr-Situation, d.h. von Lehrmethoden, -materialien, Lehrerpersönlichkeit (von kontrollierend-autoritär bis Autonomie unterstützend), von Gruppenfaktoren, z.B. soziales Klima, kooperative Arbeitsformen u.ä., unberücksichtigt lässt. In Dörnyei (2001b, 136ff.) werden differenzierte lehrseitige Motivierungsstrategien für den Fremdsprachenunterricht beschrieben, die den Bogen von Voraussetzungen für lernfördernde Motivationsbedingungen, über die Schaffung einer Anfangsmotivation und ihrer Aufrechterhaltung zu einer lernerseitigen Selbstattri-buierung des Lernfortschritts spannen. Mit der Untersuchung von Motivation im unterrichtlichen Lehr-Lern-Gefüge, das Lernfortschritt über Leistungsmessung erfasst, musste die Fremdsprachenforschung auch eine Lösung für die lange bestehende Kontroverse von Resultatbzw. Kausal-hypothese finden. Sie ist dem heuristischen Zirkel zwischen Motivation und Lernerfolg geschuldet, den Edmondson (1999, 141) wie folgt beschreibt: „How far is learning success (or lack of it ...) the result of a specific kind of motivation (amongst other things, of course), and how far is it maybe also a cause of a specific kind of motivation? ― Mit Hilfe der (tendenziellen) Unterscheidung zwischen lernerseitig vorgenommener Selbstattribuierung von Lernerfolg, z.B. wegen intensiven Lernens, guten Zeitmanagements und positiven Selbstkonzepts (s. 4), im Ggs. zur Fremdattribuierung des Lernfortschritts, z.B. wegen des guten Lehrers, der hohen Stundenzahl, kann erklärt werden, dass Motivation beim Lerner v.a. dann entsteht, wenn er sich den Lernfortschritt (primär) selbst zuschreibt (Riemer 2001a). 3. Einstellungen: Sie bilden im Laufe der Sozialisation erworbene, relativ stabile Verhaltensdispositionen, die wertend auf ihre Bezugsobjekte gerichtet sind. Sie können neutral, negativ oder positiv sein und sich beim Fremdsprachenlernen darin äußern, dass z.B. Grammatik(unterricht), insb. von jungen Adressaten, als „trocken―, d.h. monoton, sinnentleert oder schwer verständlich empfunden wird (Zimmermann 1991). Erwachsene Lerner haben meist eine positive Einstellung (Quetz 1991). Lerner können u.U. Fehlerkorrekturen von Mitlernern (im Ggs. zu lehrerinitiierten) wegen des ungewohnten Korrekturverfahrens oder rollenbedingt ablehnen (Edge 1990, Kleppin 2003), erwachsene Lerner empfinden spielerische Phonetikübungen zuweilen als infantilisierend (Grotjahn 1998). 4. Selbstkonzept: Es umfasst ein Bündel von Vorstellungen über die eigene Lernerpersönlichkeit, die sich u.a. aus Mitteilungen von Personen aus dem sozialen Umfeld, dem Vergleich zwischen sich und anderen sowie dem Bewerten eigenen Handelns ergeben. Das fremdsprachenspezifische Selbstkonzept kann durch ein positives Selbstbewusstsein geprägt sein, d.h. die „... Bereitschaft, sich kommunikativ zu engagieren und zur Erreichung dieser Ziele Sprach(lern)anstrengungen zu unternehmen.― oder als negative Gegenausprägung durch Sprachangst (Ängstlichkeit) „... nicht nur vor Sprachfehlern, sondern auch vor dem Nichterfüllen von Kommunikationsbedürfnissen― (Hufeisen 2003, 8). Beide Formen des Selbstkon- <?page no="37"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 38 zepts können sich ambivalent auswirken, lernfördernd, z.B. verstärktes Lernen zur Überwindung der Angst, oder lernhemmend, z.B. Verzicht auf Lernanstrengungen wegen als ausreichend eingeschätzter fremdsprachlicher Kompetenz (Edmondson & House 2006, 209f.; Riemer 1997, 16ff.). 5. Lernstil (kognitiver Stil): Er setzt sich zusammen aus „... intraindividuell relativ stabilen, zumeist situations- und aufgabenunspezifischen Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung (Aufnahme, Strukturierung, Speicherung, ...) von Informationen als auch bei der sozialen Interaktion― (Grotjahn 1988, 11). Er kann sich auf verschiedene Lernbereiche beziehen, die erwähnten kognitiven und sozialen sowie auf Unterschiede im physiologischen, affektiven und exekutiven Herangehen an das Fremdsprachenlernen (Oxford & Anderson 1998), und in seinen unterschiedlichen Ausprägungen Lerner über ihre bevorzugten Lernneigungen charakterisieren, z.B. als analytisch bzw. holistisch vorgehende, introbzw. extrovertierte, das Risiko, Fehler zu machen, vermeidende, weil auf formale Korrektheit (accuracy) orientierte bzw. Fehler in Kauf nehmende, weil Kommunikativität (fluency) anstrebende, lieber alleine bzw. in kooperativen Sozialformen lernende, visuell bzw. auditiv verarbeitende usw. (Edmondson & House 2006, 209ff.). In der Fremdsprachenforschung wird über die Existenz von Lernstilen und deren Einfluss auf die strategische Kompetenz des Lerners (s. 6) kontrovers diskutiert, denn „es gibt viele verschiedene Begriffe, die mit Lernstilen in Verbindung gebracht werden, viele nicht miteinander vergleichbare Forschungsergebnisse, viele unterschiedliche Ansätze und Forschungsinstrumentarien― (Riemer 2009, 24f.). Da sich kollektiver Fremdsprachenunterricht nie an alle individuellen Lernpräferenzen seiner Adressaten anpassen kann, ist es v.a. bei Lernern mit geringer Sprachlernerfahrung dennoch sinnvoll, diese zur Reflexion über ihr Lernen anzuregen, indem man sie z.B. für ihre bevorzugten Wahrnehmungskanäle beim Vokabellernen oder für potenzielle Gründe ihrer Ambiguitätsintoleranz sensibilisiert, z.B. wenn jedes neue Wort erst verstanden worden sein will, bevor man weiter liest. Lerner werden auf diese Weise befähigt, autonom(er), d.h. selbstbestimmt(er) und eigenverantwortlich(er) zu handeln, indem sie verstärkt ihre eigenen Lernwege ausprobieren. 6. Lern(er)strategien: Sie umfassen die mentalen Pläne, die die individuelle Herangehensweise des Lerners an den Erwerb von Fremdsprachen steuern, sich zum größeren Teil in direkt beobachtbaren, kleinschrittigen Handlungen manifestieren und als potenziell bewusstes Wissen über die Gestaltbarkeit des eigenen Lernens dessen strategische Kompetenz bilden. So ist z.B. die Entscheidung eines Lerners für eine bestimmte Einprägungsweise einer Vokabel eine Lernstrategie (Gedächtnisstrategie), ihr jeweiliger Vollzug durch verschiedene Lernhandlungen oder „Einzelmaßnahmen― (Rampillon 2003, 340) wird auch Lerntechnik genannt. So kann der Lerner eine Vokabel einprägen, indem er z.B. das neue Wort als russ.dt. Vokabelgleichung in ein Vokabelheft, auf eine Karteikarte oder in eine Computerdatei notiert, es in eine Wortgruppe oder einen Mustersatz einbettet, es laut ausspricht usw. Lernstrategien sind in der Fremdsprachenforschung kein klar umrissenes Konzept, vgl. z.B. die in Morfeld (1998, Individuelle Lernpräferenzen Strategien als mentale Pläne für individuelle Herangehensweisen an das Fremdsprachenlernen <?page no="38"?> 39 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung 23ff.) angeführten unterschiedlichen Definitionen und deren Verortung in ihren jeweiligen erwerbstheoretischen Ansätzen. Hinzu kommt die Gefahr einer Überstrapazierung des Strategiebegriffs, wenn jede Aktivität des Lerners als Ausdruck seiner strategischen Kompetenz angesehen wird. Auch ist die Unterscheidung zwischen Lernstrategien und -techniken nicht unumstritten, da erstere sich immer in konkreten Handlungen niederschlagen und es oft schwierig ist, in einer Sequenz von Lernaktivitäten letztere klar voneinander abzugrenzen. Dies hat zur Folge, dass einerseits ergänzend, den Lernstrategien hierarchisch nachgeordnet Lerntechniken angesetzt (z.B. Bimmel & Rampillon 2000; Wolff 1992) und differenziert beschrieben werden, vgl. z.B. Morfeld (1998, 49-59), und andererseits nicht zwischen Lernstrategien und den äußerlich wahrnehmbaren operativen Aspekten ihres technischen Vollzugs durch Lernhandlungen unterschieden wird, z.B. Grotjahn (1988, 11), Ender (2007, 19). Für die Systematisierung von Lernhandlungen eignet sich das durch induktive Analyse des Lernverhaltens gewonnene Lernstrategieinventar (strategy inventory for language learning, SILL) von Oxford (1990; vgl. zum SILL-Fragebogen ebd., 283ff.). Sie stellt eine der verständlichsten Klassifikationen mit Blick auf praktischen Nutzen dar (Ender 2007, 27). Durch ihre differenzierte Taxonomie ermöglicht sie es, verschiedene Lernaktivitäten bestimmten Strategietypen zuzuordnen, als deren spezifische Realisierungen zu charakterisieren und eignet sich dadurch gut für den Entwurf eines Strategietrainings (Tönshoff 2001). 3 Oxford unterscheidet zwischen direkten und indirekten Strategien: Direkte Strategien : Als aufgabenbzw. situationsspezifische Handlungen steuern sie das Lernen unmittelbar. Sie untergliedern sich u.a. in: • Gedächtnisstrategien, die auf Behalten und Abruf durch gedankliche Vernetzung von zielsprachlichen Einheiten abzielen, z.B. durch Ordnen und Assoziieren • kognitive Lernstrategien, die die Rezeption und Produktion von Zielsprache fördern, z.B. durch Üben und Analyse von Einheiten. Indirekte Strategien zielen auf das Lernen allgemein ab. Dazu zählen: • die metakognitiven Strategien, die Planung, Überwachung und Evaluation des Lernprozesses unterstützen, z.B. durch Festlegung des Lernpensums für einen Zeitrahmen und Führen einer Fehlerstatistik, • die sozialen Strategien, die auf die Interaktion abzielen, z.B. durch Nachfrage zur Verständnissicherung, und • die affektiven Lernstrategien, die auf die Regulierung von eigenen Gefühlen zugreifen, z.B. durch Schaffung einer angenehmen Lernatmosphäre bei häuslichen Lernaktivitäten, um Lernblockaden vorzubeugen. 3 Die in der Fremdsprachenforschung entwickelten Klassifikationen von Lernstrategien sind zahlreich und heterogen, vgl. zu einer Übersicht Bimmel & Rampillon (2000, 64ff.) sowie zu Strategien, die übereinstimmend akzeptiert werden, Raabe (2000, 179). Neben Oxford (1990) ist eine weitere häufig zitierte Klassifikation die kognitionspsychologisch orientierte von O‘Malley & Chamot (1990). Lernstrategieinventar nach Oxford: Direkte und indirekte Strategien <?page no="39"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 40 Zielt das strategische Handeln des Lerners primär auf den Gebrauch der Zielsprache ab, z.B. um ein Ausdrucksproblem zu lösen, benutzt er Kommunikationsstrategien. Sie lassen sich (in erster Annährung) in • aktive Problemlösungsstrategien, z.B. auf ein allgemeines Wort ausweichen, Paraphrasieren, den Gesprächspartner um Hilfe bitten, und • Reduktionsstrategien aufgliedern, z.B. ein Thema vermeiden bzw. abbrechen, grammatische Endungen weglassen (vgl. zu einer differenzierten Taxonomie Edmondson & House 2006, 233f.). Erstere können einen sekundären Lerneffekt haben, da der Lerner ein Sprachangebot erhält, das zwar primär die situationsbezogene Kommunikation aufrecht erhält, aber auch seinen Spracherwerb fördern kann, denn er verschafft sich auf diese Weise die Lernchance, sein fehlendes Wissen in der Zielsprache zu erweitern; allerdings muss sein Verarbeitungsfokus auf die formalen Eigenschaften der betreffenden Ausdrücke gerichtet sein (Tönshoff 2003, 332). 4 Die intensive Beschäftigung mit Lernstrategien in der Fremdsprachenforschung ergibt sich aus dem hohen pädagogischen Potenzial, das ihnen für die Lern(er)zentrierung fremdsprachendidaktischer Bemühungen zugesprochen wird. Von der Ausbildung einer strategischen Kompetenz erhofft man sich positive Impulse u.a. für eine Individualisierung und Rationalisierung des Lernprozesses, für den Abbau von Leistungsschwächen und für die Schlüsselqualifikation „lebenslanges Lernen―. Auch zeigen empirische Untersuchungen, z.B. Mißler (1999), dass ein positiver Zusammenhang zwischen Lernerfahrungen und Strategiegebrauch besteht, z.B. zwischen der Anzahl der gelernten (Fremd)Sprachen, der Länge des Lernzeitraums, der Häufigkeit des Gebrauchs einer Zielsprache und der Häufigkeit sowie Bandbreite der Strategieanwendung. Ob derartige Befunde die Annahme stützen können, dass Lernstrategien als solche zu höherem Lernerfolg führen und daher gezielt gelehrt werden müssen, ist jedoch unbewiesen (Edmondson & House 2006, 237f.). Dies steht im Übrigen in einem deutlichen Widerspruch zur Praxis moderner Fremdsprachenlehrwerke, auch solcher für spät beginnende Fremdsprachen, die eine Fülle von Lerntipps anbieten, die lern- und kommunikationsstrategisches Wissen vermitteln und sich dadurch zu Selbstlernwerken hin öffnen; vgl. z.B. die folgenden Tipps: Verstehenslücken ausgleichen. „Wenn du im Gespräch etwas nicht verstanden hast, dann teile dies deinem Gesprächspartner mit Я не понял (поняла); Sprachvergleiche für das Verstehen nutzen: „Wenn du ... Wörtern in anderen slawischen Sprachen begegnest, nutze immer deine Russischkenntnisse und suche nach Bekanntem―; Vokabel lernen: „Schreibe für das neue Wort einen Beispielsatz oder eine Beispielwortgruppe auf― (Dialog 2, 95ff.). Es besteht somit eine Diskrepanz zwischen Lehrpraxis und Lernwissenschaft, die den „guten― Fremdsprachenlerner nicht durch überlegene Strategien, sondern durch eine umfangreiche, 4 Aus dieser Überlegung wird in Oxford (1990) eine dritte Gruppe von direkten Lernstrategien ausgegrenzt, die Kompensationsstrategien, z.B. Verwendung von Passepartout-Wörtern, Einsatz von Mimik und Gestik u.ä. In der Fachdiskussion ist diese Entscheidung umstritten, da es sich primär um Kommunikationsstrategien handelt, die allerdings unter den o.g. Bedingungen auch Lernpotenzial haben können. Kommunikationsstrategien: aktive Problemlösungsstrategien und Reduktionsstrategien Wie nützlich sind Lerntipps zur Ausbildung strategischer Kompetenz? <?page no="40"?> 41 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung gut organisierte Wissensbasis in Bezug auf die Zielsprache charakterisiert (Zimmermann 1997, 102) bzw. fordert, wie es Kellerman (1991, 158) knapp auf den Punkt bringt: „Teach learners more language and let the strategies look after themselves―. 1.2.2 Sprach(lern)bewusstheit, Lernersprache und Kognitivierung Man hat es beim Fremdsprachenlernen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Lernerprofile zu tun, die zu individuell verschiedenen Lernwegen führen. Die alles andere als leicht zu lösende Aufgabe der Fremdsprachenlehre muss es sein, immer wieder zu versuchen, ihre Vermittlungsbemühungen reflektiert und angemessen auf diese zuzuschneiden. Zum Glück kann man bei aller Varianz von persönlichen Lernereigenschaften generalisierbare Wirkungszusammenhänge zwischen bestimmten Lernermerkmalen und lehrseitig initiierbaren Lernprozessen beobachten. Fremsprachenunterricht mit kollektiven Sozialformen bleibt somit trotz der in der Fremdsprachenforschung zur Steuerbarkeit des Lernprozess formulierten, die Einzigartigkeit des individuellen Lerners behauptenden „Einzelgängerhypothese― (Riemer 2001b) weiterhin sinnvoll. Beispielsweise lässt sich aus vorhandenem Sprachbesitz, gemachter Sprachlernerfahrung und einer (mit der altersbedingten kognitiven Reifung einhergehenden) analytischen Lernerorientierung das Lehrprinzip begründen, bei einer Lernergruppe mit entsprechenden Voraussetzungen durch lehrseitige Aufmerksamkeitslenkung auf bestimmte Aspekte des Lernstoffs bzw. des Lernens eine bewusste(re) Verarbeitungshaltung zu entwickeln. Diese Bewusstheit kann für bestimmte zielsprachliche Strukturen in Form von Sprachbewusstheit geschaffen werden, indem lehrseitig bereits vorhandene lernersprachliche Ressourcen genutzt werden, z.B. durch Analyse von zielsprachlicher Lexik im Spiegel von Erstsprache bzw. weiteren Fremdsprachen usw., z.B. russ. утолить голод <жажду> analog zu dt. seinen Hunger <Durst> stillen, aber divergent zu engl. to satisfy one’s hunger vs. to quench one’s thirst und weitgehend analog zu frz. calmer <apaiser> sa soif, sa faim, aber auch partiell divergent étancher sa soif (*sa faim) bzw. monolexematisch se désaltérer oder das Modalverb dt. können in verschiedenen (Fremd)Sprachen, z.B. frz. pouvoir/ savoir, span. poder/ saber oder poln. moć/ umieć, um auf lehrökonomische Weise den Gebrauch der russ. Äquivalente мочь und уметь bewusst zu machen (und auf diese Weise Zeit für andere unterrichtliche Lehrbedarfe zu gewinnen). Für individuelle Lernpräferenzen, d.h. für Lernstrategien und -techniken und deren mögliche, u.U. bislang vom Lerner noch nicht ausprobierte Alternativen, kann sie in Form von Sprachlernbewusstheit geschaffen werden. Auf diese Weise lässt sich z.B. für das Lehrziel „globales Hörverstehen― von zielsprachlichen Texten, z.B. Wetterbericht, Ansagen auf Bahnhöfen, die strategische Notwendigkeit einsichtig machen, für diese Sprachtätigkeit eine holistische Rezeptionshaltung einzunehmen, denn nicht der komplette Text muss verstanden werden, sondern nur die kommunikativ relevanten Passagen, z.B. „Regnet es morgen? ―, „Von welchem Bahnsteig fährt der Zug nach X, und um wie viel Uhr? ― Sprachbewusstheit: Aufmerksamkeit auf zielsprachliche Formen und Strukturen lenken Sprachlernbewusstheit: abrufbares Wissen über das Sprachenlernen auf der Basis kognitiver Sprachlerntheorien <?page no="41"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 42 Die Schaffung von Sprach(lern)bewusstheit, d.h. von abrufbarem Wissen über die Zielsprache bzw. das Lernen der Zielsprache (Edmondson & House 1997, 4; Sharwood Smith 1997, 31), lässt sich durch kognitive Fremdsprachenlerntheorien begründen, wie sie u.a. von Edmondson (1999); Ellis (1990, 1994a, b, 1997); Skehan (1998) vertreten werden. Psycholinguistisch sind sie durch die allgemeine Vorstellung inspiriert, dass (Fremd)Sprach(en) erwerb und -gebrauch als „menschliche Informationsverarbeitung vor dem Hintergrund der Interaktion von Lebewesen und ihrer Umwelt― (Rickheit & Strohner 1993, 16) erklärt werden kann, lernwissenschaftlich sind sie in der Awareness-Debatte der Fremdsprachenforschung verortet (Edmondson & House 1997), die unter Language (Learning) Awareness (im Ggs. zum spezielleren Begriff consciousness; s.u.) das bewusstheitsgeleitete Lernen als allgemeinen lerngegenstandsübergreifenden Erziehungswert versteht (Edmondson 1997, 91). Kognitive Fremdsprachenlerntheorien dieses Zuschnitts bewegen sich im Lernersprachen (auch Interlanguage-)Ansatz, einem in seiner Grundidee auf Corder (1967) zurückgehenden und in Selinker (1972) erstmalig durchgängig formulierten erwerbstheoretischen Entwurf, der Fremdsprachenlernen als einen kognitiv-interaktionalen Prozess erklärt. 5 Er postuliert, dass der Lerner sein zielsprachliches Wissen eigenständig durch Bilden und Testen von Hypothesen aufbaut, „... ausgehend von seinen verfügbaren Wissensbeständen (ausgangs-, ziel-, lernersprachenbasiert ...) und den von ihm in seiner Umgebung wahrgenommenen und verarbeiteten zielsprachlichen Daten, ... Bedeutungen und Regularitäten der Zielsprache erschließt und diese in der Interaktion ‚aushandelt‗― (Eckerth 2003, 54). Um Hypothesen über die Zielsprache zu bilden, kann der Lerner wissens- oder sprachrezeptionsbasiert vorgehen, indem er sein vorhandenes Wissen auf neue Kontexte anwendet oder Regularitäten aus dem wahrgenommenen Sprachangebot inferiert (Eckerth 1998, 24ff.). Für das Testen seiner lernersprachlichen Hypothesen stehen ihm verschiedene Wege zur Verfügung: a) rezeptiv als interner Abgleich des Sprachangebots mit vorhandenem Wissen, b) produktiv-interaktiv durch der Hypothese entsprechende zielsprachliche Äußerungen und deren Bestätigung/ Revision bei geeignetem Feedback, c) metasprachlich-interaktiv durch Befragung einer als kompetent erachteten Person, d) diskursiv-interaktiv als spontane, pädagogisch nicht adaptierte Rückmeldung auf sprachliche Äußerung durch Kommunikationspartner in natürlichen Sprachgebrauchssituationen (Eckerth 2003, 56; Knapp-Potthoff & Knapp 1982, 138f.). 5 Die Idee einer Lernersprache bildet auch nach 40 Jahren das bis heute gültige theoretische Fundament der erwerbsbezogenen Fremdsprachenforschung (Johnson & Johnson 1998, 175), ergänzt um die bislang noch offene, hier nicht weiter verfolgte Frage nach der Existenz von natürlichen, durch Lehre u.U. nicht veränderbaren Erwerbssequenzen auch beim gesteuerten Fremdsprachenlernen, insb. bestimmter morphosyntaktischer und wortstellungsbezogener Phänomene, vgl. z.B. Diehl et al. 2000, 2002; Pienemann 1989, 1998. Lernersprachenansatz Wege des Hypothesentestens durch den Lerner <?page no="42"?> 43 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung Die lernersprachlichen Wissenskonstruktionsprozesse können im Einzelfall bewusst oder unbewusst ablaufen, sie werden jedoch prinzipiell als bewusstheitsfähig, z.B. durch Nachfragen oder retrospektive Analyse verbalisierbar, angesehen und auf Transfer als Kernstück der strategischen Kompetenz des Lerners beruhend erklärt, d.h. auf dem „... Einsatz vorheriger Sprachlernerfahrungen und/ oder aus anderen Sprachen gewonnenen sprachlichen Wissens in einer kognitiven Auseinandersetzung mit Aspekten einer weiteren zu erlernenden Sprache― (Edmondson 2001, 141). Als Korrelat von Hypothesenbilden und -testen meint Lernersprache „... ein Sprachgebilde, das sich in einem Fremdsprachenlerner infolge der Konfrontation mit zielsprachlichen Daten herausbildet, ohne dabei jedoch völlig mit der jeweiligen Zielsprache identisch zu sein. Für die Entstehung der Lernersprache sind die Muttersprache, gegebenenfalls weitere vorgängige Fremdsprachen und die Zielsprache konstitutiv; für den Grad ihrer Ausprägung, ihren Entwicklungsstand, ihre Idiosynkrasien sind insb. individuelle, soziale, lernsituationsabhängige und dabei gegebenenfalls auch methodisch-didaktische Variablen ausschlaggebend― (Vogel 1990, 13). Lernersprache ist ein hoch variables, durchlässiges Sprachsystem, das intern systematisch und dynamisch zugleich ist, sich unter ständiger Annäherung an die zielsprachlichen Normen als approximatives System weiter entwickeln oder auf einem bestimmten Sprachstand fossilisieren kann (Edmondson & House 2006, 227ff.; Harden 2006, 85ff.). Für Aufbau und Aktivierung der Lernersprache sorgen nach Selinker (1972) fünf psycholinguistische Prozesse: • Sprachtransfer (transfer of language), z.B. die Übernahme der dt. Zahlwortsyntax in russ. Ausdrücke des Typs *три <тринадцать> туристы (anstelle von три туриста, тринадцать туристов) bzw. sog. Falsche Freunde des Typs *большой голод (anstelle von сильный), *симпатичная девушка (in der Bedeutung ‚symphatisch‗ anstelle von приветливая, симпатичный = dt. gut aussehend), *красивая погода (anstelle von прекрасная); • lernstrategischer Transfer (transfer of learning), d.h. der Einsatz vertrauter, in anderen Fremdsprachen erprobter Lernstrategien, z.B. Vokabellernen durch Wortgleichungen (мороз = Frost, ветер = Wind) und/ oder Memorisierung durch Bildung typischer Kontexte für das neue Wort (Сегодня стоит лютый мороз <дует сильный ветер); • kommunikationsstrategischer Transfer (transfer of communication), d.h. der Abruf vertrauter Kommunikationsstrategien zur Lösung von L2 Ausdrucksproblemen, z.B. Umschreibung инструмент, которым открывают бутылки ... für открывалка oder штопор, wortwörtliche Übersetzung oder Themenvermeidung/ -reduktion; • Transfer aus der Lernumgebung (transfer of training), d.h. durch lehrseitige Überrepräsentation bestimmter zielsprachlicher Erscheinungen, unklare Übungsinstruktionen, mangelhafte Lehrmaterialien oder unzureichendes Feedback induziertes lernersprachliches Wissen, z.B. wenn auf den Fehler *в этой минуте die ihren Geltungsbereich nicht spezifizierende Fehlerkorrektur в эту минуту erfolgt, die zu falschen Analogie- Definition Lernersprache Beim Aufbau von Lernersprache wirksame psychologische Prozesse <?page no="43"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 44 schlüssen des Typs *в эту неделю, * в этот месяц, *в эту весну (anstelle von на этой неделе, в этом месяце, этой весной) führen kann; • (L2 interne) Übergeneralisierung (overgeneralization), z.B. von глубокий сон zu *глубоко спать (anstelle von крепко спать). Kognitive Fremdsprachenlerntheorien sind durch eine Reihe von Eigenschaften charakterisiert 6 : 1. Bewusstheit (consciousness) wird als ein Konstrukt von verschiedenen mentalen Zuständen/ Handlungen expliziert, die die sukzessiven Phasen des Lernprozesses kennzeichnen, insb. die Absicht zu lernen (intention(ality)), die (gezielt) auf den Lerngegenstand gerichtete (selektive) Aufmerksamkeit ((focal) attention), dessen bewusste Wahrnehmung (noticing) als Voraussetzung für eine tiefe Wissensverarbeitung durch den Übergang von Input zu Intake, dessen Verstehen (understanding) als das Erkennen von Regularitäten sowie deren Integration in das Langzeitgedächtnis und die Kontrolle (control) des neu gebildeten lernersprachlichen Wissens als dessen gesteuerter Abruf für die Lösung eines lernbezogenen oder kommunikativen Problems (Eckerth 2003, 57ff.; Eckerth & Riemer 2000, 230; Edmondson 1999, 246ff.; Lütge 2002: 138ff.; Schmidt 1994, 1995, 2001). 2. Die Zugriffe differenzieren zwischen Wissensrepräsentation und Wissensaktivierung, indem sie unterscheiden zwischen a) den Speicherungsformen explizites (deklarartives) Wissen, d.h. analysierten und daher bewussten Wissensbeständen, die artikuliert werden können (Bilaystok 1994a; Edmondson 1999, 248f.; Ellis 1994a, 335ff.), z.B. die Grammatikregel „Nach Phasenverben steht der abhängige Infinitiv im unvollendeten Aspekt―, bzw. implizites (prozedurales) Wissen, das wegen seiner Unbewusstheit dem Lerner als unanalysierter, ganzheitlich repräsentierter Baustein, evaluiert nach Sprachgefühl, für den L2 Gebrauch zur Verfügung steht, z.B. „Ich meine, es muss heißen Он начал завтракать, und nicht *позавтра кать.― 7 und b) dem Abruf des Wissens als kontrollierte, d.h. Planungszeit und bewusste kognitive Anstrengung erfordernde, bzw. als automatisierte, d.h. unbewusste, ohne zeitliche Verzögerung ablaufende, stark routinisierte Aktivierung. 6 Vgl. zu einem Überblick über die wichtigsten, nicht nur kognitiv orientierten Fremdsprachenerwerbstheorien und ihre Implikationen für die Fremdsprachenlehre Riemer (2002). 7 Zwar ist die Verwendung des Ausdrucks „Wissen― als Sammelbezeichnung für Faktenwissen und für dessen strategischen Einsatz, z.B. für die zielsprachliche Kommunikation, irreführend, in der Fachdiskussion hat sich die Redeweise jedoch eingebürgert. Annahmen kognitiver Fremdsprachenlerntheorien Differenzierung von explizitem - implizitem Wissen, von kontrolliertem - automatischem Abruf - <?page no="44"?> 45 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung 3. Die Ansätze konzipieren Fremdsprachenlernen über ein Modul, das die verschiedenen Wissensrepräsentations- und -aktivierungsvarianten integriert und dadurch offen für unterschiedliche Lernwege ist. Sie gehen von der „weak interface-position― aus, d.h. sie betonen die Möglichkeit einer lernrelevanten Schnittstelle zwischen explizitem und implizitem Wissen (Bialystok 1994b, Edmondson 1999, 245ff.; Schlak 1999) und fassen den Aufbau von explizitem Wissen und dessen automatisierten Abruf nicht als zwei grundsätzlich einander ausschließende psycholinguistische Prozesse auf (Edmondson 1999, 248; Ellis 1994a, 391; 1997, 112). Insb. der Erwerb expliziten Grammatikwissens wird nicht als hemmend oder gar blockierend für dessen schnelle Aktivierung in mündlicher Sprachverwendung angesehen, denn sie ist unabhängig von der Wissensrepräsentation als implizite oder explizite Speicherung durch wiederholtes, systematisches Üben erreichbar. 4. Die kognitiven Theorien unterstreichen die lerninitiierende Funktion beider Wissensformen und sehen die prinzipielle Möglichkeit eines Wechsels zwischen den Speicherungsformen vor, der lehr- oder lernseitig induziert sein kann. Dieser Wechsel kann von anfänglich implizitem Wissen, erworben durch beiläufiges (inzidentelles) Lernen, z.B. die ganzheitliche Beherrschung von Zahlwortausdrücken wie сорок евро, десять человек, восемнадцать лет, zu bewusstem Wissen erfolgen, hier um die Existenz von speziellen Zählformen bei bestimmten Substantiven, oder umgekehrt von zunächst explizitem Wissen, z.B. darüber, dass es sich bei сходить <сбегать> за хлебом <на почту> um perfektive Bewegungsverben mit semelfaktiver Aktionsartbedeutung handelt, zu implizitem Wissen in Form einer ganzheitlichen, nicht mehr analysierten Speicherung von modellhaften Syntagmen des Typs сходить <сбегать> за хлебом <за билетами на премьеру, ... в аптеку, на вокзал>. Typisch für bestimmte Sprachbereiche, v.a. die Aussprache wegen ihrer motorischen Basis und der damit einhergehend geringen Verarbeitungstiefe, sowie für große Teile der Grammatik ist der durch häufigen Gebrauch geförderte Wechsel von explizitem zu implizitem Wissen. Dieser aus gestaltpsychologischer Sicht als „... das Absinken bewusster Einsichten ins Unbewusste ...― erklärbare Übergang (Butzkamm 1989, 102; Storch 76) ist z.B. dann vollzogen, wenn der Lerner eine Grammatikregel nicht mehr artikulieren kann, die entsprechenden Form-Funktionszuordnungen aber immer noch normgerecht beherrscht (Hartenstein 2000). Grundsätzlich bleiben jedoch implizite Wissensbestände durch Analyse weiterhin bewusstheitsfähig, so dass weiterführende Fremdsprachenlehre an sie anknüpfen kann. Welche methodisch-didaktischen Implikationen für eine lernwissenschaftlich begründete Fremdsprachenlehre ergeben sich aus dem Lernpotenzial, das die verschiedenen Repräsentationsformen und Aktivierungsarten von zielsprachlichem Wissen bieten? Dem Lehrenden steht eine Skala von Handlungsoptionen zur Verfügung. Sie lassen sich nach dem Anteil von offener oder verdeckter lehrseitiger Steuerung auf einem Kontinuum zwischen expliziter und impliziter Lehre bzw. dem Fokus auf Wissensspeicherung oder -abruf beschreiben: Annahme einer Schnittstelle zwischen den Wissensformen Prinzipiell besteht die Möglichkeit eines Wechsels zwischen den Speicherformen. Fazit: Lernpotenzial der verschiedenen Repräsentationsformen und Aktivierungsarten von Wissen und Handlungsoptionen der Lehrenden <?page no="45"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 46 a) Es bietet sich die gezielte lehrseitige Präsentation von Wissen an, sei es durch Kognitivierungsmaßnahmen für die Schaffung von explizitem Wissen, z.B. das Einsichtigmachen einer Grammatikregel oder die Bedeutungsangabe einer neuen Vokabel durch Nennung der dt. Übersetzung, oder durch das Angebot unanalysierten sprachlichen Materials für den Aufbau impliziten Wissens, z.B. durch die Präsentation sprachlicher Routinen. b) Soll Lehre zu einer aktiven mündlichen Beherrschung der Zielsprache führen, muss neu gelerntes Wissen, unabhängig von seiner Speicherungsform, durch ein Angebot an geeigneten Übungen automatisiert werden, damit es leicht abrufbar wird. Die durch einen verringerten Kontrollaufwand frei gesetzten kognitiven Ressourcen stehen dann wieder für neue Lernprozesse zur Verfügung. Umfasst das Lehrziel planbare produktive oder rezeptive Fertigkeiten, insb. Schreiben und Leseverstehen, kann dies durch die Vermittlung von ausschließlich explizitem Wissen erreicht werden. c) Eine weitere, verstärkt auf die Eigenaktivität des Lerners abzielende Option ist die lehrseitige Aufmerksamkeitslenkung auf noch nicht, unvollständig oder unsicher beherrschte Erscheinungen der Zielsprache, so dass der entsprechend sensibilisierte Lerner durch Bilden und Testen von Hypothesen seinen Wissensaufbau weitgehend selbsttätig vollziehen kann, begleitet durch ein geeignetes lehrseitiges Feedback. Die Lehroptionen a) und b) unterstützen je nach methodisch-didaktischer Konkretisierung bewusste oder unbewusste Lernprozesse, c) nur bewusste. Ihre Umsetzung durch konkrete Lehrmaßnahmen hängt dabei immer von den spezifischen Bedingungen des Lehr-Lern-Gefüges ab. In der Fremdsprachenforschung ist v.a. unter Einfluss der Thesen von Krashen 8 das Lehrprinzip der Kognitivierung (Tönshoff 1992, 14) insb. für den Grammatikunterricht kontrovers diskutiert worden, wobei die Auffassungen zwischen „Zeitverschwendung und Lernhilfe― (Grotjahn 2000) schwanken. Da das unterrichtlich gesteuerte Fremdsprachenlernen grundsätzlich durch die Vermittlung von implizitem und explizitem Wissen gefördert werden kann, umfasst die Lernersprache immer Anteile beider Wissenstypen, mit unterschiedlicher Verteilung, u.a. je nach Adressaten und Lehrkontext. Aus lernpsychologischer Sicht hat explizites gegenüber implizitem Wissen Vorteile, denn seine Vermittlung, v.a. in Grammatik und Lexik, kann 8 Die Monitortheorie von Krashen (1982) ist der „zero interface-position― verpflichtet. Sie postuliert die Existenz von zwei verschiedenen Aneignungswegen für Fremdsprachen, den unbewussten Erwerb (acquisition) und das bewusste Lernen (learning), die auf getrennten, durch keine Schnittstelle verbundenen psycholinguistischen Modulen beruhen. Der Beitrag gelernten, d.h. expliziten (grammatischen) Wissens zur Fremdsprachenaneignung soll demnach marginal sein, denn es diene, die notwendige Planungszeit und den Aufmerksamkeitsfokus auf die Ausdrucksseite vorausgesetzt, wie ein Monitor/ Editor, der vor bzw. nach der Produktion zur Selbstkontrolle eingeschaltet wird, ausschließlich dazu, die formale Korrektheit von zielsprachlichen Äußerungen zu überwachen, was nur beim Schreiben in der Zielsprache möglich sei. Die einzige Quelle von aktiven zielsprachlichen Fertigkeiten sei dagegen die erworbene Kompetenz, so dass explizite Grammatikvermittlung überflüssig werde. Rolle der Kognitivierung für die Grammatikvermittlung: explizites Wissen kann lernfördernd sein! <?page no="46"?> 47 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung Lernchancen eröffnen, vorausgesetzt die Lerner bringen das notwendige (fremd)sprachliche Vorwissen und analytische kognitive Fähigkeiten mit. Explizites Wissen kann dann insofern lernfördernd sein, als es im Sinne des noticing the gap principle (Frota & Schmidt 1986) beim Lerner auf zeitökonomische, gezielte Weise Bewusstheit für die ihm verfügbaren lernersprachlichen Wissensbestände schafft und die Notwendigkeit erzeugt, diese zu vervollständigen. Dies kann über deren Abgleich mit dem neu gelernten Wissen, über eine bewusste kognitive Auseinandersetzung mit dem Sprachangebot und/ oder die Einsicht in die Begrenztheit des eigenen Ausdrucksrepertoires geschehen. 9 Dabei wird eine Diskrepanz zwischen sicheren und unsicheren Wissensbeständen wahrgenommen, was auf bewusste Analyse, d.h. Verstehen abzielende Lernanstrengungen nach sich ziehen kann, die zu einer Wissensrekonstruktion bzw. -erweiterung führen (Eckerth 2003, 57ff.; Edmondson 1999, 250ff., 2002, 60f.; Garret & James 1991). Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Lerner durch die (ihm explizit mitgeteilte oder von ihm selbst entdeckte) Grammatikregel über die morphosyntaktische Realisierung von abhängigen Substantiven in Kardinalzahlwortausdrücken des Typs три розы, четыре книги sensibilisiert wird. Die unter Annahme eines allgemeinen Natürlichkeitsprinzips in Sprachen oder von Transferierbarkeit aus vorgelernten Sprachen (z.B. dt. zwei Tische, poln. dwa stoły) zunächst als Nominativ Plural analysierten Wortformen werden nunmehr als Genitiv Singular eingeordnet und die Regularität entsprechend auf Ausdrücke des Typs три стола (anstelle von *три столы) übertragen. Der Vorteil, den explizites Wissen gegenüber implizitem hat, ist durch empirische Befunde gut belegt, z.B. beim Grammatiklernen (R. Ellis 1998, Hulstijn 1995, Zimmermann 1990), für die Fehleridentifizierung und -korrektur (Green & Hecht 1992, Hecht & Hadden 1992) und zum Kollokationslernen (Lütge 2002). Das Ziel fremdsprachendidaktischer Bemühungen, einen möglichst effektiven Wirkungszusammenhang zwischen Lehren und Lernen herbeizuführen, steht und fällt mit den Möglichkeiten und Grenzen der lehrseitigen Steuerbarkeit von Lernprozessen. Steuerungsoptionen für den Fremdsprachenunterricht ergeben sich aus dem Spannungsfeld zwischen Lehr- und Lernhandlungen, das durch die Aktanten Lehrer und Lerner, deren Interaktion und dem Lehr-/ Lernstoff gekennzeichnet ist, denn • der Lehrer plant den Unterricht, führt ihn durch und evaluiert ihn; • der Lerner eignet sich neues Wissen an, speichert es und wendet es an; • der Lehr-/ Lernstoff wird lehrseitig ausgewählt, angeordnet und präsentiert. 9 Diese Prozesse unterstreichen die lernunterstützende Funktion des zielsprachlichen Outputs, vgl. Swain (1995), Aguado (2003). Steuerungsoptionen für den Fremdsprachenunterricht ergeben sich aus dem Spannungsfeld zwischen Lehr- und Lernhandlungen. <?page no="47"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 48 1.2.3 Die Steuerbarkeit von Fremdsprachenlernen durch explizite und implizite Lehre Der Einsatz von lehrseitiger Steuerung im Lehr-Lern-Gefüge kann unterschiedlich sein, sowohl mit Blick auf seine Intensität als auch auf seine Lokalisierung in der Lehrhandlungssequenz. Mögliche Vermittlungsalternativen lassen sich in einer ersten Annäherung nach ihrem Anteil von expliziter bzw. impliziter (auch nicht-expliziter) Lehre charakterisieren (Ellis 1994, Schlak 2003). Je stärker lehrseitig die Aufmerksamkeit der Lernenden durch kognitivierende Unterrichtsmaßnahmen auf bestimmte Aspekte des Lernstoffs gelenkt wird, desto expliziter sind die entsprechenden Lehrhandlungen. Der erhoffte Lerneffekt ist, dass der zielsprachliche Input gezielt bewusst wahrgenommen, analysiert und als neues Wissen in das vorhandene lernersprachliche System integriert, d.h. verstanden wird. Typisch für explizite Lehre sind Erklärungen zur Semantisierung von Wörtern bzw. Sprachkontrasten (inklusive negativen zielsprachlichen Materials), z.B. выбрать bedeutet wählen, aber eine Telefonnummer wählen heißt auf Russ. nicht *выбрать, sondern набрать номер, eine Partei wählen heißt избрать партию usw., oder die Präsentation von Grammatikregeln, verbal formuliert z.B. „Wenn это, всё und что Subjekt in einem быть-Satz sind, muss im Präsens die Kurzform des Adjektivs gebraucht werden, z.B. Ведь это ново. Всё опять чисто. Что тут не ясно? ― oder als Modell für direktes sprachliches Handeln in Form einer signalgrammatischen Beschreibung, vgl. Kap. III, 4.3). Charakteristisch für implizite Lehre ist dagegen der Verzicht auf lehrseitige Erklärungen und die Anbahnung von Lernprozessen durch Aufgaben, die mit unterschiedlichen Anteilen von indirekter lehrseitiger Aufmerksamkeitssteuerung selbst gesteuerte Lerneraktivitäten anregen, wie u.a. die Erschließung bzw. Analyse unbekannter L2 Formen/ Strukturen, z.B. das „intelligente― Raten eines neuen Wortes bzw. einer neuen Wortbedeutung aus dem Kontext: „Was bedeutet запустить in folgenden Sätzen? Achte auf die Kontextpartner. Überprüfe dann die Bedeutung in einem Wörterbuch: Я про то не нахожу слов, он, кажется, умер от запущенного гриппа. Этой даче грош цена, она совсем запущена, Сейчас я могу запустить эту игру, у меня новый компьютер.oder die Entdeckung von grammatischen Regularitäten durch morphosyntaktische Analyse, z.B. „Vergleiche die folgenden Beispiele: два словаря, две вилки, два окна, две вазы, два стула, две идеи. Wann wird два, wann две benutzt? ― Welche Lehrhandlung wann eingesetzt wird, hängt von einer Vielzahl von Variablen ab, die die konkrete Unterrichtssituation vorgibt, u.a. von lehrbezogenen Faktoren wie Lehrziel, Lehrmethode, verfügbare Unterrichtszeit, Kursdauer und von Lernereigenschaften, u.a. Vorwissen, Alter, Lernerfahrung. Eine Fachdidaktik kann daher immer nur Handlungsalternativen für die Fremdsprachenvermittlung aufzeigen, indem sie potenziell lernfördernde Wirkungsfaktoren beschreibt, die ihrerseits die Bedingungen für grundsätzliche Lehrentscheidungen bilden, deren Realisierung auf der Ebene konkreter Lehrhandlungen (im Sinne von Lehrmaßnahmen, vgl. Kap. III. 4.3) aber immer nur in Abhängigkeit von der jeweiligen Unterrichtssituation erfolgen kann. Der Vorteil dieses offenen Verständnisses des Praxisbezugs von Fremdsprachendidaktik liegt auf der Hand. Auf die spezifischen Anforderungen Vermittlungsalternativen lassen sich nach dem Anteil von expliziter bzw. impliziter Lehre bestimmen. Entscheidungsfaktoren in Abhängigkeit von der konkreten Unterrichtssituation <?page no="48"?> 49 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung einer konkreten Unterrichtssituation werden nur Lehrer flexibel und zugleich reflektiert reagieren können, die für verschiedene Lehroptionen und deren Anwendungsbedingungen sensibilisiert sind. Unterrichtsvorschläge in Form von „Rezepten―, d.h. von Handlungsanweisungen, die für jedes Lehrbedürfnis maßgeschneidert und daher mechanisch anwendbar sind, kann und will sie nicht geben. Explizite Lehre umfasst eine ganze Palette von kognitivierenden Vermittlungsoptionen. Sie sollen an einem Beispiel für die Wortschatzvermittlung aufgezeigt werden. In der für den Fremdsprachenunterricht zentralen Durchführungsphase kann der Lehrer die Aufmerksamkeit der Lerner auf bestimme zielsprachliche Erscheinungen richten, indem er sie durch verschiedene Lehrhandlungen auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen bereits bekannten (Fremd)Sprachen aufmerksam macht und ihr fremdsprachliches Wissen ausbaut und vernetzt. Ziel ist es dabei, versteckte mentale Ressourcen, die Lerner kraft ihres Vorwissens mitbringen, für den Lernprozess zu nutzen: 1. Beim ersten Auftreten von russ. стакан kann der Lehrer einsichtig machen, dass der Bedeutungsumfang dieser Vokabel im Vergleich zur dt. Entsprechung Glas eingeschränkt ist, indem er darauf hinweist, dass стакан dt. Glas als Trinkglas, z.B. стакан воды, entspricht und u.U. zusätzlich herausstellt, dass dt. Glas als Material im Russ. durch das Lexem стекло, z.B. стекло для окон, стекло для очков, лобовое стекло bezeichnet wird; 2. Sind den Lernern andere slawische Sprachen vertraut, kann lehrseitig auf analoge Form-Funktionsbeziehungen zum Russ. hingewiesen werden, z.B. poln. szklanka, tschech. sklenice (= russ. стакан) vs. poln. szkło, tschech. sklo (= russ. стекло). 3. Sofern Engl. und Frz. bekannt sind, kann er im Sinne einer sprachübergreifenden Didaktik zeigen, dass die Strukturmöglichkeiten der zwischensprachlichen Form-Inhaltszuordnung mit Blick auf die prototypischen Wortbedeutungen sprachübergreifend sind, z.B. Dt., Engl. und Frz. auf der einen, nicht differenzierenden und Russ. auf der anderen, differenzierenden Seite (engl. a glass of water, a pane of glass; frz. un verre de vin, un vase en verre); 4. Er kann (weit) fortgeschrittene Lerner dafür sensibilisieren, dass eine zu Dt., Engl. und Frz. analoge Idiosynkrasie peripherer Verwendungen im Russ. besteht, z.B. die spezielle gläserne Trinkgefäße bezeichnenden Lexeme рюмка (водки), бокал (вина), фужер, стопка, склянка, стаканчик usw. - vgl. frz. une coupe, une flûte (de champagne), die Entsprechungen für Einmachglas banka банка (горока) - vgl. engl. a jug (of peas) frz. un bocal (de petits pois) usw. Die implizite Vermittlung eines zielsprachlichen Phänomens kann ebenfalls durch verschiedene Lehrhandlungen erfolgen Beispielsweise können im frühen Anfangsstadium des Russischunterrichts kommunikativ nützliche sprachliche Routinen des Typs Как тебя зовут? - Меня зовут Валентина. Откуда ты? - Я из Петербугра, Принeсите мне, пожалуйста, чай (слимоном) angeboten werden, ohne die grammatischen Regularitäten dieser Explizite Lehre: Beispiel Wortschatzvermittlung Implizite Lehre: Beispiel sprachliche Routinen <?page no="49"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 50 Strukturen zu thematisieren (eingliedriger, subjektloser Satz, unbestimmtpersönliche Konstruktion bzw. kopulaloser Sein-Satz im Präsens bzw. Imperativ im perfektiven Aspekt, pronominales Dativobjekt, eingeschobenes Satzäquivalent). Sie lassen sich auf Grund ihres „Halbfertigcharakters― durch neues lexikalisches Material variieren und ganzheitlich, unanalysiert für elementare Kommunikationsbedürfnisse als vielseitig verwendbare Wendungen einsetzen, z.B. Я из Одессы, < Кельна, Австрии, ...>, Принесите мне <ему, им>, пожалуйста, кофе с молоком <рыбу (с кaртофелем), блины (с икрой), ...>. Auf diese Weise werden Lerner dazu gebracht, bereits in einem frühen Stadium komplexe Strukturen aktiv anwenden zu können. Eine kognitivierende Vermittlung der grammatischen Form-Funktionsbeziehungen dieser Wendungen kann sich bei Bedarf an die Initialphase des Routinenlernens anschließen. Beispiele für zwischen Explizitheit und Implizitheit variierende lehrseitige Steuerung in der Planungsbzw. Evaluierungsphase des FU sind die Entscheidung für oder gegen eine Adaption des Lehr-/ Lernstoffs, z.B. inwieweit authentische Texte durch Vereinfachungen, Vokabelerklärungen, Kommentierungen und andere Hilfen aufzubereiten sind, bzw. die Frage, wie lehrseitig auf Lernerprodukte reagiert werden soll. Dieses auch Feedback genannte Lehrprinzip kann z.B. durch positive oder negative Verstärkung, zielsprachlich (Отлично! Так не говорят! ) oder in der Muttersprache (Klasse! Dieses Wort müsstest du eigentlich kennen! ) bzw. unterschiedliche Korrekturverfahren realisiert werden, u.a. durch eine explizite oder eine implizite lehrseitige Korrektur, vgl. z.B. Lerner: „Добро пожаловать в *Гамбурге! “ - Lehrer: „винительный падеж oder „(Hamburg im) Akkusativ― oder „im Russischen sagt man, ‚Willkommen wohin‗! ― oder nonverbal durch eine vorher vereinbarte Geste für den Akkusativ vs. в *Гамбурге, mit deutlicher fragender Intonation der falschen Wortform. Ausschlaggebend für die Entscheidung, wie korrigiert werden soll, können verschiedene Überlegungen sein, u.a. Zeitgründe, kognitive Ökonomie, die Tatsache, dass das betreffende L2 Phänomen nicht im Lehrfokus steht, die Annahme, dass eine implizite Korrektur vermehrt die kognitiven Ressourcen des Lerners mobilisiert, zu einer tieferen Verarbeitung und somit nachhaltigen Speicherung der Struktur führt (Ellis et al. 2006, Kleppin 1998, 83ff.; Mackey 2006). Prinzipiell ist das Lehr-Lern-Gefüge Fremdsprachenunterricht als ein Typ von Spracherwerbssituationen für eine Variation der lehrseitigen Steuerung des Fremdsprachenlernens offen, unabhängig von seiner Sozial- und Organisationsform. In dem Maße, wie die lehrseitigen Steuerungsanteile zurückgefahren werden, müssen die Lerner, z.B. bei Partner-, Gruppen- oder Projektarbeit, anteilig Eigenverantwortung für ihren Fremdsprachenerwerb übernehmen, indem sie ihn selbst organisieren und durchführen, was einhergeht mit einer Veränderung der Lehrerrolle hin zu der eines Lernberaters. Nicht nur in der Lehrer-Lerner-Kontaktsituation des Fremdsprachenunterrichts, sondern auch in asynchronen Lehr-Lern-Kontexten, z.B. bei Hausaufgaben als außerunterrichtlicher, jedoch lehrseitig initiierter Lernaktivität, sind unterschiedlich starke lehrseitige Steuerungsanteile möglich, z.B. die Vorgabe von im Fremdsprachenunterricht zu bearbeitenden Grammatikübungen mit klarer Instruktion, vgl. die in ihrem Explizitheitsgrad variierenden Instruktionen: Вставьте вместо точек союзы а или но vs. Вставьте выделенные Variierende lehrseitige Steuerung in der Planungsbzw. Evaluierungsphase Das Lehr-Lern- Gefüge Fremdsprachenunterricht ist für die Variation der lehrseitigen Steuerung offen. <?page no="50"?> 51 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung глаголы в нужной форме, vs. Vokabellernen als Hausaufgabe. Letzteres lässt im Vergleich zur formellen Unterrichtssituation stärker individualisierte Lernwege zu, in Form von verschiedenen Möglichkeiten der Einprägung. Je nach lernstilbedingter persönlicher Präferenz kann eine neu zu lernende Vokabel durch unterschiedliche Lernhandlungen (Lerntechniken) gespeichert werden. Sie kann z.B. durch ihr erstsprachliches Äquivalent und/ oder bildliche Assoziationen semantisiert werden, sie kann in einen kleinen Dialog und/ oder in ein Wortfeld, eine Wortfamilie oder ein Sachfeld eingebettet oder in ihre Morpheme zerlegt memorisiert werden, geschrieben und/ oder lautlich verarbeitet, in ein Vokabelheft oder eine Vokabeldatei eingetragen werden usw. Bewegen sich Lerner in außerunterrichtlichen fremdsprachlichen Welten, in denen wenig bis keine lehrseitige Steuerung mehr vorhanden ist und der Fokus eher beiläufig auf den Fremdsprachenerwerb gerichtet ist, z.B. indem sie im Internet surfen, chatten, mit Muttersprachlern bei einem Aufenthalt im Zielland kommunizieren, Brieffreundschaften pflegen usw., steigt der Anteil der lernerbezogenen Selbstbestimmung noch weiter an. Man muss daher zwischen einem Kontinuum von gesteuertem und ungesteuertem Fremdsprachenerwerb unterscheiden. Daraus resultieren, v.a. durch die Verbreitung des elektronischen Kommunikationsmediums Computer mit Internetzugang, neue, für den Fremdsprachenunterricht nutzbare (Selbst)Lernmöglichkeiten (Schmale 2005, Rösler 2007, Schäfer 2009, Villiger 2011). Ungesteuertes Fremdsprachenlernen kann als selbstgesteuertes Lernen verstanden werden, das noch in gewissem Maße fremdbestimmt ist, indem es durch den Fremdsprachenunterricht angebahnt und begleitet wird, z.B. bei Projektarbeit, oder es kann als autonomes Lernen (im engen Sinne) aufgefasst werden, allein auf die Initiative des Lerners hin erfolgen, als inzidentelles Lernen, z.B. durch E-mail, oder als dezidiert lernintensionaler, aber komplett eigenverantwortlicher Fremdsprachenerwerb, z.B. wenn Lerner alle Phasen ihres Lernprozesses (von Zeitplanung, Lernzielsetzung, Materialauswahl bis hin zur Lernerfolgkontrolle) eigenverantwortlich gestalten (Wolff 2003). 1.3 Sprachbegriffe für den Fremdsprachenunterricht Fremdsprache hat eine soziokulturelle, eine sprachpsychologische und eine linguistische Dimension. Aus ihnen lassen sich verschiedene fremdsprachenunterrichtlich relevante Sprachbegriffe begründen. Fremd-, Mutter- und Zweitsprache kann man mit Hilfe der Variablen Aneignungssituation, Gebrauchskontext und individueller Beherrschungsgrad fassen und voneinander abgrenzen. Fremdsprache wird typischerweise in einem gesteuerten Lernkontext im institutionellen (schulischen) Fremdsprachenunterricht außerhalb des Ziellands erworben, um mit den Sprechern im Zielland zu kommunizieren (diese Zweckbestimmung des Fremdsprachenlernens entfällt bei ausschließlich rezeptivem Lernziel, z.B. einem nur auf die Teilkompetenz Textverstehen abzielenden Lesekurs). Fremdsprache unterscheidet sich dadurch von Mutterbzw. Erstsprache, die als erste Sprache in früher Kindheit auf natürlichem Weg, d.h. im informellen Erwerbskontext durch soziale Kon- Situationen ohne lehrseitige Steuerung Fremdsprache Muttersprache Zweitsprache <?page no="51"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 52 takte zu den Bezugspersonen, erworben wird, und von Zweitsprache, deren Aneignung nach der Erstsprache im Zielland v.a. ungesteuert erfolgt, wobei ihrer Gebrauchssphäre zumeist die umfassendere Verwendungsbreite als Umgebungssprache - im Vergleich zur Erstsprache als Familiensprache - zufällt (Edmondson 1999, 1ff.; Edmondson & House 2006, 7ff; Saville-Troike 2006, 3ff.). Mit der Unterscheidung zwischen Fremd- und Muttersprache ist ein Spezifikum der aktuellen Situation des schulischen Russischunterrichts in Deutschland verbunden (vgl. Kap. I). Durch die sprachlernbiographische Heterogenität seiner Adressaten muss er einen ständigen Spagat zwischen fremdsprachlichem und muttersprachlichem Unterricht machen und die durch beide Lehrziele vorgegebenen methodisch-didaktischen Anforderungen zugleich erfüllen. War Russischunterricht vor gut 20 Jahren noch ausschließlich Fremdsprachenunterricht, ist er durch die migrationsbedingte demographische Entwicklung der Lernergruppen heute verstärkt, z.T. sogar in erster Linie mutterbzw. herkunftsprachlicher Förderunterricht (vgl. zur Rolle der Herkunftssprache für den Erwerb weiterer Sprachen sowie für die allgemeine Bildungssozialisation Baur 2001, Ahrens 2003). Erschwerend zur Notwendigkeit einer fremd- und muttersprachenbezogenen Binnendifferenzierung der Lehre kommt hinzu, dass die muttersprachlichen russischen Lerner ihrerseits starke Kompetenzunterschiede, fassbar entlang der von Cummins (1980) umrissenen Typen basic interpersonal und academic competence, aufweisen (Saville-Troike 2006, 134ff.), von ausschließlich mündlich beherrschtem, stark routinisiertem Russisch für die Alltagskommunikation bis hin zu seiner vollumfänglich ausgeprägten Beherrschung in Laut und Schrift. Verfügen die betreffenden Lerner, wie zumeist der Fall, über Deutsch als Zweitsprache, sind zudem verschiedene Ausprägungen des Bilingualismus möglich, von einer doppelseitigen Halbsprachigkeit (Semilingualismus) als Extremform des subtraktiven Bilingualismus (Cummins 1976, 21) bis hin zu einer ausbalancierten russisch-deutschen Mehrsprachigkeit, erworben als simultaner oder sukzessiver Bilingualismus. Charakteristisch für das Konzept Fremdsprache ist außerdem der inhärente Konflikt zwischen ihrem unterrichtsinternen Einsatz als Lernstoff und Lehrmittel und dem (zumeist verfolgten) unterrichtsexternen Zweck der Sprachlehre, der Verwendung der Fremdsprache als Kommunikationsmittel im Zielland. Diese für den Fremdsprachenunterricht charakteristische, aus dem Zusammenfall von Lerngegenstand und -medium resultierende und als Lehrparadox beschreibbare Vermischung von zwei verschiedenen Diskurswelten „... im Unterricht den Lernenden beibringen [zu wollen; K.H.], wie man außerhalb des Unterrichts in der Fremdsprache kommuniziert― (Edmondson & House 2006, 244) beeinflusst unmittelbar die lehrseitige Auswahl zielsprachlicher Texte. Um das Spannungsverhältnis zwischen beiden Realitätsbezügen fremdsprachlicher Kommunikation abzumildern, werden didaktisch adaptierte, d.h. unter lernpsychologischen, kontrastiven und sprachnormativen Gesichtspunkten aufbereitete Texte durch authentische Materialien ergänzt. Moderne Lehrwerke beinhalten daher bereits für das Anfangsstadium kurze authentische Texte zur Bewältigung typischer Alltagssituationen, z.B. Frage-und-Antwort-Dialoge zur Wegbeschreibung wie in Dialog 1, Schülerbuch: 82f. Man versucht, durch die Auswahl dieser Unter- Russischunterricht zwischen fremdsprachlichem und muttersprachlichem Unterricht: eine Herausforderung „Lehrparadox“ im Fremdsprachenunterricht: die Sprache als Gegenstand und als Kommunikationsmittel <?page no="52"?> 53 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung richtsmaterialien die Lernmotivation zu fördern und damit dem Lehrparadox zu begegnen, denn die Lerner sollen erkennen, dass sie mit ihren außerhalb des Ziellands erworbenen fremdsprachlichen Kenntnissen schon früh in der Lage sind, authentische zielsprachliche Texte zu verstehen und, zunächst als Routinen auswendig gelernt, zu (re)produzieren. Allerdings besteht in der Fremdsprachenforschung kein Konsens darüber, was unter „authentischer Zielsprache― zu verstehen ist und welche spezifische lernfördernde Rolle ihr im Vergleich zu didaktisch aufbereiteten zielsprachlichen Materialien zukommt (Edmondson & House 2006, 328ff.). Zu bedenken ist, dass „reale―, aus Textkorpora gewonnene Zielsprache, sobald sie im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird, von ihrem ursprünglichen zielkulturbezogenen Zusammenhang, der Kommunikation zwischen Muttersprachlern, entkoppelt ist, in eine andere Diskurswelt projiziert wird und damit das Merkmal „authentisch― verliert. Eine eng mit der Authentizität von Lehrmaterialien verbundene Frage ist die nach dem Mehrwert von literarischen Texten gegenüber anderen Textsorten für das fremdsprachenbezogene Lernen; vgl. zu gegensätzlichen Positionen Edmondson (1991) und Dehmel (1994). Überlegungen zur Relevanz soziokultureller Aspekte für das Fremdsprachenlernen bestimmen des Weiteren die Auswahl zielsprachlicher Texte unter primär inhaltlichen Gesichtspunkten. An die Seite von landeskundlichen Informationen als kognitive Lernziele, z.B. durch Texte zur Geschichte, Geographie usw. des Ziellands, treten verstärkt als affektive Lernziele interkulturelle Lerngegenstände. Deren Verständnis erstreckt sich von genuin sprachlichen Erscheinungen, die v.a. in die Zuständigkeit einer interkulturellen Pragmatik fallen (Rathmayr 1996, Kasper & Rose 2001, House 1995, 2006), z.B. Konversationsroutinen, Höflichkeit, bis zu nicht an sprachliche Strukturen gebundene Inhalte in Form allgemeiner, das Fremdverstehen fördernder Erziehungsziele (Abendroth 1998, Bredella 2000, 2002, Roche 2001), z.B. Vermeidung einer ethnozentrischen Sichtweise auf die Zielkultur, Perspektivenwechsel, Empathie, Toleranz u.ä.; vgl. zum interkulturellen Lernen russ. DaF-Lerner Ertelt-Vieth (2005). In der Fremdsprachenforschung wird v.a. unter der Frage nach ihrem spezifischen Beitrag zum Fremdsprachenlernen kontrovers darüber diskutiert, ob bzw. in welchem Ausmaß derartige sprachentrückte Inhalte Lernziele des Fremdsprachenunterricht sein sollen, u.a. weil der Erwerb interkultureller Kompetenz und ihr Beitrag zur Beherrschung der Zielsprache nicht gemessen werden kann (De Florio-Hansen 1994, Edmondson & House 1998). Für den Lehrstoff Fremdsprache bilden (synchron)linguistische Beschreibungen der jeweiligen Form-Funktionsbeziehungen eine unabdingbare Grundlage. Begründete Lehrentscheidungen können immer nur getroffen werden, wenn neben lernpsychologischen und lernzielbezogenen Überlegungen die Ergebnisse entsprechender Sachanalysen berücksichtigt werden (Helbig 1991). So impliziert z.B. das Lernziel „kommunikative Kompetenz― immer auch eine lehrseitig zu treffende Auswahlentscheidung über die dem Fremdsprachenunterricht zugrunde zu legende fremdsprachendidaktische Norm der Zielsprache. Hilfreich für deren Festlegung sind linguistische Befunde zu Sprachvarietäten. Sie legen nahe, dass die Norm der Standardsprache zumindest für aktive Sprachtätigkeiten die einzig sinnvolle ist, denn allein sie erlaubt eine maximal sanktionsfreie Kommunikation in allen Situa- Relevanz soziokultureller Aspekte für das Fremdsprachenlernen: Landeskunde; Interkulturelles Lernen Fremdsprachendidaktische Norm der Zielsprache <?page no="53"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 54 tionen von sozialer Interaktion mit den Sprechern der Zielsprache (Kleineidam 1986, 16f.). Für die Auswahl zielsprachlicher Erscheinungen sind ebenfalls kontrastivlinguistische Beschreibungen von großem Nutzen. Sie weisen auf Sprachunterschiede als eine potenzielle Quelle für Lernschwierigkeiten hin (Gladrow 2001, Hartenstein 1991, Kielhöfer 1997, Kortmann 1998). Für das Sprachenpaar Dt.-Russ. liegen zahlreiche deskriptivlinguistische Studien (z.B. Birkenmaier 1987, Gladrow 1998, Gladrow & Hammel 2001) 10 bzw. fehlerlinguistisch orientierte Beispielsammlungen (z.B. Lampl 1996, Walter & Borgwardt 1997) vor. Eine Lehroption, die sich aus kontrastivlinguistischen Befunden ableiten lässt, ist bei formbzw. funktionsähnlichen Strukturen die gezielte, wiederholte Bewusstmachung der Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache, um letztere aus dem Ausgangssprachensystem herauszulösen, z.B. die Sensibilisierung dafür, dass dt. und zumeist zwar russ. и entspricht, allerdings nicht in der pragmatischen Funktion einer kontrastiven Anschlussfrage, vgl. На каникулы я поеду в горы? A (*И) ты? Eine weitere, durch die Berücksichtigung von Sprachkontrasten begründbare Lehroption ist es, eine kognitive Entlastung der Lerner herbeizuführen, indem zur Vermeidung von kontrastbedingten Lernproblemen kompensatorische Sprachmittel mit weitem Gebrauchsradius präsentiert werden. So kommt z.B. употреблять häufig in zielsprachlich formulierten Übungsinstruktionen vor (Ответьте на вопросы по тексту, употребляя следующие глаголы ...), es hat jedoch im Vergleich zu seinem dt. Äquivalent gebrauchen eine sehr eingeschränkte Kombinatorik (употреблять слово, окончание, ... bzw. соль, чеснок, ...). Um einem möglichen lernersprachlichen Transfer aus der Lernumgebung auf nicht normgerechte Verwendungen vorzubeugen, z.B. *употреблять новый метод, современную технику, ist es daher sinnvoll, das Verb использовать zu präsentieren und - ganz im Sinne einer Sensibilisierung für eine aktive lexikalische Kommunikationsstrategie - die Aufmerksamkeit auf dessen weitaus weniger eingeschränkte Verbindbarkeit mit Substantiven in Objektfunktion zu lenken. Aufgaben Aufgabe 1: „Als Fremdsprachenerwerb ist der dynamische Prozeß zu bezeichnen, in dem der Lerner einen in Interaktionen wahrnehmbaren Input kognitiv verarbeitet, um fremdsprachliche Situationen in rezeptiver und produktiver Weise zu bewältigen.“ (Arbeitsgruppe Fremdsprachenerwerb Bielefeld (1996): „Fremdsprachenerwerbsspezifische Forschung. Aber wie? Theoretische und methodologische Überlegungen. Teil I.―. Deutsch als Fremdsprache 33, 144). 10 Linguistische Untersuchungen sind unabdingbare Voraussetzungen für fremdsprachendidaktische Entscheidungen, allerdings ersetzen sie nicht eine lernwissenschaftliche Adaptierung ihrer Ergebnisse, wie z.B. die rein sprachvergleichende Studie von Marzari (2010) durch Ihren Titel „Leichtes Englisch, ... kompliziertes Russisch― suggeriert. <?page no="54"?> 55 1. Fremdsprachendidaktische Theoriebildung Dieses Zitat gibt eine allgemeine Definition von Fremdsprachenerwerb. Wie müsste es umformuliert/ ergänzt werden, um das institutionelle Fremdsprachenlernen zu charakterisieren? Aufgabe 2: Welchen Typen von Lernbzw. Kommunikationsstrategien lassen sich folgende, aus Sprachlernbiographien stammende Aussagen von Fremdsprachenlernern zuordnen, u.U. mit Mehrfachzuordnungen? a) Wenn ich nicht weiß, wie ich es in der Fremdsprache sagen soll, lasse ich auch schon einmal ein deutsches Wort einfließen. b) Ich muss eine neue Vokabel mindestens fünf Mal wiederholen, bevor sie sitzt. c) Ich muss Grammatikregeln immer mit eigenen Worten wiederholen, um sie zu verstehen. d) Gruppenarbeit im Fremdsprachenunterricht mag ich nicht. Da wird mir zu viel Deutsch gesprochen. e) Ich brauche erst gar nicht anzufangen, einen Text zu übersetzen, wenn nicht Wörterbuch und Grammatik auf dem Schreibtisch liegen. f) Unbekannte Vokabeln schlage ich lieber im zweisprachigen Wörterbuch nach. Das geht schneller, und ich verstehe gleich, was sie bedeuten. g) Wenn ich in der Fremdsprache nicht sagen kann, was ich eigentlich möchte, sage ich lieber gar nichts. h) Ich kann besonders gut lernen, wenn ich weiß, dass ich genug Zeit habe und nicht gleich wieder irgendwohin muss. Aufgabe 3: In der Glosse „Wie demotiviere ich richtig? ― (Krumm 2002) werden 10 Demotivierungsmaximen aufgezählt, u.a. „Fehler sind schlimm! ―, „Schüler müssen nicht alles wissen! ―, „Keine Experimente! ― und „Die Muttersprache hat im Fremdsprachenunterricht nichts zu suchen! ―. Welche persönlichen Überzeugungen (subjektiven Lehrtheorien) können Lehrer dazu veranlassen, so zu lehren? Könnern Sie sich Lerner vorstellen, die durch dieses Lehrverhalten zwar nicht motiviert, aber auch nicht demotiviert werden? Aufgabe 4: Ein Lehrprinzip der sprachübergreifenden Didaktik bzw. des sog. Tertiärsprachenunterrichts (Bausch & Helbig 2003) ist es, beim Lerner vorhandene (fremd)sprachliche Kenntnisse zu nutzen, um neues Wissen in weiteren Fremdsprachen unter Anknüpfung an diese Ressourcen zu vermitteln, insb. für den Aufbau von Interkomprehension, d.h. einer sprachübergreifenden, v.a. allem auf Leserverstehen abzielenden rezeptiven Kompetenz (Ollivier & Strasser 2013). Für das Russ. wird dies an Hand der Brückensprachen Dt., Engl. Frz. und Lat. z.B. in Behr (2005a, b) demonstriert. In der Fremdsprachenforschung gibt es allerdings auch kritische Stimmen, z.B. von Kurtz (2008): „Wie kommunikativ kann Fremdsprachenlernen in der Schule gestaltet werden, wenn es nicht mehr nur auf eine oder mehrere Zielsprachen ... ausgerichtet und didaktisch-methodisch zugeschnitten sein soll, sondern auf <?page no="55"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 56 die Erleichterung des Lernens weiterer Fremdsprachen ... sowie auf die Zusammenführung mehrere Sprachen ...? ... Wie viel Kognitivierung, an sprachenübergreifender Sensibilisierung und Reflexion, an sprachlichen Analogie- und Transferleistungen ... kann ... Schülern eigentlich abverlangt werden, insbesondere den lernschwächeren? (ebd., 135). Teilen Sie diese Bedenken? Weiterführende Literatur Apeltauer, E. (1997): Grundlagen des Erst- und Fremdsprachenerwerbs. Eine Einführung. Berlin u.a. Bausch, K.-R. & Helbig, B. (2003): „Erwerb von zweiten und weiteren Fremdsprachen im Sekundarschulalter―. In: Bausch, K.-R. & Christ, H. & Krumm, H.- J. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 4. Auflage. Tübingen, 459-463. Decke-Cornill, H. & Küster, L. (2010): Fremdsprachendidaktik. Eine Einführung. Tübingen. Eckerth, J. (2003): „Der Fremdsprachenlerner als Hypothesentester? ― In: Eckerth, H. (Hrsg.) (2003): Empirische Arbeiten aus der Fremdsprachenerwerbsforschung. Beiträge des Hamburger Promovierendenkolloquiums Sprachlehrforschung. Bochum: AKS. (Fremdsprachen in Lehre und Forschung 33), 53-80. Edmondson, W. J. & House, J. (32006): Einführung in die Sprachlehrforschung. Tübingen (4. vollständig überarb. Aufl. 2011). Riemer, C. (2002): „Wie lernt man Sprachen? ― In: Quetz, J. & von der Handt, G. (Hrsg.) (2002): Neue Sprachen lehren und lernen. Fremdsprachenunterricht in der Weiterbildung. Bielefeld, 49-82. Surkamp, C. (Hrsg.) (2010): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Stuttgart/ Weimar. <?page no="56"?> 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven für einen kompetenzorientierten Russischunterricht Anka Bergmann / Wolfgang Stadler 2.1 Kompetenzorientierung als bildungspolitisches Paradigma des Fremdsprachenunterrichts im 21. Jahrhundert Die bildungspolitische Landschaft im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, gekennzeichnet durch die dominierende Idee der Kompetenzorientierung und die Einführung von Standards zur Steuerung von Bildungsprozessen, wird zu Recht als Umbruchsituation wahrgenommen. Die Rede ist von einem „Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik im Sinne von ‚outcome-Orientierung‗, Rechenschaftslegung und Systemmonitoring― (KMK 2005, 6), von einer „neuen Ära mit dem Etikett Standard- und Kompetenzorientierung― (Rössler & Lüger 2008, 7), von einem „tiefgreifende(n) Reformprozess in schulischen und universitären Bildungsinstitutionen― (DGFF 2008, 1). Dieser Neuorientierungsprozess entfaltet fächerübergreifend Wirkmechanismen auf verschiedenen Ebenen: in Forschung, Schulentwicklung, Lehreraus- und ấfortbildung, der Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien, in der Test- und Bewertungskultur (vgl. ebd., 2). Lernen und Lehren im Fokus von Kompetenzorientierung bedeutet, dass im Zentrum des Unterrichts die Ausbildung von Fähigkeiten zur Bewältigung von Aufgaben und Problemstellungen steht. Für eine allgemeine Definition des Begriffs Kompetenz wird konsensual auf die Bestimmung des Erziehungswissenschaftlers und Psychologen Weinert (2001, 27f.) zurückgegriffen, wonach Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren und durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten [sind], um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen volitionalen […] und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können―. Der Begriff der Kompetenzorientierung ist eng verknüpft mit Standardisierung als Setzung verbindlich zu erreichender Kompetenzen. Durch Zielvorgaben in Form von Standards wird definiert, welche - über reproduzierbares Wissen hinausgehenden - Fähigkeiten und Kenntnisse Schüler am Ende ihrer Bildungslaufbahn haben müssen. Dazu wird durch institutionalisierte Leistungsvergleiche ein Bildungsmonitoring zur Qualitätssicherung etabliert. Standards sind damit Teil einer veränderten Steuerungslogik in der Bildungspolitik, die darauf abzielt, die Arbeit der Schulen zu evaluieren und auf diesem Wege Vergleichbarkeit herzustellen. Während in Deutschland bisherige Lehrpläne mit deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern vor allem festlegten, welche Inhalte und Gegenstände im Unterricht zu behandeln sind (Input-Orientierung), fokussieren Standards auf Lernergebnisse (Output-Orientierung) und legen bundeseinheitlich die zu erwerbenden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften fest (zum Vergleich traditioneller und standardorientierter Definition von Kompetenz Kompetenzorientierung ist verknüpft mit Standardisierung. Landeseinheitliche Standards legen zu erreichende Kompetenzen fest für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit. <?page no="57"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 58 Lehrpläne s. z.B. Hallet & Müller-Hartmann 2006, Halbheer & Reusser 2008). In Österreich wurden 2004 im Zuge einer Novellierung die schulischen Lehrpläne für allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) für den Fremdsprachenbereich dahingehend reformiert, dass nur mehr ein Kompetenzlehrplan für alle Sprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Spanisch, Tschechisch, Slowenisch, Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch, Ungarisch, Kroatisch, Slowakisch, Polnisch) vorliegt - allerdings getrennt nach Pflichtgegenstand (erste und zweite lebende Fremdsprache), Wahlpflichtgegenstand, Vertiefung und Erweiterung des Bildungsinhalts von Pflichtgegenständen und Freigegenstände bzw. unverbindliche Übungen (s. http: / / www.bmukk.gv.at/ schulen/ unterricht/ lp/ lp_ahs_oberstufe.xml). Diese outputorientierten Kompetenz- oder Kernlehrpläne ersetzen die früheren inputorientierten sprachenspezifischen Rahmenlehrpläne. Für die Vielfalt an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen in Österreich gelten je nach Schultyp wie z.B. Höhere technische Lehranstalten, Kaufmännische Schulen, Schulen für wirtschaftliche Berufe und Schulen für Tourismusberufe etc. unterschiedliche Lehrpläne. Die Downloads der ein zelnen Lehrpläne sind auf der Seite http: / / www.abc.berufsbildende schulen.at/ %20de/ dlcollection.asp zu finden. Allerdings treten 2014/ 15 neue Lehrpläne in Kraft. 2.2 Lernergebnisse und Standardisierung Auslöser für die bildungspolitischen Reformbemühungen (nicht nur) in Deutschland waren vor allem die unbefriedigenden Ergebnisse internationaler Schulleistungsstudien, insbesondere TIMSS und PISA. Diese richteten den Blick der Bildungspolitik auf die Lernergebnisse der Schüler allgemeinbildender Schulen und stellten in der Folge alle Faktoren und Bereiche des Bildungswesens auf den Prüfstand. Die Kultusministerkonferenz reagierte darauf in Deutschland mit der Formulierung und Implementierung bundesweit gültiger Bildungsstandards für ausgewählte Kernfächer und Stufen der allgemeinbildenden Schulen. Grundsätze der Struktur der Bildungsstandards und ihrer Bedeutung für den Prozess der Qualitätssicherung im Bildungswesen erarbeitete eine Expertenkommission unter Leitung von Eckard Klieme. Diese legte im Februar 2003 als Ergebnis ihrer Arbeit Vorschläge für die Gestaltung von Bildungsstandards vor (= Klieme-Expertise: Klieme et al. 2003). Der Fakt der Einführung nationaler Bildungsstandards als Instrument zur Schaffung von Vergleichbarkeit und Transparenz im föderalen Bildungssystem wurde durchaus positiv aufgenommen. Die rasche Einführung „auf dem Verordnungswege― (wie Küster 2006 titelt) zog aber auch erhebliche Kritik nach sich und zeugt von „einem Steuerungsverständnis, das sich als von oben nach unten wirkend versteht und mit schnellen Resultaten rechnet― (Halbheer & Reusser 2008, 263). Im österreichischen Schulwesen wurden Bildungsstandards durch eine Verordnung im Jahr 2009 für die 4. Schulstufe in den Fächern Deutsch/ Lesen/ Schreiben und Mathematik sowie für die 8. Schulstufe in Deutsch, Englisch und Mathematik eingeführt. Darüber hinaus wurde in dieser Ver- Ausgangspunkt sind Internationale Schulleistungsstudien. Nationale Standards in Deutschland, Österreich und der Schweiz <?page no="58"?> 59 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven ordnung die Überprüfung der Bildungsstandards als regelmäßige, zentral vorgegebene Leistungsmessungen festgelegt. Zuvor waren die Standards bereits seit 2001 unter Mitwirkung von Lehrern in einer Pilotphase an rund 300 Schulen erprobt worden. Im Schuljahr 2008/ 09 wurde in einer Ausgangsmessung für den späteren Vergleich der Ist-Stand in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch für die 8. Schulstufe erhoben, im Schuljahr 2009/ 10 erfolgten die gleichen Erhebungen für die 4. Schulstufe in Deutsch und Mathematik. Die Überprüfung der Bildungsstandards startete im Schuljahr 2011/ 12 mit der 8. Schulstufe im Fach Mathematik. 2012/ 13 fand die Standardüberprüfung in Englisch und 2013/ 14 in Deutsch statt. In der Schweiz sind Bildungsstandards Teil des Reformvorhabens HarmoS, welches als Schulkonkordat die einheitliche Regelung wichtiger Eckwerte im Bildungsbereich anstrebt (http: / / www.edk.ch/ dyn/ 12930.php). Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat in ihrer Plenarversammlung 2011 in Bern die ersten nationalen Bildungsziele in der Schulsprache, in den Fremdsprachen, in Mathematik und Naturwissenschaften freigegeben. Zuvor waren die Vorschläge für zu erreichende Grundkompetenzen im ersten Halbjahr 2010 in einer Anhörung bei allen Kantonen und weiteren Fachkreisen geprüft worden. Die Ergebnisse der Anhörung haben zu einer Überarbeitung der Kompetenzbeschreibungen geführt (Dokumentation der Anhörung: http: / / www.edk.ch/ dyn/ 20692.php; vgl. Maradan & Mangold 2005). Die vorgesehenen Standards sind Ergebnisstandards (output/ performance standards): Sie bezeichnen den Outcome des schulischen Lernens, d.h. auf Zielniveaus bezogene, durch Leistungstests messbar gemachte Kompetenzen, von denen erwartet wird, dass sie zu bestimmten Zeitpunkten erreicht werden (zu Arten von Standards vgl. Abs & Klieme 2005). In Bezug auf die Zielniveaus sind die deutschen (und österreichischen) Standards - entgegen der Empfehlung des Klieme-Gutachtens zur Schaffung von Mindeststandards - als Regelstandards gedacht, d.h. sie spezifizieren, was im Regelfall geleistet werden soll. Die für die Schweiz vorgesehenen Standards sind hingegen als Mindeststandards konzipiert. Sie legen damit ein verbindliches Basisniveau fest, welches von möglichst allen Lernenden zu erreichen ist (s. dazu Oelkers 2010, 14). Die grundlegenden Positionen und Implikationen, die mit der Standardorientierung verbunden sind, lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen: a) Durch die Definition von Standards soll die Qualität schulischen Lernens nachhaltig gesichert werden. Dabei zielen kompetenzorientierte Bildungsprozesse entsprechend dem zugrunde liegenden komplexen Kompetenzbegriff auf den Erwerb 1. von Kenntnissen, 2. der nötigen Fertigkeiten und Fähigkeiten, um diese Kenntnisse anzuwenden, sowie 3. der erforderlichen Einstellungen und einer reflektierten Haltung, um sich selbst in ein Verhältnis zu dem erworbenen Wissen und den Fertigkeiten zu setzen (vgl. Ziener 2008, 18). b) Kompetenzen prägen sich domänenspezifisch aus. Daher sind Kompetenzmodelle als bereichsspezifische Konstrukte zu entwickeln, die einzelne Komponenten (Teilbereiche und Niveaus) von Kompetenz identifizieren Implikationen der Standardorientierung <?page no="59"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 60 und theoretisch einbinden, um in ihrer Gesamtheit einen bestimmten Kompetenzbereich beschreibbar zu machen. Sie erfassen, was der Lerner am Ende einer Ausbildungsstufe können soll, welche Probleme er in Anwendungssituationen lösen und über welches Wissen und welche Fähigkeiten er verfügen muss, um dies erfolgreich zu tun. Fachbezogene Fähigkeiten und fachbezogenes Wissen spielen daher eine zentrale Rolle. c) Kompetenzen als Problemlösungs-Disposition sind nicht direkt beobachtbar und bewertbar. Sie äußern sich im erfolgreichen Tun, im Handeln. Klieme (2003, 73) weist in Präzisierung der Weinertschen Kompetenzbestimmung vor allem auf den erforderlichen konkreten Anwendungsbezug hin, der die Verfügung über Fähigkeiten im Sinne der Bildungsziele an die Bewältigung von komplexen Situationen bindet. Für den Bereich des Sprachhandelns in einer Fremdsprache drückt sich „die Kompetenz beim Erwerb einer Fremdsprache - wenn man kommunikative Handlungskompetenz als Bildungsziel vorgibt - darin aus, wie gut man kommunikative Situationen bewältigt, wie gut man Texte unterschiedlicher Art verstehen und selbst adressatengerecht Texte verfassen kann, […] oder in der Fähigkeit und Bereitschaft, sich offen und akzeptierend mit anderen Kulturen auseinander zu setzen. Standards für das Fremdsprachenlernen müssen diese Teilkompetenzen darstellen und jeweils verschiedene Niveaustufen unterscheiden― (Klieme et al. 2003, 21). d) Kompetenzorientierung bestimmt in diesem Sinne Aufgaben und Ziele des Unterrichts in allen Fächern. Bei der Umsetzung der Bildungsstandards in Lern- und Unterrichtsprozesse kommt der Verbindung von Kompetenz und Aufgaben eine zentrale Rolle zu. In Aufgaben konkretisiert sich, über welche Fertigkeiten und Strategien ein Schüler verfügen muss, um sie angemessen zu lösen, auf welcher Stufe des Kompetenzerwerbs die Lösung möglich ist. Durch die Entwicklung einer neuen Aufgabenkultur kann letztlich der Unterricht selbst verändert werden. Ziel ist, die Kompetenzen so konkret zu beschreiben, dass „sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Tests erfasst werden können― (vgl. Klieme et al. 2003, 19). e) Kompetenzen sind das Ergebnis kumulativen Lernens, „bei dem Inhalte und Prozesse aufeinander aufbauen, systematisch vernetzt, immer wieder angewandt und aktiv gehalten werden― (Klieme et al. 2003, 27). Kompetenzen haben Lernende entsprechend dem Kompetenzmodell der Bildungsstandards dann entwickelt, „wenn sie zur Bewältigung einer Situation vorhandene Fähigkeiten nutzen, dabei auf vorhandenes Wissen zurückgreifen und sich benötigtes Wissen verschaffen, die zentralen Zusammenhänge eines Lerngebiets verstanden haben, angemessene Lösungswege wählen, bei ihren Handlungen auf verfügbare Fertigkeiten zurückgreifen, ihre bisher gesammelten Erfahrungen in ihre Handlungen mit einbeziehen― (KMK 2004, 16; vgl. Hallet & Müller-Hartmann 2006, 3-4). <?page no="60"?> 61 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Der Prozess der Implementierung der nationalen Bildungsstandards zeigt in seinen ersten Phasen, dass deren Anwendung für alle Beteiligten „Neuland― ist (Hallet & Müller-Hartmann 2006, 3) und in vielen Bereichen der Entwicklung und Evaluierung bedarf, damit die Chancen, die sich mit der Einführung der Standards für die Sicherung nationaler Vergleichbarkeit und die Verbesserung der Qualität schulischer Bildung verbinden, zur Geltung kommen. Damit die Einführung gelingt, muss die administrative Setzung der Standards begleitet werden von einem Angebot an Ressourcen, Instrumenten, Unterstützungsmaßnahmen, die es den beteiligten Akteuren erlauben, die Standards an die spezifischen strukturellen Verhältnisse anzupassen. Solche Wirkungen stellen sich nicht von selbst ein (vgl. dazu Oelkers & Reusser 2008). Auf zentraler Ebene ist die wissenschaftliche Überprüfung der Wirksamkeit und die Weiterentwicklung von Bildungsstandards, die Umsetzung des Kompetenzbegriffs in ein Konzept unterrichtlicher Lerndiagnose sowie die Entwicklung von Lern- und Testaufgaben dem 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingerichteten Institut für Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) übertragen worden. Das IQB ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Länder. In Österreich liegen diese Aufgaben beim 2008 gegründeten Bundesinstitut Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE https: / / www.bifie.at). Darüber hinaus werden die Modellierung von Kompetenzniveaus und die Konzeptualisierung Kompetenzen fördernden Unterricht(en)s intensiv in der bildungstheoretischen, pädagogisch-psychologischen und fachdidaktischen Forschung diskutiert (vgl. übergreifend Ziener 2008, Oelkers & Reusser 2008, Oelkers 2010, im Bereich der Fremdsprachen: DGFF 2008, Harsch & Hartig 2011, De Florio-Hansen & Klewitz 2009, Bausch et al. 2005, 2009, Rössler & Lüger 2008, Zydatiß 2005). Der Evaluierung und empirisch fundierten Weiterentwicklung fachspezifischer Modelle des Wissens und Könnens dienen insbesondere groß angelegte Schulleistungsstudien. Eine der ersten repräsentativen Studien dieser Art war DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen International), die die Kompetenzen von Schülern der neunten Jahrgangsstufe in Deutschland in den Fächern Deutsch und Englisch beschrieb und Bedingungen der Kompetenzentwicklung im Zusammenwirken von unterrichtlichen, schulischen, individuellen und familiären Faktoren analysierte (Beck & Klieme 2007). Die Bildungsbehörden aller Bundesländer haben auf unterschiedlichen Wegen versucht, die rasche Reaktion der KMK auf PISA in konkrete qualitätssichernde Maßnahmen umzusetzen. Ungeachtet der föderalen Vielfalt in der Ausgestaltung ist dies im Ganzen eine übereinstimmende Entwicklung. Systematische Instrumente der Implementierung sind in erster Linie die Bildungspläne der Länder: sie berücksichtigen fachliche Neuorientierungen der Bildungsstandards, gehen ebenfalls vom Kompetenzbegriff aus, formulieren jedoch in Komplementarität zu den Standards weitere für das Curriculum relevante fachliche, überfachliche und persönlichkeitsbezogene Themen und Ziele. In der Stufung der Kompetenzen und Inhalte für bestimmte Schulstufen und im Grad der Konkretisierung sind die Modelle verschieden. Beispielsweise wurden in Nordrhein-Westfalen eigene Kernlehrpläne entwickelt, die die äußere Form der KMK-Standards übernehmen, aber Kompetenzpro- Implementierung der Nationalen Bildungsstandards Implementierung auf der Ebene der Bundesländer <?page no="61"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 62 file für den Abschluss der sechsten, achten und zehnten Klasse vorsehen. In Baden-Württemberg wurden bereits 2004 eigene Standards für jedes Schulfach festgelegt, in Bayern hingegen wurden die herkömmlichen Lehrpläne nur geringfügig angepasst. In Berlin wurden Rahmenlehrpläne für die Primarstufe sowie die Sekundarstufe I und II erarbeitet. Eine vollständige und abschließende Übersicht ist bislang nicht möglich, vieles befindet sich in Bewegung und kann am besten über die Internetpräsenzen der Bildungsministerien und pädagogischen Landesinstitute verfolgt werden. Hier werden auch Erwartungshorizonte, Niveaukonkretisierungen und Aufgabenbeispiele bereitgestellt, die den Lehrern Auskunft darüber geben, was sie auf einem bestimmten Niveau von ihren Schülern erwarten können. So wird von den Zielkompetenzen her ein gestuftes Kerncurriculum entworfen und in Unterrichtsanforderungen übersetzt. Diese Struktur wurde auch für die Fächer aufgenommen, für die keine zentralen Standards vorliegen. So lehnen sich die in 15 Bundesländern (außer Saarland) vorliegenden Russischlehrpläne an das Kompetenzmodell der Standards für die erste Fremdsprache an. Für Russisch gilt wie für andere Tertiärsprachen auch, „dass diese sich den qualitativen Maßstäben, die für die ersten Fremdsprachen formuliert wurden, weder entziehen können noch wollen. Denn alle Fremdsprachen agieren innerhalb ein und desselben Bildungssystems― (Meißner 2011, 113). Zu einer höheren Vergleichbarkeit der Abschlüsse zwischen den Bundesländern sollen insbesondere zentrale Abschlussprüfungen, Vergleichsarbeiten und Lernstandserhebungen beitragen: auf diesem Wege sind die durch Bildungsstandards gesetzten Anforderungen real in den Schulen angekommen. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung (EPA) bilden die bundesweit einheitliche Grundlage für die schriftliche und mündliche Abiturprüfung der jeweiligen Fächer. Sie erfüllen die Funktion, Standards in der Abiturprüfung festzulegen und ein einheitliches und angemessenes Anforderungsniveau zu sichern, dadurch, dass sie nicht nur in einer Fachpräambel die spezifischen Ziele und Anforderungen des Faches und seinen Beitrag zum Erwerb der grundlegenden Kompetenzen beschreiben, sondern darüber hinaus konkrete Lern- und Prüfungsbereiche benennen und wichtige Hilfen zur Konstruktion von Prüfungsaufgaben und zur Bewertung von Prüfungsleistungen bereitstellen. Die gültigen EPA wurden für Russisch und eine Reihe anderer Fächer 2004 neu gefasst. Für die Kernfächer sind die Regelungen für die Abiturprüfung in die neuen Abiturstandards 2012 eingeflossen. Mit dem Wittenberger Beschluss der KMK vom 20./ 21.06.2013 beginnt zudem der Aufbau eines Pools von Prüfungsaufgaben für das Abitur. Dieser Pool soll zur weiteren Verbesserung der Qualität und Vergleichbarkeit der Prüfungsaufgaben beitragen und wird nach einem festgelegten Verfahren der Auswahl und Prüfung kontinuierlich aufgefüllt werden und den Ländern für den Einsatz im Abitur ab dem Schuljahr 2016/ 17 zur Verfügung stehen. Die KMK wertet diesen Beginn eines gemeinsamen Qualitätsentwicklungsprozesses aller Länder als „Kulturwandel beim Abitur― 1 . In Österreich wird der- 1 http: / / www.kmk.org/ presse-und-aktuelles/ meldung/ ergebnisse-der-342kultusministerkonferenz-am-2021-juni-2013-in-der-lutherstadt-wittenberg.html Vergleichbarkeit durch zentrale Prüfungen und Lernstandserhebungen <?page no="62"?> 63 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven zeit an der Aufgabenerstellung für eine (teil)standardisierte 2 Reife- und Diplomprüfung (Matura) gearbeitet. Die Standardisierung soll gewährleisten, dass die Planung und Durchführung von Unterricht in der Folge stärker und nachhaltiger ergebnisorientiert ausgerichtet sein wird. Die den Aufgaben zugrunde liegende Kompetenzorientierung setzt dabei jenen Prozess fort, der mit der Neukonzipierung der Lehrpläne einsetzen sollte: Der nachhaltige Erwerb flexibel anwendbarer Kompetenzen rückt in den Mittelpunkt des Unterrichts, der Lernerfolg der Schüler wird nicht so sehr am Ausmaß des von ihnen kurzfristig abrufbaren Wissens gemessen, sondern vielmehr an der Fähigkeit, dieses Wissen situationsadäquat ein- und umzusetzen. Diese neue Reifeprüfung („Zentralmatura―) soll flächendeckend 2014/ 15 für AHS und 2015/ 16 für berufsbildende höhere Schulen (BHS) umgesetzt werden. Standardisierte Testaufgaben werden zentral für die erste lebende Fremdsprache (Englisch) und die zweiten lebenden Fremdsprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch) erstellt und lösen somit die von Lehrern individuell und nach eigenem Gutdünken erstellten Maturaaufgaben ab. Neben der Entwicklung von standardisierten Aufgaben für die Fremdsprachen sind auch die Fächer Deutsch, Latein, Griechisch und Mathematik in diesen Prozess involviert. Russisch war anfangs auch Teil dieser kompetenzorientierten Entwicklung neuer Prüfungsformen und -formate, liegt aber nun bedauerlicherweise wieder in den Händen der einzelnen Lehrer des Fachs. Die Situation ist insofern schwierig, da Russisch im Westen Österreichs - mit wenigen Ausnahmen - meist als dritte oder vierte lebende Fremdsprache unterrichtet wird, während im Osten Österreichs Russisch auch erste oder zweite lebende Fremdsprache sein kann. Die Population der Russischlernenden ist in Österreich für Feldtestungen und Pilotierungen von Maturaaufgaben aber zu klein, um statistisch relevante Aussagen zu den Ergebnissen machen zu können. 2.3 Instrumente der Standardisierung und Kompetenzorientierung Im Folgenden sollen die grundlegenden Instrumente der Standardisierung und Kompetenzorientierung hinsichtlich ihrer Gesamtkonzeption und des zugrundeliegenden Kompetenzverständnisses genauer besprochen werden. Im Bereich des Fremdsprachenlernens erscheinen Kompetenzorientierung und Standardisierung in der nationalen Bildungspolitik als Fortsetzung des gesamteuropäischen Bemühens, Kompetenzen auf unterschiedlichen Könnensstufen (Niveaus) zu beschreiben. Markiert wird diese Entwicklung im europäischen Maßstab durch das Erscheinen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen: lehren, lernen und beurteilen (GeR) des Europarats im Jahre 2001. Der GeR ist Ausdruck für eine europäische Sprachenpolitik, die eine verstärkte Mobilität und eine effektivere Kommunikation innerhalb der europäi- 2 Teilstandardisiert deswegen, weil die Lehrer die mündlichen Prüfungsaufgaben nach wie vor selber erstellen (allerdings mit der Hilfe von an den Schulen ausgearbeiteten Themenpools) und die schriftlichen Arbeiten selber korrigieren. Mit der Standardisierung verbindet sich Hoffnung auf ergebnisorientierten Unterricht. Kompetenzorientierung im Bereich des Fremdsprachenlernens: europäisches Bemühen um länder- und sprachübergreifende Definition von Stufen des Sprachenlernens <?page no="63"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 64 schen Mitgliedsländer unterstützen will. Ziel ist es, die „Qualität der Kommunikation unter Europäern mit unterschiedlichem sprachlichen und kulturellen Hintergrund zu verbessern― (Europarat 2001, 8) und so eine größere Einheit unter den Mitgliedsstaaten zu erreichen (ebd., 14). Grundlegend ist die Idee einer länder- und sprachenübergreifenden Definition von Stufen des Sprachenlernens in Form von Kompetenz(niveau)beschreibungen als gemeinschaftliche Grundlage für die Entwicklung europaweit vergleichbarer Sprachprüfungen, Lehrpläne, Lehr- und Lernmaterialien. Indem der GeR als Hilfsmittel fungiert, Ziele des Sprachenlernens und -lehrens klar und umfassend, in Kategorien eines kohärenten Beschreibungssystems zu benennen, können Unterschiede in Bildungssystemen ausgeglichen und Kooperationen im Bereich des Fremdsprachenlehrens und -lernens ermöglicht werden. Mittlerweile ist der Referenzrahmen in über 25 Sprachen übersetzt. Die russische Version Общеевропейские компетенции владения иностранным языком: изучение, преподавание, оценка (ОКВИЯ) wurde 2005 veröffentlicht. 2.3.1 Das Kompetenzmodell des GeR Der GeR folgt einem handlungsorientierten Ansatz, der Sprachverwendende und Sprachenlernende vor allem als sozial Handelnde betrachtet und sich theoretisch zurückführen lässt auf sprachphilosophische Positionen Wittgensteins aus den 1950er Jahren und soziolinguistische Ansätze etwa von Hymes, nach denen Sprachnutzer auf der Basis allgemeiner und partikularer kommunikativer Kompetenz sozial (inter)agieren, um ihre alltäglichen Ziele zu erreichen. Das im GeR entwickelte Modell der sprachlich-kommunikativen Kompetenz knüpft an vorhergehende Kompetenzmodelle, insbesondere an das Modell der kanadischen Immersionsforscher Canale & Swaine und deren Begriff der Sprachfähigkeit (language proficiency) sowie das Modell der kommunikativen Sprachfähigkeit (communicative language ability) des US-Amerikaners Bachman an. (Einen Überblick über die Entwicklung des GeR-Kompetenzmodells von Canale & Swaine über das Bachman-Modell und dessen Modifizierungen gibt ALTE (2005), Modul 1, 13-21; zur Entwicklung von Skalen und Deskriptoren s. North & Schneider (1998); vgl. auch Tesch (2006). Dabei wird davon ausgegangen, dass Sprachlerner sowohl über verschiedene Komponenten allgemeiner Kompetenzen als auch über eine direkt auf Sprache bezogene kommunikative Sprachkompetenz verfügen: „Auf die eine oder andere Weise tragen alle menschlichen Kompetenzen zur Kommunikationsfähigkeit der Sprachverwendenden bei, sodass man sie als Aspekte der kommunikativen Kompetenz betrachten kann. Es kann jedoch sinnvoll sein, die weniger eng mit der Sprache verknüpften Kompetenzen von den linguistischen Kompetenzen im engeren Sinne zu unterscheiden“ (GeR Kap. 5 3 , 103). 3 Für den GeR werden sowohl Verweise auf die Kapitel als auch Seitenzahlen gegeben, um die Auffindbarkeit sowohl in der Onlineals auch in der Druckversion zu gewährleisten. Handlungsorientierter Ansatz: Sprachverwendende als sozial Handelnde <?page no="64"?> 65 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Die allgemeinen Kompetenzen bestehen aus: • savoir deklaratives Wissen (Weltwissen, soziokulturelles Wissen, interkulturelles Bewusstsein, • savoir-faire Fertigkeiten und prozedurales Wissen (praktische Fertigkeiten, interkulturelle Fertigkeiten, • savoir-être persönlichkeitsbezogene Kompetenz, • savoir-apprendre Lernfähigkeit (Sprach- und Kommunikationsbewusstsein, allgemeines phonetisches Bewusstsein und phonetische Fertigkeiten, Lerntechniken, heuristische Fertigkeiten). „Zur Umsetzung ihrer kommunikativen Absichten setzen Sprachverwendende/ Lernende sowohl […] ihre allgemeinen Fähigkeiten als auch eine spezifisch sprachbezogene kommunikative Kompetenz ein.“ (GeR Kap. 5.2, 109) Im Bereich der Kommunikativen Sprachkompetenz werden sehr eng definierte systemgrammatische Kompetenzen deutlich von Sprachverwendungskompetenzen abgesetzt. Kommunikative Kompetenz im engeren Sinn besteht aus folgenden Komponenten: • linguistische Kompetenzen; • soziolinguistische Kompetenzen; • pragmatische Kompetenzen. Die sprachlichen (Teil)kompetenzen werden in ein Modell kommunikativer Sprachfunktionen geordnet, in dem Produktion und Rezeption als zentrale Aktivitäten erscheinen, denen Interaktion und Mediation zu- oder nachgeordnet werden. Damit hat der GeR den Blick auf die sprachlichen Fertigkeiten verändert (vgl. Fandrych & Thonhauser 2008) und vor allem die traditionellen vier Fertigkeiten (Sprechen, Hören, Lesen, Schreiben) in neue hierarchische Ordnungen gebracht. Diese waren bekanntlich nicht nur traditionell Eckpfeiler des institutionalisierten Fremdsprachenunterrichts, ihre Rangfolge und ihr Verhältnis zueinander waren Indizes für methodische Konzeptionen in der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts. So stand für die Grammatik-Übersetzungs-Methode das Lesen im Vordergrund, die audiolinguale Methode, aber auch das kommunikative Paradigma hingegen sind gekennzeichnet durch eine deutliche Priorität des Mündlichen. Letztlich ist es aber doch so, dass „die fremdsprachendidaktische Konvention, von den vier Fertigkeiten zu sprechen, […] der Realität sprachlicher Kommunikation nur partiell [entspricht]― (Storch 1999, 15). Das auf sechs Niveaustufen ausgelegte System des GeR zur Beschreibung von Sprachkompetenz basiert auf der Analyse der Sprachverwendung als soziale Interaktion. Es fragt danach, über welche allgemeinen und kommunikativen Kompetenzen Lernende verfügen müssen, welche sprachlichen Aktivitäten sie leisten, wenn sie an der Ausführung von Diskursen zu bestimmten Themen beteiligt sind und dazu in verschiedenen Lebensbereichen Texte produzieren, rezipieren oder mittels derer interagieren. Die Teilkompetenzen werden mit Hilfe von Deskriptoren („was kann der Lerner―) beschrieben und skaliert. Kompetenzen der Sprachlerner: allgemeine Kompetenzen kommunikative Sprachkompetenzen Modell kommunikativer Aktivitäten: Produktion und Rezeption/ Interaktion Niveaustufen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen <?page no="65"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 66 C Proficient User Свободное владение Kompetente Sprachverwendung С2 Mastery Уровень владения в совершенстве С1 Effective Operational Proficiency Уровень профессионального владения В Independent User Самостоятельное владение Selbstständige Sprachverwendung В2 Vantage Пороговый продвинутый уровень В1 Threshold Пороговый уровень А Basic User Элементарное владение Elementare Sprachverwendung А2 Waystage Предпороговый уровень А1 Breakthrough Уровень выживания Abb. 3: Gemeinsame Referenzniveaus Damit lassen sich Fortschritte in der Sprachkompetenz zum einen nach quantitativen (Spektrum sprachlicher Mittel) und qualitativen Aspekten (Aspekte des Sprachgebrauchs) im Rahmen der vertikal geordneten Niveaustufen (Globalskala) beschreiben. Darüber hinaus kann der Lerner horizontal die Fähigkeit zum Handeln in einem Spektrum von kommunikativen Sprachaktivitäten erweitern. Bei Berücksichtigung der Beschreibungskategorien zum externen Verwendungskontext in den Bereichen Privat, Öffentlich, Beruflich, Bildung lässt sich ein 3-D-Modell der möglichen Lernentwicklung konstruieren. Zielsetzungen und Lernfortschritte können somit sehr differenziert beschrieben und sowohl für Lehr-/ Lernprogramme als auch für individuelle Lerner je nach Bedarf unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Seit dem Erscheinen des GeR im Jahr 2001 ist die Transparenz von Lehr-, Lern- und Prüfungsleistungen auf Grund der Beachtung von Kann-Beschreibungen, was Schüler auf einer bestimmten Niveaustufe tatsächlich können, eines der Ziele, die sich auch ein moderner, auf Kommunikation und Handlungsorientiertheit ausgerichteter Russischunterricht setzt. Erreicht und ge- Beschreibung von Lernfortschritt auf der Basis der Niveaustufen Transparenz von Lehr-, Lern- und Prüfungsleistungen auf Grund von Kann-Beschreibungen <?page no="66"?> 67 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven fördert wird die Transparenz mit Hilfe von Kriterien, die in einer Globalskala pointiert beschrieben sind (s. Abb. 4). Diese Globalskala ist in drei Lernbereiche oder Niveaus unterteilt: elementare (A), selbstständige (B) und kompetente Sprachverwendung (C). Jeder dieser drei Lernbereiche A, B, C ist noch einmal in eine höhere und niedere Stufe untergliedert, so dass insgesamt sechs Niveaustufen von A1-C2 zur Verfügung stehen. Formuliert sind die Kriterien in Form von Kann-Beschreibungen in über 40 Skalen zu den sprachlichen Fertigkeiten und linguistischen Kompetenzen, deren Deskriptoren das Positive einer Lernleistung herausstreichen und die Defizite in den Hintergrund rücken: z.B. Умею без подготовки участвовать в беседе на знакомую тему (устная диалогическая речь, B1). Die Skalen sind performanz- und kompetenzorientiert und somit geeignet, einen vergleichbaren Rahmen für den Russischunterricht in den unterschiedlichen Schultypen der einzelnen Bundesländer in Deutschland und Österreich sowie in den Kantonen der Schweiz zu bilden. Die im Folgenden angeführte Globalskala stellt eine allererste Orientierung dar, wenn man sich mit Kollegen über die Qualität einer Niveaustufe oder die Einordnung einer Leistung in eine bestimmte Stufe austauschen will. У РОВЕНЬ О ПИСАНИЕ A1 Понимаю и могу употребить в речи знакомые фразы и выражения, необходимые для выполнения конкретных задач. Могу представиться/ представить других, задавать/ отвечать на вопросы о месте жительства, знакомых, имуществе. Могу участвовать в несложном разговоре, если собеседник говорит медленно и отчетливо и готов оказать помощь. A2 Понимаю отдельные предложения и часто встречающиеся выражения связанные с основными сферами жизни (например, основные сведения о себе и членах своей семьи, покупках, устройстве на работу и т. п.). Могу выполнить задачи, связанные с простым обменом информации на знакомые или бытовые темы. В простых выражениях могу рассказать о себе, своих родных и близких, описать основные аспекты повседневной жизни. <?page no="67"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 68 B1 Понимаю основные идеи четких сообщений, сделанных на литературном языке на разные темы, типично возникающие на работе, учебе, досуге и т. д. Умею общаться в большинстве ситуаций, которые могут возникнуть во время пребывания в стране изучаемого языка. Могу составить связное сообщение на известные или особо интересующие меня темы. Могу описать впечатления, события, надежды, стремления, изложить и обосно-вать свое мнение и планы на будущее. B2 Понимаю общее содержание сложных текстов на абстрактные и конкретные темы, в том числе узкоспециальные тексты. Говорю достаточно быстро и спонтанно, чтобы постоянно общаться с носителями языка без особых затруднений для любой из сторон. Я умею делать четкие, подробные сообщения на различные темы и изложить свой взгляд на основную проблему, показать преимущество и недостатки разных мнений. C1 Понимаю объемные сложные тексты на различную тематику, распознаю скрытое значение. Говорю спонтанно в быстром темпе, не испытывая затруднений с подбором слов и выражений. Гибко и эффективно использую язык для общения в научной и профессиональной деятельности. Могу создать точное, детальное, хорошо выстроенное сообщение на сложные темы, демонстрируя владение моделями организации текста, средствами связи и объединением его элементов. C2 Понимаю практически любое устное или письменное сообщение, могу составить связный текст, опираясь на несколько устных и письменных источников. Говорю спонтанно с высоким темпом и высокой степенью точности, подчеркивая оттенки значений даже в самых сложных случаях. Abb. 4: Globalskala in russischer Sprache Der GeR dient mittlerweile als anerkannter Orientierungsrahmen für die Praxis von Bildungseinrichtungen und Verlagen. (Zur kritischen Diskussion dieser Rolle vgl. z.B. die Beiträge in Bausch et al. 2003a, Fandrych & Thonhauser 2008, Meißner 2011). Impulse setzt der Referenzrahmen vor allem mit der zentralen Ausrichtung auf individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit. Die EPA greifen diesen Gedanken auf und verweisen in der Fachpräambel auf den spezifischen Beitrag des Schulfachs Russisch zur Ausbildung europäischer Mehrsprachigkeit. Das Konzept des Europarates unterscheidet zwischen einer (gestuften) Mehrsprachigkeit als Kenntnis einer Anzahl von Sprachen und Das Konzept der Mehrsprachigkeit <?page no="68"?> 69 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Vielsprachigkeit als Koexistenz verschiedener Sprachen in einer Gesellschaft bzw. in einem geografischen Raum (vgl. GeR 1.3, 17). Ziel ist, dass jeder Europäer über die Kenntnis der Muttersprache hinaus zwei weitere Sprachen erlernt: Dies wird kurz mit der Formel „Muttersprache plus 2― präzisiert. Betont wird das Recht des Einzelnen auf Möglichkeiten zum Sprachenlernen in der Muttersprache, einer internationalen Sprache sowie einer Nachbarsprache. Dafür sind auf nationaler Ebene die entsprechenden Bedingungen zu schaffen. In der Realität sind bislang 54% der EU- Bürger in der Lage, sich in einer anderen als der Muttersprache zu unterhalten. Demgegenüber stehen 23% der EU-Bürger, die keine weitere Sprache außer der Muttersprache können. Hierzu kommt ein deutliches Übergewicht von Englisch als vermittelter Fremdsprache (Eurobarometer 2012). Mehrsprachigkeit innerhalb der Europäischen Union wird vor allem betrachtet als Schlüsselkompetenz für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsmarktmobilität. Zugleich stellt die Erhaltung der sprachlichen Vielfalt einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes Europas dar. Bildungspolitisch resultiert daraus die Forderung nach einer Diversifizierung des schulischen Fremdsprachenangebots. Die Implikationen dieses Paradigmas für die Praxis des (Fremd)Sprachenunterrichts erwachsen vor allem daraus, dass „Mehrsprachigkeit […] die Tatsache [betont], dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker […]. Diese Sprachen und Kulturen […] bilden […] gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren― (GeR 1.3, 17). Ziel kann einer solchen Auffassung zufolge nicht mehr das isolierte Lernen und die getrennte Beherrschung zweier oder dreier Sprachen sein. Es muss vielmehr darum gehen, Synergien nutzbar zu machen, indem ein Gesamtsprachencurriculum als Konzept durchgängiger Sprachbildung etabliert wird, zu dem alle in der Schule angesiedelten Sprachenfächer beitragen können. Erste Überlegungen zu einer integrativen Mehrsprachigkeitsdidaktik liegen vor z.B. bei Bär 2009, Hallet/ Königs 2010. Logische Konsequenz muss aber ebenso die stärkere Berücksichtigung des in der Gesellschaft vorhandenen Potenzials an Mehrsprachigkeit etwa durch die positive Würdigung und systematische Förderung der herkunftssprachlichen Kompetenzen der Schüler mit Migrationshintergrund sein. 2.3.2 Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RePA) Ein ergänzendes Instrument zur Verbindung von Sprachen und sprachlichen Varietäten, in denen Lernende Kenntnisse besitzen oder erwerben, stellt der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RePA) dar, der die Ideen des GeR im Bereich von Mehrsprachigkeit und interkulturellem Lernen fortgesetzt. Der RePA unterscheidet Lehr- und Lernverfahren, die sich auf mehrere Sprachen und Kulturen zugleich beziehen und damit traditionellen einzelzielsprachlichen Konzepten gegenüberstehen. Solche pluralen Ansätze sind: Ein ehrgeiziges Ziel für Europa: „Muttersprache +2“ Mehrsprachigkeitsdidaktik Mehrsprachigkeitsdidaktik <?page no="69"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 70 • http: / / carap.ecml.at/ Keyconcepts/ Pluralisticapproachestolanguagesand cultures/ Awakeningtolanguages/ tabid/ 2687/ language/ de- DE/ Default.aspx; • carap.ecml.at/ Keyconcepts/ Pluralisticapproachestolanguagesandcultures/ Intercomprehensionofrelatedlanguages/ tabid/ 2688/ language/ de- DE/ Default.aspx ; • http: / / carap.ecml.at/ Keyconcepts/ Pluralisticapproachestolanguagesand cultures/ Interculturalapproach/ tabid/ 2689/ language/ de-DE/ Default.aspx; • http: / / carap.ecml.at/ Keyconcepts/ Pluralisticapproachestolanguagesand cultures/ Integrateddidacticapproach/ tabid/ 2690/ language/ de- DE/ Default.aspx . Der RePA folgt den Prinzipien des Guide for the development of language education policies in Europe (Europarat 2007) sowie des Guide for the development and implementation of curricula for plurilingual and intercultural education (Europarat 2010). 2.3.3 Europäisches Sprachenportfolio (ESP) Als didaktisches Instrument zur reflexiven Begleitung von Sprachlernerfahrungen wurde das Europäische Sprachenportfolio entwickelt, das aus drei Teilen besteht: Sprachenpass, Sprachenbiografie und Dossier. Es dient insbesondere dazu, die Erfahrungen der Lernenden zu dokumentieren und gleichzeitig mehr Bewusstheit für Europa, seine Sprachen und Kultur zu entwickeln und die Lernermotivation zu steigern. In vielen europäischen Ländern wurden eigene Versionen des ESP entwickelt, die den nationalen Gegebenheiten des Bildungssystems angepasst sind. Eine Liste der vom Europarat akkreditierten Portfolios findet sich auf der Internetpräsenz des Europarates (zur Portfolioarbeit im Russischunterricht s. Seemann 2014). 2.3.4 Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA) An Lehramtsstudierende sowie Ausbilder und Mentoren wendet sich das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA), das als Anregung dienen soll, wichtige Aspekte der Lehrerausbildung zu besprechen, die zum professionellen Bewusstsein beitragen. Es enthält Teile zur Selbstreflektion und Selbstbeurteilung sowie ein Glossar der wichtigsten Begriffe, ein Dossier für Beispiele der eigenen Unterrichtsarbeit und einen Index mit den in den Kann-Beschreibungen verwendeten begriffen. Die englische (EPOSTL), deutsche (EPOSA) und russische Fassung „Европейский портфель для будущих преподавателей иностранных языков― (ЕППИЯ) finden sie hier: http: / / archive.ecml.at/ mtp2/ publications/ C3_Epostl_D_internet.pdf http: / / www.oesz.at/ download/ publikationen/ Praxisreihe_15_web. http: / / www.ecml.at/ tabid/ 277/ PublicationID/ 16/ Default.aspx http: / / www.uibk.ac.at/ slawistik/ pdf/ eposa.pdf reflexive Begleitung von Sprachlernerfahrungen Selbstreflektion und Selbstbeurteilung im Rahmen der Lehrerausbildung <?page no="70"?> 71 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven 2.4 Das Kompetenzmodell der Bildungsstandards im Bereich des Fremdsprachenlernens Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache lehnen sich sowohl in ihren Zielvorgaben als auch in dem zugrunde liegenden Kompetenzmodell sowie in der Modellierung von Kompetenzstufen an den GeR an. Sie sind im Zusammenhang der Konsensfindung zu Bildungszielen in modernen Gesellschaften zu sehen (vgl. Klieme et al. 2003, 58ff.) und formulieren als allgemeine Zielvorgabe für das schulische Fremdsprachenlernen, dass „die kommunikativen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler für ihr Handeln in mehrsprachigen Situationen am Ende der Sekundarstufe I verlässlich ausgebildet worden sind― (KMK 2004, 7). Damit werden hier drei grundlegende Kompetenzbereiche ausgewiesen. Unter kommunikativen Kompetenzen verstehen die Bildungsstandards einerseits Kommunikative Fertigkeiten und andererseits Verfügung über sprachliche Mittel. Funktionale kommunikative Kompetenzen Kommunikative Fertigkeiten Verfügung über die sprachlichen Mittel Hör- und Hör-/ Sehverstehen Leseverstehen Sprechen an Gesprächen teilnehmen zusammenhängendes Sprechen Schreiben Sprachmittlung Wortschatz Grammatik Aussprache und Intonation Orthographie Interkulturelle Kompetenzen Soziokulturelles Orientierungswissen Verständnisvoller Umgang mit kultureller Differenz Praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen Methodische Kompetenzen Textrezeption (Hör-/ Sehverstehen und Leseverstehen) Interaktion Textproduktion (Sprechen und Schreiben) Lernstrategien Präsentation und Mediennutzung Lernbewusstheit und Lernorganisation Abb. 5: Kompetenzbereiche in der Sekundarstufe I (s. KMK 2004) Drei grundlegende Kompetenzbereiche in den Bildungsstandards für die Sekundarstufe I <?page no="71"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 72 Während den funktionalen kommunikativen Kompetenzen und dabei insbesondere der Mündlichkeit im Modell der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss besondere Bedeutung eingeräumt wird sowie den interkulturellen Kompetenzen ein hoher Stellenwert zukommt, erhalten in den Standards für die gymnasiale Oberstufe zudem die Text- und Medienkompetenz sowie die Reflexion über Sprache und Sprachverwendung eine erhöhte Bedeutung. In den Abiturstandards heißt es: „Ein wesentliches Ziel des Fremdsprachenunterrichts der Oberstufe ist die Befähigung zum mündlichen und schriftlichen Diskurs. Diese Diskursfähigkeit wird verstanden als eine Verstehens- und Mitteilungsfähigkeit, die inhaltlich zielführend, sprachlich sensibel und differenziert, adressatengerecht und pragmatisch angemessen ist. Sie umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden.― (KMK 2012, 9) Das vorliegende Verständnis von Diskursfähigkeit knüpft damit an das von der OECD entwickelte Konzept von literacy als Fähigkeit zur Partizipation am gesellschaftlichen Diskurs an. Sprachlernkompetenz Interkulturelle kommunikative Kompetenz Sprachbewusstheit Verstehen Handeln Wissen Einstellungen Bewusstheit Funktionale kommunikative Kompetenz Hör-/ Hörsehverstehen Leseverstehen Schreiben Sprechen Sprachmittlung Verfügen über sprachliche Mittel und kommunikative Strategien Text- und Medienkompetenz mündlich schriftlich medial Abb. 6: Kompetenzbereiche der Abiturstandards (s. KMK 2012) Veränderte Schwerpunkte für Sekundarstufe II: Text- und Medienkompetenz, Reflexion über Sprache und Sprachverwendung <?page no="72"?> 73 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Dieses veränderte Modell berücksichtigt offensichtlich zum einen die in den Jahren seit Erscheinen der Bildungsstandards geäußerte Kritik und Erfahrungen aus der Umsetzung in die schulische Praxis. Zum anderen wird es damit begründet, dass auf höheren Niveaustufen in Bezug auf erweiterte kommunikative Anforderungen andere Schwerpunktsetzungen erforderlich sind. Den funktional kommunikativen Kompetenzen, erweitert um kommunikative Strategien, kommt weiterhin ein zentraler Stellenwert zu. Die interkulturelle Kompetenz ist als interkulturelle kommunikative Kompetenz neu gefasst und positioniert. Damit soll verdeutlicht werden, dass sie sich in fremdsprachlichem Handeln und Verstehen manifestiert. Ihre Dimensionen sind Wissen, Einstellungen und Bewusstheit. Text- und Medienkompetenz wird entsprechend dem Stellenwert und den erweiterten Formen des Umgangs mit Texten und Medien in der gymnasialen Oberstufe als ein eigener Bereich ausgewiesen. Die in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss zusammengestellten methodischen Kompetenzen sind neu zugewiesen, ein Teil ist einzelnen Kompetenzen zugeordnet. Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz sind als eigene Kompetenzen gefasst. Da sie zugleich die Ausbildung der anderen Kompetenzen unterstützen, sind sie in der Grafik (Abb. 6) lateral angeordnet. Die gestrichelten Linien verdeutlichen, dass alle Kompetenzbereiche in engem Bezug zueinander stehen (vgl. KMK 2012, 11-12). Bis zum Mittleren Schulabschluss (10. Jahrgangsstufe) sollen die Schüler im Wesentlichen das Niveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens erreichen, zur Allgemeinen Hochschulreife wird im Wesentlichen das Niveau B2 angestrebt. Die Formulierung „im Wesentlichen― bezieht sich darauf, dass in einigen Kompetenzbereichen höhere oder niedrigere Anforderungsniveaus berücksichtigt wurden (z.B. mit der Ausweisung von B1+ oder A2). In Österreich sieht der AHS-Lehrplan für die erste lebende Fremdsprache das Erreichen des Kompetenzniveaus B2, für die zweiten lebenden Fremdsprachen vierjährig B1 und sechsjährig B1 für die Bereiche Hören, Schreiben und Sprechen sowie B2 für Lesen und Sprachverwendung im Kontext vor (vgl. BIFIE https: / / www.bifie.at/ node/ 78). Für die erste lebende Fremdsprache an BHS gilt wie für AHS B2-Niveau, für die zweite lebende Fremdsprache (fünfjährig) gilt das Niveau B1. 2.5 Kompetenzmodelle für das Fach Russisch Diese Ziele gelten ebenso für den Unterricht in Russisch in Deutschland: für den Abschluss der 10. Jahrgangstufe wird das Niveau B1, für die Allgemeine Hochschulreife B2 angestrebt. Da mit dem Lernen der 2. bzw. 3. Fremdsprache später eingesetzt wird, müssen diese Ziele folglich in einer kürzeren Lernzeit erreicht werden. Dies ist möglich durch die gezielte Nutzung von Sprachlernerfahrungen aus dem Bereich der 1./ 2. Fremdsprache und durch die altersbedingt anderen kognitiven Möglichkeiten der Lerner. Wenn mit dem Russischlernen jedoch erst als 3. oder 4. Fremdsprache in der Oberstufe begonnen wird (neu einsetzende Fremdsprache), orientieren sich die Erwartungen an einer Bandbreite zwischen den Niveaustufen B1 und B2 des GeR. Das Modell berücksichtigt erweiterte kommunikative Anforderungen auf höheren Niveaustufen. Zielniveaus für das schulische Fremdsprachenlernen MSA: Niveau B1 Abitur: Niveau B2 <?page no="73"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 74 Dabei folgen die Bildungspläne der Länder in der Regel dem Kompetenzmodell der Bildungsstandards für die Sekundarstufe 1. Darüber hinaus sind die Lehrer aufgefordert, die administrativen Vorgaben der Bundes- und Länderebene in einem fachspezifischen Schulcurriculum unter Berücksichtigung der Besonderheiten ihrer Schule umzusetzen. Dies eröffnet Spielraum sowohl für besondere Schwerpunktsetzungen im Sinne der Profilbildung von Schulen als auch überhaupt zur Berücksichtigung der spezifischen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Schülerschaft. Der GeR als sprachenneutrales Instrument lehnt sich nicht an systemlinguistische Beschreibungen an, sondern ist an kommunikativen Funktionen ausgerichtet. Daraus lässt sich keine verbindliche Auswahl an sprachlichen Mitteln ableiten, die zu ihrer Umsetzung notwendig wäre. Auch die Bildungspläne nehmen eine einzelsprachliche Ausdifferenzierung nur für bestimmte Bereiche, Themen und Textsorten im Sinne eines Kerncurriculums vor. Darüber hinaus können sowohl die Auswahl der Sprachmittel als auch die methodische Umsetzung von der Fachkonferenz und dem Fachlehrer bestimmt werden. Für das, was die Lehrpläne offen lassen, fungieren vermutlich in hohem Maße die Lehrwerke als „heimliche Lehrpläne―, indem sie den kommunikativen Funktionen, also z.B. „Kann sich selbst beschreiben und sagen, was er/ sie beruflich tut― (A1, GeR, 4.4.1, 65), eine entsprechende Auswahl des Materials zuordnen. Kommunikative Situationen bergen ein Potenzial ganz unterschiedlicher sprachlicher Realisierungsmöglichkeiten und werden in Lehrwerken ausdefiniert in Bezug auf die sprachlichen Ressourcen (Lexeme, Kollokationen, kulturspezifisches Alltagswissen, Wissen zu interkulturellen Spezifika der Kommunikation) wie auch die textreferentielle Breite (dass etwa A2 an folgenden Referenzen gemessen wird: Wetterbericht, kurze Gespräche in Alltagssituationen, Wegbeschreibung, usw.). Die Identifizierung des sprachlichen Materials entsprechend dem Niveau erfolgt bislang eher konzeptals sprachdatengeleitet. Das Gleiche gilt für grammatische Kategorien, die nur approximativ auf kommunikative Funktionen beziehbar sind. Zu deren Operationalisierung sind stets weitere Kriterien erforderlich. Der Auswahl im Lehrbuch liegt eine von Verlagen und Lehrwerksautoren getroffene Entscheidung zugrunde, die letztlich weithin willkürlich ist und oftmals Traditionen des Faches folgt. In den österreichischen Lehrplänen ist der Kompetenzbegriff ebenfalls vielschichtig: Neben Sach-, Sprach- und Handlungskompetenz sollen Schüler Methodenkompetenz, Selbst- und Teamkompetenz sowie Entscheidungs- und Präsentationskompetenz erwerben. Diese Begriffe finden sich im allgemeinen Teil der Lehrpläne, der sich aus den Abschnitten „Allgemeines Bildungsziel―, „Allgemeine didaktische Grundsätze― und „Schul- und Unterrichtsplanung― zusammensetzt. In den Lehrplänen für die erste und zweite Fremdsprache gilt neben interkultureller und handlungsorientierter Fremdsprachenkompetenz „kommunikative Kompetenz― als übergeordnetes Lernziel, welches u.a. durch eine gleiche Gewichtung der Fertigkeitsbereiche und die Einbindung authentischer Begegnungen im Unterricht erreicht werden soll. Die Angaben zum Lehrstoff enthalten aus Gründen eines autonomen Gestaltungsspielraums keine Inhalte und basieren ausschließlich auf den standardisierten Kompetenzniveaus des GeR. Schulinterne Curricula als Konkretisierung und Ergänzung der standardisierten Vorgaben Lehrwerke als „heimliche Lehrpläne“ <?page no="74"?> 75 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen Russisch (EPA 2004) wurden 2004 von der KMK beschlossen, ihre Umsetzung erfolgte zur Abiturprüfung 2007. Sie enthalten: • eine Beschreibung von Lern- und Prüfungsbereichen für den Fachunterricht auf grundlegendem und erhöhtem Anforderungsniveau auf mittlerer Präzisionsbzw. Abstraktionsebene; • eine fachspezifische Beschreibung der Anforderungsbereiche, die deren ausgewogene Berücksichtigung innerhalb der Prüfungsaufgabe ermöglicht; • eine Beschreibung der Aufgabenarten sowohl für die schriftliche als auch für die mündliche Prüfung, die für die Abiturprüfung zugelassen sind; • Hinweise für die Bewertung von Prüfungsleistungen mit der Angabe von Kriterien zur Leistungsbewertung, wobei Anhaltspunkte für die Vergabe der Noten gut und ausreichend gegeben werden; • Beispiele zu den verschiedenen Aufgabenarten der schriftlichen und mündlichen Prüfung. Die Ziele des Russischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe werden als Grundlage für die Abiturprüfung in Abhängigkeit vom jeweiligen Lernbeginn und Lehrgangscharakter in die folgenden maßgebenden Dimensionen gefasst (EPA 2004, 4): • eine differenzierte kommunikative Kompetenz, die auf der Grundlage einer verlässlichen Ausbildung fremdsprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten lebensweltlich bedeutsame Ausdrucksformen umfasst und sich auf Verwendungssituationen im Alltag, in berufs- und wissenschaftsorientierter und in literarischbzw. ästhetisch-orientierter Kommunikation erstreckt; • eine interkulturelle Kompetenz, die Kenntnisse über den russischen Sprachraum, die Kultur und die russische Lebenswirklichkeit umfasst sowie die Fähigkeit zum Perspektivwechsel einschließt; • die Fähigkeit zum Umgang mit Texten und Medien, die neben gesicherten fachmethodischen Kenntnissen im analytisch-interpretierenden Umgang mit Sach- und Gebrauchstexten und mit Literatur auch produktionsorientierte, gestaltende Bearbeitungsformen umfasst und im Sinne eines erweiterten Textbegriffs auch mehrfach kodierte Texte wie Film und Fernsehen, Hörtexte, Bilder und Grafiken einschließt; • der Erwerb von Lernstrategien mit dem doppelten Ziel, durch die Kenntnis geeigneter Methoden und Arbeitstechniken selbstorganisiertes und selbstverantwortetes Lernen zu fördern wie auch als Grundlage lebenslangen Fremdsprachenlernens den Spracherwerbsprozess selbstständig weiter nach den Anforderungen der persönlichen und beruflichen Biografie auszugestalten auch mit Blick auf den Ausbau der eigenen mutter- und fremdsprachlichen Kompetenzen, den Erwerb weiterer Fremdsprachen und das Erschließen von Synergieeffekten von einer Sprache zur anderen. Diese EPA werden in der Verantwortung der Bildungsministerien in länderspezifische Abiturvorschriften umgesetzt (vgl. dazu am Beispiel Sachsen- Anhalts Heyer 2013). Derzeit werden in den Bundesländern zunehmend Einheitliche Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung Russisch Zieldimensionen des Russischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe Länderspezifische Umsetzung der EPA <?page no="75"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 76 zentrale Abiturprüfungen, d.h. Abschlussprüfungen mit zentral gestellten schriftlichen Prüfungsaufgaben realisiert, wobei es punktuell und bislang vor allem für die Kernfächer auch zu einer Abstimmung zwischen einzelnen Bundesländern kommt. Diese müssen durch entsprechende Verfahren vorbereitet werden. Dazu erfolgt z.B. in Hamburg über die Festlegung von Schwerpunktthemen (je 2-4 pro Fach) eine Eingrenzung und Konkretisierung der verbindlich zu unterrichtenden Fachinhalte. Diese sollen einen vergleichbaren Umfang haben, um in den jeweiligen Kursen auf grundlegendem und erhöhtem Niveau vergleichbare Bedingungen für die Vorbereitung auf das Abitur sicherzustellen. Die Prüfungsaufgaben werden von erfahrenen Lehrern entworfen, anschließend wählt eine Kommission aus Vertretern der Aufgabenersteller, der Schulaufsicht, der Schulleitungen, der Fachreferate und des Landesinstituts Aufgaben aus 4 . Die Prüfungsaufgaben werden so gestellt, dass sie Leistungen in den drei Anforderungsbereichen der EPA ermöglichen: Anforderungsbereich I: Reproduktion und Textverstehen - umfasst die sprachlich angemessene Wiedergabe des Inhalts von vorgelegten Materialien auf der Grundlage von im Unterricht erworbenen Kompetenzen und Kenntnissen. Anforderungsbereich IIằ Reorganisation und Analyse - umfasst das Erklären, Verarbeiten und Darstellen bekannter Sachverhalte anhand neuer Fragestellungen und unter Anwendung fach- und sachadäquater Methoden sowie das selbstständige Übertragen von Gelerntem auf vergleichbare fachbezogene Gegenstände. Anforderungsbereich III: Werten und Gestalten - umfasst planmäßiges Verarbeiten komplexer Sachverhalte und Materialien mit dem Ziel, zu selbstständigen Lösungen, Gestaltungen oder Deutungen, Folgerungen, Begründungen oder Wertungen zu gelangen. In Österreich benennt das Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) die Gründe für die neue Reifeprüfung u.a. wie folgt: höchstmögliche Objektivität, Transparenz und Vergleichbarkeit von Schülerleistungen, Qualitätssteigerung und -sicherung, nachhaltige Absicherung von Wissen und Kompetenzen. Die Klausuren - so das BMBF weiter - sind Leistungsfeststellungen aus den im Lehrplan definierten Kernbereichen, die für alle AHS- Absolventen verpflichtend sind. Unabhängig von der Anzahl der Unterrichtsstunden, liegt der Fokus in erster Linie auf den erworbenen Kompetenzen und nur sekundär auf den Inhalten. Dies wird besonders in den Fremdsprachen deutlich: Die auf den Kompetenzerwerb ausgerichteten Lernziele des Lehrplans leiten sich vom GeR ab; dieser stellt Kompetenzniveaus und nicht Inhalte in den Mittelpunkt (vgl. http: / / www.bmukk.gv.at/ %20schulen/ unterricht/ ba/ reifepruefung.xml). 4 http: / / www.hamburg.de/ contentblob/ 1788276/ data/ ar-russisch.pdf Anforderungsbereiche der EPA <?page no="76"?> 77 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven 2.6 Prinzipien und Perspektiven kompetenzorientierten Russischunterrichts In der Rezeption der Bildungsstandards wird vor allem der Umstand, dass erstmals der Blick auf die Schülerleistungen, also auf den Output von Lehr- und Lernprozessen zum Maßstab für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen genommen wird, positiv aufgenommen. Zydatiß sieht „in ihrer Projektion auf anwendungsbereite fremdsprachliche Kompetenzen und in ihrer Betonung eines funktionalen Sprachkönnens grundsätzlich ein hohes Potenzial für die Fortentwicklung des schulischen Fremdsprachenunterrichts― (2005, 15-16). Allerdings hat der Reformprozess bislang offensichtlich Schwächen in der Implementierung. Kritisch gesehen werden vor allem die mangelnde Klarheit bei der Verwendung des Kompetenzbegriffs selbst wie auch weiterer Begrifflichkeiten vor allem im Bereich des interkulturellen Lernens, das Fehlen von methodisch-didaktischen Hinweisen in den Bildungsstandards, die ausstehende Etablierung einer adäquaten Aufgabenkultur. Die Kritik an den Bildungsstandards bezieht sich zudem darauf, dass die Ergebnisorientiertheit und Ausrichtung auf Prüfbarkeit leicht zu einem teaching-to-the-test und damit einhergehend zu einem Verlust inhaltlicher Bildungsorientierung und zur Preisgabe von Bereichen führen kann, die nicht bzw. schlecht prüfbar sind, wie etwa die ästhetisch-fiktionale und die reflexiv-kognitivierende Komponente des Fremdsprachenlernens (vgl. Bausch u.a. 2005, 2009, Reinfried & Rück 2011, Rössler & Lüger 2008, Zydatiß 2005, zur Gegenüberstellung positiver und problematischer Aspekte s. Hallet & Müller-Hartmann 2006, 8). Nicht alles, was in der Umsetzung nicht funktioniert, ist grundsätzlich der Konzeption der Bildungsstandards anzulasten. So wird in der Klieme-Expertise ausdrücklich betont, dass „der Auftrag der schulischen Bildung […] weit über die funktionalen Ansprüche von Bildungsstandards hinaus[geht]. Er zielt auf Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung, die sich aus der Begegnung mit zentralen Gegenständen unserer Kultur ergeben. Schülerinnen und Schüler sollen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden, die verantwortungsvoll, selbstkritisch und konstruktiv ihr berufliches und privates Leben gestalten und am politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen― (KMK 2005, 6 f.). Für die Gestaltung kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts sind also nicht nur funktionale Kompetenzen, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung, Einstellungen und Toleranz von Bedeutung (vgl. Hallet & Müller- Hartmann 2006, 3). Zentrale Fragen des Implementierungsprozesses beziehen sich u.E. auf folgende Bereiche: Inhalte Die Inhalte des Fremdsprachenunterrichts sind zwar den Kompetenzen, d.h. den Zielen des Unterrichts nachgeordnet, aber keinesfalls beliebig. Themen sind so zu wählen, dass die angestrebten Kompetenzen damit gut bzw. besonders gut erreicht werden können. (vgl. De Florio-Hansen 2009, 2). Rössler & Lüger (2008) kritisieren die einseitig verstandene Qualitätssicherung Schwierigkeiten in der Implementierung der Bildungsstandards Zentrale Bereiche der Umsetzung kompetenzorientierten Russischunterrichts <?page no="77"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 78 und fordern, neben Zielvorgaben auch Standards für den Input (Inhaltsstandards, content standards) zu setzen, und den Umgang mit ihnen sowie deren Einhaltung auch zu überprüfen. Verhältnis von Wissen und Können im Bereich des Sprachlernens Das Verständnis von Kompetenzorientierung ist in der Praxis häufig reduziert auf die Vermittlung von Fertigkeiten. Wissen und Können werden gegenübergestellt und dabei gerät aus dem Blick, dass kommunikative Handlungsfähigkeit nur im Zusammenhang von Wissen und Können erreicht werden kann. Dies muss vor allem auf der Ebene der Planung und Durchführung von Unterricht Berücksichtigung finden (vgl. dazu Ziener 2008, Leupold & Porsch 2011, Helmke 2009). Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben Unterricht, der sich die Ausbildung kommunikativer Handlungskompetenz zum Ziel setzt, muss Aufgaben(typen) entwickeln, die dem zugrundeliegenden (breiten) Kompetenzbegriff entsprechen. Die Kliemestudie zeigt, dass man Kompetenzen „nicht durch einzelne, isolierte Leistungen darstellen oder erfassen [kann]. Der Bereich von Anforderungssituationen, in denen eine bestimmte Kompetenz zum Tragen kommt, umfasst immer ein mehr oder weniger breites Leistungsspektrum― (Klieme et al. 2003, 74). Gerade für komplexere Kompetenzen wie interkulturelle Verständigungsfähigkeit oder anwendungsbezogene Diskursfähigkeit stellt sich die Frage, wie sie durch entsprechende Aufgabenstellungen entwickelt werden können. Während für die ersten Fremdsprachen Englisch und Französisch Lern- und Testaufgaben zentral im Institut für Qualitätssicherung im Bildungswesen erarbeitet werden, sind für die weiteren Fremdsprachen insbesondere die Lehrer gefordert, in Anlehnung an die Aufgabenbeispiele der Bildungsstandards Lernkontexte, Aufgabenstellungen und Transfersituationen zu entwickeln, die komplexes kommunikatives Handeln in der Fremdsprache erfordern und ermöglichen. Extern vorgegebene Kompetenzziele zu erreichen ist nur in Abstimmung und enger Zusammenarbeit der Russischlehrer möglich. Die Notwendigkeit zur Kooperation ist „kein unbeabsichtigter Nebeneffekt der Bildungsstandards, sondern eines ihrer pädagogischen Ziele― (Hallet & Müller-Hartmann 2006, 7). Lehrkräfte müssen sich abstimmen über die Wege zur Einlösung von Standards, zur Planung von Übergängen zwischen Jahrgangs- und Schulstufen, um ein „Schulcurriculum für das fachbezogene Lernen und die Verbindung der Fächer― entstehen zu lassen (Klieme et al. 2003, 52) und Transparenz in den Bildungsprozessen zu erzeugen. Als Gelingensbedingungen für kompetenzorientierten Unterricht werden drei Bereiche als zentral angesehen (in Anlehnung an Oelkers 2008): • Gestaltungspraxis kompetenzorientierten Unterrichts • Entwicklung der professionellen Handlungskompetenz der Lehrkräfte • Qualität der Lehr- und Lernmittel Die Gestaltung kompetenzorientierten Unterrichts folgt grundlegenden didaktischen Prinzipien, vor allem dem Prinzip der Handlungsorientierung. Dieses gilt seit Ende der 1980er Jahre als fremdsprachendidaktisches Leit- Gelingensbedingungen für kompetenzorientierten Unterricht Handlungsorientierung als didaktisches Leitprinzip <?page no="78"?> 79 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven prinzip und zielt insbesondere auf die Verknüpfung von unterrichtlichem Handeln und fremdsprachlichem Lernen entsprechend der Sicht auf Sprachverwendende und Sprachenlerner als sozial Handelnde. Dabei wird Handlungsorientierung sowohl auf der Zielebene im Sinne der Befähigung zu fremdsprachlichem Handeln als auch auf der methodischen Ebene im Sinne eines Lernens durch Interaktion im Klassenzimmer gesehen (vgl. Surkamp 2010, 98; Bach & Timm 2003, 12; 2009, 1). Sprachliche Handlungskompetenz im Klassenzimmer wird als Vorbereitung auf außer- und nachschulische Situationen aufgefasst und damit eine Aufhebung der Trennung schulischer und außerschulischer Lebensbereiche angestrebt. Dem kommen insbesondere ganzheitliche und offene Lernformen wie Projektarbeit, Freiarbeit und Simulationen entgegen, die in hohem Maße Möglichkeiten für individuelle Lernwege eröffnen. Grünewald & Küster (2009, 116) bestimmen als wichtigste Merkmale eines handlungsorientierten Fremdsprachenunterrichts: • Personaler Aspekt: Der Schüler soll als Person angesprochen werden. Als Sprachlerner soll er seinen Lernprozess zunehmend eigenverantwortlich selbst organisieren. • Inhaltlicher Aspekt: Die Unterrichtsinhalte werden gemäß dem zu erstellenden authentischen Handlungsprodukt (z.B. Brief, Poster, Präsentation, Film, Prospekt) gemeinsam ausgewählt und die Schüler an der Planung beteiligt. • Methodischer Aspekt: Ganzheitliche Methoden werden eingesetzt, so dass die Schüler mit allen Sinnen lernen können und geistige Arbeit wie Reflexion und Analyse mit materiellen Handlungen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Das Prinzip der Handlungsorientierung ist somit grundlegend und umfassend in dem Sinne, dass es als Großkonzept den Rahmen für weitere didaktische Prinzipien wie Lerner- und Prozessorientierung sowie Aufgabenorientierung bildet. Handlungsorientierung bedeutet, dass der Unterricht den Lerner in seinen Voraussetzungen, Bedürfnissen und Zielsetzungen wahrnimmt und ihn in seinem Lernprozess individuell unterstützt. Basierend auf Erkenntnissen der Lernpsychologie geht es vor allem darum, möglichst optimale Bedingungen für ein selbstständiges aktives Lernen aller Schüler zu schaffen (s. Surkamp 2010, 185-186). Für den Russischunterricht muss das auch die Konsequenz beinhalten, die besondere Heterogenität der Lerner in Bezug auf ihre Vorkenntnisse im Fach in modifizierten Lernzielen, entsprechenden Aufgabestellungen und Lernarrangements zu berücksichtigen (vgl. dazu Kap. III.7, Mehlhorn 2011, Bergmann 2014). Auf der Ebene der methodischen Umsetzung ist Handlungsorientierung besonders mit dem Ansatz des aufgabenorientierten Lernens (task-based-language learning) verbunden. Die grundlegende Idee dieses u.a. auf Nunan (1989) und Willis (1996) zurückgehenden Ansatzes besteht darin, beim Sprachenlernen realitätsnahe Handlungssituationen zu schaffen, indem Lernaufgaben an die Anforderungen realer Sprachsituationen angenähert sind. Aufgaben nennen den Zweck und das erwartete Ergebnis einer Aktivität. Der Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung dessen, was gesagt wird (Inhaltsorientierung) und damit im kommunikativen Erfolg und nicht auf der Verwen- Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts Lernerorientierung Aufgabenorientierung <?page no="79"?> II Grundlagen und Bezüge der Fachdidaktik Russisch 80 dung einer bestimmten sprachlichen Form. Der GeR weist kommunikativen Aufgaben einen zentralen Stellenwert im Sprachenlernen zu. Trotz bislang ausstehender empirischer Forschung zeigt die Unterrichtserfahrung vielfach, dass sich aufgabenorientiertes Lernen positiv auf Umfang und Qualität des fremdsprachlichen Outputs der Lerner auswirkt. Möglichkeiten des aufgabenorientierten Arbeitens entlang vorhandener Lehrwerke zeigen Piepho (2003) und Müller-Hartmann & Schocker-Dittfurth (2004, 20-32). Professionelle Handlungskompetenz der Lehrkraft Bis eine Reform nicht nur mechanisch umgesetzt wird, sondern integraler Bestandteil des professionellen Handelns der Akteure wird, sind Innovationen in der Grundausbildung, in der Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen erforderlich. Die Einführung von Bildungsstandards soll dadurch unterstützt werden, dass auch die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte festgelegten Standards folgt. Damit verbunden ist die Reflexion über berufsbezogene Kompetenzen. Die KMK hat zur Qualitätssicherung im Bereich der Lehrerbildung die „Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften― (2004) beschlossen. Diese leiten sich aus den Anforderungen im Berufsfeld von Lehrkräften ab und weisen Kompetenzen in den Bereichen Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren aus. Als zentral wird die ständige Weiterentwicklung der Kompetenzen in Fort- und Weiterbildungsangeboten gesehen, damit neue Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse in der beruflichen Tätigkeit Berücksichtigung finden. Weiterentwickelt wurden sie in den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und deren Didaktik. Im Rahmen von Fachprofilen (Fachprofil 12. Neue Fremdsprachen, 34-35) werden für die allgemeinbildenden Lehrämter die Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen, über die eine Lehrkraft zur Bewältigung ihrer Aufgaben im Hinblick auf das jeweilige Lehramt verfügen muss, definiert. Die Standards für die Bildungswissenschaften und die Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken bilden seitdem eine Grundlage für die Akkreditierung und Evaluierung von lehramtsbezogenen Studiengängen. Lehr- und Lernmittel Entscheidenden Einfluss auf die (Neu)Gestaltung des Unterrichts im Sinne einer Implementierung der Bildungsstandards und Outputorientierung haben Unterrichtsmaterialien und Weiterbildungsangebote, die über Verlage und Landesinstitute verbreitet werden. Lehrmittel „sind ein Kern der Qualitätssicherung, der nicht durch fliegende Kopien im Klassenzimmer ersetzt werden kann― (Oehlkers 2010, 12). Die Schulbuchverlage haben die durch Bildungsstandards veränderte Orientierung aufgenommen. Die Konzeption einer neuen Lehrwerksgeneration ist entscheidend für die Qualitätsentwicklung des Unterrichts und unterstützt die Lehrkräfte bei einem kompetenzorientierten Ansatz. Seit 2008 stehen für den Russischunterricht in verschiedenen Schultypen neue Lehrwerkreihen zur Verfügung, die sich an den Vorgaben des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens orientieren und die Anforderungen der Rahmenlehrpläne und der ihnen zugrunde liegenden Kompetenzmodelle erfüllen. (Zur neuen Standards für die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte Lehrmittel sind ein Kern der Qualitätssicherung. <?page no="80"?> 81 2. Bezüge, Vorgaben und Perspektiven Lehrwerksgeneration für den Russischunterricht s. Mehlhorn & Wapenhans 2011, Bergmann & Heyer 2012.) Aufgaben 1. Im GeR (Europarat 2001) wird auf S. 9 (Hinweise für Benutzer) behauptet, dass er umfassend, transparent, kohärent sei. Auf S. 29 (2.3.2) heißt es weiter: „... strebt der Referenzrahmen danach, nicht nur umfassend, transparent und kohärent zu sein, sondern auch offen, dynamisch und undogmatisch.― Was ist mit diesen sechs Termini gemeint? Wie lauten diese in Russisch? 2. Machen Sie sich mit dem Russisch-Lehrplan in Ihrem Bundesland vertraut! Welches Kompetenzmodell liegt ihm zugrunde? Für welche Stufen werden Kompetenzerwartungen ausgewiesen und in welchem Umfang enthält er Angaben zu Themen, Inhalten sowie sprachlichen Mitteln, die zu behandeln sind? 3. Verfolgen Sie den Gebrauch des Begriffs Kompetenz in der Öffentlichkeit oder in den Medien. Nennen sie drei Beispiele! Was ist jeweils mit Kompetenz gemeint? 4. Im Oktober 2008 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung im Rahmen der Diskussionen um die Umsetzung von Kompetenzorientierung im Bildungswesen ein Positionspapier (DGFF 2008). Welcher Kompetenzbegriff wird hier vertreten? Wie verhält er sich zu den Begriffen Wissen, Inhalte, Bildung? Welche Position vertritt die DGFF im Hinblick darauf? Weiterführende Literatur Bausch, K.-R. & Burwitz-Meltzer, E. & Königs, F. G. & Krumm, H.-J. (2005): Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand Arbeitspapiere der 25. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen. Beck, B. & Klieme, E. (Hrsg.) (2007): Sprachliche Kompetenzen. Konzepte und Messung. DESI-Ergebnisse Band 1. Weinheim. DGFF (2008): „Kompetenzorientierung, Bildungsstandards und fremdsprachliches Lernen - Herausforderungen an die Fremdsprachenforschung―. Positionspapier von Vorstand und Beirat der DGFF. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 19, 163-186. Harsch, C. (2007): Der gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen. Leistung und Grenzen. Saarbrücken. Zydatiß, W. (2005): Bildungsstandards und Kompetenzniveaus im Englischunterricht. Konzepte, Empirie, Kritik und Konsequenzen. Frankfurt/ M. <?page no="82"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts Sprachgebrauch und Sprachenlernen sind höchst komplexe Vorgänge. Um eine Fremdsprache lehr- und lernbar zu machen, versuchen wir geeignete Teilstücke auszugliedern, sie gesondert zu üben und zu erklären. Für eine Annäherung an die Komplexität des Sprachgebrauchs sollen Lerner aber auch von Anfang an der authentischen Lebenswelt in der fremden Sprache begegnen und mit ihren jeweiligen Möglichkeiten kommunizieren. Wir sind sprachlich handlungsfähig, wenn wir entsprechend unseren kommunikativen Absichten auf geeignete sprachliche Mittel zugreifen können. Das Training von kommunikativen Fertigkeiten und die Arbeit an sprachlichen Mitteln zielen in erster Linie auf die Automatisierung dieses Zugriffs, auf das Geläufigmachen sprachlicher Strukturen, um einen flüssigen Umgang mit der Sprache zu erreichen. Die Arbeit daran nimmt in der Durchführung von Russischunterricht ebenso wie in anderen Fremdsprachen viel Raum ein. Bevor in den folgenden Kapiteln diese Teilstücke im Einzelnen und im Hinblick auf den Russischunterricht konkreter besprochen werden, wird es um eine übergreifende Perspektive gehen, die die Arbeit an den einzelnen Fertigkeiten im Hinblick auf den authentischen Sprachgebrauch zusammenführt. Als zentrale Einheit des Sprachgebrauchs wird die Ebene des Textes thematisiert. Eine adäquate didaktische Umsetzung sehen wir im Leitprinzip der Aufgabenorientierung. Dieses bildet auch die Basis zur Realisierung pluraler Ansätze - interkulturellen und sprachübergreifenden Lernens - im Russischunterricht. Überlegungen dazu, welche Mittel dem Russischlehrer in seiner Tätigkeit dabei zur Verfügung stehen, beschließen das Kapitel. <?page no="83"?> 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten Anka Bergmann 1.1 Das Training der Fertigkeiten - isoliert und integriert Traditionell stehen vier Fertigkeiten (умения, skills) im Mittelpunkt des Fremdsprachenunterrichts. Wenn wir hören, sprechen, lesen, schreiben, tun wir etwas, wir handeln mittels Sprache. Der v.a. in der DDR-Fremdsprachenmethodik gebräuchliche Begriff Sprachtätigkeiten spiegelt dies besonders deutlich wieder. Dabei steht hinter der traditionellen Konzeption der vier Fertigkeiten deren psychologisch basierte Konzeptualisierung als „erlernte, durch Übung erworbene Willkürhandlungen― (Butzkamm 1993, 78). Fertigkeiten • sind demnach nicht funktionsbereit vorhanden, • äußern sich im Tun, im Ausführen und Ausüben, • kommen zustande unter Beteiligung von (a) Wahrnehmungen, (b) deren Verarbeitung und der Verbindung mit (c) ausführender Motorik. Was beim Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben passiert, ist der Beobachtung nicht unmittelbar zugänglich. Zwar sind Sprechen und Schreiben zumindest in ihren Produkten direkt erkennbar, aber auch dort passiert eigentlich noch viel mehr, was wir nicht beobachten können. Jede der Fertigkeiten setzt sich aus einem Komplex von Teilfertigkeiten zusammen, aus psychomotorischen, semantischen, strategischen Komponenten (Butzkamm nennt sie „Vorgestalten―), die auch isoliert geübt werden können. Solche Konstrukte sind letztlich wiederum der Versuch, Teile für den Lernprozess verfügbar zu machen. Das Training zielt auf die Automatisierung dieser Elemente sprachlicher Handlungen. Zweck des Übens ist aber letztlich das Erreichen der höchsten Könnensstufe, einer flüssigen Sprachbeherrschung. Daher unterstreicht Butzkamm aus psycholinguistischer Perspektive: „Das fundamentale Lerngesetz lautet: die Zielhandlung selbst, die ganzheitliche Leistung muß immer wieder ausgeführt werden. (...) Eine Fremdsprache lernt man nur dann als Kommunikationsmedium benutzen, wenn sie ausdrücklich und genügend oft in dieser Funktion ausgeübt wird― (Butzkamm 1993, 83). Der fertigkeitenorientierte Unterricht, der sein Ziel in der Beherrschung einer Summe von Fertigkeiten sah, und auch der kommunikative Unterricht in seiner ersten Phase unterschied deutlich zwischen Erwerbsstadien (Aneignungsstufe) und dem Stadium der entwickelten Fertigkeit (Könnensstufe), auf der das Ausüben der Zielhandlung, also das Kommunizieren angesiedelt ist. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die kommunikative Übungstypologie von G. Neuner et al. (1981), die einen systematischen gestuften Erwerb der Fertigkeiten vorsieht, der bei einer deutlichen Trennung von manipulativer und Anwendungsphase systematisch von der Rezeption zum Sich-Äußern Psychologisch basierte Konzeptualisierung der Fertigkeiten Zweck des Übens ist eine flüssige Sprachbeherrschung. <?page no="84"?> 85 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten fortschreitet. Erst die Übungen der höchsten Stufe zielen auf die Entfaltung freier Äußerung durch die Anwendung des Gelernten. Der Transfer in komplexe Realsituationen erfordert eine Interaktion von Fertigkeiten. Lange Zeit gab es zudem eine feste Reihenfolge der Fertigkeiten im Fremdsprachenunterricht. Je nach vermittlungsmethodischem Konzept standen die eine oder andere Fertigkeit(en) im Vordergrund. Im audiolingualen Paradigma, aber auch im kommunikativen Unterricht dominierten Hören und Sprechen deutlich. Schreiben von Anfang an wird erst seit Ende der 1980er Jahre thematisiert. (Für einen historischen Überblick s. Faistauer 2001, 865ff.) In der menschlichen Kommunikation kommen die Fertigkeiten selten losgelöst voneinander vor, sondern greifen auf verschiedene Art ineinander. Man spricht oder schreibt in Reaktion auf etwas Gehörtes oder Gelesenes, man spricht und erwartet die Antwort des Gegenüber, man macht sich beim Hören eines Vortrags Notizen usw. „Kommunikatives Handeln lernt man nur, indem man lernt, kombinierten Gebrauch von den Fertigkeiten zu machen.―, schreibt Krumm (2001, 6). Neben diesen kommunikativen Gründen sprechen auch lernpsychologische, motivationale und unterrichtspraktische Erwägungen für eine integrierte Fertigkeitenschulung (vgl. Storck 2010, 101-102). Der GeR versucht, Kommunikationsfähigkeit mit Blick auf die Anforderungen des realen Sprachgebrauchs durch eine neue Ordnung, durch eine „Neubewertung― der Fertigkeiten (Fandrych & Thonhauser 2008) zu fassen. Diese funktionale Perspektive fragt danach, wie Sprachfähigkeit in bestimmten soziokulturellen Kontexten und Situationen aussehen muss, damit die Lernenden handlungsfähig sind. Die psycholinguistische Sicht auf die Fertigkeiten tritt dabei in den Hintergrund. Der GeR richtet das Augenmerk mehr auf Lernziele und Sprachhandlungen und will die Realität des Sprachgebrauchs in der Terminologie („kommunikative Sprachaktivitäten―) und einer veränderten Hierarchie spiegeln. Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben als zentrale Aktivitäten werden ergänzt durch Sprachmittlung und eingebettet in mündliche und schriftliche Interaktion. Was bislang häufig getrennt wurde, wird damit aus einer gemeinsamen Perspektive betrachtet. Dennoch müssen die einzelnen Elemente geübt werden, eine Automatisierung der Fertigkeiten ist auch hier erforderlich. „Die Frage nach einem integrierten oder separierten Fertigkeitentraining kann nicht mit ‚entweder - oder‗ beantwortet werden, sondern vielmehr mit ‚sowohl - als auch‗. Fertigkeiten müssen im Unterricht sowohl separiert als auch integriert, also im Verbund mit anderen sprachlichen Fertigkeiten, geübt werden. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass das isolierte Fertigkeitentraining nicht zu lange dauert und den integrated skills genügend Raum gegeben wird.― (Storck 2010, 101) Nimmt man im Hinblick auf die Planung und Gestaltung des Unterrichts die Einsicht ernst, dass kommunikatives Handeln immer über die Beherrschung isolierter Fertigkeiten hinausgeht, dann muss sich dies in einer Perspektive äußern, die das Zusammenspiel der Fertigkeiten in der menschlichen Kommunikation reflektiert und als Ausgangspunkt aller Überlegungen die Curriculumentwicklung und die Planung des Unterrichts nimmt. Integriert heißt verschaltete Aktivierung verschiedener Teilfertigkeiten und ihrer Subroutinen (vgl. Krumm 2001, 5), und zwar von Anfang an. Kommunikatives Handeln erfordert einen kombinierten Gebrauch von Fertigkeiten. Fertigkeiten müssen im Unterricht sowohl separiert als auch integriert geübt werden. <?page no="85"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 86 1.2 Textkompetenz Wenn es das Ziel ist, Handlungsfähigkeit in der Fremdsprache zu erzeugen, dann muss der Ausgangspunkt aller Bemühungen Sprache in Funktion, als Mittel zur Kommunikation sein, also Sprache in Form von Texten und nicht das Sprachsystem. Offensichtlich führt nun der Umgang mit Texten im Unterricht nicht automatisch zur Ausbildung von Textkompetenz in der Fremdsprache. Erfahrungsgemäß zeigt sich mangelnde Textkompetenz darin, dass ein Fremdsprachenlerner zwar Wörter beherrscht und grammatische Paradigmen kennt, aber Schwierigkeiten beim adäquaten Verständnis eines Textes hat oder seine kommunikativen Zielsetzungen nicht adressatengerecht und verständlich umsetzen kann. Gerade hierauf bezieht sich im Allgemeinen auch die Kritik an mangelnden Erfolgen schulischen Fremdsprachenlernens. Möglicherweise liegt das (auch) daran, dass die traditionelle Konzeptualisierung der vier Fertigkeiten hier zu enge Grenzen setzt. Daran gebunden ist die Frage, ob es der gezielten Schulung von Fähigkeiten im Umgang mit Texten bedarf und zwar von Anfang an, oder ob der Umgang mit Texten doch eine Frage des Sprachniveaus ist, ob nicht mit dem Verfügen über ausreichend sprachliche Mittel sich so etwas wie Textkompetenz von alleine ausprägt. Es geht also letztlich auch um die Frage, welche Konsequenzen Konzeptualisierungen sprachlicher Fertigkeiten für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts haben. „Textkompetenz? Noch ein neuer Begriff? Brauchen wir den? ― fragen Portmann-Tselikas und Schmölzer-Eibinger in der Einführung zum Themenheft der Zeitschrift Fremdsprache Deutsch (2008, 5) und meinen „Ja, diesen neuen Begriff brauchen wir - und es ist schade, dass wir ihn nicht schon seit Langem haben. Denn dieser neue Begriff erlaubt es, bekannte Phänomene des Sprachgebrauchs und des Unterrichts aus einer neuen und interessanten Perspektive zu sehen.― (ebd.) Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt Thonhauser (2008 a, 89) auf der Basis der Auseinandersetzung mit sprachlicher Kompetenz und kommunikativen Aktivitäten im GeR. Beim Konstrukt der Textkompetenz geht es um vier wichtige Aspekte (vgl. Portmann-Tselikas & Schmölzer-Eibinger 2008) 1. Um einen bestimmten Gegenstandsbereich: Textualität, Texthaftes ist eng verbunden mit dem Bereich der Schriftlichkeit. 2. Um ein bestimmtes Ziel: die individuelle Fähigkeit, „Texte lesen, schreiben und zum Lernen nutzen zu können―. 3. Um die Perspektivierung auf den Sprachgebrauch: Typen von Situationen, in denen sprachliches Handeln stattfindet, sind an Texte als zentrale Einheiten des Sprachgebrauchs gebunden. Es geht darum, zu analysieren, welche Fähigkeiten in diesen Situationen für erfolgreiches sprachliches Handeln gefordert sind, und einen Konnex Text-Diskurs herzustellen, um Texte als kulturell geprägte Verwendungsweisen von Sprache zugänglich zu machen. 4. Um den Blick auf den Unterricht: Der Begriff der Textkompetenz wird in Bezug auf unterschiedliche unterrichtliche Konstellationen angewandt (Zweitsprachenunterricht, Fremdsprachenunterricht) und erlaubt es da- Der Umgang mit Texten im Fremdsprachenunterricht führt nicht automatisch zur Ausbildung von Textkompetenz. Konstrukt Textkompetenz <?page no="86"?> 87 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten mit, „Parallelen und Ähnlichkeiten in verschiedenen Konstellationen des Unterrichts herauszustellen―. Mit Textkompetenz ist ein Basiskonzept gegeben, von dem ausgehend didaktische Modelle zu konkretisieren sind, also etwa im Hinblick auf den Russisch-als-Fremdsprache- oder den Russisch-als-Herkunftssprache-Unterricht. Worin wird nun insbesondere die neue Perspektive gesehen? Eine integrierte Kompetenz im Bereich des Schriftlichen als Gegenstand der Forschung und in der Unterrichtspraxis rückt in erster Linie Lesen und Schreiben in ihrer wechselseitigen Funktionalität als Ausdrucksformen einer literalen Praxis in den Blick. Und zwar ausgehend von ihrem Bezugspunkt, dem Text. Damit findet auch das Element des Sprachlichen stärkere Beachtung. Die Entwicklung von Textkompetenz ist immer mit Sprachaufmerksamkeit und bewusster Sprachanalyse verbunden. Diese richtet sich besonders auf sprachliche Mittel, die Textualität erzeugen. Im Bereich der sprachlichen Oberflächenstrukturen (vor allem Wiederaufnahmestruktur und Konnexion) geht es in erster Linie um deren Funktionalität, d.h. darum, was sie im Text leisten, wie sprachliche Mittel auf der mikrostrukturellen Ebene zur Darstellung des Themas auf der makrostrukturellen Ebene beitragen. Darüber hinaus geht es um die Kenntnis der kulturellen Spezifik von Verwendungsweisen. Wir lernen im Laufe des Lebens eine Menge Textsorten kennen und verfügen daher über unbewusst gespeichertes und automatisiertes Textmusterwissen. Wir erkennen z.B. Rezepte, Witze, Märchen, Nachrichten, Lebenslauf u.a. sehr schnell als Vertreter einer bestimmten Textsorte. Dieses Musterwissen beschränkt sich nicht nur auf schriftliche Texte, sondern ist ebenso relevant für mündliche Textsorten, etwa einen Vortrag, eine Podiumsdiskussion, ein Vorstellungsgespräch oder ein Verkaufsgespräch. Dieses Textmusterwissen erleichtert die Kommunikation in einer Sprachgemeinschaft. Wenn der Fremdsprachler solche Muster nicht automatisch identifizieren kann, weil er evtl. Textsortenmarker nicht (er)kennt, kann er sich nur eingeschränkt auf den Inhalt konzentrieren. Oder ihm fehlen wichtige Wissensbestandteile zum hundertprozentigen Verstehen (z.B. wenn es sich um einen Witz handelt, dieser aber nicht als solcher erkannt wird). In der Muttersprache ist uns oftmals gar nicht bewusst, dass wir bei der eigenen Textproduktion Aufbau und Abfolge bestimmter Elemente relativ automatisch vornehmen und uns daher mehr auf den Inhalt konzentrieren können. Hinzu kommt, dass viele Textsorten sich von Kultur zu Kultur bzw. in verschiedenen Gesellschaften unterscheiden, dass es z.B. unterschiedliche Gepflogenheiten gibt, wie ein Lebenslauf zu schreiben ist und welche Informationen dort hinein gehören und welche nicht oder wie eine Anfrage an die Studienberatung einer gewünschten Hochschule im Ausland zu gestalten ist. Portmann-Tselikas stellt heraus, dass es sich bei Textkompetenz nicht um eine sprachliche Kompetenz im engeren Sinne handelt, „sondern um die Kompetenz, auf ganz bestimmte Weise mit Sprache umzugehen, also um eine höherstufige Fähigkeit […], die in engem Zusammenhang mit der kognitiven Entwicklung zu sehen ist― (2002, 16), und unterscheidet somit Sprachkompetenz im engeren Sinne und Textkompetenz voneinander. In Anlehnung an die Arbeiten von Cummins zeichnet Portmann-Tselikas ein differenziertes Bild des Sprachgebrauchs, wobei sich Teilbereiche als prototypische Formen Textkompetenz ist ein Basiskonzept, auf dessen Grundlage didaktische Modelle für den fremdsprachlichen, muttersprachlichen, herkunftssprachlichen Unterricht zu entwickeln sind. Textkompetenz ist die Fähigkeit, auf bestimmte Weise mit Sprache umzugehen. <?page no="87"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 88 des Umgangs mit Sprache insbesondere in den Aspekten „thematische Orientierung― (Welt des Alltags vs. Welt des systematischen Wissens) und „Textualität― (dialogisch organisiert vs. textuell durchformt) unterscheiden. Während Sprachkompetenz in erster Linie an den Bereich der überwiegend mündlichen Alltagskommunikation gebunden ist (Beziehungspflege, Organisation gemeinsamen Tuns, Einkaufen, Alltagsgespräche), ist Textkompetenz an den Bereich des systematischen Wissens gebunden und insofern mit dem Begriff der Literacy verknüpft. Literalität wird von der OECD bestimmt als Grundqualifikation von Erwachsenen; als „die Verwendung von gedruckten und geschriebenen Informationen, um in der Gesellschaft zurechtzukommen, eigene Ziele zu erreichen sowie eigenes Wissen und die individuellen Möglichkeiten zu entwickeln― (OECD 1995, 16 ). 1 Prose literacy bezieht sich auf den Umgang mit Texten, auf das nötige Wissen und die Fertigkeit, Informationen aus Texten entnehmen, verstehen und anwenden zu können. Das Lernen einer Fremdsprache bezieht sich daher immer auch darauf, wer zu welchem Zweck etwas schreibt, wie die Gesellschaft mit Texten umgeht, wie Texte in verschiedenen Lebensbereichen verankert sind. Textkompetenz als höhere kognitive Fähigkeit wird in Bezug auf die Bildungssprache als die entscheidende schriftsprachliche Kompetenz dargestellt, um eine erfolgreiche Schullaufbahn zu ermöglichen. In Bezug auf die Fremdsprache ist es die Voraussetzung für den Zugang zu Informationen zur eigenen Wissenserweiterung, zur Teilhabe an der fremdsprachigen Gesellschaft. Forschungen in diesem Bereich zeigen, dass Textkompetenz kein kompaktes Konstrukt ist, so dass gesagt werden könnte, jemand besitzt Textkompetenz oder jemand besitzt sie nicht. Vielmehr erwirbt jeder Mensch einer Sprachgemeinschaft im Laufe seines Lebens einen gewissen Grad an Textkompetenz, die in unterschiedlichen Bereichen der Textwelt auch unterschiedlich gut ausgeprägt sein kann. Textkompetenz wird nicht nur im schulischen Kontext angeeignet, sondern kann lebenslang weiterentwickelt werden, z.B. in der Universität. Insofern können aber auch das Lernen von Fremdsprache(n) und bewusst-kontrastive Betrachtungen zur Muttersprache zur Entwicklung von Textkompetenz beitragen. Eine wichtige Überlegung für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts ist daher, Transfermöglichkeiten von Textkompetenz zwischen der L1 und der L2 und L3 aufzuzeigen. So wird angenommen, dass Textkompetenz von bilingualen Lernern nur einmal angeeignet werden muss, da es sich um eine Kompetenz handelt, die den Umgang mit Sprache umfasst, und keine Sprachkompetenz im engeren Sinne ist. Dies gilt zumindest für Teilbereiche der Textkompetenz, die als sprachübergreifend angenommen werden, also in unterschiedlichen Sprachen gleich sind und somit von einer Sprache in die andere transferiert werden können. Transferierbare Teilkompetenzen sind nach Schmölzer-Eibinger (2008b) die Bereiche der Herstellung von Kohärenz, der Kontextualisierung, der Strategien zur Textoptimierung. Hingegen sind Fähigkeiten Texte zu gestalten, 1 Die OECD legte 1995 den Bericht zu einer internationalen Vergleichsstudie vor: International Adult Literacy Survey, die Ergebnisse sind online einsehbar unter: http: / / www.oecd.org/ education/ innovation-education/ 34867438.pdf Textkompetenz ist Voraussetzung für den Zugang zu Informationen in der Fremdsprache. Textkompetenz wird lebenslang weiterentwickelt. Fremdsprachenlernen und kontrastive Betrachtungen zur Muttersprache tragen zur Entwicklung bei. <?page no="88"?> 89 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten adäquate Formulierungen zu finden, die richtigen Textmuster zu nutzen sowie stilistische Kompetenz an die Kenntnis der einzelsprachlichen Mittel gebunden und daher nicht übertragbar. Um vorhandene schriftsprachliche Fertigkeiten der Schüler im Russischunterricht nutzbar zu machen, müssen deren spracherwerbliche Voraussetzungen berücksichtigt werden. Die „echten― Lerner sind monolinguale Schüler mit der Muttersprache Deutsch (oder auch einer anderen Muttersprache, die nicht Russisch ist). Sie sind mit dem Deutschen aufgewachsen, sind im muttersprachlichen Unterricht alphabetisiert und literalisiert, verfügen also zunächst über Textkompetenz in der Bildungssprache Deutsch. Aus der ersten Fremdsprache (meist Englisch) bringen sie evtl. schon die Erfahrung mit, dass Textkompetenz nicht 1: 1 übertragbar ist und dass es kulturell geprägte Verwendungsweisen von Schriftsprache gibt. Eine Vielzahl der Schüler im Russischunterricht verfügt aber bereits über mündliche Sprachkompetenz im Russischen (im Sinne der Basic Interpersonal Communication Skills - BICS - bei Cummins 1991), d.h. über vorwiegend mündlich geprägte Fähigkeiten im Bereich der Alltagskommunikation. Darüber hinaus sind Kenntnisse und kommunikative Erfahrungen im ebenfalls mündlich geprägten, aber schon textuell geformten Bereich der Alltagserzählungen, Geschichten, Kinderreime und -lieder, Trivialliteratur u.ä. eine wichtige Basis für den Erwerb schriftsprachlicher Fähigkeiten im Russischen. Einige Schüler haben bereits lesen und/ oder schreiben gelernt, das betrifft aber erfahrungsgemäß meistens das Schriftsystem, nur sehr wenige bringen auch Vorkenntnisse der Schriftkultur des Russischen mit. D.h., Schüler mit der Familiensprache Russisch haben eine Phase (evtl. eingeschränkten) natürlichen Spracherwerbs in lebensweltlichen und interaktiven Kontexten bereits durchlaufen. Darauf kann im Prinzip die Entwicklung von Literalität aufbauen. Gezielt erfolgt dies aber nur in bilingualen (Grund)Schulen. Kommen Herkunftssprachler in den Russisch-als-Fremdsprache-Unterricht in höheren Klassen, so bleiben ihre lebensweltlich erworbenen textuellen Erfahrungen und Ressourcen oftmals ungenutzt bzw. stagnieren. Bedingt vor allem durch die institutionellen Rahmenbedingungen gibt es kaum Möglichkeiten, systematisch an sie anzuknüpfen und darauf aufbauend Schriftkompetenz zu entwickeln, wie das im muttersprachlichen Unterricht der Fall wäre. Idealerweise sollten Differenzierungsmodelle hier anknüpfen. Im Anfängerunterricht in der Fremdsprache geht es primär um sprachliches Handeln in kommunikativen Situationen des zielsprachlichen Alltags. Dinge, die die Schüler im Deutschen selbstverständlich tun, werden in die Fremdsprache übertragen (jmd. begrüßen, nach dem Weg fragen, einkaufen usw.). Dazu werden Dialoge erarbeitet, begleitend Aussprache-, Grammatik-, Wortschatzkenntnisse erworben. Dies alles geschieht mit einem hohen Anteil an Bewusstheit. Schrift ist im normalen Unterricht von Anfang an eine wichtige Stütze dabei. Schrift analysiert Sprache, sie isoliert sie auch und macht es dadurch möglich, sprachliche Einheiten etwa in Form von grammatischen Paradigmen darzustellen. Im Fremdsprachenunterricht an vorhandenen schriftsprachlichen Fertigkeiten der Schüler anknüpfen <?page no="89"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 90 Die Arbeit an verschiedenen Themen bedingt den Kontakt mit Elementen aus dem Bereich des strukturierten, übergreifenden Wissens: Die Sprache wird ein Mittel, Wissen zu erwerben. Das entspricht dem Bereich erweiterter Denk- und Sprachfähigkeit, und lässt sich nicht mit kommunikativer Basiskompetenz bewältigen. Es geht nun um den reflektierten Umgang mit Sprache(n), um inhaltliches Verstehen zu ermöglichen. Selbst wenn keine besonderen Kompetenzen im schriftlichen Bereich angestrebt werden, ist dieser Bereich doch textuell durchformt. Auch alltägliche Gespräche (small talk) können schnell zu allen möglichen Themenbereichen wechseln, und sind nur vor dem Hintergrund einer Kompetenz im Umgang mit Texten, dem Verfügen über themenbezogenen Wortschatz und adäquate Ausdrucksformen zu bewältigen. Hervorzuheben ist auch die Bedeutung des Schrifterwerbs im Hinblick auf Grammatikalisierungsprozesse. Grammatikalisierung ist im Sinne des Schriftspracherwerbs eine Folge von Textualisierung, ein Text muss so verfasst sein, dass er ohne zusätzliche außersprachliche Mittel verständlich ist. Dazu sind grammatische Strukturen von Nöten, die komplexer sind als syntaktische Strukturen konzeptionell mündlicher Sprache. „Ein Unterricht, der Fertigkeiten isoliert und stuft, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Fokussierung auf Sprach- und Textkompetenz kann insofern dazu beitragen, eine missverstandene und durch die Testpraxis verstärkte Isolierung des klassischen Fertigkeiten-Ansatzes zugunsten einer integrierten Betrachtung komplexer ‚Textkompetenz‗ zu überwinden.― (Krumm 2007, 204) Folgende Punkte sind für einen solchen Unterricht relevant: (vgl. ebd.): • Entwicklung eines Bewusstseins von Textsortenkonventionen • Schaffung eines stärkeren Bewusstseins für Differenzen zwischen geschriebener und gesprochener Sprache • Vermittlung von Merkmalen der Bildungssprache (schriftsprachorientierte Mündlichkeit, Konventionen der fachbezogenen Schriftlichkeit) • Vermittlung von Arbeitstechniken zur Planung von Textproduktion durch Entwicklung eines Sprachproduktionsbewusstseins― (z.B. über explizites Reformulieren) • Vergleich von Textmustern L1/ L2/ L3 (Analyse von Modelltexten) Schmölzer-Eibinger (2008a) stellt ein didaktisches Modell zur Förderung der Textkompetenz vor, das einen schrittweisen Aufbau von Textkompetenz ermöglicht. Es umfasst die Phasen der Wissensaktivierung, der Arbeit an Texten und der Texttransformation, innerhalb derer eine Verzahnung inhalts- und sprachbezogener Aktivitäten stattfindet. Sprachliche und kognitive Anforderungen in den Phasen werden durch die Komplexität der Aufgaben und durch die Komplexität der Texte gesteuert: 1. Phase der Wissensaktivierung: Gedanken, Assoziationen und vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen zum Thema des Textes verfügbar machen. Hierfür werden Übungen zum assoziativen Sprechen und Schreiben vorgeschlagen. Auch die Erarbeitung von Kriterien zur Textbewertung kann hier erfolgen. Ein reflektierter Umgang mit Sprache unterstützt inhaltliches Verstehen. Inhalte und Verfahren zur Förderung von Textkompetenz im Unterricht <?page no="90"?> 91 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten 2. Arbeit an Texten (=Kernbereich): Texte aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen, reflektieren, rekonstruieren, überarbeiten und neu konstituieren. Dabei kann die Aufmerksamkeit sowohl auf inhaltliche als auch auf sprachliche Aspekte gerichtet werden. Die Textkompetenz der Lernenden wird in enger Verknüpfung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit geschult, indem über Texte gesprochen wird und diese anhand der Rückmeldungen überarbeitet werden. In dieser Phase sind vielfältige Übungen mit Textfragmenten oder mit Lücken denkbar. Je nach Umfang der Fragmente oder Größe der Lücken können die Anforderungen an die Lerner variiert werden, sie sind in dieser Phase den aktuellen individuellen Möglichkeiten der Lerner angepasst. Beim Ergänzen von Textfragmenten und beim Zusammenfügen müssen die vorhandenen Textteile immer wieder aufs Neue gelesen und überarbeitet werden. Anschließend müssen die Texte untereinander ausgetauscht und verglichen werden. Damit wird die Fähigkeit geschult, Texte zu beurteilen. Rezeptive und produktive Fähigkeiten werden miteinander verknüpft. 3. Phase der Texttransformation Texte werden aus ihren ursprünglichen Kontexten herausgelöst und in neue transferiert. Die Aufgaben in dieser Phase haben überwiegend projektorientierten Charakter, z.B. können die Lerner zu einem Thema auf der Basis vorliegender Sachund/ oder literarischer Texte gemeinsam einen eigenen Text zum Thema erstellen. Die Aufgaben in diesem Modell sind lernerorientiert und ermöglichen in vielfältiger Weise Texte als Lerngelegenheiten zu nutzen. Ein wichtiger Aspekt der Textarbeit ist zudem die Bewusstmachung spezifischer Textmuster. Sich klar zu machen, wie eine Textsorte in der Fremdsprache idealtypisch aussieht, ist ein wichtiger Lernschritt, der letztlich auch zu mehr Sprachbewusstheit in der Muttersprache führen kann (vgl. Hufeisen 2008, 52). Der Aufbau auf Schriftlichkeit und textuelles Handeln bezogener Fähigkeiten zieht eine Veränderung der Lehr- und Lernkultur im Umgang mit Schülertexten nach sich. Wie kann Textkompetenz beurteilt werden? Ob fördernd oder bewertend-prüfend, in jedem Fall bildet den Ausgangspunkt der Beurteilung eine Analyse des Lernertextes zur Erfassung von Kompetenzen und Defiziten des Lerners. Lehrer müssen eine professionelle Reflexionsfähigkeit entwickeln, um zu erkennen, welche Spuren Schreibentwicklung an der Textoberfläche hinterlässt. Die Fähigkeit, Schülertexte in ihren verschiedenen Dimensionen zu erfassen und differenziert zu beurteilen, geht weit über einen traditionell fehlerorientierten Umgang mit den Texten hinaus und erfordert Wissen über Texte und ein Analyseinstrumentarium mit Beurteilungskriterien. Eine differenzierte Textanalyse sollte in mehreren Schritten durchgeführt werden (Feld-Knapp 2008): 1. Die allgemeine Textbeurteilung verschafft einen ersten Überblick über den Text (Textlänge, Anzahl der Wörter und Sätze, Satzkomplexität, Kohäsion). 2. Einschätzung sprachlich-systematischer und orthografischer Richtigkeit. Dabei geht es um formale Korrektheit und um die Funktionalität sprachlicher Mittel, dieser Punkt sollte aber auch Überlegungen zu den Fehlerursachen einschließen (Interferenz, sprachliche Kreativität usw.). Texte als Lerngelegenheiten Analyse von Lernertexten Wie kann Textkompetenz beurteilt werden? : <?page no="91"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 92 3. Beurteilung des Einsatzes sprachlicher Mittel. Es geht in erster Linie nicht um die Korrektheit, sondern um die Funktionalität der sprachlichen Mittel, also darum, was sie im Text leisten. Die Analyse ist in eine komplexe Analyse der Textstruktur einzubetten unter Berücksichtigung von Makro- und Mikrostruktur. (Makrostruktur: Gesamtidee, Thema, Absicht des Textes, Wie wird das Thema eingeführt? Wie wird es entfaltet? Entspricht die Themenentfaltung den Anforderungen der Textsorte? Aufbau, Gliederung in Abschnitte mit Kernaussagen, logischer Zusammenhang zwischen den Abschnitten; Mikrostruktur: Wiederaufnahmestruktur, Einsatz von Konnektoren.) Die Fähigkeit, gute Texte zu produzieren, kann durch die Analyse und Reflexion, das Gespräch über eigene und fremde Texte entwickelt werden. 1.3 Lernaufgaben Eine integrative an den Text als zentrale sprachliche Einheit des Sprachgebrauchs geknüpfte Ausbildung kommunikativer Fertigkeiten im Unterricht findet ihre didaktische Umsetzung vor allem im Leitprinzip der Aufgabenorientierung (zum handlungsorientierten Charakter der Aufgabenorientierung s. Tesch 2006, Meißner 2006). Aufgabenorientierung nimmt an, dass eine integrierte Fertigkeitenschulung am ehesten zu realisieren ist, wenn das Training der Fertigkeiten in einem motivierenden Kontext fast beiläufig, aber dennoch intensiv passiert, weil das selbsttätige Lösen interessanter Aufgaben den kombinierten Gebrauch der Fertigkeiten in den Vordergrund rückt. Die Konzeption des aufgabenbasierten Lernens (task based language learning, TBL), deren Entstehung in die 1980er Jahre zurückreicht, zielt darauf ab, die (fremd)sprachlichen Anforderungen der außerunterrichtlichen Wirklichkeit ins Zentrum des Unterrichts zu holen (einen Überblick über die Entwicklung des Ansatzes geben Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004). Das Gerüst des Unterrichts bilden demnach Aufgaben, die so konzipiert werden, dass sie eine möglichst authentische Sprachverwendung beinhalten und vom Lerner fordern (Sprache wie sie im Alltag vorkommen könnte) sowie immer ein Ergebnis hervorbringen, das präsentiert und evaluiert wird. Dafür nennen sie den Zweck und das erwartete Ergebnis einer Aktivität (produktorientiert). Für den Lerner liegt der Schwerpunkt auf der Bedeutung dessen, was gesagt wird und nicht auf der Verwendung einer bestimmten Form (inhaltsorientiert). (Zu Merkmalen „sinnvoller― Aufgaben s. Edmondson 2006, 55.) Damit bildet die Vermittlung von Inhalten den Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Grammatik, ihre fehlerfreie Beherrschung ist nicht mehr oberstes Ziel des Fremdsprachenunterrichts. Aufgaben sollen Lerner ermutigen, sich in der Fremdsprache auch mit begrenzten Möglichkeiten auszuprobieren - ohne Angst vor Fehlern und daran gebundene (schlechte) Bewertung. Empirisch sind diese Effekte bislang nicht belegt, aber die Erfahrungen der Unterrichtspraxis zeigen verschiedentlich, dass der Ansatz zur Verbesserung des schulischen Fremdsprachenlehrens und -lernens beitragen kann (vgl. ebd., 1) Das Lösen von Aufgaben rückt den kombinierten Gebrauch von Fertigkeiten in den Vordergrund. Die Konzeption des aufgabenbasierten Lernens (TBL) <?page no="92"?> 93 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten Aufgaben im Sinne von TBL unterscheiden sich deutlich von Übungen, die der Einübung, Festigung und dem Transfer eines Stoffes dienen. Vor allem aber sieht der insbesondere von Nunan (1989), Skehan (1998), Willis (1996), Willis & Willis (2007) entwickelte Ansatz Aufgaben als Grundlage der methodischen Organisation des Unterrichts, die die Lernmöglichkeiten und den Interaktionsrahmen für Lernende und Lehrende in drei Phasen gliedert. Dieser Verfahrensdreischritt ist auf der Basis von Willis (1998) in der folgenden Abbildung dargestellt. PRE-TASK PHASE INTRODUCTION TO TOPIC AND TASK Teacher explores the topic with the class, highlights useful words and phrases, and helps learners understand task instructions and prepare. Learners may hear a recording of others doing a similar task, or read part of a text as a lead in to a task. TASK CYCLE TASK Students do the task, in pairs or small groups. Teacher monitors from a distance, encouraging all attempts at communication, not correcting. Since this situation has a „private― feel, students feel free to experiment. Mistakes don't matter. PLANNING Students prepare to report to the whole class (orally or in writing) how they did the task, what they decided or discovered. Since the report stage is public, students will naturally want to be accurate, so the teacher stands by to give language advice. REPORT Some groups present their reports to the class, or exchange written reports, and compare results. Teacher acts as a chairperson, and then comments on the content of the reports. Learners may now hear a recording of others doing a similar task and compare how they all did it. Or they may read a text similar in some way to the one they have written themselves, or related in topic to the task they have done. Verfahrensdreischritt aufgabenbasierten Lernens <?page no="93"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 94 LANGUAGE FOCUS ANALYSIS Students examine and then discuss speci-fic features of the text or transcript of the recording. They can enter new words, phrases and patterns in vocabulary books. PRACTICE Teacher conducts practice of new words, phrases, and patterns occurring in the data, either during or after the Analysis. Sometime after completing this sequence, learners may benefit from doing a similar task with a different partner. Abb. 7: Verfahrensdreischritt des aufgabenbasierten Unterrichts (Willis 1998, online: http: / / www.jalt.publications.org/ tlt/ files/ 98/ jul/ willis.html) Die Komponenten dieses Verfahrensdreischritts sollen unter verschiedenen Aspekten optimale Lernbedingungen für verschiedene Lernertypen schaffen. Das Vorwissen der Lerner und ihre individuellen Lernvoraussetzungen finden Berücksichtigung vor allem in der Einstiegsphase, aber auch bei der Bearbeitung der Aufgabe. Zum Beginn werden Sprech- und Schreibanlässe zur Wissensaktivierung geschaffen, die bestenfalls so gestaltet sind, dass ein Austausch und Lernen voneinander möglich werden. Im task cycle greifen die Lerner ebenfalls auf ihre individuellen sprachlichen Ressourcen zurück, wenn sie zunächst die Aufgabe weitgehend selbstständig bearbeiten und dann vor anderen präsentieren. Dabei sind in der Bearbeitungsphase Fehler, stockende Sprachproduktion und ungenaue Wortwahl zweitrangig, solange der Inhalt verständlich bleibt. Für die Präsentation wird der Lerner allerdings um sprachliche Korrektheit bemüht sein und dafür seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Strukturen richten, die ihm persönlich schwer fallen bzw. in denen er sich unsicher fühlt. Motivation wird kurzfristig bewirkt vor allem durch die Notwendigkeit, die Ziele der Aufgabe zu erreichen und darüber Rechenschaft abzulegen. Wer dabei Erfolg hat, wird auch längerfristig motiviert. Eine starke Motivation kann nach Willis ( 1996 ) auch entstehen, wenn die Lerner bei der Bearbeitung der Aufgabe die Möglichkeit erhalten, kompetente Sprecher zu hören, dadurch eigene Defizite reflektieren und durch gezielte Aufmerksamkeit neue Ausdrucksmöglichkeiten für sich entdecken. Ein focus on form ist in zwei Phasen des Ablaufs nützlich: In der Planungsphase erfordert die Vorbereitung der Präsentation erhöhte Aufmerksamkeit für die sprachlichen Mittel und ihren korrekten Einsatz: Der Lerner überprüft Wörter und Wendungen, die er nicht sicher beherrscht. Eine weitere Möglichkeit für die gezielte Bewusstmachung und die Arbeit an sprachlichen Formen bietet die Abschlussphase: In Analyseaufgaben lernen die Schüler, sprachliche Merkmale wahrzunehmen, sie setzen sich mit der in der Aufgabe verwendeten Sprache auseinander, es gibt Gelegenheit zum wiederholten Lesen oder Hören eines Textes. Auch Ausspracheübungen und das Erschließen neuer Ausdrucksmittel haben hier ihren Platz. Berücksichtigung von individuellen Lernvoraussetzungen Aufmerksamkeit für sprachliche Mittel im TBL <?page no="94"?> 95 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten Die Lernaufgaben des IQB für den Französischunterricht versuchen grundlegende Prinzipien des TBL auf den schulischen Kontext anzuwenden und dabei an bestehenden Lerntraditionen anzuknüpfen. Caspari (2011, 332) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in Deutschland zwar seit der Einführung des kommunikativen Ansatzes Aufgaben im Sinne von tasks durchaus zum Inventar des schulischen Fremdsprachenunterrichts zählen, dass aber auf Grund bestehender Lerntraditionen und mangelnder Ressourcen in der Praxis keine durchgängige Umsetzung des TBL-Ansatzes erfolgt. Auch für den Russischunterricht gibt es mittlerweile durchaus vielfältige Erfahrungen mit kompetenzorientierten Aufgaben in der Unterrichtspraxis, eine fachdidaktische Auswertung und Systematisierung liegt bislang aber nicht vor. Wenn Aufgaben nicht die Basis des gesamten Curriculums bilden, spricht man von der „schwachen Variante―, die „sich im Wesentlichen damit zufrieden [gibt], kommunikative Elemente in ein traditionelles, durch das System der Sprache bestimmtes Lernprogramm zu integrieren, damit die Lernenden Gelegenheit erhalten, das Gelernte (vor allem grammatische Strukturen) anzuwenden― (Legutke & Schocker-v. Ditfuth 2003, 4). Ellis (2003, 28) nennt dies task supported language learning (aufgabengestütztes Lernen). In Anlehnung an TBL bieten Lernaufgaben kommunikative Anforderungen in vielfältigen sozialen Situationen, die dazu dienen sollen, kommunikative Kompetenzen, das Verfügen über sprachliche Mittel, aber auch interkulturelle und methodische Kompetenzen zu erproben und weiterzuentwickeln. „Fremdsprachliche Lernaufgaben haben meist keine eindeutige Lösung―, schreibt Tesch (2008, 15) und verweist weiter darauf, dass „menschliche Kommunikation in Aufgaben abzubilden immer [bedeutet], eine Auswahl unter vielen möglichen Handlungssituationen zu treffen― (ebd.). Am IQB entstand als Anregung zur Gestaltung kompetenzorientierten Unterrichts ein Konzept mit 21 Rahmenaufgaben mit über 100 Modulen für den Französischunterricht. Sie bieten jeweils einen komplexen, von den Lernern weitgehend selbstständig zu bearbeitenden Rahmen und zielen bewusst auf die Förderung sowohl isolierter als auch integrierter Kompetenzen. Sie erlauben verschiedene Kompetenzen - sprachliche, interkulturelle, methodische, soziale, ästhetische - an gemeinsamen Rahmenthemen weiterzuentwickeln. (Zu den Zielsetzungen und Charakteristika der Lernaufgaben s. Tesch et al. 2008, Caspari & Kleppin, 2008, Caspari 2011; zum Unterschied zu Testaufgaben vgl. Kap. IV in diesem Band, s. auch Grotjahn 2008). Aufgabenorientierung im schulischen Fremdsprachenlernen Definition von Lernaufgaben <?page no="95"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 96 Abb. 8: Struktur der Lernaufgaben (Caspari & Kleppin 2008, 89) Caspari (2011, 333) fasst die Prinzipien, die als Grundlage für die Erstellung der Lernaufgaben dienten, in Anlehnung an die Merkmale von Aufgaben im TBL folgendermaßen zusammen: 1. Prinzip der Inhaltsorientierung: die Spracharbeit hat im Wesentlichen dienende Funktion, kann aber auch zum Inhalt von Teilaufgaben werden. Prinzipien für die Erstellung von Lernaufgaben Rahmenaufgaben bestehen aus Modulen bestehen aus Einzelaufgaben z ielen auf isolierte oder integrierte Kompetenzen bzw. Teilkompetenzen und können verschiedene Funktionen erfüllen u.a. Diagnose Kompetenzförderung verschiedene Kompetenzbereiche Evaluation Selbst-Evaluation Partner-Evaluation Fremd-Evaluation informell oder standardisiert <?page no="96"?> 97 1. Im Russischunterricht auf kommunikatives Handeln vorbereiten 2. Prinzip der Lernerorientierung: die Lernaufgaben knüpfen am Vorwissen der Lerner an und lösen individuelle Lernprozesse aus. 3. Prinzip der Ganzheitlichkeit: kognitive, emotionale, aber auch kreative Prozesse werden verknüpft. 4. Prinzip der Authentizität: in der Regel sind die verwendeten Texte authentisch, im Mittelpunkt stehen Formen der Kommunikation, wie sie in der realen Welt auch vorkommen könnten. 5. Prinzip der Produktorientierung: Lernaufgaben verlangen die Erstellung eines sprachlichen Produkts. 6. Prinzip der Relevanz: Lernaufgaben beschäftigen sich mit Themen aus der fremdsprachigen Alltagswelt, die für Jugendliche an deutschen Schulen relevant sind. 7. Prinzip der Differenzierung/ Individualisierung: Lernaufgaben sind so konstruiert, dass die Schüler sie gemäß ihren Lernvoraussetzungen erfolgreich lösen können und bieten Möglichkeiten für Abwandlungen. 8. Prinzip der Transparenz: in Lernaufgaben sind verschiedene Formen der Selbst-, Peer- und Fremdevaluation eingebunden. Die Umsetzung dieser Prinzipien bei der Entwicklung von Lernaufgaben birgt Herausforderungen für Lehrkräfte und Lehrwerke. Im Folgenden sollen wesentliche Vorbehalte, die es hierbei gibt, aber auch positive sprachlernfördernde Aspekte besprochen werden. Sowohl Lehrkräfte als auch die Fremdsprachenforschung tun sich, wie Caspari (2011, 338) konstatiert, vor allem mit der Funktion und dem Platz der Grammatik in einem aufgabenorientierten Unterricht schwer. Dazu gehört unserer Erfahrung nach auch die Überlegung, dass Sprachen in ihrer Morphologie unterschiedlich komplex sind und daher die vor allem in der Englischdidaktik entwickelten Vorschläge nicht einfach auf eine „schwierige― (i.e. morphologisch komplexere) Sprache wie Russisch übertragen werden können bzw. aufgabenorientiertes Arbeiten eben nicht von Anfang an möglich ist, da erst einmal die Grammatik gelernt werden müsse. Hier wird deutlich, dass Lehrkräfte und Lehrwerke stark an die Tradition einer grammatikbasierten Progression gebunden sind. Auch wenn in den neuen Lehrwerken eine Abfolge von thematischen Situationen und damit verbundenen Redeabsichten das Inhaltsverzeichnis strukturiert und die grammatischen Strukturen nachgeordnet sind, behält die Grammatik einen hohen Stellenwert. Aufgabenorientierung schließt nun aber formales Lernen keineswegs aus. Willis (1998) weist Aktivitäten zur Sprachanalyse, zum Kennenlernen und zur Festigung lexikalischer und grammatischer Strukturen deutlich einen Platz im Aufgabenzyklus zu. Allerdings wird die Auswahl der zu lernenden lexikalischen und grammatischen Strukturen nicht so sehr durch Traditionen der grammatischen Progression bestimmt, sondern ist deutlich funktional angebunden. „In the task-based cycle, the language data comes from the texts or transcripts of recordings used in the task cycle, or from samples of language they have read or heard in earlier lessons. Having already processed these texts and recordings for meaning, students will get far more out of their study of language form.― (Willis 1996). Die Lerner sollen mit Hilfe von Aufgaben zur eigenständigen Beobachtung und Sprachanalyse angeregt werden. Sie entwickeln ein Bedürfnis nach Platz der Grammatik in Lernaufgaben Funktional determinierte Progression <?page no="97"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 98 Formen, nach Redemitteln auf Grund einer kommunikativen Absicht und erhalten Gelegenheit, diese beispielsweise im Wörterbuch nachzuschlagen, Wörter und Wendungen in ein Arbeitsheft oder eine Vokabelkartei zu übertragen, grammatische Formen einzuüben (vgl. Anregungen dazu in Willis & Willis 1996). Wenn Aufgaben nicht nur Bestandteile enthalten, die die Schüler mit den bereits vorhandenen Kenntnissen bewältigen können, sondern auch Abschnitte, die die aktive Erweiterung fordern, entsteht eine Diskrepanz zwischen Absichten und verfügbaren Ressourcen. Der Lerner wird nach kommunikativen Strategien suchen, um Lücken zu füllen, oder Lernstrategien einsetzen, um seine Kenntnisse zu erweitern, sei es durch Nutzung von Lernhilfen, durch Nachschlagen oder Nachfragen beim Lehrer (vorausgesetzt natürlich der Lerner ist zur Lösung der Aufgabe motiviert). Die Entwicklung eines solchen Habitus und der entsprechenden methodischen Fertigkeiten gehört im Sinne lebenslangen (Weiter)lernens von Fremdsprachen zu den Zielen des modernen Fremdsprachenunterrichts. Sprachlernfördernd wirkt sich offensichtlich der Umstand aus, dass explizites Wissen nicht als Wissen über die Systematik des Sprachsystems für sich, losgelöst vom Anwendungskontext erworben, sondern in Verbindung mit verschiedenen sprachlichen Umgebungen aktiviert wird. Der kontrollierte Einsatz expliziten Wissens kann geübt werden, indem z.B. das Wissen auf einem Arbeitsblatt steht oder Tabellen und Übersichten als Lernmittel zur Verfügung stehen, auf die beim Aufgabenlösen zurückgegriffen werden kann. Damit wird der Zugang zum Wissen automatisiert und explizites leichter in implizites Wissen überführt (vgl. dazu Edmonson 2006, 151f.). Aufgaben 1. Erläutern Sie den Begriff der Textkompetenz. Welche Ziele verfolgt die Arbeit mit Texten im Russischunterricht? 2. Wie ist in den Kompetenzmodellen des GeR und der Bildungsstandards für die 1. Fremdsprache die Fähigkeit zum Umgang mit Texten verortet? Wie findet sich das in den Lehrplänen Ihres Bundeslandes wieder? 3. Erläutern Sie Phasen der Arbeit an Texten hinsichtlich ihrer Zielsetzungen und möglicher Übungen. 4. Was sind kommunikative Lernaufgaben und wie unterscheiden sie sich von Übungen. Erläutern Sie den Verfahrensdreischritt aufgabenorientierten Unterrichtens unter Beachtung der spezifischen Zielsetzungen der einzelnen Phasen, des jeweiligen Lehrer- und Lernerhandelns sowie der Anteile formorientierten und inhaltsorientierten Lernens. Weiterführende Literatur Hufeisen, B. (2008): „Textsortenwissen - Textmusterwissen - Kulturspezifik von Textsorten―. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 39, 51-53. Tesch, B. (2009): Kompetenzorientierte Lernaufgaben. Frankfurt/ M. Themenheft Textkompetenz. Fremdsprache Deutsch Heft 39 (2008). Sprachlernförderde Aspekte von Lernaufgaben <?page no="98"?> 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts auf der Grundlage von Aufgaben Anka Bergmann / Astrid Seidel An dieser Stelle sind einige Aspekte zu besprechen, die für die Planung kompetenzorientierten aufgabengestützten Unterrichts bedeutsam sind. Zur gegenwärtigen Unterrichtspraxis konstatieren Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth (2004, 3), dass sich in deutschen Fremdsprachenklassenzimmern hartnäckig eine (unangemessene) Vorstellung vom Fremdsprachenerwerb hält. Das Verständnis von der Rolle der Sprache und davon, wie sie gelernt werden sollte, unterscheidet sich deutlich von den Annahmen, die aufgabenorientiertem Lernen zugrunde liegen und die Organisation des Lehr- und Lernprozesses beruht in der Regel auf dem traditionellen Verfahrensdreischritt presentation - practice - production. Zwar erlaubt das PPP-Muster eine gezielte Fokussierung auf bestimmte (Teil)Fertigkeiten, denn es ist in erster Linie inhaltsbzw. stofforientiert. Es verhindert jedoch ganz offensichtlich allzu leicht die Verschaltung der Fertigkeiten. Hingegen macht die starke Version des kommunikativen Ansatzes, dem der aufgabenorientierte Ansatz entspricht, Aufgaben zur Grundlage des gesamten Curriculums (Ellis 2003, 30) und verbindet so Zielebene und methodische Grundsätze im Curriculum durch die Ausrichtung auf Handlungssituationen im Rahmen von kommunikativen Aufgaben. Meißner (2006, 220) spricht die Empfehlung an die Praxis der Aufgabenentwicklung aus, beide Muster, PPP und integrierte Aufgaben alternieren zu lassen und dabei genau auf den Sprachgebrauch, auf die natürliche Sprachbenutzung zu schauen. Dies hat folglich Konsequenzen für die Unterrichtsplanung: eine nachhaltige Aufgabenkultur ist nur dann zu erreichen, wenn Aufgaben in ein Curriculum zum Aufbau sprachlicher Leistung eingebunden sind. Dies ist an Inhalte gebunden. Für die Planung des Unterrichtsablaufs ist wohl die Schlüsselfrage Wie plant man Kompetenzen? oder Wie unterrichtet man Bildungsstandards? (s. Ziener 2008). Die Standards geben ja nur Auskunft, welche Leistungen die Schüler am Ende erbringen sollen, sagen aber nichts darüber aus, welche Lernbedingungen die Basis dafür bilden, welche Ressourcen die Schule und die Lehrkräfte bereitstellen sollen (es sind keine opportunity-to-learn-Standards). Und selbst wenn man der Überzeugung ist, dass konsequente Aufgabenorientierung der richtige Weg ist, gilt zu bedenken, welche Aufgaben im konkreten Fall am besten geeignet sind, wie eine Sequenzierung und methodische Umsetzung aussehen kann. Wenig bekannt ist bislang darüber, wie Komponenten von Aufgaben, Art des Inputs und Materialdesign Sprachlernende zu einer bestimmten Art von Sprachgebrauch veranlassen. Wie sind die Aufgabenparameter (Ziel, Input, Aktivitäten) zu konturieren, wie wirken sie zusammen, wie nehmen Lernervariablen und Klassenraumkontext Einfluss auf die Ausführung? Dieser Fragenkomplex ist wenig empirisch fundiert, wird aber in der fremdsprachendidaktischen Literatur zunehmend Einbindung von Aufgaben in ein Curriculum zum Aufbau von Sprachkompetenz Planung von den Kompetenzen her <?page no="99"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 100 diskutiert. Aus soziokultureller Sicht zeichnet sich ab, dass Lernende, die sich gemeinsam mit einer Aufgabe auseinandersetzen, eine höhere Form geistiger Aktivität entwickeln. Grundlegend sind dafür die Arbeiten von Vygotsky (1978), Leontiev (1981), Lantolf (2000). Kompetenzorientiertes Unterrichten kann nicht darin bestehen, an die Stelle bisheriger Unterrichtsthemen und -inhalte lediglich die Formulierung von Kompetenzen zu setzen. Von den Kompetenzen her planen bedeutet in erster Linie, aus den vorgegebenen Lernergebnissen einen unterrichtlichen Prozess, also einen Lernweg für die Schüler, abzuleiten (vgl. Ziener 2008). Die (nicht immer ganz) neue Perspektive kompetenzorientierten Unterrichts besteht vor allem darin, dass Stoffe, Themen, Inhalte so auszuwählen und zu bearbeiten sind, dass dabei Kompetenzen angebahnt und ausgebildet werden können. Die praktischen Konsequenzen für eine solche Unterrichtsplanung stellt Ziener (ebd.) fachübergreifend dar. Aus der Fülle der vorliegenden Kompetenzstandards leitet er auf der Grundlage einer gründlichen Analyse der Operatoren (insbesondere der Prädikate) vier Kategorien ab, die für alle Fächer und Schularten in gleicher Weise gelten. (vgl. ebd., 57ff.). Dies sind der kognitive, der kommunikative, der methodisch-gestalterische und der personal-soziale Bereich. Diese Bereiche lassen sich in den Kompetenzmodellen für den Russischunterricht (s. Kap. II.2) gut nachvollziehen. Mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht ist dabei zu beachten, dass der sprachlichkommunikative Bereich sowohl individuelle sprachliche Fähigkeiten als auch die Fähigkeit zur sozialen Kommunikation in allen Fächern und defaultmäßig auf Deutsch umfasst, während sich der kognitive Bereich vor allem auf fachspezifisches „wissen―, „verstehen―, „können erläutern― bezieht. Es gibt hier folglich keine Deckungsgleichheit mit dem Bereich der kommunikativen Kompetenz in der Fremdsprache. Für die Unterrichtsplanung müssen die in den Kompetenzmodellen getrennt dargestellten Bereiche der Kenntnisse, Fertigkeiten und Haltungen in ihrer wechselseitigen Durchdringung berücksichtigt werden und alle Standards nach Kompetenzstufen bestimmt und operationalisiert werden. „Was kann jemand, der über diese Kompetenz wenig oder in befriedigendem oder ausgezeichnetem Maße verfügt? ― (Ziener 2008, 56). Über welche Strukturen verfügt er, mit welchen Texten kann er wie umgehen, welche kommunikativen Aktivitäten kann er in welchem Umfang ausführen. Die Erwartungen an den Ertrag (Kompetenzstufen) werden sprachlich als Mindest-, Regel- und Maximalerwartung deutlich akzentuiert. Bei der Planung von Unterricht ist die Schlüsselfrage: An welchem Inhalt können die im Lehrplan ausgewiesenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen erworben werden? Welche der ausgewiesenen Standards können sinnvollerweise an welchem bestimmten Inhalt, einem bestimmten Thema oder Lerngegenstand erworben werden? Und umgekehrt: was kann man an dem Inhalt lernen? Diese Frage bildet den zentralen Aspekt der didaktischen Analyse im Hinblick auf die einzelne Unterrichtsstunde. Ziener schlägt zwei Formen von Notation der Unterrichtsverlaufsplanung vor, die sich darin decken, dass sie die Elemente Thema, (Teil)Kompetenzen als Lernziele, methodisch-didaktische Umsetzung (bzw. Interaktion Lehrkraft - Schüler) jeweils mit Varianten enthalten. Dabei sollen einem Thema nicht mehr als 4-5 Kompetenzen zugeordnet werden. Im nächsten Schritt muss daraus eine Inhalte im kompetenzorientierten Unterricht: Kernelement der Planung <?page no="100"?> 101 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts Verlaufsplanung abgeleitet werden, die Aufgaben und Sozialformen sowie Medieneinsatz berücksichtigt. Die Erwartungen an Aktionen und Interaktionen auf Lernerseite zu formulieren und zu reflektieren, welche Angebote auf welche Schüleraktivitäten abzielen, fällt Praktikanten und Berufsanfängern erfahrungsgemäß nicht leicht. Gerade darin, Korrespondenz herzustellen zwischen dem, was die Lehrperson intendiert und initiiert, und dem, was die Schüler daraufhin machen, besteht nach Ziener das eigentliche didaktische Handwerk, „die Kunst des didaktischen Handelns― (ebd., 86). Diese professionelle Kompetenz basiert allerdings zu einem großen Teil auf Erfahrungswissen, das theoretisch reflektiert, aber nur in der praktischen Tätigkeit erworben werden kann. Dazu gehört gerade für Berufsanfänger auch die sorgfältige Planung von Arbeitsanweisungen. Erfahrungen aus der Begleitung von Studierenden in Schulpraktika zeigen, dass dieser Bereich oftmals unterschätzt oder gar nicht bewusst vorbereitet wird. Dabei geht es nicht nur um den begründeten Einsatz der Mutter- oder Fremdsprache in Abhängigkeit vom erreichten Sprachstand der Lerner und unter Berücksichtigung der Lernziele, sondern zuallererst allgemeindidaktisch um das Vermögen, in der Aufgabenstellung genau zu bezeichnen, was der Zweck und das erwartete Ergebnis der gestellten Aufgabe sind, welche Aktivitäten der Lerner ausführen soll und welche Hilfestellungen er nutzen kann. Vielen Praktikanten fällt es auch nicht leicht, den Schülern Zeit zu geben, die Aufgabenstellung zu verstehen und bei Bedarf von sich aus nachzufragen. In der Regel tendieren Deutsch-Muttersprachler dazu, schnell ins Deutsche zu wechseln, Russisch-Muttersprachler wiederholen Aufgabenstellungen eher in vielfältigen zielsprachlichen Variationen, was Schüler zumeist überfordert. Grundsätzlich ist zu empfehlen, sich in den Aufgabenstellungen am verwendeten Lehrwerk zu orientieren und sich bewusst mit den Operatoren im Lehrwerk auseinanderzusetzen, um die eigenen Anweisungen im Unterricht strukturiert zu gestalten. Möglichst von Anfang an sollten die Anweisungen in Russisch formuliert werden. Auch Arbeitsanweisungen können explizit eingeführt werden und bei Bedarf kann eine Zeit lang das Deutsche und Russische parallel verwendet werden. Es sollte darauf geachtet werden, in diesem Bereich immer gleiche Muster und Formulierungen einzusetzen. Das gilt natürlich besonders für den Anfangsunterricht. Spätestens nach dreibis viermaliger Wiederholung sollte eine Wendung als eingeführt gelten. Im Bereich der Sprachanalyse und des bewussten Sprachvergleichs, aber auch bei der Reflektion von Lernprozessen und Lernstrategien kann aber durchaus Deutsch als Arbeitssprache verwendet werden. Es geht dann nicht in erster Linie um Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache, sondern das Deutsche ist als Bildungssprache die Sprache, in der die Lerner auch über Arbeitstechniken und Lernerfahrungen in anderen Fächern verfügen, z.B. Sprachanalysefähigkeit aus dem Muttersprache-Unterricht oder Lernstrategien aus der ersten Fremdsprache. Diese können leichter nutzbar gemacht werden, wenn der Lerner nicht zusätzlich kognitive Kapazität auf die fremdsprachliche Form der Äußerung verwenden muss. Ein zentrales Element der Planung von Unterrichtsprozessen ist die Formulierung der Ziele. Für jede Unterrichtssequenz bzw. -stunde sollte ein konkretes Stundenziel abgeleitet werden, das direkt mit den behandelten Texten und Aufgaben korrelliert. Es liegt in der Natur von Bildungsstan- Intendiertes und realisiertes Schülerhandeln: Aufgabenstellungen planen und richtig formulieren Zentrales Element der Planung: Ziele formulieren <?page no="101"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 102 dards, dass viele der Kompetenzen für eine Stunde oder sogar eine Sequenz völlig überdimensioniert sind. Manche „wird man womöglich ein Leben lang anstreben― (Ziener 2008, 83). Der Erfolg der Unterrichtsstunde ist an dem selbst gesetzten Stundenziel zu messen. Ob eine Aufgabe in diesem Kontext wirklich sinnvoll ist und zum angestrebten Kompetenzerwerb beiträgt, lässt sich ebenfalls nur an diesem Stundenziel überprüfen. Das bedeutet aber nicht, das man mit jedem alltäglichen Unterrichtsschritt, etwa der ritualisierten Begrüßung auch einen jeweiligen Kompetenzerwerb ausweisen muss bzw. umgekehrt: Wenn einer Unterrichtsphase kein solcher Kompetenzfortschritt zugewiesen werden kann, ist sie nicht automatisch überflüssig. Nicht alle unterrichtlichen Prozesse lassen sich unmittelbar kompetenzförmig ausweisen. Entscheidend ist, ob es gelingt, Lernprozesse auszulösen, d.h. die Schüler zu selbsttätigem Lernen zu aktivieren und so Kompetenzentwicklung in einem längerfristigen Rahmen anzubahnen. Der eigentliche Gewinn kompetenzorientierten Planens besteht vermutlich darin, dass die Lernsequenz in einen größeren Zusammenhang, der über die Stunde und über das Fach hinausreicht, eingepasst und auf ihren Beitrag hin evaluiert wird. Die Passung der Stunde im Hinblick auf längerfristigen Kompetenzerwerb entscheidet sich auf der Ebene des schulinternen Curriculums (eine recht handliche Übersicht über die Zuständigkeiten auf den unterschiedlichen Planungsebenen gibt z.B. Braun 2008, 3). Eine Abstimmung in Fach- und Gesamtkonferenzen ermöglicht sowohl die fachinterne Durchdringung der Kompetenzbereiche als auch eine fachübergreifende Vernetzung anzustrebender Kompetenzen. Dies betrifft in erster Linie den methodischen und personal-sozialen Bereich. Aber auch der sprachlichkommunikative Bereich, der im Fremdsprachenunterricht in besonderer Weise mit dem fachlich-kognitiven Bereich verknüpft ist, darf aus der vernetzten Planung nicht ausgeklammert werden, wenn man beispielsweise über den Beitrag des Fremdsprachenunterrichts zu einer durchgängigen Sprachbildung 1 nachdenkt. Es geht darum, Sprechabsichten zu erkennen, einen Text oder eine Äußerung adressatenbezogen und situationsangemessen gestalten zu können, Sprachstrukturen und -funktionen analysieren zu können. Eine solche Abstimmung der Planung auf Schulebene eröffnet viele Chancen für vernetztes Lernen, sie erfordert aber vor allem Offenheit und Teamgeist unter den Lehrern. Eine entsprechende Fach- und Schulkultur zu etablieren, gelingt nicht von einem Tag auf den anderen. Vor allem aber braucht es nicht nur offene und motivierte Lehrerpersönlichkeiten, sondern auch entsprechende ideelle und materielle Rahmenbedingungen. Anerkennung für Engagement und Aufgeschlossenheit für Neuerungen bei Kollegen und seitens der Schulleitung, Selbstverständlichkeit von Fortbildungen, aber ebenso auch gute räumliche Bedingungen (Lehrerzimmer, Schulbibliothek, ausreichend fachbezogene Arbeitsplätze für die Lehrer, damit Zusammenarbeit und Austausch überhaupt möglich sind), dies sind Faktoren, die Lehrer motivieren können, auch über den eigenen Unterricht hinaus in der Schule zu sein, den eigenen Unterricht zu öffnen und den Austausch zu suchen. In der Praxis ist dies aber leider an vielen Schulen (noch? ) nicht gegeben. 1 Der Begriff wird vor allem im Bereich der Förderung von Deutsch als Zweitsprache verwendet, kann aber erweitert auf alle Sprachfächer angewandt werden. Gewinn kompetenzorientierter Planung: Passung der Lernsequenz in einen größeren Zusammenhang <?page no="102"?> 103 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts Abschließend sollen noch drei Punkte besprochen werden, die in der Planung aufgabenorientierten Unterrichts oftmals als besonders problematisch empfunden werden. Offenheit der Lernprozesse als Risiko oder Chance Nicht erst auf der Basis konstruktivistischer Vorstellungen vom Sprachenlernen ist klar, dass Sprachlernen ein individueller Prozess auf der Basis des Hypothesenbildens und -überprüfens ist und dass Lehrpersonen nur unterrichtliche Aktivitäten und zur Verfügung stehende Materialien direkt beeinflussen können. Auf innere Prozesse - wie der Lerner das Material aufnimmt, wie er es umwälzt, was davon hängenbleibt - können sie allenfalls indirekten Einfluss ausüben, indem sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Lernenden bereit sind, sich aktiv auf das Lernen einzulassen, sich zu konzentrieren, mitzuarbeiten. Wie Caspari (2011, 336) feststellt, ist es dessen ungeachtet so, dass die meisten Lehrpersonen weiterhin von einer weitgehenden Steuerbarkeit von Lernprozessen und dem gleichmäßigen Vorankommen der Lerngruppe ausgehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Offenheit der Lernwege, die der aufgabengestützte Unterricht anbietet, oftmals als Risiko empfunden wird, manchmal gar als Verlust der Führungsrolle bzw. der Funktion als Sprachexperte (Willis [1998] spricht gar von „classroom adventure―). Die langjährige Praxis einer engen Steuerung hin zu mehr Offenheit umzustellen, erscheint schwierig. Die „Risiken― sind aber bei genauerem Hinsehen gar nicht so groß wie oftmals vermutet. Die pre-task-Phase ist nach Willis weitgehend lehrergesteuert. Offene Lernsituationen, in denen die Lerner in einem hohen Maße selbst Lern- und Lösungswege bestimmen, sind kennzeichnend für die Phase der eigentlichen Aufgabenbearbeitung. Die Lerner sind zum selbstständigen Planen und zur Schaffung eines Produkts aufgefordert. Allerdings ist auch dies nicht völlig beliebig, sondern bewegt sich in einem durch die Aufgabe vorgegebenen Rahmen, bestimmte Schritte müssen abgearbeitet werden, um das gestellte Ziel zu erreichen und ein Ergebnis zu präsentieren. Dabei entscheidet die Lehrperson nicht nur über die Passung der Aufgaben im Lernprozess. Sie plant die zur Verfügung stehenden Materialien, von denen in hohem Maße die Möglichkeit abhängt, dass die Schüler wirklich eigene Lernwege realisieren können. Sie muss auch entscheiden, inwieweit die Zusammenarbeit in Paaren oder Gruppen und die entsprechende Rollenverteilung gesteuert werden müssen oder schon von den Schülern selbst übernommen werden können. Dies bringt vor allem in der Anfangsphase einen hohen Planungsaufwand mit sich. Ein Steuerungsinstrument in der Bearbeitungsphase sind die Zeitvorgaben, die für einzelne Schritte gemacht werden. Auch die Arbeit an den sprachlichen Formen bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung insbesondere im Bereich der Analyseaufgaben. Diese sollten alle vorab ausprobiert werden, um mögliche Probleme zu erkennen. Am wenigsten vorhersehbar sind sicherlich die sprachlichen Schwierigkeiten und Fragen der Lerner bei der Aufgabenbearbeitung. Manche Lehrer mögen befürchten, nicht immer eine passende Antwort parat zu haben. Aber Lerner können auch ermutigt und angeleitet werden, in der Zukunft selbst (alleine oder in der Gruppe) Antworten auf ihre Fragen zu finden, z.B. durch Nutzung von Wörterbüchern, Nachschlagewerken und Lernmitteln, Recherche in Aufgabengestützter Unterricht bedeutet geplante Offenheit der Lernwege. <?page no="103"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 104 Korpora usw., und die Ergebnisse in der nächsten Stunde vorzustellen. Dafür muss der Lehrer natürlich die für sein Fach, für „seine― Sprache zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sehr gut kennen und den Lerner lenken (einen Überblick über die grundlegenden Typen von Referenzmaterialien gibt Kap. III.9). Differenzieren mit Aufgaben Gerade weil Lernaufgaben meist keine eindeutige Lösung haben, verfügen sie über ein hohes Differenzierungspotenzial. Sie können „unterschiedliche Beiträge zum Fremdsprachenerwerb […] leisten― (Edmondson 2006, 150), weil sie in erster Linie inhaltsorientiert sind und Sprache bekanntlich viele verschiedene Möglichkeiten bietet, Inhalte zu transportieren. Die Lerner wählen aus den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln, und selbst wenn alle am gleichen Unterricht teilnehmen und selbst bei gleichem Input wird diese Wahl naturgemäß unterschiedlich ausfallen. „The ‚activity‗ that results from a task will vary from learner to learner and also within a single learner on different occasions‖ (Ellis 2003, 199). Daher können Aufgaben auch nur schwerlich gegeneinander gewichtet werden: „It may be impossible to claim that one task is better than another on psycholinguistic grounds― (ebd., 127). Ob eine Aufgabe für den Einsatz in einer Lernergruppe geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab und nur die Lehrkraft kann entscheiden, welche Modifikationen, Hilfestellungen und Materialien im konkreten Fall für eine erfolgreiche Bearbeitung erforderlich sind. Die Möglichkeit, in der Bearbeitungsphase in vielfältiger Partner- oder Gruppenarbeit unterschiedliche Rollen zu übernehmen, kommt unterschiedlichen Interessen und Lernertypen entgegen. Es liegt wiederum in der Verantwortung des Lehrers, dabei Einseitigkeiten zu vermeiden. Aufgabenorientierter Unterricht entlang von Lehrwerken Schulisches Fremdsprachenlernen ist überwiegend lehrwerkgesteuert (vgl. dazu Piepho 2003, 59-62; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004, 18-47; Caspari 2011, 339-342). Die Lehrwerke determinieren die Auswahl der Inhalte und bedingen eine Input-Output-Methodik vor allem durch die Linearität im Lektionsschema. Dabei gilt auch für die Russischlehrwerke der neuen Generation, was Funk (2006, 54) für Fremdsprachenlehrwerke unterschiedlicher Sprachen feststellt: dass nämlich „von einer Umsetzung des TBL- Konzepts in die Lehrwerke nur sehr punktuell gesprochen werden kann―. Die Rahmenbedingungen im Russischunterricht - wenige Stunden, oft als Randstunden, fehlende Fachräume - sind zudem so, dass sie wenig Raum für die Bearbeitung umfangreicher Aufgaben bieten. Dennoch ist aufgabenorientiertes Arbeiten im Russischunterricht möglich und sinnvoll. Komplexe Aufgabensettings können im Sinne von Projektphasen zwischen Phasen der lehrwerkgestützten Arbeit geschoben werden. Eine sehr nützliche Anregung für den Russischunterricht mit ausführlichen Vorschlägen für die Arbeitsphasen und Materialien sowie Hinweisen zur Umsetzung findet sich in einer Handreichung Moderne Fremdsprachen zum Thema „Grammatik im kompetenzorientierten Unterricht― (LISUM 2011). Der Unterrichtsvorschlag für Russisch basiert auf einer Aufgabe zur Teilnahme an einem Wettbewerb zur Gestaltung von Plakaten für soziale Kampagnen, der vom russischen Kunstfestival UralArtWeek ausgeschrieben wurde. Lernaufgaben verfügen über ein hohes Differenzierungspotenzial. Arbeit an Lernaufgaben in Projektphasen oder in Anbindung an Lektionsthemen der Lehrwerke <?page no="104"?> 105 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts Eine andere Möglichkeit ist die „Abwandlung― der Lehrwerksangebote im Sinne aufgabenorientierten Lernens. Dies kann beispielsweise durch eine Aufgabenstellung geschehen, die quasi auf ein Lektionsthema als Rahmen aufgesetzt wird. Dies bietet die Möglichkeit, die im Lehrwerk angebotenen Aufgaben und Übungen in den Aufgabenzyklus einzubinden und damit den Vorbereitungsaufwand letztlich überschaubar zu halten. Eine Gruppe Berliner Referendarinnen hat 2012 unter Leitung ihres Fachseminarleiters ein solches Setting für zwei Lektionen des Lehrbuchs Конечно entwickelt, erprobt und im Rahmen von Fortbildungen und Tagungen vorgestellt. Ausgangspunkt für ihre Überlegungen war die Frage, ob kompetenzorientierter Grammatikunterricht im Fach Russisch möglich sei. Eine „den Zusammenhang der gesamten Unterrichtsreihe konstituierende Lernaufgabe besteht im Erstellen eines überschaubaren, aus fünf Blättern bestehenden Survival Kit für den zum ersten Mal nach Moskau reisenden Aleks― 2 (Maier 2013). Dahinter steht die Überlegung, dass es bei einem Moskauaufenthalt zu Situationen kommen könnte, die sprachlich schwierig sind und daher vorbereitet werden müssen. Den Abschluss der Unterrichtsreihe, die sich auf Конечно 1, урок 6 bezieht, bildet die Anwendung des Survival Kit bei einem virtuellen Moskauaufenthalt. Eine zweite von dieser Fachseminargruppe entwickelte Lernaufgabe bezieht sich auf das Thema Ура, каникулы! (Конечно 2, урок 1) und hat das Verfassen einer Erzählung über das schönste Ferienerlebnis für die Zeitschrift По свету zum Ziel. Der Wettbewerb wurde vom Fachseminarleiter in Kooperation mit der Chefredaktion der Zeitschrift initiiert und die besten Erzählungen der Schüler dann veröffentlicht. Eine weitere Möglichkeit ist, im Lehrwerk enthaltene Aufgabenstellungen zu nutzen und evtl. geringfügig auszubauen. Um zu prüfen, ob die Lehrwerksangebote wirklich als Lernaufgabe geeignet sind, kann es hilfreich sein, folgende Fragen zu beantworten, die Grünewald & Küster (2009, 118) formulieren: 1. Berücksichtigt das Angebot die Interessen der Schüler? 2. Ist die Aufgabe insgesamt eher inhaltsorientiert? 3. Soll ein Produkt entstehen? 4. Wird die erfolgreiche Beschäftigung mit der Aufgabe am Produkt gemessen? 5. Wird großer Wert darauf gelegt, die Aufgabe zu lösen/ zu beenden? 6. Steht die Aufgabe in Beziehung zur realen Welt? Anhand dieser Fragen ist es nicht schwer, das unterschiedliche Potenzial vorhandener Aufgabenstellungen abzuschätzen und zu entscheiden, wo genau nachgesteuert werden muss, um aus einem vorliegenden Angebot evtl. doch noch eine Lernaufgabe zu machen. So enthält das folgende Beispiel aus dem Lehrbuch Привет 3, 28 zwar eine offene Aufgabenstellung, entspricht aber wohl darüber hinaus nicht den Kriterien einer Lernaufgabe. Es enthält keinerlei Hinweise auf ein mögliches Produkt und auch die Orientierung am realen Sprachgebrauch ist zweifel- 2 Aleks ist der Halbbruder der Lehrwerksfigur Viktor, damit erfolgt eine Anpassung der Lernaufgabe in den Handlungsverlauf des Lehrwerks. Lehrwerksangebote prüfen und ggf. ergänzen <?page no="105"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 106 haft, insbesondere da weder potentieller Adressat noch situativer Rahmen erkennbar sind. Профессия, занятия, семья вашей мечты. Опишите день вашего идеального будущего! Eher im Sinne einer Lernaufgabe ist das folgende Beispiel aus demselben Lehrwerk (Привет 3, 57): Ваша российская школа-партнёр интересуется, какие экологические проекты существуют в вашем городе или в вашей земле. Какие местные организации занимаются вопросами защиты окружающей среды? Найдите информацию и напишите в группе письмо-ответ на русском языке. Hier ist nicht nur ein authentischer Sprachverwendungskontext gegeben, möglicherweise haben die Schüler sogar einen realen Partner im Rahmen eines Schulprojekts oder Schüleraustauschs vor Augen bzw. der Brief kann tatsächlich verschickt werden. Nach diesem Muster ließe sich die folgende Aufgabenstellung (Привет 2, 81) anpassen, die auf der Ebene des Produkts zu konkretisieren ist, indem benannt wird, wer ein mögliches Interesse an einer solchen Recherche haben könnte. Das Produkt muss nicht unbedingt ein Brief sein. Auch ein selbst gestaltetes Kinoprogramm, das in der Schule ausgehängt wird oder die Gestaltung eines Flyers wären denkbar. Узнайте, есть ли в вашем регионе кинотеатры, где можно посмотреть российские фильмы в оригинале. Посмотрите программу и расскажите, какие фильмы там идут. Natürlich hängt es letztlich von vielen Faktoren ab, wie umfangreich eine Aufgabe geplant wird: vom Thema, dem Lernprodukt, den Schülern mit ihren individuellen Lernvoraussetzungen und ihren Interessen, der zur Verfügung stehenden Zeit etc. In der Auffassung, dass es sich lohnt, verstärkt mit Lernaufgaben zu arbeiten, vorliegende Angebote zu prüfen und neue zu entwickeln, schließen wir uns Grünewald & Küster (2009, 119; und vielen weiteren Autoren) an, die das große Plus dieses Ansatzes darin sehen, dass er „bei der Hauptschwäche des traditionellen […] Unterrichts ansetzt, die darin besteht, bei den Lernenden keine zufriedenstellende Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache zu erreichen―. Aufgaben 1. Analysieren Sie drei selbst gewählte Aufgabenstellungen aus Russisch- Lehrwerken: Bestimmen Sie den Kompetenzbzw. Fertigkeitsbereich. Charakterisieren Sie den Sprachstoff und ggf. soziokulturelle Besonderheiten. Beispiele für Lehrwerksaufgaben <?page no="106"?> 107 2. Aspekte der Planung kompetenzorientierten Russischunterrichts Wie schätzen Sie das Potenzial als Lernaufgabe ein? Überlegen Sie, wie die Lehrwerksangebote im Sinne einer Lernaufgabe ergänzt oder abgewandelt werden könnten. 2. Entwickeln Sie zu einem Lektionsthema Ihrer Wahl einen Vorschlag für eine komplexe Aufgabe, die sich für die Bearbeitung in einem Projekt eignet. Formulieren Sie Ziele für diese Aufgabe. Weiterführende Literatur Legutke, M. (2008): „Kommunikative Kompetenz: Von der Übungstypologie für kommunikativen Englischunterricht zur Szenariendidaktik.― In: Legutke, M. (Hrsg.): Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision. Tübingen, 15-42. Nieweler, A. & Lusar, R. (2006): „Planung und Organisation von Unterricht.― In: Nieweler, A. (Hrsg.): Fachdidaktik Französisch Tradition - Innovation - Praxis. Stuttgart, 246-255. Ziener, G. (2008): Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten. Stuttgart. <?page no="107"?> 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten 3.1 Hörverstehen, Hör-Seh-Verstehen Christine Heyer 3.1.1 Bedeutung und Arten des kommunikativen Hörens Bereits an anderer Stelle wurde darauf verwiesen, dass nur das korrekt Gehörte normgerecht reproduziert und produziert werden kann. Das gilt sowohl für die Muttersprache als auch für die Fremdsprache. Das menschliche Gehör ist wiederum Kontrollorgan für Sprechhandlungen. Damit ist die Arbeit am Hören aus der Sicht der sich wechselseitig beeinflussenden Sprachtätigkeiten unverzichtbarer Bestandteil des Erlernens einer Lautsprache und muss folglich auch in den Russischunterricht integriert werden. In der muttersprachigen Kommunikation nimmt das Hören (wenn man Kommunikationshandlungen eines Tages zugrunde legt) einen vergleichsweise großen Anteil ein: Allgemein bekannt ist, dass mehr als 50% täglicher Kommunikation über Hören realisiert wird. Dabei tritt es in unterschiedlichsten Arten auf - neben rein auditivem Hören ist Hören mit visueller (bildlicher bzw. schriftoptischer) Komponente Bestandteil des Kommunikationsgeschehens. Im Zuge zunehmender Technisierung hat das mediale Hören einen großen Anteil an alltäglichen Hörhandlungen. Bislang vorhandene traditionelle Medien werden zunehmend durch moderne (Handy, i-Pod, Internetradio und -fernsehen) abgelöst bzw. ergänzt. Der Stellenwert des kommunikativen Hörens in der Lebenspraxis beeinflusst dessen Rolle in einem kommunikativ-interkulturellen Russischunterricht: Kommunikatives Hören ist ein grundlegendes Ziel und gleichzeitig auch Inhalt einer auf Sprachanwendung ausgerichteten Sprachaneignung. Ausgehend davon, dass Hören in interkultureller Kommunikation unterschiedlich situativ gebunden sein kann, orientiert die Ausbildung von Kompetenzen im kommunikativen Hören darauf, die russische Sprache in folgenden Grundsituationen zu verstehen: • in direkter Kommunikation mit Gesprächspartnern, die Russisch sprechen (Face-to-face-Interaktion), • in Situationen, in der Informationen in russischer Sprache ausschließlich über auditive Medien geboten werden (Ansagen zur Orientierung im öffentlichen Raum, Radiosendungen), • in Situationen, in denen Informationen audiovisuell geboten werden (die visuelle Komponente kann dabei bildoptisch, schriftoptisch oder eine Kombination von Schrift und Bild sein). Die Textarten, die dabei ausschließlich hörend oder bildoptisch und/ oder schriftoptisch gestützt rezipiert werden, sind sehr vielgestaltig (z.B. kürzere oder längere monologische Äußerungen in Form von Berichten, Beschrei- Mehr als 50% täglicher Kommunikation werden über Hören realisiert. Kommunikatives Hören als Ziel und Inhalt des Russischunterrichts Textarten für kommunikatives Hören <?page no="108"?> 109 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten bungen, Kommentaren, Erzählungen, dialogische Äußerungen in Alltagsituationen im privaten Raum als Unterhaltungsgespräche oder im öffentlichen als Talkshows). In den jeweiligen Grundsituationen wird in der Kommunikationspraxis mit sehr unterschiedlichen Zielstellungen gehört: Bestimmte, manchmal lebensnotwendige Umstände verlangen, dass alle Informationen bis ins Detail verstanden werden, in anderen Fällen ist der Hörer nur an Einzelinformationen interessiert und filtert diese aus der auditiv oder audiovisuell geboten Information heraus, bei wieder anderer Gelegenheit hat der Hörer eher globales Interesse an der Information, manchmal interessiert ihn nur, mit welcher Intention etwas gesagt wird. Im Gegensatz zum Lesen kann der Hörer in der Lebenspraxis in der Regel nicht beim Gehörten verweilen. Die Flüchtigkeit des Gesprochenen wirkt nicht selten als ein Stressfaktor bei der Ausübung der Handlung. 3.1.2 Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen als Formen des kommunikativen Hörens Unter Hörverstehen versteht man die mit unterschiedlicher Zielstellung (siehe oben! ) verbundene Informationsentnahme aus gesprochener Sprache, die ausschließlich auditiv geboten wird. Dort, wo Informationen im direkten Kontakt mit dem sichtbaren Gesprächspartner oder z.B. über Filme aufgenommen werden, haben wir es mit einem Hör-Seh-Verstehen zu tun. Hier erfolgt die Informationsaufnahme sowohl über den auditiven als auch über den visuellen Kanal. Dabei wird die visuelle Komponente der auditiven Information nicht einfach hinzugefügt. Beide Komponenten sind als selbständige Informationsträger aufzufassen, die sich wechselseitig ergänzen, nicht immer parallel Informationen vermitteln, auch voneinander abweichende Informationen liefern können und in letzterem Fall häufig verstehenserschwerend wirken. Das „Mehr― an Informationen beim Hör-Seh-Verstehen charakterisiert Thaler (2010, 16) so: „Zur authentischen Sprache gesellt sich die beobachtbare Handlung, non-verbale Bedeutungsträger werden sichtbar, aus den ‘körperlosen Stimmen’ werden beobachtbare Muttersprachler, landeskundliche Elemente werden seh-/ einseh-/ verstehbar, Bilder fungieren als Erinnerungshilfe, der Weltausschnitt erweitert sich …“. Die auditiv (beim Hörverstehen) und audio-visuell (beim Hör-Seh-Verstehen) entnommenen Informationen sind Voraussetzung für nachfolgende Handlungen kommunikativer oder nichtkommunikativer Art. Sie ermöglichen eine Beteiligung an (weiterer) Kommunikation und Interaktion. Der Entwicklungsstand der technischen Unterrichtsmittel für den Russischunterricht bewirkte, dass lange Zeit in curricularen Zielstellungen für den Russischunterricht nur auf das vorwiegend auditive Hören orientiert wurde. Der in den Curricula verwendete Begriff Hörverstehen (auch verstehendes Hören) für die gezielte Arbeit an dieser Sprachtätigkeit schloss allerdings die Hörentwicklung in direkter Kommunikation ein: Hinweise zur Unterrichtsgestaltung bezogen sich demzufolge einerseits auf den Einsatz Zielsetzungen in Grundsituationen des Hörens Begriffsklärung Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen in curricularen Vorgaben <?page no="109"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 110 von auditiven Unterrichtsmitteln, andererseits auf die Darbietung von Hörtexten durch die Lehrkraft, das Hören von Dialogen der Mitschüler und auf das Hören von Russisch als Unterrichtssprache. Mit fortschreitender Technisierung und einem damit verbundenen Angebot auch an audiovisuellen Unterrichtsmitteln implizierten Lehrplanziele zunehmend audiovisuelles Hören. Das wurde zunächst jedoch eher als eine „Variante des Hörverstehens“ aufgefasst (Thaler 2010, 16). Die ausschließliche Verwendung des Begriffs Hörverstehen für eigentlich zwei zu entwickelnde Kompetenzen hielt sich in curricularen Vorgaben lange Zeit recht hartnäckig. In den letzten Jahren zeichnet sich jedoch ab, dass der Eigenständigkeit des Hör-Seh-Verstehens in offiziellen Dokumenten begrifflich stärker Rechnung getragen wird. Sekundierend wirkten dabei sicherlich die entsprechenden Ausführungen im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Europarat 2001, 4.4.2.3, 77). Aufgabenformate in der Abiturprüfung Russisch (EPA Russisch 2004, 17) zum Hör-Seh-Verstehen haben Auswirkung darauf, dass vor allem in Curricula für den gymnasialen Bereich in verschiedenen Bundesländern auf Kompetenzentwicklung im Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen orientiert wird. Letztere wird - wie schon im GeR - vor allem an den Einsatz von Filmen, Filmsequenzen oder Mitschnitten von Fernsehsendungen gebunden. 3.1.3 Hörarten nach Art der Informationsgewinnung: Hörverhalten - Hörziel In der Kommunikationspraxis entscheidet in der Regel der Hörer vor oder auch während des Kommunikationsprozesses, zu welchem Zweck er bestimmte Informationen hörend aufnehmen will. In einigen Fällen wird auch eine Höraufgabe „von außen“ an ihn herangetragen. Je nachdem, welche Informationen der Hörer aus den Texten gewinnen will, wählt er (oft unbewusst) sein Hörverhalten und seine Hörstrategie aus und setzt diese um. Nach der Art der Informationsgewinnung ist es möglich, vor allem zwischen folgenden Hörarten zu unterscheiden: • Hören mit Erfassen von Hauptgedanken, das bedeutet „ganzheitliches Verstehen der wichtigsten Informationen, der Hauptlinienführung, der Kerngedanken“ (Günther 1986, 107); im Ergebnis dieses Hörens werden Antworten auf die bekannten W-Fragen (wer, was, wen, wo …) erwartet (Diese Art des Hörens wird manchmal auch als Hören mit Erfassen des wesentlichen Inhalts bezeichnet.); • Globalverstehenậ bei dem nach Rößel (1991, 202) zusätzlich zu den Hauptgedanken des Hörtextes die Kommunikationsabsicht erfasst wird; • detailliertes Hören, damit ist das Hören mit vollständigem Erfassen des Inhalts gemeint, der keine Nebeninformationen enthält, über die man hinweghören könnte (Günther 1986, 107); • selektives oder selektierendes Hören, auch als Hören mit Erfassen bestimmter Informationen bezeichnet, bei dem es um„exaktes Erfassen besonders interessierender bzw. subjektiv bedeutsamer Details“ (Danders 1984, 20) geht. Der Zweck des Hörens bestimmt Hörverhalten und Hörstrategien. Arten des Hörens <?page no="110"?> 111 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Zusätzlich zu diesen Hörarten existiert ein Hören, das nicht primär auf Informationsgewinnung in oben angegebener Weise ausgerichtet ist; hier wird gehört, um sich zu entspannen, sich zu besinnen, „dem Alltag zu entfliehen―. Diese Art wird als transzendierendes Hören bezeichnet. Auf die unterschiedlichen Hörarten, die dazu dienen, bestimmte Informationen zu gewinnen, muss der Lernende im Russischunterricht gezielt vorbereitet werden. Dem entspricht, dass in den offiziellen Dokumenten für den Russischunterricht zweckgebundene Hörarten ausgewiesen sind; manchmal lässt die Auswahl allerdings Systematik und begriffliche Schärfe vermissen. Im Russischunterricht selbst sollte an geeigneter Stelle auch „zweckfrei― gehört werden, wobei den Lernenden keine Höraufgaben gestellt werden: Das Hören von russischer Musik der unterschiedlichsten Genres, das Anschauen von russischen Trickfilmen mit starker emotionaler Wirkung der Bildsprache, die Verstehen ohne große Anstrengung erleben lässt, ist gut geeignet, entspannende Momente zu schaffen und positive Gefühle auszulösen. Dies fördert wiederum die Lernbereitschaft. 3.1.4 Zur Gestaltung des Unterrichtsprozesse Auf ein hörendes Teilnehmen an der fremdsprachigen Kommunikation muss der Lernende dadurch vorbereitet werden, dass er solche Aufgaben löst, die - bei allen schulisch bedingten Unterschieden zur Kommunikation im Alltag - künftigen Anforderungen im Hören entsprechen. Die Lehrkraft entwickelt demzufolge Hörkompetenz der Lernenden über komplexe Anforderungen, indem sie beispielsweise Videomitschnitte in Verbindung mit Höraufgaben einsetzt, die Szenen im russischen Alltag widerspiegeln, oder dadurch, dass sie Aufzeichnungen von Wetterberichten einspielt. Komplexe Hörkompetenz muss auch über Übungen entwickelt werden, die schwerpunktmäßig bestimmte Komponenten der Handlung schulen. Wir sprechen dann - im Gegensatz zu komplexer Hörentwicklung - von akzentuierter Hörentwicklung. Sprachlich-geistige Prozesse beim Hören Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen sind sehr komplexe kommunikative Tätigkeiten, bei denen verschiedenartige sprachlich-geistige Prozesse in rascher Folge hintereinander, aber auch parallel ablaufen und einander bedingen. Ihr störungsfreies Zusammenspiel garantiert den Hörerfolg, d.h. verschafft dem Hörer die Informationen, die er für sich benötigt. Untersuchungen zum Hörverstehensprozess haben ergeben, dass daran zwei große Gruppen von sprachlich-geistigen Prozessen beteiligt sind: Eine Gruppe von sprachlich-geistigen Operationen ist darauf gerichtet, phonologisch-prosodische, lexikalische und grammatische Erscheinungen zu erfassen, diese zu identifizieren und ihnen eine Bedeutung zuzuordnen. Über diese Operationen wird die direkte Textinformation erschlossen. Weitere Prozesse werden durch den situativen Kontext ausgelöst, der z.B. Weltwissen und Erfahrungen, über die der Hörer verfügt, aktiviert. Sie ermöglichen eine Vorwegnahme der Information (also ein „Voraushören―), sie Widerspiegelung in curricularen Vorgaben Komplexe und akzentuierte Kompetenzentwicklung Hörverstehensprozess und Übungsmöglichkeiten <?page no="111"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 112 machen Hörprognosen möglich, sie ergänzen Textinformationen. Diese Prozesse sind also antizipierender, prognostizierender und inferierender Natur. In der Muttersprache laufen viele dieser Prozesse in hohem Maße automatisiert ab. Akzentuierte Entwicklung der Hörkompetenz: Übungsarten zur Schulung von Hörprozessen Soll Hörkompetenz in der Fremdsprache systematisch entwickelt werden, ist das nur zu erreichen, wenn gezielt einzelne Hörprozesse geschult werden. Im Russischunterricht sind dabei Übungsschwerpunkte zu setzen, die helfen, Schwierigkeiten abzubauen, die besonders Lernende mit deutscher Muttersprache bei der Ausbildung von Hörautomatismen haben. Misserfolge im Hörverstehen treten vor allem auf, wenn • der Lerner nicht an ein „normales― Sprechtempo gewöhnt ist und das Sprechtempo als zu schnell empfindet, • unbekannte Sprecher auftreten, • er eigentlich bekanntes Sprachmaterial über Hören nicht identifizieren und ihm keine Bedeutung zuordnen kann, • es ihm nicht gelingt, sich beim Hören zu konzentrieren, • seine auditive Merkfähigkeit eingeschränkt ist, • er keine Strategien entwickelt hat, Hörergebnisse zu fixieren (Behr 2006, Heyer 2010). Zum Abbau einiger dieser Schwierigkeiten wird - mit Bezug auf gut zu übende Prozesse - der Einsatz von speziellen Hörübungen (auch als Komponentenübungen bezeichnet) vorgeschlagen (Bauer 1986, 98ff.; Behr 2006, 6; Heyer 2010, 5; Borgwardt et al. 1993, 113), zu denen nachfolgend auch mögliche Kontrollformen genannt werden: Übungen im Erfassen von laut-, wort- und satzphonetischen Erscheinungen Beispiele: • Heraushören und Identifizieren schwer differenzierbarer Phoneme aus Oppositionspaaren, z.B. Hören von Wörtern mit stimmhaften oder stimmlosen Konsonanten - Kontrolle: Zeigen der Signalkarten, die entsprechende Buchstaben aufweisen; Nachsprechen; • Bestimmen der Silbenzahl - Kontrolle: Zeigen der Signalkarten mit Ziffern; Notieren der Silbenanzahl; • Bestimmen der betonten Silbe - Kontrolle: Setzen der Betonungszeichen in schriftlicher Vorlage; • Unterscheiden von Frage- und Aussagesätzen - Kontrolle: Zeigen der Signalkarten mit Satzzeichen; Einzelne Hörprozesse gezielt schulen Übungsmöglichkeiten zum Abbau von Schwierigkeiten beim Hören <?page no="112"?> 113 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Übungen zum Wiedererkennen bzw. Zuordnen der Wortbedeutung und der Satzbedeutung Beispiele: • Zuordnen von einzelnen Wortbedeutungen zu bildlichen Vorlagen - Kontrolle: Markieren entsprechender Bildvorlagen; Heraussuchen entsprechender Bildvorlagen; • Zuordnen von einzelnen Begriffen zu Oberbegriffen - Kontrolle: Sortieren von Bildmaterial nach Zugehörigkeit zu Oberbegriffen; Notieren • Selektieren von solchen Begriffen, die nicht zu einem Sachbereich gehören - Kontrolle: Nennen der Wörter, Notieren; • Wiedererkennen von Zahlbegriffen - Kontrolle: Notieren von Zahlen (vgl. Abb. 9); Beispiel: Wiedererkennen von Zahlbegriffen Arbeitsblatt für Schüler Wo wohnen Ninas Freundinnen? Hör zu und trage die genaue Anschrift in die Tabelle ein. Алина просп. Мира д. ____ кв. ____ Мария ул. Пушкина д. ____ кв. ____ Катя просп. Мира д. ____ кв. ____ София просп. Ленина д. ____ кв. ____ Соня ул. Пушкина д. ____ кв. ____ Hörmaterial für Lehrervortrag Алина просп. Мира д. 67 кв. 36 Мария ул. Пушкина д. 34 кв. 86 Катя просп. Мира д. 12 кв. 27 София просп. Ленина д. 25 кв. 16 Соня ул. Пушкина д. 58 кв. 19 Abb. 9: Übungsbeispiel • Hören eines Textes zu einer bildlichen Vorlage: Markieren der Gegenstände, Personen, Lagebeziehungen, die benannt werden; Richtig-Falsch- Entscheidungen treffen; Übungen im Erschließen von Bedeutungen unbekannter rezipierbarer Wörter (Internationalismen) - Kontrolle: Herübersetzen; Übungen im Erfassen morphologisch-syntaktischer Beziehungen Beispiele: • Erfassen morphologischer Strukturen (z.B. Plural-Singular, Präsens- Präteritum) - Kontrolle: Notieren in vorgegebene Tabelle; Beispiel: Arbeitsblatt für Schüler zum Hörverstehen <?page no="113"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 114 • Hören von Wortfügungen, in denen die gleichen Wörter in unterschiedlicher syntaktischer Position vorkommen - Kontrolle: Herübersetzen; Übungen zur Schulung des Hörgedächtnisses Beispiele: • Hören von Tätigkeitsabläufen (z.B. Aufforderungen im Unterricht) - Kontrolle: Ausführen der Handlungsfolge; • Hören von Bezeichnungen von Gegenständen - Kontrolle: Zeigen der Gegenstände oder ihrer bildlichen Darstellungen; • Hören eines Satzes, der fortlaufend um ein weiteres Satzglied ergänzt wird („Lawinensätze―): Kontrolle: Nachsprechen. Die Übungsbezeichnungen orientieren jeweils nur auf eine zu übende Komponente des Hörprozesses. Beim Ausführen einzelner Übungen wird jedoch die tatsächliche Komplexität des Hörverstehensprozesses deutlich; denn es werden gleichzeitig mehrere Komponenten des Hörprozesses geschult: Mit der Aufgabenstellung wird eine Hörerwartung ausgelöst (Schulung der Prognosefähigkeit), die Ergebnisse werden im auditiven Gedächtnis gespeichert (Schulung der Merkfähigkeit) und oft zur Überprüfung des Gehörten fixiert (Schulung von Strategien zum Nachweis des Verstandenen). Beim Zuordnen von Begriffen zu Oberbegriffen werden aufgenommene Informationen klassifiziert und verdichtet. Methodische Hinweise • Nur bei regelmäßigem Einsatz von Hörübungen bilden sich Hörfertigkeiten und Hörgewohnheiten aus. • Übungen, die Erkennungs- und Zuordnungsprozesse schulen, sind besonders im Anfängerunterricht einzusetzen. Mit ihrer Hilfe werden Sprachverarbeitungsprozesse optimiert und automatisiert. Viele Übungen lassen sich spielerisch gestalten (Mehlhorn 2012, 10f.). • Vorhandene Unterrichtsmittel sind unbedingt einzusetzen, nur so wird erreicht, dass sich der Lernende beispielsweise auch an unterschiedliche Stimmen (männlich, weiblich), Stimmfärbungen und unterschiedliches Sprechtempo gewöhnt. • Die Übungen sind dann effektiv, wenn sie sich in die Systematik des Unterrichts einordnen, das heißt, dass sie eine thematische und sprachstoffliche Bindung an die jeweilige konkrete Planungseinheit aufweisen müssen. • Üben ist nur dann sinnvoll, wenn die einzelne Übung genügend Übungsmaterial enthält. Nur so kann ein wiederholter Vollzug gleichartiger Prozesse stattfinden kann, der die Ausbildung von Hörautomatismen fördert. • Aufgabenstellungen müssen eindeutig formuliert werden. Wie andere Übungen sollten auch Hörübungen situativ gebunden sein. • Es sind vielfältige nonverbale oder verbale Formen der Ergebnissicherung einzubeziehen (Präsentieren von Signalkarten, Markieren von Gehörtem in schriftoptischen oder bildlichen Vorlagen, Nachahmen von Handlungen, Vervollständigen von bildoptischen Vorlagen, Vervollständigen von Grundsätze der Methodik des Hörverstehens <?page no="114"?> 115 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Zeichnungen). Für das Fixieren der Ergebnisse muss dem Lernenden Zeit eingeräumt werden. Strukturierung der Arbeit am Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen Stoffliche Grundlage der komplexen Entwicklung ist stets ein Hörtext mit kommunikativer Funktion, der auditiv oder audiovisuell präsentiert wird. Es hat sich bewährt, Stundenabschnitte, in denen am Hörverstehen oder Hör-Seh-Verstehen gearbeitet wird, in drei Phasen zu gestalten, die man als Vorbereitungsphase, als Phase des eigentlichen Hörens/ Hör-Sehens (auch zentrale Phase) und als Phase der Nachbereitung bezeichnen kann und die (die Begriffe machen es deutlich) jeweils unterschiedliche Funktion haben. In der Übersicht 10 sind in Anlehnung an Grünewald & Küster (2009, 190f.), Hass (2009, 78) sowie Klippel & Doff (2009, 84ff.) die wesentlichen Funktionen erkennbar, die den einzelnen Phasen zugeordnet werden können. Diese Funktionen lassen sich über unterschiedliche Aufgaben realisieren. Nachfolgend werden Vorschläge für praxiserprobte Aufgaben gegeben. Viele dieser Aufgaben lassen sich bei beiden Hörformen realisieren. Vorbereitungsphase Sprachliche Vorentlastungen vornehmen Höraufgabe (n) stellen und annehmen Vorwissen aktivieren, Wissen aneignen (Klarheit über Verständniskontrolle und Ergebnissicherung schaffen) Hörerwartungen bzw. Hör-Seh-Erwartungen wecken kurze Besinnungspause schaffen (zur Konzentration auf bevorstehende Anforderungen) Informationen zur Situation aufnehmen Eigentliche Hörphase bzw. Hör-Seh-Phase Hören bzw. Hören-Sehen Simultanes Ablaufen von Prozessen der Bedeutungserschließung am Text; bei Hör- Seh-Verstehen auch gestützt durch nonverbale Elemente und von Prozessen des Antizipierens, Prognostizierens und Inferierens entsprechend der Aufgabenstellung Nachbereitungsphase Überprüfen Weiterführende Aktivitäten auslösen: der Verstehensleistung Auseinandersetzung mit dem Gehörten bzw. bei Hör-Seh-Verstehen mit Gehörten und/ oder Gesehenem (kann sich beziehen auf Inhalt, Sprache, Bild) Abb. 10: Drei Phasen der Arbeit am Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen Zur Gestaltung von Unterrichtsabläufen zur komplexen Entwicklung der Hörkompetenz <?page no="115"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 116 Mögliche Aufgaben für die Vorbereitungsphase: • Kenntnisse zu Redemitteln aktivieren, die beim nachfolgenden Hören mit bestimmter Thematik zu erwarten sind (z.B. Jahreszahlen in Biographien; Uhrzeiten in Ansagen); • Schüleraufträge in Vorbereitung auf Hören auslösen, damit Vorwissen zu einer bestimmten Thematik, auch Kulturspezifik, angeeignet wird; • Wortnetze, Schlagwörter oder (Film-)Titel präsentieren, dazu Prognosen aufstellen lassen; • Hintergrundinformationen als Lesetext geben; • zu den folgenden Filmausschnitten Einordnung vornehmen durch zusammenfassende Lehrerinformation oder mittels Szenenablaufplan; • Standbild(er) zum Film präsentieren; Vermutungen über Reihenfolge anstellen; • Einzelbild (z.B. Personendarstellung) zum Film präsentieren, Vermutungen über Charakter anstellen, Fragen in Partnerarbeit zur Person zusammenstellen. Aufgaben, die im Anschluss an die Vorbereitungsphase gestellt werden und die Prozesse in der eigentlichen Hörphase steuern: • Verständnisfragen beantworten, die auf unterschiedliche Informationsgewinnung zielen (z.B. globales oder selektives Verstehen); • Inhalt mündlich zusammenfassen; • Tabellen ausfüllen oder Schemata anfertigen, die globales oder selektives Hören erfordern (z.B. Verwandtschaftsbeziehungen erfassen); • vorgegebene Aussagen, die sich auf Hören bzw. Hör-Sehen beziehen, als richtig oder falsch markieren; • Multiple-Choice-Aufgaben beantworten; • bildliche Darstellungen zu Handlungsabläufen ordnen; • Skizzen anfertigen, vorgegebene Skizzen verändern; • Aufgaben zum detaillierten Hören stellen (nur kurze Hörbzw. Hör-Seh- Szenen auswählen! ), anschließend Nachsprechen oder Nachspielen der Szenen; • „Kettenerzählung― zum gesamten Inhalt gestalten (auch als Gruppenwettbewerb); • Aufgaben zum Wahrnehmen interkultureller Phänomene stellen. Mögliche Aufgaben für die Nachbereitungsphase zur Überprüfung der Verstehensleitung: Die Aufgabenstellungen, die vor der eigentlichen Hörphase gestellt werden, eignen sich alle auch, um die Verstehensleistung zu überprüfen. Im Anfängerunterricht ist darauf zu achten, dass die Verständniskontrolle nicht zusätzlich dadurch erschwert wird, dass der Nachweis in der Fremdsprache verlangt wird. Übungsvorschläge zur Vorbereitungsphase Steuerung der Hörphase <?page no="116"?> 117 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Mögliche Aufgaben für die Nachbereitungsphase in Form weiterführender Aktivitäten besonders nach Hör-Seh-Verstehen: • Diskussion zum Film bzw. zu einzelnen Szenen anregen, sich über Beweggründe des Handelns von Filmpersonen austauschen; einzelne Szenen interpretieren, Lieblingsszene auswählen und begründen; • Diskussionen zu wahrgenommenen fremdkulturellen Phänomenen führen (z.B. sich über Wahrnehmungen austauschen, kulturelle Unterschiede benennen, Perspektive wechseln, Handlungsmotive akzeptieren); • Szenen nach Wahl nachgestalten (auch verfremden); • Aufgaben zum Weiterschreiben/ Umschreiben stellen, bei denen die Thematik aufgegriffen wird, z.B. anderes Ende des Textes oder Films verfassen; Filmscript anfertigen, Charakteristik zu einer handelnden Person anfertigen, Szene auswählen und kommentieren, Resümee zum Film abfassen, Flyer zum Film anfertigen, Filmkritik schreiben. Methodische Hinweise • Russische Filme (Filmsequenzen, Trailer) und Videos sollten systematisch in die Unterrichtsarbeit integriert werden. Sie repräsentieren Fremdkultur, zum einen dokumentarisch, zum anderen künstlerisch-ästhetisch gestaltet. Die sich damit ergebenden Potenzen für die Entwicklung interkultureller Kompetenzen, die in Abhängigkeit vom Dargestellten unterschiedlich sein können (Zunahme des Wissens über die Fremdkultur, Entdecken kultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Erkennen der Relativität bisheriger fremdkultureller Erfahrungen), können optimal umgesetzt werden. Zudem wird über filmisches Material Sprachanwendung im zielsprachlichen Kulturraum in realen Situationen erlebt. Es hat sich bewährt, Filmsequenzen mehrmals zu präsentieren, dafür sollten jeweils unterschiedliche Aufgabenstellungen herangezogen werden. • Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Ausbildung einer komplexen Hörkompetenz spielt das konsequente Einbeziehen der russischen Sprache als Unterrichtssprache (Heyer 1987, 138 ff.). Das Verstehen von unterrichtssprachigen Wendungen muss schwierigkeitsgestuft trainiert werden. Einfache Arbeitsanweisungen, die sich zunächst vor allem auf die Organisationsstruktur des Unterrichtsprozesses beziehen, sollten von Anfang an konsequent in der russischen Sprache erteilt werden. Allmählich ist das Repertoire der anfänglich stereotypen Wendungen zu erweitern, auch in der Weise, dass sich Lernende russischsprachig in die organisatorische Struktur des Unterrichts einbringen (Nachfragen, Klären von Situationen, Einschätzen von Lernabläufen und -ergebnissen). • Die Anforderungen im Hörverstehen und Hör-Seh-Verstehen sind allmählich zu steigern. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen bildet die Progression der Kompetenzentwicklung im Hörverstehen und Hör-Seh- Verstehen bezogen auf unterschiedliche Grundsituationen ab ( Abb. 11) Curriculare Vorgaben für den Russischunterricht orientieren sich zunehmend an den Anforderungsbeschreibungen der einzelnen Niveaustufen. Die Lehrkräfte müssen diese Anforderungen kennen, um vor allem Überforderungen im Anfängerunterricht zu vermeiden. Weiterführende Aktivitäten Über Hörverstehen interkulturelle Kompetenz entwickeln Unterrichtssprache zur Entwicklung der Hörfähigkeit gezielt einsetzen Progression der Kompetenzentwicklung auf Grundlage des GeR <?page no="117"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 118 Kommunikativer Rahmen für kommunikatives Hören im GeR A 1 A 2 B 1 B 2 Gespräche zwischen Muttersprachlern verstehen ― kann im Allgemeinen das Thema verstehen, wenn langsam und deutlich gesprochen wird kann im Allgemeinen den Hauptpunkten von längeren Gesprächen folgen kann in einem lebhaften Gespräch unter Muttersprachlern mithalten als Zuschauer/ Zuhörer verstehen — — kann kurze, unkomplizierte Vorträge zu vertrauten Themen verstehen kann die Hauptaussagen von inhaltlich und sprachlich komplexen Vorlesungen, Reden, Berichten … verstehen Ankündigungen/ Durchsagen verstehen kann kurze Anweisungen, Wegerklärungen verstehen (wenn langsam und deutlich gesprochen wird) kann Wesentliches von kurzen, einfachen Durchsagen, Mitteilungen erfassen; einfache Erklärungen verstehen kann einfache technische Informationen verstehen; kann detaillierte Wegbeschreibungen verstehen Kann Ankündigungen und Mitteilungen zu konkreten und abstrakten Themen verstehen, die in normaler Geschwindigkeit und in Standardsprache gesprochen werden Radiosendungen (RS)/ Tonaufnahmen (TA) verstehen — kurzen, langsam und deutlich gesprochenen TA über vorhersehbare alltägliche Dinge wesentliche Informationen entnehmen kann in Radionachrichten und TA über vertraute Themen Hauptpunkte verstehen, kann den Informationsgehalt von RS und TA über Themen von persönlichem Interesse verstehen, wenn deutlich und in Standardsprache gesprochen wird kann Aufnahmen in Standardsprache verstehen, denen man normalerweise … begegnet, erfasst dabei Informationsgehalt und Standpunkte und Einstellungen des Sprechenden <?page no="118"?> 119 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Fernsehen (FS) und Filme (F) verstehen ‒ kann dem Themenwechsel bei FS- Nachrichten folgen und sich Vorstellung vom Hauptinhalt machen kann vielen FS folgen, deren Handlung im Wesentlichen durch Bild und Aktion getragen wird und deren Sprache unkompliziert ist; kann das Wesentliche von Fernseh-Programmen zu vertrauten Themen verstehen, wenn relativ langsam und deutlich gesprochen wird kann im FS die meisten Nachrichtensendungen und Reportagen verstehen; kann Fernsehreportagen, Live-Interviews, Talk-Shows, Fernsehspiele sowie die meisten Filme verstehen, sofern Standardsprache gesprochen wird Abb. 11: Niveaubeschreibung Hören nach GeR (Europarat 2001, 4.4.2, 71ff.) • Beobachtungen in der Praxis haben ergeben, dass Lehrkräfte selbst Hörtexte entwickeln, um Defizite an geeigneten Materialien auszugleichen. Als Vorlage werden dafür häufig Lesetexte mit den typisch schriftsprachigen Strukturen genutzt. Um die Texte für die Schulung von Hörverstehensprozessen einsetzen zu können, müssen sie in der Regel adaptiert werden: Vor allem ist die Informationsdichte durch Einbauen von Redundanzen (Wiederholungen mit anderen Worten, rhetorische Fragestellungen) abzubauen. Mehrgliedrige Sätze sollten durch einfachere Sätze verändert ersetzt werden. Die Übernahme von unbekanntem, nicht rezipierbarem Sprachmaterial aus Lesetexten in den Hörtext ist mit Blick auf beabsichtigte Informationsgewinnung zu prüfen. Manchmal ist es erforderlich, den Text zu stärker strukturieren. Beim Vortragen sollte ein angemessenes Sprechtempo eingehalten werden. Aufgaben 1. Welche Bedeutung hat Hören für die Entwicklung einer fremdsprachigen kommunikativen Kompetenz? Welche Funktionen erfüllen audio-visuelle Informationsträger in einem interkulturell-kommunikativen Russischunterricht? 2. Analysieren Sie ein auditives Unterrichtsmittel eines Lehrwerkes bezüglich der Vorschläge, die für die Kompetenzentwicklung im Hören unterbreitet werden. • Welche Angebote werden für die komplexe Hörentwicklung, welche für die akzentuierte gemacht? • Zu welchen Lektionen und Lehrbuchthemen gibt es Vorschläge? Welche Lücken stellen Sie fest? Adaption von Lesetexten als Hörtexte <?page no="119"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 120 • Wählen Sie eine Übung aus dem Unterrichtsmittel aus und lassen Sie diese Aufgabe von Ihren Kommilitonen lösen. Schätzen Sie danach die Eindeutigkeit der Aufgabenstellung und das Sprechtempo ein. Halten Sie das vorgeschlagene Verfahren zur Überprüfung der Hörergebnisse für sinnvoll? Unterbreiten Sie andere Vorschläge. 3. Unterbreiten Sie einen Vorschlag für eine Komponentenübung im Hörverstehen. Ihr Angebot soll das unter 2. ergänzen. Begründen Sie Ihre Entscheidung. 4. Wählen Sie einen interessanten russischen Lesetext aus, der thematisch eine Lücke im Angebot unter 2. schließt. Gestalten Sie diesen Text zu einem Hörtext um. Begründen Sie die Veränderungen, die Sie dabei vornehmen. Beschreiben Sie, wie Sie diesen Text im Unterricht einsetzen. Beziehen Sie sich dabei auf die drei Phasen der Strukturierung komplexer Hörentwicklung. Probieren Sie Ihren Vorschlag mit Ihren Kommilitonen aus. 5. Analysieren Sie zunächst das Angebot an Filmen, die in einem Lehrwerk für die Kursstufe eingesetzt werden. Untersuchen Sie dann die Vorschläge zur Arbeit an einem Film. Schauen Sie sich den Film zunächst selbst (noch einmal) an. • Entspricht der Film der Interessenlage Jugendlicher? • Spiegelt der Film Phänomene des russischen Kulturraums wider? • Welche Potenzen birgt der Film für die Kompetenzentwicklung im Hören? Versuchen Sie, den Beitrag dazu so differenziert wie möglich zu erfassen. • Welche Vorschläge (Aufgaben) werden für die Arbeit mit dem Film im Lehrwerk unterbreitet? • Schlagen Sie weitere Aufgaben für die vorbereitende und nachbereitende Phase vor. Weiterführende Literatur Engel, Ch. & Bacher, S. (2011): „Moskau in der Sommerhitze―. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht Russisch 3, 4-6. Thaler, E. (2009): „Hörverstehen―. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 5, 55f. Thaler, E. (2010): „Hör-Seh-Verstehen―. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht, Basisheft 1, 16. <?page no="120"?> 121 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten 3.2 Lesen und Leseverstehen Heike Wapenhans 3.2.1 Lesen und Leseprozess Lesen gehört zu den Kulturtechniken und Schlüsselkompetenzen, die von grundlegender Bedeutung für Lern- und Verstehensprozesse jeglicher Art sind, insbesondere für den Fremdsprachenerwerb (vgl. Henseler & Surkamp 2010, 87; Lutjeharms 2006, 145). Eine ausreichend entwickelte Lesekompetenz ist vor allem Grundlage zur selbstständigen Informationsbeschaffung und unterstützt in hohem Maße den Wissenserwerb über den Zugang zu entsprechenden textbasierten Medien. Als Medium der Persönlichkeitsbildung hat das Lesen wichtige Folgewirkungen „im Hinblick auf ästhetische und sprachliche Sensibilität, Moralentwicklung und Empathiefähigkeit, Fremdverstehen und Teilhabe am kulturellen Gedächtnis― (Hurrelmann 2008, 22f.). Mittels Lesen erfolgt - in der Fremdsprache wie auch in der Muttersprache - die Aufnahme von Informationen aus schriftsprachlichen, d.h. grafisch kodierten Texten. Diese Textinformationen müssen dekodiert (identifiziert und entschlüsselt) und verstanden (verarbeitet und gedeutet) werden. Das erfolgt in simultan ablaufenden Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen. Die Parallelität dieser physiologischen und psychologischen Prozesse unterstreicht die hohe Komplexität des Lesens als rezeptiver „Fertigkeit, die aus einer Vielzahl abgestufter Teilkompetenzen besteht― (Ehlers 2007, 287). Der Lesevorgang, in dem der Leser unter Anwendung seines Vorwissens Textinformationen analysiert und verarbeitet, lässt sich modellhaft in verschiedene Stufen oder Ebenen zerlegen bzw. gliedern (vgl. Ehlers 1998, 46- 64; Ehlers 2007, 287; Lutjeharms 2006, 147f.; Lutjeharms 2010, 16-20): • die grapho-phonologische Ebene (Buchstaben-/ Lautebene): Durch die visuelle Analyse der Schriftsymbole erfolgt das Erkennen von Buchstaben und mittels Zuordnung der Grapheme zu den entsprechenden Phonemen ihre phonologische Rekodierung (Umsetzung des Schriftbildes in die Lautform); • die lexikalische Ebene (Wortebene): Durch Zugriff auf das mentale Lexikon vollzieht sich die Worterkennung und unter Ausnutzung der Textdaten (morphologische Informationen, Wortkontext, Wortfrequenz) die Erschließung der Wortbedeutung; • syntaktische Ebene (Satzebene): Mittels Gliederung der Sätze in syntaktische Einheiten werden die grammatische Funktion von Wörtern und Satzteilen und ihre Beziehungen untereinander ermittelt; • semantische Ebene: Unter Ausnutzung und Anwendung des Vor- oder Weltwissens des Lesers werden Propositionen (Bedeutungseinheiten, durch einen Satz ausgedrückte Sachverhalte/ Inhalte) konstruiert; • Textebene: Durch Verknüpfen der Sätze untereinander und ihre Integration in einen inhaltlichen Zusammenhang (Textkohärenz) wird der Textinhalt erschlossen. Bedeutung von Lesefähigkeit Modellierung des Lesevorgangs <?page no="121"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 122 Beim Lesen werden einem Text nicht einfach Sinn oder Bedeutungen entnommen, sondern diese kontinuierlich durch interaktive Prozesse (Bottomup- und Top-down-Prozesse) zwischen Text und Leser (re)konstruiert (Abb. 12). Wissensbestand des Lesers (Vorwissen, Erwartungen, verarbeitete Daten) Bottom-up- Prozess Top-down- Prozess (Buchstaben Wort(e) Satz Absatz Text) Daten des Textes Abb. 12: Interaktionsprozesse beim Lesen Der Bottom-up- oder datengeleitete Prozess erfasst das Dekodieren und Wiedererkennen graphischer Zeichen (Grapheme, Wörter, syntaktische Einheiten, Sätze, Textstrukturen) eines Textes und die Integration der Dekodierergebnisse in den Wissensbestand des Lesers. Demgegenüber basiert der Topdown- oder konzept-/ wissens-/ erwartungsgeleitete Prozess auf dem Einbringen des kognitiven, kulturell geprägten Wissensbestandes des Lesers (seines phonologischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Wissens, seiner Kenntnisse über Diskursmarker und Textstrukturen, seines allgemeinen Welt- und speziellen thematischen Sachwissens u.a.) in die Dekodier- und Deutungsvorgänge während des Lesens. Das Zusammenspiel von Bottom-up- und Top-down-Prozessen ermöglicht das individuelle Textverständnis.Auf der Grundlage der verarbeiteten Textdaten wird beim Weiterlesen ein komplexes mentales Text-Modell, d.h. eine mentale Vorstellung des im Text Dargestellten, aufgebaut. In diesem mentalen Modell erfolgt die Zusammenführung der verdichteten Textinformationen mit dem Vorwissen des Lesers zu einem kohärenten mentalen Entwurf, der hilft, den Text als Sinnganzes im Blick zu behalten und zu verstehen (vgl. Henseler & Surkamp 2010, 88). Erfolgreiches Lesen benötigt hierarchieniedrige, (möglichst) automatisierte Prozesse und die damit verbundenen Fähigkeiten des Dekodierens sowie hierarchiehohe, zielbezogene Prozesse und Fähigkeiten des Textverstehens. Für das Textverstehen sind neben den kognitiven Faktoren insbesondere affektive Faktoren von besonderer Bedeutung. Die Motivation des Lesers, seine emotionale Beteiligung sowie der Einsatz seiner Vorstellungskraft helfen ihm nicht nur, das im Text Dargestellte mit der eigenen Lebenswelt in Beziehung zu setzen, sondern beeinflussen auch seine Aufmerksamkeit und Inhaltliche Prozesse zwischen Text und Leser zur Konstituierung des Textsinns Kognitive und affektive Faktoren beim Textverstehen <?page no="122"?> 123 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten das Erinnern des Gelesenen. Des Weiteren unterstützen Reflexion und Anschlusskommunikation (mit anderen Lesern) das Textverstehen (vgl. Henseler & Surkamp 2010, 88; Hurrelmann 2008, 24). 3.2.2 Lesen in der Fremdsprache Im Unterschied zum Hören und Sprechen wird das Lesen - wie auch das Schreiben - nicht im natürlichen Sprachkontakt erworben, sondern verlangt auch in der Muttersprache nach einer systematischen Vermittlung. Das Lesen in der Muttersprache wird i.d.R. im Kindesalter erlernt, nachdem die Sprache bereits einige Jahre lang gehört und gesprochen wurde, d.h. bereits ein bestimmtes sprachliches Niveau vorhanden ist. Dem Lesenlernen folgt dann - parallel mit der Entwicklung der Lesekompetenz - das Lesen zum Wissenserwerb. Fremdsprachliches Lesenlernen erfolgt vor dem Hintergrund des Lesens in der Muttersprache und kann negativ oder positiv von letzterem beeinflusst werden. So gehen Vertreter der Interdependenzhypothese (vgl. Cummins 2003) davon aus, dass es eine allgemeine sprachübergreifende Lesefähigkeit gibt und demzufolge schwache Leser in der Muttersprache eher Schwierigkeiten beim Lesen in der Fremdsprache haben. Demgegenüber erklären Vertreter der Schwellenhypothese (vgl. Clarke 1980) die Schwierigkeiten beim Lesen in der Fremdsprache mit dem fehlenden fremdsprachlichen Wissen. Aus ihrer Sicht verlangt erfolgreiches Lesen in der Fremdsprache ein bestimmtes sprachliches Niveau. Die vorrangige Rolle der Fremdsprachenkompetenz beim Leseverstehen wird in der Leseforschung favorisiert (Hermes 2010, 197). Fremdsprachliches Wissen und Können sind demzufolge eine Vorbedingung für das erfolgreiche Lesen und Verstehen in der Fremdsprache. Andererseits stellen Lesetexte eine sehr wichtige Quelle für den Fremdsprachenerwerb dar, indem sie den notwendigen Input für den Erwerb von Sprachkenntnissen liefern (vgl. Lutjeharms 2006, 145). Das rechtfertigt nicht nur Phasen der bewussten Arbeit an den sprachlichen Mitteln von Lesetexten, sondern begründet auch ihre Notwendigkeit. Damit Russischlerner erfolgreiche Russischleser werden, müssen sie also: 1. Umfangreiche Sprachkenntnisse und themenbezogenes Hintergrundwissen erwerben, 2. Leseroutinen für das Lesen in russischer Sprache entwickeln, 3. befähigt werden, ihre Leseerfahrungen (z.B. Lesestrategien und Textsortenkenntnisse) aus dem Unterricht in der Mutterbzw. einer anderen Fremdsprache auf das Lesen in Russisch zu übertragen, 4. viel lesen, d.h. vielfältige Angebote und Gelegenheiten zum Lesen erhalten und nutzen. (Beginnende) Russischlerner haben i.d.R. eine verminderte Leseflüssig keit/ -geläufigkeit (fluency, беглость чтения). Sie lesen langsamer, da Subroutinen auf der hierarchieniedrigen Ebene nicht ausreichend automatisiert verlaufen: visuelle Wahrnehmung, lexikalischer Zugriff, Worterkennung und Lesefähigkeit wird in systematischen Lehr-Lern-Prozessen erworben. Schwierigkeiten beim Lesen in der Fremdsprache <?page no="123"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 124 syntaktische Analyse beanspruchen die Aufmerksamkeit in besonderem Maße. Schwierigkeiten beim Lesen russischsprachiger Texte werden insbesondere hervorgerufen durch: • die andere Schrift (kyrillisches Alphabet) und sprachenspezifische Besonderheiten (Phonem-Graphem-Beziehungen z.B. bei der Reduktion unbetonter Vokale), • den begrenzt zur Verfügung stehenden Wortschatz und die schwache Ausdifferenzierung der Wortbedeutungen, • fehlende Sicherheit bei der Analyse und Deutung von syntaktischen Markern (Flexionsendungen, Kongruenz und Verbvalenz), • geringeres Hintergrundwissen. Auf der Grundlage eines reichhaltigen Inputs und vieler Möglichkeiten zum Lesen (üben) müssen die Russischleser lernen: • die Dekodierebene verstärkt zu automatisieren, • ihre Sprachkenntnisse und ihr (Welt-)Wissen beim Lesen einzusetzen, • Leseziele zu bestimmen, • Lesestrategien auszunutzen, • den Leseprozess mittels (metakognitiver) Strategien zu kontrollieren und zu steuern. Die Entwicklung zum kompetenten Fremdsprachenleser erfolgt über das Erkennen und Verstehen einzelner Wörter und elementarer Wendungen (A1), über das Lesen und Verstehen kurzer, einfacher Texte (A2), längerer (B1) und langer, komplexer Texte (B2/ C1) bis praktisch alle Arten geschriebener Texte verstanden und kritisch interpretiert werden können (vgl. Europarat 2001, 74-76). Orientierungspunkte für die Einordnung der Lesekompetenz eines Fremdsprachenlerners auf einer von sechs Niveaustufen bietet der GeR (Europarat 2001) durch verschiedene Instrumente an: a) das Raster zur Selbstbeurteilung (ebd., 36), b) die fünf detaillierten Beispielskalen zum Lesen: Leseverstehen allgemein, Korrespondenz lesen und verstehen, Zur Orientierung lesen, Information und Argumentation verstehen, Schriftliche Anweisungen verstehen (ebd., 74-76) und c) die DIALANG-Items zur Selbstbeurteilung (ebd., 223-224). 3.2.3 Leseziele und Lesestile Sowohl in der Mutterals auch in der Fremdsprache werden Texte mit verschiedenen Zielstellungen (Absichten, Intentionen) gelesen: Die Ziele hängen vom Interesse des Lesers, der Art und dem Grad der Tiefe der gesuchten Informationen sowie den äußeren Umständen der Lesesituation ab. Das Leseziel beeinflusst wiederum, wie, auf welche Weise ein Text gelesen wird, d.h. mit welchem Lesestil oder Leseverhalten (mit welcher Leseart, -form). Bezeichnungen und Zuordnung der Lesestile variieren in der Fachliteratur (vgl. Progression der Lesekompetenz in der Fremdsprache Texte werden mit verschiedenen Zielstellungen gelesen. <?page no="124"?> 125 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Bergefelder 2008, 58; Ehlers 1998, 246-248; Haß 2006, 85-86, 178; Henseler & Surkamp 2009, 6). Der GeR unterscheidet zwischen Lesetätigkeiten und Leseabsichten (Europarat 2001: 4.4.2.2, 74). Die folgende Tabelle (Abb. 13) soll einen Überblick ermöglichen und als Orientierung dienen. Leseziele Lesestile Leseverhalten sich einen globalen Überblick, einen Eindruck zu Inhalt und Thema verschaffen herausfinden, worum es im Text geht, prüfen, ob der Text etwas von Interesse enthält, entscheiden, ob man den Text lesen will = globales Leseverstehen überfliegendes, überblicksartiges, globales, orientierendes Lesen, (skimming, reading for gist, глобальное, просмотровое чтение) zeitlich begrenztes Lesen; ausgehend von Überschriften, grafischen Hervorhebungen oder Bildern bildet der Leser Hypothesen über den Textinhalt - Hauptaussagen des Textes suchen und erfassen Hauptgedanken erfassendes, kursorisches Lesen receptive reading, ознакомительное чтение) Leser überfliegt den gesamten Text, erfasst dabei den ersten und letzten Satz jedes Textabschnitts, um einen Eindruck vom Gedankengang des Autors zu erhalten, macht evtl. Notizen möglichst alle Einzelheiten des Textes (Textabschnittes) erfassen, etwas genau wissen wollen = detailliertes Leseverstehen totales, genaues, intensives, statarisches, detailliertes Lesen (careful, detailed, intensive reading; детальное, изучающее чтение) Leser liest den Text gründlich, unterstreicht Wichtiges, erstellt Notizen zum Inhalt einzelner Abschnitte, erschließt implizit enthaltene Informationen, zieht Schlussfolgerungen, stellt Zusammenhänge her spezifische Informationen im Text suchen und finden = selektives Leseverstehen selektives, selegierendes, gezieltes, interessengesteuertes, (auf)suchendes Lesen (search reading, scanning for details; поисковое чтение) Zeitlich begrenztes Lesen; Leser durchsucht den Text z.B. nach Schlüsselwörtern, Zahlen, konkreten Fakten, andere Informationen werden vernachlässigt Abb. 13: Leseziele und Lesestile Beim Lesen eines Textes kommen in der Regel mehrere Lesestile zum Einsatz, wie z.B. bei der Lektüre von wissenschaftlicher Literatur für einen Vortrag oder ein Referat: Ein Beitrag mit einem thematisch relevanten Titel wird zuerst überflogen, ob er Informationen zu den interessierenden Fragen enthält (orientierendes Lesen). Danach folgt die Suche nach den Hauptaussagen des Textes (kursorisches Lesen). Einzelne Passagen werden dann besonders gründlich gelesen (detailliertes Lesen), andere, weniger relevante wiederum Einsatz verschiedener Lesestile beim Lesen eines Textes <?page no="125"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 126 nur überflogen (kursorisches Lesen). Dabei finden Schlüsselwörter zum Thema besondere Beachtung (suchendes Lesen). Zum Abschluss wird der Text noch einmal als Ganzes durchgegangen (kursorisches Lesen), um alle wesentlichen Aussagen im Zusammenhang zu erfassen (vgl. Wie man Fremdsprachen lernt - http: / / www1.uni-hamburg.de/ fremdsprachenlernen/ start.htm). Der Einsatz der verschiedenen Lesestile lässt sich durch zahlreiche Aufgaben und Übungen trainieren (siehe dazu z.B. Ehlers 2007, 290-291). Stilles, Sinn entnehmendes Lesen dominiert im Lesealltag in der Muttersprache und sollte aus diesem Grund auch im Fremdsprachenunterricht favorisiert werden. Auch das laute Lesen oder Vorlesen hat seine didaktische Berechtigung, wenn der Lehrer oder Experten, wie z.B. Schüler mit russischsprachigem Hintergrund, Vorlesetechniken, die richtige Aussprache und das so genannte Struktur erfassende Lesen demonstrieren oder Lerner einzelne, zuvor still gelesene und verstandene Abschnitte ausdrucksvoll darbieten (Haß 2006, 85). Wird das laute Lesen eines Textes ohne eine entsprechende stille Lesephase, d.h. für einen unbekannten Text, eingesetzt, unterstützt es das Leseverständnis nicht. 3.2.4 Lesestrategien und techniken Lesestrategien sind mentale Handlungspläne zum Lösen von Problemen, die bewusst oder unbewusst, aber immer individuell eingesetzt werden und ein optionales Vorgehen beim Lesen bezeichnen. Es werden kognitive Verstehensstrategien und metakognitive Kontrollstrategien unterschieden: Erstere unterstützen das Leseverstehen in den verschiedenen Lesephasen, letztere die Planung, Überwachung, Steuerung und Bewertung des Leseprozesses. Lesetechniken sind konkrete Handlungen, die das Lesen und Verstehen unterstützen, wie Unterstreichen und Markieren, Visualisieren, Wörterbuchnutzung. Für den Russischunterricht ist es sinnvoll, an Strategien und Techniken anzuknüpfen, die bereits im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht thematisiert wurden und für deren Einsatz Hilfsmittel (z.B. Leselotse, Lesenavigator) zur Verfügung stehen (vgl. Hattendorf - Angebote des Bildungsservers Berlin-Brandenburg). Zu den Lesestrategien, die hilfreich für den Russischlerner sind, gehören z.B.: a) Strategien vor dem Lesen: • Leseziel (e) und Lesestil (e) bestimmen: Warum und wie will ich den Text lesen? • Hypothesen über Textsorte, Textinhalt anstellen und eine Erwartungshaltung aufbauen: mithilfe der Überschrift, der Teilüberschriften, Bilder und Illustrationen Fragen an den Text formulieren: Worum geht es im Text? Was möchte ich aus dem Text zum Thema erfahren? • Vor-/ Hintergrundwissen aktivieren: Was weiß ich über das Thema? b) Strategien während des Lesens: Lautes Lesen Lesestrategien werden individuell eingesetzt. Strategieeinsatz in den einzelnen Lesephasen - <?page no="126"?> 127 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • sich kurz im Text orientieren und einen groben Überblick über den Text verschaffen: nur den Anfang, einige Sätze in der Mitte und den Schluss lesen, • Text überfliegen, • Lesestrategien dem Leseziel anpassen, • Vermutungen über den Textverlauf anstellen: Hypothesen bilden, • inferieren (schlussfolgern, sinngemäßes Ergänzen bzw. intelligentes Raten aufgrund von Vorwissen und Texthinweisen), • sich nicht mit unbekannten Wörtern und unverstandenen wichtigen Textstellen aufhalten („Mut zur Lücke―), • unverstandene Wörter und Textstellen mithilfe von Dekodierungsstrategien klären: durch Anwendung von Wissen aus Wortbildung und Syntax, aus bekannten Sprachen, Weltwissen, durch die Nutzung von Ko- und Kontext, • während des Lesens laut denken (Think aloud, протокол мыслей вслух), • Lesetechniken einsetzen: schwierige Textstellen wiederholt lesen, unverstandene Wörter und Textstellen kennzeichnen, Nachschlagewerke und Wörterbücher nutzen, Schlüsselwörter markieren, Stichwörter oder Wichtiges notieren, Bezüge mit Pfeilen aufzeigen, Randnotizen anfertigen, Text in Sinnabschnitte gliedern und Teilüberschriften formulieren; c) Strategien nach dem Lesen: • Kernaussage(n), zentrale Textaussage(n) benennen, • Textfunktion bestimmen und den Text bewerten, • Textinhalt zusammenfassen, • elaborieren (Neues in das Vorwissen und die persönlichen Erfahrungen integrieren), • Arbeitsschritte reflektieren (Planen, Überwachen, Steuern, Bewerten), • Lesetechniken einsetzen: den Textinhalt in eine andere Darstellungsform übertragen (Mindmap, Flussdiagramm, Schaubild, Strukturlegetechnik), Stichwortzettel, Wörterliste für eine Zusammenfassung erstellen. Für den erfolgreichen Gebrauch der Lesestrategien reicht es nicht aus, sie zu kennen. Ihr Einsatz muss geübt werden, damit er zielgerichtet und automatisiert erfolgen kann. Bereits auf den Niveaustufen A1-A2 bietet sich ausreichend Gelegenheit, z.B. gemeinsam in den Lesetexten der Lehrwerke nach Schlüsselwörtern, Internationalismen oder verwandten Wörtern zu suchen. Ab Niveaustufe B1 kommt das Erschließen unbekannter Wörter aus dem Sinnzusammenhang hinzu (vgl. Europarat 2001, 78). Für das Training von Lesestrategien sind u.a. folgende Unterrichtsmethoden geeignet: • Positivlesen (Traffic Light Reading; чтение с помощью трёх цветов светофора): Die Leser unterstreichen im Text mit einem grünen Stift alles, was sie verstehen; mit einem gelben Stift Wörter und Wortgruppen, Der Einsatz von Lesestrategien muss geübt werden. Trainingsmethoden <?page no="127"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 128 die sie selbstständig erschließen können; mit einem roten Stift nur die unbekannten Wörter, die für das Textverständnis wichtig sind und die sie deshalb nachschlagen müssen. • Texte kürzen: in einem Lesetext werden alle Textstellen geschwärzt bzw. durchgestrichen, bis nur noch die Kernaussage erhalten bleibt. • Visualisieren (visualizing; визуализация): die Leser versuchen, sich Textpassagen oder Abschnitte bildlich vorzustellen und halten die Ideen stichpunktartig fest oder fertigen eine Skizze an. Zusätzlich werden Begriffe im Text unterstrichen, die diese Bilder hervorrufen, und Gefühle notiert, die der Text auslöst. Die Vermittlung und Festigung von Lesestrategien heißt für den Russischlehrer: • Zweck und Anwendung einer Strategie gemeinsam mit den Lernern zu beschreiben, • die Strategie vorzuführen und gemeinsam mit den Lernern zu erproben, • die Strategie auf unterschiedliche Texte anzuwenden, • das selbstständige Anwenden der Strategie durch die Lerner anzuleiten. 3.2.5 Textsorten und Eignungskriterien von Lesetexten Bei der Entscheidung, welche Textsorten sich insbesondere für die Entwicklung der entsprechenden Kompetenzstufen eignen, bieten die DIALANG- Dokumente (Europarat 2001, 223; 227; 230) oder die Lehrpläne für Russisch (vgl. z.B. SBJS Berlin 2006, 19; Thüringer MBWK 2011, 12) Hilfestellung: B2: längere Texte unterschiedlicher Textsorten, Schriftverkehr, der sich mit den persönlichen Interessen des Lernenden befasst (z.B. längere Fachtexte; Nachrichten, Aufsätze und Berichte über aktuelle Themen; Kurzgeschichten und bekannte Romane). B1: klar strukturierte Texte aus den Interessensgebieten des Lernenden (z.B. persönliche Briefe inkl. Wünsche, Gefühle; Broschüren, Prospekte, offizielle Schriftstücke, einfache Zeitungsartikel über vertraute Themen; einfache, klar strukturierte Gebrauchsanweisungen; kurze Geschichten mit einfachen Strukturen); A2: kurze, einfache, in der Alltagssprache verfasste Texte über vertraute Themen (z.B. Anzeigen, Broschüren, Speisekarten, Fahrpläne, einfache Gebrauchsanleitungen für Gegenstände des alltäglichen Lebens, Rezepte, persönliche (Routine-)Briefe, Einladungen, Glückwünsche, öffentliche Schilder und Mitteilungen, Flugblätter und Werbeanzeigen); A1: sehr kurze, einfache Texte (z.B. einfach geschriebene Anweisungen, Anleitungen oder Beschreibungen mit Bildern; kurze, einfache Mitteilungen auf Postkarten; sehr einfache Sätze auf Hinweisschildern, Plakaten oder in Katalogen). Die Lesetexte für die Niveaustufen A1-A2 sollten nach Möglichkeit keine bzw. nur wenige stilistische Markierungen enthalten, sondern einem relativ Auswahl von geeigneten Lesetexten <?page no="128"?> 129 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten neutralen Register entsprechen. Ab der Kompetenzstufe B1 fördern die Leseangebote, insbesondere die literarischen Kurzformen, den rezeptiven Kontakt mit den unterschiedlichen Registern der Fremdsprache (vgl. Europarat 2001, 120). Aufgrund ihrer hohen Alltagsrelevanz und ihres ständig wachsenden Anteils in den Print- und elektronischen Medien müssen bei der Auswahl von Lesetexten für den Russischunterricht neben kontinuierlichen (linearen) Texten auch diskontinuierliche (nicht-lineare) Texte Berücksichtigung finden. Diskontinuierliche Texte, wie z.B. Tabellen, grafische Darstellungen und Schaubilder sind nichtlineare Texte und können für sich allein stehen oder aber auch kontinuierliche Texte durch ihre prägnante und übersichtliche Darstellung ergänzen. Für das Verstehen von diskontinuierlichen Texten muss der dargestellte Sachverhalt, d.h. der Inhalt und seine Struktur, dekodiert und dann sprachlich korrekt in Form eines kontinuierlichen Textes verbalisiert werden. Entsprechende Verbalisierungshilfen für die Niveaustufen B1/ B2 bieten z.B. die Lehrwerke Диалог 4 (2011, 124) und Вместе (2010, 158) an. Geeignete Lesetexte berücksichtigen die Interessen und Neigungen der Lerner in Hinblick auf deren Alters- und Genderspezifik und verfügen über: • einen ansprechenden Titel und Inhalt, • ein lesefreundliches Layout (Schriftgröße, Zeilenabstand), • eine das Verständnis unterstützende grafische Gestaltung (Bilder, Illustrationen), • ein angemessenes sprachliches und intellektuelles Niveau, • emotionales und rationales Potenzial für den Meinungsaustausch. 3.2.6 Leseübungen und -aufgaben Das Lesen und Verstehen von Texten in der Fremdsprache, die Automatisierung von Dekodierungs- und Verarbeitungsprozessen und insbesondere der bewusste Einsatz von Lesestrategien muss durch entsprechende Angebote geübt und angewendet werden. Die Entwicklung der Leseflüssigkeit unterstützen z.B. folgende Unterrichtsmethoden: • Lesegemurmel (Buzz Reading; чтение шёпотом): Ein bekannter Lesetext wird von jedem Lerner im eigenen Lesetempo halblaut/ murmelnd gelesen, um die Artikulation und Intonation des Textes zu üben. • Tandemlesen (Paired Reading; чтение вслух в тандеме): Gute Leser oder Experten (A), wie z.B. Lerner mit slawischem oder russischsprachigem Hintergrund, lesen gemeinsam mit einem Partner (B) einen Text (halb)laut. Nach einer ersten Phase des gemeinsamen halblauten Lesens liest B nach einem vereinbarten Zeichen allein weiter, A hilft und korrigiert ggf. Im Anschluss tauschen sich A und B über das Gelesene aus. • Lesenüben mit Audiounterstützung (Audio Assisted Reading, чтение с помощью аудиофайла): Der Lesetext liegt dem einzelnen Leser als Audiodatei vor und dient als Muster für das richtige und ausdrucksvolle Lesen. Diskontinuierliche Texte: Tabellen, Grafiken, Schaubilder Aufgaben zur Entwicklung der Leseflüssigkeit <?page no="129"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 130 Nach dem ersten Hören wird der Text im zweiten Durchgang laut mitgelesen und dann abschnittsweise allein laut vorgelesen. Die Planung und Gestaltung einer Lesesequenz insbesondere zu längeren Texten orientiert sich häufig an der Zuordnung der Aufgaben und Übungen zu den drei Lesephasen und ihren Aktivitäten (vgl. Akišina & Kagan 2008, 108f.; Burke 1989, Haß 2006, 88; Hermes 2010, 199): 1. vor dem Lesen (pre-reading activities, предтекстовая работа), 2. während des Lesens (while-reading activities, притекстовая работа), 3. nach dem Lesen (post-reading activities, послетекстовая работа). 1. Die in der Phase vor dem eigentlichen Lesen zum Einsatz kommenden Aufgaben und Aufträge dienen vor allem dazu, auf den Text einzustimmen und unter Einsatz der hier angebrachten Lesestrategien (siehe: Strategien vor dem Lesen, Kap. 3.2.4) sein Verständnis zu erleichtern. Dazu zählen Aufgaben, die • das Hintergrundwissen der Schüler aktivieren, • ihr Interesse für das Thema wecken und Lesemotivation aufbauen, • auf den Lesetext einstimmen, • Schwierigkeiten lexikalischer oder semantischer Art in Bezug auf Schlüsselbegriffe minimieren, • für das Textverständnis notwendige soziokulturelle Informationen bereitstellen. Mögliche Aufgabenstellungen in Abhängigkeit von Textsorte und Leseziel sind z.B.: Посмотрите заголовок. Как вы думаете, о чём идёт речь в тексте? Какие ассоциации вызывает у вас эта тема (эти фотографии)? Какие слова и выражения типичны для этой темы? Какую информацию вы хотите найти в тексте? 2. Aufgaben und Aktivitäten, die während des Lesens zu bearbeiten sind, sollen den Leseprozess begleiten und vertiefen. In Übereinstimmung mit dem Leseziel können sie während des Lesens: • die Aufmerksamkeit des Lesers lenken, • helfen, wichtige Lesestrategien anzuwenden (siehe Strategien während des Lesens , S. 126) . Mögliche Aufgabenstellungen in Abhängigkeit von Textsorte und Leseziel sind z.B.: Прочитайте текст (первый абзац). Выделите главную (новую) информацию. Подчеркните ключевые слова (то, что вам кажется важным). Обратите внимание на ... главные события (главных персонажей и их действия). Найдите ответы на вопросы (кто, когда, где, зачем делает что-то). Сделайте на полях текста короткие заметки. Aufgaben vor dem Lesen Aufgaben zur Steuerung des Leseprozesses <?page no="130"?> 131 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten 3. Nach Abschluss des Lesens werden Aufgaben und Aktivitäten eingesetzt, die das Textverständnis sichern (siehe: Strategien nach dem Lesen, Kap. 3.2.4). Dazu können Aufgabenformate zum Einsatz kommen, mit denen das Leseverstehen in standardisierten Tests überprüft wird, wie z.B.: • Multiple Choice, • Ja / Nein / Nicht im Text, • Absätze und Überschriften zuordnen u.a. (siehe Abschnitt 3 - Testformate im Kap. „Testen. Bewerten. Beurteilen―). Darüber hinaus geht es nach Hermes (2010 , 199) bei den Aktivitäten nach dem Lesen um: • Reflexion, Bewertung, Einordnung des Textes als Ganzes und • kreative Aktivitäten, die über den Text hinausführen und z.B. Sprechen und Schreiben erfordern. Mögliche Aufgabenstellungen in Abhängigkeit von Textsorte und Leseziel sind z.B.: Расскажите кратко содержание текста (в одном предложении, в двух и т.д.). Представьте содержание текста в виде графики или ассоциограммы. Охарактеризуйте главных персонажей. Придумайте новый заголовок. Разбейте текст на части, озаглавьте их. Напишите аннотацию (рекламу текста, ответ, просьбу прислать дополнительную информацию). Возьмите интервью у автора текста. Выскажите своё мнение о прочитанном тексте. Empfehlenswert für die Texterschließung und -verarbeitung sind Formen des kooperativen Arbeitens (vgl. Grieser-Kindel et al. 2009) wie z.B.: • Wechselseitiges Lesen und Erklären im Tandem (Paired Reading and Thinking; чтение и толкование в тандеме): Partner A und B lesen zuerst jeder für sich den in Abschnitte unterteilten Text. Dann wird der Text abschnittsweise vorgelesen und besprochen. Den ersten Abschnitt liest A laut vor; B liest nicht mit, sondern hört zu und korrigiert ggf. die Aussprache von A. Danach fasst B den Inhalt mündlich zusammen; A korrigiert bzw. ergänzt ggf.; Unverstandenes wird für die Diskussion im Plenum notiert. Dann tauschen A und B die Rollen: B liest den zweiten Abschnitt vor, A korrigiert und fasst zusammen. Bei jedem Textabschnitt wechseln A und B die Rollen. Zum Schluss fassen A und B gemeinsam den Textinhalt stichwortartig zusammen. Im Plenum erfolgt der Austausch über den Textinhalt und eine Klärung der Schwierigkeiten bei der Texterschließung. • Reziprokes Lesen (Reciprocal Teaching; взаимное или совместное чтение): Der Lesetext, der aus vier Abschnitten bestehen sollte, wird im Wechsel aus Einzel- und Gruppenarbeit erarbeitet. Nach der Einteilung in Vierergruppen übernehmen die Gruppenmitglieder für die gemeinsame Besprechung eines zunächst in Einzelarbeit gelesenen Textabschnitts verschiedene Teilaufgaben bzw. Rollen (A-D): Твоя функция: объясняй (резюмируй, задавай вопросы, предполагай или ассоциируй)! A erklärt Aufgaben nach dem Lesen Kooperative Arbeitsformen für Texterschließung und -verarbeitung <?page no="131"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 132 unklare Textstellen und schwierige Wörter oder Passagen, B fasst den Inhalt des Abschnittes kurz zusammen, C formuliert Fragen zum Inhalt, D stellt Vermutungen über den folgenden Abschnitt an. Nach dem Austausch der Ergebnisse zum ersten Textabschnitt werden die Rollenkarten im Uhrzeigersinn weitergegeben und die Einzelarbeit am nächsten Abschnitt beginnt. Die Einzel- und Gruppenphasen wechseln, bis der Text zu Ende bearbeitet wurde (vgl. Zühlke 2012). Zum Austausch der Leseergebnisse und zur Verständniskontrolle können u.a. folgende Unterrichtsmethoden eingesetzt werden (vgl. Grieser-Kindel et al. 2006, 2009): • Lerntempoduett (Bus stop; место встречи), • Platzdeckchen (Placemat; Мои, твои, наши идеи на oдном листе бумаги), • Denken, austauschen und besprechen/ präsentieren oder Ich - Du - Wir (Think! Pair! Share! Я - Ты - Мы), • Stummes Schreibgespräch (Silent discussion; молчаливая письменная дискуссия). Haß (2006, 90) empfiehlt den spielerischen Umgang mit Lesetexten oder das spielerische Umsetzen von Textinformationen wie z.B. das Zuordnen von Sprechblasen zu Comicbildern, das Finden von passenden Schlusssätzen zu Witzen oder kurzen Geschichten oder die Wiederherstellung der Reihenfolge von Lesetextpassagen. Aufgaben 1. Erläutern Sie das Zusammenspiel von Bottom-up- und Top-down-Prozessen beim Leseverstehen. 2. Nennen Sie die Voraussetzungen für erfolgreiches Lesen in der Fremdsprache (Russisch). 3. Beschreiben Sie, welche Lesestile zum Einsatz kommen, wenn Sie oder Ihre Schüler einen unbekannten fremdsprachigen (russischsprachigen) Text lesen, um seine Informationen dann in einer thematischen Diskussion zu verwenden. 4. Wählen Sie einen Lesetext aus einem Russischlehrbuch für die Niveaustufen A2-B1 aus. Überlegen Sie, welche Lesestrategien Sie an diesem Text für Ihre Schüler sichtbar machen können. Formulieren Sie entsprechende Aufgabenstellungen. 5. Entwickeln Sie zu einem Text Ihrer Wahl für die Niveaustufen B1/ B2 Aufgaben für die drei Phasen: пред-, при-, послетекстовая работа. Weiterführende Literatur Henseler, R. & Surkamp, C. (2010): „Lesen und Leseverstehen―. In: Surkamp, C. (Hrsg.): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Stuttgart/ Weimar, 87-92. Spielerischer Umgang mit Lesetexten <?page no="132"?> 133 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Hermes, L. (2010): „Leseverstehen―. In: Hallet, W. & Königs, F. G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber, 196-200. Lutjeharms, M. (2010): „Vermittlung der Lesefertigkeit―. In: Krumm, H.-J. et al. (Hrsg.): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. HSK 35.1. Berlin, 976-982. Lesekompetenz (2009): Themenheft. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 100/ 101. <?page no="133"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 134 3.3 Sprechen als komplexe Sprachaktivität im Russischunterricht Ursula Behr/ Heike Wapenhans Die im Jahr 2006 veröffentlichten Ergebnisse der Schulleistungsstudie DESI (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International) verdeutlichen für den Unterricht in der ersten Fremdsprache Englisch den geringen Sprechanteil von Schülerinnen und Schülern (vgl. Beck & Klieme 2007, DESI-Konsortium 2008). Danach spricht die Lehrkraft mehr als doppelt so viel wie alle Schülerinnen und Schüler zusammen. Taubenböck (2007, 3) beklagt zudem für den Englischunterricht, dass Lehrer auf das „Ping-Pong-Spiel von Frage und schneller, knapper, wortkarger Antwort konditioniert sind und Raum für komplexe Schüleräußerungen fehle―. Diese Befunde gelten - wenn auch empirisch nicht belegt - gleichermaßen für Russisch als zweite oder dritte Fremdsprache. Ein derartiger Sachstand ist besorgniserregend, da ein wesentlicher Kompetenzbereich des modernen Fremdsprachenunterrichts - die mündliche Produktion - nicht ausreichend entwickelt wird und Schülerinnen und Schüler somit unzureichend auf die Anforderungen der realen Kommunikation vorbereitet werden. Sprache wird nun einmal sehr viel häufiger gesprochen (95%) als geschrieben (5%) (vgl. Wolff 2000, 11). Dieser Tatsache muss auch der Russischunterricht gerecht werden und entsprechend (mehr) Raum für Mündlichkeit schaffen. 3.3.1 Was ist Sprechen? - Spezifik und psycholinguistische Grundlagen Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001, 24) zählt Sprechen zu den produktiven kommunikativen Aktivitäten und unterscheidet zwischen den Anwendungsbereichen „An Gesprächen teilnehmen― und „Zusammenhängendes Sprechen―. Sprechen ist eine komplexe Sprachtätigkeit, die vielfältige Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse und Gewohnheiten integriert. Dabei ist deren rasche Dynamisierung bei der mündlichen Sprachausübung erforderlich. Die Komplexität des Sprechens ergibt sich vor allem aus: • dem untrennbaren Zusammenhang zum Hören/ Monitoring, • der Spezifik monologischer und dialogischer Sprachausübung und entsprechender Formen (z.B. Vortrag, Diskussionsbeitrag, Orientierungsgespräch, Unterhaltung), • dem Einsatz unterschiedlicher Kommunikationsverfahren und Darstellungsarten, • dem hohen Anteil an Gedächtnisleistung, v. a. im Gespräch, • den Besonderheiten der Sprecher, z.B. Sprechtempo, Stimmhöhe, Aussprachegewohnheiten, regionale Besonderheiten, • der hohen Dynamik des Sprachgenerierungsprozesses, d.h. von Planung, Formulierung/ Kodierung, Artikulation der Mitteilung, Sprechen ist eine komplexe Sprachtätigkeit. <?page no="134"?> 135 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • den Besonderheiten gesprochener Sprache, wie Pausen, Reformulierungen, die Verwendung von Füllwörtern, Floskeln oder festen Wendungen, die die Unterhaltung lebendig machen, das Gespräch natürlicher wirken und als Pausenfüller auch nicht abbrechen lassen, z.B. Ну, .../ Ну да/ вот, ...; Подожди-ка, ...; Ладно. Правильно? Понятно. • parataktischen Verbindungen, z.B. и, потом • der Rolle von Mimik/ Gestik. Menschen sprechen, wenn sie etwas mitzuteilen haben. Daraus erwachsen unterschiedliche Sprechanlässe/ -absichten, wie • Informationen vermitteln oder einholen, • Wissen, Meinungen, Eindrücke oder Gefühle mitteilen, • eine gemeinsame Tätigkeit steuern, • zwischenmenschliche Kontakte herstellen und/ oder stabilisieren, • andere Personen zum sprachlichen und/ oder nicht sprachlichen Handeln veranlassen, • über Inhalte und Handlungen reflektieren. Die Realisierung von Sprechabsichten ist an jeweils spezifische Kommunikationsverfahren gebunden, z.B. Fragen, Auffordern, Berichten, Beschreiben, Zustimmen, Ablehnen. Wie beim Schreiben besteht auch beim Sprechen stets ein Zusammenhang von Inhalt (Botschaft) und Form. Dabei sind im Unterschied zum Schreiben nicht nur grammatische und lexikalische, sondern in hohem Maße auch phonetisch-intonatorische Besonderheiten bedeutsam für die Kommunikation. Kurtz (2010, 85) verweist darauf, dass aufgrund des diskursiven Charakters des Sprechens (Sprechen/ Zuhören) die sprachliche, die inhaltliche und die zwischenmenschliche Dimension mündlicher Kommunikation in Einklang gebracht werden müssen. Daraus erwächst auch die zentrale Bedeutung des Sprechens für die Entwicklung interkultureller Kompetenz. Die nachfolgende Darstellung stellt die Besonderheiten des monologischen (zusammenhängenden) Sprechens und des dialogischen Sprechens (an Gesprächen teilnehmen) gegenüber. monologisches (zusammenhängendes) Sprechen dialogisches Sprechen (an Gesprächen teilnehmen) ein Sprecher mindestens zwei Sprecher initiatives Sprechen in eine Richtung, an eine Person (Hörer) oder eine Gruppe von Hörern gerichtet Sprechen zwischen zwei oder mehreren Personen, die sowohl Sprecher als auch Hörer sind, d. h. Wechsel von Initiative und Reaktion dient vornehmlich der Vermittlung von Informationen seitens des Sprechers dient vornehmlich dem Informationsaustausch; Sprecher haben jeweils eigene, durchaus unterschiedliche Kommunikationsabsichten Sprechanlässe/ absichten Zusammenhang von Inhalt und Form beim Sprechen Monologisches/ dialogisches Sprechen <?page no="135"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 136 i. Allg. kein Themawechsel Themawechsel ist möglich Kontinuität und Folgerichtigkeit sowie Strukturiertheit der Darstellung Wechsel der Perspektiven kann Brüche in der Folgerichtigkeit der Gedankenführung nach sich ziehen in der Regel Dominanz einer Darstellungsart, z.B. Erzählung, Bericht, Beschreibung, Erörterung ständiger Wechsel der Kommunikationsverfahren, z.B. Fragen, Mitteilen, Feststellen, Zweifeln, Schlussfolgern auch unter Einschluss monologischer Passagen gebunden an textsortenspezifische Konventionen (z.B. Begrüßungsrede, Referat, Vorlesung) gebunden an - auch soziokulturell bedingte - Gesprächskonventionen bzw. -regeln für das adressaten- und situationsgerechte Agieren (z.B. Beginnen, Aufrechterhalten und Beenden eines Gesprächs) weitgehend planbar und inhaltlich (vor)strukturiert, d.h. inhaltliche und sprachliche Vorbereitung möglich und i. Allg. erforderlich flüchtiger Prozess, bei dem für die Versprachlichung/ Verschlüsselung von Informationen (Enkodierung) sowie für deren Entschlüsselung (Dekodierung) wenig Zeit zur Verfügung steht, spontan und stark situativ gebunden, Reaktion des Kommunikationspartners nicht vorhersehbar, im Detail nicht planbar, hohe Gedächtnisleistung und Anlage eines Kommunikationsprotokolls im Arbeitsspeicher erforderlich ausformulierte Sätze dominieren auch verkürzte Wortformen und klischeeartige Formulierungen sowie elliptische Ausdrucksweise möglich zusätzliche Nutzung von Präsentationstechniken zur Unterstützung der Informationsvermittlung möglich Unterstützung der Informationsvermittlung nur durch Mimik, Gestik, Wiederholung etc. Abb. 14: Besonderheiten des monologischen und dialogischen Sprechens Weskamp (2001, 124f.) beschreibt ein mentales Modell der Sprachproduktion, das auf Untersuchungen von Levelt (1989) basiert und letztlich auf das von Leont‘ev (1969) erarbeitete Generierungsmodell für die Struktur einer mündlichen Sprachhandlung zurückzuführen ist. Danach vollzieht sich Sprechen im Wesentlichen in vier Phasen: Konzipieren: Sprecher werden sich ihrer Absicht bewusst, wählen relevante Informationen aus, über die sie kommunizieren möchten und ordnen diese Informationen unter Einbeziehung dessen, was bereits gesagt worden ist. Dabei spielen Schemata, Theorien und Skripte eine wichtige Rolle, also das Modell der Sprachproduktion <?page no="136"?> 137 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Wissen eines Sprechers über sich selbst und die Welt, das sie/ er in ähnlichen Situationen konstruiert hat. Formulieren: Lemmata werden bereitgestellt, zu Satzstrukturen zusammengefügt und phonologisch und prosodisch kodiert. Das Ergebnis ist „innere Sprache―, ein Plan dessen, was man äußern möchte. Artikulieren: Ausführung der „inneren Sprache― durch die Sprechorgane. Selbstkontrolle: Ein Sprecher ist auch sein eigener Zuhörer und kann Reparaturmechanismen einleiten, um unpassende oder unrichtige Äußerungen zu korrigieren. Beim Fremdsprachenerwerb ist zu beachten, dass diese Generierungsprozesse durch die Muttersprache beeinflusst werden und der Formulierungsprozess häufiger durch die Suche nach passenden Vokabeln und Endungen in der Fremdsprache unterbrochen wird. 3.3.2 Welche Kompetenz(en) im Sprechen soll(en) im Russischunterricht ausgebildet werden? Der GeR und die entsprechend darauf abgestimmten standard- und kompetenzorientierten Lehrpläne der Bundesländer geben eine Orientierung für die in den jeweiligen Lernjahren anzustrebende Kompetenzstufe/ Niveaustufe für das zusammenhängende Sprechen und das Sprechen im Gespräch. Die Lehrpläne folgen den Kompetenzbeschreibungen des GeR in modifizierter Form, d.h. unter Berücksichtigung des Alters der Lerner, dem jeweils angestrebten Schulabschluss, dem Status von Russisch (zweite oder dritte Fremdsprache, in der gymnasialen Oberstufe fortgeführt oder neu einsetzend) und der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden Lernzeit werden Ziele im Bereich von A1-B2 ausgewiesen. Dabei konzentrieren sich die Lehrpläne vornehmlich auf die Bewältigung von Gesprächen zur Kontaktaufnahme und -pflege, Orientierung im Alltag, Inanspruchnahme von Dienstleistungen, Planung von Vorhaben, Unterhaltung sowie ab B1 auch auf die Teilnahme an Diskussionen. Im Bereich des zusammenhängenden Sprechens dominieren das Beschreiben, Berichten, Erzählen, gestaltende Vortragen bzw. Vorlesen sowie ab B2 das Argumentieren. Die Zielstellungen des GeR werden im Allgemeinen ergänzt durch Zielformulierungen für den Erwerb von Methoden-, Selbst-, Sozial- und interkultureller Kompetenz. Zu den für eine erfolgreiche mündliche Kommunikation in russischer Sprache wichtigen methodisch-strategischen Kompetenzen zählen: • Techniken des Mit- und Nachsprechens sowie des Auswendiglernens anzuwenden, • grundlegende Intonationsmuster der russischen Sprache zu imitieren und anzuwenden, • einen Redeplan anzufertigen, • sprachliches, thematisches und soziokulturelles Wissen sowie Weltwissen zu nutzen bzw. einzubeziehen, Curriculare Ziele im Bereich des Sprechens Methodisch-strategische Kompetenzen in der mündlichen Kommunikation <?page no="137"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 138 • ein Gespräch adressaten- und situationsgerecht zu beginnen, aufrechtzuerhalten und zu beenden, • Äußerungen des Gesprächspartners für eigene Formulierungen zu nutzen, • Strategien zur Förderung der Kommunikation durch z.B. Nachfrage, nicht sprachliche Mittel und/ oder Umschreibung, Wechsel des Gesprächsgegenstandes einzusetzen, • textsortenspezifische Konventionen einzuhalten, • verschiedene Hilfsmittel und Medien zur Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -darstellung zu nutzen, • aus Quellen entnommene Informationen für eigene Darlegungen zu nutzen, • sach- und adressatengerecht sowie anschaulich zu präsentieren, • im Rollenspiel zu agieren und dabei zu improvisieren, • Reime, Gedichte, Lieder zu lernen und kreativ sowie phantasievoll auszugestalten , • Konstruktion . Die sprachlichen Äußerungen der Schülerinnen und Schüler können auf drei Fertigkeitsstufen (vgl. dazu z.B. Schreiter 1994, 65) erfolgen, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Sprachbeherrschung stellen. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Russisch (EPA 2004: 18) verwenden hierfür den Begriff der Anforderungsbereiche I-III. Fertigkeitsstufe/ Anforderungsbereich I (Reproduktion), d.h. variationsloses/ imitierendes Sprechen, im Sinne von: • Wiedergabe bekannter Sachverhalte im gelernten Zusammenhang, • Anwendung von Lernstrategien, Verfahren und Techniken in einem begrenzten Gebiet und in einem wiederholenden Zusammenhang. Mögliche Aufgabenstellungen: Прочитайте диалоги. Разыграйте их по ролям. Разыграйте аналогичные диалоги. Прочитайте аргументы за и против. Назовите те из них, с которыми вы (не) согласны. Перескажите текст, используя данные первые части предложений. Расскажи о ... (твоей школе, твоём городе, твоих хобби). Fertigkeitsstufe/ Anforderungsbereich II (analoge Rekonstruktion), d.h. gelenkt-variierendes Sprechen, i.S.v.: • Wiedergabe bekannter Sachverhalte in verändertem Zusammenhang, • selbstständiges Übertragen auf vergleichbare Sachverhalte. Mögliche Aufgabenstellungen: Разыграйте диалог. Используйте ролевые карточки. Расскажи о ... по следующему плану: ... Прочитай письмо и расскажи, о чём пишет его автор. Прослушай ... (разговор, сообщение) и передай его основное содержание. Fertigkeitsstufe/ Anforderungsbereich III (Konstruktion), d.h. freies Sprechen, i.S.v.: drei Fertigkeitsstufen als Grundlage für die Anforderungsbereiche der EPA: Reproduktion, analoge Rekonstruktion, Konstruktion <?page no="138"?> 139 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • selbstständigem Transfer von Gelerntem auf vergleichbare Sachverhalte bzw. Anwendungssituationen, • Erkennen, Bearbeiten von komplexen Problemstellungen und selbstständigem, problembezogenen Begründen, Denken und Urteilen, • Werten und Verallgemeinern. Mögliche Aufgabenstellungen: Разыграйте диалог ... (между покупателем и продавщицы в книжном магазине в Москве. Покупатель хочет при обрести произведение современного русского автора.) Расскажи, как ... (молодёжь в Германии любит проводить своё свободное время). Выскажи своё мнение о ... (проблемах города и деревни). Обсудите с партнёром ... (разные мнения, плюсы и минусы). Подготовь презентацию на тему «...». Проведите дискуссию на тему «...». 3.3.3 Wie können (Teil-)Kompetenzen im Sprechen im Russischunterricht entwickelt werden? Grundsätzlich ist zu beachten, dass Sprechen nur entwickelt werden kann, wenn ausreichend Sprechzeit zur Verfügung steht. Ferner ist auch für die Sprechentwicklung zu beachten, dass Aufgaben eine unterschiedliche Funktion und Berechtigung im Unterricht haben. Es sollte also (in Anlehnung an Leisen 2010, 84) stets unterschieden werden zwischen: • Übungsaufgaben zum Aufbau und zur Festigung von Sprachmustern und Routinen und • kommunikativen Anwendungsaufgaben sowie zwischen • Diagnoseaufgaben zur Ermittlung des (Sprach-)Lernstands und zur Ableitung von Fördermaßnahmen und • Testaufgaben zur Überprüfung des Lernerfolgs gemessen an vorgegebenen Standards. Diese Aufgabenformen haben auf allen Stufen der Sprachbeherrschung im Russischunterricht ihre Berechtigung. Ihre sprachliche und inhaltliche Ausgestaltung muss der jeweiligen Niveaustufe (A1-B2) entsprechen. Probleme beim Sprechen in einer Fremdsprache erwachsen für die Sprecher zumeist aus der Diskrepanz zwischen „Was ich sagen will― und „Was ich sagen kann―. Diese Diskrepanz kann durch Beachtung nachfolgender Hinweise aufgelöst oder zumindest minimiert werden: • ermutigende Atmosphäre im Russischunterricht, • ein ausgewogenes Verhältnis von vorbereitenden Übungsaufgaben, die auf ausgewählte methodisch-strategische Kompetenzen oder Sprachmuster ausgerichtet sind, und Aufgaben zur Sprachausübung (kommunikative Anwendungsaufgaben) absichern, • sorgfältige Auswahl von Themen und Aufgaben, • Situationen initiieren, die das Mitteilungsbedürfnis anregen, • authentische Sprechanlässe schaffen/ simulieren, Aufgaben zur Entwicklung des Sprechens im Russischunterricht - <?page no="139"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 140 • Gelegenheiten schaffen, um erlernte sprachliche Mittel, Sprachmuster und Diskussions- und Konversationsroutinen in veränderten Kombinationen anzuwenden, • sinnvolles Maß an Fehlertoleranz. Die nachfolgenden Ausführungen geben Anregungen für die Gestaltung von Übungs- und Anwendungsaufgaben, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Diese können immer auch Bestandteil von Diagnose- oder Testaufgaben sein (s. Kap. IV). Übungsaufgaben sind primär auf die Festigung von Sprachmustern und methodisch-strategischen Kompetenzen/ Lernstrategien, insbesondere auf die Schulung der inhaltlich und situativ angemessenen Interaktionsfähigkeit, gerichtet. Dabei soll v.a. das Training von Sprachmustern oder festen Redewendungen dem Lerner helfen „eine muttersprachliche Konzeptualisierung― (Decke-Cornill & Küster 2010, 190) zu vermeiden. Durch die gezielte Auseinandersetzung mit Lernstrategien, die mehrheitlich aus der ersten Fremdsprache bekannt sind, können für den Schüler sprachenübergreifende Transfermöglichkeiten aufgezeigt und lernerleichternde Effekte erlebbar gemacht werden (siehe: Kapitel III 2.8. Sprachenübergreifendes Lernen). Mögliche Übungsaufgaben zur Entwicklung von Sprechfertigkeit (vgl. auch die Anregungen von Rampillon 1996, 92ff.) sind: • einen Monolog laut lesen und auswendig lernen, • einen vorgegebenen Dialog mehrmals mit verteilten Rollen laut lesen und durch Abdecken von Redeteilen nachahmen, • Lücken (Einzelwörter, Wortgruppen, ganze Sätze, Fragen) in Mustermonologen oder -dialogen ergänzen, • zu vorgegebenen Wörtern Synonyme oder Antonyme finden, • vorgegebene Wörter umschreiben, • Sätze vereinfachen, • vorgegebene Redemittel 1 einer kommunikativen Absicht (z.B. zustimmen, ablehnen, um Wiederholung bitten, etwas erklären, etwas beschreiben, etwas präsentieren, die eigenen Meinung begründen) oder einem Thema zuordnen, • für einen Musterdialog einen Redeplan anfertigen, • in Mustermonologen oder -dialogen die Umsetzung von Lernstrategien 2 aufzeigen, • in deutscher Sprache vorgegebene einzelne Aussagen ins Russische (sinngemäß) übertragen, • zu vorgegebenen Aussagen Fragen stellen, • auf Fragen/ Aufforderungen reagieren, • Puzzleteile zu einem Monolog oder Dialog zusammensetzen, 1 Die aktuellen Lehrwerke (z.B. Диалог, Конечно, Вместе) enthalten entsprechende Übersichten mit Redemitteln. 2 Die aktuellen Lehrwerke für den Russischunterricht weisen Lernstrategien in übersichtlicher Form aus. Anregung für die Aufgabengestaltung Übungsaufgaben <?page no="140"?> 141 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • Bildern Sprechblasen zuordnen, • Sprechblasen ergänzen, • auf muttersprachig vorgegebene Impulse (Sage, dass ...; Frage, ob ...; Bringe in Erfahrung, ...) in russischer Sprache reagieren. Für kommunikative Anwendungsaufgaben ist besonders zu berücksichtigen, dass Schülerinnen und Schüler nur dann am Sprechen in der Fremdsprache wirklich interessiert sind, wenn der authentische Charakter der kommunikativen Situation für sie nachvollziehbar ist und sie den Eindruck haben, „dass der von ihnen formulierte Inhalt als relevant erachtet wird und ihr Gegenüber tatsächlich erfahren möchte, was sie zu einem Thema zu sagen haben― (Taubenböck 2007, 2). Kommunikative Anwendungsaufgaben sind situativ-thematisch einzuordnen, d.h. Bestandteil einer kommunikativen Aufgabe sollte stets eine Beschreibung der Kommunikationssituation, des Kommunikationsanlasses oder einer zu realisierenden Kommunikationsabsicht sein. Mit diesen Aufgaben wird das freie zusammenhängende Sprechen (z.B. Beschreiben, Berichten, Erzählen, gestaltendes Vortragen) bzw. das Interagieren im Gespräch (z.B. Gespräch zur Herstellung sozialer Kontakte, Gespräch mit Bezug zu Alltagssituationen, Unterhaltungsgespräch, Interview, Diskussion zur Klärung eines Sachverhalts, Debatte zur Herbeiführung einer Pro-Contra-Entscheidung zu einem bestimmten Thema) angestrebt. Kommunikative Aufgaben können angeregt werden durch: • die Nutzung von Rollenkarten, auf denen die jeweilige Sprechabsicht oder Sprechaufgaben in deutscher oder russischer Sprache formuliert sind; letzteres ist einfacher, da das benötigte Sprachmaterial mitgeliefert wird, • den Einsatz von Tandembögen, d.h. Arbeitsblättern mit unterschiedlichen Informationen für Partner A und Partner B; dadurch liegt ein echtes Informationsdefizit vor, • einen vorgegebenen oder vom Schüler selbst erstellten Redeplan, • die Vorgabe einer Geschichte, die zu Ende erzählt werden muss, • die Fortsetzung eines gehörten oder gelesenen Dialogs, • die Versprachlichung von Bildimpulsen/ graphischen Darstellungen, • das Dramatisieren eines monologischen Textes, • das Vermitteln in zweisprachigen mündlichen Situationen und Zusammenfassen von Gehörtem oder Gelesenem in russischer Sprache für eine Person, die die deutsche Sprache nicht beherrscht (siehe: Kapitel III.2.2 Sprachmittlung). Die Entwicklung freien Sprechens benötigt Zwischenschritte. Diese betreffen zunächst die Festigung von Wortschatz und Strukturen und deren gelenkte kommunikative Anwendung. Der Weg zum freien Sprechen schließt also die Bereitstellung von sprachlichen und inhaltlichen Lenkungshilfen ein, muss aber zu deren sukzessiver Zurücknahme führen. Schließlich ist auch im Bereich der freien Rede eine Progression zu beachten. Diese bezieht sich auf den Weg von sprachlich und inhaltlich einfachen zu sprachlich und inhalt- Kommunikative Anwendungsaufgaben Kommunikative Anwendungsaufgaben sind situativ-thematisch einzubetten. Zwischenschritte in der Entwicklung freien Sprechens <?page no="141"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 142 lich komplexeren und kreativen monologischen oder dialogischen Sprechleistungen. Auch ein einfacher, aber von den Schülern ohne Hilfen gestalteter Minidialog ist eine anspruchsvolle Leistung. Für die Gestaltung von Unterrichtsabschnitten, in denen die Entwicklung der Sprechfertigkeit im Mittelpunkt steht, sind insbesondere Methoden des kooperativen Lernens, also Interaktionsformen, bei denen alle Mitglieder einer Gruppe gemeinsam und im wechselseitigen Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben bzw. anwenden (siehe: Kapitel III.2.5 Sozialformen und Binnendifferenzierung) geeignet, z.B.: • Partnerinterview, • Vier-Ecken-Gespräch, • Drei-Schritte-Interview, • Gruppenpuzzle, • Denken-Austauschen-Besprechen, • Kugellager/ Karussell (Innen-Außen-Kreis), • Kontrolle im Tandem (vgl. Behr et al. 2008, 26-33). Auch bei der Kompetenzentwicklung im Sprechen müssen das heterogene Leistungsspektrum und die individuell unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler beachtet und entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden. Eine Möglichkeit mit heterogenen Lerngruppen umzugehen ist die Binnendifferenzierung. Bei Aufgaben, die auf die Sprechentwicklung zielen, sind folgende Differenzierungsrichtungen sinnvoll: Quantitative Differenzierung, z.B.: • unterschiedliche Anzahl von zu lösenden Teilaufgaben, • unterschiedlicher Umfang des erwarteten mündlichen Textes bzw. eines vorgelegten Ausgangstextes, • unterschiedliches Tempo für das Erfüllen einer Aufgabe. Qualitative Differenzierung, z.B.: • unterschiedlicher Komplexitätsgrad oder Abstraktionsgrad der zu erwartenden sprachlichen bzw. inhaltlichen Leistung, • unterschiedlicher Grad der Selbstständigkeit durch Bereitstellung unterschiedlicher lernunterstützender Maßnahmen - sprachliche oder inhaltliche Hilfen, Hilfsmittel, • Nutzung unterschiedlicher Sozialformen - Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, • Nutzung verschiedener Präsentationstechniken. Mögliche Zielgruppen für Differenzierungsangebote bei der Sprechentwicklung sind: • Schülerinnen und Schüler mit (sehr) sicheren Russischkenntnissen, • Schüler und Schüler mit mittleren Russischkenntnissen und mit eingeschränktem, punktuellen Unterstützungsbedarf, Möglichkeiten der Differenzierung in heterogenen Gruppen <?page no="142"?> 143 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • Schülerinnen und Schüler mit geringen Russischkenntnissen und großem Unterstützungsbedarf, • Schülerinnen und Schüler mit russischsprachigem oder slawischem Hintergrund. Die ersten drei Anstriche beziehen sich auf Lerner, deren Muttersprache nicht Russisch ist. Grundsätzlich können Differenzierungsangebote bestimmten Schülerinnen und Schülern von der Lehrkraft zugewiesen oder den Lernern als Wahloption angeboten werden. Das nachfolgende Beispiel will am Thema Наша квартира/ Как я живу für die Niveaustufe A1 mögliche Differenzierungsrichtungen aufzeigen. Расскажи, какая у вас квартира. (mit Unterstützung einer selbst gefertigten Skizze der Wohnung) Zielgruppe a) Schüler mit (sehr) sicherem Leistungsniveau b) Schüler mit russischsprachigem Hintergrund Hilfen: für a) und b) vom Lehrer nicht vorgegeben für b) Zusatzaufgabe: Также расскажи, как живут твои родственники или как жили твои родители (бабушка и дедушка) в России (в Казахстане) ... (mit Unterstützung einer selbst gefertigten Skizze der Wohnung oder Fotos) Dieser Vortrag kann für die deutschsprachigen Schüler als Hörübung genutzt werden. Schüler mit mittlerem Leistungsniveau Hilfen: vorgegebene Fragen als Orientierung - Где вы живёте? - У вас маленькая (большая, хорошая, новая ...) квартира? - Сколько у вас комнат? - Какие у вас комнаты? - У вас есть балкон или терраса? - У тебя есть своя комната? - Какая у вас мебель? Beispiel für Differenzierung auf dem Niveau A1 <?page no="143"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 144 Schüler mit geringem Leistungsniveau, die Lernhilfen benötigen Hilfen: Textbausteine mit Auswahlmöglichkeiten Мы живём в ..., на улице ... У нас маленькая (большая, хорошая, новая) квартира. В квартире у нас две (три, четыре) комнаты. Это гостиная (спальня, детская). У нас есть и кухня (ванная, туалет, коридор, балкон). У меня (с братом, с сестрой) есть своя комната. В комнате у меня (у нас) плеер (телевизор, компьютер). Abb. 15: Differenzierungsrichtung: unterschiedlicher Schwierigkeitsgrad durch lernunterstützende Maßnahmen Zielgruppe: Schüler mit sicheren Sprachkenntnissen Zielgruppe: Schüler mit geringen Sprachkenntnissen Расскажите, какая у вас квартира: большая/ маленькая сколько комнат какие комнаты какая мебель в комнатах Расскажи, какая у вас квартира: большая/ маленькая какие комнаты какая мебель в твоей комнате Abb. 16: Differenzierungsrichtung: Anzahl der Aufgaben Zielgruppe: Schüler mit sicheren Sprachkenntnissen Zielgruppe: Schüler mit geringen Sprachkenntnissen Расскажи, какая у вас квартира. Mündlicher Vortrag ohne/ mit Stichwörter(n) Расскажи, какая у вас квартира. Schriftliche Ausarbeitung vorlesen Abb. 17: Differenzierungsrichtung: verschiedene Präsentationstechniken Moderne Lehrwerke (z.B. Диалог, Конечно) bieten vielfältige vorbereitende Übungen sowie Sprechanlässe für Gespräche und zusammenhängendes Spre- Lehrwerksangebote <?page no="144"?> 145 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten chen im Sinne der kommunikativen Anwendung. Zudem enthalten sie Anregungen für die bewusste Nutzung von Lerntechniken. Sie geben - v.a. als Zusatzangebote - auch Anregungen für differenziertes Arbeiten, incl. Anregungen für die Arbeit mit Lernern, die über einen russischsprachigen Hintergrund verfügen. Lehrwerke können jedoch nur eine Orientierung geben. Für den konkreten Schüler oder eine Schülergruppe muss deren Einsatz stets kritisch hinterfragt und ggf. modifiziert werden. Auch zusätzliche didaktische Materialien wie Rollenkarten, Tandembögen o.ä. können Lehrwerke nur begrenzt zu Verfügung stellen. Aufgaben 1. Erläutern Sie die Komplexität des Sprechens und gehen Sie dabei auch auf das Generierungsmodell für die Struktur einer mündlichen Sprachhandlung ein. 2. Analysieren Sie die Sprechaufgaben in einer Lehrwerklektion und ordnen Sie diese den Fertigkeitsstufen/ Anforderungsbereichen I-III zu. Begründen Sie ihre Zuordnung. 3. Schätzen Sie das Verhältnis von Übungs- und Anwendungsaufgaben für das Sprechen anhand einer Lehrwerklektion für die Niveaustufen A1 und B1 ein. Vergleichen Sie Ihr Analyseergebnis für A1 und B1. 4. Erarbeiten Sie verschiedene Übungs- und Anwendungsaufgaben für das zusammenhängende Sprechen und für ein Gespräch auf den Niveaustufen A2 und B2 zu einem Thema Ihrer Wahl. 5. Formulieren Sie für die unter Punkt 4 erarbeiteten Anwendungsaufgaben mögliche Differenzierungsangebote für unterschiedliche Leistungsgruppen. Weiterführende Literatur Kurtz, J. (2010): „Sprechen und Aussprache―. In: Hallet, W. & Königs, F. G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber, 83-87. Lütge, Ch. (2010): „Sprechen―. In: Surkamp, C. (Hrsg.): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Stuttgart/ Weimar, 291-294. Miroljubova, A. A. (Hrsg.) (Миролюбова, А. А.) (2010): Методика обучения иностранным языкам: традиции и современность. Титул: Обнинск. Ritter, M. & Rogge, M. & Winz, P. & Wirtz-Kaltenberg, P. (Hrsg.) (2011): Let’s talk! Eine Handreichung für die mündlichen Prüfungen in den Klassenstufen 5-12. Berlin. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.) (2005): Time to talk! Parlons! Parliamo! ¡Tiempo para hablar! Пора поговорить! Eine Handreichung zur Mündlichkeit im Unterricht der modernen Fremdsprachen. Berlin. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (Hrsg.) (2011): Sprachen Leben. Kompetenzorientierte Aufgaben in den modernen Fremdsprachen, Band 1. Berlin. <?page no="145"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 146 3.4. Kommunikative Sprachaktivität Schreiben Anka Bergmann Für die Tertiärsprache Russisch ist Schreiben von Beginn an Bestandteil des Unterrichts. Der zügige Erwerb des Schriftsystems (vgl. III.4.2) ist die Grundlage für den Erwerb von Schreibkompetenz mit dem Ziel der kommunikativ angemessenen Formulierung sprachlich eigenständiger Texte (vgl. Beck & Klieme 2007, 51). Bei der Fähigkeit zur Produktion von Texten handelt es sich um eine spezifisch sprachliche komplexe (d.h. sich aus Teilkenntnissen und -fähigkeiten zusammensetzende) Fähigkeit, die eng mit der Lesekompetenz verknüpft ist. Die schriftbezogenen Kompetenzen Lesen und Schreiben werden zusammen als Literalität oder literale Kompetenz gefasst und bilden die Voraussetzung für die Teilnahme am sozialen, kulturellen und beruflichen Leben der Sprachgemeinschaft. Auch in der Fremdsprache ist Schreibfähigkeit die Basis für die erfolgreiche Bewältigung von vielfältigen Situationen in der zielsprachlichen alltags- und berufsweltlichen Lebenspraxis. Das Sichtbarmachen von Sprache in Schrift enthebt die Sprache der Flüchtigkeit: der Text stellt die gemeinsame Schnittstelle zwischen den Teilnehmern einer kommunikativen Handlung (Schreiber und Leser) dar, die sich für gewöhnlich in unterschiedlichen Situationen befinden. Texte müssen daher ohne Unterstützung von Parametern der kommunikativen Situation verständlich sein. Schriftlichkeit zeichnet sich „durch einen nahezu ausschließlich mit sprachlichen Mitteln hergestellten Typ von Textkohärenz aus, der eine durchstrukturierte semantische Progression und eine explizite Verkettung zwischen Sequenzen im Text erfordert.― (Koch & Oesterreicher 1994, 590) Diese Situationsentbundenheit bildet die Grundlage für die Konservierung und den Transfer von Wissen mittels Texten in der Sprachgemeinschaft. 3.4.1 Schreiben im Fremdsprachenunterricht Um angemessene Texte in der Fremdsprache zu produzieren, muss der Lerner folglich sprachliche Äußerungen so konzipieren, dass sie aus sich heraus über Raum und Zeit hinweg verständlich sind (= zerdehnte Kommunikation). Dafür sind spezifische lexikalische, grammatische und pragmatische Mittel erforderlich. Die Schüler lernen in der Fremdsprache zweck-, adressaten- und sachbezogen zu schreiben, wenn sie Schreibaktivitäten ausführen, die gezielt auf Kommunikation in Realsituationen vorbereiten. Schreiben ist im Fremdsprachenunterricht aber nicht nur Zielfertigkeit im Sinne kommunikativen Schreibens, sondern erfüllt in hohem Maße lernprozessbezogene Funktionen, ist also Mittlerfertigkeit (vgl. Bausch et al. 2003, Feilke 2002, Kast 1999, Surkamp 2010). Die Schüler schreiben nicht nur, um Texte zu produzieren, sondern um gelernte Inhalte und sprachliche Strukturen (Vokabeln, Grammatik) zu sichern, sie fertigen Notizen für mündliche Präsentationen oder für Stichwort- und Materialsammlungen an. Schreiben ermöglicht eine zeitgleiche individuelle Sprachproduktion aller Lernenden und ist daher eine effektive und kontrollierbare Tätigkeit im Rahmen von Hausaufgaben, Übungen und Tests. Wenn schriftliche Arbeiten Grundlage für Ziel der Schreibentwicklung im Tertiärsprachenunterricht ist die kommunikativ angemessene Formulierung sprachlich eigenständiger Texte. Schreiben als Zielfertigkeit und als Mittlerfertigkeit <?page no="146"?> 147 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Leistungsbewertung sind, werden durch das Aufschreiben Leistungen gesichert und überprüft, die eigentlich auf einer anderen Ebene liegen, z.B. das Verfügen über sprachliche Mittel, die formale Richtigkeit oder Verstehensleistungen. Lernpsychologisch bedeutsam ist der Umstand, dass das Schriftbild nachweislich die Behaltensleistung erhöht. Informationen werden besonders gut eingeprägt, wenn sie über mehrere Sinneskanäle aufgenommen werden. Schreiben dient darüber hinaus der Integration der Fertigkeiten (Zusammenhang zwischen Sprechen und Schreiben, Lesen und Schreiben, Hören und Schreiben) (vgl. Kast 1999, 21). Eine kognitive Funktion erfüllt Schreiben als Hilfe bei der Strukturierung geistiger Handlungen: es ist eng mit der Entwicklung unseres Denkens und vor allem mit Ordnungsprinzipien verbunden: Gedanken müssen gesammelt, geordnet und sachbezogen reflektiert werden. Dieser Aspekt schließt das erkenntnisfördernde und Wissen generierende epistemische Schreiben ein (vgl. Zydatiß 2005, 131). Ein für das Fremdsprachenlernen wichtiger Aspekt ist zudem, dass Schrift Text sichtbar und zugänglich für die Beobachtung des eigenen sprachlichen Handelns macht. In den Texten der Lerner spiegelt sich deren jeweiliger Entwicklungsstand wieder. Dies eröffnet Möglichkeiten des Zurückkehrens zum Text, der intensiven Reflexion über Inhalte und Darstellungsweisen und des wiederholten Überarbeitens. Angesichts der genannten Gründe kommt Schreibfertigkeiten im schulischen Kontext eine höhere Relevanz zu als in außerschulischen Kontexten, in denen das Schreiben gegenüber den anderen sprachlichen Aktivitäten eine relativ untergeordnete Rolle hat. Eine gewisse „Renaissance― (Zydatiß 2005, 129) des zielsprachlichen Schreibens ist mit der Verbreitung elektronischer Medien zu beobachten. Schreibaktivitäten wie e-mail-Korrespondenzen, chats, blogs und Computerkonferenzen stellen dabei spezifische Anforderungen im Schreibprozess. 3.4.2 Schreibfähigkeit als Ziel des Fremdsprachenunterrichts Als Zielfertigkeit hat das Schreiben in der Geschichte des Fremdsprachenunterrichts kein einheitliches Verständnis erfahren (vgl. Surkamp 2010, 260). In Abhängigkeit von der vorherrschenden fremdsprachendidaktischen Konzeption war es zuweilen stark instrumentalisiert, z.B. im Herübersetzen fremdsprachlicher Texte, bzw. ihm wurde als Zielfertigkeit angesichts einer Dominanz von Mündlichkeit keine oder eine untergeordnete Rolle beigemessen. So wird verschiedentlich festgestellt, dass auch zu Anfangszeiten des kommunikativ orientierten Fremdsprachenunterrichts einer funktional differenzierten Schreibkompetenz kein hoher Stellenwert zugemessen wurde (Kast 1999). Damit verbunden ist, dass spezifische Anforderungen, die das Schreiben als produktive Tätigkeit an den Lerner stellt, nicht erkannt werden bzw. sie nicht als bedeutsam eingeschätzt werden. So gehen z.B. Buchbinder & Strauß (1986, 212) davon aus, dass nur geringe Unterschiede zwischen der mündlichen und der schriftlichen Darstellungsform bestehen und dass mit Ausnahme der orthographischen Komponente vor allem beim monologischen Sprechen alle Bedingungen gegeben sind, die auch für das Schreiben wichtig Funktionen des Schreibens im Fremdsprachenunterricht Schreiben als Zielfertigkeit in der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts <?page no="147"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 148 sind. Dies verkennt die Tatsache, dass es eben nicht gleichgültig ist, ob ein Text schriftlich oder mündlich übermittelt wird, denn erst das Medium der Schrift ermöglicht die Verlangsamung des Produktionsprozesses und eröffnet Möglichkeiten des vielfältigen Zurückkehrens zum Text, wobei die Spuren des Korrigierens gelöscht werden können. Mit der kommunikativ-pragmatischen Wende in der Fremdsprachendidaktik erfolgte ein Paradigmenwechsel, der sich vor allem auf den Bereich der Lernziele bezog (Berücksichtigung pragmatischer und soziolinguistischer Komponenten der Kommunikation) und eine Hinwendung zum Lerner mit seinen Lernbedürfnissen und Lernprozessen bewirkte. Damit rückte der Schreibende stärker in den Blickpunkt und Aspekten des Schreibprozesses wurde verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Die freie Textproduktion als Ziel des Fremdsprachenunterrichts setzt sich demnach erst am Ende des 20. Jahrhunderts immer stärker durch. 3 Im kommunikativen Ansatz wird Schreiben als soziales Handeln aufgefasst. Das Produkt des Schreibprozesses, der Text 4 , erfüllt eine bestimmte Funktion (eine Information weiterzugeben und etwas zu bewirken). Kommunikatives Schreiben ist situationsgebunden und erfolgt auf einen Schreibanlass hin. Da es echte Schreibanlässe im Unterricht kaum gibt, sollten Lehrkräfte bemüht sein, Schreibanlässe zu schaffen, die insofern „authentisch― sind, als sie den Kommunikationsbezug zwischen Schreiber, Adressat, Schreibsituation, Form und Inhalt klären und die Faktoren, die beim kommunikativen Schreiben in Realsituationen beachtet werden müssen, nachempfinden. Die aktuellen Bildungsstandards zielen auf den Erwerb einer differenzierten Schreibfähigkeit im Fremdsprachenunterricht ab. Inwieweit die in den Bildungsdokumenten formulierten Anforderungen erreicht werden und über welche Schreibkompetenzen die Schüler im Ergebnis schulischen Fremdsprachenunterrichts tatsächlich verfügen, ist bislang wenig erforscht. Zum Englischen liegen mit der DESI-Studie (Harsch et al. 2008) und Zydatiß (2005) erste empirische Leistungsstudien vor, die (u.a.) Schreibfähigkeiten der Schüler erfassen. Knorr & Nardi (2011) stellen in einer Untersuchung zu fremdsprachlichen Schreibfähigkeiten von Lehramtsstudierenden Defizite im Bereich kohärenten, sprachlich korrekten Schreibens auch bei hohem sprachlichem Niveau fest. Sie plädieren für eine explizite Thematisierung informationsstruktureller Muster im Unterricht, um kohärentere und zielsprachlich adäquatere Textproduktionen zu erreichen. Zydatiß (2005, 128) konstatiert, dass in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts noch sehr das (allein funktionell-instrumentell begründete) reproduzierend-reorganisierende Schreiben im Vordergrund steht mit der Folge, „dass im Fremdsprachenunterricht generell (zu) wenig geschrieben wird, was über das schematische, reproduzierende Einüben bestimmter Textvorlagen hinausgeht―. Dies gilt sicher auch für den Russischunterricht. Ähnlich bezieht sich die Kritik 3 Anstöße dafür lieferten insbesondere die Erkenntnisse der Schreibforschung zum muttersprachlichen und zweitsprachlichen Deutschunterricht (z.B. Portmann-Tselikas & Schmölzer-Eibinger 2008, Schmölzer-Eibinger 2008b, Becker-Mrotzek & Böttcher 2012). 4 Die Funktion des Schreibens geht weitgehend in der des Produkts auf (s. Portmann 1991, 189). Differenzierte Schreibfähigkeit als Zielvorgabe in der Gegenwart <?page no="148"?> 149 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Segermanns (2005, 241) auf den späten Beginn des Schreibens anspruchsvoller ‚echter Texte‗ im Fremdsprachenunterricht, das erst nach einer Phase der Aneignung der sprachlichen Mittel beginnt. Segermann plädiert für ein synergetisches Modell, in dem alle Sprachfächer gemeinsam die Entwicklung der Schreibfähigkeit an dem jeweiligen Reifegrad der Schüler ausrichten, und in dem die sprachlichen Mittel von Beginn an für einen kontextsensitiven Gebrauch im Rahmen von Texten bereit gestellt (d.h. mit ihren Funktionen erfahren und in lexiko-grammatischen Bausteinen verfügbar gemacht) werden. Neben dem funktionalen, also zweckgebundenen, unmittelbar auf Informationsvermittlung gerichteten Schreiben sollte auch Raum und Zeit für kreatives Schreiben sein. Von kreativem Schreiben spricht man, wenn Lerner eigene Texte schreiben, entweder ganz frei oder mit strukturgebenden Vorlagen. Dabei bringen sie ihre persönlichen Erfahrungen, ihre Wertungen und Emotionen zum Ausdruck (Kast 1999, 126) und erhalten Gelegenheit, ihre sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten auszuprobieren, ohne Angst vor negativer Bewertung. Die Texte laden zur Reflexion und zum Weiterschreiben ein. Verfahren des kreativen Schreibens wurden vor allem im Zusammenhang mit rezeptionsästhetischen Verfahren der literarischen Textarbeit entwickelt, vgl. Küster & Grünewald (2009, 198). Das kreative Schreiben bedarf motivierender Schreibanstöße, z.B. interessanter visueller Vorlagen o.ä. und vorbereitender Übungen. Anregungen zum kreativen Schreiben s. in einem Handbuch für kreatives Schreiben (Pommerin et al. 1996), geeignete Schreibanstöße bespricht Kast (1999). Aus spracherwerbstheoretischer Sicht wird die Bedeutung des Schreibens im Fremdsprachenunterricht insbesondere mit der Bedeutsamkeit des Output, d.h. der mündlichen und schriftlichen Sprachproduktion, begründet, die in der neueren Zweitspracherwerbsforschung (vor allem in den Arbeiten von Swain) erforscht wird (vgl. Zydatiß 2005, 130f.). Schüler lernen auf der Basis von Input (Lehreräußerungen, Lehrmaterialien, authentische Texte) eine Sprache verstehen und können insbesondere gesprochene Sprache dekodieren. Dieser Prozess ist semantisch determiniert, d.h. verläuft vor allem auf der Basis von Wortbedeutungen, deren Beziehungen erschlossen werden, teilweise unter Zuhilfenahme des (situativen) Kontextes oder durch Rückfragen. Der Rezipient benötigt dafür nur in eingeschränktem Maße system- und textlinguistisches Wissen. Bei einer aktiven und wie beim Schreiben stark geplanten Sprachproduktion ist demgegenüber eine syntaktische Verarbeitung erforderlich. Die Anforderung Output zu produzieren zwingt die Lerner, sich mit den eigenen sprachlichen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, Lücken zu erkennen und (kann) sie motivieren, diese Lücken zu schließen, d.h. die entsprechend benötigten Mittel zu suchen und zu prüfen, ob sie die erforderliche kommunikative Leistung erfüllen, den Output ggf. zu überprüfen und zu modifizieren. „Das textgebundene Schreiben bringt die Lernenden von der semantischen zur syntaktischen Verarbeitung des Input bzw. des eigenen Output, womit ein eigenständiger kausaler Faktor für einen weiteren Spracherwerb konstituiert wird.― (ebd., 131) Im Unterricht sollte Raum für kreatives Schreiben sein. Spracherwerbstheoretische Begründung des Schreibens in der Fremdsprache <?page no="149"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 150 3.4.3. Schreibkompetenz Schreibkompetenz als pragmatisch zu konstruierendes Konstrukt, als eine Fähigkeit zum sprachlichen Handeln in einem Handlungskontext, erfordert umfangreiche Leistungsdispositionen. Neben sprachsystematischen Kenntnissen setzt der Lerner sein Weltbzw. Sachwissen sowie sein Handlungs- und Interaktionswissen ein und muss gleichzeitig die Kenntnisse des Lesers in diesen Bereichen berücksichtigen (vgl. Beck & Klieme 2007, 43). Schreibkompetenz setzt sich demzufolge aus spezifischen Teilfähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in unterschiedlichen Dimensionen zusammen. Sprachlich-kognitive Dimension: Während in der mündlichen Kommunikation eine gemeinsame Kommunikationssituation die Basis für eine erfolgreiche Verständigung schafft, muss der situative Kontext vom Schreiber erst hergestellt werden. Dies verlangt den Einsatz spezifischer lexikalischer, grammatischer und pragmatischer Mittel; z.B. werden deiktische Ausdrücke durch absolute ersetzt, hypotaktische Satzkonstruktionen verwendet, um Zusammenhänge explizit zu machen, über Makrostrukturen, Textmuster, Formulierungsmuster werden Situations- und Adressatenbezug realisiert (vgl. Becker-Mrotzek & Böttcher 2012, 49; zu Textroutinen s. Feilke 2012). Zum Bereich der (schrift)sprachlichen Fähigkeiten gehören neben der notwendigen • Kenntnis lexikalischer und grammatischer Strukturen; • Schriftkenntnisse: Kenntnis der graphischen Zeichen und eine weitgehend automatisierte Assoziation der Buchstaben mit den Lautwerten; • Orthographiekenntnisse: Kenntnis der orthographischen Form einzelner sprachlicher Einheiten und orthographischer Regeln; Kenntnis der satz- und textbedingten graphischen Mittel (Kommasetzung, Satzzeichen); • Pragmatische Schreibfähigkeit: Verfügen über Muster (Wissen um Text sorten als komplexe Muster der sprachlichen Kommunikation), die in Form von Phrasen (Formulierungsmustern) und Makrostrukturen (Gliederung) die Grundlage für die Bewältigung wiederkehrender schriftsprachlicher Handlungen bereitstellen (vgl. Becker-Mrotzek & Böttcher 2012, 50). Sozial-kognitive Dimension: Beim Formulieren eines Textes kommt es ebenso darauf an, dem Kriterium der Angemessenheit zu genügen, was wiederum eine adäquate Analyse der Schreibziele und des Adressatenbezugs voraussetzt. Daher verfügt Schreibkompetenz auch über eine sozial-kognitive Dimension: insbesondere ist damit die Fähigkeit zur Abstraktion, Antizipation und Perspektivübernahme gemeint (vgl. ebd., 50), aufgrund derer der Schreiber in der Lage ist einen Text leserorientiert zu konzipieren. Prozessual-organisatorische Dimension: Der Lerner muss zudem den Schreibprozess organisieren und insbesondere Planungs- und Prüfstrategien einsetzen. Beim Schreiben werden produktive und reflexive Teilfähigkeiten miteinander verschränkt und von Fertigkeiten der Formulierung und sprachlichen Gestaltung überlagert. Schreibkompetenz setzt sich aus spezifischen Teilfähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in unterschiedlichen Dimensionen zusammen. <?page no="150"?> 151 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Texte als Produkte eines Schreibprozesses spiegeln das lernerseitige Verfügen über erforderliche Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten. So werden die genannten inhaltlichen und kognitiven Aspekte in der DESI-Studie als Leistungsdimensionen angesetzt und bilden die Grundlage für folgende Analysekriterien zur Einschätzung der Schreibkompetenz der Lerner: • Sprachliche Kriterien: Orthographie, Lexik/ Lexiko-Grammatik, Grammatik, sprachliche Organisation (jeweils bezogen auf Umfang und Korrektheit der sprachlichen Mittel) • Textsortenbezogene Kriterien: Textsorte/ Aufbau • Pragmatische Kriterien: Inhalt, Länge, kommunikative Wirksamkeit (angemessene Versprachlichung relevanter Ideen und Adressatenbezug) Vor der Beurteilung dieser analytischen Kriterien steht ein Globalurteil, da das Textganze nicht zwingend als Summe der Teile zu sehen ist. (Übersicht der DESI Bewertungskriterien in Beck & Klieme 2007, 58). 3.4.4 Ablauf des Schreibprozesses Wie die vielfältigen Teilkompetenzen im komplexen Schreibprozess zusammenwirken, wurde in der Schreibforschung in verschiedenen Modellen erklärt. Erstmals haben Hayes & Flower (1980) den Schreibprozess zur Produktion eines Textes systematisch als Prozess des Lösens eines Problems analysiert, der aus mehreren Schritten besteht. Als grundlegende Phasen des Schreibprozesses gelten die Schritte des Planens, Formulierens und Überarbeitens. Der Ablauf lässt sich in Anlehnung an Becker-Mrotzek & Böttcher (2012, Kap. 2.1) folgendermaßen skizzieren: Zunächst muss der Schreiber einen Schreibanlass sehen und eine Schreibmotivation entwickeln, die er anschließend in ein konkretes Ziel umsetzt. Unter Berücksichtigung der Parameter der aktuellen Schreibsituation bildet er einen Schreibplan (oder greift entsprechend seinem sprachlichen Wissen auf vorhandene Pläne zurück). Die Planbildung berücksichtigt auch Schreibwerkzeuge und Recherchemöglichkeiten. Für die Formulierung müssen passende sprachliche Ausdrücke gefunden und verschriftlicht werden. Dies kann ohne oder mit (schriftlichem) Entwurf erfolgen, bei komplexen Texten werden die Stadien Zielsetzung - Planen - Ausführen mehrmals durchlaufen. Schließlich wird der Text in inhaltlicher und formaler Hinsicht überprüft und ggf. überarbeitet, bevor er zum Lesen freigegeben wird. 3.4.5 Schreibentwicklung in der Fremdsprache (Fremdsprachen)Lerner greifen bei Schreibaufgaben auf Wissensbestände und produktive Fertigkeiten zurück, die sie im Laufe ihrer Schreibsozialisation erworben haben (vgl. Fix & Melenk 2002, 34). Daher laufen Schreibprozesse in der Fremdsprache immer vor der Folie der muttersprachigen Schreiberfahrungen ab. Sowohl hinsichtlich der Wissensbestände als auch im Umfang und Grad der Automatisierung des Zugriffs auf die sprachlichen Mittel unterscheiden sich jedoch muttersprachliche und fremdsprachliche Schreibprozesse. Zudem ist in der Fremdsprache der Grad der Vorentlastung sowohl Analysekriterien zur Einschätzung der Schreibkompetenz der Lerner bei DESI Grundlegende Phasen des Schreibprozesses: Planen, Formulieren, Überarbeiten <?page no="151"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 152 inhaltlich als auch formal-strukturell (z.B. wegen fehlender Textsortenkenntnis) geringer. Gerade bei komplexen Schreibaufgaben bereitet die gleichzeitige Realisierung der Anforderungen Schwierigkeiten. In systematischen Lehr-Lern-Prozessen müssen die einzelnen Komponenten des komplexen Schreibvorgangs aufgebaut und geübt werden, was wenigstens phasenweise eine gewisse Isolation erfordert. Die Vermittlung erfolgt dabei im Allgemeinen vom Wort über den Satz zum Text. „Die Entwicklung einer umfassenden Schreibkompetenz kann man sich auf einem Kontinuum vorstellen, das bei Lernanfängern mit der schriftlichen Fixierung und Reproduktion von Wörtern, Strukturen und kleinen Texten beginnt und bei der freien Textproduktion endet, mit der eine umfassende Schreibkompetenz in der Fremdsprache einhergeht.― (Surkamp 2010, 262) Es gibt allerdings keine einheitliche Auffassung in der Fremdsprachendidaktik zu notwendigen Sequenzen oder Stufen fremdsprachlicher Schreibentwicklung. Portmann (1991) unterscheidet drei grundlegende schreibdidaktische Ansätze: • den direktiven Ansatz, der das gelenkte Schreiben in geschlossenen Aufgabenformaten übt und mit engen Vorgaben den Fokus auf sprachliche Elemente und Strukturen als Vorstufe des freien Schreibens richtet; • den textlinguistischen Ansatz, der sich auf die Erarbeitung textkonstituierender Merkmale von Anfang an und das Kennenlernen, die Erarbeitung und Anwendung spezifischer Mittel und Verfahren der Textherstellung in einem rekursiven Zyklus richtet; • den prozessorientierten Ansatz, der „das Schreiben eines Textes zum Anlass und Zentrum des ganzen Bestrebens überhaupt― (ebd., 385) macht und sich daher nicht auf Teilfertigkeiten konzentriert, sondern das Schreiben als Organisation verschiedener Arbeitsprozesse betrachtet. In der unterrichtlichen Praxis können diese Ansätze überlappen und die jeweiligen Übungen finden an unterschiedlichen Punkten einer Progression des Schreibenlernens ihren Platz. 3.4.6 Curriculare Anforderungen an die Entwicklung von Schreibkompetenz im Russischunterricht Die Russisch-Lehrpläne in den Bundesländern bilden Anforderungen für die Kompetenzentwicklung im Bereich des Schreibens ab. Sie orientieren sich im Wesentlichen an den Anforderungen der entsprechenden Niveaustufen des GeR. Dort stehen Beispielskalen für die schriftliche Produktion allgemein, für kreatives Schreiben sowie für das Schreiben von Berichten und Aufsätzen zur Verfügung (GeR, Kap. 4.4.1.2). Die allgemeine Kompetenzentwicklung verläuft demnach von der Produktion einfacher, isolierter Wendungen und Sätze (A1) über deren Verbindung zu einer Reihe einfacher Wendungen und Sätze mittels Konnektoren (A2) hin zum Verfassen zusammenhängender Texte ab Niveaustufe B1. Dies sind zunächst unkomplizierte Texte zu vertrauten Themen (B1), in denen die Sätze teilweise noch in linearer Abfolge verbunden sind. Die weitere Progression erfolgt über eine Ausweitung der Themen, zunehmende Komplexität der Satz- und Textstrukturen und die Grundlegende schreibdidaktische Ansätze Niveaugestufte Anforderungen in der Ausbildung von Schreibkompetenz <?page no="152"?> 153 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Entwicklung eines angemessenen Stils. Am Ende der Sekundarstufe II sollen Russischlerner entsprechend den Anforderungen von B2 „selbstständig textsortenspezifische und adressatengerechte, gut strukturierte Texte zu komplexen Themen― (vgl. Rahmenlehrplan Russisch, Sekundarstufe II, Berlin) erstellen können. Die Aufgabenstellungen und Bewertungsmaßstäbe ergeben sich aus den (bereits im Abschnitt zum Sprechen besprochenen) Anforderungsbereichen der EPA Russisch, die ein Kontinuum nach Abhängigkeit vom Ausgangstext und Grad der produktiven Eigenleistung bilden: 1. Reproduktion/ Textverstehen (z.B. дать/ написать (краткое) изложение основных пунктов текста; передать (главное) содержание текста; пересказать основную информацию u.ä.) 2. Reorganisation/ Analyse (z.B. проанализировать/ рассмотреть/ охарактеризовать/ объяснить/ сравнить/ сопоставить ... ситуации/ обстоятельства/ взаимоотношения/ герои u.ä.) 3. Gestalten/ Auseinandersetzen/ Werten. (z.B. высказать свое мнение/ обсудить/ оценить/ прокомментировать; написать комментарий; обосновать свое мнение u.ä.) Für die Sekundarstufe 1 kommen vor allem standardisierte bzw. deutlich strukturierte Textformate wie Formulare, Anfragen, Fragebögen, Bewerbungen, Lebenslauf, aber auch einfache Mitteilungen, persönliche Briefe, Tagebucheinträge und Zeitungsartikel in Frage. Für leistungsstarke Schüler werden darüber hinaus z.B. im Berliner Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe 1 Empfehlungen von Büchern und Filmen und Stellungnahmen als relevante Textsorten genannt. Zudem verweisen die Lehrpläne auf Formen kreativen Schreibens etwa beim Ergänzen fiktionaler Texte oder dem Entwerfen von Spielszenen und Scripts für Videos. Solche Textsortenkataloge geben die Lehrpläne der Bundesländer allerdings in unterschiedlichem Umfang vor, ein verbindliches Spektrum zu bearbeitender Textsorten oder wenigstens eine Empfehlung für eine Progression im Bereich der Textsorten gibt es bislang nicht. Ein wichtiger Orientierungspunkt für Entscheidungen der Lehrkraft ist der GeR, der für die Niveaustufe B1 vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit sowie Situationen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet, in den Mittelpunkt stellt, in denen sich der Lerner einfach und zusammenhängend äußern und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben soll. Die curricularen Vorgaben für die Sekundarstufe II sind über das persönliche Umfeld hinaus auf komplexere soziale, politische, wirtschaftliche, kulturelle, ästhetische Zusammenhänge, Gegebenheiten und Entwicklungen ausgerichtet. Ziel ist es, dass der Lerner sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben kann. Hinweise auf mögliche Situationen und dafür relevante Textsorten kann die Übersicht Externer Verwendungskontext (GeR, Kap. 4.1.2, 54) geben, die in den Kategorien Orte, Institutionen, Personen, Objekte, Ereignisse, Handlungen, Texte Situationen der Sprachverwendung in den Lebensbereichen (Domänen) beschreibt, in denen das soziale Leben organisiert ist. Für Textformate für Schreibaufgaben <?page no="153"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 154 allgemeine Zwecke des Sprachenlernens spezifiziert der GeR die Domänen privater, öffentlicher, beruflicher und Bildungsbereich. Eine Konkretisierung sollte im schulinternen Curriculum erfolgen bzw. liegt in der Entscheidung der einzelnen Lehrkraft. Für eine systematische Entwicklung des Schreibens als Bestandteil eines funktionalen Sprachunterrichts steht eine Präzisierung der Texttypologie im Hinblick auf ein schulstufenübergreifendes, progressiv fortschreitendes Schreibcurriculum aus sowie eine Ausdifferenzierung nach verschiedenen Ansätzen der fremdsprachlichen Schreibschulung (produkt-, prozess- oder genrebezogenes bzw. kreatives Schreiben) (vgl. Zydatiß 2005, 96). 3.4.7 Schreibaufgaben Zur Entwicklung von Schreibfähigkeit als einer komplexen Handlungskompetenz bedarf es herausfordernder, situierter Schreibaufgaben, die ein vernetztes, aktives Wissen schaffen. Das Kommunikationsbedürfnis, die Motivation zum Schreiben, die im Leben durch persönliche oder berufliche und gesellschaftliche Anforderungen entsteht (Schreiben eines Briefes, Notizen für einen Vortrag, Mitteilung, Wiedergabe eines Textinhalts) wird im Fremdsprachenunterricht durch die Aufgabenstellung aufgenommen. Diese muss das Ziel enthalten, das mit der schriftlichen Leistung erreicht werden soll, zudem den Adressaten und die Situationsparameter benennen. Diese „funktionale Konturierung― (Becker-Mrotzek & Böttcher 2012, 98) determiniert die Strukturierung der Inhaltselemente sowie die stilistisch angemessene Auswahl und Anordnung der sprachlichen Mittel; dies muss auch das Kriterium sein für die Einschätzung, ob die Aufgabe erfolgreich erfüllt wurde. Zu Schreibübungen liegen in der didaktischen Literatur verschiedene Klassifikationen vor. Aus der Perspektive des Schreibprozesses wird unterschieden zwischen schreibvorbereitenden und textproduzierenden Übungen (vgl. Börner & Vogel 1992, Börner 1998, Kast 1999, Bausch et al. 2003 u.a.). Zur Schreibvorbereitung zählen zum einen Übungen, die ganz allgemein dazu dienen, das Schreiben von Texten vorzubereiten, indem sie die erforderlichen (Teil)Fähigkeiten entwickeln, z.B. (Recht)Schreibgewohnheiten, Wortschatzerweiterung und -differenzierung, Geläufigmachen von grammatischen Strukturen, Kohärenzmitteln, Analyse von Textmustern. Der Vorbereitung einer Textproduktion dienen darüber hinaus thematisch gebundene Wortschatzübungen zur Aktivierung und Erweiterung jener Wortschatzbereiche, auf denen die Lerner bei der Textproduktion aufbauen können. Dabei entstehen bereits Ideen und Gedankennetze, die für die inhaltliche Planung relevant sind. In Assoziogrammen werden Assoziationen gesammelt: zunächst als einfache Wortsammlung, in einem weiteren Schritt können durch inhaltliche Ordnung der Wörter Bündel oder Ketten gebildet werden, die später thematisch ausformuliert werden (v.a. für das kreative Schreiben). Ebenso kann durch Brainstorming oder das Erstellen von Mindmaps, in denen Gedanken und Schlüsselbegriffe thematisch geordnet sind, eine mögliche Struktur des Themas und evtl. bereits eine innere Gliederung des Textes abgebildet werden (v.a. für fortgeschrittene Lerner). Eine Reihe von Wortschatzübungen, die zur Vorbereitung einer Textproduktion geeignet sind, s. bei Kast (1999, 37ff.). Situationsparameter in Schreibaufgaben Klassifikation von Schreibübungen: Schreibvorbereitung und Textproduktion <?page no="154"?> 155 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Die Vorbereitung der fremdsprachigen Textproduktion wird in hohem Maße durch Lesen unterstützt. Wenn Texte gelesen werden, deren Inhalte wichtig sind und weiter verwendet werden sollen, geht der Schreibphase eine Lesephase voraus: es können z.B. Notizen angefertigt und Inhalte zusammengefasst werden, die anschließend für die Produktion zur Verfügung stehen. Die Anforderung selbst einen Text zu schreiben, unterstützt die Verarbeitung des Gelesenen in hohem Maße und regt dazu an, typische Merkmale (Baupläne, sprachliche Mittel) von Text(sort)en und Normen der Schriftlichkeit zu erlesen. Eine weitere Differenzierung von Übungen bezieht sich auf das Verfügbarmachen von sprachlichen Mitteln zur Herstellung von Textualität: Kast (1999) unterscheidet hier zwischen aufbauenden und strukturierenden Übungen. Als aufbauende Übungen werden die bezeichnet, die den Übergang vom Wort zum Satz zum Text vollziehen und sich mit textlinguistischen Einzelphänomenen befassen: Satzgliedstellung, Informationsanordnung (Thema- Rhema), Konnektoren, Satzanfänge, Satzmuster (Arbeit mit Satzkarten), Satzkombinationen (aus mehreren Sätzen einen machen). Strukturierende Übungen nach Kast sind zum schrittweisen Aufbau sprachlicher Komplexität geeignet, wobei der reproduktive Anteil schrittweise zugunsten des produktiven Schreibens zurücktritt. Das sind z.B.: • Texte umformen und dabei aus einer neuen Perspektive schreiben (aus einem Dialog eine Erzählung, aus einem Erlebnisbericht einen Zeitungsartikel machen; einen Text aus der Perspektive verschiedener Akteure formulieren etc.); • Texte aus vorgegebenen Elementen schreiben oder Texte ergänzen (z.B. zu einem vorgegebenen Text einen Textteil - Anfang, Mitte, Schluss - schreiben); • Textzusammenfassung schreiben; • Text zu einer Bildergeschichte schreiben; • Textbaupläne/ Textschablonen erarbeiten. Durch die Struktur von Vorlagen werden Lerner gelenkt. So geben z.B. Bildergeschichten eine Handlungsstruktur vor, die zu verschriftlichen ist, daneben lässt die Vorlage aber in bestimmtem Maße auch Raum für individuelle Interpretation. Bei der Umformung eines vorgegebenen Textes muss zunächst der wesentliche Inhalt ermittelt und strukturiert werden, Lerner verschaffen sich dabei Einsichten in Textbaupläne und lernen Techniken, wie man Wesentliches vom Unwesentlichen unterscheidet. Diese helfen wiederum gute Texte zu schreiben. In der Formulierungsphase entsteht in der Regel mit ersten Formulierungen (Hauptsätze, Satzteile) zunächst ein Entwurf, erst dann folgt die lineare Formulierung, bei der die Teile durch die Verwendung von Konnektoren und Verweismitteln miteinander verbunden und aufeinander bezogen werden. Bereits während des Aufschreibens wird der Schreiber streichen, neu formulieren, Passagen überlesen und Lücken durch Nachschlagen oder andere Strategien füllen. „Das ist ein ständiges Wechselspiel zwischen absteigenden (top down) und aufsteigenden (bottom up) Prozessen, ein ständiges Vergleichen zwischen dem, was da steht und was da stehen soll.― (Kast 1999, 124) Textualität aufbauende und textstrukturierende Übungen Lenkung durch die Struktur von Vorlagen Formulierungsphase <?page no="155"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 156 Dabei werden Diskrepanzen zwischen einem Mitteilungsbedürfnis und lernerseitigen Realisierungsmöglichkeiten sichtbar. Je sicherer Fertigkeiten auf der sprachlichen Ebene (Satzbau, Rechtschreibung, Konnektoren, Verweismittel) ausgeprägt sind, desto mehr kann der Lerner seine Aufmerksamkeit auf die übergreifenden Prozesse der Textproduktion richten. Die Formulierungsphase überschneidet sich mit der Phase des Überarbeitens, in der der Lerner seinen Text prüft und ggf. korrigiert oder verändert. Der Schreiber muss lernen, den Text in Bezug auf Thema, Form, Adressatenbezug, grammatische Korrektheit zu bewerten. Dafür benötigt er Kriterien, die gemeinsam erarbeitet werden. Wichtig scheint, dass Revisionen als etwas Selbstverständliches erfahren werden und dass auch Lehrer diese Phase als etwas Wichtiges im Schreibprozess anerkennen (Kast 1999, 122). Hier (aber auch in den anderen Phasen des Schreibprozesses) können vielfältige Formen kooperativen Schreibens zur Anwendung kommen. Deren Vorteile liegen vor allem darin, dass durch die Diskussionen in Gruppengesprächen zu inhaltlichen Fragen und sprachlichen Formulierungen der gemeinsame Schreibprozess thematisiert und dadurch durchschaubar wird (genauer zu Bedingungen und Verfahren kooperativen Schreibens s. Becker-Mrotzek & Böttcher 2012). Für die methodische Organisation der Schreibvermittlung ist wichtig zu bedenken, dass Schreibübungen nicht generell auf bestimmte Niveaustufen ausgerichtet sind; sie müssen in Aufgabenstellung und im Grad der Unterstützung (Hilfestellung und Entlastung in den Phasen vor, während, nach dem Schreiben) an den Sprachstand und die Lernervoraussetzungen angepasst werden. In aktuellen Russischlehrwerken gibt es zahlreiche Aufgaben zu verschiedenen Aspekten des Aufbaus von Schreibkompetenz, Lerntipps und Strategiehinweise. Eine systematische Progression in der Schreibvermittlung und eine differenzierte Systematik der Textsorten müssen allerdings weiter entwickelt werden. In der Unterrichtspraxis determinieren erfahrungsgemäß Traditionen und individuelle Präferenzen der Lehrkräfte in hohem Maße die Textauswahl (jedenfalls in dem Bereich, der über die Lehrwerksangebote hinausgeht). Aufgaben 1. Was für Texte haben Sie im Fremdsprachenunterricht in der Schule geschrieben und mit welchen Übungen wurden diese vorbereitet? Vergleichen Sie Ihre Erfahrungen mit denen Ihrer Kommilitonen und setzen sie ins Verhältnis zu den im GeR dargestellten Verwendungskontexten (GeR Tabelle 5 Externer Verwendungskontext, Kap. 4.1.2, 54)! 2. Analysieren Sie ein Russischlehrwerk Ihrer Wahl der Niveaustufe B1 im Hinblick auf das Angebot an Schreibaufgaben! Wie schätzen Sie die Differenzierung von Textsorten ein? Gibt es Hinweise zur Entwicklung von Schreibstrategien? Gibt es Angebote zum kreativen Schreiben? Überlegen Sie unter Berücksichtigung der B1-Anforderungen, wie Sie die Lehrwerksmaterialien ergänzen würden! 3. Suchen Sie aus einem B2 Russisch-Lehrwerk eine Schreibaufgabe heraus! Wie beurteilen Sie den Schreibanlass und die funktionale Konturierung Überarbeitungsphase Methodische Hinweise <?page no="156"?> 157 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten der Aufgabe (Kommunikationssituation, Schreibabsicht, Thema und Adressatenbezug)? Ergänzen Sie die Aufgabe gegebenenfalls so, dass eine Lernaufgabe zum kommunikativen Schreiben entsteht. 4. Welchen Stellenwert nimmt die Entwicklung von Schreibfähigkeit in den aktuellen Russisch-Lehrplänen in Ihrem Bundesland ein? Wie werden Themenbereiche und Textsorten konkretisiert? Ist eine Progression in diesem Bereich erkennbar? Weiterführende Literatur Kast, B. (1999): Fertigkeit Schreiben. München. Becker-Mrotzek, M. & Böttcher, I. (2012): Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Berlin. (4., überarbeitete Neuauflage). Harsch, C. & Schröder, K. & Neumann, A. (2008): „Schreiben Englisch―. DESI- Konsortium [Hrsg.]: Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie. Weinheim u.a., 139-148. Porsch, R. (2010): Schreibkompetenzvermittlung im Englischunterricht in der Sekundarstufe I. Empirische Analysen zu Leistungen, Einstellungen, Unterrichtsmethoden und Zusammenhängen von Leistungen in der Mutter- und Fremdsprache. Münster. <?page no="157"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 158 3.5 Sprachmittlung als kommunikative Aktivität im Russischunterricht Ursula Behr/ Heike Wapenhans Sprachmittlung im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen wird als „adressaten-, sinn- und situationsgerechte Übermittlung von mündlichen und schriftlichen Informationen von einer Sprache in eine andere― (SBJS 2006, 3) verstanden. Die Schüler nehmen dabei in zwei- oder mehrsprachigen Kommunikationssituationen die Rolle eines (Sprach-)Mittlers ein, um Dritten, d.h. anderen Menschen (Kommunikationspartnern), die diese Sprachen nicht oder nur unzureichend beherrschen, wichtige Informationen zugänglich zu machen. Dabei setzen die Sprachmittler ihre in der Muttersprache und in anderen Fremdsprachen (incl. Russisch) erworbenen Kompetenzen ein. Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht oder mehrsprachigen Alltag von Russischlernern muss folglich anderen Zielen und Anforderungen gerecht werden als professionelles Übersetzen und Dolmetschen, aber auch als das klassische philologische Übersetzen. 3.5.1 Begriffsklärung und Geschichte Der Begriff Sprachmittlung stammt ursprünglich aus der Sprachwissenschaft und bezeichnet im fachwissenschaftlichen Sinne - ebenso wie sein Synonym Translation - „Prozesse des Übersetzens und des Dolmetschens― (Bausch 1980, 610). Übersetzen und Dolmetschen unterscheiden sich neben dem Begriffsmerkmal der Schriftlichkeit und Mündlichkeit in den Kriterien der Wiederholbarkeit des Ausgangstextes und der nachträglichen Korrigierbarkeit des Zieltextes. „Wir verstehen [...] unter Übersetzen die Translation eines fixierten und demzufolge permanent dargebotenen bzw. beliebig oft wiederholbaren Textes der Ausgangssprache in einen jederzeit kontrollierbaren und wiederholt korrigierbaren Text der Zielsprache. Unter Dolmetschen verstehen wir die Translation eines einmalig (in der Regel mündlich) dargebotenen Textes der Ausgangssprache in einen nur bedingt kontrollierbaren und infolge Zeitmangels kaum korrigierbaren Text der Zielsprache“ (Kade 1968a, 35; zit. nach Prunč 2007, 14). Translation als Überbegriff für Übersetzen und Dolmetschen wurde 1968 von Otto Kade, dem Begründer der so genannten Leipziger Schule eingeführt (vgl. Prunč 2007, 13). Andere Schulen - vorwiegend in der damaligen BRD - bevorzugten als Oberbegriff noch lange Zeit den Ausdruck Sprachmittlung. Dieser traditionelle Terminus gab auch der Diplom-Sprachmittler-Ausbildung in der DDR seinen Namen. Im Zuge der Entwicklung der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin etablierte sich der Terminus Translationswissenschaft ebenso wie Translation „als Oberbegriff für ‚Übersetzen ‗ und ‚Dolmetschen ‗― (Reiß & Vermeer 1991, 6). Sprachmittlung und Translation <?page no="158"?> 159 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dieser terminologischen Entwicklung leisteten Knapp & Knapp-Potthoff (1985). In der Diskussion über interkulturelle Kommunikation definierten sie Sprachmitteln im Gegensatz zum Dolmetschen als eine „nicht-professionelle, alltagspraktische Tätigkeit― (1985, 451, zit. nach Prunč 2007, 16). Somit vollzog sich bereits hier die für die Fachdidaktik wichtige terminologische Unterscheidung zwischen professioneller und nichtprofessioneller Mittlertätigkeit. Erstere erfolgt vorwiegend in formellen Situationen und setzt eine intensive fachwissenschaftliche (translatorische) Ausbildung voraus, um in Abhängigkeit vom Übersetzungs-/ Dolmetschauftrag translatorische Adäquatheit 5 von Ausgangs- und Zieltext zu gewährleisten. Für die Sprachmittlung als nichtprofessionelle Tätigkeit sind eher alltägliche Begegnungssituationen typisch, die im schulischen, akademischen, beruflichen oder privaten Kontext entstehen. Hierbei kommt es darauf an, relevante Informationen und Hinweise von einer in die andere Sprache zu übertragen, d h. sie unter Wahrung der Kommunikationsabsicht mit den zur Verfügung stehenden (auch geringen) Mitteln inhaltlich angemessen und verständlich wiederzugeben, um Verständnis, Verständigung und ggf. eine damit verbundene Handlungsfähigkeit der Beteiligten zu gewährleisten. Hieraus erwächst die Bedeutung der Sprachmittlung für einen am kommunikativen Bedarf orientierten Fremdsprachenunterricht. Die teilweise kontroversen Diskussionen zu Verständnis und Relevanz von Sprachmittlung (sowie ihrer Teilbereiche Übersetzen und Dolmetschen) im Fremdsprachenunterricht sind eng mit der Geschichte der Fremdsprachendidaktik verbunden. Auf die zentrale Rolle der Übersetzung in der Grammatik-Übersetzungsmethode weist bereits deren Name hin. Mit Hilfe der „wörtlichen― Übersetzung von Texten sollten hier Strukturmuster der Fremdsprache im Vergleich mit der Muttersprache erkannt und dann angewandt werden. Kritik an dieser Art des Fremdsprachenunterrichts und den ausbleibenden Ergebnissen gipfelte im Postulat Viëtors (1882): „Das Übersetzen in fremde Sprachen ist eine Kunst, welche die Schule nichts angeht― (zit. nach Schröder 1984, 75). Die Vertreter der Direkten Methode und der Audiolingualen Methode verbannten mit dem Dogma der strikten Einsprachigkeit nicht nur die Muttersprache, sondern auch jegliche Formen der Sprachmittlung weitgehend aus dem Fremdsprachenunterricht. Auch die kommunikativ orientierte Didaktik mit ihrer gemäßigten Einsprachigkeit, die den methodisch begründeten Einsatz der Muttersprache zulässt, unterschätzte über lange Zeit Potenzial und gesellschaftliche Relevanz der Sprachmittlung. In den Russischlehrplänen der DDR (vgl. Methodik des Russischunterrichts 1975, 39ff.) wurde zwischen Übersetzen und sinngemäßem Übertragen in Bezug auf Inhaltsgenauigkeit und -vollständigkeit der Wiedergabe sowie 5 Bis in die 1990er Jahre dominierten äquivalenzorientierte Zugänge zur Translation. Die funktionale Translationswissenschaft berücksichtigt demgegenüber die so genannte Skopostheorie, die Zweck und Wirkung einer Translation für den Empfänger als die entscheidenden Kriterien definiert. In diesem Verständnis ist die Äquivalenz eine „Sondersorte von Adäquatheit, nämlich Adäquatheit bei Funktionskonstanz zwischen Ausgangs- und Zieltext― (Reiß & Vermeer 1991, 140). Sprachmittlung in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik <?page no="159"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 160 Adäquatheit der Sprachmittel unterschieden. Beim sinngemäßen Übertragen mussten deutsch vorgegebene „Aussagen über das Alltagsleben, mündlich oder schriftlich ihrem wesentlichen Inhalt nach und in den Grenzen des vorhandenen produktiven Sprachbesitzes mit sinnentsprechenden Sprachmitteln ohne Wörterbuch ins Russische― (ebd., 40) übertragen werden. Die Russischlerner sollten auf diese Art und Weise den bekannten Widerspruch zwischen Redeabsicht und geringem Ausdrucksvermögen überwinden und wichtige Strategien wie Vereinfachen, Ersetzen durch bedeutungsähnliche Wörter, Umschreibungen, Auflösen komplexer Satzstrukturen, Nutzen nichtsprachlicher Mittel üben. Soziolinguistische Aspekte wie Adressaten- und Situationsbezug fanden allerdings so gut wie keine Berücksichtigung, ebenso die soziokulturelle Gebundenheit von Informationen. Neue Impulse erhielt die Diskussion zur Rolle der Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht durch den sprachpragmatischen Ansatz des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR), der den sprachmittelnden Aktivitäten „eine wichtige Stellung im alltäglichen sprachlichen Funktionieren unserer Gesellschaft― (Europarat 2001, 26) bescheinigte. Vor dem Hintergrund einer unterschiedlich ausgeprägten gesellschaftlichen und individuellen Mehrsprachigkeit (vgl. dazu das Kapitel zum sprachenübergreifenden Lernen) kann und soll sich der einzelne Sprachverwendende unter Ausnutzung seiner Kompetenzen als „Mittler― zwischen Sprachen und Kulturen in die Kommunikation zwischen Menschen mit verschiedenen (Erst-)Sprachen einbringen und damit Verantwortung für andere übernehmen. „Bei sprachmittelnden Aktivitäten geht es den Sprachverwendenden nicht darum, seine/ ihre eigenen Absichten zum Ausdruck zu bringen, sondern darum, Mittler zwischen Gesprächspartnern zu sein, die einander nicht direkt verstehen können, weil sie Sprecher verschiedener Sprachen sind (was der häufigste, aber nicht der einzige Fall ist)“ (Europarat 2001, 89). In Reaktion auf die Bedürfnisse des mehrsprachigen Alltags beschreibt der GeR die Sprachmittlung als eigenständige kommunikative Sprachaktivität, die der kommunikativen Sprachkompetenz zuzuordnen ist, so wie Rezeption, Produktion und Interaktion (ebd., 25). Neben möglichen mündlichen und schriftlichen Formen der Sprachmittlung (z.B. Dolmetschen, Übersetzen, Zusammenfassen, Paraphrasieren) listet der GeR auch notwendige Strategien der Sprachmittlung auf, mit deren Hilfe „man mit begrenzten Mitteln Informationen verarbeiten und eine äquivalente Bedeutung herstellen kann― (ebd., 90). Kann-Beschreibungen (Skalen) für die einzelnen Kompetenzstufen, wie sie zu allen anderen kommunikativen Aktivitäten angeboten werden, fehlen für die Sprachmittlung. In verschiedenen Publikationen (z.B. De Florio-Hansen 2008; Wapenhans 2011; Weskamp 2008) wird im Sinne des GeR synonym zu Sprachmittlung der aus dem englischen Sprachraum stammende Begriff Mediation verwendet (vgl. engl. mediation, franz. médiation, russ. медиация (Общеевропейские компетенции 2005, 13). Damit ist vordergründig keine Parallele zur Bedeutung von Mediation als Konfliktvermeidung oder -behebung intendiert, sondern eine terminologische Abgrenzung zu den herkömmlichen Formen des Sprachmittelns (insbes. des Übersetzens) im Fremdsprachenunterricht. Im Sprachmittlung im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen Mediation - Sprachmittlung im mehrsprachigen Alltag <?page no="160"?> 161 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten Unterschied zum klassischen philologischen Übersetzen und seiner intendierten „wortgetreuen― Übertragung eines Textes in eine andere Sprache soll das Sprachmitteln auf das kommunikativ orientierte zweibzw. mehrsprachige Agieren vorbereiten. 3.5.2 Die Komplexität des Sprachmittlungsprozesses Die Sprachmittlung wird zu Recht als außerordentlich komplexe und anspruchsvolle Tätigkeit oder Aufgabe bezeichnet: Sie umfasst gleichermaßen rezeptive und produktive Sprachhandlungen zum Übertragen von Kommunikationsinhalten aus einer Sprache in eine andere (Abb. 18). In Abhängigkeit von der Sprachmittlungsrichtung können Mutter- und Fremdsprache (Deutsch und Russisch) die Position der Ausgangs- oder Zielsprache einnehmen. Abb. 18: Sprachmittlungsprozess (nach Hallet 2008, 4) Im rezeptiven Teil des Sprachmittlungsprozesses werden die zu vermittelnden Informationen dem in der Ausgangssprache vorliegenden Text oder der einzelnen Äußerung entnommen und entsprechend verarbeitet. Dazu muss der Sprachmittelnde/ Sprachmittler auf seine Lese- und Hörfertigkeiten und z.T. auf sein soziokulturelles und/ oder Weltwissen zurückgreifen. Im produktiven Teil des Sprachmittlungsprozesses erfolgt unter Berücksichtigung kommunikativ-pragmatischer und soziokultureller Aspekte die mündliche oder schriftliche Weitergabe der verarbeiteten Informationen mittels Sprechen bzw. Schreiben in Form eines adäquaten Textes oder einer adäquaten Äußerung in der Zielsprache. Eigene Einschätzungen oder Wertungen sind dabei zurückzustellen. Der Sprachmittelnde/ Sprachmittler muss im Sprachmittlungsprozess demzufolge alle ihm zur Verfügung stehenden Kompetenzen einsetzen und Textrezeptions- und Textproduktionsstrategien sowie spezifische Sprachmittlungsstrategien nutzen. Zu den relevanten Textrezeptions- und Textproduktionsstrategien gehören u.a.: Rezeptive und produktive Handlungen im Sprachmittlungsprozess Textrezeptions- und Textproduktionsstrategien nutzen <?page no="161"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 162 • den Kommunikationszweck (Skopos) des Ausgangstextes erkennen, • unwesentliche und wesentliche Informationen unterscheiden, • den Kerninhalt erfassen, • Grafik- und Bildelemente mit dem Text in Beziehung setzen und für die Erschließung bzw. die Wiedergabe der Informationen nutzen, • adressaten- und situationsgerecht zusammenfassen. Zu den spezifischen Sprachmittlungsstrategien zählen u.a.: • paraphrasieren, • Techniken zur Umschreibung unbekannter Lexik anwenden, • sprachliche Strukturen vereinfachen, • inhaltliche (speziell kulturspezifische) Aussagen des Ausgangstextes erläutern, • inhaltliche Kongruenz von Ausgangstext und Zieltext überprüfen. Diese Strategien müssen ebenso kontinuierlich entwickelt und gefördert werden wie die von Hallet (vgl. Hallet 2008, 4-6) benannten Teilkompetenzen: • sprachlich-kommunikative Kompetenz in den beteiligten Sprachen incl. Textsortenkenntnis, • interkulturelle Kompetenz incl. interkulturelles Problembewusstsein und Sensibilität für sprachliche, regionale, soziale, kulturelle Gewohnheiten, • interaktionale Kompetenz incl. Fähigkeit sich auf die Bedürfnisse der Kommunikationsteilnehmer einzustellen und eigene Interessen, Wertungen zu unterlassen, • die strategisch-methodische Kompetenz incl. Antizipation von Äußerungen und Monitoring der interlingualen Kommunikation. In den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache wird die Sprachmittlung - wie auch das Hör- und Sehverstehen, das Leseverstehen, das Sprechen und Schreiben - als kommunikative Fertigkeit (KMK 2004, 9) bezeichnet. Aus sprachsystematischer und didaktischer Sicht ist das wenig befriedigend (vgl. Hallet 2008, 3), da die Sprachmittlung die Beherrschung und Anwendung der Fertigkeiten Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben verlangt und damit komplexer ist als jede andere einzelne Fertigkeit. Sinnvoller erscheint es, dem GeR folgend, bei Sprachmittlung von einer kommunikativen Aktivität zu sprechen. Im Unterschied zum GeR ordnet Rössler (2009, 159) die Sprachmittlung „zumindest potenziell dem interaktivem Sprachgebrauch― zu. Eine andere, perspektivreiche Betrachtungsweise wird von Hallet (Hallet 2008, 4-6) favorisiert. Er greift den Kernbegriff der Bildungsstandards „Kompetenz― auf und charakterisiert die Sprachmittlung als komplexe Kompetenz, die sich aus den oben genannten Teilkompetenzen zusammensetzt. Teilkompetenzen fördern <?page no="162"?> 163 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten 3.5.3 Sprachmittlung in den curricularen Vorgaben Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache und die Lehr- und Bildungspläne der Länder für die modernen Fremdsprachen orientieren sich am GeR und erklären die Sprachmittlung zu einer wesentlichen Zielstellung für den Fremdsprachenunterricht. Dabei wird ein realistischer Rahmen für Sprachmittlung im schulischen Kontext aufgezeigt: „Die Schülerinnen und Schüler können mündlich in Routinesituationen und schriftlich zu vertrauten Themen zusammenhängende sprachliche Äußerungen und Texte sinngemäß von der einen in die andere Sprache übertragen. Die Schülerinnen und Schüler können • in Alltagssituationen sprachmittelnd agieren, • persönliche und einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen“ (KMK 2004, 14). Mit dieser Ausrichtung auf Routine- und Alltagssituationen, vertraute Themen, persönliche und einfache Texte sowie sinngemäßes Übertragen kann sich auch Russisch als zweite oder dritte Fremdsprache an den Anforderungen der Bildungsstandards orientieren. In den neueren (Rahmen-)Lehr- oder Bildungsplänen für Russisch ist die Sprachmittlung fest verankert und nimmt eine gleichberechtigte Stellung neben den vier Sprachtätigkeiten Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben ein. Für die einzelnen Klassenstufen werden entsprechende Ziele und eine Progression der sprachmittelnden Aktivitäten aufgeführt. Folgende Formen der Sprachmittlung finden dabei auf den Niveaustufen A1- B2 Berücksichtigung: • das mündliche Vermitteln in zweisprachigen Situationen, • das Zusammenfassen von gelesenen oder gehörten Informationen, • das sinngemäße Übertragen von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, • das Übersetzen kurzer Textabschnitte. Daraus ergeben sich unterschiedliche Konstellationen (Abb. 19) in Bezug auf die Art der Ausgangstexte (AT) und der Zieltexte (ZT), d.h. es kommen gesprochene und geschriebene Vorlagen (mündlich, schriftlich) zum Einsatz. Ein realistischer Rahmen für Sprachmittlung im schulischen Kontext in den Bildungsstandards Ziele und Progression im Bereich der Sprachmittlung in den Russischlehrplänen Formen der Sprachmittlung <?page no="163"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 164 Abb. 19: Formen der Sprachmittlung im Russischunterricht Welche Form der Sprachmittlung genutzt wird, bedarf im Hinblick auf die sprachliche Kompetenz der Schüler (insb. im Anfangsunterricht) einer bewussten Entscheidung. Der GeR unterstreicht dieses Ansinnen und fordert seine Benutzer auf zu bedenken, „in welchen sprachmittelnden Aktivitäten die Lernenden aktiv werden müssen, wie sie darauf vorbereitet werden sollen und was von ihnen in dieser Hinsicht erwartet wird― (Europarat 2001, 91). Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Russisch (EPA) weisen die Sprachmittlung als mögliches Prüfungsformat aus. Im Mittelpunkt stehen dabei vorrangig • die Übertragung, • die Zusammenfassung oder • die Übersetzung vom Russischen ins Deutsche (vgl. EPA 2004, 7). Wie die EPA ausführen, erfährt das Wissen über Sprache bei der Übersetzung als spezifischer Form der Sprachmittlung eine stärkere Betonung. Die Übersetzung überprüft die Fähigkeit, fremdsprachige Texte detailgenau zu übertragen. Dabei geht es um • das Verstehen der Wörter und Wendungen im Zusammenhang, • das Verstehen bzw. Erschließen komplexer Satzstrukturen, • das Verstehen der Gesamtaussage des zu übersetzenden Textes, • eine angemessene Wiedergabe des russischen Textes in deutscher oder ggf. des deutschen Textes in russischer Sprache (vgl. EPA 2004, 16). Um den curricularen Anforderungen gerecht zu werden, müssen im Russischunterricht über alle Niveaustufen hinweg ausreichend Lern- und Übungsgelegenheiten für das Sprachmitteln geschaffen werden. 3.5.4 Die Entwicklung von Sprachmittlungsstrategien Russisch als zweite schulische Fremdsprache kann auf Vorkenntnisse aus dem Unterricht der ersten Fremdsprache - in der Regel Englisch - aufbauen. Sprachmittelnde Strategien müssen somit nicht neu vermittelt, sondern gefestigt und in den russischsprachigen Kontext gebracht werden. Das gilt auch Nutzung vorhandenen Strategiewissens im Russischunterricht <?page no="164"?> 165 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten für Markierungs- und Strukturierungstechniken, die aus dem Deutschunterricht bzw. anderem Fachunterricht zur gezielten Informationsentnahme aus Texten bekannt sind, wie z.B. wichtige Textstellen markieren, die für den Adressaten von Bedeutung sind; Markierungen nur in erforderlichem Umfang anbringen; unwichtige Textstellen durchstreichen. Eine gute Basis für die Übertragung bekannter Strategien auf das Russischlernen bieten die in den Russischlehrwerken enthaltenen Lerntipps zum Sprachmitteln (vgl. Диалог 1 2008, 116-118; Диалог 3 2010, 93; Конечно 3 2010, 51). Aus lernstrategischer Sicht sind folgende Techniken für das sinngemäße Übertragen ins Russische unverzichtbar: • das Vereinfachen deutschsprachiger Aussagen, • das bewusste Ausnutzen von „bekannten―, produktiv zur Verfügung stehenden Sprachmitteln (Strukturen und Wortschatz), • das Suchen russischsprachiger Formulierungsvarianten durch - Nutzen von Synonymen, z.B. hübsch = schön красивый; riesig = groß большой; - Umschreiben unbekannter Wörter durch verneinte Antonyme, z.B. langweilig (скучный) неинтересный; tot (мёртвый) неживой; - Verwenden von Internationalismen, z.B. Jogging (бег трусцой) джоггинг, - Nennen der Teile für einen Oberbegriff, der nicht zur Verfügung steht, z.B. Eltern (родители) мама и папа, Wochenende (выходные) суббота и воскресенье, - Vereinfachen bzw. Umschreiben von Strukturen, z.B. Woher kommst du? Откуда ты? Was fehlt dir? Что с тобой? Ich habe Schluckbeschwerden. У меня болит горло. Du brauchst Bettruhe Тебе надо лежать в постели. - Paraphrasieren, z.B. Meine Mutter arbeitet bei einem Autohersteller. Мама работает в фирме, которая производит машины. ... - это человек, который ..., ... это предмет, который ... • die zeichnerische Darstellung der Wortbedeutung, • die Zuhilfenahme von Illustrationen, Bildern, Grafiken, • die Nutzung von Mimik und Gestik. Diese sprachmittelnden Techniken können sukzessive mit zunehmender Sprachbeherrschung erweitert werden, vor allem bezogen auf • das Paraphrasieren, • das Herausfiltern wesentlicher Informationen, • das adäquate Zusammenfassen in der Fremdsprache sowie • die Vermeidung bzw. Klärung interkultureller Missverständnisse. Das Wörterbuch kann bei der Sprachmittlung im begrenzten Umfang zum Einsatz kommen, soll aber nicht zum Nachschlagen aller unbekannten Wör- Sukzessive Vermittlung von Techniken der Sprachmittlung <?page no="165"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 166 ter missbraucht werden. Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz des Wörterbuches ist, dass der Schüler mit den notwendigen Techniken vertraut ist: • Identifizieren von unbekannten Wörtern und Wendungen, die für das Textverständnis oder die Informationsweitergabe wichtig sind und nicht durch Semantisierungsstrategien (Vorwissen aus Mutter- und Fremdsprachen, Wortbildungsregularitäten, grammatische Merkmale) erschlossen werden können, • Zurückführen auf die Grundform, • Aufsuchen der lexikalischen Einheiten, • Auswählen der für den jeweiligen Kontext adäquaten Bedeutung(en). Die eigentliche Sprachmittlung können folgende Übungsaufgaben vorbereiten: • gegebenes lexikalisches Material zu Synonym- oder Antonympaaren sortieren, z.B. дом, дети, улица, плохо - здание, ребята, дорога, нехорошо, большой, поздно, тепло, начинать - маленький, рано, холодно, кончать, • zu vorgegebenen Wörtern Synonym- oder Antonympartner finden, • Wörter und Wortgruppen aus dem Deutschen mithilfe von verneinten Antonymen ins Russische übertragen, z.B. hässlich некрасиво, munter bleiben не спать, ausruhen не работать, • Substituieren und Transformieren einfacher russischer Aussagen zum Bewusstmachen verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten von Sachverhalten, z.B. Моя подруга работает в этом доме (в этом здании). Она любит виды спорта на свежем воздухе. (Ей нравятся виды спорта на свежем воздухе. Она увлекается и видами спорта на свежем воздухе.) • in Deutsch gegebene Aussagen ins Russische übertragen; • in Deutsch gegebene Sachverhalte auf die Kerninformation reduzieren, die dann Russisch wiedergegeben werden kann, z.B. Wo befindet sich im Einkaufszentrum ein Elektronikladen? Meine Speicherkarte vom Fotoapparat ist voll. Где можно купить флеш-карту для фотоаппарата? Kontrastive Sprachbetrachtungen im Bereich der Lexik und Idiomatik sind vor allem auf höherem Sprachniveau zur Vorbereitung auf Sprachmittlungsaufgaben angebracht. 3.5.5 Anforderungen an Sprachmittlungsaufgaben im Russischunterricht Sprachmittlungsaufgaben müssen möglichst authentische Sprachmittlungssituationen und -anlässe sowie entsprechende Objekte (Texte im weiten Sinne) abbilden. Diese sollten für die Schüler realistisch und relevant sein, d.h. sie müssen Themen und Kontexte aufgreifen, die in ihrem Umfeld vorstellbar sind wie Schüleraustausch, Reisen, Praktika, Kontakt mit Touristen. Relevante zweisprachige (vertraute) Alltags-, Dienstleistungs-, Unterhaltungssituationen sind z.B.: • russischsprachige Austauschschüler oder Gäste im deutschen Heimatort betreuen, z.B. bei Tischgesprächen, im Restaurant, beim Einkaufen, Vorbereitende Übungsaufgaben Authentische Sprachmittlungssituationen <?page no="166"?> 167 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • russischsprachigen Touristen in öffentlichen Einrichtungen oder Verkehrsmitteln helfen, z.B. an der Kasse in Museen, am Fahrkartenautomaten, • Familienmitgliedern oder Freunden bei der Orientierung in Russland helfen, z.B. Fahr- und Flugpläne lesen, Wege erfragen, Auskünfte einholen, Wetterbericht lesen oder hören, • russischsprachigen Austauschschülern oder Gästen mit Informationsmaterial Vorschläge für Unternehmungen machen, z.B. für Veranstaltungen, Film- oder Museumsbesuche, Ausflüge, • jemanden über den Inhalt russisch- oder deutschsprachiger Texte informieren, z.B. aus Broschüren, Zeitungen, Fernseh- oder Radiosendungen. Als authentische Quellen für die Sprachmittlung bieten sich Textsorten an, die den Schülern bekannt sind (Abb. 20). schriftliche Textvorlagen mündliche Textvorlagen Aufschriften, Berichte, (persönliche) Briefe, Broschüren, Einkaufszettel, Eintritts- und Fahrkarten, Fahr- und Flugpläne, Diagramme, Gebrauchsanleitungen, Glückwunschkarten, Informationstafeln und -schilder, Kochrezepte, Mitteilungen, Notizen, Postkarten, Programme, Reiseführer, Schilder, Speisekarten, Veranstaltungspläne, Verträge, Vorschriften, Webseiten, Werbematerial, Wetterbericht, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel Ansagen, Durchsagen, Film(ausschnitt)e, Nachrichten, Stadtführungen, Wetterberichte mündliche Gespräche Auskünfte einholen, Dienstleistungsgespräche, Diskussionen, Kontaktgespräche, Unterhaltungsgespräche, Orientierungsgespräche Abb. 20: Textsorten für die Sprachmittlung Authentische Materialien können die sprachliche Kompetenz der Schüler leicht übersteigen, d.h. sie dürfen auch Strukturen und Lexik enthalten, die die Schüler noch nicht produktiv beherrschen. In Sprachmittlungsaufgaben verbieten sich kontextlose Einzelsätze, die Lexik oder Grammatiksätze abprüfen. Da reale Begegnungssituationen und echte Adressaten einer Sprachmittlung im Unterricht in der Regel nicht zur Verfügung stehen, müssen Sprachmittlungsaufgaben nachvollziehbar beschrieben werden und Antworten auf die Fragen geben, die auch in authentischen Situationen vor dem Sprachmittler stehen (Abb. 21). WER mittelt (wer übernimmt die Rolle des Sprachmittlers) WAS (welche Informationen sollen gemittelt werden) für WEN (wer ist der Adressat bzw. wer sind die Adressaten) WIE (welcher Modus, welche Art des Mittelns ist gefordert) und WARUM? (was ist das Ziel, der Zweck der Sprachmittlung) Abb. 21: Kriterien für die Beschreibung von Sprachmittlungsaufgaben Textvorlagen für die Sprachmittlung Gestaltung von Aufgaben <?page no="167"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 168 Situationsbeschreibungen sollten obligatorischer Bestandteil jeder Sprachmittlungsaufgabe sein, da sie nicht nur die situative Einbettung der simulierten Aufgaben gewährleisten, sondern den Schülern wichtige Hinweise zu den „Rollen― liefern, die von ihnen in Folge übernommen werden müssen. Der Arbeitsauftrag sollte außerdem Hinweise enthalten: • zum Sprachmittlungsmodus: mündlich oder schriftlich, • zur Art/ Form des Sprachmittelns: zusammenfassen, paraphrasieren oder spontan, mündlich (sinngemäß) übertragen, • zur erwarteten Textsorte. Diese Angaben steuern die Auswahl der zu mittelnden Inhalte, ihren Umfang und die Art ihrer Wiedergabe im Zieltext. Sollten Sprachmittlungsaufgaben in Lehrwerken oder Zusatzmaterialien (möglicherweise aus Platzgründen) nicht alle notwendigen Angaben enthalten, bleibt es Aufgabe des Lehrers, diese Desiderate zu beheben. In seiner Entscheidung liegt es auch, in Abhängigkeit vom Lernstand einzelne Vokabelhilfen zu geben. Bereits auf der elementaren Stufe der Sprachverwendung (A1-A2) können verschiedene Aufgabenformate der Sprachmittlung zum Einsatz kommen, in denen die Schüler z.B. in Kontakt- und Dienstleistungsgesprächen als Sprachmittler auftreten. Entsprechende Angebote unterbreiten die Russischlehrwerke für diese Niveaustufen, wenn die Schüler z.B. aufgefordert werden, in einem Verkaufsgespräch (Диалог 1 2008, 89) oder beim Erfragen des Weges (Конечно 1 2008, 78) die Rolle des Dolmetschers zu übernehmen. Als weitere Aufgabenformate für den Anfangsunterricht kommen in Frage (vgl. Behr & Wapenhans 2008, 53-57): • die russischsprachige Arbeitsanweisung im Schülerbuch einem Mitschüler, der sie nicht versteht, in Deutsch wiedergeben, • einem Mitschüler, der nach einem bestimmten Wort oder einer Wendung in der anderen Sprache sucht, die Entsprechung nennen oder aufschreiben, z.B. - Как по-немецки: Не за что? - Не за что по-немецки: Bitte schön. Oder auch Keine Ursache. • russischsprachige Schilder und (einfache) Aufschriften lesen und einem Mitschüler, der kein Russisch lernt, ins Deutsche übersetzen, • Informationen aus Texten (Realia - Fahrscheine, Fahrpläne, Kasssenbons, Konzertankündigungen, Speisekarten) entnehmen, erklären bzw. kommentieren, • Informationen zusammenfassen und textnah ins Deutsche übertragen. Darüber hinaus lassen sich fast alle Dialoge, die die Schüler produzieren oder reproduzieren, für die Sprachmittlung nutzen, indem man einen „Sprachmittler― bzw. „Dolmetscher― in das Gespräch integriert. Auch viele Hörtexte aus dem Lehrwerkangebot lassen sich für Sprachmittlungsaufgaben einsetzen. An die Stelle der üblichen Verständnisfragen treten dann in Abhängigkeit von Situation und Adressaten Aufgaben zum Niveaugestufte Aufgabenformate <?page no="168"?> 169 3. Arbeit im Bereich der kommunikativen Sprachaktivitäten • Zusammenfassen der relevanten Informationen, • detaillierten Wiedergeben einzelner Aspekte oder • Kommentieren soziokultureller Besonderheiten. Mit wachsender Kompetenzstufe erhöht sich verständlicherweise das Anforderungsniveau der Sprachmittlungsaufgaben. Zunehmend müssen die Schüler neben Sprachwissen und Sprachkönnen auch themen- und kulturspezifisches Wissens über die eigene und fremde Kultur einbringen. Entsprechende Sprachmittlungssituationen erfordern immer stärker „das direkte In-den- Dialog-Treten von Eigenem und Fremden― (Rössler 2008, 67). 3.5.6 Bewertung von Sprachmittlungsaufgaben Sprachmittlungsaufgaben ähneln schriftlichen und mündlichen Aufgaben mit freier, kreativer Ausrichtung. So wie bei diesen ist eine objektive Beurteilung ihrer Ergebnisse problematisch, da es i.d.R. nicht nur die eine richtige Lösung, sondern - in Abhängigkeit von der individuellen sprachlichen Kompetenz, dem Ausdrucksvermögen, dem Weltwissen und der Kreativität der Lerner - mehrere Lösungsvarianten geben kann. Transparente Kriterien, die der Komplexität der Sprachmittlungsaufgaben gerecht werden, helfen, die Subjektivität der notwendigen Ergebnisbeurteilung zu minimieren. Bei der Bewertung der Ergebnisse müssen die Form (mündlich oder schriftlich) und die verschiedenen Ebenen (kommunikativ, inhaltlich und sprachlich) Berücksichtigung finden (Abb. 22). mündliche Form der Sprachmittlung schriftliche Form der Sprachmittlung kommunikative Ebene Reaktionsfähigkeit Situationsgerechtheit (Situationsgerechtheit) Adressatenbezogenheit inhaltliche Ebene Vollständigkeit und Genauigkeit der wiedergegebenen Informationen inhaltliche Angemessenheit ggf. Formulierung notwendiger kulturspezifischer Erläuterungen sprachliche Ebene sprachliche Angemessenheit Verständlichkeit der wiedergegebenen Informationen (nonverbale Mittel: Mimik, Gestik, Blickkontakt) Textsortenangemessene Darstellung und Struktur inkl. Gliederung und Umfang ggf. Kompensation sprachlicher Defizite Abb. 22: Kriterien für die Bewertung von Sprachmittlungsaufgaben Entsprechende Kriterienkataloge und Deskriptoren liegen inzwischen als Empfehlungen in verschiedener Form vor (vgl. Behr 2011, 16; Gregorzewski 2010, ISB Bayern 2011, 45-49; SBJS 2006, 7; SBJS 2011, 4). Bewertungskriterien <?page no="169"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 170 Aufgaben 1. Erläutern Sie die Rolle und die Ziele der Sprachmittlung im Russischunterricht im Sinne des GeR. 2. Charakterisieren Sie den Sprachmittlungsprozess als komplexe Tätigkeit. Berücksichtigen Sie dabei besonders die Fertigkeiten und Strategien, die zum Einsatz kommen. 3. Belegen Sie mit Aufgabenbeispielen aus Russischlehrwerken oder anderen Publikationen, welche Angebote es für die Arbeit an den verschiedenen Formen der Sprachmittlung gibt. 4. Analysieren Sie mind. drei Sprachmittlungsaufgaben aus Russischlehrwerken oder anderen Publikationen in Hinblick auf die Umsetzung der Anforderungen an diesen Aufgabentyp. 5. Entwickeln Sie mind. drei Sprachmittlungsaufgaben für verschiedene Niveaustufen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Sprachmittlungsformen. Weiterführende Literatur Behr, U. (Red.) (2011): „Anregungen für die Sprachmittlung im Russischunterricht der Sekundarstufe II―. Online verfügbar unter: www.schulportal-thueringen.de/ web/ guest/ media/ detail? tspi=2281 - Letzter Zugriff: 26.07.2013. Königs, F. G. (2010): „Sprachmittlung―. In: Hallet, W. & Königs, F. G. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. Seelze-Velber, 96-100. Königs, F. G. (2010): „Sprachmittlung―. In: Surkamp, C. (Hrsg.): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Stuttgart/ Weimar, 285-287. Königs, F. G. (2010): „Übersetzen und Sprachmitteln im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht―. In: Krumm, H.-J. et al. (Hrsg.): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. HSK 35.1. Berlin, 1040-1047. Sprachmitteln (2008): Themenheft. PRAXIS Fremdsprachenunterricht. 05/ 2008. Sprachmittlung (2008): Themenheft. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 93. Sprachmittlung (2010): Themenheft. Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 108. <?page no="170"?> 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln 4.1 Aussprache und Aussprachevermittlung Grit Mehlhorn „Um gut zu sprechen, muss man richtig verstehen, und um gut verstanden zu werden, muss man richtig sprechen“ (Jolanta Tambor) 4.1.1 Aussprachekomponenten Aussprache ist ein zentraler Bestandteil kommunikativer Kompetenz. Folgende Komponenten sind in gesprochener Sprache gleichzeitig präsent: • Artikulation, d.h. die Bildung von Vokalen und Konsonanten (Segmentalia). • Koartikulation, d.h., dass die Artikulationsbewegungen benachbarter Laute ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. Dabei kommt es zu Reduktion (Abschwächung, Kürzung und Ausfall von Lauten) und Assimilation (Angleichung benachbarter Konsonanten in Artikulationsart, -stelle und Stimmbeteiligung). • Prosodie, d.h. diejenigen lautsprachlichen Eigenschaften von Äußerungen, die über die Betrachtungsebene des Einzellautes hinausgehen, also „suprasegmental― sind. Zur Prosodie gehören u.a. Intonation (die Sprechmelodie von Äußerungen), Rhythmus, Pausen, Phrasierung, Wort- und Satzakzent. Weiterhin relevant für die Aussprache sind die Phonem-Graphem-Beziehungen, d.h. die Repräsentation von Lauten und Lautverbindungen in der Schrift (vgl. Mehlhorn 2011c, 15). Für die Aussprachevermittlung sind Kenntnisse über die Phonetik und Phonologie der Zielsprache und der Muttersprache der Schüler, Wissen über gesteuerten Ausspracheerwerb sowie methodischdidaktisches Wissen erforderlich. 4.1.2 Ziele der Ausspracheschulung Die Aussprache ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeit eines Menschen. Der Akzent trägt dazu bei, wie jemand durch andere Sprecher eingeschätzt wird. Nichtmuttersprachler mit einem starken ausländischen Akzent werden häufig als weniger intelligent und sozial niedriger eingestuft (vgl. u.a. Dretzke 2006, 133). Darüber hinaus sind disponible phonetische Kenntnisse und eine weitgehend normgerechte Aussprache grundlegend für das Verstehen in der Fremdsprache, einen effektiven Wortschatz- und Grammatikerwerb, für das flüssige eigenständige Formulieren sowie für die Befähigung der Schüler zu erfolgreichem selbstständigen Aneignen von Fremdsprachen. Aussprache ist ein zentraler Bestandteil kommunikativer Kompetenz. Oberstes Ziel der Ausspracheschulung im Russischunterricht ist die Verständlichkeit. <?page no="171"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 172 Oberstes Ziel der Ausspracheschulung im Russischunterricht ist die Verständlichkeit (vgl. die Kann-Beschreibungen zur phonologischen Kompetenz im GeR (Europarat 2001, 5.2.1.4, 117)). Gemeint ist hier, dass die Schüler von russischen Muttersprachlern verstanden werden, nicht nur von ihrem Russischlehrer. In der Ausspracheschulung im Russischunterricht können Schüler • erfahren, an welchen Punkten ihre Aussprache korrekturbedürftig ist (Diagnose), • über mögliche Wirkungen bestimmter Ausspracheabweichungen informiert werden, • ein gewisses Verständnis der wichtigsten Aussprachephänomene im Russischen erlangen, • mögliche psychologische Barrieren in Bezug auf die russische Aussprache überwinden, • Aussprachestrategien kennenlernen und ausprobieren, • Feedback zu ihren Aussprachelernfortschritten erhalten, • zu besserer Selbsteinschätzung und Kontrolle in Bezug auf ihre Aussprache befähigt werden. Das Input der Lehrkraft im schulischen Unterricht allein reicht nicht aus, um eine gute russische Aussprache bei den Lernern zu erreichen. Vielmehr sind systematische Übungen (z.B. mit Audio-CDs und Lernsoftware) notwendig, aber auch ausreichende Kommunikationsmöglichkeiten in der Zielsprache. Für die Ausspracheschulung bedarf es einer entspannten Lernatmosphäre und qualifizierter Lehrkräfte, die selbst über eine beispielhafte Aussprache, linguistisches Hintergrundwissen und methodisch-didaktisches Geschick verfügen. Borgwardt (1993) plädiert zudem dafür, Schülern den kommunikativen und lernmethodischen Wert von korrekter Aussprache und Schreibung begreifbar zu machen. 4.1.3 Typische Ausspracheschwierigkeiten deutscher Russischlerner Im Folgenden werden nur die wichtigsten Ausspracheschwierigkeiten überblicksartig dargestellt. Für eine genaue sprachwissenschaftliche Darstellung kontrastiv zum Deutschen vgl. u.a. Bendixen, Krüger und Rothe (2006) sowie Wenk (1997). Die Betonung stellt für deutsche Russischlerner eine Schwierigkeit dar, weil der Wortakzent auf jede beliebige Silbe fallen kann (vgl. Noll & Wenk 2003), die russischen Akzentregeln sehr komplex, aus Schülersicht gewissermaßen unvorhersehbar sind und es zudem innerhalb von Wortformen auch noch zu Betonungswechseln kommen kann. Der Wortakzent hat im Russischen grammatische und teilweise auch lexikalische Funktion. Falsche Wort- und Satzakzentuierungen können zu Verständnisproblemen in der Kommunikation führen. Die Wortakzentposition muss daher für jede russische Vokabel mitgelernt werden. Darauf sollten die Schüler explizit hingewiesen werden. Wenn Lerner das Betonungsmuster eines neuen Wortes nicht verinnerlicht haben, erkennen sie es möglicherweise nicht in der gesproche- Betonung <?page no="172"?> 173 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln nen Form wieder, obwohl sie es korrekt lesen und schreiben können. Die Fähigkeit, Wortakzentsilben zu identifizieren, ist also essenziell (vgl. Mehlhorn 2012). In Russischlehrbüchern und -wörterbüchern ist der Wortakzent stets durch ein Akzentzeichen über dem betonten Vokal gekennzeichnet. Im Unterricht sollte von Beginn an darauf geachtet werden, dass die Schüler diese Akzentzeichen beim lauten Lesen in akzentuierte Vokale umsetzen und sich neue Wörter zusammen mit der Betonung aufschreiben (vgl. ebd.). Direkt im Zusammenhang mit der Wortbetonung steht die Reduktion. Alle unbetonten Silben im Russischen werden reduziert, d.h. kürzer und undeutlicher ausgesprochen. Ein unbetontes <o> unmittelbar vor einer betonten Silbe wird z.B. wie ein kurzer a-Laut realisiert (аканье), z.B. проéкт - пр[ ]éкт. Ein unbetontes <o> oder <a> nach der betonten Silbe wird zu einem Murmellaut [ ] reduziert, z.B. лáмпа - лáмп[ ]. Sowohl das Phänomen der Reduktion als auch die Transkriptionszeichen kennen die Schüler bereits aus dem Englischunterricht. Im Gegensatz zum Deutschen werden im Russischen die stimmhaften Konsonanten voll stimmhaft realisiert. Lernende aus bestimmten Dialektgebieten (z.B. Sachsen, Thüringen, Süddeutschland, Österreich) haben häufig Schwierigkeiten, zwischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (bzw. im Deutschen zwischen Fortis und Lenis) zu differenzieren. Besonders die s- Laute [с], [з] bereiten einigen Schülern Probleme. Fällt ihnen diese Unterscheidung schon in der Muttersprache schwer, haben sie im Russischen erst recht Probleme damit. Minimalpaare wie сад vs. зад zeigen das Missverständnispotenzial, das in dieser Ausspracheabweichung liegt. Die Palatalisierung im Russischen ist ein völlig neues Phänomen für deutsche Lernende. Der Eindruck der „Weichheit― kommt durch die Hebung des mittleren Zungenrückens zum harten Gaumen zustande. Wichtig ist die perzeptive und artikulatorische Unterscheidung „harter― (nicht palatalisierter) und „weicher― (palatalisierter) Konsonanten (z.B. да-дя, тэ-те, ло-лё, бы-би). Wenn Schüler in der Orthographie unsicher sind, an welchen Stellen das Weichheitszeichen <ь> stehen muss, hat das i.d.R. seine Ursache darin, dass sie die „Weichheit― des betreffenden Konsonanten nicht heraushören können. Weitere Ausspracheschwierigkeiten stellen spezifische russische Laute dar, die es im Deutschen nicht gibt, z.B. <ы>, <щ> (vgl. Максимов 2010, 31), sowie Laute, die im Russischen anders ausgesprochen werden als in der Muttersprache der Lernenden, z.B. das gerollte Zungenspitzen-r (Hinweise zum Anbilden des [r] finden sich in Mehlhorn 2011d). Auch die Differenzierung zwischen verschiedenen „Zischlauten― bereitet vielen deutschen Lernenden Probleme, insbesondere die Unterscheidung solcher Formen wie шить vs. жить, хочу vs. хожу, zumal hier sowohl die Merkmale stimmlos vs. stimmhaft als auch „hart― vs. „weich― eine Rolle spielen. Neben den genannten Lauten können auch Konsonantenverbindungen eine Schwierigkeit darstellen; immerhin erlaubt die konsonantenreiche russische Sprache Häufungen von 3, 4 oder gar 5 Konsonanten, z.B. вскочить, взгляд, к встрече. Komplexe Konsonantenverbindungen, die in der Muttersprache der Schüler nicht vorkommen, können sich als wahre Zungenbrecher erweisen, z.B. кто влюблён. Um sich die Aussprache zu erleichtern, schieben manche Schüler Sprossvokale in schwierige Konsonantenverbindungen ein, z.B. *любелю statt люблю, *земеля statt земля. Durch bewusstes sil- Reduktion Stimmhafte Konsonanten Palatalisierung spezifisch russische Laute und Verbindungen <?page no="173"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 174 benweises Aussprechen - zuerst sehr langsam, dann mit steigender Sprechgeschwindigkeit - können diese Sprossvokale getilgt werden. In Bezug auf die Phonem-Graphem-Beziehungen im Russischen müssen die Schüler z.B. lernen, dass <ь, и, е, ё, ю, я> stets die „Weichheit― (palatale Realisierung) des vorangehenden Konsonanten signalisieren und dass nach den harten Zischlauten [ш], [ж] und [ц] das <и> wie [ы] ausgesprochen wird. Die Assimilation verläuft im Russischen zumeist regressiv, d.h., dass nachfolgende Konsonanten vorhergehende in Bezug auf die Stimmhaftigkeit beeinflussen, z.B. wird das Wort просьба als про[зьб]а ausgesprochen und лодка wie ло[тк]а. Für die Schüler ist das anfangs schwierig zu realisieren, da die Assimilation im Deutschen meist in die umgekehrte Richtung verläuft, d.h. progressiv ist. In russischen Konsonantengruppen sind alle Konsonanten entweder stimmhaft oder stimmlos. Eine weitere Besonderheit des Russischen stellt der hohe Sprechstimmumfang im Vergleich zum Deutschen dar. Schüler, die sich in der Intonation russischen Muttersprachlern annähern möchten, müssten daher versuchen, ihre Stimme stärker zu modulieren und sich trauen, größere „Tonsprünge― zu machen (vgl. Mehlhorn 2011e, 8). 4.1.4 Wissenswertes zum Ausspracheerwerb Die Wahrnehmung einer Fremdsprache wird stark von muttersprachlichen Perzeptionsmustern gesteuert. N. S. Trubetzkoy ( 6 1977, 47) spricht vom phonologischen Sieb, durch das die Fremdsprache gefiltert wird. D.h., dass man in der Fremdsprache zunächst nur die Lautkategorien wahrnimmt, die man aus der Muttersprache kennt. Ein russisches [ы] hören Deutsche daher häufig als [i] oder [u i]. Da es im Deutschen keine Palatalisierung gibt, nehmen deutsche Lerner oft keinen Unterschied zwischen Minimalpaaren wie лук - люк; быт - быть wahr. Um solche Unterschiede hören zu lernen, müssen die Ohren der Schüler für die neuen Laute „aufgeschlossen― werden. Als Interferenz bezeichnet man den Prozess und das Ergebnis der Übertragung sprachlicher Merkmale und Regeln aus einer (Muttersprache) in eine andere Sprache (Dieling & Hirschfeld 2000, 181). Wenn z.B. statt palatalisierter nicht palatalisierte Konsonanten (wie in der Muttersprache) gehört werden, handelt es sich um Hörinterferenzen. Auch beim Sprechen treten Interferenzen auf. Meist sind Ausspracheinterferenzen hartnäckiger als solche im Bereich der Lexik oder Grammatik, da die Aussprache in der Muttersprache hochautomatisiert abläuft und Artikulationsbewegungen i.d.R. unbewusst sind. So kommt es in der Aussprache - v.a. wenn korrektives Feedback ausbleibt - häufig zu Fossilisierungen, d.h., dass sich die fehlerhafte Aussprache verfestigt. Einmal falsch eingeprägte Lautformen sind später nur mit großer Mühe zu korrigieren. Beim Aussprachelernen zeigen sich große individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Schülern in Bezug auf • das Ausmaß der auftretenden Ausspracheschwierigkeiten, • das lautliche und intonatorische Differenzierungsvermögen, regressive Assimilation Muttersprache als „phonologisches Sieb“ beim Erlernen der Aussprache Interferenz <?page no="174"?> 175 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln • die artikulationsmotorische Geschicklichkeit, • (kognitive) Lernstile, • verwendete Lernstrategien, • den Grad der Bewusstheit von Ausspracheabweichungen, • Ansprüche an sich selbst (individuelle Norm) und • die Motivation, an ihrer Aussprache zu arbeiten (vgl. Mehlhorn 2006, 228). Die o.g. individuellen Unterschiede, aber auch Faktoren wie das Alter zu Beginn des Erlernens der Fremdsprache führen zu unterschiedlichen Verläufen im Ausspracheerwerb. Während jüngere Kinder in der Regel über eine bessere Imitationsfähigkeit verfügen als Jugendliche und Erwachsene, haben Schüler mit zunehmendem Alter bessere kognitive Fähigkeiten, die ihnen beim Erlernen der Aussprache nutzen. Identitätskonflikte können dem Erwerb einer guten Aussprache entgegenstehen (vgl. Grotjahn 1998, 59-61). Da die Aussprache ein wichtiger Teil der eigenen Identität ist, kann Ausspracheschulung von einigen Jugendlichen als Eingriff in ihre Persönlichkeit wahrgenommen werden und zu psychologischen Problemen führen (vgl. Dretzke 2006, 135). Der Kontakt mit der Zielsprache Russisch hat ebenfalls einen großen Einfluss auf den Ausspracheerwerb. Das betrifft sowohl die Quantität des Sprachkontakts (häufiges Hören und Sprechen sind förderlich) als auch die Qualität des Inputs (möglichst akzentfreie Aussprache von Lehrpersonen, Muttersprachlern und Audio-CDs) und des Outputs (Achten des Schülers auf seine Aussprache beim Sprechen). Der Einfluss der Muttersprache (L1) auf die Zielsprache Russisch (L3) ist besonders stark und auch bei fortgeschrittenen Lernern oft noch hörbar. Aber auch zuvor gelernte Fremdsprachen (L2) können die Aussprache im Russischen beeinflussen. So kann es zu Beginn des Russischlernens zu Interferenzen kommen, z.B., dass ein Wort aus Versehen englisch ausgesprochen wird. Daneben tritt positiver Transfer auf, d.h., dass zuvor in anderen Sprachen erworbene Phänomene erfolgreich ins Russische übertragen werden, z.B. die Wortbindung: (1) (engl.) got up, at eight (frz.) tout entier, tr s utile (russ.) с Иваном, в Африке (vgl. Mehlhorn 2008a). Suprasegmentale, d.h. über das einzelne Lautsegment hinausgehende, Eigenschaften (z.B. Intonation, Wortakzent) gelten als schwieriger zu erlernen als Artikulationsvorgänge bei Einzellauten. Gleichzeitig wird ihnen ein größerer Einfluss auf die Wirkung von fremdsprachigem Akzent zugesprochen als segmentalen Abweichungen (vgl. Mehlhorn & Trouvain 2007). 4.1.5 Prinzipien für die Arbeit an der Aussprache Eine Besonderheit der Aussprachevermittlung besteht darin, dass alle Laute von Anfang an benötigt werden. Deshalb beginnen russische Lehrwerke in der Regel mit einem phonetischen Vorkurs (вводно-фонетический курс), Transfer <?page no="175"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 176 aber auch in deutschen Russischlehrwerken finden sich die meisten Ausspracheübungen in den ersten Lektionen des ersten Bandes. Damit ist der Ausspracheerwerb jedoch längst nicht abgeschlossen: „Работа над фонетикой должна быть на любом этапе, переносятся лишь акценты и меняются виды работ - от работы над звуком к работе над словом, фразой, текстом― (Aki š ina & Kagan 2010, 165). Generell sollte die Ausspracheschulung keine ganzen Unterrichtsstunden, sondern kürzere Unterrichtsabschnitte von 5 bis 10 Minuten umfassen. Da es so unterschiedliche Lernstile und Ausprägungen von Lerntypen gibt, reagieren Lernende individuell sehr unterschiedlich auf verschiedene Angebote der Aussprachevermittlung (Settinieri 2010, 1002). Im Unterricht sollten daher das Alter, die Muttersprache(n), bisher gelernte Fremdsprachen und idealerweise auch die individuellen Lernstile der Schüler berücksichtigt werden. Zumindest sollten verschiedene Lernangebote gemacht werden, so dass das zu lernende Phänomen kognitiv erfasst werden kann und unterschiedliche Wahrnehmungskanäle (visuell, auditiv, taktil, kinästhetisch) miteinander verknüpft werden, z.B.: • Eine wichtige Visualisierung stellen die Akzentzeichen auf betonten Vokalen dar. • Die von der Schreibung abweichende Aussprache kann durch eckige Klammern bewusst gemacht werden, z.B. цифра: ц[ы]фра, солнце: со[нц]е. • Die Artikulation des Konsonanten [ш] kann durch vorgewölbte Lippen im Profil oder auf einer Abbildung visualisiert werden. • Die russischen „Zischlaute― können durch auditive Vergleiche mit bekannten Geräuschen veranschaulicht werden (z.B. ззз: Summen einer Mücke, ссс: Zischen einer Schlange, шшш: starker Sturm, щщщ: Zischen eines Teekessels). • Die Stimmhaftigkeit von Lauten kann taktil durch die Vibration des Kehlkopfs gefühlt werden. • Bei der Artikulation „weicher― Konsonanten kann man die Schüler anleiten, die Mundwinkel wie beim Lächeln auseinanderzuziehen (vgl. Kolosnicyna 2007, 84). • Bei der Artikulation des harten [л] können sich die Schüler vorstellen, sie wollten die Zähne mit der Zunge aus dem Mund schieben und dabei л-лл-л aussprechen (vgl. Aki š ina & Kagan 2010, 167). • Der kinästhetische Sinn (Bewegung) kann angesprochen werden, wenn die betonte Silbe eines Wortes oder der Satzakzent mit einer markanten Handbewegung, Klopfen oder einer leichten Kniebeuge verbunden wird. Diese kognitiven Verfahren fördern gleichzeitig die Aussprache- und Aussprachelernbewusstheit der Schüler. Für einige Lerner werden phonetische Beschreibungen erst durch vereinfachte Visualisierungen und bestimmte „Eselsbrücken― verständlich und anwendbar (vgl. Mehlhorn 2009). Phonetisches Wissen sollte Schülern möglichst wenig abstrakt und immer anhand konkreter Beispiele vermittelt werden. Die kontrastive Betrachtung von Aussprachephänomenen - mit der Muttersprache, aber auch den zuvor gelernten Fremdsprachen der Schüler - kann dazu beitragen, Interferenzen zu vermei- Individuelle Lernermerkmale durch verschiedene Angebote berücksichtigen Aussprache- und Aussprachelernbewusstheit durch kognitive Verfahren fördern <?page no="176"?> 177 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln den oder zumindest zu verringern. Hilfreich ist eine individuelle Aussprache- Diagnose (vgl. Mehlhorn 2006), die auch die Perzeptionsschwierigkeiten des Lernenden einschließt. Bei der Fehlerkorrektur sollte man unterscheiden zwischen kommunikationserschwerenden Ausspracheabweichungen (z.B. Wortakzent, fehlerhafte Realisierung von Stimmhaftigkeit) und geringfügigen „Schönheitsfehlern―, z.B. der Aspiration der stimmlosen Plosive [p h , t h , k h ], die im Russischen zwar unüblich ist, aber die Verständlichkeit der Äußerung nicht beeinträchtigt. Phonetisches Vorwissen aus bereits gelernten Sprachen kann für Sprachvergleiche genutzt werden (vgl. Marx & Mehlhorn 2010, Mehlhorn 2008a, 2011a). So können das engl. dark l und light l zur Erklärung des russischen „harten― und „weichen― л herangezogen werden: (1) [ł]: engl. milk; russ. волк (2) [l j ]: engl. million; russ. миллион Es ist unabdingbar, Sprechübungen erst einmal ein Hörtraining voranzustellen, bei dem überprüft wird, ob bestimmte phonetische Merkmale der Zielsprache vom Lerner überhaupt adäquat wahrgenommen werden. Denn erst wenn zielsprachengerechte Perzeptionskategorien aufgebaut worden sind und ein entsprechendes Diskriminationsvermögen entwickelt worden ist, sind Sprechübungen überhaupt zielführend. „Слуховые упражнения предшествуют артикуляционным, сопровождают их и закрепляют произносительные навыки― (Balychina 2007, 84). In der Ausspracheschulung beginnt man bei der Behandlung eines neuen Aussprachephänomens häufig mit einer Form der Kognitivierung. Es schließen sich Hörübungen an, auf die die Phase des Anbildens folgt. Darunter versteht man verschiedene Tricks, die dabei helfen können, eine phonetische Zielkategorie ein erstes Mal richtig zu produzieren (Settinieri 2010, 1004). Z.B. hilft den Schülern bei der Artikulation palatalisierter Konsonanten im Russischen vielleicht die Vorstellung, dass sie mit der Zunge ein Bonbon oder einen Kaugummi an den Gaumen kleben wollen. Erst wenn das Anbilden gelungen ist, kann das Aussprechen im eigentlichen Sinne trainiert und automatisiert werden (ebd.). Viele nützliche Hinweise zum Anbilden russischer Laute finden sich auf www.logoped.ru. Damit es gelingt, die neu erlernten Artikulationsbewegungen und prosodischen Muster zu automatisieren, um sie auch in der freien Sprachproduktion nutzen zu können, ist häufiges Üben und Wiederholen unerlässlich. Für Ausspracheübungen sollte man mit bekanntem Textmaterial arbeiten, weil unbekannte Vokabeln und Strukturen neue Schwierigkeiten darstellen und von der Aussprache ablenken. Das Vorlesen eines unbekannten Textes stellt keine Ausspracheübung dar! Im Russischunterricht müssen die Voraussetzungen für selbstgesteuertes Aussprachelernen geschaffen werden. Nur Lernende, die ihre individuellen Schwierigkeiten kennen, über sinnvolle Lernstrategien verfügen und ihre Aussprache bewusst kontrollieren können (monitoring), werden selbstständig an ihrer Aussprache arbeiten und von Ausspracheübungen profitieren können (zu einer Checkliste mit Aussprachelernstrategien vgl. Mehlhorn 2007, 227f.). Das Feedback zu den lernersprachlichen Äußerungen der Schüler Hörübungen vor Sprechübungen Kognitivieren - Anbilden - Automatisieren <?page no="177"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 178 sollte daher stets konstruktiv sein, so dass die Schüler nicht nur wissen, was sie falsch aussprechen, sondern auch, was genau sie ändern müssen, um eine bessere Aussprache zu erreichen. Die zu den aktuellen Russischlehrwerken vorhandenen Audio-CDs und Sprachlernsoftwares mit den technischen Möglichkeiten der Wiederholung ein und desselben Klangbeispiels erleichtern das Einprägen von Aussprachemerkmalen immens; sie sollten auch für die häusliche Arbeit verwendet werden. 4.1.6 Übungsformen Es ist Aufgabe der Russischlehrkräfte, Lehrwerkübungen zur Aussprache nach den Bedürfnissen der Schüler einzusetzen, sie zu variieren bzw. selbst Übungen zu entwickeln, wenn die vorhandenen nicht ausreichen (vgl. Hirschfeld 2007, 278). Phonetische Hörübungen Für die Perzeptionsphase eignen sich medial gestützte Hörübungen zur Diskrimination und Identifikation von prosodischen Mustern und Lauten. Bei Diskriminationsübungen müssen zielsprachige Laute unterschieden werden, oft anhand von Minimalpaaren, z.B. бить - быть, год - кот. Die Schüler können beim Hören der Wörter Signalkarten (z.B. eine grüne Karte für einen stimmhaften und eine rote für einen stimmlosen Konsonanten) hochhalten, so dass die Lehrkraft sofort sieht, wie sicher die Unterschiede gehört werden. Denkbar sind auch Übungen, in denen die Schüler unterscheiden müssen, ob die präsentierten Wörter identisch (z.B. дом - дом; 16 - 16) oder verschieden sind (z.B. дом - том; 16 - 60). Bei Diskriminationsübungen sind Audioaufnahmen der mündlichen Präsentation durch die Lehrkraft vorzuziehen, da die Aufnahmen beliebig oft in identischer Form abgespielt werden können; dagegen sind selbst Muttersprachler nicht in der Lage, ein und dieselbe Äußerung auf exakt dieselbe Weise mehrfach zu wiederholen. Bei Identifikationsübungen geht es um das (Wieder-)Erkennen von Lauten, Lautmerkmalen oder Intonationsmustern im Wort- oder Satzkontext, z.B. die Zuordnung von Interpunktionszeichen (.,? ! ) zu gehörten Äußerungen oder das Setzen von Betonungszeichen während der auditiven Präsentation russischer Wörter. Empfehlenswert sind Hörübungen, auch in spielerischer Form, z.B. Lautlabyrinth, Bingo, Maldiktat (gehörte Wörter, z.B. Minimalpaare, zu einem Bild verbinden), Zahlendiktat, Betonungslabyrinth, Hördiktat usw. (vgl. Karavanova 2006, 2009; Kolosnicyna 2007; Erma čenkova 2008; Pra šč uk 2009, Mehlhorn 2011f; ). Kontrollierbare Hörübungen, in denen die Schüler etwas markieren, ordnen, transkribieren oder eintragen sollen, eignen sich gut als Selbstlernaufgaben, wenn die Lösung dem Lernenden zugänglich ist (vgl. Hirschfeld 2007, 279). Phonetische Hörübungen mit Lösungsschlüssel zur Selbstüberprüfung bieten z.B. Balychina & Netёsina (2008). Imitationsübungen Medial gestützte Hörübungen eignen sich grundsätzlich auch zum Nachsprechen. Wenn die Lerner Hinweise zum Anbilden erhalten haben und sich Variierung und Entwicklung von Ausspracheübungen durch Lehrkräfte Perzeptionsphase Nachsprechphase <?page no="178"?> 179 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln beim Nachsprechen auf bestimmte Phänomene konzentrieren, erhält die Imitation eine neue Qualität, weil die Schüler nun wissen, was sie nachahmen und gezielt auf bestimmte phonetische Details im Input und ihrem eigenen Output achten können (vgl. Mehlhorn 2009): Es handelt sich dann nicht nur um Nachsprechen, sondern um eine komplexe kognitive Aktivität, bei der mehrere Wahrnehmungskanäle aktiviert werden und bei der die Schüler versuchen, ihre Artikulation bewusst zu kontrollieren (monitoring). Zur Imitation können z.B. russische Namen sowie immer länger werdende Phrasen verwendet werden, lautes Lesen, Chorsprechen, die Arbeit mit Reimen, Gedichten, Werbeslogans und rhythmischen Sprechstücken (vgl. auch die Vorschläge in Mehlhorn 2011d, e, g und Milovanova 2000). Lieder sind besonders für die Ausspracheschulung geeignet, da die Schüler hierbei keinen eigenen Text produzieren müssen und somit freie kognitive Kapazitäten haben, um sich auf die Artikulation zu konzentrieren. Phonetische Lieder mit konkreten Ausspracheschwerpunkten bietet das Material von Fedotova (2009); die Lieder können auf CD synchron mitgesungen oder in der Karaoke-Version aufgeführt werden. Bei Substitutions- und Ergänzungsübungen handelt es sich um kaschierte Nachsprechübungen mit allmählichem Übergang von der reinen Reproduktion zur freieren Produktion, z.B. wenn verschiedene Wörter in einem Satz betont, bestimmte Elemente in den Äußerungen ersetzt oder kürzere Äußerungen von den Schülern ergänzt werden. Imitationsübungen haben eine wichtige Funktion für die artikulatorischmotorische Ebene der Sprachproduktion: „Je mehr Gelegenheiten zum Sprechen bestehen, desto eher ist der Artikulationsapparat ‚fähig‗, neue oder ungewohnte Laute und Lautfolgen zu produzieren und diese zu automatisieren― (Aguado 2003, 13f.). Oft bietet es sich an, die Ausspracheschulung mit anderen Inhalten zu verbinden, d.h. mit Wortschatz-, Orthographie- und Grammatikübungen (z.B. die phonetischen Veränderungen bei der Konjugation oder Pluralbildung), aber auch mit Poesie und Musik. Interaktive Sprechübungen Ein grundsätzliches Problem der Ausspracheschulung besteht darin, dass eine sehr hohe Anzahl formfokussierter Wiederholungen zur Automatisierung notwendig ist. Um Eintönigkeit zu vermeiden, sollten motivierende Texte, abwechslungsreiche und spielerische Übungsformen eingesetzt werden. Aguado (2003, 13) unterstreicht, dass Spracherwerb sich nicht nur in Interaktionen manifestiert, sondern vielmehr durch sie stattfindet. Wo immer möglich, sollte das Geübte daher in kommunikative Kontexte eingebettet werden, in denen die Schüler sowohl als Hörer als auch als Sprecher gefordert sind. Hierfür bieten sich insbesondere Dialoge, Rollenspiele, Theaterstücke und Diskussionen an, wobei den Lernern zu Anfang Redemittel zur Verfügung gestellt werden, sie sich aber schrittweise von den Textvorlagen lösen sollten. Bei mündlichen Präsentationen im Russischunterricht sollte eine verständliche Aussprache auch stets eines der Bewertungskriterien darstellen. Übungen zur Intonation und zum Sprachrhythmus Russischsprachige Arbeiten für Erwachsene verwenden konsequent das Modell der Intonationskonstruktionen (IK) von Bryzgunova (1981) zur Be- Abwechslungsreiche Automatisierung Intonationsmuster im Russischen <?page no="179"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 180 schreibung und Vermittlung der russischen Intonation (z.B. Muchanov 2006). Für Schüler sind diese 7 IKs offensichtlich zu abstrakt; in deutschen Russischlehrwerken für die Schule tauchen sie daher nicht auf. Dennoch sollte die Aufmerksamkeit der Schüler auf die russische Intonation gelenkt werden. (3) Dafür bieten sich Melodiepfeile an relevanten Satzpositionen an, wie im Beispiel 3. von Aki š ina & Kagan (2010, 167). Zusätzlich wurden hier Grenzen zwischen einzelnen Phrasen eingezeichnet, die gleichzeitig potenzielle Pausen darstellen. Innerhalb einer Phrase sollten keine zusätzlichen Pausen gemacht werden, um die Sinneinheiten nicht auseinanderzureißen. Übungen zum Satzakzent wie im Beispiel (4) von Kolosnicyna (2007, 15): (4) - Антóн идёт в гócти? - Да, Антóн. - Антóн идёт в гóсти? - Да, идёт. - Антóн идёт в гóсти? - Да, в гóсти. können sowohl zum differenzierenden Hören als auch zum Nachsprechen, Intonieren und als Muster für die kreative Gestaltung ähnlicher Minidialoge eingesetzt werden. Als Hörübung könnte man die Sätze gestalten, indem man die Schüler heraushören lässt, welches das erfragte Wort darstellt - nämlich dasjenige, das den prominentesten Akzent (Satzakzent) der Äußerung erhält. Die Schüler könnten die akzentuierten Wörter selbst unterstreichen oder die unterschiedlich intonierten Fragen den jeweiligen Antworten zuordnen. Dabei kann man ihnen bewusst machen, dass Intonation die Bedeutung der Äußerung verändern kann, dass wir die Intonation unserer Gesprächspartner ständig interpretieren und dass eine falsche Intonation zu Irritationen in der Kommunikation führen kann. In einer kommunikativen Intonationsübung mit dem Sprachmaterial in 4. könnte jeweils ein Schüler eine Frage nach diesem Muster stellen und der Partner entsprechend der Intonation eine passende Antwort geben. Auch Intonationsübungen zum Ausdruck positiver und negativer Emotionen eignen sich zur Sensibilisierung für Bedeutungsunterschiede. In der Übung in 5. sollen die Schüler die Äußerungen in der linken Spalte entsprechend den in der rechten Spalte genannten Kategorien (z.B. begeistert, fragend, enttäuscht, ironisch) intonieren und in einem nächsten Schritt in Partnerarbeit kurze Dialoge schreiben, die die jeweilige Intonation verdeutlichen, und diese dann vor der Klasse inszenieren. <?page no="180"?> 181 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln (5) Прочитайте следующие примеры так, чтобы выразить предлагаемые справа в таблице эмоции. Супер восторг, ирония, злость Не придёшь на мой день рождения утверждение, вопрос, разочарование, приказ Ты живёшь в Гамбурге утверждение, вопрос, удивление Какой красивый подарок восторг, ирония У тебя много работы утверждение, вопрос, сочувствие, ирония Generell gilt, dass spielerische Übungsformen, interessante und lustige Texte, die die Emotionen der Schüler ansprechen, die Freude am Aussprechen und Intonieren wecken und aufrechterhalten können (vgl. Mehlhorn 2011b). Auch das Erkennen und Wertschätzen kleiner Aussprachefortschritte durch die Lehrkraft kann die Schüler zur weiteren Arbeit an ihrer Aussprache motivieren. Aufgaben 1. Es gibt mehrere subjektive Alltagstheorien in Bezug auf die Phonetik einer Fremdsprache (vgl. Mehlhorn 2008b), z.B. dass Aussprache nicht so wichtig sei oder dass man eine gute Aussprache automatisch erlernen würde, wenn man einen Muttersprachler zum Lehrer habe. Kommentieren Sie diese Behauptungen. 2. Was sind typische Schwierigkeiten in der russischen Aussprache für deutsche Lerner? Mit welchen der genannten Aspekte haben Sie ggf. selbst noch Schwierigkeiten? 3. Auf welche Weise kann das Interesse der Schüler an einer guten russischen Aussprache geweckt und aufrechterhalten werden? 4. Weshalb spielt Kognitivierung eine wichtige Rolle bei der Aussprachevermittlung? 5. Wie kann die Aussprache neuer Phänomene im Russischunterricht bewusst gemacht werden? 6. Entwerfen Sie eine Übungssequenz mit 4-5 aufeinander aufbauenden Übungen zur Lernschwierigkeit Wortakzent im Russischen. Achten Sie dabei auf eine sinnvolle Progression vom Einfachen zum Schwierigen. Weiterführende Literatur Aki š ina, A.A. & Kagan, O.E. (2010) = Акишина, А. А. & Каган, О. Е.: Учимся учить. Для преподавателя русского языка как иностранного. Методы, прёмы, результаты. Москва: Русский язык. Курсы, раздел „Обучение фонетике―, 164-173. Intonationsübungen zum Ausdruck von Emotionen <?page no="181"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 182 Balychina, T.M. (2007) = Балыхина, Т. М.: Методика преподавания русского языка как неродного, нового. Учебное пособие. Москва: Издательство Российского университета дружбы народов (РУДН), pаздел „Обучение русскому произношению―, 68-84. Milovanova, M.I. (2000) = Милованова, М. И.: Фонетические игры и упражнения. Русский язык как иностранный. Начальный этап обучения. Москва. Themenheft „Aussprache― der Zeitschrift PRAXIS Fremdsprachenunterricht Russisch, 6/ 2011. <?page no="182"?> 183 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln 4.2 Russische Schrift Christine Heyer 4.2.1 Zu erreichende Ziele und Aufgaben bei der Arbeit am russischen Alphabet Buchstaben gehören den grundlegenden Sprachmitteln an, zu denen im Russischunterricht Kenntnisse zu vermitteln und anzueignen sind. Ohne Buchstabenkenntnis ist weder Lesen noch Schreiben möglich. Zu den wichtigsten elementaren Voraussetzungen für die Bewältigung kommunikativer Lese- und Schreibaufgaben in der russischen Sprache zählen demzufolge • die Kenntnis der gedruckten und geschriebenen Formen aller 33 Buchstaben des russischen Alphabets, • das Vermögen, die Schreibformen der Buchstaben duktusgerecht wiederzugeben, • das Vermögen, den Schreib- und Druckformen der Buchstaben entsprechende Lautwerte zuzuordnen, • eine durch Üben gewonnene Grundgeläufigkeit im Schreibablauf und im Erlesen des Niedergeschriebenen (Lesefluss beim lauten Lesen). Damit sind gleichzeitig die wesentlichen Aufgaben umrissen, die im Anfängerunterricht zur Ausbildung eines elementaren Schreibens (und Lesens) gelöst werden müssen - unabhängig davon, in welcher Jahrgangsstufe dies stattfindet. Mit Blick auf die Integration des elementaren Schreibens und Lesens in kommunikative Schreib- und Leseprozesse muss diese Arbeit außerdem gerichtet sein auf • die Kenntnis der Abfolge der Buchstaben im Alphabet, • das Vermögen, eigene Schreibleistungen und die von Mitschülern zu überprüfen. Die Beherrschung der Buchstaben ist Voraussetzung für orthographisches Schreiben. Buchstabensicherheit ist gleichzeitig Bestandteil eines orthographischen Schreibens, das die Kenntnis und den Umgang mit orthographischen Regeln einschließt, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Im Zusammenhang mit der Arbeit am russischen Alphabet bieten sich Möglichkeiten, einen spezifischen Beitrag zur Ausbildung interkultureller Kompetenzen zu leisten: Zum einen sind Potenzen für die Vermittlung von Wissen zu nutzen, das sich auf die Geschichte der Entwicklung der Schriftsprache im slawischen Kulturraum und das Wirken von Kyrill und Method bezieht. Zum anderen ist das kyrillische Alphabet als ein dynamisches kulturelles Phänomen zu verstehen (Mulisch 1993, 33; Neubauer 2005, 51ff.), das in der Gestalt des gegenwärtigen russischen Alphabets unverzichtbarer Aneignungsgegenstand im schulischen Russischunterricht ist. Ohne Buchstabenkenntnis ist weder Lesen noch Schreiben möglich. Schriftsystem als kulturelles Phänomen vermitteln <?page no="183"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 184 4.2.2 Zu Besonderheiten beim Erlernen der russischen Schriftzeichen Das russische geschriebene und gedruckte Alphabet enthält neben Buchstabenformen, die in der deutschen Sprache existieren, Zeichen, die deutschen Buchstaben ähnlich sind oder keine Entsprechung im deutschen Alphabet haben. Außerdem ist in einigen Fällen bei Buchstabengleichheit in beiden Sprachen der Lautwert der Zeichen unterschiedlich. Das erschwert die Aneignung von Kenntnissen zum russischen Alphabet und die Ausbildung von stabilen Graphem-Phonembzw. Phonem-Graphem-Beziehungen. Schreib- und Leseleistungen von Lernenden verweisen auf damit im Zusammenhang stehende Probleme (Heyer & Bethge 1988, 498ff.), z.B.: Schreibleistungen von Lernern: Бабишка дома. Сестра раbotaet. Брат ущеник. Leseleistungen von Lernenden Mokba, dokka bei vorgegebenem Schriftbild (Druckschrift): Москва, доска Ursache dieser Verwechslungen sind einmal interlinguale Interferenzen. Diese entstehen, weil sich stabile, automatisierte Laut-Buchstabebzw. Buchstabe-Laut-Beziehungen in der Muttersprache hemmend auf die Ausbildung von Buchstabe-Lautbzw. Laut-Buchstabe-Beziehungen in der russischen Sprache auswirken. Sie können dann auftreten, wenn in der Mutter- und Fremdsprache annähernd gleiche Buchstabenformen existieren, die jedoch unterschiedlichen Lautwert besitzen: Bei Schreibleistungen in der russischen Sprache greift der Lerner auf eine ihm bekannte, dem Lautwert entsprechende deutsche Buchstabenform zurück (z.B. gеоgрафия). Beim Lesen von russischen Wörtern werden die russischen Buchstabenformen mit deutschen Lautwerten wiedergegeben. Interlinguale Interferenzen kommen auch dann vor, wenn für annähernd gleiche Lautwerte in beiden Sprachen sich ähnelnde Buchstabenformen vorhanden sind; der Lerner greift beim Schreiben auf den deutschen Buchstaben zurück (z.B. парk). Intralinguale Interferenzen wirken bei der graphischen Wiedergabe von Zischlauten und dem Buchstaben ц sowie beim Erlesen dieser Buchstaben. Die im Vergleich zur Muttersprache größere Anzahl von Zischlauten und deren undifferenziert wahrgenommene Lautwerte führen zu Verwechslungen bei der graphischen Wiedergabe dieser Laute. Außerdem ist in der Unterrichtspraxis häufig zu beobachten, dass die Lernenden Buchstaben aneinanderreihen, ohne deren erforderliche Anbindung zu beachten. Das führt zu einem normabweichenden Schreibbild. 4.2.3 Zur (Erst-)Vermittlung von Kenntnissen zu Buchstaben Bei der Einführung eines neuen Buchstabens ist nach Günther (1975, 257ff.) folgendes Vorgehen möglich: 1. Bewusstmachen des Schriftbildes des neuen Buchstabens in Wörtern, die in Schreibschrift präsentiert werden und die bereits mündlich eingeführt interlinguale Interferenzen intralinguale Interferenzen <?page no="184"?> 185 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln wurden („Entdecken― des neuen Buchstabens durch die Lernenden; optische Hervorhebung des neuen Buchstabens); 2. isolierte Veranschaulichung des neuen Buchstabens (dazu Einbeziehen einer vergrößerten Buchstabendarstellung; auch Bewusstmachen der „Bestandteile― des Buchstabens und Demonstrieren des Schreibverlaufs durch die Lehrkraft); 3. mehrmaliges Nachschreiben des Buchstabens durch die Lernenden; 4. weiteres Nachschreiben von Buchstaben (isoliert, in Buchstabenverbindungen und in Wörtern; dabei auch Erlesen der geschriebenen Silben und Wörter durch die Lernenden). Das Vorgehen wird noch heute von vielen Russisch-Lehrkräften praktiziert. Eine undifferenzierte Übernahme dieses Verfahrens führt jedoch zu einer methodischen Einförmigkeit bei der Einführung neuer Buchstaben. In Abhängigkeit von der Kompliziertheit und dem Bekanntheitsgrad der graphischen Bilder der Buchstaben sowie dem Alter des Anfänger-Lerners ist es unbedingt zu variieren. Es kann in den Fällen in der vorgeschlagenen Kleinschrittigkeit erfolgen, wenn das graphische Bild des Buchstabens kompliziert und dem Lerner völlig unbekannt ist. Bei weniger schwierigen Buchstabenformen ist ein sofortiges Nachschreiben des Buchstabens durch die Lernenden zeitsparend. Das gleichzeitige Einführen von mehreren Buchstaben wird bei älteren Anfänger-Lernenden praktiziert. Das Verfahren erübrigt sich gänzlich bei Buchstaben, die sich im Deutschen und Russischen gleichen und die einen annähernd gleichen Lautwert aufweisen. Für eine den praktischen Bedürfnissen der Schriftbeherrschung entsprechende Gestaltung der Einführungsphase von Buchstaben erscheinen außerdem folgende Hinweise von Bedeutung: • Stofflicher Schwerpunkt der Vermittlung ist hauptsächlich der geschriebene Kleinbuchstabe und seine Integration in Silben und einfache Wörter. Die dabei zu vermittelnden Buchstaben entsprechen in ihrer Form dem einfachen Duktus der russischen Schrift (Mulisch 1993, 23 ff.). Selbstverständlich müssen dem Lernenden auch die Buchstabenformen der entsprechenden Großbuchstaben präsentiert werden; wie die Kleinbuchstaben sind auch diese nachzuschreiben. • Die Buchstaben werden so visualisiert, dass der Lernende eventuell vorhandene Ober- und Unterlängen der Buchstaben eindeutig als solche erkennen kann. Dazu ist zweckmäßigerweise eine Lineatur zu verwenden, die bei den Schreibübungen in einschlägigen Arbeitsheften für den Anfängerunterricht Verwendung findet. • Die entsprechenden Druckbuchstaben werden ebenfalls an geeigneter Stelle einbezogen. Da Druckschrift in der Regel rezeptiv anzueignen ist, entfällt das Nachschreiben der Druckbuchstaben. • Um sichere Buchstabe-Laut-Beziehungen herzustellen, ist dort, wo es möglich ist, das Schreiben mit dem Lesen zu verbinden. • Die duktusgerechte Visualisierung der Buchstabenformen sollte abwechslungsreich erfolgen. Dazu eignen sich sowohl traditionelle Unterrichtsmittel (Buchstabenkarten, Buchstabenapplikationen) als auch die digitale Gestaltung der Einführungsphase entsprechend praktischen Bedürfnissen der Schriftbeherrschung <?page no="185"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 186 Tafel. Im Anfangsunterricht Russisch in der Sekundarstufe I beziehen Lehrkräfte häufig Buchstabenbilder ein (Azbuka & Schröder 2011, 12). • Dort, wo keine Überforderung der Lernenden zu befürchten ist, kann die duktusgerechte Visualisierung von Buchstaben ergänzt werden durch deren Präsentation in verschiedenen andersartigen Schriftformen, diese werden in der Regel nur rezeptiv angeeignet. • Für eine weitere Arbeit an den Buchstaben praktizieren Lehrkräfte die Einführung der Buchstabenbezeichnungen (большая буква «Р», маленькая буква «м»); das schafft Eindeutigkeit bei Nachfolgeübungen, z.B. Buchstabendiktaten. • Ist das Alphabet in seiner Gesamtheit eingeführt, eignen sich Merkhilfen, um sich die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet einzuprägen. Dazu wird in der Unterrichtspraxis häufig auf das Lied «Азбука» zurückgegriffen, für Russischlerner an Sekundarschulen empfiehlt sich das Alphabet- Lied nach der Melodie „Ein Männlein steht im Walde …―. 4.2.4 Zur Übungsgestaltung Um die eingangs genannten Ziele im elementaren Schreiben zu erreichen, ist intensives und systematisches Üben erforderlich, für das genügend Zeit einzuplanen ist. Dabei ist es sinnvoll, von folgenden didaktisch-methodischen Überlegungen auszugehen: 1. Übungsschwerpunkte im Schreiben ergeben sich vor allem aus verwechslungspotenten Buchstaben und solchen, deren Form den Lernenden unbekannt ist. 2. Das Einüben der Buchstabenformen ist schwierigkeitsgestuft zu gestalten: Zunächst sind Einzelbuchstaben und Buchstabenverbindungen (auch Schreibsilben) Übungsgegenstand, danach werden sie in die Lexik des Lernwortschatzes integriert, später auch in einfache Sätze. Eine Zunahme des Schwierigkeitsgrades der Übung ist auch gegeben, wenn gleichzeitig unterschiedliche Buchstaben Gegenstand des Übens sind. 3. Elementares Schreiben wird über unterschiedliche Schreibarten entwickelt. Dazu gehören: • Abschreiben von in Schreibschrift vorgegebenem Sprachmaterial (z.B. Schreibe alle Wörter heraus, die den kleinen oder großen Buchstaben «р», «Р» enthalten. Versuche dabei, ohne Hilfslinien zu schreiben.); • Umsetzen von Druckin Schreibschrift; • Schreiben von Klein- und Großbuchstaben nach Angabe des Buchstabennamens; • Diktatschreiben (z.B. Buchstabendiktat, Kontrastdiktat); • Reproduzieren von Buchstaben aus dem Gedächtnis (z.B. Markiere auf der Computertastatur alle russischen Buchstaben, die du bereits kennst. Schreibe die entsprechenden Kleinbuchstaben dazu.); • Rekonstruieren von Buchstabenfragmenten; Methodische Hinweise zur Einführung der Schrift Intensives und systematisches Üben im Bereich des elementaren Schreibens <?page no="186"?> 187 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln • Ergänzen von Buchstaben; • Produzieren von Einzelwörtern (z.B. Denke dir Namen für die abgebildeten Personen aus und schreibe sie zu den Passfotos.). Zahlreiche Anregungen für die Gestaltung von Schreibübungen für jüngere Lernende enthalten einschlägige Schülerarbeitshefte (z.B. Dialog 1 - Arbeitsheft 2008, 2ff.). 4. Um einem mechanische n Abschreiben vorzubeugen, sind Übungen zu gestalten, bei denen Schreiben mit bestimmten weiteren Aufgaben verbunden wird (z.B. Schreibe Wörter heraus, die die Buchstabenverbindung «ал», «ам» und «лл» enthalten und markiere dabei die Verbindungen zwischen diesen Buchstaben farbig.). Beim alphabetischen Ordnen von Buchstaben und Wörtern werden Buchstabenformen weiter eingeprägt, gleichzeitig wird auf rationelles Nachschlagen in Wörterbüchern vorbereitet (vgl. Abb. 23: Übungsbeispiele für alphabetisches Ordnen). 5. Um eine größere Schreibsicherheit bei interferenzbelasteten Buchstaben zu erreichen, bieten sich Kontrastübungen an (vgl. Abb 24: Übungsbeispiele für Kontrastübungen). 6. Ergebnisse der Schreibübungen sind laut zu lesen, um die Ausbildung von Graphem-Phonem-Beziehungen zu unterstützen. 7. Der Umgang mit der russischen Computertastatur erfordert auch ein Üben mit Druckbuchstaben, das vorwiegend rezeptiv erfolgt (z.B. Bringe die Buchstabenkarten in alphabetische Reihenfolge. Oder: Ordne die Buchstabenkarten den Buchstaben auf der Tastatur zu.). 8. Im Anfängerunterricht bei jüngeren Lernenden wird häufig mit Alphabetleisten gearbeitet, auf denen der Lernfortschritt sichtbar markiert wird. <?page no="187"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 188 1. Hier fehlen Buchstaben. Setze anstelle der Punkte die dazwischen liegenden Buchstaben des Alphabets ein. А . . . Д и . . . м с . . . х ш . . . . э ф . . . ш н . . . с 2. Kennzeichne die alphabetische Reihenfolge. Nummeriere die Buchstaben in jeder Zeile von 1 - 6. а) о к г п ч е — — — — — — b) э т я м ж в — — — — — — c) ц з ю а л р — — — — — — d) ф щ д к с н — — — — — — Abb. 23: Übungsbeispielе für alphabetisches Ordnen 1. Б или В? a) Bei den unten stehenden Namen fehlt der Anfangsbuchstabe. Füge ihn ein. _орис, _ова, _ера, _ерта, _иктор, ..._енедикт, _оря, _адим, _ероника, _ладимир, _олодя, _обик, _аля, _алентина, _огдан b) Überprüfe dein Ergebnis mit der Lösung am unteren Rand. c) Schreibe die Vornamen in die richtigen Spalten ein . weiblich männlich Б В Б В 2. р или п? a) Diese Gegenstände siehst du täglich in der Schule. Ergänze die fehlenden Buchstaben. ка_андаш, ка_та, _осте…, _а_ка, фломасте_, жу_нал, _юкзак, ком_ьюте_, гита_а, _лее_, телевизо_, _учка, _а_та Abb. 24: Übungsbeispiele für Kontrastübungen <?page no="188"?> 189 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln Weitere Übungsvorschläge sind enthalten bei Behr (2003) und im Planungsbeispiel Russisch (Fachgruppe Lehrplan Sekundarschule). Aufgaben 1. Ihre Lernenden sollen die russische Schrift als Kulturgut des slawischen Kulturraums begreifen. Unterbreiten Sie Vorschläge, wie Sie dabei vorgehen. Welche Fakten sollten Lernenden im jüngeren Anfängeralter nahe gebracht werden, welche bieten sich für ältere Anfänger-Lerner an? 2. Erläutern Sie an ausgewählten Beispielen aus einem Arbeitsheft für Anfänger, wie an der russischen Schrift gearbeitet wird. Welche Übungsschwerpunkte werden gesetzt? Welche Schreibarten werden gefordert? 3. Skizzieren Sie einen möglichen Unterrichtsablauf für die Einführung eines Buchstabens. - Wählen Sie dafür einen „schwierigen― Buchstaben aus. Begründen Sie Ihre Entscheidung. - Geben Sie im Unterrichtsablauf die Lehrerhandlungen, Schülerhandlungen sowie Unterrichtsmittel an, die sie einsetzen möchten. 4. Entwerfen Sie eine Übungsfolge (drei Übungen) für die bereits eingeführten Buchstaben «б», «Б», «в», «B», «п», «П» mit den dazugehörigen Aufgabenstellungen. Begründen Sie Ihr Übungsangebot. Weiterführende Literatur Behr, U. (Hrsg.) (2003): Алфавит-городок для начинающих. Berlin. Heyer, Ch. & Bethge, M. (1988): „Zu Buchstabenverwechslungen im Russischunterricht in Klasse 5.― In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule „Erich Weinert“ Magdeburg 5 (25), 498-503. Heyer, Ch. (2010): „Zur Entwicklung von Kompetenzen im elementaren Schreiben.― In: Praxis Fremdsprachenunterricht Russisch 02, 4-6. Neubauer, H. (2005): „Von A bis Я.― In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 3, 35-56. <?page no="189"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 190 4.3 Wortschatz- und Grammatikvermittlung Klaus Hartenstein 4.3.1 (Psycho)Linguistische Aspekte des Lernstoffs Wortschatz und Grammatik Mit Wortschatz (oder Lexik) bzw. Grammatik verbindet die Fremdsprachenforschung verschiedene Konzepte (Kleineidam 1986, 9ff.; Helbig 1992, Edmondson 2002, 53f.; Gnutzmann 2010, 112; Surkamp 2010, 247f., 420, 774). Verstanden als linguistisch fassbare Subsysteme sprachlicher Mittel macht Wortschatz die Menge der Wörter einer Sprache und deren lexikalischsemantische Beziehungen zu einem bestimmten Zeitpunkt aus, Grammatik die regulären Form-Funktionsbeziehungen, die wortartbzw. konstruktionsbezogen zumeist obligatorisch ausgedrückt werden müssen. 1 In einem Satz wie z.B. Куда делась моя дорожная сумка? hat man es mit Blick auf lexikalische Sprachmittel mit fünf verschiedenen Wortformen zu tun, z.B. куда, делась, моя usw., die als textuelle Ausdrücke von abstrakten Wörtern oder Lexemen fungieren (hier куда, деться, мой, usw.). Daneben sind mehrere grammatische Erscheinungen zu beobachten, u.a. das morphosyntaktische Phänomen der Kongruenz von Subjekt und Verb in Numerus und Genus bzw. zwischen dem Subjekt und seinen attributiven Begleitern zusätzlich in Kasus. Es kehrt regelhaft wieder: Es betrifft immer die gleichen grammatischen Kategorien der Fragekonstruktion bei anderer lexikalischer Füllung, z.B. Куда пропал твой кожаный пояс? Куда исчезло наше постельное бельё? usw. Wortschatz und Grammatik können somit als virtuelle Größen aufgefasst werden, d.h. als das der gegebenen Sprache innewohnende System, bzw. als dessen explizite Beschreibung, z.B. in Form der o.g. Sprachanalyse bzw. - in größerem Maßstab - eines Wörter- oder Grammatikbuchs für sprachdidaktische, normative oder wissenschaftliche Zwecke. Geht man davon aus, dass jeder Sprecher über dieses virtuelle System (zumindest in seinen Kernkomponenten) verfügt, um erfolgreich zu kommunizieren, erhält Wortschatz bzw. Grammatik eine psycholinguistische Dimension: Das bereichsspezifische Sprachwissen wird verstanden als mentales Lexikon (= ML; genauer dazu s. 4.3.3) bzw. als mentale (auch internalisierte) Grammatik des individuellen Sprechers. Im Vergleich von Erst- und Fremdsprache weisen die Speicherungsformen beider Wissensbereiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Lexikalisches Wissen ist in beiden Sprachen, sofern es Wortbedeutungen betrifft, immer bewusst, denn in beiden Fällen können Sprecher/ Lerner explizit angeben, was ein Wort, das sie (zu) kennen (glauben), bedeutet, z.B. durch Paraphrase bzw. Übersetzung. In der Fremdsprache können diese Wissensbestände - bedingt durch die Dynamik der lernersprachlichen entwicklung - allerdings häufiger unsicher sein. Über 1 In einer Grauzone zwischen Wortschatz und Grammatik liegen wegen ihres nur partiell regelhaften Verhaltens z.B. Präpositionen und die Rektion der Verben, was sich u.a. darin zeigt, dass sie sowohl in Wörterwie in Grammatikbüchern abgehandelt werden, vgl. z.B. Schlegel (1992, 208ff., 269ff.). Bestimmung von Wortschatz und Grammatik als linguistisch fassbare Subsysteme Psycholinguistische Dimension: mentales Lexikon und mentale Grammatik als bereichsspezifisches Wissen des Sprechers <?page no="190"?> 191 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln Grammatikwissen dagegen verfügen Muttersprachler fast durchweg nur unbewusst, Fremdsprachenlerner häufig bewusst oder unbewusst, bedingt je durch die Erwerbsart resp. explizite oder implizite Lehre, (s. Kap. II., 1.2.3). Berücksichtigt man diese begrifflichen Unterscheidungen, gelangt man zu einer allgemeinen Definition von Wortschatzbzw. Grammatiklehre. Sie ist der Versuch, durch geeignete Vermittlungsbemühungen den Lerner zu befähigen, ein mentales Lexikon bzw. eine mentale Grammatik als Teil seiner fremdsprachlichen Kompetenz aufzubauen, das einen unter Berücksichtigung von unterrichtlichen Faktoren festgelegten Ausschnitt des abstrakten lexikogrammatischen Systems der Zielsprache widerspiegelt, um dieses Wissen für sprachliches Handeln anwenden zu können. Aus Platzgründen muss auf eine nähere linguistische Beschreibung des Wortschatzes bzw. der Grammatik der russ. Gegenwartssprache verzichtet werden (vgl. zu einem angewandt-linguistisch orientierten Überblick Schlegel 1992, zu einer detaillierten Darstellung die einschlägigen Artikel in Jachnow 1999; ein Portrait des Russ. der Nach-Perestrojka-Ära geben Ryazanova-Clarke & Wade 1999). Es sollen an dieser Stelle nur zwei Eigenschaften beider Sprachbereiche kurz angesprochen werden, die entscheidende Konsequenzen für die Auswahl des Lernstoffs haben. Lexik bildet im Gegensatz zur (weitaus stabileren) Grammatik ein offenes System, denn sie ist durch ständig ablaufende Sprachwandelprozesse „uferlos― (Rathmayr 1991). Beiden sprachlichen Subsystemen ist indes gemeinsam, dass sie neben einer Mehrheit an neutralen Einheiten/ Strukturen in unterschiedlichem Ausmaß verschiedene Varietäten aufweisen. Diese bestimmen ihrerseits die textsortenabhängige Vorkommenshäufigkeit der entsprechend markierten Elemente als sprachliche Varianten. Sie lassen sich in einer groben Annäherung u.a. entlang der folgenden Klassifikationslinien charakterisieren: • medial (primär geschrieben vs. primär gesprochen), • nicht-, substandardsprachlich/ soziolektal (z.B. die vulgärsprachlichen Varietäten Slang, Tabulexik (насос = ‗Säufer‘ козёл = ‗Schwuler‘)) vs. standardsprachlich, • funktionalstilistisch/ registerspezifisch (z.B. gehoben/ buchsprachlich (нанести визит), umgangssprachlich (разведенец, баба; Почём это? Сколько на твоих? ) usw., regional/ dialektal (одёжа), veraltet (мужик anstelle von крестьянин) ) . Hinzu kommt bei der Lexik noch die Differenzierung in Alltags- und Fachsprache, z.B. мотор vs. двигатель. 4.3.2 Erwerb von Wortschatz und Grammatik Der Erwerb zielsprachlicher Lexik erfolgt nach Börner (2000, 29ff.) in vier Schritten: 1. bewusste Wahrnehmung: Der Lerner nimmt die neue lexikalische Einheit zunächst als Wortform wahr, indem er sie mit seinem lernersprachlichen Wissen abgleicht und eine Diskrepanz feststellt (d.h. zielsprachlicher Input wird zu Intake als Voraussetzung für eine weitere kognitive Verarbeitung); Definition von Wortschatz- und Grammatiklehre Grundlegende Lernschritte beim Erwerb von Lexik <?page no="191"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 192 2. Analyse: Es erfolgt eine Semantisierung, d.h. er erfährt, erschließt oder schlägt deren Bedeutung nach (dabei eignet er sich ggf. weitere Wortinformationen an); 3. Integration in das lernersprachliche Wissen: Er speichert die neue lexikalische Einheit als komplettes Wort (Lexem), d.h. als eine relativ stabile Verbindung aus zielsprachlicher Form und Bedeutung - ggf. zusammen mit weiteren Informationen - in seinem mentalen (Lerner) Lexikon (ML) ab und restrukturiert dabei ggf. bereits vorhandenes L2 Wissen; 4. Automatisierung: er wendet das neue Wort in der Kommunikation an und erreicht dadurch, dass dessen Abruf aus dem ML zunehmend sicherer und schneller wird. 2 Am Beispiel der neuen Vokabel жениться sollen die ersten drei der o.g. Lernschritte verdeutlicht werden: 1. Der Lerner trifft in einem russischen Text auf die ihm unbekannte Wortform жениться, z.B. im Satz Мой сосед женился на девушке моложе его на двадцать лет и переехал жить с ней в деревню. 2. Er errät aus dem Kontext und/ oder durch eine morphologische Analyse, die bekannte Elemente aufdeckt, z.B. жена = ‚Ehefrau‗, -ся = ‚reflexiv, gegenseitig‗ wie z.B in целоваться, обниматься, драться u.ä., dass es sich um ein Verb handelt, das dem deutschen Verb heiraten entspricht. Das derart analysierte Wissen, das er mit Hilfe kognitiver Lernstrategien gebildet hat, testet er nun als lernersprachliche Hypothese, indem er es in der Unterrichtsinteraktion artikuliert, z.B. mit Hilfe einer sozialen Lernstrategie durch eine Verständnis sichernde Nachfrage beim Lehrer, der sie dann bestätigt. Weitere Lehroptionen sind - je nach Unterrichtsbedingungen bereits jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt -, über diese bloße Semantisierungshandlung hinausgehend zusätzlich auf bestimmte Merkmale des neuen Verbs aufmerksam zu machen, z.B. dass es nur Substantive, die Frauen bezeichnen, als Objekt nimmt, und dass es eine im Vergleich zum deutschen Verb jdn. heiraten andere Rektion hat, жениться на ком-л. 3. Der Lerner integriert diese Informationen in sein mentales Lexikon und baut sein bereits vorhandenes lernersprachliches Wissen um, z.B. indem er den Gebrauchsradius des ihm bereits vertrauten Ausdrucks выйти замуж auf Bezeichnungen für Männer in Objektfunktion einschränkt usw. Auf diese Weise baut er eine L2 interne bzw. L1-L2 einbeziehende Vernetzung der Vokabeln in seinem ML auf, hier bzgl. der intralingualen Spezifik ihrer individuellen kombinatorischen und grammatischen Eigenschaften, Лариса вышла замуж за иностранца vs. Мой брат женился на медсестре, bzw. des interlingualen Kontrasts in Form einer relativ zum Deutschen stärkeren lexikalischen Differenzierung des Konzepts ‚heiraten‗ im Russischen durch zwei Lexeme, die nicht in Synonymie-, sondern in Konversionsbeziehung zueinander stehen. Weitere Lernhandlun- 2 Vgl. zu einem Überblick über andere, diese Phasen weiter differenzierende Modellvorstellungen zum Wortschatzerwerb Masum (2012, 108ff.). Lernschritte im Wortschatzerwerb: Beispiel жениться <?page no="192"?> 193 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln gen können sich anschließen, z.B. wenn durch lernerseitigen Vergleich von vertrauten Fremdsprachen bzw. durch lehrseitige sprachübergreifende didaktische Bemühungen deutlich wird, dass das Russische in seiner Strukturierung dieses Wortschatzausschnitts dem Lateinischen gleicht, vgl. russ. выйти замуж - lat. nubere, russ. жениться - lat. in matrimoniam ducere, dass bei objektlosem Gebrauch als generischer Ausdruck nur жениться verwendet wird, z.B. Они должны были пожениться usw. Diese Lernschritte rufen sich mehrmals gegenseitig auf und führen zu einem kontinuierlichen quantitativen und qualitativen Zuwachs im Bereich des lernersprachlichen deklarativen Wortschatzwissens („Faktenwissens―), denn es wird umfangreicher, differenzierter und stärker vernetzt (Henrikson 1999). Damit einhergeht, dass zunächst rezeptiv beherrschte Lexik (auch: Mitteilungswortschatz) zunehmend zu produktiv verfügbarem Wortschatz (auch Verstehenswortschatz) wird (Melka 1997). Ausbildung und Einsatz bestimmter lexikalischer, auf Kommunikationsstrategien basierender Lernstrategien schaffen einen weiteren, den rezeptiven und produktiven Wortschatz zusätzlich strukturierenden Typ von lexikalischen Kenntnissen, den sog. potenziellen Wortschatz (Bohn 1999, 24f.; Börner 2000, 40). Es handelt sich dabei um prozedurales lernersprachliches Wissen („Strategiewissen―), mit dessen Hilfe unter Rückgriff auf bereits vorhandenes deklaratives Sprachwissen der Lerner unbekannte Lexeme eigenständig semantisieren kann, z.B. durch die Anwendung von intraund/ oder interlingualer Sprachanalyse, Wortbildungskenntnissen und intelligentem, d.h. sprach- und weltwissenbasiertem Raten aus dem Kontext, z.B. • деревянный дом (als desubstantivisiche Ableitung von дерево), • человечество, производство (desubstantivische Bildung mit Kollektivsuffix von человек, производить), • мышка компьютера, сайт в интернете (von engl. mouse, site), • Каждый имеет свои странности (aus Kenntnis der Einzelwörter und einer deadjektivischen, auf странный bezogenen Wortbildungsregel als dt. Jeder hat seine Merkwürdigkeiten/ Seltsamkeiten = Macken verstehbar). Im Idealfall ist zielsprachliche Lexik erworben, wenn sie auf diesen Wortschatzdimensionen vollumfänglich beherrscht wird. Unterrichtlich angebahntes Wortschatzlernen setzt indes immer eine Entscheidung über das angestrebte Lernziel voraus, die auf einer ersten Hierarchiestufe zwischen neuem Wortschatz, d.h. nur dem punktuellen Textverständnis dienendem, und Lernwortschatz, d.h. weiter und differenzierter zu memorierendem Wortschatz, zu trennen hat (Börner 2000, 36). Die daran anschließenden Fragen sind u.a.: Soll ein Wort, z.B. хватать, nur in einer, z.B. (С меня) Хватит! , oder in allen seinen lexikalisch-semantischen Varianten mit bestimmten, z.B. Мне не хватает времени, oder allen konstruktiven Eigenschaften, in ausgewählten oder allen Wortformen usw., z.B. У нас хватило бензина, Угля хватит на одну зиму, С меня хватило и того, что я увидел тёщу издалека на улице gelernt werden? Wie viel Wert soll auf die Vermittlung von potenziellem Wortschatz gelegt werden? Aufbau lernersprachlichen deklarativen Wortschatzwissens Entscheidung über Lernziele im Bereich des Wortschatzes <?page no="193"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 194 Für die Modellierung des Erwerbs von zielsprachlicher Grammatik muss das o.g. Schema zum Wortschatzlernen mit Blick auf den Grad der Wissensanalyse (Schritt 2) ergänzt werden. Grammatische Erscheinungen können als bewusstes Wissen erworben werden, z.B. durch eine lehrseitige Kognitivierung der Form-Funktionsbeziehungen über die Mitteilung der Grammatikregel. Der Lerner kann sich ein grammatisches Phänomen jedoch auch als Routine aneignen, d.h. als unanalysiertes, ganzheitliches und dadurch unbewusstes Wissen. Beide Speicherungsarten lernersprachlichen Wissens sind prinzipiell ineinander überführbar und können als Ausgangspunkt für lernersprachliche Transferprozesse fungieren, indem der Lerner die betreffende grammatische Erscheinung, unabhängig von ihrer Repräsentationsform, durch neue lexikalische Füllungen variiert. Am Beispiel der sog. unbestimmt-persönlichen Satzkonstruktionen (не определённо-личные предложения) sollen die Modifikationen des o.g. Schemas für den Grammatikerwerb verdeutlicht werden: 1. Der Lerner trifft auf die ihm unvertraute Konstruktion перевели, z.B. in dem Satz Книгу перевели на русский язык. 2. In Abhängigkeit davon, ob er nur dessen (ungefähre) Bedeutung aus den ihm bereits bekannten Wörtern als ‚man hat ...‗ bzw. ‚das Buch wurde ...‗ erschließt oder ob er darüber hinaus weitere kognitive Anstrengungen über das Zustandekommen der Konstruktion unternimmt, z.B. durch eine morphosyntaktische Analyse der Konstruktion, bzw. ob ihm das relevante Wissen (eingliedriger subjektloser Satz, Verb in 3. Pers. Pl.) lehrseitig vermittelt wird, baut er unbewusstes bzw. bewusstes grammatisches Wissen auf. Der Analysegrad des neuen syntaktischen Wissens kann dabei durch weitere Lehrhandlungen erhöht werden, z.B. durch eine Sensibilisierung für das kommunikationsstrategische Potenzial der Konstruktion als deutsches man-Äquivalent, immer dann, wenn man nicht weiß, ob das betreffende russische Verb passivierbar ist. 3. Je nach Lernweg integriert der Lerner die o.g. Routine bzw. die Grammatikregel in sein vorhandenes lernersprachliches Wissen. Beide Wissensbausteine stehen ihm nun als Strukturmodell für die Bildung analoger neuer, weil lexikalisch variierter Äußerungen zur Verfügung, z.B. Магазин уже закрыли. Номер в гостинице ещё не забронировали. Эти фрукты купили на рынке. Мост построили в прошлом году u.ä. 4.3.3 Erwerbstheoretische Begründungen und (erste) methodischdidaktische Implikationen für die Wortschatzbzw. Grammatikvermittlung Diese exemplarisch beschriebenen Lernprozesse lassen sich sowohl für zielsprachliche Lexik wie auch Grammatik durch (psycho)linguistische Befunde der Fremdsprachenforschung zu Speicherungsform bzw. Aktivierungsart des erworbenen Wissens erklären. Das Wortschatzlernen wird v.a. unter dem Gesichtspunkt einer von der Erstsprache getrennten Repräsentation bzw. mit dieser gemeinsamen Speicherung des Lernstoffs Lexik untersucht (s. im Folgenden a), für das Grammatiklernen wird die potenzielle Rolle von explizitem Erwerb von zielsprachlicher Grammatik: als bewusstes Wissen vs. als Routine Lernschritte im Grammatikerwerb: Beispiel неопределённоличные предложения - <?page no="194"?> 195 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln Grammatikwissen für dessen Abruf in der (spontanen) mündlichen Kommunikation diskutiert (s. im Folgenden b): a) Der psycholinguistisch inspirierten Diskussion in der Fremdsprachenforschung um die beiden konkurrierenden Repräsentationsformen verschmolzene vs. getrennte (separate) Speicherung von zielsprachlicher Lexik liegen unterschiedliche Auffassungen darüber zugrunde, was das Phänomen Sprache eigentlich ausmacht. Gefasst als universalistischer Sprachbegriff (Harden 2006, 10ff.), kann eine zu lernende Sprache als ein System von (weitgehend) unvertrauten Lauten, Formen und Strukturen angesehen werden, das dazu dient, über die Erstsprache bereits verfügbare Konzepte auszudrücken. Neben einfachen Vokabelgleichungen des Typs russ. книга = dt. Buch sind mit diesem Verständnis von Fremdsprache(nerwerb) auch diverse Typen von zwischen den Sprachen divergenten Form-Funktionsbeziehungen abgedeckt. Hierzu zählen u.a. verschiedene lexikalische Taxonomien zum Ausdruck für ein Konzept, z.B. einzelsprachspezifische divergente Kombinationsbeschränkungen bei Lexemkollokationen, z.B. dt. starker Motor, starker Kaffee, starker Einfluss = russ. мощный мотор, крепкий кофе, сильное влияние, unterschiedliche Bedeutungsumfänge von lexikalischen Einheiten, z.B. russ. рука vs. dt. Hand, Arm, russ. тёща, свекровь vs. dt. Schwiegermutter (des Manns bzw. der Frau), Einvs. Mehrfachwortrealisierungen eines Konzepts, z.B. dt. duschen, verhandeln = russ. принимать душ, вести переговоры u.ä. Lediglich in den wenigen Fällen „echter― lexikalischer Lücken für zielsprachliche Wörter in der Erstsprache, z.B. russ. OВИР, Золотое кольцо, чебуреки, коммуналка, селёдка под шубой, самовар, морс (in übertragener Bedeutung), muss der Lerner zusätzlich zur Aneignung der zielsprachlichen Ausdrücke neue Konzepte bilden. Aus relativistischer Sicht dagegen wird die Zielsprache nicht nur als ein neues Ausdruckssystem für im Zuge der muttersprachlichen Sozialisation bereits gebildete Konzepte aufgefasst, sondern darüber hinaus als ein größtenteils unterschiedliches Denksystem, das eine andere Weltsicht nahe legt (Müller 1981). Folgt man dieser Annahme, reicht es nicht, für eine erste Semantisierung Vokabelentsprechungen, z.B. russ. лес = dt. Wald und russ. квартира = dt. Wohnung, zu lernen. Man muss sich zusätzlich die entsprechenden kulturspezifischen Konzepte aneignen, beschreibbar als landestypische Assoziationen, z.B. dass der typische russ. ‚Wald‗ zugewuchert und sumpfig ist, eher nicht zum Spazierengehen, sondern zum Pilze- und Beerensammeln aufgesucht wird (Markstein 1989) bzw. dass die typische russ. ‚Wohnung‗ schwer zu bekommen ist, eine Fernheizung hat, mit drei Generationen geteilt wird, in einem Wohnblock liegt usw. (Bohn 1999, 10f.). Die beiden hier skizzierten Auffassungen von Fremdsprachen(lernen) haben Konsequenzen für die Gestaltung von Fremdsprachenlehre. Nicht nur der Umfang des jeweils zu vermittelnden Lernstoffs unterscheidet sich, sondern auch viele der im Fremdsprachenunterricht angewendeten Lehrprinzipien sowie das daraus ableitbare methodisch-didaktische Vorgehen, z.B. Zweisprachigkeit vs. Einsprachigkeit, Nicht-/ Aktivierung von vorhandenem Sprach- und Konzeptwissen, Fremdsprachenlehre primär als Sprachvermittlung (mit landeskundlichen Anteilen, wo erforderlich) oder als v.a. interkulturell ausgerichtetes pädagogisches Bemühen. Für eine weitgehend universalistische Auffassungen zur Speicherungsform des Wortschatzwissens auf der Grundlage eines universalistischen oder relativistischen Sprachbegriffs Relativistischer Sprachbegriff: Sprachen repräsentieren unterschiedliche Denksysteme Konsequenzen für die Gestaltung der Lehre <?page no="195"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 196 Sicht von Fremdsprachenlernen sprechen Befunde, die im Rahmen empirischer psycholinguistischer Untersuchungen zum sog. Mentalen Lexikon (= ML) erzielt worden sind, vgl. z.B. Engelkamp (1995), Aitchison (1997). Insb. sind das diejenigen Erkenntnisse, zu denen die Fremdsprachenforschung zum mehrsprachigen Mentalen Lernerlexikon gelangt ist, vgl. z.B. Kielhöfer (1994), Raupach (1997, 2000), Masum (2012, 24ff.). Unter dem Mentalen Lexikon versteht man den Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem das gesamte lexikalische Wissen repräsentiert ist. Sein wichtigstes Organisationsmerkmal besteht darin, dass die Wörter als Knoten in einem „riesigen multidimensionalen Spinnennetz― (Aitchison 1997, 105) gespeichert sind, die, ihrerseits durch Pfade verknüpft, ein komplexes Netz assoziativer Verknüpfungen mit anderen Knoten bilden, so dass jedes Wort gleichzeitig Element verschiedener Netze ist und auf diese Weise die Teilinventare zu einem umfassenden Gesamtnetz, dem ML, zusammengeführt werden. Ordnungsnetze, in denen lexikalische Informationen gespeichert werden (vgl. z.B. Kielhöfer 1994, Neveling 2004, 41), sind u.a.: 1. Wortnetze (als einzelsprachspezifische Variante von Begriffsnetzen, nach gemeinsamen Archisemen angeordnet), z.B. alle Wörter mit dem Archisem ‗водоём’: море, пруд, река, ручей, океан, nicht jedoch лужа; 2. Klangnetze, z.B. река, рука, мука; 3. syntagmatische Netze, z.B. делать вывод, допустить ошибку, оказывать услугу, вести переписку usw. Befunde zum ML weisen darauf hin, dass die Bedeutungen von Wortformen zumeist nicht neu erworben werden, denn zielsprachliche Lexik wird - der natürlichen Äquivalenzhypothese folgend (Swan 1997, 164ff.; Börner 2000, 38) - zunächst zusammen mit den L1 Wortäquivalenten abgespeichert. Erst nach und nach bildet sich ein L2 Subspeicher, falls erforderlich, mit einem Netz abweichender kulturspezifischer Bedeutungskomponenten, heraus. Je nach der Anwendungssituation der Zielsprache - geht es z.B. um ‚Wohnen‗ in Russland oder Deutschland - wird ein fortgeschrittener Lerner dann die spezifischen fremdkulturellen Assoziationen beim Gebrauch von квартира (s.o.) mit aktivieren oder nicht. Diese Auffassung stützt auch die Hypothese, dass es kaum vorstellbar ist, dass das Gehirn des Lerners die hoch komplexe Aufgabe, ein neues fremdkulturelles Konzept- oder Denksystem aufzubauen, ein zweites oder drittes Mal bewältigen kann (Quetz 1990). Die sukzessive Herausbildung einer immer stärkeren internen Vernetzung des zielsprachlichen Wortschatzes in einem teilautonomen Subspeicher, der an die Seite seiner weiterhin bestehenden Verankerung im L1 Speicher tritt, lässt sich mit den auf die Anfänge der Bilingualismusforschung, (vgl. Weinreich (1953) zurückgehenden Konzepten der verschmolzenen/ gemeinsamen (compound), getrennten/ separaten (coordinate) bzw. subordinierten Repräsentation (subordinate representation) lexikalischer Informationen beschreiben. In einer frühen Erwerbsphase erfolgt eine verschmolzene Speicherung im ML, denn die neue Vokabel wird als lexikalische Form über ihre Assoziation mit ihrem L1 Äquivalent als komplettes Lexem verarbeitet (sofern ein solches existiert). So wird z.B. russ. идти zunächst mit dt. gehen in Bedeutung, Kombinatorik, Stilebene usw. vernetzt. Auf fortgeschrittenem Lernniveau löst sich Lexikalische Ordnungsnetze im Mentalen Lexikon Repräsentationsformen lexikalischer Informationen und sukzessive Herausbildung eines L2 Speichers <?page no="196"?> 197 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln die L2 Vokabel als lexikalische Form aus der Assoziation mit ihrem L1 Äquivalent und wird zu einem eigenständigen L2 Lexem, dessen Merkmale mit dem ausgangssprachlichen Äquivalent zwar weiterhin stark vernetzt sind, das aber mit weiteren analog verarbeiteten zielsprachlichen Lexemen, z.B. ходить, einen Subspeicher bildet (subordinierte Speicherung). Bezogen auf идти führt dies dazu, dass z.B. je nach Bewegung in eine Richtung (Куда ты идёшь? ) vs. nicht in eine Richtung (Ребёнок уже ходит в школу) einerseits der Bedeutungsumfang des Verbs relativ zu seinem dt. Äquivalent gehen eingeschränkt wird, andererseits jedoch je nach Kombinatorik erweitert wird (Я иду на работу vs. с работы). Идти wird nunmehr nicht nur mit dt. gehen, sondern auch mit dt. kommen vernetzt. Weitere Lernprozesse können die Pfade im L2 Subspeicher weiter ausbauen, z.B. die semantischen Differenzierungen im übertragenen Gebrauch des Typs Идёт дождь <фильм>, идти на компромисс vs. Ходит слух, что..., ходить вокруг да около usw., so dass sich bei zunehmender Annäherung an eine muttersprachliche Kompetenz in der Zielsprache die Speicherung von ausgangs- und zielsprachlicher Lexik im ML hin zu einer koordinierten Repräsentation öffnet. Die wachsende Vernetzung des ML führt dazu, dass immer mehr Integrationsmöglichkeiten für neue Lexik entstehen, ihre zunehmende Dichte sorgt dafür, dass Speicherung und (bei entsprechender Einübung) Abruf von Wortschatz sicherer und schneller ablaufen. Die hier gerafft vorgestellten Einsichten zum ML haben Konsequenzen für eine lernwissenschaftlich begründete Wortschatzlehre. So ist u.a. das für die audiolinguale und direkte Fremdsprachenlehrmethode konstitutive Prinzip der Einsprachigkeit in seiner Ausschließlichkeit nicht mehr haltbar. Auf der Ebene von Lehrverfahren bedeutet dies, dass zweisprachige Semantisierungen von unbekannten Wörtern sinnvoll sein und somit Vokabelgleichungen effektive Lernangebote darstellen können, denn sie sind mit den im ML ablaufenden Verarbeitungsprozessen konsistent. Gleiches gilt wegen ihres Vernetzungspotenzials mit dem (fremd)sprachlichen Vorwissen der Lerner für die sprachübergreifende Wortschatzarbeit. Auch muss der Lernertrag der im Fremdsprachenunterricht aus der Mode gekommenen Fertigkeit des Übersetzens wieder in den Blick genommen werden, denn sie fördert (im Ggs. zur in letzter Zeit verstärkt propagierten Fertigkeit der Mediation) die interlinguale Vernetzung des ML (Jessner 2008). b) In der Fremdsprachenforschung ist die Rolle impliziten Grammatikwissens für das Erlernen mündlicher Sprachfertigkeiten wegen des mit ihm einhergehenden automatisierten Abrufs unumstritten, wenn die aktive mündliche Beherrschung der Zielsprache angestrebt wird. Bis heute herrscht indes keine endgültige Einigkeit darüber, worin genau der Beitrag expliziten Grammatikwissens für den Erwerb von sprachlichem Handlungswissen in der spontanen mündlichen Kommunikation besteht - und somit von lehrseitigen Kognitivierungsmaßnahmen, insb. des Bewusstmachens grammatischer Regeln, d.h. von Grammatikunterricht. Konsequenzen für eine lernwissenschaftlich begründete Wortschatzlehre Implizites Grammatikwissen ist für den automatisierten Abruf in der Sprachproduktion wichtig. <?page no="197"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 198 Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob bzw. inwieweit ebenfalls explizite Grammatikkenntnisse die zielsprachliche Performanz steuern können, erstrecken sich von marginal, da nur für planbaren Sprachgebrauch, insb. das Schreiben, einsetzbar (z.B. Krashen 1982), über transitorisch (sequentiell) als mentales Zwischenstadium, das sich nach und nach in implizites Wissen umbaut (z.B. Anderson 1976), bis hin zu prinzipiell koexistent, da explizites Grammatikwissen nicht als unvereinbar mit bzw. kontraproduktiv für dessen automatisierte Aktivierung in mündlichen Äußerungen angesehen wird (z.B. Bialystok 1978, Ellis 1990, Sharwood-Smith 1981, 1997, Edmondson 1999). Solange die Frage noch nicht endgültig beantwortet ist, ob explizites Wissen, weil es analysiert und somit bewusst ist, dessen raschen Abruf in der mündlichen Kommunikation ausschließt, hemmt, zulässt oder fördert, wird das finale Lernziel von Grammatikunterricht kontrovers bleiben. Strittig wird weiterhin sein, ob ausschließlich implizites Grammatikwissen erworben werden soll oder ob zusätzlich explizite Wissensbestände gelernt werden sollen? Daher stellen die im Folgenden vorgestellten Lehrverfahren verschiedene Vermittlungsoptionen dar, die gezielt die Lernchancen fördern, die beide Repräsentationsformen fremdsprachlichen Wissens eröffnen. Je nach den konkreten Bedingungen der Lehr-Lern-Situation werden die tatsächlichen Erwerbsresultate unterschiedlich ausfallen. Allerdings ist davon auszugehen, dass unter den Bedingungen des schulischen Fremdsprachenunterrichts mit Russisch als zweiter oder dritter Fremdsprache die in Kap. II.1.2.2 herausgestellten Vorteile expliziten L2 Grammatikwissens zum Tragen kommen werden. 4.3.4 Lehrprinzipien, -verfahren und -maßnahmen Unter Lehrprinzipien sollen hier allgemeine Leitlinien für die Fremdsprachenvermittlung verstanden werden. Sie beruhen auf lernwissenschaftlichen Erkenntnissen, sind lehrstoffsowie größtenteils lerner- und lernphasenunabhängig, und ihre unterrichtliche Anwendung eröffnet jeweils spezifische Lernpotenziale. Lehrverfahren sind methodisch-didaktisch präzisierte Vorschläge zur unterrichtlichen Vermittlung von zielsprachlichem Wissen bzw. Fertigkeiten. Sie umfassen Bündel von verschiedenen Lehrmaßnahmen in Form von weiter konkretisierten Vermittlungshandlungen, die ein gemeinsames globales Lehrziel verfolgen, z.B. die Semantisierung neuer Lexik, die Anwendung grammatischer Erscheinungen für bestimmte kommunikative Zwecke oder die Vermittlung lernstrategischen Wissens. Lehrverfahren verstehen sich als Vermittlungsoptionen, denn Entscheidungen zu ihrer Auswahl und Umsetzung in konkrete Lehrhandlungen, d.h. welche Lehrmaßnahmen wann für wen und für welchen Lehrstoff sinnvoll sind, hängen immer von den jeweiligen Unterrichtsbedingungen ab. Im Gegensatz zu Lehrprinzipien ist daher die Anwendbarkeit insbesondere von Lehrmaßnahmen durch die Bedingungen des Lehr-Lern-Gefüges stärker eingeschränkt, z.B. in Bezug auf das Lehrziel, den Lehrstoff und auf Lernervoraussetzungen und -bedürfnisse. Weitere Einflussfaktoren für Entscheidungen zum Einsatz von Lehrmaßnahmen sind die Unterrichtsmethodik, insbesondere die gewählte Fremdsprachenlehrmethode samt zur Verfügung stehender Unterrichtsmedien, die Anteile an lehrseitiger Steuerung des Lernprozesses, z.B. durch variierende Unterschiedliche Auffassungen zur Rolle expliziten Grammatikwissens bedingen Kontroversen zum Lernziel von Grammatikunterricht. Lernwissenschaftlich begründete Wege der Fremdsprachenvermittlung: ihre Anwendbarkeit ist determiniert durch die konkreten Bedingungen des Lehr- Lern-Gefüges. <?page no="198"?> 199 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln Aufbereitung des Inputs, durch primär sprachstrukturell fokussierte Übungen oder inhaltlich-kommunikativ orientierte Lernaufgaben, die Unterrichtsorganisation, z.B. Präsenzlernen, Hausaufgaben, sog. blended learning (als Kombination aus Präsenz- und Online-Kurs), und die Sozialform, z.B. Frontalunterricht, Partner-, Gruppen- oder Projektarbeit. Lehrprinzipien und Lehrverfahren bzw. die aus ihnen ableitbaren Lehrmaßnahmen stehen zueinander in einer mehrfachen Zuordnungsbeziehung. Ein bestimmtes Lehrverfahren kann durch mehrere Lehrprinzipien begründet bzw. ein Lehrprinzip durch mehrere Lehrverfahren realisiert werden. So kann z.B. die Semantisierung von neuer Lexik mit Hilfe einer Übersetzung (зажигалка = Feuerzeug, жвачка = ugs. Kaugummi usw.) u.a. durch die Prinzipien Lernökonomie und Lernprozessorientierung, hier die Assoziierung neuer Wortformen im ML mit ihren Lexemäquivalenten in der Muttersprache, gestützt werden. Andererseits lässt sich z.B. das Lehrprinzip Sprachbewusstheit durch die beiden Verfahren Analyse grammatischer Strukturen und Begründung des Regelverstoßes in nichtnormgerechten Ausdrücken samt Korrekturvorschlag für die unterrichtliche Grammatikvermittlung umsetzen, vgl. z.B. die Grammatikübung: Bestimmen Sie den Kasus der auf -у endenden Substantive: Ты уже убрал квартиру? Мне не до смеху. В первом ряду самые дорогие места. К вечеру опять начался дождь, ... und die Übung zu den Lang-/ Kurzformen der Adjektive: Warum sind folgende Sätze falsch? *Обе квартиры одинаковые по площади. *Всё здесь опять чистое. Wo liegt der Fehler, und wie lauten sie richtig? Die vorgestellten Lehrverfahren beruhen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auf den folgenden Lehrprinzipien: • einsprachige und mehrsprachige Lehre miteinander verbinden; • die Steuerung des Lernprozesses durch die Verbindung von expliziter und impliziter Lehre variieren; • lernökonomisch lehren; • Sprach(lern)bewusstheit schaffen; • selbst entdeckendes Lernen fördern; • sprachliches Vorwissen und Lernerfahrung nutzen; • intra- und interlinguale Wissensnetze aufbauen; • Anlässe zum systematischen und wiederholten Üben schaffen; • individuelle Lernerunterschiede berücksichtigen. 4.3.5 Lehrverfahren für die Lexik- und Grammatikvermittlung Mit Hilfe der Lehrverfahren für Wortschatz und Grammatik, wie sie hier auf der Ebene von konkreten Lehrmaßnahmen für die Unterrichtspraxis exemplarisch vorgestellt werden, kann dem Lerner Lehrstoff angeboten werden, um bei ihm Lernprozesse anzubahnen und zu fördern, die ihn zur Erreichung eines vorab festgelegten Lehrziels führen sollen. Dem Einsatz von Lehrverfahren vorauszugehen haben Entscheidungen zur Auswahl und zur Progression (Anordnung) des Lehrstoffs für seine unterrichtliche Einführung. Die Grammatik- und Wortschatzselektion wird u.a. durch Überlegungen zur Frequenz in der Alltagssprache und Verteilung über bestimmte Textsorten Umsetzung von grundlegenden Lehrprinzipien in Lehrverfahren Einsatz von Lehrverfahren in Abhängigkeit von komplexen Faktoren Entscheidung über Stoffauswahl und Progression <?page no="199"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 200 bestimmt; für die Lexikauswahl sind darüber hinaus noch Lernerinteressen und Erfordernisse der zielsprachigen Unterrichtskommunikation ausschlaggebend. Die Planung der Progression erfolgt ebenfalls nach verschiedenen Kriterien (vgl. Surkamp 2010, 250f.), zu denen u.a. sprachsystematische, lernpsychologische und situationsbezogene Gesichtspunkte zählen. Zielkonflikte sind dabei vorprogrammiert, wenn einfache Strukturen, z.B. die Bildung des Präteritums auf -л, wegen des günstigen Verhältnisses von Lernaufwand und -erfolg zunächst bevorzugt werden, für die Bewältigung elementarer kommunikativer Bedürfnisse indes bereits früh komplexe Strukturen benötigt werden, z.B. die Flexion von Verben im Präsens mit ihren morphonologischen Alternationen und Akzentwechseln, um Äußerungen mit Gegenwartsbezug machen zu können. Die anfängliche Vermittlung von sprachlichen Routinen mit der Option, diese im Sinne einer spiralförmigen Progression später wieder aufzugreifen und durch grammatische Regularitäten zu kognitivieren, kann dazu beitragen, die Kollision der Auswahlkriterien abzumildern. Die im Folgenden vorgestellten Lehrverfahren für Lexik und Grammatik unterstützen in unterschiedlichem Umfang die drei zentralen Erwerbsphasen von zielsprachlichen Einheiten und Strukturen: • Neulernen, d.h. Verstehen; • (stabile) Speicherung, d.h. Einprägen und Behalten (Memorisierung); • Anwendung (Automatisierung), d.h. schneller und sicherer Abruf für kommunikative Bedürfnisse. Dabei können multiple Lerneffekte entstehen, z.B. wenn die stabile Speicherung einer neuen grammatischen Struktur durch Umformungs- oder Einsetzungsübungen gefördert werden soll und zusätzlich neue Lexik mit erworben bzw. bereits vorhandenes lexikalisch-grammatisches Wissen aktiviert und (weiter) automatisiert wird. Im kommunikativen Fremdsprachenunterricht sind Lehrmaßnahmen immer Einzelschritte in umfassenden Lehrhandlungssequenzen. Erstere zielen darauf ab, Kenntnisse der Zielsprache zu vermitteln, die in die Ausbildung von rezeptiven und produktiven Sprachfertigkeiten zu integrieren sind. So kann z.B. das Lehrverfahren der Kognitivierung von Form- und Funktionsunterschieden grammatischer Erscheinungen als eine mögliche Lehrmaßnahme realisiert werden durch eine explizite gegenüberstellende Vermittlung der entsprechenden Regularitäten oder als Einzelschritt in eine übergeordnete Textarbeitssequenz eingebettet sein, die den Lerner dazu befähigen soll, Texte präziser zu verstehen und nach entsprechender Einübung der Phänomene diese korrekt zu verwenden. Ein Beispiel für Form-Funktions-Unterschiede ist der Aspektgebrauch nach Verneinung in Konstruktionen diversen Typs, z.B. Этот документ нельзя скачать (= ‚man kann nicht‗) und Они ещё не вернулись с дачи (= ‚eine Handlung war geplant/ wurde erwartet, hat aber nicht stattgefunden‗) bzw. Этот документ нельзя скачивать (= ‚man darf nicht‗) und На этой неделе они не ездили на дачу (= ‚die gesamte Handlung hat nicht stattgefunden‗). Lehrverfahren berücksichtigen die zentralen Erwerbsphasen von zielsprachlichen Einheiten und Strukturen. Im kommunikativen Fremdsprachenunterricht sind Lehrmaßnahmen immer Einzelschritte in umfassenden Lehrhandlungssequenzen. <?page no="200"?> 201 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln Auch können verschiedene Lehrmaßnahmen, v.a. wenn sie das gleiche Lernziel bedienen, miteinander kombiniert werden, so wenn zusätzlich zu einer zielsprachlich formulierten, bereits vertrauten Wortschatz einbeziehenden Bedeutungserklärung eines neuen Lexems, z.B. льготный = ‚ имеющий преимущество, привелигированный ‘ , als weitere Semantisierungshilfen usuelle Wortverbindungen, z.B. льготный билет, льготная цена, льготные условия, und ein sprachlich-situativ typischer Verwendungskontext präsentiert werden, z.B. die Frage an einer Theater- oder Kinokasse У вас ещё есть льготные билеты для студентов? Die Lehrverfahren bzw. die sie realisierenden Lehrmaßnahmen werden als Prototypen charakterisiert. Sie zielen auf die Vermittlung von deklarativen Wissensbeständen ab, d.h. auf zielsprachliches lexikalisch-grammatisches „Faktenwissen―. Sie werden nach ihrer (lehrseitig intendierten) Verortung in den drei o.g. Phasen des Lernprozesses und unter Nennung ihrer Lehrziele vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt somit auf Verfahren, die systematisches Sprachwissen vermitteln. Diese bilden unter lernpsychologischen Gesichtspunkten und den lernorganisatorischen Rahmenbedingungen des Fremdsprachenunterrichts, insb. des spät beginnenden Russischunterrichts, eine günstige Voraussetzung für den Aufbau von Verwendungswissen, um das erworbene Sprachwissen situativ-kommunikativ angemessen zu gebrauchen. So ermöglichen es breite, z.B. durch Vokabelgleichungen und grammatische Regeln vermittelte deklarative Sprachkenntnisse - auch wenn sie zunächst nicht bzw. nur schwach automatisiert sind - dem Lerner, bereits in der Anfangsphase des Fremdsprachenunterrichts sich durch eigenverantwortliche außerunterrichtliche Aktivitäten, v.a. durch die Rezeption von selbst ausgewählten (authentischen) L2 Texten, schnell ein umfangreiches Angebot an Wortschatz und Grammatik zu verschaffen. Durch diese Ausweitung des Sprachangebots kann der Lerner sich eine im Vergleich zum unterrichtlich zur Verfügung gestellten, zwangsläufig stark eingeschränkten Input breitere Grundlage bilden, um lernersprachliche Hypothesen aufzustellen und zu testen, die ihrerseits die Voraussetzung für den Erwerb von produktiven Kompetenzen darstellt (Huneke & Steinig 2000, 139f.; Börner 2000, 36). Abschließend werden in Form von Lerntipps und Vorschlägen zu Fragebögen einige Anregungen für die Vermittlung von prozeduralem, auf Wortschatz und Grammatik bezogenem lernstrategischem Wissen gegeben. 1. Neulernen von L2 Lexik • Lehrverfahren: Semantisierung von neuer Lexik (s. folgend 1.1 - 1.10.) • Lehrziele: - Vermittlung der Bedeutung neuer Wörter; - Aufbau eines klaren Verständnisses der zu lernenden Wörter 3 . 3 Die hier angeführten Semantisierungsverfahren umfassen die in Schenke (2011, 109ff.) als „etablierte― Zugriffe bezeichneten, gehen aber über diese hinaus. Die unten vorgestellten Lehrmaßnahmen zielen auf eine Wortdefinition ab. Linguistisch betrachtet entsprechen sie dagegen gebrauchslexikographisch orientierten semantischen Beschreibungen (Apresjan 1994, 29f.), denn sie enthalten auf Grund von lernpsychologisch motivierten Überlegungen zur Verstehbarkeit nicht, wie für Lehrmaßnahmen mit gleichem Lernziel können miteinander kombiniert werden. Lehrverfahren und -maßnahmen zur Vermittlung deklarativen Wissens Semantisierung neuer Lexik: Ziele und Maßnahmen <?page no="201"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 202 Lehrmaßnahmen: 1.1. Wortbedeutung durch Vorzeigen eines typischen Referenten, diverse Abbildungen oder physische (gestische, mimische) Demonstration verdeutlichen z.B. встать bzw. жевать durch Vormachen von „Aufstehen― bzw. „Kauen―; 1.2. Angabe des muttersprachlichen Äquivalents z.B. russ. мысль= dt. Gedanke; 1.3. Ausnutzen von sprachübergreifenden Wortverwandtschaften (sog. Kognaten) z.B. фейерверк = dt. Feuerwerk, солярий = dt. Solarium, арбитр = frz. arbitre, босс = engl. boss usw.; 1.4. Paraphrasierung in L2, z.B. жевать = ‚делать мягким с помощью зубов ‘ ; 1.5. Ausnutzen von Wortfeldstrukturen (paradigmatischen semantischen Relationen), v.a. Hyp(er)onymie, Antonymie, Synonymie, z.B. морковь als Hyponym von овощи, дешёвый als Gegenteil von дорогой, разводить (пчёл) als Synonym zu выращивать (коров) usw. erklären; 1.6. Ausnutzen von Wortbildungsmustern, z.B. виза, визовый, песок anführen, um die Adjektive безвизовый (въезд), песочные (часы) zu semantisieren; 1.7. Ausnutzen von syntagmatischen semantischen Relationen durch die Einbettung des zu erklärenden Wortes in ausgeprägte, d.h. sprachlich und kommunikativ aussagekräftige Kontextbeispiele mit typischen Kombinationspartnern, z.B. für die Bedeutungsvermittlung von водиться in der lexikalisch-semantischen Variante ‗встречаться’ die Beispielsätze: Рассказывают, что в старом замке водятся призраки. Будьте осторожны, когда пойдёте за грибами. В этом лесу водятся ядовитые змеи. В тихом омуте черти водятся. (Sprichwort), für die Semantisierung von подводок die Wortverbindung bzw. die Äußerung: водить собаку (гулять) на поводке; Возьми собаку на поводок! Детям страшно; 1.8. Ausnutzen von Wortschatzgliederungen nach Sachgruppen, z.B. um лоб oder подбородок zu semantisieren, auf голова und die bereits vertrauten Lexikalisierungen für seine wichtigsten Bestandteile глаза, рот, уши, губы, волосы usw. verweisen (ggfs. zusätzlich zu 1.); 1.9. Ausnutzen von analogen intra- und interlingualen paradigmatischen und syntagmatischen Wortschatzstrukturen, z.B. - um die Bedeutung von невеста zu erklären, die interne Wortanalogie невеста zu жених wie муж zu жена anführen, - um die Bedeutung von одеть bzw. раздеть zu verdeutlichen die semantisch-kombinatorische Analogie одеть ребёнка bzw. раздеть ребёнка zu надеть пальто, снять пальто usw. anführen; - das Verb смотреть einführen, indem es intralingual in Analogie mit видеть präsentiert wird und ggfs. zusätzlich interlingual in Analogie Definitionen im engen linguistischen Verständnis erforderlich, alle notwendigen und hinreichenden Komponenten, die das Wort in allen Verwendungen vollumfänglich erklären (Melčuk 1988, 173). <?page no="202"?> 203 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln mit engl. to look (at), to watch bzw. to see oder frz. regarder und voir gebracht wird; 1.10. Erschließen lassen eines neuen Wortes aus dem Kontext (sog. „intelligentes Raten"), z.B. - des Verbs скончаться im Satz Свои последние годы Тарковский провёл в Париже, где он скончался в 1986 году, - zusätzliches Analysieren der Wortform скончался, z.B. in die bereits bekannten Wortschatzeinheiten конец und кончаться, mit anschließender Überprüfung der erschlossenen Bedeutung im Wörterbuch. 2. Neulernen von L2 Grammatik • Lehrverfahren: a) kognitivierende Vermittlung der Form-Funktionsbeziehungen neuer matischer Strukturen (mit variierendem Zeitpunkt und Umfang der Bewusstmachung); b) ganzheitliche Vermittlung der Form-Funktionsbeziehungen neuer gram ma tischer Strukturen durch exemplarisch ausgewählte sprachliche Routinen; c) Kombination von a) und b) • Lehrziele: - Vertraut machen mit neuen grammatischen Erscheinungen; - Aufbau relevanten expliziten bzw. impliziten Wissens. Lehrmaßnahmen für a): Präsentation von Grammatikregeln mit schematisch bzw. propositional (begrifflich-terminologisch) variierendem Format, Verdeutlichung ihrer Reichweite mit Hilfe ausgewählter Beispiele: 2.1. als signalgrammatisch formulierte (Mindt 2000), d.h. auf die Vermittlung von Handlungswissen abzielende, frei von metasprachlichen Beschreibungen dargestellte, z.B. durch schematisierte „Wenn-dann―- Regularität: - начать, перестать, бросить, продолжить обедать, читать, писать, ..., vgl. Виктор начал отгадывать кроссворд. У меня твёрдое намерение бросить курить. Врач мне порекомендовал продолжать: принимать эти таблетки; - (не) забыть, (не) успеть, (не) удастся сделать, купить, заплатить, ..., vgl. Не забудьте закрыть окна! Они (не) успели пересесть на поезд в Москву. Мне удалось застать жену на работе; - за (три дня, сорок минут), наконец, совсем ..., пообедал, прочитал, написал , ..., vgl. Ирина решила кроссворд за пять минут, Мы, наконец, легли спать ... - часто, всегда, каждый день, обычно, ... обедал, читал, писал, ..., vgl. Когда мы жили в деревне, мы часто ходили на рыбалку. Мы с Ларисой обычно встречались в кафе-мороженое Риальто...? ? 2.2. als Faustregeln, die Standardverwendungen beschreiben, u.U. mit Angabe von deren Geltungsbereich einschränkenden Ausnahmen, Maßnahmen zur kognitivierenden vs. ganzheitlichen Vermittlung von Form-Funktions- Beziehungen neuer grammatischer Strukturen Kognitivierung der Form-Funktions- Beziehung grammatischer Strukturen gram- <?page no="203"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 204 - „Wenn man unsicher ist, ob man von einem Verb ein Passiv bilden kann, benutzt man die unbestimmt-persönliche Konstruktion―, vgl. Сегодня опять отключили воду. Его арестовали ещё в аэропорту; - „Nach den (Kardinal-, Grund-)Zahlwörtern (im Nominativ bzw. Akkusativ) пять, есть, семь usw. steht das Substantiv im Genitiv Plural―, vgl. пять столов, девять студенток, двадцать словарей, сто рублей, триста тысяч жителей ... Ausnahmen sind (u.a.): лет, человек, килограмм, мне, vgl. Мне тринадцать лет. На борту самолёта было двести человек. Чемодан весит 18 килограмм. Принимайте медикаменты пять раз в день! 2.3. als Regel-Beispiel-Grammatik, die die Form-Funktionsbeziehungen exakt und ausführlich beschreibt, - z.B. die folgende, einen der verschiedenen Gebrauchstypen der Kurzform der Adjektive beschreibende ausführliche Regel: Die Kurzform des Adjektivs muss verwendet werden, wenn das Adjektiv über eine Objektergänzung verfügt, z.B. похож на кого-/ что-л. (‚jdm. ähnlich‗), достоин чего-л. (‚einer Sache würdig, wert‗), согласен с кем-/ чем-л., что-л. делать (‚einverstanden mit jdm.‗), равнодушен к кому-/ чему-л. (‚gleichgültig gegenüber etw./ jdm.‗), готов к чему-л./ на чтол./ сделать что-л. (‚bereit sein für/ zu etw.‗) u.ä., vgl. Её муж похож на моего соседа. Оба политических деятеля, по-моему, достойны Нобелевской премии. Вы согласны со мной/ помочь нам? Он равнодушен ко всем нашим просьбам. Ты готов на всё/ к отъезду/ отвезти ребёнка в детский сад? Die Kurzform ist auch dann obligatorisch, wenn die Objektergänzung fehlt, aber aus dem Kontext mitverstanden wird, z.B.: Вдали были видны горы Кавказа. (= ему/ туристам, ... были видны ...). Нина ты готова? (= готова на всё/ к старту/ сходить за покупками, ...) Ausnahme: Wenn das Adjektiv Teil einer Apposition ist, steht es trotz Objektergänzung in der Langform, vgl. Туристы, готовые к вылету в Крым, собрались перед табло. 2.4. wie 2.2. und 2.3., jedoch zusätzlich unter Bewusstmachung von bereits vorhandenem (fremd)sprachlichen Wissen, - z.B. durch intralinguale Anknüpfung an die bereits vertrauten Kardinal- und Ordinalzahlwörter один, первый, um (ggfs. mit Hilfe von Visualisierungen durch ein Zifferblatt, s. 1). die umgangssprachliche Uhrzeitangabe innerhalb des Stundenbereichs vermitteln, vgl. без пяти три, в двадцать(минут) четвёртого usw., - interlinguale Aktivierung von bereits bekannten Verwendungsregularitäten der Vergangenheitstempora in narrativer, d.h. weder auf den Sprechzeitpunkt, noch die Sprechsituation bezogener Funktion im Engl. oder Frz., um die entsprechenden Tempus-Aspektgebrauchstypen des Russ. einsichtig zu machen, vgl. z.B. die funktionalen Analogien des sog. Inzidenzschemas: engl. We were watching TV. Suddenly the phone rang (past progressive + simple past), frz. On regardait <était en train de regarder> la télé. Tout à coup, le téléphone a sonné (imparfait + passé <?page no="204"?> 205 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln composé), russ. Мы смотрели телевизор. Вдруг зазвонил телефон (imperfektives Präteritum + perfektives Präteritum). 2.5. Präsentation von speziell ausgewählten Beispielen mit dem neuen grammatischen Phänomen, Regularität mit unterschiedlichen Anteilen lehrseitiger Steuerung der Aufmerksamkeit selbst entdecken lassen, - z.B. für die Vermittlung des Präpositivs auf -у nach lokalen Präpositionen kontrastiv angeordnete Satzpaare des Typs, А кто позаботится о саде, когда ты в отпуске? - После работы я люблю покопаться в саду, mit dem Arbeitsauftrag anbieten, die Funktion und Verwendungsbedingungen der Kasusendung -у herauszufinden. Lehrmaßnahme für b): neue Grammatikerscheinungen exemplarisch als sprachliche Routinen präsentieren, um dem Lerner komplexe Strukturen schnell für die Kommunikation verfügbar zu machen, 2.6. z.B. den Ausdruck der Belebtheitskategorie bei den Grundzahlwörtern durch das Aufzählen von kontrastiv angeordneten Beispielen, vgl. Полицейские допрашивали одного <двадцать одного, тридцать одного,... сто одного...> очевидца преступления. В аэропорту арестовали двух <трёх, четырёх> зарубежных туристов. Учителя сегодня проэкзаменовали двадцать два (*двух) <тридцатъ три (*трёх), сорок четыре (*четырёх), ...> ученика. Dieses ganzheitlich vermittelte Sprachangebot bildet - zusammen mit der aufmerksamkeitssteuernden Funktion des negativen Beispielmaterials - eine Basis für das eigenständige Bilden und Testen von lernersprachlichen Hypothesen über die zu Grunde liegende Regularität. Lehrmaßnahme für c): 2.7. Zunächst wie unter 2.1.6. vorgehen und die Grammatikerscheinungen bei Bedarf später kognitivieren, z.B. wenn der Ausdruck der Belebtheitskategorie in der Adjektivflexion thematisiert wird. 3. Speichern von L2 Lexik • Lehrverfahren: - Wortschatz nach verschiedenen Kriterien ordnen (1.); - Wortschatz analysieren (2., 3.); - Wortschatz in Minimalsituationen einüben (4.) • Lehrziele: - neue Wortformen in ein zielsprachliches Lexem als Bündel aus verschiedenen Wortkomponenten überführen; - neuen Wortschatz mit vertrautem Wortschatz vernetzen; - Wortschatz differenzieren, - durch Steigerung der Verarbeitungstiefe die Vergessensresistenz fördern; ganzheitliche Vermittlung der Form-Funktionsbeziehung grammatischer Strukturen Kombination von sprachlicher Routine und späterer Kognitivierung Maßnahmen zum Speichern von Lexik: Wortschatz ordnen, analysieren, einüben <?page no="205"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 206 - die Anwendbarkeit von Wortschatz für kommunikative Zwecke vorbereiten. Lehrmaßnahmen: 3.1. Wörter nach bestimmten Eigenschaften durchsuchen, klassifizieren und an- und zuordnen lassen (ggfs. mit Hilfe von Wörterbüchern), - z.B. eine ungeordnete Reihe von Ausdrücken in eine logische Reihenfolge bringen lassen, vgl. опустить письмо в почтовый ящик, сбегать на почту, заклеить конверт, написать адрес, вложить письмо в конверт, отправить письмо, написать другу письмо, купить почтовые марки, ... - Wörter mit bestimmten Eigenschaften suchen lassen, z.B. „Was passt nicht in die Reihe, und warum? ―, vgl. лужа, море, канал, пруд, океан, капля, озеро, река, ... - passende Wortverbindungen (Lexemkollokationen) aus Wortreihen zusammenstellen, z.B. vorgegebene Adjektive und Substantive einander zuordnen, vgl. глубокий, твёрдый, заядлый, бурный, крепкий, ... und .... чай, сон, намерение, аплодисменты, курильщик, ... 3.2. Wortschatz innerhalb der Zielsprache bzw. sprachübergreifend auf verschiedenen Abstraktionsebenen analysieren, z.B. - das Bedeutungspotenzial (im Sinne von Polysemie und Homonymie) eines Wortes durch Kontextanalyse vermitteln, vgl. осмотреть город bzw. больного, занять место bzw. у кого-л. деньги, набрать номер bzw. ключ от номерa, ... - für spezifische Bedeutungsumfänge von Wörtern durch Kontextanalysen sensibilisieren, vgl. мыть посуду, пол, окна, ... vs. стирать бельё, полотенце, ... - für die Spezifik von Kollokationen durch Übersetzung in die Muttersprache, zunächst Wort für Wort, danach ganzheitlich, sensibilisieren, vgl. die Verb-Substantiv-Verbindungen Государственная Дума недавно приняла закон о запрещении курения в общественных местах. На этой неделе мы, наконец, переехали на новую квартиру ... - Fehler in der Wortverwendung finden und korrigieren lassen (ggfs. unter Einbezug von normgerechten Beispielen als Distraktoren), z.B. bei Verstößen gegen Kombinationsbeschränkungen, vgl. дать хороший пример (korrekt: подать, показать), доставлять удовольствие, делать спорт (korrekt: заниматься), производить впечатление, положить пластинку (korrekt: поставить), делать неприятности (korrekt: причинить), ... 3.3. Durch intrabzw. interlingualen Sprachvergleich (ggfs. mit kontrastierenden Merksätzen) für sog. falsche Freude sensibilisieren, d.h. für „... Lexeme, deren äußere Form der eines Lexems derselben oder einer anderen Sprache aus den unterschiedlichsten Gründen gleich oder ähnlich ist ... und deswegen ... auf semantischer bzw. formaler Ebene zu normwidriger Verwendung führen kann― (Mertens 2001, 77), Wortschatz ordnen Wortschatz analysieren <?page no="206"?> 207 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln - z.B. земной (шар, кора) - земельный (участок собственность), невежда - невежа, лук - луг - люк (Стрелять из лука можно на лугу), замок замок, russ. фамилия - dt. Familienname, russ. семья - dt. Familie, russ. пакет - dt. Einkaufs-, Plastiktüte, russ. посылка - dt. Paket (Посылку можно отнести на почту в пакете) usw. 3.4. Lückentexte, Umformungs- und Frage-Antwortübungen präsentieren, um den Transfer neuen lexikalischen Wissens auf sprachliche Minimalsituationen zu fördern, - z.B. zur Verwendung von мочь und уметь: Я устал. Поэтому я не ... играть в волейбол. Ты играешь очень плохо. Разве ты ... играть в волейбол? - Vorgabe von Wortschatz, mit dem auf bestimmmte Fragen geantwortet werden soll: выставка, концерт, мультик, ... - С кем ты ходила на...? Что ты слушала по радио? Что ты смотрел по телевизору? ... 4. Speichern von L2 Grammatik • Lehrverfahren: - Sprachanalyse ( ); - ausgewählte grammatische Strukturen in Minimalsituationen kleinschrittig einüben ( 3 . ) • Lehrziele: - für die Anwendungsbedingungen und Reichweite von Grammatikregeln sensibilisieren; - Regularitäten für ganzheitlich vermittelte grammatische Strukturen bewusst machen; - durch Steigerung der Verarbeitungstiefe die Vergessensresistenz fördern; - die Anwendbarkeit von Grammatik für kommunikative Zwecke vorbereiten. Lehrmaßnahmen: 4.1. das Auftreten einer grammatischen Erscheinung begründen, z.B. - durch die Angabe der Grammatikregel für den Gebrauch von что bzw. чтобы in den folgenden Sätzen: Он сказал, что всё будет убрано до приезда гостей. Он сказал, чтобы всё было убрано ... Надеемся, что всё будет убрано ... - durch die Angabe der Grammatikregel(n), gegen die in den folgenden Sätzen ein Verstoß vorliegt, und Durchführen der entsprechenden Korrektur: * Оба девушки студентки третьего курса. * Вчера мы ездила за город и привезли красивые цветы. * Они пришли в гости с четыре ребёнка. 4.2. die einer grammatischen Erscheinung zugrunde liegende Regularität selbst entdecken lassen, unterstützt durch Aufmerksamkeitslenkung auf Kontextsignale, z.B. - durch Verweis auf die Länge des Zeitraums, die bestimmte Substantive in Kombination mit bestimmten Präpositionen bzw. Kasus bezeichnen, Wortschatz in Minimalsituationen einüben Maßnahmen zur Sprachanalyse und zum Einüben grammatischer Strukturen in Minimalsituationen Sprachanalyse 4.1. 4.2. , 4. <?page no="207"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 208 vgl. в эту секунду, в этот день, в субботу, на этой неделе, в мае, в этом месяце, весной, летом, в этом году, в эту эпоху, в каменный век, ... 4.3. Lückentexte, Umformungs- und Frage-Antwortübungen präsentieren, um den Transfer neuen grammatischen Wissens auf sprachliche Minimalsituationen zu fördern, - z.B. zur Verwendung von в und на: Я работаю ... этом заводе уже десять лет. Мой чемодан ещё ... аэропорту. - Umformung von Sätzen zur Elizitierung bestimmter grammatischer Strukturen, z.B. Sätze mit entgegengesetzter Bedeutung bilden, um den Gebrauch bestimmter präfigierter Bewegungsverben zu festigen: Женщина подошла к витрине. Птицы улетают на юг. Мы внесли вещи в купе usw. - Vorgabe von grammatischen Strukturen, mit denen auf bestimmte Fragen geantwortet werden soll: Когда вы встаёте? (7 Uhr) Когда начинается передача? (um 11.55 Uhr) Когда придёт Нина? (zwischen 15 und 16 Uhr). 5. Kommunikative Anwendung von L2 Grammatik und Lexik • Lehrverfahren: - von gelenkter Reproduktion zur freien Produktion; - von primär formorientiertem zu primär inhaltsorientiertem Sprachgebrauch (Übergang von vorkommunikativen Übungen zu kommunikativen Lernaufgaben); - integrierte Vermittlung von komplexen grammatischen und lexikalischen Strukturen • Lehrziele: - angemessene Realisierung von bestimmten Äußerungsabsichten in bestimmten Kommunikationssituationen; - Automatisierung von Grammatik- und Wortschatzwissen zu sprachlichem Können, v.a. in der spontanen mündlichen Kommunikation; Lehrmaßnahmen: 5.1. Musterdialoge zu einem bestimmten Thema als sprachliche Routinen ganzheitlich präsentieren, die Strukturvorgabe mit veränderter Thematik und sich daraus ergebender sprachlicher Variation reproduzieren lassen, z.B. - einen Dialog zu den Vor- und Nachteilen des Fernsehens (Frenzel 1994): A: Как лучше с телевизором или без телевизора? V: С телевизором лучше: можно смотреть интересные фильмы., можно быстро получать информацию, с телевизором больше бываешь дома. A: Нет, лучше без телевизора. С телевизором меньше читаешь, встречаешься с друзьями, хуже учишься, ... Kleinschrittiges Einüben in Minimalsituationen Maßnahmen zum Übergang von Reproduktion zu Produktion Übergang von formorientiertem zu inhaltsorientiertem Sprachgebrauch integrierte Vermittlung komplexer Strukturen Variation sprachlicher Vorgaben <?page no="208"?> 209 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln mit der anschließenden Aufgabe, die Vor- und Nachteile eines eigenen Autos (in der Stadt) in Dialogform zu diskutieren, so dass z.B. Präpositionsgebrauch und finite Verbformen im Präsens im kommunikativen Zusammenhang geübt werden. 5.2. sprachliche Stimuli (z.B. einen Text mit darauf bezogenen Fragen, bestimmte Schlüsselwörter oder Satzanfänge, verkehrt zugeordnete Fragen und Antworten, Sprechintentionen mit bestimmten Ausdrucksmitteln) bzw. nicht sprachliche (z.B. Bildgeschichten) Stimuli präsentieren, um an diese Vorgaben gebundenen, teils reproduktiven Sprachgebrauch zu üben, z.B. - Welche Sehenswürdigkeiten in Ihrer Stadt würden Sie mit den folgenden Adjektiven beschreiben, um sie russischen Gästen zu empfehlen? Notieren Sie einige Sätze: живописный, огромный, чудесный, древний, прекрасный, крупный (Otlitschno! A2, Arbeitsbuch 2012, 114) - Поговорите с другом, что можно изменить: Как ты думаешь, можно ли бросить курить/ изменить свои привычки? - Это возможно. Нужна воля. Например,.../ Это не возможно, потому что ... (Otlitschno! A2, Kursbuch 2012, 85) - Подберите подходящий ответ: 1 Какой у вас вагон? a V 17.50 ч. 2 Самолёт из Вены уже прилетел? b Во втором 3 Что делать с миграционной картой? c С четвёртого 4 ... d ... (Die korrekten Antworten lauten Двенадцатый. Да, минут 5 тому назад. Хорошо хранить und finden sich weiter unten in der Liste der Vorgaben.) (Otlitschno! A2, Kursbuch 2012, 88) - Formulieren Sie Ihre Vorstellungen mithilfe von хочется und хотелось бы. Sagen Sie, dass ... sie gern mehr über die Geschichte der Stadt erfahren möchten ... sie, wenn möglich, ein Kloster besuchen würden ... (Otlitschno! A2, Arbeitsbuch 2012, 116) 5.3. Elizitierung freier Textproduktion durch minimale Vorgaben, z.B. seine Meinung bzw. Erfahrung zu einem bestimmten Thema formulieren, seinen Tagesablauf beschreiben, bestimmte Äußerungsabsichten ausdrücken usw., z.B. - Eine russische Bekannte ... wird ein Praktikum in einer Firma Ihres Landes absolvieren. Sie ... erkundigt sich bei Ihnen nach der Kleiderordnung in Unternehmen. Schildern Sie ihr ... Ihre Erfahrungen und führen Sie einige Beispiele aus Ihrem Bekanntenkreis an. (Otlitschno! A2, Arbeitsbuch 2012, 55) - Erkundigen Sie sich, ... a) wann Ivan angekommen ist (mit dem Flugzeug). Stimuli für reproduktiv-produktiven Sprachgebrauch Freie Textproduktion mit minimalen Vorgaben <?page no="209"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 210 b) ob Tanja schon da ist (zu Fuß gekommen ist). (Otlitschno! A2, Arbeitsbuch 2012, 62) 4.3.6 Zum Lernpotenzial der o.g. Lehrverfahren für Lexik und Grammatik Die Möglichkeiten und Grenzen der unterrichtlichen Anwendung der o.g. Lehrverfahren bzw. -maßnahmen ergeben sich v.a. aus den linguistisch spezifizierbaren Eigenschaften des Lehrstoffs, der lernpsychologischen Fundierung der Lehrverfahren und den jeweiligen Lernermerkmalen. So ist z.B. Voraussetzung für illustrativ-ostensive Semantisierungsverfahren (s. 1.1) die Konkretheit der vom betreffenden Lexem bezeichneten Referenten, für einen signalgrammatischen Lehrzugriff die Existenz einer eindeutigen unilateralen Implikation der Form-Funktionsbeziehungen zwischen zwei grammatischen Erscheinungen. Für einsprachige Worterklärungen (s. 1.4) spricht u.a., dass sie den typischen Kommunikationsstrategien von Muttersprachlern im natürlichen Erwerbskontext im Zielland entsprechen, die Vernetzung von Wortschatzeinheiten innerhalb des L2 Subspeichers des ML fördern und sich sinnvoll in ein Hörverstehenstraining integrieren lassen, da sie den auf semantische Dekodierung gerichteten Aufmerksamkeitsfokus des Lerners unterstützen. Für zweisprachige Worterklärungen (s. 1.2) spricht u.a., dass sie zeitökonomisch, weil kognitive Ressourcen schonend, sind und mit den Verarbeitungsprozessen des ML (zumindest im Anfangsstadium) konsistent sind. Nachteile beider Lehrmaßnahmen sind u.a., dass sie zu falschen Annahmen über die Wortbedeutung führen können, aus unzureichendem Verständnis der einsprachigen bzw. aus nicht gegebener Übersetzungsäquivalenz der zweisprachigen Semantisierung. Kombinieren lassen sich beide Zugriffe insofern, als durch lernerseitige Angabe des L1 Äquivalents das Verständnis der zielsprachlich durchgeführten Semantisierung überprüft werden kann. Insb. diejenigen der o.g. Lehrmaßnahmen, die auf die Aktivierung von intrabzw. interlingualem Vorwissen abzielen, z.B. 1.9, 2.1.4, beruhen auf der auf Ausubel (1968) zurückgehenden Idee der sog. Advance Organizers, d.h. „... vorausgeschickte Lernorganisatoren, die als ‚Ankerideen‗ fungieren und bei der Wahrnehmung neuer Informationen entscheidend mitwirken― (Edmondson & House 2006, 99). Ihre Anwendbarkeit steht und fällt daher damit, ob bzw. inwieweit Lerner dieses (Vor)Wissen mitbringen. Die Lernchancen, die die o.g. Verfahren für die Vermittlung von Lexik und Grammatik eröffnen können, werden auch durch Lernstile beeinflusst. Daher dürften kognitivierende Zugriffe eher für den analytischen Lerntyp, auf die Vermittlung von sprachlichen Routinen abzielende, eher für den holistischen Lerntyp von Vorteil sein. Schließlich ist davon auszugehen, dass Lehrverfahren, die selbst entdeckendes Lernen unterstützen, wegen des damit verbundenen höheren kognitiven Aufwands zu einer tieferen Verarbeitung und somit, nicht zuletzt auch wegen der positiv besetzen affektiven Wirkung des durch Eigenaktivität erzielten Lernerfolgs, zu einer höheren Vergessensresistenz führen. Determinanten für die unterrichtliche Anwendung der Lehrverfahren Zum Beispiel: einsprachige vs. zweisprachige Worterklärungen Lehrverfahren eröffnen Lernchancen für unterschiedliche Lernertypen <?page no="210"?> 211 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln 4.3.7 Lexik- und Grammatik-basierte Lernstrategien Die Frage, ob bzw. in wie weit eine Sensibilisierung für Lernstrategien bzw. -techniken erforderlich ist, stellt sich unter zwei Aspekten, einem allgemeinen erwerbstheoretischen und einem speziellen, das Russische als Fremdsprache betreffenden. Ist der lernfördernde Effekt von Strategiewissen als solchem bislang strittig und Russisch typischerweise eine spät beginnende Fremdsprache, deren Lerner demzufolge schon über individuelle Lernerfahrungen, d.h. über erprobte und dementsprechend auf neue Fremdsprachen übertragbare Lernwege mit bereits vertrauten Fremdsprachen verfügen, kann die didaktische Entscheidung, ebenfalls im Russischunterricht strategische Kompetenzen zu vermitteln, nicht zwangsläufig überzeugen - auch wenn sie für moderne Lehrwerke zur Norm geworden ist, vgl. z.B. die Lerntipps in Dialog/ Schülerbuch 1, 116-118 bzw. die Fragebögen zu den (Russisch) Lernerfahrungen in Otlitschno Arbeitsbuch 1/ 2, 5. Sollte dennoch Bedarf für ein Strategietraining bestehen, bietet sich als Lehrverfahren die Bewusstmachung des individuell eingesetzten Strategierepertoires an, zusammen mit einer Sensibilisierung für möglicherweise noch nicht erprobte Lernwege. Besonders geeignet sind Lerntipps, die auf der Ebene von Lerntechniken Empfehlungen für konkrete Lernhandlungen geben. Exemplarisch und in Ergänzung der in den beiden o.g. Russischlehrwerken angeführten zahlreichen Lerntipps seien folgende genannt (s. auch http: / / www1.uni-hamburg.de/ fremdsprachenlernen/ start.htm): • Wenn Du eine Vokabel besser behalten willst, wiederhole sie regelmäßig in wachsenden Abständen. • Achte, wenn Du Texte liest, nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form und den Gebrauch neuer Vokabeln. • Eigne Dir, um Grammatikerklärungen zu verstehen, die wichtigsten grammatischen Termini (Fachausdrücke) an. • Setze Dein Grammatikwissen gezielt ein, wenn Du Texte liest bzw. schreibst. Ein weiteres Verfahren ist der Einsatz von Fragebögen, für deren Erstellung vorliegende Inventare von Lernstrategien und -techniken eine gute Ausgangsbasis darstellen, z.B. Schmitt 1997, Morfeld 1998, Bimmel & Rampillon 2000, Haudeck 2008. Fragebögen machen nicht nur mit verschiedenen Lernstrategien bzw. -techniken vertraut, sondern bieten den Lernern die Möglichkeit, sich ihre individuellen Lernpräferenzen bewusst zu machen und auf diese Weise u.U. für sich neue Lernwege zu erproben, so z.B. wenn die Instruktion lautet: „Welche der folgenden Wortschatzlerntechniken wendest Du an? Wähle eine Zahl von 1 (= gar nicht) bis 5 (immer), je nach dem Ausmaß, wie die Technik auf Deinen Fall zutrifft.― Aufgaben 1. Während das Dt. mit jemand usw. nur über einen Typ des indefiniten Pronomens verfügt, das Engl. mit someone, anyone usw. über zwei, hat das Russ. mit кто-нибудь, кто-то, кое-кто usw. derer drei Typen der sog. Lerntipps: Empfehlungen für konkrete Lernhandlungen Fragebögen zum Strategieinventar <?page no="211"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 212 неопределенные местоимения aufzuweisen. Inwieweit lässt sich im Rahmen eines sprachübergreifenden Vermittlungszugriffs das Vorwissen der Lerner um die Gebrauchsregularitäten der engl. Pronomen für die Bewusstmachung der Verwendungsbedingungen der russ. Pronomen einsetzen? 2. Gemäß der Theorie des ML führt Nachdenken über ein neues Wort, da es dieses mit bereits gespeichertem Sprachwissen verlinkt, zu einer größeren Verarbeitungstiefe und dementsprechend besserem Behalten (Kersten 2010, 64ff.). Hierzu zählt u.a. auch die Analyse sog. negativen Materials aus Lexik und Grammatik, bei der der Fehler identifiziert und die Regularität genannt werden soll, gegen die verstoßen wird, zumeist verbunden mit der Aufforderung zu einer Korrektur, z.B. *Мы уже долго живем в этом районе. Kann diese Lehrmaßnahme neben dem ihr zugeschriebenen lernfördernden Effekt auch Nachteile haben? 3. Im Fehler-ABC: Deutsch-Russisch (Walter & Borgwardt 1997, 29) finden sich zu den russ. Entsprechungen des dt. Adjektivs braun als Einträge 1. Wortäquivalenzen mit kontrastiven Angaben zu den semantischen und kombinatorischen Beschränkungen der zielsprachlichen Lexeme, 2. dt. Beispielsätze, die ins Russ. zu übersetzen sind (samt Lösungsschlüssel), 3. Ausnahmen; vgl. 1. коричневый- Farbadjektiv allgemein (kaffeebraun), карий- Augen, каштановый - Haare, загорелый - gebräunt, braungebrannt, смуглый - braune Hautfarbe (Teint) 2. Sie trägt ein braunes Kleid ... 3. Beachte: braune Vergangenheit - коричневое прошлое, Braunkohle - бурый уголь. Welche Lehrmaßnahmen lassen sich für welche Lernphasen aus dieser kontrastivlinguistischen Beschreibung ableiten? 4. Folgendes Postulat stammt vom russischen Linguisten und Fremdsprachendidaktiker L.V. Ščerba (1880-1944) «Мы должны признать раз навсегда, что родной язык учащихся участвует на их уроках иностранного языка , как бы мы ни хотели его изгнать. А потому мы должны из врага превратить его в друга» (zitiert nach Zinder & Maslov 1982, 94). An welchen heute weitgehend anerkannten Lehrprinzipien für den Fremdsprachenunterricht lässt sich die Aktualität dieser Forderung festmachen? Welche der hier vorgestellten Verfahren für die Vermittlung von Lexik und Grammatik berücksichtigen diese Auffassung zur lernfördernden Rolle des muttersprachlichen Wissens? Weiterführende Literatur Börner, W. (2000): „Didaktik und Methodik der Wortschatzarbeit: Bestandsaufnahme und Perspektiven―. In: Kühn, P. (Hrsg.) (2000): Studien zu Deutsch als Fremdsprache V. Wortschatzarbeit in der Diskussion. Hildesheim, 29-56. Ellis, R. (2006): ―Current issues in the teaching of grammar: An SLA perspective‖. In: TESOL Quarterly, Vol. 40 (1), 83-107. Kersten, S. (2010): The Mental Lexicon and Vocabulary Learning. Implications for the Foreign Language Classroom. Tübingen. Mey, H. (2000): „Intensiver Russischunterricht und Grammatik - Fachdidaktischer Ansatz und Grundlagen von Lehr- und Lerngrammatiken―. In: Düwell, <?page no="212"?> 213 4. Arbeit an den sprachlichen Mitteln H. & Gnutzmann, C. & Königs, F. (Hrsg.): Dimensionen der Didaktischen Grammatik. Festschrift für G. Zimmermann. Bochum, 187-196. Neveling, Ch. (2004): Wörter lernen mit Wörternetzen. Tübingen. Rall, M. (2000): „Grammatikvermittlung.― In: Helbig, G. et al. (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. Berlin/ New York, 880-886. <?page no="213"?> 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln Grit Mehlhorn «Как на что взглянешь, так то и видишь» (Русская народная пословица) 5.1 Landeskunde: Von reiner Faktenvermittlung zum interkulturellen Lernen Landeskundliches Wissen wird häufig als erste Stufe interkulturellen Lernens oder als Voraussetzung für kompetentes interkulturelles Handeln betrachtet (vgl. Caspari 2007, 70; Leupold 2007, 130). Landeskunde (страноведение) in Bezug auf den Russischunterricht bedeutet Kenntnisse über die russischsprachigen Länder, d.h. all diejenigen Länder, in denen das Russische als Muttersprache und Amtssprache gesprochen wird oder den Status einer Lingua franca hat. Ihre Inhalte bezieht die Landeskunde aus Bezugswissenschaften wie der Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie, Geographie und Literaturwissenschaft (vgl. Erdmenger 2006, 434). Durch das Studium des Zielsprachenlandes kann man die Gegebenheiten des eigenen Landes bewusst erfahren, indem man „durch Beobachtung des Neuen, durch die Analyse, durch den Vergleich und die daraus folgende Relativierung das eigene Land in neuem Licht zu sehen― lernt (ebd., 435). Unter interkultureller Kompetenz (межкультурная компетенция) als wichtiger Teil der sozialen Kompetenz versteht man die Fähigkeit, multikulturelle Situationen zu verstehen sowie kulturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede für die sprachliche und strategische Bewältigung dieser Situationen nutzen zu können. Die Entwicklung interkultureller Handlungskompetenz ist ein wichtiges Ziel des Russischunterrichts und schließt Verständnis, Toleranz und Achtung ein (SMK 2011, 2). Voraussetzung für erfolgreiches interkulturelles Handeln sind das Wissen über die eigene Kultur und die des Zielsprachenlandes, sprachliches Können und ein gewisses strategisches Repertoire, des Weiteren Empathie, d.h. die Fähigkeit, sich in die Denkweisen und Gefühle anderer Menschen hineinversetzen zu können, sowie die Reflexion des eigenen und fremden Handelns. Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht verfolgt laut Caspari (2007, 71) „drei große Zielbereiche―: 1. den Erwerb von Einstellungen, u.a. die Bereitschaft, mit begrenzten sprachlichen Mitteln Kommunikation zu wagen, offen auf Fremde zuzugehen und sie zu tolerieren; 2. den Erwerb der Fähigkeit, eigene und fremde Äußerungen und Verhaltensweisen sowohl als kulturabhängig wie auch als individuell zu begreifen, sowie Strategien, mit den eigenen eingeschränkten sprachlichen Kompetenzen konstruktiv umzugehen; Interkulturelle Kompetenz als Teil sozialer Kompetenz Zielbereiche interkulturellen Lernens <?page no="214"?> 215 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln 3. den Erwerb von Wissen, u.a. von kulturspezifischem Wissen als Hilfe zur adäquaten Deutung kommunikativer Äußerungen sowie zur Prävention bzw. Klärung und Aufklärung von Missverständnissen. In der traditionellen Konzeption von Landeskunde wurde v.a. Faktenwissen über die Zielsprachenkultur vermittelt. Durch die Zunahme direkter Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen und die Entstehung multikultureller Gesellschaften war seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Entwicklung hin zu einer interkulturellen Landeskunde zu beobachten, die Wert auf „Interkulturalität als ein In-Beziehung-Setzen der eigenen kulturellen Erfahrungen mit denen des zielsprachlichen Lebens― legt (Schumann 2010, 159). Die globale Mobilität und Vernetzung hat Menschen hervorgebracht, die Elemente verschiedener Kulturen in sich tragen und in diesem Sinne transkulturell sind. Mehrfache Kulturwechsler und Mitglieder von bi- oder trikulturellen Familien lassen sich durch vereinfachte Formeln wie „Russe― oder „Deutscher― nicht angemessen beschreiben. Dem Konzept der Transkulturalität zufolge führt die Begegnung unterschiedlicher Kulturen zu einer Verwischung der Grenzen und möglicherweise zu ihrer Aufhebung. Die Identität des Einzelnen besteht aus einer Kombination eigener und fremder Elemente, die durch den Austausch von Lebensformen, Werthaltungen und Weltsichten zustande gekommen sind (vgl. Roth 2011a, 8). Dadurch erweitert sich der Begriff Kultur hin zu einem offenen, mehrdimensionalen Kulturbegriff und zu tiefer liegenden Werten, die das Wahrnehmen, Urteilen und Handeln der Menschen bestimmen (vgl. Caspari 2007, 71). Die Russischlehrkraft ist die erste Auskunftsperson in landeskundlichen Angelegenheiten und kann durch spannende Geschichten über authentische Begebenheiten und durch aktuelle Mitteilungen über russischsprachige Länder und Menschen das Interesse an kulturellen Themen aufrechterhalten und aufs Neue beleben. Voraussetzung dafür sind gute Kenntnisse über Land und Leute, die durch Aufenthalte in russischsprachigen Ländern, Kontakte zu russischsprachigen Menschen und Beschäftigung mit den Medien erweitert und ständig aktualisiert werden sollten, denn landeskundliches Wissen veraltet heutzutage sehr schnell, die russische Kultur nähert sich seit einiger Zeit immer mehr der westeuropäischen Alltagskultur an und die Grenzen zwischen den Kulturen verschwimmen. Auch aus diesem Grund plädiert Guilherme (2013, 348) in Bezug auf den Begriff interkulturelle Kompetenz für die Aufgabe eines statischen Konzeptes einer geschlossenen fremden Kultur und stattdessen für die Anerkennung des interaktiven Charakters und der sozialen, politischen und ethischen Implikationen des Lernens und Lehrens von Kultur. Die einseitige und überwiegend negative Berichterstattung über Russland in den Medien und das kaum vorhandene Wissen über russischsprachige Länder stellen einen Nährboden für stereotype Bilder und Vorurteile gegenüber diesen Ländern und russischsprachigen Menschen dar und bieten wenig Identifikationspotenzial für Russisch lernende Schüler. Stereotype sind übergeneralisierte und vereinfachende, doch meist beständige Überzeugungen und Sichtweisen gegenüber Gruppen und den Mitgliedern dieser Gruppen (vgl. Rösch 1999, Sergeeva 2006). Sie können neutral oder positiv sein, z.B. „der pünktliche Deutsche―, „der gastfreundliche Russe―. Auch bei Vorur- Von der Landeskunde zur Entwicklung eines erweiterten Kulturbegriffs Stereotype Bilder und Vorurteile <?page no="215"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 216 teilen handelt es sich um vereinfachende und starre Generalisierungen, jedoch mit deutlicher Tendenz zum Negativen und zu stark emotionaler Attitüde gegenüber anderen Gruppen und ihren Mitgliedern (Sterzenbach 2011a, 44). Diese Einstellungen beruhen oft auf fehlendem Wissen über die Zielsprachenkultur und werden von Anderen übernommen. Sie beeinflussen auch die Haltung dem Fach Russisch gegenüber. Da man die Umwelt zunächst aus der Sicht des eigenen kulturellen Lebenszusammenhangs erlebt, bildet die eigene Kultur den „natürlichen― Mittelpunkt der Welt, von dem aus alles andere eingeordnet und beurteilt wird (Sterzenbach 2011b, 50). Diese Haltung bezeichnet man auch als Ethnozentrismus: Andere Völker und Kulturen werden vom Standpunkt der eigenen Kultur und den mit ihr verbundenen Wertmaßstäben beurteilt. Die eigene Kultur hält man für „selbstverständlich― und oft auch für „besser― (Roth 2011b, 11). Das Erreichen der Sensibilisierung für die Kulturspezifik der eigenen Wahrnehmung und die Bewusstwerdung ethnozentrischer Sichtweisen ist daher ein wichtiges Lernziel auf dem Wege zur interkulturellen Kompetenz. Ist man sich der eigenen Perspektive bewusst, hilft das beim „Hineindenken― in die Sichtweisen von Vertretern anderer Kulturen und somit der Übernahme einer Fremdperspektive. Auf diese Weise kann ein Perspektivenvergleich durchgeführt und eine kulturrelativistische Haltung eingenommen werden. Ein solcher Perspektivenwechsel sollte die Handlungsroutinen der Lernenden erweitern. Wichtig ist daher, den selbstständigen Erwerb von Kenntnissen und die Ausbildung von Urteilsfähigkeit zu fördern und die Schüler zu ermutigen, nie das eigene Urteilsvermögen auszuschalten: „Nachfragen ist besser als verdummt werden, und eigenes Urteilen verhindert unkritisches Akzeptieren― (Erdmenger 2006, 438). 5.2 Sprache und Kulturspezifik Mit Wörtern, Wendungen und Texten, die Träger landeskundlicher Inhalte sein können, beschäftigt sich die sprachbezogene Landeskunde bzw. лингвострановедение (vgl. Vereščagin & Kostomarov 1980). Durch Bewusstmachung des semantischen Gehalts sowie der pragmatischen Verwendung werden zugleich landeskundliche Informationen vermittelt und mitgelernt (vgl. Leupold 2007, 130). Für kulturspezifischen Wortschatz gibt es aufgrund des Fehlens der entsprechenden Realien in der eigenen Sprache oft keine direkten Übersetzungsäquivalente, z.B. баня, квас, маршрутка, молодец. Häufig beinhaltet kulturspezifische Lexik Konnotationen, die bei einer Übersetzung ins Deutsche nicht mit transportiert werden, z.B. душа, берёза, госте приимство. Aufgrund von Bedeutungsverschiebungen kann es bei Entlehnungen zu Missverständnissen kommen, z.B. bei den Wörtern бутерброд, дача, мармелад, компот. Kulturbezogene Vokabeln können durch kurze Phrasen oder Kontexterklärungen semantisiert werden, z.B.: Чаёвничать - это не только пить чай, но и получать удовольствие от неторопливой беседы с приятными людьми (Berdičevskij 2011, 31). Kulturspezifische Realien lassen sich anhand russischsprachiger Originaltexte und authentischer Materialien (z.B. Souvenirs, Fahrkarten, russisches Geld, Vom Ethnozentrismus zu einer kulturrelativistischen Haltung Umgang mit kulturspezifischer Lexik <?page no="216"?> 217 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln Spiele, Speisekarten, Theateraushänge, Stundenpläne, Ansichtskarten, Kassenzettel, Visitenkarten) auf anschauliche Art und Weise vermitteln. Bestandteil eines kommunikativen Russischunterrichts sind sprachliche Umgangsformen (речевой этикет), landestypische Konventionen und feststehende Wendungen für die Alltagskommunikation, z.B. zur Verabschiedung: До свидания, До встречи, До завтра, До вечера, Прощайте, Позвольте (с вами) попрощаться, Всего доброго, Пока usw. Zu kulturgeprägten sprachlichen Realien gehören des Weiteren: • Aphorismen, bekannte Zitate aus Literatur und Film (z.B. „Не хочу учиться, хочу жениться― aus der Komödie „Недоросль― (1783) von Д.И. Фонвизин), • Phraseologismen: Sprichwörter, Redewendungen, z.B. Тише едешь, дальше будешь; ехать в Тулу со своим самоваром, • Werbeslogans, z.B. Роднее, потому что от души (Аэрофлот). Auch Texte und Textsorten (z.B. анекдот, тост) haben ihre Kulturspezifik. Erinnert sei hier an die für russische Witze typischen Figuren wie Вовочка, чукча oder тёща. Тосты sind originelle Trinksprüche, oft in Reimform, die individuell für die Person(en) verfasst werden, auf die der Toast ausgebracht wird - in Deutschland wenig bekannte Details der russischen Trinkkultur. Weitere Realien, z.B. in Bezug auf Sitten und Bräuche, Gastfreundschaft, die russische Küche und Essgewohnheiten vermitteln Kulikova (2004) sowie Bel‗anko & Trušina (2007), wobei sie bewusst eine Außenperspektive auf die russische Kultur einnehmen. Die aktuellen Russischlehrwerke thematisieren von Anfang an Verhaltensweisen, die den Umgang der Menschen miteinander regeln, z.B. die Anrede von Erwachsenen mit Vor- und Vatersnamen, die Verwendung von Kurzformen gegenüber Personen, die man duzt. Behr (2007) präsentiert verbale und non-verbale Kommunikationsgewohnheiten (Mimik und Gestik), die von den Schülern unter Einbeziehung der eigenkulturellen Perspektive sowie ihrer bisherigen Lernerfahrungen mit Sprachen und Kulturen verglichen werden sollen. 5.3 Kulturelle Themen im Russischunterricht Im Zentrum des Russischunterrichts steht das Lernen mit Realitätsbezug, wobei Texte und Themen, authentische Materialien und Medien, die die Lebenswirklichkeit der Schüler widerspiegeln und Einblick in die Alltagswelt russischer Jugendlicher geben, von besonderer Bedeutung sind (vgl. SMK 2011, 4). Im Folgenden werden exemplarisch Bereiche für landeskundliches und kulturelles Wissen über russischsprachige Länder aufgeführt und mit Beispielen aus dem Sächsischen Lehrplan für das Gymnasium für Russisch als zweite Fremdsprache (SMK 2011) illustriert: Речевой этикет Kulturspezifik von Textsorten und Texten Landeskundliche und kulturelle Themen in den Curricula <?page no="217"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 218 Bereiche Beispiele Geographie und Ökologie Europäischer/ asiatischer Teil Russlands, Staaten der GUS und des Baltikums; Landschaften: тундра, тайга, Урал, Großstädte/ Industriezentren, ökologische Probleme: озеро Байкал, Аральское море, Чернобыль Geschichte Киевская Русь, Иван Грозный, династия Романовых, Октябрьская революция 1917, эра Сталина, Ende der Sowjetmacht: Горбачёв, перестройка, гласность, Aspekte gemeinsamer Geschichte, z.B. die Geschichte der Russlanddeutschen, Katharina die Große Kunst und Kultur Musik, Malerei, Architektur, Film, Theater, Oper, Ballett; Чайковский, Прокофьев, Окудвжава, Высоцкий, Rock- und Popszene Russlands, Репин, Кандинский, Шагал, St. Petersburg (Einfluss Europas), Kirchen, Holzarchitektur, Metro; Bolschoi Theater; kulturelle Beziehungen Literatur Kurzgeschichte, Gedicht, Märchen, Fabel, Jugendliteratur, Szenen, Erzählung, Roman; russische Nationalliteratur: Пушкин, Л.Н. Толстой, Чехов, Крылов, ausgewählte Gestalten aus Geschichten und der Märchenwelt, z.B. Волк и заяц, Дед Мороз, Снегурочка, крокодил Гена, Чебурашка, Баба Яга; Gegenwartsliteratur Wissenschaft und Forschung Russische und sowjetische Wissenschaftler, Entwicklung der Raumfahrt, Менделеев, Павлов, erster Sputnik, Гагарин, Raumstation Мир, europäische/ transatlantische Zusammenarbeit (ISS) Der Mensch in der Gesellschaft Russland im 21. Jahrhundert, die russische Familie, Stellung der Frau, Arbeits- und Lebensverhältnisse; Jugendliche in Russland und Deutschland: Zukunftsvorstellungen, Suche nach Identität, Wertewandel, Liebe und Partnerschaft, Klischees und Vorurteile Wirtschaftliche Beziehungen Niederlassungen deutscher Firmen in Russland, Zusammenarbeit sächsischer und russischer Forschungseinrichtungen, Petersburger Dialog; Wirtschaftsbezie- Offener Themenkatalog für interkulturelles Lernen im Russischunterricht <?page no="218"?> 219 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln hungen zwischen Deutschland und Russland, Wirtschaftsrussisch, Arbeitsmarktsituation Russische Lebensart des 21. Jh. Veränderungen in der russischen Gesellschaft seit der Perestroika, Medien und Werbung, «Новый русский» Russland und die Welt Staatsaufbau: Präsident, Duma; die politische Rolle Russlands; Innenpolitik: soziale Aspekte, nationale Minderheiten, Armee; Außenpolitik: EU, UNO, G8 Religion Besonderheiten des russisch-orthodoxen Glaubens, Ikonen Bilaterale Beziehungen Schüleraustausch, Städtepartnerschaften, Rolle der Russlanddeutschen in Vergangenheit und Gegenwart, Beziehungen zwischen Deutschen und Russen Abb. 25: Beispiele für landeskundliche/ interkulturelle Themen im Russischunterricht Hierbei ist zu beachten, dass interkulturelles Lernen im Russischunterricht exemplarisches Lernen sein muss. Ein Vollständigkeitsanspruch ist weder sinnvoll noch einlösbar. In diesem Sinne ist Abb. 25 nicht als an Schüler zu vermittelndes „kulturelles Minimum― zu verstehen, sondern vielmehr als offener Themenkatalog für Russischlehrkräfte, in welchen Bereichen sich diese aus- und fortbilden sollten. Schließlich sind es v.a. die Russischlehrenden, die Verantwortung für die Herausbildung des individuellen Russlandbildes bei ihren Schülern tragen (Schneider 2010, 9). Welche Themen für die Entwicklung interkultureller Kompetenzen geeignet sind, hängt auch von den Interessen der Lernenden und aktuellen Ereignissen ab. Landeskundliche Informationen sollten sich nicht nur auf die Großstädte Moskau und St. Petersburg beschränken und neben Russland weitere russischsprachige Länder berücksichtigen. Wenn es Kontakte zu einer Partnerschule gibt, ist sicherlich diese Region besonders erkundenswert. „Dabei sind affektive Orientierungen nicht weniger bedeutsam als Wissenserwerb― (Borgwardt 2003, 208). 5.4 Interkulturelles Lernen im Russischunterricht Für die Vermittlung interkultureller Landeskunde können vielfältige Quellen verwendet werden, z.B. Berichte russischsprachiger Mitbürger, aktuelle Texte, Fotos, Schaubilder, Statistiken, Filme und Videosequenzen. Im Russischunterricht sollte den Schülern die Erkenntnis vermittelt werden, dass es sowohl im eigenen Land als auch in den russischsprachigen Ländern bestimmte Tabus gibt, d.h. Themen, die man nicht von sich aus ansprechen sollte (z.B. bestimmte Aspekte der sowjetischen Geschichte, das Thema Homosexualität) sowie Verhaltensweisen, die Irritationen in der Kommunikation hervorrufen können. Schneider (1997, 164) formuliert eine wichtige Regel in Bezug auf interkulturelle Kommunikation: „Kritisiere nie das andere Land, auch wenn Interkulturelles Lernen als exemplarisches Lernen <?page no="219"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 220 Deine Partner ausdauernd Selbstkritik üben! ― Akišina & Kagan (2010, 53) präsentieren einen Fragenkatalog zu spezifischen Umgangsformen in Alltagssituationen, aus dem hier aus Platzgründen nur wenige Beispielfragen zitiert werden: Вопрос В России У вас на родине • Можно ли при знакомстве спрашивать о возрасте? • Можно ли прийти в гости без предварительной договоренности? • Кому и когда можно и нужно давать советы, рекомендации, настойчиво предлагать помощь? • ... Abb. 26: Anregung zum Kulturvergleich in Bezug auf spezifische Umgangsformen Ein solcher Kulturvergleich zwischen russischsprachigen Ländern und dem eigenen Land sollte von der Lehrperson kompetent moderiert werden, so dass ein Perspektivenwechsel auf Seiten der Schüler erreicht wird, bei dem ihnen bewusst wird, dass es auch in Deutschland Tabus gibt und dass sie selbst oft mit Befremden auf ungewohnte Verhaltensweisen reagieren, die sie nicht einordnen können. Durch den Vergleich verschiedener Perspektiven sollen Vorurteile und Klischees sichtbar gemacht und abgebaut werden. Für interkulturelles Lernen sind Projekte geeignet, in denen die Schüler Informationen zu russischsprachigen Ländern recherchieren und auf Russisch präsentieren. Inhaltliche Vorschläge und Tipps für das Vorgehen bei der Projektarbeit bietet das Material von Ertelt-Vieth (2003a). Die Projekte sollten einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler haben, ganzheitliches Lernen ermöglichen, Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Teamarbeit der Schüler fördern und nach Möglichkeit ein vorzeigbares Produkt hervorbringen (ebd., 3), z.B. eine Tourismusbroschüre über den eigenen Heimatort für russische Besucher. Das Thema russische Küche kann behandelt werden, indem die Schüler selbst russische Speisen zubereiten und diese z.B. bei einem Elternabend oder beim „Tag der offenen Tür― zur Verkostung anbieten. Ein dankbares kulturelles Thema sind Sitten, Bräuche, Traditionen und Feste wie Новый год, Рождество, Масленица und Frauentag. Gentsch (2006) stellt russische Ostern - das höchste Fest der orthodoxen Kirche - mit der Methode des Stationenlernens vor. An den einzelnen Lernstationen wiederholen die Lernenden u.a. wichtige Vokabeln des Wortfelds Ostern, führen Gespräche über das Osterfest oder gestalten Osterkarten nach russischem Vorbild. Ein russischsprachiges Land kann auch zum Thema von fächerverbindendem Unterricht werden. Hegenbarth (2009) berichtet von zwei Projektwochen mit dem Schwerpunkt Russland. Als Beispiele für die Behandlung in den einzelnen Fächern einer 9. Klasse nennt sie u.a.: Kulturvergleich als Grundlage für einen Perspektivenwechsel Projektarbeit Fächerverbindender Unterricht <?page no="220"?> 221 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln • im Geschichtsunterricht: Verbindung ausgewählter Ereignisse der russischen Geschichte mit den fünf Persönlichkeiten Пётр I., Кутузов, Сталин, Гагарин und Путин, Gruppenpuzzle mit fünf Texten dazu; • im Musikunterricht: Vorstellung von Merkmalen russischer Volkslieder, des Musikinstruments балалайка sowie russischer Komponisten und ihrer Werke in Form von Stationenarbeit; • Kunsterziehung: Behandlung russischer Architektur sowie des Malers Илья Репин; Anfertigung von Zeichnungen, z.B. fantasievolle Zwiebeltürme, Samowarstillleben; • Informatik und Hauswirtschaft: Internetrecherchen zu traditionellen russischen Speisen, Sitten und Bräuchen. Auf diese Weise können kontrastierende Betrachtungsweisen und Formen fächerübergreifenden Lernens angestoßen werden. Projektarbeit muss vom Lehrer gut vorbereitet und angeleitet werden. Je nach Alter, Selbstständigkeit, sozialen und kommunikativen Kompetenzen sowie Erfahrung der Schüler mit Projektarbeit können Wahlmöglichkeiten angeboten, Arbeitsaufträge offener oder geschlossener gestaltet werden. Außerschulische Lernorte, an denen man russische Muttersprachler und russische Kultur erleben kann, eignen sich für Projekte wie „Russisches in Berlin― (Wassiljewski 2009), in denen die Schüler individuell und in Gruppen Kontakte mit der russischen Sprache suchen und die Geschichte und Kultur von Russischsprechenden im eigenen Lebensumfeld durch Interviews erkunden. Auch ein russisches Geschäft kann zum Lernort werden, wenn die Schüler dort bestimmte Lebensmittel einkaufen und sich dabei der russischen Sprache bedienen sollen. Gorbatschowa (2010) beschreibt ein Projekt mit Schülern der 11. Jahrgangsstufe zum „Russischen Leben―, in dem sich die Lernenden in ihrer Heimatstadt auf Spurensuche russischer Lebensformen begeben und dabei zum Teil lehrreiche Einblicke in die Gefühlswelt von Einwanderern erhalten. Befinden sich in der Klasse Schüler mit russischsprachigem Hintergrund, können diese bei solchen Projekten als Experten fungieren und in zweisprachigen Situationen sprachmitteln (vgl. Beier & Schröer 1996, 10). Für Schüler mit Russisch als Herkunftssprache sollte der Russischunterricht Angebote machen, die die sprachliche und kulturelle Identität der Lernenden stärken. Dafür ist eine positive Wertschätzung der mitgebrachten sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Schüler unerlässlich - so heterogen diese auch sein mögen (vgl. Mehlhorn 2013b). Borgwardt (2003, 208-210) stellt verschiedene Verfahren zum Erfassen spezifischer Phänomene der russischen Kultur, zum Vergleich mit eigenkulturellen Erfahrungen bis hin zu ihrer Verarbeitung und zu interkulturellem Handeln vor, die hier gekürzt wiedergegeben werden: • Beobachten, Wahrnehmen und Erkennen typischer Verhaltensweisen (z.B. auf Fotos, Bildern, in Filmen), • Lese- und Hörverstehen von Texten (z.B. Realien mit Aufschriften, Quiz, literarische Texte, Telefongespräche von CD, Radiosendungen), • Realienvergleich (z.B. Briefumschläge, Glückwunschkarten, Fahrkarten; Herstellen kulturkundlicher Materialien), Außerschulische Lernorte Methodische Verfahren für interkulturelles Lernen <?page no="221"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 222 • Bildvergleich (z.B. Fotos, Karikaturen), • Situationsvergleich (z.B. in Lese- und Hörtexten), • Textvergleich (z.B. Beschreibungen von Festen in Russland und Deutschland), • Rollenspiele (mit Requisiten und Formulierungshilfen), z.B. - Ladet russische Gäste telefonisch zu euch ein. - Begrüßt gute russische Freunde und deren Eltern bei euch zu Hause. - Nehmt deren Geschenke entgegen und bedankt euch dafür. - Bewirtet eure Gäste auf russische Art. - Verabschiedet euch von guten russischen Freunden und deren Eltern. • Schreiben (z.B. Ansichtskarten, Beschriften von Briefumschlägen), • freie Sprachproduktion (z.B. szenisches Gestalten von Begegnungssituationen), • Kontakte zu Russischsprachigen (z.B. E-Mails an Partnerklasse, Interview mit russischen Austauschschülern oder Russlanddeutschen), • Projekte (z.B. Theaterszenen, Poster, Spielmaterialien, Schülerbefragung zu Kulturunterschieden über das Internet, Videos), • Auslandsaufenthalte (Klassenfahrten, Schüleraustausch, Sprachreisen). Die genannten Verfahren gehen weit über reine Informationsvermittlung hinaus und geben den Schülern Gelegenheit, Simulationen durchzuspielen und dabei neue Erfahrungen zu machen (für weitere interkulturelle Übungsvorschläge vgl. Grau 2006, Grau & Würffel 2007 sowie Radbil‗ 2010). Kein noch so intensiver Russischunterricht kann praktisches Erleben im Zielsprachenland kompensieren. Stadler-Buelacher (2010) beschreibt die Vorbereitung und Durchführung einer Projektwoche in St. Petersburg. Ziel der Reise war es u.a., die Schüler zu motivieren, einfache Alltagssituationen zu meistern, gemeinsam ein Projekt zu planen und auch durchzuführen, zu dokumentieren und - fächerübergreifend - nachzubereiten. Im Vorhinein wurden Internetrecherchen zur Unterkunft, zum Wetter und den zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten durchgeführt. Während ihres Aufenthaltes haben die Schüler U-Bahnpläne gelesen, Jetons gekauft, sind электричка und троллейбус gefahren, haben auf dem рынок Preise verglichen, Lebensmittel und Souvenirs gekauft, Produktbezeichnungen und Inhaltsstoffe gelesen, im Restaurant die Speisekarte studiert und Bestellungen aufgegeben. Dabei konnten sie viele neue Eindrücke sprachlicher und kultureller Art aufnehmen und erfahren, was es heißt, in einer Stadt, die sie bisher nur aus dem Lehrbuch kannten, kommunikativ zu handeln. Interkulturelle Kompetenz bedeutet nicht, dass man in allen denkbaren Situationen handeln kann, wie Muttersprachler der Zielsprachenkultur das tun würden. Eine interkulturelle Sensibilisierung zeigt sich u.a. dann, wenn die Lernenden selbst bemerken, dass sie in ein kulturelles „Fettnäpfchen― getreten sind. Wichtig ist, Schüler sprachlich und strategisch darauf vorzubereiten, aufgetretene kulturelle Missverständnisse aufzuklären. Dazu benötigen sie russischsprachige „Formulierungshilfen, um sich entschuldigen und ihr Bedauern ausdrücken bzw. sich im Fall von Missverständnissen rechtfer- Eigene Erfahrungen im Zielsprachenland sammeln <?page no="222"?> 223 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln tigen oder entstandene Verstehensschwierigkeiten abbauen zu können― (Borgwardt 2003, 211). 5.5 Interkulturelles Lernen mit literarischen Texten Großes Potenzial für interkulturelles Lernen im Russischunterricht liegt in der Arbeit mit literarischen Texten, weil diese es ermöglichen, mit Menschen aus anderen Kulturen in Kontakt zu treten. Bredella (2012) erläutert, wie mit fremdsprachigen Geschichten Empathie-, Kooperations- und Urteilsfähigkeit entwickelt werden kann: „Erzähler fiktionaler Geschichten haben das Privileg, ihren Lesern unmittelbar einen Einblick in Gedanken, Gefühle und Handlungsmotive der Charaktere zu geben, aber sie können auch eine Außenperspektive einnehmen und sich auf das beobachtbare Verhalten der Charaktere beschränken, so dass Leser Intentionen, Ziele, Motive und Werte der Charaktere erschließen müssen. Dabei nehmen sie eine Innenperspektive ein und entwickeln Empathie“ (Bredella 2012, 25). Der Bezug zur Welt der Schüler kann dadurch hergestellt werden, dass sie sich fragen, wie sie anstelle der Charaktere gehandelt, gedacht und gefühlt hätten (ebd., 27). Burwitz-Melzer (2007) hat ein Kompetenzmodell für den fremdsprachlichen Literaturunterricht entwickelt, in das neben motivationalen, kognitiven und affektiven Kompetenzen auch interkulturelle Kompetenzen Eingang gefunden haben. Die Schüler „sollen • beim Leseprozess fremdkulturelle Elemente, Werte und Konflikte im Text erkennen und diese evtl. mit den eigenkulturellen Elementen, Werten und Konflikten vergleichen können. Sie sollen auch evtl. vorhandene Stereotype im Text erkennen können; • spezielle fremdkulturelle Gattungs- und Strukturmerkmale des Textes erarbeiten und benennen können; • Perspektivenwechsel und -koordination anwenden, um die fremdkulturellen Charaktere, ihre Handlungen und Konflikte zu verstehen; • sich über spezielle fremdkulturelle Informationen, die im Text wiedergegeben werden, informieren können; • evtl. auch fremdkulturelle Inhalte oder Struktur- und Gattungsmerkmale bei der eigenen Textproduktion beachten― (Burwitz-Melzer 2007, 114- 116). Durch dieses Kompetenzmodell erhält die literarische Kompetenz einen stärker produktiven Aspekt, weil auch das Schreiben über literarische Texte, das Produzieren eigener Texte oder das szenische Spiel als Teilkompetenzen angesehen werden (Bergfelder 2008, 59). Kreative Arbeitsformen stellen vielfältige Sprech- und Schreibanlässe bereit (Caspari 2008, 115) und zeichnen sich durch eine offene Aufgabenstellung aus, die dazu anregt, über (aktuelle) Probleme nachzudenken und viele Lösungen zulässt. Sie regen Intuition und Phantasie an und geben die Möglichkeit zur kritischen Stellungnahme zu einem literarischen Werk und zum persönlichen Ausdruck. Litera- Empathie-, Kooperations- und Urteilsfähigkeit entwickeln Kompetenzmodell für fremdsprachlichen Literaturunterricht Literarische (Teil-) Kompetenz(en) <?page no="223"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 224 rische Texte können als Modelltexte für die eigene Sprachproduktion dienen, wobei die selbst verfassten Texte durchaus auch literarischen Anspruch haben können. Interessante Hinweise zur Arbeit mit literarischen Texten für Russischlernende geben z.B. Schluchtmann (2004), Bojko (2005), Jacenko (2006), Schneider (2010), Bacher (2011) und Burghardt (2011). Slinina (2010), die das Russlandbild in deutschen Reisereportagen und das Deutschlandbild in russischen Reiseberichten kontrastiert, kommt zu dem Ergebnis, dass Russland in den deutschen Reisereportagen - auch in Rückgriff auf die eigenen kulturellen Erfahrungen - oft als ein großes Abenteuerland präsentiert wird und Deutschland in den Texten der russischen Reisen in erster Linie als Kulturland (Slinina 2010, 102). Im Rahmen der Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt können Schüler aktuelle Berichte über das eigene Land und von Landsleuten über russischsprachige Länder im Internet (z.B. über Blogs) lesen und vergleichen und während bzw. nach ihrer Reise selbst zu Autoren eines solchen Blogs werden und dabei ihre interkulturellen Erfahrungen verarbeiten. Neben den genannten Textgattungen eignen sich auch speziell für Russischlernende erstellte Lektürehefte (Книга для чтения; Лёгкое чтение) für die Behandlung im Unterricht. Diese enthalten entweder (gekürzte) Originaltexte oder adaptierte Texte mit Illustrationen, Wortschatzerklärungen und Aufgaben, die die Rezeption erleichtern sollen (vgl. Mehlhorn 2013a, 279). Der Lesestoff ist in kleinere Leseportionen aufgeteilt und verschafft Erfolgserlebnisse, wenn die Schüler auf diese Weise ihre erste Ganzschrift in der Fremdsprache bewältigt haben. Beier & Schröer (1996) empfehlen einen produktionsorientierten Umgang mit russischer Literatur. So könnten die Schüler mit slawischsprachigem Hintergrund z.B. eigene Texte über Literatur verfassen, was gleichzeitig die Möglichkeit zum Vergleich und zur Anwendung unterschiedlicher Stilebenen des Russischen bietet. Die Umsetzung in adressatenbezogene Texte im Russischen wie im Deutschen kann das sprachliche Repertoire russischsprachiger Schüler schärfen und gleichzeitig das Bewusstsein ihres eigenen Standpunktes und ihrer eigenen Identität fördern (vgl. Mehlhorn 2013b). Stohler & Henseler (2011) schlagen anhand von Beispielen aus der russischen Literatur die folgenden handlungsorientierten Aufgaben für einen kreativen Umgang mit literarischen Werken vor: • einen Text visualisieren; • eine Textstelle laut lesen; • zwei Gedichte trennen; • die Perspektive wechseln; • einen Epochenstil ändern; • ein Standbild gestalten; • eine Textsorte in eine andere umwandeln; • ein Textelement verändern; • ein Gedicht zusammensetzen (vgl. Stohler & Henseler 2011, 152f.). Durch diese Verfahren erschließen sich die Schüler den Text, verfremden ihn „um sichtbar zu machen, was man sonst nicht sieht― (Bredella 2012, 7), „erlesen― und „erspielen― sich Literatur mit dramapädagogischen Methoden. Handlungsorientiertes Arbeiten mit literarischen Texten <?page no="224"?> 225 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln Sie „untersuchen― auf diese Weise die Sprache, die Lebensumstände, Körpersprache und Leitmotive der Figuren „von innen― und nehmen an ihrem Leben teil. Dadurch wird es leichter, Empathie für sie zu empfinden oder sich mit ihnen zu identifizieren (vgl. Ronke 2006, 108). 5.6 Interkulturelle Begegnungen Kontakte zu Russischsprachigen im eigenen Land, Begegnungssituationen wie Schüleraustausch, Klassenfahrten in ein russischsprachiges Land sowie medial vermittelte Begegnungen, z.B. per E-Mail, Internettelefon oder Videokonferenz mit russischen Schülern bieten Lerngelegenheiten in sprachlicher und kultureller Hinsicht (vgl. Mehlhorn 2011). Typisch für interkulturelle Begegnungen ist das Überschreiten von Kultur- und Landesgrenzen, die Gegenseitigkeit und ein erfahrungsorientiertes, exploratives, kontrastives Lernen, das den Blick auf die eigene Kultur mit einbezieht und auf Kommunikation ausgerichtet ist (vgl. Ertelt-Vieth 2005). Von interkulturellen Begegnungen erhofft man sich einen Motivationsschub für das Erlernen des Russischen, da die Schüler im intensiven Kontakt mit authentischen Sprechern und Muttersprachlern die Möglichkeit haben, die Sprache als echtes Kommunikationsmittel zu erleben. Die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch (DRJA) fördert Schüleraustausche finanziell und konzeptionell (vgl. DRJA 2008, 2012). Ertelt-Vieth (2003b, 2005) erläutert, wie der Besuch einer Partnerklasse in Deutschland vorbereitet und gestaltet werden kann und gibt nützliche Hinweise organisatorischer, sprachlicher und interkultureller Art. Dass auf beiden Seiten sehr unterschiedliche Erwartungen an eine solche Begegnung bestehen und gemeinsam Erlebtes sehr verschieden wahrgenommen werden kann, macht Schneider (1997, 163) durch die Kontrastierung zweier sehr unterschiedlicher Perspektiven einer deutschen und einer russischen Jugendlichen zum erlebten Schüleraustausch bewusst. Die Organisation von Schülerkontakten erfordert langfristige Planung, Beharrlichkeit, Empathie, Verhandlungsgeschick und viel organisatorischen Aufwand, der von einer einzigen Lehrkraft allein nicht zu bewältigen ist. Notwendig ist die Unterstützung der Schulleitung, die Einbeziehung der Schüler und ihrer Eltern in die Vorbereitung und klare Absprachen mit der Partnerinstitution. Im Vorfeld sollte auch das Wohlstands- und Interessengefälle zwischen beiden Ländern, unterschiedliche Vorstellungen von Gastfreundschaft, die Konfliktfähigkeit der Teilnehmer sowie die verschiedenen Interessen von jüngeren und älteren Schülern, von Mädchen und Jungen bedacht werden (vgl. Mehlhorn 2010, 14). Die Begegnung wird im Russischunterricht inhaltlich vorbereitet, wobei man sich an den Interessen der Lernenden orientieren sollte, die im Gastland sprachlich und kulturell zurechtkommen müssen. Im Rahmen von Projekten sollten die Schüler eigenverantwortlich Informationen zum Zielsprachenland recherchieren, gemeinsame Aktivitäten mit den Partnern planen, Informationsveranstaltungen über den eigenen Wohnort und die Schule und Möglichkeiten der Dokumentation und Aufbereitung der Begegnung erarbeiten. Über das Internet können erste authentische Kontakte mit Gleichaltrigen in russischsprachigen Ländern geknüpft und Schülerarbeiten (z.B. Vorstellungsbriefe per E-Mail, selbstge- Begegnungssituationen als Lerngelegenheiten nutzen Aspekte der sorgfältigen Vorbereitung von Begegnungen <?page no="225"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 226 drehte Videos über die eigene Schule) ausgetauscht werden. Wenn den Jugendlichen zusätzliche Verantwortung für die Begegnung übertragen wird, besteht eine größere Chance, dass sie das Programm auch als ihres ansehen. Bei der Aufgabenverteilung sollten Kollegen, Eltern und Schüler eingebunden werden, wobei die musischen, sportlichen und künstlerischen Interessen und Kompetenzen der Schüler für gemeinsame Aktivitäten mit den Partnern genutzt werden können (ebd.). Damit der Schüleraustausch tatsächlich zu einem Ort des interkulturellen Lernens wird, empfiehlt sich die Zusammenstellung gemischtnationaler Kleingruppen nach gemeinsamen Interessen, z.B. in Bezug auf Hobbys, musikalische Stilrichtungen oder Sportarten. In diesen Konstellationen können gemeinsame Aktivitäten wie eine Stadtrallye (eine mit bestimmten Aufgaben verbundene Erkundung des Begegnungsortes) oder gemeinsame Recherche- oder Beobachtungsaufgaben durchgeführt werden, die sich die Lernenden gegenseitig stellen. Statt eines übervollen touristischen Programms während des Aufenthaltes sollten gemeinsame Projekte der Schüler im Vordergrund stehen, z.B. künstlerische und musische Aktivitäten, eine Theateraufführung, die Organisation einer Ausstellung, sprachliches Arbeiten an relevanten Texten oder gemeinsames Kochen. Besichtigungen können so gestaltet werden, dass sich einige Lernende gemeinsam mit ihren Partnern auf Russisch darauf vorbereiten und ihre Informationen dann an die Mitschüler weitergeben. Die Aktivitäten am Zielort sollten die Chance geben, sich auf individueller Ebene kennenzulernen. Zu jeder Begegnung gehört auch eine Nachbereitung durch die Schüler. Das kann z.B. durch Dokumentationen (z.B. ein Film, eine Website oder ein Artikel in der lokalen Presse) geschehen, aber auch durch die weitere Kontaktpflege mit den Partnern. Der Russischunterricht sollte den Lernenden die Gelegenheit geben, von ihren Erfahrungen zu berichten, erlebte Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie ihr eigenes sprachliches und interkulturelles Verhalten während der Begegnungssituation im Nachhinein zu reflektieren. Unabdingbare Voraussetzung für gelungene Begegnungen sind gute sprachliche, organisatorische und interkulturelle Kompetenzen der beteiligten Lehrenden, Flexibilität, Offenheit und Ambiguitätstoleranz. Notwendig ist die Fähigkeit zu lernen, die eigenen Überzeugungen von außen zu sehen, anders wahrzunehmen, sich in die Partnerlehrer und -schüler hineinzuversetzen und in Konfliktsituationen zu vermitteln. Aufgaben 1. Wie verstehen Sie die Behauptung von Erdmenger (2006, 435): „Am Lande der Zielsprache kann man die Gegebenheiten des eigenen Landes bewusst erfahren―? 2. Warum sagt man, dass die eigene Kultur der größte „Stolperstein― auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz ist (Roth 2011b, 22)? 3. Was halten Sie von der Vermittlung interkultureller Kompetenz durch Konfrontation der Lernenden mit stereotypen Vorstellungen über Deutsche und Deutschland? 4. Sind Sie selbst interkulturell kompetent? Wie können Sie das belegen? Im Rahmen von Begegnungen Projekte bearbeiten <?page no="226"?> 227 5. Interkulturelle Kompetenz entwickeln 5. Welche Themen eignen sich Ihres Erachtens für ein Projekt zu russischsprachigen Ländern? Weiterführende Literatur Berdi č evskij, A. L. et al. (Hrsg.) (2011) = Методика межкультурного обра зования средствами русского языка как иностранного. Методы, приёмы, результаты. Москва. Borgwardt, U. (2003): „Sensibilisierung für die andere Kultur. Vermeiden kultureller „Fettnäpfe― im Russischen.― In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 3/ 2003, 202-211. Ertelt-Vieth, A. (Hrsg.) (2003a): Russisch in Projekten lernen. Berlin, 103-122. Roth, J. & Köck, Ch. (Hrsg.) (2011): Interkulturelle Kompetenz. Handbuch für die Erwachsenenbildung. München. <?page no="227"?> 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht Ursula Behr 6.1 Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Forderung Seit der Forderung des Europarates 1 , dass jeder europäische Bürger beim Verlassen der Schule neben der Muttersprache über Kenntnisse in zwei weiteren Gemeinschaftssprachen verfügen sollte, bestimmt das Lernziel Mehrsprachigkeit in hohem Maße die bildungspolitische und fremdsprachendidaktische Diskussion. Im Verständnis des Europarates und entsprechend ausgeführt auch im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR) ist Mehrsprachigkeit (Multilingualität) nicht gleich Vielsprachigkeit (Plurilinugalität), sondern umfasst neben der Muttersprache zwei Fremdsprachen, die nicht alle gleich gut und mit hohem Perfektionsgrad beherrscht werden müssen. Der GeR (2001, 1.2, 17) führt dazu aus, „dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker (die er entweder in der Schule oder auf der Universität lernt oder durch direkte Erfahrungen erwirbt). Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren.― Vielsprachigkeit dagegen umfasst laut GeR die Kenntnis einer Anzahl von Sprachen oder die Koexistenz verschiedener Sprachen in einer bestimmten Gesellschaft. „Vielsprachigkeit kann man erreichen, indem man einfach das Sprachenangebot in einer Schule oder in einem Bildungssystem vielfältig gestaltet oder indem man Schüler dazu anhält, mehr als eine Sprache zu lernen, ...― (GeR 2001, 1.2, 17). Europa ist vielsprachig, inzwischen sind auch viele Klassenzimmer vielsprachig. D.h., es werden viele verschiedene Sprachen gesprochen, zudem gibt es Menschen, die viele Sprachen beherrschen. Mehrsprachigkeit im oben beschriebenen Sinn meint aber nicht die Addition der sprachlichen Kompetenz auf gleichem Niveau in vielen Sprachen. Vielmehr geht es um die „Fähigkeit, Sprachen zum Zwecke der Kommunikation zu benutzen und sich an interkultureller Interaktion zu beteiligen, wobei ein Mensch als gesellschaftlich Handelnder verstanden wird, der über - graduell unterschiedliche - Kompetenzen in mehreren Sprachen und über Erfahrungen mit mehreren Kulturen verfügt. Dies wird allerdings nicht als Schichtung oder als Nebeneinander von getrennten Kompetenzen verstanden, sondern 1 Parlamentary Assembly 1998, Abs. 5; vgl. dazu auch das von der Europäischen Kommission bereits 1995 herausgegebene Weißbuch „Lernen und Lehren - auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft―. Multilingualität - Plurilinugalität <?page no="228"?> 229 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht vielmehr als eine komplexe oder sogar gemischte Kompetenz, auf die der Benutzer zurückgreifen kann.“ (GeR 2001, 6.1.4.1, 136) Für die Schule erwächst daraus einerseits die Frage, wie erreicht werden kann, dass alle Schülerinnen und Schüler neben Englisch mindestens eine weitere Fremdsprache lernen können (= bildungspolitische Aufgabe) und andererseits welches didaktisch-methodische Instrumentarium notwendig ist, Kinder und Jugendliche Mehrsprachigkeit als Normalsituation erfahren zu lassen und den Spracherwerb - Muttersprache und Fremdsprache(n) - nicht aus der Perspektive von nur einer Sprache - Muttersprache, erste Fremdsprache, zweite Fremdsprache - zu sehen und dabei auch nicht im schulischen Kontext gelernte Sprachen mit einzubeziehen. Wie kann es aber gelingen, dass Schule dieser Pflicht gerecht wird, der sprachlichen und kulturellen Pluralität der Gesellschaft Rechnung zu tragen und die Entwicklung einer individuellen Mehrsprachigkeit (vgl. RePA (2010, 8) = Referenzrahmen für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen) zu unterstützen? 6.2 Konzepte zur Förderung von Mehrsprachigkeit 6.2.1 Historischer Exkurs Mehrsprachige Lehrmaterialien, sogar nach unterschiedlichen Abschlüssen gestuft, gab es schon in früheren Jahrhunderten. Das Druck- und Verlagswesen im 16. und 17. Jahrhundert war europäisch. Schon 1617 erschien, auf der Basis der am Irischen Kolleg in Salamanca entstandenen lateinisch-spanischen Janua linguarum des englischen Jesuiten William Bath, eine viersprachige Ausgabe in lateinisch-, französisch-, spanisch-englisch; die letztgenannte Sprache wird in einer späteren Straßburger Ausgabe von 1624 durch das Deutsche ersetzt. Überhaupt war es in dieser Zeit üblich, drei- und viersprachige Vokabularien und Grammatiken so zu variieren, das von Fall zu Fall immer wieder eine Sprache ausgetauscht oder eine weitere hinzugefügt werden kann. Einer der ersten großen „Mehrsprachigkeitsdidaktiker― war Comenius. Das Prinzip, von Anfang an mehrere Sprachen nebeneinander zu lernen, bestimmt in hohem Maße dessen Arbeiten. Sein Orbis sensualium pictus/ Die sichtbare Welt (1658), der bis Ende des 18. Jahrhunderts drei- und viersprachig erweitert wurde, ist eines der verbreitetsten illustrierten Sprachlehrbücher überhaupt. Im 17. Jahrhundert erschienen auch zahlreiche Dialog- und Gesprächssammlungen - häufig als Analecta zu den Grammatiken -, z.B. die Gemmulae linguarum: Dialogues en quatre langues: français, espagnol, italien et allemand (Amsterdam 1656) des Philippe Garnier, Sprachlehrer an der Universität Gießen. 1659 erscheint sogar eine Ausgabe „en cinq langues, y compris le latin―. Diese Tradition blieb leider ohne Einfluss auf den institutionalisierten schulischen (Fremd-)Sprachenunterricht, der zunehmend den Eindruck erweckte, dass jede Lehrkraft sich eifersüchtig nur mit der ihr anvertrauten Sprache beschäftigt und bei deren Vermittlung keinen Blick nach links oder rechts zu gleichzeitig erlernten bzw. zuvor gelernten Sprachen verschwendet. Mehrsprachigkeit und Schule Comenius: mehrere Sprachen nebeneinander beherrschen <?page no="229"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 230 Diese Ignoranz ist umso unverständlicher angesichts der tief greifenden Gemeinsamkeiten der europäischen Sprachen, die sich in besonders eindrucksvoller und überzeugender Weise in ihrem Wortschatz zeigt, der auf die gemeinsame griechisch-lateinische Basis zurückgeht. 6.2.2 Mehrsprachigkeit durch Interkomprehension in Sprachfamilien Das Gemeinsame bzw. Ähnliche europäischer Sprachen nutzbar zu machen für deren rezeptive Erschließung und daraus ein Lehr-Lernprogramm zu entwickeln, ist die Grundidee von EuroCom - sprich: Eurocomprehension. EuroCom ist die Bezeichnung für eine von einer internationalen Forschergruppe für die universitäre Nutzung erarbeitete Methode zum Erwerb interlingualer rezeptiver (Lese-)Kompetenz in genetisch verwandten Sprachen unter Nutzung der Vorkenntnisse in einer Sprache dieses Sprachzweiges sowie der Operationalisierung spezieller kognitiver Erschließungs- und Lernstrategien (vgl. Kischel 2002). Dabei bezieht sich EuroCom auf die drei großen europäischen Sprachfamilien: die germanische, die romanische und die slawische, wobei das bisher am meisten ausgereifte Lehr-Lernprogramm für die romanische Sprachgruppe vorliegt. EuroCom verfolgt den Ansatz, dass sich das Aufspüren von Bekanntem in Fremdem auf zwei sprachlichen Fundamenten vollzieht: 1. der Sprachverwandtschaft, 2. den Internationalismen, die für weite Bereiche des modernen Lebens und der Fachsprachen auf ähnlicher Basis beruhen. EuroComSlav will folglich den Kennern einer slawischen Sprache - als Brückensprache fungiert hier Russisch - zum rezeptiven (Lese-) Verstehen in allen anderen slawischen Sprachen verhelfen. Für diesen Zweck organisiert EuroCom die Bereiche, „in denen man Bekanntes in jeder neuen Sprache, sofern sie zur gleichen Sprachfamilie gehört (oder typologisch genügend nahe ist), auffinden kann― - die so genannten sieben Siebe (Klein & Stegmann 2000, 13). Diese sieben Siebe sind: • Internationaler Wortschatz • Pangermanischer/ Panromanischer/ Panslawischer Wortschatz • Lautentsprechungen • Graphien und Aussprachen • Pangermanische/ Panromanische/ Panslawische syntaktische Strukturen • Morphosyntaktische Elemente • Präfixe und Suffixe (Klein & Stegmann 2000, 14-15; http: / / www.eurocomslav.de; Tafel et al., 2009). In „sieben Aussiebevorgängen― schöpft der Lerner aus der neuen Sprache alles das heraus, was er aus der ihm vertrauten Sprache (hier: Russisch) bereits kennt oder als ähnlich empfindet. „Nachdem die Sprache sieben Mal auf Bekanntes hin durchgesiebt ist, stellt man fest, daß ein Zeitungstext in Euro-Com-Methode: Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen nutzbar machen Die sieben Siebe <?page no="230"?> 231 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht der neuen Sprache (z.B. zu auswärtiger Politik) in seinen Hauptinformationen leicht zugänglich ist und dass man davon ausgehend den Sinn der übrigen Textteile mit gutem Annäherungswert verstehen kann― (Klein & Stegmann 2000, 14). Die „sieben Aussiebevorgänge―, auf denen EuroCom beruht, setzen eine recht gesicherte Kenntnis der Brückensprache voraus - daher auch der Einsatz in der universitären Sprachausbildung bzw. in der Oberstufe (vgl. entsprechende Übungsprogramme von Französisch zu Spanisch). Für den Anfangsunterricht und den schulischen Fremdsprachenunterricht können sie nur modifiziert zur Anwendung kommen. 6.2.3 Mehrsprachigkeit durch sprachenübergreifendes Lernen Das Gehirn des Menschen ist so aufgebaut, dass es nicht nur den Erwerb einer Sprache, sondern mehrerer Sprachen erlaubt und diese mit zunehmendem Grad der Beherrschung immer ressourcenschonender verarbeitet. Dieser Effekt tritt aber nicht automatisch ein, er ist abhängig von persönlichen Faktoren wie Alter, Motivation, kognitivem Entwicklungsstand, Beherrschungsgrad der Muttersprache und von Erwerbsbedingungen wie Qualität und Quantität des fremdsprachlichen Angebots und dessen Vernetzung mit der Muttersprache. Hieraus erwächst die Bedeutung sprachenübergreifenden Lernens. Sprachenübergreifendes Lernen ist eine Form fächerübergreifenden Lernens. Sprachenübergreifendes Lernen geht davon aus, dass der Lerner bereits eine Sprache (seine Muttersprache) beherrscht, eine erste Fremdsprache (Englisch) und eine weitere Fremdsprache lernt - jeweils unterschiedlich lang und umfangreich i.S.v. Jahren und Wochenstunden. In diesem Kontext ist sprachenübergreifendes Lernen gleichermaßen Erhaltungslernen, Vertiefungslernen und Erweiterungslernen. Auf den Lerner bezogen ist sprachenübergreifendes Lernen ein individueller, dynamischer, kognitiv geprägter lernstrategisch-psycholinguistischer Prozess. In diesem Sinne beinhaltet sprachenübergreifendes Lernen die Anwendung von Strategien • der bewussten Wahrnehmung, • der Reflexion, • der pro- und retroaktiven Verknüpfung und • des zwischensprachlichen Transfers von individuell verfügbarem sprachlichem, soziokulturellem und strategischem Wissen in der Muttersprache und den erlernten Fremdsprachen (vgl. Behr 2007, 19f.). Damit ist der Fokus gleichermaßen auf die Erhöhung der Sprachbewusstheit und der Sprachlernbewusstheit gerichtet. Sprachenübergreifendes Lernen folgt dem inferentiellen Lernbegriff, der von der Interaktion der sprachlichen und kulturellen Vorkenntnisse mit neuen Lerninhalten sowie deren Einformung in das deklarative und prozedurale Begriffsbestimmung: sprachenübergreifendes Lernen inferentieller Lernbegriff <?page no="231"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 232 Sprachwissen (vgl. Meißner & Reinfried 1998 , 15ff.) ausgeht. Angewendet auf das Dekodieren fremden Wortschatzes heißt dies, dass der Lerner beim Lesen oder Hören das unbekannte Lexem als Schriftbild oder Lautbild mit den Einträgen in seinem mentalen Lexikon (vgl. Raupach 1994, 21) vergleicht. Wird eine ähnliche Form aus einer anderen Sprache (Mutter- oder Fremdsprache) gefunden und das entsprechende Konzept auf die unbekannte Form übertragen, so spricht man von interlingualem Transfer (vgl. Meißner & Reinfried 1998, 18ff.). In diesem Zusammenhang belegen ein- und mehrsprachige Assoziationstests, „dass im mehrsprachigen mentalen Lexikon z.B. zwischen morphologisch ähnlichen Wörtern verschiedener Sprachen besonders schnelle Verbindungen bestehen. Solche Verbindungen werden aufgebaut, wenn ein unbekanntes Wort gelesen oder gehört wird und der Rezipient feststellt, dass dieses Wort formale Ähnlichkeit mit einem ihm bekannten Wort aufweist― (Müller-Lancé 2001, 101). Der retro- und proaktive Transfer wird damit zu einer wichtigen Lernstrategie. Zugleich wächst die Rolle vorhandener Kenntnisse und Erfahrungen aus dem vorherigen Sprachenerwerb und deren Vernetzung im mentalen Lexikon für den Erwerb weiterer Fremdsprachen. Meißner (1995, 175) definiert als linguistische Transferbasis Lexeme und grammatische Regularitäten, deren prozedurale und/ oder kognitive Kenntnis die Erwerbsleistung in einer nachgeordneten Zielsprache erleichtert. Er führt weiter aus, dass Transferbasen diachronisch Ausdruck von Sprachverwandtschaft und/ oder von Sprachkontakt, synchronisch von Ähnlichkeit sind. Meißner verweist darauf, dass nahverwandte Sprachen aufgrund ihrer dichten Verknüpfung und ihrer einander stark ähnelnden Oberflächen (Lexik, Morphematik, Syntax) einander weitaus mehr Transferbasen als fern- oder nicht verwandte bieten. Beispiele für den Transfer aufgrund von Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten innerhalb der slawischen Sprachfamilien lassen sich unter http: / / www.eurocom slav.de sowie bei Tafel u.a. (2009) finden. Durch den interlingualen Transfer ist sprachenübergreifendes Lernen in hohem Maße kognitives und entdeckendes Lernen, denn es umfasst die Fähigkeit sprachliche Phänomene in der Mutter- und Fremdsprache bewusst, d.h. aufmerksam wahrzunehmen, miteinander zu vergleichen und für das Verstehen und Sich-Verständigen in der Fremdsprache zu nutzen. Sprachenübergreifendes Lernen impliziert ebenfalls einen Vergleich der Lernwege. Dadurch wird ein didaktisches Monitoring über Erfahrungen und Vorgehensweisen beim Sprachenlernen angeregt, welches den sprachlernstrategischen Transfer unterstützt. Eine sprachenübergreifende Lehr- und Lernperspektive macht für Schülerinnen und Schüler Sprach- und Kulturverwandtschaften sowie sprachlernerleichternde Momente erlebbar. Durch die Anwendung induktiv-vergleichender Tätigkeiten entdecken die Lerner, dass • es interlinguale Transferbasen gibt, deren Nutzung das Verstehen erleichtert, • der Sprach- und Kulturvergleich unter Einbeziehung der Mutter- und aller erlernten Fremdsprachen das Verstehen erlernter und auch nicht gelernter Sprachen unterstützen sowie beschleunigen kann und zudem interessant ist, retro- und proaktiver Transfer <?page no="232"?> 233 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht • die Übertragung von Lerntechniken und -strategien für das Sprachenlernen möglich und hilfreich ist. Sprachenübergreifendes Lernen verfügt auch über eine affektiv-attitudinale Komponente. ‚AHA-Erlebnisse‗, die beim Sprachvergleich entstehen und dazu führen, fremde Wörter und fremde Sprachen sowie Zusammenhänge verstehen zu können, fördern bei Schülerinnen und Schülern Offenheit, Neugier und Interesse für Sprache und machen den Wert von Vorkenntnissen und vorangegangenen Lernerfahrungen nachvollziehbar. Sprachenübergreifendes Lernen wird durch lautes Denken unterstützt, indem der Schüler zur Versprachlichung seiner Vorgehensweise ermuntert wird. Das geht zumindest in der Sekundarstufe I nicht ohne die Mithilfe der Muttersprache und rüttelt ein Stück weit an den Festen der absoluten Einsprachigkeit, bei der die Muttersprache zur Feindin der Fremdsprache wird. Beim sprachenübergreifenden Lernen ist die Muttersprache eine wichtige Verbündete und Unterstützerin der Fremdsprache. Einerseits fungiert sie als eine wichtige „Brückensprache― und Transferbasis und andererseits übernimmt sie vor allem in reflexiven Phasen eine wichtige Rolle. Damit fördert das Konzept sprachenübergreifenden Lernens das Prinzip einer „aufgeklärten― und sinnvollen Einsprachigkeit, wie von Butzkamm (1993) aus psycholinguistischer Sicht überzeugend dargestellt. 6.3 Sprachenübergreifende Lernarrangements Die Inszenierung sprachenübergreifender Lernprozesse im Russischunterricht erfordert didaktisch-methodische Szenarien, die Schülerinnen und Schüler anregen, • russischsprachige Phänomene bewusst, d.h. mit erhöhter Aufmerksamkeit, wahrzunehmen, • Einzelphänomene aus komplexen Zusammenhängen zu isolieren, mit vorhandenen Sprachbeständen in der deutschen Sprache, ggf. in einer Herkunftssprache, und der/ den anderen erlernten Fremdsprache/ n sowie anderen slawischen Sprachen zu vergleichen, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen, • sinnvoll Vergleichbares zu erkennen, • Erklärungshypothesen auf der Grundlage von Vorwissen oder anhand von Oberflächenmerkmalen zu entwerfen, • Hypothesen zu überprüfen, • ihre Vorgehensweise beim Sprachvergleich und dessen Ergebnisse zu dokumentieren und zu präsentieren, • über ihr Sprachenlernen (beim Wortschatzerwerb, beim Lesen, bei der Sprachmittlung etc.) zu reflektieren. Anwendungsgelegenheiten für sprachenübergreifendes Lernen bieten grundsätzlich die nachfolgenden Bereiche sprachlicher Kompetenz: Lexik, Syntax, Morphologie, Phonematik, Graphematik, Pragmatik, funktionales Wissen, soziolinguistisches Wissen, fremdsprachenstrategisches Wissen. affektiv-attitudinale Komponente didaktisch-methodische Szenarien <?page no="233"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 234 Sprachenübergreifende Lehr- und Lernprozesse im Russischunterricht können folgenden Gewinn erbringen: • die Bewusstmachung der Bedeutung des Russischen als wichtige Brückensprache, die das Verstehen anderer slawischer Sprachen erleichtern kann, • die Festigung und Vertiefung russischsprachiger Kenntnisse vor allem bezogen auf Lexik, Syntax, Morphologie, Graphematik und funktionales Wissen, • die Verbreiterung der Anwendungsgelegenheiten der russischsprachigen Kompetenz, • die Entwicklung der Fähigkeit zur Hypothesenbildung, • die Stärkung der selektiven Aufmerksamkeit und der bewussten Wahrnehmung sprachlicher und kultureller Phänomene, • die Stärkung der Analysefähigkeit sprachlicher und kultureller Phänomene, • die Förderung der Reflexions- und Dokumentationsfähigkeit, • die Anregung von Sprachbewusstheit und Sprachlernbewusstheit, • die Variabilität und Mehrdimensionalität des Lernangebots, • die Verstärkung des entdeckenden Lernens, • die Steigerung der Motivation für die Auseinandersetzung mit sprachlichen und kulturellen Phänomenen. 6.4 Sprachenübergreifende Kompetenzen Sprachenübergreifende Kompetenzen haben eine Wissenskomponente. Diese umfasst deklaratives Wissen und bezieht sich, dem Referenzrahmen für plurale Ansätze (RePa) folgend (2010, 46ff.), auf die Kenntnis über: • Funktionsprinzipien von Sprache als semiotisches System, • den Zusammenhang von Sprache und Gesellschaft, • Funktionsprinzipien von verbaler und nonverbaler Kommunikation, • die Entwicklung von Sprachfamilien, • Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Sprachen, • den Spracherwerb, insb. das (eigene) Sprachenlernen, • die Rolle der Kultur in interkulturellen Beziehungen und in der interkulturellen Kommunikation. Sprachenübergreifende Kompetenzen haben zudem eine Fertigkeitskomponente und schließen in diesem Zusammenhang prozedurales Wissen ein. Dem RePa folgend (2010, 90ff.) geht es hierbei v.a. darum, in der Lage zu sein, • sprachliche Elemente und kulturelle Phänomene zu erkennen, zu analysieren und zu vergleichen, • über Sprachen und Kulturen zu sprechen, • das Wissen aus einer Sprache zu nutzen, um eine andere Sprache zu verstehen oder produktiv zu verwenden, • soziolinguistische und/ oder soziokulturelle Unterschiede beim Kommunizieren zu berücksichtigen, Gewinn für den Russischuterricht Komponenten sprachenübergreifender Kompetenzen <?page no="234"?> 235 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht • das eigene sprachliche und kulturelle Vorwissen für den Lernprozess zu nutzen, • den eigenen Lernprozess zu reflektieren. Schließlich haben sprachenübergreifende Kompetenzen eine persönlichkeitsbezogene Komponente. Diese bezieht sich v.a. (RePa 2010, 67ff.) auf: • Aufmerksamkeit, Sensibilität, Neugier, Akzeptanz von Sprachen und Kulturen, • Bereitschaft zu lernen und zu handeln im Kontext sprachlicher und kultureller Vielfalt, • Einstellungen, Haltungen und Perspektivenwechsel. Die o.g. Komponenten sprachenübergreifender Kompetenzen sind im Russischunterricht in enger Bindung an die auf den Niveaustufen A1-B2/ C1 angestrebten rezeptiven und produktiven sprachlichen Kompetenzen zu entwickeln. Eine empirisch abgesicherte Zuordnung liegt bislang nicht vor. Auch der RePA formuliert kein Ausprägungsniveau, das eine Zuordnung zu den Niveaustufen des GeR oder ein Kompetenzstufenmodell erkennen lässt. Den Versuch, sprachenübergreifende Kompetenzen aus der Sicht der Niveaustufen des GeR zu beschreiben, bestimmten Klassenstufen zuzuordnen und eine Progression abzubilden, unternehmen die Thüringer Lehrpläne für den Russischunterricht (2011) in den Klassenstufen 5-10 bzw. 5-12 im Lernbereich „Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren―. Nachzulesen für den Russischunterricht im Realschulbereich unter: https: / / www.schulportal-thueringen.de/ web/ guest/ media/ detail? tspi=1389 und für den Russischunterricht am Gymnasium unter: https: / / www.schulportal-thueringen.de/ web/ guest/ media/ detail? tspi=1397 6.5 Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen Aufgaben zur Förderung sprachenübergreifenden Lernens haben folgende grundsätzliche Zielperspektiven: • Sensibilisierung für den Sprach- und Kulturvergleich, • Vermittlung von Wahrnehmungs- und Analysestrategien unter Einbeziehung der Muttersprache und der erlernten Fremdsprachen, • Bewusstmachung eigener Lern- und Verstehenspotenziale sowie -strategien, • Einübung von Transferroutinen, • Festigung und Erweiterung einzelsprachlicher Kenntnisse, • Förderung einer interkulturellen Perspektive, • Anregung der Reflexion und Evaluation des eigenen Lernprozesses (Behr 2007, 173). Sprachenübergreifendes Lernen lässt sich nicht mechanisch einschleifen. Es bedarf eines Übungsinstrumentariums, das interlinguale Operationen beim Lerner anregt, die die bidirektionale Verarbeitung (vgl. Meißner 2000) auslösen. Übungen zur Förderung sprachenübergreifenden Lernens „müssen Zuordnung sprachenübergreifender Kompetenzen zu Niveaustufen Zielsperspektiven von Aufgaben <?page no="235"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 236 Prozesse initiieren, die von den Sprachdaten zum Monitoring verlaufen, und solche, die vom Monitoring her rezeptive (oder produktive) Zugriffsroutinen auf die sprachlichen Oberflächen unterschiedlicher Daten ausbilden― (Meißner & Burk 2001, 95). Aufgaben zur Förderung sprachenübergreifenden Lernens streben „lernerorientierte, induktiv-vergleichende Spracharbeit und das Reden über Sprache― an (Neuner 2003, 23). Dies ist gebunden an die Organisation von Schülertätigkeiten mit vergleichender Dimension, wie: Ordnen, Unterscheiden, Vergleichen, Identifizieren, Analysieren, Kontrastieren, Analogien bilden, merkmalgestütztes Erraten, Reflektieren. Es ist vor allem das Moment der Ähnlichkeit, auf das sprachenübergreifende Such- und Vergleichsprozesse gerichtet sind und diese befördert. Daraus erwachsen besondere Anforderungen an die Aufgabenkonstruktion (vgl. Behr 2010, 109ff.). Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen: • richten die Schülertätigkeiten gleichzeitig auf das Russische und mindestens eine weitere Sprache, beziehen dabei die Muttersprache als festen konstitutiven Bestandteil ein, • greifen auf, dass Lerner intuitiv nach Gemeinsamkeiten und v.a. nach Oberflächenmerkmalen suchen, • stellen eine hinreichende Vergleichsbasis für das Russische zu anderen Sprachen her, • schaffen Anknüpfungspunkte für die Wahrnehmung von Gemeinsamem, Ähnlichem und Unterschiedlichem, • erfordern vom Lerner genaues Hinsehen, • regen induktiv-vergleichende Schülertätigkeiten an, • sichern die Variabilität der ausgelösten Lerntätigkeiten, wie Probieren, Erraten, Erkennen, Systematisieren, Abstrahieren, • initiieren Schülertätigkeiten mit einem hohen Anspruch an entdeckendes Lernen, • sind aus der Lernerperspektive (auch im Sinne von kommunikativer Relevanz und Gegenwartsorientiertheit) konzipiert, • sind handlungsorientiert und nutzen vielfältige Arbeits- und Sozialformen, • sind in einer für den Lerner verständlichen Sprache formuliert, • ermöglichen die selbstständige Arbeit, • stärken die Lernerautonomie, • regen die Reflexion und Dokumentation von Lernprozessen und Lernergebnissen an. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang Aufgaben, die vom Schriftbild ausgehen, da mit der geschriebenen Sprache durch die selbstbestimmte Verweildauer der bewusste Umgang mit der Sprache geübt werden kann. Ferner kann durch optische Anordnung das Vergleichen erleichtert werden und schließlich sind Selbstkontrolle und Ergebnisdarstellung besser möglich angesichts der Fixiertheit der Ausgangsbasis. Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich in ihren Lernvoraussetzungen und -bedingungen z.T. erheblich. Es obliegt folglich der Lehrkraft, Auf- Induktiv-vergleichende Spracharbeit Anforderungen an die Aufgabengestaltung <?page no="236"?> 237 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht gaben unter Berücksichtigung der jeweiligen metakognitiven Dispositionen der Lerner, ihrer Vorkenntnisse und Sprachlernerfahrungen differenziert einzusetzen, ggf. zusätzliche lernberatende bzw. aktivitätssteuernde Impulse vorzusehen, um Erfolge sprachenübergreifenden Lernens erlebbar zu machen und zu würdigen. Instruktionen zur Förderung sprachenübergreifenden Lernens umfassen: 1. Instruktionen zur Unterstützung der Wahrnehmung, Steuerung der Aufmerksamkeit, 2. Instruktionen zur Anregung vergleichender Operationen, 3. Instruktionen zur Verbalisierung des Vergleichsprozesses und des Vergleichsergebnisses, 4. Instruktionen zur Zusammenfassung, Speicherung der persönlichen Erkenntnisgewinnung. Der Schwierigkeitsgrad entsprechender Aufgaben ist vornehmlich abhängig von: • der Erschließbarkeit bzw. dem Grad der Übereinstimmung mit einer potentiellen Brückensprache, • dem zwischensprachlichen Transferpotenzial des unbekannten sprachlichen oder nicht sprachlichen Inputs, • der Komplexität und der Vertrautheit des unbekannten sprachlichen oder nicht sprachlichen Inputs, • der Komplexität der auszuführenden kognitiven Operationen. Bei der Aufgabengestaltung und -auswahl sind die sprachlichen Voraussetzungen der Lerner - im Sinne sprachlicher und strategischer Verfügbarkeit von Vorkenntnissen in der Muttersprache und der ersten, aber auch der zweiten Fremdsprache) - sowie ihr Weltwissen und ihre Interessen unbedingt zu berücksichtigen. Mit zunehmender Sprachbeherrschung wächst der Grad der Selbstständigkeit bei der Aufgabenbewältigung und nimmt die Komplexität der in den Sprachvergleich einbezogenen sprachlichen oder nicht sprachlichen Phänomene zu. Zudem gewinnen Aspekte des Zusammenwirkens von Sprache und Kultur an Bedeutung. Schließlich wird mit zunehmender Sprachbeherrschung das Russische sukzessive das Medium, das der Schüler für Erläuterungen von Ergebnissen und entsprechenden Vorgehensweisen beim Sprachenvergleich, für das Bilden von Hypothesen und für die Reflexion nutzt. Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen im Russischunterricht finden sich z.B. in Behr (2005 und 2006), in den Impulsbeispielen zur Lehrplanimplementation Russisch in Thüringen, veröffentlicht unter: http: / / www.schulportal-thueringen.de/ web/ guest/ sprachunterricht/ sprachenuebergreifend sowie bei Mehlhorn (2011). Auch die aktuellen Lehrwerke für den Russischunterricht enthalten Anregungen für sprachenübergreifendes Lernen (vgl. dazu Zawadzka 2011 und Mehlhorn & Wapenhans 2011). Die nachfolgenden Beispiele zeigen die Umsetzung der o.g. Ausführungen zur Aufgabengestaltung exemplarisch auf. Schwierigkeitsgrad der Aufgaben <?page no="237"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 238 Wortschatz: Beispiel 1 (Niveaustufe A1) a) Lies die Wörter und finde heraus, in welchem Zimmer sich diese Dinge befinden. Russisch Deutsch Lösung крем Diese Gegenstände befinden sich meistens im __________ вата гель для душа шампунь дезодорант косметика b) Erkläre, wie du die Lösung gefunden hast. c) Ergänze nun in der mittleren Spalte die deutschen Bezeichnungen. Beispiel 2 (Niveaustufe A2) a) Lies die Wörter aus verschiedenen slawischen Sprachen und ergänze die russische Entsprechung. b) Erkläre, wie du die Lösung gefunden hast. Variante 1: die Spalten sind beschriftet. Variante 2: die Spalten sind nicht beschriftet, die Schüler sollen selbst Vermutungen anstellen, um welche Sprachen es sich handelt und dies begründen, z.B. können besondere diakritische Zeichen auf das Tschechische bzw. Polnische schließen lassen. Tschechisch Polnisch Russisch tenis tenis džudo judo fotbalový piłka nożna lehká atletika lekkoatletyka běh bieg plavecký sport pływanie cyklistika kolarstwo krasobruslařství łyżwiarstwo figurowe šachy szachy Beispiel 3 Sprichwörter (Niveaustufe B1): Die folgenden Sprichwörter werden in den verschiedenen Sprachen mit der gleichen Bedeutung verwendet. Schaut man aber genau hin, fallen Unterschiede auf. a) Vergleiche die Sprichwörter der Sprachen, die du kennst. Welche Unterschiede findest du heraus? Nutze ein Wörterbuch. Aufgabenbeispiele Wortschatz b) Vergleiche dein Ergebnis mit einem Partner. <?page no="238"?> 239 6. Sprachenübergreifendes Lernen im Russischunterricht Deutsch Englisch Französisch Russisch Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. First come, first served. Qui premier arrive, premier engrène. Первому гостю первое и место. Lügen haben kurze Beine. Lies have short wings. Le mensonge ne conduit pas loin. У лжи короткие ноги. Was lange währt, wird endlich gut. Slow and steady wins the race. Pas à pas, on va loin. Тише едешь, дальше будешь. Rom ist nicht an einem Tage erbaut. Rome was not built in a day. Paris ne s‘est pas fait en un jour. И Москва не сразу строилась. Wo gehobelt wird, fallen Späne. You can‘t make an omelet without breaking eggs. On ne fait pas d‘omelettes sans casser des œufs. Лес рубят - щепки летят. 6.6 Sprachenübergreifendes Lernen im Schulalltag Sprachenübergreifende Aufgaben können eingesetzt werden: • als integrativer Bestandteil der Sprachfächer, i.S.v. Muttersprache Deutsch, erster, zweiter oder weiterer Fremdsprache, • als fächerübergreifendes Angebot der Sprachfächer, • als Form projektbezogenen Lernens, • als punktuelle Unterrichtssequenz(en) in einzelnen Sprachfächern oder in Vertretungsstunden. Der Erfolg sprachenübergreifenden Lehrens und Lernens ist auch abhängig von der Kooperation und Abstimmung zwischen den Lehrkräften der Mutter- und Fremdsprache(n). Diese Zusammenarbeit bezieht sich vor allem auf das prozedurale, deklarative und soziokulturelle Vorwissen der Schülerinnen und Schüler, auf mögliche Transferbasen sowie auf Sprachlern- und Reflexionsstrategien aus der jeweils vor- oder nachgelernten Sprache und deren sprachenübergreifende Einordnung in den Spracherwerbsprozess. Dabei geht es sowohl um die Bestimmung von Ziel und Position sprachenübergreifender Übungssequenzen als auch um die Festlegung von Organisationsformen, um auch Nachhaltigkeit bei den Lernern zu bewirken. Daraus erwachsen konkrete Bezugspunkte für die Erarbeitung eines schulinternen Sprachenkonzeptes sowie für die gemeinsame Arbeit in der Fachkonferenz Sprachen, z.B. im Zusammenhang mit Schwerpunktsetzungen bei der Kompetenzentwicklung, der individuellen Förderungen, der Leistungseinschätzung oder projektartiger Phasen in bestimmten Klassenstufen. Organisationsformen sprachenübergreifenden Lernens <?page no="239"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 240 Aufgaben 1. Erläutern Sie den Begriff der Mehrsprachigkeit im Verständnis des GeR. 2. Stellen Sie die Besonderheiten sprachenübergreifenden Lernens und den damit verbundenen Gewinn für den Russischunterricht dar. 3. Analysieren Sie Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen in einer Lehrwerkslektion und stellen Sie dar, inwieweit diese entsprechenden Anforderungen an die Aufgabengestaltung gerecht werden. 4. Erarbeiten Sie zwei Aufgaben zum sprachenübergreifenden Lernen. Stellen Sie dar, welche Komponenten sprachenübergreifender Kompetenz mit den Aufgaben entwickelt werden sollen und wie Sie diese Aufgaben in den Unterrichtsprozess einordnen würden. Weiterführende Literatur Behr, U. (2010): „Zur Typologie von Übungen zum sprachenübergreifenden Lernen in der Sekundarstufe I―. In: Doyé, P. & Meißner, F.-J. (Hrsg.): Lernerautonomie durch Interkomprehension. Tübingen, 107-116. Kischel, G. (Hrsg.) (2002): EuroCom. Mehrsprachiges Europa durch Interkomprehension in Sprachfamilien. Aachen. Meißner, F.-J. (2005): „Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited: über Interkomprehensionsunterricht zum Gesamtcurriculum―. In: Gnutzmann, C. et al. (Hrsg.): Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL). Themenschwerpunkt: „Neokommunikativer“ Fremdsprachenunterricht. Tübingen, 125-145. Neuner, G. (2003): Mehrsprachigkeitskonzept und Tertiärsprachendidaktik. In: Hufeisen, B. & Neuner, G. (Hrsg.): Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiärsprachenlernen - Deutsch nach Englisch. Strasbourg, 13-34. Tafel, K. et al. (2009): Slavische Interkomprehension. Eine Einführung. Tübingen. <?page no="240"?> 7. Sozialformen und Differenzierung Grit Mehlhorn 7.1 Sozialformen Mit Sozialformen werden verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Unterricht bezeichnet. Bei der Klassifizierung in Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit, Plenum und Frontalunterricht unterscheidet man danach, wie die Beteiligten (Schüler und Lehrer) miteinander umgehen und wie viele Personen an der Interaktion beteiligt sind. Die Wahl der Sozialform ist eine methodische Entscheidung. Ein abwechslungsreicher Russischunterricht verlangt einen vielfältigen Einsatz von Sozialformen. „Beim Frontalunterricht sind die Lehrenden diejenigen, die den Lernprozess der Lernenden allein bestimmen― (Schwerdtfeger 2001, 185). Der Lehrer ist dabei Darbieter, Erklärer und Erzähler und lenkt die Gedankengänge der Schüler auf ein festgelegtes Ziel hin. Für den Unterrichtenden bedeutet Frontalunterricht i.d.R. weniger Vorbereitung, ein schnelleres Vorankommen im Stoff mit straffer Führung und wenig Disziplinproblemen. Diese lehrerzentrierte Sozialform ist im kommunikativen Fremdsprachenunterricht stark in Verruf geraten, weil die Schüler dabei sehr passiv sind, mental schnell abschalten, lediglich rezeptiv Wissen aufnehmen können, das sie schnell wieder vergessen und v.a., weil die Möglichkeit zur Sprachproduktion fehlt. Zudem erhält die Lehrkraft keine Rückmeldung, was von dem kompakt vermittelten Wissen bei den einzelnen Schülern überhaupt ankommt. „Frontalunterricht ist nicht gleichzusetzen mit Unterricht im Plenum, also in der gesamten Gruppe. Im Plenum können die Lernenden die dominante Rolle im Unterrichtsgeschehen spielen, etwa beim Einbringen der Ergebnisse aus der Gruppenarbeit― (ebd.). Das Plenum (auch Großgruppenarbeit genannt) bietet eine interaktive Lernsituation, in der sich die gesamte Klasse mit einem Unterrichtsgegenstand auseinandersetzt. Dennoch bestehen für den einzelnen Lerner in der Großgruppe geringere Interaktionschancen. Frontalunterricht kann aufgelockert werden, indem die Lehrkraft bei ihren Erklärungen Medien zur Veranschaulichung einsetzt, Rückfragen an die Klasse stellt (fragend-entwickelnder Unterricht) oder wenn einzelne Schüler Präsentationen übernehmen (vgl. Gudjons 2011). Beispiele für abwechslungsreichen Frontalunterricht und wechselnde Interaktionsformen im Russischunterricht finden sich im Themenheft „Frontalunterricht― der Zeitschrift „PRAXIS Fremdsprachenunterricht Russisch― (1/ 2010). In der Einzelarbeit (EA) arbeitet jeder Schüler individuell, kann dabei seine eigenen Lernstrategien und Fähigkeiten anwenden und individuelle Wege gehen. Er muss dabei keine Rücksicht auf Andere nehmen und kann so u.U. schneller und konzentrierter arbeiten. Allerdings ist auch das Arbeitsergebnis von ihm allein abhängig. Definition und Arten von Sozialformen Interaktive Lernsituationen schaffen <?page no="241"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 242 Bei der Partnerarbeit (PA) interagieren zwei Schüler (z.B. die Banknachbarn) miteinander. Vorteile dieser Sozialform bestehen in der raschen Einsetzbarkeit, dem hohen Sprechanteil der Lerner, der meist ausgewogenen Beteiligung und den herabgesetzten Sprechhemmungen. Wer sich im geschützten Rahmen der PA „warm geredet― hat, traut sich später in der Gruppe eher das Wort zu ergreifen. Mit Arbeitsblättern für die PA zur mündlichen Festigung von Grammatik und Wortschatz, sog. Tandembögen (vgl. Bedurke 2003), können jeweils zwei Schüler in ihrem individuellen Lerntempo angemessen üben. Dabei ist die Redeaktivität festgelegt (ständiges Hin und Her), das Einprägen der Formen wird erleichtert, da die Schüler gleichzeitig lesen, sprechen und hören müssen. Außerdem lernen sie, auf Fehler zu achten, indem sie die Antwort ihrer Mitschüler mit der vorgegebenen Antwort vergleichen. Durch PA können die Schüler behutsam an GA herangeführt werden. „Von Gruppenarbeit (GA) spricht man, wenn mehrere Lernende zusammen, d.h. gemeinsam (und nicht jeder für sich isoliert) an einem Thema arbeiten― (Schwerdtfeger 2001, 185). Die ideale Gruppenstärke für Kleingruppen liegt zwischen 3 bis 5 Personen. Bei der Erteilung von Arbeitsaufträgen muss darauf geachtet werden, dass die GA ein klares Ziel hat, dass allen Schülern von Anfang an klar ist, was in der Gruppe geleistet werden soll und dass das Interesse zur Bearbeitung der Aufgabe durch die Schüler aufrechterhalten wird. Während der GA beobachtet die Lehrkraft die Gruppen, gibt Tipps und hat die Möglichkeit, sich einzelnen Schülern, die mehr Unterstützung benötigen, individuell zuzuwenden. Wichtig ist zudem, genügend Zeit für die Phase der Ergebnissicherung und Präsentation der Gruppen einzuplanen. GA muss also intensiv vorbereitet und anschließend im Unterricht ausgewertet werden. Methoden zur Gruppeneinteilung, geeignete Arbeitsaufträge für GA, Hinweise zur Durchführung und Auswertung von GA finden sich bei Schwerdtfeger (2001). 7.2 Weitere Arbeitsformen und alternative Methoden Während Sozialformen v.a. die im Unterricht ablaufenden Interaktionen fokussieren, bezieht sich der Begriff Arbeitsformen stärker auf die im Fremdsprachenunterricht stattfindenden Tätigkeiten im Hinblick auf den Erwerb bestimmter sprachlicher Aspekte. In der Arbeitsform Projekt kann z.B. die Sozialform GA stattfinden, in der Arbeitsform Textarbeit auch, ebenso ist dort aber ein lehrerzentriertes Frage-Antwort-Verhalten möglich. Projektarbeit muss vom Lehrer gut vorbereitet und angeleitet werden. Je nach Alter, Selbstständigkeit, sozialen und kommunikativen Kompetenzen sowie Erfahrung der Schüler mit Projektarbeit können Wahlmöglichkeiten angeboten, Arbeitsaufträge offener oder geschlossener gestaltet werden. Schüler, die bereits wissen, wie man eine kyrillische Tastatur benutzt und sich sicher im russischsprachigen Internet bewegen, können selbstständiger arbeiten. Konkrete Projektbeispiele zum Russischlernen bietet die von Ertelt- Vieth (2003) herausgegebene Materialsammlung mit editierbaren Arbeitsblättern. Im geschützten Rahmen der Partnerarbeit kann erfolgreiche Gruppenarbeit vorbereitet werden. Selbstständige Tätigkeit der Schüler in offenen Arbeitsformen organisieren <?page no="242"?> 243 7. Sozialformen und Differenzierung Beim Lernen an Stationen (auch Lernzirkel oder Lerntheke genannt) erhalten die Schüler einen Arbeitsplan (Laufzettel) mit Pflicht- und Wahlaufgaben und durchlaufen verschiedene Arbeitsstationen mit vorbereiteten Materialien in individuellem Tempo und unterschiedlicher Reihenfolge. Diese Arbeitsform eignet sich sowohl für die Stoffvermittlung als auch für die Festigung, Wiederholung und Anwendung (Bechthum 1999, 358). Dabei sind verschiedene Sozialformen (EA, PA, GA) möglich. Lernen durch Lehren (LdL) heißt eine von Martin (1982) entwickelte alternative Unterrichtsmethode, in der einzelne Schüler teilweise die Moderation des Unterrichts übernehmen, dafür selbstständig Unterrichtsstoff erarbeiten und ihn den Mitschülern präsentieren. Diese autonome Lernform erfordert viel Verantwortung, einen hohen Grad an Selbstständigkeit von den präsentierenden Schülern und eine partnerschaftliche Lernatmosphäre, in der die Mitschüler die Rolle des Lerner-Lehrers akzeptieren (Abendroth- Timmer 2000, 10). So kann in LdL-Phasen Mitschülern Wissen über ein russischsprachiges Land (das für einige Schüler gleichzeitig Herkunftsland ist) vermittelt werden. Dabei können die Schüler eigene Materialien und ihre außerschulische Wirklichkeit in den Unterricht einbeziehen. Solche individualisierten Lernverfahren erlauben es den Schülern, sich als Zentrum der Lernaktivität zu erfahren. Auch autonome Lernformen wie Tandem können phasenweise im Russischunterricht eingesetzt werden. Je mehr die Schüler offene Unterrichtsformen (vgl. Thaler 2010) gewöhnt sind, desto selbstgesteuerter können sie lernen. 7.3 Differenzierung Unter äußerer Differenzierung versteht man die (meist gesellschaftlich vorgegebenen) Rahmenbedingungen, denen zufolge Schüler verschiedenen Schulformen, Klassen, Kursen, Profilen (z.B. dem sprachlichen Profil) oder Fremdsprachen (z.B. Russisch) zugeteilt werden, um möglichst homogene Gruppen zu bilden, die sich leichter unterrichten lassen. Auch wenn es gelingt, durch äußere Differenzierung sehr große Unterschiede (z.B. lernbiographischer Art oder im Alter) zwischen einzelnen Schülern einer Klasse zu vermeiden, gibt es keine tatsächlich homogenen Lerngruppen. Individuelle Unterschiede, die die Heterogenität in Gruppen konstituieren, betreffen u.a. die folgenden Variablen: • Leistungsstand, • Kenntnisse und Vorerfahrungen, • allgemeine Fähigkeiten und Begabungen, z.B. Konzentrationsvermögen, abstraktes und logisches Denken, • Persönlichkeitsmerkmale, z.B. Schüchternheit, Offenheit, verschiedene Lerntypen, • Lernstrategien und Arbeitstechniken im Umgang mit angebotenen Lernmaterialien, • Arbeitshaltung, z.B. Ausdauer, zielgerichtetes Arbeiten, Ehrgeiz, Langsamkeit, Heterogenität durch individuelle Faktoren <?page no="243"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 244 • Motivation, Einstellung zu bestimmten Unterrichtsfächern, Interessen und Neigungen der Lerner (vgl. Eberle & Kuch & Track 2011, 4; Tönshoff 2010, 309). Daher kann man im Russischunterricht nicht erwarten, dass der Lernstoff von allen Schülern in gleicher Weise und mit demselben Beherrschungsgrad angeeignet wird. Um den individuellen Unterschieden und Lernbedürfnissen der Schüler gerecht zu werden, bietet sich innere Differenzierung (Binnendifferenzierung) an. Eisenmann & Grimm (2011a, IV) verstehen darunter „die methodische Möglichkeit, verschiedene Aspekte des Lernprozesses in einer Lerngruppe unterschiedlich zu gestalten, wobei Identität und Selbstkonzept der Lernenden immer positiv beeinflusst werden―. Die Höchstform von Differenzierung ist die Individualisierung (vgl. Eberle et al. 2011, 5), die jedem Schüler innerhalb einer Klasse möglichst optimale individuelle Lernfortschritte ermöglicht. Dabei soll innerhalb einer leistungsheterogenen Gruppe jeder einzelne Schüler gefördert werden, egal ob lernschwach, leistungsschwach oder hochbegabt (vgl. Wunsch 2006, 41). Differenzierung kann Borgwardt (2000), Eisenmann & Grimm (2011a), Tönshoff (2010) sowie Wunsch (2006) zufolge nach unterschiedlichen Aspekten erfolgen: • Lerninhalte, Lernziele, Lernportionen, Lernorte • Vermittlungsmethoden • Aufgabenbzw. Übungstypen (spielerisch, handlungsbetont, mit musischen Elementen, Rätselcharakter usw.) • Anforderungsniveau der Aufgaben (von Reproduktion bis Problemlösung) • Komplexität von Aufgabenstellungen (z.B. konkretere Anleitungen) • Lernmaterialien, Medien und Lernhilfen (z.B. Wörterbücher, Grammatikanhänge im Lehrwerk; authentische Materialien) • Formulierungshilfen (z.B. Dialogmuster, Wortgeländer, Gliederungen, Textvorlagen aus dem Lehrbuch) • Intensität und zeitlicher Umfang der lehrerseitigen Zuwendung (bis hin zu Einzelgesprächen) • Variabilität bei der Unterstützung durch Dritte (z.B. Mitschüler) • Lerngeschwindigkeiten bzw. Zeit(zuschläge) für die Vorbereitung und Bearbeitung von Aufgaben • Lernstile und Lernwege • erwartete Selbstständigkeit bei der Vorbereitung, Durchführung von Lernaktivitäten • Formen der Selbstreflexion und Evaluation der Lernprozesse • Beteiligung von Schülern bei der Erarbeitung von Materialien und bei der Bereitstellung von Lernangeboten (bis hin zu LdL) • Sozialformen. Bei der Arbeit am Leseverstehen können z.B. die Leseziele, Leseaufträge, Leseinhalte, Textsorten, der Grad der Adaptiertheit der Texte, der Zeit- und Textumfang, die Lesehilfen, die Organisations- und Kontrollformen differenziert werden (vgl. Borgwardt 2000, 70; Mueller-Bülow 1995, 25). Aspekte für Differenzierungsmöglichkeiten <?page no="244"?> 245 7. Sozialformen und Differenzierung Beim Einprägen und Einüben von Lexik und Grammatik und bei der Arbeit an den verschiedenen Kompetenzen erhalten einige Schüler Bilder, Skizzen oder auch russischbzw. deutschsprachige Impulse. Um zu gewährleisten, dass alle Schüler einen Lesetext bewältigen, werden ihnen Semantisierungshilfen (wie die Grundformen einiger Wörter, deutsche Entsprechungen von wesentlichen Schlüsselwörtern oder auch mal ein ganzer Satz in deutscher Sprache) von der Lehrkraft gegeben (vgl. Utheß et al. 1987, 44), wobei individuelle Unterschiede berücksichtigt werden sollten. Schüler können sich in bestimmten Unterrichtsphasen Zusatzwortschatz erarbeiten, grammatischen Ergänzungsstoff aneignen, im Hörverstehen oder Sprechen zu einem speziellen, nur für sie bestimmten Thema üben (vgl. Borgwardt 2000, 69). In den Russischlehrwerken Диалог, Конечно und Привет ist die Zusatzlexik (oder auch rezeptiv zu verstehende Lexik) vom Lernwortschatz gut zu unterscheiden, da letzterer fett gedruckt erscheint. Sozialformen können zu einem eigenen Differenzierungsaspekt werden, wenn innerhalb einer Klasse gleichzeitig verschiedene Sozialformen zum Einsatz kommen. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Teil der Schüler selbstständig, der andere Teil im Plenum mit der Lehrkraft arbeitet oder auch, wenn einige Lerner in PA, andere in Vierergruppen und wieder andere in EA tätig sind, wobei die Lehrperson zusätzlich die Intensität und den zeitlichen Umfang der Betreuung variieren kann (Tönshoff 2010, 311). Kooperative Lernformen wie das Gruppenpuzzle, das Drei-Schritte-Interview, Think-Pair-Share oder das stumme Schreibgespräch, in denen die Schüler nacheinander in verschiedenen Sozialformen arbeiten, haben binnendifferenzierendes Potenzial (vgl. „Kooperative Lernformen― unter www.lernkompetenz.th.schule.de). Differenzierung findet auch statt, wenn die Gruppenmitglieder ihre Aufgaben gemäß ihren Fähigkeiten und Interessen wählen können, keine zeitgleiche Phasierung angestrebt wird und unterschiedliche Gruppenprozesse stattfinden können. Bei Übungen mit grammatischem Schwerpunkt können die Schüler unterschiedliche Lernhilfen nutzen. Sollen z.B. die Verben der Bewegung идти („gehen―, bestimmtes Verb, zielgerichtete Bewegung) und ходить („gehen―, unbestimmtes Verb, keine zielgerichtete Bewegung) in der richtig konjugierten Form verwendet werden, könnten als zusätzliche Hilfen die entsprechenden Verben bereits im Infinitiv angegeben, veranschaulichende Illustrationen benutzt, Signalwörter für die richtige Wahl des Verbs in den Übungsbeispielen hervorgehoben werden oder auf den Illustrationen die Richtung der Fortbewegung durch Pfeile gekennzeichnet sein (Borgwardt 2000, 71). Lehrkräfte können zwischen verschiedenen Wahlpflichtthemen aus den Lehrplänen auswählen und auch den Schülern Wahlaufgaben mit stofflich unterschiedlichen Übungsschwerpunkten anbieten. Geht es z.B. um das Wiedergeben von Eindrücken und die Meinungsäußerung zu einem Kunstwerk, so können die Schüler wählen zwischen einem Theatererlebnis, einem Kinofilm, Konzertbesuch o.ä. (vgl. Utheß et al. 1987). Ebenso können die Lerner bestimmen, über welches Musikidol sie nach entsprechender Vorbereitung in GA frei kommunizieren möchten. Selbst gewählte Themen und der Einsatz eigener Materialien bieten eher die Möglichkeit, die Freude der Schüler am Sprechen zu wecken. binnendifferenzierendes Potenzial unterschiedlicher Sozialformen <?page no="245"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 246 Beim monologischen oder dialogischen Sprechen können sich die Schüler auf der Grundlage eines Musters je nach Leistungsfähigkeit und -anspruch vorbereiten und/ oder sich während des Sprechens auf ein Wortgeländer, selbst verfasste Stichpunkte oder Bildimpulse stützen oder auf Lenkungshilfen ganz verzichten. Arbeitsformen wie Themenbzw. Wochenplanarbeit, Freiarbeit, Stationenarbeit, Angebotstische, Lerntheken oder Lernzirkel gehen auf Impulse der Reformpädagogik aus den 1960er und 1970er Jahren zurück und eignen sich für Differenzierung in vielen Schulfächern (vgl. Thaler 2001). Die Arbeit in Unterrichtsprojekten bietet Gelegenheiten zur organisatorischen und inhaltlichen Differenzierung bei der Findung von Teilthemen in der Initiativphase eines Projekts, den verschiedenen Planungsaktivitäten, der Informations- und Materialbeschaffung, der Aufbereitung von Informationen und der Produktion und Präsentation der Projektergebnisse (Tönshoff 2010, 313). Auch Lernspiele bieten Differenzierungspotenzial. So können bei „New Amici―, einem Lernspiel zur spielerischen Aneignung neuer Vokabeln, Phrasen und Ausdrücke, Spielgruppen auf drei verschiedenen Niveaus gegeneinander antreten, z.B. auch Schüler mit geringen Russischkenntnissen gegen fortgeschrittenere Lernende und Schüler mit russischsprachigem Hintergrund. Ein Spiel wie „Tabu―, bei dem Begriffe auf Russisch umschrieben und geraten werden sollen, erlaubt eine Differenzierung bei den Spielregeln, z.B. dass die weniger fortgeschrittenen Lerner Tabu-Begriffe für die Erklärung des gesuchten Wortes oder selbst angefertigte Spielkarten verwenden dürfen. Da leistungsschwächere Schüler einen höheren Erklärungs-, Festigungs- und Wiederholungsbedarf haben, sollten sie auch für die Hausaufgaben Lernhilfen an die Hand bekommen. Diese Lernhilfen konzentrieren sich auf für die Kommunikation wesentliche und besonders schwierige sprachliche Mittel. Den Schülern kann das Benutzen von Hilfsmitteln, wie das Nachschlagen im Lehrbuchanhang und im Wörterbuch empfohlen werden. Schüler mit wenig analytischem, eher globalem Lernstil haben wegen der „Ungeübtheit― in der Grammatikalität einen erhöhten Bedarf an detaillierten Erklärungen; ihnen sollte man Vieles kleinschrittiger erklären und sie Verstandenes mit eigenen Worten zusammenfassen lassen. Wichtig ist hier immer die Bewusstmachung und Offenlegung effektiver Lernwege und -prozesse (vgl. Borgwardt 2000, 68). 7.4 Schüler mit russischsprachigem Hintergrund im Russischunterricht Eine Besonderheit des Russischunterrichts besteht darin, dass seit Anfang der 1990er Jahre daran vermehrt auch Schüler teilnehmen, die Russisch als Erstsprache mitbringen und den Unterricht gemeinsam mit Schülern besuchen, für die Russisch eine Fremdsprache ist. Die Kinder von Aussiedlern und Kontingentflüchtlingen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und weiteren osteuropäischen Ländern generalisierend als „Muttersprachler― zu bezeichnen, ist insofern etwas irreführend, als sie aus unterschiedlichen Staaten kommen und Russisch selbst nicht unbedingt als ihre Muttersprache Bewusstmachung effektiver Lernwege Lerner mit Vorkenntnissen auf unterschiedlichem Niveau <?page no="246"?> 247 7. Sozialformen und Differenzierung ansehen. Zudem zeigt sich bei den Lernenden mit russischsprachigem Hintergrund eine große Bandbreite sprachlicher Kompetenzen - sowohl im Russischen als auch im Deutschen. Die wenigsten zeigen eine völlig ausgeglichene Bilingualität; in der Regel ist eine der beiden Sprachen dominanter. In den letzten Jahren nimmt die Zahl derjenigen zu, die zwar die gesprochene Umgangssprache flüssig beherrschen, aber im schriftlichen Bereich mehr oder weniger große Defizite aufweisen; einige werden erst durch den Russischunterricht in der Schule alphabetisiert. Dies betrifft vor allem Kinder, die entweder in sehr jungem Alter nach Deutschland gekommen sind oder bereits in Deutschland geboren wurden. Oft wird in ihren Familien nur Deutsch gesprochen, so dass ihre Kompetenzen im Russischen wesentlich geringer ausgeprägt sind als die derjenigen Aussiedler und Spätaussiedler, die noch in den 1980er und 1990er Jahren nach Deutschland gekommen sind und in ihrem Herkunftsland bereits eine russischsprachige Schule besucht haben. Die Gruppe der sog. „Muttersprachler― ist also je nach Einreisealter nach Deutschland, dominierender Familiensprache, Grad der Integration, Ausmaß des Kontakts zu Deutsch- und Russischsprachigen und Motivation zum Russischlernen äußerst heterogen (vgl. Mehlhorn 2011). Eine zügige Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse ist Voraussetzung, um Lernenden mit Migrationshintergrund eine erfolgreiche Schulkarriere zu ermöglichen (vgl. Mehlhorn 2010, 249). Neben DaZ (Deutsch als Zweitsprache)-Förderung wird daher an einigen Schulen Herkunftssprachenunterricht als eine Form der äußeren Differenzierung erteilt, womit die natürlich erworbene Zwei- und Mehrsprachigkeit erhalten und vertieft werden soll (vgl. Thürmann 2007, 163). Russisch-als-Fremdsprache-Unterricht, der von Schülern besucht wird, für die Russisch die Erstsprache darstellt, kann eine chronische Unterforderung für diese darstellen, wenn sie seit früher Kindheit Strukturen korrekt benutzen, mit denen Russischlernende jahrelang „kämpfen―. In der didaktischen Fachliteratur wird die Anwesenheit von „Muttersprachlern― im Russischunterricht zum Teil recht unterschiedlich bewertet. Die folgenden Potenziale werden gesehen: • größere Chancen für die russischsprachigen Schüler auf einen erfolgreichen höheren Schulabschluss (Christ-Fiala 2001), • Bestätigung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die sie aus ihrem Heimatland mitgebracht haben (Christ-Fiala 2001), • Erhöhung des Selbstwertgefühls bei den russischsprachigen Schülern durch die Erfahrung, auch mal etwas besser zu können, und positive Ausstrahlung auf ihr Verhalten in anderen Fächern (Burghardt 2001), • Kompetenzzuwachs bei den russischsprachigen Schülern in Bezug auf ihre schriftsprachlichen Kenntnisse (Burghardt 2001), • Erhalt und Ausbau ihrer sprachlichen Kommunikationsfähigkeit im Russischen (Christ-Fiala 2001), • Möglichkeit, über die Erstsprache Russisch den Zweitsprachenerwerb des Deutschen zu stützen (Christ-Fiala 2001; Schneider 2003), • Ermöglichung interkulturellen Lernens durch die Verbindung von russischer und deutscher Kultur (Schneider 2003), Herkunftssprachenunterricht Potenziale von „Muttersprachlern“ im Russischunterricht <?page no="247"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 248 • Erhalt des Russischen als Fach an Schulen mit wenigen Russischlernern (Neuthinger 2003), • sprachpraktische und landeskundliche Bereicherung für Lehrende, die Russisch selbst als Fremdsprache gelernt haben (Burghardt 2001, Christ- Fiala 2001). Die folgenden Probleme werden erkannt: • geringe Akzeptanz des Russischunterrichts bei Familien mit starkem Assimilationswillen, in denen zu Hause nur noch Deutsch gesprochen wird (Schneider 2003), • übersteigertes Selbstbewusstsein einiger „Muttersprachler―, was sich im Anspruch auf Bestnoten und Zweifeln an der Kompetenz der Lehrperson äußert (Schneider 2003), • Entmutigung leistungsschwächerer Schüler (Roth 1996), Abwahl des Faches Russisch durch einen Teil der Fremdsprachenlerner und Abwertung des Unterrichtsfachs Russisch durch „reine Muttersprachlerklassen― (Neuthinger 2003, Schneider 2003), • sprachliche und methodische Überforderung durch Schüler mit russischsprachigem Hintergrund und damit verbundene Unsicherheit vieler Russischlehrkräfte (Tichomirowa 2011), • Fehlen entsprechender Unterrichtsmaterialien und präziser curricularer Vorgaben (Tichomirowa 2011). Schüler und Schülerinnen mit russischsprachigem Hintergrund können durch die Russischlehrkraft zu Experten „befördert― werden, indem ihnen Expertenaufgaben übertragen werden (vgl. Mehlhorn 2011), z.B.: • durch das Erzählen eigener Erlebnisse, • durch das Vortragen neuer Texte für die ganze Klasse, • zur Demonstration der Aussprache eines schwierigen Phonems, • zur Vokabelerklärung in der Zielsprache (vgl. Roth 1996, 410). Der erfolgreiche Einsatz von Schülern mit russischsprachigem Hintergrund als Experten erfordert im Vorhinein eine genaue Diagnose ihrer tatsächlich vorhandenen Kompetenzen. So wäre es fatal, wenn sich bei Befragungen im Unterrichtsgespräch herausstellt, dass die „Muttersprachler― gar nicht über das angenommene landeskundliche Wissen verfügen und sich deshalb „vorgeführt― fühlen. Auch sollten sich Lehrende darüber im Klaren sein, dass die Verleihung des Expertenstatus zwar das Selbstbewusstsein und Ansehen der russischsprachigen Schüler stärken kann, aber noch keine sprachliche Förderung für diese darstellt. Roth (1996, 410) schlägt vor, dass der Lehrer dem Schüler in den ersten Lernjahren die Möglichkeit einräumt, in gewissen Phasen des Unterrichts, die nicht die Grammatik und Rechtschreibung betreffen, sich zeitweise anderweitig sinnvoller mit Russisch zu beschäftigen, z.B. mit russischsprachiger Lektüre. Die von allen einsehbare Sonderstellung dieses Schülers sollte vom Lehrer vor der ganzen Klasse überzeugend begründet werden. Vor allem sollte die Lehrperson die mündlichen Äußerungen des Schülers, die notwendigerweise über den Erwartungshorizont hinausgehen und sich an der ge- Problematische Aspekte durch die Anwesenheit von „Muttersprachlern“ Schüler mit russischsprachigem Hintergrund als Experten <?page no="248"?> 249 7. Sozialformen und Differenzierung sprochenen Umgangssprache orientieren, als eine Bereicherung des Klassengeschehens betrachten. Man sollte nicht versuchen, die Formenvielfalt der Schüleräußerung auf Schulbuchrussisch zu reduzieren. Wielandt (2003, 359) zufolge besteht das „Hauptanliegen der sprachlichen Arbeit bei den Muttersprachlern― im „Vermitteln bzw. Erweitern des russischen Wortschatzes, der über das für den ‚Hausgebrauch‗ Nötige hinausgeht und in der Oberstufe des Gymnasiums in größerem Umfang Abstrakta und fachsprachliche Lexik umfassen muss―. In diesem Zusammenhang wird viel ins Deutsche übersetzt, um den treffenden Ausdruck zu fördern; damit wird der Russischunterricht auch zur „Deutschnachhilfe― (ebd.). Mit einigen Schülerinnen und Schülern mit russischsprachigem Hintergrund, die nur das gesprochene Russisch gut beherrschen, müssen bestimmte Rechtschreibregeln und Deklinationsendungen besonders intensiv geübt sowie stilistische Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachregistern und Textsorten bewusst gemacht werden. Hier sind russischsprachige Lektüre, Schreibaufgaben zu den unterschiedlichsten Themen und ein informatives Feedback von Lehrerseite hilfreich (vgl. Mehlhorn 2011). Den hohen Leseansprüchen russischsprachiger Schüler kann man durch einen stark literarisch orientierten Unterricht entgegenkommen. Beier & Schröer (1996) empfehlen einen produktionsorientierten Umgang mit russischer Literatur. So könnten die Schüler mit russischsprachigem Hintergrund z.B. eigene Artikel über Literatur verfassen, was gleichzeitig die Möglichkeit zum Vergleich und zur Anwendung unterschiedlicher Stilebenen des Russischen bietet. Die Umsetzung in adressatenbezogene Texte im Russischen wie im Deutschen kann das sprachliche Repertoire russischsprachiger Schüler schärfen und gleichzeitig das Bewusstsein ihres eigenen Standpunktes und ihrer eigenen Identität fördern. Wenn ein Schüler mit russischsprachigem Hintergrund im Russischen tatsächlich sehr gute Sprachkompetenzen aufweist, kann man mit ihm einen Lernvertrag abschließen und in Absprache mit den Eltern und dem Schüler die Präsenzzeit im Russischunterricht reduzieren, wenn der Schüler während des regulären Russisch-als-Fremdsprache-Unterrichts andere Aufgaben, wie z.B. selbstständige russischsprachige Lektüre und schriftliche Sprachproduktionen zu vorgegebenen Themen übernimmt (vgl. Mehlhorn 2011). Mit muttersprachigen Schülern kann insgesamt viel mehr und Vieles auch schneller im Unterricht gelesen und besprochen werden als normalerweise in Fremdsprachenkursen (vgl. Wielandt 2003, 359). Die deutschen Russischlernenden derselben Klasse könnten zu jedem Thema sprachlich vereinfachte Textvorlagen oder kürzere Originaltexte erhalten und oft nur Kernstellen bzw. Ausschnitte lesen müssen; tagespolitische Diskussionen über Ereignisse in der GUS sollten bei ihnen seltener erfolgen, Hintergrundinformationen können zum Teil auch auf Deutsch gegeben werden (vgl. Wielandt 2003, 359). In neueren Russischlehrwerken (Диалог, Конечно) finden sich spezielle Aufgaben „für Experten―, die für Schüler mit slawischsprachigem Hintergrund gedacht sind. Weitere Themenvorschläge und konkrete Didaktisierungen für Russischunterricht in Gruppen mit „Muttersprachlern― entwickeln z.B. Burghardt (2003); Ertelt-Vieth et al. (2003); Ertelt-Vieth & Jetke (2003) sowie Schluchtmann (2004). Tichomirowa (2011) beschreibt die Situation Förderung der schriftsprachlichen Kompetenzen bei Schülern mit russischsprachigem Hintergrund Lernverträge als Form der individuellen Förderung <?page no="249"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 250 aus Sicht der Russischlehrenden und zeigt Praxisbeispiele, wie Lehrkräfte Differenzierungsmaßnahmen gestalten können, um Schüler mit russischsprachigem Hintergrund in den Unterricht zu integrieren und in ihren individuellen Russischkompetenzen zu fördern. Fremdsprachenassistentinnen im Russischunterricht können gezielt zur individuellen Förderung von Schülern mit slawischsprachigem Hintergrund eingesetzt werden (vgl. Deutschmann 2011). Hier bietet sich die Möglichkeit der äußeren Differenzierung, indem sich die Sprachassistentin phasenweise nur mit der Gruppe der russischsprachigen Schüler beschäftigt, während die Lehrerin mit den deutschsprachigen Schülern an typischen Schwierigkeiten im Russischen arbeitet. Neben dem Team Teaching kann die Fremdsprachenassistentin Nachhilfe für Russisch (z.B. im Bereich des Schreibens), außerschulische Veranstaltungen und Russisch-AGs anbieten, Projekte betreuen und aktuelle Materialien für den Russischunterricht aufbereiten. 7.5 Inklusion Im Russischunterricht finden sich zuweilen auch Kinder mit verschiedenen Lernstörungen, Behinderungen oder Beeinträchtigungen, die andersartige Lernvoraussetzungen und daher einen besonderen Förderbedarf haben. ADS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Schüler mit ADHS sind zusätzlich hyperaktiv. Unter Legasthenie oder auch LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche) versteht man eine massive, lang andauernde Störung des Schriftspracherwerbs. Inklusiver Fremdsprachenunterricht bedeutet „gemeinsames Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne besonderen Förderbedarf― (Mendez 2012, 8). Voraussetzung für erfolgreiche Inklusion ist das Verständnis von Mitschülern, Empathie, Akzeptanz und die Bereitschaft, den Umgang mit behinderten Menschen zu erlernen und Hilfestellung zu geben. Schüler mit Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben benötigen Zeitzuschläge beim Lesen, visuelle Orientierungshilfen beim Zuhören sowie einen strukturierten Unterricht mit klaren Vorgaben und direkten Instruktionen, in dem Lern- und Leistungsphasen klar unterschieden werden (vgl. Sellin 2008). Für langsam arbeitende Schüler kann das Zeitlimit zum Lösen von Aufgaben erhöht werden. Konkrete praktische Hinweise zum Umgang mit Schülern mit ADHS und LRS im Russischunterricht gibt Schalm (2012). Differenzierungsmaßnahmen sollten immer mit den Schülern besprochen werden, so dass sie nicht nur verstehen, was sie gut können und was noch nicht so gut, sondern auch einsehen, warum Veränderungen notwendig sind und wie sie erreicht werden können. Schüler sollten auch ermutigt werden, mit eigenen Worten ihr Lernziel zu formulieren. Zielvereinbarungen sollten auch mit den Eltern besprochen werden. Inklusion im Fremdsprachenunterricht <?page no="250"?> 251 7. Sozialformen und Differenzierung 7.6 Differenzierung in der Evaluation Bezüglich der Leistungsbewertung von Schülern mit und ohne russischsprachigen Hintergrund finden sich zwei unterschiedliche Positionen in der Fachliteratur zur Fremdsprachendidaktik: Roth (1996) argumentiert mit einer eindeutigen Rechtslage, dass es „für die Bildung der Note nur ein gültiges Kriterium― gäbe: den Leistungsstand im entsprechenden Fach, bezogen auf die Kenntnisse und Fertigkeiten, die aufgrund der Klassenstufe und des Lehrplans zu erreichen sind. Auch wegen der Wirkung der Noten nach außen dürfe die Leistungsbeurteilung kein Mittel der Disziplinierung sein und es müsse für alle Schüler der gleiche Maßstab gelten (ebd., 411). Demzufolge wäre es nicht zulässig, orthographische Fehler bei Schülern mit russischsprachigem Hintergrund strenger zu ahnden als bei ihren Mitschülern. Dieses Prinzip der Gleichbehandlung nach denselben Leistungskriterien scheint allerdings den Forderungen nach Binnendifferenzierung zu widerlaufen. Borgwardt (2000, 73) dagegen fordert auch eine Differenzierung der Leistungsbewertung. Diese muss sich nicht unbedingt in den Noten niederschlagen, sondern kann auch durch verbales Feedback vorgenommen werden, denn dieselbe Schulnote kann von einem Schüler durch große Anstrengung und von einem anderen mit geringer Mühe erreicht worden sein. Generell gilt, dass sich jeder einzelne Schüler beim Lernen sicher sein sollte, dass er Fehler machen kann, darf und soll, ohne dass dies Konsequenzen für die Zensuren hat. Paradies et al. (2007) fordern daher eindringlich die Notwendigkeit beurteilungsfreier Unterrichtsphasen. Mit der Binnendifferenzierung sind eine Öffnung des Unterrichts, Schüleraktivierung und die Förderung der Lernerautonomie verbunden. So sollten Lehrer fehlerhafte oder unvollständige Schülerantworten nicht immer selbst korrigieren, sondern diese Gelegenheit zur Aktivierung der Schüler nutzen, Mitschüler korrigieren und ergänzen lassen. In GA und bei der Anfertigung schriftlicher Arbeiten kann die Lehrperson auf die Hilfe durch besonders leistungsfähige Schüler zurückgreifen und durch die Bereitstellung von Lösungsschlüsseln den Unterricht von Kontrollhandlungen entlasten (Borgwardt 2000, 73). Ideen zum individuellen Umgang mit Fehlern wie Fehlerhitlisten, individuelle Fehlerprotokolle usw. finden sich in Kleppin & Mehlhorn (2008b). Alternative Formen der Leistungsmessung und Selbstevaluation bietet der Einsatz des Europäischen Sprachenportfolios. Schüler mit russischsprachigem Hintergrund sollten im Sprachenportfolio auch ihre Deutschkenntnisse und ihr Deutschlernen reflektieren. Wichtig sind Diagnosekompetenzen, denn das Erkennen von Lernbegabungen, Lernschwierigkeiten und -störungen ist Voraussetzung für binnendifferenzierende Maßnahmen und Lernberatung zur Verbesserung der Unterrichtsgestaltung (vgl. Kleppin & Mehlhorn 2008a). So sollten (künftige) Lehrende nicht bei einer Einteilung in „Muttersprachler― und „echte Lerner― stehen bleiben, sondern durch gezielte Beobachtung eine differenziertere Sicht auf die Stärken und Leistungspotenziale ihrer Schüler erlangen. Schon in den schulpraktischen Studien sollte man bei den Hospitationen weg von der alleinigen Beobachtung der Lehrperson hin zu einer gezielten Beobachtung einzelner Schüler kommen. Dies kann durch konkrete Beobachtungs- Unterschiedliche Positionen zur differenzierten Leistungsbewertung Kontrollhandlungen in die Verantwortung von Schülern übertragen Diagnose als Voraussetzung für Sprachlernberatung und Differenzierung <?page no="251"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 252 aufgaben angestoßen werden. So kann man z.B. bei der Beobachtung von Schülern beim Abschreiben von lexikalischen Einheiten, Wortgruppen, Sätzen und größeren Sinnzusammenhängen recht genau feststellen, inwieweit der einzelne Schüler in der Lage ist, das Schriftbild des entsprechenden Sprachmaterials ganzheitlich oder nur teilweise zu erfassen (vgl. Mehlhorn 2012). Generell sollten Lehrende Schüler als Ganzes sehen, an ihre Stärken anknüpfen und Übungsangebote aus dem Lehrwerk auf Schüler individuell zuschneiden können. Aufgaben 1. Auf welche Weise kann durch Sozial- und Arbeitsformen differenziert werden? 2. Was ist bei der Planung von Gruppenarbeit zu bedenken? 3. Wie und woran erkennt man als Lehrperson individuelle Stärken und Schwächen einzelner Schüler im Russischunterricht? 4. Wie kann man Schüler mit russischsprachigem Hintergrund mit unterschiedlichen Kompetenzen in den Russischunterricht integrieren und sie ihren Lernbedürfnissen entsprechend fördern? 5. Wählen Sie aus einem aktuellen Russischlehrwerk eine Lehrwerklektion und stellen Sie verschiedene Möglichkeiten dar, wie Sie bei den Themen, Übungen, Aufgabenstellungen, Materialien und beim Feedback zwischen langsamer und schneller arbeitenden Schülern, Schülern mit größeren und geringeren grammatischen Defiziten, eher kommunikativen und zurückhaltenden Schülern, Schülern mit und ohne slawischsprachigen Hintergrund differenzieren könnten. Weiterführende Literatur Mehlhorn, G. (2011): „Differenzierung im Russischunterricht.― In: Eisenmann, M. & Grimm, Th. (Hrsg.): Heterogene Klassen - Differenzierung in Schule und Unterricht. Baltmannsweiler, 99-117. Schalm, H. (2012): „Gymnasiasten mit Handicap. Erfahrungen mit Schülern, die LRSbzw. ADHS-Symptome aufweisen.― In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht Russisch 1/ 2012, 7-9. Themenheft „Differenzierung―. PRAXIS Fremdsprachenunterricht 3/ 2009. Themenheft „Frontalunterricht―. PRAXIS Fremdsprachenunterricht Russisch 1/ 2010. Themenheft „Inklusion―. PRAXIS Fremdsprachenunterricht 1/ 2012. Tichomirowa, A. (2011): „Schüler mit slawischsprachigem Hintergrund im Fremdsprachenunterricht Russisch.― In: Mehlhorn, G. & Heyer, Ch. (Hrsg.): Russisch und Mehrsprachigkeit. Lehren und Lernen von Russisch an deutschen Schulen in einem vereinten Europa. Tübingen, 109-133. von der Groeben, A. (2008): Verschiedenheit nutzen. Besser lernen in heterogenen Gruppen. Berlin. <?page no="252"?> 8. Medieneinsatz im Russischunterricht Heike Wapenhans Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft auf, in der Medien in allen Lebensbereichen vertreten sind und dort eine wichtige Rolle spielen. Zeitschriften und Bücher, Radio und Fernsehen, Computer und Internet, Handy und soziale Netzwerke prägen die Lebenswelt der heutigen Schülergeneration und sind für sie neben Familie, Schule und Peergroup eine relevante Sozialisierungsinstanz (vgl. Mikos 2004, 27). So belegen die jährlichen JIM-Studien (Jugend, Information, (Multi-)Media) mit ihren repräsentativen Daten zum Medien- und Freizeitverhalten von 12bis 19-Jährigen anschaulich, dass Medien im Alltag der befragten Jugendlichen allgegenwärtig sind und von ihnen vielfältig und flexibel für Information, Unterhaltung und Kommunikation genutzt werden (JIM 2012). Auch im schulischen Kontext haben Medien ihren festen Platz und werden aktiv für die Unterrichtsgestaltung genutzt (Allensbachstudie 2013). So ist erfolgreiches Lehren und Lernen von Fremdsprachen ohne Medien, z.B. ohne den Einsatz von Audio-CD, Filmsequenzen oder Lernsoftware, kaum noch vorstellbar. 8.1 Begriffsklärung: Medien, Medienkompetenz Der Medienbegriff kommt in unterschiedlichen Disziplinen (z.B. in der Linguistik, Semiotik, Medien- und Kommunikationswissenschaft) zur Anwendung, entsprechend unterschiedlich wird er definiert und verwendet. Im fremdsprachendidaktischen Kontext werden Medien • „allgemein als Vermittlungsträger von Informationen verstanden― (Grünewald 2010, 207), • als „Transporteure von Information und Vehikel der Kommunikation― (Rösler 2010, 1199) oder als • „Mittel, Mittler, Vermittler, Brücken― für den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten (Decke-Cornill & Küster 2010, 93). Um ihr Potenzial für Lehr- und Lernprozesse nutzbar zu machen, müssen Medien nach Götze (2010, 1199-1200) gestaltet und bereitgestellt, in Lehrprozesse integriert und durch die Fremdsprachenlerner verwendet werden. Der Fokus liegt somit nicht nur auf dem reflektierten Medieneinsatz durch die Lehrer, sondern auch auf der aktiven Mediennutzung durch die Lerner. Der Begriff Medien tritt mit der Jahrtausendwende übergreifend an die Stelle der Begriffe Arbeits-, Hilfs-, Lehr-, Lern-, Unterrichtsmittel, die noch im 20. Jh. üblich waren. Die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Medien verlangt nach (Zu-)Ordnungskriterien, die eine Orientierung in der Medienwelt ermöglichen. Die in fremdsprachendidaktischen Publikationen vorgenomme- Medien müssen für Lehr- und Lernprozesse gestaltet und bereitgestellt werden. <?page no="253"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 254 nen Klassifizierungen beruhen auf verschiedenen Kriterien, die wiederum unterschiedliche Zuordnungen und Einteilungen mit teilweise fließenden Übergängen ergeben. So werden Medien u.a. unterschieden: 1. nach dem Grad der Modernität (vgl. Freudenstein 2003, 395-396) • Herkömmliche (nicht technische) Medien, z.B. Bilder, Grammatiken, Landkarten, Lehrwerke, Lektüren, Lesebücher, Schautafeln; • Moderne (technische) Medien, z.B. Film, Overheadprojektor (OHP); • Neue Medien (technologische Errungenschaften der Telekommunikation), z.B. E-Mail, Internet, CD-ROM. 2. nach dem Grad des Technikeinsatzes (vgl. Faulstich 2000, 21; Gehrke & Großmann 2008, Volkmann 2012, 28): • Primärmedien (Mensch als Medium), z.B. Lehrer und Schüler; • Sekundärmedien (Schreib- und Druckmedien), Einsatz von Technik auf der Produktionsseite, z.B. Bilder, Schülerbuch, Text- und Bildmaterial; • Tertiärmedien (elektronische Medien), Einsatz von Technik auf der Rezeptions- und Produktionsseite, z.B. Fernsehen, Film, Handy, Radio; • Quartärmedien (digitale Medien), computerbasierte Medien, die Interaktivität ermöglichen und die Trennung von Rezipienten und Produzenten teilweise auflösen, z.B. Chat, E-Mail, Internet. 3. nach dem Wahrnehmungskanal (vgl. Erdmenger 1997, 4; Freudenstein 2003, 396; Grünewald 2010, 207-209; Haß 2006, 229; Walz 1993, 67): • visuelle Medien (Informationsvermittlung über das Auge), a) mit vorwiegend schriftsprachlicher Darstellung, z.B. Buchstaben- und Vokabelkarten, Grammatikkarten, -tafeln oder -schieber, Lesehefte/ -bücher, Lexika, Wörterbücher; b) mit vorwiegend bildlicher Darstellung, z.B. Bilder, Bild-Folien, Bildgeschichten, Fotos, Landkarten, Grafiken, Karikaturen, Plakate, Poster, Realien, Stadtpläne; c) mit schriftsprachlicher und bildlicher Darstellung, z.B. Comics, OHP- Folien, Schülerbücher, Arbeitsblätter, Statistiken, Tafelbilder inkl. für das Interaktive Whiteboard (IWB), Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte; • auditive Medien (Informationsvermittlung über das Ohr), z.B. Audio- CDs, Hörbücher, Lieder, mp3-Dateien, Podcasts, (Internet)Radio; • audiovisuelle Medien (Informationsvermittlung in einer Kombination von Auge und Ohr), z.B. Fernsehen, Spiel-/ Trickfilme, Video-Podcasts, Videokamera/ -recorder. Die zunehmend komplexeren Medien rechtfertigen ihre separate Aufführung unter: • multimodale Medien (Informationsvermittlung über mehrere Sinnesorgane), z.B. PC, Internet. 4. nach dem Grad der Didaktisierung (vgl. Decke-Cornill & Küster 2010, 97- 98; Thaler 2012, 60): Kriterien für die Klassifizierung <?page no="254"?> 255 8. Medieneinsatz im Russischunterricht • nicht didaktisierte, authentische Medien (ihr Adressat: Muttersprachler), z.B. Blogs, Filme, Internetseiten, Hörbücher, Videos in Originalfassung ohne Bearbeitungen); • didaktisierte, d.h. zu didaktischen Zwecken erstellte Medien (von Lehrwerkautoren oder Lehrern für Fremdsprachenlerner erarbeitete Medien), z.B. Schülerbuchtexte wie Dialoge, Lese- und Hörtexte); Poster, Schautafeln, Grammatikübersichten. Ergänzt werden kann eine dritte Gruppe: • didaktisierte, authentische Medien (von Lehrwerkautoren oder Lehrern vorgenommene Bearbeitungen von authentischen Medien in Form von Adaptionen, Aufgaben, Kommentaren, Kürzungen), z.B. Filmausschnitt mit Aufgaben zum Hörsehverstehen, gekürzter literarischer Text mit Kommentaren und Worterklärungen. Die Klassifizierung nach dem Grad des Technikeinsatzes berücksichtigt folgerichtig den technischen Entwicklungsstand der Medien und ihre permanente Weiterentwicklung. Aus diesem Grund ist diese Medien-Unterteilung der Unterscheidung nach ihrer Modernität vorzuziehen. Die Einteilung nach dem Wahrnehmungskanal ist in der Unterrichtspraxis aufgrund des Verweises auf die beteiligten Sinnesorgane (mit Bezug zum Lernen mit allen Sinnen, ganzheitlichen Lernen) gut handhabbar. Betrachtet man die relativ kurze Mediengeschichte (vgl. die Angaben zur Einführung einzelner Medien z.B. bei Faulstich 2000, Petzold 2011, Richter 2012), zeigt sich, dass die letzten 50 Jahre besonders entwicklungsintensiv waren. Seit 1990 haben sich die Zeitabstände zwischen den einzelnen Neueinführungen noch mehr verkürzt (Abb. 27). 15. Jh. Buchdruck - 1445 17. Jh. Zeitung - 1609, Zeitschrift -1671 19. Jh. Fotografie - 1826, Telefon -1876, Schallplatte - 1887, Stummfilm - 1895 20. Jh. 1900- 1960 Rundfunk, Radio - 1923, Tonfilm - 1924, Fernsehtechnik - 1925, Zuse-Rechner - 1937, Transistorradio - 1947, Tonbandgerät - 1950, Fernsehen - 1952, Autotelefon - 1958 1960- 1990 Kassette - 1963, Internet - 1969, Videorecorder - 1969, Sat-TV - 1971, Video-Spiele - 1972, E-Mail - 1971/ 1984, Walkman - 1979, PC - 1981, elektronische Zeitschrift - 1982, CD - 1982, Satellitentelefon - 1982, Handy - 1985, E-Book - 1988, WWW - 1989 1990- 2010 Digitalkamera - 1991, Interaktives Whiteboard - 1991, MP3 - 1992, Suchmaschine - 1993, Smartphone - 1994, deutschsprachige elektronische Zeitung - 1994, MP3-Player - 1995, DVD - 1996, Online-Lexikon - 2001, iPod - 2001, Digitales Kino - 2002, Web 2.0 - 2003, Podcast - 2004, Video-Podcast - 2005, Twitter - 2006, iPhone - 2007, iPad - 2010 Abb. 27: Übersicht zur Einführung wichtiger Medien Überblick Mediengeschichte <?page no="255"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 256 Nach Lang (2000, 296) lassen sich die Neueinführungen der letzten Jahre unter dem Multimedia-Begriff zusammenfassen, sind sie doch zugleich: • multimedial (kombinieren mehrere Medien, z.B. Text, Foto, Audio, Video), • multicodal (verwenden mehrere Zeichen-/ Symbolsysteme der Kommunikation), • multimodal (sprechen mehrere Sinnesorgane an), • multifunktional (ermöglichen die Rezeption, Produktion, Interaktion). Ein Rückgriff auf die eigene Medienerfahrung und die gängige Unterrichtspraxis erlaubt die Schlussfolgerung, dass zwischen dem Zeitpunkt der Einführung und der breiten Nutzung insbesondere im schulischen Kontext in der Regel längere Zeiträume liegen. Offenkundig ist jedoch, dass heutigen Lehrern und Schülern quantitativ mehr und qualitativ immer bessere, multifunktionale Medien für das Lehren und Lernen zur Verfügung stehen. Sowohl Lehrer als auch Lerner müssen in der Lage sein bzw. in die Lage versetzt werden, die zur Verfügung stehenden Medien kompetent für ihre Zwecke zu nutzen. Sie benötigen also Medienkompetenz, die Baacke (2004, 24) in vier Dimensionen beschreibt: • Medienkunde (umfasst das Wissen über heutige Medien sowie Mediensysteme und Bedienfertigkeiten, ermöglicht somit nicht nur die Orientierung in den Medienangeboten, sondern auch die Auswahl des passenden Mediums, z.B. für eine Literaturrecherche auf den Bibliothekskatalog oder russischsprachige Suchmaschinen zugreifen, russische Musiktitel auf einer CD oder als Youtube-Video im Online-Modus anbieten); • Mediennutzung (beinhaltet die Teilnahme an medial vermittelter Kommunikation, das Verwenden von Medien als Rezipient und/ oder Produzent, z.B. eine E-Mail oder einen Leserbrief für eine Jugendzeitschrift lesen und/ oder schreiben, Informationen per Skype austauschen, aber auch Informationen im Internet recherchieren, Software wie Word, PowerPoint nutzen); • Mediengestaltung (meint, selbst in der Medienwelt aktiv zu werden, z.B. eigene Medienangebote wie Schülerzeitungen, Homepages, Blogs, Präsentationen, Filme erstellen bzw. pflegen) ; • Medienkritik (verlangt den kritischen und reflektierten Umgang mit Medien, das kritische Prüfen von Inhalten, z.B. in Zeitungen, Zeitschriften, auf Internetseiten, unter der Fragestellung: Welche Position wird hier von wem und aus welchen Gründen vertreten? ). Neben Kenntnissen und Fertigkeiten (Medienkunde) sowie Einstellungen und Haltungen (Medienkritik), die vermittelbar sind, wird somit besonderer Wert auf die Dimension des selbstständigen Handelns (Mediennutzung und -gestaltung) gelegt. Die genannten Aspekte spiegeln sich auch in russischsprachigen Begriffsbestimmungen wieder, vgl. z.B.: Медиакомпетентность личности (media competence of personality) - совокупность её мотивов, знаний, умений, способностей [...], способст вующих выбору, использованию, критическому анализу, оценке, Multimedia Lehrer und Lerner müssen über Medienkompetenz verfügen Medienkunde Medienkritik Mediennutzung und -gestaltung <?page no="256"?> 257 8. Medieneinsatz im Russischunterricht созданию и передаче медиатекстов в различных видах, формах и жанрах, анализу сложных процессов функционирования медиа в социуме (Fёdorov 2010). Aus dem außerschulischen Bereich bringen immer mehr Schüler bereits umfangreiche „technische― Kompetenzen mit, weisen aber im selbständigen, kritischen Umgang mit Medien und den von ihnen transportierten Informationen Defizite auf. Schüler müssen deshalb fachübergreifend (und somit auch im Russischunterricht) verstärkt befähigt werden: • Medienangebote und Informationen nach transparenten Kriterien auszuwählen, einzuordnen und zu nutzen, • (russischsprachige) Inhalte auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen und zu beurteilen, • (russischsprachige) Informationen zu verarbeiten, um Wissen zu generieren und Verständnis zu entwickeln, • Medieneinflüsse zu erkennen und zu bewerten, • medienvermittelt (russischsprachig) zu kommunizieren und dabei entsprechende Verhaltensempfehlungen, die so genannte Netiquette/ Netikette zu beachten, • eigene (russischsprachige) Medienbeiträge zu gestalten und zu präsentieren, • ihre Privatsphäre zu schützen, • das Urheberrecht zu beachten. Für den Russischunterricht heißt das: • Medien für die Erweiterung der kommunikativen und interkulturellen Kompetenz zu nutzen (z.B. in Online-Wörterbüchern selbstständig nach Entsprechungen suchen, Rechtschreibprogramme für die bewusste Korrektur von eigenen Texten nutzen, soziokulturelle Informationen mithilfe russischsprachiger Suchmaschinen oder Nachrichtenportale suchen, überprüfen, aktualisieren und ergänzen, interessengeleitet aktuelle Musikbzw. Filmangebote wahrnehmen und analysieren), • die russischsprachige Medienlandschaft und durch sie vermittelte Informationen kritisch zu reflektieren (z.B. Wikipedia-Artikel, Meinungsäußerungen in Foren und Blogs, Veröffentlichungen der regierungsnahen oder oppositionellen Presse). Der medienkompetente Russischlehrer ist in der Lage, unterrichtsrelevante Medien entsprechend ihrer Möglichkeiten und Grenzen zu beurteilen und sie angemessen zu handhaben. Dabei kann er die ausgewählten Medien effizient für seine Unterrichtsvorbereitung nutzen, didaktisch sinnvoll in den Unterricht integrieren und ggf. mit seinen Schülern gestalten und verbreiten. Mit der sich immer schneller verändernden Medienlandschaft wachsen die Anforderungen an die Medienkompetenz der Lehrer, die sich auch in diesem Bereich auf ein lebenslanges Lernen einstellen müssen. Die Entscheidung für oder gegen ein (neues) Medium sollte keine Geschmacks- oder Altersfrage sein und nicht von subjektiven Vorlieben oder Einstellungen abhängen. Entwicklung von Medienkompetenz ist eine fachübergreifende Aufgabe. Beitrag des Russischunterrichts Lehrkräfte müssen ihre Medienkompetenz ständig weiterentwickeln. <?page no="257"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 258 8.2 Funktionen von Medien im Russischunterricht Im Russischunterricht ist ein Medieneinsatz gefragt, der Lehr- und Lernprozesse unterstützt und optimiert. Nur für sich genommen garantiert kein Medium einen guten oder besseren Unterricht. Medien sind wichtige Ressourcen oder Werkzeuge, deren Einsatz didaktisch-methodisch legitimiert erfolgen muss und nicht Selbstzweck sein darf, sonst fördern sie nur den Medienkonsum und können zu Medienverdruss führen. Die Medienauswahl hat entsprechend den konkreten Unterrichtsbedingungen und immer mit Blick auf die Lerner und die zu lösenden Aufgaben zu erfolgen. Hilfreich sind dabei folgende Leitfragen: Adressat: An wen richtet sich der Medieneinsatz? Ist das Medium für die Lerner interessant und motivierend? Welche Sinne oder Wahrnehmungskanäle werden angesprochen? Kennen die Lerner das Medium und können sie damit umgehen? Werden die individuellen Voraussetzungen der Lerner berücksichtigt? Ist der Schwierigkeitsgrad, die Niveaustufe angemessen? Erfolgt eine Förderung der Aktivität, Kreativität, Selbstständigkeit? Lernziel: Was soll mit dem Medieneinsatz erreicht werden? Welchen konkreten didaktischen Zielen dienen die technischen Möglichkeiten? Welchen Lernerfordernissen entsprechen sie? Wird damit die kommunikative und/ oder interkulturelle Kompetenz optimal entwickelt? Werden Lern- und Kommunikationsstrategien ausgeprägt? Lernhandlungen: Wie werden die Lerner mit den Medien arbeiten? Welche Lernhandlungen, sprachlich-kommunikativen Handlungen sind möglich? Wirkt der Medieneinsatz lernerleichternd? Welche Arbeits- und Sozialformen sind möglich und nötig? Nach der Medienwahl muss der Russischlehrer die Fragen beantworten können: • Worin besteht der Mehrwert des gewählten Mediums? • Was leistet das gewählte Medium besser (schneller, einfacher) als ein anderes? Ein und dasselbe Medium kann im Lehr- und Lernprozess mehrere Funktionen erfüllen: • Informationsfunktion - mittels Medien erfolgen das Suchen, Finden und Sammeln von Informationen (z.B. Buch, Internet) sowie ihre Darstellung und Präsentation (z.B. Tafel/ IWB, Plakat, Powerpoint-Folien); Leitfragen für die Medienauswahl Worin besteht der Mehrwert des gewählten Mediums? <?page no="258"?> 259 8. Medieneinsatz im Russischunterricht • Erkenntnisfunktion - Medien unterstützen die Prozesse der Informationsverarbeitung und des Wissenserwerbs durch Möglichkeiten zum Ordnen, Strukturieren, Veranschaulichen (z.B. PC, Tafelbild, Arbeitsblatt); • Kommunikations- und Kooperationsfunktion - mit Medien lassen sich Informationen rezipieren, produzieren, austauschen (z.B. E-Mail, Blog) und festhalten, aufbewahren, speichern/ sichern (z.B. Foto, CD); • Organisations- und Steuerungsfunktion - Medien leiten zum Üben, zum Lösen von Aufgaben an, steuern russischsprachige Aktivitäten und können sie kontrollieren ( z.B. Schülerbuch, Audio-CD: nachsprechen, Fragen beantworten, Unterschiede heraushören); • Objektivierungsfunktion - Medien können subjektive Sichtweisen der Lehrer und subjektive Vorstellungen der Lerner relativieren (z.B. authentische Video- und Audioaufnahmen); • Motivierungsfunktion - Medien regen zur Beschäftigung mit der russischen Sprache und der russischen Kultur an, stimulieren russischsprachige Aktivitäten (z.B. aktueller Musikclip, Sportnachrichten, Zeichentrickfilm); • Medienerzieherische Funktion - Schüler sollen lernen, Medien auch unter dem Gesichtspunkt der Objektivität und der Zuverlässigkeit der vermittelten Informationen zu analysieren und kritisch zu beurteilen. Wie ein zeitgemäßer Russischunterricht von Medien profitieren kann, zeigt die Auflistung der Charakteristika (Abb. 28), die durch den Medieneinsatz eine Unterstützung erfahren (vgl. Thaler 2012, 66). Authentizität Anschaulichkeit Aktualität Affektivität Medien unterstützen ... Adressatenorientierung Abwechslung Alltagsbezug Aktivität Abb. 28: A-Charakteristika des Medieneinsatzes Diese Charakteristika lassen sich problemlos auf Medien wie Musikclips, Podcasts, Filmsequenzen, Blogs und Foren im Internet anwenden. Aber auch Realien, d.h. Gegenstände, die aus dem Zielsprachenland (Russland) stammen und soziokulturelle Gegebenheiten abbilden, werden diesen Kriterien gerecht. Zum Einsatz kommen können z.B. russisches Geld, Theater-, Kino- oder Konzertkarten, Chipkarten für Metro und Bus, Speisekarten, Stadtpläne, Jugendzeitschriften, typische Souvenirs, eigene Fotos von Klassen- und Kursfahrten oder vom Schüleraustausch nach Russland. <?page no="259"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 260 8.3 Ausgewählte Medien im Russischunterricht Im Weiteren sollen exemplarisch einzelne Medien und ihr Potenzial detaillierter vorgestellt werden. 8.3.1 Lehrwerke als Medienverbund In der Reihe der unterrichtsrelevanten Medien kommt dem Lehrwerk eine zentrale Rolle bei der Unterrichtsplanung und -durchführung zu. Insbesondere im Russischunterricht der Sekundarstufe I ist es oft das Kernmedium und unverzichtbarer Bestandteil des Unterrichts. Aktuelle Lehrwerkreihen für Russisch als 2. und 3. Fremdsprache (Диалог, Конечно und Привет, Конечно! Интенсивный курс sowie Вместе, Дальше) verdienen dabei die Bezeichnung medialer Lehrwerkverbund. Neben dem Schülerbuch verfügen diese Lehrwerke über zahlreiche visuelle, auditive, interaktive Komponenten oder Begleitmaterialien sowohl für die Schülerals auch die Lehrerhand. Genannt seien hier beispielsweise Arbeitsheft, Audio-CD, Lernsoftware, Grammatikheft, Lehrerbuch/ Handreichung für den Unterricht, Interaktive Tafelbilder, Vorschläge zur Leistungsmessung, aber auch Vokabel- und Schreibhefte, Alphabet- oder Grammatikposter, zusätzliche Lesezeichen. Die Nutzung eines Russisch-Lehrwerks weist folgende Vorteile auf: • Lehrwerke sind Multiplikatoren von neuen bildungspolitischen und fachdidaktischen Positionen bzw. Prinzipien und präsentieren Vorschläge zu ihrer Umsetzung (z.B. Einsatz des sprachenübergreifenden Lernens, der Sprachmittlung und Selbstevaluation in den aktuellen Russisch-Lehrwerken, vgl. Mehlhorn & Wapenhans 2011); • Lehrwerke zeichnen sich durch eine didaktische Progression aus, die den Lehrern als Leitlinie und den Schülern als Orientierungs- und Strukturierungshilfe dienen kann; • Lehrwerke ermöglichen eine arbeitsökonomische Unterrichtsvorbereitung und -durchführung durch die Nutzung professionell aufbereiteter Materialien (z.B. Lese- und Hörtexte, Übungen und Aufgaben, Lexiklisten, digitale Tafelbilder, Wiederholungsangebote, Tandem- und Evaluationsbögen). Lehrwerke stellen ein Angebot dar, das der Lehrer mit Blick auf seine Lerner flexibel einsetzen sollte, indem er auswählt, auslässt oder ersetzt, kürzt oder ergänzt, umstellt oder umschreibt und ggf. aktualisiert. Ein flexibler und ausgewogener Umgang mit Lehrwerken auf der Grundlage der genauen Kenntnis der Materialien unterstützt einen kommunikativ ausgerichteten, schüleraktivierenden Unterricht. 8.3.2 Tafel, Whiteboard, Interaktives Whiteboard Die Tafel ist neben dem Lehrwerk ein Medium, das für den Russischunterricht (fast) unverzichtbar ist. Lehrwerkreihen als Kernmedium für den Russischunterricht <?page no="260"?> 261 8. Medieneinsatz im Russischunterricht In allen ihren Ausführungen - von der klassischen Kreidetafel über das Whiteboard mit entsprechenden Stiften bis zum interaktiven Whiteboard (IWB) - dient die Tafel: • zur Steuerung des Unterrichts (mittels der Entwicklung eines Tafelbildes entstehen nachvollziehbare Phasen, erfolgt die Lenkung der Aufmerksamkeit); • zur Visualisierung von Informationen, z.B. Mindmaps, Lösungen, Termine, Hausaufgaben; • zur Dokumentation des Unterrichtsgeschehens und seiner Ergebnisse, z.B. Mindmaps, Wortnetze, Vokabellisten, Tabellen mit Arbeitsergebnissen; • als Erinnerungsstütze, z.B. Plan der Stunde, Gliederung der Präsentation, Bewertungskriterien; • als Verständnis- und Reproduktionshilfe, z.B. Zeichnungen für grammatische oder lexikalische Phänomene (← налево, ↑ прямо, направо →), Flussdiagramme. Darüber hinaus ist das IWB (vgl. Kohls 2010, Schlieszeit 2011) • nicht nur eine räumlich begrenzte, temporäre Schreibfläche, sondern ermöglicht das Speichern, Bearbeiten und Wiederverwenden des Tafelanschriebs (all dessen, was im Verlauf einer Stunde an die Tafel geschrieben oder projiziert wird) ebenso wie die effektive, zeitsparende Vorbereitung der Tafelbilder vor der konkreten Stunde; • multimediafähig, indem es den direkten, integrierten Zugriff auf verschiedene Text-, Bild-, Audio- und Video-Dateien sowie das Internet möglich macht. Mit geringfügigen Modifikationen gelten nach wie vor die „Zehn Regeln für den Tafelanschrieb im Sprachunterricht― von U. A. Münnich, die Jung (2009) übernommen hat: 1. Die Wandtafel muss am Anfang der Stunde sauber sein (das IWB muss kalibriert werden). 2. Der Lehrer sollte erst sprechen, dann schreiben (oder aufdecken). 3. Auf der Tafel darf nie etwas Falsches stehen oder stehen bleiben. 4. Auf der Tafel muss Ordnung herrschen. 5. Der Lehrer muss lesbar schreiben (im Anfangsunterricht auch duktusgerecht). 6. Der Lehrer sollte gut zeichnen können (d.h. Tafelzeichnungen anfertigen können). 7. Der Lehrer sollte häufig farbige Kreide (oder farbige Stifte, Schrift) verwenden. 8. Der Lehrer sollte Unwichtiges auswischen (oder löschen). 9. Der Lehrer darf nicht vor dem eigenen Anschrieb stehenbleiben. 10. Die Schüler müssen Zeit zum Abschreiben bekommen (vgl. Jung 2009, 256-257). Von der klassischen Kreidetafel zum Interaktiven Whiteboard Zehn Regeln für den Tafelanschrieb im Sprachunterricht <?page no="261"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 262 Empfehlenswert ist die genaue Konzipierung, Strukturierung und Vorbereitung der Tafelbilder, die im Unterricht zum Einsatz kommen sollen. Diese sollten zudem dynamisch und interaktiv gestaltet sein, d.h. in der Stunde vor den Augen der Schüler „entstehen― und Schüleraktivitäten (z.B. Anschreiben, Ordnen, Gruppieren) an der Tafel vorsehen. 8.3.3 Musik und Film Im Russischunterricht haben Musik und Lieder sowie Filme (Filmsequenzen, Videoclips) als Bestandteil der Alltagskultur der Schüler einen festen Platz und werden u.a. eingesetzt zur Motivation und Auflockerung, zur Schulung des Hör-(Seh-)Verstehens, zur Erweiterung von soziokulturellen Kenntnissen und zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz. Sie bieten wirklichkeitsnahe Sprech- und Schreibanlässe, ermöglichen durch die verschiedenen Kodierungsvarianten (Print-/ Audiotext, Videoclip) auch eine themengebundene Arbeit an Lexik und Grammatik. Darüber hinaus eignen sich Lieder und aktuelle Musiktitel mit ihrem Potenzial zum Mit- und Nachsingen für die Ausspracheschulung. Neben den Lehrwerkangeboten zum Lied- und Filmeinsatz findet der Russischlehrer in der Zeitschrift „PRAXIS Fremdsprachenunterricht (Russisch)― in regelmäßigen Abständen aufbereitete Materialien zu relativ aktuellen Musiktiteln (z.B. Bacher 2011, 17-18; Jünemann 2012, 12; Pesotska 2011, 10) und zu geeigneten russischen Zeichentrickfilmen (z.B. Behr & Nadchuk 2012, 9-12; Jünemann 2011, 4-6) oder Spielfilmen (z.B. Bertram 2011, 7-9; Pessozki 2012, 10-12). Die bekannten russischen Animationsfilme der 1970- 1980er Jahre (z.B. Ну, погоди! , Трое из Простоквашино, Чебурашка,) sind immer noch sehenswert, allerdings entsprechen die russischen Produktionen der letzten Jahre (z.B. Маша и Медведь, Приключения Лунтика, Смешарики, Фиксики) deutlich mehr den Sehgewohnheiten der heutigen Schülergeneration. Ähnlich verhält es sich mit Spielfilmen bzw. Filmausschnitten. Neben Film-Klassikern, deren Rezeption entsprechende Kenntnisse der russischen bzw. sowjetischen Geschichte und Kultur voraussetzen, sollten aktuelle, moderne Filme für den Russischunterricht ausgewählt werden, die das Russland der Gegenwart mit seinen Menschen, Freuden und Problemen in einer künstlerischen Interpretation widerspiegeln. Anregungen dazu bieten neben den zahlreichen Internet-Portalen (z.B. www.film.ru; www.kinoteatr.ru) u.a. die jährlichen Russischen Filmwochen (www.russische-filmwoche.de) oder die Multimedia-Seiten in PRAXIS Fremdsprachenunterricht. Für den Russischunterricht ausgewählt werden. Der Einsatz von Musik- und Filmsequenzen kann in Anlehnung an die Textarbeit (vgl. II. 3.2.6 Leseübungen und -aufgaben) in drei Phasen (vor, während und nach dem Hören/ Sehen) erfolgen. Diesen Phasen lassen sich entsprechende Aktivitäten und Aufgaben zuordnen: • vor dem Hören/ Sehen (предтекстовая работа): optische Stimuli (Bilder, Fotos, Standbilder/ Screenshots aus dem Video) besprechen; Mindmaps (ассоциограммы) zum vorgegebenen Thema oder Schlüsselwort entwerfen; Titel (Überschrift) nennen, Vermutungen zum Inhalt formulieren; Videoclip ohne Ton (Musik) ansehen und Vermutun- Neben Film- und Musik-Klassikern sollten aktuelle, moderne Filme und Musiktitel für den Russischunterricht ausgewählt werden. Der Einsatz von Musik- und Filmsequenzen erfolgt in drei Phasen. <?page no="262"?> 263 8. Medieneinsatz im Russischunterricht gen zum Inhalt anstellen; unsortierte Textzeilen/ -abschnitte vor dem Hören in eine sinnvolle Reihenfolge bringen usw. • während des Hörens/ Sehens (притекстовая работа): Leitfragen beantworten, Multiple-Choice-Fragen zu Zeit, Ort, Personen, Handlung beantworten, Lückentexte mit zahlenmäßig begrenzten Lücken ergänzen; ungeordnete Schlüsselbegriffe aus den einzelnen Strophen/ Szenen in die richtige Reihenfolge bringen; unsortierte Zeilen/ Abschnitte/ Strophen in die richtige Reihenfolge bringen; verstandene Wörter, Wendungen zum Thema notieren; zählen, wie oft ein Wort (Wendung, Satz) vorkommt; Reime heraushören; Fehler im Text finden und korrigieren; Film unterbrechen und Vermutungen über den weiteren Inhalt/ Verlauf äußern; Titel (Überschrift) nicht vor dem Hören/ Sehen angeben und eigenen Titelvorschlag formulieren; Assoziationen zur Musik (ohne Video) notieren, skizzieren, malen; mitsingen usw. • nach dem Lesen/ Hören/ Sehen (послетекстовая работа): einen ersten Eindruck zur Wirkung, Grundidee, Botschaft formulieren; Inhalt zusammenfassen, interpretieren, diskutieren; Meinung zu Handlung, Personen, Titel allgemein äußern; Musik charakterisieren; Beziehung Musik - Text, Musik - Text - Video beschreiben; Minidialoge inszenieren, Handlung nachspielen; Interview mit dem/ den Interpreten im Rollenspiel durchführen; Fortsetzung oder Vorgeschichte, anderes Ende ausdenken; Umfrage zum Titel, Gruppe, Musikrichtung durchführen; neue Strophen, eigenen Liedtext schreiben; Geschichte, Rezension, Blogeintrag schreiben; Fanpost an den/ die Interpreten oder Kommentar für eine Musikzeitschrift schreiben; Telefonat mit einer Person aus dem Titel oder dem/ den Interpreten verfassen; Bilderreihe oder Drehbuch für einen Videoclip zum Titel zusammenstellen usw. Weitere für den Russischunterricht adaptierbare Anregungen zum didaktischmotivierten Einsatz von Musik und Film(sequenzen) unterbreitet u.a. Thaler (2010, 110-111, 121-123). Im Russischunterricht können auch eigene Filme gedreht werden, wie die Ergebnisse des Kurzfilmwettbewerbs (2011) „Камера! Начали! Filme drehen für den Russischunterricht― belegen. 8.3.4 Internet & Co. Im Verlauf der Entwicklung des Computers vom Großrechner über den Personalcomputer zum Netzwerk-Computer und des Internets vom Web 1.0 bzw. „Lese-Web― zum Web 2.0 bzw. „Mitmach-Web― haben sich auch die Nutzungsmöglichkeiten und Szenarien für den Russischunterricht verändert und vergrößert. Zu Beginn der 2000er Jahre wurde verstärkt der Einsatz von Lern- und Präsentationssoftware im Russischunterricht thematisiert (vgl. Pesotska & Wapenhans 2006, Salzl 2004). Erschien die erste lehrwerkbegleitende Übungssoftware erst 2005 (Wapenhans 2005), so verfügen inzwischen alle Russischlehrwerke für den Anfangsunterricht über diese Komponente und ermöglichen dem Russischlerner das selbstständige Üben am PC (z.B. den Nutzungsmöglichkeiten und Szenarien für den Russischunterricht haben sich verändert und erweitert. <?page no="263"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 264 Umgang mit der „anderen―, kyrillischen Tastatur), geben ihm ein programmgesteuertes Feedback inkl. Lösungsschlüssel und zeigen den Lernfortschritt an. Mögliche Einsatzszenarien für das Internet, insbesondere das russischsprachige Internet - Рунет (vgl. Azimov 2012), lassen sich mithilfe seiner unterrichtsrelevanten Funktionen (vgl. Thaler 2012, 70) abbilden. Als Informationsmedium dient das Internet: • bei der Recherche zu konkreten Fragestellungen und Themen (z.B. Sammelt Informationen zu typischen russischen Souvenirs - Диалог 1, S. 87/ 2; Найди в Интернете информацию о русских праздниках - Диалог 3, S. 25/ 5; Россия и Германия вчера и сегодня. Используйте материалы из Интернета и представьте результаты своей работы в классе. - Вместе, S. 63/ 9). Neben den russischen Versionen bekannter Suchmaschinen wie google.ru, ru.yahoo.com können hier durchaus auch eigenständige russische Suchmaschinen wie z.B. yandex.ru; rambler.ru hilfreich sein. • bei der Bearbeitung eines Webquests (vgl. www.webquestas.ch), in dessen Verlauf selbständig eine Aufgabe gelöst wird und zwar mithilfe vorgegebener Arbeitschritte und ausgewählter Links, die zu relevanten Informationen und Materialien führen (vgl. Sieber 2012). • bei der Nutzung von Online-Wörterbüchern, die einen schnellen Zugriff auf Wörter und Wendungen in beiden Sprachrichtungen ermöglichen, teilweise auch Audiodateien, z.B. de.pons.eu; www.leo.org; lingvo.mail.ru; slovari.yandex.ru. • beim Besuch elektronischer Bibliotheken, die nicht nur Kurzbeschreibungen und Links, sondern vollständige Texte zur Verfügung stellen, z.B. lib.ru; lib.rus.ec; magazines.russ.ru; www.infoliolib.info. • bei der Suche nach Antworten zum angemessenen und korrekten Gebrauch der russischen Sprache, z.B. in den Portalen gramota.ru; www.gramma.ru. Als Kommunikationsmedium fungiert das Internet: • beim E-Mail-Austausch, wenn Nachrichten bzw. Briefe z.B. zwischen Klassen bzw. einzelnen Schülern in Vor- oder Nachbereitung eines Schüleraustauschs verschickt werden; • in einem Webforum, in dem Internetnutzer Meinungen und Informationen zu speziellen Themen veröffentlichen, lesen und kommentieren (vgl. Pesotska 2008); • beim Chat, wenn seine Nutzer in schriftlicher Form in „Echtzeit― miteinander „plaudern― ; • bei der Internet-Telefonie (z.B. Skype), wenn sich die Partner in Echtzeit anrufen; • in Audio-/ Videokonferenzen, die eine Kommunikation zwischen Klassen mittels Ton/ Bild ermöglichen (vgl. Kolodzy 2013). Als Präsentationsmedium wird das Internet genutzt, wenn Schüler z.B. ihre Projektergebnisse Das Internet als Informationsmedium Das Internet als Kommunikationsmedium Das Internet als Präsentationsmedium. <?page no="264"?> 265 8. Medieneinsatz im Russischunterricht • auf einer Homepage, in einem Blog oder Podcast mittels Text, Bild, Audio, Video präsentieren. Als Medium zum Russischlernen präsentieren sich verschiedene Internetseiten, z.B. „Russisch online lernen und üben―: www.russian-online.net; Sprachübungen zum Russisch lernen: www.russlandjournal.de/ russisch/ sprachuebungen. Auch Russischlehrer nutzen zunehmend die Möglichkeit, ihre erprobten Unterrichtsideen und -materialien auf eigenen Seiten oder in Blogs im Internet zu präsentieren und damit für andere Lehrer nachnutzbar zu machen (z.B. www.gaertig.at, russisch-verbindet.blogspot.de). Aufgaben 1. Belegen Sie mit Auszügen aus dem aktuellen (Rahmen-)Lehrplan Ihres Bundeslandes die Aufgaben des Russischunterrichts im Bereich Medienkompetenz. 2. Führen Sie Beispiele an, wie der Russischunterricht vom Medieneinsatz profitieren kann. Nutzen sie dazu die „A-Charakteristika― (Abb. 21). 3. Nennen Sie mind. vier Medien, auf die Sie im Russischunterricht nicht verzichten möchten. Charakterisieren Sie diese Medien in Bezug auf Potenzial und Grenzen. 4. Erläutern Sie verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Computer und Internet im Russischunterricht sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile. Weiterführende Literatur Mehlhorn, G. & Wapenhans, H. (2011): „Die neue Lehrwerkgeneration für Russisch als zweite und dritte Fremdsprache.― In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 40, Heft 2, 49-63. Mobiles Lernen. Themenheft. PRAXIS Fremdsprachenunterricht. 01/ 2013. Thaler, E. (2010): Lernerfolg durch Balanced Teaching. Offene Lernarrangements: aufgabenorientiert, spielorientiert, medienorientiert. Berlin. Volkmann, L. (2012): „Förderung von Medienkompetenz.― In: Fremdsprachen Lehren und Lernen: Themenschwerpunkt: Kompetenzen konkret, 1/ 2012, 25-39. Web 2.0. Themenheft. PRAXIS Fremdsprachenunterricht. 01/ 2008. <?page no="265"?> 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer Anka Bergmann Im Allgemeinen besteht Konsens darin, dass das fachliche Wissen der Lehrer Grundlage für einen qualitativ anspruchsvollen Unterricht ist. Wenn auch genaue Wirkzusammenhänge zwischen der Ausbildung und dem Handeln der Lehrer einerseits und dem Lernen der Schüler andererseits bislang nicht beschrieben sind, 1 wird vom Russischlehrer eine kompetente Sprachbeherrschung auf der Basis fundierter philologischer Kenntnisse (Sprach-, Literatur-, Kulturwissen) erwartet. Das im Studium angeeignete Fachwissen gehört neben dem Sprachkönnen zum Kern der Professionskompetenz, darüber hinaus sollen Russischlehrer zudem Experten für das Sprachenlernen sein. Es reicht daher nicht aus, auf (annähernd) muttersprachlichem Niveau zu sprechen und nach Sprachgefühl, also auf der Grundlage impliziten Wissens z.B. Lernerfehler zu erkennen und zu korrigieren. Es bedarf einer ausgeprägten Sprachbewusstheit (zu L2 teacher language awareness s. Andrews 2007) und eines abrufbereiten expliziten linguistischen Wissens, um im Unterrichtsprozess auf lernersprachliche Besonderheiten zu reagieren, Korrekturen mit adäquaten Erklärungen zu verbinden und begründete Entscheidungen für die Auswahl von Unterrichtsgegenständen und Schwerpunktsetzungen im Übungsprozess zu treffen. Der Lehrer steht vor der Aufgabe, die fachliche Gegenstandslogik mit der individuellen Aneignungsglogik lernender Subjekte zu verschränken (Dressler 2006, 2), dazu muss er alle Aspekte dieses komplexen Zusammenhangs kennen. Im Laufe der beruflichen Tätigkeit muss er dieses Wissen als „Handwerkszeug― einsatzbereit halten, pflegen und vervollständigen. Er muss zudem sensibilisiert sein für neue Entwicklungen im Sprachgebrauch. Zur gezielten Entwicklung seines fachlichen Wissens, zur Rückversicherung in Zweifelsfällen, zum Nachschlagen bei Korrekturen und der Suche nach adäquaten Erklärungen stehen dem Lehrer unterschiedliche Quellen und Hilfsmittel zur Verfügung. Zu solchen Referenzmaterialien zählen insbesondere Hand- und Studienbücher, Grammatiken, enzyklopädische und linguistische Wörterbücher, zunehmend werden diese ergänzt durch elektronische Quellen. Der folgende Überblick weist knapp auf die wichtigsten linguistischen Ressourcen für deutsch(sprachig)e Russischlehrer hin. 2 1 Ebenso wenig ist letztlich die Frage beantwortet, wie sich das fachliche Wissen zum Stoff der schulischen Curricula verhält, wieweit es darüber hinausgehen soll, wie schnell sich in der Hochschule erworbenes Wissen verwäscht. 2 Es geht in diesem Abschnitt insbesondere um Referenzmaterialien, die sich auf die russische Sprache bzw. russistische Linguistik beziehen. Vielfältige Quellen und Nachschlagewerke zu literatur- und kulturwissenschaftlichen Begriffen, zu Literatur und Kunst Russlands wie insgesamt zu landeskundlichen Wissensbereichen können hier nicht berücksichtigt werden. Professionskompetenz des Russischlehrers im fachlichen Bereich: Sprachkönnen Sprachbewusstheit Fachliches Wissen Referenzmaterialien sind Quellen und Hilfsmittel, auf die der Russischlehrer in seinem Handeln Bezug nehmen kann. <?page no="266"?> 267 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer 9.1 Studien- und Handbücher Studien- und Handbücher verschaffen einen Überblick über die linguistische Beschreibung der sprachlichen Teilsysteme des Russischen. Sie führen in den Umgang mit linguistischen Begriffen ein und liefern damit die Voraussetzungen für die Arbeit mit Grammatiken und wissenschaftlichen Monographien zu speziellen Fragestellungen. Als Referenzmaterialien geeignet sind v.a. solche Darstellungen, die weitgehend auf eine polemische Auseinandersetzung verzichten und gesicherte, allgemein anerkannte grundlegende Positionen zu Bau und Funktion der russischen Sprache in einem strukturierten Überblick anbieten, so dass Informationen bei Bedarf gezielt gesucht werden können. Die neueste Linguistik des Russischen (Lehmann 2013) behandelt die „Grundlagen der formal-funktionalen Beschreibung des Russischen―: Sie gibt über die Darstellung der systemlinguistischen Kategorien von der Lexikologie bis zur Syntax hinaus auch einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu Funktionsweisen und -besonderheiten der russischen Sprache. Mit Abschnitten zur Textlinguistik sowie zu Sozio-, Psycho- und Kontaktlinguistik finden diejenigen Gebiete Berücksichtigung, in denen in den letzten Jahrzehnten zu vielfältigen Erscheinungen der Sprachverwendung und des sprachlichen Handelns geforscht wurde. Das Erscheinen der Hochschullehrbuchreihe Die Russische Sprache der Gegenwart (RSG 1974) liegt hingegen einige Zeit zurück, dennoch ist sie wegen ihrer umfassenden Darstellung des Systems der russischen Sprache immer noch zu empfehlen. Die sprachlichen Teilsysteme werden in vier Einzelbänden zu 1. Einführung in das Studium der russischen Sprache; Phonetik/ Phonologie; 2. Morphologie, 3. Syntax, 4. Lexikologie vorgestellt. Zu jedem Band gibt es Kommentare, Aufgaben und Übungen. Das Sachregister bildet gleichzeitig ein deutsch-russisches Wörterbuch der verwendeten linguistischen Terminologie. Das Handbuch der russischen Gegenwartssprache (Mulisch 1993) enthält in kompakterer Form ebenfalls Abschnitte zu Phonetik (hier wird auch die Schrift behandelt), Morphologie, Syntax und Lexikologie; darüber hinaus Informationen zur Genese der russischen Literatur- und Nationalsprache sowie einen knappen Überblick zur historischen Laut- und Formenlehre. Damit ist das Handbuch ebenfalls für die „eingehendere Beschäftigung mit der russischen Gegenwartssprache― (S. 5), insbesondere im Bereich zentraler für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts relevanter Phänomene bestimmt. Nach Intention des Autors soll es sowohl Fragen beantworten, die beim praktischen Gebrauch der Sprache entstehen, als auch der theoretischen Aus- und Weiterbildung dienen. Die Darstellungen sollen für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts anwendbar sein, daher finden sich hier dem Charakter eines Handbuchs entsprechend allgemein anerkannte Positionen, auf die Diskussion von Problemfällen wird weitgehend verzichtet. Mit Comrie et al. (2004) liegt eine Darstellung der Entwicklung des Russischen seit Beginn des 20. Jahrhunderts in englischer Sprache vor, die nicht nur das formale System der russischen Sprache erfasst, sondern ebenso Studienbücher zur Linguistik des Russischen <?page no="267"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 268 pragmatische Aspekte des Sprachgebrauchs wie etwa die Entwicklung des Anredesystems behandelt. Noch dichter an der Gegenwart orientiert ist der Fokus der Kollektiv-Monographie Современный русский язык. Актуальные процессы на рубеже ХХ- ХХI веков (2008), die die Ergebnisse vielfältiger Einzeluntersuchungen zu den Veränderungen der russischen Sprache seit den 1990er Jahren auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems zusammenfasst; dies betrifft v.a. die Lexik (Entlehnungen, Veränderungen in der Semantik), Wortbildung und Grammatik, aber auch Besonderheiten des Sprachgebrauchs (funktional-stilistische Markierung, Textsorten und Sprachgebrauchsmuster), deren soziale Ursachen in gesellschaftlichen Tendenzen wie Demokratisierung und Deideologisierung gesehen werden. 9.2 Grammatiken Je nach Ziel der Darstellung ist zu unterscheiden zwischen linguistischen, didaktischen (oder pädagogischen) und Übungsgrammatiken (vgl. Helbig 1981). Linguistische (d.h. wissenschaftliche) Grammatikdarstellungen sind nicht explizit für das Sprachenlernen ausgelegt. Ihre Benutzung erfordert in der Regel sowohl fortgeschrittene Russischkenntnisse als auch einen sicheren Umgang mit grammatischer Terminologie. Hingegen verfolgt eine didaktisch konzipierte Grammatik vor allem das Ziel, die Lerner beim Aneignen der Fremdsprache zu unterstützen und berücksichtigt daher in besonderem Maße deren Voraussetzungen. Nicht in jedem Fall werden vollständige Systeme beschrieben und erklärt, sondern vorrangig diejenigen Teile ausgewählt, die etwa zentrale unmarkierte Verwendungsweisen spiegeln, am häufigsten vorkommen oder eine besondere Schwierigkeit für den Lerner darstellen. Die Struktur der Grammatik stützt lernerseitig den Aufbau von Sprachkompetenz. Die umfangreichste linguistische Darstellung der russischen Grammatik leistet die Академическaя Грамматика (Grammatika 1980). Sie ist ein Instrument der Kodifizierung der Standardsprache, d.h. sie beschreibt nicht nur umfassend und detailliert die Strukturen der russischen Sprache, sondern hat einen normativen Anspruch: Wo die Ausdrucksformen Schwankungen unterliegen, hat die Akademiegrammatik die Aufgabe die angemessene hochsprachliche Form zu empfehlen. Dabei zielt sie auf die geschriebene Literatursprache ab. Für die tägliche Arbeit des Lehrers ist sie angesichts ihrer Komplexität und des Umfangs sicher weniger geeignet, jedoch können hier im Zweifelsfall sehr detaillierte Informationen nachgeschlagen werden. Eine kompaktere Beschreibung des grammatischen Baus der russischen Gegenwartssprache liegt mit der Краткая Русская Грамматика (Kratkaja Grammatika 1989) vor: Im Wesentlichen von demselben Autorenkollektiv verfasst, basiert sie auf derselben wissenschaftlichen Konzeption und den Prinzipien wie die zweibändigeAkademiegrammatik. Nach Aussage der Autoren (s. Vorwort, 3) stellt sie ein Hilfsmittel zum Studium der russischen Sprache dar; der Umgang mit der russischen linguistischen Terminologie ist Voraussetzung dafür. Die Ausgabe von 2002 ist bei slovari.ru online zugänglich. Linguistische Grammatiken: Grammatiken des Russischen Kontrastive Grammatik <?page no="268"?> 269 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer Eine „linguistische Fundierung des aktiven Gebrauchs des Russischen […] und vertiefende Orientierungshilfe für die Weiterbildung― für Studierende, Lehrer, Dolmetscher und überhaupt sprachlich Interessierte bietet zudem die kontrastive Darstellung Russisch im Spiegel des Deutschen (Gladrow 1989/ 1998). Register und Querverweise erleichtern die Benutzung als Nachschlagewerk, das in erster Linie System und Funktionieren des Russischen im Vergleich zum Deutschen bewusst und für das Erlernen bzw. die Vermittlung des Russischen nutzbar machen soll (vgl. Vorwort). Aus dem Studium ist den meisten Russisten das Компендиум лингвистических знаний (1992) bekannt. Als praktische Grammatik in einem weiten Verständnis (s. Vorwort) konzipiert, enthält es neben Morphologie und Syntax als den traditionellen Bereichen der Grammatikschreibung systematische Darstellungen zu Lexik, Wortbildung, Phraseologie, darüber hinaus Informationen zu Orthographie und Intonation. Es ist ein Studienmaterial für Deutsch-Muttersprachler, daher werden bei der Auswahl des vorgestellten Materials für diese Lerner schwierige Bereiche besonders berücksichtigt (z.B. Перевод немецких пассивных конструкций). Das Kompendium soll insbesondere der Wiederholung und Festigung des im Studium erworbenen Wissens und als Nachschlagewerk dienen und kann ebenso einen Einstieg in den Umgang mit linguistischer Terminologie in russischer Sprache bieten. Die sehr komprimierte Darstellung folgt strukturell-semantischen (z.B. in der Gliederung nach Wortarten) bzw. funktional-semantischen (Aspektualität, Aktionsarten) sowie funktional-kommunikativen Kriterien (употребление полных и кратких форм имен прилагательных). Eine „gute― didaktische Grammatik soll den Lerner in seinem Lernprozess unterstützen: Sie ist eine Gebrauchsgrammatik, die dem orientierenden Nachschlagen, dem wiederholenden Lernen und der systematischen Erweiterung des Gelernten dient. Sie zeigt dem Lerner, auf welche zentralen Phänomene er sich konzentrieren muss und wo er bereits Gelerntes übertragen kann. Vor allem holt sie den Lerner bei seinen (nicht zwingend fachwissenschaftlichen) Voraussetzungen ab. Wer eine fremde Sprache lernt, braucht eine Systematisierung, die seine Vorkenntnisse berücksichtigt. Dazu gehören auch Muttersprache und Lernsozialisation (Verfügen über grammatisches Basiswissen und Terminologie). Daher berücksichtigt eine didaktische Grammatik die wichtigsten Regeln und nimmt nicht alle Ausnahmen auf. Lehrwerkunabhängige Nachschlagewerke für deutsche Lerner sind die Kurze russische Sprachlehre von E.-G. Kirschbaum und E. Kretschmar (2001) sowie die Russische Grammatik: rundum verständlich (E.-G. Kirschbaum 2006), daneben die PONS Grammatik Russisch. Kurz und bündig. (2010), die jeweils eine systematische Übersicht über Formenbildung, Satzbildung sowie Wortbildung bieten. Die umfangreichere Grammatik der russischen Sprache (ebenfalls E.-G. Kirschbaum 2001) ist hingegen ein Standardwerk, das eher für fortgeschrittene Lerner geeignet ist und bei jedem Russischlehrer im Regal stehen sollte. Alle genannten Nachschlagewerke folgen der Tradition einer Gliederung nach Wortarten, innerhalb derer Besonderheiten der Formenbildung behandelt werden. Einführend gibt es Informationen zu Schrift und Aussprache sowie daraus folgende orthographische Besonderheiten. Im Anschluss folgen weniger umfassend und in unterschiedlicher Reihenfolge Didaktische Grammatiken sind auf die Bedürfnisse der Lerner abgestimmt. <?page no="269"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 270 Wortbildung und Syntax. Eine solche Darstellung hat zweifelsohne viele Vorteile, nicht zuletzt ist die Struktur den Lernern (und Lehrern) aus anderen Kontexten vertraut (auch Sprachlehren anderer Sprachen sind Formenlehren und weisen die gleiche Gliederung auf). Andererseits sind aber auch deutliche Beschränkungen damit verbunden, z.B. wird dem Lerner (jedenfalls ohne expliziten Hinweis) kaum bewusst, dass die Paradigmen der Adjektive, der Pronomen, der Partizipien, der Ordnungszahlwörter im Russischen gleiche Formbildungsmerkmale aufweisen, und er sich folglich im Analogieschluss eine erhebliche Lernerleichterung verschaffen kann. Eine Übungsgrammatik erklärt und übt vor allem die Bereiche der fremdsprachigen Grammatik, die erfahrungsgemäß besondere Schwierigkeiten bereiten. Sie soll dem Lernenden helfen, Sprachstrukturen zu verstehen und für eine aktive Anwendung zu festigen. Der Lehrer kann sie für die eigene Arbeit an der Verbesserung der Sprachkompetenz, als Referenzgrammatik und als Anregung für die Unterrichtsvorbereitung nutzen. Ein solches Nachschlagewerk mit Übungen ist etwa die Russische Übungsgrammatik von Borgwardt/ Mey (2008), die zu den Regeln Übungen mit Schlüssel und abschließenden Fragen zur Kontrolle enthält und daher auch für Selbstlerner geeignet ist, oder die Russische Übungsgrammatik mit Spaß, die einen „Grammatik- Krimi― enthält (Berditchevski & Rothpuller 2007). Auf dem russischem Buchmarkt gibt es darüber hinaus eine Vielzahl von älteren und neueren Übungsgrammatiken (практическая грамматика), die in der Regel die schwierigen Bereiche der Grammatik aus Sicht der russischen Sprache (nicht kontrastiv und auf eine bestimmte Lernergruppe ausgerichtet) abstecken. Das wohl umfassendste Material für deutsche Russischlerner, das zudem mehrere der genannten Komponenten in sich vereint und sich sowohl für den Unterricht als auch für das Selbststudium auf verschiedenen Niveaustufen eignet, ist Russisch aktuell. erklärt-geübt-beherrscht (Bendixen et al. 2006) - ein modulares und multimediales, konfrontativ-kontrastiv ausgerichtetes Kompendium, das in einem Gemeinschaftsprojekt von Leipziger Wissenschaftlern aus Slavistik, Translationswissenschaft und Rechenzentrum entstanden ist und entsteht. Den Ausgangspunkt und die wissenschaftliche Bezugsbasis bildet eine theoretisch fundierte und praktisch ausgerichtete Grammatik (Der Leitfaden), diese wird ergänzt durch ein Übungssystem sowie erweitert durch Lehrwerke (Sprechtrainer, Phonetik, Sprachkurs) und umfangreiche Nachschlagewerke (Aussprachewörterbuch, Universalwörterbuch, Phraseologisches Wörterbuch). Im Harassowitz-Verlag erschienen sind Druckversionen sowie digitale Versionen (Version 7.1 2013), die durch die Nutzung der vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Umsetzung und Vernetzung der Komponenten weit über die Druckfassungen hinausgehen. Übungsgrammatiken zur Entwicklung der Sprachkompetenz <?page no="270"?> 271 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer 9.3 Zweisprachige Wörterbücher Zweisprachige Wörterbücher dienen vor allem als schnelle Übersetzungshilfe, enthalten aber auch Informationen zu den wichtigsten grammatischen Besonderheiten und Gebrauchsbedingungen lexikalischer Einheiten. Die größten Unternehmungen sind das unter der Ägide der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Austrian Academy Corpus) entstandene Neue Deutsch-Russische Großwörterbuch mit etwa 500.000 lexikalischen Einheiten und das auf ca. 250.000 Lemmata ausgelegte Russisch-Deutsche Wörterbuch (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz). In diesem Umfang ist ein großer Teil der Wörter erstmals in einem zweisprachigen Deutsch-Russischen bzw. Russisch-Deutschen allgemeinsprachlichen Wörterbuch enthalten, dazu gehören auch nichtstandardsprachliche Wortschatzbereiche (veraltende und veraltete Lexik, Regionalismen, Jargonwörter, Vulgarismen), die für die originalsprachliche Rezeption der russischen Literatur und Publizistik vom 19. Jh. bis in die Gegenwart notwendig sind. Das Russisch-Deutsche Wörterbuch erscheint im Harrassowitz-Verlag und wird bis 2017 abgeschlossen sein. Über die Druckveröffentlichung hinaus wird die schrittweise online-Publikation geplant. Weitere umfangreiche zweisprachige Wörterbücher sind beispielsweise Большой немецко-русский словарь по общей лексике (Leping et al. 2004) und Русско-немецкий словарь по общей лексике (Zwilling 2005). 9.4 Einsprachige erklärende Wörterbücher Im Umgang mit der Fremdsprache erfüllen einsprachige Wörterbücher drei grundlegende Funktionen (vgl. Hausmann 1974, 1989): Sie helfen bei der Rezeption von Texten und dienen somit als Lesewörterbuch, bei der Produktion von Texten werden sie als Schreibwörterbuch genutzt und im Sinne eines Lernwörterbuchs sind sie „hilfreich […] bei der systematischen Erlernung des Wortschatzes― (Hausmann 1974, 99). Allgemeine einsprachige Wörterbücher zielen in erster Linie darauf ab, die sprachlichen Eigenschaften des Wortschatzes zu erklären, den sie unter synchronem Aspekt erfassen. Sie sind in der Regel auf einen heterogenen muttersprachlichen Adressatenkreis ausgerichtet, werden aber auf einem fortgeschrittenen sprachlichen Kompetenzniveau auch von Fremdsprachenlernern genutzt. Das wohl bekannteste russische einsprachige Wörterbuch ist der „Ожегов―: Das einbändige Wörterbuch Словарь русского языка (O ž egov 1990, 22. Aufl.) ist seit seinem Erscheinen 1949 schnell zu einem anerkannten und viel genutzten Nachschlagewerk geworden. Das Wörterbuch war zunächst streng normativ konzipiert, bildete in weiteren Auflagen aber doch sprachliche Entwicklungstendenzen ab und nahm im Hinblick auf Varianten eine linguistisch begründete empfehlende Haltung ein. Nach dem Tod O ž egovs setzte Š vedova die redaktionelle Arbeit am Wörterbuch fort, bis 1990 sind über 20 Auflagen erschienen, das Korpus wurde erweitert, die semantischen Einträge und Belege ergänzt. Die grammatischen und akzentologischen Angaben beruhen auf der Akademiegrammatik. Seit 1992 erscheint das Толковый Zweisprachige Wörterbücher dienen vor allem als Übersetzungshilfe. Einsprachige erklärende Wörterbücher als Lesewörterbuch Schreibwörterbuch Lernwörterbuch <?page no="271"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 272 словарь русского языка (O ž egov & Š vedova 1992), das unter http: / / www. ozhegov.org auch online zugänglich ist Das 1990 erstmals erschienene Малый толковый словарь (Lopatin 1990) ist zwar vom Umfang geringer als O ž egov & Š vedova (1992), folgt diesem aber im Wesentlichen in Struktur und Prinzipien der lexikographischen Darstellung und erfasst mit ca. 35.000 lexikalischen Einheiten recht vollständig die gebräuchlichste aktive Lexik. Hier wird v.a. auf stilistisch markierte und Varietätenlexik sowie auf Dialektismen und Regionalismen verzichtet; es enthält nur die gebräuchlichsten umgangs-, buch- und fachsprachlichen Einträge. Es gibt grammatische Informationen, stilistische Anmerkungen, Hinweise auf die gebräuchlichsten Wortverbindungen sowie Ableitungen auf der Grundlage der regulärsten Wortbildungstypen. Das Малый толковый словарь basiert auf dem Wortgebrauch der 1980er Jahre, wurde in nachfolgenden Auflagen aber aktuellen sprachlichen Entwicklungen angepasst. Für (fortgeschrittene) Lerner des Russischen ist es sehr gut geeignet, da die Bedeutungserklärungen nur mittels der im Wörterbuch enthaltenen lexikalischen Einheiten erfolgen. 1994 ist dieses Wörterbuch als Русский толковый словарь im Langenscheidt-Verlag erschienen. Zu empfehlen ist darüber hinaus Толковый словарь русского языка (Dmitriev 2003) mit ca. 7000 Stichwörtern. Im Vergleich zu anderen einsprachigen Wörterbüchern enthält es recht einfach geschriebene Bedeutungserklärungen sowie Hinweise auf grammatische Formen und Verwendungsbeispiele. Unter http: / / dic.academic.ru/ contents.nsf/ dmitriev steht es online zur Verfügung. Im schulischen Fremdsprachenunterricht wird der Umgang mit dem einsprachigen Wörterbuch als wichtiger Schritt zur authentischen Sprachanwendung gesehen und muss systematisch eingeübt werden. Explizit als Lernwörterbuch ausgewiesen und vielfach in der Schule verwendet wird das Учебный толковый словарь (Bykow et al. 1996). Für ein Lernwörterbuch gelten im Besonderen die Anforderungen, dass es den synchronen Wortschatz in einer Auswahl entsprechend den Lernerbedürfnissen abbilden soll und über eine syntaktisch-grammatisch reich gegliederte Mikrostruktur verfügt (vgl. Hausmann 1974). Die didaktische Konzeption des Wörterbuchs darf dem linguistisch deskriptiven Aspekt nicht entgegenstehen, z.B. sollte keine Identität von Explana n dum und Explanans vorliegen. Für den fremdsprachlichen Benutzer sind Synonyme nur in dem Kontext sinnvoll, in dem sie effektiv austauschbar sind, denn ihm fehlt im Allgemeinen die Kompetenz zum Feststellen der Austauschbarkeit. Übersichtstafeln, in denen bestimmte grammatikalische und lexikalische Strukturen abgebildet werden, helfen dem Lerner Sprachkompetenz aufzubauen (während etwa O ž egov sie voraussetzt). 9.5 Weitere Nachschlagewerke Es gibt eine Reihe weiterer spezieller Wörterbücher und Nachschlagewerke, die hier nicht im Einzelnen besprochen werden können. Hingewiesen sei aber auf zwei Bücher, die sich speziell mit dem russischen Verb befassen: Die russischen Verben (Daum & Schenk 1987) ist ein Nachschlagewerk, das ca. Einsprachiges Wörterbuch für den schulischen Russischunterricht Nachschlagewerke zu den russischen Verben <?page no="272"?> 273 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer 20.000 russische Verben mit Angaben zu Aspektbeziehungen, Flexion (bei produktiven Verbklassen durch Zugehörigkeit zu Konjugationsmustern dargestellt), zu deutschen Bedeutungen, Rektionsangaben sowie Betonung enthält. Während der Nutzer hier keine Hinweise auf die Verwendbarkeit und kontextuelle Einbindung der Verben findet, liegen mit Вид и акциональность русского глагола: Опыт словаря (Mende et al. 2011) die Ergebnisse eines (Wörterbuch)Projekts vor, das sich insbesondere mit dem Zusammenhang zwischen lexikalischer Basis des Verbs und morphologischem und syntaktischem Kontext befasst. Die Einträge geben in erster Linie Auskunft zu Aspektpartnern, deren Status sowie lexikalisch-aktionalen Funktionen. 9.6 Elektronische Ressourcen Eine Reihe nützlicher Wörterbücher liegt nicht nur elektronisch vor, sondern ist auch online zugänglich. Die wichtigsten Portale für Wörterbücher der russischen Sprache sind Грамота.ру (Справочно-информационный портал ГРАМОТА.РУ - русский язык для всех; www.gramota.ru) und die russische Seite von Academic (Academic dictionaries and encyklopedies; russ. Академик, dic.academic.ru). Ebenfalls online zugänglich ist das einsprachige linguistische Lexikon zum Russischen Энциклопедия русского языка, allerdings ohne das Bildmaterial der Printversion (Karaulov 1997; http: / / russkiyyazik.ru/ ). Das mehrmals im Bereich von Wissenschaft und Bildung preisgekrönte Portal Грамота.ру wurde im Jahr 2000 auf Empfehlung der Kommission Русский язык в средствах массовой информации gegründet; es wird von staatlicher Seite finanziert und arbeitet mit sprachpolitischem Auftrag. Mitarbeiter und Redaktionsrat setzen sich aus professionellen Philologen zusammen. Auf gramota.ru stehen nicht nur eine Vielzahl allgemeiner und spezieller Wörterbücher zur russischen Sprache zur Verfügung (in denen eine kombinierbare Simultansuche möglich ist), sondern darüber hinaus interaktiv konzipierte Sprachspiele, sprachbezogene Wettbewerbe u.ä. Das Portal bietet Informationen und Beratung zur russischen Sprache an und schafft „auf Grund seines interaktiven Charakters nicht nur für die Verbreitung des russischen Standards, sondern auch für seine weitere Gestaltung neue kulturgeschichtliche Rahmenbedingungen― (Moser 2006, 137). Portalbesucher können veröffentlichte Beiträge kommentieren und Informationen anfordern. In Diskussionsforen wurden Themen wie Orthographiereform, Sprachengesetz, Wörterbuch für Beamte besonders intensiv besprochen. Durch ihre intensive Beteiligung und den Kontakt zu Kodifikatoren leisten sprachinteressierte Internetbenutzer hier einen aktiven Beitrag zu Standardisierungsarbeit, es entsteht ein wirklich interaktives Nachschlagewerk, das laufend aktualisiert wird. Die öffentliche Thematisierung von Fragen der Sprachkultur und Sprachpflege (речевая культура) wird damit sehr erfolgreich an neue mediale Möglichkeiten angebunden (vgl. Moser 2006). Wörterbücher online Das Internetportal - ein Ort der Sprachpflege und interaktiven Standardisierung Грамота.ру <?page no="273"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 274 9.7 Korpora in der Sprachvermittlung Nicht nur in der Spracherwerbsforschung, sondern auch in der Sprachvermittlung spielen Korpusdaten und Korpora zunehmend eine wichtige Rolle. Korpora sind für einen bestimmten Zweck zusammengestellte (digitalisierte) Textsammlungen. Sie liefern Daten zur authentischen Sprachverwendung, und zwar in Form von ganzen Texten oder längeren Textabschnitten, so dass sprachliche und außersprachliche Kontextfaktoren systematisch ausgewertet werden können. Korpora sind strukturiert durchsuchbar und können mit zusätzlichen Informationen angereichert (annotiert) werden (Lüdeling & Walter 2009, 2010). Für die Sprachvermittlung sind verschiedene Anwendungen relevant: Lehrende können ein Korpus vor allem als Referenzquelle nutzen, um gezielt nach authentischen Beispielen für ein Wort oder eine Struktur zu suchen oder Unterrichtsmaterialien für einen zu vertiefenden sprachlichen Gegenstand zu erstellen (z.B. Übersichten zu grammatischen Strukturen, Lückentexte, Arbeitsblätter). Korpora können Auskunft geben über Wortformen, Varianten, Regularitäten des Wortgebrauchs, Kollokationen, stilistische Markierungen etc. Lüdeling & Walter (2009) verweisen zudem auf die Möglichkeit, Korpora als Orientierungspunkt für die Korrektur von Lernertexten zu verwenden. Insbesondere bei grammatisch korrekten, aber im jeweiligen Kontext nicht angemessenen Formulierungen kann so das rein intuitive Urteil des Korrigierenden ergänzt werden. Das didaktische Konzept des datengesteuerten Lernens (data-driven-learning) basiert auf der Nutzung elektronischer Korpora: Lerner erhalten ausgewählten und ggf. manipulierten Input als Lernmaterial und versuchen, selbstständig Gebrauchsregeln abzuleiten (Lüdeling & Walter 2009, 6). Die Fachdidaktik steht vor der Aufgabe, solche Ansätze zu prüfen und gegenstandsbezogen weiterzuentwickeln. Ein systematischer Einsatz von Korpusdaten ist auch für die Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien zu diskutieren. Beispielsweise könnten Frequenzlisten für die empirische Absicherung des Curriculums herangezogen werden (vgl. z.B. Römer 2008, 114) oder die Basis für Wörterbücher bilden. Lüdeling & Walter (2009, 8) plädieren für ein spezifisches Korpustraining für Lernende mit dem Ziel corpus literacy aufzubauen. Dies setzt natürlich eine entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte voraus. Verfahren der Anwendung von Korpora in der Sprachvermittlung sind bislang vor allem für das Englische als Fremdsprache entwickelt worden. Verfügbarkeit elektronisch nutzbarer Korpora vorausgesetzt, können diese Verfahren aber auf andere Fremdsprachen übertragen werden. Für das Russische sind für die Nutzung in der Sprachvermittlung vor allem das Национальный корпус русского языка (НКРЯ) und das Хельсинкский аннотированный корпус (ХАНКО) relevant (einen Überblick über russische Korpora geben Kopotev & Mustajoki 2008), da sie die russische Sprache der Gegenwart umfangreich abbilden und im Internet zugänglich und durchsuchbar sind. Das russische Nationalkorpus strebt Repräsentativität (представительность) 3 im Hinblick auf die enthaltenen Textsorten an, d.h. nach Möglichkeit sollen alle schriftlichen und mündlichen Textsorten entsprechend ihrem Anteil am Sprachgebrauch (einer be- 3 Zu Repräsentativität im Hinblick auf Korpora s. Lüdeling & Walter (2009) . Herausforderung und Perspektive: Nutzung von Korpora in der Sprachvermittlung Russische Korpora: Национальный корпус русского языка Хельсинкский аннотированный корпус <?page no="274"?> 275 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer stimmten Zeit) im Korpus vertreten sein. Für eine hohe Repräsentativität ist vor allem ein großer Umfang des Korpus wichtig: D as Nationalkorpus enthält mehr als 500 Mio. Wortformen. Insbesondere durch die Annotation unterscheidet sich das Korpus von einfachen Textsammlungen (библиотеки текстов): Es enthält morphologische, syntaktische, semantische Annotationen sowie zusätzliche Informationen zu den enthaltenen Texten (www. ruscorpora.ru). Das Helsinki-Korpus enthält eine annotierte Sammlung von Texten aus der Zeitschrift Итоги im Umfang von 100.000 Wörtern. Es ist im Zusammenhang mit einem Projekt zur Funktionalen Syntax der russischen Sprache entstanden und insbesondere für die Nutzung durch Lehrende und Lernende konzipiert. Die Texte sind morphologisch und syntaktisch annotiert, das schließt analytische morphologische Formen (z.B. будет читать, читал бы) ein (www.helsinki.fi/ hum/ slav/ hanco). 9.8 Lernerkorpus Eine spezifische Art von Korpora sind Lernerkorpora: digitalisierte Sammlungen von zielsprachlichen Lernertexten. Lernerkorpora eröffnen die Möglichkeit einer systematischen Fehlerannotation, d.h., dass Fehler kategorisiert und im Korpus gekennzeichnet werden, was zu Transparenz und Reproduzierbarkeit der Fehleranalyse führt. Prinzipiell lassen sich aber alle korpuslinguistischen Analyseverfahren gleichermaßen auf erstsprachliche wie auf lernersprachliche Korpora anwenden. Lernerkorpora können daher nicht nur im Hinblick auf Fehler - und damit auf Normabweichungen - ausgewertet werden, sondern lassen darüber hinaus Schlüsse zu auf Spezifika von Lernersprache, 4 etwa für verschiedene Sprachkompetenzstufen charakteristische lexikalische, morphologische, syntaktische, stilistische Strukturen oder Bereiche, die Lernern (allen Lernern oder denen einer bestimmten Muttersprache) besondere Schwierigkeiten bereiten. Die korpusbasierte Analyse von Lernersprache sollte Auswirkungen haben auf die Gestaltung von Curricula, Lehr- und Lernmaterialien sowie die unterrichtliche Praxis (vgl. Gaëtanelle et al. 2007). Bislang ist dies vor allem im Bereich des Englischen erarbeitet: Ergebnisse aus Lernerkorpusanalysen sind z.B. in die aktuellen Wörterbücher Longman Dictionary of Contemporary English (LDOCE 2003) und Cambridge Advanced Learners Dictionary (CALD 2003) eingeflossen, die beide Anmerkungen zu typischen Lernerfehlern enthalten, die dadurch vermieden werden sollen. Für das Russische steht diese Forschung erst am Beginn. Ein Lernerkorpus des Russischen entsteht am Institut für Slawistik der Humboldt-Universität im Rahmen des Projekts Dokumentation und Analyse von Lernersprache - DALeKo 5 (http: / / daleko.hu-berlin.de/ ). Die Besonderheit dieses Korpus ist, 4 Zum Konzept der Lernersprache s. Kap. II.1. 5 DALeKo ist ein gemeinsames Projekt der Fachdidaktiken Englisch, Romanische Sprachen, Russisch und enthält auch englische, französische und spanische Lernertexte. Lernerkorpora: Sammlungen von Lernertexten in der Fremdsprache DALeKo: Dokumentation und Analyse von Lernersprache <?page no="275"?> III Handlungsfelder des Russischunterrichts 276 dass es Lernertexte aus dem schulischen Fremdsprachenunterricht enthält, 6 die mit gleichzeitig erhobenen Metadaten verknüpft sind: D ie teilnehmenden Schüler wurden mittels eines Fragebogens zu ihrem Sprachenlernen und ihrer Sprachverwendung befragt. Die Texte sind morphologisch annotiert sowie mit einer Zielhypothese 7 (orthografisch, morphologisch, syntaktisch korrigierte Variante des Lernertextes) versehen. Dieses Korpus dient als Grundlage zur systematischen Beschreibung von Lernersprache sowie wird für die universitäre Lehre in den Lehramtsstudiengängen genutzt. Perspektivisch wird es um Lernertexte aus dem universitären Kontext erweitert. Aufgaben 1. Tauschen Sie sich mit Ihren Kommilitonen darüber aus, mit welchen Referenzmaterialien Sie regelmäßig/ manchmal arbeiten, welche Informationen Sie dort suchen und finden! Überlegen Sie, was Ihnen bei der selbstständigen Weiterqualifizierung helfen kann. 2. Finden Sie unter Zuhilfenahme verschiedener Bezugsquellen (Print- und elektronisches Wörterbuch, Grammatik, Korpus) Antworten auf folgende Fragen 8 : a) Слова коричневый - каурый - карий синонимы, но не во всех контекстах заменимы друг на друга. В каких специфических контекстах они употребляются? б) С какими глаголами обычно сочетается слово место? г) Как правильно: в Украине - на Украине? Д) Подберите примеры употребления творительного падежа в составе сказуемого! Werten Sie Ihren Arbeitsweg und die Ergebnisse im Hinblick auf die unterschiedliche Leistung der verschiedenen Quellen aus. Weiterführende Literatur Andrews, S. (2007): Teachers language awareness. Cambridge. Hausmann, F. J. (1989): „Wörterbuchtypologie.― In: Ders. et al. (eds.): Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. 1. Teilband. Berlin/ New York, 968-981. Kopotev, M. W. & Mustajoki, A. = Копотев, М. В. & Мустайоки, А. (2008): Современная корпусная русистика. Инструментарий русистики: 6 Abiturvorbereitende Klausuren, die den Anforderungsbereichen der EPA entsprechen. 7 Bei der Fehlerannotation ist vor allem problematisch, dass die Korrektur eine Hypothese darüber voraussetzt, was als korrekt gilt, und damit letztlich eine Entscheidung darüber, was der Lerner sagen wollte; dies wird in der Zielhypothese gefasst. Genauer dazu s. Siemen et al. (2006); Lüdeling (2008). 8 Diese Fragen stammen aus einem Seminar Возможности использования электронных кoрпусов русского языка, das im Rahmen einer Erasmus-Kooperation von M. Kopotev im Mai 2013 in Berlin durchgeführt wurde. <?page no="276"?> 277 9. Referenzmaterialien für den Russischlehrer корпусные подходы. (Под ред. А. Мустайоки, М. В. Копотев а , Л. А. Бирюлина, Е. Ю. Протасовой), Хельсинки. Lüdeling, A. & Walter, M. (2009): „Korpuslinguistik für Deutsch als Fremdsprache. Sprachvermittlung und Spracherwerbsforschung.― (Stark erweiterte Fassung von Lüdeling & Walter (2010): „Korpuslinguistik―. In: HSK 35, Deutsch als Fremdsprache. Berlin.) http: / / www.linguistik.hu-berlin.de/ institut/ professuren/ korpuslinguistik/ mitarbeiter-innen/ anke/ pdf/ LuedelingWalterDaF.pdf. <?page no="278"?> IV Evaluation im Russischunterricht Wolfgang Stadler Für das Testen, Bewerten und Beurteilen von sprachlichen Leistungen benötigen Russischlehrer die nötige Bewertungskompetenz (assessment literacy). Ein kurzer Überblick über die Geschichte des Testens von Sprache im 20. und 21. Jh. zeigt die unterschiedlichen Fokussierungen in der Testentwicklung auf. Ebenso wird an Hand von Überlegungen zum sich wandelnden Stellenwert des Fehlers in schriftlichen und mündlichen russischen Texten die Thematik der Leistungsevaluierung behandelt. Testprinzipien wie Reliabilität, (Konstrukt)Validität, Authentizität und Praktikabilität werden erläutert und der Schulrealität angepasst. Weiters wird die Notwendigkeit von Testspezifikationen für einzelne Schulstufen aufgezeigt und auf die wenig beachteten positiven und negativen Auswirkungen von Tests und Prüfungen (Washback) hingewiesen. Gängige Testformate und Anleitungen zur korrekten Aufgabenerstellung sollen Lehrern das gemeinsame Erarbeiten von Testaufgaben erleichtern. Bei Testaufgaben (Tasks) wird unterschieden zwischen jenen, die rezeptive (Hören, Lesen) oder produktive Fertigkeiten (Sprechen, Schreiben) testen und jenen, die Sprache in Verwendung überprüfen. Das Testen von Lernerautonomie, literarischem Wissen, interkultureller und pragmatischer Kompetenz, von Sprachmittlung und CLIL (Content and language integrated learning) kann in diesem Beitrag leider nicht berücksichtigt werden. Integriertes und dynamisches Testen werden als mögliche Alternativen für den Russischunterricht an Schulen vorgestellt. Am Ende folgt ein Vergleich von GeR- und TRKI-Niveaustufen. <?page no="279"?> 1. (Wie) kann man Sprachen testen? Die Geschichte des modernen Sprachentestens hat eine jahrzehntelange Tradition und reicht vom isolierten, dekontextualisierten Testen einzelner grammatischer und lexikalischer Besonderheiten in den 1960er und 1970er Jahren (meist mittels Multiple-Choice-Aufgaben) bis hin zu den kommunikativen, handlungsorientierten, task-based Tests im 21. Jh. Psychometrische Verfahren zur Bestimmung von Reliabilitätskoeffizienten wurden anfangs eingesetzt, um u.a. die Hypothese eines unitary trait of language proficiency zu belegen. Sprachtests bestanden größtenteils aus der Überprüfung von Grammatik, Leseverständnis und Lexik. So genannte integrative und pragmatische Tests folgten. Erstere bezogen neben Diktaten, Lese- und Hörverstehenstests auch das Sprechen (oral interviews) und Schreiben ein, weil man eingesehen hatte, dass Wissen über das Sprachsystem allein zu wenig war, um kommunikativen Ansprüchen zu genügen; letztere sollten z.B. in Form von Cloze-Tests ungleich der invaliden discrete point tests valide Ergebnisse zu Tage fördern, um Auskunft über die globale Sprachfähigkeit zu geben, was sich leider als Trugschluss herausstellte. In den 1980er Jahren begann die Diskussion über kommunikative Sprachkompetenz im Fremdsprachenunterricht erneut, die sich neben der linguistischen Kompetenz (Morphologie, Syntax, Lexik) auch auf soziolinguistische und pragmatische Komponenten stützte und das Aushandeln von Bedeutung (negotiation of meaning) mittels functions and notions in den Mittelpunkt des Diskurses im Unterricht rückte. Sprachliches Können und die Verwendung von Sprache in Kommunikationssituationen lösten Wissen über Sprache ab. Immer wenn sich das Lehren von Fremdsprachen verändert, wenn Ansätze und Methoden einander ablösen, sich überlappen, sollte auch das Testen, Bewerten und Beurteilen den neuen sprachlichen Modellen angepasst werden. In der Schule wurde und wird dies aber oft versäumt. So wurde z.B. gegen Ende des 20. Jh. gefordert, bei der Erstellung von Testaufgaben die Spracherwerbsstufen, die jeder Lerner bei seinem Zweitsprachenerwerb durchläuft, vermehrt in Betracht zu ziehen. Sprachen testen war längst zu einem wichtigen und akzeptierten Zweig in der Angewandten Sprachwissenschaft geworden, doch in deutschen oder österreichischen Schulen war bei der Erstellung von Klausur- und Schularbeiten keine Rede von einer dazu nötigen Expertise. Hier genügte die „subjektive Erfahrung― so wie in der vorwissenschaftlichen Epoche des Sprachentestens, wobei allein Übersetzungen als gültige Grundlage für das Messen von Sprachkompetenz dienten. Ein kompetenter Lehrer würde wohl wissen, wie solch eine Übersetzung zu korrigieren und zu beurteilen sei. Die Testforschung der 1990er Jahre versuchte den Rahmen eines kommunikativen Sprachmodells wissenschaftlich zu untermauern. Performance assessment mit einem Anspruch auf Authentizität der target language use situation rückte in den Fokus der Lehre und des Testinteresses, normorientierte Beurteilungsformen wurden zu Gunsten einer kriterienorientierten Bewertung zurückgestellt. Computergestützte Testauswertung, probabilistische Testtheorie (item response theory) und Generalisierbarkeitstheorie (generaliza- Rückblick: die Geschichte des Sprachentestens In den Schulen ist Testexpertise erforderlich. Testen entsprechend dem kommunikativen Sprachmodell <?page no="280"?> 281 bility theory) haben Methoden von früher abgelöst, um gültige Aussagen zur Verallgemeinbarkeit von Erkenntnissen aus der Testforschung machen zu können. Validität und Fairness sind nach Bachman jene Testgütekriterien, die vermehrt im Mittelpunkt der (empirischen) Testforschung und -entwicklung stehen, und die auch die ethische und soziale Seite des Testens im 21. Jh. wesentlich mitbestimmen werden (vgl. Bachman 2000, 25). Für den Lehrer in der Schule war und ist es jedoch oft die Sprachrichtigkeit, die sein Denken über Testen und Bewerten bestimmt und weniger ein Kommunikationsmodell oder ein Testkonstrukt. Was sprachlich im Russischunterricht akzeptabel ist, ist leider oft ausschließlich eine Frage der Grammatik oder vielleicht noch der richtigen Aussprache und Intonation, aber viel weniger der sozialen Interaktion, der sprachlichen Höflichkeit oder der pragmatischen Besonderheiten wie Sprecherwechsel, Flexibilität, Flüssigkeit und Genauigkeit. <?page no="281"?> 2. Der Fehler im Russischunterricht Fehler spielen im Russischunterricht schon deshalb eine Rolle, weil Russisch eine stark flektierende Sprache ist und sich auf Grund der unterschiedlichen grammatischen Kategorien viele Fehlerquellen für Lernende bieten, da Wörter ihre Gestalt ändern (Affixe werden hinzugefügt; der Stamm ändert sich) oder oft einzigartig sind und nur einer bestimmten grammatischen Kategorie entsprechen, was Auswirkungen auf die Stellung des Wortes im Satz haben kann. Die Kategorie des Verbalaspekts und die Kategorie der Belebtheit bei den Substantiven stellen eine weitere Hürde dar, da Schüler mit Deutsch als Muttersprache mit diesen Kategorien nicht vertraut sind. Das kyrillische Alphabet verleitet vor allem im Anfängerunterricht zu orthographischen Fehlern oder zur Verwechslung von Buchstaben beim Schreiben. Das zahlreiche Phoneminventar des Russischen erschwert die Aussprache, Intonationsstrukturen und phonetische Besonderheiten wie regressive Assimilation oder die Palatalisierung von Konsonanten sorgen für weitere Hürden beim Sprechen. Für viele Russischlehrer sind morphologische und syntaktische Korrektheit oberstes Gebot. Grammatikfehler werden somit häufig als „schwere― Fehler eingestuft, weil sie mit ungenügendem Lernen in Verbindung gebracht oder auf mangelnde Sprachbegabung zurückgeführt werden. Russisch ist eben eine „schwere Sprache―. Dass Fehler natürliche Erscheinungen der Interimssprache sind, wird leider allzu oft vergessen. In den Augen vieler Lehrer gehören Fehler ausgemerzt, bestraft, sofort korrigiert, verbessert. In Wirklichkeit sind Erscheinungen der Interimssprache (oder Interlanguage) wie Simplifizierungen, Übergeneralisierungen, Inferenzen und Interferenzen (Negativtransfer) natürlicher Bestandteil des Lernprozesses und sie stellen eigentlich eine wichtige Informationsquelle dar, welches Stadium der Lernersprache die Schüler gerade durchlaufen. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) unterscheidet nicht zwischen schweren und leichten Fehlern, sondern zwischen Kompetenz- (ошибки) und Performanzfehlern (оговорки, просчеты) (GeR, 6.5, 151 f.). Erstere sind Erscheinungen der Interimssprache und haben mit der Tiefenstruktur der Sprache zu tun, letztere sind Fehler in der Sprachverwendung, die an der Oberfläche sichtbar werden. Während Kompetenzfehler gemacht werden, weil der Schüler z.B. die grammatische, syntaktische oder lexikalische Struktur noch nicht gelernt oder wieder vergessen hat, passieren Performanzfehler, weil etwas noch nicht ausreichend geübt oder nie automatisiert wurde. Kompetenzfehler sind den Lernenden nicht bewusst, Performanzfehler fallen ihnen auf und können ab einer gewissen Niveaustufe sogar von ihnen selbst korrigiert werden. Eine andere Art, Fehler zu unterscheiden, richtet sich danach, ob das Verstehen des Textes erschwert bzw. gestört oder nur leicht eingeschränkt ist. Azimov & Ščukin (2009, 182) sprechen von сильные коммуникативные und слабые коммуникативные ошибки. Fehler werden zwar vom Textproduzenten gemacht, die Wirkung oder die Art, wie er damit umgeht, liegt allerdings beim Rezipienten. Viele (sicher nicht alle) Grammatikfehler oder andere слабые коммуникативные ошибки lösen nur in sehr seltenen Fällen negative Affekte Fehler sind natürliche Erscheinungen der Interimssprache Kompetenzvs. Performanzfehler nach GeR Fehler nach dem Grad der Beeinträchtigung der Kommunikation <?page no="282"?> 283 beim Rezipienten aus, weil dieser meist über eine richtige Variante verfügt, die er der falschen ohne größere Mühe entgegensetzen kann. Kompetenzfehler oder сильные коммуникативные ошибки hingegen erschweren die Kommunikation sehr oder machen sie gar unmöglich, weil der Rezipient keine korrekte Variante dagegenhalten oder aus einer Reihe von möglichen anderen Varianten keine für die Situation passende auswählen kann. So wäre der letzte Teil des Satzes *Если хорошо отдыхаем, у нас будет новая сила. Мы сделаем лучше. nur schwer verständlich, obwohl er keine morphologischen oder orthographischen Fehler enthält. Die grammatischen Fehler im Satz *Хотя мы позвоню друг друга, я тоже скучаю тебя. können hingegen problemlos richtiggestellt werden und beeinflussen die Kommunikation in keiner Weise (Žorova 2009). Es ist aber gut möglich, dass bei einer Korrektur der Schüler für den ersten Satz nur einen Fehler (ein fehlendes Objekt nach делать), der Schüler für den zweiten Satz aber mehrere Fehler zugesprochen bekäme und somit wesentlich schlechter abschneiden würde als sein Klassenkollege. Fehlerfreie Kommunikationsprozesse sind in der Lernersprache nur schwer möglich. So verzichtet der GeR auch auf das (Auf)Zählen von Fehlern oder auf das Errechnen eines Fehlerquotienten. Der Referenzrahmen stellt das Positive einer Schülerleistung in den Kann-Beschreibungen in den Vordergrund und er akzeptiert Fehler als Erscheinungen der Lernersprache, wovon zahlreiche Skalen wie z.B. Kontrolle und Reparaturen (GeR 4.4.1.3), Wortschatzbeherrschung (GeR 5.2.1.1), Grammatische Kompetenz (GeR 5.2.1.2), Beherrschung der Orthographie (GeR 5.2.1.6) und Soziolinguistische Angemessenheit (GeR 5.2.2.5) zeugen. Für Russischlehrer, deren Muttersprache Deutsch ist, mag es oft leichter sein, die Grammatikfehler ihrer deutschen Schüler in Texten zu erkennen und diese als störend abzutun, als Fehler aus anderen Kompetenzbereichen (wie z.B. Pragmatik, Stilistik oder Soziolinguistik). Das mag damit zusammenhängen, dass die Lehrer in diesen Bereichen u.U. über eine geringere Kompetenz als in Morphologie und Syntax verfügen. Aber gerade Fehler aus diesen Kompetenzbereichen können in der Kommunikation oft störender sein als falsche Kasusendungen, ein falscher Aspekt oder ein falsch geschriebenes Wort. Viel schwerer dürften sich Lehrer allerdings in jenen Fällen tun, wenn sie mit Fehlern von Kindern mit Migrationshintergrund im Russischen konfrontiert sind. Welche Rolle der Fehler im Russischunterricht spielt, hängt auch immer von der Methode oder dem Ansatz ab, die die Vermittlung der Fremdsprache im Unterricht dominieren. Anhänger der Grammatik- und Übersetzungsmethode hatten eine andere Einstellung zum Fehler als die Verfechter der audiolingualen Methode oder jene des kommunikativen Ansatzes. Wenn derzeit Handlungsorientiertheit und aufgabenbasiertes Lernen einen kommunikativ und interkulturell ausgerichteten Russischunterricht bestimmen, so soll bedacht werden, welche Einstellung gegenüber Kompetenz- und Performanzfehlern angebracht ist, wie ihnen der Lehrer im Unterricht und bei der Korrektur begegnet bzw. welche (unterschiedlichen) Kriterien für Aussprache-, Rechtschreib-, Lexik-, Sprachgebrauch- und Grammatikfehler aber auch für soziolinguistische, soziokulturelle oder pragmatische Fehler gelten (vgl. GeR 6.5.3). Welche Rolle der Fehler im Unterricht spielt, hängt von der Methode ab. <?page no="283"?> 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien Um die Begriffe Testen, Bewerten und Beurteilen (тестирование, оценивание, оценка) voneinander abzugrenzen, wird hier der Begriff des Testens für das mündliche und/ oder schriftliche Prüfen von Schülerleistungen verwendet. Mit Bewerten wird das Einschätzen von Lernleistungen (assessment for learning) anhand der im GeR angeführten Kriterien verstanden und mit Beurteilen ist das Vergeben von Punkten oder Noten bzw. das Verleihen eines Zertifikats oder Zeugnisses (assessment of learning) für eine Lernleistung gemeint. Lernleistungen zu bewerten und zu beurteilen kann kriterien- (соотнесение с критериями) oder normorientiert (соотнесение с нормой) erfolgen. Eine normorientierte Bewertung und Beurteilung würde bedeuten, dass die Lernenden anhand ihrer Leistungen in eine Rangfolge gebracht werden, während eine an Kriterien orientierte Bewertung und Beurteilung nahe legt, dass die Schüler „in Bezug auf [ihre] Fähigkeiten in dem jeweiligen Gebiet bewertet― und beurteilt werden (GeR, 9.3.2). Eine normorientierte Bewertung sagt aus, ob ein Schüler der dritt- oder fünftbeste bei einer Leistungsfeststellung (z.B. einer Klassen- oder Schularbeit) war; kriterienorientierte Bewertung stuft eine individuelle Lernleistung sowohl vertikal (der Kompetenz nach) als auch horizontal (den Lebensbereichen oder Domänen 1 nach) ein. Klassen-, Klausur- und Schularbeiten gehören zu den so genannten Sprach- oder Lernstandstests. Diese erheben, ob bestimmte Lernziele erreicht wurden (оценка усвоения). Sie sind unterrichtsbzw. inhaltsbezogene Leistungsmessungen. Qualifikations- oder Feststellungsprüfungen (оценка владения) weisen nach, ob ein Spektrum an Fähigkeiten auch den Anforderungen im wirklichen Leben genügen würde. Beide Typen der Bewertung bzw. Beurteilung sind sowohl auf die Erfassung der Kompetenz als auch die Kontrolle des Gelernten ausgerichtet, fokussieren aber auf diese beiden Bereiche unterschiedlich stark. So liegt z.B. bei Abitur- oder Reifeprüfungen der Schwerpunkt auf dem Feststellen der Qualifikation: Hat der Schüler oder die Schülerin tatsächlich das erforderliche Niveau erreicht? Leistungsmessung im Russischunterricht kann unterschiedliche Ausrichtungen haben: Sie kann punktuell oder kontinuierlich erfolgen, summativ oder formativ, direkt oder indirekt, subjektiv oder objektiv (s. GeR 9.3). Lehrende sollten sich aber in jedem Fall Gedanken machen, wen sie testen, was sie testen, wie sie testen, warum sie testen und was sie letzten Endes messen. Diese fünf Fragen sollten am Beginn jeder Erstellung von Test- oder Prüfungsaufgaben stehen bzw. auch zu Rate gezogen werden, wenn aus publizierten Test- oder Prüfungsmaterialien eine Auswahl getroffen werden muss - vorausgesetzt, es wird dabei kein Copyright verletzt. Lehrer wissen über die Schwierigkeit Bescheid, bei Leistungsmessungen fair, geduldig und gerecht zu sein. Aber Schüler verdienen für ihre Leistungen objektive, transparente, zuverlässige und gültige Ergebnisse. Alles, was 1 Gemeint sind jene Bereiche (сферы общения), in denen sprachliche Aktivitäten stattfinden: der öffentliche, berufliche und private sowie der Bildungsbereich (GeR, 26). Begriffsklärung: Testen Bewerten Beurteilen Leistungsmessung im Russischunterricht <?page no="284"?> 285 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien einer Messung unterzogen werden kann, ist fehleranfällig. Testersteller und -auswerter sollten daher Maßnahmen treffen, um Mess- und in der Folge Bewertungs- und Beurteilungsfehler möglichst gering zu halten. Dabei hilft es, wenn Testgütekriterien berücksichtigt werden. 3.1 Transparenz durch Reliabilität und Validität Das Wort Leistungsmessung legt nahe, dass etwas gemessen wird, was richtig zu interpretieren ist, um den Schülern qualifiziertes Feedback (in Form einer Note und/ oder eines verbalen Kommentars) geben zu können. Wenn unsere Messungen falsch sind oder wenn wir unsere Messungen nicht richtig interpretieren, fällt auch das Feedback falsch aus und der weitere Lernerfolg des Schülers steht unter Umständen in Frage. Wir sollten also tatsächlich das messen, was wir vorgeben zu messen. Wollen wir z.B. wissen, wie gut das Hörverstehen einer Schülerin ist, so macht es wenig Sinn, diese den gehörten Text in eigenen Worten niederschreiben zu lassen. Ein auf solche Art und Weise (re)produzierter Text erschwert das Urteil über die Hörleistung. Wir wissen ja nicht, ob die Schülerin die Textpassage richtig verstanden, aber fehlerhaft niedergeschrieben hat oder ob sie den Text mangelhaft verstanden, aber auf Grund guter Schreibkenntnisse fehlerfrei formulieren konnte. Hörverstehen mit Hilfe einer Schreibproduktion zu überprüfen stellt den Lehrer also vor gewisse Probleme. Die Aussagen, die er über das Testergebnis macht, wären infolgedessen nicht eindeutig und somit nicht zuverlässig. Und da er Hören und Schreiben getestet hat, sind die Ergebnisse das Hörverständnis betreffend auch nicht gültig. An dieser Stelle könnte richtigerweise eingewendet werden, dass diese Art der integrierten Überprüfung (Hören und Schreiben in Kombination) eine durchaus realistische Aufgabe im Sinne von Handlungsorientiertheit und lebensnahen Aufgabenstellungen wäre. Aber bevor wir uns integrierten Aufgaben (комбинированные тестовые задания) zuwenden, sollten wir uns über das Messen und die Interpretation der Messergebnisse bei unverbundenen oder item-basierten Aufgaben (отдельные тестовые задания) Klarheit verschaffen. 3.1.1 Reliabilität (надежность) Testergebnisse müssen reliabel bzw. zuverlässig (d.h. konsistent) sein. Das bedeutet, dass wir bei einer Korrektur immer zum selben Ergebnis kommen müssten bzw. dass Schüler die Aufgabe (bei mehrmaligen Wiederholungen) gleich lösen sollten. Sie erinnern sich sicher an Aufgaben des Typs Setzen Sie ein passendes Verb der Fortbewegung ein: В субботу Петя и Ваня ... в зоопарк. Wenn Sie solche Testaufgaben gegeben haben, dann wissen Sie, dass Schüler mit unterschiedlichen Antworten aufwarten: ходят, ходили, съездили, пошли, едут, идут, ехали, ездили; собираются, были (letztere sind keine Verben der Fortbewegung bzw. быть würde einen anderen Kasus verlangen) … - von vielen anderen (richtigen und falschen) Varianten ganz zu schwei- Wir sollten tatsächlich das messen, was wir vorgeben zu messen. Bei einer Korrektur müssen wir immer zum gleichen Ergebnis kommen. <?page no="285"?> IV Evaluation im Russischunterricht 286 gen. Was hier getestet wird, bleibt im Unklaren: Verben der Fortbewegung? Verbalformen? Zeitformen? Aspekte und Verben der Fortbewegung? Lexik? Etwas klarer - den zeitlichen Rahmen und die Abfolge der Handlungen betreffend - würde die Aufgabenstellung sein, lautete der Satz folgendermaßen: Медведев и Путин ... на рыбалку и покатались на катере. Aber selbst hier gibt es noch mindestens zwei korrekte Lösungsmöglichkeiten: съездили und сходили. Bei diesen ungebundenen Aufgaben stellt sich bereits die Frage, ob jeder Lehrer immer nur ein und dasselbe Ergebnis akzeptieren würde bzw. ob unterschiedliche Lehrer dieselben Ergebnisse für richtig erklärten. Welche Antwort wird (noch) akzeptiert, welche nicht mehr? Wie gehen wir mit orthografischen Fehlern um, wenn z.B. съездили oder пойдут falsch geschrieben werden? Für den Zweck einer Übung im Unterricht mag der Satz hilfreich sein, um mit den Schülern mögliche Antworten zu besprechen und miteinander vergleichen zu können. Für das Testen sind solche Sätze wenig geeignet, weil sie zu viele Lösungsmöglichkeiten zulassen. Das führt dazu, dass wir unterschiedliche Antworten erhalten, die wir jedes Mal gegeneinander abwägen müssen. Unsere Auswertungen könnten nicht konsistent sein. Wenn unsere Auswertungen (oder Messungen) nicht konstant sind, dann sind sie nicht reliabel. Aber von einer Messung erwarten wir uns Eindeutigkeit und Zuverlässigkeit. Denken Sie daran, wenn Sie den Reifendruck Ihres Autos messen lassen, den IQ Ihres Kindes, die Wassertemperatur des Meeres im Urlaub, Ihr Körpergewicht oder den Blutdruck bei einem Arztbesuch: Sie würden es nicht akzeptieren, dass man Ihnen bei einer Messung mehrere verschiedene Ergebnisse mitteilt und Sie sich nicht darauf verlassen können, welches denn nun stimmt. Wenn ein und dieselbe Lehrperson zum gleichen Ergebnis kommt, so sprechen wir von Intrarater-Reliabilität (надежность наблюдателя); wenn unterschiedliche Lehrpersonen zum gleichen Ergebnis kommen, nennen wir das Interrater-Reliabilität (межнаблюдательская надежность). Die Konstanz der Messung sollte sich aber auch in unterschiedlichen Tests zeigen, die das gleiche messen (метод эквивалентных форм). So sollten zwei Tests zu den Verben der Fortbewegung, die annähernd denselben Schwierigkeitsgrad haben und derselben Leistungsgruppe vorgelegt werden, vergleichbare Messergebnisse aufweisen. Die Ergebnisse wären nicht reliabel, wenn Schüler/ innen bei einem der beiden Tests viel besser abschnitten als bei dem anderen. Ob eine Aufgabe, die aus mehreren Items (позиция; вопрос теста; минимальная составляющая единица) besteht, reliabel ist, zeigt sich im Wert ihrer inneren Konsistenz, d.h. die einzelnen Items passen zusammen, messen dasselbe Konstrukt und verweisen die einzelnen Testteilnehmer auf die gleichen Rangplätze. Vereinfacht gesagt: Sowohl schwierige als auch leichte Items werden von den besseren Schülern gelöst, schwächere Schüler lösen nur die leichteren Items. Solch ein Wert (коэффициент внутренней согласованности) lässt sich z.B. mit Hilfe eines Computerprogramms wie SPSS (Software package used for statistical analysis) errechnen. Von einer Messung erwarten wir Eindeutigkeit und Zuverlässigkeit. Reliabilität einer Aufgabe zeigt sich im Wert ihrer inneren Konsistenz. <?page no="286"?> 287 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien Was kann nun ein Russischlehrer tun, um reliable Aufgaben zu erstellen, ohne den Computer zu bemühen? Je mehr Items eine Aufgabe enthält, umso reliabler ist sie. Items sollten unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufweisen, sie sollten repräsentativ und trennscharf sein. Ersteres bedeutet: Testen Sie nicht (nur) Ausnahmen! Letzteres bedeutet: Items mit einem mittlerem Schwierigkeitsgrad haben eine besonders hohe Trennschärfe, d.h. sie differenzieren zwischen leistungsstarken und leistungsschwächeren Schülern. Und schließlich: Aufgaben dürfen nicht per Zufall, sei es durch Raten oder durch Abschreiben gelöst werden (was vor allem bei Richtig/ Falsch- und Multiple Choice-Aufgaben möglich ist) und die Arbeitsanweisung muss klar, deutlich und unmissverständlich sein. Ein Tipp: B1-Aufgaben sollten eine Anleitung auf sprachlichem A2-Niveau aufweisen. Bei unverbundenen Aufgaben ist es hilfreich, wenn es nur eine Lösungsmöglichkeit gibt: richtig oder falsch bzw. stimme zu oder stimme nicht zu. Man spricht in diesem Fall von dichotomen Aufgaben. Zur Verbesserung der Reliabilität s. z.B. Hughes (2003, 44-52). Die Reliabilität von Testaufgaben ist Voraussetzung für das nächste Testprinzip - das Prinzip der Validität. 3.1.2 Validität (валидность) Es dürfte einleuchten, dass gültige (valide) Ergebnisse nur aus stabilen bzw. konstanten Messungen stammen können. Während wir Reliabilität messen können - denken Sie z.B. an die innere Konsistenz von Items -, so können wir die Validität nur aus Messungen erschließen. D.h. wir können auf Grund von Messungen die Aussage treffen, dass Testaufgaben reliabel sind, wir können aber auf der Basis dieser Messungen nicht sagen, dass sie valide sind. Früher wurde Validität häufig damit gleichgesetzt, dass Testaufgaben das messen sollen, was sie vorgeben zu messen. Heute versteht man unter Validität jedoch eher die richtige Interpretation der Testergebnisse in Bezug auf das Testkonstrukt 2 . D.h.: Sind die Schlüsse, die wir aus der Interpretation der Testergebnisse ziehen, wirklich ein Beweis dafür, dass wir gemessen haben, Erinnern wir uns an das Beispiel zu Beginn dieses Kapitels 3.1, als wir das Hörverständnis mit Hilfe einer Schreibproduktion überprüfen wollten: Die Interpretation der sprachlichen Korrektheit, des angemessenen Gebrauchs der Lexik und der richtigen Verwendung syntaktischer Strukturen, der korrekten Orthografie und Satzzeichensetzung im Endprodukt - alles Kriterien, die wir für eine Schreibproduktion ansetzen würden -, wäre in der Tat kein Beweis für das Messen eines Konstrukts von Hören. Um Hören richtig bewerten und beurteilen zu können, müssen wir z.B. andere Kriterien zugrunde legen wie (globale) Hauptaussagen verstehen (B2) oder (detaillierte) Hauptpunkte unterscheiden (B1) oder alltägliche Wendungen und 2 Testkonstrukt ist eine theoretische und kriterienorientierte Vorstellung dessen, was eine Aufgabe auf einem bestimmten Niveau fördern oder messen soll. Tipps zum Erstellen reliabler Aufgaben für den Russischunterricht was wir messen wollten? Der Begriff der Konstruktvalidität (конструкт[ив]ная валидность) ist in der Validitätsdiskussion der maßgebliche und schließt Inhalts- (содержательная валидность) und Kriteriumsvalidität (критери альная валидность) als unumgängliche Voraussetzung mit ein. <?page no="287"?> IV Evaluation im Russischunterricht 288 Wörter verstehen (A2). Die schriftliche Zusammenfassung eines gehörten Textes würde das nur bedingt leisten. Auch wenn wir die schriftliche Aufgabenstellung nach den Hörkriterien ausrichteten und die Schreibkriterien außer Acht ließen, bliebe immer noch der Eindruck des geschriebenen Textes, auf dessen Grundlage wir unsere Interpretationen über das korrekte Hörverstehen auszurichten hätten. Ein Blick auf die folgenden Niveaustufen A2-B2 der GeR-Skala „Hörverstehen allgemein― (vgl. Abb. 29 aus GeR, 4.4.2.1) zeigt uns, dass Hörverstehen einer gewissen Progression folgt: vom Verstehen von Wörtern und Wendungen (A2) über das Verstehen von Hauptpunkten (B1) hin zu Hauptaussagen (B2). Auf B1-Niveau müssen Hauptaussagen lediglich erkannt, nicht aber verstanden werden. B2 Kann im direkten Kontakt und in den Medien gesprochene Standardsprache verstehen, wenn es um vertraute oder auch um weniger vertraute Themen geht, wie man ihnen normalerweise im privaten, gesellschaftlichen, beruflichen Leben oder in der Ausbildung begegnet. Nur extreme Hintergrundgeräusche, unangemessene Diskursstrukturen oder starke Idiomatik beeinträchtigen das Verständnis. Kann die Hauptaussagen von inhaltlich und sprachlich komplexen Redebeiträgen zu konkreten und abstrakten Themen verstehen, wenn Standardsprache gesprochen wird. Versteht auch Fachdiskussionen im eigenen Spezialgebiet. Kann längeren Redebeiträgen und komplexer Argumentation folgen, sofern die Thematik einigermaßen vertraut ist und der Rede- oder Gesprächsverlauf durch explizite Signale gekennzeichnet ist. B1 Kann unkomplizierte Sachinformationen über gewöhnliche alltags- oder berufsbezogene Themen verstehen und dabei die Hauptaussagen und Einzelinformationen erkennen, sofern klar artikuliert und mit vertrautem Akzent gesprochen wird. Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn in deutlich artikulierter Standardsprache über vertraute Dinge gesprochen wird, denen man normalerweise bei der Arbeit, in der Ausbildung oder der Freizeit begegnet; kann auch kurze Erzählungen verstehen. A2 Versteht genug, um Bedürfnisse konkreter Art befriedigen zu können, sofern deutlich und langsam gesprochen wird. Kann Wendungen und Wörter verstehen, wenn es um Dinge von ganz unmittelbarer Bedeutung geht (z.B. ganz grundlegende Informationen zu Person, Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung) sofern deutlich und langsam gesprochen wird. Abb. 29: Hörverstehen allgemein - GeR-Niveaustufen A2-B2 Kriterien bestimmen also maßgeblich unser Konstrukt von Hör- und Hör-/ Sehverstehen, von (monologischem und/ oder dialogischem) Sprechen, von Lesen und Schreiben. Mit Hilfe umfassender und transparenter Kriterien - wie sie in den einzelnen Skalen des GeR angeführt sind - sollte es möglich sein, Vorhersagen über die Leistungen von Schülern in der Zukunft machen zu können (прогностическая валидность) bzw. ihre Leistungen mit denen Kriterien für die Progression des Hörverstehens Validität auf der Grundlage konstruktspezifischer Kriterien <?page no="288"?> 289 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien in anderen Tests, die ein ähnliches Konstrukt aufweisen, vergleichen zu können (сопоставительная валидность). Die Aufgaben, die die Tests enthalten, müssen aber eine inhaltlich repräsentative Auswahl des Konstrukts darstellen. Nicht selten entscheidet - aus der Sicht der Kandidaten oder deren Eltern - auch das Aussehen bzw. die Form eines Tests darüber, ob der Test ernst genommen wird oder nicht. Wir sprechen dann von Augenscheinvalidität (внешняя валидность). Die Interpretationen, die aus den Testergebnissen eines „fremd― anmutenden Tests gezogen werden, werden oft abgelehnt, weil auch der Test als solcher nicht akzeptiert wird. Die Validität der Interpretation der Ergebnisse in Relation zur gestellten Aufgabe lässt sich erhöhen, wenn die Qualität der Aufgabe(n) bzw. der Items stimmt, die Aufgabenauswahl repräsentativ und ihr Schwierigkeitsgrad ausgewogen ist. Die Aufgaben müssen dem Zweck des Tests entsprechen, d.h. wir müssen uns darüber im Klaren sein, ob wir einen Sprachstandstest, einen Einstufungstest, einen diagnostischen Test (der Stärken und/ oder Schwächen aufzeigt) oder einen Test zur Niveaufeststellung, eine Feststellungs- oder Qualifikationsprüfung, erstellen. Ein Konstrukt, wie Sprache gelehrt und getestet wird, wird auch wesentlich von Kommunikationsmodellen bestimmt. Was bedeutet es, kommunikative und interkulturelle Kompetenz zu lehren und diese auch zu testen? Die einzelnen Komponenten (sprachlicher) Kompetenzmodelle wie jener von Canale & Swain (1980), Bachman (1996) oder Weinert (2001) bestimmen unser Konstrukt von „Sprachverwendung―. Auf welche Komponente(n) wir den Fokus legen - auf grammatische, soziolinguistische, pragmatische, strategische oder diskursive Kompetenz - wird wesentlich unseren Unterricht und unser Testkonstrukt beeinflussen. 3.2 Authentizität und Praktikabilität Zweifellos sind Reliabilität und Validität jene Prinzipien, die bei der Testerstellung und Interpretation der Ergebnisse besonders maßgeblich sind, wenn wir gute Aufgaben erstellen wollen. Lehrern wird es im Unterricht nicht immer leicht fallen, diese Prinzipien zu berücksichtigen und eine statistische Auswertung von Reliabilitätskoeffizienten wird - wenn überhaupt - nur in seltenen Fällen möglich sein. 3 Aber Praxis, Arbeit im Team und auch Erfahrung können helfen, schnell und oberflächlich erstellte Test- und Prüfungsaufgaben zu verbessern. Leichter handhabbar sind die Prinzipien der Authentizität und Praktikabilität, die aber nicht weniger wichtig sind. 3 Douglas (2010, 85-114) bietet im 5. Kapitel seines Buches Understanding Language Testing einen „Minikurs― in Statistik für Fremdsprachenlehrer, in dem Begriffe wie Mittelwert, Normalverteilung, Standardabweichung, Korrelation, Reliabilitätskoeffizient oder Messfehler einfach erklärt werden. Für jene, die sich ausführlich mit Statistik und Leistungsmessung auseinandersetzen wollen, sei Greens Buch Statistical analyses for language testers (2013) empfohlen. Was bedeutet es, kommunikative und interkulturelle Kompetenz zu lehren und diese auch zu testen? <?page no="289"?> IV Evaluation im Russischunterricht 290 Authentische Texte sind eine Voraussetzung, wenn Schüler lernen sollen, mit real life tasks (oder target tasks) umzugehen. Je früher wir im Russischunterricht solche Texte verwenden (können), desto besser werden die Ergebnisse im Bereich der Sprachverwendung sein. Natürlich wissen wir, dass auf A1- und A2-Niveau Abstriche gemacht werden müssen, doch moderne Russischlehrwerke wie Диалог, Мост, Ключи, Конечно, Отлично, Привет, Поехали oder Пять элементов zeigen exemplarisch, dass die Verwendung authentischer Texte, in die nur minimal zu Adaptionszwecken eingegriffen wird, möglich ist. 3.2.1 Authentizität (аутентичность) Ansätze und Methoden, wie eine Fremdsprache erworben werden kann, mögen verschieden sein. Bei der Auswahl von und der Arbeit mit Texten stellen aber alle einen Bezug zur Textauthentizität her. Das ist eine Art, wie man Authentizität in der Unterrichtsarbeit verstehen kann. Neben einer Reihe verschiedener Möglichkeiten werden im GeR (6.4.1) folgende Ansätze genannt, die explizit das Wort „authentisch― enthalten: Der direkte Kontakt mit authentischem Gebrauch der Fremdsprache, die direkte Teilnahme an authentischer kommunikativer Interaktion sowie die Lektüre von authentischen schriftlichen Texten erleichtern den Erwerb einer Fremdsprache bzw. helfen dabei. Natürlich arbeiten Russischlehrer häufig mit speziellen, für die Verwendung im Unterricht erstellten und nicht selten mit adaptierten Texten. Umso wichtiger ist es, dass auch authentisches, für kommunikative Zwecke ausgerichtetes Material - und gelegentlich ohne Bezug zum Sprachunterricht - zum Einsatz kommt. Auf alle Fälle muss sich das im Russischunterricht verwendete Material auch in der Test- und Prüfungssituation widerspiegeln. Leider ist bei Klausuren und Prüfungen in der Schule der Bezug zum wirklichen Leben nicht immer möglich, aber manchmal wird er ganz einfach auch vergessen. Eine andere Art von Authentizität stellt die Interaktion dar, die ein Kandidat unweigerlich bei der Lösung einer Aufgabe „aufbaut―. Diese Interaktion hat „wirklichkeitsnah― zu sein, d.h. in der Klassenzimmersituation soll das Konstrukt, auf dem unsere Aufgaben basieren, realitätsnah und so authentisch wie möglich widergespiegelt werden. Mit anderen Worten: Unsere Tests und Prüfungen sollen bestrebt sein, Situationen aus der Zielsprache (ситуативность речевого общения в рамках контекста изучаемого языка) abzubilden. 3.2.2 Praktikabilität (практичность) Tests, deren Ergebnisse reliabel und valide sind, kosten Zeit bei der Erstellung. Es ist daher sinnvoll und es sollte ein Anliegen von Lehrern sein, Tests so zu gestalten, dass sie wieder verwertbar oder reproduzierbar sind. Auch wenn es an Schulen schwer sein dürfte, Tests zu pilotieren, so können Lehrer dennoch versuchen, die eine oder andere Aufgabe in einer vergleichbaren Gruppe oder einer Parallelklasse auszuprobieren. Dabei könnte sich zeigen, ob der vorgesehene zeitliche Rahmen adäquat ist. Bevor Testaufgaben an Schüler ausgegeben werden, ist es sinnvoll, die Aufgabe selbst zu machen Möglichst früh sollen im Russischunterricht authentische Texte verwendet werden. Tests und Prüfungen sollen Situationen aus der Zielsprache abbilden. Um praktikabel zu sein, sollten Tests wieder verwertbar und reproduzierbar sein. <?page no="290"?> 291 3. Testprinzipien oder Testgütekriterien bzw. Kollegen machen zu lassen. Unbrauchbare oder schlechte Items können dann entweder verbessert oder zur Gänze aus dem Test entfernt werden. Die Praktikabilität von Aufgaben wird durch das Erstellen von Testspezifikationen (спецификации теста) wesentlich gefördert. Allerdings ist es zeitaufwändig, Testspezifikationen zu erstellen und regelmäßig einer Evaluierung zu unterziehen. Solche Testspezifikationen enthalten eine genaue Beschreibung des Tests wie Ziel (z.B. Leistungsmessung oder Qualifikationsprüfung), Inhalt, Adressatengruppe, Niveaustufe, verwendeter Input oder Stimulus, mögliche Themen, Testformate u.ä. Liegen solche Testspezifikationen vor, ist es für Lehrer einfacher, den Anforderungen von Tests für eine bestimmte Leistungsgruppe gerecht zu werden. Auch die Wiederverwertbarkeit ist dadurch gegeben, weil man Tests so erstellt, dass sie den Zielsetzungen und Kriterien nachhaltig entsprechen. Die Frage, was leicht und schnell testbar ist bzw. was tatsächlich getestet werden kann, wird mit Hilfe von Testspezifikationen eher zu beantworten sein, als wenn es von der subjektiven Meinung eines einzelnen Lehrers abhängt. Testspezifikationen sind keinesfalls in Stein gemeißelt, sie dürfen bei Bedarf geändert, modifiziert oder angepasst werden. Fragen der Praktikabilität betreffen aber auch die Durchführung bzw. Administrierung eines Tests. So sollte in Testspezifikationen enthalten sein, wann und wie Hörübungen durchgeführt werden (z.B. am Beginn oder am Ende der Klausur, welche technischen Geräte benötigt werden, ob ausreichend Kopfhörer vorhanden sind), ob Testaufgaben der Reihe nach oder auf einmal ausgegeben werden, ob Leseaufgaben mit Hilfe des Textes oder nach einmaligem Lesen ohne ihn gelöst werden müssen oder ob mit einer speziellen Computersoftware erstellte Testaufgaben zugelassen sind. Selbstverständlich ist auch die Art von Bewertungsrastern oder -skalen in die Testspezifikationen aufzunehmen. Zur Praktikabilität gehören des Weiteren Tipps, wie Testaufgaben reliabler bzw. valider gestaltet werden können. Eine einfache Lösung ist die Anzahl der Testitems zu erhöhen. Testitems sollen einen mittleren Schwierigkeitsgrad haben, sie sollten eindeutig sein und die Aufgaben sollten mit klaren und verständlichen Instruktionen versehen sein. Wahlmöglichkeiten (z.B. bei Aufsatzthemen) bzw. das mögliche Raten bei der Auswahl aus einer Gruppe von wenigen Optionen reduzieren die Reliabilität. Auch das Layout des Tests und die Lesbarkeit der verteilten Kopien tragen zur Reliabilität eines Tests bei. Sammeln Sie also Testitems, die sich bewährt haben, in einer „Testdatenbank―, so dass Sie diese wieder verwenden können - vorausgesetzt, sie entsprechen dem Zweck des neuen Tests. Die Validität eines Tests wird erhöht, wenn eine repräsentative Auswahl an Testitems und Testformaten geboten wird, die der in den Testspezifikationen festgehaltenen Inhalts- und Konstruktvalidität entsprechen. Ein Test, der bei der Messung von Leistung nicht reliabel ist, kann niemals valide sein, wenn es um die Interpretation der Testergebnisse und das damit verbundene Feedback an die Schüler geht. Erstellen von Testspezifikationen Tipps zur reliablen bzw. validen Gestaltung von Testaufgaben <?page no="291"?> IV Evaluation im Russischunterricht 292 3.2.3 Washback (эффект обратного влияния теста на изучение и преподавание) Die Art zu testen beeinflusst sowohl das Lernen als auch das Lehren. Schüler lernen schnell, sich auf die Tests einer bestimmten Lehrperson einzustellen, und sie werden auch ihr Lernverhalten dementsprechend anpassen. Der Lehrer wiederum zieht Schlüsse aus der Interpretation der Testergebnisse und ändert sein Unterrichtsverhalten, wenn er findet, dass seine Schüler/ innen z.B. die Vokabeln der Lektion(en) nicht oder nicht ausreichend gelernt haben. Diese Rückkoppelungseffekte auf das Lernen und Lehren können positiver oder negativer Art sein. Washback (oder backwash) kann sich auf einen oder auf alle Schüler, einen oder mehrere Lehrer, eine Klasse, eine ganze Schule oder aber auch auf Teile der Gesellschaft beziehen, wenn wir bedenken, welche Reaktionen z.B. die Einführung einer standardisierten Reifeprüfung in der Presse in unterschiedlichen Ländern auslöst bzw. ausgelöst hat. Das Testen mündlicher Fertigkeiten wird in der Regel als schwierig erachtet und viele Lehrer sind sich einig, dass Sprechen im Schulunterricht häufig zu kurz kommt. Wird Sprechen ausschließlich in unbeurteilten Partner- und Gruppenarbeiten trainiert und gepflegt und vom Lehrer im besten Fall beim Durchgehen durch die Klasse beiläufig zur Kenntnis genommen, so werden Schüler zur mündlichen Interaktion eine bestimmte Haltung entwickeln, die sich eher negativ auf ihr Lernverhalten auswirkt. So wie die Art des Testens die Lehr- und Lernprozesse beeinflusst, so können unterschiedliche Testformate die Testergebnisse beeinflussen. Die Art zu testen beeinflusst sowohl das Lernen als auch das Lehren. <?page no="292"?> 4. Testformate Für item-basiertes Testen empfiehlt die Reihe Into-Europe „Prepare for modern English exams― (http: / / www.lancs.ac.uk/ fass/ projects/ examreform/ Pages/ Exams.html) folgende Formate, die auch für den Russischunterricht geeignet sind und in der folgenden Tabelle (Abb. 30) zusammengefasst sind, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: 1 F ERTIGKEITEN UND K OMPETENZEN T ESTFORMATE Hören Kurzantworten, Multiple Choice, Richtig/ Falsch, Ergänzen, Zuordnen Sprechen Interview, Monolog, Dialog, Rollenspiel Lesen Kurzantworten, Zuordnen (Überschriften / Fragen zu Textpassagen; Sätze und Satzteile zu Leerstellen im Text), Reihenfolge herstellen, Richtig/ Falsch/ Nicht im Text (oder Begründung) Schreiben Brief (E-Mail), Artikel, Bericht, Aufsatz Sprache in Kontext (Sprache in Verwendung) Lückentexte (mit und ohne Schüttelkasten), Multiple Choice, Finde den Fehler (Editing), Wortbildung Abb. 30: Testformate Eine Testaufgabe (тестовое задание) besteht aus einer Arbeitsanweisung (инструкция по выполнению), einem Text (основа задания) und - bei geschlossenen Testformaten - aus einer Auswahl von Antwortmöglichkeiten (набор возможных ответов). Von einer Übung im Unterricht unterscheidet sie sich vor allem dadurch, dass mit einer Testaufgabe Leistung gemessen und nicht Sprachverwendung trainiert wird. Azimov & Ščukin (2009, 311) unterscheiden vier Untergruppen von Aufgaben: geschlossene und offene Formate (задания в закрытой и открытой форме), Zuordnungsaufgaben (задания на установление соответствия) und Ordnungsaufgaben (задания на установление правильной последовательности). Balychina (2006, 21) fügt diesen noch Ergänzungsaufgaben (задания завершения), Auswahlaufgaben (задания с выборочным ответом) und Redigieraufgaben (задания редактирования) hinzu. 1 Für weitere Aufgabenformate siehe die Bücher Assessing listening, Assessing speaking, Assessing reading, Assessing writing, Assessing grammar, Assessing vocabulary der Reihe Cambridge Language Assessment Series (Hrsg.: J. Charles Alderson & Lyle F. Bachman). Testaufgaben unterscheiden sich von Übungen im Unterricht. <?page no="293"?> IV Evaluation im Russischunterricht 294 Bei der Aufgabenerstellung ist generell zu beachten, dass die Texte, auf denen die Aufgaben basieren, authentisch sein sollen und dem Alter der Adressatengruppe entsprechen müssen. Länge und Schwierigkeitsgrad des Textes sind ebenso zu beachten wie die Tatsache, ob sich der Text für das entsprechende Aufgabenformat (oder gar für mehrere Formate) eignet. Nicht alle Texte eignen sich für jedes Testformat. So sind z.B. Texte, die viele Zahlen, Eigennamen oder längere Passagen direkter Rede enthalten, für Lückentexte wenig brauchbar. Wird ein Testformat Schülern in einer Klausur oder Schularbeit vorgelegt, so müssen diese mit dem Format bereits vertraut sein. Innerhalb einer Aufgabe sollte das Testformat nicht gewechselt werden, d.h. Sie sollten vermeiden, bei der Erstellung einer Multiple-Choice-Aufgabe plötzlich in einen Lückentext zu wechseln. Eine Aufgabe muss außer einem Beispiel mindestens fünf weitere Items enthalten, obwohl sich für die meisten Aufgaben schon auf Grund wünschenswerter höherer Reliabilitätswerte eine Anzahl von mehr als fünf Items empfiehlt. So werden z.B. für Lückentexte meist 12-15 Items, für Finde den Fehler-Aufgaben 15-20 Items empfohlen. Die durchnummerierten Items müssen gleichmäßig über den Text verteilt sein, die chronologische Reihenfolge ist unbedingt einzuhalten, die ersten und letzten Sätze des Textes sollten der besseren Verständlichkeit halber unangetastet bleiben. Items dürfen nicht interdependent (voneinander abhängig) sein oder sich überlappen und auf keinen Fall dürfen sie, wenn Lese- oder Hörverständnis geprüft wird, ohne Zuhilfenahme des Textes beantwortbar sein. Die Anleitung zur Aufgabe muss kurz und in einfachem Russisch verfasst sein und sollte eine Stufe unter dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe liegen. Für A1- und A2-Aufgaben kann die Anleitung auch in deutscher Sprache gehalten werden. Bedenken Sie, dass bei Leseaufgaben der Schwierigkeitsgrad des Textes auch eine Stufe über dem Niveau der gestellten Aufgabe liegen kann. Bei Sprache in Kontext-Aufgaben muss aber der Schwierigkeitsgrad des vorgelegten Textes eine Stufe unter dem getesteten Schwierigkeitsgrad der Aufgabe liegen. Jedes Item zählt einen Punkt. Vermeiden Sie doppelte oder halbe Punkte. Überlegen Sie sich vor der Korrektur eine Lösung (bzw. mögliche Lösungen) zu den einzelnen Items und erstellen Sie ein Lösungsblatt. Legen Sie beides in einer Datei ab. 4.1 Rezeptive Fertigkeiten: Hören und Lesen testen Neben dem Sprechen kommt im Russischunterricht meist auch dem Hören (zu) wenig Beachtung zu. Das hängt sicher damit zusammen, dass wenig gute russische Höraufgaben auf dem Markt sind, die sich für Testaufgaben eignen. Hörverständnisübungen sind im Unterricht leider allzu oft an das geöffnete Buch gebunden, Lehrer belassen es beim Mitlesen von gesprochenen Lesetexten, die über Kassette, CD oder mp3 gehört werden, oder die Schüler müssen Fragen zum gehörten Text (schriftlich oder mündlich) beantworten. Es geht also nicht darum, in Echtzeit Gehörtes zu verarbeiten, Texte für Aufgaben sollen authentisch und altersangemessen sein. <?page no="294"?> 295 4. Testformate Details herauszuhören, zwischen selektivem und globalem Hören zu differenzieren oder Schlussfolgerungen aus dem Gehörten zu ziehen. Zum Konstrukt Hören s. Buck (2001, 94-115); zum Konstrukt Lesen s. Alderson (2000, 116-137). Das Problem, dass beim Hören oder Lesen eines Textes der Fokus auf unterschiedliche Passagen gerichtet ist, zeigt sich gerade bei der Testerstellung von Hör- und Leseaufgaben besonders deutlich. Die Erwartungen des einen Lehrers müssen nicht die Vorstellungen des anderen sein. Um dem entgegenzuwirken, können Sie im Team die Methode des text mapping anwenden: Mindestens vier Personen (oder mehr) „entschlüsseln einen Text―, indem sie sich entweder auf Details, Hauptpunkte oder -aussagen im Text konzentrieren und diese niederschreiben. Spezifische Details werden nach dem Hören bzw. nach dem Lesen des Textes notiert, Hauptaussagen und Hauptpunkte können während des Hörens bzw. der Lektüre mitgeschrieben werden. Die Information, die durch dieses Textmapping entsteht, bildet die Grundlage, auf der Items entwickelt werden. Allerdings müssen drei von vier Personen (also mehr als die Hälfte) zur selben Information gelangt sein, damit diese für die Itemerstellung verwendet werden kann. 2 Für das Testen rezeptiver Fertigkeiten können folgende Testformate eingesetzt werden: freie (Kurzantworten) und gebundene Aufgaben (Multiple Choice, Richtig/ Falsch/ (Nicht im Text oder Begründung), Ergänzungsaufgaben, Zuordnungsaufgaben sowie Aufgaben, die das Ordnen von gehörten Ereignissen in chronologischer Reihenfolge verlangen). Lesetexte, die bestens bekannt sind (literarische Texte, Lehrbuchtexte), sollten vermieden werden, wenn Textverständnis und nicht das Memorieren eines bekannten Inhalts überprüft werden soll. Mündliche wie auch schriftliche Texte, die humoristisch gehalten sind, könnten für Schüler zu schwer sein. In Lesetexten sollten pro 100 Wörter maximal 10 Lücken veranschlagt werden, und bei Hörtexten gilt pro Minute ein Maximum von 3-4 Items. Die Schwierigkeit eines Hörtextes hängt von der Anzahl der Sprecher und ihren Stimmen ab, ob es sich um einen monologischen oder dialogischen Text handelt, ob ein geschriebener Text vorgelesen wird oder ob es sich um ein natürliches Gespräch handelt, wie hoch die Sprechgeschwindigkeit ist, ob Hintergrundgeräusche vorhanden sind, ob akzentfrei gesprochen wird, dialektale, umgangssprachliche oder Non-Standard-Wendungen vorkommen, ob die syntaktischen Strukturen komplex oder einfach sind und - natürlich - ob der Text ein- oder zweimal vorgespielt wird. Die Skalen des GeR helfen bei der Bestimmung des Konstrukts zum Hörverständnis auf den einzelnen Niveaustufen. Buck (2001, 169-170) gibt nützliche Tipps für das Erstellen bzw. Finden von Texten für Hörer auf A2/ B1-Niveau. 2 Siehe: http: / / www.kmk-format.de/ material/ Fremdsprachen/ 4-4- 7_Textmapping_fuer_Erstellung_von_Leseaufgaben.pdf Text-Mapping: Aufgabenerstellung im Team Testformate für rezeptive Fertigkeiten <?page no="295"?> IV Evaluation im Russischunterricht 296 4.2 Produktive Fertigkeiten: Sprechen und Schreiben testen Beide produktiven Fertigkeiten haben im Russischunterricht einen unterschiedlichen Stellenwert. Trotz kommunikativer Wende und Fokussierung auf sprachliches Handeln spielt im Russischunterricht nicht Mündlichkeit eine wichtige Rolle, sondern es wird bevorzugt die Fertigkeit Schreiben herangezogen, um Aussagen über die „wahren― Sprachkenntnisse der Schüler zu machen. Dem Konstrukt Schreiben wird nach wie vor maßgeblich das Kriterium „sprachliche Korrektheit― zugrunde gelegt, das neben dem Kriterium „Inhalt― Auskunft darüber geben soll, wie sicher Schüler schriftliche Texte produzieren können - ungeachtet der Tatsache, dass sich die Formen von Schriftlichkeit und Mündlichkeit auf Grund der neuen Medien verändern und dass sich Inhalt allzu oft auf auswendig Gelerntes bezieht. Viel zu selten erhalten Schüler einen klaren Schreib- oder Sprechauftrag, der Adressat/ en, den Grund des Schreibens (Sprechens), das Ziel des Schreib- oder Sprechauftrags, die Wortanzahl, den zeitlichen Rahmen oder die relevanten Bewertungskriterien enthält. Es ist unfair, Schülern erst nach ihrer Leistung zu sagen, an Hand welcher Kriterien ihre Leistung gemessen wurde. Wichtig ist außerdem, mehrere unterschiedliche Sprech- und Schreibleistungen zu verlangen und diese gegebenenfalls über die Schul- oder Klassenarbeiten eines Jahres zu verteilen, um valide Aussagen über die Fertigkeiten machen zu können und nicht jedes Mal nur einen einzigen langen Text schriftlich verfassen oder mündlich - in Form eines Referats - produzieren zu lassen. Betrachten wir eine Schreib- und Sprechaufgabe aus einem TELC-Modelltest für Russisch auf der Stufe A2 (Abb. 31) 3 : Beide Aufgaben sind übersichtlich gestaltet und machen Angaben zur Zeit, die zur Verfügung steht (s. Fußnote 5). Während die Schreibaufgabe angibt, an wen der Brief zu richten ist, spart die Sprechaufgabe den Adressaten aus. Aus der Arbeitsanweisung geht lediglich hervor, dass ein Interlokutor, der gleichzeitig auch Assessor ist, die Fragen stellt. Beide Aufgaben lassen eine Auswahl aus den genannten Aufzählungspunkten zu, was sicherlich die Vergleichbarkeit der Schülerleistungen erschwert und Einfluss auf die Reliabilität haben kann. Während die Schreibaufgabe auch von Schülern leistbar ist, ist die Sprechaufgabe doch ausschließlich auf Erwachsene ausgerichtet und somit hätten Schüler zu drei Punkten nichts zu sagen: Женат/ замужем? дети? профессия? Beide Aufgaben kommen aber klar aus dem A2-Bereich nach GeR (4.2), da die Texte „Informationen zur Person― und „Freizeit, Unterhaltung― (Hobbys und Interessen) betreffen. Das Konstrukt Sprechen ist im TELC-Modelltest allerdings deutlich breiter gefächert als das Konstrukt Schreiben. 3 http: / / www.telc.net/ fileadmin/ data/ pdf/ telc_russian_a2_mock_examination.pdf (abgerufen am 22.2.2012). Für beide Aufgaben sind 15 Minuten vorgesehen, wobei bei der Sprechaufgabe hier nur der erste Teil abgedruckt wurde. Die zwei anderen Teile (обмен информацией, поиск консенсуса) bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt. Im Russischunterricht werden Sprachkenntnisse der Schüler bevorzugt auf der Grundlage der Fertigkeit Schreiben eingeschätzt. Modellaufgabe für A2 <?page no="296"?> 297 4. Testformate Письмо (12 баллов) В отпуске вы познакомились с русскими. Напишите им письмо. Напишите о 3 из 6 следующих пунктов. У вас для этого есть 15 минут. Не забудьте о формулах начала и окончания письма. Устный экзамен, часть 1: Знакомство (3 балла) Вы должны рассказать о себе. У вас есть список вопросов, но вы не обязаны говорить обо всем. Расскажите, пожалуйста, о себе! Экзаменатор задаст вам еще один или два дополнительных вопроса. Abb. 31: TELC-Modelltest A2 Für das Testen produktiver Fertigkeiten kann man mündlich u.a. Interviews, Monologe, Dialoge, Rollenspiele bzw. schriftlich Briefe (E-Mails), Artikel, Berichte und Aufsätze einsetzen. Mündliche Aufgaben sollten nach Möglichkeit von einem Interlokutor (первый экзаменатор) gestellt und von einem Assessor (второй экзаменатор) bewertet werden. 4 Wird die Fertigkeit Sprechen überprüft, so ist zu empfehlen, das Sprechen auch unter Gleichaltrigen zu testen. (Zur Erstellung von Sprechaufgaben s. Luoma 2004, 29-58). Schriftliche Aufgaben sollten von mehr als einer Person korrigiert werden, vor allem dann, wenn die schriftliche Arbeit negativ bewertet wird. Sowohl mündliche als auch schriftliche Testaufgaben können frei oder gelenkt absolviert werden. Ziel ist es, einen Inhalt adäquat zu kommunizieren, wobei der Fokus eher auf Sprache und Angemessenheit zu legen ist als auf den Inhalt. Welche Schreibaufgaben Sie stellen, wird hauptsächlich von Ihrem Konstrukt bestimmt. Bei vielen Aufgabenstellungen wird vergessen, dass Schreiben ein zyklisch-rekursiver Vorgang ist (der mit Hilfe eines Computers leichter zu bewerkstelligen ist) und während man sich selbst Hilfsmittel und Zeit erlaubt, um mehrere Male zum Text zurückzukehren, wird diese Vorgehens- 4 Siehe Beispiele für Sprechaufgaben und Interlokutorbögen in der Broschüre „Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus den lebenden Fremdsprachen. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben.― Wien: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2011. Online: http: / / www.bmukk.gv.at/ medienpool/ 22024/ reifepruefung_ahs_lflsp.pdf. Das Schreibkonstrukt bestimmt die Art der Aufgabenstellung. имя? возраст? (не)женат? (не)замужем? дети? город? профессия? языки? хобби? ... ? ... ? Напишите о вашем городе. Спросите знакомых об их городе. Расскажите о вашей квартире. Пригласите знакомых. Спросите о новостях знакомых. Попросите фотографии знакомых. <?page no="297"?> IV Evaluation im Russischunterricht 298 weise Schülern in der Testsituation meist vorenthalten. Es wäre zu bedenken, ob man nicht Überlegungen in das Konstrukt mit aufnimmt, die zulassen, dass Texte z.B. in Kooperation verfasst und/ oder nach einem gewissen Zeitraum noch einmal überarbeitet werden dürfen. Zum Konstrukt Schreiben s. Weigle (2002, 39-57). Beide Fertigkeiten - Sprechen und Schreiben - lassen es zu, dass für die Aufgabenstellung ein Input oder Stimulus (стимул) verwendet wird, sei es in Form eines Bildes, einer Grafik, eines Diagramms, eines Cartoons oder eines kurzen Textes. Um sicherzustellen, dass die Aufgaben einer bestimmten Niveaustufe entsprechen, ist es ratsam, die Deskriptoren genau auf passende Operatoren (слова-импульсы) zu untersuchen, die in die Aufgabenstellung einfließen müssen. 4.3 Unterschied zwischen rezeptiven und produktiven Fertigkeiten Der Hauptunterschied beim Testen von rezeptiven und produktiven Aufgaben liegt in der Tatsache, dass wir Hören und Lesen nicht direkt messen können. Sprechen und Schreiben hingegen ist direkt beobachtbar. Während rezeptive Fertigkeiten item-basiert getestet werden können, ist das bei den produktiven Fertigkeiten nicht der Fall. Solche Aufgaben sind task-basiert zu stellen und müssen in den Arbeitsanweisungen Operatoren enthalten, deren Umsetzung in Folge direkt beobachtbar ist. So liefert zum Beispiel die Skala „Texte verarbeiten― - Обработка текста - (GeR, 4.6.3.2) auf den Stufen B1- C2 immer wieder den Operator „zusammenfassen―, der aber je nach Niveaustufe unterschiedliche Qualitäten aufweist: kurze Textpassagen auf einfache Weise zusammenfassen; kurze Informationen aus mehreren Quellen zusammenführen und für jemand anderen zusammenfassen (B1); ein breites Spektrum von Sachtexten und fiktiven Texten zusammenfassen; Auszüge aus Nachrichten, Interviews und Reportagen zusammenfassen; Handlung und Abfolge der Ereignisse in einem Film oder Theaterstück zusammenfassen (B2); lange, anspruchsvolle Texte zusammenfassen (C1); Informationen aus verschiedenen Quellen so zusammenfassen […], dass eine kohärente Darstellung entsteht (C2). Die Verwendung der Operatoren перефразировать, собрать, пересказать, изложить, резюмировать bzw. составить резюме ist demnach dementsprechend zu ergänzen mit (резюмировать) ключевые слова, главные факты, идеи текста, мнения, сюжет, информацию, новости, действие пьесы/ фильма etc. (s. russische Fassung ОКВИЯ S. 93). 5 Während wir die Items in Aufgaben zur Überprüfung rezeptiver Fertigkeiten mit richtig oder falsch bewerten und somit leicht für objektive Ergebnisse sorgen können, sind für die Beurteilung von Sprech- und Schreibaufgaben Bewertungsskalen oder -raster heranzuziehen, die holistisch, analytisch 5 Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) Russisch liefern mögliche Operatoren für das Erstellen von Prüfungsaufgaben auf B2-Niveau in den drei Bereichen „Reproduktion und Textverstehen―, „Reorganisation und Analyse― sowie „Werten und Gestalten―; vgl. EPA (2004). Während rezeptive Fertigkeiten itembasiert getestet werden, sind Aufgaben für produktive Fertigkeiten task-basiert. Bewertungsskalen für Sprech- und Schreibaufgaben <?page no="298"?> 299 4. Testformate oder aufgabenspezifisch ausgerichtet sein können. Diese Raster sollen helfen, den eigenen subjektiven Eindruck zu minimieren und die Leistung der Lernenden objektiv zu beschreiben. Bei einer holistischen Bewertung von (schriftlichen oder mündlichen) Texten soll unter der Berücksichtigung von vorgegebenen Kriterien zu einer einzigen, globalen Bewertung gekommen werden - z.B. der Note „gut―. Für ein analytisches Rating werden diese Kriterien aufgeschlüsselt und konkretisiert (z.B. nach Spektrum sprachlicher Mittel, Sprachrichtigkeit, Aufbau und Layout oder Aussprache und Intonation) und dann vom Beurteiler/ von den Beurteilern getrennt nach Punkten erfasst. 6 Bei aufgabenspezifischen Rastern kann z.B. sprachliche Richtigkeit noch einmal präzisiert werden und durch den richtigen Gebrauch der Verben der Fortbewegung im Russischen ersetzt werden. Das würde sich z.B. bei der (schriftlichen und mündlichen) Nacherzählung eines Textes anbieten (s. GeR, 4.3.5), der viele Verben der Fortbewegung enthält. Globales und analytisches Rating sind kriterienorientiert. Globale (holistische) Bewertungen haben den Vorteil, dass sie bei der Durchführung schneller zu erledigen sind als bei der Verwendung analytischer Bewertungsverfahren, die es erforderlich machen, dass der Text mehrmals gelesen wird, weil sich der Beurteiler nicht auf vier verschiedene Kriterien gleichzeitig konzentrieren kann. Globalbewertungen haben den Nachteil, dass sie detaillierte Aspekte nicht berücksichtigen und weniger auf eine Diagnose der Lernleistungen abzielen als auf einen Gesamteindruck des Produkts. Bei den produktiven Fertigkeiten ist zu beachten, dass sowohl Sprechen als auch Schreiben dialogisch als auch monologisch (interaktiv als auch produktiv) sein können. Der GeR unterscheidet in seinen Skalen auch dementsprechend und bietet diverse Skalen zu „zusammenhängend monologischem Sprechen― und „mündlicher Interaktion― als auch zu „schriftlicher Interaktion― und „schriftlicher Produktion― an, die mündliche Aktivitäten abdecken wie Ankündigungen/ Durchsagen machen, vor Publikum sprechen, Konversation, Diskussion, Kooperation, Interview bzw. schriftliche Aktivitäten beschreiben wie Erfahrungen schildern, Argumentieren, Berichte und Aufsätze schreiben oder Kreatives Schreiben. 4.4 Linguistische Kompetenz: Grammatik und Lexik oder Sprache im Kontext testen Das Testen von linguistischer Kompetenz zeigt sich erst in der Performanz. Natürlich kann man Schüler Regeln auswendig lernen lassen, wie die Imperativformen im Russischen oder wie einzelne Partizipien des Aktivs oder Passivs gebildet werden, aber durch das Memorieren dieser Regeln und der Ausnahmen beweisen sie weder kommunikative Kompetenz noch sprachliche Handlungsfähigkeit. Dennoch wird jeder Russischlehrer auf eine angemes- 6 Ein Beispiel für zwei analytische Raster zur Bewertung von Schreibproduktionen in der österreichischen Matura (erste lebende Fremdsprache: B2; zweite lebende Fremdsprache: B1) findet sich auf der Homepage des Instituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (Bifie) unter https: / / www.bifie.at/ node/ 516 und https: / / www.bifie.at/ node/ 517. Skalen im GeR Linguistische Kompetenz zeigt sich in der Performanz. <?page no="299"?> IV Evaluation im Russischunterricht 300 sene Verwendung von grammatischen (morphologischen, syntaktischen) und lexikalischen Strukturen Wert legen. Zur Rolle der Grammatik in kommunikativen Modellen s. Purpura (2004, 49-82). Diese Strukturen werden am besten kontextualisiert geübt und getestet. Während man früher zur Zeit der Grammatik-Übersetzungsmethode und auch noch lange Jahre danach Grammatik meist dekontextualisiert und am Beispiel einzelner Sätze geübt und getestet hat, ist diese Satz-für-Satz-Überprüfung in den letzten Jahren einer sprachbewussten Anwendung von Strukturen im Text gewichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schwierigkeitsgrad des ausgewählten Textes unter der getesteten Niveaustufe liegen muss und keinesfalls 300 Wörter überschreiten soll. Änderungen am Text wie das Streichen von Passagen oder das Ersetzen von Wörtern sind zu vermeiden, der Titel ist zu belassen und auch das Originallayout des verwendeten Textes sollte nach Möglichkeit beibehalten werden. (Letzteres gilt übrigens für alle Aufgaben.) In einer Aufgabe dürfen und sollen durchaus unterschiedliche linguistische Besonderheiten getestet werden (außer in Wortbildungs-Aufgaben). Es wäre nicht zielführend, sich z.B. nur auf die Verwendung korrekter Präpositionen zu beschränken. Lexikalische und grammatische Items sollten einander die Waage halten, ihre Zahl sollte in Lückentexten zwischen mindestens 10 und höchstens 20 liegen, sie dürfen aber keinesfalls interdependent sein. Die Verteilung der Items im Text sollte nach jeweils ca. 10-15 Wörtern erfolgen. Multiple Choice-Aufgaben sollten nach Möglichkeit vier Optionen aufweisen (nur wenn eine vierte Option sehr schwer zu finden ist, kann man sich auf drei beschränken), Finde den Fehler-Aufgaben sollten nur ein falsches Item pro Zeile enthalten. Lückentexte können unterschiedlich gestaltet sein: Es gibt Texte, in denen jedes 5., 7. oder 9. Wort getilgt wird (Cloze-Test, тест типа клоуз). Diese Aufgaben funktionieren nach dem Zufallsprinzip und Sie haben es nicht in der Hand, welche Lücke entsteht. Je nachdem, ob Sie immer das 5., 7. oder 9. Wort tilgen, entstehen unterschiedliche Tests und Sie müssen entscheiden, ob die Lücken ein repräsentatives Sample der linguistischen Kompetenz - des Konstrukts - darstellen (was kaum der Fall sein wird). Meist testen diese Cloze-Tests allgemeine sprachliche Fähigkeiten und somit mehr als linguistische Kompetenz. Sie können die Lücken aber auch bewusst wählen - nach den grammatischen oder lexikalischen Besonderheiten, die Sie testen möchten (тест с пропусками; тест дополнения). Sie entscheiden, ob ein Schüttelkasten mit Wörtern zur Auswahl (слова для справок) angegeben wird oder nicht. Wenn Sie sich für einen Schüttelkasten entscheiden, so sollten Sie mindestens ein oder zwei Items zusätzlich angeben. Der erste und letzte Satz sollten bei sämtlichen Aufgaben - Multiple Choice-Aufgaben sind dabei ausgenommen - immer ohne Item gestaltet sein. Zwei weitere Testformate sollen hier abschließend noch vorgestellt werden, die eher selten zum Einsatz kommen: Finde den Fehler (Редактирование) und Wortbildung (Словообразование). 7 Das erste Aufgabenformat kann auf verschiedene Art und Weise eingesetzt werden - so z.B. auf unteren 7 Die zwei Textauszüge stammen aus der текстотека http: / / texts.cie.ru/ der Stufe ТРКИ-1 und ТБУ. Die sprachbewusste Anwendung von Strukturen im Text üben und testen Lückentexte Testformat: Finde den Fehler! <?page no="300"?> 301 4. Testformate Niveaustufen mit orthografischen Fehlern und mit steigender Niveaustufe auch mit lexikalischen, morphologischen oder syntaktischen Fehlern bis hin zu stilistischen Ungereimtheiten. Eine andere Möglichkeit ist Wörter in den Text einzuschleusen, die auf den ersten Blick passen könnten, bei genauem Lesen sich aber als überflüssig erweisen und entfernt werden müssen (Удали лишнее слово). Versuchen Sie, diese Wörter im folgenden Text zu finden. Офисный образ жизни здоровым назвать нельзя. К концу рабочего дня люди, как же правило, чувствуют себя очень усталыми. Чтобы время, проведённое в офисе, не превращалось в наказание, нужно потратить только несколько минут на простые упражнения. Больше всего меня на работе устают наши глаза: люди, которые работают с компьютером, жалуются на «песок» в глазах. Другой враг офисного работника - гиподинамия - недостаток движения. А ведь это ухудшает работу всего того организма и ослабляет иммунитет. А если иммунитет слабый, человек начинает часто простужаться, болеть с вирусными заболеваниями. На каждую из этих бед можно найти свой ответ. Итак. Для защиты зрения, поставьте монитор компьютера в 60-70 сантиметрах от ваших глаз. Каждые полчаса давайте вашим глазам отдохнуть возьмем хотя бы две минуты. В этот момент нужно посмотреть на какой-то далёкий предмет, а потом на предмет, который находится рядом. Повторите это несколько раз. Полезно и просто поморгать. Beim Testformat Wortbildung sind Wörter in Klammern angegeben, die verwendet werden müssen, um an geeigneter Stelle neu gebildete Wörter in den Text einzusetzen. Im Russischen ist die Aufgabe dadurch erschwert, dass das neue Wort auch in der richtigen Form eingesetzt werden muss. Когда Марио едет на такси, шоферы обычно начинают спрашивать его об итальянском футболе: какой клуб сейчас самый ... (популярно), что Марио думает о последнем матче, сколько стоит сегодня голкипер команды «Лацио». Честно говоря, Марио никогда не был футбольным фанатом, и вообще он в России, проблемы итальянского футбола сейчас его совсем не ... (интересный). И конечно, Марио в России предпочитает никому не говорить, что он ... (рождение) на Сицилии: кажется, русские знают больше о мафии на Сицилии, чем он сам. А больше русские о Сицилии ничего не знают, к сожалению… Русские очень любят петь итальянские песни - Марио это быстро понял. Но он не понял, почему незнакомые русские часто ... (предложение) ему петь вместе - в гостях, в машине, в ресторане. Русские поют странные итальянские песни. В Италии их давно уже никто не помнит, поэтому никто не поёт. Например, Марио долго не мог понять, кто такой Тото Кутуньи - спасибо, русские знакомые объяснили. Welche grammatischen und lexikalischen Strukturen getestet werden, ist in den Testspezifikationen festzuhalten. Dies gilt ebenso für das Testen von rezeptiven und produktiven Fertigkeiten. Sonst bleibt nur die Möglichkeit, diese Strukturen oder Fertigkeiten aus dem Lehrbuch, dem Lehrplan oder aus Handbüchern zu internationalen Tests abzuleiten. Doch solch ein Konstrukt Testformat Wortbildung Testspezifikationen: Welche grammatischen und lexikalischen Strukturen werden getestet? <?page no="301"?> IV Evaluation im Russischunterricht 302 bleibt fremdbestimmt und entspricht unter Umständen nicht der Zielsetzung der beabsichtigten Überprüfung. Wie sehen solche Testspezifikationen aus? Anbei finden Sie ein Muster (Abb. 32), das Sie adaptieren können, je nachdem, welche Fertigkeit oder welche linguistischen Strukturen Sie testen wollen. 8 Bedenken Sie, dass Tests und Testspezifikationen immer im Team erstellt werden sollten. Testen ist zu schwierig, um es dem einzelnen Lehrer zu überlassen! Überlegen Sie, ob sich Texte für unterschiedliche Testformate eignen, ob Sie mehr Items erstellen als Sie benötigen, um gegebenenfalls eine Datenbank aufzubauen. Zur Erstellung von Testspezifikationen s. Davidson & Lynch (2002, 20-33). K RITERIEN B ESCHREIBUNG GeR A NMERKUNGEN Allgemeine Zielsetzung (z.B. nach Curriculum) Spezifische Zielsetzung (z.B. nach GeR) Situation in der Zielsprache Kandidaten Testniveaustufe Textsorten Textthemen Textlänge Testformate Arbeitsanweisung 8 Beispiele für Testspezifikationen zur mündlichen Kommunikation auf den Stufen A2, B1 und B2 finden sie unter: http: / / www.bmukk.gv.at/ medienpool/ 22024/ reifepruefung_ahs_lflsp.pdf. Diese wurden für die mündliche Reifeprüfung (Wahlpflichtfach, erste und zweite lebende Fremdsprache) an österreichischen allgemeinbildenden höheren Schulen entwickelt. Testen ist zu schwierig, um es dem einzelnen Lehrer zu überlassen! <?page no="302"?> 303 4. Testformate Input / Stimulus Anzahl der Aufgaben und Anzahl der Items Gewichtung der Aufgaben Zeit Testadministration Beurteilungskriterien Abb. 32: Muster Testspezifikationen <?page no="303"?> 5. Integriertes Testen (комбинированное или интегральное тестирование) Abschnitte 4.1 und 4.2 waren auf item- und aufgabenbasiertes Testen ausgerichtet. Die vorgestellten Testformate für die rezeptiven Fertigkeiten und für Sprache im Kontext waren itembasiert, jene für die produktiven Fertigkeiten taskbasiert. Erstere sind objektiver, letztere subjektiver Natur. Um die Subjektivität bei der Bewertung taskbasierter Aufgaben gering zu halten, ist es erforderlich, Bewertungsraster zu verwenden, die dem Zweck (der Zielsetzung) des Tests entsprechen, mit Kollegen abgestimmt sind und für die ein Ratertraining absolviert wurde. Die unverständliche Leichtigkeit, mit der Lehrer oft Bewertungsraster aufgreifen und übernehmen, die von anderen für andere Tests mit einer anderen Zielsetzung entwickelt wurden, ist wohl nur durch den Zeitmangel zu erklären, unter dem viele Lehrer leiden. Dennoch muss bedacht werden, dass Beurteilungsskalen (oder Bewertungsraster) nicht für jede Leistungsüberprüfung verwendet werden können bzw. dürfen. Jeder Test muss dem Konstrukt, das in den Testspezifikationen festgelegt ist, und der ihm gebotenen Zielsetzung entsprechen. Für das Konstrukt ist daher festzulegen, ob beim Testen discrete-point Aufgaben oder integrierte Aufgaben eingesetzt werden. Während erstere das Zusammenwirken von sprachlichen Erscheinungen außer Acht lassen, ignorieren letztere linguistische Details. Ein Diktat schreiben zu lassen wäre also eine integrierte Aufgabe, während das Bestimmen von stimmhaften oder stimmlosen Anfangslauten in einem Wörterdiktat eine discrete-point Aufgabe wäre. Unter integriertem Testen ( комбинированное или интегральное тестирование ) kann man aber auch das Verbinden von zwei oder mehreren Fertigkeiten in einer Aufgabe verstehen. Das geschieht im Russischunterricht häufig bei Sprachmittlungs- oder Mediationsaufgaben (задания по языковому посредничеству), einer Aktivität, die der GeR (4.4.4) in schriftliche und mündliche Mediation mit den dazu erforderlichen Strategien wie Planen, Ausführen, Evaluieren und Reparieren unterteilt. Die Bewertung von Mediationsaufgaben kann nach einem strong oder weak assessment erfolgen, je nachdem, ob der Bewerter sein Augenmerk auch auf die sprachliche Umsetzung oder ausschließlich auf die erfolgreiche Erfüllung der Aufgabe richtet (vgl. McNamara 1996, 43-44). Eine erfolgreiche Erfüllung von Aufgaben zur Sprachmittlung setzt eine gute Kenntnis kulturspezifischer Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache voraus. Leider bietet der GeR keine Skalen zur Sprachmittlung. Aufgaben, die verlangt werden können, betreffen in erster Linie Transferleistungen. So können Informationen, grundlegende Aussagen, Arbeitsanweisungen oder Inhalte aus einer Sprache in die andere übertragen oder zusammengefasst werden (s. z.B. den Rahmenlehrplan für Berlin, Sekundarstufe 1, Jahrgangsstufe 7-10; SBJS 2006/ 2007). Zu beachten ist, dass es sich bei Mediation nicht um Übersetzen oder Dolmetschen handelt - beides Sprachmittlungen, die viel exaktere Kenntnisse beider Sprachen und Kulturen verlangen als Textübertragungen und Transferübungen. Bewertungsraster müssen testspezifisch sein und können nicht einfach übernommen werden. Beispiel für integriertes Testen: Mediationsaufgaben im Russischunterricht <?page no="304"?> 6. Dynamisches Testen (динамическое тестирование) Dynamisches Testen und Bewerten, das auf L.S. Vygotskijs entwicklungspsychologische Theorie der „Zone der nächsten Entwicklung― zurückgeht, versucht zu bestimmen, was ein Schüler aktuell ohne Hilfe(-stellung) und was er potentiell mit einer solchen leisten könnte. Bisher wird dynamisches Testen und Bewerten hauptsächlich bei Intelligenztests oder bei Tests mit leistungsschwachen Kindern, Kindern mit Migrationshintergrund oder mit besonderen Bedürfnissen eingesetzt. Im Russischunterricht ist es leider noch eine Randerscheinung und konkrete Beispiele aus der Arbeit im Unterricht fehlen. Dynamisches Testen und Bewerten versucht, zwischen Unterrichten und Beurteilen eine Brücke zu bauen, indem es das Lehren und Lernen in Tests integriert. Verfechter des „dynamischen Testens und Bewertens― wie Sternberg & Grigorenko (2002) kritisieren die Statik von item-basierten Testaufgaben, weil den Schülern lediglich eine erreichte Punktezahl als Feedback übermittelt wird, was u.U. negativen Washback nach sich ziehen kann. Vertreter des dynamischen Testens und Bewertens nennen u.a. folgende Methoden, um Schülern die Lücke(n) zwischen Erreichtem und Noch-Zu- Erreichendem klar zu machen: • Testing-the-Limits Ähnlich wie bei Think aloud-Protokollen werden Lerner angeregt, ihre Probleme vor allem in der Planungsphase, bevor sie zur Lösung der Aufgabe schreiten, zu formulieren. Nur so kann der Lehrer verstehen, was in den Köpfen der Kandidaten vor dem und beim Lösen der Aufgabe vorgeht. Von der Testing-the-Limits-Methode profitieren vor allem jene Lernenden, die den Lösungsweg noch nicht vollständig verstanden oder internalisiert haben. • Graduated Prompt Diese Methode sollte bei jedem einzelnen Item eingesetzt werden: Sobald Schwierigkeiten auftauchen, wird vom Lehrer oder einem Klassenkameraden Hilfestellung gegeben. Das geschieht zunächst implizit, dann explizit. Anschließend wird überprüft, ob dem Schüler selbstständige Transferleistungen möglich sind, indem ihm ähnliche Aufgaben mit vergleichbaren Testfragen vorgelegt werden. Die nächste Aufgabe ist komplexer und verlangt dem Lernenden (noch) mehr Eigenständigkeit ab. Überprüft wird, wie schnell er die neuen Aufgaben umsetzt (d.h. wie viele Hinweise er benötigt) und wie groß am Ende die Summe seiner Transferleistungen ist. • Mediated Learning Experience Diese Methode kommt aus der Arbeit mit Kindern, die entweder eine Lernschwäche oder einen Migrationshintergrund aufweisen. Aufgabe des Lehrers ist es, mittels Mediation das „Anders-sein― in den Hintergrund zu rücken und nach Wegen zu suchen, die bei der Lösung der Aufgabe auf Grund der Behinderung oder eines anderen kulturellen Hintergrunds die Schwierigkeiten Eine Brücke zwischen Unterrichten und Beurteilen bauen Methoden des dynamischen Testens <?page no="305"?> IV Evaluation im Russischunterricht 306 kompensieren oder diese aus dem Weg räumen helfen. Mediation und direktes Lernen gehen Hand in Hand und ermöglichen so Erfolg. Alle drei Methoden (s. Fulcher 2010, 72-75) sind bemüht, positiven Washback auszulösen. Gute Lehrer versuchen durch ihre Art des Testens zu ähnlichen Ergebnissen zu kommen, indem sie gerade jene Fertigkeiten testen, die sie beim Schüler entwickeln und verbessern wollen. Dabei ist direktes und kriterienorientiertes Testen dem indirekten und normorientierten Testen vorzuziehen. Solche Tests brauchen klare Zielsetzungen und dürfen keine Missverständnisse auslösen, die dazu führen, dass eine Aufgabe nicht gelöst werden kann. Tests, die leicht vorhersagbar sind, tragen sicher nicht zu positivem Washback bei, weil sich die Schüler bei der Vorbereitung auf den Test nur mehr darauf konzentrieren, was sie ohnehin erwarten dürfen. Mit anderen Worten: Tests müssen brauchbar sein. Sie sind es dann, wenn sie reliable und valide Ergebnisse liefern, wenn sie sowohl authentisch als auch interaktiv und praktikabel sind (vgl. Fulcher & Davidson 2007, 15). Positiven Washback erzeugen, um Lernen zu fördern <?page no="306"?> 7. Die ТРКИ-Formate Der Einsatz von Testformaten, die von Verlagen als Muster für Zertifizierungsprüfungen „Russisch als Fremdsprache― (тестирование русского языка как иностранного) veröffentlicht werden, wie z.B. jene von Zlatoust, wirft nicht nur die rechtliche Frage nach dem Copyright auf, sondern auch jene, ob diese Zertifizierungsaufgaben dem Zweck Ihrer eigenen vorgesehenen Leistungsüberprüfung entsprechen. Abgesehen davon, dass zwischen den Niveaustufen A1-C2 und den ТРКИ-Stufen ТЭУ, ТБУ und ТРКИ 1-4 keine hundertprozentige Übereinstimmung besteht, weisen auch die Aufgaben selbst gewisse Mängel auf, die u.a. von Balychina (2006, 126-134) aufgezeigt wurden. Unter den von ihr angeführten 24 Unzulänglichkeiten nennt sie u.a. Fehler bei der Formulierung der Aufgabe, abweichende bzw. uneinheitliche Distraktoren, Mehrfachantworten und Vermischung von Arbeitsanweisung und Aufgabe. Die sechs Niveaustufen - zwei Vorstufen (Elementarstufe, Basisstufe) und die vier Zertifikatsstufen (ТРКИ 1-4) - sind wie folgt beschrieben (Abb. 33) 1 : У РОВЕНЬ О ПИСАНИЕ ТЭУ Достижение данного уровня владения русским языком позволяет иностранцу удовлетворять элементарные коммуникативные потребности при общении с носителем языка в минимальном наборе ситуаций, ограничиваясь при этом минимальным набором языковых средств. ТБУ Достижение данного уровня владения русским языком позволяет кандидату удовлетворять самые необходимые коммуникативные потребности в определенных ситуациях, связанных с повседневной жизнью при общении с носителями языка. Этот уровень представляет собой необходимый этап для достижения следующего (Первого) уровня общего владения русским языком, а затем и более высоких уровней. Базовый уровень обеспечивает также минимально необходимую базу для занятий какой-либо профессиональной деятельностью в ограниченном объеме. ТРКИ-1 Достижение данного уровня владения русским языком позволяет кандидату удовлетворять основные коммуникативные потребности в реальных ситуациях общения с носителями языка в бытовой и социально-культурной сферах. Сертификат данного уровня необходим для поступления в российский вуз с обязательным последующим изучением русского языка, предусмотренным соответствующими образовательными стандартами. В этом случае, помимо данного экзамена, кандидат должен сдать дополнительный тестовый модуль по русскому языку с учетом его профессиональной ориентации. 1 http: / / www.testrf.ru/ raspisanie/ 2010-01-14-09-33-13 Anforderungen der ТРКИ-Niveaustufen <?page no="307"?> IV Evaluation im Russischunterricht 308 ТРКИ-2 Экзамен обеспечивает конечную квалификацию высокого уровня коммуникативной компетенции во всех сферах общения. Этот уровень позволяет кандидату вести профессиональную деятельность на русском языке в качестве специалиста гуманитарного (за исключением специалистовфилологов, переводчиков, редакторов, журналистов, дипломатов, менеджеров, ведущих свою профессиональную деятельность в русскоязычном коллективе, для которых данный экзамен является промежуточным), инженернотехнического, естественно-научного профилей. Наличие данного сертификата необходимо для получения диплома бакалавра, магистра, также кандидата наук по перечисленным выше специальностям. ТРКИ-3 Экзамен обеспечивает конечную квалификацию высокого уровня коммуникативной компетенции во всех сферах общения. Этот уровень позволяет кандидату вести профессиональную деятельность на русском языке в качестве специалиста-филолога, переводчика, редактора, журналиста, дипломата, менеджера, ведущих свою профессиональную деятельность в русскоязычном коллективе. Наличие данного сертификата необходимо для получения диплома бакалавра, специалиста и магистра перечисленных выше специальностей (за исключением специалистов и магистров филологов, для которых данный экзамен является промежуточным). ТРКИ-4 Ожидается, что кандидаты могут понимать и адекватно интерпретировать оригинальные тексты любой тематики: абстрактно-философские, тексты профессиональной ориентации, тексты, предназначенные для широкого читателя, а также художественные тексты, обладающие подтекстовыми и концептуальными смыслами. В тест входит 4 текста, в целом примерно 4000 слов, и к ним дается 25 заданий. Типы заданий: восстановление текста, выбор правильного варианта из 3-4-х, задания открытого типа. Abb. 33: Система ТРКИ Jeder Test auf den einzelnen Niveaustufen (außer ТРКИ-4) besteht aus fünf Subtests, die Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen sowie Wortschatz und Grammatik testen. 2 Im Unterschied zum GeR, der sich ja allen europäischen Sprachen verpflichtet fühlt, enthalten die Beschreibungen der einzelnen ТРКИ-Niveaustufen auch klare grammatische und lexikalische Strukturen der russischen Sprache, die auf den einzelnen Levels zu beherrschen sind. Die Frage, ob Lehrende auch Bewertende und Beurteilende sein müssen, ist eine Frage, die von der Schulpolitik geklärt werden muss. In der fachdidaktischen Ausbildung werden Lehramtsstudierende erst in jüngster Zeit und nur vereinzelt an Universitäten mit dem Thema des Testens und Bewertens kon- 2 Ein Mustertest für ТРКИ-1 und ТРКИ-2 findet sich beispielsweise auf den Seiten http: / / www.testrf.ru/ pdf/ 1ser.pdf und http: / / www.testrf.ru/ pdf/ 2ser.pdf. <?page no="308"?> 309 7. Die ТРКИ-Formate frontiert. Wenn Junglehrer im Unterrichtspraktikum oder im Referendariat an die Schulen kommen, treffen zwei Generationen aufeinander: jene, die mit Erfahrung punktet, und jene, die aus purem oder begründetem Idealismus immer wieder Neues ausprobiert. Testen bleibt aber etwas, das man - wenn überhaupt - nur gemeinsam und mit vereinten Kräften schaffen kann. Sowohl bei der Überprüfung des Sprachstandes (testing for learning) als auch bei Qualifikationsprüfungen (testing of learning) muss an Schulen eine neue Prüfungskultur einsetzen. Dazu bedarf es einerseits des fundierten Feedbacks durch den Lehrer auf die Schülerleistung, wenn ein bestimmter Sprachstand überprüft wird oder um Lernleistungen zu lenken, und andererseits einer externen Überprüfung durch schulfremde Tester, wenn das Erreichen eines bestimmten Standards oder Qualifikationsniveaus attestiert werden soll. Aufgaben 1. Entscheiden Sie, um welche Art von Fehlern es sich in den folgenden Beispielsätzen handelt. Verwenden Sie dazu die Terminologie aus IV. 1: Мне близее до садика идти. Моя дедушка не работат, отдыхат дома. Часто мои родители мне скажут, что так легко быть молодым. Почему считает организацию досуга важную проблему? Человеку нужно сам оказывать своё здоровье. Здравствуйте, декан, спасибо за внимание! До свидания! Я живу вам ответ. 2. Bearbeiten Sie die folgende Aufgabe und überlegen Sie, welche der Sätze reliable Ergebnisse erwarten lassen. Ändern Sie Sätze, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie die Reliabilität der Items verbessern können. Вставьте правильный глагол движения: Когда мы жили в Москве, мы каждый день ........................ (1) в Третьяковку. (В такси) Водитель, здесь надо ........................ (2) медленнее: скоро будет наша улица. На границе нас спросили, ........................ (3) ли мы с собой наркотики и оружие. Как, ваш сын до сих пор не ........................ (4) машину? В твои годы я еще не ........................ (5) девушек в рестораны и на дискотеки. Посмотрите: такой маленький и ........................ (6) уже тяжёлый рюкзак с учебниками! Вы тоже часто ........................ (7) свой класс на прогулку в лес? Как мне хочется ........................ (8) в Нью-Йорк! <?page no="309"?> IV Evaluation im Russischunterricht 310 Днём мы ........................ (9) в лес за грибами, а вечером у нас были гости. 3 3. Lesen Sie die folgende Arbeitsanleitung und а chten Sie auf die Operatoren. Überlegen Sie, für welche Niveaustufe die Aufgabe gedacht ist. Sind die Operatoren Ihrer Meinung nach ausreichend und angemessen ausgewählt? Was würden Sie ändern? Диалогическая часть В конце учебного года ты хочешь организовать вечеринку для своих одноклассников (14-16 лет). Обсудите следующие пункты: чем заниматься на вечеринке еду и напитки музыку расходы другое Договоритесь о том, что надо сделать. 4. Studieren Sie die Deskriptoren einer „guten― bzw. einer „ausreichenden― Leistung in „Aufgabe zur mündlichen Sprachkompetenz― (EPA, S. 21). Um welche Art von Bewertungsraster handelt es sich dabei? Wie müssten Sie den Raster erweitern, um Interrater-Reliabilität zu gewährleisten? Weiterführende Literatur Alderson, J. Ch. & Wall, D. (1993): ―Does washback exist? ‖ In: Applied Linguistics 14 (2), 1993, 115-129. Alderson, J. Ch. & Clapham, C. & Wall, D. (1995): Language test construction and evaluation. Cambridge. Bachman, L. F. & Palmer, A. S. (2010): Language assessment in practice. Oxford. Balychina, T. M. (2006): Slovar’ terminov I ponjatij testologii. Moskva. Balychina, T. M. (2006): Čto takoe russkij test? Moskva. Bauer, F. & Kolesnik-Eigentler, M. (2013): Auf dem Weg zur neuen Reifeprüfung Russisch. Aufgaben und Übungsbeispiele zur Vorbereitung auf die neue Matura. Eisenstadt. Carr, N. T. (2011): Designing and analyzing language tests. Oxford. Caspari, D. 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Диалог (Neubearbeitung) 2. Fremdsprache. Bände 1-5. Berlin: Cornelsen, 2008- 2012. Конечно. 2. Fremdsprache. Bände 1-5. Stuttgart: Klett, 2009-2011. Конечно. Интенсивный курс. 3. Fremdsprache. Stuttgart: Klett, 2009-2012. Конечно. В движении. 2./ 3. Fremdsprache. Stuttgart: Klett, 2011. Мост. Bände 1-2. Stuttgart: Klett, 2008-2009 Отлично: der Russischkurs. Ismaning: Hueber, 2010. Привет! Bände 1-3. Berlin. Cornelsen, 2009-2011. <?page no="346"?> Sachregister Adaption 50, 119, 255 ADHS 250 ADS 250 affektiv 33, 36, 38, 233 Akzent 171, 175, 288 Anbilden 173, 177 Artikulation 171 Assimilation 171, 174 regressive 174 Aufgabenerstellung 294, 295 Aufgabenorientierung 79, 92, 95 Aussprache 36, 45, 171, 173 Aussprachelernbewusstheit 176 Ausspracheschulung 171, 176, 177 Aussprachestrategien 172 Authentizität 53, 259, 280, 289, 290 Automatisierung 33, 84, 129, 179, 192 Betonung 172 Bewertung kriterienorientierte 284 normorientierte 284 Bewertungsraster 304 Bewertungsskalen 298 Bewusstheit 41, 44, 47, 70 Bildungsplan 61 Bildungsstandards 23, 58, 61, 71, 77 Binnendifferenzierung 52, 142, 244 Bottom-up-Prozess 122 Curriculum 17, 23, 61, 74, 99, 110, 217 Diagnose 172, 177, 248, 251 Differenzierung äußere 27, 243, 247, 250 innere 244 Diskriminationsübung 178 Dolmetschen 158 Duktus 185 Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Russisch (EPA) 22, 62, 68, 75, 110, 138, 153, 164 Einsprachigkeit 159, 197 Einstellung 36, 37, 59, 214 Einzelarbeit 241 Emotionen 180, 181 Ergebnisstandards 59 Erstsprache 35, 51 Erwerb 27, 35, 36, 51, 191, 231 EuroCom 230 Faustregel 203 Feedback 33, 43, 46, 50, 177, 285 Fehler 38, 94, 206, 251, 275, 282 Fertigkeitsstufen 138 Formulierungsphase 155 Fossilisierung 36, 174 Frontalunterricht 241 Grammatik didaktische 269 Grammatik-Übersetzungsmethode 159 Gruppenarbeit 131, 241, 242 Hamburger Abkommen 16 Handlungsorientierung 78, 79 Herkunftssprache 27, 52, 221 Herkunftssprachenunterricht 247 Heterogenität 52, 243 Homburger Empfehlungen 17, 24 Hörarten 110 detailliertes Hören 110 transzendierendes Hören 111 Höraufgaben 111, 294 Hörentwicklung akzentuierte 111 komplexe 111 Hörprozess 112 Hör-Seh-Verstehen 108, 109, 117 Hörübungen 177, 178, 291 Hörverstehen 108, 109, 110, 113, 114, 117, 288 Identifikationsübung 178 Imitation 179 Implementierung 58, 61, 77, 80 Individualisierung 40, 244 Inklusion 250 Input 44, 48, 57, 78, 149, 172, 191 Input-Orientierung 57 Intake 44, 191 <?page no="347"?> Sachregister 348 Interaktion 34, 38, 47, 65, 242, 290 Interferenz 174, 175, 282 interlinguale 184 intralinguale 184 Interimssprache 282 Interkomprehension 230 Interlanguage 42, 282 Interlingual 184, 192, 193 Intonation 171, 174, 175, 179, 180 Intralingual 184, 192 Item 286, 287, 291, 302 Klieme-Expertise 58, 77 Koartikulation 171 Kognitivierung 41, 46, 177, 194, 203 Kommunikationsstrategie 40, 43, 210 Kompetenz phonologische 172 sprachenübergreifende 235 Kompetenzfehler 282, 283 Kompetenzmodell der Bildungsstandards 60 des GeR 64 Kompetenzorientierung 57, 60, 63 Kontrolle 44, 283 Korpus 104, 274, 275 Legasthenie 250 Lehrwerk 52, 74, 104, 175, 260 Lernaufgabe 79, 92, 95, 104 Lernberatung 251 Lernen kooperatives 142 sprachenübergreifendes 231 Lernerkorpus 275 Lernermerkmal 36, 176 Lernerorientierung 79 Lernersprache 41, 42, 43, 46, 275, 282 Lernerzahlen 24 Lernort 221 Lernstil 36, 38, 210 Lernstrategie 38, 39, 40, 43, 138, 211 Lerntechnik 38 Lerntyp 210 Leseflüssigkeit 123, 129 Lesekompetenz 121, 124 Lesen 121, 122, 125, 130, 131, 163, 183, 233, 295 detailliertes 125 kursorisches 125 lautes 126, 179 orientierendes 125 Leseprozess 121 Lesestil 124 Lesestrategien 126 Lesetext 123, 128 Leseverstehen 121 detailliertes 125 globales 125 selektives 125 Lesevorgang 121 Leseziel 124 Lied 138, 179, 186, 254, 262 Lingua franca 214 Literalität 88, 146 LRS 250 Mediation 160 Medien auditive 108, 254 Medienauswahl 258 Medienbegriff 253 Mediengeschichte 255 Medienkompetenz 253, 256 Mehrsprachigkeit 52, 68, 69, 228 Mindeststandards 59 Minimalpaar 173, 174, 178 monitoring 177 Motivation instrumentelle 36 integrative 37 Multimedia-Begriff 256 Musik 179, 218, 262 Operatoren 100, 298 Output-Orientierung 57 Partnerarbeit 242 Performanzfehler 282 Phonem-Graphem-Beziehungen 171, 174, 184 Phonetik 171 phonologisches Sieb 174 Plenum 241 Praktikabilität 289, 290, 291 produktiv 134, 147, 155, 193, 209, 298 Projektarbeit 220, 242 <?page no="348"?> 349 Sachregister Prosodie 171 Reduktion 171, 173 Reliabilität 285 reproduktiv 155, 209 Russischmethodik 19 Russischolympiade 21 Russischunterricht 34, 52, 66, 111, 139, 219, 250, 279, 304 Schreibanstoß 149 Schreibarten 186 Schreibaufgabe 154, 296, 298 Schreiben elementares 183, 186 kommunikatives 146 kreatives 149, 152, 153, 154 Schreibentwicklung 146, 151 Schreibkompetenz 146, 148, 150, 151, 152 Schreibprozess 150, 151 Schreibvorbereitung 154 Schriftsystem (Erwerb des) 183 Schüler mit russischsprachigem Hintergrund 143, 221, 246, 249 Selbstkonzept 33, 36, 37 Semantisierung 48, 192, 195, 201 Sensibilisierung 54, 216, 222 Sozialform 38, 241, 245 Sprach(lern)bewusstheit 41, 42 Sprachangst 37 Sprachenpolitik europäische 63 Sprachmittler 158 Sprachmittlung 158, 160, 163 Sprachmittlungsaufgaben 166 Sprachvergleich 40, 177, 206 Sprechabsichten 135, 141 Sprechanlässe 135 Sprechen 134, 135, 137, 139, 141, 163, 296 dialogisches 135 Stationenarbeit 246 Steuerung 32, 33, 34, 35, 45, 48, 50, 51, 103, 130, 261 stimmhaft 112, 173, 178 stimmlos 112, 173, 178 Tafel 260, 261, 262 Tandem 131, 243 Testaufgabe 61, 78, 140, 285, 287, 291, 293, 297 Testen integriertes 304 Testformat 293, 295 Testprinzipien 284 Testspezifikationen 291, 301, 302, 303 Text diskontinuierlicher 129 Textbeurteilung 91 Textformat 153 Textsammlung 274, 275 Textsorten 53, 87, 91, 128, 151, 153, 167, 217 Textverstehen 76, 122 Top-down-Prozess 122 Transfer 43, 175, 232 positiver 175 TRKI 28 Übersetzen 158 Übertragen sinngemäßes 20, 163, 165 Übungsaufgaben 140, 166 Unterricht aufgabengestützter 99, 103 kompetenzorientierter 78, 95, 100 Unterrichtssprache 117 Unterschiede individuelle 36, 174, 244 Validität 281, 287, 288 Vielsprachigkeit 69, 228 Washback 292, 306 Web 1.0 263 Web 2.0 263 Wissen deklaratives 65, 201, 234 prozedurales 65, 234 Wortakzent 172, 175 Wortbindung 175 Wörterbuch einsprachiges 271 zweisprachiges 271 Zusammenfassen 141 <?page no="350"?> Die Autorinnen und Autoren Behr, Ursula, Dr.: Fachreferentin für Russisch am Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Curriculumentwicklung, sprachenübergreifendes Lehren und Lernen. Herausgeberin und Autorin der Lehrwerkreihe „Dialog“ Bd. 1-3, Mitherausgeberin der Zeitschrift „PRAXIS Fremdsprachenunterricht“. Bergmann, Anka, Prof. Dr.: Professorin für Fachdidaktik Russisch an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: sprachen- und bildungspolitische Rahmenbedingungen des Russischlernens und lehrens; Erwerb von Literalität in der Fremd- und in der Herkunftssprache; sprachliche und sprachlernrelevante Voraussetzungen der Russischlerner sowie korpusbasierte Analyse von Lernersprache. Hartenstein, Klaus, Prof. Dr. : Professor für Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: lern- und lehrwissenschaftliche Probleme der Fremdsprachenforschung sowie angewandtlinguistische Fragen der Fremdsprachendidaktik, insbesondere erwerbsbezogene Untersuchungen zu Lexik und Phraseologie, kontrastive Sprachbetrachtung, Fehleranalyse, Lernerwörterbücher. Heyer, Christine, HD em. Dr.: em. Hochschuldozentin für Fachdidaktik Russisch. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Ausbildung von Kompetenzen in kommunikativen fremdsprachigen Tätigkeiten, Entwicklung von Lehrmaterialien, seit 1991 fachdidaktische Beraterin für Konzeptionen und Lehrpläne für das Fach Russisch in Sachsen-Anhalt, Lehrerfortbildungen. Mehlhorn, Grit, Prof. Dr.: Professorin für Didaktik der slavischen Sprachen an der Universität Leipzig. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Ausspracheerwerb, Sprachlernbewusstheit, selbstgesteuertes Lernen, individuelle Sprachlernberatung, Mehrsprachigkeitsforschung, Tertiärsprachenerwerb sowie Untersuchung slawischer Herkunftssprachen. Seidel, Astrid, Dr. : wiss. Mitarbeiterin am Institut für Slavistik (Arbeitsbereich Didaktik) der Universität Potsdam, Russischu. Englisch-Lehrerin in Brandenburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Fremdsprachenunterricht an Grundschulen; spät beginnender Russischunterricht; sprachenübergreifendes Lernen; Mehrsprachigkeit. Autorin der Lehrwerkreihe „Dialog“ Bd. 3, 4. Stadler, Wolfgang, Prof. Dr.: Institut für Slawistik und Institut für Fachdidaktik an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Russisch- und Englischlehrer. MA in Language Testing (by distance) Universität Lancaster (GB, 2010). Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: linguistische Fragen der Fremdsprachendidaktik, Testen und Bewerten, „Testen und Bewerten“ im Hochschullehrgang DaF/ DaZ an der Universität Innsbruck seit 2010, Lehrerfortbildungen, Mitherausgeber der Zeitschrift Praxis Fremdsprachenunterricht 2009-2011. - <?page no="351"?> Die Autorinnen und Autoren 352 Wapenhans, Heike, Dr.: Wiss. Mitarbeiterin am Institut für Slawistik, Fachgebiet Fachdidaktik Russisch an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Lehrwerkentwicklung, Sprachmittlung, Literatur- und Mediendidaktik, Lehrerfortbildungen; Herausgeberin und Autorin der Lehrwerkreihe „Dialog“ Bd. 1-3, Mitherausgeberin der Zeitschrift „PRA- XIS Fremdsprachenunterricht“.
