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Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion

Das Spanische im Königreich Neapel

0813
2014
978-3-8233-7735-1
978-3-8233-6735-2
Gunter Narr Verlag 
Teresa Gruber

Das frühneuzeitliche Königreich Neapel, das von 1503 bis 1713 unter spanischer Herrschaft stand, war auf allen gesellschaftlichen und institutionellen Ebenen vom spanisch-italienischen Sprach- und Kulturkontakt geprägt. Diese Arbeit untersucht den Plurilinguismus in der Italia Spagnola mit einem interdisziplinären Ansatz: Anhand von Texten aus der Epoche, die unterschiedlichen Gattungen der Literatur und der Sprachbetrachtung angehören, werden Zusammenhänge offengelegt, die sich in dem Kommunikationsraum zwischen der Mehrsprachigkeit und der zeitgenössischen Sprachreflexion ergaben. Die Arbeit richtet sich sowohl an sprachhistorisch interessierte Italianisten als auch Hispanisten.

ROMANICA MONACENSIA Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion in der Frühen Neuzeit Das Spanische im Königreich Neapel von Teresa Gruber Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion in der Frühen Neuzeit ROMANICA MONACENSIA herausgegeben von Wulf Oesterreicher, Gerhard Regn, Wolf-Dieter Stempel und Rainer Warning Band 81 · 2014 Teresa Gruber Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion in der Frühen Neuzeit Das Spanische im Königreich Neapel Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0178-1294 ISBN 978-3-8233-6735-2 Für meine Eltern & dem Andenken an meine Großmutter 7 Inhalt 1. Einleitung .......................................................................................................11 2. Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion in der Italia Spagnola..................18 2.1 Renaissancehumanismus und umanesimo volgare: die italienische und die spanische Perspektive ................................19 2.2 Das Königreich Neapel und die Italia Spagnola ................................30 2.3 Die Italia Spagnola - ein ‘blinder Fleck’ in der Sprachgeschichtsschreibung .............................................................................................52 3. Theoretische und methodische Grundlagen .............................................65 3.1 Kommunikationskontexte in der Italia Spagnola .............................65 3.2 Sprachbewusstsein und Sprachreflexion .........................................73 3.2.1 Formen, Verfahren und Themen der Sprachreflexion ........79 3.2.2 Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt als Gegenstand der Sprachreflexion ............................................85 3.2.3 Korpus .......................................................................................94 4. Die Mehrsprachigkeit der Italia Spagnola in Lyrik und Komödie. Sprachreflexion und Stereotypenbildung .................................................98 4.1 Die Sprache der ‘anderen’ - die Italia Spagnola als Thema literarischer Werke ............................................................................106 4.1.1 Mehrsprachigkeit im Cancionero de Estúñiga ......................106 4.1.2 Per dirlo a la spagnuola - Luigi Tansillos poetisches Spiel mit der Sprachmischung .......................................................126 4.2 Imitation, Karikatur und Stereotypisierung des spanisch-italienischen Sprachkontakts in Komödien ...................142 4.2.1 Bartolomé de Torres Naharro: Die Comedia Soldadesca und die Tinellaria ............................148 4.2.1.1 Metasprachliche Reflexionen bei Torres Naharro ........................................................158 4.2.1.2 Stereotype und sprachliche Muster in der Darstellung der Italia Spagnola ...............................172 4.2.2 Die Rolle des Neapolitanischen in den Komödien der Italia Spagnola ...................................................................186 4.3 Reflexion und Reflexe der Wirklichkeit .........................................195 8 5. Die Meinung der Experten: Reflexion über die Mehrsprachigkeit in Stilkritik, sprachtheoretischen Abhandlungen und Lehrwerken .....199 5.1 Die Frage nach dem Stil: eine süditalienische Questione della lingua .........................................................................202 5.1.1 Kritik an der barbarie spagnuola .............................................203 5.1.2 Hierarchisierung und imperialer Diskurs: Der Diálogo de la lengua ..........................................................211 5.1.3 Instrumentalisierung: Das Spanische als Argument in der süditalienischen Sprachendiskussion ......................221 5.2 Paratexte als Orte der Sprachreflexion ...........................................229 5.3 Sprachreflexion in Lehrwerken .......................................................243 5.3.1 Lehrbücher für den Fremdsprachenunterricht im 16. Jahrhundert .................................................................245 5.3.2 Spanischlehrwerke in der Italia Spagnola ............................253 6. Ergebnisse ....................................................................................................279 7. Bibliographie ...............................................................................................287 7.1 Texte und Quellen .............................................................................287 7.2 Forschungsliteratur ...........................................................................293 7.3 Internetquellen und Datenbanken ..................................................329 9 Vorwort und Danksagung Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die zwischen Dezember 2006 und Juli 2011 im Rahmen des Internationalen Doktorandenkollegs „Textualität in der Vormoderne“ an der Ludwig- Maximilians-Universität München entstand und dem Teilprojekt „Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel (16.-17. Jahrhundert)“ des Sonderforschungsbereiches 573, Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit (15.- 17. Jahrhundert), angegliedert war. Für die Förderung durch das Elitenetzwerk Bayern, die Betreuung und den interdisziplinären Austausch im Kolleg sowie für die finanzielle Unterstützung bei der Publikation durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bin ich überaus dankbar. All dies hat wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein tiefster Dank gilt meinem Doktorvater Professor Wulf Oesterreicher (LMU München), der mich bei diesem Projekt von der ersten Stunde an bis zur Veröffentlichung hervorragend begleitet und beraten hat. Ich danke ihm für all die Zeit, die er mir widmete, für seine Ideen und Anregungen, für seine kritische Lektüre und vor allem für seine Begeisterung und seinen ansteckenden Enthusiasmus, die mir den Antrieb, die Kraft und den Mut gaben, das Projekt durchzuführen. Auch meinem Zweitbetreuer Professor Gerhard Regn (LMU München) bin ich zu großem Dank verpflichtet. Seine kritischen Anmerkungen aus der Perspektive des Literaturwissenschaftlers und Renaissanceexperten setzten wichtige Impulse und bewahrten mich davor, manchen Aspekt einseitig zu betrachten. Außerdem möchte ich Professor Thomas Krefeld (LMU München), der gemeinsam mit Wulf Oesterreicher das erwähnte SFB-Projekt leitete, herzlich dafür danken, dass er mir beratend zur Seite stand. Mein besonderer Dank gilt auch meinen Kollegen des IDK „Textualität in der Vormoderne“. Vor allem möchte ich mich bei Sebastian Greußlich, Isabel Müller und bei Cecilia Mussini für den wertvollen Austausch und die kritische Auseinandersetzung mit meinem Thema bedanken. Meinen Kollegen und den Teilnehmern des Linguistischen Oberseminars am Institut für Romanische Philologie der LMU München danke ich ebenfalls für Diskussionen und Anregungen. Mein herzlicher Dank richtet sich hier an Professor Ulrich Detges und Professor Andreas Dufter, an Tina Ambrosch- Baroua, Martha Guzmán, Jochen Hafner, Tom Hiltensperger, Ulrike Kolbinger, Noemi Piredda, Elissa Pustka, Verena Schwägerl-Melchior, Eva Stoll, Klaus Grübl, Benjamin Meisnitzer und Davide Soares da Silva. Ich danke auch meinen Kollegen Julio Arenas Olleta aus Madrid und Álvaro Ezcurra Rivero aus Lima, in deren angenehmer Gesellschaft ich intensive 10 Arbeitsphasen der Promotion durchlief. Julia Waberer danke ich herzlich für die Korrektur der Endfassung des Manuskripts. Mein persönlicher Dank richtet sich an Constanze Álvarez, Conny Chase, Barbara Dander und Wolfgang Schlick sowie an meine Schwester Anna und Mohcine Ait Ramdan. Ihnen danke ich für Unterstützung und Korrekturen, vor allem aber für ihre Freundschaft und ihre Liebe, die mir Kraft und Ausdauer gaben. Meiner Patentante Erna Fries-Geigenberger danke ich dafür, dass sie meinen beruflichen Werdegang mit Anteilnahme und der nötigen Strenge begleitet hat. Mein tiefster Dank gilt meinen Eltern, ohne die diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Ihnen verdanke ich alles. Mit Geduld, Mühe und Liebe haben sie meine Ausbildung ermöglicht, mich zur Promotion ermuntert und mich bedingungslos unterstützt, sei es durch Korrekturen, technisches Knowhow oder lebenspraktische Hilfe. Mein innigster Dank richtet sich an meine geliebte Großmutter. Sie hat an mich geglaubt ohne nachzufragen und gab mir immer das Vertrauen, dass richtig war, was ich tat. München, im Juni 2014 11 1 Einleitung It is in a situation of language contact that people most easily become aware of the peculiarities of their language as against others. (Weinreich 1964, 100) Rund zwei Jahrhunderte dauerte die spanische Epoche Unteritaliens, in der die Provinzen südlich des Kirchenstaats von einem ständigen Sprach- und Kulturkontakt geprägt waren. Die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und die daraus resultierenden Sprachkontakte im frühneuzeitlichen Vizekönigreich Neapel, das von 1503 bis 1713 unter spanischer Herrschaft stand, sind in diversen Kommunikationsdomänen dokumentiert. In dieser Dissertation werden Texte untersucht, die unterschiedlichen literarischen, sprachtheoretischen und -philosophischen Gattungen angehören und deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie auf direkte oder indirekte Weise Bezug auf den Sprach- und Kulturkontakt in der Italia Spagnola 1 nehmen. Dadurch sollen Wechselwirkungen beschrieben werden, die sich zwischen der Mehrsprachigkeit, der zeitgenössischen Sprachbetrachtung und der Textproduktion ergaben. Ausgehend von Uriel Weinreichs Feststellung in Languages in contact (s.o.), wird angenommen, dass grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen Sprachkontakt, Sprachbewusstsein und Sprachreflexion besteht. 2 In einem durch konstanten Sprachkontakt charakterisierten Kommunikationsraum 3 , wie er im mehrsprachigen Königreich Neapel gegeben war, kann das steigende Interesse an sprachrelevanten Fragen sowie die Pluralisierung von sprachbezogenen reflexiven Leistungen als Folge der Mehrsprachigkeit gedeutet werden. Die von den Sprechern erlebte Diversitätserfahrung vermag deren Aufmerksamkeit auf Sprache als Reflexionsgegenstand zu lenken, wobei sich das Sprachbewusstsein (awareness) zunächst auf Sprachverschiedenheit richtet und sich folglich in der Textproduktion niederschlagen kann. Durch die textuelle Verarbeitung reflexiver Leistungen erfährt das Bewusstsein über die sprachliche Diversität einen Diskursivierungsschub, wobei in der Regel einzelne Aspekte gattungs- und textsortenspezifisch thematisiert werden. In dieser Arbeit werden Prozesse überprüft, die durch die äußerst komplexe Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel ausgelöst wurden. Das spa- 1 Zum Begriff der Italia Spagnola vgl. Kapitel 2.1. 2 Uriel Weinreichs Buch Languages in contact, das bereits kurz nach der Veröffentlichung 1953 zu einem Grundlagentext der Kontaktlinguistik avancierte, wird hier in der Ausgabe von 1964 zitiert. 3 Vgl. Oesterreicher 1993, 1996, 1998, 2004a, 2007c; Krefeld 2004a, 2004b und 2006; Hafner 2009. Zum Konzept des Kommunikationsraums vgl. Kapitel 3.1. 12 nische Süditalien wird dabei als Kommunikationsraum betrachtet, für den die Koexistenz des Lateinischen 4 mit dem Spanischen, dem Katalanischen, dem Toskanischen und anderen volgari italiani, wie beispielsweise dem Sizilianischen oder dem Neapolitanischen, im Schriftgebrauch dokumentiert ist. Was die Nähekommunikation in den süditalienischen Provinzen betrifft, die im 16. und 17. Jahrhundert der spanischen Monarchie angegliedert waren, können wir davon ausgehen, dass bestimmte Kommunikationssituationen vor allem durch den Kontakt mit dem Spanischen geprägt waren. Aufschluss darüber können Texte aus dem Bereich der pragmatischen Schriftlichkeit geben, auf die im Folgenden jedoch nicht näher eingegangen wird. 5 Vielmehr stehen Beobachtungen, Reflexionen und Urteile über die Mehrsprachigkeit und die Qualitäten der einzelnen Sprachen im Zentrum des Interesses. Ausgehend von Analysen, die jeweils textpragmatische, textsortenspezifische, intertextuelle sowie kulturspezifische und historische Aspekte berücksichtigen, werden metasprachliche Aussagen über die Funktion und die Anwendungsbereiche der im Vizekönigreich in Kontakt stehenden Sprachen miteinander verglichen, um folgende Fragen beantworten zu können: Nach welchen Schemata und Kriterien wurden die Sprachen hierarchisiert? Wie wurde die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel in Texten dargestellt? Welche Stereotype und Gemeinplätze wurden dabei verwendet? Welche Wechselwirkungen ergaben sich sprachintern und innerhalb der relevanten Diskurstraditionen 6 aus dem Sprachkontakt? In welchen Texten wird die Sprachverschiedenheit als Hindernis wahrgenommen, dem man durch das Fremdsprachenstudium Abhilfe leisten muss? Weshalb rücken andere Texte die Gemeinsamkeiten der einzelnen Sprachen in den Vordergrund und stellen Mehrsprachigkeit gerade nicht als Barriere sondern als Chance dar? 7 Kann man Aussagen über die 4 Auch das Griechische könnte berücksichtigt werden: Einerseits beschäftigten sich renaissancehumanistische Studien mit den Schriften der griechischen Antike, andererseits wurde es in manchen Teilen Süditaliens auch gesprochen. Vgl. u.a. Coluccia 1992, 687. Im Rahmen der hier vorgeschlagenen Fragestellung spielt das Griechische jedoch keine Rolle. 5 Giuseppe Coniglio veröffentlichte in den Bänden 1955, 1981a, 1981b, 1983 und 1984, 1988 Dokumente aus dem administrativen Bereich des Königreichs. Vgl. auch den Überblick über die Bestände im Archivo General de Simancas in Zarilli 1969. Das Archivmaterial wurde jedoch nicht in Bezug auf linguistische Kriterien untersucht, näheres dazu in Kapitel 2.1. Zur Forschungslage über die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel vgl. Kapitel 2.3. 6 Zur Definition des Begriffs ‘Diskurstradition’ in Abgrenzung zu den Begriffen ‘Gattung’ und ‘Textsorte’ vgl. u.a. Koch 1997, Oesterreicher 1997b, Schlieben-Lange 1983 und 2010 und Wilhelm 2001. 7 Vgl. hierzu das Vorwort von André Martinet in Weinreich 1964, VIII: „Contact breeds imitation and imitation breeds linguistic convergence. Linguistic divergence results from secession, estrangement, loosening of contact. In spite of the efforts of a few 13 Typik von Texten und Diskurstraditionen treffen, in denen Sprachreflexion und Sprachbetrachtung betrieben werden? 8 Die Arbeit stellt insofern ein Forschungsdesiderat dar, als seit Benedetto Croces Studie La lingua spagnuola in Italia (1895) und dem Kapitel „Lingua e letteratura spagnuola“ in La Spagna nella vita italiana durante la Rinascenza (1917) von Seiten der Sprachgeschichtsforschung keine umfassende Untersuchung durchgeführt worden ist, die die Mehrsprachigkeit im Vizekönigreich Neapel betrachtet hätte. 9 Bis in jüngste Zeit überwiegen Darstellungen, die sich entweder aus rein hispanistischer oder rein italianistischer Perspektive mit dem Vizekönigreich befassen, wodurch eine systematische Aufarbeitung des Sprachkontakts und der mehrsprachigen Praxen im spanischen Süditalien nicht geleistet werden kann. Diesbezüglich übernimmt die Geschichtswissenschaft eine Vorreiterrolle: Der ‘blinde Fleck’, so Wulf Oesterreichers Urteil über die Forschungslage in der Linguistik zur Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel 10 , wird durch Publikationen zu Militär-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Religionsgeschichte im spanisch dominierten Süditalien teilweise ‘aufgehellt’. Einige Monographien und Veröffentlichungen von Archivdokumenten ermöglichen das Studium der Strukturen des frühneuzeitlichen Königreichs Neapel. In den letzten beiden Jahrzehnten erschienen Publikationen 11 , deren Fokus auf das spanisch dominierte Süditalien gerichtet ist und in denen explizit Überlagerungs- und Transformationsprozesse untersucht wurden, die sich durch das Aufeinandertreffen des spanischen Imperialsystems mit den vor Ort existierenden Strukturen ergaben. Die Verlagerung des Interessenschwerpunktes ist auf den Paradigmenwechsel in der modernen Geschichtsforschung zurückzuführen 12 , die auf eine an den modernen Nationalstaaten orientierte Gesamtdarstellung verzichtet und somit den Blick auf ein frühneuzeitliches Europa ermöglicht, das von ständigen Machtwechseln und Territorialkonflikten gekennzeichnet war und in dem Strukturen angelegt waren, die nicht immer bis in die Moderne fortgesetzt wurden. So bildete beispielsweise Unteritaligreat scholars, like Hugo Schuchardt, linguistic research has so far favored the study of divergence at the expense of convergence.“ 8 Vgl. Cano Aguilar 2008, 89f. 9 Auch wenn der spanisch-italienische Sprachkontakt der Ausgangspunkt für Gian Luigi Beccarias Spagnolo e spagnoli in Italia. Riflessi ispanici sulla lingua italiana del cinque e del seicento (1968) war und darin erstmals wichtige Aspekte der Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola angesprochen wurden, wird diese darin nicht systematisch aufgearbeitet. Beccarias Leistung besteht in einer umfangreichen Anaylse der „spagnolismi dell’italiano“ (vgl. Beccaria 1968, 3). 10 Vgl. Oesterreicher 2004a, 218f.: „Un territorio sin explorar“, vgl. ausführlicher Kapitel 2.3. 11 Vgl. Calabria/ Marino 1990, Maiorini 1992, Calabria 1994, Musi 1994a und 1994b sowie Musi (Hrsg.) 1994, Rovito 2003, Peytavin 2003, Cancila (Hrsg.) 2007, darin vor allem Cancila 2007 und Favarò 2007 und Rossi 2007. 12 Vgl. hierzu u.a. Conrads/ Kessels (Hrsg.) 1994. 14 en im 16. und 17. Jahrhundert eine räumliche Einheit, in der die Verwaltung, Rechtsprechung, Städteplanung, religiöse Unterweisung, das Militärwesen und der Handel durch die Integration in das spanische Imperialsystem geprägt waren. Der einzig adäquate wissenschaftliche Ansatz, mit dem geklärt werden kann, wie das spanisch-italienische Nebeneinander funktionierte, ist somit eine Betrachtungsweise, die von der Pluralität 13 der kulturellen Praxen im Süditalien des 16. und 17. Jahrhunderts ausgeht. In diesem Punkt kann die Sprachwissenschaft von den Geschichtswissenschaften profitieren. Ein sprachgeschichtlich ausgerichtetes Projekt, das der defizitären Forschungslage bezüglich der sprachlich-diskursiven Überlagerungsprozesse im Königreich Neapel entgegenwirken will, muss sich deshalb das Paradigma der ‘Pluralität’ zu eigen machen und die teleologische Sicht der Sprachgeschichtsschreibung, die lediglich nach den Ausbau- und Überdachungsprozessen der modernen Standardsprache fragte, ad acta legen. Die ausschließlich einzelsprachlich orientierte Perspektive muss dabei aufgegeben werden. Des Weiteren müssen verschiedenste Diskursbereiche auf die in ihnen existierenden sprachlichen Praxen hin untersucht werden. Dieses Ziel hat sich das Teilprojekt C15, „Pluralität und Autorisierung im Königreich Neapel (16. und 17. Jahrhundert)“, des SFB 573 der Ludwig-Maximilians-Universität München gesetzt, dem diese Arbeit angegliedert ist. Während sich andere Forschungsaktivitäten innerhalb des Projekts auf die Analyse des Sprachgebrauchs in der pragmatischen Schriftlichkeit 14 , der Administration 15 , der Katechese oder des militärischen und merkantilen Bereichs konzentrierten, befasst sich diese Arbeit mit den metasprachlichen Äußerungen über Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit im genannten Kommunikationsraum. Als Untersuchungsbasis dienen vorwiegend Texte, die der sprachphilosophisch-literarischen und sprachpraktischgrammatikographischen Domäne entstammen. Insofern entspricht die Analyse der Urteile über den Sprachgebrauch im Süditalien des 16. und 17. Jahrhunderts einer Rekonstruktion des mehrsprachigen Kommunikationsraums ‘von oben’. Damit wird das notwendige Vergleichsmaterial zur Verfügung gestellt, anhand dessen ermittelt werden kann, inwieweit die zeitgenössischen ‘Sprachhaltungen’ mit den kommunikativen und sprachlichen Praxen übereinstimmten. Der zeitliche Rahmen, in dem sich die Untersuchung bewegt, ist bewusst an zwei Parametern ausgerichtet. Erstens ist er historisch durch die 13 Zu den Konzepten ‘Pluralität’ und ‘Pluralisierung’ vgl. den Einführungstext in das Programm des SFB 573 „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit (15.-17. Jahrhundert)“ der Ludwig-Maximilians-Universität München; vgl. <http: / / www. sfb-frueheneuzeit.uni-muenchen.de>, Zugriff am 07.03.2014. 14 Vgl. hierzu u.a. Soares da Silva 2010 und seine Dissertation I Ricettari di segreti nel Regno di Sicilia ('400-'600). La storia dello spazio comunicativo siciliano riflessa in una tradizione discorsiva plurilingue. 15 Vgl. hierzu jetzt Schwägerl-Melchior 2014. 15 Vormachtstellung der spanischen Habsburger in Unteritalien bestimmt. Von 1503 bis 1713 war das Königreich Neapel, zeitweise mit Sizilien, als Vizekönigreich der spanischen Krone angegliedert. Die Mehrzahl der ausgewählten Texte stammt aus dem 16. beziehungsweise aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Dieser Zeitraum entspricht der Phase der Konsolidierung der spanischen Hegemonialstellung in Süditalien, in der der spanische Militär- und Verwaltungsapparat gezielt auf- und ausgebaut wurde. 16 Anhand der Text- und Dokumentenlage lässt sich feststellen, dass sich zeitgleich mit dem politisch-institutionellen Ausbau in Italien auch eine Verbreitung der spanischen Kultur vollzog. Ausgehend von den Ballungs- und Machtzentren - Neapel als Sitz des Vizekönigs, Rom als Hauptstadt des Kirchenstaats mit massiver spanischer Präsenz, Venedig als internationales Zentrum des Buchdrucks - wurde die spanische Sprache in Italien sogar über die Grenzen des Königreichs Neapel hinaus verbreitet. Aus einer allgemeinen, nicht ausschließlich philologisch orientierten Perspektive ist die genannte Zeitspanne in das Zeitalter der Frühen Neuzeit 17 einzuordnen. Dieses chronologisch weit gefasste Epochenkonzept ist in methodologischer Hinsicht für die vorliegende Arbeit relevant. Würde man strikt im Rahmen fester Epochenvorstellungen operieren, könnten an den Gegenstand lediglich Fragen herangetragen werden, die genau diesen Konzepten entsprechen, was die Analyse- und Interpretationsmöglichkeiten erheblich einschränken würde. Stattdessen muss die Untersuchung von einem Wandel im Sprachbewusstsein ausgehen, welcher zu einer neuen Form der Sprachbetrachtung führte. Ebenso muss die Möglichkeit der Übernahme und Transformation bereits existierender Traditionen sowie die Koexistenz von altem und neuem Wissen in Erwägung gezogen werden. 18 Da das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit primär auf die Geschichte der Sprachbetrachtung in der Italia Spagnola gerichtet ist, müssen im zweiten Kapitel neben den historischen Ereignissen auch die geistesgeschichtli- 16 Vgl. hierzu Hernando Sánchez 2001b. 17 Die Bezeichnung Frühe Neuzeit etablierte sich etwa ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für den Zeitraum vom 15. Jahrhundert bis zur ‘Sattelzeit’ 1750/ 1800 in der Geschichtswissenschaft und wurde sukzessive für die anderen historisch orientierten Wissenschaften fruchtbar gemacht. Vgl. Müller 2004, 55 oder Stegbauer/ Vögel/ Waltenberger 2004, 14. 18 Die Überwindung des teleologisch motivierten Fortschrittsgedanken von der ‘frühneuzeitlichen Epochen’ als Vorgeschichte der Moderne hat sich der SFB 573 der LMU München zum Ziel gesetzt. Eine kritische Diskussion der ‘Fortschrittsgläubigkeit der Wissenschaft’ findet sich u.a. bei Haug 1987. Auch das Forschungsprogramm des Internationalen Doktorandenkollegs „Textualität in der Vormoderne“ der LMU München, in dessen Rahmen diese Dissertation entstanden ist, geht grundsätzlich von Transformationsprozessen in den vormodernen Epochen aus, in denen die Koexistenz unterschiedlicher Wissensbestände zu neuen Formen führte; vgl. hierzu das Forschungsprogramm des Kollegs: <http: / / www.textualitaet.lmu.de>, Zugriff am 07.03. 2014. 16 chen Strömungen der Zeit berücksichtigt werden. Aus diesem Grund wird auch zu überprüfen sein, inwiefern die Renaissance als Epochenkonzept und der Renaissancehumanismus beziehungsweise der umanesimo volgare als korrespondierende geistige Haltungen für die Untersuchung in Betracht kommen, wobei Präzisierungen bezüglich der zeitlichen Verortung dieser Konzepte in Spanien und Italien notwendig sind (vgl. 2.1). Darauf folgen ein Überblick über die relevanten historischen Ereignisse (2.2) sowie die Diskussion der Forschungslage (2.3). In Kapitel 3 der Arbeit werden die theoretischen und methodologischen Grundlagen besprochen; dies umfasst die Diskussion der Kommunikationskontexte in der Italia Spagnola (3.1) sowie eine terminologische Präzisierung der Begriffe ‘Sprachbewusstsein’ und ‘Sprachreflexion’ als unterschiedliche Manifestationsformen des ‘Sprachdenkens’ (3.2). Dabei wird auch die Relevanz der beiden Größen für die Sprachgeschichtsschreibung überprüft. Kapitel 3.2.1 untersucht die diskurstraditionelle und gattungsgeschichtliche Verankerung unterschiedlicher Grade metasprachlicher Kompetenz in Bezug auf Formen, Verfahren und Themen der Sprachreflexion. Daraus geht ein Vorschlag zur Typisierung der Texte hervor, die die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit bezeugen. Diese Beschreibungskriterien werden nicht nur mit Blick auf die Untersuchung des konkreten historischen Gegenstands erstellt, sondern sollen der modernen, disziplinübergreifenden Sprachgeschichtsforschung zur Verfügung gestellt werden. 19 Bezüglich der beiden Größen Sprachreflexion und Sprachbewusstsein als Gegenstand sprachwissenschaftlicher Untersuchungen besteht nämlich bislang kein Konsens darüber, auf welche Art von Texten sich die Forschung stützen soll und wie die darin enthaltenen Aussagen zu beurteilen sind. 20 In Kapitel 3.2.2 wird geklärt, in welchem Maß die von der Sozio- und der Kontaktlinguistik vorgeschlagenen Begriffe ‘Mehrsprachigkeit’ und ‘Sprachkontakt’ Gegenstand frühneuzeitlicher Sprachreflexion sein konnten und welche Begriffe und Konzepte der modernen Forschung für die Untersuchung der Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel fruchtbar gemacht werden können. In einer tabellarischen Übersicht (3.2.3) wird das Textmaterial vorgestellt und anhand der unter 3.2.1 erarbeiteten Reflexionstypen charakterisiert. Der Hauptteil ist in zwei Teile gegliedert, die sich mit verschiedenen Formen der Sprachreflexion auseinandersetzen. Kapitel 4 und die entsprechenden Unterkapitel widmen sich der Untersuchung der Funktionalisierung der Mehrsprachigkeit in literarischen Texten; dabei muss berücksichtigt werden, dass Sprachliches sowohl auf der Textals auch auf der Metaebene thematisiert werden kann. Kapitel 5 befasst sich ausschließlich mit 19 Zu den Problemstellungen der Sprachgeschichtsschreibung vgl. u.a. Alberto Vàrvaro 1972 und die Beiträge in Hafner/ Oesterreicher 2007, vor allem Oesterreicher 2007a. 20 Vgl. dazu Bahner 1956, Weinrich 1985a, Eberenz 1989, Gauger 1976 und 2004, Haßler/ Niederehe (Hrsg.) 2000 sowie Haßler/ Niederehe 2000, Maaß 2005. 17 metasprachlichen Äußerungen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Analyse der Diskussionen und Reflexionen über Stilideale und die Qualitäten des Spanischen im Vergleich mit dem Toskanischen in sprachtheoretischen Schriften (5.1). Des Weiteren erfolgt eine Analyse der Aussagen über Sprachliches in Paratexten (5.2). Kapitel 5.3 befasst sich schließlich mit Lehrwerken, die im Kontext des spanisch dominierten Süditaliens entstanden (5.3.2) und auf die Notwendigkeit des Fremdsprachenerwerbs reagierten. Dem geht in Kapitel 5.3.1 ein Exkurs zur Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts im 16. Jahrhundert voraus. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der Kapitel 4-5 sowohl in Bezug auf die konkrete historische Fragestellung als auch auf allgemeine Verfahren der Sprachgeschichtsforschung verglichen und zusammengeführt. 18 2 Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion in der Italia Spagnola Obwohl im Folgenden Aspekte der Sprachbetrachtung für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit untersucht werden, wird bewusst auf ein Periodisierungskonzept verzichtet, das sich auf die ‘Geschichte der Sprachwissenschaft’ beziehen würde. 21 Man würde dabei einem mehrfachen Irrtum unterliegen. Zum einen müssen das 16. und das 17. Jahrhundert zur Vorgeschichte der Sprachwissenschaft gerechnet werden 22 , zum anderen ergibt sich der zeitliche Zuschnitt nicht allein aus wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklungen, denn er ist auf die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel bezogen und somit primär an sprachextern-kommunikationsbezogene Faktoren gekoppelt. Darüber hinaus soll nicht ein Abschnitt der Vorgeschichte der Sprachwissenschaft rekonstruiert werden, sondern ein Teilaspekt der komplexen mehrsprachigen Konstellation im spanischen Süditalien sprachhistorisch aufgearbeitet werden. Wenn es dennoch einer konzeptuellen Rahmung bedarf, so erweist es sich als sinnvoll, die Untersuchung an einer der dominierenden Strömungen der Epoche, dem Renaissancehumanismus beziehungsweise dem umanesimo volgare zu orientieren; einerseits deshalb, weil die in den Texten getroffenen Aussagen über Sprache, Sprachgebrauch und Sprachverschiedenheit im Königreich Neapel Fragestellungen berücksichtigen, zu deren Artikulation der Humanismus wichtige Anstöße gegeben hat; andererseits weil Plurilinguismus ein renaissancetypisches Phänomen ist, da diese eine „von vorneherein als mehrsprachig zu begreifende Epoche“ (Maaß 2005, 8) ist. 21 Für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft wird noch heute Gustav Gröbers Vorschlag einer Einteilung in fünf Epochen diskutiert, vgl. in Gröber 1906 das Kapitel „Geschichte der romanischen Philologie“. Vgl. auch Coseriu 2003, 7-12. 22 Häufig wird der Unterschied zwischen Geschichte und Vorgeschichte der Sprachwissenschaft nicht konsequent berücksichtigt, es muss jedoch größter Wert darauf gelegt werden, vgl. Osterreicher 2005, 5f. Eine klare Trennung zwischen Vorgeschichte und Geschichte der Sprachwissenschaft als wissenschaftliche Disziplin zieht auch Hans- Martin Gauger 1981; vgl. insbesondere Kapitel III. „Vorgeschichte der romanischen Sprachwissenschaft“ (30-44) und Kapitel IV. „Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft“ (45-94). 19 2.1 Renaissancehumanismus und umanesimo volgare 23 : die italienische und die spanische Perspektive Wer sich auf das Terrain der Renaissanceforschung begibt, sieht sich mit einer wissenschaftsgeschichtlichen Auseinandersetzung mit diesem im 19. Jahrhundert entwickelten kunsthistorischen Epochenkonzept konfrontiert. Bekanntermaßen waren es Jules Michelet und Jacob Burckhardt, die mit ihren Schriften die Renaissance als eigenständige Kulturepoche der europäischen Geschichte etablierten. Heute wird in den historisch arbeitenden Geisteswissenschaften von einer Einteilung der Geschichte des vormodernen Europas in Antike, Mittelalter und Renaissance ausgegangen, und selbst wenn die Epochenschwellen und -grenzen hinterfragt werden müssen, ist die Renaissance nach wie vor ein produktives Periodisierungskonzept. 24 In Die Cultur der Renaissance in Italien (1860) ging Burckhardt 25 , der seinerseits den Begriff Renaissance von Michelet 26 übernommen hatte, zunächst von dem künstlerisch-ästhetischen Prinzip der ‘Wiedergeburt antiker Ideale’ aus, das alle Bereiche der Vita contemplativa und activa beeinflusst und verändert habe. Dabei konzentrierte er sich auf die kulturellen Zentren Oberitaliens des 14. Jahrhunderts, von denen aus diese Ideale verbreitet wurden. In der Nachfolge Burckhardts wurde das Prinzip der Wiedergeburt zu einem gesamteuropäischen Epochenbegriff ausgedehnt, der mit der Grundformel ‘Erneuerung des geistigen und kulturellen Lebens durch die Orientierung an den Wissensbeständen der Antike’ umschrieben werden kann. Diese Definition bezieht sich im weitesten Sinne auf eine Zeitspanne, die von den italienischen Anfängen im 14. bis zum Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert reicht. 27 Doch gerade weil es sich um ein weit gefasstes Epochenkonzept handelt, liegt der Einwand nahe, die Epochenbezeichnung Renaissance sei im Grunde genommen ein pauschalisierender Versuch, mit dem ein Abschnitt der Vergangenheit durch sein Verhältnis zur Antike interpretiert werden soll. 28 Dieses Gegenargument wird jedoch durch die im Verlauf des 20. 23 Der Begriff geht auf Giuseppe Toffanin 1941 zurück; vgl. auch die beiden Bände Bernardoni Trezzini 1974 sowie Tavoni 1984 und Bessi 2004. 24 Vgl. Rico 1980, 2: „[el renacimiento, T.G.] entró para siempre en el repertorio de conocimientos de toda persona de mediana formación. Entró con los trazos diseñados por Jacob Burckhardt […].“ 25 Vgl. Burckhardt 1989. 26 Vgl. Michelets 17-bändige Histoire de France (1833-1867). 27 Vgl. Hay 1980. 28 Ernst Robert Curtius hinterfragte 1948 in Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter (vgl. Curtius 1993) die Gliederung der Geschichte in Epochen von Grund auf. Dem Konzept ‘Renaissance’ im Sinne einer Rückbesinnung auf die Antike entzieht er durch die Betonung der Kontinuität der lateinischen Sprache in der Literatur des Mittelalters das Fundament. Vgl. hierzu Jauß 1970 und Quast 2002. Im Grunde genom- 20 Jahrhunderts in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen geführten Diskussionen über den jeweiligen Geltungsbereich des Schlagworts ‘Wiedergeburt antiker Ideale’ in der Kunst-, Literatur-, Sprach-, Philosophie-, Religions-, Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte entschärft. 29 Insofern liegen differenziertere Modelle für den Umgang mit dem Begriff vor. Allein ein Vergleich der unterschiedlichen Vorstellungen über Beginn und Ende der Renaissance in den Einzeldisziplinen kann zeigen, dass eine allgemeingültige räumliche, zeitliche oder auch inhaltliche Verortung nicht möglich ist. Eine der frühesten Datierungen stammt von Seiten der Kunsthistoriker, die die italienische Frührenaissance bereits im 13. Jahrhundert mit Giotto di Bondone beginnen lassen und dessen Versuch, die Zentralperspektive in die Malerei einzuführen, als ausschlaggebendes Kriterium verwenden. In der italianistischen Literaturwissenschaft hingegen herrscht kein Konsens darüber, ob Boccaccio und Petrarca jeweils dem Mittelalter oder der Renaissance zuzuordnen sind. In der Diskussion um Boccaccio stehen sich die Positionen der italienischen und der deutschen Italianistik gegenüber. Während Vittorio Branca Boccaccios Werk im mittelalterlichen Paradigma liest, da im Decamerone noch kein Verständnis von Autorschaft im modernen Sinne zutage trete 30 , schlagen Hans-Jörg Neuschäfer (1969) und Joachim Küpper (1993) eine rinascimentale Lektüre Boccaccios vor und stützen sich dabei auf die Erzählstruktur als ausschlaggebendes Kriterium. Petrarca wird zwar in der Regel als Prähumanist und Begründer der Renaissance bezeichnet, der mit dem Bild vom Licht, das die Dunkelheit durchdringt, den Diskursraum der ‘Wiederauferstehung’ eröffnet habe. 31 Doch auch in diesem Punkt sind Einwände berechtigt. So gibt Karlheinz Stierle zu bedenken, dass Petrarca diese Metapher noch traditionell im christlichen Sinne verwendet habe, wobei er aber - und hierin bestehe der wesentliche Unterschied zu Dante - nicht in die mittelalterliche Topik zurückgemen kann der Vorwurf des deutenden Charakters gegen jeden Periodisierungsversuch vorgebracht werden. Vgl. hierzu Haug 1987 und Titzmann 2002. 29 Zu den prominentesten Werken über die bildende Kunst und die Architektur in der Renaissance zählt Heinrich Wölfflins 1899 erschienener Band Die klassische Kunst. Einführung in die italienische Renaissance (= Wölfflin 1983), Ernst Gombrichs Zur Kunst der Renaissance. Ausgewählte Aufsätze (1985-1988) sowie Erwin Panofskys Die Renaissancen der europäischen Kunst (1979). Einen knapperen, allgemeinen Überblick dazu gibt Wundram 2004. Heydenreich 1981 setzt sich vorwiegend mit der Architektur auseinander. Was Literatur-, Philosophie- und Geistesgeschichte in der Renaissance betrifft, sind Garin 1954, 1988, 2006 und 2009, Chastel 1965 und 1969, Kristeller 1974 und 1976, Thomson 1983 sowie Hempfer/ Regn (Hrsg.) 1983 und Kablitz/ Regn (Hrsg.) 2006 zu nennen. Die Renaissance als Konzept der Religions-, Politik- und Sozialgeschichte verhandeln u.a. Janitschek 1879, Huizinga 1967, Martin 1974, Hay 1977, Chastel 1983, Jäger 1990, Reinhardt 2002, Burke 2005 und Mackenney 2005. 30 Vgl. Branca 1964. 31 Vgl. Stierle 1987, 455; Hempfer 1993, 9; Regn 2006, 27-45. Siehe auch in toto Mommsen 1969 und Garin 2009. 21 fallen sei. 32 In diesem widersprüchlichen Verhältnis zwischen renovatio und gleichzeitigem Bruch mit der Antike sieht Gerhard Regn, der den Prozess der Kanonisierung Petrarcas zu einer der literarischen Autoritäten des 16. Jahrhundert beschreibt, ein wesentliches Merkmal des Autors: Petrarcas Renaissance ist Ausdruck einer Paradoxie. Die renovatio zielt auf eine Dauer, deren Voraussetzung die Vergänglichkeit ist. Rom mußte erst zu Verlust geraten, um zum Gegenstand einer den Zeiten trotzenden Kultur des Ruhms werden zu können, deren gedankliches Dispositiv die kurrente antike fama-Konzeption und deren Manifestationsort die renatae litterae sind. Weil dies aber so ist, bleibt auch das Ziel von ebenjenen Bedingungen affiziert, auf deren Aufhebung es gerichtet war. Die Grundsätzlichkeit, mit der Vergänglichkeit als Horizont der Renaissance gedacht wird, markiert nun die entscheidende Differenz, zwischen der Antike und ihrer Wiedergeburt. (Regn 2006, 21) Mit Blick auf die epochale Zuordnung der Tre Corone ließen sich zahlreiche weitere Positionen in Erwägung ziehen. Um diese Diskussion jedoch abzukürzen, sei mit Klaus W. Hempfers darauf verwiesen, dass auch disziplinintern Zuordnungen im Grunde genommen stets nur in Bezug auf einzelne Aspekte und Merkmale möglich sind: Als Initiatoren dieses Regenerierungsprozesses werden von Boccaccio über Enea Silvio Piccolomini bis zu Vasari immer wieder Petrarca für die Literatur und Giotto für die Malerei genannt, auch wenn zum Teil das gesamte Trecento seit Dante als ‘Aufschwungsphase’ fungiert. (Hempfer 1993, 99) Am Beispiel Dante wird deutlich, wie umstritten epochale Etikettierungen sein können. Während die Literaturwissenschaft in Dante zwar eine ‘Aufbruchstimmung’ erkennen will, sieht sie in ihm immer noch einen Autor, der der Tradition des Mittelalters verhaftet ist. Was jedoch Dantes Leistung als Sprachtheoretiker in De vulgari eloquentia betrifft, sieht die Sprachwissenschaft in ihm einen Vorreiter des humanistischen Sprachdenkens. Noch deutlicher wird die Weitläufigkeit des Epochenkonzeptes, wenn man die variierenden Gültigkeitsansprüche berücksichtigt, die für die Literatursprachen des frühneuzeitlichen Europas postuliert werden. Was die Geschichte der französischen Literatur betrifft, spricht man erst ab dem 16. Jahrhundert von Renaissance 33 , und die Hispanistik sucht noch bis heute nach einer Antwort auf Victor Klemperers 1927 provokativ formulierte Frage „Gibt es eine spanische Renaissance? “. 34 Vor allem der Vergleich der unterschiedlichen Dimensionen, in denen sich Renaissance und Humanismus 32 Vgl. Stierle 1987, 457. Siehe auch Regn 2006, 12: „Petrarcas Projekt einer postmittelalterlichen Renaissance durch Dichtung ist auch ein dezidierter Gegenentwurf zu Dantes Versuch, Renaissance als Möglichkeit mittelalterlicher Weltsicht zu denken.“ 33 Vgl. z. B. Hausmann 1997. 34 Vgl. Klemperer 1927, Rico 1980 und Carrera de la Red 1988, 49f. 22 in Italien und Spanien manifestierten, zeigt, dass es stets zu präzisieren gilt, welche Aspekte des Epochenbegriffs für welches Land fruchtbar gemacht werden sollen. Während in den kulturellen Zentren Oberitaliens das 15. Jahrhundert die Blütezeit des Renaissancehumanismus war, kann in Spanien zeitgleich gerade einmal von Prähumanismus die Rede sein. 35 Zudem sind die Ausprägungen von Grund auf verschieden. Während der Renaissancehumanismus auf der Iberischen Halbinsel religiös und von reformatorischen Ansätzen geprägt war 36 - eine wichtige Instanz für die spanischen Humanisten war Erasmus von Rotterdam 37 -, lag in Italien der Schwerpunkt zunächst auf den studia humanitatis und den Bezügen zur griechischen und römischen Antike. Später rückten auch die modernen Volkssprachen ins Zentrum des Interesses des umanesimo volgare. Aus theoretischer Perspektive hinterfragt Karl-Heinz Stierle in seinem einschlägigen Aufsatz „Renaissance. Die Entstehung eines Epochenbegriffs aus dem Geist des 19. Jahrhunderts“ das Prinzip der epochalen Gliederung von Grund auf, tritt zuletzt aber dennoch für die Renaissance als produktives Epochenkonzept ein: Epochen sind Anschauungsformen des geschichtlichen Sinns, die die geschichtliche Zeit zu Figuren der gedeuteten Geschichte ordnen. In Epochen ist die Zeit anders gebunden als in den homogenen Zeiträumen der Jahrhunderte. Epochen haben unfeste Ränder. Sie erscheinen perspektiviert durch eine leitende Tendenz, die ihnen gewöhnlich den Namen gibt. [...] Jede Epoche bestimmt sich durch eine zweifache Differenz: sie grenzt sich ab von einer ihr vorausliegenden wie von einer nachfolgenden Epoche. Gewöhnlich ist diese Differenz als Schwelle kenntlich gemacht [...] Vielmehr sollen die einzelnen neuen Verwendungen des Epochennamens der Renaissance als Bruchstücke eines sich herausbildenden Diskursraums verstanden werden. Dabei ist vorausgesetzt, daß sich im Prinzip immer neue Bruchstücke auffinden lassen, die aber alle nur als Spuren, Hinweise auf einen Zusammenhang verstanden werden können, der als dieser sich der unmittelbaren Beobachtung entzieht. (Stierle 1987, 454 und 481) 35 Zur Problematik der Adaption des Epochenbegriffs Renaissance für die spanische Literaturgeschichte, insbesondere in Bezug auf die Verbreitung und die Formen des Humanismus, vgl. Rico 1980. Vgl. auch Carrera de la Red 1988, insbesondere Kapitel II.1.1 „El prehumanismo del XV. Primeros pasos hacia el Renacimiento“ sowie Green 1970 und Nieto 1997. 36 In diesem Kontext wäre die von Kardinal Francisco Ximénez de Cisneros (1436-1517) angestoßene Reform zu erwähnen. Der Erzbischof von Toledo und Großinquisitor der spanischen Krone, reformierte die katholische Kirche in Spanien und gründete 1508 die Universität von Alcalá de Henares, die zu einem wichtigen Zentrum humanistischer Studien wurde. Vgl. Nieto 1970, 51ff. und 1997, 83-96; Otto 1989, 18f. 37 Vgl. Bataillon 1950, erstmals erschienen 1937. Siehe auch Menéndez y Pelayo 1928 und Castro 1940-1942. 23 Nach Stierle müssen bestimmte Vorüberlegungen getroffen werden, um sinnvoll mit einem Epochenkonzept operieren zu können: Zum einen gilt es, die der Epoche zugrunde liegende ‘leitende Tendenz’ zu bestimmen, was zugleich die Auslotung der sogenannten Epochenschwellen impliziert. Diese wiederum können nur unter Bezugnahme auf die entscheidenden historischen Ereignisse erklärt werden. Allerdings reicht die Frage nach der übergreifenden ‘Grundtendenz’ alleine nicht aus, schließlich geht es immer um konkrete Untersuchungsgegenstände. Insofern muss spezifiziert werden, welche Facetten der ‘leitenden Tendenz’ für das betreffende Untersuchungsobjekt relevant sind, um somit ein Segment des ‘Diskursraums’ der Epoche näher bestimmen zu können. Im Rahmen der hier verfolgten Fragestellung über die Zusammenhänge von Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion im spanischen Süditalien des 16. und 17. Jahrhunderts liegt der Schwerpunkt auf der Sprachbetrachtung. Insofern ist die entscheidende leitende Tendenz nicht nur das universale Konzept der Wiederbelebung durch die Antike, sondern vielmehr die in der Renaissance dominierende Haltung philologischen und sprachbezogenen Fragen gegenüber. Dabei handelt es sich keineswegs um ein in sich geschlossenes Konzept. Aus der Sicht der klassischen Philologie steht der Renaissancehumanismus vor allem für das Studium antiker Autoren und für die intensive editionsphilologische Tätigkeit im 15. und 16. Jahrhundert. Vom Standpunkt der modernen Literaturwissenschaften kommt ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: Renaissancehumanismus bezeichnet hier gerade auch die durch den Bezug auf die antiken auctores ausgelöste Erneuerung literarischer Formen. Im Grunde genommen sehen beide Disziplinen in der literarischen Tätigkeit und damit verbundenen philologischen und sprachphilosophischen Fragestellungen ein wesentliches Merkmal des Renaissancehumanismus. Leighton Durham Reynolds und Nigel Guy Willsons schreiben hierzu: It will be convenient [...] to regard the Renaissance as the period extending from about 1300 to the middle of the sixteenth century. A cultural movement which is recognizable as humanism […] Although humanism eventually acted upon all areas of intellectual artistic life, it was primarily a literary activity and was closely connected with the study and imitation of classical literature. […] At least Latin literature was emancipated from the role for which it had been so badly cast, that of playing second-fiddle to religion; humanism was fundamentally secular […] (Reynolds/ Wilson 1991, 122-124) Einen anderen Akzent setzt Avelina Carrera de la Red (1988). Sie beschreibt den Renaissancehumanismus zwar ebenfalls als eine alle intellektuellen Lebensbereiche betreffende Bewegung. Dabei bezieht sie sich jedoch nicht vorwiegend auf die literarische Produktion, sondern vor allem auf das Zutagetreten einer ‘neuen Mentalität’. Die Erneuerung des geistigen Lebens sei durch den Bruch mit der mittelalterlich-scholastischen Lo- 24 gik und durch die Überwindung der auf Offenbarungswissen basierenden Kosmologie ausgelöst worden und habe zu einer ‘neuzeitlichen’ Erkenntnistheorie geführt, deren Ausgangspunkt die im Diesseits agierenden Individuen sind. 38 Die treibende Kraft bei der Verbreitung dieser neuen Logik sei laut Carrera de la Red der Humanismus insbesondere die Sprachbetrachtung in renaissancehumanistischer Tradition gewesen: Dentro de la dificultad que supone definir de forma precisa y unitaria conceptos como Renacimiento y Humanismo renacentista, dadas sus diferentes dimensiones cronológicas y manifestaciones de unos países a otros, hay, sin embargo, un hecho puesto de relieve por los grandes estudiosos de la época [...]: la aparición de una nueva mentalidad, conciencia de avance o progresiva, vuelta hacia el pasado con la vista puesta en el presente, con incidencia en todas las facetas de la vida humana. [...] Pero estamos convencidos de que es el análisis lingüístico el que induce a los humanistas a una nueva lógica y una nueva visión del mundo […] La reflexión sobre la lengua aparece con el mismo Renacimiento. Se trata de una refexión con sentido de sí misma. A través de ella se revisan nociones tradicionalmente admitidas, surgen cuestiones antes nunca planteadas y se asientan y definen conceptos que aún hoy se mantienen vivos. De esta reflexión crítica nacerán tesis y posiciones específicas de trascendencia capital para el desarollo de la vida cultural, política y religiosa del humanismo renacentista, posibilitando la renovación general de la enseñanza, la gramática, la literatura, la filosofía, la teología, la medicina… (Carrera de la Red 1988, 10-18) Selbst wenn man davon ausgeht, dass die innovative Kraft des Humanismus im Sprachdenken verankert lag, so gilt es zu berücksichtigen, dass die wesentliche Neuerung nicht in der Reflexion über Sprache an und für sich bestand - schließlich war Sprachbetrachtung in der abendländischen Kultur seit Platon und Aristoteles ein fester Bestandteil philosophischer Überlegungen. 39 Neu war hingegen der Prozess der Öffnung und Auffächerung des Bewusstseins für sprachbezogene Fragestellungen. Ausgangspunkt war zunächst das Studium der antiken Sprachen, vor allem des klassischen Lateins. Ein Ziel war die Rückkehr zur rhetorischen Eleganz der ciceronianischen Ära. Während Lorenzo Valla in den Elegantiarum Latinae linguae libri 38 In der Forschung etablierte sich diese Figur des Bruchs als Erklärung für den erkenntnistheoretischen Neuansazt an der Schwelle Mittelalter-Renaissance beziehungsweise Mittelalter-Frühe Neuzeit. Vgl. hierzu u.a. Gumbrecht 2004, 44: „Erst als sich das Subjekt nach und nach als Darsteller einer aktiven Rolle durchsetzt, welche die Fähigkeit und das Recht zur Produktion neuen Wissens impliziert, wird die Vorstellung, man könne Wissen ansammeln und auf diese Weise letztlich die Menge der den Menschen zu Gebote stehenden Erkenntnisse vermehren, denkbar und reizvoll.“ 39 Vgl. Gambarra 1989; Formigari 2001; Oesterreicher 2005; Trabant 2006, 24-38. 25 VI (1449) 40 vehement für das bereits von Petrarca im 14. Jahrhundert geforderte Ideal der klassischen Latinität und gegen die ‘Barbareien’ eintrat, führte die Auseinandersetzung mit der klassischen Latinität im Verlauf des 15. Jahrhunderts auch zu einer Neudimensionierung sprachbezogener Fragen, die letztlich in einer ebenfalls als humanistisch zu bezeichnenden Strömung, dem umanesimo volgare, mündeten. Bekannt ist die Diskussion über das Verhältnis der Volkssprachen zum Lateinischen in der öffentlich ausgetragenen Kontroverse zwischen Flavio Biondo und Leonardo Bruni. Streitpunkt war die Frage, ob das volgare in Kontinuität zu einer gesprochenen Varietät des Lateinischen stehe und welches Latein man im antiken Rom gesprochen habe. 41 Diesen Fragen widmete man sich in Spanien erst eineinhalb Jahrhunderte später. 1606 veröffentlichte Bernardo Aldrete mit Del origen y principio de la lengua castellana o romance que oy se usa en España (1606) ein Werk, das sich exklusiv mit den Ursprüngen des Spanischen befasst, wobei jedoch bereits im 16. Jahrhundert derartige Fragen im Rahmen sprachtheoretischer Abhandlungen erörtert wurden. 42 Ausgelöst durch die Reflexionen über Sprachenursprung und Sprachvariation richtete sich das Interesse der Humanisten des 15. Jahrhunderts nun gezielt auf die Volkssprachen und damit wurde ein gänzlich neues Objekt für die Sprachbetrachtung erschlossen. Den Grundstein dafür hatte bereits Dante in De vulgari eloquentia zu Beginn des 14. Jahrhunderts gelegt. 43 Während jedoch Dantes Theorie im Sinne einer „doctrina vulgaris eloquentiae“ 44 die Volkssprache noch nicht aus dem Schatten des Lateinischen herauszuholen vermocht hatte, waren zu Zeiten, als Leon Battista Alberti die Grammatichetta della lingua toscana (ca. 1441) 45 verfasste und Antonio de Nebrija in Spanien die Gramática de la lengua castellana (1492) veröffentlichte, das Toskanische und das Kastilische bereits in so viele Domänen der kommunikativen Distanz vorgedrungen, dass ihre Beschreibung und Reglementierung als notwendig empfunden wurde. Noch für Dante war die grammatische Beschreibung einer Sprache im Sinne einer ars den gelehrten Sprachen vorbehalten, da diese im Gegensatz zur Muttersprache 40 Seit 1441 kursierte eine von Valla nicht autorisierte Ausgabe, 1449 legte der Autor eine überarbeitete Fassung der Elegantiae vor, die 1471 erstmals gedruckt erschien. Vgl. Ax 2006, 131f., siehe auch Ax 2001 und Bezner 2005. 41 Vgl. hierzu u.a. Fausel/ Hafner/ Küenzlen 2002. 42 Zu erwähnen wäre Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua (1535); vgl. Kapitel 5.1.2. 43 Vgl. auch Carrera de la Red 1988, 26: „Sin embargo, es importante subrayar que junto a esta consideración hacia el latín y la cultura que representa, surgen las primeras manifestaciones de una nueva conciencia lingüístico-cultural, con el vulgar como importante elemento a tener en cuenta.“ 44 Vgl. Trabant 2006, 60. 45 Claudio Marazzini (2000, 742) datiert den Entstehungszeitraum der Grammatichetta vaticana, die durch ein Apograph von 1508 überliefert ist (Biblioteca Vaticana: Codex Reginensis Latino 1370), zwischen 1437 und 1441. 26 beziehungsweise ‘Ammensprache’ erst als Technik anhand von Regeln erlernt werden musste. 46 Doch in der Mitte des 15. Jahrhunderts setzte mit dem Vulgärhumanismus der systematische Ausbau der Volkssprachen als Distanzsprachen ein. Der Beginn dieses Prozesses, den Sylvain Auroux (1992) als grammatisation bezeichnet, steht in Zusammenhang mit der intensiven Auseinandersetzung und Reflexion über das Wesen der Volkssprachen. In Italien kumulierte dieser Prozess bekanntlich in der mehrere Jahrhunderte währenden Questione della lingua, die im Grunde genommen von Dante durch seine Überlegungen zu einem italienischen volgare illustre in De vulgari eloquentia angestoßen worden war. 47 Alberti setzte die Diskussion mit der bewussten Entscheidung gegen das Lateinische und für die Volkssprache fort 48 und als 1525 Pietro Bembos Prose della volgar lingua erschienen, war die Questione della lingua bereits zu einem Streitpunkt mit politischer Tragweite ausgereift. 49 Der spanische Vulgärhumanismus trägt hingegen gänzlich andere Züge. Eine spanische Questione della lingua stand nicht zur Debatte, da das Kastilische, das unter Alfons dem Weisen als castellano drecho zu einer leistungsfähigen Distanzsprache ausgebaut worden war, bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine stabile Basis als spanische Standardsprache erlangt hatte. 50 Durch seine Verbreitung im Zuge der reconquista drängte es im 15. Jahrhundert die meisten anderen romances peninsulares kontinuierlich in den Nähebereich zurück 51 und im Verlauf der Konsolidierung der internationalen Vormachtstellung der Vereinigten Krone Kastiliens und Aragón im 16. Jahrhundert wurde es als lengua española in die europäischen und amerikanischen Besitzungen Spaniens getragen. 52 Dieser Siegeszug der spanischen Sprache und die maximale Ausdehnung der spanischen Macht fallen mit der literarischen Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert zusammen. 46 Zur Problematik der deutschen Übersetzung von volgare mit dem Begriff ‘Muttersprache’, vgl. Trabant 2005a, 116-119. 47 Vgl. Formigari 2001, 128. 48 Im Proömium zu den libri della famiglia (1437) liest man: „Piú tosto forse e’ prudenti mi loderanno s’io, scrivendo in modo che ciascuno m’intenda, prima cerco giovare a molti che piacere a pochi, ché sai quanto sono pochissimi a questi dí e litterati […] Ben confesso quella antiqua latina lingua essere copiosa molto e ornatissima, ma non però veggo in che sia la nostra oggi toscana tanto d’averla in odio, che in essa qualunque benché ottima cosa scritta ci dispiaccia […] E sia quanto dicono quella antica apresso di tutte le genti piena d’autorità, solo perché in essa molti dotti scrissero, simile certo sarà la nostra s’e dotti la voranno con suo studio e vigile essere elimata e polita.“ (Proemio; III libro della Famiglia zitiert in Patota 1996, XXIIIf.) 49 Standardwerk zu diesem Thema sind Migliorini 1949 und Vitale 1971. Vgl. auch Vàrvaro 1972 und Koch 1988. 50 Vgl. Koch/ Oesterreicher 2011, 225f. 51 Eine Sonderstellung nahm das Katalanische ein, das nicht völlig in den Nähebereich zurücksank, vgl. Koch/ Oesterreicher 2011, 227. 52 Vgl. u.a. Cano Aguilar 1999, 211. 27 Während sich die spanischen Autoren der Siglos de Oro weiterhin am Vorbild des Toskanischen orientierten, wurde andererseits die Idee des Spanischen als lengua universal zu einem festen Bestandteil sprachbezogener Überlegungen. Ein schlagendes Argument war die Verbreitung des Spanischen in Europa und Amerika, da man somit das Spanische sogar mit der prestigereichen Literatursprache Toskanische in eine Konkurrenzbeziehung stellen konnte (vgl. Kapitel 5.1). Außerdem ordnete man dem Lateinischen sowie den modernen Volkssprachen bestimmte emblematische Eigenschaften zu, um damit Hierarchisierungsvorschläge zu stützen, wie beispielsweise den, den Graciáns in El Criticón (1651/ 1653/ 1657) unterbreitete: „la latina, eterna tesorera de la sabiduría, la española, tan universal como su imperio, la francesa, erudita, y la italiana elocuente“ (I-IV, Gracián 1980, 112). 53 Auch wenn sich die historischen Voraussetzungen, unter denen in Italien und Spanien die Sprachenproblematik seit dem 15. Jahrhundert diskutiert wurde, grundlegend unterschieden und jeweils andere Aspekte im Zentrum standen, ist der Ausgangspunkt der Debatten der gleiche. Nicht nur das Lateinische, sondern auch die Volkssprachen konnten sowohl Gegenstand als auch Medium philosophisch-philologischer Reflexion sein. 54 Im Vergleich der jeweils spezifischen Qualitäten der einzelnen Sprachen manifestiert sich ein für den Renaissancehumanismus typisches und zugleich innovatives Element, nämlich eine grundlegende Neubewertung von sprachlicher Diversität, wie sie die abendländische Kultur bis dahin noch nicht gekannt hatte. Während in Antike und Mittelalter das Ideal der sprachlichen Einheit dominierte, waren Sprachverschiedenheit und Sprachenvergleich beliebte Themen des umanesimo volgare. 55 In der Öffnung des Gegenstandsbereichs sprachphilosophischer Fragestellungen tritt zugleich auch eine neue Form von Sprachbewusstheit zutage. Nicht mehr allein grammatische Korrektheit und stilistische Eleganz des klassischen Lateins sind Ziel und Objekt humanistischer Bestrebungen, sondern auch ästhetische und pragmatische Aspekte, die sich auf das Schreiben und Sprechen in den Volkssprachen beziehen, werden systematisch betrachtet. Die Grundtendenz der renaissancehumanistischen Sprachbetrachtung besteht also gerade in diesem Prozess der Auffächerung des Interesses an Sprachlichem. Eben diese für das Epochenkonzept paradigmatischen Tendenzen müssen bei der Analyse von Mehrsprachigkeit und Sprachreflexion im Königreich Neapel berücksichtigt werden. 53 Im 16. und 17. Jahrhundert kursierten zahlreiche Anekdoten, die den Status des Spanischen als Universalsprache festigen sollten; vgl. Kapitel 2.3. 54 Vgl. Carrera de la Red 1988, 35. 55 Vgl. Formigari 2001, 122: „Nel mondo antico e medievale è praticamente inesistente una considerazione positiva della varietà linguistica.“ Bei Dante findet sich erstmals eine Beschreibung diatopischer Variation des volgare; vgl. Formigari 2001, 127. Siehe auch Droixhe 1978, 34-118. 28 Allerdings kann von einem Umbruch im Sprachdenken nur in Bezug auf die gelehrten Diskurse die Rede sein. Was die Gesamtheit der Sprachbetrachtung betrifft, zu der auch Stellungnahmen in Gebrauchstexten wie Glossaren, Wörterlisten oder Lehrdialogen zählen, die aus pragmatischen Gründen das Thema Sprachverschiedenheit behandeln, war man sich schon im Mittelalter der Dualität Latein-Volkssprache bewusst. In diesem Punkt und auch in anderer Hinsicht erweist sich die Figur des Bruchs als problematisch. Mit Blick auf die inhaltliche Gestaltung und diskurstraditionelle Konstitution einzelner Textsorten ist es deshalb sinnvoller, von einem fließenden Übergang von einer Epoche in die andere zu sprechen. Gerade bei der Analyse der Lehrbücher, die im Kontext der Mehrsprachigkeit im spanischen Süditalien entstanden und die teilweise auf bereits bewährte Diskurstraditionen der Fremdsprachendidaktik zurückgriffen (vgl. Kapitel 5.3), wird zu klären sein, ob nicht viel eher von einem Kontinuum oder Wandel mittels Integration alter Muster zu neuen Formen auszugehen ist. Was hingegen die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel betrifft, kann diese als historisch evidentes Charakteristikum der Renaissance gelten. Für die sprachhistorische Aufarbeitung der Renaissance bietet die Konzeption als vorwiegend mehrsprachige Epoche, wie dies Christiane Maaß in der Einleitung zu dem Band Mehrsprachigkeit in der Renaissance 56 vorschlägt, neue Möglichkeiten. Denn dadurch können abgesehen von der gelehrten Mehrsprachigkeit der Humanisten, auch andere Formen der Vielsprachigkeit in der Renaissance untersucht werden. Diese beschränkt sich nämlich ebenso wenig auf die Dualität Latein und Volkssprache, wie die Reflexion über Mehrsprachigkeit ausschließlich in intellektuellen Diskursen stattfand. Werner Hüllen (2000) beschreibt das Europa der Renaissance als einen Raum, der von kleinräumig-dynamischer, sich überlappender Vielsprachigkeit gekennzeichnet war. [...] dass ein substantieller Teil des Kontinents damals natürlich-vielsprachig war, ja dass es in Europa wahrscheinlich überhaupt keine größere Region mit nur einer Gebrauchssprache (wohl mit nur einer Verkehrssprache) gegeben hat. Das sprachliche Muster des europäischen Kontinents war eben nicht der Flickenteppich sich gegenseitig ausgrenzender Sprachregionen (an die wir heute zumeist denken), sondern die komplexe Mischung und Überkreuzung sprachlicher Grenzen. (Hüllen 2000, 179) Allein das Gebiet, das geographisch in etwa dem modernen Nationalstaat Italien entspricht, liefert ein anschauliches Beispiel für einen Raum, der von ‘Mischung und Überkreuzung sprachlicher Grenzen’ und der Koexistenz verschiedener Sprachen und Varietäten nebeneinander gekennzeichnet war. Im 15. Jahrhundert waren neben dem Lateinischen auch das Griechische und das Hebräische - wenn auch mit geringerem Anteil - in der elaborier- 56 Vgl. Maaß/ Volmer (Hrsg.) 2005. 29 ten Textproduktion vertreten. 57 Man denke auch an die Funktion des Lateinischen als Sprache der Theologie, des Klerus, des Kirchenrechts und der universitären Ausbildung. Außerdem war durch die Liturgie der Zugang in Form passiver Kenntnisse sogar für die breite Masse gesichert. Andererseits hatte sich das Toskanische als verhältnismäßig weit ausgebaute Volkssprache bereits als Literatursprache etabliert und war in zahlreiche Domänen der kommunikativen Distanz vorgedrungen. Dennoch existierte auch weiterhin eine literarische Schriftproduktion in anderen relativ weit ausgebauten volgari italiani 58 , wie beispielsweise auf Sizilianisch, Neapolitanisch oder Venezianisch. 59 Daneben wurden im Nähebereich kleinräumig variierend eine Vielzahl italoromanischer Varietäten sowie nichtromanische Sprachen, zum Beispiel das Griechische in der Terra d’Otranto, gesprochen. 60 Als Kanzleisprache spielte das Katalanische in Neapel zur Zeit der aragonesischen Herrschaft (1442-1495) eine bedeutende Rolle, auf Sardinien dominierte es in diesem Bereich sogar bis in das 18. Jahrhundert. 61 Die Präsenz des Kastilischen als Amts- und Verwaltungssprache setzte spätestens mit der Eroberung Neapels durch die spanische Krone zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein und vom neapolitanischen Hof aus wurde das Spanische, das als Sprache der Vizekönige und des Adels hohes Prestige genoss, verbreitet und etablierte sich an den Höfen der norditalienischen Kleinstaaten als Modesprache. 62 Im Folgenden wird von eben dieser kleinräumig-dynamischen und prozesshaften Vielsprachigkeit im Europa der Renaissance ausgegangen, wo- 57 Vgl. hierzu Maaß 2005, 11-13. 58 Einen guten Überblick über das Verhältnis Latein-volgare toscano-volgari regionali in Bezug auf die Funktionen der Vernakularsprachen in unterschiedlichen Diskursdomänen bietet Cortelazzo 1980, vgl. insbesondere Kapitel 3 „Il Quattrocento“ (39-49), 4 „Il Cinquecento“ (50-72) und 5 „Il Seicento“ (73-91). Siehe auch Cortelazzo 1994. 59 Zu Ausbau und Überdachung vgl. Koch 1988 sowie Krefeld 1988a und 1988b, vor allem die graphischen Darstellungen in 1988b, 759f. Speziell zum Sizilianischen vgl. Alfieri 1992, 812-835; zum Neapolitanischen vgl. Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 637- 645, Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1993 und De Blasi 2006. Mit dem Status des Venezianischen befasst sich ausführlich Eufe 2006, vgl. auch Cortelazzo/ Paccagnella 1992, 225-253; zum Römischen vgl. Trifone 1992, 553-566; zum Lombardischen vgl. Bongrani/ Morgana 1992, 95-114 sowie Wilhelm 2005 und 2007. 60 Vgl. Coluccia 1992, 687; siehe auch Giannantonio 1987, 180: „[…] nel Salento, ove la tradizione della cultura greca era viva […].“ 61 Vgl. Loi Corvetto 1992, 897: „La progressiva ‘iberizzazione’ dell’isola, a partire dal XIV secolo fino agli inizi del Settecento, comporta certamente l’affermazione della lingua catalana e, in seguito, di quella spagnola; quest’ultima si diffonde nelle varie aree della Sardegna in tempi diversi, poiché in alcune zone e soprattutto nel meridione la lingua dominante continua ad essere il catalano dopo l’unificazione delle corone di Aragona e di Castiglia e secondo, alcuni studiosi, solo ai primi del Settecento lo spagnolo comincia a essere usato come lingua ufficiale […].“ 62 Vgl. Croce 1895 und 1917; Beccaria 1968, D’Ascoli 2003, Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 645ff. 30 bei der Fokus auf die Präsenz des Spanischen in Süditalien gerichtet ist. 63 Am Beispiel der Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel soll gezeigt werden, wie sich im Spannungsfeld verschiedener Sprachkontaktszenarien im frühneuzeitlichen Europa Sprachreflexion und Sprachbetrachtung entwickelten, um dadurch Zusammenhänge aufzudecken, die in diesem Kommunikationsraum zwischen der Mehrsprachigkeit und bestimmten Textualitätsformen der Sprachbetrachtung bestanden. Außerdem wird zu überprüfen sein, auf welche Sprachkontaktszenarien die Texte verweisen und welche Positionen bezüglich der Sprachverschiedenheit und des Fremdsprachenerwerbs in ihnen vertreten sind. 2.2 Das Königreich Neapel und die Italia Spagnola Über die zeitliche Begrenzung der spanischen Periode Süditaliens herrscht in den modernen historiographischen Darstellungen weitgehend Konsens: Von 1503 an war das unteritalienische Festland südlich des Kirchenstaats mit den Inseln Sizilien und Sardinien Territorium der spanischen Krone, in deren Besitz das Vizekönigreich Neapel bis zum Ende des Spanischen Erbfolgekriegs (1713) bleiben sollte. 64 Unabhängig davon, ob machtpolitische oder kulturanthropologische Prozesse, literatur- oder sprachgeschichtliche Aspekte betrachtet werden, wird mit Präzision ein fixer Anfangspunkt der spanisch dominierten Ära genannt. Man verweist auf den 28. und den 29. Dezember - die Tage, in denen das spanische Heer unter der Führung des Gran Capitán Gonzalo Fernández de Córdoba in der Schlacht am Garigliano den französischen Truppen die entscheidende Niederlage bereitete. On December 28-29, 1503, ‘the Great Captain’, Gonzalo Fernández de Córdoba, scored a definitive military victory for Ferdinand the catholic against the French in the battle for the Kingdom of Naples at the Garigliano River. (Dandelet/ Marino 2007, 1) Vereinzelt findet sich in der Geschichtsschreibung auch eine alternative Datierung, die sich jedoch im Grunde genommen auf das gleiche Ereignis bezieht. So nennt Benedetto Croce, der sich als einer der ersten mit dem Königreich Neapel befasste und dabei gezielt einen Schwerpunkt auf die Beschreibung des spanisch-italienischen Kulturkontakts setzte 65 , nicht nur den entscheidenden militärischen Schlag gegen die Franzosen, sondern auch den Akt des Machtwechsels durch die spanische Inbesitznahme der strategisch wichtigen Stadt Gaeta, die als piazzaforte del Regno di Napoli be- 63 Vgl. hierzu auch Hafner/ Oesterreicher 2011. 64 Vgl. Hafner 2009, 103. 65 Vgl. Croce 1967. 31 zeichnet wurde. 66 Dadurch verschiebt sich der Beginn der spanischen Vorherrschaft allerdings nur unwesentlich auf den 3. Januar 1504: Parve poi cedere alla preponderanza delle forze francesi, riducendosi in Puglia; ma nell’aprile del 1503 gli giunsero rinforzi dalla Spagna, e il 28 vinceva la grande battaglia di Cerignola, il 13 maggio occupava Napoli, il 29 dicembre dava la battaglia del Garigliano e il 3 gennaio del 1504 otteneva la resa di Gaeta: con che la conquista del Regno era compiuta. (Croce 1917, 99) Tatsache ist, dass der Sieg des Gran Capitán dem Tauziehen um die Vorherrschaft in Süditalien ein Ende bereitete. Insofern kann er als Referenzpunkt für den Beginn einer zwei Jahrhunderte währenden Periode mit relativ stabilen Herrschaftsverhältnissen in Süditalien gelten, da durch diese Eroberung dem Machtkampf zwischen den Häusern Aragón und Anjou ein Ende gesetzt wurde, das Süditalien im 15. Jahrhundert erschüttert hatte. 1442 hatte Alfons V. von Aragón [1416-1458] Neapel den Anjou entrissen und, nachdem ihn Papst Eugen IV. 1443 mit dem Königreich belehnt hatte, war die Trennung Siziliens 67 von den restlichen unteritalienischen Territorien aufgehoben. Als Alfons I. von Neapel richtete der aragonesische Herrscher seinen ständigen Regierungssitz in Neapel ein und vererbte den Thron seinem illegitimen Sohn Ferrante I. von Neapel [1458-1494]. Die Präsenz der Aragonesen in Süditalien, unter deren Herrschaft Sardinien bereits seit 1326 stand, war damit gefestigt. 1494 machte Karl VIII. als Erbe der Anjou-Dynastie 68 seine Ansprüche auf Neapel geltend und vertrieb den Thronfolger der aragonesischen Linie, Alfons II., ins sizilianische Exil. Dieser bat seinen Cousin Ferdinand II. von Aragon 69 um Hilfe, welcher sich mit Papst Alexander VI., der Republik Venedig, dem Herzogtum Mailand und Maximilian I. von Habsburg in der Heiligen Liga von Venedig verbündete und die Franzosen 1495 in der Schlacht von Fornovo schlug. Neapel 66 Vgl. hierzu Magliozzi 2000. 67 1137 eroberte Roger II. von Sizilien Amalfi, 1139 folgten Neapel und Gaeta. Der Normannenkönig integrierte diese bis dahin unabhängigen Seestädte in sein „Großreich Unteritalien-Sizilien“ (Seidlmayer 1989, 116), das in etwa dem späteren Reino de Nápoles entsprach und Teile der heutigen Regionen Sizilien, Apulien, Basilikata und Kalabrien umfasste. 1194 fiel das Erbe der Krone Siziliens an die Hohenstaufen, die das Königreich fast ein Jahrhundert lang erfolgreich gegen die Interessen der Päpste verteidigen konnten. Im Jahr 1266 gewann der papsttreue Karl von Anjou Sizilien in der Schlacht von Benevent für sich. Diese Herrschaft währte bis 1282, als die Franzosen in der sogenannte ‘Sizilianische Vesper’ (vgl. Runciman 1958 und Filocamo 1982) von der Insel vertrieben wurden. Die sizilianischen Barone baten Peter III. von Aragón [1276-1285] um Schutzherrschaft, die er ihm gewährleistete. Somit war das Fundament für die Jahrhunderte währende iberische Präsenz in Süditalien gelegt und Sizilien war dem Königreich Aragón bereits angegliedert, während das restliche Unteritalien zunächst Hoheitsgebiet der Anjou blieb. 68 Von 1266 bis 1441 hatten die Anjou Neapel regiert. 69 Ferdinand II. war von 1479 bis zu seinem Tod 1516 König von Aragón und verwaltete nach dem Tode seiner Frau Isabella auch die Krone Kastiliens. 32 fiel nun wieder an Aragón, doch bereits im Folgejahr wurde die aragonesische Vorherrschaft durch den Tod Ferdinands II., der keinen Thronerben hinterließ, erneut erschüttert. Es folgten Jahre der Kämpfe und Schlachten zwischen Frankreich, Aragón und den jeweiligen Verbündeten, die erst 1503/ 1504 ein Ende nahmen. Dieser knappe Überblick über die wechselnden Machtverhältnisse mag genügen, um zu verdeutlichen, dass Unteritalien durch die Vorherrschaft Aragons bereits lange vor der Eroberung durch den Gran Capitán von einer iberischen Präsenz geprägt war. Als sich Alfons I. in der Mitte des 15. Jahrhunderts mit seinem Gefolge in Neapel niederließ, setzte eine erste Migrationsbewegung von der Iberischen Halbinsel nach Süditalien ein, die nicht allein Aragonesen, sondern Spanier unterschiedlicher regionaler Herkunft betraf und alle Gesellschaftsschichten umfasste. In den Kreisen der Machthaber verfolgte man eine gezielte Heiratspolitik. Durch vorteilhafte Ehebündnisse zwischen süditalienischen und aragonesischen sowie kastilischen Adelshäusern versuchte man beiderseits den Einfluss und die Position in Süditalien zu sichern: Questi immigrati spagnuoli strinsero presto legami di parentela con le famiglie del regno; e, per citare alcuni casi, Innico d’Avalos sposò Antonella d’Aquino, del sangue di san Tommaso, unica figliuola del marchese di Pescara, e dette origine alla ‘progenie d’Avelo e d’Arquinio, … onor d’Ausonia e della Spagna’; Innico Guevara tolse in moglie Covella Sanseverino, figliuola del duca di San Marco; Antonio Centelles, Enrichetta Rufo […]; Sancio d’Ayerbe, Bianca Sanseverino e il figliuolo di essi due, Laura Siscar. Degni di nota sono per questo rispetto i matrimonî della famiglia Alagno, disposti dallo stesso re, il quale fece sposare le due sorelle della Lucrezia da lui amata, l’una a Giovanni Ruiz Coreglia catalano, capitano d’Ischia, e l’altra ad Auxia Milá […] (Croce 1917, 38f.) Auch in der Administration des Königreichs wurden wichtige Ämter von Spaniern, das heißt vorwiegend von Aragonesen, bekleidet. 70 Außerdem belegen die cedole della regia tesoreria die aragonesische Herkunft zahlreicher Handwerker, Händler und Tagelöhner, die sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Neapel niederließen. Von il Panormita stammt ein Hinweis darauf, dass sich bereits im 14. Jahrhundert auf Ischia eine katalanische Kolonie 71 gebildet hatte: E c’era anche uno sciame di minori impiegati, di negozianti, di artefici, tutti venuti di Spagna, come si vede dalle cedole della regia tesoreria […] e si vedeva allora contadini catalani venir da Barcellona in Napoli a sbrigare i loro processi. Nell’isola d’Ischia, contro al suo dominio così ostinata ribelle, Alfonso dedusse una vera e propria colonia di catalani, ‘ut essent (scrive il Pa 70 Vgl. Croce 1917, 39f. 71 Vgl. Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 638. 33 normita) qui cum virginibus aut viduis isclanis connubia copularent, ratus videlicet, id quod evenit, animos illorum delinire et conciliari posse prole suscepta’. (Croce 1917, 41) Croce zitiert neben il Panormita auch Loise De Rosa (1385-ca. 1475), der in seinen Ricordi ebenfalls von der massiven aragonesischen Präsenz in Neapel berichtete. 72 Der Text ist in volgare napoletano verfasst und besteht aus drei Teilen: „[...] una serie di Ricordi, un Encomio dell’eccellenza della città di Napoli, e una cronaca“ (vgl. Croce 1919, 122). Durch die Personenbeschreibungen, die historiographischen und legendenhaften Erzählungen entsteht in dieser chronikartigen Sammlung ein vom subjektiven Blick des Autors geprägtes Bild der Stadt Neapel des 15. Jahrhunderts. Vittorio Formentin, der das Manuskript edierte, konnte keinerlei strukturelle oder intertextuelle Verbindungen zu offiziellen Chroniken, Geschichtsbüchern oder Annalen der Stadt Neapel verifizieren: „Dietro la narrazione delle vicende storiche, leggendarie, personali che costituiscono la trama dei Ricordi derosiani non è dimostrabile l’esistenza di fonti scritte [...]“ (vgl. Formentin 1998, 36). Deshalb ordnet er das Werk De Rosas gemeinsam mit der Istoria del regno di Napoli dal MXL al MCCCCLVIII (1481) nach Domenico de Lello 73 in die Tradition der volkstümlichen Erzählungen ein. Trotz des überwiegend anekdotischen Charakters der Ricordi gilt De Rosa als wichtiger Zeitzeuge, der das aragonesische Neapel portraitierte. Croce und Formentin gehen davon aus, dass er sich in seinen Ricordi weniger an eine adlige Leserschaft richtete, wie dies die Dichter und Chronisten taten, die im Dienste Alfons’ I. standen, sondern stattdessen für ein Publikum schrieb, das, wie er selbst, aus einfachen Verhältnissen stammte und keinen Zugang zu einer umfassenden Bildung hatte. Die Tatsache, dass die Ricordi auf Neapolitanisch und nicht etwa auf Latein oder Toskanisch verfasst sind, untermauert diese Annahme und ist zugleich der Grund, weshalb De Rosas Werk nicht nur für die Geschichtsschreibung, sondern vor allem auch für die Sprachgeschichts- 72 De Rosa bezeichnet sich in den Ricordi als wichtige und einflussreiche Person. Er habe am Hofe Neapels unter sechs Königen - darunter auch Ferrante - gedient, sei maestro di casa, Vizeadmiral und Verwalter großer Länderein gewesen. Croce vergleicht diese autobiographischen Referenzen mit den gesicherten biographischen Daten und kommt zu dem Ergebnis, dass Loise De Rosa wahrscheinlich nur als Zeremonienmeister und Hausangestellter an den Höfen neapolitanischer Adelshäuser gedient habe; vgl. Croce 1919, 125: „Ma, pur senza infliggere una mentita al simpatico vecchio ciarliere, si può supporre che egli adoperasse con qualche improprietà e per iperbole i titoli di viceammiraglio e viceré; e che, se talvolta ebbe incarichi di governi di terre per conto di sovrani o di baroni, si tratasse in realtà di ufficî assai modesti; e che la sua principale professione fosse veramente quella di ‘maestro di casa’, di un capo servitore, ordinatore di cerimoniale e di feste [...].“ 73 Vgl. Formentin 1998, 40. Die Istoria stammt von einem anonymen, venezianischen Schreiber, der angibt, er habe die Berichte eines „egregio savio et homo doto ornato de virtu et boni costumi sier Domenico Dellelo Citadino Gaetano“ aufgeschrieben. Im Text wird das Jahr 1481 genannt; vgl. hierzu De Blasiis 1891, 178. 34 forschung 74 eine wertvolle Quelle darstellt. Von besonderem Interesse sind De Rosas Bemerkungen über die Anwesenheit verschiedener Nationen in der Stadt: Volite che eo ve dica la nobbeletate de Napole? Ince so de tutty le / / gente de lo mundo. Tu che liey, chi sy’? - „Tudisco“ - Piú de c v insorate / ˙de so a Napole - „No, eo só francioso“- Assay ince nde so, insorate / et no(n) insorate. Chi sy’? - „Veneciale“ - O, assay! - „No(n), eo só genoese“- Assay, / et se puro fusse firintino, so nostre citadine, et se sy’ catalano, / o, tutta la citate ˙de èy pina! “ (Loise De Rosa 1998, Bd. II, 655f.) Glaubt man Loise De Rosa, so übertraf bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die katalanische Präsenz in Neapel die aller anderen Nationalitäten. Eine ähnliche Beschreibung findet sich auch in der Descrittione dei luoghi antiqui di Napoli, e del suo amenissimo distretto (1535). 75 Benedetto Di Falco hielt darin die wichtigsten Ereignisse in der Stadt Neapel seit der Antike fest und erwähnt unter anderem die Anwesenheit der Katalanen und anderer iberischer Nationen seit der Eroberung durch Alfons von Aragón, den Johanna II. von Neapel als Thronfolger eingesetzt hatte: [...] Questa donna [Johanna II., T.G.] insatiabile come soglione esser le focose femine non contenta di Re Raniero d’Angio suo marito e d’altri illegitimi amanti tolse per figliuolo adotivo Re Alfonso Primo d’Aragona, il qual uenuto in Napoli per togliere il Regno al Re Raniero gli fu di mistiero recasse seco uarie genti Spagnole e dindi in qua rimasero alcuni spagnoli granatini & altri ch’erano della nation moresca La onde in Napoli non e meraviglia se varij costumi de di, in di si sono insino ad hoggi veduti poi che in quella in diversi tempi diverse nationi hanno segnoregiato, percioche come di sopra fu detto gli Alani, e goti gran tempo habitati in spagna, onde hoggi di sono detti Catalani quasi Goti Alani, e similmente un altra parte della Spagna qual chiamano la Vadalugia habitata gran tempo da Vandali & ultimamente il regno di Granata è habitato da Mori, li quali per la gatia [sic! ] e con la virtu di Re Ferrando di Aragona furono cacciati. (Di Falco 1580, o.S.) Für den iberischen Einfluss auf die Kultur- und Handelsmetropole Neapel in der aragonesischen Ära lassen sich weitere Belege sowohl in literarischen als auch administrativen Texten finden 76 ; auf sie wird im Folgenden 74 Auch Bianchi/ De Blasi/ Librandi (1992, 643) beziehen sich auf Loise De Rosa als wichtigen Zeugen für die aragonesische Epoche. 75 Der Mitherausgeber der modernen Di Falco-Edition, Tobia Toscano, datiert in Anlehnung an die Ergebnisse von Benedetto Croce die editio princeps der Descrittione auf das Jahr 1535. Diese Ausgabe, die in Neapel bei Mattia Cancer erschienen sei, ist jedoch verschollen, vgl. Toscano 1992, 15f. 76 Aus sprach- und literaturgeschichtlicher Perspektive beschäftigen sich Altamura 1971, Coluccia 1989, Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992 und 1993 mit Napoli Aragonese. Weitere kulturgeschichtliche Aspekte berücksichtigen Bartolucci/ Bonanni/ Senerchia/ Violini 1986, Atlas 1985 und 1989, Toscano 1992, Jappelli 1994, Vitale 2003. 35 zurückzukommen sein. Aus den bisher zitierten Textstellen geht bereits hervor, dass ein striktes Festhalten an den Anfangsdaten 1503 bzw. 1504 für historiographische Beschreibungen spanischer Elemente in Süditalien fragwürdig erscheinen muss. Eine differenzierte Sichtweise, wie sie die Historiker Thomas James Dandelet und John A. Marino vorschlagen, ist für derartige Fragestellungen angemessen. In der Einleitung ihres Bandes Spain in Italy (2007) plädieren die Autoren dafür, den Blick auf die Jahre vor 1503/ 1504 zu richten und die spanisch geprägte Ära Neapels bereits im 15. Jahrhundert beginnen zu lassen, da in dieser Zeit die Fundamente für die ökonomischen und machtpolitischen Beziehungen zwischen Spanien und Süditalien gelegt wurden: Five aspects of the Spanish domination of Italy that changed the political landscape had been established before 1504. First, Italy had become an integral part of Aragonese ambitions for Catalan mercantile expansion and a Western Mediterranean ‘empire’. Sicily, Sardinia, and Naples were essentially pieces of Aragon’s European puzzle, and partnering with Genoese financiers was common practice for all Iberian powers - Aragón, Castile, and Portugal - in their designs on North and West Africa, and beyond. Second, the 1442 conquest of Naples by Alfonso V of Aragón (1435-1458) had made the Aragonese dynasty one of the major powers within Italy. As a signatory of the Peace of Lodi in 1454, Aragonese Naples became one of Italy’s five great powers guaranteeing protection from foreign invasion, while giving lip service to the uneasy peninsular peace. Alfonso and his son Ferrante I (1458-1494) used Naples as a springboard for further interventions in Italy affairs. Third, patronage promoted Iberian families such as the Borgia, rewarded them for service, and also fostered the development of a pro-Aragonese party among the native elite in the Italian states as it provided outlets for military service and links to advancement. […] Fourth, intermarriage was the glue binding such as Iberian and Italian noble families together in their service to the crown. Just as the Catholic Kings and the Habsburgs employed marriage as state policy, so too did the great noble families of Italy and Iberia seize upon the advantages of family alliances with one another. Fifth, Aragonese ascendancy not only solidified a pro-Aragonese party, but also that of a pro-Angevin (and later pro-French) opposition. Ferrante’s succession in Naples was convulsed by two baronial revolts (1458-1462 and 1485-1486); and when Rodrigo Borgia won the papacy over his long-time rival, Cardinal Giuliano della Rovere, who had been cardinal-nephew of Sixtus IV (1471-1484) and the power behind the throne of Innocent VIII (1471- 1484) 77 [sic! ], the future Pope Julius II (1503-1513) fled to the French court in 1494 and advised the French king Charles VIII to invade Italy. (Dandelet/ Marino 2007, 1f.) 77 Hierbei muss es sich um einen Druckfehler in Dandelet/ Marino 2007 handeln, denn Innozenz VIII. war Papst von 1484 bis 1492. 36 Weiterhin müssen Präzisierungen getroffen werden, wenn es um die Entwicklungen der Machtverhältnisse in Süditalien nach 1503/ 1504 geht. Nachdem der franzosenfeindliche Papst Julius II. die durch die Eroberung des Gran Capitán neu entstandenen Machtverhältnisse offiziell anerkannt hatte, standen die vereinten Königreiche Neapel und Sizilien unter der Herrschaft von Ferdinand II. von Aragón [1479-1516]. Das bedeutet, dass Süditalien bereits 1504 der vereinten Krone Kastiliens und Aragons angegliedert war, deren Union 1469 durch die Heirat der Katholischen Könige Isabella I. [1474-1504] von Kastilien und Ferdinand II. besiegelt worden war. Die beiden Königreiche blieben jedoch zunächst unabhängig voneinander und wurden von ihrem jeweiligen Souverän regiert. De facto gehörte Neapel nach 1503/ 1504 also immer noch der aragonesischen Krone an. Auch nach Isabellas Tod vertrat Ferdinand II. lediglich als Regent die Interessen der kastilischen Krone, da die rechtmäßige Thronfolgerin, Juana I. von Kastilien (Juana la Loca) für unfähig befunden wurde, die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Erst mit der Krönung Karls V. 1516 zum ersten und alleinigen Herrscher über beide Königreiche, waren Kastilien und Aragón zur spanischen Krone vereinigt. Im Kontext der monarquía hispánica kann korrekterweise also erst ab diesem Zeitpunkt von der spanischen Herrschaft über das Vizekönigreich Neapel die Rede sein. 78 Im Rahmen historischer Darstellungen erweist sich die Fixierung der spanischen Ära Süditaliens auf ein exaktes Anfangsdatum somit als fragwürdig, zumal die merkantilen, politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Süditalien und der iberischen Halbinsel schon vor 1503/ 1504 geknüpft worden waren. Wenn es nun darum geht, die Beziehungen zwischen Italien und Spanien auf kultureller Ebene zu untersuchen, wird die Orientierung an den Eckdaten gänzlich hinfällig. Es wäre zweifellos verfehlt, den Beginn der spanischen Einflusssphäre auf Süditalien mit einem Ereignis wie der Eroberung Neapels zu korrelieren. Nach 1503/ 1504 setzte lediglich eine relativ stabile Phase der Machtverhältnisse ein, in der die Verwaltungsinstitutionen systematisch in das spanische Imperialsystem integriert wurden 79 und 78 Vgl. z.B. Martínez Shaw 2004, 668. 79 1555 gründete Karl V. den Consejo de Italia, den Phillip II. zu einem funktionierenden Machtapparat ausbaute. Über Struktur und Funktion des Italienrats schreibt Zarrilli 1969, 11ff.: „A capo del supremo consiglio era un nobile spagnuolo con il titolo di presidente, mentre i consiglieri, detti reggenti, furono prima in numero di tre e dal 1558 in numero di sei, due per ogni dominio italiano della Spagna. […] Molti dei documenti inventariati sono ‘consulte’. Sulla procedura che il consiglio seguiva nella trattazione dei negozi italiani, ecco cosa scrive il Giardina: ‘Prima di porre nell’ordine del giorno un negozio, i reggenti della corrispondente Provincia dovevano prenderne visione, per alleggerire il lavoro dei colleghi ed esporrne poi in seduta, con conoscenza particolare, il contenuto; e, venendosi ai voti, erano i reggenti o il reggente relatore a votare per primi. Seguiva la votazione di tutti gli altri, secondo l’ordine stabilito dal Presidente, il quale aveva l’obbligo di non far conoscere il suo voto per permettere che i reggenti votassero con ordine e libertà. […]’ Le attribuzioni del consiglio d’Italia 37 sich Neapel zu einer der großen und wichtigen Wirtschafts- und Kulturmetropolen Europas entwickelte, die einen enormen Bevölkerungszuwachs durch Migration aus anderen Teilen Italiens und dem restlichen Europa erfuhr. Unter der Herrschaft der spanischen Vizekönige im 16. und 17. Jahrhundert strömten erneut zahlreiche spanische Einwanderer nach Neapel. 80 So heißt es beispielsweise in einem Bericht aus dem Jahr 1564: Ogni di entrano Spagnuoli in Napoli, e la gente sgombra della strada di Toledo e di quella di S. Giuseppe. Per ordine del Vicerè; il quale si vuol valer di quelle strade come più vicine e commode al Palazzo et al Castello, perché siano abitate da confidenti. (Dal Nunzio di Napoli, a Francesco Matteucci, suo Segretario, Napoli, 24. März 1564; zit. bei Palermo 1846, 196) Wulf Oesterreicher geht davon aus, dass unter den spanischen Einwanderern alle Gesellschaftsschichten vertreten waren: En el virreinato están presentes el virrey y familias de la nobleza española, clérigos y miembros de órdenes religiosas, juristas, funcionarios y banqueros, oficiales y soldados españoles con su infraestructura de infantería y armada, negociantes, representantes comerciales y transportistas españoles de mar y tierra. Sin olvidar las actividades de los intelectuales y artistas españoles en la corte del virrey y en instituciones de educación y de cultura. (Oesterreicher 2004a, 232) Um Sicherheit und Ordnung zu garantieren, wurden ab 1504 spanische Soldaten in den Festungen und in den Quartieri spagnoli im Zentrum stationiert, die im Rahmen eines Stadterweiterungsprojektes entstanden, das der Vizekönig Don Pedro Álvarez de Toledo Duca de Alba [1532-1553] 81 initiiert hatte. Die Fläche Neapels vergrößerte sich dadurch von 200 auf 350 Hektar. 82 Schätzungen zufolge befanden sich 5000 spanische Soldaten in der Stadt 83 und die Provinzen wurden ebenfalls durch spanisches Militär gesichert: [...] Napoli da trent’anni in qua è grandemente accresciuta di abitazioni e di popolo; essendovi state aggiunte due gran miglia di circuito, che fino al giorno d’oggi sono ripieni di edifizi, quasi al pari del rimanente: concorrendo il erano amplissime ed abbracciavano tutte le materie di giustizia, di governo e di amministrazione.“ Zur Verwaltung des Königreichs Neapel vgl. u.a. Coniglio 1951, Peytavin 2003; zum spanischen Imperialsystem in Italien vgl. Musi (Hrsg.) 1994. 80 Noch heute verweisen Toponyme wie Quartieri spagnoli, Via Toledo oder die Giardini del Molosiglio (> sp. molosillo) auf die Präsenz der Spanier in der Stadt. Vgl. hierzu Capobianco 1987, De Fusco 2003 und Ferraro 2004; siehe auch Kapitel 4.2.1.2. 81 Vgl. hierzu Hernando Sánchez 1994; siehe auch Coniglio 1959 und 1967. 82 Vgl. De Fusco 2003, 6. 83 Vgl. Capobianco 1987, 44: „A quel tempo, come ricorda Giulio Pane, si dovevano trovare in città circa 5000 soldati, un migliaio dei quali sicuramente nei presidî delle varie fortezze; il resto era alloggiato in case d’affitto o locande in promiscuità con la popolazione, non esistendo, almeno fino al 1651, caserme appositamente costruite.“ 38 popolo sempre a vivere in Napoli volentieri; sia per le franchigie grandi che vi sono, come per la comodità che hanno i poveri di guadagnarsi il vivere: essendovi da lavorare in qualsivoglia tempo abbondantissimamente; e li ricchi di poter vivere quietamente, e non essere tirannegiati dalli uffiziali che sono per il Regno […] Cento gentiluomini, la metà italiani, a la metà spagnuoli, i quali sono chiamati li Continui, d’ordinario stanno alla corte per accompagnare il Vicerè, così in tempo di pace come in tempo di guerra, tenendo per tale effetto sempre armi e cavalli bellissimi [...] Vi tiene 4,000 fanti spagnuoli, sotto più capitani, con un mastro di campo, nel castello e nelle torri fatte per guardia della marina. 1,600 fanti ordinarii: o almeno tanti ne paga il re ordinariamente. 1,070 uomini d’arme, partiti in sedici compagnie, cinque spagnuole, e undici italiane, a sessanta uomini per compagnia; a riserva a quella del Vicerè, che ne ha 170. 450 cavai leggeri, divisi in cinque compagnie. E i baroni del Regno sono anche obbligati a servire, e sono 600. 45 galee sottili. [...] In tutte le province vi sono descritti cinque fanti per ogni cento fuochi (sono 85,000 fuochi in Napoli solo: intendendo un fuoco, un abitante per palazzo, grande che sia: e ciascuno giorno vi si mangia, in Napoli 5,000 tomoli di pane). E alle volte se ne descrivono anche più (de’cinque fanti per 100 fuochi) secondo il bisogno. Questi fanti in ciascuna Terra del regno si nominano per eletti di quella terra, e se i soldati nominati non piaciono a’capitani, è bisogno che se ne nominino degli altri a satisfazione loro. (Francesco Marcaldo an den Granduca di Toscana 1594; zit. bei Palermo 1846, 247f.) Der süditalienisch-iberische Kulturkontakt war, wie bereits erwähnt, schon zur Zeit der aragonesischen Herrschaft in Neapel gegeben. Patrizia Bianchi, Nicola De Blasi und Rita Librandi sehen in der Eroberung durch den Gran Capitán und die daraufhin einsetzende spanische Zuwanderungsbewegung weniger einen Neubeginn, als eine Fortsetzung dessen, was unter Alfons I. von Neapel als ‘iberischer Kulturimport’ begonnen hatte. Dal 1503 per l’Italia meridionale, annessa al Regno di Ferdinando il Cattolico e governata da una lunga serie di Viceré, ebbe inizio un periodo di dipendenza dalla Spagna, durante il quale fu avvertita l’influenza iberica sia nelle consuetudini sociali che nell’ambito culturale. Molte parole spagnole tra Cinquecento e Seicento entrarono nel dialetto della città di Napoli (e spesso in tutta la regione), aggiungendosi agli iberismi di epoca aragonese. (Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 645) Es ist also von einem fließenden Übergang auszugehen, wobei sich durchaus Änderungen in der mehrsprachigen Konstellation ergaben. Es habe eine Verlagerung weg vom katalanisch-aragonesischen Einfluss hin zu einer überwiegend spanisch-kastilisch geprägten Kontaktsituation stattgefunden. Rosario Coluccia, der von drei kollektiven ibero-italoromanischen Kontakträumen im Italien des 15. Jahrhunderts ausgeht, nimmt an, dass be- 39 reits ab 1442 das Katalanische und das Kastilische in Neapel eine wichtige Rolle spielten. [...] prima della ‘grande ondata’ dei secoli XVI e XVII possiamo registrare in Italia tre situazioni di plurilinguismo collettivo ibero-/ italoromanzo determinate da: (a) una certa presenza di culture e lingue iberiche presso ambienti di corte dell’Italia settentrionale, specie nella seconda metà del Quattrocento [...]; (b) gli apporti del catalano al siciliano in dipendenza della dominazione catalana sull’isola, dal 1282 al 1500 [...]; (c) l’influenza, meno marcata sul piano dell’estensione temporale ma di notevole intensità, che catalano e castigliano hanno esercitato sul napoletano durante la dominazione della dinastia aragonese, a partire dal 1442 per circa un sessantennio. (Coluccia 1989, 425; Kursivierung T.G.) Die Präsenz des Kastilischen vor 1503/ 1504 soll anhand der folgenden zwei Beispiele, die unterschiedlichen Diskursdomänen entstammen, verdeutlicht werden. Das erste Beispiel liefert die Korrespondenz der aragonesischen Krone in Neapel, als zweites Beispiel dient die Lyriktradition am Hofe Alfons I. Unter Alfons I. von Neapel war das Katalanische die offizielle Sprache der königlichen Kanzlei. 84 Dies traf in erster Linie auf die Buchhaltung und die Verwaltung der Finanzen zu, denn bis 1488 wurden die „conti o cedole della tesoreria“ nicht nur auf Lateinisch oder volgare locale, sondern auch auf Katalanisch geschrieben. Dies entsprach der üblichen Praxis der aragonesischen Krone. In anderen Bereichen der offiziellen Textproduktion lassen sich jedoch gegensätzliche Tendenzen beobachten. Die Unterschiede sind auf die Personalpolitik der einzelnen Herrscher zurückzuführen. Während zu König Alfons’ Regierungszeit hauptsächlich Schreiber aragonesischer Herkunft in den Kanzleien arbeiteten und zu diesem Zweck eigens nach Neapel berufen wurden, nahm die ‘katalanische Einwanderungsflut’ unter Ferrante I. von Neapel [1458-1494] ab und der Nachfolger Alfons’ stellte zunehmend Personen aus Neapel und Umgebung in öffentliche Ämter ein. 85 Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf den Sprachgebrauch in offiziellen Dokumenten. Eine Untersuchung des Codice Aragonese 86 , der 358 zwischen dem 1. Juli 1458 und dem 20. Februar 1460 verfasste Dokumente beinhaltet, beweist, dass die königliche Korrespondenz unter Ferrante I. keineswegs vorwie- 84 Vgl. Croce 1917, 42. 85 Vgl. Hierzu Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 638f. 86 Das Manuskript wird unter der Signatur cote 103 im fonds espagnol (ms.esp. 113) in Paris in der Bibliothèque nationale de France aufbewahrt, vgl. Messer 1912 und Venetz 2009, 274. Eine erste Ausgabe des Kodex erschien in Francesco Trincheras Codice Aragonese, o sia lettere regie, ordinamenti ed altri atti governativi de’sovrani Aragonesi in Napoli riguardanti l’amministrazione interna del reame e le relazioni all’estero, per cura del Cav. Francesco Trinchera (1866-1868). 40 gend katalanisch war. 1912 publizierte Armand-Adolphe Messer diesen Kodex, wobei er weder eine paläographische Transkription vorlegte noch seine Transkriptionskriterien erläuterte. Trotz dieser aus linguistischer Sicht unbefriedigenden Sachlage stellt die Ausgabe von Messer wichtige Informationen über den Sprachgebrauch der königlichen Kanzlei zu ferrantinischer Zeit zur Verfügung: Der Kodex ist mehrsprachig. Die Dokumente des Kodex sind Kopien, die von Schreibern im Dienste der Kanzlei angefertigt wurden. Die Sprachen, die darin in Erscheinung treten, sind das Lateinische, das Katalanische und ein stark neapolitanisch-meridional gefärbtes volgare italiano. Bezeichnenderweise spielte das Toskanische, das heißt die lingua letteraria, in diesem Kodex keine Rolle. Bezüglich der Verteilung der drei Sprachen untersuchte Gabriela H. Venetz (2009) die von Messer veröffentlichte Ausgabe des Kodex und konnte systematische Tendenzen in der Verwendung der drei Sprachen feststellen. Dabei bezog die Autorin auch textpragmatische Kriterien, wie Hintergrundinformationen zu Schreibern und Empfängern, sowie textinterne Aspekte in die Analyse mit ein. Aus dem Vergleich von 353 der insgesamt 358 Dokumente 87 , die zu einem großen Teil königliche Anweisungen an den Beamtenapparat sind, aber auch private Korrespondenz wie die 22 Briefe an die „Serenissima Regina, nostra multo cara et multo amata mugliere“ (d228, Messer 1912, 294) sowie Zahlungsanweisungen, Schenkungsurkunden und einige petitiones beinhalten, ergibt sich folgendes Panorama: Das Lateinische wurde in offiziellen Schreiben, wie Schenkungen, Verfügungen und Vollmachten sowie in der Korrespondenz mit dem Klerus verwendet. Es war also an bestimmte Textsorten gebunden oder von der Institution abhängig, an die sich das Schreiben richtete. 88 Neben den 34 lateinischen Dokumenten enthält der Kodex 64 auf Katalanisch, 246 auf Neapolitanisch 89 und neun zweisprachig verfasste Dokumente. Insgesamt überwiegt das Neapolitanische, während das Katalanische eine Randposition einnimmt. In Bezug auf die textpragmatische Funktion des Katalanischen und des Neapolitanischen zieht Venetz folgendes Fazit: [...] le tre lingue nei testi descritti in precedenza sembrano rappresentare funzioni diverse. Il latino si limita a contesti giuridici, come si deduce dai prestiti inseriti nei testi in napoletano, mentre il napoletano serve per la comunicazione universale. Il catalano invece sembra usarsi piuttosto in con- 87 Venetz schließt fünf Dokumente, die in Messer (1912) veröffentlicht sind, aus ihrer Analyse aus, da es sich um Kopien von Posteingängen handle, vgl. Venetz 2009, 275. 88 Vgl. Venetz 2009, 277. 89 Venetz verwendet die Bezeichnung ‘napoletano’. Natürlich könnte präzisiert werden, um welche Varietät es sich dabei tatsächlich handelt: um eine für den juristisch-administrativen Bereich standardisierte Form des Neapolitanischen, um eine toskanische Varietät mit meridionaler Färbung usw. 41 testi personali ed emozionali, fatto che si evidenzia in casi di code switching catalano-napoletano o viceversa. (Venetz 2009, 281) Während das Neapolitanische also in allen Kontexten funktionierte, die nicht dem Lateinischen vorbehalten waren, sei das Katalanische die Sprache gewesen, die in Kontexten der kommunikativen Nähe dominierte. Laut Venetz sei das ausschlaggebende Kriterium für die Wahl des Katalanischen oder des Neapolitanischen die sprachliche Kompetenz des Empfängers gewesen. In diesem Punkt widerlegt sie Messers Hypothese, der davon ausging, dass hauptsächlich die Herkunft des jeweiligen Schreibers bei der Auswahl zugunsten der einen oder der anderen Sprache eine Rolle gespielt habe. 90 Diese Annahme ist deshalb nicht haltbar, da bereits im 13. Jahrhundert von professionellen Schreibern, die im Dienst der königlichen Kanzleien standen, Mehrsprachigkeit gefordert wurde. 91 Übertragen auf die neun zweisprachig verfassten Texte bedeutet Venetz’ Schlussfolgerung auch, dass die jeweiligen Empfänger über eine Kompetenz in mindestens zwei Sprachen verfügten. Berücksichtigt man, dass Incipit und Explicit der entsprechenden Briefe, in der Regel lateinisch waren, kann man sogar von mehrsprachigen Konstellationen ausgehen. 92 Eine genauere Untersuchung dieser Dokumente zeigt, dass die Distribution der betreffenden Sprache mit den wechselnden Vertrautheitsgraden in einzelnen Textpassagen korreliert. Das bedeutet, dass die Mehrsprachigkeit in Bezug auf das Nähe- Distanz-Kontinuum 93 Regelmäßigkeiten aufweist. Angesichts der Tatsache, dass es sich um Abschriften der offiziellen Korrespondenz der königlichen Kanzlei handelt, kann natürlich nicht die Rede von echten Nähediskursen 94 90 Vgl. Messer 1912, CXIV: „[...] il faut, au contraire, croire que le scribe choisissait de préférence sa langue nationale, chaque fois qu’il savait être compris par le destinataire.“ 91 Vgl. Venetz 2009, 282. Bezüglich des 14. Jahrhunderts in Sizilien siehe auch Vàrvaro 1984, 176: „Credo di poter concludere che i dipendenti della cancelleria del duca, quale che fosse la propria origine, dovessero saper usare in linea di principio almeno due varietà, latino e siciliano, e probabilmente anche una terza, il catalano.“ 92 Es gilt zu berücksichtigen, dass Incipit und Explicit innerhalb der Gattung Brief eine bestimmte pragmatische Funktion hatten, nämlich die Nennung des Absenders bzw. des Adressaten, und dass das Lateinische diskurstraditionell vorgeschrieben war. 93 Vgl. Koch/ Oesterreicher 2011, 10-14. 94 Da es sich um offizielle Schreiben handelt, sind die Text unter distanzsprachlichen Produktionsbedingungen entstanden und weisen überwiegend Parameter der konzeptionellen Schriftlichkeit auf. Wenn von einem Oszillieren im Duktus die Rede ist, dann bezieht sich dies auf inhaltliche Nuancen, die jedoch vereinzelt Indikatoren für nähesprachliche Elemente sein können. Zudem müssen die Kategorien berücksichtigt werden, die Andreas Wesch (1998) zur Charakterisierung administrativer und juristischer Texttypen ansetzt und auf die Beschreibung der offiziellen Textproduktion der spanischen Krone im 16. und 17. Jahrhundert anwendet. So gilt auch für diplomatische Texte, dass das Schreiben unterschiedliche graduelle Abstufungen von Öffentlichkeit bzw. Privatheit aufweisen kann, der Vertrautheitsgrad der Korrespondenzpartner und der Abstand zwischen deren gesellschaftlichen Rängen variieren kann, 42 sein, jedoch lassen sich, in fünf von neun Fällen unterschiedliche Vertrautheitsgrade innerhalb eines Textes ausmachen. Die Zweisprachigkeit in den vier auf Neapolitanisch verfassten Dokumenten (d288, d305, d329, d345), die Rechtsgeschäfte betreffen, beschränkt sich lediglich auf Entlehnungen einzelner lateinischer Lexeme oder feststehender Formeln wie „et ex nunc pro tunc“ in d329 (vgl. Messer 1912, 432) oder „realiter cum effectu“ in d345 (vgl. Messer 1912, 461); d288 und d305 sind Kopien von petitiones, in denen das Gesuch nach dem einleitenden „In primis“ beziehungsweise „Item“ auf Neapolitanisch formuliert ist, während die Antwort des Königs lateinisch ist. In d305 wird allen Bitten Gewähr geleistet, insofern beschränken sich die Antworten auf das formelhafte „Placet Regie Majestati“ (vgl. Messer 1912, 365-389). 95 In d288 sind die Ausführungen des Königs umfangreicher, aber auch hier dominiert die Formelhaftigkeit der Amtssprache: „Placet Regie Majestati indulgere et parcere dictis exulibus et remittere dictam causam viceregi Calabria et ipsi duci, prout jam remittit.“ (Messer 1912, 361). Da sich die lateinischen Elemente in diesen Dokumenten vorwiegend auf Fachtermini und feststehende Klauseln und Formeln beschränken, muss Venetz in dieser Hinsicht widersprochen werden, die in den lateinischen Entlehnungen lediglich eine Strategie sieht, mittels derer man dem Text „una maggiore importanza e solennità“ verleihen wollte. Dies mag durchaus ein Effekt sein, der aus der Verwendung lateinischer Fremdwörter resultieren kann, dennoch ist diese Art der Zweisprachigkeit primär durch die Tradition und die Praxis motiviert, in der juristische Texte dieses Typs verfasst wurden. 96 In den Dokumenten d96, d147, d165, d191 und d316 hingegen treten echte code-switching-Phänomene 97 auf. Bezeichnenderweise fällt der Sprachenwechsel jeweils mit einem Wechsel der Diskurstradition zusammen. 98 So folgt beispielsweise in dem Brief d147, der an den katalanischstämmigen Antoni de Foxa 99 gerichtet ist, auf das lateinische Incipit ein neapolitanischer Brieftext, in dem der König dringende Handlungsanweisungen zur eventuell kann auch die Beziehung durch hierarchische Strukturen festgelegt sein, außerdem existieren unterschiedliche Stufen der Förmlichkeit, in denen die entsprechenden kommunikativen Akte realisiert werden können; vgl. Wesch 1998, 189. Natürlich sind die Konstellationen dieser Kriterien diskurstraditionell gebunden. 95 Nur auf Gesuch VIII und VIIII wird unwesentlich länger geantwortet, wobei es sich auch in diesen Fällen um feststehende Phrasen handelt; vgl. in VIII: „Placet Regie Majestati, in deductionem tamen stipendiorum predictorum.“ (vgl. Messer 1912, 388) und in VIIII: „Placet Regie Majestati, in detrimentum tamen rebellium predictorum.“ (vgl. Messer 1912, 389). 96 Vgl. Wesch 1998. 97 Vgl. Weinreich 1964. Eine ausführliche Diskussion der Kontaktphänomene erfolgt in Kapitel 3.2.2. 98 In den anderen vier Dokumenten beschränkt sich die Zweisprachigkeit auf Entlehnungen aus dem Lateinischen; vgl. Venetz 2009, 278. 99 Vgl. Venetz 2009, 279. 43 Verteidigung gegen Josia d’Aquaviva erteilt. Das Post Scriptum hingegen, in dem der König die Dringlichkeit seines Auftrags unterstreichen will, ist katalanisch: Rex Sicilie, etc. Magnifice vir, consiliarie nobis dilecte. In questa hora simo avisati, que lo Josia d’Aquaviva have facto mettere in ordine una de le nave lequale venne lo conte Urso, dove fa intrare trenta homine d’arme cum dui cavalli per uno, certi fanti et altri forniment; per tanto volimo et comendamove expresse, che nonobstante quesso balineri, che e illoco, non sia fornito de tucte le cose ha bisogno: debeate dare modo incontinente, etiam si devesseno prendere li homini et fornimento de quante barche so loco, et mettite in puncto et ordine lodicto baleneri, et etiam nce [sic! ] mettite, quanti piu balisteri porite havere, et fatelo cazare fora, che stia a punto a tal che, passando ladicta nave cum lidicti homini d’arme, subito la habeano intro li mano. In questo usarete la vostra acostumata diligentia et secundo de vui confidamo, senza perderence hora ne puncto. Dat. in civitate Venusii di XVIIII martii VII indictionis M . CCCC . LVIIII . - Rex Ferdinandus. Apres signada: Armau lodit baliner en manera, que no us sia feta vergongna. Dada com dessus. - T. Secretarius. Ad Joannem Antonium de Foxa. - T. Girifalcus, pro (d147, vgl. Messer 1912, 202) In diesem Fall wird der Codewechsel als Strategie des Registerwechsels eingesetzt und das Katalanische dient als Code des emphatischen Sprechens. 100 Ähnlich verhalten sich d96, ein Brief, der auf Katalanisch geschrieben wurde und dem eine Abschrift eines anderen Briefes auf Neapolitanisch beigefügt ist, d165, ein Brief, der auf Neapolitanisch geschrieben wurde und dem ein lateinisches Explicit und eine Widmung auf Katalanisch beigefügt ist, sowie d191. Letzteres Dokument weist in Bezug auf den Codewechsel eine ähnliche Struktur wie d147 auf. Während der Brieftext - eine offizielle Anweisung des Königs an Don Alfonso de Avalos - neapolitanisch ist, findet nach einer Aufforderung zu absoluter Vertraulichkeit mitten im Satz ein Sprachenwechsel statt. Der letzte Satz, mit dem der Bitte um Diskretion Nachdruck verliehen wird, ist katalanisch: Rex, etc. Capitanee generalis. Nui havemo deliberato per boni respecti, che, dacqua a dice o dudici di, sia assignata la cita et castello de Sancta Severina a lo principe de Taranto o suo commissario per lui, non obstante che havessemo comandato soprasedere per causa de la guerra se dicia havere bandita don Antono [sic! ] contra lo duca de San Marco poy non fo vero, et volemo che viu suprasedate in la assignatione de Controni fini ad altro nostro manda- 100 Die Tatsache, dass der Kodex nur Abschriften der Originalbriefe enthält, verhindert eine exakte Rekonstruktion. Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sprachwechsel auf den Kopisten selbst zurückzuführen ist. 44 mento, che ve taremo in cifra, trovando scusa, che finche li compagni siano pagati non voleno exire da lo castello; et de questo non communicarite nen cum Vicere, nen cum homo del mundo, ma farite tucto vostro potere che aldicto tiemp sia assignata Sancta Severina, perque sapiau lo cas, que aquestas dies han fet los foraexist de Trana, vos trametem les intercluses copies, avisantsvos que ja hi havem provehit en manera que speram, que aquells qui han fet lo mal ne hauran la penitencia. Dada en lo nostre benaventurat camp a VI de juliol mil CCCC . LVIII . - Rex Ferdinandus Dirgitur don Alonso. - T. Girifalcus. (d191, vgl. Messer 1912, 248f.) Auch in diesem Beispiel fällt der Codewechsel mit unterschiedlichen Abstufungen der Vertraulichkeit der übermittelten Botschaft zusammen. Auch wenn die mehrsprachigen Briefe in dem Kodex Einzelfälle darstellen und deshalb keine Aussagen über eine systematische Funktionstrennung der einzelnen Sprachen getroffen werden können, so lässt sich doch festhalten, dass in der offiziellen Korrespondenz der Kanzlei in bestimmten Fällen code-switching als produktive Strategie eingesetzt wurde. In Bezug auf das, was zuvor über den Einfluss unterschiedlicher iberischer Elemente auf Süditalien vor 1503/ 1504 gesagt wurde, nimmt Dokument d316 innerhalb des Codice Aragonese eine Sonderposition ein: Es ist auf Kastilisch verfasst, wenngleich der Text von zahlreichen Katalanismen und italienischen Meridionalismen durchsetzt ist. In dem Schreiben antwortet der König dem Gran Siniscalco Pietro di Guevara 101 auf einen Brief. Er sichert ihm Unterstützung für die anstehenden Kriegsmanöver zu und gibt Anweisungen für die weitere Vorgehensweise bei der Verteidigung. Der Brief hat einen auffallend persönlichen Charakter, da der König den Seneschall mehrfach durch beruhigende Worte davon zu überzeugen versucht, dass keine größere Gefahr drohe: „[...] pero los hombres sforçados e valientes en la faziendas peligrosas se demiustran, e el buen marinero asi mesmo en la fortuna, que en bonaça los ninyos saben andar.“ Der Vertrautheitsgrad zwischen den Korrespondenzpartnern ist relativ hoch. Dies äußert sich beispielsweise in der wiederholten Anrede des Adressaten: „De mi set cierto“ oder „Stat de buen coraçon [...]“). Im Postskriptum, das auf das lateinische Explicit folgt, fügt der König eine konkrete Anweisung hinzu, wie Pietro di Guevara in den künftigen Kriegsoperationen vorzugehen habe. Dieser Nachtrag ist auf Neapolitanisch verfasst: Rex, etc. Gran Senescal. Una vuestra letra he recibido, laqual me ha parecido muy stranya scrivirla vosotros, que (essiendo en essas partes e mas fuertes que los enemigos) me parece se puede ben proveher en todas cosas e dar, antes que recibir. De mi set cierto se faça lo possible e mas que yo solo e las tierras domaniales, con las vuestras, son 101 Pietro di Guevara gehörte einer kastilischen Adelsfamilie an, die bereits zur Zeit Alfons I. von Neapel in Süditalien durch seinen Vater Don Innigo de Guevara, einem engen Vertrauten des Königs, in Süditalien vertreten war; vgl. Messer 1912, XVL. 45 las que han guerra, e tengut de proveher todos los barones, si no clarament me dizen se rebellaran: asi podeys pensar por el mucho dinero me lexó la buena memorial del S. Re[y], e haver havido siempre guerra, despues que morió, e no haver las rentas, como devo star opulente; mas con todo esto, vos ajudaremos e no dubtes ajutauvos de las manos, e castigense los traydores, antes que vos la calen. De los consejos no dubtes, que yo creo son buenos, mas valen poco, quando no se pueden metre [sic! ] en execucion, pero los hombres sforçados e valientes en la [sic! ] faziendas peligrosas se demiustran, e el buen marinero asi mesmo en la fortuna, que en bonaça los ninyos saben andar. Haveriame placido me uviesedes scripto mas particularmente, perque, no entiendo que queris ne lo que dezis: dineros vos he enviado al presente los que ne he podido, e asi mesmo ne enbiaré; mas gente soys asaz e buena; de aqui adelante: si non sapeys tomar el partido necessario a mi stado, que es vuestro, no sera mi culpa, e pur aveys visto los inconvenyentes (fasta agora se son seguidos) no esser stado sino per mal orden de los que per mi han avido de seguir las cosas (que a mi inpossible es ser en todo luguar). Si los mios e los contrarios me fazen guerra bien sé, que presto accabaremos: no os deys angustia, que estas guerras e empresas, nu[e]stro S[eny]or las governa, e aun un dia dé una porrada en un lugar otro da al otro. Stat de buen coraçon, que, antes de vint dias, vereys tanta gente, vos plazera, que ya he nueva el comte d’Urbino devia partir con tricentas coraças et fazer lo he baxar, donde soys; ya he scripto a Mateu sobre la guardia de vuestro stado, elqual reputo mio, he enbiado a confortar los de Potencia, con uno de mi casa et a mandar los senyores les son entorno los den toda favor e ayuda. de a qua havemo avido Calvi e faremo otras buenas cosas, con la ayuda de Dios, elqual a tanto pesado e ha essido asi gran descunto a los enemigos, que ho se podria dezir mas, e todos agora stan, a la Torre de Francolis e Trano fué tomada por mis scaladores las mas valientemente del mundo, que tanta gente o poco menos havia dintro, quantos fueron alla, que, per fazerlo segreto, noy quisimos mucha gente, yo me sforzaré enviarvos l’uno d’estos scaladores, porque podays ay fazer qualque buena cosa, e que los enemigos vos sientan, e guarda bien Sant Sevir, que guardandose, podris haver dineros de los que merecén padecer; e ruegovos sobre todo, los que ay soys vos acordés en mi servicio, e valgua mas agora e pensi mi stado, que, nenguna otra cosa, que ciertamente il contrario seria danyo inextimable. Aer llego aqui Masi Barreso, loqual desempacharé e vos embiaré l’u[e]go: la presente hayan pur suya lo comte Camerlengo e don Alonso. Dada en lo Castello Nuevo de Napoles a XXV de enero M.CCCC.LX. - R EX FERDINANDUS . Dirigitur Magno Senescallo. - T. Girifalcus. Post clausam: Ni pare, che seria bene, che vui et don Alonso, vi accostati et appropinquati verso Trani et Quille et scrivate a la universita de Bitonto, confortandoli, ca presto inviaremo Masi Barrese: et junto [che] sera com lodicto don Alonso, porrano provedere ad quello [che] sera necessario. Dat. ut in litteris. - T. G[irifalcus]. (d316, vgl. Messer 1912, 407ff.) Auch wenn d316 das einzige Dokument ist, in dem das Kastilische eine wesentliche Rolle spielt, ist es doch ein Beleg dafür, dass sich der iberische Einfluss zu aragonesischer Zeit in der Administration nicht nur auf das Katalanische beschränkte. Abschließend bleibt festzuhalten, dass, obgleich die offizielle Kanzleisprache das Katalanische war, sich die Praxis in der könig- 46 lichen Korrespondenz, wie sie im Codice Aragonese für die Mitte des 15. Jahrhunderts repräsentiert ist, mehrsprachig gestaltete und dass die Sprachenverteilung, wie Venetz andeutet, an textpragmatischen, produktions- und rezeptionsgebundenen Kriterien orientiert war, so dass von Fall zu Fall individuelle Entscheidungen für die Wahl der adäquaten Sprache getroffen werden mussten. 102 Abgesehen von der Randposition, die das Kastilische in der administrativen Textproduktion in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im aragonesischen Neapel einnahm, spielte die Kultur und die Sprache Kastiliens im höfischen Kontext eine tragende Rolle. Mit der Ankunft von Alfons I. und seinem Gefolge 1443 in Neapel wurden spanische Tänze, Musik und Kleidung zu einer Mode, die man an den neapolitanischen und süditalienischen Höfen nachahmte. 103 Das Kastilische wurde unter König Alfons als Hofsprache eingeführt und somit waren Spanischkenntnisse für Personen mit Rang und Bildung unerlässlich. Benedetto Croce und Marcelino Menéndez y Pelayo führen diese Mode auf die persönlichen Vorlieben des Königs zurück, der das Italienische niemals vollkommen erlernt habe, sondern stattdessen weiterhin Kastilisch sprach - die Sprache, in der er als „figliuolo di principe castigliano e allevato alla corte di Enrico II“ (Croce 1917, 35) erzogen worden war. 104 Así es que nunca llegó a hablar bien el italiano, y rara vez usaba otra lengua que la nativa. La Maestá del re parla spagnuolo, dice Vespasiano de Bisticci. Y este español no era el catalán, sino el castellano, con dejo aragonés, como lo prueba aquel famoso dicho con que exhortaba al estudio a los jovencillos de su corte, según refiere Juan de Lucena en la Vita Beata: «Váyte, váyte a estudiar» Croce hace notar muchos rasgos eminentemente españoles de su ca- 102 Was die offizielle Korrespondenz und die Textproduktion im Königreich Neapel zu spanisch dominierter Zeit anbelangt, belegen die Editionen von Giuseppe Coniglio ebenfalls eine mehrsprachige Praxis; vgl. Coniglio 1955, 1981a, 1981b, 1983 und 1984, 1988. Bis in jüngste Zeit war diese Dokumentation jedoch niemals Gegenstand historisch sprachwissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Die erste systematische Aufarbeitung der Mehrsprachigkeit in der Verwaltungskommunikation im spanischen Königreich Neapel stammt von Verena Schwägerl-Melchior. Anhand exemplarischer Fälle einzelner Schreiber konnte Schwägerl-Melchior zeigen, dass im 16. Jahrhundert der Sprachgebrauch in den Kanzleien und Schreibstuben der vizeköniglichen Verwaltung nicht streng institutionell reguliert war, sondern dass die Verwendung der Idiome relativ stark an Diskurstraditionen und Verwaltungsakte der Institutionen gebunden war; vgl. Schwägerl-Melchior 2010 und 2014. 103 Vgl. Croce 1917 Kapitel III, IV und VII. Aus Rimatori nap. Del Quatrocento zitiert Croce 1917, 43: „[…] li balli maravigliusi / / tratti da catalani; / / li loro mumi gïusi, / / tan zentili e soprani: / / quisti passa italiani“. Vgl. auch Menéndez y Pelayo 1941b, 126 und Atlas 1989, 159f. Die mumi oder momos waren Maskentänze, daneben wurden von den Spaniern noch die danza cascarada, palonella, moresca und die basce e le alte übernommen. 104 Vgl. auch Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 637. 47 rácter: su fe robusta, su fuerte religiosidad, que contrastaba con el naciente escepticismo de los humanistas italianos; su amor a los estudios teológicos; su espíritu caballeresco; y hasta en los extremos de su pasión por la bella Lucrecia de Alagno [...] quiere reconocer algo de la galantería española. (Menéndez y Pelayo 1941b, 122) Während die Beschreibung von Alfons I. als König, der seinen hispanischen Wurzeln in der Ferne treu blieb, anekdotenhaft ist, ist es hingegen eine erwiesene Tatsache, dass unter seiner Fördertätigkeit Neapel zu einem der führenden kulturellen Zentren Europas erblühte: In età aragonese Napoli fu uno dei centri culturali di maggior richiamo della penisola, grazie sopratutto alla fama di Alfonso il Magnanimo (1442- 1458), che tra l’altro istituì l’Accademia Alfonsina (poi Pontaniana) e la biblioteca reale. La capitale aragonese si proponeva quindi come centro umanistico: L’esercizio della filologia vi si affiancava ad una storiografia encomiastica. L’unica lingua adatta a tali contenuti era naturalmente il latino, ma accanto agli interessi umanistici a Corte c’era spazio per la letteratura volgare, praticata in castigliano dai poeti venuti al seguito dei dominatori. Questi furono i primi a usare la lingua locale in testi letterari: uno di loro, Carvajal [...] caratterizza in modo espressivo la parlata di una fanciulla napoletana: ‘mia matre è de Aversa / io miçer, napoletana’ [...] (Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1993, 55) Einerseits war Alfons der Begründer und Protektor des umanesimo meridionale. 105 Mit der Gründung der Akademie 106 , deren Leitung er Antonio Bec- 105 Zum umanesimo meridionale vgl. Tateo 1972 und Miele 1994. Eine detaillierte Darstellung der Zusammenhänge zwischen Kultur und Politik im Neapel der Renaissance gibt Bentley 1987; zur Geschichte der Philologie in der Napoli aragonese vgl. Petrucci 1988. Was den Einfluss der Spanier auf den umanesimo meridionale betrifft vgl. Hernando Sánchez 1988, 1997 und 2001a. 106 Ein Gründungsdatum der alfonsinischen Akademie ist nicht überliefert. Bentley 1987 bezieht sich auf ein Schreiben aus dem Jahr 1447, in dem Francesco Martorell, 1. Sekretär der königlichen Kanzlei, il Panormita darüber in Kenntnis setzt, dass König Alfons die Gründung einer Akademie plane; vgl. Bentley 1987, 94. Die Akademie selbst legt sich nicht auf ein Gründungsdatum fest, stattdessen verweist sie auf einen Zeitraum der Gründungsphase. Auf der Homepage liest man: „Non si può stabilire con assoluta certezza la data di fondazione per l’Accademia Pontaniana, la più antica tra quelle italiane, anche se di poco anteriore a quella Romana e Medicea. Si ritiene che la nascita della stessa sia databile al 1443 quando insigni studiosi napoletani si riunivano in luoghi come il Castel Nuovo Aragonese per comunicarsi e scambiarsi verbalmente, i risultati delle loro riflessioni e studi. Le adunanze erano animate da Antonio Beccadelli, detto il Panormita, molto legato ad Alfonso il Magnanimo […] da cui l’Accademia prese il nome di Alfonsina. Dopo la morte del Re (1458) e nonostante gli eventi bellici, le adunanze continuarono ad aver luogo presso l’abitazione del Beccadelli, alla cui morte (1471) divenne presidente dell’Accademia Giovanni Pontano e le riunioni si tennero, fino alla sua morte (1503), nelle sue dimore o presso il tempietto che nel 1492 egli aveva fatto costruire nell’odierna via Tribunali […] All’Accademia, che dal Pontano prese poi il nome di Pontaniana, fecero parte, tra gli altri, Gabriele 48 cadelli (‘il Panormita’) übertrug, schuf er ein politisches und kulturelles Klima, das Neapel zu einem attraktiven Standort machte, an dem sich bedeutende Humanisten und Philologen der Zeit wie ‘il Panormita’, Giovanni Pontano, Jacopo Sannazaro oder Antonio de Ferraris (‘il Galateo’) (vgl. Kapitel 5.1.1) dauerhaft niederließen. Die Sprache, die in diesem gelehrten Umfeld dominierte, war selbstverständlich das Lateinische, wie Patrizia Bianchi, Nicola De Blasi und Rita Librandi in vorausgehendem Zitat betonen. Andererseits erstrahlte Neapel unter Alfons I. nicht nur als eines der führenden Zentren des italienischen Humanismus mit einer bedeutenden Textproduktion auf Lateinisch, auch die bildenden Künste, die Musik und die Literatur in der Volkssprache erblühten unter der Schirmherrschaft von König Alfons. Musiker 107 und Dichter unterschiedlicher Nationalitäten kamen an den Hof des aragonesischen Herrschers, den man wegen seiner Großzügigkeit und seines Kunstverständnisses über seinen Tod hinaus als Il Magnanimo verehrte. Angelockt von dem inspirierenden künstlerisch-literarischen Umfeld konnten sie dort auch mit einer gesicherten finanziellen Basis für ihr Schaffen rechnen. Ein wichtiges volkssprachliches Modell am neapolitanischen Hof von König Alfons war das Kastilische, das sich mehr und mehr als Literatursprache behauptete. Demgegenüber nahm das Katalanische eine weniger prominente Rolle ein. Außerdem orientierten sich sowohl spanische als auch italienische Renaissancedichter an Petrarca und dementsprechend an der toskanischen volgare-Tradition. Dennoch verzichtete bezeichnenderweise gerade die Mehrheit der angesehenen neapolitanischen Dichter, die auf der Suche nach einem angemessenen Stil für Prosa und Poesie waren, auf die Toskanisierung und wählten stattdessen ein volgare letterario mit lokaler Einfärbung auf phonetischer und morphologischer Ebene. 108 Hier steht jedoch weniger die Frage im Zentrum, welche unterschiedlichen italienischen volgare-Modelle zu aragonesischer Zeit in Neapel diskutiert und in der Literatur verwendet wurden. Vielmehr muss geklärt werden, weshalb Altilio, Jacopo Sannazaro […], Antonio de Ferraris detto ‘Galateo’.“ <http: / / www. accademiapontaniana.it/ page.php? xvs=UK&xpg=3&xed=300 >, Zugriff am 06.03.2014. 107 König Alfons rekrutierte hauptsächlich spanische Sänger und Komponisten; vgl. Atlas 1989, 158 und 170: „Secular music at the court was also heavily Spanish in flavour […] Though Alfonso abandoned Barcelona as his capital, immersed himself in the adventures of Italian politics and showed a deep appreciation of Franco-Burgundian achievements in the visual arts, his patronage of music was almost ‘sentimental’ in its adherence to Spanish heritage. Apparently, music was something with which Alfonso had to feel culturally comfortable, and thus both sacred and secular music during his reign were Spanish to the core.“ 108 Vgl. Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 640. Zu diesen Dichtern gehörten u.a. Pietro Jacopo De Jennaro, Joan Francesco Caracciolo und Jacopo Sannazaro. Vgl. auch Folena 1952, Santagata 1979, Sabbatino 1986, Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1993, 61-69. Die Entwicklungen im Gebrauch unterschiedlicher volgari in Süditalien für den Zeitraum 1200-1600 wird in Trovato (Hrsg.) 1993 dargestellt. 49 sich in diesen mehrsprachigen Konstellationen das Kastilische dem Katalanischen und den italienischen Modellen gegenüber als Sprache der lyrischen Textproduktion behaupten konnte. So überwiegen beispielsweise in dem mehrsprachigen Cancionero de Estúñiga 109 , der am Hofe von König Alfons entstand, die kastilischen Texte (vgl. Kapitel 4.1.1). Menéndez y Pelayo schreibt diesbezüglich: [...] que en el reinado de Alfonso V florecieron simultáneamente dos literaturas de todo punto independientes, una la de los humanistas, escrita siempre en lengua latina, otra la de los poetas cortesanos, escrita las más veces en castellano y algunas en catalán. Lo que puede decirse que apenas existía entonces en Nápoles era literatura italiana, ni en la lengua común, ni en el dialecto del país. (Menéndez y Pelayo 1941b, 127) Auch wenn zutreffen mag, was Menéndez y Pelayo über die humanistische Textproduktion und das Lateinische äußerte, so steht es doch außer Frage, dass seine offensichtliche Geringschätzung der Autoren, die auf Neapolitanisch dichteten, polemischer Natur ist. Von Seiten der Sprachgeschichtsschreibung können derartige Positionen nicht akzeptiert werden. Gravierend ist darüber hinaus, dass er das toskanische Modell gänzlich unerwähnt lässt, das, wie bereits angesprochen, die gesamte Renaissancedichtung 110 beeinflusste und damit auch für die spanischen Autoren, die König Alfons nach Neapel rief, von höchster Relevanz war. Diese orientierten sich nicht nur an dem petrarkistischen Modell, sondern verfassten sogar Gedichte in volgare italiano 111 oder italianisierten ihre spanischen Texte, wobei diese Italianisierung von der simplen Entlehnung im Lexembereich, über ‘italienische’ beziehungsweise neapolitanische Phrasen und Verse bis hin zu der Verwendung eines mixed codes reichen konnte, dessen Basis nicht mehr eindeutig als spanisch oder italienisch identifiziert werden kann. Diese Formen der Mehrsprachigkeit beziehungsweise der Sprachmischung hatten ihren Ausgangspunkt im aragonesischen Neapel und wurden zu einer Mode 109 Vgl. die Ausgabe der Anthologie von Nicasio Salvador Miguel (1987). Der Cancionero de Estúñiga stellt keineswegs einen Einzelfall dar, so Croce. Eine relativ große Anzahl von cancioneros, die im 15. und 16. Jahrhundert in Italien kompiliert wurden, befände sich in italienischen Archiven, was das Interesse an der spanischen Lyrik damals bezeuge. Interessant ist auch, dass sich bezüglich der Herkunft dieser Kodizes eine Tendenz beobachten lässt: In der Regel sind die Sammlungen „provenienti dalle biblioteche dei baroni napoletani“ (Croce 1917, 63). Dies bestätigt, dass Neapel ein Zentrum war, in dem die spanische Kultur und Sprache eine besondere Rolle einnahmen. 110 Vgl. López Bueno/ Reyes Cano 1980, 99: „En la consideración histórica de la poesía lírica de la primera mitad del siglo XVI, la crítica reconoce la existencia de varias corrientes paralelas que vienen a confluir en dos grandes líneas: [...] y otra, más inovadora, que introduce en España los modos poéticos de inspriación petrarquista vigentes en la Italia del Renacimiento.“ 111 Zur Rolle des Italienischen bzw. italienischer Varietäten in Texten iberischer Dichter am aragonesischen Hof vgl. Compagna Perrone Capano/ Vozzo Mendía 1993. 50 der spanischen Dichtung des 15. Und 16. Jahrhunderts. Juan del Encinas villancico „Fata la parte“ steht exemplarisch für diese dichterische Mode: Fata la parte tutt’ogni cal, qu’es morta muller de micer Cotal. Porque l’hai trovato con un españolo en su casa solo, luego l’hai maçato. Lui se l’ha escapato por forsa y por arte. Restava dicendo porque l’hovo visto, ¡o válasme Cristo! , el dedo mordiendo, gridando y piangendo: - ¡Españoleto, guarte! Guarda si te pillo, don españoleto! Supra del mi leto te faró un martillo, tal que en escrevillo piangeran le carte. - Micer mi compare, gracia della e de ti. - Lasa fare a mi y non te curare. - Assai mal me pare lui encornudarte. (Juan del Encina 1975, 244f.) Ein wichtiges Zeugnis für die mehrsprachige Lyrikproduktion am aragonesischen Hof in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist der bereits genannte Cancionero de Estúñiga, der in Kapitel 4.1.1 besprochen wird. Vorwiegend kastilische, aber auch katalanische und vereinzelt galizische Autoren, die sich unter Alfons I. in Neapel verdingten, sind darin vertreten: Los grandes señores (Alonso Enriquez, Santillana) se funden con los nobles (Estúñiga, Villalpando, Guevara, Padilla), los guerreros y embajadores (Torellas, Valera, Saldaña); los funcionarios (León, Medina) y los escritores de oficio (Mena, Carvajal), y pertenecen a distintas generaciones poéticas, aun cuando la mayoría se integra en las de Santillana y Mena. Casi todos son castellanos, aunque también existen algunos aragoneses (Urriés, Villalpando), gallegos (Padrón y el nombre de Macias) y un catalán (Torrellas). Y, mientras de algunos se antologa un buen elenco de sus obras, de otros se ofrece una pequeña muestra sin que falten unos pocos de los que se acoge toda su obra conocida: una sola composición; son los poetas de un solo poema. (Salvador Miguel 1987, 8f.) Es bewahrheitet sich, dass im literarisch-höfischen Umfeld bereits zu aragonesischer Zeit, weniger das Katalanische als das Kastilische den Status einer Prestigesprache genoss. Wenn man den Berichten Glauben schenkt, hing dies mit den sprachlichen Vorlieben des Königs zusammen. Außerdem wurde - und dies ist durch die Überlieferung der Manuskripte und Kodizes bewiesen - auf Kastilisch gedichtet. 51 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für eine Untersuchung, die von dem Kultur- und Sprachkontakt im spanischen Süditalien ausgeht und Zusammenhänge zwischen der Mehrsprachigkeit und der Sprachreflexion untersuchen will, die exakte Festlegung und Orientierung an den Eckdaten des Vizekönigreichs Neapel nicht sinnvoll ist. Bereits vor 1503/ 1504 wurden iberische Elemente in die Kultur Süditaliens importiert. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung muss deshalb die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts mit in Betracht gezogen werden, da bereits in aragonesischer Zeit kastilische Elemente die mündliche und schriftliche Kommunikation Süditaliens prägten. Wenn für diesen Zeitraum von einem ‘spanischen Import’ nach Neapel die Rede ist, so bezieht sich dies sowohl auf das Katalanische als auch auf das Kastilische. Es bietet sich an, für die vorliegende Untersuchung einen Begriff zu operationalisieren, der bereits in historiographischen Schriften des 18. Jahrhunderts verwendet wurde. So bediente sich Carlo Botta in Band 5 der Storia d’Italia continuata da quella del Guicciardini sino al 1789 (1832) des Ausdrucks ‘Italia Spagnuola’ und bezieht sich damit übergreifend auf alle italienischen Territorien, die im 16. Jahrhundert zum spanischen Besitz gehörten: „Di ciò maggior pericolo si portava, per parlare dell’Italia Spagnuola, nel Regno delle due Sicilie che nello stato di Milano.“ (Botta 1832, Bd. 5, 308) oder „Ciò si vedeva massimamente nell’Italia Spagnuola, ed, ancor più nel Regno di Napoli che in Sicilia [...]“ (Botta 1832, Bd. 5, 312). Im Prinzip war es Benedetto Croce, der durch die Betrachtung unterschiedlicher Aspekte des spanischen Italiens vom 15. bis zum 17. Jahrhundert in La Spagna nella vita italiana durante la Rinascenza (1917), den Begriff für kulturgeschichtliche Beschreibungen adaptierte. Auch wenn er nicht explizit die Bezeichnung Italia Spagnola verwendet, so ist sein Interesse auf das spanische Itaien gerichtet: seine Untersuchungen sind nicht ausschließlich auf die habsburgische Vorherrschaft in den süditalienischen Besitzungen zwischen 1503/ 1504 und 1713 bezogen, sondern berücksichtigen alle spanischen Elemente, die zur Zeit der Renaissance das kulturelle Leben Italiens beeinflussten. In jüngerer Zeit brachte Aurelio Musi mit seinem Sammelband Nel sistema imperiale. L’Italia Spagnola (1994) diesen Begriff als Konzept in die italienische Geschichtsschreibung zurück. Die Autoren verwenden in ihren Beiträgen 112 Italia Spagnola in erster Linie als räumlich weitläufiges Konzept, mit dem über das Königreich Neapel hinaus alle Territorien der italienischen Halbinsel bezeichnet werden können, die im 16. und 17. Jahrhundert unter spanischem Einfluss standen. Giuseppe Galasso beschreibt dies in der Einleitung zu seinem Band: 112 Vgl. Benigno 1994, Musi 1994a, Muto 1994 und 2009; siehe auch Rurale 1993, Musi 1994b und Ventura 1998. 52 L’istituzione stessa di un Consejo de Italia alterava - come si è detto - il quadro precedente dei rapporti col paese iberico di riferimento (in questo caso l’Aragona) e portava nella sfera spagnola un paese (il Ducato di Milano) che fino a Carlo V non vi era entrato. [...] Il predominio spagnolo da Carlo V in poi era, peraltro, caratterizzato sia dal controllo diretto di quasi la metà della regione geografica italiana (circa 140.000 kmq. su circa 320.000), sia dallo stato di clientela o protettorato politico a cui furono redotti alcuni degli Stati italiani rimasti indipendenti (Genova, innanzitutto, e i Ducati padani nonché, a lungo, i Savoia e la Toscana), sia dal profondo condizionamento che in forza di quel predominio subivano i rimanenti fra questi stati indipendenti (lo Stato della Chiesa e Venezia e, inoltre, in maniera intermittente Firenze e in un secondo momento i Savoia) [...] (Galasso 1994, 22f.) In der italienischen Geschichtsforschung setzt sich Musis Konzept allmählich durch. 113 Es handelt sich um ein zeitlich und räumlich elastisches Konzept, bei dem nicht die historischen Ereignisse und die territorialen Grenzen sondern unterschiedliche Ausprägungen des Kulturkontakts im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund wird der Begriff Italia Spagnola übernommen. Denn der Fokus der Arbeit liegt zwar auf der spanischen Präsenz in Süditalien im 16. Jahrhundert, die Wechselwirkungen, die sich durch wirtschaftliche, private oder kulturelle Beziehungen zwischen dem Königreich Neapel und anderen Regionen ergaben, sollen aber ebenso wenig ausgeblendet werden wie die spanischen Einflüsse vor 1503/ 1504. 2.3 Die Italia Spagnola - ein ‘blinder Fleck’ in der Sprachgeschichtsschreibung 114 Das Interesse der hispanistischen und der italianistischen Sprachgeschichtsschreibung an den mehrsprachigen Konstellationen im ‘Königreich Neapel’ war bislang eher verhalten. Als einer der ersten wies Wulf Oesterreicher auf das Defizit einer systematischen Beschreibung der sprachlichdiskursiven Prozesse in diesem Kommunikationsraum hin. 115 In dem Aufsatz „Plurilingüismo en el Reino de Nápoles (siglos XVI y XVII)“ (2004a) appellierte Oesterreicher an die Sprachgeschichtsforschung, das bislang ‘unerkundete Territorium’ 116 der Italia Spagnola systematisch und mit einem interdisziplinären Ansatz zu erschließen. Laut Oesterreicher geht dieser ‘blinde Fleck’ in der Sprachhistoriographie auf epistemische Blockaden zurück, 113 Vgl. zum Beispiel das Projekt „Politica, fazioni, istituzioni nell’ ‘Italia spagnola’ dall’incoronazione di Carlo V (1530) alla pace di Westfalia (1648)“, das Elena Fasano Guarini von 1999 bis 2001 am Ministero per i beni e le attività culturali koordinierte. Siehe auch Contini/ Volpini (Hrsg.) 2007 und Martelli/ Galasso (Hrsg.) 2007. 114 Vgl. Oesterreicher 1993, 1998 und 2004a. 115 Vgl. auch Hafner 2009, 105. Siehe auch Hafner/ Oesterreicher 2011. 116 Vgl. Oesterreicher 2004a, 218. 53 die das Resultat der teleologischen Perspektivierung der nationalphilologischen Sprachgeschichtsschreibung 117 des 19. Jahrhunderts sind. Auf dieser Grundlage war eine objektive systematische Untersuchung mehrsprachiger Kommunikationsräume nicht möglich, da sich die Beschreibung derartiger Konstellationen nicht in die lineare Darstellung von der Entwicklung eines Idioms zur Nationalsprache einfügen lässt. Folglich wurde der spanischitalienische Sprachkontakt in Süditalien zugunsten vereinheitlichender Interpretationen in den Sprachgeschichten marginalisiert. 118 Die Blockade auf spanischer Seite wird zunächst durch die Menge an Daten, Materialien und Dokumenten verursacht, die die für Spanien ereignisreiche Ära des 16. und 17. Jahrhunderts hervorbrachte und deren Bewältigung eine Herausforderung für die sprachhistorische Forschung darstellt. Man denke nur an die Entdeckung und Kolonisierung Amerikas oder Spaniens Aufstieg zur Imperialmacht sowie die daraus resultierenden sprachlichen und kommunikativen Konsequenzen. Lange Zeit konzentrierte man sich auf die Überdachungs- und Ausbauprozesse, die die Entwicklung des Kastilischen zur Nationalsprache betreffen. 119 In jüngerer Zeit interessiert man sich jedoch zunehmend auch für kommunikativ-diskursive Konstellationen auf der Iberischen Halbinsel und in Amerika, in denen gerade nicht nur das Kastilische, sondern auch andere iberoromanische Varietäten oder indigene Sprachen eine Rolle spielten. 120 Des Weiteren liegt ein Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der literarischen Blütezeit des Kastilischen im 16. und 17. Jahrhundert. Die Mehrheit der Untersuchungen konzentriert sich auf die intellektuelle Textproduktion der Siglos de Oro, die so umfassend war, dass sie bislang noch nicht vollständig ausgewertet, analysiert und interpretiert werden konnte. Darüber hinaus verhinderte der nostalgische Blick auf die ruhmreiche Vergangenheit Spaniens, den die spanische Sprachgeschichtsschreibung in der Tradition der escuela de filología española 121 noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts pflegte, eine 117 Mit der Entstehung, der Wirkungsweise und den epistemischen Grundlagen der Nationalphilologien in Europa befassen sich Vàrvaro 1968 und 1972/ 1973; Gauger 1982, 1984, 1989, 1991; Swiggers 2001; Hafner 2003 und 2006; Garatea Grau 2005; Bustos Tovar 2006; Arenas Olleta 2006a und 2006b; Oesterreicher 2007a und 2007b. 118 Vgl. hierzu kritisch Vàrvaro 1972; siehe auch Hafner/ Oesterreicher (Hrsg.) 2007. 119 Vgl. u.a. Menéndez Pidal 2005, Tovar 1968 und Lapesa 1981. 120 Einen innovativen Ansatz verfolgt Cano Aguilar (Hrsg.) 2004 in der Historia de la lengua española; vgl. darin Cano Aguilar 2004, Girón Alconchel 2004, Oesterreicher 2004b und Verdonk 2004. Gesamtdarstellungen der Geschichte des Spanischen in Amerika sind López Morales 1998 und Frago García 1999. Zu Einzelaspekten vgl. u.a. Stoll 1997, Guzmán (im Druck), Fernández Alcaide 2009, Oesterreicher 1994a und 1994b, Schmidt-Riese 2003 und 2004. 121 Über die Gruppe von Philologen, die am Centro de Estudios Históricos (Madrid) tätig waren, schreibt Garatea Grau 2005, 29: „Quienes recibieron directamente las enseñanzas de Menéndez Pidal [...] fueron, entre otros: Américo Castro, Antonio García Solalinde, Vicente García de Diego, Federico de Onís, Tomás Navarro Tomás, José Fer- 54 objektive Sicht auf die sprachhistorischen Realitäten. So konnte sich in den sprachhistoriographischen Darstellungen der Siglos de Oro mit unter auch die ‘lengua universal’-These 122 etablieren. Um zu beweisen, dass sich das Spanische im Zuge der imperialen Expansion als Universalsprache durchgesetzt hatte, verwies man stets auf die gleichen Texte 123 , wie zum Beispiel auf das Vorwort von Antonio de Nebrijas Gramática de la lengua castellana (1492): Que después que Vuestra Alteza metiesse debaxo de su iugo muchos pueblos bárbaros e naciones de peregrinas lenguas y con el vencimiento aquellos ternían necessidad de recebir las leies quel vencedor pone al vencido, e con ellas nuestra lengua, entonces por esta mi Arte podrían venir en el conocimiento della, como agora nosotros deprendemos el Arte de la gramática latina para deprender el latín. (Nebrija; zit. bei Menéndez Pidal 2005, 684f.) In der Tradition Menéndez Pidals wurde diese auf die spanische Expansionspolitik bezogene Aussage Nebrijas zu einer Prophezeiung stilisiert, die die Verbreitung des Spanischen in Folge der Entdeckung Amerikas vorausgesehen habe. 124 Auf ähnliche Weise wurde auch eine der Anekdoten, die sich um die Sprachideen Karls V. ranken, zu einem „Ereignis“ 125 der spanischen Sprachgeschichte. Es handelt sich um die Rede des Kaisers in Rom, die er an Ostern des Jahres 1536 vor Vertretern des hohen Klerus hielt und in der sich Karl V. erstmals in einer offiziellen Angelgenheit im Vatikan des Spanischen bediente. Aus sprachgeschichtlicher Perspektive lässt sich der historische Gehalt der Erzählung auf genau einen Aspekt reduzieren: nämlich dass Karl V. Spanisch sprach. Der Originallaut der Rede ist nicht überliefert 126 , die inhaltlich divergierenden Nacherzählungen des Ereignisses aus nández Montesinos, a los que hay que sumar a Amado Alonso, Dámaso Alonso, Emilio Alarcos García, Rafael Lapesa, Samuel Gili y Gaya, Manuel Sanchis Guarner, Ángel Rosenblat, Antonio Tovar; también a Diego Catalán y a Alvaro Galmés [...].“ Vgl. auch Arenas Olleta 2006a und 2006c. 122 Vgl. Buceta 1937; Alonso 1938 sowie Lapesa 1981, 296f. und Gauger 2004, 684. 123 Auch im Abstrakt zu Fontán Pérez 2001 ließt man: „El idioma es un instrumento que, además de permitir la comunicación entre las gentes de un pueblo, les hace partícipes de una misma cultura y fomenta su identidad. La importancia política de la lengua es algo que ya experimentó el Imperio Español en sus años de esplendor. Antonio Fontán subraya, por medio de una anécdota histórica, la importancia del idioma en la vida política de un país, el afianzamiento y extensión del español como lengua universal desde su nacimiento - el romance -, y la necesidad del gobierno actual de proseguir la promoción y respeto del español como vínculo entre naciones y pueblos.“ 124 Vgl. Menéndez Pidal 2005, 684: „Estas palabras, pronunciadas años antes, pero publicadas en agosto de 1492, cuando Colón acababa de zarpar en busca del imperio del Gran Can, fueron profecía ambiciosa.“ Siehe auch Lapesa 1981, 289f. 125 Vgl. Weinrich 1985b, 186. 126 Alfred Morel-Fatio (1913) untersuchte die Überlieferungstraditionen dieser Anekdote; siehe auch Buceta 1937. 55 dem 16. Jahrhundert stimmen lediglich darin überein, dass die Rede auf Spanisch gehalten wurde, alle weiteren Details bewegen sich im Rahmen des Interpretation. 127 Dennoch setzte sich in der spanischen Sprachgeschichtsschreibung die Version der Osterrede nach Pierre de Bourdeilles Brantôme 128 durch, obwohl dieser Überlieferung kein offizielles Protokoll zugrunde lag und Brantôme erst 1540, also vier Jahre später geboren wurde. 129 In den Rodomontades espaignoles berichtet er, Karl V. habe 1536 vor Papst Paul III. und der Gesandtschaft des französischen Königs, dem Bischof von Mâcon, welcher vorgab des Spanischen nicht mächtig zu sein, entgegnet: Señor obispo, entiéndame si quiere, y no espere de mí otras palabras que de mi lengua española, la cual es tan noble que merece ser sabida y entendida de toda la gente christiana. (Alonso 1938, 23; Lapesa 91981, 297; Menéndez Pidal 2005, 810) Während diese Anekdote in den Dienst der lengua universal-These gestellt wurde, ohne dabei zu berücksichtigen, dass es sich dabei um ideologisch geprägte und politisch motivierte Argumente des 16. Jahrhunderts handelt 130 , bleibt in den sprachgeschichtlichen Gesamtdarstellungen in der Regel ein fundamentaler Aspekt außen vor: Wenn das Spanische in den Siglos de Oro dem Universalitätsanspruch tatsächlich gerecht wurde, muss auch untersucht werden, wie und in welchem zeitlichen und geografischen Rahmen sich seine Verbreitung in den spanischen Besitzungen im 16. und 17. Jahrhundert vollzog. Für welche kommunikativen Zwecke wurde das Spanische eingesetzt? Traten dabei Kontaktphänomene auf und führten diese unter Umständen zur Transformation von Diskurstraditionen? Dabei ist grundsätzlich von der Verschiedenheit der Prozesse bei der Verbreitung des Spanischen in der Neuen und der Alten Welt auszugehen, da in den einzelnen Territorien jeweils unterschiedliche Rahmenbedingungen vorherrschten. Dabei stellt der Kommunikationsraum des Königreichs Neapel im europäischen Kontext der spanischen Expansion einen Sonderfall dar. 127 Vgl. Gauger 2004, 684. 128 Zu Leben und Werk Brantômes vgl. Cottrell 1970 und Lazard 1995. 129 Vgl. Weinrich 1985b, 185; Gauger 2004, 684. 130 Eine Deutung, die die Rede von 1536 als offizielle Proklamation des Spanischen als Universalsprache auslegt, geht zu weit. Vielmehr muss die Ansprache Karls V. vor dem Papst als diplomatischer Schachzug gegen Franz I. gewertet werden. Harald Weinrich schlug eine Deutung vor, die sich nicht auf den exakten Wortlaut der Nacherzählungen, sondern auf die historische Relevanz der Anekdote stützt; vgl. Weinrich 1985b, 186: „Wir können ihm allenfalls eine negative Intention unterstellen: er wollte nicht französisch sprechen. Das ist das eigentliche Politikum der Rede von 1536, da doch der König von Frankreich [...] sein Hauptadressat war. Aber selbst diese Intention ist zweifelhaft, da immerhin auch der Papst bei der Rede anwesend war, der schließlich, da es um den Frieden in der Christenheit ging, ebenfalls als unmittelbarer Adressat angesehen werden muß.“ 56 Denn der aus der massiven Zuwanderung von Spanien nach Süditalien resultierende Bevölkerungszuwachs führte unter anderem auch zu einem konstanten Sprachkontakt von genealogisch sehr eng miteinander verwandter Sprachen. Das macht die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola zu einem interessanten aber auch komplexen Untersuchungsgegenstand. Zum einen deshalb, weil sich Sprecher zweier eng miteinander verwandter Sprachen durch geringfügige Akkommodationen an die Sprache des Anderen anpassen können, zum anderen, weil Interferenzphänomene 131 auf Grund des gemeinsamen lexikalischen und morphosyntaktischen Inventars nicht unbedingt als solche wahrgenommen werden. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein entscheidender Akzent gegen eine vereinheitlichende und teleologische Betrachtungsweise in der hispanistischen Sprachgeschichtsschreibung bereits gesetzt wurde. So werden in der 2004 von Rafael Cano Aguilar publizierten Historia de la lengua española die unterschiedlichen sprachlich-kommunikativen Situationen in den einzelnen Territorien der spanischen Monarchie differenziert betrachtet. Der neun Kapitel umfassende siebte Teil „La lengua en la España de los Austrias“ widmet sich sprachinternen und -externen Entwicklungen im 16. und 17. Jahrhundert und die Beiträge „La conciencia lingüística en la Edad de Oro“ von Hans-Martin Gauger und „Cambios en el léxico del español durante la época de los Austrias“ von Robert Verdonk gehen unter anderem auch auf die Konstellationen in Süditalien ein. Auch der älteren spanischen Sprachgeschichtsschreibung kann nicht vorgeworfen werden, sie hätte den Sprachkontakt im Reino de Nápoles gänzlich unberücksichtigt gelassen. Allerdings beschränkten sich die Untersuchungen auf wenige Kommunikationsbereiche und in der Regel konzentrierte man sich auf die höfisch-aristokratischen Kontexte, in denen das Spanische als Modesprache Einfluss auf das Italienische und andere europäische Sprachen ausübte. Rafael Lapesa widmete sich beispielsweise in der Historia de la lengua española dem spanisch-italienischen Sprachkontakt lediglich in einem Paragraphen („España y su lengua en Europa“). 132 Dabei ging er nicht gesondert auf die Situation in Süditalien ein, sondern fasste die europaweite Rezeption spanischer Autoren im 16. Jahrhundert zusammen und nennt eine Reihe von Hispanismen, wie sforzato, grandioso, disinvoltura, buon gusto, complimento usw. 133 , die Entlehnungen aus dem Bereich der höfisch galanten Konversation sind. Auch Menéndez y Pelayo konzentrierte sich auf die Untersuchung der spanischsprachigen Literatur in Italien. In den Beiträgen „La corte de Alfonso V en Nápoles“, „Versos españoles a Lucrecia Borgia“ und „Cuestión de Amor“ des zweiten Bandes der 131 Vgl. Weinreich 1964 und Thomason 2001, 267; vgl. auch Kapitel 3.2.2. 132 Vgl. Lapesa 1981, 291-296. 133 Vgl. Lapesa 1981, 294. 57 Sammlung Estudios y discursos de crítica histórica y literaria 134 wird immerhin ein gezieltes Interesse an den Konstellationen in Süditalien deutlich. Doch obwohl Menéndez y Pelayo - angeregt von Benedetto Croces Studien zur Italia Spagnola - vor mehr als 70 Jahren einen Appell an seine spanischen Kollegen richtete, die spanischsprachige Literatur des Königreichs Neapel wissenschaftlich aufzuarbeiten, blieben Reaktionen diesbezüglich weitgehend aus: Claro es que una Memoria de 30 páginas (que no tiene más la del señor Croce) no ofrece bastante espacio para tratar una materia tan vasta, la cual requiere un libro entero; y ojalá que la diligencia de algún español se adelante a dárnosle, antes que la erudición extranjera se apodere de este argumento, como sucesivamente ha venido apoderándose de casi todos los que tocan a nuestra historia intelectual [...] (Menéndez y Pelayo 1941b, 121) Amado Alonso hingegen verfolgte in Castellano, español, idioma nacional. Historia de tres nombres (1938) den Mythos der lengua universal. In dem Kapitel „Los españoles en el extranjero“ 135 listete er Grammatiken, Glossare und Wörterbücher auf, die im 16. Jahrhundert außerhalb Spaniens als Lehrmaterial eingesetzt wurden und geht dabei unter anderem auch auf die Osservationi della lingua castigliana (1566) von Giovanni Miranda ein, eine Spanischgrammatik für Italiener, auf die in Kapitel 5.3.2 zurückzukommen sein wird. Auf die Untersuchung der Spanisch-Italienisch-Lehrbücher, die im 16. Jahrhundert veröffentlicht wurden, konzentrierte sich des Weiteren eine kleine Gruppe von Hispanisten in den 1990er Jahren. So untersuchten Juan M. Lope Blanch (1990, 1997, 1999 und 2001) und Maria Carreras i Goicoechea (1992, 1995, 1996 und 2002) die entsprechenden Werke in Bezug auf ihre Position innerhalb der Tradition der humanistischen Grammatikschreibung und des Fremdsprachenunterrichts in der Renaissance. 136 Ein Vergleich dieser Texte unter Berücksichtigung der kommunikativen Anforderungen in der Italia Spagnola und hinsichtlich der Kommunikationsbereiche und Diskursstrategien, die in den Lehrwerken vermittelt werden, fand bislang noch nicht statt. Ähnlich verhält es sich in der italienischen Sprachgeschichtsschreibung. Auch in dieser war der Blick auf die mehrsprachigen Konstellationen im Königreich Neapel lange Zeit blockiert. In den sprachhistorischen Standardwerken 137 wird die kommunikativ-diskursive Dimension der Italia Spagnola nicht hinreichend berücksichtigt, da die Entwicklung des Toskanischen zur Nationalsprache Italiens im Zentrum des Interesses stand. Somit 134 Vgl. Menéndez y Pelayo 1941b, 119-143. 135 Vgl. Alonso 1938, 23-29. 136 Vgl. Acero 1991; für einen Überblick über die spanisch-italienischen Lexikographie des 16. und 17. Jahrhundert vgl. Gallina 1957 und 1959; siehe auch Martínez Egido 2002a, 2002b und 2003. 137 Devoto 1960, Durante 1981, Marazzini 2002, Migliorini 1992. 58 verzichtete man darauf, die Funktionen anderer italienischer Varietäten sowie nicht-autochthoner Sprachen systematisch zu untersuchen, obwohl diese kleinräumig betrachtet teilweise nicht nur im Nähebereich funktionierten, sondern auch in Distanzdiskursen präsent waren und über einen adäquaten Ausbaugrad verfügten. 138 Der Grund für das geringe Interesse an allen nicht-toskanischen Entwicklungssträngen beruht zunächst darauf, dass die Aufarbeitung der Questione della lingua 139 die italienische Sprachgeschichtsschreibung dominierte. Mehrsprachige Konstellationen wie die im Königreich Neapel traten bei der toscano-zentrischen Perspektivierung in den Hintergrund, da man den ‘Siegeszug’ des Toskanischen als Nationalsprache möglichst geradlinig nachzeichnen wollte. Dabei wurde häufig nicht differenziert dargestellt, dass die Diskussion, die vom 15. bis ins 18. Jahrhundert um eine einheitliche italienische Sprache geführt wurde, von Anfang an eine Questione della lingua letteraria 140 war und in ihrem Rahmen folglich nur literarisch relevante Modelle diskutiert wurden. Peter Koch sieht in der Konzentration auf die Literatursprache eine allgemeine Tendenz der Sprachgeschichtsschreibung 141 : Sobald Punkt III [Anfänge der Verschriftung der Volkssprachen] erreicht ist, erfolgt in der Sprachgeschichtsschreibung traditioneller Weise ein merkwürdiger Schwenk der Perspektive: nahezu ausschließlich geht es um die Genese der Literatursprache (und um ihre Vorstufen: scriptae usw. [...]), also um den Distanzbereich, während der Nähebereich weitestgehend ausgeklammert bleibt. (Koch 2003, 117) Gegenwärtig ist die italienische Sprachgeschichtsschreibung im Begriff, diese Blockade zu überwinden. Sergio Lubello skizziert in dem Beitrag zu dem von Jochen Hafner und Wulf Oesterreicher 2007 herausgegebenen Band Mit Clio im Gespräch die Entstehung der italienischen Sprachgeschichtsschreibung als wissenschaftliche Disziplin und beschreibt darin auch den Öffnungsprozess für Fragestellungen, die nicht das Toskanische betreffen. Bereits in den 1990er Jahren etablierte sich in der diachronen Forschung - beeinflusst von der stark dialektologisch geprägten italienischen Sprachwissenschaft - das Interesse für die Entwicklung der primären Dialekte des Italienischen. Zunehmend untersuchte man auch nicht-literarische Texte, die dem Bereich der pragmatischen Schriftlichkeit entstammen und die Sprache halbgelehrter Schreiber repräsentieren. 142 Diesen Ansatz verfolgen Luca Serianni und Pietro Trifone in der umfangreichen Sprachge- 138 Vgl. dazu den Periodisierungsvorschlag zu den Ausbau- und Überdachungsprozessen der italienischen volgari in Krefeld 1988b. 139 Vgl. Kapitel 2.1. 140 Vgl. Oesterreicher 2007b, 19. 141 Siehe auch Koch 2002 und 2010. 142 Vgl. Lubello 2007 109ff. Siehe auch die Sammelbände Beccaria/ Soletti (Hrsg.) 1994 und Lo Piparo/ Ruffino (Hrsg.) 2003. 59 schichte (1993-1994), die in drei Bänden (I. I luoghi della codificazione, II. Scritto e parlato, III. Le altre lingue) die genannten Aspekte berücksichtigen. Eine ähnliche Konzeption liegt Francesco Brunis zweibändiger Sprachgeschichte L’italiano nelle regioni (1992/ 1994) zugrunde. Ausgangspunkt ist die diachrone Untersuchung der sprachlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen, wobei die in Band I (Lingua nazionale e identità regionale) beschriebenen Prozesse durch die Textauswahl in Band II (Testi e documenti) belegt werden. Auch Riccardo Tesis Geschichten des Italienischen (2001 und 2005) verfolgen diesen Ansatz. Entscheidend ist, dass in den Bänden La formazione della lingua comune delle origini al Rinascimento (2001) und La lingua moderna e contemporanea (2005) die Entwicklung der volgari italiani anhand von Texten untersucht wird, wobei in den linguistischen Analysen auch die Textualität der Dokumente berücksichtigt wird. Das Material wird somit in angemessenem Rahmen historisierend betrachtet. Was die Beschreibung der süditalienischen Varietäten im ehemaligen Territorium des Königreichs Neapel betrifft, existieren bereits gute diachrone Beschreibungen. Nicola de Blasi beschäftigte sich mit der Basilikata (de Blasi 1994), mit Neapel (de Blasi 2000) und mit Kampanien (de Blasi 2006). Des Weiteren erschien 2009 Adam Noel Ledgeways Grammatica diacronica del napoletano und für Sizilien arbeitete Mari D’Agostino in La piazza e l’altare. Momenti della politica linguistica della chiesa siciliana (secoli XVI-XVIII) (1988) den Bereich der Religionsausübung und der Katechese auf. Was hingegen die Rolle des Spanischen in den mehrsprachigen Konstellationen im Königreich Neapel betrifft, gilt es eine Lücke in der italienischen Sprachgeschichte zu schließen. In den oben genannten Arbeiten über die süditalienischen Provinzen nimmt das Spanische einen äußerst marginalen Platz ein, da das Interesse vorwiegend der Entwicklung von den volgari regionali zu den modernen italienischen Dialekten gilt. Wenn es um das Spanische geht, beschränkt man sich, ähnlich wie in der Hispanistik, auf die Beschreibung von Entlehnungen in unterschiedliche Varietäten des Italienischen. 143 In diesem Zusammenhang wären zum Beispiel Anderas Michels lexikographische Arbeiten Vocabulario critico degli ispanismi siciliani (1996) und Mario Guaraldinis semantische Untersuchung La parlata napoletana. Nuove ipotesi semantiche (1982) zu nennen sowie der bereits erwähnte Artikel „Riflessi linguistici della dominazione aragonese sul regno di Napoli: alcuni casi lessicali e questioni di metodo“ von Rosario Coluccia (1989). 144 Eine umfangreiche Liste der Hispanismen im Neapolitanischen 143 Vgl. u.a. den Kampanien-Artikel in Francesco Brunis L’italiano nelle regioni Bd. I, von Bianchi/ De Blasi/ Librandi 1992, 645f. 144 Vgl. Kapitel 2.2 Zu den Iberismen im Italienischen vgl. auch Zaccaria 1927 sowie Beccarias kritische Anmerkung (1965, 2): „[...] allo Zaccaria siamo tutto sommato debitori di un libro pieno d’errori, è vero, viziato da una impostazione metodologicamente poco soddisfacente, ma ancora utile, frutto com’è di un lavoro lunghissimo e faticoso di raccolta, spesso di prima mano.“ 60 erstellte Giovanna Riccio in ihrer Doktorarbeit, Ispanismi nel dialetto napoletano (2005). Riccios Leistung besteht darin, dass sie die Einträge der lexikographischen Werke zum Neapolitanischen von D’Ambra (1873) 145 , Andreoli (1887), Rocco (1891), Altamura (1968) und D’Ascoli (1972 146 und 1979) 147 zusammenfasst und sie mit den Ergebnissen von Zaccaria (1927) und Beccaria (1968) vergleicht. Dabei entsteht eine detaillierte lexikographische Übersicht über die Hispanismen, deren Etymologien, die Entlehnungsprozesse und entsprechende Textbelege. Während in diesen Studien die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola nicht das Kernthema bildet, interessierte sich Benedetto Croce bereits 100 Jahre zuvor für das spanische Italien. In La lingua spagnola in Italia […] (1895), La Spagna nella vita italiana durante la Rinascenza (1917) und der Storia del Regno di Napoli (1925) 148 setzte er den Schwerpunkt auf die sprachlichkommunikativen Aspekte im spanisch dominierten Königreich Neapel. Croces Studien, die sich aus philologischer Sicht mit dem Kulturkontakt auseinandersetzen und die notwendigen Bezüge zu den kulturhistorisch relevanten Ereignissen herstellen, sind noch heute die Grundlagentexte, an denen sich alle weiteren Forschungsprojekte zur Italia Spagnola orientieren. Die Schrift von 1917 bietet einen ausführlichen Überblick über die Quellensituation. Dazu zählen Chroniken sowie andere historiographische und literarische Texte, metasprachliche Kommentare, Grammatiken, Wörterbücher und Lehrbücher. Anhand dieser rekonstruierte Croce den Sprachkontakt im höfischen Bereich. Strenggenommen sind seine Arbeiten keine linguistischen Studien, da die Texte nicht systematisch analysiert, sondern vielmehr interpretiert werden. Dies schmälert Croces Verdienst jedoch keineswegs, zumal er mit seiner ‘Pionierarbeit’ 149 ein gänzlich neues Forschungsgebiet erschloss, das allerdings noch heute weitgehend unergründet im Dunkeln liegt. 150 In der Nachfolge Croces setzen sich zunächst nur vereinzelt italienische Historiker und Philologen mit der Italia Spagnola auseinander, wobei zumeist Einzelbereiche der von Croce angeschnittenen Themen aufgegriffen 145 Es wird die Ausgabe von 1969 zitiert. 146 Es wird die Ausgabe von 2003 zitiert. 147 Das 1993 erschienene Nuovo vocabolario dialettale napoletano. Repertorio completo delle voci. Approfondimenti etimologici. Fonti letterarie. Locuzioni tipiche von Francesco D’Ascoli wurde hingegen nicht berücksichtigt. 148 Zitiert wird hier nach der Ausgabe von 1967. 149 Vgl. Beccaria 1968, 2: „L’ufficio di pioniere l’ha assunto in questo campo il Croce [...].“ 150 Zur Zeit des Mussoliniregimes wurden Forschungsinteressen, die nicht eine unitaristische Darstellung der Geschichte der ‘italienischen Nation’ verfolgten, unterbunden. Mit ihren studi meridionali trat eine Gruppe von Intellektuellen in Neapel, der unter anderem Benedetto Croce und Giustino Fortunato angehörten, in Opposition zu den faschistischen Ideologien. Vgl. hierzu Paolino 1991 und Galasso 2005; mit Benedetto Croce beschäftigt sich Galasso 1990; zu Giustino Fortunato vgl. Andretta 2005. 61 wurden. Ein Beispiel dafür sind die Arbeiten des neapolitanischen Historikers und Croce-Schülers Nino Cortese. Seine Inventarisierung der spanischen Archivbestände in „Fonti spagnuole per la storia del regno di Napoli del Cinque e Seicento“ (1940) ermöglichen einen ersten Überblick über die Dokumentenlage. 151 Sein Forschungsinteresse war vorwiegend kulturhistorisch orientiert, wie zum Beispiel die Studie zur Geschichte der Universität Neapel „Lo Studio di Napoli nell’età spagnuola“ (1924) oder der Band Cultura e politica a Napoli. Dal cinque al settecento (1965). Auch Gian Luigi Beccaria widmete sich in Spagnolo e spagnoli in Italia. Riflessi ispanici sulla lingua italiana del Cinque e del Seicento den spanischen Jahrhunderten Italiens, wobei er sich nicht ausschließlich auf die Konstellationen im Königreich Neapel konzentrierte, sondern eine Liste mit etymologischen Erklärungen von den Hispanismen erstellt, die im 16. und 17. Jahrhundert in italienische volgari entlehnt wurden. Beccarias 1968 erschienene Monographie ist die erste linguistische Studie zur Italia Spagnola, die die historisch-pragmatischen Bedingungen der Entlehnungsprozesse berücksichtigt. 152 Auch Francesco D’Ascolis 1972 erschienener Band Lingua spagnuola e dialetto napoletano 153 enthält im Grunde genommen nicht mehr als eine lexikographisch-etymologische Auflistung der Hispanismen des Neapolitanischen. Die Wörter sind in alphabetischer Reihenfolge angeordnet und je nach Dokumentationslage werden Art, Ort und Weg der Entlehnung sowie der Erstbeleg genannt. Regelmäßigkeiten in den unterschiedlichen Texttypen werden nicht systematisch betrachtet. Insofern ist D’Ascolis Bestandsaufnahme zwar ein nützliches Hilfsmittel bei der Erforschung der mehrsprachigen Konstellationen im Königreich Neapel, vermag diese selbst in ihrer Komplexität jedoch nicht zu erfassen, wie beispielsweise Antonio Altamura kritisierte: Da questa necessità di fissare sistematicamente il prodotto linguistico dialettale del periodo storico iberico-napoletano e della osmosi culturale che fu inevitabile fra due antiche civiltà cosi affini è nato il presente lavoro di Francesco D’Ascoli. L’aver egli elencato in ordine alfabetico un ricchissimo manipolo di spagnolismi costituirà senza dubbio un non inutile contributo, pur se qualcuno avrebbe forse desiderato, caso per caso, una più ampia interpretazione. (Altamura 2003, 13f.) Einen anderen Schwerpunkt setzte Annamaria Gallina, die sich nicht auf semantische Entlehnungsprozesse konzentrierte, sondern in „Osservazioni sulla lessicografia italo-spagnola dei sec. XVI e XVII“ (1957) und Contributi 151 Diesen Artikel veröffentlichte Cortese in der Rassegna Storica Napoletana, die ein Jahr später eingestellt wurde. 152 In Kapitel III „Un episodio di storia regionale. Riflessi dello spagnolo nella Torino di fine Cinquecento: piem. creada“ (37-160) wird der Einfluss des Spanischen auf eine italienische Varietät exemplarisch vorgeführt, vgl. auch Coluccia 1988. 153 Hier wird aus der Neuauflage von 2003 zitiert. 62 alla storia della lessicografia italo-spagnola dei secoli XVI e XVII (1959) einen Überblick über die Entwicklung der spanisch-italienischen Lexikographie im 16. und 17. Jahrhundert erstellte. Gallina setzte sich auch mit Lehrwerken für den Spanischunterricht in Italien auseinander. 154 Allerdings wurden diese Untersuchungen ohne direkten Bezug zur Mehrsprachigkeit und den kommunikativen Anforderungen in der Italia Spagnola durchgeführt. Es bleibt festzuhalten, dass, abgesehen von Gallinas Bestandsaufnahme der Lehrmaterialien, den semantisch-lexikologischen Studien über den spanisch-italienischen Sprachkontakt und den Inventaren von Hispanismen in Varietäten des Italienischen, Croces Appell in der Sprachhistoriographie weitgehend ohne Widerhall blieb. Seine Anregungen wurden zwar aufgegriffen und der Status des Spanischen als wichtige Kontaktsprache im 16. Und 17. Jahrhundert anerkannt, dennoch blieb der gesamte nicht-literarisch-höfische Bereich ausgeklammert. Ebenso wenig wurden die Funktionsverteilung, die Konstellationen der Sprachen in den Diskursen und die spezifischen Kommunikationssituationen untersucht, und auch das Verhältnis der metasprachlichen Reflexion zur sprachlichen Realität war bislang nicht Gegenstand einer systematischen Untersuchung. Diese Blockaden gehen wohl auch auf die ideologisch motivierte Sichtweise auf die Italia Spagnola zurück, die weniger in der Tradition der italienischen Sprachhistoriographie als vielmehr in der der Geschichtsschreibung begründet liegen. In dieser wurde die spanische und katalanische Präsenz in Süditalien lange Zeit als Schandfleck betrachtet. Mit ablehnender Haltung blickte man auf die ‘schmachvolle Periode der Fremdherrschaft’ (dominazione straniera) zurück, in der Italien unter spanischem Joch stand. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also unmittelbar im Anschluss an das Ende der spanischen Herrschaft in Süditalien (1713), widmete sich die italienische Historiographie der Geschichte des Königreichs Neapel. Dabei setzte sich die Interpretation des malgoverno spagnolo durch, gegen das sich 1646 der Zorn des leidenden Volks in dem Aufstand von Masaniello 155 entlud, ein historischer Moment, den man zum Symbol des Widerstands gegen die Spanier stilisierte. So bekundete beispielsweise Francesco Palermo im Vorwort der Narrazione e documenti sulla storia del regno di Napoli dall’anno 1522 al 1667 (1846) seine ablehnende Haltung gegenüber dem spanischen Regime: E però, pigliando a compilare un volume intorno al Regno di Napoli, io giudicai, acciochè si accostasse nel miglior modo alla detta convenienza, di non aver a muovere altronde, che dal reggimento Spagnuolo vicereale. Imperocchè le pessime istituzioni, i costumi, e fino i pensieri, contro cui la nuova civiltà ha combattuto nel Regno, e combatte incessantemente, non sono che 154 Vgl. Gallina 1955, 1959 und 1975. 155 Zu Masaniello vgl. u.a. Villari 1963, 1967 und 1985; Musi 1989 und Leone 1998. 63 avanzi di quel dominio. E comunque un sentimento ci sia rimasto di avversione, al nome solo di viceregno […] (Palermo 1846, IX-X) Auch Mario Gasparini polemisiert in La Spagna e il Finale dal 1567 al 1619. Documenti di archivi spagnoli (1958) gegen die spanische Fremdherrschaft: Con il presente studio e con la pubblicazione di documenti di archivi spagnoli relativi alla storia del Finale del 1567 al 1619 mi propongo un duplice scopo: in primo luogo mettere in luce [...] a qual punto di vergognosa abiezione l’Italia, gemente sotto la dominazione straniera, era caduta in questo periodo: periodo nel quale le sue città e popolazioni potevano essere vendute come armenti [...] (Gasparini 1958, 5) Während sich die Historiographie mittlerweile mit der Italia Spagnola befasst (vgl. Kapitel 1) und zahlreiche Aspekte der spanischen Epoche aufgearbeitet hat 156 , hält in der öffentlichen Meinung die ablehnende Haltung gegenüber der spanischen Herrschaft an. Mit Beharrlichkeit hält man an der Version fest, dass allein die ausbeuterische Feudalpolitik der spanischen Krone im Süden der Grund für das heutige Nord-Süd-Gefälle Italiens sei. 157 Auch in den philologischen Disziplinen ist man bis in jüngste Zeit von diesem Vorurteil geprägt. Die Literaturwissenschaft betrachtete auf Grund der isolierten Position Neapels im 16. und 17. Jahrhundert und den nur vereinzelt existierenden intellektuellen Verbindungen zu den norditalienischen Höfen, die literarische Produktion in volgare napoletano als defizitär und daher als zu vernachlässigend; so auch Carmine Boccia in der Einleitung der Edizione critica dei Capitoli giocosi e satirici di Luigi Tansillo 158 : Sulla produzione primo-cinquecentesca del Regno di Napoli è gravata per troppo tempo un frettoloso giudizio storiografico per cui, data ‘la situazione di arretratezza economica e di assoggettamento politico [...], l’esercizio poetico’, limitato ad un ambito individuale, fu sostanzialmente ‘privo di finalità comunicativa e di promozione sociale’ (Erspamer 1994, 208) vistoso emblema della crisi della letteratura in volgare a Napoli seguita alla dissoluzione del mondo cortigiano aragonese e del progressivo isolamento culturale. [...] Si aggiunga, inoltre, che sul piano politico era subentrata la sottomissione alla Spagna, motivo questo di tante moralistiche ipoteche sorte in tanta storiografia post-risorgimentale volte a liquidare, se non a negare, questa Italia ‘inspagnolata’. (Boccia 2008, 3) 156 Vgl. u.a. die Konzeption des Sammelbandes Good Government in Spanish Naples (1990), herausgegeben von Antonio Calabria und John A. Marino. 157 Ghirelli (1973, 38-47) spricht von „L’inferno del sottosviluppo“, den er in der Steuerpolitik der spanische Regierung begründet sieht. Unbeachtet bleibt jedoch, dass das spanische Regime die politischen Verhältnisse in Italien stabilisierte und die drohende Gefahr eines Türkeneinfalls in Süditalien durch militärische Aufrüstung abwenden konnte; vgl. hierzu Oesterreicher 2004a, 234-237. 158 Vgl. hierzu Kapitel 4.1.2. 64 Was für die literarische Produktion im Königreich Neapel in volgare napoletano zutrifft, gilt umso mehr für die spanische Literatur, die damals in Italien veröffentlicht und rezipiert wurde. Die anonyme Question de amor de dos enamorados, die zwischen 1508 und 1512 in Neapel entstand 159 , 1513 in Valencia gedruckt und bis 1589 mindestens zehn Mal neu aufgelegt wurde, fand kaum Beachtung. 160 Ein ähnliches Schicksal erlitten zunächst die Komödien des in Rom und Neapel ansässigen Spaniers Bartolomé de Torres Naharro, der 1517 in Neapel die Sammlung Propalladia bei Joan Pasqueto de Sallo (vgl. Kapitel 4.2.1) herausgab. Für Torres Naharros Werke interessierten sich zunächst vorrwiegend Forscher aus dem englischsprachigen Raum. 161 Erst seit sich Teresa Cirillo Jahre in Plurilinguismo in Commedia. B. de Torres Naharro e G. B. Della Porta (1992) mit dem spanisch-italienischen Theater im 16. Jahrhundert befasste, erfahren die Werke von Torres Naharro sowie andere mehrsprachige Komödien von Seiten der italienischen Forschung Beachtung. 162 Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der spanisch-italienischen Literatur im Königreich Neapel findet in den von Monika Bosse und André Stoll 2001 herausgegebenen Bänden Napoli viceregno spagnolo […] sowie in Roma-Nápoles 1504. Cultura y literatura española y portuguesa en Italia en el quinto centenario de la muerte de Isabel la Católica von Javier Gómez-Montero und Folke Gernert (2005) statt. Dennoch ist auch von Seiten der Literaturwissenschaft noch Arbeit bezüglich der Italia Spagnola zu leisten. 159 Vgl. Menéndez y Pelayo 1941b, 138f.; siehe auch Menéndez y Pelayo (Hrsg.) 1907 und Croce 1917, 126-128. 160 Zur Autorschaft des Romans vgl. u.a. Pallotta 1991, Andrachuk 1994a und 1994b. Diese novela sentimental, die mehrfach mit Diego de San Pedros Cárcel de amor neuaufgelegt wurde, blieb von Seiten der italienischen Literaturwissenschaft weitgehend unbeachtet; vgl. Palotta 1991, 28: „Among them we find the most successful Spanish texts printed in Italy at this time: the Celestina, Questión de amor de dos enamorados, Cárcel de amor, Guevara’s Marco Aurelio, and Mexía’s Silva de varia lección, all in Spanish. We can assume that these texts were meant for the Spanish communities in Italy as were the Spanish translations of the Odyssey, the Orlando furioso [...].“ 161 Vgl. Joseph E. Gillet 1937 und 1945; Boughner 1943; Lihani 1971 und 1979 und Mc Pheeters 1979. Ausnahmen bilden die Aufsätze von María Rosa Lida de Malkiel 1952 und 1967/ 58 sowie Menéndez y Pelayo 1941a und die Einleitung von Luisa de Aliprandini zu der Faksimileausgabe der Comedia Tinelaria von 1985. 162 Vgl. Cirillo 1992 und 2005, Salvi 2002, Sirri 2005 und Gruber 2010. 65 3 Theoretische und methodische Grundlagen 3.1 Kommunikationskontexte in der Italia Spagnola Das Konzept der Räumlichkeit ist, seitdem sich die Sprachgeographie gegen Ende des 19. Jahrhunderts als linguistische Teildisziplin etablierte, fest in der Sprachwissenschaft verankert. 163 Ein Konsens über die Definition des Raumbegriffs ist gegenwärtig jedoch noch nicht erzielt worden. 164 Der gegen Ende der 1990er Jahre zunächst von der Soziologie ausgelöste spatial turn, der disziplinübergreifend in den Geistes- und Kulturwissenschaften das Interesse auf Fragen der Räumlichkeit lenkte 165 , trug in der Linguistik weniger zu einer eindeutigen Definition des Raumbegriffs, als zu dessen Auffächerung bei. Vom wissenschaftsgeschichtlichen Standpunkt aus betrachtet kann für die Sprachwissenschaft auch nicht von einem Paradigmenwechsel die Rede sein 166 , stattdessen ist die Bezeichnung eines spatial return in der Linguistik um einiges treffender, da etablierte Teildisziplinen wie die Dialektologie oder die Areallinguistik per definitionem an der räumlichen Verbreitung sprachlicher Phänomene interessiert sind. 167 Auch abstrakte Raumbegriffe hatten schon vor dem spatial turn ihren festen Platz in der Linguistik. So führte die poststrukturalistische Semantiktheorie kognitive Prozesse auf räumliche Wahrnehmungsmuster zurück und erklärt das Assoziationsprinzip der Kontiguität durch den Raum-Körper-Bezug. Auch die Varietätenlinguistik arbeitet mit räumlichen Abstraktionen. So wird zum Beispiel die Architektur der Sprache 168 über die Metapher des Varietätenraums und des Nähe-Distanzkontinuums beschrieben. 169 Zudem stehen der soziale Charakter der Sprache und pragmatische Aspekte im Mittelpunkt dieser Theorie, da die sprachlichen Äußerungen als sinnlich wahrnehmbare Realität der Sprache auf der aktuell-individuellen Ebene stets als räumlich und zeitlich konkret betrachtet werden. 170 Auf der historischen 163 Zu nennen wären in diesem Zusammenhang u.a. Gerhard Rohlfs Arbeiten, das von Graziadio Isaia Ascolis 1873 gegründete Archivio glottologico italiano sowie die Arbeiten an den Sprachatlanten ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; vgl. hierzu ausführlich Krefeld 2008b, insbesondere 91-96; siehe auch Hafner 2009, 101. 164 Vgl. u.a. Dolle/ Helfrich 2009. 165 Vgl. z.B. Dünne/ Doetsch/ Lüdeke (Hrsg.) 2004, Dünne/ Günzel (Hrsg.) 2006 sowie Döring/ Thielmann (Hrsg.) 2008. Einen interdisziplinäreren Ansatz verfolgen Dolle/ Helfrich (Hrsg.) 2009. 166 Dolle/ Helfrich 2009, 1f. 167 Vgl. hierzu Oesterreicher 2007c und Krefeld 2004a, 2004b, 2004c, 2006, 2008a und 2008b. 168 Vgl. u.a. Coseriu 1981. 169 Vgl. Oesterreicher 2007c, 54. 170 Vgl. Oesterreicher 2007c, 54f. 66 Ebene werden schließlich Idiome, Varietäten und Sprachen untersucht, die in ihrer Vielheit im Raum stets nebeneinander existieren. Diese Pluralität der historischen Techniken ist in jedem einzelnen Sprecher angelegt, der - seinen kommunikativen Kompetenzen entsprechend - kontext- und situationsgebunden zwischen verschiedenen Varietäten beziehungsweise Sprachen auswählen kann. 171 Auf Grund der Interaktionen der Sprecher fügt sich die individuelle Vielsprachigkeit des Einzelnen zu einer gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit einer Sprechergemeinschaft zusammen. Diese varietätenlinguistischen Vorüberlegungen verdeutlichen, dass Sprache allein nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Definition eines Raums sein kann, in dem sprachliche Prozesse untersucht werden sollen. So ist in der Sprachgeschichtsforschung etwa die Konzeption eines ‘Sprachraums des Italienischen’ nicht möglich 172 , da zu keinem Zeitpunkt in einem wie auch immer zugeschnittenen Raum ausschließlich Italienisch gesprochen wurde oder wird. Stattdessen eignet sich für die diachrone Untersuchung der Dynamik unterschiedlicher diskursiver Praxen und historischer Techniken innerhalb einer Sprechergemeinschaft das in der Migrationslinguistik etablierte Konzept des mehrdimensionalen Kommunikationsraums. 173 Sprach- und kommunikationsbezogene Kontexte 174 wie die Textualität der Diskurse, pragmatisch relevante Größen wie Sprecher, Schreiber, Hörer und Leser sowie die historischen Kommunikationssituationen und Re- 171 Vgl. Osterreicher 2007c, 56f.; siehe auch Krefeld 2002, 12f. 172 Vgl. Hafner 2009, 102. 173 Vgl. hierzu Oesterreicher 2007c, 60f.: „Aktuelle Kommunikationsräume sind nie und nirgends sprachliche Räume, sondern allein konkrete Räume, in denen Individuen - synchronisiert oder disloziert - auch sprechen und schreiben, hören, lesen. [...] Bei diesem Punkt ist evident, dass Sprecher, Schreiber und Rezipienten in konkreten Kommunikationsräumen agieren, die aber gerade nicht als ‘Sprachräume’ konzipiert werden dürfen, da Sprache nichts Räumliches ist und Kommunikationsräume nie einfach ‘sprachlich verfasst’ sind.“ Von Thomas Krefeld stammt die Bezeichnung ‘kommunikativer Raum’; vgl. Krefeld 2004a, 2004b, 2004c. Die Migrationslinguistik setzt eine andere Perspektive an. Indem man von Migrationsbewegungen der Einzelpersonen im Raum ausgeht, nimmt man an, dass jeder einzelne Sprecher seine eigenen Kommunikationsräume eröffnet. Dabei wird vernachlässigt, dass Kommunikation stets die Beteiligung von mindestens zwei Sprechern voraussetzt. 174 Das Verhältnis von Text und Kontext wird hier nicht im Stil des New Historicism nivellierend betrachtet. Ohne Stephen Greenblatts Verdienst in Abrede stellen zu wollen, der den Kontext als relevante Größe in die Interpretationstechniken der angloamerikanischen Literaturwissenschaft gewissermaßen ‘zurückführte’, sei mit Nachdruck hervorgehoben, dass der zentrale Gegenstand, an dem sich die Sprachwissenschaft abzuarbeiten hat, der Text bzw. der Diskurs ist. Zudem schließt die Varietätenlinguistik durch ihre pragmatische Perspektivierung kontextuelle und kotextuelle Faktoren grundsätzlich in jede Analyse mit ein; vgl. Oesterreicher 2010, 48-51. Zur Text-/ Kontextdiskussion in der Literaturwissenschaft vgl. Jan-Dirk Müller (Hrsg.) 2007; insbesondere Müller 2007 und Nichols 2007. Vgl. zudem Fohrmann 1997. Zum New Historicism vgl. Greenblatt 1988 und 1989; eine kritische Auseinandersetzung findet u.a. in Jauß 1990; Höfele 1992 und Fluck 2001 statt. 67 zeptionsbedingungen werden dabei ebenso wie die Wirkungsweise eines Textes 175 berücksichtigt. 176 Mit der Perspektivierung der Italia Spagnola als Kommunikationsraum kann folglich die Präsenz der Spanier in Süditalien berücksichtigt werden, die wesentliche Auswirkungen auf das kommunikative Verhalten innerhalb der Sprechergemeinschaft hatte. 177 Bei der Untersuchung der sprachlichen Dimension dieser Kontaktszenarien gilt es nach den Diskursdomänen zu fragen, in denen sich die Mehrsprachigkeit manifestierte. Des Weiteren muss in einer Vorentscheidung eine geeignete Auswahl an vergleichbarem Material getroffen werden, da eine exhaustive Untersuchung aller Kommunikationsdomänen in der Regel nicht realisierbar und teilweise auch nicht sinnvoll ist. Insofern ist der Zuschnitt des Kommunikationsraums von den ausgewählten diskursiven Bereichen abhängig und kann je nach Zusammenspiel der territorial-politischen und kulturgeschichtlichen Kontexte variieren. 178 Da der Kommunikationsraum ein offenes und dynamisches Raumkonzept ist, können für die Untersuchung der Mehrsprachigkeit in der die Italia Spagnola die Grenzen über das Königreich Neapel hinaus erweitert werden. Allein die Tatsache, dass auch außerhalb des spanischen Territoriums enge kulturelle und politische Beziehungen mit Spanien unterhalten wurden und in diesem Kontext literarische und sprachtheoretische Texte entstanden, die auf die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit Bezug nehmen, macht die Erweiterung des Kommunikationsraums um mindestens zwei ‘Satelliten’ notwen- 175 In Bezug auf schriftliche Kommunikation vgl. Krefeld 2004c, 248: „Ein Schriftstück, wie man auf Deutsch bezeichnend sagt, entsteht zwar notwendig irgendwo - einmal entstanden ist es jedoch grundsätzlich überall rezipierbar.“ 176 Das Verhältnis von Text und Kontext wird hier nicht im Stil des New Historicism nivellierend betrachtet. Ohne Stephen Greenblatts Verdienst in Abrede stellen zu wollen, der den Kontext als relevante Größe in die Interpretationstechniken der angloamerikanischen Literaturwissenschaft gewissermaßen ‘zurückführte’, sei mit Nachdruck betont, dass der zentrale Gegenstand, an dem sich die Sprachwissenschaft abzuarbeiten hat, der Text bzw. der Diskurs ist. Zudem schließt die Varietätenlinguistik durch ihre pragmatische Perspektivierung kontextuelle und kotextuelle Faktoren grundsätzlich in jede Analyse mit ein; vgl. Oesterreicher 2010, 48-51. Zur Text-/ Kontextdiskussion in der Literaturwissenschaft vgl. den von Jan-Dirk Müller 2007 herausgegebenen Band Text und Kontext; insbesondere die Einleitung des Herausgebers sowie Stephen Nichols Beitrag. Vgl. zudem Fohrmann (1997). Zum New Historicism vgl. vor allem Greenblatt 1988 und 1989; eine kritische Auseinandersetzung findet u.a. in Jauß 1990; Höfele 1992 und Fluck 2001 statt. 177 Vgl. hierzu Krefeld 2013. 178 Jochen Hafner (2009, 111) beschreibt das Verhältnis zwischen Kommunikationsraum und Territorium folgender Maßen: „Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass insbesondere eine Gleichsetzung von Territorium und Kommunikationsraum vermieden werden muss: während das Territorium als politisch gebundene Entität feststeht, können Kommunikationsräume deutlich anders und variabler zugeschnitten werden, nicht zuletzt abhängig vom Erkenntnisinteresse der Forscher.“ 68 dig. Dies sind die Metropolen Rom und Venedig, 179 in denen Texte verfasst und veröffentlicht wurden, die inhaltliche, thematische oder formale Parallelen zu anderen im Königreich Neapel entstandenen Werken aufweisen und die literarische und sprachphilosophische Dimension der Italia Spagnola mitgestalteten. Was Rom betrifft, war die Hauptstadt des Kirchenstaats zwar nicht spanisches Territorium, dennoch spielte dort die Präsenz und der Einfluss Spaniens seit den Borgia-Päpsten eine wichtige Rolle 180 , wobei die Schätzungen über den spanischen Anteil an der gesamtrömischen Bevölkerung im 16. Jahrhundert zwischen einem Drittel und einem Fünftel variieren, wie die beiden folgenden Zitate zeigen: Un ‘avviso’ scritto a Roma nel 1582 riferisce che il corteo che avrebbe dovuto accompagnare il neoambasciatore di Spagna - Juan Enrique de Guzmán, Conte di Olivares - al cospetto del Papa, doveva essere composto da almeno un centinaio di carrazze [sic! ] e ciò in ragione del fatto che la nazione spagnola presente all’epoca nella capitale pontificia era costituita da almeno 30.000 persone. La notizia, se rapportata alle stime secondo le quali l’interna popolazione romana alla fine del XVI secolo si aggirava intorno alle 100.000 anime, verrebbe a indicare che gli spagnoli rappresentavano - da soli - un terzo del totale. (Vaquero Piñeiro 1998, 141) Gli spagnoli erano ben rappresentati a Roma nei primi decenni del Cinquecento, anche se non arrivavano forse alla cifra di diecimila, un quinto circa dell’intera popolazione, riferita dal Paschini. (de Aliprandini 1985, 19) 181 In dieser zwischen 1500 und 1700 stetig wachsenden spanisch-römischen Gemeinde waren alle Berufsgruppen vertreten, darunter adelige und geistliche Würdenträger, Diplomaten, Beamte, Laienbrüder, Priester, Künstler, Musiker, Gelehrte, Händler, Soldaten usw. 182 Zudem unterhielten Neapel und Rom enge diplomatische Beziehungen, wobei die Hauptstadt des Kirchenstaats ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt war. Darüber hinaus war Rom auch die erste Anlaufstelle für spanische Rekruten, die in Italien zur Verteidigung des Imperiums eingesetzt werden sollten und die meisten spanischen Einwanderer kamen dort erstmals mit der italienischen Sprache und Kultur in Berührung. Die wahlweise im Soldaten- oder Gesindemilieu situierten Komödien des spanischen Autors Bartolomé de Torres Naharro (1517), Francisco Delicados Portrait der römischen Prostituierten- und 179 In Bezug auf die Verbreitung spanischer Literatur in Italien im 16. Jahrhundert verwies Franco Meregalli (1974, 9-28) auf diese Zentren. Die spanische Präsenz betraf im 16. und 17. Jahrhundert auch Mailand und die Lombardei (vgl. hierzu Wilhelm 2005 und 2013), jedoch findet man dort keine Texte, in denen der Sprachkontakt und die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit reflektiert würden. 180 Vgl. Dandelet 2001, 3ff. und 20-28. 181 Vgl. Paschini 1940, 456f. 182 Vgl. Dandelet 2000, 10. 69 Kupplerinnenszene im Retrato de la Loçana Andaluza (1528), sowie Pietro Aretinos Cortigiana (1525/ 1534) 183 sind literarische Zeugnisse dieser Zeit und berichten, ähnlich wie Giambattista Della Portas neapolitanische Komödien, von dem Kultur- und Sprachkontakt in den Ballungszentren der Italia Spagnola (vgl. Kapitel 4.2). Thomas James Dandelet setzte sich mit der spanischen Periode Roms auseinander und untersuchte verschiedene Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens zwischen Spaniern und der restlichen Bevölkerung der Hauptstadt des Vatikanstaats von 1500-1700. Die Beziehungen zwischen Rom und Neapel beschreibt er in dem Band Spanish Rome (2001) wie folgt: Rome was transformed as it was drawn into the orbit of Spain. It became Spanish Rome. In the period of Italian history known as the age of the Spanish preponderance, the Papal State was a vital player in the Spanish Empire. Although it formally remained an autonomous monarchy, by the middle of the sixteenth century the Spanish monarchs looked upon it almost as a part of their own state. Rome became the center of Spain’s Italian diplomacy and international imperial politics. [...] Ferdinand and Isabella began a policy that was repeated over and over again. Their conquest of Naples in 1504, moreover, established them as Rome’s most powerful neighbor and created a strong motive for Spaniards to travel to southern Italy and Rome. (Dandelet 2001, 6f.) Während Rom vor allem auf Grund demographischer Entwicklungen und seiner machtpolitischen Beziehungen zur spanischen Krone - insbesondere zum Königreich Neapel - in die Italia Spagnola miteinbezogen werden muss, spielte Venedig als Druckort im 16. und 17. Jahrhundert 184 eine wichtige Rolle. Die Mehrzahl der spanischsprachigen Literatur, die damals in Italien im Original oder in Übersetzungen gelesen wurde, wurde dort gedruckt und verlegt. 185 Anhand von Tabelle 1 (vgl. Meregalli 1974) wird deutlich, dass die Produktion spanischer Editionen und Übersetzungen in Venedig ab 1500 drastisch anstieg und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Hochphase erfuhr, die parallel zu der Phase der Machtkonsolidierung der Spanier im Königreich Neapel verlief. 183 Die erste Version der Cortigiana ist handschriftlich und stammt aus dem Jahr 1525, 1534 erschien eine überarbeitete Fassung in Venedig, vgl. Innamorati 1970. Siehe auch Kapitel 4.2 und 4.2.1.2. 184 Vgl. Grendler 1984, 5: „But Venice had few worries, for the Queen of the Adriatic was a formidable manufacturing center as well. It was, for example, the most important manufacturer of printed books in Europe. [...] By 1501, Venice had published almost twice as many books as Paris, her nearest rival, and nearly one-seventh of all the books printed in Europe.“ 185 Mit der Rolle, die der Buchdruck in der Italia Spagnola spielte, beschäftigt sich Tina Ambrosch-Baroua in ihrer Dissertation Mehrsprachigkeit im Spiegel des Buchdrucks: das spanische Italien (16./ 17. Jh.), die ebenfalls dem Teilprojekts C15 des Sonderforschungsbereiches 573 der LMU München angegliedert war. 70 Tabelle 1: Die Entwicklung der spanischsprachigen Buchproduktion im 16. Jahrhundert in Venedig Epoca Traduzioni dallo sp. Ediz. in sp. TOTALE Fino al 1500 — 5 5 1501-1550 93 16 109 1551-1600 724 71 795 1601-1650 277 28 305 1651-1700 94 3 97 1188 123 1311 (Meregalli, 1974, 17) Diese Entwicklung ist zunächst eine Folge der flächendeckenden Verbreitung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert in Europa und man darf nicht davon ausgehen, dass die venezianische Produktion spanischer Bücher ausschließlich für den italienischen Markt bestimmt war. Dennoch ist der Zusammenhang zwischen dem Anstieg spanischer Drucke in Venedig und der zunehmenden spanischen Präsenz in der Italia Spagnola offensichtlich. In diesem Kontext wird vor allem die Funktion von Herausgebern und Übersetzern bei der Produktion und dem Vertrieb spanischsprachiger Bücher näher zu betrachten sein, da diese in paratextuellen Elementen wie Lesehinweis, Vorwort, Anhang zu ihren Editionen beziehungsweise Übersetzungen spanischer Texte auch Stellung zum Status der spanischen Sprache und Literatur in Italien bezogen. 186 In den Ausgaben und Übersetzungen finden sich auch erste Ansätze der spanisch-italienischen Lexikographie, Anleitungen zur Aussprache des Spanischen sowie rudimentäre Einführungen in die Grammatik der Fremdsprache, die speziell für italienische Leser konzipiert wurden. 187 Das Beispiel der spanischsprachigen Buchproduktion in Italien zeigt zudem, dass Kommunikationswege und Sprachkontakte durchaus über die Grenzen territorialer Einheiten hinaus bestehen können. Der wichtigste Standort für den Druck und die Herausgabe spanischer Literatur war nicht etwa Neapel, sondern Venedig, wo im 16. Jahrhundert das internationale Verlags- und Druckwesen als lukrativer Geschäftszweig florierte. 188 Was die räumliche Verortung und Verbreitung literarischer Texte in der Italia 186 Zur Geschichte des Buchdrucks in der Frühen Neuzeit vgl. Giesecke 2006; Richardson 1994 richtet diesbezüglich den Fokus auf Italien, vgl. auch Trovato 1998 sowie Grendler 1984 und 1993. Vorwiegend mit Venedig und Aldus Manutius beschäftigen sich u.a. Lowary 1979, Davis 1995 und Dionisotti 1995. 187 Vgl. auch Kapitel 5.2. 188 Über die Vertriebswege venezianischer Bücher vgl. Davis 1995, 8: „The international outlook of Venetian printers and the favourable situation and traditions of the city encouraged mass export of the products of the presses from the outset. The books would travel in unbound quires, by sea to western Europe and other parts of Italy, but more especially by the land route to the large markets of southern Germany.“ 71 Spagnola in Korrelation mit der vom Autor gewählten Sprache betrifft, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden: Zunächst liefern Entstehungs- und Druckort, welche nicht notwendigerweise übereinstimmen müssen, wichtige Informationen; des Weiteren kann der Autor in Vorwort und Widmung Stellung zu der von ihm intendierten Verbreitung seines Werks beziehen, letztlich kann er jedoch nur bedingt Einfluss auf dessen räumliche Wirkung nehmen 189 ; zuletzt gilt es, die tatsächliche Distribution in Neuauflagen, Adaptionen usw. zu rekonstruieren, soweit die Datenlage dies ermöglicht. Entscheidend ist, dass im 16. und 17. Jahrhundert Autoren volkssprachlicher Literatur per Diskurstradition dazu angehalten waren, auf den ersten Seiten eines Buches zu begründen, warum sie sich für ein Sprachmodell entschieden hatten. Dabei wurden häufig indirekte Aussagen über die beabsichtigte Verbreitung des Textes getroffen. Sei es im Widmungsschreiben an den Mäzen, im Vorwort oder im Geleitwort an die Leserschaft - ein Kommentar über die Beweggründe, die dazu geführt hatten, dass man sich für eine bestimmte volkssprachliche Option und somit gegen das Lateinische entschieden hatte, ist in den Drucken des 16. Jahrhunderts topisch. Im Fall einer Übersetzung oder Neuauflage begründet häufig auch der Übersetzer oder Herausgeber unter Bezugnahme auf den Leserkreis und dessen Sprachkompetenzen, weshalb ein literarisches Werk übersetzt wurde oder eben gerade nicht (vgl. Kap. 5.2). Als Beispiel soll hier in Auszügen Baldassar Castigliones Widmung „Al reverendo ed illustre signor Don Michel De Silva vescovo di Viseo“ im Libro del Cortegiano (Venedig 1528) dienen. Im zweiten Kapitel der Widmung, wendet sich Castiglione an potenzielle Kritiker, wobei er darlegt, weshalb er sich weder an Boccaccios Sprache orientiert habe, noch einen übertrieben latinisierten Stil für angemessen halte. Die Argumente, die er dabei nennt, erlauben Rückschlüsse auf die intendierte Leserschaft und die räumliche Verbreitung des Buches. Mit dem Postulat eines natürlichen, eleganten, ungezwungenen, individuellen, zeitgemäßen und mit Regionalismen gefärbten Sprachstils und seinen Vorbehalten gegenüber der Nachahmung älterer Sprachstile, übertriebener Latinisierung oder Toskanisierung, zielt er auf überregionale Rezeption ab: [...] ad alcuni che mi biasimano perch’io non ho imitato il Boccaccio, né mi sono obligato alla consuetudine del parlar toscano d’oggidì, non restarò di dire che, ancor che ’l Boccaccio fusse di gentil ingenio, secondo quei tempi, e che in alcuna parte scrivesse con discrezione ed industria, nientedimeno assai meglio scrisse quando si lassò guidar solamente dall’ingegno ed instinto suo naturale, senz’altro studio o cura di limare i scritti suoi, che quando con diligenza e fatica si sforzò più culto e castigato. [...] e nella lingua, al parer mio, non doveva, perché la forza e vera regula del parlar bene consiste più nell’uso che in altro, e sempre è vizio usar parole che non siano in 189 Vgl. Krefeld 2004c, 249. 72 consuetudine. Perciò non era conveniente ch’io usassi molte di quelle del Boccaccio, le quali a’ suoi tempi s’usavano ed or sono disusate dalli medesimi Toscani. [...] né credo che mi si debba imputare per errore lo aver eletto di farmi più tosto conoscere per lombardo parlando lombardo, che per non toscano parlando troppo toscano; per non fare come Teofrasto, il qual, parlando troppo ateniese, fu da una semplice vecchiarella conosciuto per non ateniese. [...] e cosí penso non aver fatto ingiuria ad alcuno, ché, secondo me, non è proibito a chi si sia scrivere o parlare nella sua propria lingua: né meno alcuno è astretto di leggere o ascoltare quello che non gli aggrada. Perciò, se essi non vorran leggere il mio Cortegiano, non me tenerò io punto da loro ingiuria. (Castiglione 1987, 7-10) Castigliones Vorstellungen in Bezug auf Leserschaft und Verbreitung seines Buches wurden nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen. Il libro del Cortegiano erzielte eine europaweite Wirkung. Allein im 16. Jahrhundert erschien Castigliones Werk in Venedig, Florenz und Lyon in rund 50 Neuauflagen 190 , hinzu kamen Übersetzungen und Adaptionen, wie Juan Boscáns Übersetzung ins Spanische (Salamanca 1534), von der wiederum rasch Neuauflagen erschienen. 191 Dieses Beispiels zeigt, dass der Kommunikationsraum, den ein literarisches Werk eröffnet, durch die Distributionswege und seinen Rezeptionsradius bestimmt ist. Zusammenfassend sei hervorgehoben, dass sich das Konzept des Kommunikationsraums für die Perspektivierung der Italia Spagnola als operabel erweist: Zum einen, weil man somit der Vielfältigkeit der kommunikativen Konstellationen, in denen das Lateinische, Katalanische, Toskanische, Spanische aber auch die anderen volgari italiani eine Rolle spielen konnten, gerecht wird. Zum anderen können damit auch Projektionen vermieden werden, mit durch die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel homogenisierend beschrieben würde. Es ist eben gerade nicht davon auszugehen, dass die Sprecher, die sich im spanisch dominierten Süditalien zeitweise oder längerfristig aufhielten, notwendigerweise alle über den gleichen Grad an mehrsprachiger Kompetenz verfügten. Wahrscheinlicher ist es, dass die persönlichen, gesellschaftlichen und professionellen Konditionen, in denen sich eine Person befand, das Repertoire beeinflusste, das sich der Einzelne in der jeweiligen Fremdsprache aneignete. Geht man von der Komplexität und der Vielschichtigkeit der Mehrsprachigkeit im spanischen Italien aus, so erweist es sich als unmöglich, eine Gesamtschau aller Kommunikationsbereiche zu leisten. Stattdessen muss eine Auswahl an Texten getroffen werden, die ein diskursives Feld eröffnen, innerhalb dessen mehrsprachige 190 In der vom italienischen Ministero per i beni e le attività culturali geförderten Datenbank „EDIT16. Censimento nazionale delle edizioni italiane del XVI secolo“ sind zwischen 1528 und 1600 53 Editionen in der Originalsprache registriert, vgl. <http: / / edit16.iccu.sbn.it/ web_iccu/ imain.htm>, Zugriff am 07.03.2014. 191 Vgl. u.a. die 1540 in Salamanca und die 1561 in Antwerpen erschienenen Ausgaben. 73 Praxen untersucht werden können. Dabei gilt es die Personen und Institutionen zu berücksichtigen, die für den Inhalt, die Konzeption und die sprachliche Verfasstheit dieser Texte verantwortlich sind. 3.2 Sprachbewusstsein und Sprachreflexion Sprachbewusstsein und Sprachreflexion sind Abstraktionsleistungen, die auf Grund ihres gemeinsamen Referenzobjekts 192 in engem Zusammenhang stehen. In beiden Fällen handelt es sich um metasprachliche Leistungen, die sich auf unterschiedliche Aspekte des Sprachlichen beziehen. 193 Als Sprachreflexion werden konkrete Äußerungen bezeichnet, die sich mit dem Objekt ‘Sprache’ auseinandersetzen und alle drei Ebenen des Sprachlichen betrachten können. Das heißt, sowohl die Sprechtätigkeit als auch historische Einzelsprachen und Diskurstraditionen sowie konkrete Diskurse oder Texte können Gegenstand solcher Reflexionen sein. 194 Der Abstraktionsgrad dieser Reflexionsleistungen kann dabei stark variieren und von allgemeinen Beobachtungen über den Sprachgebrauch, die jeder Sprecher leisten kann, bis hin zu professionellen Forschungsleistungen reichen. Erfolgt eine systematische sowie fachterminologisch und methodisch fundierte Auseinandersetzung, können die Resultate als professionell eingestuft werden. Dies gilt durchaus auch für theoretische Überlegungen, die in der Vergangenheit über das Phänomen ‘Sprache’ angestellt wurden. Im Fall einer terminologisch kohärenten Beschreibung können solche Reflexionen als professionelle ‘Sprachforschung’ bezeichnet werden, wobei dieser Begriff jedoch keinesfalls mit ‘sprachwissenschaftlich’ gleichgesetzt werden darf - zumindest vor der Institutinalisiertung der Sprachwissenschaft als wissenschaftliche Disziplin im 19. Jahrhundert. Dabei unterliegt das Instrumentarium der professionellen Sprachforschung - in geringerem Maße auch das der ‘laienhaften’ Sprachbetrachtung - ähnlich wie die Einzelsprachen und Diskurstraditionen, dem historischen Wandel: Es wird regelmäßig transformiert und an die aktuellen epistemischen Bestände angepasst. 192 In der Philosophie und der Soziologie wird Bewusstsein als intentionale Größe beschrieben. So lautet die Definition nach Berger/ Luckmann 2012, 23: „Es [das Bewusstsein, T.G.] hat immer ‘etwas im Sinn’ und ist auf Objekte gerichtet. Wir können niemals Bewußtsein als solches erreichen, nur Bewußtsein von etwas - unabhängig davon, ob sein Gegenstand zur äußeren physischen Welt gehört oder als Element einer inneren, subjektiven Wirklichkeit erlebt wird.“ 193 Überraschenderweise verzichtet Claudia Polzin-Haumann in Sprachreflexion und Sprachbewusstsein. Beitrag zu einer integrativen Sprachgeschichtsschreibung des Spanischen im 18. Jahrhundert (2006) auf eine exakte Definition der beiden Begriffe, obwohl der Titel eine präzise terminologische Differenzierung erwarten lässt. 194 Vgl. Coseriu 1975b und Oesterreicher 1997a, 11-114, 2010, 28f. 74 Sprachbewusstsein hingegen ist das Wissen über die Sprache, das die Sprechtätigkeit und die Sprachfähigkeit begleitet. Insofern ist Sprachbewusstsein eine Kompetenz, die nicht getrennt vom Sprachbesitz betrachtet werden kann, da sie ihm inhärent ist. Hans-Martin Gauger (1976) 195 spricht von der ‘Kopräsenz’ 196 des Sprachbewusstseins und des Sprachbesitzes: Das Bewußtsein von ihm [dem Sprachbesitz, T.G.] gehört unmittelbar zu seiner Konstitution und seiner Verfügbarkeit. Noch schärfer: das Bewußtsein von ihm macht den Sprachbesitz erst zu einem solchen. [...] Allgemein kann nur gesagt werden, daß Sprachbesitz und Bewußtsein so eng und so vielfältig zusammenhängen, daß sie eine Einheit bilden, die bloß künstlich zu trennen ist. Der Sprachbesitz ist also nicht einfach ein Können (‘Kompetenz’), sondern ein dem Subjekt, zu dem es gehört, bewußtes Können, oder - abgekürzt gesagt - ein sich seiner selbst bewußtes und sich zu sich selbst verhaltendes Können. (Gauger 1976, 45f.) Das Wissen über den Sprachbesitz 197 basiert auf Erfahrungen, die beim Sprechen oder Hören gemacht werden. Da das menschliche Gehirn aber nicht alle Erfahrungen in ihrer Gesamtheit speichern kann, werden besonders prägnante oder häufig wiederkehrende Erfahrungen als ‘Sedimente’ 198 beziehungsweise Wissensmuster abgelagert. Ein großer Bereich dieses Wissens bleibt für die Mehrheit der Sprecher jedoch im Verborgenen, obwohl es als ‘vorbewusstes’ 199 Wissen potenziell aktualisierbar wäre. Um dies zu verdeutlichen, halte man sich folgendes Beispiel vor Augen: Ein Sprecher, der einen semantisch logischen und grammatikalisch 200 wohlgeformten Satz zu bilden vermag, ist deshalb nicht notwendigerweise imstande, die morphosyntaktische Struktur seiner Äußerung zu analysieren. Lia Formigari bezeichnet dieses Wissen, das uns zu einem mehr oder minder korrekten Sprachgebrauch befähigt, als epilinguistico: 195 Gauger positionierte sich gegen die damals um sich greifende Enthistorisierung der Sprachwissenschaft und versuchte den Sprecher und die ihn umgebenden sozialen und kulturellen Kontexte als relevante Parameter wieder ins Blickfeld linguistischer Untersuchungen zurückzuführen. Vgl. hierzu auch Schlieben-Lange (Hrsg.) 1975. Die Diskussion um die Relevanz des Sprachbewusstseins für die Sprachwissenschaft wurde in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen u.a. in Haßler/ Niederehe (Hrsg.) 2000 insbesondere Haßler/ Niederehe 2000, 8-12. 196 Diese ‘Kopräsenz’ entspreche einer Doppelung: einmal auf das Miteinander der sprachlichen Elemente im Bewusstsein und zum anderen auf die verschiedenen ‘Bewusstseine’, die zu einem bestimmten Zeitpunkt koexistieren, vgl. Gauger 1976, 34. 197 Für eine ausführliche Beschreibung des Sprachbesitzes, unter anderem auch in seinem Verhältnis zur Sprachäußerung, vgl. Gauger 1976, 21-33. 198 Zum Erfahrungsbegriff und zur Sedimentbildung vgl. Luckmann/ Berger 2012, 72-74. 199 Vgl. Gauger 2004, 681f. und 1976, 52-58. 200 Die beiden Hauptbestandteile des Sprachbesitzes seien das Lexikon und die Grammatik, vgl. Gauger 1976, 31. 75 [...] un sapere ‘epilinguistico’ [...], che appartiene a ogni locutore e che noi tutti più meno consapevolmente applichiamo per valutare la corretezza e chiarezza dei nostri e altrui enunciati. Si tratta di una pratica ‘metadiscorsiva’ in assenza della quale, è stato osservato [...], nulla di quello che noi chiamiamo discorso sarebbe possibile. Si tratta di un sapere che non è collegato a competenze professionali, non si traduce in una terminologia scientifica, non ha una sua metodologia, ma è sufficientemente organizzato per incorporare princìpi condivisi di spiegazione e predizione dei fenomeni. Questa sorta di senso comune linguistico, o di ‘protolinguistica’, viene definita anche ‘linguistica popolare’. (Formigari 2001, 11) ‘Epilinguistisches’ Wissen entspricht folglich dem, was Gauger als ‘Bewußtsein vom Sprachbesitz’ bezeichnet, welches zugleich die Grundlage jeglicher metasprachlicher Beobachtungen bildet. Die Unterscheidung hingegen, die Gerda Haßler und Hans-Josef Niederehe in der Einleitung zur Geschichte des Sprachbewußtseins in den romanischen Ländern (2000) zwischen ‘epilinguistischer’ und ‘metalinguistischer’ Kompetenz mit Blick auf die historische Rekonstruktion von Sprachbewusstsein treffen, eignet sich für die Untersuchung der Reflexion über die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel nicht: Wenn es um die historische Rekonstruktion von Sprachbewußtsein geht, wird man auf die in Texten hinterlassenen Spuren metasprachlichen Handelns angewiesen sein. Ein solches metasprachliches Handeln setzt Bewußtheit voraus, die sich in der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der eigenen Sprache, deren Erweiterung, aber auch in einer expliziten Verarbeitung vorhandener Texte ausdrücken kann. In diesem Zusammenhang erscheint die Unterscheidung von épilinguistique und métalinguistique sinnvoll [...] Epilinguistische Kompetenz wäre somit als eine vor dem metasprachlichen Bewußtsein liegende Fähigkeit zu betrachten, die auch die Produktion von Texten ermöglicht, ohne daß die dabei wirkenden Regularitäten und Beziehungen explizit werden müßten. Ein Schriftsteller wäre so betrachtet ein sich selbst verkennender Linguist, umgekehrt ein Linguist ein potentieller Schriftsteller, der metasprachliche Kompetenz besitzt, sie aber nicht episprachlich anwendet. (Haßler/ Nierderehe 2000, 11) Wie die Autoren selbst betonen, kann Sprachbewusstsein historisch ausschließlich über metasprachliche Äußerungen rekonstruiert werden. Selbst wenn diese manchmal versteckt sind oder indirekt formuliert wurden, handelt es sich dabei in jedem Fall um konkrete Aussagen über Sprachliches. Derartige Reflexionen können niemals eine exakte Auskunft darüber geben, ob die Kompetenz des Autors als ‘epilinguistisch’ oder ‘metasprachlich’ einzustufen ist, mitunter deshalb nicht, weil man nicht strikt zwischen einer für Schriftsteller beziehungsweise ‘Linguisten’ charakteristischen Fähigkeit zur Sprachreflexion unterscheiden kann. Vielmehr sind die Kompetenzen graduierbar und für den zu untersuchenden Zeitraum ist die Unter- 76 scheidung zwischen ‘Schriftstellern’ und ‘Linguisten’ ohnedies haltlos. Den Schwerpunkt muss demnach die Analyse der Abstraktions- und Professionalitätsgrade bilden, mit denen Sprachreflexion betrieben wurde. Diese sind letztlich die Basis für die Rekonstruktion des Sprachbewusstseins einzelner Autoren. Gauger unterscheidet diesbezüglich in seinem Beitrag „La conciencia lingüística en la Edad de Oro“ (2004) 201 , verschiedene sprecherbezogene Bewusstheitsgrade des Wissens über die Sprache. Er geht zunächst vom Sprachbewusstsein des normalen, durchschnittlichen Sprechers aus, dessen Wissen nicht durch Spezialisierung oder Fachkenntnisse ‘deformiert’ sei. 202 Ähnlich wie auch das Sprachwissen des Autors literarischer Texte 203 , befähige diese Bewusstseinsform vorwiegend zu Abstraktionsleistungen, die sich auf die lexikalische und lautliche Ebene der Sprache beziehen, da diese Bereiche für den durchschnittlichen Sprecher weitaus zugänglicher seien, als etwa grammatische Strukturen. 204 Peter Wunderli rechnet auch das Wissen über die Sprachverschiedenheit zum Sprachbewusstsein des durchschnittlichen Sprechers: Die Varietäten sind reale Größen des Sprecherbewußtseins, ganz gleichgültig, ob sie dominant diatopisch, diastratisch, diaphasisch oder diamesisch definiert sind. Das heißt nicht, daß sie ständig bewußt sind, aber sie können jederzeit bewußt gemacht, ins Bewußtsein geholt werden [...] (Wunderli 2005, 83) Im Unterschied zum ‘durchschnittlichen’ Sprecher besäßen Autoren auf Grund ihres professionellen Umgangs mit Sprache darüber hinaus auch die Fähigkeit, ihnen bekannte sprachliche Repertoires gezielt einzusetzen, um damit ästhetische Effekte zu erzielen, so Gauger. Thomas Krefeld, der diesen Gedanken aufgriff, betrachtet die Verwendung verschiedener Varietäten oder Sprachen innerhalb eines literarischen Textes als eigene, spezifische Form der Sprachreflexion, die ihren kognitiven Rückhalt im auktorialen Sprachbewusstsein des Autors habe: „Bei der Analyse älterer Literatur bleibt somit die letzte, aber höchst unsichere Instanz der Varietätenlinguistik der Autor, genauer: das auktoriale Sprachbewusstsein“ (Krefeld 2005, 165). Peter Wunderli beschreibt die gezielte Verwendung unterschiedlicher Varie- 201 Mit dem Sprachbewusstsein im spanischen Siglo de Oro befassen sich auch Bahner 1956, Terracini 1959 und Weinrich 1985a; vgl. außerdem Eberenz 1989, Brumme 1992 und 2003 sowie Polzin-Haumann 2006. Untersuchung zum Sprachbewusstsein im romanischsprachigen Kontext sind Stroh 1993, Krefeld 1988a und 2005, Butiñà Jiménez 1994, Carreras i Goicoechea/ Pinto 1994, García 1994, Losada Soler 1994, Mollfulleda, Riquer 1994, Maaß 2005. 202 Vgl. Gauger 1976, 47 und 2004, 681. 203 Gauger (1976, 48) nennt dies literarisches Sprachbewusstsein. 204 Vgl. Gauger 1976, 31-33 und Gauger 2004, 682. 77 täten und Register generell und epochenübergreifend als ein Charakteristikum des Sprachbewusstseins literarischer Autoren 205 : Literaten, Kritiker, Medienschaffende, Texter usw. gehören sicher zu der Gruppe derjenigen, die eine mehr oder weniger große Distanz zum außertextuellen ‘Standard’ bzw. eine bestimmte textuelle Norm relativ bewußt wählen und die stilistischen Stimuli, Brüche und Kontraste auch bewußt einsetzen und erzeugen: Sie tendieren zum bewußten Einsatz der Stilmittel. (Wunderli 2005, 83) Einen noch höheren Grad an Abstraktionsleistung erfordert hingegen das analytische Vordringen in die grammatische und historische Dimension der Sprache. Voraussetzung dafür sind Fachkenntnisse und Spezialwissen. Diese ‘professionalisierte’ Form des Sprachbewusstseins bildet die Grundlage für ‘Sprachforschung’ im engeren Sinne, wie sie von Sprachexperten (Philologen, Grammatikern oder Sprachwissenschaftlern) betrieben wird 206 . Neben diesen drei sprecherbezogenen Kategorien unterscheidet Gauger außerdem zwei sprachbezogene kategoriale Unterschiede, indem er das interne Sprachbewusstsein, also die unbewusste metasprachliche Fähigkeit, die im Prinzip dem entspricht, was Lia Formigari als epilinguistisches Wissen bezeichnet, vom externen Sprachbewusstsein trennt. Externes Sprachbewusstsein manifestiert sich stets in konkreten metasprachlichen Äußerungen - das heißt im Sprechen über die Sprache. Dabei können sich derartige Reflexionen entweder auf die eigenen Sprachäußerungen oder auf die der anderen sowie auf die Elemente des Sprachbesitzes beziehen, so Gauger (1976, 44). Indem die Sprecher ihr Wissen über Sprachliches artikulieren, wird Sprachbewusstsein diskursiviert. Das Resultat sind Texte, die metasprachliche Reflexionen enthalten, auf die die Sprachgeschichtsforschung zurückgreifen kann. In ihnen wird Sprachbewusstsein sowohl in diachroner als auch in synchroner Perspektive zugänglich und analysierbar. Berücksichtigt man, dass Sprachbewusstsein das Wissen ist, das die Grundlage für Sprachreflexionen jeglicher Art bildet, so wird deutlich, dass es sich um zwei unterschiedliche Aspekte metasprachlicher Fähigkeit handelt, welche jedoch miteinander korrelieren. Das bedeutet: Mit der Sensibilisierung des Sprachbewusstseins durch Fachkenntnisse und Spezialwissen steigt potenziell auch der Abstraktionsgrad metasprachlicher Reflexionen. Die Sprachhistoriographie und die Metahistoriographie konzentrieren sich häufig auf die professionelle Sprachreflexion, was damit zusammenhängt, dass terminologische und professionelle Formen der Sprachbetrachtung verlässlichere Daten liefern, während Laienäußerungen subjektive Meinungen sind. 207 Letztlich kann jedoch diese Art von Aussagen über sprach- 205 Vgl. hierzu Stempel 2001. 206 Vgl. Gauger 2004, 681. 207 Vgl. hierzu auch Haßler/ Niederehe 2000, 8: „Gerade diese Stellung des Sprachbewußtseins zwischen einem Objektbereich wissenschaftlicher Betrachtung und einem 78 liche Leistungen, Prozesse und Qualitäten nicht isoliert von der professionellen Sprachreflexion betrachtet werden, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Gerade bei der Rekonstruktion der Sprachbetrachtung vergangener Epochen muss darauf zurückgegriffen werden, da die unterschiedlich weit entwickelten Bewusstheitsgrade über den Sprachbesitz jeweils das entsprechende Fundament für Sprachreflexion allgemeiner Art bis hin zu sprachtheoretisch fundierten Forschungen bilden. Christine Bierbach gibt in Anlehnung an Brigitte Schlieben-Langes 1984 veröffentlichten Artikel „Quelques remarques sur les problèmes méthodologiques de la conscience linguistique dans l’histoire“ zu bedenken, dass im 16. Jahrhundert - Gleiches könnte für das 17. Jahrhundert formuliert werden - strenggenommen keine institutionalisierte Opposition ‘Laien/ Professionelle’ gegeben war. Der entscheidende Unterschied habe vielmehr in der Art und Weise gelegen, wie das Thema Sprache fokussiert und diskursiviert wurde, und in den Kommunikationszielen, die die Autoren mit ihren Texten jeweils verfolgten. Um feststellen zu können, welche Sprachideen im 16. und 17. Jahrhundert im spanischen Italien vorherrschend waren, ist deshalb von einem vielschichtigen Gefüge auszugehen, welches sich aus den Einstellungen ‘normaler’ Sprecher, die lediglich rekonstruiert werden können 208 , den Äußerungen in literarischen Texten, den Expertenmeinungen sowie den analytischen Sprachbeschreibungen in Grammatiken und Stiltraktaten zusammensetzt. Somit sind sowohl Sprachbewusstsein als auch Sprachreflexion relevante Größen, die bei einer umfassenden Betrachtung berücksichtigt werden müssen. Es gilt des Weiteren, dass nicht-analytische Formen der Sprachreflexion zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung des Sprachdenkens weiter bestehen bleiben und keineswegs verdrängt werden, wenn bereits ‘professionelle’ Formen der Sprachbetrachtung zur Verfügung stehen - ein Blick auf die ältesten Dokumente des Sprachdenkens zeigen, wie sich in der Vormoderne aus dem Wissen über die Elemente des Sprachbesitzes allmählich ein terminologisch und methodologisch präzises metasprachliches Instrumentarium entwickelte. 209 Die Koexistenz verschiedener Reflexionsformen ist als Gegenstand, der sich retrospektiv eher als Laien-Linguistik [...] charakterisieren ließe, scheint zur Ausklammerung von Phänomenen des Sprachbewußtseins sowohl aus der Sprachgeschichtsschreibung als auch aus der Historiographie der Sprachwissenschaft beigetragen zu haben. Vorgeschlagen wurde als gemeinsame Basis ein Verständnis des Sprachbewußtseins als nachweisbare Reflexion über sprachliche Mittel oder deren Gebrauch, die sich als Erlebnis der sprachlichen Identität oder Alterität, als Wertung eines bestimmten Sprachgebrauchs, als Akzeptieren, funktionales Einschränken, Verwerfen oder Empfehlen bestimmter sprachlicher Formen darstellen kann.“ 208 Vgl. hierzu u.a. Kabatek 1996; siehe auch Sáez Rivera 2008, 5 und Gruber 2010, 337f. 209 Diese Entwicklung zeichnen die von Sylvain Auroux in drei Bänden herausgegebene Histoire des idées linguistiques (1989/ 1992/ 2000) sowie die von Peter Schmitter heraus- 79 Normalfall zu betrachten und nicht nur die theoretische ‘Höhenkamm-Literatur’, sondern auch nicht-theoretische Texte können implizite metasprachliche Äußerungen enthalten. So wird in den philologischen und sprachtheoretischen Arbeiten der Humanisten des 16. und 17. Jahrhunderts bereits eine professionelle Form der Sprachreflexion manifest, welche an die Tradition der griechisch-römischen Sprachtheorie anknüpft. Andererseits finden sich in literarischen Texten Äußerungen und Meinungen, die aus ästhetisch und inhaltlich motivierten Gründen sprachliches Verhalten und sprachliche Variation stilisieren. 210 Für die Untersuchung des Wissens und der Reflexion über die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola erweist es sich deshalb als notwendig und sinnvoll, mit einer möglichst breiten Palette von Texten zu arbeiten, die Sprachliches reflektieren und dabei externes Sprachbewusstsein diskursivieren. 3.2.1 Formen, Verfahren und Themen der Sprachreflexion In Narrative Formen der Sprachreflexion (2006) unterscheidet Wilhelm Köller zwei Formen der Sprachreflexion: die ‘begrifflichen’ und die ‘narrativen’. Während erstere als Untersuchungsgegenstand in historiographischen Darstellungen etabliert sind, werden die ‘narrativen’ nur marginal berücksichtigt, da sie Sprache weder terminologisch noch methodisch exakt objektivieren. Köhler hingegen zeigt, dass narrative Formen der Sprachreflexion für eine umfassende Beschreibung der Entwicklung des Sprachdenkens durchaus relevant sind. Begriffliche Sprachreflexionen gelten gemeinhin als professionell und narrative als amateurhaft. [...] In beiden Zugangsweisen erwirbt man ein bestimmtes Wissen über das jeweilige Phänomen, aber sicher ein je anderes. [...] Es reicht von dem Bestreben, verborgene Strukturen zu entschleiern, auf der einen Seite bis zum bewundernden Staunen auf der anderen. [...] Beide Reflexionsformen sind eigenständige Erfassungsformen für Sprache, die eine besondere Prägnanz haben, aber eben auch dadurch eine besondere Ergegebene neunbändige Geschichte der Sprachtheorie (1990-2007) nach. Zur Geschichte des Sprachdenkens, der Sprachreflexion und der Sprachtheorien vgl. auch Hüllen (Hrsg.) 1990, Harris/ Taylor 1997, Swiggers 1997, Auroux (Hrsg.) 2000 (= HSK 18.1), Desmet u.a. (Hrsg.) 2000, Formigari 2001, Hüllen 2002, Trabant 2006; siehe auch Arens 1955. Vorwiegend metahistoriographische Fragestellungen werden in Hüllen/ van der Wal (Hrsg.) 1998 und Formigari 2001 behandelt; mit der Geschichte der Sprachtheorie in Spanien beschäftigen sich die zwei Bände der History of Linguistics in Spain, vgl. Bd. I, Quilis/ Niederehe (Hrsg.) 1986 und Bd. II, Koerner/ Niederehe (Hrsg.) 2001; zu Italien vgl. Ramat u.a. (Hrsg.) 1986. Einen historischen Überblick über narrative Formen der Sprachreflexion von der Antike bis in die Gegenwart bietet Köller 2006. Zur Frühgeschichte der Sprachreflexion und ihrer Theoriebildung vgl. insbesondere Desbordes 1989, Ax 1996, Taylor 1996 und 2000, Arens 2000, Codoñer 2000, Lambert 2000, Schmitter 2000; siehe auch Coseriu 2003. 210 Vgl. hierzu Bierbach 1987, 66. 80 gänzungsbedürftigkeit, insofern sie ganz unterschiedliche Modi der Wahrnehmung von Sprache repräsentieren. (Köller 2006, 3 und 10) Die gemeinsame Basis dieser Erfassungsformen ist demzufolge das Wissen über die Sprache, also das Sprachbewusstsein. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Reflexionsformen bestehe darin, dass Begriffe zu „wahren oder zumindest wahrheitsfähigen Sätzen über das Phänomen Sprache führen“ und ein „allgemeines, belastbares Wissen von Sprache, das weder randständig noch zufällig ist“ generieren können (Köller 2006, 22). Narrative Formen hingegen werden als ‘naive Geschichten über Sprache’ bezeichnet, die eine hermeneutische Herausforderung 211 an denjenigen stellen, der diese ‘Geschichten’ hört, während begriffliche Formen keinen Interpretationsspielraum zulassen. Eine Leistung der narrativen Reflexionsformen sei es, dass sie den ‘theoretisch verengten’ Blickwinkel auf sprachliche Fragen öffnen können: Geschichten über Sprache sind theoretisch naiv, ja sie müssen vielleicht theoretisch naiv sein, damit sie dabei helfen können, die Naivität von Theorien aufzudecken bzw. den verengten Blickwinkel, aus dem sie jeweils hervorgegangen sind. Auch Geschichten über Sprache haben natürlich eine spezifische Wahrnehmungsperspektive auf Sprache. Aber diese wird in der Regel nicht als so einschränkend angesehen, weil in ihr Sprache immer in komplexen Handlungszusammenhängen objektiviert wird. Dadurch bekommt Sprache immer einen Sitz im Leben und wird nicht nur als theoretisches Problem wahrgenommen. (Köller 2006, 31) Köller, der den begrifflichen Formen das Interesse am Sitz im Leben der Sprache aberkennt, präzisiert nicht, welche Textsorten und Gattungen für die beiden Formen der Sprachreflexion jeweils spezifisch sind. Durch die Auswahl der Textbeispiele, anhand derer der narrative Umgang mit sprachbezogenen Fragen analysiert wird, wird jedoch ersichtlich, was er als nicht-narrativ ausschließt: Während er Mythen, in denen Sprache und Sprechen thematisch sind, philosophische Texte, deren Erkenntnisinteresse auf einen anderen Gegenstand als Sprache gerichtet ist, satirische Texte, in denen Sprachpolitik oder die kollektive Spracheinstellung kritisiert wird, sowie literarische Texte, in denen allgemeine Aussagen über die Funktion von Sprache getroffen werden, als narrative Formen betrachtet 212 , werden Grammatiken, Wörterbücher, Stilistiken, Konversationsanleitungen sowie sprachtheoretische Schriften in der Untersuchung nicht berücksichtigt und zählen somit zum Bereich des Begrifflichen. Dass die meisten der genann- 211 Vgl. Köller 2006, 50-60. 212 Vgl. Köller 2006, 315-348. Der Autor widmet sich einigen ‘Klassikern’ der Geschichte der Sprachreflexion, darunter „Der Turmbau zu Babel“ (91-120), „Das platonische Höhlengleichnis“, „Der Akademieplan zur Abschaffung der Verbalsprache“ (285- 314) in Swifts Reisebericht Gulliver’s Travels oder Humpty Dumpty’s Mauerschau in Lewis Carrols Alice in Wonderland (315-348). 81 ten Gattungen, in denen begriffliche Reflexionsformen eingesetzt werden, in hohem Maße vom Sitz im Leben der Sprache ausgehen, wie zum Beispiel Lerngrammatiken oder Stiltraktate, berücksichtigt Köller hingegen nicht. Des Weiteren ist es fraglich, ob die strikte Trennung zwischen narrativen und begrifflichen Formen für die Klassifizierung von Texten in jedem Fall aufrechterhalten werden kann - hierauf wird noch zurückzukommen sein. Ungeachtet dieser Kritikpunkte muss Köllers Versuch, den Objektbereich der Sprachgeschichtsschreibung um ‘narrative Formen der Sprachreflexion’ zu erweitern, zur Kenntnis genommen werden. Insbesondere bei der Beschreibung vorsprachwissenschaftlicher Epochen ermöglicht dies die Erweiterung des Untersuchungsmaterials, da einerseits nur eine begrenzte Zahl an repräsentativen Texten überliefert ist und andererseits in der Zeit, bevor begriffliche Betrachtungsformen ihren festen Platz in der Sprachwissenschaft einnahmen, die beiden Formen selten getrennt in Erscheinung traten. 213 Gerade das Beispiel der Sprachreflexion im Renaissancehumanismus kann dies verdeutlichen: Im 15. Jahrhundert vollzog sich ein beträchtlicher Professionalisierungsschub der Sprachbetrachtung und im Verlauf des 16. Jahrhunderts etablierten sich Gattungen und Diskurstraditionen, die Sprache ins Zentrum ihrer Fragestellung rückten, wobei begriffliche und nicht-begrifflich deskriptive Mittel gleichermaßen als Reflexionsformen eingesetzt wurden. 214 Man denke vor allem an die Tradition der Sprachdialoge 215 oder der Osservationi, in denen der Status der Volkssprachen diskutiert wurde. So wären im Rahmen der italienischen Questione della lingua unter anderem Pietro Bembos Prose della volgar lingua (1525) 216 , Sperone Speronis Dialogo delle lingue (1542) 217 oder Lodovico Dolces Osservationi nella volgar lingua (1550) 218 zu nennen. Den Status des Spanischen verteidigte Juan de Valdés im Diálogo de la lengua (1535) 219 , das Französische ist Gegen- 213 Köller räumt ein, dass sich beide Arten der Reflexion ergänzen, berücksichtigt jedoch nicht, dass sie häufig gemeinsam in Erscheinung treten. 214 Vgl. hierzu Droixhe 1978, Niederehe/ Schlieben-Lange 1987, vgl. darin insbesondere Baum 1987; siehe auch Desmet (Hrsg.) 2000. Zur italienischen Tradition vgl. Dionisotti 1970, Quondam 1978, Apel 1980, Tavoni 1986, 1993, 1996 und Tavoni (Hrsg.) 1996 sowie Patota 1993. Für das Spanische vgl. u.a. Roldán Pérez 1976, Ramajo Caño 1987, Braselmann 1991, Neumann-Holzschuh 1992, Girón Alconchel 1996, 2001 und 2004. 215 Zur Funktion des Dialogs in der Renaissance vgl. Guthmüller/ Müller (Hrsg.) 2004, vor allem Guthmüller/ Müller 2004 und Müller 2004, Friedlein (Hrsg.) 2005. Zum Renaissancedialog in Spanien vgl. Gómez 1988, Iglesias Recuero 1998, Vian Herrero 2005 und Malpartida Tirado/ Rallo Gruss (Hrsg.) 2006, vgl. auch Arrigoni/ Fernández Valladares/ Vian Herrero 2009. 216 Vgl. die Ausgabe von Claudio Vela (= Bembo 2001). 217 Vgl. die Ausgabe von Helene Harth (= Sperone 1975). 218 Vgl. die Ausgabe von Paola Guidotti (= Dolce 2004), die auf der zweiten überarbeiteten Ausgabe von 1552 basiert. 219 Vgl. Kapitel 5.1.2. 82 stand von La deffence et illustration de la langue françoyse (1549) 220 von Joachim Du Bellay und die Regras que ensinam a maneira de escreuer a orthographia da lingua portuguesa: com hum Dialogo que adiante se segue em defensam da mesma lingua von Pero de Magalh-es de Gandavo (1574) enthalten unter anderem auch ein Streitgespräch in Dialogform, aus dem das Portugiesische als die dem Kastilischen überlegene Sprache hervorgeht. Man berücksichtige, dass stets wechselseitige Beziehungen zwischen den beiden Reflexionsformen bestehen. So werden Sprachthemen, die die Forschung mit der ihr eigenen begrifflichen Exaktheit aufarbeitet, auch in narrativer Form, wie beispielsweise in Essays, populärwissenschaftlichen Abhandlungen oder Romanen, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die Laienlinguistik gibt gelegentlich Anstöße, die in der Forschung auf Widerhall stoßen. 221 Letztlich kann anhand einer vergleichenden Analyse narrativer und begrifflicher Formen sowohl bei synchroner als auch diachroner Betrachtungsweise ein umfassendes Bild des Sprachdenkens zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für eine bestimmte Zeitspanne rekonstruiert werden. Deshalb werden in dieser Untersuchung auch narrative und begriffliche Formen analysiert. Allerdings sind einige Präzisierungen und Modifikationen bezüglich Köllers Vorschlag notwendig, um die Merkmale und Charakteristika der Texttraditionen, in denen im 16. Jahrhundert Sprachbetrachtung stattfand, adäquat beschreiben zu können. Zum einen wird nicht zwischen narrativen und begrifflichen, sondern zwischen nicht-begrifflich deskriptiven und begrifflichen Formen unterschieden. Somit kann eine Überschneidung mit der literaturwissenschaftlichen Terminologie vermieden werden, wenn metasprachliche Äußerungen in literarischen Texten untersucht werden. Außerdem soll die strikte Trennung der beiden Reflexionsformen zur Klassifizierung von Texten nicht aufrechterhalten werden, da davon ausgegangen wird, dass viele Texte beide Formen enthalten. Deshalb wird für die Untersuchung der Reflexion über die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola folgende Typik der Formen der Sprachbetrachtung vorgeschlagen: (1) Zu dieser Gruppe gehören Texte, die dem Phänomen Sprache ausschließlich in nicht-begrifflich deskriptiver Form begegnen. In Bezug auf Gaugers Unterscheidung der unterschiedlichen Sprachbewusstseinsstufen repräsentiert diese Betrachtungsform das externalisierte Sprachwissen eines (literarischen) Autors. Eine Repräsentationsform, die für den zu untersuchenden Kommunikationsraum wichtige Informationen liefern kann, sind Karikaturen und Stereotypisierungen von Mehrsprachigkeit, wie sie in Satiren, lyrischen Texten und Komödien vorliegen. Des Weiteren finden sich gelegentlich Aussagen über die 220 Vgl. die Ausgabe von Ernesta Caldarini (= Du Bellay 2007). 221 Ein Beispiel ist der Erste Bericht zur Lage der deutschen Sprache, der 2013 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung herausgegeben wurde. 83 spanisch-italienische Mehrsprachigkeit in Romanen, Sittentraktaten oder auch historiographischen Texten. (2) Diese Gruppe besteht aus Texten, in denen die Beschreibung der Sprache vorwiegend in begrifflicher Form erfolgt und die deshalb professionelles Sprachbewusstsein repräsentieren. Dazu zählen Grammatikschreibung, Lexikographie und Etymologie. Durch die Adaption der Terminologie und der Methoden der griechisch-römischen Grammatikschreibung näherte man sich im Renaissancehumanismus in diesen Texttraditionen zwar bereits der Struktur der Sprache mit einem relativ hohen Abstraktionsgrad, dennoch finden sich auch in diesen Texten Elemente, durch die eine eindeutige Zuordnung zum Typ (2) teilweise problematisch wird, was am Beispiel der Lerngrammatiken deutlich wird (vgl. Kapitel 5.3.2). Diese Texte liefern auf Grund ihrer Begrifflichkeit eine relativ exakte Beschreibung der Struktur einer Sprache. Da diese Texte aber didaktische Ziele verfolgen, sind sie auf Illustration und Plakativität angewiesen und greifen deshalb auf deskriptive Muster und Textbeispiele zurück. Die Lehrwerke stellen in jeglicher Hinsicht einen Sonderfall dar und ihre Zuordnung wird anhand der einzelnen Beispiele genau zu überprüfen sein. (3) Die größte Gruppe bilden die Texte, die sich mit dem Phänomen Sprache sowohl begrifflich als auch nicht-begrifflich deskriptiv auseinandersetzen. Dabei kann der Anteil an den spezifischen Reflexionsformen natürlich stark variieren. Zu dieser Gruppe gehören neben der Stilkritik und den bereits erwähnten Sprachdialogen, auch Lehrdialoge und Konversationsanleitungen sowie die metasprachlichen Aussagen, die Autoren und Herausgeber in den paratextuellen Elementen ihrer Bücher und Editionen treffen. Diese Texte können folglich auch verschiedene Formen von Sprachbewusstsein repräsentieren: In einigen Fällen überwiegt der professionelle, objektive Blick auf das Phänomen Sprache, während in anderen Äußerungen, subjektive Einstellungen und Vorlieben, die auf dem Erfahrungswissen des Autors beruhen, dominieren. Es wurde bereits erwähnt, dass sich Sprachreflexion auf alle drei Ebenen des Sprachlichen beziehen kann (vgl. Kapitel 3.2). Außerdem können in den Texten „die verschiedenen Ebenen in unterschiedlicher Weise kombiniert“ (vgl. Polzin-Haumann 2006, 125) betrachtet werden. Ähnliches gilt auch für die unterschiedlichen Aspekte der Sprache und der Sprechtätigkeit. Folgender Überblick, der sich an der Sprachbetrachtung im 16. Jahrhundert orientiert, ist durchaus auf andere Epochen übertragbar: A) Mit Bezug auf die universelle Ebene der Sprache können allgemeine sprachtheoretische und sprachphilosophische Aspekte untersucht werden. Diese Aufgabe übernehmen zum Beispiel die Zeichen- oder die Kommunikationstheorie. 84 B) Mit Bezug auf die historische Dimension der Sprache können Aspekte der externen Sprachgeschichte wie Sprachursprungstheorien oder Sprachenvergleich thematisiert werden, ebenso können interne Entwicklungen wie die Etymologie einzelner Wörter oder die Laute einer Sprache 222 betrachtet werden. 223 C) Die Struktur der Sprache kann mit Bezug auf die aktuelle Ebene der Diskurse betrachtet werden, wenn zum Beispiel die Verwendung eines Wortes in einem Text kommentiert wird. Häufiger jedoch zielen Reflexionen über Grammatik und Lexikon auf die historische Ebene der Sprache ab. D) Schließlich stehen Rhetorik 224 , Stilistik, Stilkritik und Übersetzungstheorie 225 im Zentrum des Sprachdenkens des 16. Jahrhunderts. Sie beziehen sich vorwiegend auf die historische Ebene. Es ist offenkundig, dass einzelne Themen bevorzugt in bestimmten Gattungen abgehandelt werden. So setzen sich grammatikographische und lexikographische Texte intensiv mit der Struktur der Sprache auseinander, da sie das Ziel verfolgen, diese möglichst exakt zu beschreiben. Dennoch darf man für das 16. und 17. Jahrhundert nicht von einer strikten Bindung einzelner Aspekte an bestimmte Gattungen ausgehen. Eine derartige Einschränkung der Gegenstandsbereiche existierte noch nicht einmal im institutionellen Rahmen der Universitäten. Man denke etwa an die Einheit der drei sprachbezogenen humanistischen Disziplinen Grammatik, Dialektik und Rhetorik, die als trivium eine geschlossene Einheit innerhalb der septem artes liberales bildeten und weder getrennt gelehrt noch ausgeübt wurden: If one investigates the history of Humanism, one delves into culture (and a language) in which grammar, dialectic and rhetoric were all part of the same curriculum or studies and were closely interrelated. (Furthermore, a specific trait of Humanism was the relation of the traditional trivium, and the very professional attitude of a humanista, to the fields of poetics, history and moral philosophy.) We must, therefore, be prepared to witness the emergence of philosophical-linguistic problems from a network of conceptual relations which cannot be literally translated into today’s language. (Gensini 1999, 1f.) Da dennoch einige Texttraditionen auf bestimmte sprachbezogene Aspekte spezialisiert waren, ist die entscheidende Frage, in welchen Texten das 222 Beobachtungen über das Lautsystem einer Sprache waren im 16. und 17. Jahrhundert in der Regel das Resultat von kontrastierender Betrachtung zweier oder mehrerer Sprachen oder Varietäten. 223 Zu den Konzepten der ‘externen’ und ‘internen Sprachgeschichte’ in der Romanistik vgl. Blumenthal 2003. 224 Vgl. hierzu u.a. Murphy 1974, Kristeller 1979, Douay-Soublins 1992, Gensini 1999 und Fumaroli (Hrsg.) 1999. 225 Vgl. Folena 1973. 85 Phänomen ‘Mehrsprachigkeit’ berücksichtigt wurde, und wie die darin enthaltenen Aussagen, Urteile und Meinungen über den spanisch-italienischen Sprachkontakt jeweils zu bewerten sind. 3.2.2 Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt als Gegenstand der Sprachreflexion Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive stellen gesellschaftliche und individuelle Mehrsprachigkeit den Normalfall dar, während monolinguale Sprecher oder Sprachgemeinschaften die Ausnahme bilden. Diese Erkenntnis ist den Ergebnissen der Kontaktlinguistik und Mehrsprachigkeitsforschung zu verdanken. Georges Lüdi, ein wichtiger Vertreter dieser vergleichsweise jungen linguistischen Disziplinen, äußert sich dazu: Tatsache ist, daß die Mehrheit der Menschen mehrsprachig ist und/ oder in mehrsprachigen Gesellschaften lebt [...], d.h. in Gesellschaften, in denen mehrere Sprachvarietäten gleichzeitig auf dem gleichen Territorium verwendet werden. Ein Blick auf die Geschichte zeigt, daß alle großen Reiche der Vergangenheit mehrsprachig waren. (Lüdi 1996, 234) Ein Blick auf die sprachliche Landkarte vieler Länder der Welt genügt 226 , um festzustellen, dass individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit den Regelfall bilden und folglich im Rahmen unterschiedlicher linguistischer Fragestellungen berücksichtigt werden müssen. Es war jedoch ein langer Prozess, bis sich die Sprachkontakt- und Mehrsprachigkeitsforschung als Subdisziplinen der Sprachwissenschaft durchsetzen konnten. So kritisierte Els Oksaar: In spite of the fact that over 70% of the world population is multilingual, it is always assumed in the creation of linguistic models and theories, and in psychoand sociolinguistic areas as well, that monolingualism is the normal situation. (Oksaar 1996, 8) Die Hartnäckigkeit mit der sowohl die Forschung als auch Sprach- und Bildungspolitik an der Idee des Monolinguismus festhielten und teilweise immer noch festhalten, geht auf die in Europa über Jahrhunderte hinweg tradierten negativen Einstellungen gegenüber Mehrsprachigkeit zurück. Mit der Gründung der europäischen Nationalstaaten setzte sich auch die Vorstellung durch, dass ein Staat mit einem homogenen Sprachgebiet zusammenfallen müsse. 227 Als ‘wissenschaftliches Sprachrohr’ sorgte die national- 226 Man denke an extreme Szenarien, wie sie beispielsweise in Indien oder in vielen afrikanischen Ländern gegeben sind, wo neben der offiziellen, meist europäische Amtssprache, mehrere Verkehrssprachen und eine Vielzahl von Vernakularsprachen koexistieren. Vgl. hierzu die Internetseite des Summer Institute of Linguistics (SIL) <http: / / www.ethnologue.com>, Zugriff am 07.03.2014. 227 Vgl. Lüdi 1996, 233: „Beiden Traditionen liegt die Vorstellung zugrunde, wonach Einsprachigkeit der natürliche, gottgewollte und/ oder politisch legitime Zustand des 86 philologisch orientierte Sprachgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts für die Verbreitung dieser Sichtweise 228 , welche in der Regel den sprachlichen Realitäten jedoch nicht gerecht wird. Somit stellte die vielsprachige Konstellation im Königreich Neapel keinesfalls einen Sonderfall dar, zumal die Renaissance, wie bereits erwähnt (vgl. Kapitel 2), von vorneherein als mehrsprachige Epoche (Maaß 2005, 8) betrachtet werden kann und in der gesamten europäischen Vormoderne Mehrsprachigkeit der Regelfall war: Multilingualism was nothing extraordinary in Europe. For the education of princes’ sons in the Holy Roman Empire it was even written into the law. […] Thus, the phenomena of language contact and multilingualism were indeed perceived and discussed in their various applied aspects throughout the different epochs in Europe. (Oksaar 1996, 2) In der Antike und im Mittelalter wurde Mehrsprachigkeit weder positiv bewertet, noch war es ein Phänomen, auf das sich das Interesse sprachtheoretischer und sprachphilosophischer Bestrebungen konzentriert hätte. 229 Dementsprechend sind Reflexionen, die sich explizit auf Mehrsprachigkeit beziehen, eher spärlich. Eine gänzlich andere Haltung gegenüber der mehrsprachigen Realität ist für das Sprachdenken der Renaissance dokumentiert. Durch die philologische Tätigkeit der Humanisten, ihr Studium und ihre Editionen antiker Schriften sowie ihre Adaption der griechisch-römischen Grammatiktheorie zur Beschreibung der Volkssprachen wurde ein Pluralisierungsschub in der Sprachbetrachtung ausgelöst. Dies führte einerseits zu einer Weiterentwicklung des Sprachwissens und des Sprachbewusstseins, andererseits wurden neue Erkenntnisinteressen an Phänomene wie Sprachkontakt oder Mehrsprachigkeit herangetragen. Somit standen Reflexionen über die Differenzqualitäten von Sprachen - beispielsweise des Spanischen und des Toskanischen -, über die Notwendigkeit, Fremdsprachen zu erlernen oder über die dabei auftretenden Schwierigkeiten in engem Zusammenhang mit der sprachlichen Realität. Strenggenommen müsste man sogar von ‘Realitäten’ sprechen, da mindestens vier verschiedene Wirklichkeiten unterschieden werden können, auf die der Begriff Mehrsprachigkeit referieren kann. Von Georges Lüdi (1996) stammt der Vorschlag, zwischen (1) individuellem, (2) territorialem, (3) sozialem und (4) institutionellem Plurilinguismus zu unterscheiden. Mit individueller Multilingualität ist die Sprachkompetenz eines einzelnen Sprechers gemeint, der über mindestens zwei Sprachen oder Varietäten Menschen sei. Der ideale Mensch ist einsprachig (und zwar möglichst in einer der großen europäischen Kultursprachen ...).“ 228 Vgl. u.a. Hafner 2003 und 2006 sowie Oesterreicher 2007b. 229 Vgl. Formigari 2001, 122. 87 verfügt. 230 Die mehrsprachige Kompetenz einzelner Sprecher bildet des Weiteren die Basis für die Erscheinungsformen (2) bis (4), welche sich auf kollektive Formen der Mehrsprachigkeit beziehen. Deshalb können territoriale, soziale und institutionelle Mehrsprachigkeit auch als ‘gesellschaftliche’ oder ‘kollektive Mehrsprachigkeit’ zusammengefast werden. 231 Mit dieser Begrifflichkeit kann die Reflexion über die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel adäquat beschrieben werden, da auf Grund der Quellenlage vorwiegend Aussagen über das „kollektive Management“ (Lüdi 1996, 233) der Vielsprachigkeit untersucht werden können. Mit Bezug auf die kollektiven Aspekte der Mehrsprachigkeit führt Lüdi außerdem den Begriff der Dibeziehungsweise der Polyglossie ein und bezeichnet damit die Organisation des Sprachgebrauchs innerhalb vielsprachiger Gesellschaften. 232 Es lasse sich beobachten, dass das ungeordnete Nebeneinander mehrerer Sprachen innerhalb einer Gesellschaft normalerweise nicht den Dauerzustand bilde, sondern dass das System durch funktionale Abgrenzung oder durch Eliminierung von Varietäten einen stabileren Zustand anstrebe. Das bedeutet jedoch nicht, dass Mehrsprachigkeit notwendigerweise die Reglementierung des Sprachgebrauchs durch strikte Funktionsteilung nach sich ziehen muss. Diglossie/ Polyglossie bezeichnet m. a. W. einen begrifflichen Raum mit zahlreichen Dimensionen (sprachliche Distanz, Ausdehnung des geographischen Raumes, Überschneidungen zwischen den Sprechern der einen und anderen Varietät, Überschneidungen in den Funktionen, Stabilität der funktionellen Unterscheidung, Unterschiede im Standardisierungsgrad, Modalität des Spracherwerbs, Bedeutung der Varietäten innerhalb eines Sprachwertsystems usw.). (Lüdi 1996, 237) In Bezug auf einige Kommunikationsbereiche mag die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel durchaus stabile diglossische Strukturen aufgewiesen haben. Entscheidend ist jedoch - und in diesem Punkt ergänzen sich das Konzept des Kommunikationsraums und Lüdis weit gefasste Definition von Dibeziehungsweise Polyglossie 233 -, dass man nicht von einer allgemeingültigen strikten Funktionstrennung und restriktiven Aufteilung der Sprachen auf bestimmte Kommunikationsbereiche ausgehen muss, sondern vielmehr von einer dynamischen und vielschichtigen Form der 230 Vgl. Lüdi 1996, 234: „Als mehrsprachig gilt, wer sich irgendwann in seinem Leben im Alltag regelmäßig zweier oder mehrerer Sprachvarietäten bedient und auch von der einen in die andere wechseln kann, wenn dies die Umstände erforderlich machen [...].“ 231 Siguan 2001, 32 spricht von „sociedades bilingües“. 232 Vgl. Lüdi 1996, 237. Auf eine Diskussion des Diglossie-Begriffs nach Ferguson (1959) und Fishman (1967) kann hier verzichtet werden; eine ausführliche Besprechung der Terminologien in der Sprachkontaktforschung bietet u.a. Sinner 2002; siehe auch Clyne 2003. 233 Vgl. Lüdi 1996, 237. 88 Mehrsprachigkeit und dem gegenseitigen Einfluss der einzelnen Sprachen aufeinander. Eine ausführliche Diskussion der Methoden und Konzepte der Kontaktlinguistik 234 soll im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen, da der Fokus nicht auf die Untersuchung einer Reihe von Kontaktphänomenen bezüglich der Mechanismen, Motivationen und ihrer soziokulturellen Verankerung gerichtet ist. Vielmehr sollen Einstellungen und Haltungen gegenüber der Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola untersucht werden. Dabei werden neben Äußerungen und Reflexionen über die Qualitäten der einzelnen Sprachen und über deren terminologische Beschreibung auch Beobachtungen über Kontaktphänomene, im Sinne von Interferenzerscheinungen, berücksichtigt, welche Weinreich wie folgt definierte: [...] two or more languages will be said to be in CONTACT if they are used alternately by the same persons. The language-using individuals are thus the locus of the contact. The practice of alternately using two languages will be called BILINGUALISM , and the person involved, BILINGUAL . Those instances of deviation from the norms of either language which occur in the speech of bilinguals as a result of their familiarity with more than one language, i. e. as a result of language contact, will be referred to as INTERFERENCE phenomena. (Weinreich 1964, 1) Sara G. Thomason präzisierte, dass Interferenzphänomene sowohl auf lexikalischer als auch auf struktureller Ebene auftreten können: Interference: Contact-induced change that involves the importation of material and/ or structures from one language into another language, whether by borrowing or by shift-induced interference. All interference is contact-induced change, but not all contact induced change is interference [...] (Thomason 2001, 267) Es ist evident, dass im 16. und 17. Jahrhundert diese terminologisch exakte Beschreibung von Interferenzerscheinungen noch nicht geleistet werden konnte, da Sprachkontaktphänomene noch nicht Gegenstand der professionellen Sprachreflexion waren. Insofern verwundert es nicht, dass die Aussagen, die sich im weitesten Sinne auf Interferenz beziehen, vorwiegend in nicht-begrifflicher Form verhandelt wurden und größtenteils in literarischen Texten anzutreffen sind. Aus diesem Grund genügt es, neben dem Begriff der Interferenz, mit dem alle Phänomene der „Überlagerungen von Strukturen eines Sprachsystems durch Strukturen eines anderen Sprachsystems“ (vgl. Abraham 1988, 312) bezeichnet werden können, durch drei 234 Ausgangspunkt der Sprachkontaktforschung sind die Arbeiten von Weinreich 1953 (hier in der Ausgabe von 1964), Ferguson 1959 und Fishman 1967; neuere Ansätze sind die von Thomason/ Kaufman 1988, Lüdi 1996, Thomason 2001, Clyne 2003, vgl. auch Krefeld 2004b und Braunmüller/ House (Hrsg.) 2009. Einen Schwerpunkt auf sprachpolitische Aspekte in bilingualen Gesellschaften, insbesondere in Spanien, setzt Siguan 2001. 89 weitere Konzepte der Sprachkontaktforschung zu ergänzen; nämlich das Konzept der Entlehnung (1), das die Übernahme eines Lexems oder einer grammatischen Struktur von einer Sprache in die andere bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen borrowing und shift-induced interference, die Sara G. Thomason diesbezüglich vornimmt, muss hingegen nicht berücksichtigt werden, da für Spanier und Italiener im Königreich Neapel überwiegend die Beschreibung jenes Sprechertyps zutraf, der Entlehnungen des Typs borrowing verursacht: „[...] people who introduce interference features into the receiving language are fluent speakers of the receiving language and know at least the relevant aspects of the source language“ (Thomason 2001, 259). Des Weiteren treten in den Texten code-switching (2) und code-mixing (3) Phänomene auf. Unter code-switching werden dabei diejenigen Kontaktphänomene verstanden, die auftreten, wenn mehrsprachige Sprecher mitten in einer Äußerung, jedoch an der Grenze einer syntaktischen Einheit von einer Sprache in die andere wechseln. Mit code-mixing (3) hingegen wird der Wechsel innerhalb einer syntaktischen Einheit bezeichnet. 235 Außerdem sei erneut auf Uriel Weinreichs These hingewiesen, der zufolge ein enger Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und dem Sprachbewusstsein selbst bestehe (vgl. Kapitel 1). 236 Der ständige Gebrauch zweier oder mehrerer Sprachen sowie das Erlernen von Fremdsprachen führen in der Regel dazu, dass die Sprecher neue Bereiche des allgemeinen Sprachwissens für sich erschließen. So erfordert das Studium einer Fremdsprache metasprachliche Abstraktionsleistungen. Häufig werden grammatische und semantische Strukturen der Muttersprache erst dann bewusst wahrgenommen, wenn sie beim Lernprozess als bekannte Muster und Strukturen zur Analyse der Fremdsprache aktualisiert werden. Was die Sprachreflexion und die Fremdsprachendidaktik betrifft, sind als Reaktion auf lange andauernde Situationen der Mehrsprachigkeit oftmals Innovationen im Bereich der Terminologie und der Darstellungsmethoden zu beobachten. Auch Weinreichs Hinweis, dass bei Sprachkontakt von eng verwandten Sprachen oder Varietäten besondere Vorsicht geboten sei 237 , da man von 235 Vgl. Thomason 2001, 262: „Code-switching: The use of material from two (or more) languages by a single speaker with the same people in the same conversation. As used in this book, the term includes both switches from one language to another at sentences boundaries (intersentential switching) and switches within a single sentence (intrasentential switching); the latter is something called code-mixing. Code-mixing: A term sometimes used for switching from one language to another within a single sentence (intrasentential switching).“ 236 Vgl. Weinreich 1964, 100: „It is in a situation of language contact that people most easily become aware of the peculiarities of their language as against others.“ 237 Vgl. Weinreich 1964, 2: „A particular type of relationship, however, which occurs frequently among genetically related systems is that which can be stated as an automatic conversion formula. […] Great or small, the differences and similarities between 90 Interferenzerscheinungen auf beiden Seiten ausgehen müsse, trifft auf den Sprachkontakt in der Italia Spagnola zu. Im 16. und 17. Jahrhundert war die Bindegliedfunktion des Lateinischen für die romanischen Sprachen noch intakt. Die relativ große Nähe der Volkssprachen zueinander sowie ihre Nähe zu der gelehrten Sprache erleichterten die Interkomprehension zwischen Sprechern des Spanischen und der volgari italiani erheblich. Allerdings war damit auch ein relativ hoher Spielraum für Interferenzen auf beiden Seiten gegeben. 238 Gian Luigi Beccaria wies bereits auf die Schwierigkeiten hin, mit denen bei der Untersuchung der spanisch-italienischen Mehrsprachigkeit gerechnet werden muss: Tra le difficoltà d’ordine metodico va inoltre tenuto in conto un aspetto strettamente linguistico del problema: mi riferisco alla somiglianza tra le due lingue venute a contatto diretto per uno spazio di tempo di oltre due secoli, e che rende più ardue certe decisioni circa la presenza o meno dell’intervento dall’esterno, sia morfologico che semantico (e sappiamo che tra due lingue diventa tanto più stretta e vistosa l’influenza quanto più due lingue a contatto sono simili). (Beccaria 1968, 11) Ein produktiver Vorschlag, wie man der Komplexität des Sprachkontakts von eng miteinander verwandten Sprachen gerecht werden kann, stammt von Kurt Braunmüller und seinen Untersuchungen zur Mehrsprachigkeit in Nordeuropa des Mittelalters. 239 Braunmüller unterscheidet zwischen (a) ‘aktiver’ beziehungsweise ‘produktiver’ und (b) ‘rezeptiver’ Mehrsprachigkeit. Mit dem Typ (a) wird eine Form der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit beschrieben, in dem der Gebrauch verschiedener Sprachen weitgehend funktionsorientiert auf spezifische Kommunikationssituationen festgelegt ist und dementsprechend mit bestimmten Diskurstraditionen korreliert. Die Sprecher verfügen dabei über aktive Sprachkompetenz in mehr als einer Sprache. Für die Vormoderne beobachtet Braunmüller im Bereich der kommunikativen Distanz ein Überwiegen dieses produktiven Mehrsprachigkeittyps: As far as the late Middle Ages and early Modern Times are concerned, one has to be aware of the fact that receptive multilingualism represented only one aspect of multilingualism to be taken into account. Functional diglossia was the default linguistic principle at that time: almost all domains were tied to certain languages, and no one really expected you to master all domains in one and the same language or you to be capable of expressing everything in any language you are familiar with [...] (Braunmüller 2007, 31) the languages in contact must be exhaustively stated for every domain - phonic, grammatical, and lexical - as a prerequisite to an analysis of interference.“ 238 Vgl. Gauger 2004, 683f. 239 Vgl. Braunmüller 2007. 91 Rezeptive Mehrsprachigkeit hingegen sei gegeben, wenn Sprecher eng miteinander verwandter Sprachen sich diese Nähe zu Nutze machten und Kommunikation auf der Basis gegenseitiger Interkomprehension stattfinde. Typ (b) sei tendenziell in Bereichen der kommunikativen Nähe und des informellen Sprechens produktiv. Im Grunde wird rezeptive Mehrsprachigkeit als diejenige Form des kommunikativen Verhaltens beschrieben, bei der die Sprecher jeweils in ihrer eigenen Sprache sprechen und sich durch Akkommodationen an die Sprache des anderen anpassen. Damit ist gemeint, dass Sprecher auf der Grundlage von bekannten Hörmustern Elemente der einen Sprache spontan in Äußerung in der anderen entlehnen. Diese Akkommodationen sind Interferenzphänomene, die bei rezeptiver Mehrsprachigkeit häufig auftreten und die nicht nur die lexikalische, sondern auch die phonetisch-phonologische und morphosyntaktische Ebene betreffen. Mit dieser Betrachtungsweise kann man auch passive Fremdsprachenkompetenzen in das Panorama der Mehrsprachigkeit miteinbeziehen. Der in Tabelle 2 (vgl. Seite 93) abgebildete, von Braunmüller in Hinblick auf den Kommunikationsraum Nordeuropa im Mittelalter erstellte Überblick über die Charakteristika und Konsequenzen der beiden Typen, zeigt, dass sich rezeptive und produktive Mehrsprachigkeit nicht gegenseitig ausschließen. Es ist sogar davon auszugehen, dass sie in der Frühen Neuzeit innerhalb einer Gesellschaft häufig gleichzeitig gegeben waren. Während die Parameter 1 bis 6 hauptsächlich kommunikations-, situations- und sprecherbezogene Faktoren vergleichen, werden unter 7 bis 9 Aspekte beschrieben, die sich auf das Sprachbewusstsein beziehen. Der wesentliche Unterschied zwischen rezeptiver und produktiver Mehrsprachigkeit besteht demnach im Grad der Bewusstheit, mit dem die Unterschiede zwischen den in Kontakt stehenden Sprachen wahrgenommen werden. Um dies festzustellen, muss rekonstruiert werden, ob der Zweitspracherwerb systematisch oder ungesteuert verlief 240 , ob die kontextbezogene Verwendung der Sprachen oder Varietäten konventionell oder spontan erfolgte und welcher Grad der Sprachkompetenz intendiert war, beziehungsweise welche Diskursdomänen erschlossen werden sollten. Die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel kann mit den Unterscheidungskriterien rezeptiv vs. produktiv differenziert betrachtet werden. Geht man davon aus, dass je nach beruflichem und sozialem Umfeld unterschiedliche Sprachkompetenzen erforderlich waren, so kann man zunächst 240 In der Psycholinguistik und der kognitiven Linguistik wird auch zwischen ‘implizitem’ und ‘explizitem Lernen’ unterschieden; vgl. z. B. Zippel 2009, 55-61 und Raupach 2002. Dabei ist entscheidend, ob sich der Lernprozess unbewusst, das heißt implizit, oder bewusst, also explizit, vollzieht. Generell ist davon auszugehen, dass beim Fremdspracherwerb beide Formen des Aneignens beteiligt sind, auch wenn ihre jeweiligen Anteile variieren können. Im weiteren Verlauf wird darauf verzichtet, diese Parameter anzusetzen, weil dies unter anderem die exakte Rekonstruktion der Konstellationen und Prozesse des Spracherwerbs erfordern würde. 92 beide Typen der Mehrsprachigkeit als gegeben voraussetzen. Während in den meisten Bereichen der kommunikativen Distanz, vor allem in der administrativen, juristischen, wissenschaftlichen, klerikalen und intellektuellen Textproduktion aktive Mehrsprachigkeit erforderlich war und ein angemessener und stilistisch einwandfreier Gebrauch des Spanischen, Toskanischen, Neapolitanischen oder des Lateinischen vorausgesetzt wurde, kann man in den nähesprachlichen Kontexte von rezeptiver Mehrsprachigkeit ausgehen. 241 Diese Form der Mehrsprachigkeit ist jedoch nur schwer zu rekonstruieren, da sie, wie dies der erste und der dritte Parameter in Tabelle 2 beschreiben, überwiegend im Bereich der medial mündlichen Kommunikation auftritt. Lediglich in wenigen überlieferten Texten der pragmatischen Schriftlichkeit, welche nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind, sind Reflexe dieses Typs von Mehrsprachigkeit zu beobachten. In der zeitgenössischen Sprachreflexion hingegen sind Hinweise auf beide Typen der Mehrsprachigkeit zu finden, wobei die einzelnen Reflexionsformen und Gattungen die betreffenden Aspekte unterschiedlich gewichten. Da im 16. Jahrhundert noch kein adäquates Instrumentarium zur systematischen Beschreibung von rezeptiver Mehrsprachigkeit existierte, sind in den begrifflichen Formen auch diesbezüglich keine Aussagen zu erwarten. Umso häufiger jedoch verweisen nicht-begriffliche Formen [Gruppe (1)], insbesondere literarische Texte, auf unvollständigen Fremdspracherwerb. Durch die Stereotypisierung mangelhafter Sprachkompetenzen funktionalisieren Autoren von Komödien und Satiren derartige Sprachmuster als Stilmittel und treffen damit indirekt Aussagen über charakteristische Elemente der nähesprachlichen Kommunikation zwischen Spaniern und Italienern. Aussagen und Kommentare über produktive Mehrsprachigkeit finden sich in allen der drei Gruppen der Reflexionsformen, vor allem sind sie jedoch in Texten zu erwarten, die sich beider Reflexionsformen bedienen [Gruppe (3)]. 241 Vgl. hierzu auch Schwägerl-Melchior 2013. 93 Tabelle 2: features distinguishing receptive multilingualism from (productive) bior multilingualism in the Late Middle Ages and in the Early Modern Times Receptive Multilingualism (Productive) Bi-/ Multilingualism 1. Predominantely for informal com munication Both for formal and informal communication 2. Purpose-oriented, no (productive) acquisition of the target language is intended Function-oriented (with references to persons, topics or domains) 3. Face-to-face communication, especially in diglossic trading situations and other business contacts* may occur No restrictions in principal but a distribution of the language involved 4. Establishing communication at any price, frequently ad hoc-accommodations, no rules Person-, topicor domain-related language use (including codeswitching, if appropriate) 5. Highly contextand addresseedependent Low mandatory context or addressee dependence 6. Emphasis on communication ex change and efficiency in interaction All linguistic functions are available (if not restricted due to domains or functions) 7. Informal but pragmatically controlled learning by listening and speaking where no grammatical norms have to be observed All kinds of natural-language acquisition and L2 learning, especially for the acquisition of a lingua franca (e.g. Latin or Low German) 8. Dominance of pragmatic and the situational context Dominance of linguistic awareness with respect to domains, styles, norms and grammatical correctness 9. Includes the possibility to become a (fluent) speaker of the target language; may gradually include occasional (lexical) code switches. Language use may be restricted to functional distribution; therefore no necessity for a full linguistic competence in all languages spoken. *However, the origin of a pidgin differs from receptive multilingualism since the languages involved are not mutually understandable. (Braunmüller 2007, 30) - - 94 3.2.3 Korpus In Tabelle 3 sind alle Texte aufgelistet, die in den folgenden Kapiteln systematisch untersucht werden. Es handelt sich um ein heterogenes Korpus, die einzelnen Texte beinhalten verschiedene Formen der Sprachreflexion und gehören unterschiedlichen Gattungen an, daher kann kein einheitliches Analyseverfahren angewendet werden. Darüber hinaus sollen verschiedene Positionen der Sprachbetrachtung kontrastiert werden, wobei nicht alle Texte notwendigerweise einer exhaustiven Analyse unterzogen werden müssen. Es genügt, dies anhand signifikanter Beispiele zu verdeutlichen, die metasprachliche Äußerungen und Sprachurteile beinhalten. Diese werden jeweils unter Berücksichtigung der Gattung, Diskurstradition und anderer Kontexte miteinander verglichen und kontrastiert. Die Werke sind chronologisch nach ihrem Erscheinungsjahr aufgelistet. In den meisten Fällen wurde mit den Ausgaben aus dem 16. beziehungsweise 17. Jahrhundert gearbeitet, nicht immer konnte die editio princeps konsultiert werden, in einigen wenigen Fällen wurde eine moderne Ausgabe verwendet. Tabelle 3: Textkorpus nach Erscheinungsbzw. Entstehungsdatum chronologisch aufgelistet. Jahr Autor Titel Gattung/ Textsorte(n) Publikationsart 1460- 1463 Cancionero de Estúñiga Cancionero Manuskript 242 1505 Antonio de Ferrariis detto il Galateo De educatione Verhaltensregelwerk / Briefform 243 Manuskript 244 1517 Bartolomé de Torres Naharro Soldadesca, Tinelaria Komödie unselbständige Publikation 245 (Kompilation) 242 Zitiert wird die Ausgabe von Salvador Miguel 1987. 243 Zanzarri (1996, 153) bezeichnet das Buch als „tratarello, sotto forme epistulare“. 244 Zitiert wird die Ausgabe von Tordeur und Vecce 1993. 245 Veröffentlicht in der Propaladia, die 1517 in Neapel bei Joan Pasqueto de Sallo erschien. 95 1520 Lucio Cristoforo Scobar Vocabularium Nebrissense ex latino sermone in Siciliensem et hispaniensem [...] Wörterbuch eigenständige Publikation 1528 Baldassar Castiglione Il libro del Cortegiano Dialog eigenständige Publikation 246 1528 Francisco Delicado Retrato de la Lozana Andaluza dialogisierter Roman eigenständige Publikation 247 1534 Francisco Delicado Introducion que muestra el Delicado a pronunciar la lengua española didaktisches Material Paratext 248 1535 Juan de Valdés Diálogo de la lengua Dialog / Stilkritik & didaktisches Material Manuskript 1537- 1568 Luigi Tansillo Capitoli giocosi e satirici editi ed inediti Lyrik / Satire Manuskript 249 1541/ 1549 anonym Sex linguarum, Gallicae, Hispanicae, Italicae, Anglicae, & Teutonice […] Wörterbuch & Dialogsammlung eigenständige Publikation 1543 Claudio Mario Arezzo Osservantii dila lingua siciliana et canzoni inlo proprio idioma Stilkritik eigenständige Publikation 246 Die erste Ausgabe erschien bei den Erben von Aldo Manuzio und Andrea Torresano in Venedig. 247 Delicados Werk erschien anonym in Venedig. 248 Enthalten in der 1534 von Delicado herausgegebenen Ausgabe der Tragicomedia de Calisto e Melibea [...] (= Rojas 1534), die in Venedig bei Stefano Nicolini da Sabbio. 249 Zitiert wird die Edition von Boccia 2010 (= Tansillo 2010). 96 1550 Anton Francesco Raineri Altilia Komödie eigenständige Publikation 250 1553 Alfonso de Ulloa Breue introducion para saber e pronunciar la lengua castellana, con vna exposicion en la thoscana de todos los vocablos difficultosos [...] Glossar & didaktisches Material Paratext 251 1553/ 1556 Alfonso de Ulloa Introdutione del signor Alphonso di Vglioa, nella quale s’insegna pronunciare la lingua spagnuola didaktisches Material & Glossar Paratext 252 1559 anonym Gramática de la lengua vulgar de España Lerngrammatik eigenständige Publikation 1560 Giovanni Mario Alessandri d’Urbino Il Paragone della lingua Toscana et castigliana Lerngrammatik eigenständige Publikation 253 1566 Giovanni Miranda Osservationi della lingua castigliana Lerngrammatik eigenständige Publikation 254 1570 Christobal de las Casas Vocabvlario de las dos lengvas Toscana y castellana [...] Wörterbuch eigenständige Publikation 255 1583 anonym Colloquia cum Dictionariolo Wörterbuch & Dialogsammlung eigenständige Publikation 250 Die erste und einzige Ausgabe erschien 1550 in Mantua bei Venturino Ruffinelli. 251 Enthalten in der 1553 von Jerónimo de Urrea übersetzten Ausgabe des Orlando furioso (= Ariosto 1553), die in Venedig bei Gabriel Giolito de Ferrariis erschien. 252 Enthalten in der 1553 von Ulloa herausgegebenen Ausgabe der Tragicomedia de Calisto e Melibea (= Rojas 1553), die 1556 im Neudruck erschien. 253 Die erste und einzige Ausgabe erschien in Neapel bei Mattia Cancer. 254 Erstmals erschienen in Venedig bei Gabriel Giolito. 255 Die editio princeps erschien in Sevilla bei Francisco de Aguilar. 97 1560- 1600 Giambattista Della Porta La Tabernaria / Lo Astrolog Komödien eigenständige Publikationen 1601 Argisto Giuffredi Il Compendio del Signor Massimo Trojano tratto dalle osservazioni della lingua castigliana del Sig. Giovanni Miranda [...] Dialog / Stilkritik & didaktisches Material eigenständige Publikation 1605 Ottavio Glorizio Impresa d’amore Komödie eigenständige Publikation 1620 Lorenzo Franciosini Vocabolario italiano, e spagnolo Wörterbuch eigenständige Publikation 256 1626 Lorenzo Franciosini Diálogos apazibles, compuestos en castellano, y traduzìdos en Toscàno [...] Dialogsammlung eigenständige Publikation 257 1627 Lorenzo Franciosini Rodomontadas españolas, Recopiladas de los Comentarios de los muy espantosos, terribles, e invencibles Capitanes, Matamoros, Crocodilo, y Rajabroqueles Sammlung von Sprichwörtern und Redewendungen eigenständige Publikation 258 1662 Partenio Tosco L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana Stilkritik eigenständige Publikation 256 Erstmals erschienen in Rom bei Giovanni Angelo Ruffinelli. 257 Die erste Ausgabe erschienen ebenfalls in Venedig bei Giacomo Sarzina. 258 Auch die Rodomontadas erschienen in Venedig bei Giacomo Sarzina. 98 4. Die Mehrsprachigkeit der Italia Spagnola in Lyrik und Komödie. Sprachreflexion und Stereotypenbildung [...] Porque l’hai trovato con un españolo en su casa solo, luego l’hai maçato. Lui se l’ha escapato por forsa y por arte. [...] Guarda si te pillo, don españoleto! Supra del mi leto te faró un martillo, tal que en escrevillo piangeran le carte. (Juan del Encina 1975, 245) Die Figur des Spaniers ist in einigen Texten, die in der Italia Spagnola entstanden, mit einer Reihe von Eigenschaften belegt, die insgesamt ein negatives Bild zeichnen. In Juan del Encinas „Fata la part“ (vgl. Kapitel 2.2), entpuppt sich der Verführer - auf frischer Tat ertappt - als flüchtender Feigling und der don españoleto steht stellvertretend für eines der Muster, derer sich die italo-hispanische Literatur 259 des 16. und 17. Jahrhunderts häufig bediente. In diesem Kapitel werden mehrsprachige literarische Texte, darunter der Cancionero de Estúñiga, die Capitoli giocosi e satirici von Luigi Tansillo sowie einige mehrsprachige Komödien spanischer und italienischer Autoren untersucht, in denen neben dem ‘spanischen Liebhaber’ weitere stereotype Spanierfiguren in Erscheinung treten, wie zum Beispiel der ‘spanische Prahlhans’, der grausame und gewalttätige spanische capitán, sowie der ungehobelte und ausgehungerte spanische Soldat, der auf der Suche nach Geld und Frauen in Italien sein Unwesen treibt. Vor allem in den mehrsprachigen Komödien, die im frühen 16. Jahrhundert in der Italia Spagnola entstanden, wurde das negative Bild des spanischen Soldaten stilisiert, das, wie Rosa María Lida de Malkiel (1957/ 58) feststellte, in direktem Zusammenhang mit den historischen Ereignissen betrachtet werden muss. 259 Für einen Überblick über die spanische Literatur in Italien vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert vgl. Meregalli 1974. 99 Es muy comprensible que en el siglo XVI los italianos exhalsen su resentimiento idealizando su pasado y cargando todas las fallas del presente a la corruptela extranjera, que imitasen y denigrasen a porfía las formas de vida y arte que los que les eran ajenas, hasta occurir en contradicciones que revelan la base no racional de sus reproches, como cuando censuran a los españoles por brutales y por afeminados [...] La caricatura del militar español en la comedia no es más que una faceta de este desahogo, relacionada con el pueblo bajo, más bien que con los círculos cultos y nobles [...] (Lida de Malkiel 1957/ 58, 281) Einige der Wesenszüge, die die spanischen Soldaten in den genannten Texten aufweisen, stimmen mit denen überein, die später für die Figur des Capitano Spavento 260 in der Commedia dell’arte 261 charakteristisch werden sollten. In den mehrsprachigen Komödien, die im 16. Jahrhundert in Rom und Neapel entstanden, ist der soldado fanfarrón beziehungsweise der capitano de birri oder sbirro in der Regel Spanier und spricht Spanisch. 262 Kennzeichnend für diese Figur sind seine Unbeholfenheit in der Fremde, seine ungehobelten Umgangsformen und seine grobe Ausdrucksweise. Auffällig ist, dass die Figur des spanischen Soldaten in den Komödien genau zu dem Zeitpunkt in Erscheinung trat, als mit der Übernahme der Macht im Königreich Neapel die Präsenz der spanischen Söldner in der Italia Spagnola rapide anstieg (vgl. Kapitel 2.2). Mit der Figur des spanischen Soldaten knüpfte man allerdings auch an eine Tradition der Antike an, nämlich an die Figur des ‘griechischen Soldaten’ in Plautus’ Miles Gloriosus. Für diese Figur hatte wiederum der Alazôn des griechischen Dramas als Vorlage gedient 263 , dessen wesentliche Charakterzüge Hochmut, Anmaßung und Prahlerei waren. Dies sind auch die Eigenschaften des capitano in der Commedia erudita 264 , in der im 16. Jahrhundert Plautus und Terenz Tradition weitergeführt wurde. Was hingegen den ‘lächerlichen spanischen Soldaten’ in den mehrsprachigen Komödien der Italia Spagnola betrifft, spricht Croce (1926, 46) von „tratti più realistici“ des „soldato spagnuolo [...] che [...] arriva lacero, morente 260 Zur Figur des capitano vgl. Croce 1926, 44f.; Cirillo 1992, 135-151 und Mehnert 2003, 113f. 261 Erste theoretische Abhandlungen über die Commedia dell’arte erschienen im 17. Jahrhundert. 1699 erschien in Neapel Andrea Perruccis Dell’Arte rappresentativa premeditata ed all’improviso. Parti due. Vgl. u.a. Pandolfi 1957-61, Lea 1962 und Mehnert 2003. 262 Vgl. hierzu Kapitel 4.2.1. 263 Vgl. Boughner 1943, 43-48 und De Michele 1998 und 1999. 264 Zur commedia erudita vgl. Bareiß 1982, 291: „Diese commedia erudita hat ihren Namen daher, daß sie zum einen eine volkssprachliche Komödienform ist, zum anderen sich im Gegensatz zur niederen volkssprachlichen Schwank- und Farcevarianten nachdrücklich an den klassischen Komödien des Plautus und Terenz ausrichtet. Im Gegensatz benutzt sie jedoch sehr oft Prosaform. Neben dem Einfluss der klassischen Römischen Komödie wird die commedia erudita thematisch durch die italienische novella und zeitgenössische Anspielungen angereichert, womit sie also in der direkten Folge der lateinischen Humanistenkomödie steht.“ Siehe auch Croce 1991, Canet Vallés 1993, Padoan 1996 und Rössner 2005, 6f. 100 di fame“ 265 und identifiziert neben den Elementen der Commedia erudita und der antiken Komödie auch neue Formen. 266 Die Figur des ungehobelten spanischen Soldaten tritt in der mehrsprachigen Commedia Soldadesca (1517) von Bartolmé de Torres Naharro 267 erstmals in Erscheinung. 268 In Kapitel 4.2 werden insgesamt sechs mehrsprachige Komödien untersucht, in denen die Figur des spanischen Soldaten vertreten ist und deren Schauplätze jeweils Rom oder Neapel sind. Im 16. Jahrhundert kursierte aber auch ein gänzlich anderes Spaniermotiv, nämlich das des spanischen Höflings. Bereits Croce verwies darauf, dass im 16. Jahrhundert das gesellschaftliche Leben an den italienischen Höfen von einer kollektiven Hispanophilie infiziert war, was sich unter anderem in der Imitation spanischer Sitten und Bräuche äußerte. 269 So gehörte es zum guten Ton, den ‘spanischen Stil’ zu pflegen, weshalb neben der Übernahme der spanischen Hofetikette, der Anpassung an den spanischen Kleidungsstil sowie an die spanischen Tänze und die spanische Musik auch das Erlernen der spanischen Sprache notwendig wurde. Diese galt als besonders ‘würdevoll’ und ‘ernsthaft’. Insgesamt subsumierte man die positiven Eigenschaften der Spanier emblematisch unter dem Schlagwort der gravità beziehungsweise der gravedad. 270 Damit gesellte sich zu dem Typus des ‘ungehobelten spanischen Soldaten’ der ‘wohlgesittete, spanische Höfling’. Da dieser aber auf Grund seines würdevollen Wesens eine viel gerin- 265 Auch María Rosa Lida de Malkiel (1957/ 58, 274f.) betrachtet die Figur des fanfarrón unter Berücksichtigung des spanisch-italienischen Kulturkontakts und präzisiert: „Esta fue la meta que se propuso Torres Naharro en su Comedia Soldadesca, independientemente por igual del influjo de La Celestina y del influjo de Plauto y Terencio, primera tentativa quizá de poner en escena al soldado español en Italia, y sin duda la única que aspira a la representación ‘viva, directa, libre, realística’ [...] pero omite - precisamente porque su galería de personajes es verdadera - el figurón convencional del soldado fanfarón.“ 266 Dies trifft auch auf die Komödien des neapolitanischen Universalgelehrten Giambattista Della Porta zu: „Il Porta, che riempie in Napoli con la sua opera drammatica gli ultimi decenni del Cinque e i primi anni del Seicento, coltivò in genere la commedia d’imitazione latina, sebbene in alcune […] si avvertano risonanze romanzesche […]“ (Croce 1926, 43). Croce (1926, 47) bemängelt auch das Fehlen ausführlicher Untersuchungen des dramatischen Werks Giambattista Della Portas. Bis heute gibt es nur wenige Studien. Ausnahmen sind Cirillo 1992 und 2005, Sirri 2005 und Sirri (Hrsg.) 2003. Siehe auch Prota-Giurleo 1962. 267 Vgl. Gillet 1936. 268 Auch in Bezug auf die Anlage der Figur des capitano spavento der commedia erudita und der Commedia dell’arte wurden die Komödien der Italia Spagnola bislang kaum berücksichtigt; vgl. hierzu kritisch Rössner 2008. Was den Einfluss der spanischen Tradition auf die italienische Komödie des 16. Jahrhunderts betrifft, konzentrierte man sich vorwiegend auf Fernando de Rojas Tragicomedia de Calisto e Melibea (1502); vgl. dazu Lida de Malkiel 1957/ 58, insbesondere 268-280. 269 Vgl. das Kapitel „La società italo-spagnuola nei primi anni del Cinquecento“ in Croce 1917, 122-148; siehe auch Kapitel 2.2. 270 Vgl. Weinrich 1985a, 157. 101 gere Angriffsfläche für Spott und Karikatur bot, trat er folglich in Gattungen wie Satire und Komödie kaum in Erscheinung. Dieser Spaniertypus ist vorwiegend in der Stilkritik und in Verhaltenstraktaten vertreten. In Kapitel XXI des zweiten Buches des Libro del Cortegiano bezeichnet Baldassar Castiglione die Spanier als „maestri della cortegiania“ (1987, 150) und in Kapitel XXXVII des zweiten Buches wird ihre „gravità riposata“ als herausragende Eigenschaft gepriesen: ‘[…] e, parlando generalmente, a me par che con gli Italiani più si confaccian nei costumi i Spagnoli che i Franzesi, perché quella gravità riposata peculiar dei Spagnoli mi par molto più conveniente a noi altri che la pronta vivacità, la qual nella nazione franzese quasi in ogni movimento si conosce [...] (Castiglione 1987, 175; Kursivierung T.G.) An anderer Stelle nennt Castiglione die gravità, die eine spezifische Eigenschaft der Spanier sei, als entscheidendes Kriterium für einen angemessenen Sprachstil. 271 Dies bedeutet einerseits, dass ‘nationale Charaktere’ mit sprachlichen Merkmalen identifiziert wurden, und andererseits, dass sprachliche Muster und Stereotype benutzt wurden, um die Vorstellung von nationenspezifischen Eigenschaften zu modellieren. Christine Bierbach beschreibt das Phänomen nationaler Stereotypenbildung im 16. Jahrhundert folgendermaßen: Sie [die nationalen Stereotype, T.G.] repräsentieren in typisierter Form regionale und nationale ‘Wesenszüge’, verbinden also bestimmte sprachliche Merkmale mit einem bestimmten Habitus, der ‘den’ Venezianer, ‘den’ Deutschen, ‘den’ Franzosen usw. auszeichnen soll. Der sprachlichen Physiognomie fällt so bei der Konstruktion ethnischer Stereotype eine ähnliche Rolle zu wie körperlichen Merkmalen, wobei die ‘auditive’ sprachliche Dimension gegenüber der visuellen körperlichen den Vorteil der besseren Darstellbarkeit hat. Diese Darstellung setzt allerdings eine Sensibilisierung für sprachliche Phänomene und sprachliche Unterschiede voraus, und der große Erfolg und das gehäufte Auftreten solcher Sprachspiele im 16. Jahrhundert verdeutlicht wiederum den engen Zusammenhang zwischen dem manifesten kollektiven Interesse an Sprache und dem Prozeß nationaler Identitätsbildung [...] (Bierbach 1985, 67) Die Koppelung von sprachlichen und nationalen Stereotypen kann sowohl in den Beschreibungen des spanischen Höflings als auch in den komischen Repräsentationen des spanischen Soldaten 272 beobachtet werden. In der Literatur, die sich auf den Kulturkontakt zwischen Spaniern und Italienern im genannten Kommunikationsraum bezieht, wiederholen sich in den Karikaturen und Persiflagen sprachliche Muster und Motive, die das unzulängliche Italienisch der Soldaten, die vor Kraftausdrücken strotzenden 271 Vgl. hierzu auch Kapitel 5.1. 272 Vgl. hierzu Gruber 2010. 102 Prahlereien der capitanes, gelegentlich auch das würdevolle Sprechen spanischer Edelmänner oder auch die Imitation des Spanischen durch Italiener nachahmen. Bereits Gian Luigi Beccaria verwies auf die Relevanz, diese Muster im Rahmen sprachwissenschaftlicher Untersuchungen näher zu betrachten, da zahlreiche Hispanismen über den Weg der Stereotypisierung ins Italienische gelangten: In effetti, in Italia hanno avuto particolare vitalità spagnolismi che coglievano tratti ‘tipici’ della figura dello spagnolo; quello appunto che i nostri scrittori (ma erano convergenze tematiche europee, a quel tempo) contribuirono man mano a rappresentare o (contraffare) secondo linee ed espressioni concordi, insistendo con frequenza su costanti ricorrenti, in modo da fissare dello spagnolo un figurino alquanto stilizzato e proverbiale. [...] Quanto alla stilizzazione dei caratteri, ridotti a tema e luogo comune, c’è tutta una letteratura (e non solo italiana), la commedia in primo luogo, che contribuisce a mantenere vivo e divulgare, ad assicurare anche popolarità e persistenza agli attributi di uno stilizzato ‘personaggio’ (lo spagnolo ‘vantone’, galante, borioso, spaccone, presuntuoso e contegnoso; oppure grave e lento nel procedere, ecc.). (Beccaria 1968, 164f.) In den sozialwissenschaftlichen Disziplinen wird die Bildung von Stereotypen als Strategie der Verallgemeinerung und der Überbrückung von gesellschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Differenzen interpretiert. 273 Wenn im Folgenden verschiedene Aspekte sprachlicher Stereotypenbildung in Texten der Italia Spagnola untersucht werden, dann wird in Anlehnung daran davon ausgegangen, dass diesem Prozess Reflexionen über Sprache, den Sprachkontakt und die Mehrsprachigkeit vorausgingen. Insbesondere zwei der von Hans Henning Hahn (2007) aufgestellten „12 Thesen zur Stereotypenforschung“, scheinen dafür besonders relevant: These 1: Es besteht wohl allgemeines Verständnis, daß wir es bei Stereotypen mit Verallgemeinerungen zu tun haben, wobei stillschweigend vorausgesetzt wird, daß nicht jede Verallgemeinerung schon ein Stereotyp sein muß. Wie alle Verallgemeinerungen und Begriffe dienen auch Stereotype u.a. zur Orientierung in einer als unübersichtlich empfundenen Welt, und sie werden auch zur gegenwärtigen Welterklärung benutzt, selbst wenn sie auf eine lang zurückliegende Zeit angewandt werden […] Stereotypen sind also in Worte oder Bilder gefaßte, verallgemeinernde Wahrnehmungen der Welt; historische Stereotypenforschung stellt also einen, wenn nicht den interessantesten Teil von Wahrnehmungsgeschichte dar. [...] These 2: Stereotypen begegnen wir in unterschiedlichen Formen und Textsorten, wobei darunter nicht nur sprachliche Texte verstanden werden müssen. Auch die Beiträge des vorliegenden Bandes behandeln eine Vielzahl von ‘Medien’ der Vermittlung stereotypisierter Wahrnehmungen: einzelne 273 Die Basis dafür lieferte Walter Lippmann 1922 mit Public Opinion. 103 Sprachkürzel, Sprichwörter, literarische Texte, Historiographie, Kochbücher, amtliche Verordnungen, Publizistik, Enzyklopädie, Reiseführer, aber auch Architektur, Stickerei und Karikatur. (Hahn 2007, 15f.) Nichtsprachliche Medien wurden in der vorliegenden Untersuchung ausgeschlossen. Des Weiteren wurden Texte berücksichtigt, die in der von Hahn in These 2 aufgestellten Liste nicht erscheinen. Dazu zählen beispielsweise die bereits erwähnten Stilistiken, Lehrwerke oder Paratexte. Darüber hinaus kann die Karikatur, die Hahn ausdrücklich in den Bereich der nichtsprachlichen Medien einordnet, selbstverständlich auch in Form von Texten auftreten. In der Komödie und der Satire ist die Karikatur, die sich stereotypisierter Verhaltensweisen bedient, sogar ein essenzielles Mittel. 274 Stereotype werden auf der Basis von Erfahrungen und Beobachtungen gebildet, indem saliente Merkmale in den Vordergrund gerückt und diese als Muster abstrahiert werden. Wenn Kommunikation auf solchen Muster basiert, ist dies in erster Linie ein Verhandlungsangebot: Mit ihrer Hilfe kann ‘anders Sein’ plakativ dargestellt werden und daran gekoppelte Verhaltensweisen können wiedererkannt werden. Für die Bildung von sprachlichen Stereotypen bieten Lautung und Wortschatz die größte Angriffsfläche. Das mag damit zusammenhängen, dass diese beiden Bereiche der Sprache im durchschnittlichen, also nicht-professionellen Sprachbewusstsein am präsentesten sind (vgl. Kapitel 3.2). Deshalb erscheinen in den Texten einerseits zu Mustern abstrahierte lautliche und lexikalische Phänomene, andererseits finden sich auch Elemente der wiederholter Rede, wie idiomatische Wendungen, Sprichwörter, Gruß- und Anredeformeln, Ausrufe, Flüche, Beschimpfungen und Kraftausdrücke, die auf Grund ihrer Expressivität und/ oder ihrer hohen Frequenz in der Alltagssprache besonders einprägsam sind. Auch beim Fremdspracherwerb sind Muster und Abstraktionen dieser Art von großer Bedeutung - und dies umso mehr, wenn der Lernprozess nicht systematisch durch Unterricht, sondern vorwiegend ungesteuert über Hören und Nachahmen erfolgt. 275 Das mag damit zusammenhängen, dass prägnante und saliente Merkmale der Fremdsprache leichter memoriert werden können. Aus diesem Grund greift auch die Fremdsprachendidaktik seit jeher auf Stereotype als Anschauungsmaterial zurück. Paola Nobili, die Jaques Contois Adaption von Michele Bertis Lerngrammatik L’art d’enseigner la langue françoise par le moyen de l’italienne 276 untersuchte, stellt fest, dass einige Verhaltensweisen, die im 17. Jahrhundert als typisch ‘italie- 274 Vgl. Lippmann 1922, Manz 1968, Löschmann (Hrsg.) 1998, Hahn 2002, Hahn/ Mannová (Hrsg.) 2007, Hahn 2007; siehe auch Florack (Hrsg.) 2000. 275 Vgl. hierzu Parameter 7 in Tabelle 2 nach Braunmüller 2007 in Kapitel 3.2.2. 276 Die Adaption erschien 1734 bei Longhi in Bologna. Im lexikographischen Teil des Lehrwerks findet sich eine vier Seiten lange Liste über die Gewohnheiten und Bräuche der fünf Nationen; vgl. Nobili 1989, 120-125. 104 nisch’, ‘spanisch’, ‘französisch’, ‘englisch’ und ‘deutsch’ galten, in diesem Lehrbuch systematisch als didaktisches Material aufbereitet wurden. Diese Methode habe allein deshalb funktioniert, weil diese Klischees und Stereotype bereits durch mündliche Erzählungen, die Literatur, die Historiographie, Reiseberichte usw. eine flächendeckende Verbreitung erfahren hatten: Saggi, opere storiche, romanzi, letteratura di viaggi, affiancati delle diverse forme di tradizione orale sono stati in passato i veicoli privilegiati della propagazione e della permanenza dei clichés carrateriali, comportamentali e culturali attribuiti alle diverse nazioni. (Nobili 1989, 119) Für die Fremdsprachendidaktik eignen sich Muster und Motive dieser Art deshalb, weil über bekannte Kontexte unbekannte Wörter und Strukturen leichter erschlossen werden können. In diesem Zusammenhang werden in Kapitel 4.2.1.2 in Auszügen flankierend auch die Rodomontadas españolas als Vergleichsmaterial hinzugezogen, die Lorenzo Franciosini 1627 mit französischer und toskanischer Übersetzung veröffentlichte. Mehrsprachige Rodomontaden-Sammlungen erfreuten sich damals großer Beliebtheit, da anhand der Erbauungslektüre zugleich Fremdsprachen trainiert werden konnten. Diesem Zweck dienten auch Franciosinis Rodomontadas, in denen die Prahlereien aufschneiderischer und eingebildeter spanischer Kapitäne und Soldaten überzeichnet wiedergegeben werden. Bereits Gian Luigi Beccaria bemerkte, dass einige Autoren eine Vorliebe für die Sprachenvielfalt im spanischen Italien entwickelt hatten und ihre mehrsprachigen Kompetenzen gezielt einsetzten. Zugleich geht er davon aus, dass die Mehrsprachigkeit in den literarischen Texten, das heißt zunächst der individuelle Pluribeziehungsweise Bilinguismus des Verfasser, Reflexe einer ‘gesellschaftlichen’ oder ‘kollektiven Mehrsprachigkeit’ sind (vgl. Kapitel 3.2.2). Des Weiteren finden sich in den Texten auch Erstbelege von Entlehnungen, wobei die Fixierung im gedruckten Medium für die Verbreitung und die Lexikalisierung in der Fremdsprache entscheidend gewesen sei: Il bilinguismo dello scrittore in quanto semplice esperienza e perizia ‘tecnica’, è tutto sommato una condizione esteriore accidentale; non lo è invece per chi vive in Italia a contatto diretto con spagnoli, ne apprende la lingua, e spagnolizza quasi inconsapevolmente la propria scrittura (si pensi poniamo il Tansillo) [...] Ma al di là del contatto effettivo, la coscienza meno libera, meno preoccupata da soggezioni puristiche, ha nello scrittore, al fine dell’ eventuale adozione di forme forestiere, un’importanza determinante. [...] La condizione del bilinguismo individuale collabora d’altro canto a rendere accetto, quando non ad introdurre per la prima volta anche nello scritto, le forme mutuate alla lingua forestiera, perché quelle sono immediatamente sentite da chi le usa come notorie; ed ancora, il sussistere di un più o meno diffuso bilinguismo ‘sociale’, la presenza di un pubblico capace d’intendere certe parole spagnole, almeno quelle d’uso corrente e frequente, permette 105 alla lingua letteraria una particolare indulgenza per forme spagnolizzanti, posto che quelle rappresentano un elemento diffuso e noto. (Beccaria 1968, 8-10) Insgesamt finden sich in lyrischen Texten, Satiren und Komödien verschiedene Aussagen über den Sprachkontakt und die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola. In den folgenden Kapiteln wird untersucht, wie die einzelnen Autoren diese Themen verarbeiteten und ob neben konkreten metasprachlichen Äußerungen auch sprachliche Stereotype und Muster als Formen der Sprachreflexionen gelten können. In Kapitel 5.3 wird darauf zurückzukommen sein, da überprüft werden muss, inwiefern diese Muster in Lerngrammatiken des 16. Jahrhunderts zu didaktischen Zwecken eingesetzt wurden. Das folgende Kapitel setzt sich mit der Sprache der ‘anderen’, das heißt mit sprachlichen Differenzqualitäten auseinander. Dabei werden Texte untersucht, in denen Mehrsprachigkeit auf unterschiedliche Art thematisiert wird, nämlich indem Autoren entweder Vielsprachigkeit als stilistisch-ästhetisches Mittel einsetzen oder indem sie kommunikationsbezogene Aspekte kommentieren. Folgende Fragen sollen dabei als Leitfaden dienen, um die unterschiedlichen Ausprägungen der Reflexion über Sprachliches erfassen zu können: A) Mit welchen Mitteln wird Sprachkontakt, Sprachmischung oder Kompetenz in der Fremdsprache dargestellt? B) Auf welcher sprachlichen Ebene manifestieren sich Entlehnungen und Interferenzen (Graphematik/ Phonetik, Morphosyntax, Lexikon)? C) Wie systematisch und stereotypisiert ist die Verwendung dieser Elemente? D) Werden im Text explizit metasprachliche Äußerungen über die Mehrsprachigkeit getroffen und wenn dies so ist, wie verhalten sich diese zu der Darstellung von Sprachkontakt, Sprachmischung beziehungsweise Kompetenz in der Fremdsprache? 277 277 Diese Fragen gehen modifiziert auf den Fragenkatalog zurück, den Christine Bierbach bei der Untersuchung mehrsprachiger Madrigale des 16. und 17. Jahrhunderts anwendete; vgl. Bierbach 1985, 69f. Die Fragen C) und D) werden bei Bierbach in dieser Art nicht gestellt. 106 4.1 Die Sprache der ‘anderen’ - die Italia Spagnola als Thema literarischer Werke 4.1.1 Mehrsprachigkeit im Cancionero de Estúñiga Der Cancionero de Estúñiga (M) ist eine Sammlung lyrischer Texte, die zwischen 1460-1463 am Hofe Neapels entstand 278 und mit zwei weiteren spanischen Cancioneros, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Italien kopiert wurden, eine Tradition bildet 279 : gemeint sind der Cancionero de Roma (R) und der Cancionero marciano (V). 280 Seit sich Alberto Vàrvaro in Premesse ad un’edizione critica delle poesie minori di Juan de Mena (1964) mit der Überlieferungstradition der Manuskripte befasste, ist erwiesen, dass M, V und R, Derivate einer nicht überlieferten Sammlung sind, die wahrscheinlich am aragonesisch-neapolitanischen Hof entstanden ist 281 : Non si tratta dunque né di tre canzoneri indipendenti né di tre esemplari di una stessa collezione ma di tre derivati, ognuno con sue proprie caratteristiche, di una ricca collezione probabilmente aragonese-napoletana che potremmo ricostruire con grande esattezza. (Vàrvaro 1964, 59) Der neapolitanische Cancionero ist nach dem Autor Lope de Estúñiga benannt, der an erster Stelle der Kompilation steht. 282 Das Manuskript entstand zu der Zeit von Ferrante I., wie der Herausgeber der ersten gedruckten Fassung des Kodex (1872), der Marqués de Fuensanta del Valle Don José Sancho Rayón 283 feststellen konnte. Man führt dies unter anderem darauf zurück, dass Juan de Tapias Gedicht Montanna de dyamantes (90r) 284 Ferrante I. von Neapel gewidmet ist. 285 Das bedeutet, dass die Sammlung erst nach dem Tod von König Alfons (1458) fertiggestellt wurde, dennoch geht man davon aus, dass die meisten Texte schon früher und somit unter sei- 278 Vgl. Salvador Miguel 1977, 36: „Razones históricas, paleográficas, lingüísticas, analógicas e internas permiten afirmar, por tanto, que fue en Italia, y concretamente en Nápoles, donde se copió el Cancionero.“ 279 Die ersten Untersuchungen zu der spanisch-italienischen Cancionero-Tradition sind Mussafia 1866 und 1902; vgl. auch Vàrvaro 1964 und Scoles 1967; siehe auch Menéndez y Pelayo 1941b, 128 und Salvador Miguel 1977, 40-45. 280 Das Manuskript des Cancionero de Roma wird in der Biblioteca Casanatense di Roma aufbewahrt; vgl. die Edition von Canal Gómez 1935. Die Handschrift des Cancionero marciano wird in der Biblioteca Nazionale Marciana di Venezia aufbewahrt, ediert ist er in Cavaliere 1943 und Zinato 2005. 281 Vgl. Salvador Miguel 1977, 43. 282 In der älteren Literatur wird der Kodex als Cancionero de Stúñiga bezeichnet, da so der Titel der ersten gedruckten Fassung (1872) lautete; vgl. Menéndez y Pelayo 1941b, 127. 283 Vgl. Rayón 1872, 446. 284 In der Ausgabe von Alvar/ Alvar (1981, 173) ist dies Text 57, in Salvador Miguel (1987, 380f.) hingegen 58. Auf die Nummerierung wird zurückzukommen sein. 285 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 173, siehe auch Salvador Miguel 1987, 380. 107 ner Regentschaft entstanden. 286 So bestätigt Nicasio Salvador Miguel, der Herausgeber der kritischen Ausgabe des Cancionero: Por diversas alusiones cronológicas e históricas establecí, con bastante exactitud, la fecha en que se realizó la colección entre 1460 y 1463; durante el reinado de Ferrante, lo que no impide que, en gran medida, represente el espíritu literario y los gustos poéticos de la Corte napolitana de su padre, Alfonso el Magnánimo. Desde luego el cancionero se copió en Nápoles, muy posiblemente para un alto personaje de la Corte, cuyo nombre no cabe determinar. (Salvador Miguel 1987, 7f.) Der Kodex wird in der Biblioteca Nacional de Madrid in der sección de manuscritos mit der Signatur V a 17-7 aufbewahrt und kann online eingesehen werden. 287 Das Manuskript besteht insgesamt aus 165 Folios, von denen 163 in humanistischer Schrift doppelseitig beschrieben sind. Die Seiten aus Kalbslederpergament sind jeweils recto fortlaufend nummeriert und enthalten insgesamt 164 Einzeltexte. 288 Das Deckblatt des Cancionero (vgl. Abb. I, S. 108) ist prachtvoll mit Blumen- und Pflanzenranken illuminiert, am unteren Seitenrand stehen die vier Tugenden mit ihren Attributen und halten einen Lorbeerkranz, der in der Mitte weiß geblieben ist und wahrscheinlich für das Wappen des Auftraggebers vorgesehen war. Rechts oben über der Pflanzengirlande findet sich der handschriftliche Vermerk „tiene 165“. 289 Die übrigen Seiten sind zum Teil mit kleineren Illuminationen versehen, wobei in der Regel der Beginn eines Textes dadurch markiert ist, dass das initiale Graphem in Gold und Farbe aufwendig gestaltet ist, während das jeweils erste Graphem einer Strophe abwechselnd in roter und blauer Tinte abgesetzt und groß geschrieben wurde. Titel und Name des Dichters sind stets in roter Farbe hervorgehoben und stehen in Abstand zu dem durchgehend in schwarzer Tinte geschriebenen Text. Auf manchen Seiten finden sich kleinere filigrane Verzierungen am Rand. Der Cancionero de Estúñiga ist in eine wertvolle Handschrift, die wahrscheinlich von einem einzigen Kopisten in Zusammenarbeit mit einem Buchmaler für eine ranghohe Person am neapolitanischen Hof angefertigt wurde. 290 286 Vgl. auch Salvador Miguel 1977, 35. 287 Vgl. http: / / bdh.bne.es/ bnesearch/ detalle/ 198697 [Zugriff am 07.03.2014]. 288 Salvador Miguel ediert 164 Einzeltexte und geht zusätzlich von einem verloren gegangenen Text 165 aus, der Misa de amor von Suero de Ribera. Vgl. dazu Salvador Miguel 1987, 7 und 21-23. 289 Vgl. Salvador Miguel 1977, 26. 290 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 10 sowie Salvador Miguel 1977, 29-40 und 1987, 7. Eine ausführliche physische Beschreibung des Kodex bietet Salvador Miguel 1977, 23-29. 108 Abb. I: Cancionero de Estúñiga 1r (Deckblatt) (vgl. <http: / / bdh-rd.bne.es/ viewer.vm? id=0000051837>, Zugriff am 07.03.2014) 109 Abb. II: Cancionero de Estúñiga 152r (Carvajal: Donde soys gentil galana) (vgl. <http: / / bdh-rd.bne.es/ viewer.vm? id=0000051837>, Zugriff am 07.03.2014) 110 Neben der Ausgabe von Rayón (1872), die auf Grund des ausführlichen Kommentars im Anhang eine wichtige Informationsquelle ist, entstanden mittlerweile eine paleographische (Alvar/ Alvar 1981) und eine kritische Ausgabe des Cancioneros (Salvador Miguel 1987) sowie eine vergleichende, kritische Ausgabe aller Texte des Dichters Carvajal, die im Cancionero de Estúñiga M und in den Cancioneros R und V enthalten sind (Scoles 1967). In der Ausgabe von Nicasio Salvador Miguel ist jede Abweichung seiner eigenen Lesart von den Transkriptionen von Rayón (1872) und Alvar/ Alvar (1981) in einer Fußnote kommentiert. Was die Gedichte Carvajals betrifft, berücksichtigt er auch Emma Scoles Edition. Aus diesem Grund ist Salvador Miguels Ausgabe bislang die umfang- und informationsreichste. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen seiner Ausgabe und der von Alvar/ Alvar besteht darin, dass die Anzahl der voneinander unabhängigen Texteinheiten nicht übereinstimmt: Während Salvador Miguel auf 164 Einzeltexte kommt, identifizieren Alvar/ Alvar 158. Die Ursache dafür ist, dass Alvar/ Alvar nur dann eine neue Texteinheit ansetzen, wenn dies in der Handschrift durch eine Überschrift, den Namen des Dichters oder Hinweise der Art „otra suya“ gekennzeichnet ist, während Salvador Miguel auf Grund inhaltlicher und metrischer Kriterien auch dort Texteinheiten identifiziert, wo solche Kennzeichnungen fehlen. Was die Edition von Carvajals Texten betrifft, stimmen Scoles und Miguel Salvadors Ausgaben bis auf kleine Abweichungen überein. Salvador Miguel versah jede von ihm individuierte Einheit mit einer eigenen Nummer, während sich Scoles in fünf Fällen dafür entschied, Untereinheiten (a und b) anzusetzen. Die Ausgabe von Alvar/ Alvar (1981) ist in mancher Hinsicht ungenau 291 und ist in der Transkription teilweise sogar interpretativ, so fügen sie beispielsweise Kommata und Punkte in Aufzählungen sowie an Vers- und Strophenenden ein, schreiben Eigennamen groß und fügen Akzente hinzu, obwohl diese mit dem Manuskript nicht korrespondieren. Salvador Miguels Edition hingegen orientiert sich an den modernen Orthographieregeln des Spanischen. Aus diesem Grund wurde hier auf die Handschrift zurückgegriffen und eine eigene Transkription erstellt, die möglichst exakt und ohne Eingriffe den Originaltext wiedergibt. Diese wurde unter Berücksichtigung der Erläuterungen von Salvador Miguel mit der paleographischen Edition von Alvar/ Alvar (1981) abgeglichen. Bei der linguistischen Analyse der drei Gedichte Carvajals, die auf Spanisch und auf ‘Italienisch’ verfasst sind, wird auch auf die kritische Ausgabe von Scoles (1967) zurückgegriffen. Laut Scoles sind die betreffenden Texte sowohl im Cancionero de Estúñiga (M 152r-152v) als auch in V überliefert, in R hingegen nicht. 291 Es ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, wie die Editoren zu der Annahme kamen, die Handschrift sei in „letra de formas redondas de los tipos góticos literarios españoles“ (Alvar/ Alvar 1981, 33) verfasst, denn es handelt sich offensichtlich um die humanistische Schrift. 111 Der Cancionero de Estúñiga kompiliert Texte, die verschiedenen spanischen lyrischen Genres angehören, darunter finden sich neben den damals bereits etablierten Formen, wie Ode, Epistel, serranilla, romance oder poema de pregunta y respuesta beispielsweise auch der villancico, obwohl sich diese volkstümliche Form erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts als Kunstgattung durchzusetzen begann. Daran ließe sich erkennen, so Salvador Miguel, dass der neapolitanische Hof den Moden seiner Zeit vorausgeeilt sei und die Anthologie stehe repräsentativ für den literarischen Geschmack, der unter Alfons V. in Neapel dominierte. [...] lo que explica que achaque a una serranilla el rótulo de villançete que, así, se convierte, junto con otra composición del Cancionero de Herberay, en una de las primeras menciones en la lírica del, más tarde, tan extendido término de villancico. Y si bien la pieza no posee estructura de tal, el nombre que se le asigna basta a un excelente conocedor del tema para pensar que la corte napolitana de Alfonso V fuera la pionera en ‘gustar y disfrutar la nueva moda’ que introdujo en los medios poéticos cultos este género lírico tradicional. [...] Se incluyen asimismo, un texto en prosa [...] y un par de romances [...] que, además de ser los primeros firmados por un autor, parecen señalar a la Corte de Nápoles como lugar donde alcanzaron pronta boga los romances tradicionales. (Salvador Miguel 1987, 10f.) Anhand der Cancionero-Texte lassen sich bestimmte Rückschlüsse über die sprachliche Situation in der Italia Spagnola im 15. Jahrhundert ziehen, die vorwiegend in Bezug auf die sprachlich-literarischen Gewohnheiten am Hofe aussagekräftig sind. Keinesfalls darf davon ausgegangen werden, dass der Cancionero eine sprachlich homogene Einheit darstellt, da es sich um eine Rekopilation mehrerer Autoren unterschiedlicher Herkunft handelt. 292 Rayóns Theorie, der davon ausging, der Schreiber sei ein ‘Italiener’ gewesen 293 , gilt mittlerweile als widerlegt. Stattdessen wird von einem spanischen 294 Kopisten ausgegangen und die vereinzelten Interferenzen mit dem Italienischen führt man auf den Sprach- und Kulturkontakt in Neapel zurück. 295 Insgesamt enthält der Cancionero Texte von 40 Dichtern, darunter bekannte Namen wie Juan de Mena, Íñigo López de Mendoza oder der Marqués de Santillana. 292 Vgl. dazu Salvador Miguel 1987, 12: „No cabe, al enfrentarse con una obra colectiva, hablar de la lengua del Cancionero. La del amanuense ha dotado a la copia, desde luego, de unos rasgos uniformadores - especialmente, la introducción de ciertos rasgos aragoneses y de algunos italianismos -, pero solo cabría examinar la lengua de los diversos autores por separado y a la vista de su producción completa, vale decir en el momento en que se lleven a cabo ediciones y estudios monográficos de cada uno.“ 293 Vgl. Rayón 1872, XXVIf. 294 Alvar/ Alvar (1981, 10) gehen von einer aragonesischen Herkunft aus. 295 Vgl. Salvador Miguel 1977, 38: „En lo referente a los italianismos gráficos, no juzgo su número suficiente para asegurar un copista italiano, y más si consideramos que pueden proceder de la tradición manuscrita [...].“ 112 Los grandes señores (Alonso Enriquez, Santillana) se funden con los nobles (Estúñiga, Villalpando, Guevara, Padilla), los guerreros y embajadores (Torellas, Valera, Saldaña); los funcionarios (León, Medina) y los escritores de oficio (Mena, Carvajal), y pertenecen a distintas generaciones poéticas, aun cuando la mayoría se integra en las de Santillana y Mena. Casi todos son castellanos, aunque también existen algunos aragoneses (Urriés, Villalpando), gallegos (Padrón y el nombre de Macías) y un catalán (Torellas). (Salvador Miguel 1977, 47) Entscheidend ist, festzustellen, welche Autoren sich tatsächlich am Hofe König Alfons’ aufhielten. Benedetto Croce konnte auf Grund von Archivrecherchen eine Reihe spanischer „grandi signori“ identifizieren, die damals in Neapel mit ‘Feder und Schwert’ 296 im höfischen Dienst gestanden hatten. Darunter finden sich auch folgende Dichter des Cancionero de Estúñiga: die Kastilier Lope de Stúñiga, Juan de Dueñas, Fernan Móxica, Diego del Castillo, Juan de Tapia und Carvajal. 297 Nach einer Auflistung und einem Vergleich aller zur Verfügung stehenden Daten kommt Salvador Miguel zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Dichter des Cancionero kastilischer Herkunft war. Wichtiger noch als die Herkunft der einzelnen Dichter, ist jedoch die Tatsache, dass die meisten Texte auf Kastilisch verfasst sind, selbst wenn der Autoren aus einem anderen Teil der Iberischen Halbinsel stammte. Menéndez y Pelayo begründet dies damit, dass sich zur Zeit Alfons V. in Neapel das Kastilische als Lyriksprache etabliert hatte (vgl. Kapitel 2.2). Außerdem weist er auf die starke ‘italienische’ Prägung des Cancioneros hin. Es cierto, sin embargo, que los trovadores castellanos del Cancionero de Stúñiga están llenos de frases, giros y aun versos enteros en italiano, y que Carvajal, el más fecundo y notable de los poetas de aquella antología, llegó a escribir por lo menos dos composiciones enteras en aquella lengua. En cambio los pocos y oscuros rimadores napolitanos de entonces rebosan de españolismos. (Menéndez y Pelayo 1941b, 127) Inhaltlich und thematisch sind Italien, insbesondere Neapel, und der Kulturkontakt in der Italia Spagnola in vielen Gedichten präsent. So sind zum Beispiel die Landschaften, die Carvajal in seinen serranillas beschreibt und geographisch verortet, italienisch. Der Kulturkontakt wird insbesondere in den Gedichten deutlich, die in den Bereich der Liebeslyrik fallen. Diese macht auch den größten Teil der Sammlung aus, während nur wenige Gedichte von politischem, satirischem, festlichem, elegischem oder moralischem Inhalt sind. 298 Häufig erfolgt die Charakterisierung der angebeteten Dame über stereotype Bilder. So werden unter anderem die für Kastilierin- 296 Vgl. Croce 1917, 45: „[...] che trattavano la penna e la spada“. 297 Croce (1917, 45) geht von Carvajals katalanischer Herkunft aus, nennt die Gründe für seine Annahme jedoch nicht; vgl. hierzu Salvador Miguel 1977, 56. 298 Vgl. Menéndez y Pelayo 1941b und Salvador Miguel 1977, 266-329. 113 nen, Aragonesinnen, Römerinnen, Neapolitanerinnen oder auch Portugiesinnen und Französinnen typischen Eigenschaften zur Beschreibung und Lobpreisung der Angebeteten verwendet. Dies wird zum Beispiel in Carvajals PAſſando por la toſcana deutlich: (1) 299 Caruaiales PAſſando por la toſcana entre ſena y florencia vi dama gentil galana digna de grand reuerencia CAra tenia de romana tocadura purtogueſa 300 el ayre de caſtellana veſtida como ſeneſa diſcretamente non uana 301 yo le fiſe reuerencia 302 y ella con mucha prudencia bien moſtro ſer corteſana Aſſy 303 entramos por sena fablando decompannia con plaſer auiendo 304 pena del peſar que me plaσia 305 (Carvajal, Canc. de Estúñ. 153r) 306 Die besungene Edeldame vereint in Aussehen, Verhalten, Stil und Kleidung Eigenschaften römischer, portugiesischer, kastilischer und sienesischer Damen. Juan de Tapias hingegen, der auch nach König Alfons’ Tod 299 Im Folgenden werden nur die Zitate nummeriert, die dem Korpus entstammen; vgl. Tabelle 3 in Kapitel 3.2.3. 300 R notiert „potuguesa“; vgl. Salvador Miguel 1987, 618. 301 R notiert „vana“; vgl. Salvador Miguel 1987, 618. 302 R notiert „fize reverencia“, V hingegen „reverentia“; vgl. Salvador Miguel 1987, 618. 303 R notiert „asi“, V hingegen „asy“; vgl. Salvador Miguel 1987, 618. 304 R notiert „plazer aviendo“; vgl. Salvador Miguel 1987, 618. 305 Alvar/ Alvar (1981, 268) transkribieren „plaσia“. Die Entscheidung das Graphem <σ> systematisch zur Darstellung des intervokalischen Sibilanten zu verwenden, ist insofern begründet, als dass im Manuskript eine minimale, jedoch erkennbare Abweichung in der Graphie zwischen / s/ und / dz/ zu erkennen ist, die dem System der kastilischen Sibilanten im 15. Jahrhunderts entspricht. <s> repräsentiert in der Handschrift den stimmlosen Laut / s/ in finaler Position, in allen anderen Kontexten erscheint er als <ſ>, während der stimmhafte Affrikat / dz/ in intervokalischer Position mit <s> wiedergegeben wird, das eine Schwingung nach links aufweist. Daher wird im Folgenden dieser Laut ebenfalls mit <σ> dargestellt. So wird die Verwechslung mit dem Graphem <z>, das ebenfalls auftritt, vermieden. Der stimmlose Affrikat / ts/ hingegen ist in der Regel durch <ç> repräsentiert, gelegentlich erscheint auch <c>. 306 Vgl. Salvador Miguel 1987, 618: Text CL; Alvar/ Alvar 1981, 267f.: Text 146; Scoles 1967, 194f.: Text XLV. 114 am Hof in Neapel blieb 307 , beschreibt in seinem Gedicht, das der Tochter der Gräfin von Arenas gewidmet ist, die Wankelmütigkeit der Donzella ytaliana (86r-87v). Die Edeldame, bei der es sich um Maria Caracciolo handelt 308 , sei ihrem Ursprung nach Kalabresin, ihre Schönheit sei jedoch mit der der Sizilianerinnen vergleichbar. Ihr Verhalten und ihre Vorlieben passe die Dame stets den Gewohnheiten und den Moden der Machthaber an: während sie einst auf der Seite Aragons gestanden habe, orientiere sie sich nun an den ‘Franzosen’. Es liegt nahe, die wankelmütige Dame als Stadt Neapel zu identifizieren: (2) Un aluala 309 que mando 310 Johanne 311 de Tapia a la fija de la condeſa 312 de arenas Donσella ytaliana que ya fuyſte aragoneſa eres tornanda 313 françeſa non quieres ſer catalana [...] YA la caſa de aragon de ti ſe puede quexar que la fuyſte adexar ſyn ſe njnguna raσon Pueſ par dios 314 dama loçana Con dolor de ti me peſa que eres tornada frāceſa 315 non quieres ſer cathalana 316 [...] MVgeres que non teneys 317 fe amor et lealtad dire bien de la bondad 318 Y mal del mal que fazes 319 307 Vgl. Salvador Miguel 1977, 201. 308 Vgl. hierzu Salvador Miguel 1977, 32. 309 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 167: „alualá“. 310 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 167: „mandó“. 311 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 167: „Johan“. 312 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 167: „Condesa“. 313 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 167: „torna<n>da“. Laut Salvador Miguel (1987, 365) notiert R die Form „tornada“. 314 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 168: „Dios“. 315 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 168: „francesa“. 316 R notiert die Form „catalana“, vgl. Salvador Miguel 1987, 366. 317 R notiert die Form „mujere ... tenes“, vgl. Salvador Miguel 1987, 367. 318 R notiert die Form „bondat“, vgl. Salvador Miguel 1987, 367. 319 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 168: „faσes“. 115 O cruel napoletana voltada con nueua 320 empreſa eres tornada franceſa non quieres ſer catalhana 321 Si la rueda de uentura nos torna en proſperidat venceremos tu beldat Y la tu grand fermosura fazer tan çeciliana aun que eres calabresa Dexaras de ser françeſa 322 E tornaras de ser catalhana 323 [...] (Juan de Tapia, Canc. de Estúñ. 86r-86v) 324 Und Suero de Riberas preist in dem Gedicht Gentil sennor de centellas die Schönheit der neapolitanischen Damen, dabei wird in den folgenden Strophen zwischen den Damen der einzelnen Seggi 325 unterschieden. Explizit werden der Seggio di Nido (74r) und der Seggio di Capuana (74r) genannt. (3) Gentil ſennor de centellas 326 ved que profia ſoſtengo muchos diσen por do uengo Si ui tan fermoσas bellas Como las napoletanas Yo reſpondoles que ſy Saluo ſeys damas que vi en belleσa ſoberanas [...] (Suero de Ribera, Canc. de Estúñ. 73r) 327 Die Texte des Dichters Carvajal 328 machen den größten Anteil des Cancionero de Estúñiga aus und im Vergleich mit R und V, verfügt M über die größte Anzahl an Gedichten Carvajals. 329 Für insgesamt 42 Texte gilt seine Autorschaft als gesichert, da sie im Manuskript mit seinem Namen, beziehungsweise mit dem Hinweis otra suya (vgl. z.B. 152v) oder del mesmo (vgl. z.B. 320 R notiert die Form „boltada ... nueva“, vgl. Salvador Miguel 1987, 367. 321 R notiert die Form „catalana“, vgl. Salvador Miguel 1987, 367. 322 R notiert die Form „francesa“, vgl. Salvador Miguel 1987, 3667. 323 R notiert die Form „catalana“, vgl. Salvador Miguel 1987, 367. 324 Vgl. Salvador Miguel 1987, 365: Text LIV; Alvar/ Alvar 1981, 167: Text 53. 325 Die Stadt Neapel war seit dem Mittelalter in Seggi eingeteilt, die durch die Mitglieder der einflussreichen Familie vertreten wurden; vgl. De Lutio di Castelguidone 1973. 326 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 149: „Centellas“. 327 Vgl. Salvador Miguel 1987, 317: Text XLII; Alvar/ Alvar 1981, 149: Text 41. 328 Im Cancionero sind seine Texte mit dem Namen Carvajales überschrieben, während in den Gedichten selbst der Namen Carvajal erscheint. Vgl. hierzu Salvador Miguel 1977, 54f. Die Forschung bezeichnet ihn vorwiegend als Carvajal. 329 Vgl. hierzu Scoles 1967, 18f. 116 152r) versehen sind. Vierzehn weitere Gedichte, die keine Kennzeichnung haben, aber im Manuskript zwischen den Gedichten Carvajals stehen, ordnet Salvador Miguel auf Grund stilistischer Kriterien und ihrer Positionierung ebenfalls ihm zu. 330 Die prominente Stellung, die Carvajal innerhalb der Kompilation einnimmt, veranlasste Menéndez y Pelayo dazu, ihn als den „poeta áulico“ von König Alfons zu bezeichnen. Auch aus einem anderen Grund stechen Carvajals Texte unter den restlichen des Manuskripts hervor: In seinen Gedichten ist der inhaltliche Bezug zu Italien besonders stark, vor allem in liebes- und pastorallyrischen Texten werden italienische Landschaften und Städte explizit genannt, so zum Beispiel in PAſſando por la toſcana (Z. 1) oder auch in der Serranilla Acerca roma: (4) Acerca roma VEniendo de la campanna 331 yel 332 ſol ſe retraya vi paſtora muy loçana 333 que su ganado recogia (Carvajal, Canc. de Estúñ. 154r) 334 Ebenso manifestiert sich der spanisch-italienische Kulturkontakt in Carvajals Gedichten auf sprachlicher Ebene. 335 Während die meisten seiner Texte auf Kastilisch verfasst sind, bilden drei aufeinanderfolgende Gedichte (vgl. Folio 152r-153r) eine Ausnahme, da sie teilweise oder vollständig auf Toskanisch verfasst sind, das von Neapolitanismen beziehungsweise meridionalen Dialektismen durchsetzt ist. Dies führte Rayón (1872) zu der Annahme, der Kopist des Cancioneros sei Italiener gewesen: [...] en cuyo texto abundan las equivocaciones, que provienen de estar escrito por un italiano, como lo prueba la composición bilingüe del fólio 152, y aún la misma encuadernación revela evidentemente que está hecha en Italia. (Rayón 1872, XXVIf.) Bei genauer Anaylse zeigt sich jedoch, dass das ‘Italienische’ der Texte eine stark hispanisierende Tendenz aufweist, und somit die Annahme, der 330 Die entsprechenden Texte im Cancionero de Estúñiga sind C-CLVII (1987, 505-638), wobei CXXV nicht von Carvajal, sondern von Fernando de Guevara stammt. Alvar/ Alvar 1981 und auch Scoles 1967 individuieren hingegen insgesamt 51 Texteinheiten im Cancionero de Estúñiga, die Carvajal zugeschrieben werden können. 331 Scoles (1967, 198) transkribiert Campaña, sie und Salvador Miguel 1987, 622 gehen davon aus, dass damit nicht Kampanien sondern das Umland von Rom gemeint ist. 332 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 269: „y[a] el“, R notiert ya el; vgl. Salvador Miguel 1987, 622. 333 R notiert „lozana“; vgl. Salvador Miguel 1987, 622. 334 Vgl. Salvador Miguel 1987, 622: Text CLI; Alvar/ Alvar 1981, 269: Text 147; Scoles 1967, 198: Text XLVI. 335 Vgl. Salvador Miguel 1977, 36: „Cabe aún aducir en nuestro apoyo la geografía italiana de las serranillas de Carvajal; la correcta transcripción del italiano con dialectalismos napolitanos en algunos poemas del mismo autor; los repetidos italianismos gráficos [...].“ 117 Schreiber sei Spanier gewesen, naheliegender ist. Da kein Autograph von Carvajals Texten überliefert ist, kann in den meisten Fällen nicht eindeutig entschieden werden, ob die Unregelmäßigkeiten auf den Kopisten oder den Dichter selbst zurückzuführen sind. Bei der Betrachtung und Untersuchung der Interferenzerscheinungen müssen von Fall zu Fall jeweils beide Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden. Ein Vergleich mit den Notierungen der anderen Manuskripte, den Scoles Edition ermöglicht, gibt zumindest darüber Aufschluss, welche Merkmale möglicherweise auf den Dichter oder zumindest die italienische Überlieferungstradition zurückgehen und welche definitiv dem Kopisten zuzuschreiben sind. Manuel Alvar (1984) nimmt an, dass alle Meridionalismen und Unregelmäßigkeiten in Carvajals Texten auf den Kopisten zurückzuführen sind, da er sie als Fehler in der Überlieferung interpretiert. Dies wird zu überprüfen sein: Los textos que Carvajales escribió en italiano nos han sido transmitidos de manera incorrecta y creo que no todos los errores pueden ser achacados a que tuviera un conocimiento deficiente del italiano. Porque hay crudos hispanismos (micer, meçer, vuestra), falsos italianismos gráficos (cha, pichola) o incertidumbres resueltas con la españolización (vergonya, omne). [...] Carvajales debió aprender un italiano literario, es decir de cuño toscano, pero el copista transcribe con dialectalismos meridionales, concretamente napolitanos. (Alvar 1984, 29) Das erste Gedicht der italienischen Folge, Donde soys gentil galana (vgl. Abb. II, S. 109), das in den Handschriften M und V überliefert ist, wird hier auf Grund seiner mehrsprachigen Verfasstheit wiedergegeben. (5) Caruaiales Donde soys gentil galana 1 Reſpondio manſo 336 et ſyn prieſſa Mja matre he de aduersa Yo, mjçer, napolitana 337 PReguntel ſi era caſada 5 O ſy ſe queria caſar Oy me diſſe eſuenturata hora foſſe amaritar ma la bona uoglia e uana por 338 fortuna he aduerſa, 10 che mia matre he de aduerſa Yo, meçer, napolitana (Carvajal, Canc. de Estúñ. 152r; Kursivierung T.G.) 339 336 Salvador Miguel (1987, 610) weist auf die Funktion als Adverb von manso hin. 337 Die Kommata in V. 4 entsprechen hier wie auch die in V. 12 dem Original. 338 Scoles (1967, 186) schlägt eine Lesart ‘poi’ vor, M und V repräsentieren jedoch „por“. 339 Dies entspricht in V Folio 36r, vgl. Scoles 1967, 186f. Vgl. Salvador Miguel 1987, 610f.: Text CXLVI; Alvar/ Alvar 1981, 266: Text 144; Scoles 1967, 186f.: Text XVI. 118 Der Sachverhalt scheint zunächst eindeutig: Die Sprache des Verehrers ist das Kastilische (V. 1, 2, 5, 6), während die Antworten der Angebeteten ‘italienisch’ sind (V. 3, 4 und 7-12). Die Codewechsel fallen jeweils mit Ende und Beginn einer Verszeile zusammen und in Zeile 7 ist auch die Erläuterung „diſſe eſuenturata“ trotz des hispanisierenden prothetischen e- 340 vorwiegend ‘italienisch’, und dies, obwohl nicht die Dame sondern ihr Verehrer spricht und darüber hinaus der Reim mit „casada“ (V. 5) gebrochen wird. 341 Das bedeutet, dass der Sprachwechsel inhaltlich und stilistisch motiviert und somit wichtiger war, als das Einhalten der metrischen Form. Des Weiteren interpretiert Scoles die Form „foſſe“ (V. 8) als Hispanismus. Es handle sich um einen Optativ, der auf einer Entlehnung der spanischen Form fuese, der 1. Person Singular Imperfekt Konjunktiv des Verbs ir, basiere. Diese Interpretation ist jedoch fraglich, da sp. fuese auch die 1. und 3. Person Singular Imperfekt Konjunktiv von ser sein kann, was der italienischen Form fosse (3. Person Singular Imperfekt Konjunktiv von essere) entspräche. 342 Außerdem existiert im Italienischen die Möglichkeit der Bildung einer unpersönlichen periphrastischen Konstruktion des Typs ‘essere a + infinitiv’, wodurch sich für Vers 8 in etwa folgende Bedeutung ergeben würde ‘jetzt wäre es an der Zeit zu heiraten’. Des Weiteren kann ausgeschlossen werden, dass die eben beschriebenen Unregelmäßigkeiten auf den Kopisten des Cancionero de Estúñiga zurückzuführen sind, denn die Merkmale treten sowohl in M als auch in V auf. 343 Ebenso stimmen die beiden Kodizes in einer Reihe von Merkmalen überein, die die Sprache der Dame betreffen. Diese antwortet auf die Frage nach ihrer Herkunft, sie sei Neapolitanerin und ihre Mutter aus Aversa. 344 Dabei wird sie sprachlich durch wenige, aber auffällige meridionale Dialektismen charakterisiert, die diese ‘Aussage’ gewissermaßen bestätigen. Selbst wenn die Merkmale nicht eindeutig als neapolitanisch oder kampanisch identifiziert werden können, so geben sie der Passage in jedem Fall eine meridionale Färbung: Auf lautlicher Ebene kann beispielsweise der Monophthong in der Form bona (V. 9) an Stelle des toskanischen / uo/ als Neapolitanismus gedeutet werden 345 und den stimmlosen Verschlusslaut [t] in matre (V. 3, 11) interpretiert Scoles (1967, 187) ebenfalls als Meridio- 340 Vgl. Scoles 1967, 187. 341 Vgl. Salvador Miguel 1987, 610 „La forma italiana esuenturata, frente a un posible esuenturada, deshace la rima.“ 342 Siehe auch Alvar 1084, 20. 343 Vgl. dazu vgl. Scoles 1967, 186. 344 Es handelt sich um Aversa in der Provinz Caserta (Kampanien). Scoles (1967, 187) bezeichnet die Schreibweise „aduersa“ als humanistisch etymologisierend. 345 In Raffaele D’Ambras 1873 veröffentlichtem Vocabulario Napoletano-Toscano liest man: „Bona ad. fem. Buona [...]“ (D’Ambra 1969, 85); siehe auch Francesco D’Ascoli 1993, 114: „Bòna agg. femm. di buóno.“ 119 nalismus. 346 Auf semantisch-pragmatischer Ebene können in den Äußerungen der Dame bestenfalls Elemente identifiziert werden, die gesprochene Sprache markieren. Die direkte Anrede „mjçer“ (V. 4) beziehungsweise „meçer“ (V. 12) sowie die Interjektion „Oy me“ sind Indizien dafür. Der Sprachenwechsel in dem Gedicht Carvajals stellt innerhalb der Tradition der spanischen Cancioneros 347 , die im 15. Jahrhundert in Italien entstanden, einen Sonderfall dar. Auch in anderen vergleichbaren Kodizes treten derartige Mehrsprachigkeitsphänomene nicht auf. Weder in den galego-portugiesischen Cantigas de St. María von Alfons X. noch in der provenzalischen Troubadourlyrik, aus deren Tradition auch die kastilischen Cancioneros hervorgingen, noch im Cancionero de Baena (Mitte des 15. Jahrhunderts) 348 , finden sich Sprachwechsel dieser Art. 349 Es besteht also Grund zur Annahme, das Spiel mit dem Sprachwechsel könnte zumindest teilweise durch die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola motiviert gewesen ein. Zuletzt sei noch auf zwei Auffälligkeiten in Carvajals Donde soys gentil galana (Z. 5) hingewiesen, welche auf Interferenzen mit dem Spanischen zurückzuführen sind: In der Form „por fortuna“ (V. 10) ist die Präposition por anstelle von Toskanisch per in jedem Fall als Hispanismus zu bewerten, selbst dann, wenn man wie Scoles davon ausgeht, dass es sich um einen Schreibfehler handelt und eigentlich ‘poi’ gemeint ist, zumal diese Form in beiden Manuskripten erscheint. 350 Die graphische Realisierung he der 3. Person Singular Präsens Indikativ des Verbs essere (V. 3 und 11), die ebenso in den Gedichten 6 und 7 erscheint, weist auf eine Interferenzerscheinung beziehungsweise eine hispanisierende Schreibweise hin. 351 In der Entwicklung vom Lateinischen zum Spanischen erfolgte der Schwund von wortinitialem / f/ über / h/ hin zu ø, gleichzeitig blieb jedoch in manchen Wörtern ein graphischer Rest herhalten. So entwickelte sich zum Beispiel das lateinische Verb FACERE zu fazer, wobei für das 15. Jahrhundert auch die For- 346 Manuel Alvar (1984, 17) geht hingegen davon aus, dass es sich um eine Hyperkorrektur des Kopisten handelt. 347 Zur Entstehung und Verbreitung der Cancionero-Tradition in Spanien, vgl. Le Gentil 1980; siehe auch Salvador Miguel 1977, 7-14. 348 Vgl. Le Gentil 1980, 310: „El Cancionero de Baena es el primer monumento de la líricia castellana. Hasta entonces los trovadores peninsulares se expresaban únicamente en galaico-portugués [...].“ 349 Eine Parallele besteht zu der Liebeslyrik, die im arabisch dominierten Andalusien auf der Iberischen Halbinsel entstand. Der Fall ist bekannt: In den Muwašša ḥ at wird die Angebetete in klassischem Arabisch oder Hebräisch besungen, während die Ḫ ar ǧ a, die Antwort der Geliebten, auf Mozarabisch verfasst ist; vgl. Frenk 1986, 11-13 und 35-40. 350 Vgl. Scoles 1967, 186. 351 Vgl. hierzu Alvar 1984, 18. Scoles eliminiert diese Schreibweise in den meisten Fällen und ersetzt sie durch die moderne Graphie è; vgl. Scoles 1967, 186-190. 120 men hazer und hacer belegt sind. 352 Bei Wörtern, deren lateinische Etyma mit hanlauteten, fiel dieses in der Regel bereits im Altkastilischen aus (lat. HABĒRE > akast. aver) und wurde erst im 18. Jahrhundert durch die Real Academia Española restituiert (sp. haber). Im Fall des lateinischen Verbs HA - BERE blieb in den schwachen Formen 353 , welche in den analytischen Tempusformen des Kastilischen (Futur, Konditional und perfecto compuesto) die Position des Auxiliars besetzen, jedoch das initiale hrelativ konstant erhalten. Für die Form der 1. Person Singular Präsens ist durchgehend die Schreibweise mit h-, also he neben e dokumentiert. 354 Es besteht also die Möglichkeit, dass der Schreiber des Kodex durch die lautliche Interferenz mit der Form he des spanischen Hilfsverbs aver das hals Hyperkorrektur an die flektierte Form des italienischen Verbs essere anfügte. Des Weiteren beinhaltet der Cancionero zwei Gedichte Carvajals (152r- 153r), die vollständig auf ‘italienisch’ verfasst sind und in höherem Maße sprachliche Unregelmäßigkeiten aufweisen. Zunächst ging man davon aus, dass es sich um eine meridionalisierte Varietät der ‘lengua letteraria toscana’ handle. Eine systematische Analyse auf der Basis der graphischen Darstellung kann jedoch zeigen, dass die Interferenzerscheinungen mit dem Spanischen die Meridionalismen eindeutig überwiegen. (6) Del meſmo Tempo ſerrebe 355 horamay 1 amor chio te laſſaſſe poi non ape may Coſa che deſyderaſſe 356 DE lo ingrato modo tuo 5 he uergonya 357 et faſtidio 352 Im CORDE der Real Academia Española finden sich zwischen 1400 und 1500 für <fazer> 29793 Einträge in 2087 Dokumenten, für <hazer> 6004 Einträge in 305 Dokumenten und für <hacer> 1098 Einträge in 91 Dokumenten; vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 353 Die schwachen Auxiliarformen sind (h)e, (h)as, (h)a, (h)emos, (h)edes, (h)an, während im Altkastilischen die starken Formen von aver, also (h)e, aves, ave, avemos, avedes, aven als Vollverb funktionieren konnten, vgl. Penny 2000. 354 Für die Schreibweise <he> ergibt eine Suche im CORDE für den Zeitraum von 1100 bis 1200 ein Resultat von 54 Treffern in 6 Dokumenten; zwischen 1200 und 1300 finden sich 2406 Belege in 426 Dokumenten von 1300 bis 1400 stößt man auf 3931 Treffer in 452 Dokumenten und von 1400 bis 1500 auf 7094 Treffer in 888 Dokumenten; vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 355 Scoles (1967, 188) transkribiert korrigierend „sarebbe“ und vermerkt, dass M „serrebe“ transkribiert. 356 Die getrennte Schreibweise „desy derasse, die Salvador Miguel (1987, 612) in M erkennen will, konnte anhand des Manuskripts nicht nachvollzogen werden. 357 V notiert „vergonia“, vgl. Salvador Miguel 1987, 612. 121 perche uoglio ēer 358 ſuo di 359 chi non uole eſſer mio ma ſy me parto uidiray 360 que piu toſte me amaçaſſe 361 10 che uolerte ueder 362 may Sy mjlle uolte me machiamaſſe 363 . (Carvajal, Canc. de Estúñ. 152r-152v; Kursivierung T.G.) 364 (7) Otra suya Non credo que piu grand doglia 1 dui amanti poczan patere che ēer ambe duna uoglia e reſtar de non potere PEreche quando la eſperança 5 he piu preſſo al fin uenire Omne pichola tardança he piu pena che morire amor me ueste et poy mi ſpoglia La fortuna per maluolere 10 Cha ſymo ambe duna uoglia E reſta per non poter (Carvajal, Canc. de Estúñ. 152v; Kursivierung T.G.) 365 Im ersten Gedicht (Z. 6), das insgesamt weniger Auffälligkeiten als das zweite (Z. 7) aufweist, lassen sich einige Besonderheiten in der graphischen Repräsentation von Lauten beobachten, die als spanische Interferenzerscheinungen gewertet werden können. In beiden Texten erscheint, wie schon in Zitat 5, die Form he für die 3. Person Singular Präsens Indikativ des Verbs essere (Z. 6: V. 6; Z: 7: V. 6, 8). Ein weiteres hispanisierendes Merkmal ist die häufige, jedoch unsystematische Darstellung des Lautes / i/ mit dem Graphem <y> (Z. 6: V. 1, 3, 9, 11; Z. 7: V. 9, 11, 14). Dabei treten sogar Variationen innerhalb gleicher Kontexte auf. So findet sich zum Beispiel 358 Vgl. Alvar/ Alvar (1981, 266) notieren irrtümlicherweise „esser“, obwohl die korrekte Kursivierung der Ergänzung „esser“ wäre. 359 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 266: „de“. Auch hier liegt ein Irrtum der Herausgeber vor. 360 V notiert „vidiray“, vgl. Salvador Miguel 1987, 612. 361 V notiert „amazasse“, vgl. Salvador Miguel 1987, 612. 362 V notiert „volerte veder“, vgl. Salvador Miguel 1987, 612. 363 Laut Salvador Miguel 1987, 612 notiert V „me chiamasse“, dementsprechend notieren auch Alvar/ Alvar 1981, 266: „<ma>chiamasse“. Scoles hingegen gibt an, dass sowohl M als auch V „me machiamasse“ notieren. 364 Vgl. Salvador Miguel 1987, 612f.: Text CXLVII; Alvar/ Alvar 1981, 266: Text 144; Scoles 1967, 190: Text XLIII. 365 Vgl. Salvador Miguel 1987, 614f.: Text CXLVIII; Alvar/ Alvar 1981, 267: Text 145; Scoles 1967, 190: Text XLIII. 122 neben der Schreibweise poi (Z. 6: V. 3) im zweiten Text die Form poy (Z. 7: V. 9,11). Ebenso ist das anlautende, prothetische [e] in eſperança (Z. 7: V. 5) als Hispanismus zu bewerten. Ebenso kann die spanische Schreibweise der Konjunktion que (Z. 6: 10; Z. 7: 1) neben che (Z. 6: V. 2, 11; Z. 7: V. 3) als Hispanismus gelten. Auch die pronominale Form des direkten Objekts me ist spanisch und steht in Zitat 7 (V. 9) direkt neben dem italienischen Äquivalent mi. In Zitat 7 gibt Vers 7 „Omne pichola tardança“ ein Rätsel auf: Die lateinische Form omne steht für die italienische Form ogni. Im Fall von pichola ist nicht eindeutig, ob die Grapheme <ch> vor dem mittleren Vokal [o] ein [k] oder ein [t∫] repräsentieren sollen, wobei [k] die wahrscheinlichere Lautung ist, zumal auch in Cha (V. 11), das dem italienischen ca entspricht <ch> den Laut [k] repräsentiert. Da in V und M die gleichen Varianten zur Darstellung des Lautes [k] vor hohem beziehungsweise mittlerem und tiefem Vokal erscheinen, zeichnete wohl nicht allein der Kopist des Cancionero de Estúñiga dafür verantwortlich. Das mit eſperança (Z. 7: V. 5) reimbildende Wort tardança, das im Italienischen zwar potenziell existiert, für das Toskanische aber eher unüblich ist, könnte durch die Überlagerung mit dem Spanischen in den Vordergrund getreten sein. Auf Grund der reimbildenden Funktion von tardança, ist in diesem Fall jedoch das Einwirken des Kopisten kategorisch auszuschließen. Weitere Unregelmäßigkeiten, die nicht nur die graphische Darstellung sondern auch die Lautung einiger Vokale betreffen, wäre zum Beispiel der thematische Vokal [e] in ſerrebe (Z. 7: V. 1), der hier etymologisierend anstelle von [a] steht, wie es dem Toskanischen entspräche (sarebbe). Wie Alvar feststellt, ist diese Abweichung auf die Unsicherheit des Kopisten von M und den Einfluss des Spanischen zurückzuführen, ebenso wie auch die Schreibweise <rr> anstelle von einfachem <r> und einfachem <b> für die geminierte Form. 366 Anders verhält sich die Form uidiray (Z., 7: V. 9), die anstelle eines [e] in der ersten Silbe (tosk. vedrai) den hohen Vokal [i] notiert und mit dem zweite -ieine zusätzliche Silbe enthält. Scoles spricht von einer „tendenza dialettale“ (1967, 189), da im Altneapolitanischen in der Futurform die Silbe, in der der thematische Vokal steht, in der Regel erhalten blieb. 367 Alvar hingegen bezeichnet dies als eine „forma deturbada“, die keinesfalls auf den Dichter zurückgehen könne. 368 Dem muss widersprochen werden, denn es ist naheliegend, dass tatsächlich ein dialektales Element vorliegt. Ebenso kann auch die monophthongierte Form uole (Z. 7: 366 Vgl. Alvar 1984, 21. 367 Vgl. Ledgeway 2009, 420: „Il futuro napoletano deriva da una combinazione dell’infinito e del presente di avere, per cui ci dovremmo aspettare una triplice distinzione morfologica in base alla vocale tematica [...].“ Man könnte von einer neapolitanischen Form viderrai ausgehen, die auf die Form uidiray zurückgeht, vgl. auch Alvar 1984, 23. 368 „[...] en buena lógica hay que pensar que el autor escribiría vidrai, a la manera toscana, pero el amanuense puso, según el modo napolitano, vidiray“ (Alvar 1984, 29). 123 V. 8) anstelle von tosk. vuole als Meridionalismus gewertet werden und da in beiden Fällen die Formen sowohl in V als auch in M dokumentiert sind, besteht die Möglichkeit, dass sie auf Carvajal oder zumindest auf den ‘Urtext’ zurückgehen. Besonders auffällig verhält sich die Form ape (Z. 6: V. 3). Bislang wurde keine plausible Erklärung für die morphosyntaktische Funktion dieser Form gefunden. Geht man davon aus, dass die Zeitenfolge in den Versen 1 bis 4 korrekt ist, dann müsste ape analog zu ſerebbe eine Konditionalform von avere repräsentieren. Daraus würde sich folgende Bedeutung ergeben: ‘Es wäre nun schon an der Zeit, meine Liebe, dich zu verlassen, dann gäbe es nichts mehr, was ich ersehnen müsste.’ Allerdings finden sich weder im Toskanischen (abbia) noch im Spanischen (averia oder avria) lautlich ähnliche Konditionalformen des Verbs avere beziehungsweise aver. Für das Neapolitanische sind die Konditionalformen avarria (3. Pers. Sg.) neben haverian 369 (3. Pers. Pl.) und auch apperi (2. Pers. Sg.) dokumentiert. Letztere Form, deren Stamm mit dem der Form ape bis auf den Doppelkonsonant identisch ist, ist in Boccaccios Epistola Napoletana (ca. 1339) belegt. 370 Allerdings finden sich keine Belege für die 1. oder die 3. Person Singular. Manuel Alvar schlägt vor, die Form ape stehe für abbi, also für die zweite Person Singular Imperativ Präsens. Scoles hingegen kommentiert: […] mentre la forma ave per la terza persona singolare del passato remoto del verbo avere è comune ai testi napoletani dell’epoca [...], la forma appe per la prima persona non figura, a mia conoscenza, se non in testi calabresi. (Scoles 1967, 189) Plausibel scheint eine Interpretation, die davon ausgeht, dass in ape eine hybride Form vorliegt, welche entweder auf einen Transkriptionsfehler des Kopisten zurückgeht oder bereits in dem Text enthalten war, der den Manuskripten M und V zugrunde liegt, und in diesem Fall sogar vom Dichter selbst stammen kann. Manuel Alvar, der konsequent von einer „mala lectura, o más bien, una mala audición del escriba“ (Alvar 1984, 2) ausgeht, kann in diesem Punkt nicht Recht gegeben werden, denn auch diese Abweichungen sind in beiden Manuskripten überliefert. Lautlich stimmt die Form ape am ehesten mit der Form appe (3. Pers. Sg. des passato remoto del modo indicativo) überein, die Adam Ledgeway für das Neapolitanische in Texten des 13., 14., 16. und 17. Jahrhunderts dokumentiert. 371 Eine mögliche Erklärung für die Form in Carvajals Gedicht wäre also eine Interferenz mit einer Verbform des Neapolitanischen bei nicht korrektem Tempusgebrauch. Ein weiterer Meridionalismus beziehungsweise Neapolitanismus 369 Vgl. Ledgeway 2009, 428. 370 Vgl. Ledgeway 2009, 426. 371 Vgl. Ledgeway 2009, 413. 124 liegt in „cha symo“ (Z. 7: V. 11) vor. 372 Da dieses Element in beiden Cancioneros überliefert ist, könnte es ebenfalls auf Carvajal zurückgehen. Manuel Alvar (1984) geht davon aus, der Dichter habe ein „italiano literario [...] de cuño toscano“ (Alvar 1984, 29) erlernt und führt die dialektalen Merkmale deshalb auf den Kopisten zurück. Carvajal hatte sich jedoch lange Zeit in Neapel aufgehalten und somit gibt es keinen ersichtlichen Grund, weshalb die meridionale Prägung der Texte nicht vom Dichter selbst stammen sollte. Schließlich sei eine Texteinheit auf Folio 153r wiedergegeben, deren Status kontrovers diskutiert wurde. Rayón (1872), Alvar/ Alvar (1981) und Alvar (1984) setzen zwei unabhängige Texteinheiten an, während Salvador Miguel (1987) und Scoles (1967) sie als Strophen des vorausgehenden Gedichtes Non credo que piu grand doglia (152v) interpretieren. 373 (8) ADio madama adio madea 1 poy uueſtra ira a coſy 374 me trata Porche digo ingrata patria non poſſidebis oſſa mea PVes perdi quanto ſervi 5 con amor et con lealtad que fare triſte de mi Con amor tan ſyn uerdat quien de uos mas ſe arrea Peor ſu uida barata 10 Porque digo ingrata patria non poſſidebis oſſa mea (Carvajal, Canc. de Estúñ. 153r; Kursivierung T. G.) 375 Die auf der Ebene der Graphie beobachtbaren Interferenzerscheinungen mit dem Spanischen seien nur kurz erwähnt, da einige bereits besprochen wurden, so zum Beispiel das Graphem <y> für / i/ (Z. 8: V. 2). Auch der Diphthong / ue/ in uuestra (Z. 8: V. 2) anstelle von tosk. / o/ kann als Interferenz gedeutet werden. Die Form porche statt perche (Z. 8: V. 3) stellt ebenfalls einen Hispanismus dar, wobei der Schreiber zwar die im Toskanischen üblichen Grapheme <ch> zur Darstellung des Lautes / k/ wählte, die Wortform letztlich auf Grund der ersten Silbe <por-> jedoch als spanisch gelten muss. Darüber hinaus lassen sich in dem Gedicht mehrere Sprach- 372 Ledgeway (2009, 382) belegt für die 1. Person Plural im Präsens Indikativ im Altneapolitanischen die Formen si(m)mo und se(m)mo. 373 Vgl. Salvador Miguel 1987, 614: „Salvo la separación normal de folios, no existe en M, entre este y el siguiente poema, ninguna indicación de que se trate de dos piezas diversas.“ 374 Vgl. Alvar/ Alvar 1981, 267: „<a> cosy“. V notiert „poi vuestra ira acosi“; R notiert „pues vustra yra asi me trata“, vgl. Salvador Miguel 1987, 616. 375 Vgl. Salvador Miguel 1987, 616f.: Text CXLIX; Alvar/ Alvar 1981, 267: ein Teil von Text 145; Scoles 1967, 192: Text XLIV. 125 wechsel beobachten: Zunächst einmal sind die Verse 1 bis 3 auf Toskanisch verfasst, die Verse 6 bis 10 hingegen sind spanisch. Hinzu kommt jeweils in den Zeilen 4 und 5 sowie 11 und 12 der lateinische Satz „ingrata patria / non possidebis ossa mea“, den Scoles als Reminiszenz an Scipio Africanus identifiziert: ‘Ingrata patria ne ossa quidem mea habes’ è la dicitura che Scipione l’Africano avrebbe chiesto nel testamento per la sua tomba. Valerio Massimo è probabilmente il tramite di diffusione in Spagna della frase, divenuta seguito porverbiale […] (Scoles 1967, 193) Die Wechsel von einer Sprache in die andere sind in mancher Hinsicht anders zu bewerten als die in Zitat 5. Zunächst werden die einzelnen Sprachen nicht zur Charakterisierung von Personen eingesetzt, zum anderen bildet der lateinische Satz die Überleitung vom Italienischen zum Spanischen. Die beiden switches vom Italienischen beziehungsweise Spanischen ins Lateinische sind ‘unauffällig’ gestaltet, da ingrata patria in allen drei Sprachen existiert. Es besteht kein Zweifel, dass die Sprachwechsel in den Zitaten 5 und 8 auf den Dichter selbst zurückgehen, zumal der wechselnde Gebrauch der Sprachen Latein, Italienisch und Spanisch die Form und den Inhalt des Textes maßgeblich gestaltet und modelliert. Zwar ist die Mehrsprachigkeit in den Gedichten des Cancionero de Estúñiga weniger von Stereotypen geprägt, dennoch lässt sich in den Texten, die auf Grund ihrer mehrsprachigen oder ‘italienischen’ Verfasstheit hervorstechen, zumindest eine Tendenz zur Bildung von Sprachmustern beobachten: Der gleichzeitige oder abwechselnde Gebrauch verschiedener Sprachen sowie der mühelose Wechsel vom Toskanischen ins Spanische und zurück, zeugt von einem hohen Grad an zwei- oder mehrsprachiger Kompetenz des Dichters. Streng genommen findet in den Texten des Cancionero de Estúñiga keine metasprachliche Reflexion statt. Indirekt beinhalten die Gedichte dennoch Aussagen und Bewertungen über die Mehrsprachigkeit. Allein die Tatsache, dass Carvajal im Stande war, in einem Gedicht den Wechsel zwischen Spanisch, Italienisch und Latein als stilistisch-ästhetisches Element einzusetzen, ist ein Indiz für die Sensibilität des Dichters, mit der er die ihn umgebende sprachliche Situation am neapolitanischen Hof erfasste. Carvajal konnte sich sicher sein, dass man an den süditalienischen Höfen über die notwendigen sprachlichen Kompetenzen verfügte und an seinem Sprachspiel Gefallen fand. Die sprachlichen Besonderheiten und Auffälligkeiten in Carvajals ‘italienischen’ Gedichten können nicht immer eindeutig zugeordnet werden und häufig besteht keine Klarheit darüber, welche Unregelmäßigkeiten auf den Dichter, auf den Urtext oder auf die einzelnen Kopisten zurückzuführen sind. Dennoch beweisen gerade die Übereinstimmungen in den drei Manuskripten, dass die lexikalischen, morphologischen und lautlichen Interferenzen sowie die code-mixing-Phänomene (vgl. Z. 6 und 7) kein Hin- 126 dernis für das Textverständnis darstellten und dass derartige Phänomene in der frühen Italia Spagnola verbreitet waren. Die Tatsache, dass Carvajal Texte in einem südlich gefärbten Toskanisch verfasste, ist ein Beleg dafür, dass das italienische Referenzmodell, das für die spanischen Dichter am neapolitanischen Hofe relevant war, nicht das der toskanischen Puristen war. In Zitat 5 wird deutlich, dass der Dichter sogar gezielt meridionale Merkmale einsetzte, um die Herkunft einer Person durch ihre Sprache zu unterstreichen. Aus diesem Grund ist Manuel Alvars These, Carvajal habe ausschließlich in reinem Toskanisch geschrieben, welches durch den Kopisten des Cancionero de Estúñiga verfälscht überliefert wurde, nicht haltbar. Auch wenn Carvajals Gedichte keine metasprachlichen Äußerungen enthalten, so diskursivieren die zitierten Texten (Z. 5-8) doch das Sprachbewusstsein eines Autors literarischer Texte (vgl. Kapitel 3.2). Außerdem lässt sich beobachten, dass in der Literaturproduktion bereits in aragonesischer Zeit das Kastilische - und nicht etwa das Katalanische - das dominierende iberische Element war, weil dies die Sprache war, die der Vizekönig förderte (vgl. Kapitel 2.2). Des Weiteren beweisen die Texte, dass man an den Höfen der Italia Spagnola ‘Italienisch’ und Spanisch beherrschte und sprachlicher Pluralität im literarisch-lyrischen Rahmen gegenüber aufgeschlossen war. 4.1.2 Per dirlo a la spagnuola - Luigi Tansillos poetisches Spiel mit der Sprachmischung In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als Don Pedro de Toledo das Reino de Nápoles regierte, tritt am neapolitanischen Hof ein Dichter in Erscheinung, der für die literarische Produktion in der Italia Spagnola in mancher Hinsicht von Bedeutung ist. Der 1510 in Venosa 376 geborene Luigi Tansillo war Hofpoet des spanischen Vizekönigs und ein wichtiger Zeitzeuge der Geschehnisse im Königreich Neapel. Darüber hinaus nimmt der Autor, dessen Repertoire neben lyrischen, panegyrischen und satirischen Gedichten auch zwei Lehrgedichte, ein religiöses Gedicht sowie eine Ekloge umfasst 377 , in einigen Texten Bezug auf die Mehrsprachigkeit am Hof und im 376 Venosa liegt heute in der Region Basilikata. Zur Biographie Tansillos vgl. González Miguel 1979, 21-35; Rubino 1996, 15-110; Milburn 2003, 1-2; Boccia 2008, 4-5. 377 Die Liste mit Tansillos Werken umfasst die Pastoralekloge I due Pellegrini, die Gedichte Il Vendemmiatore, Stanze a Bernardino Martirano und Cloride sowie die Lehrgedichte La Baila und Il Podere, das religiöse Gedicht Le Lagrime di San Pietro (vgl. Tansillo 2012), die Capitoli giocosi e satirici (vgl. Tansillo 2010) und einen Canzionere bestehend aus Sonetten, Canzonen, Madrigalen und Capitoli amorosi; vgl. Rubino 1996, 113. Siehe auch die von Toscano/ Milburn/ Pestario herausgegebenen Rime (= Tansillo 2011). Tansillos erster großer Erfolg war das 1532 verfassten Gedicht Il Vendemmiatore, in dem er die sinnliche Liebe preist; vgl. González Miguel 1979, 26. Jacopo Carafa, dem das Schriftstück gewidmet war, ließ handschriftliche Kopien des Textes kursieren und 1534 erschien in Neapel die erste gedruckte Version in den Stanze di cultura sopra 127 Soldatenmilieu. Luigi Tansillo, der zuvor an verschiedenen süditalienischen Adelshäusern gedient hatte, wurde 1536 378 in das Gefolge von Don Pedro de Toledo als continuo 379 aufgenommen. Dieses ehrenvolle Amt verpflichtete ihn, den Vizekönig ständig (‘continuamente’) zu begleiten „tanto en la guerra como en la paz, sin que pudiera alejarase del palacio sin permiso del virrey“ (González Miguel 1979, 26). Die continui am vizeköniglichen Hof, zu denen unter anderem auch der spanische Dichter und Soldat Garcilaso de la Vega gehörte 380 , bildeten eine hundert Mann starke Ehrengarde, die sich zu einer Hälfte aus Spanier und zur anderen Hälfte aus regnicoli zusammensetzte. 381 Tansillo stieg rasch zum ersten Dichter am Hof auf 382 und verfasste zahlreiche panegyrische Huldigungen an den Vizekönig und dessen Familie. Neben seiner literarischen Tätigkeit war Tansillo auch zum Dienst im spanischen Heer verpflichtet und begleitete Don Pedro Álvarez de Toledo und dessen Sohn Don García, der Kapitän der neapolitanischen Flotte war, auf mehreren Feldzügen. So verteidigte er an der Seite des Vizekönigs 1537 Otranto gegen die Türken, nahm ein Jahr später an der Expedition in die Ägäis teil und kämpfte 1541 unter Karl V. in dem für Spanien desaströs endenden Algerienkreuzzug. Die Verbindung von militärischem und literarischem Dienst war im 16. Jahrhundert an den spanischen Höfen üblich und Tansillos Karriere stellte aus iberischer Sicht keinen Sonderfall dar. 383 Bis zu Don Pedros Tod (1553) blieb Tansillo in dessen Dienst, später verdingte er sich am Hof von Don Fernando de Toledo, dem Herzog von Alba, und wurde 1563 zum Gouverneur von Gaeta ernannt. 1568 starb Luigi Tansillo in Teano, der Heimatstadt seiner Gattin Luisa Puccio. gli horti de le donne, stampate nuouamente; vgl. Rubino 1996, 125. Weitere gedruckte Auflagen folgten 1537, 1538, 1539, 1546. Dieser Erfolg wurde Tansillo zum Verhängnis, denn Il Vendemmiatore wurden 1559 auf Grund seines erotischen Inhalts auf den Index librorum prohibitorum gesetzt und dem Dichter wurde für einige Zeit die Druckgenehmigung entzogen; vgl. González Miguel 1979, 360; Rubino 1996, 125; Milburn, 2003, 2. Zur „Poesia satirica e giocosa“ im 16. Jahrhundert vgl. Romei 1998. Zur Satire im 16. Jahrhundert vgl. Könneker 1991, insbesondere 11-33. 378 Vgl. González Miguel 1979, 28. Milburn (2003, 2) hingegen verweist auf das Jahr 1535. 379 Vgl. Hernando Sánchez 1994, 468: „Uno de los principales sectores de la corte era de los cargos militares, encargados de la custodia personal del representante del monarca: los ‘contínuos’, un cuerpo de élite de lejanos precedentes españoles y napolitanos, al que pertenecerán algunos de los principales agentes culturales de Pedro de Toledo, como el propio Garcilaso de la Vega o Luigi Tansillo [...].“ 380 Vgl. Hernando Sánchez 2001, 500. Carmine Boccia nimmt an, Garcilaso habe den Kontakt zwischen Tansillo und dem spanischen Vizekönig hergestellt; vgl. Boccia 2008, 171. 381 Vgl. u.a. Croce 1917, 151. 382 Vgl. González Miguel 1979, 36. 383 Vgl. Milburn 2003, 2: „[…] Tansillo in this respect is closer to his Iberian than to his Italian contemporaries, more frequently employed as secretaries or ambassadors.“ Siehe auch Boccia 2008, 6. 128 Nach seiner Ankunft in Neapel schloss sich Tansillo bald einer Gruppe von Gelehrten und Künstlern an, die sich an den Höfen der Dichterin und Markgräfin von Pescara, Vittoria Colonna d’Avalos, in Ischia und Neapel versammelten. 384 Diesem Kreis gehörten unter anderem die neapolitanischen Humanisten Jacopo Sannazaro, Antonio Minturno, Bernardino Rota sowie Marc’Antonio Epicuro an. Des Weiteren stand Colonna in Verbindung mit Baldassar Castiglione 385 , Giovan Giorgio Trissino, Ludovico Ariost und Pietro Bembo. In diesen Jahren verfasste Tansillo einen Canzoniere 386 , der - den Konventionen der Zeit entsprechend - petrarkistisch angelegt war. Was hingegen das sprachlich-stilistische Programm betrifft, verfolgte der Dichter innovative Ansätze und nahm damit eine typisch ‘neapolitanische’ Haltung bezüglich der Questione della lingua ein. 387 Tendenziell favorisierten die neapolitanischen Humanisten weder Bembos 388 Modell einer Literatursprache, das an den literarischen Autoritäten des toskanischen Trecento orientiert war, noch das einer lingua cortigiana oder lingua comune, wie Trissino vorgeschlagen hatte. 389 Benedetto di Falco, von dem auch die Descrittione dei luoghi antiqui di Napoli, e del suo amenissimo distretto (1535) stammt (vgl. Kapitel 2.2), betont in seinem Rimario (1535), dass die Notwendigkeit bestehe, eine gemeinsame italienische Literatursprache zu schaffen. Da aber bislang noch kein Konsens über die Eigenschaften und Qualitäten einer lengua comune bestehe, müsse man vorerst auf das Toskanische der Autoren des Trecento zurückgreifen, da dieses für literarische Zwecke am besten geeignet sei. 390 In dieser Hinsicht schließt er sich Bembo an. 384 Zu Vittoria Colonnas Leben und Werk vgl. u.a. Wyss 1916 und Calabrese 1984/ 1990. 385 Castiglione vertraute der Gräfin eine erste Version des Libro del Cortegiano an; vgl. Castiglione 1987, f.: „Ritrovandomi adunque in Ispagna ed essendo di Italia avvisato che la signora Vittoria Colonna, marchesa di Pescara, ala quale già feci copia del libro, contra la promessa sua ne avea fatto transcrivere una gran parte, non potei non sentirne qualche fastidio [...] In ultimo seppi che quella parte del libro si trovava in Napoli in mani di molti.“ 386 Vgl. die Ausgabe von Erasmo Pèrcopo 1996 (= Tansillo 1996). 387 Neapolitanische Beiträge zur Questione della lingua waren Benedetto di Falcos Rimario (1535) und seine Dichiaratione de molti luoghi dubbiosi d’Ariosto, e d’alquanti del Petrarca (1539), Fabrizio Lunas Vocabulario di cinquemila vocabuli toschi non men oscuri che utili e necessarij del Furioso, Bocaccio [sic! ], Petrarcha [sic! ] e Dante […] (1536) sowie Marcantonio Carlinos La grammatica volgar dell’Atheneo (1533); vgl. Milburn 2003, 111. 388 Zur Rezepion der Prose della volgar lingua in Neapel vgl. u.a. Sabbatino 1986 und Bongrani 1989. 389 Vgl. Boccia 2008, 9: „[…] occorre anche aggiungere la tipicità propria del Regno di Napoli e dei suoi letterati che, per condizioni storico-sociali, non solo oppose una certa resistenza alla dominante ideologia del petrarchismo bembiano, ma fece sì che la stessa scrittura poetica diventasse un avvenimento per lo più personale, ben lontana dai risvolti sociali che si riscontravano nelle corti del centro-nord della penisola.“ 390 Vgl. hierzu auch Milburn 2003, 112. 129 Ma anchora che molto uario & dissorme è in Italia stessa lo parlare, per le contrade, e paesi di quella. Et cosi ho giudicato essere necessario in questa uariatione, o usarsi una lingua propria d’un paese, o ueramente se si sapesse, seguirsi quella che fosse comune ad Italia. [...] Ma perche nel parlare Italiano ritrouata non è anchora (quantunque molto ricercata) una forma di comune lingua. Tra tutte le uarie, non ho dubitato a gran fatto delle molte fauelle d’Italia, una douersene seguire, da chiunque, o parla, o scriue, mentre che non si ritroua la ragione certa d’una lingua comune. Et poscia che a nessuna contrada d’Italia, fuor di Toscana, avenne infin a qui di essere stata celebrata la propria fauella con nobili scritti da alcuno gentile ingegno. Et nella Toscana lingua t-to si è scritto, & cõtanta eloqu ẽ tia, vaghezza, & leggiadria, ne è scrittore alcuno Italiano, che questa lingua non sommamente istime. Perciò che haue nel comincare, & nella fine alcuni modi losinghevoli, vaghi, adorni, di che l’altre lingue son priue. (di Falco 1535, bIIr-v) Letztlich erweist sich di Falcos Modell als eklektische Sammlung verschiedener Theorien, denn an anderer Stelle widerspricht er Bembo und prangert dessen Unterscheidung zwischen Prosa- und Poesiewortschatz als übertriebene Pedanterie an. 391 Andererseits befürwortet er die Latinisierung volkssprachlicher Ausdrücke, da Latinismen jedem Text einen edleren Charakter verleihen würden. 392 Neologismen und Regionalismen gegenüber ist er aufgeschlossen und positioniert sich diesbezüglich in Castigliones Nähe, dem er jedoch an anderer Stelle widerspricht, indem er dessen Ideal des Schreibens im stilus planus kritisiert. 393 Schließlich legt di Falco dem Hauptteil des Rimario, der aus einer kommentierten Vokabelliste besteht, nicht nur Dantes, Petrarcas und Boccaccios Werke zugrunde, sondern inventarisiert den Wortschatz von insgesamt zehn Autoren, deren Sprachgebrauch er als nachahmenswert empfiehlt: Questi dico che sono diece. Tre nominati nel proemio, Petrarcha, Dante, & Bocaccio. Et sett’altri, cioè Ariosto, Pulci, Sannazzaro, Bembo, Landino, Macchiauelli, è’l cortegiano. A quale Muse logaro tutt’el paese d’Italia a coltiuarlo. (di Falco 1535, cIr-v) Di Falco empfiehlt des Weiteren den Gebrauch von ‘voci nuove’. 394 Darunter verstand man Formen, die nicht durch die Tre Corone legitimiert waren. Der Gebrauch eben dieser voci nuove ist auch ein wesentliches Merkmal des 391 Vgl. Milburn 2003, 113. 392 Vgl. di Falco 1535, HVIIv: „[...] e non dimeno son lepidißimi da usare in qualunque stile quantunque alto, sendo quelli latini e comuni, ch’anchor ch’un uocabolo si possa dire Toscanamente, potendosi quel medesimo dir latino è di maggior eccellenza, per la maesta, & autorita dela lingua latina, ne la quale sono molti uocaboli significantißimi [...].“ 393 Vgl. Gauger 1986 und Koch 2003, 110. Siehe auch Kapitel 5.1.2. 394 Vgl. hierzu Milburn 2003, 108-148. 130 sprachlich-stilistischen Programms von Tansillos Canzoniere. 395 Erika Milburn, die 405 seiner Gedichte untersuchte, konnte insgesamt 1103 voci nuove identifizieren: Tansillo’s substantial use of voci nuove in his lyric production provides confirmation that the eclectic position generally in Naples with respect to the questione della lingua did not remain confined in the realms of theory. In a corpus of 405 poems, the poet uses a total of 1103 words not found in Petrarch’s RVF, representing an increase of roughly a third. (Milburn 2003, 127) Auch Tansillo, der sich nicht ausschließlich an Bembo orientierte, sondern in seinen Kanzonen und Sonetten ein innovatives Modell einer toskanischen Literatursprache umsetzte, steht repräsentativ für die eklektische Haltung der neapolitanischen Sprachtheoretiker im 16. Jahrhundert. Durch den Gebrauch der ‘voci nuove’ positionierte sich der Dichter, den man als undogmatischen aber traditionsbewussten Petrarkist 396 schätzte, im Rahmen der Questione della lingua zwar innovativ, dennoch blieb er der Tradition der Gattung verhaftet und verfasste den Canzoniere auf Toskanisch, das er - im Gegensatz zum Lateinischen 397 - sehr gut beherrschte. Zwischen 1537 und 1568 schrieb Tansillo am vizeköniglichen Hof in Neapel die Capitoli giocosi e satirici 398 , die zahlreiche Interferenzen mit dem 395 Scipione Volpicella verglich Tansillo sogar mit Petrarca; vgl. Volpicella 1870, III: „Luigi Tansillo […] è stato sempre tenuto in grandissimo pregio. Basta rammemorare che Annibal Caro lo stimò rarissimo ingenio, Torquato Tasso il pareggiò al Costanzo ed al Rota, e Tomaso Stigliani il credette superiore al Petrarca.“ Nicht nur in Italien, auch in Spanien wurde Tansillo rezipiert; vgl. Milburn 2003, 1. Zudem wurde in Neapel bereits 1613 eine spanische Übersetzung von Le Lagrime di San Pietro veröffentlicht, dessen erste gedruckte italienische Fassung postum 1585 in Vico Equense bei Giuseppe Cacchii erschienen war. 396 Vgl. Milburn 2003, 1: „[…] is Luigi Tansillo, generally acknowledged to be among the most interesting and representative of the sizeable group of Petrarchists active in Naples during the middle years of the Cinquecento. In literary historical terms, the poet is a transitional figure, bridging the gap between the rigid traditional Petrarchism espoused by poets such as Bembo, and the more flexible and open style [...].“ 397 Vgl. Rubino 1996, 27: „Anche se aveva studiato il latino [...] non era edotto a tal punto da poterne scrivere in versi ed in prosa. Giulio Cesare Capaccio ed il conterraneo Giano Anisio gli rimproveravano aspramente questa sua lacuna. Il primo infatti scriveva: ‘Italo scripsit idiomate, non ita latine scribendo felix’.“ 398 Dieser Titel geht auf die Ausgabe von Volpicella 1870 zurück. Autographen der Capitoli sind nicht überliefert, es existieren hingegen drei handschriftliche Kodizes aus dem 15. und 16. Jahrhundert, in denen Tansillos Texte gesammelt wurden. Das älteste Manuskript N 1 (ms. XIII D 25) stammt aus dem 16. Jahrhundert und wird ebenso wie N 2 (ms. XIII D 15) in der Biblioteca Nazionale di Napoli ‘Vitorio Emmanuele III’ aufbewahrt. Letzteres ist zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert entstanden. Für eine ausführliche physische Beschreibung von N 1 vgl. Pèrcopo 1996, Bd. I, LXXI-LXXIII. N 1 und N 2 bilden die Grundlage für die Ausgabe der Capitoli giocosi e satirici von Volpicella (1870). Des Weiteren sind die Capitoli in einer Miscellanhandschrift, die in der Biblioteca Nazionale Marciana di Venezia (Mss. Italiani cl. IX, cod. 174, coll.6283, olim 131 Spanischen enthalten. Erstaunlich ist, dass in der Tansillo-Forschung bislang keine systematische Auseinandersetzung mit den Hispanismen in den Capitoli, die von einzelnen spanischen Wörtern bis hin zu ganzen Passagen auf Spanisch reichen, stattgefunden hat. Scipione Volpicella bietet im Kommentar seiner Ausgabe der Capitoli (1870) lediglich eine Übersetzung der spanischen Fragmente an. Croce (1917) erwähnte die Tatsache, dass Tansillo spanische Elemente in seinen Texten verwendete, setzte sich jedoch nicht näher damit auseinander, welche Funktionen diese Entlehnungen möglicherweise hatten. 399 Auch Carmine Boccia beschränkte sich in seiner 2008 publizierten kritischen Ausgabe 400 auf die Übersetzung der Hispanismen in den Fußnoten und führt die Verwendung spanischer Fragmente insgesamt auf die Hispanophilie in Neapel zurück, aber eine systematische Auseinandersetzung mit Tansillos Sprachgebrauch findet nicht statt. Die Capitoli giocosi e satirici waren an Persönlichkeiten des in Neapel ansässigen italienischen und spanischen Adels adressiert. Man kann sie auf Grund ihres spontanen und persönlichen Charakters als epistelhaft bezeichnen. 401 Die billettartigen Texte wurden dem Adressaten persönlich überreicht, waren aber in der Regel für das Zirkulieren in der Hofgesellschaft und zu deren Unterhaltung bestimmt. Tansillo, der vorwiegend kulturelle, politische und gesellschaftliche Ereignisse im Vizekönigreich thematisierte, ging häufig eine Gratwanderung zwischen enkomiastischer Huldigung seiner Gönner und Kritik an deren Sitten und Gewohnheiten ein, da er der spanisch-neapolitanischen Hofgesellschaft auf satirische Art und Weise den Spiegel der Karikatur vorhielt. E se tutti mostrano l’occasionalità della composizione, tutti, con la sola eccezione del ‘venosino’, rivestono anche i caratteri propri di una corrisponden- CIV.8) aufbewahrt wird, enthalten; diese Handschrift M ist zwischen 1588 und 1617 entstanden. Außerdem existiert eine weitere neapolitanische Handschrift N 3 (ms. XIII H 49) aus dem 17.-18. Jahrhundert. Die meisten Kapitel erschienen erstmals gedruckt in der Edition von Volpicella (1870), eine Ausnahme bildet das Capitolo per la liberazione di Venosa, das bereits 1551 herausgegeben wurde, sowie drei kleinere Hefte, die 1832, 1833 und 1834 in Venedig erschienen waren; vgl. Boccia 2008, 55ff. Für eine detaillierte Beschreibung der Überlieferungstradition vgl. Boccia 2008, 14-82. 399 Das Desinteresse mag damit zusammenhängen, dass Tansillo insgesamt lange Zeit von der Forschung kaum Beachtung fand; zur Rezeptionsgeschichte vgl. Milburn 2003, 1-33. Boccia übt Kritik an Croce, der Tansillo in „Poesia giocosa ossia la poesia tolta in giuoco“ (vgl. Croce 1945) aus moralischer Sicht in Frage stellt; vgl. Boccia 2008, 9: „Alla considerazione di trovarsi di fronte un settore, quello della poesia ‘giocosa/ burlesca’, che per le ipoteche moralistiche sopratutto di ascendenza crociana ha subito per decenni sistematiche svalutazioni […].“ 400 Vgl. Tansillo 2008. Die Edition ist Boccias Dissertationsschrift und war die Grundlage für die Ausgabe der Capitoli, die Boccia mit Toscano 2010 veröffentlichte; vgl. Tansillo 2010 (vgl. <http: / / www.fedoa.unina.it/ 3217/ 1/ Tansillo_boccia_carmine.pdf> [Zugriff am 07.03.2014]). 401 Vgl. Rubino 1996, 220. 132 za privata i cui destinatari costituiscono una sorta di microcosmo dell’ambiente cortigiano vicereale in cui il poeta era stato cooptato. (Boccia 2008, 8) In dem an den Duca di Sessa gerichteten „Capriccio nel quale si loda la gelosia“ (Capitolo XXI, Tansillo 2010, 311-320) erklärt Tansillo, dass sich der Stil der Capitoli an der am vizeköniglichen Hof gesprochenen Sprache orientiere und dass er diese nachzuahmen versuche: (9) consentite ch’io scriva en questa foggia. 45 È questo un stile di versi ch’è vicino al parlar che si fa tra noi comune, ch’imita il vostro Oratio venosino 402 . (Capitolo XXI, Tansillo 2010, 313) Somit rechtfertigt er mitunter die Verwendung von Lexemen und Konstruktionen süditalienischer Varietäten, die in den Capitoli vereinzelt erscheinen. Dazu zählen auf lexikalischer Ebene Meridionalismen, wie in Capitolo XI zinzivari ‘Ingwer’, das Boccia/ Toscano mit folgendem Kommentar versehen: „var. meridionale per ‘zenzevero’, zenzero“ (Tansillo 2010, 217). Auf lautlicher Ebene finden sich Wörter, die in unbetonter Silbe die für die süditalienischen Dialekte typische Reduktion zu einem dreistufigen System (-i-, -a-, -u-) aufweisen. So ließt man in Capitolo XIX ‘Surrento’ statt Sorrento oder ‘dilicati’ statt delicati: (10) chi sospira vitella di Surrento et duolsi che li dan carni di vacca, che son di troppo grosso nudrimento, 90 chi cerca il padiglion, chi la trabacca, ch’eran quei petti troppo dilicati, (Capitolo XIX, Tansillo 2010, 295; Kursivierung T.G.) Auch die Sonorisierung des stimmlosen alveolaren Okklusivs [t] zu [d] in nudrimento ist ein meridionales Merkmal. Außerdem verweist Boccia auf die starke meridionale Färbung der Capitoli XXIII und XXV: „I due capitoli si presentano in una veste linguistica marcatamente meridionale […].“ (Boccia 2008, 74). So nennt er lexikalische und morphosyntaktische Merkmale in Capitolo XXV, in dem Tansillo eine Weinsorte preist, die dem König als Geschenk überreicht wurde. 403 Mehrfach erscheinen Verbformen, die den Konditional auf -ia bilden, wie zum Beispiel tornerian oder avrian (Tansillo 2010, 355). Diese Konditionalformen verwendet Tansillo auch in anderen Capitoli, allerdings überwiegen insgesamt die Formen auf -ebbe, welche sich im Neapolitanischen erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert unter Einfluss des Toskanischen durchzusetzen begannen. 404 Außerdem ex- 402 Venosa war nicht nur Tansillos sondern auch Horaz’ Heimatstadt; vgl. Rubino 1996, 27 und den Kommentar in Tansillo 2010, 313. 403 Vgl. Tansillo 2010, 354-309: „Capitolo dello moscattello mannato al Viceré di Napoli.“ 404 Vgl. Ledgeway 2009, 424. 133 istiert auch in den norditalienischen Varietäten ein Konditional auf -ia, dennoch gilt diese Form als typisch meridionales Merkmal. 405 Adam Ledgeways Untersuchung neapolitanischer Texte vom 13. bis zum 15. Jahrhundert zeigt, dass in diesem Zeitraum im Neapolitanischen die Konditionalformen auf -ia frequenter waren als die auf -ra, -sse und -ebbe. Tabelle 4: Distribuzione delle quattro formazioni del condizionale. -ra -ia -sse -ebbe Regimen 1 + + - - Bagni R + + - - Epistola + - - - LDT + + + - Lettera 2/ 4 + + + - TBP + + + - Galeota + + + + RDF + + + - De Rosa + + + - Lupo + + + - De Jennaro 1/ 2 + + - + Brancati 1/ 2 - + - - Masuccio - + - + Sannazaro 1/ 2 + + - + Ferraiolo + + + - (Ledgeway 2009, 425) Im Neapolitanischen erfüllten die Konditionalformen auf -ia in den zusammengesetzten Verbformen nicht nur eine modale sondern vor allem auch eine temporale Funktion und hatten den Wert eines FuturII. 406 Diesen Wert übernehmen die Hilfsverben averiam und avrian in den periphrastischen Konstruktionen in folgender Passage aus Capitolo XVI, in der Tansillo beschreibt, was geschehen hätte können, wenn man den von ihm gepriesenen venosinischen Moscattello getrunken hätte: (11) Se alla festa l’altrier del mio Albertino, che fu delle solenni e le migliori che io vidi mai, v’avea d’un cotal vino, 209 Severin e Villan e quei dottori 405 Tekavčić 1972, 407 406 Vgl. Ledgeway 2009, 455-457: „Il condizionale è caratterizzato in varia misura da funzioni sia modali che temporali. Nella funzione modale il verbo assume valore irreale e pone l’accento sulla potenzialità ad agire, funzione particolarmente comune nelle frasi ipotetiche [...], mentre nella funzione temporale il esprime il futuro del passato. [...] Il valore temporale, per contro, caratterizza prevalentemente le forme in -ìa e in misura molto minore in -sse e -ebbe.“ 134 smenticate 407 averiam tutte le leggi, che son le cose al mondo via peggiori; 212 scordato avrian Napolitani i Seggi e le prerogative e le grandezze, per cui convien che tanto si vaneggi; 215 scordate avrian le donne lor bellezze, là dove elle par ch’elle abbiano ogni intento, e gli afflitti amator le loro asprezze; 218 e la bella contessa di Piacento, che la festa onorò col suo venire, se ben piaciute altrui ne fosser cento, 221 scordato avria l’uccider e’l ferire coi begli occhi e coi modi sí lodati, e di far che all’uom piaccia ogni martire. 224 (Capitolo XXV, Tansillo 2010, 361f.; Kursivierung T.G.) Geht man weiterhin davon aus, dass sich Tansillo am Sprachgebrauch seiner Umgebung orientierte (vgl. Z. 9), so müssen nicht nur die Meridionalismen und Neapolitanismen sondern vor allem auch die Hispanismen in den Capitoli als charakteristische Merkmale für die Sprache am Hof und im Militär betrachtet werden. Benedetto Croce bemerkte diesbezüglich: Le consuetudini linguistiche degli italiani, militari o altrimenti impiegati in quelli corti, sono chiaramente rappresentate nei Capitoli del Tansillo [...] dove si trovano sparse a profusione le parole spagnuole come gorra, creanza, enoscio (enoio), aglio (hallo), cuentas, ramaglietto (ramillete), spanto, mozze, acca (haca), fu servito, l’ora buona (en hora buena), e intere frasi come ‘sin partillo con otro no la como’, ovvero ‘y mas si hay una gentil garganta’, o ancora ‘don Garzia che sube mas arriva’. (Croce 1917, 151) Für Croce belegen Tansillos Texte die Hispanisierung der Hofgesellschaft in Neapel. Croces Liste der Hispanismen kann um einige Lexeme erweitert werden, die heute im Neapolitanischen oder im Italienischen integriert sind. Entlehnungen aus dem Spanischen sind zum Beispiel creato 408 ‘Diener’ (Tansillo 2010, 354), marrano ‘Schwein, Gauner’ (Tansillo 2010, 252) 409 sowie bravo (Tansillo 2010, 178, 206, 254, 338, 360), das in der Wendung far con lui del bravo (Tansillo 2010, 146) erscheint und die dem spanischen hacer el bravo entspricht. Die Betrachtung der lautlichen, semantischen und textpragmatischen Kontexte, in die die spanischen Elemente in den Capitoli eingebettet sind, führt zu interessanten Ergebnissen. Dazu sollen die von Croce genannten Entlehnungen in drei verschiedene Gruppen eingeteilt wer- 407 Auch die Form smenticate kann als Meridionalismus identifiziert werden; vgl. D’Ascoli 1993, 712: „Smentecà v. trans.: ‘dimenticare’ [...].“ 408 Riccio 2005, 100: „criato m. ‘servo, domestico, servitore’ […].“ 409 Vgl. Riccio 2005, 130: „marranchino m. ‘ladrunculo, mariuolo [...] > sp. marrano ‘porco’ […].“ 135 den. Es wird zwischen einfachen Lexemen (gorra, creanza, enoscio usw.), Mehrwortlexemen beziehungsweise feste Wendungen (l’ora buona) und ganzen Sätzen oder Passagen auf Spanisch unterschieden. Berücksichtigt man die Umgebungen, in denen diese Elemente auftreten, so erschließen sich dadurch unterschiedliche inhaltliche und metrische Funktionen, die die Hispanismen innerhalb der Texte übernehmen. Zunächst lässt sich beobachten, dass die meisten Hispanismen am Ende einer Verszeile stehen und somit metrische Funktion übernehmen, wie zum Beispiel crianza, das den Reim mit arroganza bildet: (12) S’io vi parlo, signor, con arroganza, s’a far di voi querela io mi son mossa perdonate, vi priego, a la crianza 410 3 (Capitolo VI; Tansillo 2010, 157; Kursivierung T.G.) Hispanismen können Bestandteil einer Reimkette sein, wie bravo in folgendem Beispiel: (13) Guarnaccia, malvasia, trebbiano e grecco, ciascun di lor potrebbe esser<e> schiavo a questo nobil vin<o>, ch’io vi arrecco. 161 Il vin d’Hyespas sí guagliardo e bravo, e San Martino, e quanti vini ha Spagna ai quali io de’ migiliori il titolo davo. 164 (Capitolo XXV; Tansillo 2010, 360; Kursivierung T.G.) Ebenso verhalten sich marrano (Capitolo XV, Tansillo 2010, 252), das den Reim mit vano und pesano bildet, spanto (Capitolo XVII, Tansillo 2010, 271), das sich auf quanto und tanto reimt sowie mozze (Capitolo XVIII, Tansillo 2010, 286), das den Reim mit nozze und bozze bildet. Auch die Übersetzung der phraseologischen Einheit sp. en hora buena zu l’ora buona (Capitolo XXV, Tansillo 2010, 358) hat eine metrische Funktion, da buona mit suona und padrona reimt. Es zeigt sich, das Tansillo spanische Formen an prägnanten Stellen einsetzte, um damit metrische Effekte zu erzeugen. Dies wird auch in folgendem Zitat aus Capitolo XVI al viceré di Napoli deutlich: (14) A ciò che ad ogni senso dia diletto, il piè che ’l regge e ’l vaso ov’entra il vino a guisa fatti son di ramaglietto. 117 Mai ramaglietto, colto nel giardino di Pozzuolo e composto a bei lavori, simile a questi non vi diè Agostino, 120 410 Volpicella notiert in der Ausgabe von 1870, 91 creanza. Riccio (2005, 100) führt crianza als Hispanismus auf: „crianza f. educazione, maniere civile, buona educazione [...]; ‘atto di dovere, di buon creanza’ [...] < sp. crianza (Altamura 1968; Zaccaria 1929; Beccaria 1968: 205) ‘educazione, cortesia, urbanità’(Carbonell 1987; Moliner 1989) da criar ‘allevare, educare’. lat CREARE .“ 136 talché, postovi dentro un vin ch’odori, può dir colui che bee che ’n quel dolce atto al naso tiene un bel mazzon di fiori. 123 (Capitolo XVI; Tansillo 2010, 265; Kursivierung T.G.) In Vers 117 verwendet Tansillo die Form ramaglietto metaphorisch für ‘Glas’ um den Reim mit diletto (V. 115) zu bilden, was denkbare ‘italienische’ Alternativen wie mazzolino oder mazzo nicht leisten können. In Vers 118 wird die spanisch-italienische Mischform ramaglietto wiederholt, in Vers 123 erscheint jedoch die italienische Form mazzon (di fiori), um erneut auf das Konzept ‘Blumenstrauß’ zu referieren. Die Bedeutung von ramaglietto entspricht ebenso wie einige lautlich ähnliche meridionale Formen 411 , der spanischen Diminutivbildung ramillete ‘Blumensträußchen’, das die Wurzel ramdes spanischen Lexems ramo ‘Strauß, Blumenstrauß’ enthält. Die Derivationsbasis bildet allerdings eine Femininableitung rama-, an die die Endung -glietto angehängt wird. In dieser ist wiederum das italienische Derivationsaffix -etto enthalten. Auch das italienische ramaglia ‘Reisig’ könnte eine Rolle gespielt haben, der exakte Entlehnungsprozess kann jedoch nicht rekonstruiert werden. Letztlich ist nicht entscheidend, wie sich die Form ramaglietto im Neapolitanischen durchgesetzt hat 412 , sondern dass sie als spanisch-italienische Mischform ein Resultat des Sprachkontakts im 16. Jahrhundert ist und Tansillo einen Beleg dafür liefert. Auffällig ist außerdem, dass der Hispanismus in unmittelbarer Nähe zu einem toskanischen Lexem mit gleicher Bedeutung erscheint. Das bedeutet, dass Tansillo die Hispanismen synonym für italienische Lexeme einsetzen konnte, da diese seinen Lesern bekannt waren. In Capitolo XV, das Tansillo seinem Dichterkollegen Bernardino Martirano widmete und das als Lobrede auf den Knoblauch („Capriccio in laude dell’aglio“) das Gegenstück zu Capitolo XIV („Capriccio contro l’aglio“) 413 bildet, sind das toskanische Lexem aglio (‘Knoblauch’) und das spanische ajo (‘Knoblauch’) Gegenstand einer Beobachtung über den Gleichklang spanischer und toskanischer Lexeme: 411 Riccio (2005, 119) belegt die Form grammaglietto als Hispanismus im Neapolitanischen: „grammaglietto m. ‘mazzolino, fascetto, mazzolino di fiori’ (D’Ambra 1969) ramaglietto (D’Ambra 1969), rammaglietto (ib.; Andreoli 1887; Beccaria 1968: 13), gramagliètto (Altamura 1968; Beccaria 1968: 13, D’Ascoli 1972), voce diffusa nella lingua mista della corte nap. alla fine del XVI sec. e nel XVII sec. (Beccaria 1968: 13). Cfr. anche cal. ramajjetu (ib.), grammaghiettu, irp. gramaglietto, abr. ramajette, logud. Ramalette, ettu, camp. arramalettu (Beccaria 1968: 13). < SP. ramillete (D’Ambra 1873; Altamura 1968; D’Ascoli 1972) ‘id.’ (1601, Oña DCECH) probabilmente dal cat. ramillet (1627 Careta, ib.) dim. di ramell.“ 412 Vgl. D’Ascoli 1993, 583: „Ramagliètto/ rammas. m.: ‘mazzolino di fiori o d’erbe; ventaglio’; etim.: anche in cal. ramagliettu; dallo spagn. ramillete derivato da un agg. lat ramalis da ramus.“ 413 Capitolo XIV ist Don García di Toledo gewidmet; vgl. Tansillo 2010, 246-251. 137 (15) Ha l’aglio il capo bel, belle le chiome, ha la presenza bella, i membri belli et ha qualche beltà sempre nel nome. 42 L’aglio in tutti i lenguaggi che s’appelli, sempre il suo nome qualche cosa mostra che agrada a chi ascolti o a chi favelli. 45 Se si nomina l’aglio in lingua nostra et l’ode lo spagnuol, dice a lui: trovo. Or qualche voce con questa al mondo giostra? 48 [...] Se sente nomar l’algio a lo spagnuolo il nostro, pargli udir comodo et agio: quel che si cerca et cercar dessi solo. 54 (Capitolo XV; Tansillo 2010, 253f.; Kursivierung T.G.) Tansillo spielt hier mit der Homophonie zwischen dem toskanischen Wort für ‘Knoblauch’ aglio [a ʎ o] und dem spanischen hallo [a ʎ o] ‘ich finde’, ebenso wie er die lautliche Ähnlichkeit des spanischen Wortes für ‘Knoblauch’ ajo [a ʒ o] und des toskanischen für ‘Ruhe, Muße’ agio [ad ʒ o]. In der Anspielung des Dichters auf den Gleichklang zweier semantisch voneinander unabhängiger Lexeme im Spanischen und im Toskanischen, die er dazu verwendet, die Vielfältigkeit und beltà (Z. 15: V. 42) des Knoblauchs zu loben, versteckt sich auch eine Form von Sprachreflexion: die metasprachliche Äußerung über die Missverständnisse, die sich in der Kommunikation zwischen Spaniern und Italienern ergaben, werden in den Vordergrund gerückt, um damit einen ästhetisch-komischen Effekt zu erzeugen. Die Tatsache, dass Tansillo spanische Wörter entlehnen und als komische Elemente einsetzen konnte, belegt ebeso wie die Texte Carvajals (vgl. 4.1.1), dass der Dichter davon ausgehen konnte, dass seine Leser diese Art von Sprachspiel dechiffrieren konnte. In anderen Capitoli setzt Tansillo Hispanismen ohne reimbildende Funktion ein, so zum Beispiel gorra in „chi scopetta la gorra e le calze.“ (Capitolo IV, Tansillo 2010, 146) oder enoscio (Capitolo XIII, Tansillo 2010, 238), das einer italianisierten Schreibweise für spanisch enojo [eno ʒ o] ‘Wut’ entspricht, sowie cuentas (Capitolo XVI, Tansillo 2010, 262). Im Fall der beiden letzten Beispiele lässt sich auf Grund ihrer kontextuellen Einbettungen eine weitere Funktion ablesen: Diese Hispanismen sind Anlass für metalinguistische Beobachtungen: (16) Se ben vi vidi a la real presenza ver’ me benigno, pur la voce sola d’enoscio basta a far ch’io abbia temenza. 15 Per usar la medesima parola ch’usaste meco voi l’altri ieri a mensa, io ho voluto dirlo a la spagnuola. 18 Se Luigi desidera, né pensa 138 altro mai che servirvi et adorarvi non abbia il suo servir mai ricompensa. 21 (Capitolo XIII, Tansillo 2010, 238, Kursivierung T.G.) (17) Ebbi piú di due volte intentione comprar di quelle filze una gran soma, che’n Italia si chiamano corone. 21 I duoni che suol dare chi vien da Roma Son questi e lo spagnuol per dir migliore, perché conta con lor, cuentas gli noma. 24 (Capitolo XVI, Tansillo 2010, 261f.; Kursivierung T.G.) (18) V’amo sí forte che talor mi spanto, per dirlo a la spagnuola, come nasca d’un uom sí picciolono un amor tanto. 6 (Capitolo XVII, Tansillo 2010, 231; Kursivierung T.G.) In Capitolo XIII wendet sich Tansillo an den Vizekönig, auf den er sich in der zitierten Passage beruft. Er gibt an, er habe das spanische ‘enoscio’ aus dessen Munde vernommen (Z. 16: V. 17). In Capitolo XVI (vgl. Z. 17), das ebenfalls Don Pedro gewidmet ist, listet Tansillo Geschenke auf, die man aus Rom mitbringen könne, darunter quelle filze ‘jene Schnüre, Ketten’, die auch corone oder auf Spanisch cuentas (Z. 17: V. 24) genannt würden. Tansillo bezieht sich in diesem Fall auf die metonymische Bedeutung von cuentas ‘Perlen’. Mit ‘diesen Ketten’ sind Rosenkränze gemeint. 414 In den Zitaten 16 und 17 werden die Hispanismen ebenso wie die italianisierte Form mi spanto, die dem sp. me espanto ‘es wundert mich’ entspricht (vgl. Z. 18), folgendermaßen kommentiert: „io ho voluto dirlo a la spagnuola“ (Z. 15: V. 18), „et lo spagnuol per dir migliore“ (Z. 17: V. 23) und „per dirlo a la spagnuola“ (Z. 18: V. 5). Einerseits haben Tansillos Kommentare erläuternden Charakter: In Zitat 16 gibt er an, das spanische Wort 414 Sp. cuenta bezeichnet die einzelne Perle des Rosenkranzes. Volpicella vermerkt in Tansillo 1870, 262: „Dicesi cuenta dagli Spagnuoli da ciascuna pallottola della corona o del rosario, valga Avemaria o Padrenostro.“ Der DRAE ( 22 2001) nennt an siebter Stelle die Bedeutung: „Cada una de las bolas ensartadas que componen el rosario y sirven para llevar la cuenta de las oraciones que se rezan.“ <http: / / lema.rae.es/ drae/ > [Zugriff am 07.03.2014]. Bei der Suche im Onlinekorpus CORDE tritt das Lexem rosario ‘Rosenkranz’ zwischen 1500 und 1600 in 8 Fällen von insgesamt 109 Ergebnissen in 63 Dokumenten in unmittelbarer Nähe mit cuentas auf. So zum Beispiel in: „[...] tomaba sus cuentas y iba rezando el rosario paseándose alrededor de todo su real; y así, él era el primero o de los primeros * que sentía llegar los españoles y a su gente despertaba.“ Bartolomé de las Casas Historia de las Indias (1527-1561); vgl. REAL ACA- DEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. Im Diccionario de Autoridades von 1729 findet man zum Lemma ‘corona’ unter anderem auch der Eintrag, vgl. <http: / / web.frl.es/ DA.html> [Zugriff am 07.03.2014]: „Se llama también el rosario de siete dieces, que se reza à la Virgen Santissima Nuestra Señora.“ 139 sei eine Reminiszenz an den König, in Zitat 17 dient ihm die spanische Übersetzung ‘cuentas’ von corona als Erklärung dafür, welche filze ‘Schnüre’ gemeint seien. Andererseits sind dies auch metalinguistische Beobachtungen über seinen persönlichen Sprachgebrauch, der der sprachlichen Realität am Hof entspreche, so der Dichter (vgl. Z. 9). In der Bemerkung ‘um es auf spanische Art und Weise zu sagen’ (Z. 18: V. 5), verbirgt sich auch eine Anspielung auf die Hispanophilie in der Italia Spagnola. Ähnliche Kommentare finden sich auch in Bezug auf andere Aspekte des spanisch-italienischen Kulturkontakts: So wird zum Beispiel in Capitolo X das Musizieren „a la spanguola“ erwähnt: (19) Io fei come fa quel della Fragola che sona il conde daro e canta l’appia per far come fan gli altri a la spagnuola. 12 (Capitolo X, Tansillo 2010, 209; Kursivierung T.G.) Sowohl in Tansillos Sprachgebrauch als auch in seinen metasprachlichen Beobachtungen wird eine ausgeprägte Bewusstheit des Dichters für den Sprachkontakt deutlich, da er die Hispanismen gezielt zu komischen Effekten einsetzt und ihre Verwendung kommentiert. Das bedeutet, dass Tansillo, der selbst circa zwanzig Jahre in dem spanisch-italienischen Soldaten- und Hofmilieu lebte, Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt im poetischen Diskurs thematisiert und reflektiert. Dies wird vor allem an vier Stellen der Capitoli deutlich, nämlich dann, wenn Tansillo nicht nur einzelne spanische Lexeme in den Text einbaut, sondern ganze spanische Phrasen einsetzt. So ist zum Beispiel die zweite Hälfte eines Verses in Capitolo XVIII 415 spanisch: „Ma don Garzia, che sube mas ariva“ (Tansillo 2010, 284). Dabei ist der Konnektor che, der in italienischer Graphie erscheint, lautlich und semantisch äquivalent zum spanischen que. Dadurch ist der Codewechsel weniger abrupt und der Übergang von einer Sprache in die andere wirkt fließend. Die elegant gestalteten Sprachwechsel sind Beispiele für Tansillos subtilen Umgang mit Sprachkontaktphänomenen, die er als Stilmittel einsetzt und die zugleich Gegenstand von Reflexionen sind. Capitolo IV ist Don Ferrante Gonzaga 416 gewidmet und prangert die Missstände auf den Galeeren an. 417 Der spanische Vers (Z. 20: V.129) spielt auf die gemischte Besatzung der Galeeren an, für die Spanier und Italiener angeheuert wurden: (20) Non pur se col coltello io taglio un pomo, ma se coi denti rompo una castagna, 415 Der Text ist dem Vizekönig gewidmet und trägt den Untertitel „Come vorebbe la molie“; vgl. Tansillo 2010, 282. 416 Ferrante Gonzaga (1507-1557) leitet als Feldherr unter Karl V., der ihn zum Vizekönig von Sizilien (1535-1546) und Gouverneur von Mailand (1546-1556) ernannte, zahlreiche militärische Expeditionen. Vgl. den Kommentar Boccias in Tansillo 2010, 137. 417 Vgl. hierzu Croce 1949. 140 sin partilla con otro, no la como, 129 s’io ben nacqui in Calabria, egli in Ispagna. (Capitolo IV, Tansillo 2010, 143; Kursivierung T.G.) Zitat 20 verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, wie Hispanismen und spanische Phrasen in den Capitoli als ‘semantische Bindeglieder’ funktionieren können. Durch die spanischen Lexeme, Verse oder Passagen führt Tansillo das Thema Sprach- und Kulturkontakt ein, um dann über die damit verbundenen Phänomene reflektieren zu können. Die Entlehnungen und spanischen Phrasen sowie die Verwechslungen und die Anspielungen auf den lautlichen Gleichklang spanischer und toskanischer Lexeme sind der Ausgangspunkt metasprachlicher Beobachtungen. An vielen Stellen ist die Reflexion über die eigene Mehrsprachigkeit und über den Sprachkontakt am neapolitanischen Hof und in der Armee die Basis, auf der der Kulturkontakt verhandelt werden kann. Unabhängig davon, ob Tansillo die Verwendung spanischer Lexeme kommentiert oder ob er den Sprachkontakt als babylonische Verwirrung darstellt, letztlich handelt es sich immer um metasprachliche Äußerungen eines literarischen Autors, der die ihn umgebende Mehrsprachigkeit in seinen Texten zu ästhetischen und inhaltlichen Zwecken einsetzt und funktionalisiert. Der folgende Ausschnitt aus Capitolo II 418 , der als „Lettera al S. r Baron Fontanarosa“ betitelt ist, enthält eine lange Passage auf Spanisch (V. 142- 150), die im Anschluss (V. 151-162) kommentiert wird: (21) No os espanteis, señor, que yo me quexe de la mar, mas que à otro à mi enemiga, y puedala dexar, y no la dexe. 144 Ni procureis tan poco que yo diga por que porfio en no querer dexalla. Baste deziros que ella me fatiga. 147 Una cosa se dize, otra se calla. De esta arte suole hazer quien algo save, y considera el tiempo en que se halla. 150 Già vi fate la croce, già dite: Ave Maria! Luigi scrive castigliano! E che insalata è questa che fatta have? 153 Mescola l’ispagnuolo et l’italiano! Che nova fantasia, che nova baia a la bocca gli ha dato ed a la mano? - 156 Questa faccenda strana non vi paia. Vi giuro ch’io mi scordo qualche volta s’io son nato in Italia o in Biscaia. 159 Il viver con Spagnuoli, il gire in volta 418 Carmine Boccia datiert das Gedicht auf das Jahr 1540. Capitolo II ist in den Manuskripten N 1 , N 2 und M enthalten; vgl. Boccia 2008, 15, 18 und 44. 141 con Spagnuoli, m’han fatto uom quasi novo, et m’hanno quasi la mia lingua tolta. 162 (Capitolo II, Tansillo 2010, 122f.) Die Übertreibung bei der Darstellung seiner eigenen Sprachkompetenz ist offensichtlich: Es kann keineswegs die Rede von einer ‘insalata’ im Sinne einer kruden Mischung zwischen Spanisch und Italienisch sein. Wie gezeigt wurde, sind die Hispanismen in den Capitoli gezielt und kontrolliert in bestimmte Kontexte gesetzt. Des Weiteren ist auch die Behauptung übertrieben, das Zusammenleben mit Spaniern hätte Tansillo seine Herkunft und seine Muttersprache vergessen lassen. Die Reflexionen über den Sprachkontakt, die Mehrsprachigkeit und die Bedeutung einzelner Wörter, die der Dichter in seine Texte einflocht, zeigen, dass er ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Unterschiede zwischen den beiden Sprachen hatte und die sprachliche Diversität für ihn kein Hindernis darstellte, zumal er selbst imstande war, ganze Verse auf Spanisch zu verfassen. Der Autor kokettiert vielmehr mit seiner eigenen Hispanophilie, zu der er sich offen bekennt „[…] send’io spagnol d’affettione / piú che di patria voi […]“ (Capitolo XXIII, Tansillo 2010, 339) und die im 16. Jahrhundert das kulturelle Leben der Italia Spagnola prägte. Tansillo war somit ein Sprachrohr der im Königreich Neapel ansässigen Italiener, die das ‘Spanischsein’ zelebrierten. 419 Hinter Tansillos satirischer Inszenierungen der Sprachmischung verbirgt sich eine Strategie. Der Dichter verwendet die Entlehnungen und Interferenzen, um komisch-ästhetische Effekte zu erzielen, und bedient sich zu diesem Zweck systematisch bestimmter Muster, mit denen er die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola darstellt. Zunächst markiert Tansillo Sprachmischung und Sprachkontakt durch die Entlehnung einzelner Lexeme und setzt die Hispanismen häufig zur Reimbildung ein. Solange es sich dabei um bereits lexikalisierte Entlehnungen handelte, werden diese im Text nicht weiter kommentiert, wie im Fall von crianza, bravo (vgl. Z. 12 und 13) oder auch von ramaglietto, dessen Bedeutung über den Kontext erschlossen werden kann (vgl. Z. 14). An anderer Stelle hingegen bedarf es einer Erklärung, wie „per dirlo a la spagnuola“ (Z. 18: V. 5), da die Entlehnungen nicht transparent genug sind (vgl. auch Z. 16 und 17). Dies bedeutet, dass das scheinbar dramatische Szenario der Sprachverwirrung, das Tansillo als insalata bezeichnet, in Widerspruch zu seiner eigenen mehrsprachigen Kompetenz steht. Der Autor war imstande, die Homophonie 419 Wer auf Grund seiner Herkunft über die notwendige Ausbildung und die entsprechenden Fähigkeiten verfügte, konnte am vizeköniglichen Hof oder im spanischen Verwaltungs- und Verteidigungsapparat Karriere machen. Dies betraf natürlich vorwiegend den Adel, der den Fremdherrschern gegenüber nicht feindlich gesinnt war, so Benedetto Croce 1917, 243: „E che la Spagna non rappresentasse una potenza nemica e malefica è dimostrato della coscienza dei contemporanei, che nella sua generalità era soddisfatta e persino orgogliosa, che l’Italia fosse congiunta con la Spagna.“ 142 spanischer und italienischer Wörter zu kommentieren, um sie, wie in Zitat 15 dargestellt, gleichzeitig inhaltlich in ein Gedicht einzubetten. Die Art und Weise, wie Tansillo Kontaktphänomene als komische Elemente einsetzt und auf der Metaebene reflektiert, zeugt von einem hohem Maß an Bewusstheit für die ihn umgebende Situation der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit. Ebenso war seine Leserschaft für das spanisch-‘italienische’ Nebeneinander sensibilisiert, da der spielerische Umgang mit Entlehnungen und Interferenzen in den Capitoli auf den Wiedererkennungseffekt baut. Das Verwenden sprachlicher Muster und Stereotype, die auch in den Komödientexten, die im folgenden Kapitel untersucht werden, auftreten, ist im Grunde genommen eine Strategie, mit der in einem ästhetisch motivierten Text in nicht begrifflicher Form über das Thema Mehrsprachigkeit verhandelt werden kann. 4.2 Imitation, Karikatur und Stereotypisierung des spanisch-italienischen Sprachkontakts in Komödien Denn alles, was die Kunstwerke an Form und Materialien, an Geist und Stoff in sich enthalten, ist aus der Realität in die Kunstwerke emigriert und in ihnen seiner Realität entäußert. […] Selbst Kunstwerke, die als Abbilder der Realität auftreten, sind es nur peripher: sie werden zur zweiten Realität, indem sie auf die erste reagieren; subjektiv Reflexion, gleichgültig ob die Künstler reflektiert haben oder nicht. (Adorno 2012, 158 und 425) Ähnlich wie Tansillos satirische Gedichte thematisieren einige Komödien, die im 16. Jahrhundert in der Italia Spagnola entstanden, den spanisch-italienischen Kulturkontakt. Die Untersuchung widmet sich der Comedia Soldadesca und der Tinellaria des Spaniers Bartolomé de Torres Naharros. Der Autor verfasste die Texte zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Rom und veröffentlichte sie 1517 in Neapel in der Sammlung Propaladia (vgl. Abb. III u. IV, S. 154 und 155). Beide Texte sind mehrsprachig und enthalten Beobachtungen über interkulturelle Phänomene, insbesondere bezüglich des Sprachkontakts im spanischen Rom. Flankierend zu Torres Naharros Texten werden auch andere Komödien untersucht, die ebenfalls Aspekte der Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel nachahmen und thematisieren. Dazu zählen der Retrato de la Lozana Andaluza (Venedig 1528), in dem Francisco Delicado die römische Unterschicht porträtierte, sowie die Cortigiana (Venedig 1534) 420 , die Pietro Aretino 1525 in Rom verfasste und in der er das Leben an den römischen Höfen parodierte. Des Weiteren werden auch Giambattista Della Portas neapolitanische Komödien und die in Neapel si- 420 Die erste Version der Cortigiana verfasste Pietro Aretino 1525 in Rom, eine überarbeitete Fassung erschien 1534 in Venedig, vgl. Innamorati 1970. 143 tuierte Altilia (Rom 1550 421 ) des Mailänders Anton Francesco Raineri untersucht. Der Sprachkontakt wird in diesen Texten in Karikaturen und durch Übertreibungen teilweise überspitzt dargestellt. Zwar geben die Komödientexte kein exaktes Abbild der sprachlichen Realität wieder, aber dennoch korrespondieren sie mit ihr, da sie auf Muster zurückgreifen, um Mehrsprachigkeit, Sprachverwirrung und Sprachverwechslung plakativ darzustellen. Die komischen Effekte beruhen dabei auf dem hohen Wiedererkennungswert dieser Muster, die sich zur sprachlichen Realität so verhalten, wie es Theodor W. Adorno in der Ästhetischen Theorie für das Verhältnis vom Kunstwerk zur Wirklichkeit beschrieben hat (s.o.). Adorno geht davon aus, dass im Kunstwerk Formen und Materialen nachgebildet werden, die die Realität zur Verfügung stellt. Dadurch würden neue Realitäten erschaffen, die Adorno als Resultate der vom Künstler geleisteten Reflexionsprozesse betrachtet. Auf die Literatur und insbesondere auf die Gattung der Komödie übertragen, bedeutet das, dass die in ihr enthaltenen mehrsprachigen komischen Elemente ebenfalls reflexionsbasierte Abstraktionen der Wirklichkeit sind, da jede Karikatur ihren Ursprung in der Realität haben muss, um diese verzerrt nachbilden zu können. Rainer Warning beschreibt dies am Beispiel politischer und sozialer Referenzen in der Komödie. Derartige Anspielungen funktionieren dann als komische Elemente, wenn sie dem Publikum vertraut sind. Die komischen Opponenten sind die raison d’être des Spiels, sie sind das Zentrum der Spielsituation, um sie kristallisiert sich die Bühne und Publikum umfassende Spielgemeinde. Politische oder soziale Referenzen erheitern uns im Spiel, weil sie ‘benutzt’ werden, auch wenn sie sich auf etwas an sich Lächerliches und zu Beseitigendes beziehen. (Warning 2001, 38) Auch Sprachimitationen und -karikaturen beziehen sich auf soziale und gesellschaftliche Realitäten. Somit können sie unter den gleichen Bedingungen eingesetzt werden. Teresa Cirillo, die sich mit der literarischen Funktion der Mehrsprachigkeit in den Texten Della Portas und Torres Naharros beschäftigte, betont, dass Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation in den Komödien vor allem auf Grund ihres Wiedererkennungswertes als komische Opponenten funktionieren. In commedia, la molla della comunicabilità scatta con l’adozione di una prosa letteraria, unitaria, bilanciata dal virtuosismo di registri diversi: il pubblico, pur accettando la lingua letteraria, si riconosce nelle varietà linguistiche che corrispondono a differenti livelli nella scala sociale; la platea apprezza anche l’espressività delle lingue forestiere, lo sfruttamento burlesco delle varianti gergali. (Cirillo 1990, 534) 421 Sie erschien 1550 bei Venturino Ruffinelli in Mantua; vgl. <http: / / edit16.iccu.sbn.it> [Zugriff am 07.03.2014]. 144 Betrachtet man die Imitation und die Karikatur bestimmter kommunikativer Prozesse als pointierte Abstraktionen der Realität, so ist das Interesse der sprachhistorischen Forschung an den Komödientexten gerechtfertigt. Alle Passagen in den oben genannten Komödien, die mehrsprachig sind oder Aspekte der Mehrsprachigkeit thematisieren, sind wichtige Quellen für die Untersuchung der zeitgenössischen Sprachreflexion. Schließlich enthalten sie direkte und indirekte Aussagen über die Kommunikation und den Sprachkontakt in der Italia Spagnola. Die Nachbildungen und Imitationen von Mehrsprachigkeit in den Texten erfüllen zwar zunächst einen künstlerisch-ästhetischen Zweck, allerdings sei gerade das Sprachwissen von Komödienautoren durch eine starke Affinität zur Beobachtung und Betrachtung von Sprachlichem geprägt, so Thomas Krefeld. Komödien stellen für die Untersuchung von Sprachreflexion vergangener Epochen insofern wichtige Informationen zur Verfügung, als dass sie Reflexe der zeitgenössischen Einstellungen gegenüber Sprachlichem enthalten: Es ist somit kein Zufall, daß Komödienautoren eine ausgeprägte Affinität zur Sprachbetrachtung und -reflexion mitbringen oder entwickeln. Manch einer wurde in seiner literarischen Arbeit geradezu zum Linguisten avant la lettre. (Krefeld 2005, 155) Gianfranco Folena (1991) setzt sich in Il linguaggio del caos. Studi sul plurilinguismo rinascimentale unter anderem mit Sprache und Sprachenvielfalt in der Komödie auseinander. 422 Er ist der Auffassung, dass Plurilinguismus im Theater, insbesondere in der Komödie, stets eine expressive Funktion übernimmt. Da aber Theater und Komödie in letzter Instanz Texte sind, mit denen etwas kommuniziert werden soll, stehen die expressiven und stilistischen Mittel im Dienste pragmatisch-kommunikativer Zwecke und müssen somit verständlich sein. Das bedeutet, dass auch mit ‘Kunstsprachen’, wie dem latino maccheronico in Teofilo Folengos Il Caos del Triperuno (1526) 423 oder dem ‘Kunstdialekt’ sayagués, den Juan del Encina in den Eklogen einsetzte, um die Sprache ungebildeter Bauern und Hirten zu stilisieren 424 , kommunikative Ziele verfolgt werden: Die Rezipienten sollen den gewünschten komischen Effekt erkennen und nachvollziehen können. Insofern beruhen sogar diese Kunstsprachen in extrem abstrahierter Form auf Gestalten und Mustern, die ihren Ursprung in der sprachlichen Realität haben. Folena, der sich in diesem Kontext vor allem mit der italienischen commedia erudita der Renaissance beschäftigte, konzentriert sich auf Autoren wie Ludovico Ariosto oder Angelo Beolco ‘Ruzzante’ 425 sowie auf vene- 422 Vgl. Folena 1991, 119-146. 423 Vgl. u.a. Folena 1991, 147-168. 424 Rössner 2005, 7: „[…] in un dialetto artificiale (il sayagués) che combinava insieme alcuni elementi tipici della parlata della regione di Salamanca.“ 425 Vgl. Folena 1991, 127-130. 145 zianische Komödien des 16. Jahrhunderts 426 , da er in ihnen die Tradition des Plurilinguismus begründet sieht: Dal punto di vista della geografia culturale l’area di sviluppo primario e più intenso e tenace del plurilinguismo teatrale è quella veneta. È anche il terreno privilegiato della questione della lingua. I due fatti hanno radici lontane ma alimentano nella stessa humus. (Folena 1991, 127) Die prominente Stellung, die Folena Venedig einräumt, kann durch die Bedeutung Venedigs und des Venezianischen im Rahmen der Questione della lingua gerechtfertigt werden. Des Weiteren argumentiert Folena, Venedig sei als ‘kosmopolitisches Babel’ dafür prädestiniert gewesen, Mehrsprachigkeit in literarischen Traditionen zu etablieren (vgl. ders. 129). Diese Beobachtung trifft auf Neapel und Rom jedoch gleichermaßen zu. Da die ebenfalls im frühen 16. Jahrhundert einsetzende spanisch-süditalienische Mehrsprachigkeit jedoch Texte betrifft, die nicht der italienischen commedia erudita zuzuordnen sind, sind sie für Folenas Untersuchung nicht relevant. Das süditalienische Panorama berücksichtigt er lediglich in einer Bemerkung zu Giordanio Brunos späterer Komödie Il Candelaio (1582) 427 : Nell’Italia meridionale, in specie a Napoli, si assiste allo sviluppo di un plurilinguismo teatrale così diverso da quello veneto, di carattere pastorale come nelle egloghe dialogate o frottolistico come nelle farse del Sannazaro e del Carracciolo: esso esplode assai più tardi fra Cinque e Seicento nelle farse cavaiole e nelle escandescenze e fantasmagorie verbali del Candelaio. (Folena 1991, 133) Folena interpretiert die mehrsprachigen Komödien als Spielraum, in dem Autoren verschiedene Varietäten und Sprachmodelle kontrastieren und ausprobieren konnten. Somit war die Komödie der Ort, an dem man gegen den Sprachpurismus und die Suche nach einer einheitlichen Literatursprache Position beziehen konnte, was im Rahmen seriöser sprachtheoretischer Diskussionen indiskutabel gewesen wäre. La nascita e lo sviluppo dei nuovi generi teatrali profani e in specie della commedia nel corso del primo Cinquecento sono concomitanti coll’insorgere e col divampare della questione della lingua, che si svolge al livello delle élites letterarie come discussione intorno alla scelta di modelli e alla fissazione di norme scritte di lingua letteraria, e solo raramente e subordinatamente di lingua parlata. Di lingua di teatro essa si occupa in sostanza poco o nulla 426 Vgl. u.a. Lepschy 2002, 93-117. 427 Giorgio Padoan, der eine enge Verbindung zwischen der neapolitanischen Komödie und den volkstümlichen Formen wie Farce oder Ekloge sieht, bezeichnet Neapel neben Venedig als „capitale del teatro“ des 16. Jahrhunderts. Mit Folena stimmt er insofern überein, als dass er behauptet, Neapel habe im 16. Jahrhundert außer Giambattista Della Porta, der im 17. Jahrhundert süditalienischen Autoren als Vorbild galt, keinen bedeutenden Komödienautor hervorgebracht; vgl. Padoan 1996, 177f. 146 [...] Il teatro d’altra parte si occupa spesso, sia pur di riflesso, della questione della lingua come proprio oggetto e a diversi livelli di consapevolezza e di struttura, sia nei prologhi che all’interno del dialogo: una riflessione sulla lingua e sui caratteri e i ‘blasoni’ delle diverse lingue che non va confusa con la funzione metalinguistica. (Folena 1991, 125f.) Folena geht also auch davon aus, dass die Mehrsprachigkeit in Komödien stets indirekte Reflexionen und Werturteile über die zeitgenössische sprachliche Situation enthalten. Dabei unterscheidet er zwei unterschiedliche Reflexionsformen, mit denen sich Autoren innerhalb der Questione della lingua positionieren konnten: Einerseits bezeichnet er das Verwenden verschiedener Varietäten und Sprachen, die in der Questione della lingua letteraria nicht diskutiert wurden, als Kritik beziehungsweise Rebellion gegen die gelehrten Diskurse. Andererseits enthielten Proömien, Vorworte, Einleitungen und teilweise sogar die Dialoge selbst explizite metalinguistische Reflexionen über den Sprachgebrauch. Folenas Gegenüberstellung von „Le lingue della commedia e la commedia delle lingue“ 428 beschreibt die Vielschichtigkeit der Reflexion über Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt in den Texten auf prägnante Weise. Diese Beobachtungen treffen insbesondere auf die Komödien zu, die auf die Italia Spagnola Bezug nehmen. In der Regel enthalten diese im Vorwort sowie im Text selbst metasprachliche Äußerungen über die Mehrsprachigkeit und etablieren in der Karrikatur eine stereotype Form der Kommunikation zwischen Spaniern und Italienern. Darüber hinaus lassen sich in den Komödien der in Italien wirkenden Spanier Bartolomé de Torres Naharro und Francisco Delicado, sowie in Pietro Aretinos Cortigiana, in einigen Komödien des Neapolitaners Giambattista Della Porta (La Tabernaria und Lo Astrologo 429 ) sowie bei Anton Francesco Raineri 430 , auf mehreren Ebenen Gemeinsamkeiten feststellen. Abgesehen von ihrer unterschiedlich stark ausgeprägten mehrsprachigen Verfasstheit, entstanden sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den kulturellen und wirtschaftlichen Ballungszentren Süditaliens, Neapel und 428 Vgl. Kapitel fünf in Folena 1991, 119-146. In Torres Naharros Comedia Tinellaria (vgl. Kapitel 4.2.1) ist die Mehrsprachigkeit tatsächlich das zentrale Thema und somit der Ausdruck ‘Komödie der Sprachen’ voll zutreffend. 429 Der Herausgeber der Edizione nazionale delle opere di Giambattista Della Porta, Raffaele Sirri, legt sich bezüglich der Datierung der Tabernaria nicht fest. Älteste überlieferte Ausgabe sei eine 1616 in Ronciglione bei Domenico Domenici erschiene Edition; vgl. Sirri 2003, Bd. IV, 269. Auch im Fall von Lo Astrologo ist lediglich eine Ausgabe, die 1606 in Venedig bei Pietro Ciera erschien, überliefert; vgl. Sirri 2003, Bd. III, 322. Im weiteren Verlauf wird Raffaele Sirris Edition zitiert, die Abweichungen in den Ausgaben des 17. Jahrhunderts kommentiert. 430 Padoan schätzt Raineris Bedeutung als Komödienautor gering ein; vgl. Padoan 1996, 177: „In questo riguardo, commedie regolari napoletane non assumono presenze davvero significative (ché tali non possono essere definite né l’Altilia del Raineri [...].“ 147 Rom, und wurden zum Großteil auch dort veröffentlicht. 431 Rom und Neapel sind zugleich die Schauplätze der Handlung, die wahlweise im Soldaten-, Gesinde- oder Prostituiertenmilieu situiert ist. Viele Figuren, vor allem die Protagonisten entstammen der Unterschicht. Damit setzten die mehrsprachigen Komödien der Italia Spagnola eine Tradition fort, die Fernando de Rojas mit der Tragicomedia de Calisto y Melibea (1499) begründet hatte. Diese Lesekomödie, die unter dem Namen der Protagonistin, der Kupplerin Celestina, bekannt wurde, erfreute sich im 16. Jahrhundert über die Grenzen Spaniens hinaus großer Beliebtheit und erschien unter anderem in Venedig bereits 1506 in italienischer Übersetzung. 432 La novità più importante della Celestina era stata l’introduzione di figurine ‘realistiche’ del ceto basso (ma non così stilizzate come i pastori del Encina), con un linguaggio pieno ad un tempo di grossolanità e di finezze erudite. (Rössner 2005, 10) Michael Rössner spricht des Weiteren auch von einem starken Einfluss der spanischen Tradition auf die italienische Komödie, der in der Italia Spagnola bereits im frühen 15. Jahrhundert wirksam wurde und nicht erst im Theater Lope de Vegas oder Calderón de la Barca begründet liegt. D’altronde, per quanto riguarda il teatro italiano del Cinquecento, in particolare la commedia è sempre stata vista come uno sviluppo originale basato esclusivamente sulla lezione della commedia antica, ossia sulla commedia nuova di Menandro e la sua imitazione latina da parte di Plauto e Terenzio. […] Ciò nonostante, questa convinzione a volte ci fa dimenticare che tra i primi tentativi di Ariosto degli anni 1508 e seguenti e la piena maturità delle commedie italiane negli anni Trenta, Quaranta e Cinquanta c’è un’epoca intermedia, durante la quale la commedia erudita, emancipandosi dai modelli dell’antichità, è alla ricerca di nuove idee ed impusli che trova, come è noto, nella tradizione novellistica di Boccaccio […] e anche, com’è molto meno noto, nel contatto intimo con altre tradizioni letterarie e teatrali quale quella spagnola, così poter parlare, a mio avviso, di una commedia ‘ispanizzante’ non soltanto per il tardo Seicento e il primo Settecento, ma anche per il primo Cinquecento […] (Rössner 2005, 6f.) Auf Grund der Gemeinsamkeiten, was den historischen Kontext, die literaturgeschichtliche Entwicklung und Inhaltliches betrifft, bietet sich eine vergleichende Analyse der relevanten lautlichen, morphosyntaktischen, semantischen und pragmatischen Merkmale der Komödien an. Da die Werke von Torres Naharro den Schwerpunkt der Untersuchung bilden, folgen zunächst einige wichtige Daten zu Leben und Werk des Autors. 431 Die Ausnahme bildet Raineris Altilia, die in Mantua gedruckt wurde. 432 Vgl. die Übersetzung von Alfonso Ordóñez (= Rojas 1506). 148 4.2.1 Bartolomé de Torres Naharro: Die Comedia Soldadesca und die Tinellaria 433 Zur Person Bartolomé de Torres Naharro sind nur wenige gesicherte Daten überliefert. Aus diesem Grund greift die Forschung in der Tradition Marcelino Menéndez y Pelayos (1941a), der sich als einer der ersten mit dem Autor befasste, vorwiegend auf die Texte des Autors zurück, um dessen Biographie in Bezug auf historische Ereignisse zu rekonstruieren. 434 Es ist evident, dass dies im Bereich der Spekulation und der Interpretation verbleibt. Daher bezeichnet Humberto López Morales Menéndez y Pelayos Darstellung (1941a) als „curiosa biografía novelada“. 435 Gesicherte Daten kann man lediglich zwei paratextuellen Elementen entnehmen, die in der neapolitanischen Ausgabe der Propaladia (1517) enthalten sind. Ein gewisser Mesinierus I. Barberius Aurelianensis nennt in dem Empfehlungsschreiben an den in Paris tätigen Buchdrucker Jodocus Badius Ascensius (Josse Bado Ascensio) 436 das in der Diözese Badajoz liegende La Torre de Miguel Sesmero als Torres Naharros Geburtsort. 437 (22) Is vero natione hispanus Patria Pacen. Ex opido dela torre gente naharro visu affabili persona grandi gracili [e]t modesto corpore / incessu grauiori / verbis parcus. [e]t non nisi premediata [e]t que statera põderata habentur: verba emittit. (Mesinierus I. Barberius Aurelianus, in Torres Naharro 1517, IVr; Ergänzungen T.G.) Des Weiteren vermerkt Mesinierus, dass der Autor dem Klerus dieser Diözese angehörte, und auch in dem päpstlichen Privileg von Leo X. wird er als „clericus Pacensis dioecesis“ bezeichnet. Ebenso geht aus dem Empfehlungsschreiben hervor, dass er das Priesteramt zugunsten einer Soldatenlaufbahn aufgab und sich vor seiner Ankunft in Rom in arabischer Kriegsgefangenschaft befunden hatte. (23) Cuius fortuna a principio satis dificilis quoniam naufragio ab agarenis pro mancipio captus est. habitaq[ue] illius postea pecuniaria cau- 433 Im Folgenden wird die Schreibweise Tinellaria bevorzugt, da sie dem Titel der Ausgabe in der Propaladia von 1517 entspricht. 434 Mit der Biographie des Autors beschäftigen sich Menéndez y Pelayo 1941a; Mc Pheeters 1973; Lihani 1979, 15-21; Aliprandi 1985, 5-12; López Morales 1986, 8-20, 298-301. 435 Vgl. López Morales 1986, 11: „La curiosa biografía novelada que nos presenta Menéndez Pelayo, y que muchos siguen puntualmente [...].“ 436 Menéndez y Pelayo 1941a, 272 spricht von einem „literato fránces, amigo de Naharro y residente en Nápoles, que latinizaba su apellido firmándose Mesinerius I. Barberius Aurelianus (¿Messinier Barbier de Orleans? ), el cuál se dirige al famoso tipógrafo y humanista de París Badio Ascensio, haciéndole grandes encarecimientos de la persona de nuestro poeta.“ Vgl. auch Šabec 2002, 72. 437 Wahrscheinich ist, dass er zwischen 1480 und 1485 geboren wurde; vgl. Lihani 1979, 15. Gillet (1961, 402) nennt 1485 als Geburtsjahr und begründet dies mit textinternen Referenzen der Comedia Jacinta; vgl. auch López Morales 1986, 10. 149 tione Rom- deuenit vbi sub Sanctissimo .D.N. Dño Leone X., pont. Max., plura edidit [...] (Mesinierus I. Barberius Aurelianus, in Torres Naharro 1517, IVv; Ergänzungen T.G.) In Rom verdingte sich Torres Naharro an verschiedenen Kardinalshöfen. Man geht davon aus, dass er von circa 1513 bis 1515 in Kardinal Giulio de’ Medicis Diensten stand, danach wechselte er an den Hof des spanischen Kardinals Bernardino de Carvajal. 438 In diesen Jahren entstanden wohl auch die meisten Komödien. Des Weiteren wird angenommen, dass die Stücke zu offiziellen Anlässen und Feierlichkeiten an den Höfen aufgeführt wurden. So findet sich in einer ohne Jahreszahl veröffentlichten Druckausgabe der Comedia Tinelaria 439 , die mit dem handschriftlichen Vermerk „1516“ versehen ist 440 , im Vorwort ein Hinweis auf die Aufführung dieser Komödie in Rom. Der Autor schreibt, er sei mit der Veröffentlichung einer Bitte des Kardinals nachgekommen, der im Anschluss an das Schauspiel den Wunsch geäußert habe, eine Kopie der Komödie zu erhalten: (24) REVERN. IN CHRISTO PATRI ET Dño. D. B. D. Caruaial. S. R. E. Tituli Sancte Crucis in Iherusalé Episcopo Car. idem Bart. D. Torres Naharro. S. Acuerdome q[ue] despues de recitada esta Comedia Tinelaria ala .San. D. N. S. e a monseñor Reuereñ.d Medicis patró mio. V. S. Reveré. q[ui]so uerla y despues de uista: me mando q[ue] entodo caso le diesse la copia della. Trasdesto me demando la causa porq[ue] no dexaua estampar loque screuia. [...]“ (Torres Naharro 1516, o.S.; Ergänzungen T.G.) 441 1517 ging Torres Naharro nach Neapel, um dort in Fabrizio Colonnas Dienste zu treten. Durch dessen Vermittlung kam er auch mit dem Markgraf von Pescara Don Fernando de Ávalos und dessen Gattin Vittoria Colonna (vgl. Kapitel 4.1.2) in Kontakt, denen er die im gleichen Jahr bei Jean Pasquet (Joan Pasqueto de Sallo) veröffentlichte Propaladia widmete: (25) [...] siendo mi señor el Ill o Señor Fabricio Colona suegro, y en amor mas que padre .D.V.S. y era razon sirviendo conla persona al padre. servir con alguna cosa al hijo [...] (Torres Naharro 1517, Dedicatoria, IIv) In der editio princeps dieser Sammlung sind neben den sechs Komödien (Tinellaria, Soldadesca, Seraphina, Jacinta, Trophea, Ymenea), einer Ekloge und dem Diálogo del nacimiento auch einige lyrische Texte enthalten. Dazu gehören insgesamt drei Lamentaciones, eine Satire, elf Capitulos und sieben Episteln. Außerdem finden sich paratextuelle Einheiten, wie die Widmung (Dedicatoria), das Vorwort (Prohemio), das erwähnte Empfehlungsschreiben von Mesinierus I. Barberius Aurelianensis und das päpstliche Privileg. 438 Vgl. Lihani 1979, 18. 439 In dieser Ausgabe ist die Komödie tatsächlich als Tinelaria betitelt. 440 Vgl. die Faksimileausgabe von Aliprandini 1985. 441 Zitiert wird nach der Ausgabe von de Aliprandini (1985). 150 Die Spuren des Autors verlieren sich nach 1517. Lihani (1979, 20) geht davon aus, er sei kurze Zeit nach dem Erscheinen der Propaladia nach Spanien zurückgekehrt. Indiz dafür sei die zweite Auflage der Sammlung, die 1520 in Sevilla erschien und der eine siebte Komödie, die Calamita, hinzugefügt wurde. Die Datierungen seines Todesjahres variieren zwischen 1520 und 1530. 442 Insgesamt erschienen im 16. Jahrhundert in relativ kurzen Zeitabständen mehrere Ausgaben der Propaladia. In Neapel wurde 1524 die dritte Auflage veröffentlicht, die eine achte Komödie, die Aquilana, enthält. 443 Die sevillanischen Ausgaben von 1520 und 1526 sind nicht überliefert, ihre Existenz ist jedoch durch Bibliotheksregister belegt. 444 1533/ 34 und 1545 erschienen zwei weitere Auflagen in Sevilla. Des Weiteren wurde die Sammlung 1573 in Madrid 445 und 1545 in Antwerpen veröffentlicht. Die hohe Anzahl an Auflagen zeigt, dass Torres Naharros Komödien im 16. Jahrhundert in Italien, vor allem aber in Spanien populär waren. 446 Auch die intertextuellen Bezüge in Werken anderer Autoren des 16. Jahrhunderts belegen dies. Francisco Delicado erwähnt beispielsweise in der Lozana Andaluza die Comedia Tinellaria 447 : (26) L OZANA . Mi señor, no sea mañana ni el sábado, que terné priesa, pero sea el domingo a cena, y todo el lunes, porque quiero que me leáis, vos que tenéis gracia, las coplas de Fajardo y la comedia Tinelaria y la Celestina, que huelgo de oír leer estas cosas muncho. (Delicado 2003, 399; Kursivierung T.G.) Auch Juan de Valdés bezieht sich im Diálogo de la lengua (1535) auf Torres Naharro, dessen Sprachstil angemessen und unaffektiert sei. 448 (27) V ALDÉS . [...] El estilo que tiene Torres Naharro en su Propaladia, aunque peca algo en las comedias, no guardando bien el decoro de las personas, me satisface mucho, porque es muy llano y sin afetación ninguna, mayormente en las comedias de Calamita y Aquilana, porque en las otras tiene de todo, y aun en estas hay algunas cosas que se podrían decir mejor, más casta, más clara y más llanamente. (Valdés 1967, 91) Im Folgenden werden jedoch weder die Calamita noch die Aquilana, sondern zwei Komödien betrachtet, die der Purist Valdés als stilistisch weniger gelungen einstuft („porque en las otras tiene de todo“). Diese sind die 442 Vgl. López Morales 1986, 17: „Su regreso a España parece seguro, pero lo relativo a su prolongada estancia sevillana y a la fecha de su muerte es enteramente hipotético.“ 443 Vgl. López Morales 1986, 16f. 444 Vgl. López Morales 1986, 90f. 445 Gillet erwähnt eine toledanische Ausgabe von 1535, die jedoch zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden konnte; vgl. McPheeters 1979, 39. 446 Vgl. López Morales 1986, 20. 447 Die Zitate sind der Ausgabe von Claude Allaigre (= Delicado 2003) entnommen. 448 Zu Juan de Valdés vgl. Kapitel 5.1.2. 151 mehrsprachige Soldadesca und die Tinellaria. Der Handlungsort beider Komödien ist Rom. Sie sind im Gesindebeziehungsweise im Soldatenmilieu der spanisch-römischen Mischgesellschaft situiert. Beide Komödien beginnen mit einem Prolog („Introito y Argumento“) der im Fall der Soldadesca auf sayagués verfasst ist - dem Kunstdialekt, mit dem in der spanischen Lyrik des 15. und 16. Jahrhunderts ungebildete Leute, meist Hirten (el pastor bobo) charakterisiert wurden. 449 In den Introitos werden auch Schauplatz und Zeitpunkt der Handlung vorgestellt sowie die Personen, die in den fünf Akten - bei Torres Naharro jornadas genannt - auftreten. 450 Im Prolog der Comedia Soldadesca kritisiert Torres Naharro die extremen sozialen Unterschiede zwischen dem übersättigten, feudalen Leben an den römischen Höfen und dem entbehrungsreichen Alltag der unteren Gesellschaftsschichten: (28) [...] yo villano / biuo mas tiempo y mas sano / y alegre todos mis dias / y biuo como cristiano / por aquestas manos mías / vos señores: / biuis en muchos dolores / y sois ricos de mas penas / y comeis delos sudores / de pobres manos agenas / y anfenitos [...] y estos daños / y todos vuestros engaños / ora los quige contar [...] (Torres Naharro 1517, XLIVr) Im Anschluss daran wird die Handlung (argumento) vorgestellt: Zu Beginn des ersten Aktes tritt der spanische Soldat Guzman auf, dessen Lamento über das ertragslose Soldatenleben in Rom zu Friedenszeiten in einen Lobgesang auf den Krieg mündet. Währenddessen erscheint ein spanischer Capitan, der im Auftrag des Papstes eine Truppe von 500 Soldaten ausheben soll. Der Capitan betraut Guzman mit der Rekrutierung, verspricht ihm dafür einen Posten als Oberleutnant (sotacapitan) und stellt seinem Freund Manrique, der wie Guzman ein soldado plático 451 ist - eine Stelle als Fähnrich (alferez) in Aussicht. Während sich Guzman auf die Suche nach einem geeigneten Herold (Atambor) begibt, mit dem er die Soldaten anwerben will, offenbart der Capitan seinem Freund Tristan seine wahren Pläne: Er wolle sich an der Truppe finanziell bereichern. Deshalb sei er auf der Suche nach Rekruten, die - im Gegensatz zu dem ambitionierten Guzman - unverfroren genug sind, bei der Musterung vor den Papst in unterschiedlicher Verkleidung anzutreten und mehrfach Sold zu kassieren. Im zweiten Akt ge- 449 Vgl. Kapitel 4.2. Siehe auch Gillet 1925, Stern 1961, Lihani 1979, 53 und Salomon 1985. Correas definiert im Vocabulario de refranes (1627), vgl. Correas zit. bei Salomon 1985, 132: „Sayagués: Apodo de grosero y tosco, porque los de Sayago lo son mucho.“ 450 Lihani (1979, 58) beschreibt die metrische Struktur der Soldadesca und der Tinellaria: „The play is written in coplas de pie quebrado of eight and four syllable lines with ten lines to a stanza having the rhyme a a b a b c c d c d.“ 451 Zu den wenige ‘Regieanweisungen’ unter den Überschriften der jornadas zählen mitunter die Klassifizierungen der Figuren als plático beziehungsweise bisoño. Auf diese Bezeichnung wird noch zurückzukommen sein. 152 winnt der Atambor die beiden soldados pláticos Manrique und Mendoza sowie Juan Goçalez und Pero Pardo für die Truppe. Die beiden letzteren sind soldados bisoños. Das heißt, es handelt sich um einfache Fußsoldaten, die gerade erst aus Spanien angekommen und des Italienischen kaum mächtig sind. 452 Schließlich überredet er einen Ordensbruder (Frayle), in die Dienste des Capitan einzutreten. Dieser legt, von dem Verdienst als Soldat angelockt, seine Ordenstracht ab, nimmt den Namen Liaño an und begibt sich mit den anderen Rekruten zu einem Trinkgelage in die Taverne. Im dritten Akt nimmt der Capitan Juan Goçalez, Pero Pardo und Liaño unter Vertrag und quartiert sie bei dem römischen Bauern Cola ein, mit dem sie sich auf Grund mangelnder Sprachkenntnisse kaum verständigen können. Zahlreiche sprachliche Missverständnisse sowie die dreisten Forderungen der spanischen Soldaten nach Essen und Frauengesellschaft führen dazu, dass Cola der Soldaten überdrüssig wird. Er holt seinen Freund Joanfrancisco zu Hilfe, um den ungebetenen Gästen eine Lektion zu erteilen. In Akt vier schmieden Guzman und Mendoça Pläne, wie sie den Capitan um einige Lohneinheiten betrügen können, um sich dann mit dem ergaunerten Geld in einer fernen Stadt mit einer Schar von Frauen niederzulassen. Im fünften Akt treffen die bisoños und die italienischen Bauern erneut aufeinander. Letztere wollen sich an den Spaniern gewaltsam rächen. Im letzten Moment schreitet der Capitan schlichtend ein und besänftigt die Italiener, indem er verspricht, für die angefallenen Kosten aufzukommen. Er versammelt die anderen Rekruten und macht sich gemeinsam mit ihnen auf den Weg zur bevorstehenden Musterung beim Papst. Dabei offenbart er Guzman seine unehrenhaften Absichten: Er werde sich an der Truppe durch den Verkauf von Ausrüstung und durch Dienstleistungen, wie Rasieren und Haareschneiden, bereichern. Zuletzt ziehen alle ein villancico singend von dannen. Ähnlich wie in der Soldadesca ist auch in der Tinellaria der Titel Programm. Torres Naharro, der sich auf Plautus beruft, begründet im Introito y Argumento: „[...] la comedia intitulamos / a tinelo tinellaria. / como de Plauto notamos / que de asno dixo asinaria [...]“ (Torres Naharro 1517, LIIIr). Das Wort tinelo mit der Bedeutung ‘Speisesaal, Gesinderaum’ ist eine Entlehnung aus dem Italienischen. Während Corominas/ Pascual (1980- 1991) keinen Eintrag verzeichnen, wird tinelo im Diccionario de la lengua española (DRAE) als Italianismus ausgewiesen. 453 Im Corpus diacrónico del Español (CORDE) ist vor dem Erscheinungsjahr der Tinellaria 1517 weder <ti- 452 Vgl. Salvi 2002, 16: „[...] desde las altas esferas del ejército hasta incluir a los soldados ‘bisoños’ que pertenecen al nivel más bajo de la jerarquía militar.“ 453 Vgl. DRAE ( 22 2001): „tinelo. (Del it. tinello). 1. m. Comedor de la servidumbre en las casas de los grandes. dar ~. 1. loc. verb. Dar de comer a los sirvientes.“ <http: / / lema.rae.es/ drae/ > [Zugriff am 7.3.2014]. 153 nelo> noch <tinello> mit der entsprechenden Bedeutung belegt. 454 Im Vocabvlario de las dos lengvas Toscana y castellana von Cristobal de las Casas (1570) wird tosk. tinello in einem Eintrag erwähnt, dieser bezieht sich jedoch auf eine andere Bedeutung des Lemmas: „Tinella. Bacia ò lebrillo ò vaso assi. Tinello. Lo mesmo.“ (Las Casas 1570, 144r). Im 2. Band des Tesoro de la lengua Española (1611) findet sich ein Eintrag für tinelo mit der Bedeutung Speisesaal, allerdings bezeichnet Covarrubias das Wort als Germanismus: TINELO , lugar, o aposento dõde la familia de vn señor se junta a comer, es nõbre Alem- de tine, q vale lo mesmo q mesa, o de tix, q sinifica lo mesmo, y de alli tixnelo, y corruptam ẽ te tinelo, y ha se de aduertir q estas mesmas sõ ordinarias de gente, y que siempre se están puestas, como las de los refitorios. (Covarrubias 1611, 44r-44v) Auch der Eintrag im Vocabolario degli Accademici della Crusca (1612) notiert die Bedeutung ‘Speisesaal, Gesinderaum’: „ TINELLO nelle Corti de’ Principi, è il luogo doue mangiano i Cortegiani […].“ (Vocabulario degli Accademici della Crusca 1612, 887). In der Tinellaria zeichnet Torres Naharro ein Sittengemälde des römischen Bedienstetenmilieus. Alle fünf Akte spielen in dem tinelo, das heißt im Gesindetrakt am Hofe eines aus Ägypten stammenden Kardinals. 455 Die Handlung setzt sich aus zahlreichen Episoden zusammen, in denen der frivole, lasterhafte, gierige und diebische Charakter der Dienerschaft im Vordergrund steht. Von einem Plot oder einem stringenten Handlungsaufbau kann nicht die Rede sein. 456 Jeder Einzelne ist hemmungslos auf seinen persönlichen Vorteil bedacht und gemeinsam versucht man, aus der Küche und den Vorratskammern des Kardinals, Wein und Essen für die Gelage im tinelo zu entwenden. Die insgesamt 22 Personen, die in der Komödie auftreten, sprechen je nach Herkunft Spanisch - also castellano - Katalanisch, ein baskisch gefärbtes Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch, Deutsch und Latein. Während der Gelage im tinelo ergeben sich Streitgespräche, über die Vorzüge der einzelnen Nationen. Bereits im Prolog der Tinellaria legt Torres Naharro dar, dass Sprachverschie- 454 Vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 455 Während in der Ausgabe der Tinelaria, die vermutlich 1516 gedruckt wurde, lediglich die Rede von einem „Cardenal Egiptiano“ist (vgl. Torres Naharro 1516, 78), wird er in der Ausgabe der Propaladia von 1517 als „Cardenal de Bacano“ bezeichnet. 456 Vgl. Lihani 1979, 95f.: „This is in essence the central theme of the play, the noisy turmoil in the tinelo, the petty jealousies and rivalries of the servants.“ 154 Abb. III: Torres Naharro 1517 (Titelblatt) (vgl. <http: / / bib.cervantesvirtual.com/ servlet/ SirveObras/ 0135055317779 3388200680/ 009476_0008_s.jpg>, Zugriff am 07.04.2014) 155 Abb. IV: Torres Naharro 1517, LIIIr (Tinellaria) (vgl. ffaded < http: / / ww dcc-82b1-11df ww.cervantes f-acc7-002185c svirtual.com/ ce6064_109.ht obra-visor/ pr tm>, Zugriff a ropaladia--1/ am 07.04.2014 / html/ ) 156 denheit in dieser Komödie mehr als nur ein komisches Mittel ist: die unterschiedliche Herkunft der Figuren und ihre Sprachen, sind der zentrale Gegenstand der Komödie (vgl. Abb. IV, S. 155): (29) ora pues / si mis uersos tienen pies / uariis linguis tiren coces / que vatibus hic mos est / centum his poscere voces. / yos prometo / que seauran uisto en effecto / de aquestas comedias pocas / digo: quel proprio subieto / quiera cien lenguas y bocas. / delas quales / las que son mas manuales / en los tinelos derroma / no todas tan principales / mas qualque parte se toma. / vereis vos. / iuradio: voto adios: / per monarma: bay fedea: / iobbigot: culycos: / boa fe naun canada e mea: / des tagente / va tocando breuemente. / todo el resto es castellano / ques hablar mas conueniente / para qualquier cortesano [...] (Torres Naharro 1517, LIIIr) Ein Blick in das Prohemio der Porpaladia von 1517, in dem Torres Naharro Regeln und Anweisungen für das Verfassen einer Komödie vorstellte und zugleich als erster Autor die Gattung ‘Komödie’ im Printmedium poetologisch theoretisierte, ist hinsichtlich der mehrsprachigen Konzeption der Soldadesca und der Tinellaria aufschlussreich. 457 Der Autor tritt für einen freien Umgang mit der antiken Dramentheorie ein und definiert die Komödie zunächst grundlegend als Kunstwerk, in dem bemerkenswerte und unterhaltsame Ereignisse geschehen („vn artificio ingenioso de notables y finalmente alegres acontecimientos, por personas disputado“). Er schlägt eine Reduktion von sechs auf nur zwei Komödiengenres vor, nämlich erstens die comedia a noticia („de cosa nota y vista en realidad de verdad“) und zweitens die comedia a fantasía („de cosa fantastiga o fingida que tenga color de verdad avnq[ue] no lo sea“). Die Soldadesca und die Tinellaria sind „comedias a noticia“, die auf wahren Gegebenheiten basieren, während die anderen Texte der Propaladia comedias a fantasía sind. Des Weiteren vermerkt er, wie viele Akte angemessen seien, wie viele Figuren maximal auftreten und wie die einzelnen Figuren sprachlich gestaltet werden sollten: (30) Prohemio [...] Quanto a lo principal que son las Comedias pienso que deuo daros cuenta delo que cerca dellas me paresce no cõ presunciõ de maestro, mas solamente para seruiros con mi parescer tanto que venga otro mejor. Comedia segun los antiguos es ceuilis priuateq fortune sine periculo vite comprehensio. a differentia de tragedia. que es heroice fortune in aduersis comprehensio. y segun Tullio Comedia es immitatio vite speculum consuetudinis imago veritatis. y segun Acron poeta. ay seis generos de comedias scilicet stataria: pretexta. tabernaria palliata. togata: motoria. y quatro partes scilicet prothesis. 457 Vgl. McPheeters 1979, 16: „Es el primer teórico que da a la imprenta unas reglas para el nuevo género […].“ 157 castrophe [sic! ]. prologus. epithasis. y como Oratio quiere cinco actos. y sobre todo que sea muy guardo el decoro [e]tc. Todo loqual me paresce mas largo de contar que necessario de oyr. quiero ora dezir yo mi parescer pues el delos otros he dicho. y digo ansi que comedia no es otra cosa. sino/ vn artificio ingenioso de notables y finalmente alegres acontecimientos por personas disputado. La diuision della en cinco actos no solamente me paresce buena pero mucho necessaria. (avnq[ue] yo les llamo jornadas.) porque mas me parescen descansaderos que otra cosa. De dõde la comedia q[ue]da mejor entendida y reccitada. El numero delas personas que se han de introduzir./ es mi voto que no deuen ser tan pocas que parezca la fiesta sorda. ni tantas que engendren confusion. aunq en nuestra comedia Tinellaria se introduxeron passadas .XX. personas porque el subjecto della no quiso menos. el onesto numero me paresce. que sea de .VI. hasta a .XII. personas. El decoro enlas comedias es como el gouernalle enla nao elqual elbuen comico siempre deue traer ante los ojos. es decoro. vna justa y decente continuacion dela materia. Conuiene asaber dando a cadauno lo suyo. Euitar las cosas inproprias. vsar de todas las legitimas de manera quel sieruo no diga ni haga actos del Señor [e]t ecõuerso […] Quanto alos generos de comedias. ami paresce que bastarian dos. Para en nuestra lengua castellana. Comedia anoticia y comedia af-tasia. a noticia senti ẽ de/ . de cosa nota y vista en realidad de verdad. como son. Soldadesca y Tinellaria; a fantasia. de cosa fantastiga o fingida que tenga color de verdad avnq[ue] no lo sea como son Seraphina. ymnea, [e]tc. […] (Torres Naharro 1517, IIIr-IIIv; Ergänzungen und Kursivierung T.G.) Dementsprechend sind die beiden mehrsprachigen Komödien der Propaladia comedias a noticia und Torres Naharro versteht sie als ‘Abbilder der Realität’. Indem er dem Leser suggeriert, Stoff und Handlung würden auf wahren Begebenheiten beruhen, verfolgt er jedoch auch rhetorische Zwecke. In erster Linie sind die Komödien Kunstwerke und bilden somit die Wirklichkeit nicht ab, sondern verknüpfen die Essenz realer Ereignisse, Handlungen und Verhaltensweisen zu einer neuen Realität. Auch die Verwendung verschiedener Sprachen in den Komödien ist zunächst einmal ästhetisch motiviert. Das spanisch-italienische Nebeneinander in der Soldadesca sowie das babylonische Sprachengewirr in der Tinellaria sind aber auch dichterische Umsetzungen realer Gegebenheiten. Denn der Autor setzte die Mehrsprachigkeit als komisches Element ein und ging davon aus, dass seinem Publikum, beziehungsweise seiner Leserschaft, die kulturell und sprachlich gemischte Gesellschaft in Rom zu Beginn des 16. Jahrhunderts bekannt war. Es ist sogar anzunehmen, dass die Zuschauer an den römischen Kardinalshöfen hinsichtlich Sprachkompetenz und Nationalität ähnlich heterogen waren, wie die Figuren der Komödien. Luisa de Aliprandini hält es für unwahrscheinlich, dass das Publikum ausschließlich spanischsprachig gewesen sei: 158 È da notare che non si tratta di spettacoli riservati a spettatori di lingua spagnola ma, anzi, allestiti per i più diversi rappresentanti di quel mondo internazionale che costituiva la corte pontificia e ai quali, come vedremo, il papa stesso non disdegnò di assistere. Gli spagnoli erano ben rappresentati a Roma nei primi decenni del Cinquecento anche se non arrivavano forse alla cifra di diecimila, un quinto circa dell’intera popolazione, riferita dal Paschini. 458 (de Aliprandini 1985, 19) Teresa Cirillo sieht in Bartolomé de Torres Naharro den genauen Beobachter und Kenner der römischen Mischgesellschaft, die er in seinen Comedias a noticia sittengemäldeartig stilisierte. 459 Sie ist ebenfalls der Meinung, dass die mehrsprachigen Passagen, Witze und Karikaturen, trotz ihrer Ornamenthaftigkeit einen wahren Kern in sich tragen. La spregiudicata stilizzazione di potenti e di plebei, osservati ‘en realidad de verdad’, come si precisa nel Prohemio della Propalladia, proviene dalla profonda conoscenza di una società urbana, cosmopolita; dell’esperienza rimane l’eco nel cicaleccio d’innamorati, di dame e di servette, ma soprattutto nell’icastico rimbalzare di battute in lingue diverse di soldati e di scudieri, nell’inarrestabile scorrere del pettegolezzo e del dileggio fra domestici e parassiti di varia nazionalità che affollano le stanze della servitù [...] che garantiscono volume e colore agli affreschi di vita della Tinellaria e della Soldadesca. (Cirillo 1992, 22) Im Folgenden werden zwei Aspekte der mehrsprachigen Verfasstheit der Texte untersucht, die sich beide auf das Verhältnis zwischen Kunstwerk und Realität beziehen: Zunächst werden die metasprachlichen Äußerungen untersucht (vgl. 4.2.1.1). Im Anschluss daran erfolgt eine Analyse der mehrsprachigen Passagen (vgl. 4.2.1.2). Dabei wird überprüft, wie auf der lautlichen, der lexikalischen und der morphosyntaktischen Ebene Sprachkontakt und Sprachmischung markiert wurde, welche Muster dabei gebildet wurden und ob gewisse Regularitäten zu beobachten sind. 4.2.1.1 Metasprachliche Reflexionen bei Torres Naharro 460 Im Prohemio der Propaladia und im Prolog zur Comedia Tinellaria äußert sich Torres Naharro explizit zum Sprachgebrauch in seinen Komödien. Im Introito y Argumento der Tinellaria (vgl. Abb. IV, S. 155) findet sich eine Stel- 458 Vgl. Paschini 1947 und Dandelet 2001. 459 Marcella Salvi (2002, 14) untersucht das Verhältnis zwischen der Komödie und den soziokulturellen und politischen Ereignissen in der Italia Spagnola und geht davon aus das Torres Naharro in der Soldadesca aktuelle Entwicklungen kommentierte: „[...] el autor está interesado en ilustrar la degradación político-social que caracteriza el espacio fronterizo de la península italiana; degradación provocada por los conflictos de interés entre los representantes.“ 460 Vgl. hierzu auch Gruber 2010, 345-348. 159 lungnahme des Autors zur Vielsprachigkeit in der Komödie: In den Gesindetrakten der römischen Höfe sei ein Vielzahl an Sprachen zu hören, von denen einige stärker, andere weniger stark repräsentiert seien. 461 Die Sprachenvielfalt in den römischen tinelos sei seine Inspirationsquelle gewesen. Torres Naharro begründet auch, weshalb das Spanische in der Tinellaria dominiert: Es sei die Sprache, die bei Hofe am angemessensten sei: „todo el resto es castellano / ques hablar mas conueniente / para qualquier cortesano“(Torres Naharro 1517, LIIIr). Zu den bereits erwähnten acht Sprachen, die vorwiegend in der jornada segunda und tercera, vereinzelt auch in der jornada quinta gesprochen werden, kommt in der jornada quarta eine Varietät des Spanischen hinzu: Im vierten Akt tritt Manchado auf, der eben erst aus Spanien in Italien eingetroffen ist: „[...] de castilla [...] quatro leguas de seuilla / dalli dondera mi padre [...]“. Sein Spanisch weist Merkmale des sayagués auf, mit dem Torres Naharro ungebildete Figuren charakterisierte (siehe Kapitel 4.2.1). Im Prohemio der Propaladia hingegen äußert sich der Autor im Rahmen der Dekorumsfrage auch zur Charakterisierung der Figuren: Ein Komödienautor müsse es verstehen, jede Figur sprachlich und inhaltlich angemessen zu gestalten, das heißt er muss jeweils das adäquate sprachliche Register auswählen. 462 Diese Aussage ist vor allem in Bezug auf die sprachliche Gestaltung der Comedia Soldadesca aufschlussreich, da die Sprachkompetenzen der einzelnen Figuren variierten. Die soldados pláticos, Guzman, Manrique und Mendoça, sowie der Capitan, der ehemalige Ordensbruder Liaño und der Herold (Atambor) sprechen Spanisch, das heißt castellano. Die soldados bisoños, Juan Goçalez und Pero Pardo, hingegen sind einfache Fußsoldaten, die gerade erst aus Spanien in Rom angekommen sind; sie sprechen, ebenso wie der Neuankömmling Manchado in der Tinellaria, den Kunstdialekt sayagués. Torres Naharro griff dabei wie auch im Introito y argumente der Soldadesca auf ein rhetorisches Muster zurück, das Juan del Encina in seinen Eklogen etabliert hatte, um ungebildete Figuren zu charakterisieren (vgl. Kapitel 4.2). Dabei ist dieser ‘Kunstdialekt’ keinesfalls mit der 461 Vgl. Zitat 29. Ähnlich lautet Aretinos Stellungnahme im Prolog der Cortigiana (1525), deren Mehrsprachigkeit die Verwendung unterschiedlicher italienischer Varietäten konstituiert: „[...] e lo prova, non essere pur parenti, la differenzia de le lingue che si leggono, e lo conferma Pasquino, che cicala d’ogni tempo greco, còrso, francese, todesco, bergamasco, genovese, veneziano e da Napoli. E questo è perch’una musa nacque in Bergamo, l’altra in Francia, questa in Romagna e quella in Chiasso e Caliope in Toscana. O vedete se di tanta mescolanza nascono le sorelle! “ (Aretino 1970, 36) 462 Vgl. Torres Naharro 1517, IIIv (vgl. Z. 30): „Conuiene asaber dando a cadauno lo suyo. Euitar las cosas inproprias. vsar de todas las legitimas de manera quel sieruo no diga ni haga actos del Señor [e]t ecõuerso.“ 160 Varietät von Sayago 463 gleichzusetzen. Denn sowohl Encina als auch Torres Naharro verwenden lediglich einige saliente Merkmale des Leonesischen, um die Sprache ländlicher, ungebildeter Sprecher zu markieren. 464 Kennzeichnend für das sayagués ist unter anderem der Wechsel des Nexus Konsonant + [l] zu Konsonant + [r] in silbeninitialer Position, wie zum Beispiel in diabro und pracer anstelle von diablo und placer. Weitere Charakterisitika sind die Metathese der Liquida und Vibranten, wie in cralo statt claro, sowie die Aspiration von wortinitialem [f], die durch das Graphem <h> repräsentiert wird (vgl. huera): 465 (31) ju. y al diabro teencomiendo pues bien cralo te lo digo pe. dexame que yo voy viendo quelas quiere auer comigo quereis ver si yo me hago entender por el su mesmo lenguaje: madono hazme un pracer mateme un buen formaje. ju. mas espera pues que venimos dehuera querremos lugo 466 dormir si tienes vna caldera ponla con agua arrostir. co. mo che fate veni pur intra pigliate si cene pur dila rroba (Torres Naharro 1517, XLVIIIIv; Kursivierung T.G.) 463 Tierras de Sayago war die Bezeichnung einer nordwestlich von Salamanca gelegenen Gegend, die heute in etwa der Comarca de Sayago in der Provinz Zamora (Castilla y León) entspricht. 464 Vgl. López Morales 1986, 60ff.: „Encina necesitó elementos para ‘construir’ esa lengua y apeló a imitar en sus diálogos el lenguaje de los campesinos de los pueblos vecinos a Salamanca que acudían a la ciudad con frequencia en busca de mercado para sus productos. El lenguaje que en realidad hablaban estas gentes era el dialecto leonés o un leonés castellanizado en mayor o menor grado, según su procedencia geográfica. Así constituyó su sermo rústicus, matizando con leonesismos el castellano popular y arcaizante que le sirvió de base. [...] Torres Naharro aprendió en el texto de Encina este lenguaje pastoril que hablan los rústicos de sus prólogos y algunos de sus personajes. [...] En rigor, si no podemos hablar de un leonesismo en Encina [...], mucho menos será posible hacerlo en Naharro [...].“ 465 Vgl. Stern 1961, 236 und López Morales 1986, 60f. 466 Auch die Schreibweise lugo statt luego bezeichnet Stern (1961, 236) als Merkmal des Sayagués: „[...] such characteristics as the peculiar Leonese diphthong [u eo ] derived from Latin ŏ and transcrived graphically as u (llugo ‘luego’, jugo ‘juego’) [...].“ 161 Dieser Textauszug aus der jornada tercera zeigt, dass die soldados bisoños des ‘Italienischen’ kaum mächtig waren. Pero Pardo gibt zwar an, er würde die Sprache des Italieners Cola sprechen („i yo me hago entender / por el su mesmo lenguaje“), tatsächlich verwendet er lediglich einige lexikalische ‘Pseudoitalianismen’ wie die Anrede madono oder eine italianisierende Form formaje statt spanisch queso. Die Sprache der italienischen Bauern hingegen ist nicht das literarische Toskanisch, sondern eine römisch gefärbte Varietät. 467 Am Ende der jornada tercera, als Cola mit seinem Freund plant, die Spanier zu vertreiben, brüstet sich Joanfrancisco mit seinen Spanischkenntnissen. Diese erweisen sich jedoch eher als ‘spagnolo finto’ (vgl. Kapitel 4.2.1.2). 468 Der Capitan hingegen beherrscht das Italienische und setzt seine Sprachfertigkeiten gezielt in der jornada quinta ein, um die Italiener zu besänftigen, welche im Begriff sind die spanischen bisoños zu verprügeln. 469 Das bedeutet, dass Torres Naharro - gemäß der poetologischen Prämisse im Proömium - die einzelnen Figuren mit unter durch ihre Sprachkompetenzen, beziehungsweise ihr Unvermögen gestaltet und charakterisiert. Auch im Retrato de la Lozana Andaluza (1528) unterscheiden sich die Figuren durch ihre Sprachkompetenzen. Dies wird insbesondere am Beispiel der Lozana deutlich, in deren sprachlichem Verhalten sich Delicados Bewusstheit für Sprachkontakt und dessen Auswirkungen auf den Fremdsprachenerwerb manifestiert. Während die Lozana zu Beginn bei ihrer Ankunft in Rom kaum Italienisch spricht und Rampín zunächst immer wieder um Erklärungen und Übersetzungen bittet (vgl. Z. 34), verwendet sie im weiteren Verlauf des Textes italienische Wörter und ganze Wendungen und es wird mehrmals erwähnt, dass sie nun im Stande sei, sich auf Italienisch zu verständigen. 470 Gegen Ende, als sie in mamotreto LV dem Jüngling Cordón empfiehlt, mit seiner angebeteten Palidora Italienisch zu sprechen, gibt sie eine Kostprobe ihrer eigenen Fähigkeit in der Fremdsprache: (32) L OZANA : ¡Ay, amarga, no ansì! Y tanto ceceas; lengua d’estropajo tienes. Entendamos en lo que dirás a tu amiga cuando esté sola, y dilo en italiano, que te entienda: ‘Eco, madona, el tuo caro amatore; se tu voi que yo mora son contento. Eco colui que con perfeta fede, con lacrime, pene 467 Vgl. Lihani 1979, 57: „The Italian vocabulary used in the play is not the standard Italian of Tuscany, however, but a dialect evoking the farming area around Rome.“ Kennzeichen dafür sind beispielsweise die nicht-diphthongierte Form bona anstelle von buona (vgl. Torres Naharro 1517, XLVIIIIr) oder die Form caso (meridional it. cacio < lat CASIUM ) anstelle von it. formaggio < lat. ( CASIUM ) FORMATICUM . 468 Vgl. Lida de Malkiel 1957/ 1958, 275: „Las escenas bilingües (italiano estropeado por españoles, español estropeado por italianos) son buen reflejo de la admirable objetividad del poeta que, por añadidura, incluye en su comedia la visión italiana del soldado español, pero omite -precisamente porque su galería de personajes es verdadera- el figurón convencional del soldado fanfarrón.“ Vgl. auch Gruber 2010. 469 Vgl. Torres Naharro 1517, LIIr. 470 Vgl. hierzu Ropero Nuñez 1973, 9-11. 162 y estenti te ha sempre amato e tenuta esculpita in suo core. Yo son Coridone, tuo primo servitore. ¡Oh mi cara Polidora, fame el corpo felice, y serò sempre tua Jaqueta, dicta Beatrice! Y así podrás hacer tu voluntad. (Delicado 2003, 437; Kursivierung T.G.) In der Soldadesca finden sich des Weiteren metasprachliche Beobachtungen, die sprachliche Differenzen thematisieren. So rät Mendoza im zweiten Akt dem Atambor, dass er in einer bestimmten Gegend nach Rekruten suchen möge, da sich dort viele Neuankömmlinge aus Spanien auf der Suche nach Arbeit aufhielten. Gleichzeitig warnt er vor den rohen Gepflogenheiten dieser bisoños. Er empfiehlt dem Rekrutierer, sich im Gespräch ihrem Niveau anzupassen, da sich ihre Sprache stark vom Standardkastilischen unterscheide. Auf die Frage des Atambor, weshalb er diese Spanier als bisoños bezeichne, antwortet Mendoza, sie seien des Italienischen kaum mächtig, ihr Repertoire beschränke sich vorwiegend auf Forderungen wie „daca el bisoño madona“, daher der Name. (33) me. pues veras si por aqui tardaras y uienen dos compañeros piensa como les diras que son bisoños grosseros at. dessos son; y porque causa o rrazon los llamais bisoños todos me. porque tienen presuncion y son bestias en sus modos no es deoir porque siquieren pedir de comer a vna persona no sabran sino dezir daca el bisoño madona son criados en la corte delos arados donde secria la grana despues no son enseñados en la lengua ytaliana pues conuiene que si alguno destos vyene vos les hableis a su guisa y sacalleeis cuanto tiene de baxo dela camisa (Torres Naharro 1517, XLVIv-LVIIv; Kursivierung T.G.) Hier wird dem orts-, sach- und sprachkundigen soldado plático der ungebildete und ungehobelte bisoño gegenübergestellt, der sprachlich durch den Kunstdialekt sayagués stigmatisiert ist und auf Grund seiner mangelnden 163 Italienischkenntnisse den erfahrenen Soldaten unterlegen ist. Auch wenn diese sprachlichen Unterschiede innerhalb des Komödientextes hyperbolisch sind und als stilistische Mittel funktionieren, beinhaltet der Dialog in Zitat 33 dennoch indirekt Reflexionen über die sprachlichen Fähigkeiten und Umgangsformen unterschiedlicher Personengruppen der in Italien ansässigen Spanier. Eine ähnliche Beschreibung der bisoños findet sich in der Historia delle cose di Napoli sotto l’imperio di Carlo Quinto. Comminciando dall’ Anno 1526. Per fino all’Anno 1537 […], die 1635 in Neapel veröffentlicht wurde. In der Chronik, die laut Auskunft des Herausgebers Battista Grimaldo auf den Aufzeichnungen des Zeitzeugen Gregorio Rosso basiert, findet sich ein Abschnitt zur Beschreibung der spanischen soldati noui, die 1535 in Neapel für Unruhen sorgten: Alli 2. di Maggio [del 1535] arriuorno allo porto di Napoli venti otto naui, & il dì sequente delli trè, arriuorno venti due galere, con Virginio Orisino Generale della Chiesa, e lo Marchese dello Vasto. / / Le naui portorno tremilia soldati noui da Spagna, che loro chiamano Bisogni, li quali per hauer mal partito per la strada, in smõtare a Napoli, andorono mangiando, per le tauerne di Napoli, e beuendo allegramente, mà allo pagare erano sempre in contrasto; la cosa fù tale, che un giorno vennero alle mani Spagnuoli, e Napolitani, cõ molta occisione dell’vna, & dell’altra parte, e gran bisbiglio per la Città, il che fù di gran dispiacere allo Vicerè, il quale nõ puotè, conforme la sua rigorosità, farne dimostratione di gastigo, per non hauer potuto verificare da chi venisse la colpa, se dalli soldati, ò dà Napolitani. / / Nelli sopradetti vascelli se imbarcò la soldadesca Bisogna, e la veterana Spagnola, e la g ẽ te nouamente fatta in Italia [...] (Rosso 1635, 106f., Kursivierung T.G.) In der Historia delle cose di Napoli wird also ebenfalls das unangemessene und maßlose Verhalten der Neuankömmlinge aus Spanien betont. Eine Bemerkung zu ihrer sprachlichen Kompetenz findet sich jedoch nicht. Auch im Retrato de la Lozana Andaluza werden Neuankömmlingen als bisoños bezeichnet. Bei einem Rundgang durch Rom (mamotreto XV) treffen die Lozana und Rampín auf der Piazza Navona auf einen Prediger. Daraufhin bittet die Lozana ihren Begleiter um eine Übersetzung. Dieser fasst die Predigt über die Ereignisse des Sacco di Roma (1527) wie folgt zusammen: (34) L OZANA . ¿Qué predica aquél? Vamos allá. R AMPÍN . Predica cómo se tiene de perder Roma y destruirse el año del XXVII, mas dícelo burlando. Éste es Campo de Flor, aquí es, en medio de la cibdad. Estos son charlatanes, sacamuelas y gastapotras, que engañan a los villanos y a los que son nuevamente venidos, que aquí los llaman bisoños. (Delicado 2003, 242; Kursivierung T.G.) 471 471 Vgl. auch mamotreto XXXVII, Delicado 2003, 404 (Kursivierung T.G.): „Rampín - ¿Qué hacéis? Mirá, que os llama un mozo de un novicio bisoño.“ An anderer Stelle bezeichnet Delicado in der Liebeskunst unerfahrene Männer als bisoños. So wird Rampíns 164 Auch Juan Valdés nennt die spanischen Rekruten bisoños und stellt sie den soldados pláticos gegenüber: (35) MARCIO. ¿Qué diferencia hazéis entre potage, caldo y cozina? y preguntôslo, porque he visto algunas veces que soldados plácticos se burlan de los nuevamente venidos de Spaña, que nosotros llamamos bisoños, unas veces porque dizen cozina al brodo, y otras porque al mismo llaman potage. VALDÉS. Los que hablan bien nunca dizen cozina sino al lugar donde se guisa de comer, y por lo que los aldeanos dizen cozina ellos dizen caldo, que es lo que vosotros dezís brodo; y potage llaman a lo que acá llamáis minestra. Algunos escuderos que biven en aldeas, no sabiendo hacer esta diferencia entre potage y caldo, por no conformarse con los aldeanos en dezir cozina, sin guardar la diferencia dizen siempre potage. Sabido esto, entenderéis la causa por qué los soldados plácticos burlaban de la cozina y del potage de los bisoños. (Valdés 1967, 66f; Kursivierung T.G.) Ein Hinweis auf bisoño findet sich in der Historia general y natural de las Indias von Gonzalo Fernández de Oviedo (1535-1557). Das Wort wird als Italianismus identifiziert und mit anderen Lexemen wie bozal verglichen, mit denen man afrikanische Sklaven bezeichnete, die gerade in Amerika angekommen und noch nicht orts-, sach- und sprachkundig waren: Yo estoy bien con este dicho, y parésceme que aunque no padezca menos tormento el acostumbrado a trabajos, aquéllos tienen ya hecho tal hábito en el ejercitado en ellos, que muere como más prudente, sin mostrar la poquedad y flaqueza de ánimo que los otros bozales en las fatigas, o los que nuevamente vienen a ellas, a los cuales en estas Indias llamamos chapetones, y en Italia les dicen bisoños. Entre los españoles y los indios en Castilla del Oro los llaman chucres, que es tanto como decirle novicio o ignorante. (Fernández de Oviedo 1992, Bd. II, 358f.; Kursivierung T.G.) Juan de Pinedas Erklärung für die Entlehnungsgeschichte von bisoño in den Diálogos familiares de la agricultura cristiana (1589) basiert zwar auch auf der massiven Stationierung spanischer Soldaten in der Italia Spagnola, er fokusiert jedoch einen anderen Aspekt. Die Entlehnung bisoño bedeute ‘cosa necesaria’ (‘notwendige Sache/ Angelegenheit’) und den Ursprung für diesen Gebrauch führt Pineda auf den Bedarf an Soldaten zurück, die der Gran Capitán zur Eroberung des Königreichs Neapel benötigte: A NDRÓNICO . [...] mas, por haberse hallado el Gran Capitán en Italia muy en aprieto por falta de gente, después que le llegaron algunos soldados de Es- Geschlechtsteil in mamotreto XIV metaphorisch als „bisoño de frojolón“ bezeichnet; vgl. Delicado 2003, 233: „[...] En mi vida vi mano de mortero tan bien hecha. ¡Qué gordo que es! Y todo parejo. ¡Mal año para nabo de Jerez! Parece bisoño de frojolón. La habla me quitó, no tenía por do resolar. ¡No es de dejar este tal unicornio! “ 165 paña que le sacaron de necesidad, dijeron los italianos que aquéllos eran bisoños, significando que eran los necesarios para socorrer a su capitán, y por ser nuevos en la tierra comenzaron los españoles a los llamar bisoños, y ansí también a los que después fueron de nuevo, y de allí tomó la ignorancia principio de llamar bisoños a los nuevos y poco entendidos en alguna cosa. (Pineda 1589; zit. bei CORDE 472 ) Pinedas Erklärung weicht insofern von der in der Soldadesca ab, als dass er nicht eine prototypische Äußerung der Soldaten selbst („no sabran sino dezir / daca el bisoño madona“) sondern einen historischen Sachverhalt als Ursprung der Entlehnung nennt. Unabhängig von den etymologischen Varianten stimmen die zitierten Textbelege für bisoño bei Torres Naharro, Rosso, Delicado, Valdés, Fernández de Oviedo und Pineda jedoch darin überein, als dass der Begriff mit dem Königreich Neapel in Verbindung gebracht wird und die Bedeutung stets ‘(sprach-)unkundig’ ist. Eine Konstante ist auch die Identifizierung als Italianismus. Die Äußerung (ho) bisogno ‘ich brauche’ wird bei Torres Naharro für die Verhaltensweise und den Sprachgebrauch spanischer Soldaten hypercharakterisiert und metonymisch als Attribut zur Bezeichnung dieser Rekruten verwendet, da dies der einzige italienische Satz sei, den sie zu sagen imstande wären. Die verschiedenen Bedeutungen (‘unerfahren im Waffengebrauch’, ‘nicht orts- und sprachkundig’, ‘Rekrut’) bilden einen Kontrast zu soldado plático (‘erfahren’, ‘orts- und sprachkundig’). 473 Dies ist ein Hinweis darauf, dass das spanische bisoño per Analogie als Antonym zu plático lexikalisiert wurde, das zunächst auf Sprachkompetenz abzielend ‘belesen’ und ‘wortgewandt’, im übertragenen Sinne aber auch ‘erfahren’ und kompetent’ bedeutete. 474 Sebastián de Covarrubias erläutert im Tesoro de la lengua Española (1611) plático unter anderem in Bezug auf die Qualitäten eines Soldaten und identifiziert es als Ableitung von platicar (‘sprechen’, ‘sich unterhalten’): PLATICO , el diestro en dezir, o hazer alguna cosa por la experiencia q tiene, como soldado platico de la misma raiz Griega πλακτικός, efficax, factibilis, actualis. Platicar, conuersar. (Covarrubias 1611, 590v) Auch zu bisoño findet sich im Tesoro de la lengua Española ein Eintrag. Dort wird das Lexem als Bezeichnung für einen Soldatentyp definiert. Covarrubias verweist sogar explizit auf Torres Naharro und erklärt den Italianismus anhand der Soldadesca: 472 Vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 473 Die Bezeichnung plático ‘erfahren, altgedient’ hat auch eine Entsprechung im Portugiesischen. In dem Dialogo do soladado pratico […], von Diogo do Couto 1611 in Goa verfasst, wird ‘soldado pratico’ synonym mit ‘soldado velho’ verwendet, vgl. die Ausgabe von Diogo do Coutos Texten von Antonio Caetano do Amaral (1790). 474 Außerdem weist diese zweite Bedeutung von plático eine synkretistische Tendenz zu dem spanischen Adjektiv prático auf. 166 BISOÑO , el soldado nueuo en la milicia; es nõbre casual e moderno. Dio seles con esta ocasion, que passando a Italia compañias de Españoles, y no sabiendo la lengua, la iuan deprendiendo conforme a las ocasiones, y como pedi- lo nessesario para su sustento aprehendieron el vocablo visoño, que vale tanto como he menester, y dezian visoño pan, visoño carne, &c. Y por esto se quedaron con el nombre de visoños. Torres Naharro en vna comedia suya que llamò la soldadesca, dize assi. No es de oyr, Porque si quieren pedir De comer a vna persona No saben sino dezir Daca el bisoño madona En la lengua Toscana visogno, es vnas vezes verbo, y otras nombre, id est, necesidad. (Covarrubias 1611, 138v) Das deutet daraufhin, dass das Antonympaar zur Zeit, als Covarrubias den Tesoro de la lengua Española verfasste, im Spanischen bereits zur Unterscheidung von altgedienten und noch unerfahrenen Soldaten lexikalisiert war. Für das Adjektiv bisoño ist diese Bedeutung bis heute konstant geblieben, plático hingegen existiert im modernen Spanisch nicht mehr. 475 Wenngleich die Soldadesca wahrscheinlich nicht der Ort der Innovation war, so liegt in ihr jedoch der Erstbeleg 476 für sp. bisoño vor. Dies lässt sich anhand der Online-Datenbank des Corpus Diacrónico del Español (CORDE) der Real Academia Española überprüfen. Der CORDE erfasst zwar nicht die Gesamtheit aller sprachlichen Daten und die Recherchemöglichkeiten sind in mancher Hinsicht begrenzt, beziehungsweise ungenau. Denn für die frühen Epochen der Geschichte des Spanischen machen die elaborierten Texte den weitaus größten Anteil aus. Die Datenbank speist sich aus einer Vielzahl von Editionen und somit liegt kein einheitliches Transkriptionssystem vor. Außerdem wurden die Texte in vielen Editionen an die Orthographie des modernen Spanischen angepasst. Texte, die nicht eindeutig auf ein Jahr datiert werden können und deshalb auf eine Zeitspanne post quem bis ante quem festgelegt wurden, erscheinen als Resultat für unterschiedliche Such- 475 Vgl. hierzu DRAE (2001 22 ): „bisoño, ña. (Del it. bisogno). 1. adj. Dicho de la tropa o de un soldado: nuevo (|| principiante). U. t. c. s. 2. adj. coloq. Nuevo e inexperto en cualquier arte u oficio. U. t. c. s.“ <http: / / lema.rae.es/ drae/ > [Zugriff am 07.03.2014]. Während im DRAE (2001 22 ) plático nicht enthalten ist, verzeichnet es das Lemma platicar: „platicar. 1. tr. conversar (|| hablar). U. m. c. intr. 2. tr. Conferir o tratar un negocio o materia. U. m. c. intr.“ <http: / / lema.rae.es/ drae/ > [Zugriff am 07.03.2014]. 476 Auch im Diccionario crítico etimológico castellano e hispánico wird die Soldadesca als Erstbeleg genannt. Die Etymologie wird wie folgt erklärt, vgl. Corominas/ Pascual 1980, 593: „bisoño, del it. bisogno ‘necesidad’ aplicado por los italianos en el S. XVI a los soldados españoles recién llegados a Italia, por lo mal vestidos que iban, como reclutas allegadizos; la palabra italiana procede del verbo bisognare ‘necesitar’, que se cree procedente del germ. BISÔNJÔN ‘poner cuidado’. 1. a doc.: 1517, Torres Naharro; Guevara, Menosprecio, 152.20 [sic! ].“ 167 anfragen. Dennoch führt die Recherche mit dem CORDE zu approximativen Ergebnissen, die in mancher Hinsicht aussagekräftig und interpretierbar sind. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Verteilung der Treffer. Tabelle 5: Trefferübersicht für die vier flektierten Formen des Adjektivs bisoño und plático (1400-1600) 1400-1500 1500-1530 1530-1600 <bisoño> - 7 Treffer 38 Treffer 477 <bisoños> - 478 8 Treffer 56 Treffer <bisoña> -1 Treffer - 479 11 Treffer <bisoñas> - - 1 Treffer <platico> 11 Treffer 5 Treffer 31 Treffer <plático> 6 Treffer 10 Treffer 205 Treffer <platicos> 2 Treffer - 12 Treffer <pláticos> - 4 Treffer 219 Treffer Die Untersuchungszeiträume wurden nach folgenden Kriterien festgelegt: In dem ersten Abschnitt vor 1500 war die Präsenz der spanischen Soldaten in Italien noch nicht nennenswert (vgl. Kapitel 2.2). Deshalb wird angenommen, dass bisoño vor 1500 noch nicht entlehnt beziehungsweise lexikalisiert worden war. Der zweite Abschnitt (1500-1530) ist durch den rapiden Anstieg der in Rom und Neapel stationierten Soldaten gekennzeichnet, deshalb scheint es plausibel, dass die Entlehnung in diesem Zeitraum in Texten in Erscheinung tritt. Des Weiteren wird vermutet, dass sich in dem Zeitraum 1530-1600 das Wort bisoño ausbreitete und somit vermehrt in Texten dokumentiert ist. Auf Grund der bereits genannten Schwierigkeiten, die bei der Recherche mit dem CORDE auftreten, wurde darauf verzichtet, eine quantitative Auswertung der Treffer durchzuführen. Stattdes- 477 Ein Textbeleg erscheint ebenfalls bei der Suchanfrage für den Zeitraum 1500-1530. Es handelt sich um die Epístolas familiares von Fray Antonio de Guevara, die zwischen 1521 und 1543 verfasst wurden. 478 Die Suche nach <bisoños> ergibt für den Zeitraum (1400-1500) zwar ein Resultat, das auf die Comedia Thebayda verweist. Diese Daten können jedoch nicht gewertet werden, da der CORDE keine genaue Datierung angibt und die Komödie für jede Suchanfrage zwischen 1500 bis 1600 auflistet. Tatsächlich erschien die Thebayda gedruckt 1521 erstmals bei George Costillas. Zur Datierung der Comedia Thebayda vgl. Trotter 1965; siehe auch Canet 1993, 47 und 2003, 13-21. 479 Eine Ausnahme bildet die Schreibweise <bisogna>, für die sich von 1500 bis 1530 zwei Ergebnisse finden. Diese entstammen jedoch beide einer italienischen Textpassage bei Torres Naharro. Auch für den Zeitraum (1530-1600) finden sich drei Ergebnisse für <bisogna>, die ebenfalls italienischen Textpassagen entstammen. Ein Beleg verweist auf Leone Hebreo und zwei auf Hernán Núñez. Vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 168 sen wurden die Ergebnisse in Bezug auf den historischen Kontext interpretiert und miteinander verglichen. Von 1400 bis 1500 findet sich für <bisoño> kein Eintrag. Auch die Suche nach alternativen graphischen Formen wie *<bisonho>, *<bisonno> oder *<bisogno> führt zu keinem Ergebnis. Ebenso erzielt die Suchanfrage nach der Femininform <bisoña> mit ihren denkbaren graphischen Varianten *<bisonha>, *<bisonna> oder *<bisogna> keine relevanten Treffer. 480 In dieser Zeitspanne finden sich auch keine Belege für die entsprechenden Pluralformen und ihre möglichen Varianten. Im Gegensatz dazu finden sich von 1400 bis 1500 für die Schreibweise von <platico> ohne Akzent elf Einträge. Davon entsprechen sieben Fälle der 3. Person Singular des Präteritums von platicar (‘sprechen’), die weiteren vier haben die Bedeutung ‘erfahren’. 481 Für den Eintrag <plático> mit Akzent erscheinen sechs Treffer mit der Bedeutung ‘belesen’, ‘redegewandt’, wobei die Akzente jeweils von den Editoren eingefügt wurde, um die Texte orthographisch an das moderne Spanisch anzupassen. Für die Pluralform finden sich in der Schreibweise ohne Akzent zwei Belege, in beiden Fällen sind es Adjektivattribute zu hombres, die ‘erfahren’ bedeuten. In einem Fall bezieht sich dies konkret auf ‘erfahren im Umgang mit Waffen’. 482 Für den Zeitraum (1500-1530) erscheinen für <bisoño> sieben relevante Einträge. Davon stammen vier aus den Komödien Torres Naharros (1517): zwei aus der Soldadesca, einer aus der Seraphina und einer aus der Tinellaria. Zwei weitere Einträge verweisen auf Francisco Delicados Retrato de la Lozana Andaluza (1528) und ein Beleg stammt aus den epistolas familiares von Fray Antonio de Guevara (1521-1543). Für die Suche nach der Pluralform <bisoños> erzielt man acht Treffer, einer davon im Retrato de la Lozana Andaluza (vgl. Z. 34), ein weiterer in der anonymen Comedia Thebayda 483 , die 1521 gemeinsam mit zwei von Torres Naharro verfassten Komödien, der Hypólita und der Seraphina, in Valencia gedruckt wurde, sowie ein Treffer aus Hernán López de Yanguas Farsa de la concordia (1529). Die restlichen fünf Treffer stammen aus Torres Naharros Comedia Soldadesca. Nicht nur bei Torres Naharro sondern auch in den anderen drei Fällen bezieht sich 480 Die Suche für diesem Zeitraum erzielt zwar einen Treffer, dieser wird aber nicht gewertet, da der gleiche Text auch für die Anfrage 1530-1600 erscheint und auf den anonymen Cancionero musical de Barbieri verweist, der zwischen 1470-1540 datiert ist; vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 481 Allerdings treten zwei Treffer auch bei der Suche von 1500-1530 auf, da sie lediglich auf einen Entstehungszeitraum datiert werden können. 482 „[...] mas platicos / y sabidos en armas“; dabei handelt es sich um die Traducción de la Corónica de Aragón de fray Gauberto Fabricio de Vagad Gonzalo García de Santa María (1499), vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 483 Vgl. Canet 2003, 13. 169 das Lexem eindeutig auf die Fähigkeiten von Soldaten. In der Thebayda liest man: [...] Y d’esta manera y con estas cosas, paréçeles a algunos que yo soy aficionado a vandos como antes dezías; pero, la verdad hablando contigo, todavía procuro al tiempo de la questión y renzilla salirme afuera y dexar a los bisoños, como los soldados dizen [...] (Anonym 2003, 152) Für <platico> ohne Akzent finden sich fünf Einträge. In drei Fällen entsprechen diese der flektierten Form von platicar, in den zwei anderen dem Adjektiv mit der Bedeutung ‘erfahren’. Einmal erscheint dieses sogar in der syntaktischen Verbindung „platico soldado“. 484 Die Suche nach <plático> führt zu zehn Ergebnissen, in allen zehn Fällen handelt es sich um das Adjektiv mit der Bedeutung ‘erfahren im Umgang mit den Waffen’, ‘gut ausgebildeter Soldat’. Vier Einträge entstammen der Propaladia, einer dem Retrato de la Lozana Andaluza und zwei den epistolas familiares von Fray Antonio de Guevara. Von 1530 bis 1600 steigt die Zahl der Einträge deutlich: Für <bisoño> finden sich nun 38 und für den Plural <bisoños> 56 Einträge. Dabei überwiegt für beide Formen die Verwendung des Lexems im militärischen Kontext, wobei sich die Bedeutung auf die Fähigkeit beziehungsweise das Dienstalter von Soldaten bezieht. 485 Dies trifft auf 50 Einträge in der Pluralform zu. Außerdem findet man Fälle, in denen eine direkte Gegenüberstellung von bisoños und pláticos erfolgt, wie zum Beispiel in den Quinquenarios o Historia de las guerras civiles del Perú (1549-1603): „Muchos soldados de los panamenses, como eran bisoños y poco pláticos en las cosas de la guerra [...] “ (Gutiérrez de Santa Clara 1963; zit. bei CORDE 486 ; Kursivierung T.G.). Im Menosprecio de corte y alabanza de aldea (1539) bezieht sich bisoño auf den Sprachgebrauch ungehobelter Neulinge bei Hof: En la corte hay muchos hijos de señores que, cuando vinieron a ella, eran más para se casar que no para servir, porque son muy descuidados, hablan como bisoños, no son nada polidos, andan desacompañados, cuentan donaires muy fríos, son en el visitar muy pesados, comen como aldeanos, son con las damas muy cortos, son en las mesuras un poco locos y en el hablar de palacio muy grandes nescios. (Guevara 1984, 184; Kursivierung T.G.) Zugleich tritt in diesem Zeitraum das flektierte Adjektiv vereinzelt in der Femininform auf: Es erscheinen 11 Einträge für die Singular- und einer für 484 Vgl. Fray Bartolomé de las Casas Apologética historia sumaria, 1527-1550; vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 485 Unter den Belegen finden sich auch die zitierten Textstelle von Valdés (vgl. Z. 35), Fernández de Oviedo und Pineda. 486 Vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 170 die Pluralform. Dabei ist bisoña überwiegend ein Attribut zur Beschreibung einer Kompanie oder Truppe. In acht der elf Fälle ist bisoña Adjektivattribut zu gente, wobei gente auf zuvor genannte Soldaten oder Truppen rekurriert, wie in den Comentarios de la fundación y conquistas y toma del peñón von Baltasar Collazos (1566). Y haviéndolos recogido, que serían en todos, entre soldados y marineros, hasta quatrocientos hombres, començó a marchar con ellos la buelta de Vélez. Y en lo alto de la montaña, en el más estrecho camino della, salieron a ellos hasta setenta o ochenta moros. Y con gran alarido les acometieron, y como era gente bisoña y ruyn y yvan mal ordenados, fácilmente se desbarataron, más de confusión y miedo que por la fuerça de los moros, y pusiéronse en huyda la buelta de Vélez con gran culpa del capitán.“ (Collazos 1566; zit. bei CORDE 487 ; Kursivierung T.G.) Die negative Konnotation von bisoña ist dabei konstant, wie beispielsweise in der Formulierung „Junta en dos horas treinta mil soldados, no bisoña canalla, sino entre gruesa copia señalados“ in der Mexicana (1588-1594) von Lobo Lasso de la Vega. 488 Von 1530 bis 1600 ist auch ein enormer Anstieg der Verwendungen von <platico> zu verzeichnen. Für die Schreibweise ohne Akzent finden sich 31 Einträge, wobei 11 Fälle davon auf eine flektierte Form des Verbs platicar entfallen. Eine Suchanfrage für die Schreibweise <plático> mit Akzent ergibt insgesamt 205 Treffer. Für die Pluralformen finden sich 12 Einträge für <platicos>, davon 11 mit der Bedeutung ‘erfahren’ im Militärwesen und eine mit der Bedeutung ‘wortgewandt’. Die Schreibweise mit Akzent erzielt 219 Treffer, die vorwiegend die Bedeutung ‘erfahren’ haben und häufig als Attribut zu hombres auftreten. Diese approximative Untersuchung im CORDE bestätigt einerseits, dass die Verwendung der spanischen Lexeme plático und bisoño im Laufe des 16. Jahrhunderts angestiegen ist. Anderseits wäre dieser Befund allein noch nicht signifikant, wenn nicht die Einbettung der Okkurrenzen in die textpragmatischen, semantischen und inhaltlichen Kontexte, in denen bisoño erscheint, beweisen würde, dass es sich um eine Entlehnung aus dem Italienischen handelt, die auf das Soldatenmilieu in der Italia Spagnola zurückgeht. In der Soldadesca ist der Gebrauch von bisoño nicht nur erstmals belegt, sondern die Innovation wird auch metasprachlich kommentiert. Möglicherweise sprechen die hohen Auflagenzahlen der Propaladia im 16. Jahrhundert sogar dafür, dass Torres Naharros Text für die Verbreitung und Lexikalisierung von bisoño im Spanischen mitverantwortlich war. Des Weiteren belegen die im CORDE registrierten Textbelege, dass sich die seman- 487 Vgl. REAL ACADEMIA ESPAÑOLA: Banco de datos (CORDE) [online]. Corpus diacrónico del español. <http: / / corpus.rae.es/ cordenet.html> [Zugriff am 07.03.2014]. 488 Vgl. Lobo Lasso de la Vega 1970, 151. 171 tische Relation zwischen den Adjektiven plático (‘belesen, erfahren, orts- und sprachkundig’) und bisoño (‘unerfahren’, ‘nicht orts- und sprachkundig’) zu der konträren Antonymie 489 ‘erfahren’ - ‘unerfahren’ entwickelte. Auch die substantivierten Formen setzten sich durch, jedoch mit reduzierter Bedeutungsextension. Während sich die beiden Adjektive auf ‘Erfahrungsreichtum’ im Allgemeinen und ‘Sprachkompetenz’ im Besonderen bezogen, übernahmen die Nomina in Bezug auf das Militärwesen die Bedeutungen ‘Rekrut’ (bisoño) und ‘altgedienter Soldat’ (plático). Torres Naharro, der die Bezeichnung bisoño aus dem Soldatenjargon der Italia Spagnola aufgriff, erläuterte nicht nur die Bedeutung und die Etymologie des Lexems, sondern thematisiert im weiteren Verlauf der Soldadesca auch die Schwierigkeiten eben dieser soldados bisoños in der Kommunkation mit den ‘Italienern’. 490 Das bedeutet, dass der Autor durch die Karikatur missglückter Kommunikation auf inhaltlicher Ebene die Aussage trifft, dass die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit ein Hindernis darstellte. Auf textpragmatischer Ebene hingegen werden die sprachlichen Divergenzen nivelliert, da vom Publikum beziehungsweise von den Lesern vorausgesetzt wurde, dass sie die mehrsprachigen Passagen und die Karikaturen nachvollziehen konnten. 491 In diesem Punkt unterscheidet sich die Soldadesca von der Tinellaria: Während die Soldatenkomödie von der Karikatur des ‘Pseudospanischen’ sowie des mangelhaften Italienisch der bisoños lebt und die Komik auf sprachlichen Missverständnissen und Verwechslungen beruht, stellt die Vielsprachigkeit der Figuren in der Tinellaria auf textinterner Ebene keine Kommunikationsbarriere dar. Metasprachliche Äußerungen über Sprachverschiedenheit und Mehrsprachigkeit, die in beiden Komödien einen wichtigen Platz einnehmen, setzen von den Rezipienten eine gewisse Sensibilität für Fragen dieser Art voraus, sonst könnten Passagen, wie Manchados Kommentar gegenüber Godoy bezüglich der Unterschiede des italienischen und des spanischen Wortschatzes im vierten Akt der Tinellaria nicht den gewünschten komischen Effekte erzielen: (36) go. pues hermano como sales aestamano do veras cierta calcina entra y luego saldras sano ques en la sancta cantina 489 Vgl. Blank 2001, 32; siehe auch Blank 1997. 490 Die entsprechenden Passagen werden in Kapitel 4.2.1.2 untersucht. 491 Vgl. Lihani 1979, 57: „The Comedia Soldadesca was written for a particular, educated, bilingual audience consisting of the Spaniards earning their livelihood in Italy. The language of the play reflects the polyglot audience: it is a mixture of standard Spanish, Sayagués, and Italian. […] The language barrier between the monolingual Italian peasants and Spanish soldiers gives rise to a great deal of the humour. To contrive effective comic episodes, Torres Naharro makes clever use not only of linguistic elements that contain ambiguity, but also of nonstandard speech.“ 172 m-. dios le plega con elque asta tierra llega yan conquien en ella esta que diabro alabodega le llaman cantina aca gente estraña y alla perra dizen caña ya muchos hombres cotales yalos açumbres despaña les llaman aca bocales (Torres Naharro 1517, LXVr; Kursivierung T.G.) Auch in den mehrsprachigen Komödien Della Portas, in der Altilia (1550) von Raineri sowie in Delicados Retrato de la Lozana Andaluza (1528) treffen Spanier und Italiener aufeinander, die sich nicht verständigen können oder ‘Pseudovarietäten’ der jeweiligen Fremdsprache sprechen. 492 Im Folgenden wird die sprachliche Muster- und Stereotypenbildung in den mehrsprachigen Passagen dieser Komödien untersucht und miteinander verglichen. 4.2.1.2 Stereotype und sprachliche Muster in der Darstellung der Italia Spagnola Die soldados bisoños in der Soldadesca stehen stellvertretend für eine stereotype Spanierfigur (vgl. Kapitel 4.1), die auch in anderen mehrsprachigen Komödien der Italia Spagnola auftritt. Der spanische Soldat, der Charakterzüge des soldado fanfarrón 493 trägt, ist zerlumpt, ausgehungert und ungehobelt, trotzdem verhält er sich hochnäsig und eingebildet. Häufig versucht er seine Mitspieler durch martialische Prahlereien zu übertrumpfen. Doch mit seinen Forderungen nach Unterkunft und Verpflegung macht er sich bei den Italienern unbeliebt und zieht Verachtung und Spott auf sich. In der Soldadesca liest man: „certa canaglia spagnola“ (Torres Naharro 1517, XLVIIIIv), in der Cortigiana werden Spanier als Diebe, Grobiane und Bösewichte beschimpft: „Gli spagnoli m’hanno ferito; ladri, bestie, furfanti“ (Aretino 1970, 130), in der Tabernaria wird über die Prahlerei der Spanier gelästert: „Povero re di Spagna, ch’ogni villano o capraro che vien da Spagna in Napoli dice di essere cosí ben nato come lui“ (Della Porta 2003, IV, 292) und in der Altilia liest man: „iuradios che los Spagnolos no sues ombre da bien“ (vgl. Z. 40). Das negative Bild der spanischen Soldaten korrespondiert mit einigen sprachlichen Mustern, die vor allem in den Passagen der Komödien zu be- 492 Vereinzelt finden sich auch in Aretinos Cortigiana Äußerungen, die sich auf das Spanische beziehen. So heißt es in der siebten Szene des dritten Aktes, vgl. Aretino 1970, 89: „In effetto io son deliberato mutare padrone, perché disse lo spagnolo che gli è meglio perdere che mas perdere.“ 493 Vgl. Boughner 1943, Lida de Malkiel 1957/ 58, Gruber 2010. Siehe auch Kapitel 4. 173 obachten sind, in denen Italiener eine Art ‘Pseudospanisch’ sprechen. Charakteristisch für das ‘spagnolo finto’ 494 , mit dem das Spanische der Italiener gekennzeichnet wird, ist die Verwendung von Elementen des expressiven Sprechens, wie Kraftausdrücke oder Schimpfwörter, aber auch spanische Interjektionen, Anrede- und Begrüßungsformeln werden als Merkmale eingesetzt. Als spanische Versatzstücke werden „vestra mercé“ (Z. 43 und 46), „siñor“ (Z. 37 und 38) und „Signor alguazil“ (Z. 43) sowie idiomatische Wendungen, wie zum Beispiel „es menester“ (Z. 44 und 46), „juras dios“ (Z. 37) oder „iuradios“ (Z. 40), einer Äußerung vorangestellt oder in diese eingeflochten. Diese Elemente sind in der Alltagssprache hochfrequent und haben deshalb einen hohen Wiedererkennungswert, weshalb sie leicht als ‘spanisch’ identifiziert werden können. Zugleich strukturieren sie die Äußerungen wie Diskursmarker. 495 Zudem erfüllen sie in den Komödien eine deiktische Funktion, denn sie signalisieren: ‘jetzt wird spanisch gesprochen’ beziehungsweise ‘jetzt versucht jemand spanisch zu sprechen’. Während die Anredeformeln vor allem Indikatoren für code-switching sind, werden die Schimpfwörter und Kraftausdrücke zum Erzeugen komischer Momente eingesetzt. Gleichzeitig sind sie in den Komödien Erkennungsmerkmale für vermeintliche Fremdsprachenkompetenz. Ein Ausschnitt aus dem dritten Akt der Soldadesca, in dem sich Joanfrancisco und Cola beraten, wie man die spanischen bisoños in ihre Schranken weisen könne, soll dies verdeutlichen. Joanfrancisco prahlt mit seinen Spanischkenntnissen und gibt eine Kostprobe davon: (37) co. vo il malan che dimedia certa canaglia spagnola mi disfano casa mia jo. Deh pouereto va in casa senza suspeto no auer nesun pensiere fa buon fogo concia ileto dagli epo magnar ebere simel gente voglion questo solamente lassa andar per vna sera co. mo qui non li intende niente. jo. ti voglio amparar da vera co. tu chesai jo. sono stato tempo asai con loro presso ferrara 494 Im Vergleich dazu finden sich nur wenige Passagen, in denen Spanier ‘pseudoitalienische’ Varietäten sprechen, vgl. hierzu zum Beispiel Zitat 31. 495 Diskursmarker oder -partikel werden als nichtvariable sprachliche Einheiten verstanden, die die Funktion übernehmen können, die Information eines Textes zu strukturieren, vgl. u.a. Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro 1999; siehe auch MLSpr 2003, 164. 174 juras dios siñor tumai cuschilladas perlas cara majadieros io tiengos muchos dinieros en las curdubas sibilias mios patres caualieros siñores de las castilias co. mo coglione a quo modo intenderone asta forgia ilor parlare jo. ti mi pare un gran mincione ti voglio meglio amparare da pertuto secondo quel chio veduto las cole vodir caolata tuncinos vodir presuto las oglia vodir pignata (Torres Naharro 1517, XLVIIIIv; Kursivierung T.G.) 496 Joanfranciscos grammatisch unkorrektes Spanisch, das sich unter anderem in der Hypercharakterisierung durch kategorisches Anhängen eines finalen -s manifestiert - hierauf wird noch zurückzukommen sein - verleiht seinen Drohungen und Prahlereien eine lächerliche Note. In Kombination mit Kraftausdrücken und Schimpfwörtern wie „cuschilladas perlas cara / majadieros“ ‘Messerstiche ins Gesicht / Idioten’, kennzeichnet Torres Naharro in seinen Komödien das Spanische der Italiener. Dabei bedient er sich sowohl auf der semantisch-lexikalischen als auch auf der lautlichen und der morphosyntaktischen Ebene salienter Merkmale des Spanischen, die er zu stereotypen Mustern stilisiert. Ein Blick auf andere Textpassagen zeigt, dass auch die häufig aggressiv verlaufende Kommunikation zwischen Spaniern und Italienern sowie die Zänkereien der Spanier untereinander ebenfalls von Kraftausdrücken und Beschimpfungen geprägt sind. In der Tine- 496 McPheeters adaptierte die Textstelle wie folgt; vgl. Torres Naharro 1979, 81-82: „Cola: Vo il malan che Di me dia; / certa canaglia spagnola / mi disfano casa mia. / / Joan: ¡Deh, povereto! / Va’ in casa senza suspeto, / no aver nesun pensïere, / fa buon fogo, concia il leto, / dagli depo magnar e bere. / Simel gente / voglion questo solamente; / lassa andar per una sera. / / Cola: Mò qui non li intende niente. / Joan: Ti voglio amparar avera. / / Cola: ¿Tu che sai? / / Joan: Sono stato tempo asai / con loro presso Ferrara: / ‘Juras Dios, siñor, tumai / cuschiladas per la cara. / ¡Majaderos! / Io tiengos muchos dinieros / en las Cúrdubas, Sibilias; / míos patres cabalieros / siñores de las Castilias’. / / Cola: Mò, coglione, / ¿A quo modo intenderone / asta forgia, il lor parlare? / / Joan: Ti mi pare un gran mincione; / ti voglio meglio amparare / dapertuto. / Secondo quel ch’ io ho veduto / las cole vo dir caolata; / tuncinos vo dir presuto, / las oglia vo dir pignata.“ 175 llaria und der Soldadesca fallen die Ausdrücke majadero 497 , marrano 498 , vellaco und poltrón. Letzteres Wort, das in substantivischer Verwendung ‘Faulpelz’ bedeutet, ist eine Entlehnung aus dem Italienischen 499 und findet sich bei Torres Naharro in spanischen und in italienischen Äußerungen, so auch in Akt fünf der Soldadesca, in dem sich Cola und Juan gegenseitig vor dem Capitán anschwärzen. (38) co. que dice questo marrano ju. tu no entiendes que te digo labrador yno villano cap. ques aquesto ju. mirad señor que man puesto las lanças a la barriga. co. mo parlate pur honesto ju. mas ora toma una biga co. deh siñor fateme qualche fauore uedite chio son pouereto questo poltron traditore ma brugiato insino al leto (Torres Naharro Sol 1517, LIv; Kursivierung T.G.) In der Soldadesca beschimpfen die italienischen villanos die Spanier als poltron, poltrone oder poltroni. In der Tinellaria hingegen wird das Schimpfwort auch von Spaniern gebraucht. So nennt beispielsweise der Mundschenk Barrabás im zweiten Akt Canavario einen „gran poltron“ (Torres Naharro 1517, LVIv) und Godoy bezeichnet den Weinkellervorsteher als „poltron del canavario“ (Torres Naharro 1517, LVIIIIv). Auch im dritten Akt fällt das Schimpfwort zweimal (vgl. Torres Naharro 1517, LVIv, LXIr und LXIv). Insgesamt zeichnet sich für Kraftausdrücke und Schimpfwörter eine extrem hohe Durchlässigkeit von einer Sprache in die andere ab. Dies hängt mit dem hohen Wiedererkennungswert dieser Elemente des expressiven Sprechens zusammen. Auch in den Rodomontadas españolas, Recopiladas de los Comentarios de los muy espantosos, terribles, e invencibles Capitanes, Matamoros, Crocodilo, y Rajabroqueles (1627) von Lorenzo Franciosini dominieren expressive Ausdrücke. 500 Die Rodomontadenliteratur bediente sich der Vorurteile, die für den ‘spanischen Prahlhans’ als prototypisch galten. Auch die Sprache des Capitano Spavento in der Commedia dell’Arte ist durch die 497 Vgl. „majadero“ (Torres Naharro 1517, LVIr) und „toma el plato majadero“ (Torres Naharro 1517, LXr). 498 Zur Verwendung von marrano vgl. auch Kapitel 4.1.2. 499 Der DRAE (2001 22 ) definiert poltrón als Italianismus und nennt folgende Bedeutung: „poltrón, na. (Del it. poltrone). adj. Flojo, perezoso, haragán, enemigo del trabajo. 2. f. silla poltrona.“ <http: / / lema.rae.es/ drae/ > [Zugriff am 07.03.2014]. 500 Vgl. Mele 1914, 32. Vgl. hierzu auch Kapitel 4. 176 Bravure gekennzeichnet. 501 Dabei modellieren stereotyp wiederkehrende Schimpfwörter und Ausrufe die lexikalische Ebene der Texte. Die Aneinanderreihung von Aufschneidereien in der Rodomontada II hinterlassen einen ähnlich lächerlichen Eindruck wie Joanfranciscos ‘pseudospanische’ Drohungen in der Soldadesca (vgl. Z. 37): (39) II. Voto à Dios, uellaco si uoy allà te darè tal golpe con esse palo, que te harè entrar seis pies dentro de tierra, que no te quedarà mas del braco derecho fuera para q[i]tarme el sombrero quando passare. (Franciosini 1627, 5r-5v) Die Redewendung „Voto à Dios “ bedeutet wörtlich zwar ‘ich schwör bei Gott’, hat in Verbindung mit uellaco ‘Schuft’ aber weniger eine salbungsvolle Bedeutung, als vielmehr eine intensivierende Funktion. Beispiele dafür finden sich auch in der Tinellaria, in der diese Wendung zwanzig Mal in Streitgesprächen erscheint. Torres Naharro kennzeichnet damit Sprecherwechsel, oder verleiht einer Äußerung Emphase, wie in dem Gespräch zwischen Barrabás und Escalco im ersten Akt: „ba. o hideputa pues quien. / es. voto adios ques buen compaño“ (Torres Naharro 1517, LVv). Im zweiten Akt erscheint die Wendung im gleichen semantischen Kontext wie bei Franciosini: „quel vellaco voto adios“ (Torres Naharro 1517, LVIIIr). In der Soldadesca übernimmt die Formel auch die Funktion eines Schwurs, der einer Aussage Nachdruck verleihen soll, wie in der Äußerung des ehemaligen Ordensbruders Liaño: „que me plaze voto adios / de hazer lo que mandais“ (Torres Naharro 1517, XLVIIv). Bei Della Porta finden sich ähnliche Wendungen („Pese a tal, voto a tal“ vgl. Z. 47). Die Bedeutung des Ausdrucks juradios ist ähnlich und kann spanische Textpassagen einleiten, wie zum Beispiel „juras dios“ in Zitat 37. In der Altilia findet sich die Formulierung ebenfalls als Signal für Codewechsel in ‘pseudospanische’ Passagen, wie in folgendem Abschnitt, in dem Fosco Leandro darlegt, wie er sich als Spanier ausgeben könne: (40) F OSCO : E s’io parlassi a la spagniuola, com’ho fatto tutt’oggi? L EANDRO : Perché così? F OSCO : Oh, perché! per inganar il mondo, per attendere il fine dei casi vostri, per salvar l’honor ad Ippolita, a la madre et a voi, a me la vita, e per nettar il paese a un bisogno: che ve ne pare? L EANDRO : Dimmi, dimmi: in che modo? F OSCO : Il tutto vi dirò poi. Ditemi voi per vostra fé: credete che ’l messere mi conoscesse con quest’ abito, con questo ceffo e parlando asì: iuradios che los Spagnolos no sues ombre da bien? (Raineri 1994, 170; Kursivierung T.G.) 501 Mehnert (2003, 38) bezeichnet diese Bravure als „hochrhetorische Rodomontaden“, die „aufschneiderische Berichte von eigenen Heldentaten“ sind. 177 Francisco Delicado verwendet im Retrato de la Lozana Andaluza 502 ähnliche Strategien - allerdings nicht um spanisch sondern um italienisch Sprechen zu markieren. In der Regel sind es Dienstboten oder Angestellte, denen die Lozana in Rom begegnet und die ‘italienisch’ beziehungsweise ‘pseudoitalienisch’ sprechen, wie zum Beispiel der Bademeister, auf den Lozana und Rampín in mamotreto XIII in einer öffentlichen Badeanstalt (estufa) treffen. 503 Dieser sagt beim Servieren der bestellten Getränke: „Ecome que vengo. Señora, tomad, bebed, bebé más.“ (Delicado 2003, 225; Kursivierung T.G.), wobei Delicado das italienische eccomi ‘hier bin ich’ an Graphie und Lautung des Spanischen anpasste. 504 In mamotreto XII begegnet die Lozana einer Wäscherin, die sie zunächst in italianisiertem Spanisch anspricht und sich nach ihrer Herkunft erkundigt: „Intrate, madona; seate bien venuta.“ „¿De dove siate? “. Als sich die Lozana als Spanierin zu erkennen gibt („Señora, so española“), switcht auch die Wäscherin in ihre Muttersprache und bekennt: „¡Ánima mía, Dios os dé mejor ventura que a mí, que aunque me veis aquí, soy española! “ (Delicado 2003, 217). Dieses Textbeispiel zeigt, dass auch Begrüßungsformeln, die in der graphischen Darstellung hispanisiert gestaltet wurden, ‘Italienisch’ markieren sollen und somit zweisprachige Kommunikation fingieren. 505 Einen ähnlich hohen Wiedererkennungswert wie Interjektionen, Anrede- und Begrüßungsformeln, Kraftausdrücke und Schimpfwörter haben Speise- und Lebensmittelbezeichnungen. In den Komödien lassen sich verschiedene Muster erkennen, nach denen Konkreta aus dem Bereich ‘Kochen’ und ‘Küche’ in den Text eingeflochten wurden, um Fremdsprachenkompetenz zu markieren oder komische Effekte zu erzeugen. Außerdem dienen sie häufig als Gegenstand metasprachlicher Überlegungen über Sprachverschiedenheit, wie zum Beispiel in Manchados Beobachtungen in der Tinellaria „[...] alabodega / le llaman cantina aca / gente estraña / y alla perra dizen caña / ya muchos hombres cotales“ (vgl. Z. 36). Sie können darüber hinaus auch Sprachkompetenz markieren, wie in Joanfranciscos anmaßender Behauptung, das Spanische sei leicht zu erlernen und er werde es Cola beibringen. Tatsächlich nennt er jedoch nur die spanischen Bezeichnungen für Kohl, Schinken und Kochtopf. 506 Auch im Text der Lozana 502 Der Retrato ist vorwiegend auf Spanisch verfasst, von einem homogenen spanischen Text kann jedoch nicht die Rede sein. Die einzelnen Figuren sprechen verschiedene Varietäten des Spanischen, Katalanisch und eine Art ‘Pseudoitalienisch; vgl. hierzu Ropero Nuñez 1973. 503 Zur Bedeutung von estufa vgl. den Kommentar von Allaigre in Delicado 2003, 199. 504 Vgl. hierzu den Kommentar von Allaigre in Delicado 2003, 225. 505 Man bedenke, dass feststehende Redewendungen und Begrüßungsformeln beim Fremdsprachenerwerb häufig an erster Stelle erlernt werden, da damit Kontakt hergestellt wird und Basisinformationen ausgetauscht werden können. 506 Vgl. Zitat 37: „las cole vodir caolata / tuncinos vodir presuto / las oglia vodir pignata.“ 178 Andaluza sind italienische Speisebezeichnungen eingeflochten. Der mamotreto XII enthält eine Aufzählung von Lebensmitteln, darunter auch die Italianismen presuto ‘Schinken’ und ventresca ‘Bauchschinken’: (41) L AVANDERA . [...] Y de cada casa, sin lo que me pagan los amos, me vale más lo que me dan los mozos: carne, pan, vino, fruta, aceitunas, sevillanas, alcaparras, pedazos de queso, candelas de sebo, sal, presuto, ventresca, vinagre [...] (Delicado 2003, 222; Kursivierung T.G.) In mamotreto XXIV liest man „presutos cochos y sobresadas“ (Delicado 2003, 296), in mamotreto LVIII „Va, descuelga dos presutos y dos somadas. Y de la guardarropa dos quesos mallorquinos y dos parmesanos.“ (Delicado 2003, 450) und in mamotreto LXIII „¿Sobistes arriba los barriles, los presutos y quesos? “ (Delicado 2003, 467). In mamotreto XVI schwärmt die Lozana von dem Aroma eines gebratenen Spanferkels - einer typisch römischen Spezialität: „¡Por mi vida, que huele a porqueta asada! “ (Delicado 2003, 244). 507 Entscheidend ist, dass durch das Einflechten von Speisebezeichnungen das Textverständnis nicht gestört wird. Dies liegt daran, dass die Entlehnungen im Verbund mit anderen Lexemen aus den Wortfeldern ‘Küche’, ‘Kochen’ und ‘Essen’ genannt werden, somit können unbekannte Lexeme über den Kontext erschlossen werden. Die Häufigkeit der Interferenzen von Speisebezeichnungen zeigt, dass es sich dabei um ein produktives Muster handelt, mittels dessen Fremdsprachenkompetenz signalisiert werden kann. Ein Grund dafür ist auch die Tatsache, dass die Konzepte ‘Essen’ und ‘Trinken’ emotional stark markierte Lebensbereiche 508 sind, über die im täglichen Sprachgebrauch regelmäßig verhandelt werden muss. Des Weiteren haben Speisen und landestypische Produkte ein hohes Potential für kulturelle Identifikation. So beginnt die Lozana Andaluza einen Bericht über ihre Herkunft mit einer Aufzählung andalusischer Spezialitäten, deren Zubereitung sie von ihrer Großmutter erlernt hatte 509 : (42) L OZANA . ¿Yo, señora? Pues más paresco a mi agüela que a mi señora madre, y por amor de mi agüela me llamaron a mí Aldonza, y si esta mi agüela vivía, sabía yo más que no sé, que ella me mostró guisar, que en su poder deprendí hacer fideos, empanadillas, alcuzcuzu con garbanzos, arroz entero, seco, graso, albondiguillas redondas y apretadas con culantro verde, que se conoscían las que yo hacía entre ciento. (Delicado 2003, 177) Die Elemente des expressiven Sprechens und die Speisebezeichnungen, die die Komödienautoren zur Markierung von code-switching oder ‘Sprechen in der Fremdsprache’ verwendeten, entspringen Kernbereichen der Alltagskommunikation. Das enge Zusammenleben von Spaniern und Italienern in 507 Vgl. auch Delicado 2003, 319: „y siempre quiere porqueta y berengenas.“ 508 Vgl. Lakoff/ Johnson 1980; Blank 1997; Blank 2001, 98. 509 Vgl. dazu Ropero Nuñez 1973, 5-7. 179 den großen Städten der Italia Spagnola erforderte von beiden Seiten ein Minimum an Kompetenz in der jeweils anderen Sprache, um den gemeinsamen Alltag bewältigen zu können. Man denke etwa an die Quartieri Spagnoli in Neapel, die unter dem Vizekönig Don Pedro Álvarez de Toledo im Rahmen eines groß angelegten Stadterweiterungsprojekts 510 entstanden und in denen Neapolitaner und spanische Soldaten Tür an Tür lebten. 511 Es ist evident, dass für alltägliche Handlungen wie Einkauf, Abwicklung von Geschäften, Kirchenbesuch, Maßregelungen - die Soldaten wurden inmitten der Stadt einquartiert, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen - eine gemeinsame Kommunikationsbasis bestehen musste, die beiden Seiten zumindest rudimentäre Kenntnisse in der anderen Sprache abverlangte. Die Tatsache, dass Torres Naharro, Delicado, Della Porta und Raineri in den Komödien lexikalische Entlehnungen aus bestimmten Diskursbereichen einsetzen, um Mehrsprachigkeit zu inszenieren und gleichzeitig damit komische Effekte erzeugen konnten, beweist, dass das zeitgenössische Publikum diese Muster dechiffrieren konnte, da sie aus dem sprachlichen Alltag bekannt waren. Auch auf der lautlichen Ebene, das heißt in ihrer graphischen Repräsentation, finden sich saliente Merkmale des Spanischen, die als Muster zur Hypercharakterisierung eingesetzt werden. So wird am Wortende nach Vokal häufig ein auslautendes -s generalisiert: „juras dios“, „io tiengos muchos dinieros 512 / en las curdubas sibilias / mios patres caualieros / siñores de las castilias“ (vgl. Z. 37). Der spanische Pluralmarker -s für Nomina und Adjektive unterscheidet sich von den italienischen Pluralmorphemen und 510 Die Fläche der Stadt wurde von 200 auf 350 Hektar vergrößert; vgl. De Fusco 2003, 6. Begrenzt wird das Viertel noch heute im Osten durch den Vomero, einen Hügel, auf dem sich das Kloster San Martino und das Castel Sant’Elmo befinden. Die westliche Grenze ist die Via Toledo, die auf den Fundamenten der aragonesischen Mauer erbaut wurde. Die Quartieri wurden nach einem streng geometrischen Bebauungsplan mit orthogonal angeordneten Häuserblöcken errichtet. Parallel zur Via Toledo verlaufen sechs Straßenzüge, die von 15 Querstraßen unterteilt werden und 70 Blöcke mit einer Grundfläche von 20 mal 20 Meter bilden. Die 14 Blöcke an der Via Toledo sind doppelt so tief, da dort repräsentative Bauten für adelige Neapolitaner und spanische Staatsdiener entstanden; vgl. De Fusco 2003, 8f. Siehe auch Capobianco 1987. 511 Vgl. hierzu Ferraro 2004, XXIV: „Pertanto la necessità degli Spagnoli di destinare una parte della città ad alloggiamento delle truppe dovette, qui, entrare in relazione con la già decisa destinazione residenziale, nonché con gli interessi dei soggetti coinvolti: […] poi gli Spagnoli destinarono ad alloggiamenti delle truppe l’area secondo un piano di lottizzazione; cosicché, la primitiva destinazione residenziale e quella militare si incrociarono legittimamente, in applicazione di diritti e norme. Infatti, anche se le sole e non poche fortezze ospitavano parte della guarnigione (circa un migliaio di soldati) […] il resto della truppa, che era però la maggior parte, prendeva alloggio nelle locande o presso i privati, dove si verificava spesso ogni sorta di promiscuità [...]“ 512 In der Ausgabe der Propaladia, die 1545 in Sevilla bei Andrés de Burgos erschien, liest man hingegen: „yo tengo mucho dinero“. Höchstwahrscheinlich wurde dieser ‘vermeintliche Fehler’ in der Neuauflage ‘korrigiert’. 180 ist daher salient. Außerdem ist er im Spanischen hoch frequent und kann somit systematisch als prägnantes Merkmal in den Vordergrund gerückt werden. Ein anderes produktives Muster zur Charakterisierung des ‘spagnolo finto’ ist die falsche oder übertriebene Diphthongierung der betonten Vokale, wie in „io tiengos muchos dinieros“ (Z. 37), „iuradios che los Spagnolos no sues ombre da bien“ (Z. 40) oder bei Della Porta „abries priesto“ „Tiengo pressa“, „fuora“ „fuorza“ (Z. 44). Es finden sich auch Tilgungen spanischer Diphthonge bei Wörtern, die im Italienischen an der entsprechenden Stelle einen Monophthong aufweisen, so bei Raineri: „Signor alguazil, olà escucci, vestra mercé“ (Z. 43). Insgesamt sind die Passagen in ‘spagnolo finto’ in der Altilia und in den Komödien Giambattista Della Portas graphisch stark an der Orthographie der italienischen Literatursprache orientiert. In der fünften Szene des vierten Aktes der Altilia, in der sich der Diener Fosco als Spanier ausgibt und die Aufmerksamkeit des Wachtmeisters (l’Agozzino di Napoli) auf einen vermeintlichen Mordfall im Haus des Capitan Basilisco lenkt, finden sich zahlreiche Beispiele für die graphische Repräsentation des Lautes [t∫] durch <cci> in „escucci“, „mucciaccia“, oder für den palatalen Laterallaut [ ʎ] / durch <gli> in „a cheglia“, „eglia“, „gliama“, „a gli“, „mantiglia“: (43) F OSCO : Signor alguazil, olà escucci, vestra mercé: a cheglia casa de las ventanas pintada es a cheglia donde está il valiente capitan Basilisco, y sta mucciaccia y vuie muchos vegliaccos y rapazos. No es a cheglia, no, l’otra a mano ezquierda; oh eglia es! A GOZZINO : Questa? F OSCO : Eglia misma es, gliama a gli! A GOZZINO : (Tic, toc, tic, toc). Aprite, olà! non udite? Ohimè, Dio! questo è un morto: sì è, non è! parole, un morto è! buona notte! parti che ’l valentuomo n’abbia sul petto que’pochi, eh? Costui l’avrà morto qui certo certo, o strangolato in casa per levargli i danari, e l’avrà poi gettato da le finestre. Oh, strano caso! oh, sfortunato! su, olà a punto! volta e rivolta pure, egli è spacciato in fine! F OSCO : Signor alguazil, este muerto con el mantiglia qui ens? Paresceme mastro Alfonso, a chel medico che sta achì vezino. Iuradios che a chel es, y estos son su vestidos! oh, desventurado d’el! Ingarbugliala, Fosco! A GOZZINO : Aprite! a chi dic’io? F OSCO : Rompe la puerta si non chieron abrir, che harès in un golpe linda priesa di vegliaccos y rapazes, che se giontan achì; valle medios con este valiente! A GOZZINO : (Tic, toc, tic, toc). Napoli è fatta un baccano ormai: ogni notte, ogni notte, scale di corda, spadacini in volta, strilli, ferite e mille soverchiarie; tanto che ’l perder adesso la cappa si fa daccordo, e n’ha buon patto chi ne va netto del resto! Oh, vedi, ve’, che per la corte! Oh, vada pur al peggio che può! Voi non volete aprir, eh? su, 181 scaricate gli archibugi in quest’uscio! Tigna, Trippa, Guffo, Cornacchia, Scarmiglione, Ramoraccio, dategli dentro! foco, paglia, fascine! su spacciatevi! (Raineri 1992, 154f., Kursivierung T.G.) Es liegen auch Fälle vor, in denen spanische Lexeme auf der morphosyntaktischen Ebene italianisiert wurden, zum Beispiel der Imperativ „escucci“ (Z. 43), der mit dem spanischen Verbstamm (escuch-ar) und der ‘italienischen’ Flexionsendung -i gebildet wird. Ebenso finden sich italienische Lexeme die lautlich hispanisiert wurden, so dass häufig nicht mehr eindeutig zwischen ‘italienischem’ und ‘spanischem’ Anteil unterschieden werden kann. Dieser Fall liegt unter anderem in der siebten Szene des dritten Aktes der Komödie Lo Astrologo von Della Porta vor, in der die Kurtisane Bevilona und das Schlitzohr Gramigna dem Weinhändler (vignarolo) einen Streich spielen. Bevilona empfängt den Vignarolo in ihrem Haus und gibt vor, ihn verführen zu wollen, als Gramigna an die Tür klopft und den eifersüchtigen spanischen Ehemann mimt: (44) G RAMIGNA : Già il vignarolo deve esser su i baci: vo’ sconciarlo e gustar un poco del fatto suo. [Tic toc]. B EVILONA : Olà, chi batte? G RAMIGNA : Don Giovanni Termosiglia, Caravascial di Siviglia! V IGNAROLO : Oh quante genti! B EVILONA : Non è altro che mio marito. Oh, che sia venuto in mal punto! V IGNAROLO : Ha nominato tante persone! B EVILONA : Non ha tanti nomi quanti diavoli in corpo: oh, meschina me! Signor Guglielmo, cercate salvarvi, saltate per quella fenestra. V IGNAROLO : Apritemi l’uscio di dietro del giardino, che mi sarà più caro. B EVILONA : Non si può aprire, ché se ne porta le chiavi. V IGNAROLO : Che ho donque da far per scampare fuori? B EVILONA : Salta per quella fenestra. V IGNAROLO : Dio me ne guardi, è troppo alta! Volete che mi rompi una gamba? B EVILONA : Una gamba più o meno non importa. G RAMIGNA : Mojer, perché mori tanto? B EVILONA : Or or, marito mio. V IGNAROLO : Evvi alcuna altra via da fuggire? B EVILONA : Niun’altra, meschina me! G RAMIGNA : Por cierto que deve star alcun innamorado, pues que non abries priesto. B EVILONA : Non posso più tardare: bisogna aprire. Ci è una botte vòta, che a mio modo posso porre e riporre il fondo. G RAMIGNA : Se non mi abreis priesto, eviaré esta puerta per tierra. B EVILONA : È rotta la fune del saliscende della porta: calo giù ad aprirve. [Al Vignarolo] Presto, Guglielmo caro! 182 V IGNAROLO : Fo quanto posso! G RAMIGNA : [a parte] Giá deve esser entrato nella botte: lo tratteneremo almeno per due ore che non vada a casa, e ci torremo spasso del fatto suo. [A Bevilona] Vien ora. Mojer, que hazeis? B EVILONA : Ecco aperta! Ché tanta fretta, marito, non volermi dar tempo di calar giù? G RAMIGNA : Tiengo pressa perque ho mercado una cuens de vin: es menester lympiarla donde es da ponerse, ché sarà qui or ora. Piglia, Bevilona, di fuora. B EVILONA : Lasciamo far questo per oggi: lo faremo domani. G RAMIGNA : Es menester hazerlo ora. B EVILONA : Non ho tanta forza di portarla io qui fuora. G RAMIGNA : Yo te ayudaré: abre la puerta; non es menester tanta fuorza, eccola scruada. Quiero lympiarla. B EVILONA : Andate voi per lo vino, che io la laverò. G RAMIGNA : Yo la limpiaré, que agora sarà aquí lo vin. Trae aquí agua boliente per lympiarla. B EVILONA : Dove è ora l’acqua calda per lavarla? G RAMIGNA : Toma quella che sta nel fuego per lympiar los peces. B EVILONA : Non posso ora, ché son stracca. G RAMIGNA : Se yo ne tomaré un palo, te ne daré cinquenta. V IGNAROLO : [a parte] Misero me, che farò? Mi scotterò tutto! G RAMIGNA : Eres una mojer muy soberbia, non querer alzar algo sin palos. (Della Porta 2003, III, 369f.; Kursivierung T.G.) In Gramignas Äußerungen lösen sich die Unterschiede zwischen italienischen und spanischen Formen teilweise auf. Die Akkommodationen erleichterten der italienischen Leserschaft einerseits das Verständnis der spanischen Passagen, andererseits erzeugen sie komische Effekte. Teresa Cirillo spricht von ‘kuriosen Mischungen’ und kommentiert in diesem Zusammenhang Gramignas Äußerung „Mojer, perché mori tanto? “: La lingua usata da Gramigna opera curiosi impasti tra italiano e spagnolo giocosamente deformato e arriva a risultati che puntano sul suono più che sul significato. Nella battuta ‘Mojer, perché mori tanto? ’ il gioco allitterativo allinea la forma mojer e l’ibrido mori (che rinvia anche al verbo morire). (Cirillo 1992, 131) Die ‘pseudospanischen’ Passagen, die durch lautliche, lexikalische und morphosyntaktische Muster gekennzeichnet sind, sind stereotypisierte Repräsentationen dessen, was als ‘Spanisch’ wahrgenommen wurde, und bilden das Fundament für die Karikatur des ‘Spaniers’. Des Weiteren stößt man vor allem in Della Portas Komödien auf zahlreiche Konstellationen, in denen einzelne Figuren in verschiedenen Sprachen miteinander sprechen, wobei durch die Mehrsprachigkeit weder die textinterne Kommunikation noch das Textverständnis gestört werden. In der zweiten Szene des zweiten Aktes der Tabernaria trifft ein spanischer 183 Soldat (Spagnolo), der des Nachts müde und ausgehungert auf der Suche nach einer Unterkunft und Essen durch Neapel irrt, auf Antifilo. Dieser spielt dem Spanier einen Streich und schickt ihn in ein nahe gelegenes Haus, in dem man gerade ein Festmahl vorbereitet, welches er durch die Ankunft des Spaniers zu stören gedenkt. Zunächst richtet er sich auf ‘Italienisch’ an den Soldaten, wechselt jedoch sogleich ins Spanische: (45) A NTIFILO : [fra sé] O come costui viene a proposito, svagliato e morto di fame e prosontuoso. Basterà questo solo a disturbar tutto il convito e far manifesto l’inganno. S PAGNOLO : O Dios, quando será V. M. servida bolverme a mi tierra, que bolvería a mis manadas de ovejas y carneros para hartarme de queso y leche y de muccha fruta; partime de allá para hazerme cavallero y vine a estas partes del diablom que nunca me veo harto de pan. A NTIFILO : Compagnero, che vai cercando così a notte per qua? S PAGNOLO : Una venta a donde podiesse comer, dormir y descansarme. A NTIFILO : Mira esta venta, aquí está un ventero muy rico, y da las cosas muy baratto, y están esperando unas puttas y alcahuetes, siéntese y coma, que son medrosos y con unas cucchilladas comerá sin pagar nada. (Della Porta 2003, IV, 291; Kurisierung T.G.) Auch bei Raineri funktioniert die zweisprachige Kommunikation meistens reibungslos - selbst dann, wenn sich eine der Figuren unkooperativ zeigt, wie Messer Luca in der siebten Szene des fünften Aktes der Altilia. Er gibt zunächst vor, Fosco nicht verstehen zu können und bittet seinen Pagen Cardillo um Hilfe. Dieser erklärt ihm, es handle sich um einen Spanier. Letztlich glückt die Kommunikation zwischen Fosco, der sich hier erneut als Spanier ausgibt, und Messer Luca, obwohl jeder der beiden eine andere Sprache spricht, wobei die Mehrsprachigkeit, beziehungsweise das Spanische nicht unkommentiert bleiben. Fosco selbst, der zwar Spanisch sprechen und sich glaubwürdig als Spanier ausgeben kann, äußert sich abfällig über „questa gente e questa lingua“: (46) F OSCO : Orsù, fa’ buon animo Fosco: tempo è di dar l’assalto. C ARDILLO : Olà dico a voi: che cercate? chi sete voi? F OSCO : Andava mirando si a esto viego es un miser Luca Stinche, gentilombre napolitan? C ARDILLO : Si, che gli è desso! che volete da lui? M ESSER L UCA : Che dice? I’ non l’intendo C ARDILLO : È spagniuolo costui, e dice che cerca voi. M ESSER L UCA : Spagniuolo? Non v’accostate tanto, fatevi in là! F OSCO : Oh, Dio! M ESSER L UCA : Costui voul dirmi di Leandro. Be’, che volete da me? F OSCO : Gentil ombre, yo soi estado sospieso un pezzo tra el sì y el no di dezir caso che impuerta a vestra mercé, ma por no darle dolor ... 184 M ESSER L UCA : Uh, di Leandro vuol dir costui! F OSCO : En fin mi soi resoludo al sì, por menor mal. M ESSER L UCA : Oimè, Dio! Che cosa c’è? F OSCO : Vestra mercè non es padre di un cierto gliovin che si gliama Leandro? M ESSER L UCA : Eccola, ve’! Si ch’io gli son padre: be’? F OSCO : Es menester azer buon animo, y risolvir vos priesto, si cheres verlo bivo. Oiih, oimé, Dio! che, che noia mi dà questa gente e questa lingua! Che, che c’è? che cosa c’è? (Raineri 1992, 173; Kursivierung T.G.) In den Komödien funktioniert die zweisprachige Kommunikation zwischen Spaniern und Italienern reibungslos, wenn es darum geht, die Handlung voran zu treiben. In Momenten jedoch, in denen das Schauspiel einen komischen Höhepunkt erreicht, scheitert die zwei- oder mehrsprachige Kommunikation regelmäßig. In diesen Kontexten passen sich die Figuren ihrem Gegenüber sprachlich nicht an, sie zeigen keine passiven Sprachkompetenzen in der anderen Sprache. Sie verhalten sich sprachlich unkooperativ. Missverständnisse, die auf Verwechslungen oder auf dem ähnlichen Klang spanischer und ‘italienischer’ Lexeme beruhen, werden gezielt und in übertriebenem Maß eingesetzt. Als in der dritten Szene des zweiten Aktes der Tabernaria der spanische Soldat die vermeintliche Taverne betritt, die ihm zuvor empfohlen wurde, überschlagen sich die Ereignisse. Der Spanier will seinen Hunger mit einem zu Boden gefallenen Stück Fleisch stillen und wird dabei von Giacomino und dessen Diener Cappio ertappt. Die beiden versuchen den Schmarotzer abzuwimmeln und Cappio verspottet den Spanier, ob seiner anmaßenden Behauptungen und Forderungen. Während die zweisprachige Konversation zwischen ihm und dem Spanier funktioniert, eskaliert die Situation in dem Moment, als sich Giacomino einmischt. Ein Missverständnis jagt nun das nächste: (47) G IACOMINO : Olà, chi sei che con tanta presunzion entri nella taberna? S PAGNOLO : Soy don Juan Cardón de Cardona. C APPIO : Don Giovan Ladron de’ Ladroni, lascia quel pezzo di carne. S PAGNOLO : Era caydo en tierra, y porque algun perro no lo comiesse, lo he alzado de la tierra. C APPIO : E per salvarlo te l’avevi posto sotto l’asselle? S PAGNOLO : Ventero, quero allojar esta noche en esta venta. C APPIO : Qua non son ravanicco y cevollas; non ci è cena per te, ché la taberna è fatta per signori e cavaglieri e non per un tuo pari. S PAGNOLO : Pese a tal, voto a tal, que yo soy tan bien nacido 513 como el Rey de Espagna. C APPIO : Povero re di Spagna, ch’ogni villano o capraro che vien da Spagna in Napoli dice esser così ben nato come lui. 513 Hier notiert der Text von 1616 „nasido“. 185 S PAGNOLO : Soy Capitán aventayado y pariente de todos los grandes de Spagna, y vengo de la gherra de Flandes. C APPIO : Arà guardato capre tutto il tempo di sua vita, e ora è parente di tutti i grandi di Spagna. Qua non ci è da mangiare né da dormire; và in alcun’altra osteria. S PAGNOLO : No quero más que dos anchovas 514 con el azeyte. G IACOMINO : Mira dimanda, che vuol mangiar chiodi con l’aceto! In questi paesi non si mangiano queste vivande. S PAGNOLO : ‘Anchoas’ digo, ‘sardinas’ con l’olio. G IACOMINO : Oggi è giorno di carne, non avemo né sarde né olio. S PAGNOLO : Almeno una menestra de garvanzos. G IACOMINO : Vuole una minestra di canevaccio. Andate alle botteghe di tele, ché arete canevaccio quanto volete. S PAGNOLO : Vos queréis que os quebre la cabezza. G IACOMINO : Vuol la capezza dell’asino. E che ti vuoi appiccare? Và in un’altra taberna. S PAGNOLO : Yo no me partiré de aquí si me echasen todos los diablos dell’infierno. Se pongo mano a la espada en dos colpezzitos, chis, chas, haré pedazos quantos bodegones hai en todo el Reyno de Nápoles. (Della Porta 2003, IV, 292f.; Kursivierung T.G.) Es ist auffällig, dass die klamaukartigen Verwechslungen hauptsächlich auf Speisebezeichnungen beruhen. Der Spanier bittet um in Öl eingelegte Sardellen „anchovas con el azeyte“, während Giacomino ‘Nägel mit Essig’ „chiodi con l’aceto“ zu verstehen vorgibt. Als der Soldat seine Italienischkenntnisse bemüht und wiederholt, er wolle lediglich ein paar „‘sardinas’ con l’olio“, antwortet sein Kontrahent, heute gäbe es nur Fleisch. Auf die Bitte des Spaniers, zumindest eine Kichererbsensuppe „menestra de garvanzos“ zu bekommen, reagiert Giacomino mit Unverständnis: Eine ‘Suppe aus Putzlappen’ „minestra di canevaccio“ gäbe es bei ihm nicht. Selbst auf die wütende Drohung des Spaniers, er werde ihm nun den Kopf einschlagen „la cabezza“, reagiert Giacomino nur mit Unverständnis und gibt an, er verstehe nicht, wozu dieser ein Halfter „capezza dell’asino“ benötige. Für diese Verwechslungen und die spanisch-italienischen Wortgefechte, die das Scheitern mehrsprachiger Kommunikation darstellen, gilt das gleiche, wie für andere mehrsprachige Phänomene in den literarischen Texten: sie mussten für die Leser und Zuschauer nachvollziehbar und transparent sein. 514 Hier notiert der Text von 1616 „ancjouas“ und enige Zeilen weiter unten „anjouas“. 186 4.2.2 Die Rolle des Neapolitanischen in den Komödien der Italia Spagnola Anhand der Tinellaria wurde gezeigt, dass in einer Komödie mehrere Sprachen repräsentiert sein können und die italienischen villanos der Soldadesca, die eine römisch gefärbte Varietät sprechen, beweisen, dass man streng genommen nicht von dem literarischen Modell des ‘Italienischen’ sprechen kann, das Bembo in den Prose della volgar lingua favorisierte, da unterschiedliche diatopische Varietäten markiert werden. Nicht nur bei Torres Naharro auch in den Komödien Della Portas ist das Sprachenspektrum breit gefächert und die Mehrsprachigkeit beschränkt sich keineswegs auf das Nebeneinander von Spanisch und Toskanisch. So erscheint in der Tabernaria ein Pedante, der gelegentlich Lateinisch, sowie ein Tedesco, der eine Art Pseudodeutsch spricht, das im Prinzip nichts anderes als ein morphologisch reduziertes, im Vokalismus modifiziertes und von deutschen Lexemen durchsetztes ‘Italienisch’ ist. 515 (48) T EDESCO : Got morgen. P EDANTE : Chiama il dio Demogorgone, bono augurio. Bona dies et annus! T EDESCO : Che volere, care padrune, de cheste ostellerie? P EDANTE : Duo verbicoli. T EDESCO : Non avere vermicoli ca. (Della Porta 2003, IV, 333f.) Des Weiteren treten in den Komödien von Della Porta und Raineri Figuren auf, die Neapolitanisch oder eine meridional gefärbte Varietät sprechen. In der sechsten Szene des dritten Aktes der Tabernaria erscheint beispielsweise Giacoco, Giacominos Vater und setzt die Beschimpfungen seines Sohnes gegen den Spanier auf Neapolitanisch fort. Das daraus resultierende Streitgespräch zwischen Cappio, Giacoco und dem Spanier ist dreisprachig: (49) S PAGNOLO : Don Cardón de Cardona. C APPIO : L’avete inteso con le orecchie vostre che si chiama don Ladron de’ Ladroni. S PAGNOLO : Vos mentís, que yo soy caballero, capitán avantajado y tan bien nascido como el Rey. G IACOCO : Chisso va cercanno piettene de tridece, e se me fa nzorfare... S PAGNOLO : Ayer tarde he comido en esta taberna con esto caballero y con una mujer muy hermosa, y hicimos muchos brindis juntos. C APPIO : Se non ti parti di qua, arai molte bastonate avantaggiate. G IACOCO : Se deve pensare ca a Napole se mpastorano li asini co le saucizze e vorria arrobare; e se non me se sparafonda denanze, sarrà buono zollato. 515 Vgl. Dietrich 2003, 65. Der Pedante hatte seinen Ursprung in der commedia erudita des 16. Jahrhunderts und etablierte sich später in der Commedia dell’Arte in der Figur des dottore. Auch der Tedesco hatte in der italienischen Renaissancekomödie eine feste Rolle als Trunkenbold. 187 S PAGNOLO : Se non mi dais mis alforjas o<s> daré muchos palos en la cabezza. G IACOCO : Dice ca ce vole dare pale e muzzone di capezze d’asino. S PAGNOLO : Calla, ¡che soy<s> boracho! G IACOCO : Chessa è n’autra chiù bella: dice ca simmo vorracie, pensa ca vindimu nsalate. (Della Porta 2003, IV, 312; Kursivierung T.G.) Bei Raineri finden sich ähnliche Konstellationen. In der fünften Szene des vierten Aktes, in der Fosco den Schutzmann (l’Agozzino) in die Irre führen will, treffen die beiden auf Zizzella, die Frau des Capitan Basilisco, deren Sprache neapolitanisch gefärbt ist: (50) Z IZZELLA : Chi tozzola? 516 F OSCO : Oh, vees che risponden agora! Z IZZELLA : Uh trista me! chi sete? A GOZZINO : Apri a la corte! Z IZZELLA : Chi voliti? A GOZZINO : Apri a la corte, dic’io! Ben be’, costei vuol altro che parole! se ci metto man io tof, tof! Z IZZELLA : Non fare, uhimè! non fare, ca t’apriraggio! A GOZZINO : Chi sta qui dentro? Z IZZELLA : Ci sto io, meschinella. A GOZZINO : Altri? Z IZZELLA : Questa mia serva. A GOZZINO : Altri? di, su! Z IZZELLA : N’uomo da bene, n’amico mio, che non fece mai dispiacer a persona. (Raineri 1994, 155; Kursivierung T.G.) Entscheidend ist, dass die neapolitanischen Figuren in den Zitaten 49 und 50 weniger auf bestimmte Verhaltensweisen festgelegt sind, als der Pedante oder der Tedesco. Dies äußert sich auf der sprachlichen Ebene unter anderem in einer relativ freien Themenentfaltung. In diesem Zusammenhang bietet sich auch der Vergleich mit Ottavio Glorizios Impresa d’amore (Messina 1605) 517 an, der Della Portas neapolitanische Komödientradition fortsetzte. 518 Der Schauplatz der Komödie ist Neapel. Die 17 darin auftretenden Personen sind Hofdamen, Hofmänner, Diener und Dienerinnen, hinzukommen der Capitano und Couello Ciauola, der als „scrivano della gran corte della Vicaria“ im Personenverzeichnis be- 516 Vgl. den Kommentar von Catia Giovannini in Raineri 1994, 195: „Tozzola: bussa, dialettismo partenopeo“; siehe auch D’Ascoli 1993, 810: „Tuzzula/ -lià v. trans.: ‘picchiare, bussare; coire’; etim.: forma ampliata di tuzzà; il signif. di ‘coire’ deriva dallo spagn. tozar che indica sopratutto lo scontrarsi di tori, montoni ecc. per motivi d’amore.“ 517 Dem Titelblatt der Ausgabe von 1605 ist zu entnehmen, dass die Komödie in Glorizios Heimatstadt Tropea von den „Academici amorosi“ am 24. September 1600 aufgeführt worden war. Zur Theatertradition in Sizilien zur Zeit der spanischen Vicerè vgl. u.a. Ligresti 2006. 518 Vgl. Padoan 1996, 178. 188 schrieben wird. Die meisten der Figuren sind in Liebe entflammt, doch die wenigsten können darauf hoffen, dass ihre Gefühle erwidert werden. Während die Mehrheit von ihnen eine diatopisch unmarkierte Varietät spricht, die am bereits etablierten Modell des Toskanischen orientiert ist, stechen zwei Charaktere auf Grund ihrer sprachlichen Gestaltung stark hervor: Dies sind der Schreiber Couello und der „gentil’huomo Napoletano“ Oratio. Oratio tritt in drei Akten auf, seine Sprache ist durch einige lautliche, morphosyntaktische und lexikalische Merkmale des Neapolitanischen charakterisiert. 519 Der Schreiber Couello hingegen, der in allen fünf Akten erscheint, spricht eine Varietät mit starker neapolitanischer Prägung. In der zweiten Szene des ersten Aktes klagt Oratio dem Diener Guarino sein Leid: Ein römischer Jüngling wolle ihm Celia streitig machen, die ihm ihr Vater versprochen hatte und mit deren Mitgift er wie ein Edelmann hätte leben können. Während ihn Guarino zu beschwichtigen versucht und daran zweifelt, dass der Plan Celia zur Eheschließung zu zwingen, von Erfolg gekrönt sein können, erscheint der Schreiber Couello. Diesem versucht Oratio Informationen über die Anklage gegen seinen Nebenbuhler zu entlocken, die an der Gran Corte della Vicaria bald verhandelt wird 520 : (51) O RA : E tu boi dicere Guarino, ca non m’accida, ca nõ me dispere, ca non me dia al Diavolo à pensare ca hauea trouato un partito, qual’era chesto della Sig. Celia, ca cõ la dote sola m’haueria campato da Caualiere, senza hauere bisogno più di Ziuma, e benire mò no Romaniello, e chillo, ch’è peo, no studi-te, e mettere la cosa nchiaito 521 . [Und du, Guarino, willst sagen, dass ich mich nicht umbringen, nicht verzweifeln soll, dass ich nicht den Teufel beschwören soll, wenn ich daran denke, dass ich eine gute Partie gefunden hatte, nämlich die mit dem Fräulein Celia, so dass ich von der Mitgift allein wie ein Edelmann hätte leben können, ohne länger auf meinen Onkel angewiesen zu sein und da kommt nun ein Römer und, was noch schlimmer ist, ein Student daher, und bringt die Angelegenheit in Unordnung.] G UA : Amor è causa, sig. Oratio, io ve l’hò detto, ma vi dispiace di sentire’l uero. O RA : Che uero vai dicenno? non t’haggio potuto leuare dala capo, ca Celia, è nammorata di quisso Alessandro, ca mala Pascha, che dio le dia. 519 In der ersten Szene des fünften Aktes gibt sich der Capitano als Oratio aus und imitiert auch dessen Sprache. 520 Zum besseren Verständnis werden zu Oratios und Couellos Passagen Übersetzungen auf Deutsch in eckigen Klammern angegeben. 521 Es wäre denkbar, dass nchiaito ein Adjektiv mit der Bedeutung ‘ungeklärt’ (vgl. it. inchiarito), oder aber ein Neapolitanismus ’nchiaiato ‘peinvoll, schmerzhaft’ ist; vgl D’Ascoli 1993, 445: „’Nchiaiato agg.: ‘coperto di piaghe, impiagato’.“ 189 [Von was für einer Wahrheit redest du da? Hab ich dich nicht davon überzeugen können, dass Celia diesen Alessandro, Gott möge im ein schlechtes Osterfest bescheren, nicht liebt? ] G UA : Così non fosse, e perche pensate, che la sig. Celia ricusi d’esaminarsi contr’Alessandro? credete, che sia per altro, se non perche li vol bene, e desidera, che sia suo marito? O RA : Anze tutto lo contrario, sai perche lo fa? te lo boglio dicer’io, á essa le pare mancamento mò, ca chillo l’ha basata, e si crede, perche è na femmena, e non sa chiù, ca è na sbregognata, se no lo piglia pe marito, ma poi credere tù, ca essa allintrinsicu non pasma 522 pe me? [...] [Ganz im Gegenteil, weißt du, warum sie das macht? Ich will es dir sagen, jetzt scheint es ihr ein Fehler zu sein, dass jener sie geküsst hat, und sie glaubt, weil sie eine Frau ist und es nicht besser weiß, dass sie ein Flittchen ist, wenn sie ihn nicht zum Mann nimmt, aber kannst du glauben, dass sie sich nicht im Grunde ihres Herzens nach mir verzehrt? ] O RA : Al dispetto suo m’ha da pigliare, poiche lu padre m’ha Promesso, a quillo studiantello, se la Vicaria l’incappa, li fará mozza la capo, com’à no cane. […] [Nichts desto trotz muss sie mich nehmen, weil der Vater es mir versprochen hat, und diesem Student wird die Vicaria, wenn sie ihn fängt, wie einem Hund, den Kopf abhauen.] G UA : L’vtile, e l’honor vostro me lo fan dire, parendomi, che non è bene, pigliar vna moglie, che vi ricusi. O RA : Non appartene à te, ca sei nu seruitore, statte allu luoco tuo, te lo dico nà vota pe siempre, saccio io, ca sei milia docati, tutti contati, sù na bella cosa. [Das geht dich nichts an, da du ein Diener bist, kümmere dich um diene eigenen Angelegenheiten, ich sag es dir einmal für immer, ich weiß, dass sechstausend abgezählte Dukaten eine schöne Sache sind.] G UA : Voglia Dio, che vi riesca, io non so come si possa far’vn matrimonio, senza, che la donna si contenti. O RA : Non ti pigliare s’impaccio tu, Diauolo, chillo, ch’hai da fare, è trouare lo sig. Pietro, e dicerele da parte mia, che si spedisca à dareme la figlia. [Mach du dir keine Sorgen darüber, beim Teufel, was du machen musst, ist, den Herrn Pietro zu finden und ihm von mir auszurichten, dass er sich beeilen soll, mir seine Tochter zu geben.] G UA : Non mancarò vbidirui, volete, che ci vada hora? O RA : Signor nò, dopò magnare c’andarai, ma zitto, ch’ecco daccà Cuuiello, lo scriuano dela causa d’Alessandro, voglio sentir da isso quillo, che s’è fatto. 522 Laut D’Ascoli 1993, 515 liegt hier ein Hispanismus vor „Pasmà v. intrans.: ‘spaimare’; etim.: spagn. pasmar.“ 190 [Mein Herr, nein, nach dem Essen wirst du hingehen, aber leise, denn eben da kommt Couello, der Schreiber in der Angelegenheit von Alessandro, ich möchte von ihm hören, was sich getan hat.] C OU : Tuozzula mò sta capo, figlio de nu sgarra vrachetta, boi nsegnare a patrota à fare figli. Haggio cca da reto à na potega de no pastizzaro, no frate de no sola chianielli, che fu acciso lu iuorno dela Sceuza 523 , e perche mò lu Reu se sta fac ẽ no lle defensiune, stu pacchiano dubbeta, cha non se faccia quareche matassa, & ogni vota, ca passo daccà, me fruscia lo ccauzone, pe l’interrogationi, ch l’haggio da fare, come se fosse la prima vota chesta pe l’arma di Cascagnino Ciauola, ch’haggio fatto chiù processe à sto Monno, ca nõ furo à no tiempo l’impisi d’Antoniello Cocozza, sù tanto nfraceduto alla Vicaria, ca fieto de muffa nu migliu luntano, ch’haggio nu callo alle natiche tanto gruosso pe lo tanto sedere ncoppa a quilli uanchi, vì come ci pozz’hauere pacientia mò? [Jetzt läutet dieser Vorgesetzte, Sohn eines Unterhosenzerreißers, du willst deinem Vater zeigen, wie man Kinder macht. Ich muss hier hinter dem Laden eines Pastaverkäufers vorbeigehen, dem Bruder eines Schuhsohlenflickers, der an Christi Himmelfahrt umgebracht wurde, und weil der König jetzt gerade die Verteidigungen macht 524 , befürchtet dieser Bauer, dass irgendein Schlamassel entsteht, und jedes Mal, wenn ich hier vorbeigehe, zittern mir die Hosenbeine, wegen der Vernehmung, die ich machen muss, so als wäre es das erste Mal, bei der Seele von Cascagnino Ciauola, obwohl ich mehr Prozesse auf dieser Erde mitgemacht habe, als Hinrichtungen unter Antoniello Cocozza durchgeführt wurden, ich verwese schon so lange in der Vicaria vor mich hin, dass ich eine Meile weit nach Schimmel stinke, so dass ich vom vielen Sitzen auf diesen Bänken bereits Schwielen an den Hinterbacken habe, wie kann ich da jetzt noch Geduld haben? ] O RA : Bon dì bon dì messer Cuuiello [sic! ], doue se và così per tiempo? [Guten Tag, guten Tag, Messer Cuuiello, wohin geht Ihr so zeitig? ] C OU : Oh signor Oratio, baso la ponta, delo pontale dela zagarella della scarpa di V.S. e non lo sapite doue ge ne iamo noe autre à st’hora, alla scola dili tribunali, padrone meio. [Oh Herr Oratio, ich küsse die Spitze des Saumes der Schleife des Schuhs Ihrer Hoheit und Ihr wisst nicht, wohin wir anderen um diese Uhrzeit gehen, zur Tribunalsschule, mein Herr.] (Glorizio 1605, 24-28; Kursivierungen, Hervorhebungen und Übersetzungen T.G.) In den zitierten Passagen sind zwei unterschiedliche mehrsprachige Konstellationen zu beobachten. Die erste resultiert aus dem Dialog zwischen 523 Vgl. D’Ascoli 1993, 651: „Scèuza s. f.: ‘Ascensione, festa dell’Ascenzione’ etim.: trattamento del sost. lat. ascensus [...].“ 524 In D’Ascoli 1993 findet sich kein Eintrag zu defensiune oder denkbaren lautlichen Varianten, ebenso wenig im DELI. Im Dizionario etimologico italiano hingegen liest man, vgl. Battista/ Alessio 1951, Bd. II, 1232: „defensióne m. ant. XIV sec., -ale (agg., XIX sec. giur.), ‘difesa, protezzione divina; v. dotta, lat. dēfēnsiō -ōnis, -ālis [...].“ 191 Oratio und Guarino: Während der Diener ein diatopisch weitgehend unmarkiertes, am toskanischen Modell orientiertes Italienisch spricht, ist die Sprache seines Herrn meridional-neapolitanisch gekennzeichnet. Auffällige Merkmale, die auf eine neapolitanische Markierung hinweisen, sind vorwiegend auf der morphosyntaktischen Ebene gegeben, hierauf wird zurückzukommen sein. Auf der lautlichen Ebene, das heißt, in ihrer graphischen Umsetzung, ist nicht immer zwischen Neapolitanismen und allgemeinen Meridionalismen zu unterscheiden. Evident wird die neapolitanische Markierung zum Beispiel in dem Betazismus 525 in „boi“ (vgl. it. voi), „benire“ (vgl. it. venire) oder auch in „sbregognata“ (vgl. it. svergognata ‘Schamlose’), wobei in letzterem Beispiel die Metathese 526 von [r] als weiteres Merkmal hinzukommt. Des Weiteren wäre die Assimilierung des Konsonantennexus [nd] zu [nn] wie in „dicenno“ 527 (Oratio) und in „Monno“ (Couello) zu nennen sowie die Diphtonghierung von [e] in „siempre“, „tiempo“ 528 , die Zentralisierung 529 eines vortonigen Vokals, der auf ein lateinisches E zurückgeht („accida“, „fu acciso“) oder die Epenthese 530 eines wortinitialen Vokals vor [n] („nammorata“, „nfraceduto“), wobei letzteres Merkmal in einigen süditalienischen Varietäten vorkommt. Auf der morphosyntaktischen Ebene finden sich einige Neapolitanismen, die auf Grund ihrer lautlichen Beschaffenheit und ihres Lexemcharakters im Sprachbewusstsein eines durchschnittlichen Sprechers eher als lautliche oder lexikalische Merkmale abgespeichert sind. Dazu gehört die Verwendung des Personalpronomen „essa“ 531 oder der Demonstrativa „quisso“, „chisso“, „quillo“ und „chillo“, „quilli“ 532 ; die Form „sù“ 533 für die dritte Person Plural des Präsens Indikativ von essere oder die Konjunktion „ca“ in der Funktion von che 534 sowie das Adverb „mò“ 535 ; weitere Merkmale sind die Verwendung des bestimmten und des unbestimmten Arti- 525 Vgl. Ledgeway 2009, 92-94. 526 Vgl. Ledgeway 2009, 110. 527 Dieses Phänomen erscheint erst im Verlauf des 15. Jahrhunderts in schriftlichen Texten, deren Autoren „poche pretese letterarie“ hatten, so Ledgeway 2009, 104. 528 Man beachte auch die Diphthongierung in Cuuiello, wenn Oratio den Namen des Schreibers nennt, der im restlichen Text Couello genannt wird. 529 Vgl. Ledgeway 2009, 73f. 530 Vgl. Ledgeway 2009, 74f. 531 Vgl. D’Ascoli 1993, 267: „Éssa pron.: ‘ella, lei’.“ Siehe auch Ledgeway 2009, 272. 532 Vgl. Ledgway 2009, 195-212. Der Gebrauch der Demonstrativa im Text entspricht dem zweigliedrigen System des modernen Neapolitanisch (chisso : chillo) und nicht dem älteren dreigliedrigen, das die Form chisto aus lat. ECCU + ISTU einschließen würde. 533 Vgl. Ledgeway 2009, 381. 534 Vgl. D’Ascoli 1993, 125: „Ca cong.: ‘che, poiché, affinché, anziché’; etim.: forma apocopata di pòcca = ‘poché’.“ 535 Vgl. D’Ascoli 1993, 414: „Mo’ avv.: ‘ora, adesso’; etim.: lat. modo.“; vgl. ebd.: „Mo’ espressione equivalente a ‘dammi, porgimi’ dal verbo mo(strare).“ 192 kel 536 lu, lo, no, nu, na (vgl. „lu padre“, „lo sig. Pietro“, „nu seruitore“, „no Romaniello“, „na femmena“). Die periphrastische Konstruktion avere da fare mit deontischer Funktion („hai da fare“, „haggio da fare“) ist ein Merkmal 537 , das als lexikalisierte Periphrase sowohl die morphosyntaktische Struktur als auch die lexikalische Ebene betrifft. Merkmale, die ausschließlich die Phrasenstruktur betreffen, sind weniger häufig, es finden sich jedoch Possessiva in Postposition in syntaktischen Gruppen des Typs Determinierer + Nomen + Possessivpronomen 538 (vgl. „statte allu luoco tuo“) oder die enklitische Position der Possessiva in der ersten und zweiten Person in Verbindung mit Nomina, die Verwandtschaftsrelationen bezeichnen, wie beispielsweise in „Ziuma“ ‘mein Onkel’ (Oratio) und „patrota“ ‘dein Vater’ (Couello) 539 ; auch die Flexionsformen haggio 540 und saggio 541 , oder die Konditionalfsorm haueria 542 gehören zu diesem Bereich. Darüber hinaus erscheinen auf semantisch-lexikalischer Ebene einige meridionale Merkmale, die auch für das Neapolitanische typisch sind, wie zum Beispiel „dicere“ 543 ‘sagen’, „la capo“ 544 für ‘Kopf’, „femmena“ 545 ‘Frau’, die idiomatische Wendung „ca mala Pascha“ 546 oder „pigliare“ 547 ‘nehmen’. Keines der genannten Merkmale findet sich hingegen in den Äußerungen Guarinos. Als Couello erscheint, ergibt sich die zweite mehrsprachige Konstellation. Denn im Vergleich zu Oratio sind die Äußerungen des Schreibers der Vicaria stärker neapolitanisch geprägt, was sich insbesondere auf der lexikalischen Ebene manifestiert, während auf der morphosyntaktischen Ebene 536 Zu den Formen des bestimmten Artikels vgl. Ledgeway 2009, 167-170; zum unbestimmten Artikel siehe Ledgeway 2009, 184ff. 537 Vgl. Ledgeway 2009, 385f. 538 Vgl. Ledgeway 2009, 253-256. 539 Vgl. Ledgeway 2009, 252. 540 Vgl. Ledgeway 2009, 382. 541 Vgl. Ledgeway 2009, 380f. 542 Vgl. Ledgeway 2009, 428f. Siehe auch Kapitel 4.1.1. 543 Vgl. D’Ascoli 1993, 259: „Dìcere v. trans. e intrans.: ‘dire; adattarsi’.“ 544 Die ungewöhnliche Verbindung Feminindeterminierer + capo erscheint in der zitierten Passage dreimal, daher kann ein Druckfehler ausgeschlossen werden. Laut D’Ascoli 1993, 143 wäre die neapolitanische Form für Kopf: „Capa s. f.: ‘capo, testa; sagacia, intellegenza, capo di filo, gugliata; capocchia di un chiodo; rocchio di salsiccia’, etim.: il gen. femm. si spiega con l’incontro tra il neutro latino caput e il femm. gr. kephalē' ‘testa’; per altri dal meutro plur. di una forma n. lat. capum per caput. [...].“ 545 Vgl. D’Ascoli 1993, 280: „Fémmena s. f.: ‘femmina; donna’.“ 546 Den Ausdruck „che mala Pascha“ vermerkt D’Ascoli (1993, 515) als Phraseologismus: „Pasca s.f. ‘pasqua, volto felice, tondo e sorridente; momento di felicità e di ben essere’. [...] Fras.: ’a mala pasca che te vatte = imprecazione riecheggiante la frase ital. ‘dar la mala Pasqua’ nata dall’idea che la Pasqua è festa di allegria e di felicità [...].“ 547 Vgl. D’Ascoli 1993, 544: „Piglià v. trans.: ‘pigliare, prendere; afferare; arrestare; attechire; capire; contrarre [...].“ 193 keine wesentlichen Unterschiede bemerkbar sind. 548 Lautlich sind Couellos Äußerungen geringfügig stärker markiert. Dies wird zum Beispiel in den graphischen Repräsentationen des rafforzamento consonantico deutlich 549 , wie zum Beispiel in „cca“ 550 , „chiù“ 551 , „ccauzone“ (‘Hosenbein’) oder „dubbeta“ (‘er zweifelt’) sowie in einem stärker reduzierten Vokalismus 552 in unbetonten Silben wie in „luntano“. Die neapolitanische Markierung von Couellos Äußerungen resultiert vor allem aus der Verwendung lexikalischer Elemente, wie zum Beispiel in dem Ausdruck „da reto“ 553 ‘von hinten’ oder in der Formulierung „doue ge ne iamo 554 noe autre 555 à st’hora“. Glorizio setzte die neapolitanischen Lexeme ein, um expressives Sprechen zu markieren. Dies wird am Beispiel der Beschimpfungen und Beleidigungen deutlich, wie in „figlio de nu sgarra 556 vrachetta 557 “ ‘Sohn eines Unterhosenzerreißers’, „frate 558 de no sola chianielli“ 559 ‘Bruder eines Schuhsohlenflickers’, „stu pacchiano“ 560 ‘dieser Bauer’. Auch folgende expressive Formulierungen sind von Neapolitanismen gekennzeichnet: „pe l’arma 561 di“, „sù tanto nfraceduto“ 562 „alla Vicaria, ca fieto 563 de muffa nu migliu 548 Vgl. u.a. die Verwendung des neapolitanischen Pronominalsystems oder auch die enklitische Position der Possessiva wie in patrota oder auch die Verwendung der Artikel lu, lo, no, nu, na. 549 Vgl. Ledgeway 2009, 39-48. 550 Laut D’Ascoli (1993, 125 und 169) existieren die beiden Formen: „Cà avv. di luogo: ‘qua, qui’; vd. Ccá.“ und „Ccà avv. di luogo: ‘qui, qua’; etim.: adattamento fonetico dial. di ‘qua’.“ 551 Vgl. D’Ascoli 1993, 189: „Chiù/ Cchiù avv.: ‘più’.“ Ledgeway zählt die Formen ccà und chiù bzw. cchiù zu der Gruppe von Wörtern, in denen ein Prozess des rafforzamento consonantico stattgefunden hat, vgl. Ledgway 2009, 41: „Ciononostante, possiamo essere sicuri dell’efficacia rafforzativa delle seguenti parole: Avverbi: * ACCU + HAC > (a)ccà ‘qui, qua’ [...] PLUS > cchiù ‘più’ [...].“ 552 Vgl. Ledgeway 2009, 49f. 553 Vgl. D’Ascoli 1993, 599: „Rèto avv. e prep.: ‘indietro, dietro’ [...] Fras.: da rèto = ‘da dietro’, de rèto = ‘posteriore’ [...].“ 554 Vgl. D’Ascoli 1993, 335: „ì v. intrans. e trans.: ‘andare, valere; costare; andare di corpo, defecarem eliminrae con defecazione’ [...]“ Zu den Flexionsformen vgl. Ledgeway 2009, 390f. 555 Vgl. D’Ascoli 1993, 96: „Áuto/ áutro/ ato agg. e pron.: ‘altro’.“ 556 Denkbar ist eine Ableitung von dem Verb sguarrà; vgl. D’Ascoli 1993, 844: „Sguarrà v. trans.: ‘squartare, lacerare, stracciare; allargare, divaricarem scosciare’ [...].“ 557 Vgl. D’Ascoli 1993, 844: „Vrachètta s. f.: ‘parte anteriore dei pantaloni, bracchetta’ [...].“ 558 Vgl. D’Ascoli 1993, 295: „Frate s. m.: ‘fratello; amico carissimo’.“ 559 Vgl. D’Ascoli 1993, 181: „Chianiéllo s.m.: ‘pianella, pantofola’. [...]“ Eine Unregelmäßigkeit liegt in der Nummerusinkongruenz in „no sola chianielli“ vor, da das Nomen im Plural markiert ist, während der Artikel und das Adjektiv im Singular stehen. 560 Vgl. D’Ascoli 1993, 409: „Pacchiano/ -a s. m. e f.: ‘contadino, provinciale, zoticone’ [...].“ 561 Vgl. D’Ascoli 1993, 69: „Arma s. f.: ‘alma, anima; arma; stemma di famiglia nobile, arma; testicoli (al plural.)’ [...].“ 562 Vgl. D’Ascoli 1993, 458: „’Nfracetà v. trans. e rifl.: ‘corrompere, infracidare, imputrire, marcire, infracidire, corrompersi.’“ 194 luntano“ und „ch’haggio nu callo alle natiche tanto gruosso pe lo tanto sedere ncoppa 564 a quilli uanchi“. Ebenso werden in Couellos übertriebener Ehrerbietung gegenüber Oratio „baso la ponta, delo pontale dela zagarella della scarpa di V.S.“ neapolitanische Lexeme gezielt eingesetzt. Diese Formulierung ist zugleich die Karikatur einer Höflichkeitsform, die als prototypisch für die Affektiertheit der Spanier galt und die damals bereits als Entlehnung im Neapolitanischen lexikalisiert war. 565 Mit der Steigerung der Merkmalsbündelung von ‘phonetisch + morphosyntaktisch + lexikalisch markiert’ hin zu ‘phonetisch stärker + morphosyntaktisch + lexikalisch sehr stark markiert’ grenzt Glorizio die Figuren Oratio und Couello voneinander ab. Das wesentliche Unterscheidungskriterium ist die Markierung auf lexikalischer Ebene, insbesondere durch Elemente des expressiven Sprechens, die Couellos vulgären Charakter unterstreichen. Aus varietätenlinguistischer Sicht wäre in den in Zitat 51 dargestellten Konstellationen unter Umständen zu erwarten, dass Oratio, der eine gemäßigte neapolitanische Varietät spricht, sich seinem jeweiligen Gesprächspartner anpassen kann. Das Gegenteil ist jedoch der Fall und das kommunikative Verhalten des neapolitanischen Edelmannes kann nicht als assimilatorisch bezeichnet werden. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Impresa d’amore von den anderen besprochenen Texten. Glorizios Figuren stellen keine aktiven mehrsprachigen Kompetenzen zur Schau, wie beispielsweise der Capitan in der Soldadesca, der Italienisch und Spanisch sprechen kann, oder Fosco in der Altilia, der sich als Spanier ausgeben kann. Bei Glorizio ist die Interkomprehension zwischen den einzelnen Figuren - unabhängig davon, welche Varietäten sie sprechen - stets gewährleistet. Mehrsprachige Dialoge dienen auch nicht zum Anlass metasprachlicher Beobachtungen, vielmehr wird vulgäres Sprechen häufig durch diatopisch stark ausgeprägte Varietäten markiert. Außerdem zielt Glorizios Darstellung der Mehrsprachigkeit in der Impresa d’amore auf einen ‘italieninternen’ Aspekt der Vielsprachigkeit ab; das Spanische in der Italia Spagnola findet dabei keine Berücksichtigung. Auf Grund der Unterschiede, die sich auf die Gewichtung und das Spektrum der Mehrsprachigkeit in den Komödien beziehen, könnte man die Relevanz eines Vergleichs der Impresa d’amore mit den Texten von Torres Naharro, Delicado, Della Porta und Raineri in Frage stellen. Da die 563 Vgl. D’Ascoli 1993, 284: „Fètere/ fetì v. intrans.: ‘puzzare, emanare odore sgradevole; aver fama di esser cattivo, essere cattivo’.“ 564 Vgl. D’Ascoli 1993, 448: „’Ncoppa avv. e prep.: ‘sopra, al di sopra’; etim.: sost. ital. ‘coppa’= ‘nuca’ [...].“ 565 Vgl. Croce 1917, 116: „dai costumi de Occidente’ [...] sono venute in Italia le adulazioni [...] il dare a ogni vilissima persona della Signoria vostra, e il baccio le mani e i piedi [...].“ Auch in der Rodomontade XLVII ließt man (vgl. Franciosini 1627, 54v- 55r): „Beso la planta del piè de V. M. patròna deste coraçon [...] Bacio la pianta del piede di V. S. padrona di questo cuore [...].“ 195 Verwendung verschiedener Varietäten und Sprachen bei allen fünf Autoren jedoch zur Charakterisierung einzelner Figuren dient, ist eine Gegenüberstellung sinnvoll. Die Gemeinsamkeit der untersuchten Texte besteht darin, dass die Autoren mehrsprachige Konstellationen, die in den kulturellen und politischen Zentren der Italia Spagnola gegeben waren, gezielt und stilisiert einsetzten, wobei sowohl die neapolitanischen als auch die spanischen Äußerungen als Zündstoff für burleske und komische Momente dienten. 566 Um varietäten- oder sprachenbasierte Kontraste zuzuspitzen und um komische Effekte zu erzeugen, griffen die Autoren auf die beschriebenen Strategien zurück, mit denen sprachliche Diversität markiert werden kann. Eine tendenzielle Übereinstimmung lässt sich vor allem im Bereich der Musterbildung feststellen: Lexikalische Elemente, die Bereichen der Alltagssprache entstammen, und saliente phonetische Merkmale haben einen besonders hohen Wiedererkennungswert und werden deshalb bevorzugt als Muster funktionalisiert, mit denen sprachliche Differenzqualitäten hervorgehoben werden. Insbesondere mit Formen des expressiven Sprechens werden komische Momente erzeugt und Lexeme, die diesem Bereich angehören, werden entsprechend häufig eingesetzt. Morphosyntaktische Eigenschaften hingegen, die vorwiegend die Phrasenstruktur betreffen und nicht auf der lexikalischen und lautlichen Ebene abgespeichert sind, scheinen eine weniger große Angriffsfläche für die Musterbildung zu bieten. Insgesamt wird in den Imitationen und Karikaturen auf der Basis kultureller Stereotype und sprachlicher Muster in nicht-begrifflich deskriptiver Form über die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola verhandelt. 4.3 Reflexion und Reflexe der Wirklichkeit Ein Vergleich der Resultate aus Kapitel 4.1 und 4.2 zeigt, dass die Strategien, die in den Texten zur Darstellung von Mehrsprachigkeit eingesetzt wurden, ähnlich oder identisch sind. Sowohl in den mehrsprachigen Gedichten des Cancionero de Estúñiga (vgl. 4.1.1) als auch in Tansillos Capitoli (vgl. 4.1.2) sowie in den Komödien (vgl. 4.2), werden die beschriebenen Phänomene, die insbesondere die lautliche, die lexikalische aber auch die textpragmatische Ebene betreffen, als Muster und Erkennungsmerkmale eingesetzt. Zugleich können diese Merkmale auch Objekt beziehungsweise Projektionsfläche der Reflexionen über den Sprachkontakt und die daraus 566 Vgl. Cirillo 1990, 536: „L’introduzione di personaggi che parlano una lingua forestiera è una tendenza che si rinnova e si esaspera durante tutto il Rinascimento: gli ispanismi inseriti nel tessuto linguistico della commedia rispondono anch’essi a un calcolo essenzialmente espressivo, fanno parte del repertorio di strumenti impiegati nella tradizione comica e burlesca.“ Das Stereotyp des ‘lustigen Neapolitaners’ hingegen ist noch heute in den unterschiedlichsten künstlerischen Repräsentationsformen präsent, vor allem in Filmen und Fernsehendungen ist diese Figur beliebt. 196 resultierenden Prozesse sein. Eine Gemeinsamkeit von Tansillos Gedichten und den Komödien sind außerdem der Spott über die Präsenz des spanischen Militärs in Süditalien und die Karikaturen des Zusammenlebens von Spaniern und Italienern. Beide Textgruppen beinhalten Formen des satirischen Schreibens. 567 Auf Grund der Übereinstimmungen bei der thematischen Ausrichtung und der sprachlichen Konzeption kann den Texten der Bezug zur Realität im Kommunikationsraum ‘Königreich Neapel’ attestiert werden. Der Gegenstand der Satire ist letztlich immer etwas Wirkliches „etwas also, wodurch sich der Mensch in irgendeiner Weise konkret herausgefordert, gereizt, beleidigt, empört oder bedroht fühlt“ (vgl. Könneker 1991, 13f.). Insgesamt gilt, - unabhängig davon, ob die mehrsprachige Kommunikation in den Darstellungen scheitert oder erfolgreich ist - dass alle zu diesem Zweck eingesetzten sprachlichen Merkmale für die Leser und Zuschauer nachvollziehbar sein müssen. So vermerkt Roland Schmidt- Riese in einer Untersuchung zu Repräsentationsformen des Judenspanischen im mehrsprachigen Theater von Gil Vicente: 568 Ganz unabhängig von dieser Frage nach den Quellen der eingesetzten Merkmale gilt aber, dass diese Merkmale die Vorstellung der Rezipienten von der sozialen Gruppe treffen müssen, die Ziel des Spottes oder der Komik ist. [...] Selbstverständlich trifft der Autor in einem literarischen Text, zumal bei satirischen Intentionen, eine Auswahl von Merkmalen und kumuliert sie: die Frequenz ist ‘larger than life’. (Schmidt-Riese 1999, 292f.) ‘Larger than life’ sind häufig auch die Reflexionen über den Sprachkontakt und die Darstellungen der Mehrsprachigkeit in der Lyrik und den Komödien der Italia Spagnola. So ist Luigi Tansillos Behauptung, der ständige Kontakt mit Spaniern habe ihn seine Muttersprache vergessen lassen, ebenso eine Übertreibung, wie die Hypercharakterisierung spanischer oder ‘pseudospanischer Passagen’ durch saliente phonetische Merkmale. In der Gesamtschau der in Kapitel 4 untersuchten Texte, zeichnet sich ab, wie die Autoren die Mehrsprachigkeit im spanisch dominierten Italien beurteilten. In metasprachlichen Äußerungen werden Kontraste und Differenzen zwischen dem Spanischen, dem Toskanischen und anderen italienischen Va- 567 Zu den Formen des satirischen Schreibens vgl. Könneker 1991, 16. 568 Ähnlich argumentiert auch Raffaele Sirri (2005, 118), der im Rahmen einer Untersuchung literarischer Repräsentationen des Bilinguismus im 16. Jahrhundert in Italien nicht zwischen Dialekt und Varietät unterscheidet: „Die Entscheidung, einen literarischen Text nicht nur provisorisch oder zufällig, sondern bewusst im Dialekt erschienen zu verfassen, ist durch eine spezifische Adressatengruppe veranlasst und gehorcht expressiven, wenn nicht sogar expressionistischen Notwendigkeiten oder Intentionen. [...] Aber die permanente und gewissermaßen ‘normale’ Gemeinschaft von literarischer Sprache und Dialekt in einem bestimmten kulturellen Umfeld ist ein Bilinguismus, der sich nicht nur durch differierende Vorlieben einzelner Kreise oder Absichten erklärt, sondern vor allem durch das Kriterium der Effizienz motiviert wird und Produkt einer wechselseitigen Dynamik ist. 197 rietäten kommentiert und als Verständigungsbarriere inszeniert. Die mehrsprachige Kommunikation kann jedoch auch reibungslos verlaufen. Zudem setzte man vom Publikum oder den Lesern passive Sprachkompetenzen im Spanischen, Toskanischen und anderen italienischen Varietäten, wie zum Beispiel dem Neapolitanischen voraus und textintern wird durch lexikalische und lautliche Akkommodationen ‘spanisch Sprechen’ fingiert beziehungsweise das unzulängliche Spanisch der Italiener imitiert. So entsteht das Bild eines Kommunikationsraums, in dem Konstellationen rezeptiver und aktiver Mehrsprachigkeit 569 je nach kommunikativen Anforderungen und Diskursbereichen variierten. Um zu zeigen, dass die in den literarischen Repräsentationen enthaltenen nicht-begrifflich deskriptiven Formen tatsächlich die mehrsprachige Realität im Königreich Neapel reflektieren, sei abschließend ein Dokument zitiert, das sich inhaltlich und konzeptionell stark von den bisher besprochenen Texten unterscheidet. Es entstammt jedoch ebenfalls der Kommunikationsdomäne des Soldatenumfelds 570 , da es sich um eine Liste handelt, in der zwei Schreiber, Nicolas de Pinares und Martin de Durnago, die nötigen Materialen für den Schiffsbau und die Verpflegung der Besatzung einer Kriegsgaleere aufzählen. 571 In dieser Liste lassen sich ähnliche code-mixing- Phänomene beobachten, wie in den Komödien: Panno para los remeros: ansi mismo tienen necesidad de ser vestidos de almillas de panno colorado, 3500 scudi. Hervase para capotes para los remeros: 4000 canne, 2500 scudi. Lienzo para los remeros: por no aver avido comodidad, no sea vestido los remeros, de ropa de lienzo y por estar con mucha necesida, conviene bestillos que vendra a montar 3000 scudos de oro. Panno para los remeros: ansi mismo tienen necesidad de ser vestidos de almillas de panno colorado, 3500 scudi. Hervase para tiendas y tendales: 4000 canne, 2000 scudi. Lienzo crudo; dalla Lombardia per guarneces le vele e hazer alcune tende, 50 fardos, 1300 scudi. Filo per cucire la ropa delgado y grueso, per le vele e le tende, 400 scudi. Sevo para despalmar las galeras, dos vezes montara el sevo, 1800 scudi. Breary estopa para adovar las galeras con la maestranza, 2000 scudi. Carne fresca no se ponen los bastimentos para las dichas galeras porque los de mas de ellos seran por questa de armada, mas la carne fresca que es cos- 569 Vgl. Braunmüller 2007 und Kapitel 3.2.2 dieser Arbeit. 570 Zum spanisch-italienischen Sprachkontakt in den Bereichen Seefahrt und Militär vgl. auch Hiltensperger 2013. 571 Valentina Favarò (2007) setzte sich mit Aufbau, Rüstung und Verwaltung der spanischen Flotte in Süditalien auseinander und veröffentlichte mehrere Listen, die im 16. Jahrhundert in den süditalienischen Kriegswerften und in den Hafenbüros verfasst wurden. Laut Auskunft von Favarò liegen die entsprechenden Texte im Archivo general de Simancas. 198 tumbre de compralla ansi para la gente de cavo, como para los remeros, enfermos, 700 scudi. Medicine: 600 scudi. Scudo de buenas bollas: 4000 scudi. Nicolas de Pinares, Martin de Durnago. (Ags, Estado, Armadas y Galeras, leg. 450, n.f., zit. bei Favarò 2007, 299; Kursivierung T.G.) In diesem überwiegend spanischen Text finden sich einige Merkmale wieder, die in den literarischen Texten in ähnlicher Weise zur Hypercharakterisierung eines mixed codes auftreten. So wird als Pluralform der Währungseinheit scudo (vgl. span. escudo) zunächst die Mischform scudos eingesetzt, mit italienischem Stamm und spanischer Flexionsendung. In den folgenden Aufzählungen hingegen erscheint die italienische Pluralform scudi. Weitere Entlehnungen aus dem Italienischen sind canne, vele oder tende, wobei letzteres Lexem wenige Zeilen zuvor auch in der spanischen Form tiendas vorliegt. Außerdem erscheinen Passagen, in denen die switches zwischen Spanisch und Italienisch rasch aufeinander folgen, wie zum Beispiel in „le vele e hazer alcune tende“ oder „Filo per cucire la ropa“. Durch die morphosyntaktische Übereinstimmung zwischen Nomen und bestimmtem Artikel „le vele“ beziehungsweise Nomen und Indefinitpronomen „alcune tende“ liegen kleinere syntaktische Einheiten in der interferierenden Sprache vor. Die meisten Entlehnungen sind Konkreta, die aus dem Bereich der Schifffahrt stammen: canne ‘Rohr’, vele ‘Segel’, tende ‘Tuch’, filo ‘Garn’ oder auch medicine ‘Medizin’ und die Währungseinheit scudo. Man bedenke, dass auch in den literarischen Texten die lexikalischen Entlehnungen vorwiegend Konkreta sind. Es zeichnet sich ab, dass in den Domänen der pragmatischen Schriftlichkeit und der Alltagskommunikation, korrekte Fremdsprachenkompetenz und sprachlicher Purismus nicht immer zwingend notwendig war und dass die von Luigi Tansillo beschriebene ‘insalata’, also ein gemischter Code, je nach Kommunikationserfordernissen nicht unbedingt ein Hindernis darstellte. 199 5. Die Meinung der Experten: Reflexion über die Mehrsprachigkeit in Stilkritik, sprachtheoretischen Abhandlungen und Lehrwerken la latina, eterna tesorera de la sabiduría, la española, tan universal como su imperio, la francesa, erudita, y la italiana elocuente (I-IV, Gracián 1980, 112) 572 De ser las lenguas un plácito y antojo de los hombres, y no más, se infiere claramente que en todas se pueden enseñar las ciencias, y en cualquiera se dice y declara lo que la otra quiso sentir. Y, así, ninguno de los graves autores fue a buscar lengua extranjera para dar a entender sus conceptos; antes los griegos escribieron en griego, los romanos en latín, los hebreos en hebraico, y los moros en arábigo; y así hago yo en mi español, por saber mejor esta lengua que otra ninguna. Los romanos, como señores del mundo, viendo que era necesario haber una lengua común con que todas las naciones se pudiesen comunicar, y ellos oír y entender a los que venían a pedir justicia y cosas tocantes a su gobernación, mandaron que hubiese escuela, en todos los lugares de su imperio, en la cual se enseñase la lengua latina; y así ha durado hasta el día de hoy. (Huarte de San Juan 1989, 399f.) El grande Homero no escribió en latín, porque era griego; ni Virgilio escribió en griego, porque era latino. En resolución, todos los poetas antiguos escribieron en la lengua que mamaron en la leche, y no fueron a buscar las extranjeras para declarar la alteza de sus conceptos; y siendo esto así, razón sería se extendiese esta costumbre por todas las naciones, y que no desestimase el poeta alemán porque escribe en su lengua, ni el castellano, ni aun el vizcaino que escribe en la suya. (Cervantes 1998, 757f.) Graciáns Hierarchisierung der romanischen Sprachen, Juan Huartes Argumente für das Vordringen des Spanischen in gelehrte Domänen (ciencia) und Cervantes Plädoyer für eine Dichtung in der Volkssprache stehen exemplarisch für verschiedene Positionen in der Sprachtheorie des 16. und 17. Jahrhunderts. Einerseits war das Lateinische die unbestrittene Instanz als Sprache der Gelehrtheit (sabiduría). Andererseits griffen Autoren, „die eine Apologie der Volkssprache beabsichtigten“ 573 , auf den Topos zurück, dass die Muttersprache (la lengua que mamaron en la leche) natürlicher und deshalb besser sei, als das Lateinische, das erst durch das Grammatikstu- 572 Vgl. auch Kapitel 2.1. 573 Vgl. Hassler 1994, 46. 200 dium erlernt werden muss. Mit diesen Argumenten, die im 16. Jahrhundert europaweit verbreitet waren 574 , konnte man zwar den Gebrauch der Volkssprachen rechtfertigen, eine Abgrenzung der einzelnen romances untereinander war damit jedoch nicht möglich. Schließlich konnte man für jede Sprache die gleichen Argumente geltend machen, um damit ihr Vordringen in die Distanzdiskursdomänen zu rechtfertigen und ihren Status als Objekt von Sprachbetrachtung und Grammatikschreibung zu legitimieren. 575 Um die Qualitäten der einzelnen lenguas romances hervorzuheben, griff man auf das Lateinische zurück. Man versuchte durch den Vergleich sprachinterner Merkmale und sprachexterner Aspekte die Nähe zu der gelehrten Sprache zu beweisen und dadurch der eigenen Volkssprache einen höheren Status zu verleihen. Graciáns Charakterisierung der romanischen Volkssprachen und des Lateinischen ist disbezüglich nur einer von vielen Hierarchisierungsvorschlägen, die damals in der Sprachkritik verbreitet waren. Die imperiale Expansion der spanischen Krone als Argument für die Überlegenheit des Spanischen („la española, tan universal como su imperio“) ist ein ‘typisch iberischer Topos’: Durch den Vergleich mit der Verbreitung des Lateinischen im Zuge der Expansion des Römischen Reiches konnte die Idee von der Sprache als ständige Begleiterin des sich ausdehnenden spanischen Imperiums, wie es Nebrija 1492 im Prolog der Gramática de la lengua castellana formuliert hatte 576 , als schlagendes Argument gegen die anderen romanischen Volkssprachen ins Feld geführt werden. David Viñas Piquer (2008) verweist auch auf Francisco de Medinas Prolog zu Fernando de Herreras Anotaciones a las obras de Garcilaso (1580), in dem der spanische Sprachimperialismus nicht nur durch Parallelen zur Geschichte des Lateinischen sondern auch zu der des Griechischen legitimiert wird: Siempre fve natural pretensión de las gentes virtuosas procurar estender no menos el uso de sus lenguas que los términos de sus imperios, de onde antiguamente sucedía que cada cual nación tanto más adornava su lenguage cuanto con más valerosos hechos acrecentava la reputación de sus armas [...] Crecieron, por cierto, las lenguas griega y latina al abrigo de sus victorias [...] veremos estenderse la magestad del lenguage español, adornada de nueva i admirable pompa, hasta las últimas provincias donde victoriosamente penetraron las vanderas de nuestros exércitos. (Francisco de Medina in Herrera 2001, 187-203) 574 Der Topos von der Natürlichkeit der Sprache, die mit der Mutterbzw. Ammenmilch aufgesogen wird, war seit Dante (vgl. Kapitel 2.1) ein konstantes Element des umanesimo volgare. Terracini (1996, 235), die u.a. auf Pietro Bembo, Juan Luis Vives, Juan de Valdés und Fray Luis de León verweist, spricht von „due grandi topoi: a) uno, comune a tutta l’Europa, le dichiarazioni a favore dell’uso stesso del volgare; b) un altro, piuttosto iberico, le dichiarazioni relative all’espansione e al dominio.“ 575 Vgl. hierzu u.a. Weinrich 1985a, 156. 576 Vgl. Asensio 1960. Siehe auch Braselmann 1991, 175-181; Haßler 1994; Esparza Torres 1995; Llédo-Guillem 2005. 201 Eine andere Position vertritt Bernardo José de Aldrete in Del origen y principio de la lengua castellana (1606). Er differenziert zwischen militärischen und sprachlichen Siegeszügen und geht explizit auf die Position des Spanischen im Königreich Neapel ein: Otros porque juzgauan su lengua por mejor que la Latina, como los Griegos, que se preciauan della, i la estimauan, i las otras como barbaras teni- en poco, vian que aun los mismos Romanos apr ẽ ndi- la Griega para el conocimi ẽ to de las sciencias, i enriquecer la propria de quien ella se deriua. [...] Assi que los Romanos reconocian a los Griegos en todo genero de letras, i de ellos confessauan, que auian recibido la Philosophia, i todas las nobles disciplinas, i escriuian en Griego historias. [...] Con lo qual los Griegos antes en grandecian su lengua, i solo vsauan la Romana en lo que les era preciso i necessario, para conseruar el trato, obediencia, i sujecion que tenian al pueblo Romano. Luego que el imperio puso su silla en el oriente en Constantinopla tornò el vso de la lengua Griega enel, i casi por todo el oriente se hablò, como dize San Hieronymo. Oi sucede lo mismo a los Españoles en Italia, que assi por esto, como tambien porque ni se trata de estender i honrrar la lengua Castellana, ni que en los Tribunales se hable, ni se hazen Colonias, como hizieron los Romanos, ni ai sino presidios de soldados, i también à poco tiempo que residen en ellos, por lo qual aunque tienen algunos Reinos, no se vsa en ellos el Romance. Si bien no dexa la gente noble i principal por causa de los virreies en Napoles, i Palermo hablar la Castellana, de la qual en aquellos reinos an recibido muchos vocablos. Lo qual asido al contrario en las Indias como por extenso veremos despues. (Aldrete 1606, 85; Kursivierung T.G.) Aldrete vermeidet die Beschreibung des Spanischen als Universalsprache und unterscheidet zwischen den Konstellationen in Amerika und Europa. Diesen Unterschied illustriert er am Beispiel Süditaliens, wo die Spanier zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Del origen y principio de la lengua castellana bereits ein Jahrhundert die Vorherrschaft hatten. In Neapel und Palermo würde man lediglich in adeligen Kreisen Kastilisch sprechen, da diese mit den spanischen Vizekönigen in Kontakt stünden. Die Aussage „no dexa la gente noble i principal por causa de los virreies en Napoles, i Palermo hablar la Castellana“ ist so zu verstehen, dass die Elite das Kastilische beherrschte, während alle anderen Einwohner der spanisch dominierten Reinos in Italien nur durch die zahlreichen Entlehnungen mit dem Kastilischen in Berührung kamen. Aldrete, der die Situation Süditaliens nur aus Beschreibungen kannte, definiert das Spanische im Königreich Neapel als Prestigesprache, die als Kulturadstrat Spuren in der Lexik der italienischen Varietäten hinterlassen hat. Mit dieser Aussage zielte er nicht auf eine Konstellation des Bilinguismus ab, sondern hatte tatsächlich Plurilinguismus im Blick, denn Aldrete spricht von „aquellos reinos“, in denen das Spanische mit unterschiedlichen italienischen Sprachen in Kontakt gestanden habe. Er nennt auch die Umfelder, in denen dieser Kontakt stattgefunden habe, nämlich die palermitanischen und neapolitanischen Höfe sowie 202 die Soldatengarnisonen im Vizekönigreich. Signifikant ist außerdem, dass Aldrete Mehrsprachigkeit zur Zeit der spanischen Vorherrschaft in Süditalien im Rahmen seiner spanischen Sprachgeschichte grundsätzlich berücksichtigt und Reflexionen darüber als notwendig erachtet. Ähnliche Ansätze verflogten auch einige Autoren im frühen 16. Jahrhundert, die die sprachliche Situation der Italia Spagnola aus persönlicher Erfahrung kannten. Diese Autoren setzten sich mit den Konstellationen der Mehrsprachigkeit auseinander und diskutierten die Bedeutung des Spanischen in der Italia Spagnola. Im Rahmen professioneller Sprachbetrachtung wurden dabei Aspekte der ‘italienischen’ Questione della lingua mit dem spanischen problema de la lengua 577 konfrontiert. 5.1 Die Frage nach dem Stil: eine süditalienische Questione della lingua Sprachliche Gewandtheit zählte in der Renaissance zu den Pflichttugenden eines Edelmannes. In den Stiltraktaten und Verhaltensregelwerken des 16. Jahrhunderts findet man Anleitungen für ein angemessenes sprachliches Verhalten, das unter anderem Kompetenzen in verschiedenen Fremdsprachen erforderte. Im spanisch dominierten Italien waren Kenntnisse in der Sprache der Vizekönige unabdingbar. Allerdings finden sich diesbezüglich auch kritische Stimmen, wie beispielsweise die von Giovanni della Casa, der im Galateo 578 davon abriet, bei mangelhaften Kenntnissen eine Fremdsprache allzu häufig zu gebrauchen. […] spesso auiene, che lo Spagniuolo parlerà Italiano con lo Italiano, & lo Italiano fauellerà per pompa, & per leggiadria cõ essolui Spagniuolo, & nondimeno assai piu ageuol cosa è il conoscere che amendue favellano forestiero, che il tener le risa delle nuoue sciocchezze, che loro escono di bocca. Fauelleremo adunq; noi nell’altrui linguaggio qualhora ci farà mestiero di essere intesi per alcuna nostra necessità; ma nella comune usanza fauelleremo pure nel nostro, etiandio men buono, più tosto che nell’altrui migliore [...] (Della Casa 1560, 37v-38r) In keiner Sprache könne man sich so gut ausdrücken, wie in der eigenen Muttersprache. Deshalb kritisiert Della Casa auch Italiener, die Spanisch, und Spanier, die Italienisch sprechen, um anmutig und gebildet zu erscheinen. Er räumt jedoch ein, dass gelegentlich der Gebrauch einer Fremdsprache zur Verständigung notwendig sei. Baldassar Castiglione hingegen bewertet im Libro del Cortegiano das Beherrschen einer Fremdsprache prinzi- 577 Vgl. Carrera de la Red 1988 und 1996. 578 Der Galateo war das Standardwerk der Verhaltensratgeber und wurde im 16. Jahrhundert in viele Sprachen übersetzt. Zitiert wird aus der Ausgabe, die 1560 in Florenz erschien. 203 piell positiv und erachtet polyglotte Kompetenzen für einen Mann von Welt als unerlässlich: (52) Il medesimo intervien del saper diverse lingue; il che io laudo molto nel cortegiano, e massimamente la spagnola e la franzese, perché il commerzio dell’una e dell’altra nazion é molto frequente in Italia e con noi sono queste due più conformi che alcuna dell’altre […] (Castiglione 1987, 175f.) In dieser Bemerkung, die den Status des Französischen und des Spanischen als Prestigesprachen bestätigt, stellt Castiglione das Spanische und das Französische keineswegs in eine Konkurrenzbeziehung mit dem Italienischen. Im Libro del Cortegiano wird das angemessene höfische Verhalten beschrieben, wozu gelegentlich Fremdsprachenkenntnisse erforderlich waren. Die Konsequenzen von Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit interessieren Castiglione jedoch nicht, ebenso verzichtet er auf sprachpolitische Stellungnahmen. Eine sprachpolitische Position beziehen hingegen drei Autoren, deren Meinungen bezüglich der Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel im Folgenden kontrastiert werden. Aus unterschiedlichen Perspektiven bewerteten der aus Apulien stammende Humanist Antonio De Ferrariis (Kapitel 5.1.1), der spanische Gelehrte Juan de Valdés (Kapitel 5.1.2) und der neapolitanische Satiriker, der sich hinter dem Pseudonym Partenio Tosco verbirgt (Kapitel 5.1.3), die Rolle des Spanischen in Süditalien. Die drei Autoren hatten die sprachliche Situation der Italia Spagnola von innen erfahren und somit basieren ihre Reflexionen nicht nur auf Fachwissen sondern auch auf persönlichen Erfahrungen. In ihren Texten werden sprachrelevante Fragen in begrifflichen und nicht-begrifflich deskriptiven Formen diskutiert, weshalb sie als Experten für die süditalienisch-spanische Questión de la lengua gelten können. 5.1.1 Kritik an der barbarie spagnuola 579 Die Reaktionen der süditalienischen Gesellschaft auf die spanische Machtübernahme zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren gemischt. Zwar setzten die Eroberungen des Gran Capitán Gonzalo Fernández den Jahrhunderte währenden Machtkämpfen in Süditalien ein Ende, andererseits erforderten sie die erhöhte Präsenz des spanischen Heers und militärische Interventionen. 580 Während sich die Hofgesellschaft den neuen Herrschern anpasste und deren Sitten und Bräuche bereitwillig imitierte 581 , stand man der His- 579 Vgl. Croce 1917, 98-121. 580 Vgl. Kapitel 2.2. 581 Vgl. Corce 1917, 106f.: „[…] le usanze di Spagna, le forme sociali, gli svaghi, il linguaggio, gli abiti morali, le cose buone e le cose cattive, stimate buone anch’esse perché propie dei vincitori e autrici o tali credute della loro forza e della loro vittoria. Quanto di spagnuolo era già in Italia, e particolarmente in Napoli e in Roma, si ravvi- 204 panophilie in gelehrten Kreisen mitunter kritisch gegenüber. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Schrift De educatione von Antonio De Ferrariis. In dem pädagogischen Regelwerk für die Prinzenerziehung übte der süditalienische Humanist scharfe Kritik an den Spaniern, ihren Sitten und - mit Blick auf Süditalien und Amerika - an deren Eroberungspraxis. 582 De Ferrariis (1446-1517), der auf Grund seiner Herkunft aus Galatone in der Terra d’Otranto 583 ‘Il Galateo’ genannt wurde, erhielt in dem Kloster San Nicola di Casole eine von der griechischen Kultur Apuliens geprägte humanistische Grundausbildung. Weitere Stationen waren die Accademia Pontaniana in Neapel, Venedig und Ferrara, wo er 1474 das Privilegium in artibus et medicina erwarb. Er kehrte regelmäßig nach Neapel zurück und stand dort in engem Kontakt zu Gelehrten wie Ermolao Barbaro. 1490 wurde er zum Leibarzt von König Ferrante I. von Neapel ernannt, doch nach der französischen Besetzung Neapels zog er sich 1501 endgültig in seine apulische Heimat zurück. 584 In Bari ließ er sich am Hof von Isabel von Aragón nieder und widmete sich in kritischen Studien dem politischen und kulturellen Zeitgeschehen. 585 Aus dieser Phase stammt auch De educatione, das er zwischen 1504 und 1505 verfasste. 586 De educatione blieb bis 1865 587 unveröffentlicht und kursierte lediglich in Süditalien in handschriftlichen Kopien, was damit zusammenhängen mag, dass der „tratarello latino“, so Croce 588 , seiner Konzeption nach pädagogische Ziele zu verfolgen scheint, tatsächlich jedoch ein relativ hohes Potential an politischem Zündstoff enthielt. Il Galateos Abhandlung ist an seinen langjährigen Freund Crisostomo Colonna gerichtet, den König Ferrante I. mit der Ausbildung seines Sohnes Ferrantino (1488-1550) beauftragt hatte und der seinen Schützling nach dem Fall von Tarent im Jahr 1501 ins spanische Exil begleitet hatte. 589 (53) 1. Scripsisti, mi Chrysostome, gratissimas fuisse epistolas meas [...] Quid apud Hispanos agat Chrysostomus novi ex epistola tua ad Aegidium, quam millies legi legamque; quid agat inclytus adolescens scire percupio. Vereor ne ob blandos Hispanorum sermones in perevò e si dilatò in quei primi anni del secolo; e la Spagna parve allora invadere l’Italia non solo con le sue armi, ma con tutto il suo spirito nazionale, sforzando la tradizione, il costume e la cultura stessa italiana.“ 582 Vgl. Vecce 1993, 22. 583 Die Terra d’Otranto entspricht in etwa dem Salento, der die Provizen Lecce, Tarent und Brindisi umfasst. 584 Zu Galateos Biographie vgl. u.a. Vecce 1993, 13-28; Vecce 1988, 326 und 329. 585 Vgl. Vecce 1988, 341. 586 Zur Datierung des Manuskriptes vgl. Croce 1894, 398 und Vecce 1988, 328-331. 587 1865 erschien der Text in Neapel in den Scritti inediti o rari di diversi autori trovati nella provincia di Otranto, 1867 wurde er in Lecce mit einer italienischen Übersetzung veröffentlicht; vgl. Croce 1917, 107 und Vecce 1993, 29, 33-35. 588 Croce unterzog als einer der ersten De educatione einem intensiven Studium, vgl. Croce 1894; siehe auch Pompeo 1987. 589 Ferrante II. von Aragón wurde auch ‘Ferrantino’ genannt, vgl. Croce 1917, 109. 205 grinos mores transierit, et ne inter externas delicias et vanitates litteras dediscat, et obliviscatur italicae gravitatis. (Il Galateo 1993, 53ff.) De educatione liest sich wie ein Versuch, den Prinzen vor spanischen Einflüssen zu bewahren. Il Galateo warnt Colonna vor den fremdländischen Sitten („peregrinos mores“), da er fürchtet, dessen Schützling könne von der schmeichlerischen Art der Spanier beim Sprechen („ob blandos Hispanorum sermones“) geblendet werden und seine gravitas italica vergessen. 590 Der Autor übt scharfe Kritik an den spanischen Moden und Sitten, die in Italien Einzug gehalten hatten. Den französischen und spanischen Einfluss bezeichnet er als barbarisch, zumal beide Nationen ihre feritas erst durch die Eingliederung in das Römische Reich abgelegt hätten. 591 Die Rohheit der Franzosen und Spanier, die er auch abwertend als „Gothi et Franci“ (vgl. Il Galateo 1993, 74) bezeichnet, zeige sich besonders deutlich in deren Eroberungspraktiken: (54) 17. Gothi et Franci sacram et innoxiam parentem Italiam, a qua litteras, leges instituta vitae et ipsam humanitatem habuerunt, ut sacrilegi et parricidae, foedant, violant, lacerant, necant [...] (Il Galateo 1993, 74) Il Galateo hoffte auf die Restauration der Herrschaft der Aragonesen, da Süditalien unter ihnen eine relativ stabile Phase durchlaufen hatte. Während Herrscher wie Alfons I. 592 Kunst und Wissenschaft gefördert hätten, zeichne sich die spanische Herrschaft in erster Linie durch militärische Präsenz aus. Er prangert das zügellose und grausame Verhalten der spanischen Soldaten an, die das von Hunger und Armut geplagte Königreich schröpften. (55) 88. Crede mihi, Chrysostome, vix septem milia militum omnes opes huius miseri regni sine ullo metu, sine ulla divini aut humani iuris reverentia diriperunt, et quotidie diriperunt. Iam evulso lacte ad sanguinem deventum est. Nobis fames, inedia et inopia imminet, nec videntur mala nostra finem habitura, donec aut vos, gratia et benignitate catholicorum regnum, quod saepe polliciti sunt, ad nos redeatis, aut peste, fame, ferro universa gens pereat. Hispani milites neque modum neque ordinem neque mensuram habent, iussa contemnunt ducum, gaudent dissipare omnia, assueti, ut puto, cum infidelibus plus odio et veteribus iniuriis quam pro imperio belligerare. Nunc eundem morem in nos servant: gaudent necare et perdere omnia. Unicuique istorum vix satis est magna provincia: unusquisque cum sericum aut aurum sibi antea non modo insuetum sed nec visum unquam nec cognitum induerit, rex sibi esse videtur. (Il Galateo 1993, 154) 590 Vgl. Vecce 1993, 18. 591 Vgl. Il Galateo 1993, 62. 592 Vgl. Kapitel 2.2. 206 Diese Beschreibung bestätigt, dass die Präsenz des spanischen Militärs ein Reizthema für die süditalienische Bevölkerung war und es wird ersichtlich, weshalb die Figur des lächerlichen spanischen Soldaten in den süditalienischen Komödien und Satiren so erfolgreich sein konnte. Die Beschreibung der Verhaltens- und der Ausdrucksweise der Soldaten in De Educatione erinnert an die sprachliche Hypercharakterisierung der bisoños bei Torres Naharro. 593 In den Kapiteln 90 werden die Spanier als brüllende, fluchende und betrügerische Diebe beschrieben. (56) 90. Peiora sunt illorum convitia, contumeliae, insolentiae, quam rapinae, fraudes, furta et lactrocinia, quibus artibus nobilem de Gallis victoriam sua intemperantia et avaritia labefactarunt, adeo ut omnes existiment intollerabiliores esse Hispanos in pace quam in bello, peiores Gallis, et qui saevitia et inhumanitate Gothos parentes suos superunt. Horum malorum causa est mala educatio. (Il Galateo 1993, 156) Seine Kritik richtet sich jedoch nicht nur gegen das spanische Militär, sondern auch gegen die ‘ausländischen Päpste’. Es sei ein großer Fehler gewesen, das Papsttum, das er als ‘unseres’ bezeichnet („noster est“), jemals einem französischen oder spanischen Barbaren überlassen zu haben: (57) 12. Summus pontificatus noster est, et tamen exteros, ne dicam barbaros, illius participes facimus. Utinam romanos, ut quondam, pontifices haberemus! Utinam nunquam a Francis aut a Gothis occupata fuisset illa Italis debita sedes! Utinam nunquam aut Gothos aut Francos inscius et avarus admisisset. Nescio qui fuit ille profanus Gallus pontifex, qui sacram sedem e Roma in Galliam, invito Christo et Petro, transulit, inurbanus et inclemens. Galli pontifices Gallos primum in hoc regnum immiserunt, et tyrannum illum Carolum primum regem creaverunt, qui divum Thomam christianorum doctissimum, ne sua suorumque malefacta in concilio patefaceret. (Il Galateo 1993, 68) Die Schuld an der Zerstörung Süditaliens weist er den Borgia-Päpsten Kalixt III. und Alexander VI. zu. Diese hätten die territoriale Einheit des Königreichs Neapel, die sich unter den Aragonesen zu festigen begonnen hatte, untergraben, da sie die Souveränität des Kirchenstaats bedroht sahen 594 : (58) 13. Calixtus Hispanus, per antiphrasim accepto nomine, Ferdinandum, Apuliae regem, Alphonsi, qui illum ab humili loco ad tantum fastigium evexerat, filium, regno patrio pellere et Italiam vastare conatus est. Opportuna mors illum tot mala molientem rapuit. Quod ille non potuit, Rodericus, ex fratre nepos, effecit, quem ne irati quidem Iovis et contemptorum deorum numina Petri et Pauli mactare potuerunt. Hic Gallos primum, duce Carolo rege, cuius divino iudicio periit penitus memoria, ad perdendam Italiam excitavit, deinde 593 Vgl. Kapitel 4.2.1.1. 594 Vgl. hierzu Vecce 1988, 338. 207 Gallos et Hispanos, seu potius Francos et Gothos, in nostram perniciem coniuratos convocavit. A Calixto Hispano initium hauere mala quae patimur. Bene interpretatus, immo vaticinatus, est quidem inscriptionem NPPVMCCCCLII: ‘Nihil Papa Valet Miser Cardinalium Coetus Creavit Calixtum Lugebit Infelix Italia’. (Il Galateo 1993, 70) Die Inschrift „NPPVMCCCCLII“ kann als Anspielung auf die im 16. Jahrhundert florierende römische Pasquinadentradition interpretiert werden. Zunächst scheint sie auf den Vorgänger von Kalixt III., Papst Nikolaus V. („NPPV“) und das Jahr 1452 („MCCCCLII“) zu verweisen, in dem dieser Friedrich III. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönte. Tatsächlich ist das Akrostichon NPPVMCCCCLII jedoch ein Seitenhieb gegen Papst Kalixt III., dessen Wahl eine schlechte Entscheidung gewesen sei, da dieser Italien Unglück und Verderben beschert habe. 595 Als lächerlich erachtet Il Galateo die Moden und Bräuche der Spanier. Insbesondere ihr ‘weibisch prunkvoller’ Kleidungsstil missfällt ihm: „Auro operiri muliebre quoque est“ (Il Galateo 1993, 152). Ähnlich streng urteilt er auch über seine Landsleute, die den Sitten der Spanier nacheiferten: (59) 57. Et dicunt Hispani post adventum illorum nos ab illis multa didicisse. Hispanas seu potius gothicas partes secutus sum, ut nosti: sed utinam haec litora Hispanae nunquam tetigissent nostra carinae! Dii immortales, quid illi nos docuerunt? Non litteras, non arma, non leges, non nauticam disciplinam, non mercaturam magnarum mercium, non picturam, non sculpturam, non rem rusticam, non ullam quam sciam ingenuam disciplinam, sed foenora, furta piraticas incursiones, nauticas servitutes, ludos, lenocinia, meretricios amores, artem sicariam, mollem et lugubrem canendi modum, arabicas ferculorum compositiones, hypocrisim, molles lectulos et delicatos, unguenta, psilothra et ministrandi concinam observationem, et secandarum avium praecepta. Hisce et huiuscemodi vanitatibus severitatem vitae nostrae corrupere. (Il Galateo 1993, 116ff.) Er bestreitet jeglichen positiven Einfluss auf das kulturelle und gesellschaftliche Leben in seiner Heimat. Alle kulturellen Güter und zivilisatorischen Errungenschaften wie Literatur, Waffen, Gesetze, Seefahrtskunde, Warenhandel, Malerei, Skulptur und Landwirtschaft seien keine spanischen Verdienste. Lediglich die Verrohung der Sitten durch Ausschweifung, Diebstahl, Piraterie, Sklaverei, Glücksspiel, Kuppelei, Prostitution und Waffenkünste ginge auf den Einfluss der Fremdherrscher zurück. Die zunehmende Verweichlichung der Hofgesellschaft ist ihm verhasst und er missbilligt, dass sich die Höflinge das sanfte und düstere Wesen der Spanier aneigneten. Er verachtet ihre Scheinheiligkeit, ihre unterwürfige diene- 595 Vgl. Vecces Kommentar in Il Galateo 1993, 70. Zu den römischen Pasquinaden vgl. u.a. Marucci/ Marzo/ Romano (Hrsg.) 1983. 208 rische Manier und den Gefallen, den sie an arabischen Speisen, an weichen und luxuriösen Betten, an Parfums und an Enthaarungsmittel finden. Noch schärfer verurteilt er die Sitten der Franzosen. In dem Kapitel über die Musik, die bei der Erziehung eines jungen Edelmannes eine wichtige Rolle spielte, entscheidet er sich im Zweifelsfall zugunsten der Spanier, da die französische Musik das Gemüt erschlaffen und ermüden ließe. Letztlich fehle jedoch beiden Musikstilen die italienische ‘Würze’ („italico sale“): (60) 73. […] Ego et gallicos et hispanicos audivi modos: hispanici quidem mihi plus placent, sed illi maxime concitatos et praecipites animos reddunt, hi remissos et enervatos; utrosque italico sale condire oportet. (Il Galateo 1993, 136) Scharf kritisiert er die spanische Literatur, die sich in Neapel und anderen Teilen Italiens zu Beginn des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute. 596 Im Vergleich zur toskanischen Literatur sei sie minderwertig. (61) 75. Si velit legere vernaculam, legat etruscam, legat Dantem et Petrarcham, poetas meo iudicio non contemnendos: praecipue illud nobile Petrarchae carmen, verius oraculis sibyllarum, cuius initium est ‘Italia’, semper in ore, semper in mente habeat; fuerunt enim ii viri docti. Quid enim illi Iohannes Mena, Homerus ille Hispanus (vidistin [sic! ] unquam illam ‘cornicationem’ cum suo commento et Aristotele suo cordubensis? ), quid illi minuti quidam poetae Hispani, si verum fateri velimus, conferre potuertunt? Oportet virum prius doctum fieri, postea docere. Legimus pueri apud nescio quem Catonem (ita illum apellant): ‘Disce, sed a doctis’. Aristoteles, interrogatus quomodo quis posset cito proficere, respondit: ‘Si ex auctoribus eos legat qui optimi habentur’. Istos hispanico more ‘copuladores’ potius appellaverim, nos poetas quaerimus, qui sint, ut ait Macrobius de Virgilio, pertissimi omnium disciplinarum. (Il Galateo 1993, 138) In dieser Äußerung wird deutlich, welche Position Il Galateo in der italienischen Sprachendiskussion favorisierte: Wer in der Volkssprache lesen wolle, möge sich Dante und Petrarca widmen, auf deren Autorität die Überlegenheit des Toskanischen beruhe. Eine andere Option kommt für ihn nicht in Frage. Vor der fremdländischen Literatur warnt er, insbesondere vor den ‘minderwertigen spanischen Autoren’. Zu diesen minuti quidam poetae Hispani zählt er auch Juan de Mena. Er diskreditiert die Coronación del Marqués de Santillana 597 , indem er die ‘Krönung’ als ‘cornicatio’ 598 (‘Hörneraufsetzen’ ) verhöhnt. Tiefe Verachtung empfindet er auch für die spanischen hidalgos. In Kapitel 63 kritisiert er, dass sie keiner geregelten Arbeit nach- 596 Vgl. hierzu auch Croce 1917, 63f. 597 Vgl. Vecce 1988, 336. 598 De Mena zeichne aus, dass er in der römischen Tradition geschrieben habe, dennoch sei er den Tre Corone unterlegen; vgl. Il Galateo 1993, 108. 209 gingen und sich stattdessen nachts die Zeit mit amourösen Abenteuern vertrieben: „Non ferrent me Hispani fidalgi si haec legerent. Nam qui insomnem in deliciis et in amoribus noctem egregit“ (vgl. Il Galateo 1993, 124). Der in De educatione dominierende Kulturpessimismus gründet mit unter auch auf De Ferrariis Angst davor, dass durch die Präsenz der Fremdherrscher in Süditalien die eigenen Traditionen, die Sprache und die Kultur verdrängt werden könnten. Seine Kritik richtet sich sowohl gegen Franzosen als auch gegen Spanier, wobei er im Zweifelsfall letzteren den Vorzug als Fremdherrscher gibt, was jedoch das Nachahmen ihrer Traditionen und kulturellen Techniken in keiner Weise legitimieren würde. In Kapitel 52 findet sich ein metasprachliches Urteil über Mehrsprachigkeit im weitesten Sinne. Il Galateo vermerkt, dass es durchaus angemessen sei, den jungen Prinzen Spanisch und Französisch lernen zu lassen, da Fremdsprachenkenntnisse zu einer guten Ausbildung gehörten. Vorrangig sei jedoch Ferrantes ‘italienische’ Erziehung, wobei sich ‘italienisch’ auf sprachliche und inhaltliche Aspekte bezieht. Colonna müsse darauf bedacht sein, dass der Prinz stets von Landsleuten umgeben sei, die seine Muttersprache sprechen, denn nur dadurch könne vermieden werden, dass sich Hispanismen und andere fremde Einflüsse in seinen Sprachgebrauch einschlichen. Außerdem müsse er Latein lernen, worüber sich die ungebildeten spanischen „galantes“ lustig machten. Diese beherrschten zwar Fremdsprachen wie das Arabische, seien aber nicht im Stande, die heilige Messe auf Lateinisch zu verfolgen 599 : (62) 52. [...] Italum accepisti, Italum redde, non Hispanum. Discat hispanice loqui, et etiam gallice, si liberuit. Pulchrum est enim multarum gentium ut et mores sic et linguas noscere, non tamen, quod ipsi etiam Hispani abominantur, algarviam aut gothicam barbariem latinitati anteponant, sed utatur semper inter suos patria lingua, ne ab italici sermonis gravitate simplicitateque transeat in peregrinos sonos et in hispanos lepores, blanditias argutulas, sommata, ledorias. Discat latine, quod Hispanorum spientissimi suadent, quamvis ii, quos galanes dicunt, derdeant. (Il Galateo 1993, 112) De Ferrariis lehnt die spanischen ‘Galanterien’ ab, die im Sprachgebrauch der italohispanischen Hofgesellschaft im Königreich Neapel verbreitet wa- 599 Vgl. Il Galateo 1993, 114: „53. Quid enim turpius quam externas linguas (pudet dicere), arabicum quoque scire, latinam, in qua evangelia, prophetiae, epiostolae sanctorum et divina praecepta novi et veteris testamenti, gentilium quoque et christianor facta legentur, christianum virum nobilem aut principem ignorare, stare in templis surdum tanquam rusticam et villicum? Et dicunt isti galanes picti et mitrati se esse christianos et catholicos; adeo nobis nihil ex christianitate relictum est nisi libelli in manibus et in collo ligneae pillulae, quibus orationes mane in templis legimus et sursurramus; ingens exemplum vanae ostentationis, et fictae ambitiosaeque sanctitatis, etsi ista non simulata sed vera esset religio, attamen, ut in proverbio est, una hora deo, tres et viginti diabolo dantur.“ 210 ren, und tritt für sprachlichen Purismus ein. Mehrsprachigkeit wird in De educatione als Notwendigkeit, aber nicht als Ideal beschrieben. Sprachkontakt und Interferenzphänomene werden tendenziell negativ bewertet. Bei der Gegenüberstellung des Spanischen und des Toskanischen bedient sich der Autor bekannter Muster zur Charakterisierung der Sprachen und koppelt das Spanische an Stereotype. So werden beispielsweise die Grausamkeiten des spanischen Militärs mit der Rohheit der Sprache der Soldaten gleichgesetzt (vgl. Zitat 55), während er zur positiven Bewertung des ‘Italienischen’, das heißt der Sprache Dantes und Petrarcas, auf die gravitas und simplicitas des Toskanischen verweist (vgl. Zitat 53 und 62). In Kapitel 53 fasst er die Vorzüge erneut zusammen: (63) Sit illi sermo patrius severus, non blandus aut fictus aut fractus, non praeceps, non tumidus aut iactabundus, sed rarus, gravis, apertus simplex, verax, neque simulare neque dissimulare unquam noverit. (Il Galateo 1993, 114) Der sermo patrius wird als unaffektierte Sprache beschrieben. Er sei ernst („severus“), gewählt („rarus“), würdevoll („gravis“), klar („apertus“), einfach („simplex“) und wahr („verax“) und in keiner Weise schmeichlerisch („blandus“), unnatürlich („fictus“), schwach („fractus“), unbesonnen („preaceps“), schwülstig („tumidus“) oder aufbrausend („iactabundus“). Zwar werden die negativen Eigenschaften nicht explizit einer bestimmten Sprache zugeordnet, aus dem Vergleich mit anderen Textstellen geht jedoch hervor, dass diese sich auf das Spanische beziehen können, dessen Hauptmerkmal die blanditas ist (vgl. Zitat 53, 62 und 63). De Ferrariis Erziehungsregelwerk ist nicht nur eine politisch motivierte Abhandlung, sondern vor allem auch eine Verteidigungsschrift, gegen die Einflüsse der spanischen Sprache und Kultur in der Italia Spagnola. Für den Puristen, der für die italienische Literatursprache nur die Autorität der Tre Corone gelten ließ, war das Spanische im Rahmen einer süditalienischen Questione della lingua keine Option. Trotz dieser ablehnenden Haltung gegenüber kulturellen und sprachlichen Adstrateinflüssen des Spanischen, dokumentierte Il Galateo ex negativo Aspekte der Mehrsprachigkeit und des spanisch-italienischen Sprachkontakts in der Italia Spagnola: Chiaro è che se egli levava la voce contro la moda, la moda esisteva, e che se a lui lo spagnolismo dispiaceva, ad altri doveva piacere. E pronta e facile accoglienza esso trovava infatti nell’alta società di Napoli […], nella società aristocratica o baronale, la quale, in generale, nella signoria dei Re Cattolici vide come la continuazione di quella dei suoi re aragonesi, e, posta a scegliere tra Francia e Spagna, si sentiva piú leale nel seguire le insegne spagnuole. (Croce 1917, 122) 211 5.1.2 Hierarchisierung und imperialer Diskurs: Der Diálogo de la lengua Seit der Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert zählt der Diálogo de la lengua (Dl), den Juan de Valdés 1535 verfasste, zu den wichtigen Zeugnissen der Geschichte des Spanischen im 16. Jahrhundert. Bis 1737 blieben die drei handschriftlichen Kopien, in denen der Text überliefert ist, unbeachtet. Diese sind die Manuskripte M = ms. 8629, das in der Biblioteca Nacional de Madrid aufbewahrt wird 600 sowie E = ms. K.III.8 in der Biblioteca de El Escorial und L = ms. Add. 9939 im British Musuem London. Cristina Barbolani, von der die kritische Edition des Diálogo stammt 601 , konnte keinen Autographen darunter ausmachen. Ihrer Meinung nach steht M einem Archetypen α am nächsten. Erstmals wurde der Text 1737 in Gregorio Mayans i Siscars zweiten Band der Orígenes de la lengua española, compuestos por varios Autores anonym als Diálogo de las lenguas gedruckt. 602 Dem Herausgeber lag aller Wahrscheinlichkeit nach das Manuskript L vor. 1860 edierte Luis de Usoz das Manuskript M und 1895 veröffentlichte Eduard Boehmer den Dl mit kritischen Anmerkungen in der Zeitschrift Romanische Studien. 603 Aber erst Rafael Lapesas Anmerkungen in der Einleitung seiner Edition des Dl (1940) gaben den Anstoß für eine systematische linguistische Auseinandersetzung mit den sprachgeschichtlich relevanten Aspekten des Dl. 604 Auf Grund der detaillierten Beschreibung phonetischer, morphosyntaktischer und lexikalischer Merkmale, aber auch wegen Valdés’ Bemerkungen zum Sprachgebrauch hebt Juan M. Lope Blanch die zentrale Bedeutung des Diálogo für die Geschichte des Spanischen im 16. Jahrhundert hervor: El Diálogo de la lengua, como documento histórico del español, es de una riqueza sorprendente. Dispersas a lo largo de la obra figuran muchas noticias de enorme interés para el conocimiento preciso de la evolución secular de la lengua castellana. Consideraremos aquí solamente algunas de ellas - tanto de carácter léxico cuanto fonético y gramátical-, las cuales bastarán 600 Das Manuskript ist auf der Homepage der Bibliothek einsehbar, vgl. <http: / / bibliotecadigitalhispanica.bne.es>, Zugriff am 07.03.2014. 601 Im Folgenden wird aus der kritischen Ausgabe zitiert; zu den Transkriptionskriterien, vgl. Barbolani 1967, XCIV-CXVIII. Im Fall von relevanten Abweichungen wird auch Manuskript M berücksichtigt. 602 Vgl. hierzu Haßler 2000, Campa Gutiérrez 2008, Martínez Alcaide 2008. 603 Vgl. Barbolani 1967, LXXIV-XCIII; siehe auch Haßler 2000. 604 Kormi Anipas Behauptung, die Forschung habe Valdés’ Status als ‘linguistic commentator’ und ‘grammarian’ vernachlässigt (vgl. Anipa 2007, 11), ist schlichter Dinge falsch. Ein Blick in die mit viereinhalb Seiten äußerst spärlich ausgestatte Bibliographie zeigt, wie Anipa zu diesem Schluss kommen konnte: Es wird überwiegend Forschungsliteratur vor 1990 zitiert, die linguistisch orientierte Valdésforschung ignoriert der Autor. Einschlägige Arbeiten wie Vian Herrero 1987, Braselmann 1988, Gauger 1996, Rivarola 1998, Mazzocco 2001, Aschenberg 2000, Haßler 2000 oder Maurer 2001 bleiben unberücksichtigt. 212 para mostrar el notable valor del Diálogo como testimonio histórico de uno de los momentos más importantes de la vida de nuestro idioma. (Lope Blanch 1969, 14) Die Tatsache, dass Juan de Valdés den Dl ‘auf neapolitanischem Boden’ 605 schrieb und dass der Sprachdialog nicht nur Anleitungen für den guten Sprachgebrauch enthält, sondern auch die Qualitäten des Kastilischen und des Toskanischen miteinander vergleicht, macht diesen Text zudem zu einem wichtigen Zeugnis des Sprachkontakts in der Italia Spagnola. Um 1530 folgte Juan de Valdés, Sohn einer kastilischen Adelsfamilie, seinem Bruder Alfonso, der sich als Sekretär des kaiserlichen Kanzlers Mercurino di Gattinara in Italien aufhielt 606 , um der Verurteilung als Häretiker in Spanien zu entgehen. Die Brüder Valdés galten als heterodox und konnten nur in begrenztem Rahmen publizieren. 607 Nachdem Juan de Valdés 1529 sein erstes und zu Lebzeiten einziges gedrucktes Werk, den Diálogo de doctrina cristiana 608 in Alacalá de Henares veröffentlicht hatte, leitete die Inquisition auf Grund der darin enthaltenen reformatorischen Ansätze zwei Prozesse gegen den Autor ein. Mit reformatorisch-humanistischem Gedankengut war Juan de Valdés erstmals am Hof von Escalona in Berührung gekommen. Der Marqués de Villena, Don Diego López Pacheco, versammelte dort Anhänger der alumbrados 609 , welche den Formalismus der katholischen Kirche kritisierten. Ziel dieser illuministischen Bewegung war die geistige Erneuerung des kirchlichen Lebens durch eine subjektive Religionserfahrung. Seine humanistische Ausbildung setzte Juan de Valdés an der Universität von Alcalá de Henares 610 mit dem Studium der artes libera- 605 Die Formulierung stammt aus Karl Maurers 2001 veröffentlichtem Beitrag: „Spanischunterricht für den cortegiano: Juan de Valdés’ Diálogo de la lengua als Zeugnis der Begegnung zweier Kulturen auf neapolitanischem Boden in der frühen Neuzeit.“ 606 Vgl. hierzu Avonto1981. Von Alfonso de Valdés stammt der Diálogo de las cosas acaecidas en Roma, in dem die Ereignisse des Sacco di Roma von 1529 beschrieben werden. 607 Vgl. Menéndez y Pelayo 1928, 121-161 und 187-256. Dieser Tatsache ist es auch geschuldet, dass die Autorschaft vieler Texte nicht eindeutig geklärt werden kann, und auf Grund der transmisión clandestina (vgl. Lapesa 1940, 11), sind die meisten Autographen nicht erhalten. Zum Leben der Brüder Valdés vgl. Stern 1869; Schlatter 1901; Ramos Ortega (Hrsg.) 1979. 608 Der Text wurde 1929 von dem französischen Hispanisten Marcel Bataillon in der Biblioteca Nacional de Lisboa entdeckt; vgl. Barbolani 1979, 153 und 154 und Lope Blanch 1969, 8. 609 Valdés traf in Escalona unter anderem auf den Laienprediger Pedro Ruiz de Alcaraz, der sich dort bis 1524 aufhielt und eine zentrale Figur der alumbrados war. Auf Grund seines Antikonformismus wurde er 1524 von der Inquisition verhaftet und als Häretiker verurteilt. Vgl. Nieto 1970, 60ff. 610 Die verschiedenen Untergruppen der alumbrados bildeten eine Strömung, die im 16. Jahrhundert in Spanien aus der cisnerianischen Reform hervorging. Vgl. Nieto 1970, 51ff.; Nieto 1997; Otto 1989, 18f. 213 les fort. Darüber hinaus zählte Erasmus von Rotterdam zu den Mentoren der Valdés-Brüder, wie ein Brief aus dem Jahr 1529 belegt: Tibi tuisque similibus omnibus ex animo gratulor, qui studia conatusque vestros omnes in hoc confertis, ut cum elegantia literarum pietatis christianae synceritatem copuletis, quod aput Italos antehac a non ita multis tentatum videmus. Quid enim est eruditio si absit pietas? (Erasmus an Juan de Valdés, Basel 1529; zit. bei Menéndez y Pelayo 1928, 191) Sein Aufenthalt in Italien ist ab dem 26. August 1531 durch Dokumente belegt. 611 Juan de Valdés bekleidete damals in Rom das Amt eines gentilhuomo di spada et capa am Hof von Papst Clemens VII. 612 1533 ging er als päpstlicher Gesandter nach Bologna und begegnete dort Karl V. Dieser ernannte Valdés zum Archivar der Stadt Neapel, wo er sich 1534 nach dem Tod von Clemens VII. niederließ. Neben seinem offiziellen Amt wirkte Valdés dort auch als Mentor eines elitären Kreises neapolitanischer Adeliger, die sich für seine Auslegungen der heiligen Schriften interessierten. 613 Zu seinen Anhängern zählten Kardinal Ercole Gonzaga, Kardinal Pietro Carnesecchi und die Gräfin von Fondi, Giulia Gonzaga, der das Alfabeto cristiano gewidmet ist. 614 Von dem Markgraf von Vico, Galeazzo Caracciolo, der ebenfalls dem Zirkel angehörte, stammt folgende Beschreibung Valdés’ 615 : En 1535 vino a Napoles un cierto Juan de Valdés, noble español cuanto pérfido hereje. Era (...) de hermoso aspecto, de dulcísimos modales y de hablar suave y atractivo; hacía profesión de lenguas y sagrada escritura (...) leía y explicaba en su casa a sus discipulos y afiliados las epistolas de San Pablo. (Galeazzo Caracciolo; zit. bei Menénedez y Pelayo 1928, 217) Caracciolos Aussage bezeugt, dass Valdés in Neapel sowohl als Verfasser religiöser Schriften als auch als Spezialist für sprachtheoretische Fragen bekannt war. Im Dl inszeniert sich Valdés, den Barbolani (1998, 36) als „hombre de extraordinaria cultura“ bezeichnet, als Experte für sprachrelevante Fragen. Zu Beginn des Dialogs, an dem insgesamt vier Gesprächspartner 611 Vgl. Nieto 1970, 142. 612 Vgl. Lope Blanch 1969, 8 und Nieto 1970, 143. 613 Vgl. Barbolani 1998, 29f. und Lopez 1976. 614 Vgl. Barbolani 1979, 148: „[...] la real conversación con Gulia Gonzaga que motiva la obra tuvo lugar en la Cuaresma de 1536“. Das Alfabeto cristiano ist in einer toskanischen Übersetzung überliefert, die 1545 in Wien veröffentlicht wurde; vgl. Barbolani 1998, 32. Weitere Werke von Valdés sind Le Cento e dieci divine considerazioni (sie entstanden ebenfalls in Neapel), ein Comentario a los Salmos; die Trattatelli. Sul principio della dottrina cristiana; ein Comentario a los Romanos. Comentario o declaración breve y compendiosa sobre la epístola de San Paulo Apóstolo a los Romanos; ein Comentario a los Corintios. Comentario o declaración familiar y compendiosa sobre la primera epístola de San Paulo Apóstolo a los Corinthios, muy útil para todos los amadores de la piedad Christiana und El Evangelio según San Mateo und Lacte Spirituale; vgl. Barbolani 1998, 104-106. 615 Vgl. hierzu Croce 1933. 214 beteiligt sind, nämlich die Spanier Valdés (V) und Torres (T) 616 sowie die Neapolitaner Marcio (M) und Coriolano (C) 617 , bittet Marcio 618 im Namen der anderen Anwesenden Valdés, er möge ihnen den guten Sprachgebrauch des Kastilischen erläutern, da sie in seinen Briefen, die er während seiner Abwesenheit nach Neapel geschickt habe, sprachliche Besonderheiten entdeckt hätten. (64) M.: [...] y, notando con atención los primores y delicadezas que guardávades y usávades en vuestro escrivir castellano, teníamos sobre qué hablar y contender, porque el señor Torres, como hombre nacido y criado en España presumiendo saber la lengua tan bien como otro, y yo, como curioso della desseando saberla assí bien escrivir como la sé hablar, y el señor Coriolano como buen cortesano quiriendo del todo entenderla (porque, como veis, ya en Italia assí entre damas como entre cavalleros se tiene por gentileza y galanía saber hablar castellano), siempre hallávamos algo que notar en vuestras Cartas, assí en lo que pertencía a la ortografía, como a los vocablos, como al estilo / ; y acontecía que, como llegávamos a topar algunas cosas que no avíamos visto usar a otros, a los quales teníamos por tan bien hablados y bien entendidos en la lengua castellana quanto a vos, muchas veces veníamos a contender reziamente quando sobre unas cosas y quando sobre otras, porque cada uno de nosotros o quería ser maestro o no quería ser discípulo. Agora que os tenemos aquí, donde nos podéis dar razón de lo que assí avemos notado en vuestra manera de scrivir, os pedimos por merced nos satisfagáis buenamente a lo que os demandaremos: el señor Torres, como natural de la lengua, y el señor Coriolano, como novicio en ella, y yo, como curioso della. (Valdés 1967, 4f.) 619 In Marcios Bitte wird die Konzeption des Dialogs vorgestellt: Im Dl werden ‘Regeln’ und ‘Empfehlungen’ für den guten Sprachgebrauch zusammengestellt, die in acht thematische Komplexe aufgeteilt sind. Im ersten Abschnitt wird der Ursprung und die Geschichte des Kastilischen und der anderen Sprachen Spaniens behandelt (1), darauf folgen die Grammatik (2) und Orthographie (3), im vierten werden morphologische Fragestellungen bespro- 616 Bei Lope Blanch 1976 liest man Torres anstelle von Pacheco, Barbolani hingegen entschied sich für Torres. In Manuskript M, das insgesamt von drei Schreibern verfasst und mit Korrekturen verschiedener Hände versehen wurde, werden auf Folio 1r die vier Gesprächsteilnehmer aufgelistet. Der Name Pacheco wurde durchgestrichen und durch Torres ersetzt und im Text wurden die Initialen P durch T erstetzt. Laut Barbolani (1998, 99) zählen diese zu den „‘buenas’ correcciones“. 617 M notiert Martio, vgl. Folio 1r. 618 In der Regel übernimmt Marcio die Rolle des ‘domandatore’. Zur Verteilung der Rollen im renaissancehumanistischen Dialog vgl. Iglesias Recuero 1998, 388f. und 406ff. 619 Vgl. auch M Folio 2v-3v; Barbolanis Transkription weicht vor allem in der Groß- und Kleinschreibung der Länder- und Sprachnamen ab, die sie einheitlich an die moderne Orthographie anpasste hat. 215 chen (4), im fünften semantisch-lexikalische (5), im sechsten stilistische (6), im siebten Fragen, die die Literatur betreffen (7), und im achten Abschnitt wird diskutiert, ob das Spanische oder das Toskanische dem Lateinischen ähnlicher sei (8). 620 Der Dl war sowohl als Regelwerk für das Fremdsprachenstudium als auch als Anleitung zur stilistischen Perfektion konzipiert. Dies ergibt sich aus der Konstellation der Gesprächspartner: der Spanier Torres, der einen militärischen Beruf ausübt und kein Experte in Sprachenfragen ist, seine Muttersprache aber stilistisch perfektionieren will 621 , der Neapolitaner Marcio, der bereits Kastilische gelernt hat und philologische Vorkenntnisse besitzt aber sprachliche Unsicherheiten ausräumen will, sowie dessen Landsmann Coriolano, der die Fremdsprache von Grund auf lernen möchte. Die Figur Valdés wird als „hombre criado en el reino de Toledo y en la corte de España“ (Valdés 1967, 21) eingeführt. Dieser Valdés des Diálogo gibt an, seine Kompetenz im Kastilischen sei nicht mit der im Lateinischen vergleichbar, da er die gelehrte Sprache mit Hilfe einer arte, die Muttersprache hingegen allein durch den uso gelernt habe. 622 Aus diesem Grund stützt er seine Begründungen für den guten Sprachgebrauch auch nicht auf Grammatiken oder Wörterbücher - Antonio de Nebrijas Werk lehnt er strikt ab 623 -, sondern verlässt sich auf seinen persönlichen Geschmack (buen gusto natural und buen juicio y criterio). 624 Als normative Instanz lässt er lediglich den toledanischen uso cortesano 625 gelten. An diesem müsse man sich orientieren, wenn man gut schreiben und sprechen wolle. Das maßgebliche Kriterium ist stets die ‘Natürlichkeit’: 626 (65) V.: [...] porque el estilo que tengo me es natural, y sin afetación ninguna escrivo como hablo; solamente tengo cuidado de usar de vocablos que signifiquen bien lo que quiero dezir, y dígolo quanto más llanamente me sta possible, porque a mi parecer en ninguna lengua está bien el afetación [...] (Valdés 1967, 85) 620 Vgl. Valdés 1967, 11. 621 Vgl. Valdés 1967, 10: „T.: Yo os prometo, si no fuesse cosa contraria a mi professión, que me avría algunos días ha determinadamente puesto en hazer un libro en la lengua castellana como uno que diz que Erasmo ha hecho en la latina [...] V.: También / era Julio César de vuestra profesión, pero no tuvo por cosa contraria a ella con la pluma en la manoescrivir de noche lo que con la lança hazía de día, de manera que la professión no os escusa. “ 622 Vgl. Valdés 1967, 6: „V.: Porque he aprendido la lengua latina por arte y libros, y la castellana por uso [...].“ 623 Vgl. Vgl. hierzu Valdés 1967, 8, 29f. und 33. Siehe auch Lledó-Guillem 2005 und Satorre Grau 2008. 624 Vgl. Barbolani 1998, 82f. 625 Vgl. Valdés 1967, 44: „V.: Yo por muy mejor tengo la s, y creo que la g no la avéis oído usar a muchas personas discretas nacidas y criadas en el reino de Toledo o en la corte, si ya no fuesse por descuido.“ 626 Zum Sprechen und Schreiben im stilus planus vgl. Gauger 1996 und Stempel 2005. Siehe auch Oesterreicher 1996, 328f. und Iglesias Recuero 1998, 386. 216 Valdés Postulat der Natürlichkeit („lo natural“) und der Unaffektiertheit („sin afetación ninguna“) ist auch eines der Hauptkriterien für das angemessenes Verhalten am Hof im Libro del Cortegiano. Auch wenn Valdés Castiglione nicht explizit als Referenz nennt, sind seine Regeln für den guten Sprachgebrauch denen im Libro del Cortegiano in mancher Hinsicht ähnlich. So betont auch Castigliano mit Blick auf einen guten Sprachstil, dass man Affektiertheit in jedem Fall vermeiden müsse: (66) Spesso ancor nella pittura una linea sola non stentata, un sol colpo di penello tirato facilmente, di modo che paia che la mano, senza esser guidata da studio o arte alcuna, vada per se stessa al suo termine secondo la intenzione del pittore, scopre chiaramente la eccellenzia dell’artifice, circa la opinion della quale ognuno poi si estende secondo il suo giudicio; e ’l medesimo interviene quasi d’ogni altra cosa. Sarà adunque il nostro cortegiano stimato eccellente ed in ogni cosa averà grazia, massimamente nel parlare, se fuggirà l’affettazione. (Castiglione 1987, 64; Kursivierungen T.G.) Diese Übereinstimmungen führen Karl Maurer dazu, den Diálogo de la lengua als Replik auf den Cortegiano zu interpretieren. 627 Valdés habe lediglich ein Stiltraktat für Hofleute vorgelegt, die ihre Spanischkenntnisse ‘polieren’ wollten. Entsprechend begrenzt ist auch sein Vorhaben: Er will nur Unsicherheiten im Gebrauch des Kastilischen ausräumen, die Seinesgleichen, als nicht genügend in dem fremden Idiom bewandert oder bislang nur in den Waffen geübt, daran hindern können, sich des Kastilischen im geselligen Kontext in Wort und Schrift zu bedienen. (Maurer 2001, 59f.) Es ist jedoch fraglich, ob Valdés’ Vorhaben tatsächlich so begrenzt war. Immerhin war der Humanist, dessen intellektuelle Tätigkeit sich auf theologisch-philosophische Fragestellungen konzentrierte, auf Grund seiner Kenntnisse in den klassischen und den modernen Sprachen ein Experte für sprachtheoretische Fragen. Während seines Aufenthaltes in der Italia Spagnola hatte er nicht nur Toskanische gelernt 628 , sondern sich auch in die italienische Diskussion um die Literatursprache vertieft. Dies geht unter anderem aus einem Kommentar über Pietro Bembos Prose della volgar lingua (1525) 629 hervor: (67) M.: Pésame oíros dezir esso. ¿Cómo? ¿y paréceos a vos que el Bembo perdió su tiempo en el libro que hizo sobre la lengua toscana? 627 Vgl. Maurer 2001, 75. 628 Der Gesprächsteilnehmer Valdés des Dl bestätigt: „[...] porque, como entiendo latín y el italiano [...]“ (Valdés 1967, 93). 629 Vgl. hierzu die Ausgabe von Claudio Vela 2001. 217 V.: No soy tan diestro en la lengua toscana que pueda juzgar si lo perdió o lo ganó; séos dezir que a muchos he oído dezir que fue cosa inútil aquel su trabajo. (Valdés 1967, 6) Einerseits distanziert sich Valdés von Bembo und lehnt die systematische Beschreibung einer Volkssprache 630 prinzipiell ab. Indem er betont, dass er im Dl keine Regeln aufstellen, sondern vielmehr Anleitungen zum guten Sprachgebrauch geben wolle, übt er indirekt Kritik an dem dritten Buch der Prose, das die Beschreibung der Grammatik des Toskanischen enthält. (68) V.: [...] porque me parece cosa fuera de propósito que queráis vosotros agora que perdamos nuestro tiempo hablando en una cosa tan baxa y plebeya como es punticos y primorcicos de lengua vulgar [...] V.: Sì que lo [el libro de Bembo] he leído, pero no me parece todo uno. (Valdés 1967, 6; Ergänzung T.G.) Der anschließende Vergleich des Kastilischen mit dem Toskanischen, das auf Grund der Autorität Petrarcas und Boccaccios als Literatursprache überlegen sei, deutet auf eine Auseinandersetzung mit Bembo und der italienischen Diskussionen um die Literatursprache hin. 631 (69) M: ¿Cómo no? ¿No tenéis por tan elegante y gentil la lengua castellana como la toscana? V: Sí que la tengo, pero también la tengo por más vulgar, porque veo que la toscana sta ilustrada y enriquecida por un Bocacio y un Petrarca, los quales, siendo buenos letrados, no solamente se preciaron de scrivir buenas cosas, pero procuraron escrivirlas con estilo muy proprio y muy elegante; y, como sabéis, la lengua castellana nunca ha tenido quien escriva en ella con tanto cuidado y miramiento quanto sería menester para que hombre, quiriendo o dar cuenta de lo que scrive diferente de los otros, o reformar de los abusos que ay oy en ella, se pudiesse aprovechar de su autoridad. (Valdés 1967, 6f.) Juan de Valdés, der seine Anleitungen zum guten Sprachgebrauch nicht durch literarische Autoritäten legitimieren kann, beruft sich auf Sprichwörter und Redewendungen, wobei er dabei die im 16. Jahrhundert florierende Tradition der Produktion und Rezeption von refraneros aufgreift. 632 In den refranes zeige sich die Ursprünglichkeit und die Reinheit des Kastilischen in besonderem Maße. Ein weiterer Vorteil sei es, dass die kastilischen Sprich- 630 Auch Valdés verwendet die Metapher der Sprache „que mamamos en las tetas de nuestras madres“ (Valdés 1967, 6); siehe auch Kapitel 5. 631 Vgl. hierzu Angelo Mazzocco 2001, 84-88. Siehe auch Lapesa 1940, 14; Terracini 1996, 237; Barbolani 1998, 53-92 und Maurer 2001, 57-63. 632 In diesem Zusammenhang sind Erasmus‘Adagia und Apophthégmata zu nennen, die Sammlung des Marqués de Santillana, die Sammlungen von Francisco de Espinosa (ca. 1540) und Correas (ca. 1608) sowie die von Vallés (1549), Núñez (1555) und Mal Lara (1568); vgl. hierzu Morreale 1957. 218 wörter unmittelbar aus dem Volk stammen. Mit dieser Aussage bricht Valdés erneut eine Lanze für einen ungekünstelten und natürlichen Sprachstil: (70) T.: Muy bien avéis dicho, porque en aquellos refranes se vee muy bien la puridad de la lengua castellana. C.: Antes que passéis adelante, es menester que sepa yo qué cosa son los refranes. V.: Son proverbios o adagios. C.: ¿Y tenéis libro impresso dellos? V.: No de todos, pero siendo muchacho me acuerdo aver visto uno de algunos mal glosados. C.: ¿Son como los latinos y griegos? V.: No tienen mucha conformidad con ellos, porque los castellanos son tomados de dichos vulgares, los más dellos nacidos y criados entre viejas, tras del fuego hilando sus ruecas, y los griegos y latinos, como sabéis, son nacidos entre personas dotas y están celebrados en libros de mucha dotrina. Pero, para considerar la propiedad de la lengua castellana, lo mejor que tienen los refranes es ser nacido en el vulgo. (Valdés 1967, 9) Valdés setzt die refranes und proverbios, deren Qualität in ihrer Nähe zur Alltagssprache liege, gezielt als Anschauungsmaterial ein. Er erläutert, dass er damit didaktische Zwecke verfolge, denn seine Zuhörer könnten sich diese Elemente des typisch kastilischen Sprachgebrauchs leicht einprägen. Außerdem seien die refranes auf Grund ihrer Echtheit besser zu Illustrationszwecken geeignet als jedes erfundene Beispiel. 633 Im letzten Themenkomplex des Dl greift Valdés den Vergleich zwischen dem Kastilischen und dem Toskanischen auf. Um zu beweisen, dass seine Muttersprache der Literatursprache Italiens durchaus gewachsen, in mancher Hinsicht sogar überlegen sei, benützt Valdés das Lateinische als tertium comparationis. Er räumt zwar ein, dass der Wortschatz des Toskanischen einen größeren Anteil an lateinischen Wörter unverändert konserviert habe, diesen Vorteil hält er jedoch für unbedeutend, da auch die meisten kastilischen Wörter (vocablos corrompidos) lateinischen Ursprungs sind. 634 633 Vgl. Valdés 1967, 26: „V.: Aprovéchome dellos tanto como dezís, porque, aviendôs de mostrar por un otro exemplo / lo que quiero dezir, me parece sea más provechoso amostrároslo por estos refranes, porque oyéndolos los aprendáis, y porque más autoridad tiene un exemplo destos antiguos que un otro que yo podría componer.“ 634 Valdés 1967, 103: „V: [...] hallo que la lengua toscana tiene muchos más vocablos enteros latinos que la castellana, y que la castellana tiene muchos más vocablos corrompidos del latín que la toscana. La primera parte de los vocablos enteros bien sé que, siendo en favor de vuestra lengua, me la concederéis. [...] V: Sea como mandáredes. Para confirmación de la segunda, que sé no me la querréis conceder si no la pruevo, digo esto; que si me poneis en las manos un libro castellano, os mostraré cómo los más de los vocablos o son del todo latinos, o son corrompidos, o se pueden poner latinos adonde avrá algunos que no lo sean [...].“ 219 Er zitiert einige refranes, die das Kastilische aus dem Lateinischen fortgesetzt hat, und erläutert die etymologische Entwicklung kastilischer Lexeme, wie zum Beispiel sp. agora < lat. HAC HORA (vgl. Valdés 1967, 104), um die Kontinuität zwischen dem Lateinischen und dem Kastilischen zu beweisen. 635 Die Abweichungen des kastilischen Wortschatzes vom Lateinischen werden insofern geadelt, als dass sie Valdés auf den Einfluss des Griechischen zurückführt, da man vor der Romanisierung auf der Iberischen Halbinsel Griechisch gesprochen habe: (71) V.: [...] que la lengua que en España se hablava antiguamente era assí griega como la que agora se habla es latina [...] de los vocablos castellanos, porque quando me pongo a pensar en ellos, hallo que muchos de los que no son latinos o arávigos son griegos [...] (Valdés 1967, 13) An anderer Stelle hebt Valdés die Flexibilität des Kastilischen als Qualität hervor. Es sei möglich, sich durch minimale orthographische oder lautliche Akkommodationen Nicht-Muttersprachlern verständlich zu machen. 636 (72) V: [...] que el natural de mi lengua no me entendiesse; pero, si me entiende tanto escriviendo megior como mejor, no me parece que es sacar de quicios mi lengua, antes adornarla con el agena, mostrando que es tan general que, no solamente es entendida de los naturales, pero aun de los estraños. (Valdés 1967, 35) Valdés, der angibt, er selbst mache sich diese Akkommodationstechnik zunutze, zielt mit dieser These explizit auf den Sprachkontakt in der Italia Spagnola und die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit ab: (73) V: Que voy siempre acomodando las palabras castellanas con las italianas, y las maneras de dezir de la una lengua con las de la otra, de manera que, sin apartarme del castellano, sea mejor entendido del italiano. (Valdés 1967, 81) Durch die Profilierung sprachinterner und -externer Charakteristika als stilistische Qualitäten des Kastilischen schafft Valdés in der historischen Perspektivierung eine Plattform, auf der er seine Muttersprache dem an kulturellem Erbe und Ansehen reicheren Toskanischen als ernst zunehmenden Konkurrenten gegenüberstellen kann. In diesem Wettstreit wird die Überlegenheit des Toskanischen zwar nicht in Frage gestellt (vgl. Zitat 69), als Sprache bei Hof sei das Kastilische aber bereits im Begriff, der Sprache Petrarcas und Boccaccios den Rang abzulaufen. Diese Behauptung verbirgt sich hinter der auffällig beiläufigen und in Klammern gesetzten Bemerkung Marcios zu Beginn des Dl: „porque, como veis, ya en Italia assí entre 635 Diese Argumentation findet sich auch bei anderen Autoren, die die eigene Volkssprache gegenüber dem Toskanischen aufwerten wollten; vgl. Mazzocco 2001, 84. 636 Vgl. hierzu Maurer 2001, 68ff. 220 damas como entre cavalleros se tiene por gentileza y galanía saber hablar castellano“ (vgl. Zitat 64). Somit bestätigt Valdés das, was Il Galateo dreißig Jahre zuvor in De educatione kritisiert hatte: Das Spanische stellte in der Italia Spagnola in bestimmten Kommunikationsbereichen eine Alternative zum Toskanischen dar, auch wenn Valdés die Position des Toskanischen zumindest in der Domäne der Literatur nicht gefährdet sieht. Er betrachtet die spanischen Autoren nicht nur als unterlegen, sondern bestreitet sogar, dass kastilische Übersetzungen von toskanischer Literatur lesenswert sein könnten. 637 Der Dl ist zudem ein Beleg dafür, dass Reflexionen über die Grammatik, den Gebrauch und den Stil des Kastilischen in aristokratischen Kreisen im Königreich Neapel als intellektuelle Tätigkeit verbreitet waren. Des Weiteren ist es fraglich, ob Valdés den Dl tatsächlich nur als erbauliches Lehrbüchlein für Höflinge im Sinne eines aimable ébauche d’un traité de philologie espagnole 638 konzipiert hatte, oder ob der Dl nicht vielmehr auch eine sprachpolitische Stellungnahme enthält. Immerhin bekleidete der Humanist Valdés wichtige offizielle Ämter und stand neben anderen einflussreichen Personen, die das politische Geschehen Spaniens in Italien lenkten, auch mit Karl V. in Kontakt, mit dessen sprachpolitischen Ideen im Rahmen der imperialen Expansion Spaniens er vertraut war. 639 Indem Valdés das Kastilische und das Toskanische in eine Konkurrenzbeziehung stellte, diskutierte er für die Italia Spagnola eine spanisch-toskanische ‘Questión de la lengua’, in der er die Funktionen und Aufgaben seiner Muttersprache definiert sieht: Im Königreich Neapel ist das Kastilische die Sprache der Vizekönige und des spanisch-süditalienischen Adels, das heißt eine Prestigesprache der Machthaber, die in offiziellen Kontexten und bei Hof gesprochen wird. Darüber hinaus könne es auf Grund von Spaniens Vormachtstellung in Europa und Amerika in Italien auch über die Grenzen des Vizekönigreichs hinaus als offizielle Sprache dienen und von den aristokratischen Eliten als Sprache der Diplomatie verwendet werden. 637 Vgl. Valdés 1967, 93 und 95. 638 Vgl. Bataillon 1937. 639 Vgl. Oesterreicher 2004a, 229f.: „Está comprobado que Valdés habló en 1534, con el Emperador acerca de sus ideas sobre la lengua. No olvidemos que en esa época se hallaba la idea del Imperio en el centro del pensamiento y la acción de Carlos V., y que él en su conocida alocución en la mañana de Pascuas de 1536 defiende enfáticamente el valor del castellano, lengua que había llegado a identificarse, como instrumento de entendimiento supranacional,“ Siehe auch Buceta 1937 und Lapesa 1981, 296f. Vgl. auch Kapitel 2.3 und 5.2. 221 varietà bassa varietà alta (Radtke 2001 254) 5.1.3 Instrumentalisierung: Das Spanische als Argument in der süditalienischen Sprachendiskussion Edgar Radtke, der in dem Beitrag „La questione della lingua e la letteratura dialettale a Napoli nel Seicento“ (2001) die Textproduktion in Neapel betrachtet, sieht einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg literarischer Texte auf Neapolitanisch im 17. Jahrhundert 640 und der spanisch-italienischen Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel. Das Toskanische hatte sich zwar im Verlauf des 16. Jahrhunderts als Distanz- und vor allem als Literatursprache durchgesetzt und war somit im Vergleich zu anderen italienischen Idiomen im 17. Jahrhundert bereits relativ weit ausgebaut. In den übrigen Bereichen der kommunikativen Distanz und im Nähebereich waren hingegen auch andere Sprachen vertreten und die Konstellationen variierten von Region zu Region. In den spanischen Besitzungen übernahm das Spanische im Distanzbereich teilweise Funktionen, die anderenorts das Toskanische als Prestigesprache übernommen hatte. Daraus ergaben sich Konsequenzen für die Kodifizierung und Normierung im Distanz- und im Nähebereich. In Neapel des 17. Jahrhunderts geht Radtke für die gesprochene Sprache in Neapel von folgendem Panorama aus: Figur 1: Varietà del parlato a Napoli dialetto napoletano italiano regionale spagnolo catalano Mit varietà del parlato bezieht sich Radtke auf den Sprachgebrauch bei Hof, an dem das Neapolitanische die „varietà bassa“ war. Es gilt kritisch anzumerken, dass von einer low variety im Fergusonschen Sinne nur bedingt die Rede sein kann, da das Neapolitanische für die literarische und die administrative Textproduktion durchaus in Frage kam. In der gesamtitalienischen Sprachendiskussion hingegen spielte das Neapolitanische eine marginale Rolle, da es über die Grenzen Neapels hinaus weder als Literatursprache noch für die höfische „conversazione colta“ (vgl. Radtke 2001, 253) in Erwägung gezogen wurde. Die Rolle als high variety, die Radtke dem Katalanischen zuweist, ist ebenso fraglich, schließlich wurde es zu Beginn des 640 Genannt werden Autoren wie Giambattista Basile, Giulio Cesare Cortese und Pompeo Sarnelli; vgl. Radtke 2001, 259. 222 16. Jahrhunderts vom Kastilischen verdrängt (vgl. Kapitel 2.2). 641 Als Sprache der Machthaber war das Kastilische im 17. Jahrhundert als varietà alta in mündlichen und schriftlichen Kommunikationsbereichen fest verankert. In der Schriftlichkeit war es vor allem in der Verwaltung und der Administration präsent 642 , außerdem dominierte es als Prestigesprache an den Höfen in der Mündlichkeit, bisweilen sogar auch als Schriftsprache in der literarisch-intellektuellen Textproduktion. 643 In Zusammenhang mit Radtkes Annahme, dass sich die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel unter Umständen begünstigend auf die Produktion von literarischen Texten auf Neapolitanisch auswirkte, kann immerhin festgestellt werden, dass in der neapolitanischen Sprachkritik das Spanische bisweilen als Bezugsgröße funktionalisiert wurde, mit der man die Position des Neapolitanischen gegenüber dem Toskanischen zu stärken versuchte. Dies wird auch in Partenio Toscos Streitschrift L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana deutlich. 644 Der satirische Unterton des Buches, das 1662 bei Novello de Bonis in Neapel veröffentlicht wurde, klingt bereits in dem Pseudonym an, unter dem das Buch veröffentlicht wurde. Der Autor gibt sich nicht nur als ‘ungehobelter Neapolitaner’ („Partenio Tosco“) aus, sondern versetzt mit dem Beinamen „Academico lvnatico“ (‘launenhafter Akademiker’) auch Institutionen wie der Accademia della Crusca in Florenz, der Accademia degli Umoristi di Roma oder auch der neapolitanischen Accademia degli Oziosi einen Seitenhieb 645 : (74) So’ ben’io, che la prima oppositione, che farà il lettore di questi fogli, sarà nel sopranome di Lunatico: e forse sene seruirà per oppugnare al problema, auualendosi del nome di Lunatico con affermare, che quanto ci è di buono nella propositione Problematica è il sopranome di Lunatico; Perche, se la Luna è simbolo della pazzia, conforme insegna il Sauio: Stultus, ut Luna mutatur, qual maggior pazzia, che voler sostenere, che la lingua Napoletana sia più degna della Toscana, contro l’opinione di tutti Sauij prattichi nelle lingue: mà non penetrano forse il senso del Lunatico, che pare à primo incontro nel nome vitioso, essendo poi nel senso virtuoso, e compendioso; che però tutti i sopranomi dell’Academie paiono defettosi, come degli Humoristi 641 Vgl. u.a. Coluccia 1989. In Sardinien hingegen war das Katalanische als Verwaltungssprache immerhin noch bis ins 17. Jahrhundert präsent. 642 Vgl. Schwägerl-Melchior 2014. 643 Radtke 2001, 254: „Il problema di fissare una varietà codificata per la comunicazione orale (e anche scritta) è meno rilevante rispetto a quanto lo sia a Roma o nel Settentrione, poiché lo spagnolo riveste ancora una funzione egemone a corte.“ 644 Außer in der Faksimileausgabe von Renato del Falco (1984) und in Radtke 2001 fand L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana bisher keinerlei Beachtung in der Forschung. 645 Gegen Ende des Buches übt er erneut Kritik an der Accademia dell Crusca, vgl. Tosco 1662, 185: „E pur non tanto limpio, che non habbia hauuto bisogno della Crusca.“ 223 di Roma, della Crusca in Firenze, degli Otiosi in Napoli d’altri simili per tutta l’Italia, e fuor d’Italia. (Tosco 1662, 1ff.) Auf den ersten Blick müsse dem Leser sein Beiname, der auf die Launenhaftigkeit und Verrücktheit des Mondes anspielt, ähnlich absurd erscheinen wie das Anliegen des Buches. Schließlich widerspreche er der Meinung gelehrter Männer, indem die Überlegenheit des Neapolitanischen gegenüber dem Toskanischen beweisen wolle. Bereits in der Überschrift des ersten Buches postuliert er: „Quale delle due fauelle sia più degna: se la Toscana, o la Napoletana. Si proua, che sia la Napoletana.“(vgl. Tosco 1662, 1). Der von ihm gewählte Beiname zeige, dass alle Einwände hinfällig sind. Hinter lunatico liege ein tugendhafter („virtuoso“) und tiefer („compendioso“) Sinn verborgen. Den verborgenen Sinn des Wortes lunatico erläutert er anhand einer Metapher: Der Mond leuchte umso heller, je mehr Sonnenlicht er speichere. Dieses Streben nach Licht entspreche seinem Streben nach Wahrheit: „che non aspira ad altro, che impadronirsi della luce del vero“ (Tosco 1662, 4). Mit diesem Vergleich stützt er die These, die weniger abwegig sei, als man zunächst vermute: „Il punto stà à rassodare la propositione à prima fronte strana, che la lingua Napoletana sia più degna della Toscana“ (vgl. Tosco 1662, 4). Die Überlegenheit des Neapolitanischen beweist er anhand von fünf Kriterien: Diese sind la dolcezza (‘Sanftheit’), la proprietà (‘Beschaffenheit’), la varietà (‘Variation und Vielfältigkeit’), la amoreuolezza (‘Lieblichkeit’) und la soccintezza (‘Prägnanz’). 646 Den Eigenschaften widmet sich Tosco in je einem Kapitel, wobei er vorwiegend mit Stereotypen und Gemeinplätzen argumentiert. So begründet er zum Beispiel die dolcezza auf lautlicher Ebene mit dem Vokalreichtum des Neapolitanischen, die er auf das liebliche Klima in Neapel zurückführt: (75) E che ciò della dolcezza proceda, credo non ingannarmi, se io dicessi, che trahe l’origine dalla dolcezza del Clima: Quindi è, che da Napoli, per Roma, Firenze, Bologna, Lombardia, terra Tedesca, Germania, & in tutti gli altri luoghi Oltramontani, quanto più mancano le vocali, e crescono le consonanti, conforme l’asprezza de’luoghi allontanandosi dalla benignità del nostro Clima, & approssimandosi all’Asprezza dell’Aquilone: e che Napoli sia situato sotto il più benigno Clima de’sopradetti Peasi non e da difficoltarlo: però fugge l’asprezza delle consonanti e abbraccia la dolcezza delle vocali: [...] (Tosco 1662, 15f.) Die Klimatheorie, der zufolge Witterung und Geographie für die lautliche Gestalt einer Sprache verantwortlich sind, war in der frühneuzeitlichen Sprachbetrachtung ein ernstzunehmendes Argument. Sie knüpft an das im 16. und 17. Jahrhundert verbreitete Natursprachenkonzept an. Dieses basiert auf der Annahme, dass die menschliche Sprache nicht ein auf Konven- 646 Vgl. Tosco 1662, 6. 224 tionen beruhendes Kommunikatonssystem, sondern als von Gott gegeben und daher präexistent sei. 647 Die Idee, dass ein raues und nordisches Klima eine raue und schroffe Lautgestalt hervorbringe, was sich in einer hohen Konsonantendichte äußere, während ein mildes und südliches Klima die „dolcezza delle vocali“ positiv beeinflusse, findet sich auch bei Ferdinando Galiani. Dieser argumentierte 1779 in Del dialetto napoletano: Riflessioni sull’Indole, e sulle Caratteristiche del Dialetto Napoletano, e Sulla Grammatica di esso. Non è sembrata a molti strana opinione il credere, che siavi nella diversa organizzazione de’corpi delle razze umane (che certamente dipende assai dal suolo, e dal clima, ove abitano) qualche intrinseca, e natural conessione col linguaggio che parlano. Quindi hanno immaginato, che i nervi, e i muscoli delle nazioni abitanti i climi rigidi, trovandosi più teve, e intirizziti dal freddo, producessero suoni aspri, e disarmonici, e sibili quasi non diversi da quelli, che ciascuno fa, allorchè trema per soverchio freddo. (Galiani 1828, 1) Auch in der Beweisführung für die proprietà, mit der Tosco auf die semantisch-morphologische Motiviertheit von Lexemen abzielt, greift er auf bekannte Muster zurück. So erstellte er eine vierundzwanzig Seiten 648 lange Liste mit Speise- und Nahrungsmittelnamen des Neapolitanischen, die er im Verhältnis zum bezeichneten Gegenstand für eigentümlicher hält als die toskanischen Entsprechungen. Er belegt dies mit Hilfe teilweise abenteuerlich anmutender Etymologien. Radtke bezeichnet daher das Buch als eine ‘Einführung in die Spracheigentümlichkeiten des Neapolitanischen’, in dem die wesentlichen Aspekte der Questione della lingua nicht erörtert werden und stellt die „serietà filologica“des Textes in Frage. 649 Der folgende Textauszug, in dem Tosco die toskanische und die neapolitanische Bezeichnungen für Taube miteinander vergleicht, ist exemplarisch für seine eklektische Argumentationsweise. Das toskanische Wort pipione wird als onomatopoetische Form belächelt, während das neapolitanische piccione treffender sei, da das Element ‘ccione’ semantisch motiviert sei: (76) Lo Piccione, / / Dicono, / / Pipione; / / E credo dalla voce inarticolata che fa del Pi, Pi, come si dice, degli vrli de’Lupi, de ruggiti de’Leoni, de muggiti de Buoi, e d’altri simili. mà è più proprio dire lo Piccione; perche oltre il Pi, Pi, vi è di più quello, Ccione, donde vien detto Piccioso, chi si lamenta, & è querolo, come par, che faccia quest’Vcello, e non si dice, come è Pigioso. (Tosco 1662, 55) Ebenso beruhen viele Bewertungen sprachinterner Aspekte des Toskanischen und des Spanischen auf Toscos persönlicher Meinung und seinem ästhetischen Empfinden, das er als oberste Instanz gelten lässt. Es mag wi- 647 Zur Natursprachentheorie vgl. Nate 1999. 648 Vgl. Tosco 1662, 51-74. 649 Vgl. Radtke 2001, 259. 225 dersprüchlich erscheinen, dass die Kriterien, die für die Überlegenheit des Neapolitanischen sprechen, auf Toskanisch und nicht auf Neapolitanisch dargelegt werden. Im sechsten und letzten Abschnitt des Buches erläutert der Autor jedoch, weshalb er als Metasprache von L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana das Toskanische gewählt habe: Sein Ziel sei es gewesen, die Verfechter des Toskanischen zu überzeugen und deshalb richte er sich konsequenterweise in ihrer Sprache an sie: (77) Perche se vn maestro vuol dichiarare allo scolare i Poemi di Virgilio, ò di Omero, nõ li dichiararà in lingua latina, ò greca, che non intende, mà in lingua volgare che già possiede: E mentre s’hà da palesare particolarmente a’Toscani L’ECCELLENZA DELLA LINGVA NA- POLETANA, & che la lingua Napoletana sia più eminente, e perfetta della loro, si hà da insegnare questa verità con la lor lingua: accioche più facilmente si capisca, per non far nuoua dichiaratione del linguaggio per palesare. (Tosco 1662, 177f.) Sprachenvielfalt und Variation bewertet Tosco prinzipiell positiv, wobei er die Mehrsprachigkeit in Neapel auf die Präsenz der Spanier zurückführt. 650 Der Vergleich mit der externen Geschichte des Kastilischen ist dabei eine Strategie, mittels derer er die Konfrontation mit den literarischen Autoritäten des Toskanischen vermeiden und somit die Überlegenheit an Eleganz und Lieblichkeit für das Neapolitanische beanspruchen kann. Zunächst verweist er auf die unterschiedlichen soziokulturellen Konstellationen in Rom und Neapel, aus denen sich unterschiedliche sprachliche Notwendigkeiten ergeben hätten: An der Kurie, auf die sich die ausländische Präsenz in Rom konzentrierte, dominiere das Toskanische. Des Weiteren degradiert er das Toskanische als ‘lingua di passaggio’, da der Weg nach Rom durch die Toskana führe und die Reisenden dort das Toskanische erlernten. Neapel hingegen sei ein Ziel, an dem sich die Spanier („Natione Spagnola“) dauerhaft niedergelassen hatten. Ihre Sprache sei besonders ausdrucksstark („enfatica“) und trotzdem hätten die Spanier das Neapolitanische erlernt. (78) Che i forastieri appr ẽ dono sempre quel linguaggio, oue più han da far la residenza: E perche per ordinario, risiedono in Roma, e passano per la Toscana aprendono quella, come la megliore, e più vsata nella Corte di Roma, ou’è tanto numero di Prelati, Cardinali col Pontefice, per ladciare i Gentil’huomini, Cortegiani, e Mercadanti Toscani, che superano tutte le Nationi. Per questo in Napoli, oue resiede sì numerosa la Natione Spagnola, tutto che habbiano la lingua si enfatica, non parlano Toscano, ma Napoletano; e per non esser Napoli Cittá di passaggio à forastieri, com’è la Toscana, appr ẽ dono più quella, che que questa: Tanto più che il parlar Napoletano si distingue, come in tutti gli altri linguaggi, trà la Nobilità e la Plebe: E se ponderiamo 650 Vgl. Tosco 1662, 176-186. 226 il parlar nobile Napoletano, è vn parlar molto polito, e gratissimo à chi l’ascolta, tolgliendo solo l’asprezze, la gorga, e certe voci strane de Toscani: [...] E se i esempi predetti son portati non dalla nobiltà, mà dalla plebe, è stato per conuincere con argomento à fortiori: che se la populare, e plebea, è sì perfetta, che farà della nobile, e scelta? Et anco per autenticare il vero, che la perfettione della fauella, dal dono della Natura lo riceue più, che dell’arte. (Tosco 1662, 178-181) Ähnlich wie Valdés greift Tosco Castigliones Argument der Natürlichkeit auf, das er sowohl für das Neapolitanische als auch für das Kastilische geltend macht. Erfahrungsgemäß sei die natürliche Sprache, also die Muttersprache, die edelste und beste. Bereits im einleitenden Teil des Buches zielt Tosco in Anspielung auf Dantes Betrachtungen über die Kommunikation der Engel und der Tiere in De vulgari eloquentia auf die Natürlichkeit im Sprachgebrauch ab. Tosco resümiert, der Mensch sei auf Grund der materiellen Verbindung von Seele und Körper auf die Sprache angewiesen. 651 (79) Di questa lingua non han bisogno gli Angioli, e le sostanze spirituali, perche hanno la cognitione del concetto interno l’vno dell’altro con l’intelligenza solamente della lor sostanza: mà l’anima ancorche sia sostanza spirituale, perche stà vnita col corpo, hà bisogno dello stromento della lingua per ispiegare, e persuadere il suo senso: E questo l’asseguisce con maggior faciltà con la lingua Napoletana, che colla Toscana: perche lo spiegar bene, e persuader l’interno procede da cinque capi della perfettione della lingua: [...] (Tosco 1662, 5f.) Erklären („ispiegare“) und Überzeugen („persuadere“) könne man am besten auf Neapolitanisch, da diese Sprache in fünf Punkten überlegen sei, wobei drei, nämlich die dolcezza 652 , die proprietà 653 und die amoreuolezza 654 auch im Libro del Cortegiano als Natürlichkeitsmerkmale beschrieben werden. Außerdem strebe jede Nation danach, eine eigene Sprache zu finden. 651 Vgl. Dante 1938, 10-12.: „2. Non angelis, non inferioribus animalibus necessarium fuit loqui: sed nequicquam datum fuisset eis; quod nempe facere natura aborret. / 3. Si etenim perspicaciter consideramus quid cum loquimur intendamus, patet quod nichil aliud quam nostre mentis enucleare aliis conceptum. Cum igitur angeli ad pandendas gloriosas eorum conceptiones habeant promptissimam atque ineffabilem sufficientiam intellectus, qua vel alter alteri totaliter innotescit per se, vel saltim per illud fulgentissimum speculum in quo cuncti representantur pulcerrimi atque avidissimi speculantur, nullo signo locutionis indiguisse videntur.“ 652 Zur dolcezza vgl. Castiglione 1987, 40: „[...] medesimamente, nel conversare [...], nel giocare, nel ridere e nel motteggiare tiene una certa dolcezza.“ 653 Zur proprietà vgl. u.a. Kapitel XXXVIII des 1. Buches (Castiglione 1987, 83-85). 654 Der amoreuolezza entsprechen Castigliones affabilità und piacevolezza. Vgl. Castiglione 1987, 20: „[...] nella qual cosa non era minor il piacer che esso ad altrui dava, che quello che d’altrui riceveva, per esser dottissimo nell’una e nell’atra lingua, ed aver insieme con l’affabilità e piacevolezza congiunta ancor la cognizione d’infinite cose [...].“ Siehe auch Kapitel XVIII des 4. Buches (Castiglione 1987, 383-385). 227 In Spanien sei die Wahl auf das Kastilische als edelste Sprache gefallen. In Neapel sei das Neapolitanische als natürliche Sprache am besten für den ungekünstelten und vornehmen Sprachgebrauch geeignet. (80) Si che il detto d’Artistotele, che Tutti ambiscono il bene, s’auuera in ogni linguaggio, bramando Tutti il più nobile nella lor natione, come s’è detto della Castigliana, e della più ciuile, e nobile Napoletana, difendendo io così cõ sì chiara ragioni la lingua naturale, che fugge l’arte, per sostenere à fortiori, la bontà, e perfettione della più nobile, e ciuile della Patria gentile. (Tosco 1662, 185) Tosco instrumentalisiert den Vergleich mit dem Kastilischen, indem er Eigenschaften des Neapolitanischen und des Kastilischen kontrastiert und damit die Abweichungen vom Toskanischen legitimiert. Dies beansprucht er für die Neutralisierung der Opposition / v/ und / b/ im Neapolitanischen, wobei er nicht nur auf das Kastilische, sondern auch auf das Hebräische und das Griechische verweist: (81) Si dice poi, Varuera, e non Barbera, non solamente per fuggir la parola tutta latina, mà per imitare le prime lingue del mondo, come l’Hebrea, che non haue il B, e lo cangia in V: Così la Greca, che pur lo proferisce con l’V, Vasileos, in vece di dir, Basilius: così la Spagniuola, che nõ dice, Tabacco ma Tauacco. (Tosco 1662, 91f.) Auch in seinen Ausführungen über die varietà des Neapolitanischen greift er auf das Kastilische zurück. Er stellt den Reichtum an Fremdwörtern und Entlehnungen - insbesondere an Hispanismen - als weiteres Argument für die Überlegenheit des Neapolitanischen gegenüber dem Toskanischen dar: (82) Alcanzare / / Arrivare, e molte altre parole che sono Spagnole, com’è noto à tutti. Ecco dũque che p la varietà de’sinonimi, de vocaboli, e delle lingue, eccede la lingua Toscana notabilmente. (Tosco 1662, 105f.) Der Versuch, die Überlegenheit des Neapolitanischen durch den Vergleich mit dem Kastilischen zu legitimieren, fügt sich in das satirenhafte Konzept der L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana. Diese lassen sich wie eine ironische Stellungnahme zu den philologischen und sprachtheoretisch relevanten Fragen der Questione della lingua lesen. Auch wenn es Tosco an philologischer Ernsthaftigkeit mangeln mag 655 , so zeigen seine Beobachtungen über die Präsenz der Spanier und des Spanischen im Königreich Neapel, dass im 17. Jahrhundert diesbezüglich ein Diskussionsbedarf bestand. Neben Tosco zogen auch andere Autoren, die Aspekte der Questione della lingua aus meridionaler Perspektive erörterten, den Vergleich mit dem Spanischen, obgleich sie diesen in der Regel weniger zentral positionierten. Claudio Mario Arezzo legte beispielsweise in den Osser- 655 Vgl. Radtke 2001, 259. 228 vantii dila lingua siciliana et canzone inlo proprio idioma (1543) dar, weshalb das Sizilianische als Sprache der Dichtung herausragend sei. Die Überlegenheit des Toskanischen stellt er dabei jedoch nicht in Frage. 656 In den ersten 20 Kapiteln leistet Arezzo eine sprachinterne Beschreibung des Sizilianischen, wobei der Schwerpunkt auf dem stilistisch guten Sprachgebrauch liegt. Im letzten Teil illustriert er diesen anhand einer Reihe von Canzoni. Dabei zieht er in Kapitel X „Dili nomi et articoli“ 657 einen Vergleich zum Genusgebrauch im Spanischen, den er im Sizilianischen jedoch für unangemessen hält: (83) Altri pronuntiano alcuni nomi mascolini sutta la vuci feminina, dicendo un poma, una pira, una pèrsica, una pruna, una garòfala, essendo lo proprio un pomo, un piro, un pérsico, un pruno, un garòfolo. [...] Per certo quista tal discrepanza di sexo divimo lassari a’ spagnoli, et specialmente a’ castigliano, liquali chiamano lo meli la miel, lo ponti la puente, lo ordini la orden, lo lebro la liebre, lo sango la sangre, et rendirni in quisti cosi conformi con lo latino. (Arezzo 2008, 51) Vergleicht man die Texte, die in den Kapiteln 5.1.1 bis 5.1.3 besprochen wurden, so zeigt sich, dass in Süditalien des 16. und 17. das Spanische im Rahmen sprachtheoretischer Diskussionen durchaus relevant war. Auch wenn sich die Positionen unterscheiden, die Il Galateo, Juan de Valdés, Partenio Tosco oder Claudio Mario Arezzo bezüglich des Kastilischen vertraten, so wird dennoch deutlich, dass der Bedarf bestand, die Rolle des Spanischen in der Italia Spagnola zu diskutieren oder es als argumentatives Gegengewicht zum Toskanischen einzusetzen. Unabhängig davon, ob die Motive und Zielsetzungen der einzelnen Werke sprachpolitisch orientiert auf die Nation oder das Imperium gerichtet waren, oder ob stilistische Fragestellungen im Vordergrund standen, ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der untersuchten Texte eine Sprachendiskussion für die Italia Spagnola, die in mancher Hinsicht an die ‘gesamtitalienische’ Questione della lingua anknüpft. Dabei standen weniger die Qualitäten des Spanischen als Literatursprache im Zentrum. Vielmehr ging es darum zu definieren, für welche kommunikativen Zwecke das Spanische angemessen sei. Dabei bewertet die stark politisch motivierte Schrift De educatione die literarischen und stilistischen Qualitäten des Spanischen als minderwertig (vgl. 5.1.1), während Juan de Valdés im Diálogo de la lengua (vgl. 5.1.2) die literarische Unterlegenheit des Kastilischen gegenüber dem Toskanischen zwar einräumt, jedoch durch die Hervorhebung anderer Qualitäten wie Prägnanz (vgl. Zitat 70), Flexibilität (vgl. Zitat 72) und Verbreitung (vgl. Zitat 63) das Kastilische 656 Vgl. Arezzo 2008, 6: „Per la qual cosa, si fussi io dimandato qual fussi quillo nostro vulgaro loquali happi la fama sopra li altri di Italia, rispondo non esiri altro salvo quillo chi hogi li thoscani per loro si hanno apropriato, et quillo con lo quali Dante et tutti li altri di quillo seculo li loro poemi scrissero.“ 657 Vgl. Arezzo 2008, 43-51. 229 als internationale Sprache der Diplomatie profiliert. Eben dieses Argument wird in L’eccellenza della lingua napoletana con la maggioranza alla toscana (vgl. 5.1.3) instrumentalisiert, um durch tatsächliche oder vermeintliche Gemeinsamkeiten des Neapolitanischen und des Kastilischen die Überlegenheit des Toskanischen zu widerlegen. Il Galateo, Juan de Valdés und Partenio Tosco verwenden dabei in unterschiedlichem Maße Gemeinplätze und Stereotypen, die in der zeitgenössischen Sprachdiskussion zur Abgrenzung und Beschreibung der Volkssprachen gängig waren. 5.2 Paratexte als Orte der Sprachreflexion Im Verlauf des 16. Jahrhunderts stieg mit der spanischen Präsenz im Königreich Neapel auch das Interesse an spanischsprachiger Literatur. 658 Vor allem Ritterromane wie der Amadis de Gaula, seine Fortsetzungen und Adaptionen, die Palmerines und Primaleones 659 , aber auch novelas sentimentales wie Diego de San Pedros Cárcel de amor 660 hatten hohe Auflagenzahlen und wurden von Venedig aus in der Italia Spagnola vertrieben und nach Spanien exportiert. Die Bücher wurden im spanischen Original oder in toskanischen Übersetzungen herausgegeben. Ebenso wurden toskanische Werke ins Spanische übersetzt. In der Regel begründeten die Herausgeber und Übersetzer in den Paratexten ihrer Editionen die Sprachenwahl. 661 Paratextuelle Formen, die in dieser Hinsicht relevantes Material enthalten, sind neben Titelblatt und Kolophon, auch das Vorwort, das Widmungsschreiben und der Prolog. 662 Hinsichtlich ihrer ökonomisch-pragmatischen Funktion sind die Paratexte in den frühneuzeitlichen Drucken Orte der Information über die Produktion, Distribution und Rezeption der Bücher. Bettina Wagner beschreibt die Funktion der Paratexte wie folgt: 658 Vgl. hierzu Tabelle 1 nach Meregalli, 1974, 17; siehe Kapitel 3.1. 659 Vgl. Croce 1917, 157-162 und Segre 2009, 15. Siehe auch Valdés 1967, 96: „Entre los que an escrito cosas de sus cabeças camúnmente [sic! ] se tiene por mejor estilo el del que scrivió los quatro libros de Amadís de Gaula; y pienso que tienen razón, bien que en muchas partes va demasiadamente afetado, y en otras muy descuidado; unas vezes alça el estilo al cielo, y otras lo abaxa al suelo; pero al fin, assí a los quatro libros de Amadís, como a los de Palmerín y Primaleón, que por cierto respeto an ganado [...].“ 660 Vgl. Kapitel 2.3. 661 Zur Bedeutung des Paratextes in der Frühen Neuzeit vgl. Ammon/ Vögel (Hrsg.) 2008. Die Erfindung des Buchdrucks kann als einer der Hauptgründe für die Pluralisierung und Transformierung des Paratextes gelten; vgl. Ammon/ Vögle 2008, XIII: „Mit dem Buchdruck nämlich kommt es zu einer Multiplikation und Diversifikation paratextueller Formen und Funktionen in einem bis dahin ungekannten Ausmaß. Mit einem neuen Element des Buches wie dem Titelblatt entstehen auch neue Formen und Funktionen des Paratextes [...].“ 662 Zur Funktion des Prologs in der Frühen Neuzeit vgl. u.a. Wolf 2008. 230 In ihnen finden sich explizite Selbstaussagen der Produzenten, also der Drucker oder der Herausgeber des Buches. Paratexte dienen daneben der Verwaltung des Buches im Distributionsprozeß, indem sie seinen Inhalt identifizieren, aber auch der Rezeptionsstreuung, indem sie diese Inhalte qualifizieren und die Attraktivität des Produkts betonen oder steigern. (Wagner 2008, 135) Die Vorworte und Widmungen in den spanischen Werken enthalten häufig Reflexionen über die Rolle der spanischen Sprache und Literatur in Italien und erfüllen damit den Zweck, die Attraktivität des Produktes zu steigern. In dieser Hinsicht sind die Paratexte auch Orte der Reflexion über die Mehrsprachigkeit im Kommunikationsraum der Italia Spagnola. Die ersten Aussagen diesbezüglich finden sich in venezianischen Ausgaben der Tragicomedia de Calisto y Melibea oder Celestina (vgl. Kapitel 4.2). Im 16. Jahrhundert war Fernando de Rojas Lesekomödie ein ‘Bestseller’ 663 und war eines der populärsten Werke der spanischen Literatur. Bereits 1506 veröffentlichte Alfonso Ordóñez in Rom eine Übersetzung ins Toskanische. 664 Darüber hinaus erschien in Venedig und Antwerpen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts fast jährlich eine Neuauflage des spanischen Originals. An einigen venezianischen Ausgaben waren die Spanier, Alfonso de Ulloa 665 und Francisco Delicado 666 maßgeblich als Herausgeber beteiligt. Es ist bekannt, dass Delicado ein judío converso war, also zu den zum Christentum konvertierten Juden gehörte, die in Spanien nach 1492 zwar geduldet, im 16. Jahrhundert von der Inquisition jedoch streng beobachtet und kontrolliert wurden. Dies könnte ein Grund dafür gewesen sein, weshalb Delicado nach Italien übersiedelte. Er lebte in Rom, wo der Retrato de la Lozana Andaluza (vgl. Kapitel 4.2.1.2) entstand, der 1528 in Venedig anonym veröffentlicht wurde. 1525 erschien in Venedig auch seine Abhandlung über Heilmethoden zur Bekämpfung der Syphilis El modo de usar el palo de la India Occidental, saludable remedio contra toda llaga y mal incurable, die 1529 erneut und mit italienischer Übersetzung herausgegeben wurde. 667 Delicado gab unter anderem auch den Amadis de Gaula, den Primaleón und die Celestina heraus. Diese erschien 1531 in Venedig bei Giovanni Battista Pederzano. 668 Im Kolophon 669 dieser Ausgabe legt Delicado dar, weshalb es 663 Vgl. hierzu Binotti 1996. 664 Diese wiederum diente als Vorlage für Christoph Wirsungs deutsche Version (1520); Salvador Miguel 2001, 34. 665 Alfonso de Ulloa stammte vermutlich aus Zamora und kam als Soldat nach Süditalien. 1446 ließ er sich in Venedig nieder, wo er unter anderem für Gabriel Giolito als Verleger tätig war; vgl. hierzu Lepri 2006; siehe auch Gallina 1955. 666 Zu Delicados Herausgebertätigkeit vgl. Gernet 1999 und 2005, Lucía Megías 1996, Allaigre 2003, 143-155 und Ahumada 2009. 667 Vgl. Delicado 2009. 668 Dies ist wohl die erste Ausgabe, die außerhalb Spaniens gedruckt wurde; vgl. Menéndez y Pelayo 1947, 179 und Folke 1999, 15. 231 besser sei, den Text im spanischen Original und nicht in einer Übersetzung zu lesen. (84) El libro presente, agradable a todas las estrañas naciones, fue en esta ínclita ciudad de Venecia reimpreso por miscer Juan Bautista Pedrezano, mercader de libros, que tiene por enseña la Tore [sic! ]: iunto al puente de Rialto, donde está su tienda o botica de diversas obras y libros, a petición y ruego de muy muchos magníficos señores desta prudentíssima señoría. Y de otros munchos forasteros, los quales, como el su muy delicado y polido estilo les agrade y munchos mucho la tal comedia amen, máxime en la nuestra lengua Romance Castellana que ellos llaman española, que cassi pocos la ygnoran: y porque en latín ni en lengua Italiana no tiene ni puede tener aquel impresso sentido que le dio su sapientissimo autor; y tambien por gozar de su encubierta doctrina encerada [sic! ] debaxo de su grande y marauilloso ingenio; assi que auiendo le hecho coregir [sic! ] de munchas letras que trastrocadas estauan (ya de otros estampadores), lo acabó este año del Señor de 1531, a dias 14 de Otobre. [...] El corrector, que es de la Peña de Martos, solamente corrigio las letras que malestauan. (Delicado 1531; zit. bei Menéndez y Pelayo 1947, 179; Kursivierung T.G.) Zunächst wird die Neuauflage der Tragicomedia mit der großen Nachfrage begründet („a petición y ruego de muy muchos magníficos señores“), wobei der Verweis auf das Bitten und Drängen einflussreicher Personen eine Standardbemerkung war, mit der Autor und Herausgeber die Drucklegung ihres Werks legitimierten. Des Weiteren betont Delicado, dass sich die Tragicomedia auch außerhalb Spaniens großer Beliebtheit erfreute, weil viele „forasteros“ die spanische Lektüre des Buches einer Übersetzung vorzögen. Mit der Behauptung, der Sinn des Textes ginge verloren, wenn man ihn nicht in der Originalsprache lese („porque en latín ni en lengua Italiana no tiene ni puede tener aquel impresso sentido que le dio su sapientissimo autor“), zielt er auf die Einzigartigkeit und Originalität seiner Muttersprache ab und positioniert das Kastilische auf einer Stufe mit dem Lateinischen und dem Toskanischen. Aus der Perspektive des Übersetzers und Herausgebers literarischer Texte bezeichnet Delicado das Toskanische als überregionale „lengua italiana“ und stellt ihm das Kastilische, welches die Italiener Spanisch nannten („nuestra lengua Romance Castellana que ellos llaman española“), als gleichwertig gegenüber. Außerdem betont er, dass die Mehrheit der „forasteros“, womit vor allem Italiener gemeint sind, gute Kenntnisse in der spanischen Sprache hätten. Delicado, der das Spanische nicht im Sinne der imperialen Politik Karls V. als Sprache der Diplomatie 669 Der Kolophon enthielt technische Angaben, wie Titel, Ort, Erscheinungsdatum, Herausgeber usw. Später erschienen diese Informationen bereits im Titelblatt, wurden im Kolophon erneut angegeben und mit Lesehinweisen und Bemerkungen über die Funktion des Buches versehen; vgl. u.a. Hiller/ Füssel 2002, 178 und Strepparola 2005, 79. 232 Abb. V: Delicado 1534 (Introducion) (vgl. <https: / / ia600702.us.archive.org/ 23/ items/ tragicomediadeca00roja_ 0/ tragicomediadeca00roja_0.pdf>, Zugriff am 07.03.2014) 233 Abb. VI: Delicado/ da Sabbio 1534 (Introducion und Kolophon) (vgl. <https: / / ia600702.us.archive.org/ 23/ items/ tragicomediadeca00roja_ 0/ tragicomediadeca00roja_0.pdf>, Zugriff am 07.03.2014) 234 proklamiert, sondern seinen Status als Literatursprache festigen will, erschließt damit eine weitere wichtige Diskursdomäne und hebt auf subtile Art und Weise seine Relevanz in der internationalen Kommunikation hervor. In einer venezianischen Ausgabe der Celestina (1534) druckte der Verleger Stefano Nicolini da Sabbio im Anschluss an die „Introducion que muestra el Delicado a pronunciar la lengua española“ (vgl. Abb. V, S. 232) die Begründung erneut ab (vgl. Abb. VI, S. 233) 670 : (85) El libro presente agradable a todas las estrañas naciones fue enesta inclita ciudad de Venecia. Reimpsso por maestro Estephano da Sabio, impssor d libros griegos latinos y españoles muy corregidos con otras diuersas obras y libros. Apeticion y ruego de muchos magnificos señores desta prudentissima señoria. Y de otros muchos forasteros los quales como el su muy delicado y polido estilo desta Tragicomedia les agrade y munchos mucho la tal comedia amen maxime en la nuestra lengua Romance Castellana q ellos llaman española que cassi pocos la ygnoran: y porque en latin ni en lengua Ytaliana: no tiene ni puede tener (aql impresso sentido) q ledio su sapientissimo auctor [...] (Nicolini da Sabbio 1534, Kolophon) Diese Argumente waren im Zuge der imperialen Expansion Spaniens und des zunehmenden Ansehens, das die spanische Sprache und Literatur international genossen, äußerst wirkungsvoll und wurden auch anderenorts übernommen, um die Attraktivität spanischer Drucke zu steigern. 1539 veröffentlichte Guillome Montano die Tragicomedia in Antwerpen, das neben Venedig ein wichtiger Druckort war, und übernahm den Kolophon nahezu wörtlich: [...] a petición y ruego de muchos magníficos señores desta prudentíssima señoría, y de otros muchos forasteros los quales como que el su muy delicado y polido estilo desta Tragicomedia les agrade y muchos mucho la tal comedia amen, máxime en la nuestra lengua Romance Castellana que ellos llaman Española que cassi pocos la ignoran, y porque en Latín ni en lengua Italiana no tiene ni puede tener (aquel impresso sentido) que le dio su sapientíssimo auctor. (Guillome Montano; zit. bei Bécares Botas 1999, 29) Auch Ulloa, der 1556 in Venedig die Tragicomedia bei Gabriel Giolito herausgab, erwähnt in der Widmung seiner Ausgabe an den Señor Ivan de Cavallo die hohe Auflagenzahl der Lesekomödie im spanischen Original, betont aber zugleich, dass bereits Übersetzungen ins Toskanische und andere Sprachen existierten: 670 1536 erschien bei Nicolini da Sabbio erneut eine Ausgabe der Tragicomedia, in dieser sind die Ausspracheregeln und die Begründung nicht abgedruckt; vgl. Rojas 1536. 235 (86) [...] como entre otras diuinas obras tenemos en Hespaña, la Tragicomedia de Calisto y Melibea [...] (obra por cierto tan graue y de excelente estilo, qu-to digna de que todos los nacidos la estudiassen y tuuiessen por un dechado en todas las cosas que huuiessen de hazer) la qual despues que de su auctor la heredamos, no solamente se ha impresso, mas, y mas uezes en lengua Castellana, en Hespaña y fuera d’ella, mas aun también en la Thoscana y otras, ha sido traduzida [...] (Ulloa 1556, 2r-2v) Die toskanische Übersetzung von Rojas Werk erschien 1506 in Rom, wurde 1514 und 1515 in Mailand sowie 1515, 1519 und 1535 in Venedig neu aufgelegt. 671 Alfonso Ordóñez beziehungsweise Hordognez, wie er sich in den italienischen Ausgaben nannte, begründet die Übersetzung damit, dass der Text in Italien noch nicht verfügbar sei („doue questa opera non e diuulgata“). Außerdem habe er damit der Bitte 672 einer gewissen Madonna Feltria entsprochen, der die Ausgabe der Tragicomedia gewidmet ist: Epistola dello interprete / Alla Illustrissima madonna: Madonna gentile Feltria de campo fregoso, madonna sua obseruantissima. / [...] V. S. quale mossa da uirtuoso desiderio, non per i miei meriti, ma per sua uirtu, se degnata uolerme pregare douesse io tradure la presente Tragicomedia intitolata da Calisto & Melibea de lingua castigliana in italiano idioma, accioche. V. S. insieme con questa degna patria, doue questa opera non e diuulgata, se possa allegrare di tante & cosi degne sententie & auisi che soto colore de piaceuolezze ui sono. […] Perlaqual- / / cosa supplico humilmente. V. S. uoglia accettarla come de seruitore affettionato. Che se falimenti alcuni ui sono, certamente madonna, parte ne a colpa la ditta lingua castigliana, quale in alcune partite e impossibile posser ben tradure li uocaboli secondo la affettione e desiderio, che ho de seruir. (Ordóñez, in Rojas 1535, IIr-IIIr) In dem Vorwort verweist Ordóñez darauf, dass die Übersetzung bisweilen den spanischen Text nicht angemessen wiedergebe, was er auf die Unübersetzbarkeit einiger Wörter und Ausdrücke zurückführt („parte ne a colpa la ditta lingua castigliana, quale in alcune partite e impossibile posser ben tradure li uocaboli“). Ordóñez hebt damit, ähnlich wie Delicado (vgl. Zitat 84), den individuellen Charakter des Kastilischen hervor und spricht zugleich ein allgemeines Problem des Übersetzens an, wobei er den Sinn der Übersetzung nicht prinzipiell in Frage stellt und somit eine moderne, innovative Position bezieht. Die volgarizzazione, das heißt die Übersetzung eines antiken Textes, kam für die Humanisten nicht in Frage 673 und auch die 671 Vgl. Snow 2008, 298. 672 Das Verweisen auf die Bitten einflussreicher und angesehener Personen war in der frühneuzeitlichen Buchproduktion topisch; vgl. u.a. Zitat 85, 88 und 90. 673 Valdés steht dem ‘romançar libros’ kritisch gegenüber, vgl. Valdés 1967, 93 und 95. Übersetzungen antiker Autoren, wie Pedro Sánchez de Vianas kastilische Version von Ovids Metamorphosen (1589), bildeten im 16. Jahrhundert die Ausnahme. 236 Übersetzung zeitgenössischer Literatur war umstritten. 674 Juan Boscán erörterte diese Fragen in der spanischen Übersetzung von Castigliones Cortegiano. Der Dichter und Petrarkist 675 Boscán beschreibt im Prolog von El libro llamado el Cortesano (1534) 676 , sein persönliches Dilemma. Einerseits verurteilt er die Übersetzung als „vanidad baxa“, die nur Leute mit geringer Bildung befürworten („de hombres de pocas letras“), andererseits hält er den Inhalt und die Lehre des Buches für so wichtig, dass er sie seinen Landsleuten zugänglich machen möchte. Deshalb habe er sich letztlich dazu entschlossen, das Problem der Sprachbarriere mit Hilfe einer Übersetzung auszuräumen: [...] y demas de parescermela inuencion buena y el arteficio y la doctrina: parescio me la materia de que tracta no solamente prouechosa y de mucho gusto: pero necesaria por ser de cosa q traemos si ẽ pre entre las manos. Todo esto me puso gana que los hombres de nuestra nacion participassen de tan buen libro: y que no dexassen de entendelle por falta de entender la lengua: y por esso quisiera traduzille luego. Mas como estas cosas me mouian a hazello: assi otras muchas me impedian que no lo hiziesse: y la mas principal era vna opinion que siempre tuue de parescerme vanidad baxa; y de hombres de pocas letras: andar romançando libros. que aun para hazerse bien vale poco: quanto mas haziendo se tan mal: que ya no ay cosa mas lexos delo que se traduze que lo que es traduzido. [...] Uiendo yo esto: y acord-do me del mal que he dicho muchas vezes destos romançistas (aunque traduzir este libro no es propriam ẽ te romançalle: sino mudalle de vna lengua vulgar en otra quiça t- buena) no se me leuantauan los braços a esta traducion. por otra parte parescia vn en cogimi ẽ to ruyn: no saber yo usar de libertad en este caso: y dexar por estas consideraciones o escrupulos de hazer tan buena obra a muchos: como es ponelles este libro de manera q le entiend-. (Boscán in Castiglione 1540, iir) Zunächst stellt er „andar romançando libros“, also das Übersetzen lateinischer Texte in die Volkssprache, in Frage. Selbst dann, wenn die Übersetzung gut gemacht sei, könne sie niemals an den Originaltext heranreichen („que aun para hazerse bien vale poco: quanto mas haziendo se tan mal: que ya no ay cosa mas lexos delo que se traduze que lo que es traduzido“). Andererseits unterscheidet er zwischen den Konzepten ‘romançar’ und ‘mudar la lengua’, und legitimiert seine eigene Arbeit mit dem Argument, er habe keine Übersetzung aus dem Lateinischen vorgenommen, sondern den Text lediglich von einer Volkssprache in die andere übertragen, die als gleichwertig betrachten werden könne („aunque traduzir este libro no es propriam ẽ te romançalle: sino mudalle de vna lengua vulgar en otra quiça t- buena“). Damit versichert Boscán, dass die Zielsprache über die sprachli- 674 Vgl. hierzu Folena 1973. 675 Vgl. hierzu u.a. Castro Díaz 1980, 157. 676 Zitiert wird die 1540 in Salamanca erschienene 2. Auflage. 237 chen Mittel verfüge, den Originaltext adäquat wiederzugeben und stellt - wie auch Delicado (vgl. Zitat 84) - das Toskanische und das Kastilische auf eine Stufe. Der ausschlaggebende Grund für die Anfertigung einer Übersetzung sei die Überzeugung gewesen, dass dadurch Wissen zugänglich gemacht werden könne. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt auch Ulloa, der in Venedig Herausgeber von vierzehn spanischen und einem toskanischen Werk war, vier Bücher aus dem Toskanischen ins Spanische und vierundzwanzig aus dem Spanischen sowie zwei aus dem Portugiesischen ins Toskanische übersetzte. Er war selbst als Autor zweier spanischer und elf toskanischer Werke tätig und verfasste zwei spanisch-toskanische Glossare. 677 Von Ulloa, der selbstbewusst für seinen Berufsstand eintrat, sind einige Stellungnahmen überliefert, in denen er die Notwendigkeit von Übersetzungen betont, da durch sie die Literatur anderer Länder verfügbar gemacht werden könne. In dem Empfehlungsschreiben an Francisco dela Torre, dem Ulloa seine Übersetzung von Paulo Giovios Dialogo dell’imprese militari et amorose (Rom 1555) widmete, betrachtet er die Übersetzung als Dienst an die Allgemeinheit 678 : [...] empleandome en el exercicio de las buenas letras, mientras que residia enesta illustrißima, y felicißima Ciudad de Venetia, he traduzido, y cõpilado los libros, que ha visto, y sabe el mundo, en diuersas sciencias, aßi en la lengua Italiana (de la qual por su dulçura, y lindeza, he sido, y soy muy afficionado) como en la mia Castellana materna, que son muchos: como sea cierto, que de doze años a esta parte no hago otra cosa, que escreuir, y cõponer [...] (Ulloa in Giovio 1562, o.S.) Auch der aus Sevilla stammende Cristóbal de las Casas, der 1570 bei Francisco de Aguilar (Sevilla) den Vocabulario de las dos lenguas toscana y castellana veröffentlichte, äußerte sich im Widmungsschreiben 679 über Aufgabe und Zweck der Übersetzung in der Wissensvermittlung. Zunächst betont er, wie wichtig die Kenntnisse der griechischen und römischen Antike seien, deren Wissensbestände vor allem in Texten und Schriften bewahrt würden. Allerdings könne man die Situationen in Italien und Spanien nicht miteinander vergleichen. Während sich die Gelehrten Italiens nicht nur dem Studium der antiken Texte, sondern auch der Übertragung ins Toskanische gewidmet und somit das antike Wissen einer breiteren Masse verfügbar gemacht hätten, müsse diese Arbeit in Spanien erst noch geleistet 677 Vgl. Gallina 1959, 62-66. Die Glossare werden Kapitel 5.3.2 besprochen. 678 Ulloas spanische Übersetzung erschien erstmals 1558 in Venedig bei Gabriel Giolito. Hier wird die Ausgabe des Dialogo de las empresas militares, y amorosas, compuesto en lengua italiana, por el ilustre, y reverendissimo Señor Paulo Iouio Obispo de Nucera. [...] Todo nueuamente traduzido en Romance Castellano, por Alfonso de Vlloa zitiert, die 1562 in Lyon bei Guilielmo Roville erschien. 679 Das Wörterbuch ist Don Antonio de Guzman, Markgraf von Ayamonte, gewidmet. 238 werden. In seinem Lösungsvorschlag legt Las Casas keinen besonderen Wert auf die Berücksichtigung des humanistischen Postulats, die antiken Quellen im Original zu lesen, und schlägt stattdessen die Vermittlung über das Toskanische vor. Die Sprache sei leicht zu erlernen („Entre las quales vna de las que mayor tesoro tiene, y mejor cõmodidad para alcançarla, es la Toscana“), zudem sei bereits ein großer Wissensbestand auf Toskanisch erschlossen, mit dem man die „buenas letras en España“ bereichern könne. (87) Y viniendo a nuestra España. Bien sabemos, que aunque ha produzido siempre estremados ingenios, y animos valerosos, que aspiran à tener entre todos la excelencia, antes que vuiesse trato con las naciones estrangeras, no teniamos aquel culto, y policia, que aöra [sic! ] gozamos tan copiosamente. Pues dexado a parte el ornamento de Architectura, Escultura, Pintura, y otras artes, que de alla nos hanvenido, bien vemos, con quanta felicidad, por la comunicacion de varias lenguas, han entrado las buenas letras en España, de que antes teniamos tanta falta. Conosciendo bien esto los hombres bien aficionados, y amigos de saber, han pretendido, el conosciemento de las lenguas estrangeras, para gozar de la riqueza d’ellas, y trasladarla à nuestra nacion. Entre las quales vna de las que mayor tesoro tiene, y mejor cõmodidad para alcançarla, es la Toscana. Cuyo conoscimiento ha procurado, y procura tanta gente, que ya no ay hombre, que no pretenda, ò dessee almenos aprenderla: y cierto con muy gran razon. Porque de mas de la necessidad que ay, por el contino trato con la gente Italiana, ha auido siempre, y ay tanta curiosidad, y diligencia en adornar, y ennoblescer su tierra de todo genero de buenas letras, que no han dexado en Griego, ni en Latin, ni en otras lenguas cosa, que no han passado ya à la suya. Y assi mesmo munchos de rarissimos ingenios, y grande doctrina deaquella nasciõ han escripto, y escriuen siempre en su lengua Toscana (que procuran con todas sus fuerças illustrar) toda la variedad de ciencias, y buenas artes: de manera que los que carescen de otras lenguas, podran con sola esta, valerse bien para gozar largamente de todas las facultades, que en ella hallaran: y los que la saben, veran cosas tan nueuas, y peregrinas, y recebiran grande gusto, y entera satisfacon. Considerando pues yo, quanto mas enriquescida, y adornada puediera estar nuestra España, si vuiera gente tan amiga de hazer bien, y ennoblescer su patria, que à imitacion de aquellos antiguos, nos vuiera tr-sferido la riqueza desta lengua, ò se vuieran a lo menos trasladado, como algunos començaron ya, tanta copia de estremados libros, como tiene esta nascion: he lamentado comigo la poca curiosidad, y descuydo de algunos, que lo pudieran bien hazer, y el buen desseo de otros, que por ventura lo hizieran, si tuuieran medio deponerlo en efecto. Y viendo quan lexos estamos de gozar tanto bien, auiendo en medio tanta dificultad, y aduirtiendo tambien à la que ay en traduzir algunos libros, que ò no sera possible, ó no ternan aquella gracia y bondad que tie- 239 nen en su lengua: paresciome tomar à cargo este trabajo persuadido por muchos, que con grande aficion me lo han pedido, y dar un medio, con que entendiendose esta lengua, se puedan ambas comnnicar [sic! ], y gozar se tantos y tan buenos libros, como sabemos, que ay en la Toscana. [...] Y con esto me paresce, que satisfazemos al desseo, que casi en general tienen todos los buenos espiritus de España. Y offrecemos tambien facil comodidad à la nascion Italiana, para que tambien puedan aprender nuestra lengua [...] (Las Casas 1570, 4v-5v) Mit diesen Argumenten stellt Las Casas die Übersetzung vollkommen in den Dienst der Wissensvermittlung, wobei er die Inhalte durch die Übertragung nicht gefährdet sieht - selbst dann nicht, wenn als Vorlage nicht das Original, sondern eine toskanische Übersetzung dient. Darüber hinaus definiert er den Zweck, den sein Wörterbuch erfüllen soll: Er will die bislang fehlenden Mittel zur Verfügung stellen, mit denen gute Übersetzungen aus dem Toskanischen angefertigt werden können, um somit dem Vaterland zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Dabei nennt er außer dem topischen Verweis auf die Bitten anderer („por muchos, que con grande aficion me lo han pedido, y dar un medio“), weitere Gründe, weshalb er den Vocabulario verfasst habe. Viele Spanier würden sich dem Studium des Toskanischen widmen („Cuyo conoscimiento ha procurado, y procura tanta gente, que ya no ay hombre, que no pretenda, ò dessee almenos aprenderla: “), weil das der ständige Kontakt mit Italien erfordere („la necessidad que ay, por el contino trato con la gente Italiana“). 680 Hinzu komme das Interesse an den „buenos libros“ des Toskanischen. Außerdem könnten Italiener mit Hilfe dieses Buches Kastilisch lernen. Las Casas selbst verwendet im Titel und im Widmungsschreiben die Bezeichnungen ‘Toskanisch’ und ordnet diese der „nascion Italiana“ zu, während er das Kastilische als Sprache Spaniens definiert. Las Casas spricht im Gegensatz zu Ulloa gerade nicht von der „lengua Italiana“ (vgl. Zitat 87). Indem er das Toskanische nicht pauschalisierend als offizielle Sprache darstellt, was weder mit einer territorialen Einheit ‘Italien’ noch mit einer offiziellen ‘italienischen’ Sprachregelung korrespondiert hätte, berücksichtigt er die literarischen Traditionen und die kulturellen Hintergründe. Der Autor betrachtet stattdessen - ähnlich wie Delicado (vgl. Zitat 84) - die literarischen Qualitäten beider Sprachen und verzichtet darauf, die vor dem Hintergrund der imperialen Expansion Spaniens geführte lengua universal-Debatte aufzugreifen. Zwei andere Paratexte des Vocabulario hingegen situieren Las Casas Werk in eben diesem Kontext. Diese sind die am 5. September 1569 von Pero Juan de Lastanosa ausgestellte Druckempfehlung und das königliche Druckprivileg. Darin werden die Sprachenbezeichnungen ‘Spanisch’ und ‘Italienisch’ verwendet. Insbesondere in der 680 Vgl. Valdés 1969, 5: „porque, como veis, ya en Italia assí entre damas como entre cavalleros se tiene por gentileza y galanía saber hablar castellano) [...]“; siehe Zitat 65. 240 von Philipp II. gewährten Druckerlaubnis wird deutlich, dass die Termini territorial konnotiert sind und in diesem Sinne emphatisch gebraucht werden. (88) NOS DON PHELIPE Por la gracia de Dios Rey de Castilla, de Aragon, de Leon, de las dos Sicilias […] Por quanto por parte de vos el amado nuestro Christoual de las casas natural de Seuilla, nos ha sido referido, que auiades Compuesto, y recopilado vn libro, enel qual estauan declarados en español todos los vocablos Italianos, y los Españoles traduzidos en Italiano, que se intitula vocabulario de las dos lenguas Toscana, y Castellana, y que entendeys, que es muy vtil, para que con facilidad puedan, los que quisieren entender, y hablar estas dos lenguas, aßi en Italia, como en España [...] (Philipp II., in Las Casas 1570; Kursivierung T.G.) Juan Lope Blanch sieht in dem Vocabulario das erste Wörterbuch, in dem das Spanische mit einer anderen romanischen Sprache kontrastiert wird. 681 Diese ist insofern zutreffend, als dass Las Casas Werk tatsächlich die erste systematische Gegenüberstellung des spanischen und des toskanischen Wortschatzes in lexikographischer Form ist, das als Hilfsmittel für die Produktion und Lektüre gelehrter Texte angefertigt wurde. Mehrsprachige Gebrauchswörterbücher existierten hingegen schon seit dem 15. Jahrhundert, allerdings beinhalteten diese nach Themengebieten geordnete Vokabellisten und Konversationsversatzstücke, die vorwiegend für die alltagssprachliche Kommunikation nützlich waren. 682 Außerdem wurde das Sprachenpaar Kastilisch-Toskanisch schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Glossaren und Anleitungen zur Aussprache des Spanischen kontrastiert, die zur Erleichterung der Lektüre venezianische Ausgaben von spanischen Büchern beigefügt worden waren. 683 1534 wurde Delicados „Introducion que muestra el Delicado a pronunciar la lengua española“ in einer Ausgabe der Celestina bei Nicolini da Sab- 681 Vgl. Lope Blanch 1990, 112: „[…] el primer diccionario digno de este nombre en que la lengua española se ponía en relación con cualquier otro idioma románico, excepción hecha del diccionario plurilingüe de Ambrosio Calepino.“ Isabel Acero Durántez (1991, 8) ergänzt: „El Vocabulario de las dos lenguas toscana y castellana es el primer diccionario ítalo-español que se conoce y en palabras de Lope Blanch ‘el primer diccionario digno de este nombre’ […] G. Carlo Rossi se había referido a él como ‘el segundo vocabulario español en sentido absoluto después del de Nebrija’.“ Zur Calepino-Tradition vgl. u.a. Gallina 1959, 93-119. Zuvor hatte Lucio Cristoforo Scobar mit der Adaption von Nebrijas Wörterbuch, dem Vocabolarium Nebrissense, ex latinum sermone in Siciliensem & hispaniensem denuo traductum […] (Venedig, 1520), das Sizilianische und das Spanische kontrastiert, wobei er damit aber primär auf das Lateinstudium abzielte; vgl. Trapani 1941/ 42; Gallina 1959, 17-24 und Leone 1990; vgl. Kapitel 5.3.2. 682 Vgl. Acero Durántez 2003, 178; vgl. hierzu Kapitel 5.3.1. 683 Vgl. Gallina 1959; Niederehe 1994 und Lucía Megías 1996. 241 bio publiziert. 684 1553 übertrug Ulloa diese Anleitung ins Toskanische und veröffentlichte sie gemeinsam mit einem kastilisch-toskanischen Glossar in einer Edition des gleichen Werks, die bei Gabriel Giolito de Ferrariis erschien. Ulloa nennt sich darin selbst als Verfasser der „Introdutione del signor Alphonso di Vglio, nella quale s’insegna pronunciare la lingua spagnuola“. 685 Im gleichen Jahr veröffentlichte Giolito de Ferrariis Jerónimo de Urreas spanische Übersetzung von Ludovico Ariosts Orlando Furioso. 686 Diese Ausgabe enthält ebenfalls ein spanisch-toskanisches Glossar und Delicados spanische Ausspracheregeln. Erneut zeichnete Ulloa als Urheber. 687 Der „Introdutione“ und die Vokabelliste, die die Ausgabe der Tragicomedia von 1553 begleiten, geht eine Widmung an den Verleger voraus. 688 Darin erklärt Ulloa, dass der Anhang Italienern die spanische Lektüre der Celestina erleichtern könne: (89) Al muy magnifico señor Gabriel Giolito de Ferrariis. / Alonso de Vlloa. / Haviendome V. Merced encom ẽ dado los dias passados, y algunos amigos mios persuadido (muy Mag. S.) qu yo deuiesse hazer alguna regla o obseruaciõ que mostrasse a pronunciar la lengua Hespañola o Castellana y tener algun conoscimiento de la lengua Thoscana, por causa de hauer estado algunos años en Italia: y desse ando cumplir con V. M. y contentar a mis amigos, como mejor supe, me he industriado e hecho agora una introducion, que muestra lo que dicho tengo, y tambien un uocabulario, o exposicion en Thoscano de muchos uocablos Castellanos contenidos quasi todos en la Tragicomedia de Calisto y Melibea, juzgando ser cosa no menos util que agradable, siendo aqualla obra muy copiosa de uocablos no comunes ni manifiestos a muchas personas que la leen (porque por dezir la uerdad, es en nuestro Idioma, lo que las nouellas de Iuan Boccacio en el Thoscano) [...] (Ulloa 1553, *iir-*iiv; Reprint in Rojas 1556) Ulloa stellt sich selbst auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen in Italien als Experte für das Toskanische dar („por causa de hauer estado algunos años en Italia“). Durch den Vergleich mit Boccaccio verleiht er der Celestina den Status eines kanonischen Werks der spanischen Literatur und unterstreicht zugleich, dass die Tragicomedia aus kommerzieller Sicht ein interna- 684 Siehe Zitat 86; vgl. hierzu Gallina 1955 und 1959; darin insbesondere 59-71. 685 Vgl. Nieto 1991; Binotti 1996. 686 Zur Rezeption des Orlando Furioso in Spanien vgl. Tanganelli (Hrsg.) 2009, darin vor allem Segre 2009. 687 Vgl. Nieto 1991. Die Vokabellisten in den venezianischen Ausgaben der Celestina und des spanischen Orlando Furioso sind weitgehend unabhängig voneinander und gehen wohl auf Ulloa zurück. Die Ausspracheregeln hingegen sind Kopien von Delicados „Introducion“. Siehe auch Gallina 1959, 66. 688 1556 wurde die Tragicomedia bei Gabriel Giolito erneut aufgelegt, die auch Ulloas Einführungen enthalten. Für diesen Reprint wurden die Druckfahnen von 1553 verwendet, daher kann im Folgenden Ulloa aus dieser Ausgabe zitiert werden. 242 tionaler Erfolg sei. Die Tatsache, dass Ulloa Delicados Anleitung ins Toskanische übertrug, beweist zudem, dass ein ‘italienischer’ Absatzmarkt für Rojas Werk existierte, denn die Ausspracheregeln sollten vor allem einer Leserschaft dienen, die es gewohnt war, Literatur auf Toskanisch zu rezipieren. Ähnliche Bezüge zur Mehrsprachigkeit und zum Sprachkontakt in der Italia Spagnola stellen auch Giovanni Mario Alessandri d’Urbino und Giovanni Miranda her, um ihre Spanisch-Lehrwerke zu legitimieren. 689 Es kann festgehalten werden, dass bestimmte Argumente in den Vorworten, Widmungsschreiben, Prologen und Lesehinweisen regelmäßig wiederkehren. Die Verleger, Übersetzer und Herausgeber bewarben damit den Status des Spanischen als Literatursprache in der Italia Spagnola. Der Verweis auf das rege Interesse am Kastilischen und der spanischen Literatur bestätigt erneut Il Galateos Befürchtungen (Vgl. Kapitel 5.1.1): In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit in Süditalien bereits die Literaturrezeption und -produktion beeinflusst, wobei davon auszugehen ist, dass spanischsprachige Literatur zwar schwerpunktmäßig im Königreich Neapel vertrieben und gelesen wurde, sich aber durchaus auch in Norditalien die Hispanophilie auf die Lesegewohnheiten der Bildungselite niederschlug. Im Grunde genommen ist die Diskussion der Rolle des Spanischen in den Paratexten ein Versuch, die Relevanz des Spanischen als Literatursprache in der Italia Spagnola zu hervorzuheben und die spanischsprachige Literatur in den Bildungskanon mit einzuschließen. Dabei konnte das Toskanische jedoch nicht aus seiner Position als einflussreichste europäische Kultursprache verdrängt werden, die es noch bis ins 18. Jahrhundert beibehalten sollte 690 , selbst wenn in einigen Kommentaren das Spanische als internationale Sprache der Diplomatie stilisiert wurde. Die vereinzelten Versuche mancher Autoren, die literarische Überlegenheit des Kastilischen gegenüber dem Toskanischen zu proklamieren berufen sich in letzter Instanz aber stets auf die Besonderheiten der kastilischen Poesie volkstümlichen Ursprungs, wie folgender Auszug aus den Equívocos Morales von Sánchez de Viana zeigt 691 : [...] á la Toscana se aventaja muy conocidamente. En prosa, negocio es llano, como lo verá quien leyere à un fray Luis de Granada, á un fray Hernando del Castillo, etc., y los cotejare con los mas flóridos y famosos toscanos, con Joan Bocacio, Pedro Bembo, Sannazaro, Cornelio Muso obispo de Bitonto. Pues en verso no tiene duda, porque ninguna poesia italiana hay que no la 689 In Kapitel 5.3.2 wird auf diese Texte zurückzukommen sein. 690 Vgl. Sáez Rivera 2008, 3: „A este respecto, la verdadera lengua internacional en la época era aún el italiano, dado el primado de la cultura italiana en el Renacimiento (arte, música y literatura, pero también las ciencias, las modas o los juegos), que ejercía una gran influencia en toda europa aun en el siglo XVIII [...].“ 691 Es handelt sich um Sánchez de Viana, von dem die spanische Übersetzung von Ovids Metamorphosen stammt; s.o. 243 imite nuestra lengua tan elegantemente como allá se compone: sonetos, tercetos, octavas rimas, canciones, madrigales... esdrúchulas, rima suelta, como Boscán, Garcilaos de la Vega, Montemayor, y otros muchos han hecho y hacen agora. Pero las redondillas de la castellana son tan proprias suyas, que á ninguna de las otras las concede, y si alguna vez han querido intentar á hacerlos, como lo procuraron Olimpio de Sassoferrato, Noturno Neapolitano, Joan Bruno y otros, hanlas compuesto tales que son dignas de risa. (Sánchez de Viana zit. bei Croce 1895, 73) 5.3 Sprachreflexion in Lehrwerken In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden in der Italia Spagnola Spanischlehrwerke, die Informationen über die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel enthalten und die für die Untersuchung der Expertenmeinungen von zentraler Bedeutung sind. Zum einen, weil die Autoren den Regeln des Buchmarktes entsprechend (vgl. Kapitel 5.2) in den Einleitungen und Lesehinweisen Ziel und Zweck ihrer Werke formulieren mussten. In diesem Zusammenhang reflektierten sie auch die Bedingungen und Notwendigkeiten für das Spanischstudium. Zum anderen, weil sich darin ein Systematisierungsschub in der Herstellung der Materialen für den Spanischunterricht abzeichnet. Antonio Roldán Pérez (1976) befasste sich mit der Frage, was im 16. Jahrhundert dazu geführt hatte, dass der Spanischunterricht in Grammatiken und Wörterbüchern aufbereitet wurde, und warum diese nicht nur auf die Bedürfnisse der aristokratischen Eliten abgestimmt waren, sondern auch Händler, Soldaten und Reisende nutzen sollten. 692 Allerdings konzentrierte er sich dabei auf das Spanischstudium in den Niederlanden 693 und berücksichtigte die Italia Spagnola nicht. Er setzte sich vorwiegend mit Lernmotiven auseinander 694 , die nicht alltäglichen kommunikativen Notwendigkeiten entsprangen, sondern auf das Studium einer Fremdsprache aus Prestigegründen abzielten. Des Weiteren untersuchte er hauptsächlich die Begleittexte, die der Autorisierung und Legiti- 692 Vgl. Roldán Pérez 1976, 206: „Es ahora el propósito de mi intención mostrar, también en un panorama selectivo de textos, las motivaciones que se esgrimen en las Gramáticas, Diccionarios y Vocabularios del siglo XVI, tendentes a justificar la necesidad de que la lengua española sea conocida en amplias capas sociales que abarcan desde el estudiante hasta el mercader desde la corte hasta la milicia, desde el docto erudito hasta el viajero [...].“ 693 Vgl. hierzu auch u.a. Quijada van den Berghe 2008. 694 Er stellt sechs mögliche Motive fest: A) „La moda“, B) „Intercambio espiritual y social; necesidad de saber y alcanzar honores“, C) „Valor intrínseco de la lengua“, D) „Contenido y Forma“, E) „Motivaciones comerciales“ und F) „La lengua al servicio del Imperio“; vgl. Roldán Pérez 1997, 206-219. 244 mierung der Bücher dienten. 695 Einen Überblick über die Inhalte der Grammatiken und Wörterbücher 696 der Italia Spagnola bietet Eugenio Meles „Tra grammatici, maestri di lingua e raccoglitori di proverbi spagnuoli in Italia“ (1914). Mit der Geschichte des Spanischunterrichts befasst sich Sánchez Pérez (1992). In jüngerer Zeit entstanden einige Untersuchungen, die sich auf einzelne Autoren konzentrieren, wie beispielsweise die Arbeiten von Maria Carreras i Goicoechea zu Giovanni Mirandas Osservationi della lingua castigliana (1566) 697 und José Joaquín Martínez Egidos Untersuchungen 698 zu Lorenzo Franciosini. Darüber hinaus finden sich Studien, die jeweils einen Aspekt der Fremdsprachendidaktik wie beispielsweise die Lexikographie 699 näher untersuchen. Daniel M. Sáez Rivera führte in seiner Dissertation 700 eine Untersuchung der Spanischgrammatiken und -lehrwerke für einen späteren Zeitraum im gesamteuropäischen Kontext durch. Sáez Rivera analysierte 65 Werke 701 und extrahiert die für die Geschichte des Spanischen relevanten Sprachdaten. Sein Fokus ist dabei auf die Entwicklungen in der Morphosyntax des Spanischen gerichtet (vgl. Sáez Rivera 2007, 3). Metasprachliches wird nicht berücksichtigt, da dies im Rahmen der typologischen Beschreibung der Lehrformen keine entscheidende Rolle spielt. Insgesamt unterscheidet Sáez Rivera zehn Typen. 702 Die Kriterien, die er dabei ansetzt, betreffen neben der Terminologie zur Beschreibung grammatischer Kategorien, auch die Makro- und die Mikrostruktur der Texte, deren einzelne Versatzstücke er in Bezug auf die enthaltenen Diskurstraditionen und Textsorten beschreibt. Diese Methode der Untersuchung der Textualisierungsverfahren wird im Folgenden teilweise übernommen, weil durch die Beschreibung der einzelnen Elemente und Versatzstücke die Transformations- und Anpassungsprozesse dargestellt werden können, die die Spanischlehrwerke und -grammatiken im 16. Jahrhundert in der Italia 695 Zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts in der Renaissance vgl. Caravolas 1994a und 1994b. Zur Entwicklung des Unterrichts anderer europäischer Volkssprachen in Italien vgl. Pellandra (Hrsg.) 1989. Siehe auch Schröder (Hrsg.) 1992 und Häberlein/ Kuhn (Hrsg.) 2010. 696 Siehe auch Gallina 1975. 697 Vgl. Carreras i Goicoechea 1992; 1993; 1994; 1995; 1996 und 2002. 698 Vgl. Martínez Egido 2001; 2002 und 2003. 699 Vgl. z.B. Gallina 1957 und 1959; siehe auch die beiden Sammelbände Ahumada Lara (Hrsg.) 2000 und Medina Guerra (Hrsg.) 2003. 700 Vgl. Sáez Rivera 2007; siehe auch Sáez Rivera 2008. Zum Italienischunterricht in Spanien in der Frühen Neuzeit vgl. u.a. Niederehe 1996a. 701 Vgl. Sáez Rivera 2007, 1331-1511. 702 Die zehn Typen sind: Grammatik (gramática), Lehrdialog (diálogo escolar), Nomenklatur (nomenclatura), Wörterbuch (diccionario), Brief (carta), kürzere Erzählung (narración breve), Sprichwörter (refranes), sprachgeschichtliche Anmerkungen (notas histórico-lingüísticas), Ortsbeschreibungen (itinerario) und menippeische Satire (sátira menipea); vgl. Sáez Rivera 2007, 1119-1274. Zur diskurstraditionellen Konstitution der spanischen Grammatik in den Siglos de Oro siehe auch Cano Aguilar 2008. 245 Spagnola erfahren hatten. Es wird davon ausgegangen, dass aus verschiedenen Traditionen der Lexikographie und der Grammatikschreibung das kombinierte Modell ‘Lerngrammatik’ entwickelt wurde, das speziell für die Anforderungen des Sprachenstudiums in der Italia Spagnola konzipiert wurde. Dieser Prozess wird zunächst anhand eines Überblicks über die Gattungen und Diskurstraditionen, die im frühen 16. Jahrhundert für den Fremdsprachenunterricht benutzt wurden, skizziert (vgl. Kapitel 5.3.1). Im Anschluss daran wird die Entwicklung der Spanischlehrwerke in der Italia Spagnola anhand repräsentativer Beispiele vertieft (vgl. Kapitel 5.3.2). Um rekonstruieren zu können, welche Lernziele mit den Büchern verfolgt werden konnten, müssen die Makrostruktur der Lehrwerke mit Blick auf die zugrundeliegenden Textualisierungsprozesse, die Mikrostruktur mit Blick auf die angewandten metasprachlichen Darstellungs- und Beschreibungsmodi sowie das Beispielmaterial mit Blick auf Diskursdomänen und Kommunikationsbereiche untersucht werden. 5.3.1 Lehrbücher für den Fremdsprachenunterricht im 16. Jahrhundert Das Studium einer Fremdsprache ist grundsätzlich zweckgebunden. Die Motivation, die dazu führt, und die Ziele, die damit verfolgt werden, variieren jedoch. 703 In der Frühen Neuzeit waren beispielsweise Lateinkenntnisse eine Voraussetzung dafür, am intellektuellen Leben teilnehmen zu können. Das Lateinstudium war durch die Universitäten und kirchliche Einrichtungen institutionalisiert und in Wörterbüchern und Grammatiken systematisiert. 704 Antonio de Nebrija hatte mit den Introductiones Latinae (1481) eine Lateingrammatik 705 und mit den spanisch-lateinischen Wörterbüchern die lexikographischen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. 706 Im 16. Jahrhundert verfassten die spanischen Humanisten Juan Luis Vives und Pedro Simón Abril Lerngrammatiken für den Unterricht der klassischen Sprachen. 707 Als gemeinsame Buch- und Lesesprache hatte das Lateinische 703 Johannes Müller-Lancé (2000, 34-47) unterscheidet fünf Lernmotive: „1. Sprache als Medium von Bildung“, „2. Sprache als Repräsentant einer Religion“, „3. Sprache als Rahmenbedingung, an die man sich anzupassen hat“, „4. Sprache als Mittel, um individuelle Kontakte zu knüpfen“ und 5. „Sprache als Forschungsobjekt“. Auf die hier zu untersuchenden Konstellationen trifft diese Einteilung, die den Fremdsprachenunterricht in Europa von der Antike bis in die Aktualität typisiert, nur bedingt zu. 704 Vgl. Hüllen 2000, 178. 705 Vgl. hierzu u.a. Percival 2001. 706 Das erste Wörterbuch war das Lexicon hoc est Dictionarium ex sermone latino in hispaniensem o Diccionario latino-español (1492), vgl. Codoñer 2001; zu Nebrija als Lexikograph siehe auch Doménech 1997. Was Nebrijas Sprachtheorie betrifft, vgl. Braselmann 1991; Esparza Torres 1995; Girón Alconchel 2001 und Percival 2001. 707 Juan Luis Vives (1492-1540), der an der Universität Löwen Grammatik und Theologie unterrichtete, verfasste die Exercitatio linguae Latinae (1539); vgl. Breva-Claramonte 246 im vielsprachigen 708 Europa bis ins 17. Jahrhundert immer noch eine Bindegliedfunktion, die sich jedoch auf gelehrte Diskursdomänen und Bereiche des religiösen Lebens beschränkte. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nahm in den europäischen Ländern jedoch sukzessive die Notwendigkeit zu, neben der Muttersprache auch Kenntnisse in anderen Volkssprachen zu erwerben, wobei die Gründe dafür nicht intellektueller sondern meist praktischer Natur waren. 709 Der Unterricht in den Volkssprachen war im Gegensatz zum Lateinischen nicht institutionalisiert und erfolgte in der Regel mit Hilfe von Privatlehrern oder im Selbststudium. 710 Seit Beginn des 16. Jahrhunderts wurden zu diesem Zweck europaweit Lehrbücher vertrieben, die einen gänzlich anderen Charakter als die Lehrwerke für das Lateinstudium hatten. In ihnen ist das Sprachenstudium nicht nach den Regeln einer ars systematisiert, sondern zweckgebunden aufbereitet und an den Lebensbereichen orientiert, in denen Fremdsprachenkenntnisse notwendig waren. Insgesamt waren im 16. Jahrhundert zwei große Lehrbuchfamilien verbreitet, mit denen mehrere Volkssprachen für den Gebrauch in alltäglichen Gesprächssituationen erlernt werden konnten. 711 Die erste Gruppe bilden die Nomenklaturen der Vochabuolista-Tradition 712 , die auf dem Introito e Porta (Venedig 1477) basieren. 713 Der zweiten Gruppe gehören die polyglotten Colloquia cum Dictionariolo an, die auf Noël de Berlaimonts Vocabulaire 714 (Antwerpen 1530) zurückgehen. Der Introito e Porta erschien 1477 in Venedig und nennt im Kolophon Adamo de Roduila, einen in Italien lebenden deutschen Dru- 1994, 107-122. Von Pedro Simón Abril (1530-1600), der in Zaragoza und Huesca Grammatik und Philosophie lehrte, stammt De lingua Latina vel arte grammatica, libri quatuor (1573), vgl. hierzu Breva-Claramonte 1994. 708 Hüllen (2000, 178) nennt Räume in Europa, in denen im 15. und 16. Jahrhundert Mehrsprachigkeit in historischer Kontiguität gegeben war; darunter die heutigen Niederlande mit dem deutschen Niederrhein, wo Niederländisch, Flämisch, Niederdeutsch, Friesisch, Französisch und Englisch koexistierten, sowie das heutige Süddeutschland mit Österreich und Oberitalien, wo mindestens Deutsch, Alemannisch, Venezianisch und Toskanisch gesprochen wurden. Das süditalienische Panorama berücksichtigt er hingegen nicht. 709 Vgl. Hüllen 2000, 178. 710 Vgl. Hüllen 2000, 179f. 711 Vgl. Nieto Jiménez 2000. Einen Überblick über die Entwicklung der mehrsprachigen Lexikographie vom 16. bis ins 20. Jahrhundert gibt Acero Durántez 2003. 712 Vgl. Coseriu 2003, 216: „Namengebend für die Nachfolgefamilie der Inkunabel Adam von Rottweil wurden die ersten Worte (Solenissimo vochabuolista) der zweiten Druckausgabe von Domenico de Lapi ‘stampada d’Aprile 1479’ zu Bologna.“ 713 Vgl. Gallina 1959, 25-40; Rossebastiano 1984 und 1992; Hüllen 2000, 180-184 und Coseriu 2003, 210-219. 714 Vgl. Bourland 1933, 289-318; Gallina 1959, 73-91; Hüllen 2000, 184-187; siehe auch Sáez Rivera 2007, 196-206. 247 cker, der als Adam von Rottweil identifiziert wurde. 715 Dieses Wörterbuch entstand im Kontext der deutsch-oberitalienischen Handelsbeziehungen, wobei das ‘Italienische’ in der Ausgabe von 1477 venezianisch geprägt ist: (90) Questo Li- / bro el qu / ale si chi / ama introito e porta de que- / le che voleno imparare e cõ / prender todescho a latino ci / oe taliano [sic! ] el quale e vtilissi / mo per quele che vadeno a / pratichando per el mundo el / sia todescho o taliano. (Rottweil 1477, zit. bei Gallina 1959, 27) Der Introito e Porta, in dem die Einträge nicht alphabetisch sondern nach Themenkomplexen angeordnet sind, war zunächst im deutschen Raum erfolgreich. Aber bereits 1510 erschien in Rom eine erweiterte viersprachige Ausgabe, in der neben dem Deutschen und dem Italienischen 716 , auch das Lateinische und das Französische berücksichtigt wurden. 1526 erschien in Venedig die erste fünfsprachige Adaption, die das Spanische miteinbezog und ab 1538 erschienen sechssprachige Versionen, die laut Hüllen die erfolgreichsten waren. In der Regel wurden in den sechssprachigen Ausgaben das Lateinische, das Französische, das Spanische, das Toskanische, das Deutsche und das Englische berücksichtigt. 717 Insgesamt erschienen von 1477 bis 1636 siebenundachtzig Ausgaben dieser Lehrbuchfamilie. 718 Bereits der einleitenden Passage ist die alltagssprachliche Orientierung des Lehrbuchs zu entnehmen. Dies soll ein Auszug aus der sechssprachigen Ausgabe von 1541 (Venedig) verdeutlichen 719 : (91) Welsch. Utilisimo vocabulario ad imparar a legere per quelli che lo desiderassero senza andar a schuola: come artigiani & donne. Anchora Italiano puo imparare Latino, Franzoso, Spagnolo: & Tedescho, & cosi ciaschado 720 di loro potra intendere Italian: perche in questo libro si se contiene tutti, nomi, vocabuli, e parole che si possono dire in piu modi. Qvesto Libro si chiama introito & porta di coloro che vogliono imparare & comprendere Italiano, Thoscano, Francese, Spagnolo, o Thedesco: ilquale e vtilissimo p quelli che vanno pratic-do perlo mõdo. (Sex linguarum 1541, A1v-A3r) Ziel war es, denjenigen, die nicht im schulischen Rahmen, Fremdsprachen lernen konnte - nämlich Frauen und Handwerker -, eine Möglichkeit zu geben, Kenntnisse in den genannten Sprachen zu erwerben. Im Anschluss 715 Vgl. Gallina 1959, 27 und Hüllen 2000, 180. Unklar ist, ob der Herausgeber zugleich der Verfasser des Buches war; vgl. Coseriu 2003, 216. 716 In der zweiten Auflage (1479) wurden viele Venezianismen zugunsten der Toskanisierung aufgegeben; vgl. Gallina 1959, 30f. 717 Es existieren Editionen, in denen anstelle des Deutschen das Flämische steht. 718 Vgl. Hüllen 2000, 182. 719 Das Toskanische wird in der auf Rottweil zurückgehenden deutschen Terminologie als Welsch bezeichnet. 720 In der Ausgabe von 1549 liest man „ciaschaduno“. 248 an die Einleitung wird die Aussprache einiger Grapheme erläutert, wobei die Regeln auf der Ausgabe von 1477 basieren und daher hauptsächlich die Aussprache des Deutschen berücksichtigen. 721 Darauf folgt ein alphabetischer Überblick über die 55 Kapitel 722 des ersten Teils, das nach Sachgebieten geordnet Vokabeln und phraseologische Einheiten auflistet. Werner Hüllen unterteilt den Text in thematische Gruppen, die das Vokabular für bestimmte Sachgebiete bereitstellen. 723 Die erste Einheit bezieht sich auf religiöse Themen, darunter finden sich beispielsweise die Namen für Gott und den Teufel, sowie Gebetstexte (Vaterunser und Ave Maria); darauf folgt eine zweite Gruppe mit Bezeichnungen, die das Individuum und die Gesellschaft betreffen; eine dritte Gruppe listet Berufsbezeichnungen und andere Termini aus der Geschäftswelt auf, so zum Beispiel Warennamen, Geldeinheiten usw.; in einer vierten Gruppe werden Haushaltsgegenstände und Waffen aufgeführt; in der folgenden Einheit finden sich Namen und Bezeichnungen für Natur, Pflanzen und Tiere, in der nächsten Gruppe werden nautische und geographische Termini genannt, dann folgt ein letzter gemischter Themenkomplex, in dem unter anderem Krankheitsbezeichnungen oder die Bereiche der Katechese, der Liturgie und des Schulwesens abgedeckt werden. Das Sex linguarum der Vochabuolista-Tradition war praktisch orientiert und bereitete das Vokabular auf, das geschäftsreisende Handelsleute benötigten und das für die Kommunikation in Kernbereichen des privaten und öffentlichen Lebens, wie Krankheitsfälle, Einkäufe oder die Religionsausübung, relevant war. 724 In den einzelnen Kapiteln werden nicht nur Lexeme zu einem Sachbereich aufgelistet, sondern auch phraseologische Einheiten, die in den entsprechenden Kommunikationssituationen hilfreich sein können. Die Ausstattung mit Beispielen variiert dabei von Sachgebiet zu Sachgebiet. So erfolgt in Kapitel 18, das sich den Farben widmet, lediglich eine Aufzählung der Bezeichnungen, was damit zusammenhängt, dass das Sachgebiet ‘Farben’ nicht eng an bestimmte Handlungen gekoppelt ist. In anderen Kapiteln, vor allem in denen, die das Berufsleben und den Handel betreffen, wird zunächst der Basiswortschatz aufgelistet, um dann Gebrauchskontexte in Versatzstücken, wie Redewendungen oder kürzeren Phraseneinheiten anzugeben. So werden zu Beginn des zwölften Kapitels zunächst die relevanten Sachbegriffe der Bereiche Städtebau, Ver- 721 Vgl. Gallina 1959, 27 und Coseriu 2003, 217-219. 722 Dies entspricht auch der Anzahl der Kapitel der Ausgabe von 1477. 723 Vgl. Hüllen 2000, 181f. 724 Die Titel der Kapitel geben an, welche Wortfelder und Lebensbereiche sie abdecken, wie z.B.: „cap. 14. Oro & arg ẽ to & todas las cosas liquefatas / Oro & argento tutte cose de smalto“, „cap. 21. Pan & vino & otras cosas de comer / Pane vino & di tutte le cose che si mangia“, „cap. 40. Enfermedad & malatia / Infirmita & malatia“, „cap. 52. Bodega & lo q en si cõtiene / Canoua & di qllo che cõtiene“„cap. 44. Diez mandami ẽ tos / Dieci comandam ẽ ti“; vgl. Sex linguarum 1541, o.S. Es wurden nur die spanischen und toskanischen Titel berücksichtigt. 249 waltung und Gerichtswesen genannt, im Anschluss an die Berufs- und Ämterbezeichnungen, wie Hauptmann, Richter, Kanzler, folgen phraseologische Einheiten, die im weitesten Sinne die Rechtsprechung betreffen: (92) capitan il capitanio iuez il giudice canciller il cancigliero cancilleria la cancelleria iuyzio il giudicio auogado lauocato iusto, razon giusto, ragione tengo razon io ho ragione no tienes razon tu hai torto no tuuiste razon tu hauuessi torto porque perche portanto percio (Sex Linguarum 1541, Di-Dii) Die Anordnung der einzelnen Versatzstücke ist dabei in den sechs Spalten aufeinander abgestimmt, wobei jedoch lediglich im Toskanischen und im Deutschen die bestimmten Artikel angegeben werden. Die Einheiten ‘ich habe Recht’, ‘du hast Unrecht’, ‘du hattest Unrecht’, ‘warum’, ‘darum’, ermöglichen es, Sachverhalte, die Recht und Unrecht betreffen, im Gespräch anzuwenden und zu kombinieren. Der zweite Teil des Buches trägt den Titel „Liber secundus nomibus & verbis secundum eorum significationes“ und beinhaltet vier weitere Kapitel, die nach Wortarten geordnet sind und rund 900 Einträge 725 umfassen. Im ersten Kapitel sind Verben im Infinitiv und in der Form des Partizip Perfekts aufgelistet, das zweite beinhaltet eine Liste von Nomina, im dritten sind Adjektive, Pronomina und Adverbien aufgereiht, im vierten werden einige Phrasen und feststehende Ausdrücke wiedergegeben, die im alltäglichen Sprachgebrauch nützlich sind, zum Beispiel beim Einkaufen und Verhandeln über Ware: (93) trahe del vin va a tra vino en tiendes intendi tu habla que te parla che io te entientia indenda no es vuestro no se conuien a te es suyo e suo que vale che vale que significa esto che significa questo algo significa significa qual che cossa (Sex Linguarum 1541, Mii) 725 Vgl. Hüllen 2000, 181. 250 Die vier Kapitel des zweiten Teils sind weder alphabetisch noch nach Sachgruppen aufgebaut. Das vierte Kapitel dient der Einübung des Sprachgebrauchs, während mit Hilfe der ersten drei Kapitel der Basiswortschatz trainiert werden kann. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Methode der Vochabuolista-Lehrbücher: Die Sprachen werden vorwiegend über den Wortschatz, kürzere phraseologische Einheiten und Gebrauchskontexte vermittelt. Das Lehrbuch leistet keine grammatische Beschreibung der Sprachen und erklärt auch die strukturellen Unterschiede der Sprachen nicht, da die Vochabuolista-Bücher für Personen geschrieben wurden, die nicht zur Schule gehen konnten und folglich nur bedingt über Grammatikwissen verfügten. Somit liegt der Fokus auf der Vermittlung von Sprachwissen durch Gebrauchskontexte. Intellektuelle Diskursdomänen und stilistische Fragen spielen keine Rolle. Schließlich sind die Bücher der Vochabuolista-Tradition ein Beleg dafür, dass europaweit in allen Gesellschaftsschichten die Notwenigkeit bestand, Kenntnisse in den Volkssprachen zu erwerben. Fremdsprachenwissen war also auch außerhalb intellektueller Kreise notwendig und nützlich, wie dem Untertitel der Ausgaben von 1541 und 1549 zu entnehmen ist: „[…] coloro che vogliono imparare & comprendere Italiano, Thoscano, Francese, Spagnolo, o Thedesco: ilquale e vtilissimo p quelli che vanno pratic-do perlo mõdo[…]“ (vgl. Zitat 91). Positiv wird Fremdsprachenlernen auch in den Colloquia cum Dictionariolo bewertet, der Lehrbuchtradition, die Noël de Berlaimont mit einem französisch-flämischen Wörterbuch 1530 begründete. Berlaimonts Vocabulaire ist ähnlich wie die Vochabuolista-Bücher aufgebaut. Neben dem alphabetischen Glossar mit Basiswortschatz beinhaltet er Dialoge, Briefbeispiele, einen religiösen Teil mit Gebetstexten (Vaterunser und Ave Maria) sowie Ausspracheregeln. 726 1551 erschien dieses Lehrwerk in Löwen erstmals in einer viersprachigen Ausgabe, in der neben dem Deutschen, dem Französischen und dem Lateinischen auch das Spanische berücksichtigt wurde. 1558 wurde in Antwerpen und Löwen jeweils eine viersprachige Ausgabe veröffentlicht, die das Spanische und das Toskanische beinhaltet. Bei Henricus Heyndricx erschien in Antwerpen 1576 unter dem Titel Colloquia cum Dictionariolo sex linguarum: Teutonicae, Anglicae, Latine, Gallicae, Hispanicae, & Italicae die erste sechssprachige Ausgabe 727 , die in vielen europäischen Ländern besonders erfolgreich war und teilweise sogar auch um eine siebte und eine achte Sprache erweitert wurde. 728 Die mehrsprachigen Ausgaben waren nicht vollständig nach dem Prinzip der ursprünglichen Ausgabe aufgebaut. Während Berlaimonts Lehrbuch von 1530 zwei Schwerpunkte 726 Vgl. Bourland 1933, 289; Gallina 1959, 76; Sáez Rivera 2007, 196f. 727 Vgl. Bourland 1933, 297; Gallina 1959, 80 und Hüllen 2000, 184. 728 Vgl. Sáez Rivera 2007, 197. Zwischen 1530 und 1703 erschienen, angefangen von dem zweisprachigen Buch bis hin zu den achtsprachigen Versionen circa 100 Ausgaben dieser Lehrbuchtradition; vgl. Bourland 1933, 290 und Hüllen 2000, 186. 251 gesetzt hatte, nämlich die Handels- und Geschäftswelt sowie die religiöse Unterweisung, wurde der religiöse Teil in den sechssprachigen Ausgaben durch vier weitere praxisbezogene Dialoge ersetzt. Annamaria Gallina schreibt hierzu: È evidente lo scopo cui erano destinati questi manuali. Nati in un primo tempo per essere un ausilio per viaggiatori e commercianti e un testo nelle scuole, quest’ultimo scopo fu presto trascurato (e lo dimostra l’abolizione della parte riguardante religiosa, avvenuta definitivamente con l’edizione in sei lingue del 1576) e fu sempre più sviluppata la parte dedicata ai commercianti e ai viaggiatori e così gli originari tre dialoghi d’argomento pratico aumentarono fino a diventare sette. (Gallina 1959, 80) In der Einleitung werden Lernziele und Lernertypen genannt und wie in der Vochabuolista-Tradition wird die Notwendigkeit von Fremdsprachenkenntnissen für Handeltreibende und Reisende betont. Folgendes Zitat ist der dritten Auflage der Antwerpener Ausgabe entnommen, die 1583 bei Heyndricx erschien. 729 (94) Espaignol. Amigo Lector, este libro es tan vtil y prouechoso, y el vso de aquel tan necessario, que su valor aun por hõbres doctos, no se puede apreciar: porque no ay ninguno en Francia, ny en estos estados baxos ny en España, ny en Italia, negociando en estas tierras de aca, Que no tenga necessidad de essas seys lenguas aqui escritas y declaradas: Porqué o sea que alguno entienda en mercaderia, o que el anden en Corte, o que siga la guerra, o camine por tierras estrañas, ternia menester vn faraute, para qualquier d’estas lenguas. Loqual considerando hemos a nuestro gran costa, y para vuestra gran commodidad, las dichas lenguas de tal manera aqui ayuntado y puesto en orden, assi que vos de aqui adelante no terneys necessidad de faraute: mas las podreys de vos mismo hablar y valeros dellas, y conoscer la manera de la pronunciacion de muchas Nationes. Quien pudo jamas alcançar con vna lengua. el amistad de diuersas Nationes? Quantos pudieron enriquecer, sin noticia de muchas lenguas? Quien supo bien gouernar ciudades y prouincias sin saber otra lengua que la suya maternal? pues que esto assi es amigo lector [...] Que si no os uiniere à proposito, aprender lo todo de coro, toma dello, lo que os es mas necessario [...] (Colloquia cum Dictionariolo 1583, A5r-B2r) Im Vergleich zu der Vochabuolista-Tradition ist der Anspruch der Colloquia cum Dictionariolo an seine Leser höher. Prinzipiell richteten sie sich nicht 729 In der Metasprache, dem Französischen wird das Toskanische in dieser Ausgabe als Italien bezeichnet, was damit zusammenhängen mag, dass die Colloquia-Tradition niederländisch ist und somit aus der Perspektive von außen italieninterne Fragen der Questione della lingua nicht relevant waren. Außerdem musste ein polyglottes Lehrbuch, das für Handeltreibende und Reisende zum Selbststudium konzipiert war, eine überregionale Varietät bereitstellen. 252 nur an diejenigen, die keinen Zugang zu schulischer Bildung hatten, sondern an alle, die berufsbedingt reisen mussten. Man könne erfolgreicher verhandeln, wenn man nicht durch Dolmetscher („faraute“) kommunizieren müsse, sondern selbst in der Fremdsprache verhandeln könne. Durch den Vergleich mit dem Regieren von Städten und Staaten („Quien supo bien gouernar ciudades y prouincias“) werden Fremdsprachenkenntnisse als Voraussetzung für Macht, Einfluss und Reichtum dargestellt. Dabei wird nicht die Notwendigkeit eines umfassenden und intensiven Studiums der sechs Fremdsprachen empfohlen, sondern betont, dass das Buch auch an individuelle Bedürfnisse angepasst, selektiv konsultiert werden kann. Die sechssprachige Ausgabe von 1583 ist in zwei Teile gegliedert. 730 Der erste Teil besteht aus acht Kapiteln, von denen die ersten sieben Colloquia beinhalten. Diese Colloquia sind Dialoge und decken jeweils einen Konversationsbereich ab. Das erste Kapitel enthält eine Unterhaltung bei einem Gastmahl; das zweite ein Verkaufsgespräch; im dritten wird dargestellt, wie man Schulden einfordert; das vierte Kapitel listet Konversationsfragmente auf, die das Reisen und die Suche nach dem richtigen Weg betreffen; das fünfte beinhaltet ein Gespräch beim Beziehen der Unterkunft in einer Herberge; das sechste eine Konversation beim Aufstehen am Morgen, wobei in diesem Dialog die Steigerungsformen der Adjektive listenartig integriert sind; das siebte zeigt, wie man Waren zum Verkauf anpreist und wird durch eine Liste mit Zahlwörtern und Wochentagen ergänzt; im achten finden sich Anleitungen zum Verfassen von Briefen und Verträgen, wobei zwischen einem Brief an einen Freund, einem Mahnbrief, einem Mietvertrag, einer Kündigung, einem Schuldbrief usw. unterschieden wird. Der zweite Teil beginnt mit einem Glossar, in dem die flämischen Lexeme alphabetisch angeordnet sind, die Übersetzungen in die anderen Sprachen entsprechen dieser Reihenfolge. Darauf folgen jeweils zwei Konjugationstabellen für ‘haben’ und ‘sein’ in den sechs Sprachen. Im Anhang an den zweiten Teil wird ein Überblick über die Aussprache der Laute des Französischen, des Toskanischen, des Spanischen und des Deutschen gegeben. Zuletzt werden jeweils Maskulin- und Femininformen der Artikel, der Nominalendungen und der Pronomina des Französischen, des Spanischen und des Italienischen aufgelistet. Abschließend werden die Diminutivformen in den drei Sprachen aufgeführt. Die Metasprache zur Beschreibung der Wortarten ist das Französische, Tabellen und Schemata dienen zur Veranschaulichung. Sowohl der Inhalt der Colloquia im ersten als auch die Vokabellisten im zweiten Teil zeigen, dass grammatisches Basiswissen vorausgesetzt wurde, da die Wortarten und Flexionsformen mit der Terminologie der lateinischen Grammatik beschrieben werden. Letztlich überwiegt in den Colloquia cum Dictionariolo ebenso wie in der Vochabuolista-Tradition die praxisbezogene Aufbereitung von Sprachwis- 730 Diese Aufteilung entspricht dem Aufbau der zweisprachigen Ausgabe (1530). 253 sen. Die an Kommunikationssituationen und Diskursdomänen gebundene Vermittlung des Wortschatzes und phraseologischer Einheiten bildet das Kernstück beider Lehrbuchfamilien. Grammatikwissen und Sprachtheorie spielen dabei nur bedingt eine Rolle. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Lehrbücher von den frühen volkssprachlichen Grammatiken, wie beispielsweise Nebrijas Gramática de la lengua Castellana (1492), die eine sprachtheoretisch fundierte, philologische Grammatik ist und nicht auf den L2- Erwerb ausgerichtet war, wie auch Cristóbal de Villalóns Gramática castellana (Antwerpen 1558). 731 Sie unterscheiden sich auch von der Vtil y breve institución para aprender los principios y fundamentos de la lengua hespañola (1555) und der Gramática de la lengua vulgar de España (1559), die anonym in Löwen veröffentlicht wurden. Diese beiden Grammatiken waren für das Studium des Kastilischen als Fremdsprache konzipiert, Aufbau und Darstellungsmethode waren jedoch der Traditon der lateinischen ars verhaftet. Sie waren primär auf das Studium der grammatischen Struktur des Kastilischen ausgerichtet. 732 Da die Geschichte des Sprachenunterrichts im 16. Jahrhundert nicht weiter vertieft werden kann, sei an dieser Stelle auf Sánchez Pérez verwiesen, in dessen Band (1992) die Daten aus allen relevanten Lehrbücher und Grammtiken extrahiert wurden, um den Pluralisierungsschub zu dokumentieren, den der Sprachunterricht im 16. Jahrhundert erfuhr, wobei unterschiedliche Formen der Darstellung von Sprachwissen koexistierten und miteinander kombiniert wurden, so Hans-Josef Niederehe: In jüngster Zeit scheint es schließlich immer deutlicher zu werden, daß auch die Spracherziehung der Renaissance nicht ausschließlich als Bruch mit mittelalterlichen Methoden unter gleichzeitiger Wiederanknüpfung an die Antike (‘Quintilian’) begriffen werden kann, sondern, daß man zusätzlich auch von einem weiteren Traditionsstrang, dem allmählichen Übergehen der mittelalterlichen, auf das Latein bezogenen Sprachdidaktik zu einem Unterricht in den ‘neueren Sprachen’, auszugehen hat. (Niederehe 1996b, 160f.) 5.3.2 Spanischlehrwerke in der Italia Spagnola In den polyglotten Lehrbücher, die europaweit verbreitet waren und je nach Bedarf um die eine oder die andere Sprache erweitert wurden, war das Spanische nur eine Optionen von vielen. Die ersten Lerngrammatiken für das Spanische als L2 waren die anonymen Löwener Grammatiken (vgl. Kapitel 5.3.3), die Systematisierung und didaktische Aufbereitung der Lehrwerke für den Spanischunterricht hatte hingegen in der Italia Spagnola 731 Vgl. hierzu Auroux 1992, 15 und Sánchez Pérez 1992, 30. Siehe auch Sánchez Pérez 1992, 33: „En conjunto, la obra de Villalón es con frecuencia algo intermedio entre la gramática especulativa y teórica y la gramática práctica y pedagógica.“ 732 Vgl. hierzu u.a. Ramajo Caño 1987. 254 ihren Ausgangspunkt. 733 Il Paragone della lingua Toscana et Castigliana von Giovanni Mario Alessandri d’Urbino, der 1560 in Neapel bei Mattia Cancer erschien, und die Osservationi della lingua castigliana von Giovanni Miranda, die 1566 bei Gabriel Gioliti de Ferrariis in Venedig veröffentlicht wurden, sind die ersten Spanischlerngrammatiken 734 , die exklusiv für Italiener konzipiert wurden. Zuvor findet man nur rudimentäre Gegenüberstellungen der kastilischen und der toskanischen Grammatik in den Einführungen, die auf Delicados „Introducion que muestra el Delicado a pronunciar la lengua española“ (1534) basieren (vgl. Kapitel 5.2). In diesen wird hervorgehoben, wie ähnlich die beiden Sprachen sind und die Angaben zur Grammatik beschränken sich auf Unterschiede in der Lautung. Morphosyntaktische Regeln spielen eine untergeordnete Rolle. Auch die Ausspracheregeln haben einen rudimentären Charakter, da sich viele Erklärungen auf den Hinweis beschränken, bestimmte Laute könnten nur von Spaniern korrekt ausgesprochen werden. So liest man in Ulloas Kopie der „Introducion“ von 1553: (95) Per esser poca la differenza che ce tra la lingua Castigliana & Thoscana, come piu breue si potrà dimostraremo ai lettori in quali sillabe o lettere discorda l’una dall’altra, & a cio uenendo dico, che è in queste che seguitano. c. ç. g. ch. n. ñ. l. ll. q. que qui. x. ss. sci. e tutta la differenza consiste nel sapere pronuntiare cadauna di esse sopraposte lettere [...] Dicemo anchora che questa lettera x. non la saprà niuno proferire, ilquale non sia Hispagnuolo uero, percioche nella lingua Italiana in uece di essa si mettono queste due lettere ß. il che si proua per questo esempio, scriuendo Hispagnuolo, Maximiliano Emperador, se dira in Italiano Maßimiliano Imperadore. [...] Di maniera che sapendo usar queste tali diuersita nelle lettere & pronuntie della Castignilana lingua, che Romance è nomata, saprete & intenderete, la molta cõformità che è tra gli Hispagnuoli et gli’Italiani. (Ulloa 1553, *iiir-*iiiiv; Reprint in Rojas 1556) Im letzten Abschnitt werden, auf eine halbe Seite komprimiert, Unterschiede in der Pluralflexion der Maskulina kommentiert. Die Differenzen zwischen den Sprachen wurden so gering als möglich dargestellt, da Spanischkenntnisse als gegeben vorausgesetzt wurden (vgl. Zitat 84 und 85) und der Zweck der Einführungen vorwiegend darin bestand, der italienischen Leserschaft das korrekte Vorlesen der Texte zu ermöglichen, da dies im 16. Jahrhundert der üblichen Lektürepraxis entsprach. 735 Was die Lexikographie betrifft, hatte Lucio Cristoforo Scobar mit dem Vocabolarium Nebrissense, ex latinum sermone in Siciliensem & hispaniensem denuo traductum […], das 1520 in Venedig bei Bernardino Benaglio erschien, 733 Vgl. Sáez Rivera 2007, 111. 734 Vgl. Bertini 1953; siehe auch Gallina 1975, 25 und Sáez Rivera 2007, 112f. 735 Zur Geschichte des Lesens vgl. u.a. Beinlich 1973, 117-122; siehe auch Cátedra/ López-Vidriero/ Páiz Hernández (Hrsg.) 2004. 255 bereits das Lateinische dem Spanischen und dem Sizilianischen gegenübergestellt und somit das Spanische mit einer italienischen Volkssprache kontrastiert. Dieses Wörterbuch war, wie schon das ein Jahr zuvor veröffentlichte Vocabolarium Nebrissense ex siciliensi sermone in latinum L. Christophoro Scobare bethico interprete traductum 736 , eine Adaption von Nebrijas lexikographischem Werk und auf das Lateinstudium ausgerichtet. Anleitungen zur Aussprache oder Anmerkungen zur Grammatik sind darin nicht enthalten. Insofern stehen der Paragone und die Osservationi tatsächlich am Anfang einer neuen Lehrbuchtradition: Alessandris und Mirandas Bücher sind nicht auf den Lateinunterricht ausgerichtet, sondern auf das kontrastive Studium zweier Volkssprachen. Beide Grammatiken sind im Gegensatz zu Delicados und Ulloas Einführungen selbständige Publikationen und orientieren sich nicht an der Literaturrezeption. Außerdem verstanden die Autoren ihre Bücher als Lerngrammatiken, die grammatische Strukturen und Sprachgebrauch vermitteln sollten. In der Widmung an den Herzog von Montalto, Don Antonio von Aragón, beschreibt Alessandri den Paragone als Lehrbuch, das für Spanier, die Toskanisch lernen wollen, ebenso geeignet ist, wie für Italiener, die Spanisch lernen wollen. Seine Erfahrung beruht auf intensiven Studien an einem spanischen Hof. 737 (96) […] nell’ampio & fertilissimo Campo delle lingue secondo il poter mio mi sono affaticato, & fra l’altre vltimamente attorno il parlar Castigliano il quale per hauer io auertito nella Corte di Spagna poco tempo fa, esser copioso leggiadro & di molta autorità mi sforzai di impararlo non solo per vso come sogliono quasi tutti i forestieri (benche spesse volte imperfettamente) ma ancora per lunga lettione & osservationi certissime. Et dopo l’haver più volte trascorsi i migliori Autori, c’habbiano scritto in lingua Castigliana composi il presente Libro nel quale furon da me diligentemente raccolti i termini della medesima fauella, con farne & breue, & facile introduttione, senz’hauer saputo alcuno che prima di me in questa maniera n’hauesse trattato: & vi preposi la scorta della lingua Toscana accio che speditamente si vedesse la simglianza, & la differenza dell’una & dell’altra, & gli Italiani il parlar Castigliano col Toscano & gli Spagnuoli il Toscano col Castigliano potessero più ageuolmente apprendere [...] (Alessandri 1560, o. S.) 736 Obwohl das dreisprachige Wörterbuch 1520 veröffentlicht wurde, geht man davon aus, dass es eine Vorarbeit zu dem lateinisch-sizilianischen Buch von 1519 ist; vgl. Leone 1990, X. Die Tatsache, dass sich der Verleger Bernardino Benaglio dazu entschloss, auch die dreisprachige Version zu drucken, zeigt, dass wohl ein Absatzmarkt dafür existierte. 737 Alessandri wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Urbino geboren, hatte gute Verbindungen zu den Orsini und zu Kardinal Innico d’Avalos d’Aragona und wurde 1567 zum Bischof der südkalabresischen Stadt Oppido ernannt; 1574 übernahm er den Bischofssitz in San Marco di Calbria; vgl. Gallina 1975, 25. 256 Alessandris Ziel war es, ein innovatives Lehrwerk vorzulegen, mit dem beide Sprachen leicht erlernt werden konnten. Außerdem wollte er einem Missstand entgegenwirken, nämlich den unzureichenden Spanischkenntnissen seiner italienischen Zeitgenossen, die sich auf den alltäglichen Sprachgebrauch („vso“) beschränkten. Diesen „forestieri“ empfiehlt er das Grammatikstudium, da es zur Perfektion der Fremdsprachenkompetenz führen würde. In Anbetracht der Tatsache, dass der Paragone in Neapel erschienen ist und Alessandri wahrscheinlich am neapolitanischen Hof gelebt hatte, ist diese Aussage auf die sprachlichen Konstellationen in Süditalien, insbesondere auf Neapel zu beziehen. 738 Der Paragone della lingua Toscana et Castigliana ist seinem Aufbau und seiner Konzeption nach eine zweisprachige, kontrastive Grammatik. 739 Der erste von insgesamt fünf Teilen befasst sich mit der Aussprache und der Orthographie der beiden Sprachen („Retta scrittura et pronuntia“, 1r-38v); der zweite Teil trägt den Titel „Nomi“ (39r-61v) und berücksichtigt Nomina, Artikel und Adjektive; im dritten Teil werden die Pronomina (62r-93r) und im vierten die Verben (93v-132v) erklärt; im fünften werden unter dem Titel „Voci indeclinabili“ (133r-141r) Adverbien und Adverbialperiphrasen aufgelistet. Ein Vergleich mit dem Aufbau der Grammatik Nebrijas, die ebenfalls in fünf Teile gegliedert ist, zeigt, dass Alessandri andere Schwerpunkte setzte. Tabelle 6: Struktur von Nebrija (1492) 740 und Alessandri (1560) Nebrija (1492) Alessandri (1560) I En que se trata de la Ortographia I Retta scrittura et pronuntia II En que se trata de la Prosodia II Nomi III Que es de la Etimologia t Dición III Pronomi IV Que es de Sintaxis t orden de las diez partes de la oracion IV Verbi V De las introducciones de la lengua castellana para los que de estraña lengua querrán deprender V Voci indeclinabili Prosodie und Syntax sind im Paragone ausgeklammert. Auch die Etymologie wird nicht berücksichtigt. Stattdessen konzentrierte sich Alessandri auf die Aussprache (Teil I) und die einzelnen Wortarten (Teil II-V). Luisa Chierichetti (1997, 10) bezeichnet den Aufbau des Paragone als übersichtlicher, 738 Vgl. Gallina 1975, 25. 739 Vgl. Lope Blanch 1998, XX: „[...] el Paragone es una gramática bilingüe, ‘contrastiva’ de las lenguas toscana y castellana, como lo serían también las Osservationi de Miranda.“ 740 Vgl. Chierichetti 1997, 10f. 257 schematischer und daher als innovativ. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass Nebrijas Grammatik keine Grammatik für L2-Lerner ist - lediglich Teil V erfüllt diesen Zweck -, sondern eine umfassende Beschreibung der Struktur des Kastilischen leistet. Außerdem liegen zwischen der Veröffentlichung der Gramática de la lengua castellana und Alessandris Paragone rund siebzig Jahre, in denen Spanischgrammatiken erschienen waren, die im 16. Jahrhundert weitaus erfolgreicher als Nebrijas Werk waren. 741 Vergleicht man den Paragone mit der Gramática de la lengua vulgar de España (1559) lassen sich in Bezug auf Aufbau und Gewichtung der Themen weitaus mehr Übereinstimmungen feststellen. 742 Die einsprachige Grammatik ist in zwei Bücher unterteilt. Das erste beschreibt Orthographie und Aussprache, im zweiten werden unter dem Titel „Etimologia“ die Wortarten des Spanischen erklärt. Prosodie und Syntax klammert der Autor ebenfalls aus, da man die prosodischen und syntaktischen Regeln beim Sprechen erlernen könne: (97) [...] devia tratarse en quatro maneras dichas Ortografia, Etimologia, Sintaxe, i Prosodia; pero io, dexando estas dos posteras partes al uso comun, dedo se apr ẽ deran mejor i mas facilm ẽ te; solo trataré de las dos primeras, porq dellas depende la conicion necessaria desta lengua. (anonym 1559, o.S.) Bei einem Vergleich der internen Struktur der fünf Teile des Paragone mit der Struktur der zwei Bücher der anonymen Grammatik ergeben sich weitaus mehr Übereinstimmungen im Aufbau (vgl. Tabelle 7). Insgesamt berücksichtigt der Paragone in den Teilen II bis V alle Einheiten, die im zweiten Buch der Gramática de la lengua vulgar de España enthalten sind. Hinzu kommen die Einheiten Adjektiv (Teil II), Possessivpronomen (Teil III) und Adverb (Teil V). Der vierte Teil fällt mit der Beschreibung der reflexiven und unregelmäßigen Verben des Toskanischen und des Kastilischen, des Partizips und des Gerundiums deutlich umfangreicher aus. Während die Löwener Grammatik mit 59 Textseiten eher knapp ausfällt, umfasst der Paragone insgesamt 282 Seiten. 743 741 Über die Resonanz auf Nebrijas Grammatik schreibt Gauger 2004, 688: „Hay que decir, en segundo lugar, que la gramática de Nebrija tuvo muy poco éxito: la fama de Nebrija en su época, que era grande, se refería a sus Institutiones latinae, a su reforma de la enseñanza del latín. ‘La gramática (española) de Nebrija ha sido durante todo el Siglo de Oro un cadáver hermoso’ […].“ 742 Vgl. Carreras i Giocoechea 2002, 13. 743 Der Text des Buches im 16°-Format umfasst 141 Seiten je recto und verso bedruckt. 258 Tabelle 7: Aufbau von Alessandri (1560) und der Gramática de la lengua vulgar de España (1559) anonym (1559) Alessandri (1560) Libro I Ortografia I Retta scrittura et pronuntia Libro II Etimologia Artikel Nomen II Nomi Artikel Nomen Adjektiv Numeralia Personalpr. Demonstrativpr. Relativpr. III Pronomi Personalpr. Possessivpr. Demonstrativpr. Relativpr. a-Konjugation e-Konjugation i-Konjugation ser haver zusammengesetzte Tempora Passiv IV Verbi 744 a-Konjugation e-Konjugation i-Konjugation ser haver Passiv reflexive Verben unregelmäßige Verben (tosk.) unregelmäßige Verben (sp.) Partizip Gerundium V Voci indeclinabili Adverbien Alessandris Methode basiert hauptsächlich auf dem Vergleich der Regeln beider Sprachen. Die Wortarten und grammatischen Kategorien werden zunächst für das Toskanische und daraufhin für das Kastilische beschrieben, die Metasprache ist das Toskanische. Für beide Sprachen werden Beispiele genannt, wobei Alessandri sowohl einzelne Lexeme als auch ganze Sätze nennt, die auf das höfische Leben und die Überlegenheit der spanischen Krone bezogen oder sentenzartige Weisheiten sind. So wird der Gebrauch der Subjektpronomina folgendermaßen illustriert: (98) [...] sono articoli in compagnia de’ sostantivi, & non pronomi, ma pronomi sono quando rappresentano il sostantiuo senza hauerlo in sua cõpagnia. El officio del mercadér es guardar, màs el del Duque no es si no dàr, las 744 Die Verbalmodi, die Alessandri für alle Konjugationsklassen beschreibt, sind Indikativ („dimostrativo“), Konjunktiv („soggiuntivo“), Imperativ („modo di commandare“), Optativ („desiderativo“) und Infinitiv („modo inderterminato“). Die Terminologie entspricht derjenigen Villalóns (1558); vgl. Gallina 1975, 29. 259 cartas fueron del Virrey de çaragoça, y nò dèl de Napoles, passamos por el afamado reyno de Portugàl, y por èl de Valencia, la quàl diñidàd en el mès de enero se daua, y en èl de Deziembre se acabaua. (Alessandri 1560, 77v-78r) Obwohl der Paragone die Sprachregeln gebrauchsorientiert vermitteln will, wurde das Beispielmaterial nicht in Kommunikationssituationen und Gesprächskontexte eingebettet. Die Beispielwörter und -sätze werden jeweils blockweise an die Erläuterung einer grammatischen Regel angehängt, wobei sich allein die spanischen Beispiele von dem restlichen Text abheben, da sie nicht kursiv gesetzt sind. Die Mehrheit der Beispiele in den beiden Sprachen stimmen inhaltlich nicht überein und folglich wird der Wortschatz nicht kontrastiv dargestellt. Der Fokus liegt auf der Illustration der Grammatikregeln, wie die Erläuterung zum Gebrauch des weiblichen Artikels zeigen: (99) Vn solo articolo hanno i nomi Toscani per la femina nel numero del meno che è la, per qualsiuoglia lettera ò uocale, ò consonante che la uoce cominci come la anima, la brina, la cupidigia, la donna, la esca, la faccia, la gratia, la hasta, la isola, la lauera, la menzogna, la noia, la oliua, la parte, la quale, la rocca, la sala, la tauola, la uentura, la usanza, la zecca, Ma perche con le uoci che cominciano per uocale concorre la uocale dell’articolo, si toglie la uocale di esso articolo l’ombra, l’hasta. nel numero del piu alle medesime lettere per la femina si prepone l’articolo le, come le donne, le armi, & altri simili. Il medesimo articolo la, si prepone alle uoci Castigliane ancora del genere della femina, come la utilidad, la antigua escritura, la archiduquesa, la altra prouidentia, la bondad, la calentura, la defensiòn, la embidia, e la ethica [...] (Alessandri 1560, 42v-43r) Eine Ausnahme bildet der fünfte Teil, in dem Adverbien und Adverbialperiphrasen beider Sprachen inhaltlich aufeinander abgestimmt aufgelistet werden. Dieses Glossar ist jedoch weder alphabetisch noch zweispaltig aufgebaut, sondern integriert die Einträge in den Fließtext. Insgesamt war der Paragone für die systematische Erschließung von Wortschatz eher ungeeignet. Möglicherweise legte Alessandri keinen Wert auf eine übersichtliche, vergleichende Darstellung, weil er vorhatte ein toskanisch-kastilisches Wörterbuch zu veröffentlichen, was jedoch nicht in die Tat umgesetzt wurde. (100) Molte voci indeclinabili, che con altre cose so state costretto à pretermettere in questo libro, si potranno uedere nel Dittionario Toscano & Castigliano, il quale con l’aiuto diuino uscirà tra pochi mesi in luce. (Alessandri 1560, 141r) Insgesamt überwiegt im Paragone die Darstellungsform des Fließtextes, nur vereinzelt sind Beispiele tabellarisch aufgereiht. Der vierte Teil bildet eine Ausnahme, da die Verbformen beider Sprachen in zweispaltigen Konjugationstabellen dargestellt werden. Die Tempora und Modi werden zunächst anhand von amare - amar, leggere - leer und udire - oyr sowie am Beispiel der Hilfsbeziehungsweise Kopulaverben havere - aver und essere - ser ver- 260 anschaulicht. Darauf folgen einige unregelmäßige Verben des Toskanischen und des Kastilischen. Alessandris Leistung besteht in der vergleichenden Beschreibung der Grammatikregeln beider Sprachen. Mit Hilfe des Paragone konnten Personen mit entsprechendem Vorwissen ihre Kastilischbeziehungsweise ihre Toskanischkenntnisse vertiefen. Alessandri setzte sprachtheoretische und philologische Grundkenntnisse voraus, denn grammatische Kategorien, wie Genus, Numerus, Tempus usw., werden zur Beschreibung angewandt, aber nicht erklärt. Des Weiteren werden Bezüge zum Griechischen und zum Hebräischen hergestellt, um beispielsweise die Lautung des Graphems <a> oder die unterschiedlichen lautlichen Realisierungen des Graphems <b> im Kastilischen und im Toskanischen beschreiben zu können: (101) Quando si pronuntia questa lettera, a, subbito che s’aprono le labbra, si manda lo spirito tanto diritto al cielo, che facilmente si conosce l’huomo essere inuitato da essa alle lodi del sommo Iddio [...] Onde non senza ragione gli hebrei volsero esprimere la pronuntia di questa lettera non solo per uocale con punti, ma ancora per consonante cõ Aleph, per da intendere (per quanto io giudico) che si come questa espressione comprende uocale, & consonante, & per conseguente tutta la forza delle lettere [...] (Alessandri 1560, 1r) (102) Et questa regola generale: dalla quale sene cauano alcune uoci castigliane doue la b. si pronuntia per, u, o uero almeno in un certo modo che partecipa di, b, & di, u, cio è di quella maniera che io ho uditi molti ualenti huomini di greca natione pronuntiare la, β, greca o uero come da dottissimi hebrei mi è stata insegnata la pronuntia della, ב , hebrea quando é senza daghès. (Alessandri 1560, 3r-3v) Im Widmungsschreiben erklärt Alessandri, dass er mit dem Paragone eine neuartige und benutzerfreundliche Grammatik vorlegen wolle, die sowohl das Kastilischals auch das Toskanischstudium ermöglicht. 745 Hinsichtlich der Beschreibung der grammatischen Struktur der beiden Sprachen ist diese Aussage auch zutreffend, denn die Sprachregeln des Toskanischen und des Kastilischen hatte vor ihm niemand in diesem Umfang kontrastiert. Allerdings beziehen sich die Erklärungen ausschließlich auf das Kastilische und deshalb war der Paragone für das Toskanischstudium weniger geeignet. Des Weiteren orientierte sich Alessandri an bekannten Grammatikmodellen, legte aber insgesamt ein innovatives Konzept vor, da er die Regeln anhand von Beispielen illustrierte 746 , diese jedoch nicht lernerfreundlich 745 Vgl. Zitat 97; siehe auch Chierichetti 1997, 11. 746 Vgl. Gallina 1975, 31: „L’interesse che presenta l’opera dell’Alessandri, pur nei suoi limiti di trattarello esclusivamente pratico e senza alcuna pretesa scientifica, è perciò notevole: è relativamente completo, chiaro e esatto. L’autore aveva certamente una buona conoscenza della lingua spagnola e, pur non ignorando probabilmente la 261 aufbereitete. Die sentenzartigen Beispielsätze, die vorwiegend im dritten Teil zur Illustration der Pronomina erscheinen, repräsentieren zwar den grammatisch korrekten Gebrauch. Dialoge und Gesprächsversatzstücke wie in den polyglotten Wörterbüchern (vgl. Kapitel 5.3.1), finden sich in Alessandris Werk hingegen nicht. Insgesamt war der Paragone nicht an der Alltagskommunikation orientiert sondern bediente vorwiegend das Lernmotiv der ‘Sprache als Medium von Bildung’. 747 Der Paragone wurde nach der neapolitanischen editio princeps nicht erneut aufgelegt. Ein Grund dafür mag das Erscheinen der Osservationi della lingua castigliana (1566) sechs Jahre später gewesen sein. Denn mit diesem Buch brachte der Spanier Juan Miranda, der sich italianisierend Giovanni Miranda nannte 748 , eine umfangreichere, benutzerfreundlichere und in mancher Hinsicht auch innovativere Lerngrammatik auf den Markt. Mit dem Titel reihte er sich in die Tradition der ‘Anmerkungen’ (Osservationi) ein, in der der Sprachgebrauch der Tre Corone und anderer kanonischer Autoren kommentiert wurde. 749 In der Widmung an den Herzog von Urbino, Guidobaldo Feltrio della Rovere, positioniert Miranda sein Buch: (103) [...] io mi sono disposto ad accertarla, con l’inuiarle alcune osseruationi d’intorno al nostro idioma, da me con somma diligenza raccolte, per dimostrare a chiunque ne è bramoso la uia e di scriuere, e di esprimere ottimamente la lingua Spagnuola. (Miranda 1566, *iiiv) Tatsächlich sind Mirandas Osservationi aber ein Lehrbuch, in dem die Regeln und Gesetzmäßigkeiten des Kastilischen erklärt und die Unterschiede zwischen dem Toskanischen und dem Kastilischen anhand von Beispielen in beiden Sprachen illustriert werden. Ihr Gebrauch wird in Anmerkungen kommentiert. Im Lesehinweis legt Miranda dar, was ihn veranlasst habe, dieses Buch zu schreiben: grammatica del Nebrija né quella del Villalón, capisce che deve scostarsi decisamente da esse se vuol far opera utile ai connazionali.“ 747 Vgl. Müller-Lancé 2000, 34. 748 Über Giovanni Miranda ist nur wenig bekannt. Die einzigen Quellen, die zur Verfügung stehen, sind seine Texte. Dem Lesehinweis der Osservationi (vgl. Zitat 105) ist zu entnehmen, dass er Spanier war, der lange Zeit in Italien gelebt hatte. In Venedig erschienen seine toskanischen Übersetzungen von Luis de Granadas Werken bei Gabriel Giolito. Annamaria Gallina (1975, 31) geht deshalb davon aus, dass er dort mindestens von 1566 bis 1573 gelebt hatte; vgl. Auch Carreras i Goicoechea 1993; Lope Blanch 1998. 749 1550 veröffentlichte Lodovico Dolce bei Gabriel Giolito in Venedig die Quattro libri delle Osservationi. 1550 erschienen auch Le osservationi di M. Francesco Alunno da Ferrara sopra il Petrarca bei Pauolo Gherardo und 1562 Le osservationi della lingua volgare di diversi huomini illustri. Cioe Del Bembo, Del Gabriello, Del Fortunio, Dell’Acarisio, Et di altri scrittori. Nelle quali si contengono vtilissime cose per coloro che scriuono i concetti loro bei Francesco Sansovino. Vgl. hierzu Tavoni 1996; siehe auch Sáez Rivera 2007, 113. 262 (104) A’ lettori. Giovanni Mirnada. Molte uolte ho considerato, da che io sono uscito di Spagna, & ho conuersato in questa beata Prouincia, quanto diletto suolete prendere uoi Italiani della uaghezza, e leggiadria della nostra lingua; & con quanta cura alcuni di uoi cerchiate di apprenderla: & appresso ho souente mirato, che coloro, che presumono di saperla esprimere ottimamente, & d’esserne compiuti possessori, sono piu lontani che non si credono dalla intera cognitione di lei. Perche ho desiderato di darne alcuna regola a uostra sodisfattione […] se gli sproni del mio desiderio, & consigli del signor Gabriel Giolito, il quale già tanti anni studia di compiacerui, ornando le sue belle stampe di cose, che uagliano a recarui in un tempo & utilità, & dilettatione, non mi hauessero cacciato all’impresa. Ho dunque ridotte insieme alcune regole, col mezo delle quali potrà ciascuno impadronirsi perfettamente del nostro Spagnuolo Idioma: & le ho publicate, sperando, che habbiate a gradire la presente opera mia [...] (Miranda 1566, o. S.) Ähnlich wie Alessandri (vgl. Zitat 96) kritisiert Miranda die Italiener („uoi Italiani“), die ihre Spanischkenntnisse überschätzten. Deshalb sei es notwendig, den Sprachgebrauch des Kastilischen in Regeln zu überführen („ridotte insieme alcune regole“ 750 ) und in den Osservationi zur Verfügung zu stellen, so dass jeder Italiener seine Spanischkenntnisse damit perfektionieren könne. Ebenso wie Alessandri beweist Miranda dadurch, dass Grundkenntnisse des Kastilischen in der Italia Spagnola durchaus verbreitet waren. Einen Bezug zu den kommunikativen Anforderungen in den spanisch dominierten Besitzungen stellt Giovanni Giolito her, der Herausgeber der fünften Auflage der Osservationi, die 1584 in Venedig erschien. 751 Im Widmungsschreiben an Alvise Foscarini hält Giovanni Giolito, der sich hispanisierend Juan Jolito nennt, ein Plädoyer für das Erlernen von Fremdsprachen. Auf Grund der imperialen Expansion der spanischen Krone seien vor allem Spanischkenntnisse in diplomatischen, geschäftlichen und politischen Angelegenheiten von großem Vorteil. 752 (105) Dos cosas tiengo yo muy necessarias, Illustre mi Senor, por aquellos, que se occupàn en las haziendas de Estado, y de Republica: e l’una es el posseer muchas scientias: y otra, de ellas saber con facundidad à su complacimiento hablarne: Y me parece à esto anadir hablarne en muchas y diuersas lenguas de plures naciones. Porque aßì como aquel Sabio dezia, que no es peregrino estranero aquel en ninguna Ciudad, y lugar quien possee la virtud; aßì, y maiormiente se puede 750 Zum Konzept des ‘Überführung’ in Regeln vgl. Schmidt-Riese (2004) ‘Reducere ad artem’. Zur Transformation grammatischer Kategorien am Diskursort Mission. Spanische, portugiesische und französische Amerindia, 1547-1700, siehe auch Schmidt-Riese 2006. 751 Vgl. Gallina 1975, 45. 752 Diese Begründung erinnert an Delicados Hinweis im Kolophon der Celestina-Ausgabe (1531), dass schon viele ‘Ausländer’ das Spanische beherrschten; vgl. Zitat 85. 263 dezir de aquel, que puede, y sabe esplicar su doctrina, scientia, y pensamiento en muchos l ẽ guages; y lo de mas, que el no es conocido por peregrino lexos de su casa. Y se esto es verdad, como es, verdadero sarè yo tambien, se dirè que entre las muy copiosas, yentiles, esplicables, y nobles lenguas el primiero lugar tiene la Castellana, por ser ella compuesta de las dos muy puras de todas las otras, que son la Latina, y la Italiana: y à mi iuyzio por ser ya el mundo todo (y mas que no duuiera) hecha habitacion de nacion Espanola, me parece mas nessaria de todas à saber. […] (Juan Jolito, in Miranda 1584, o. S.) Miranda erwähnt Alessandris Buch nicht, im Aufbau der Osservationi und des Paragone finden sich jedoch Übereinstimmungen. 753 In Mirandas Grammatik sind alle Themen enthalten, die auch Alessandri behandelt hatte. Das erste Buch der Osservationi (vgl. Miranda 1566, 1-115) deckt sich inhaltlich in etwa mit den ersten drei Teilen des Paragone, die entsprechenden Kapitel befassen sich mit der Aussprache, den Artikeln, den Nomina, den Adjektiven, der Diminutivbildung, den Kardinalzahlen sowie mit den Personal-, den Possessiv-, den Demonstrativ- und den Relativpronomina. Im zweiten Buch (vgl. Miranda 1566, 116-242) werden Verben und Partizipien behandelt, was dem vierten Teil des Paragone entspricht. Das dritte Buch (vgl. Miranda 1566, 243-348) handelt von den voci indeclinabili und deckt somit den fünften Teil von Alessandris Grammatik ab, allerdings unterscheidet Miranda diesbezüglich detaillierter zwischen Präpositionen, Adverbien, Interjektionen und Konjunktionen; zusätzlich wird im dritten Buch der Osservationi auch der Gebrauch idiomatischer Wendungen („comparationi & esclamationi“) und einiger frequenter Verben (estar, andar, ir, hallar, caer und picarse) sowie Wortspiele („il motteggiare“) erläutert; das vierte Buch (vgl. Miranda 1566, 349-407) befasst sich mit der Orthographie und der Prosodie des Spanischen. Alessandri gliederte die fünf Teile seines Buches weder in Kapitel noch kennzeichnete er kürzere Sinneinheiten durch graphische Eingriffe. Miranda hingegen unterteilte die vier Bücher der Osservationi jeweils in eine Vielzahl von Teilkapitel, die zu Beginn des Werks in einem Register unter dem Titel „Tavola de’ capi che in queste osservationi si contengono“ aufgelistet sind. 754 Dies macht die Osservationi, die mit 407 Textseiten doppelt so umfangreich wie der Paragone sind, zu einem benutzerfreundlichen und leicht zu handhabenden Lehrbuch. In den Osservationi werden Themen berücksichtigt, die Alessandri ausgeschlossen hatte. Mit der Prosodie greift Miranda einen Gegenstand auf, den Nebrija im libro II der Grammatik ausführlich behandelt hatte. Außerdem erschloss Miranda neue Themen für die Lerngrammatik, wie beispielsweise Wortspiele, Sprichwörter und Redewendungen, die im dritten 753 Vgl. Lope Blanch 1998, XXI-XXII. 754 Vgl. Mele 1914, 13. Diese entspricht der Darstellungsform die Dolce in den Quattro libri dell Osservationi wählte; vgl. Dolce 2004, 229-233. 264 Buch besprochen werden. Dabei bediente sich Miranda eines Elements, das im 16. Jahrhundert beliebt und verbreitet war - man denke an Castigliones Ausführungen bezüglich des mottegiare im Libro del Cortegiano oder an Valdés’ Diálogo de la lengua, der die kastilischen refranes und proverbios zur Illustration des guten Sprachgebrauchs verwendete (vgl. Kapitel 5.1.2). Miranda erklärt seine Vorgehensweise im dritten Buch folgendermaßen: (106) Maniere di parlare che communemente da castigliani uengono usate. [...] hor tornando al proposito dico che uolendo sotto breuità trattare del commune parlamento castigliano, oltre al narrare le cose, e dirle come stanno, che in questo tutte le lingue s’assomigliano, percioche tutte hanno i suoi concetti communi i quali si potranno facilmente, intendere da chi la leggerà, i particoli diremo essere di tre maniere, per uia di comparationi & esclamationi, o per uia di mottegiare, ouer per prouerbi, lequali tre maniere usano quantunque uolta uogliono ornare il suo parlare i castigliani. (Miranda 1566, 288f.) Das bedeutet, dass Miranda mit den phraseologischen Einheiten eine Form des Sprachgebrauchs vermittelte, der über die Ebene der Wortbedeutung hinausgeht und auf Idiomatizität beruht. Seiner Beschreibung nach verfüge jede Sprache über Kollokationen und Redewendungen, die er „concetti comuni“ nennt. Sie seien des Weiteren ein typisches Element des „commune parlamento castigliano“ und würden vor allem im expressiven Sprachgebrauch eingesetzt („ornare il suo parlare i castigliani“). Den größten Anteil nehmen die Erklärungen und Erläuterungen zu den ‘Vergleichen’ („comparationi“) ein. Mirandas Vorgehensweise ist dabei folgende: Zunächst wird die Funktion und die Struktur der „comparationi“ beschrieben, darauf folgen mögliche Konstruktionsschemata, um dann pragmatische Funktionen zu unterscheiden, die ebenfalls erst theoretisch erklärt und dann mit Beispielen aus beiden Sprachen belegt werden. Am Rand sind die Erklärungen zu den Funktionen glossenartig zusammengefasst. Die spanischen Beispiele wurden im Unterschied zum Rest nicht kursiv gesetzt. (107) Le comparationi s’usano spesse uolte in due modi, o per affermationi, ouer per negationi; per affermationi diuersamente ancora, percioche tutto il lor fine in queste comparationi è d’innalzar quel che dicono per questa uia, & aggrandirlo, e farlo piu di quel che è, e percio fare cercano fatti di grand’huomini, per paragonare le lor passioni o le lor allegrezze, a quelle che hebbero coloro; delle quali comparationi affermando, mi pare che si possa fare di tre, o quattro maniere e prima per l’auerbio del comparatiuo, mas, corrispondendogli la que, e questa è in due modi, o comparando affermatiuamente, ouer con interrogationi, e sono molto usati d’i quali darò essempio; il primo s’usa communemente, & è cosi; Comparatio ni in quanti modi s’usano 265 Castigliani Toscani Comparatione per il comparatiuo Es mas blanco que la nieue; È piu bianco della neue, es mas negro que la pez, è piu nero della pece; es mas pegajo que leuadura. s’attacca piu che’l leuato; es mas amargo que la hiel, è piu amaro che non è il fele. es mas dulce que la miel; è piu dolce del mele; es mas duro que una piedra; è piu duro d’una pietra; (Miranda 1566, 289f.) Die erste Möglichkeit des Vergleichens, die Miranda anhand idiomatischer Wendungen illustriert, basiert auf dem Konstruktionsschema „Comparatione per il comparatiuo“, das heißt <mas + A DJEKTIV + A RTIKEL 755 + que + T ERTIUM >. Des Weiteren werden die „comparatione per interrogativo“ (Miranda 1566, 291), die „Comparatione per l’auerbio di luogo“ (292), „Comparatione per la particella tan, e come“ (294) sowie „Comparatione per la particella para“ (297) beschrieben und ebenfalls in idiomatischen Wendungen veranschaulicht. Darüber hinaus unterscheidet Miranda die folgenden pragmatisch-kommunikativen Funktionen: „Comparatione lamentandosi“ und „Comparatione rallegrandosi“ (293), „A un che si piglia il pericolo“ 756 (296), „Modi a dir che è impoßibile una cosa“ (296), „Comparationi per ironia“ (298) und „Comparationi per riprendere alcuno“ (304). Während die Konstruktionen und Funktionen anhand von Beispieltabellen erklärt werden, hängt Miranda an die Erläuterungen zum ironischen Vergleich („Comparationi per ironia“) einen Exkurs an, der sich auf verschiedene Bedeutungen eines einzelnen Lexems je nach Gebrauchskontext bezieht. (108) Un’ altro è ancora & questo mi pare che sia commune ali toscani, & è questo Comparationi per ironia Castigliani Toscani O hideputa y que Roldan para hazer fieros. O che Orlando per far brauate? O que Euangelista para creerle nada? O che Vangelista per crederli niente? O que San Geronimo para fiarse del? [...] O che San Gieronimo per fidarsi di lui? [...] 755 Miranda nennt lediglich den weiblichen Artikel la. 756 Ein Beispiel hierfür wäre: „es como el conejo que huyendo del parro cayo en el lazo“(Miranda 1566, 296). 266 Et molti altri si potrebbono dire, ma auuertite quella parola hideputa la quale è molto commune & si parla per quella in questi modi che ho messo qui, & si dice mostrando che non è simile quel che si dice a la cosa comparata, & come dando la baia, & tanto è a dire hideputa que, come o che in Toscano, in questi modi di parlare, Castiglini Toscani O hideputa y que hombre O che huomo che tu sei hideputa y quien no te conociesse. O chi nõ ti conoscesse, hideputa y quien se fiara del, O chi s’hauesse fidato di lui, hideputa y que consejero nos es uenido, O che consigliero ci è uenuto, Et cosi dicono à tutti quei che uogliono riprendere di alcuna cosa & alhora questa parola hideputa, non uol dir altro qui che oy, ammiratiuo, ma quando detta parola si dice in colera e per incargare alhora è parola molto ingiuriosa, & per la quale si puo fare & si fa spesse uolte quistione, percioche uol dire figliuolo di puttana, percioche puta, in castiglianonon uuol dire puttana, & hide, uol dire hijo de che per la figura che i latini chiamano sincopa si perdono quelle due lettere, &gli essempi saranno questi. Hideputa quando si pigli ammiratiuo, e quando sia parola giuriosa Castiglini Toscani Soys un hide puta, Sete figliuolo d’una puttana. Andad para hideputa; Andate come figlio di puttana. hideputa ruin, figlio di puttana tristo. hide ruin. figliuolo d’un tristo, (Miranda 1566, 298ff.) Diese detaillierten Erläuterungen zu den unterschiedlichen Bedeutungen von hideputa zeigen exemplarisch, mit welchen Strategien Miranda kontextbezogenes Sprachwissen vermittelt: Ausgehend von einer grammatischen Regel wird lexikalisches Wissen eingeführt, in semantische Kontexte eingebettet und somit idiomatisches Wissen vermittelt. Zitat 108 zeigt auch, dass Miranda in den Osservationi unterschiedliche Sprechstile und Sprachniveaus vermitteln wollte. Als Elemente des spanischen „commun parlare“ werden unter anderem Schimpfwörter und Kraftausdrücke sowie Wortspiele und Redewendungen genannt und kommentiert. 267 Mirandas innovatives Konzept beruht darauf, dass er in den Osservationi eine kontrastive Grammatik zur Verfügung stellte, in der Elemente verschiedener Traditionen miteinander kombiniert wurden. Die Wortarten und grammatischen Kategorien werden zunächst erklärt, im Anschluss daran werden diese allgemeinen sprachtheoretischen Erklärungen als Regeln für das Spanische im Vergleich mit dem Toskanischen beschrieben und anhand von Beispielen in beiden Sprachen illustriert. Diese Methode entspricht im Prinzip der, die Alessandri im Paragone angewandt hatte, allerdings ordnete Miranda die rund 2000 Beispiele tabellarisch an und kontrastierte das Spanische konsequent mit dem Toskanischen. Das macht die Osservationi übersichtlich und lernerfreundlich. Während sich die Beispiele zu Beginn des ersten Teils auf einfache Vokabellisten beschränken, werden im weiteren Verlauf auch phraseologische Einheiten und schließlich sogar Dialogfragmente und längere Textpassagen integriert und somit eine lineare Lernprogression aufgebaut. Außerdem sind die Beispiele in Gebrauchskontexte eingebettet. Dabei konzentrierte sich Miranda nicht nur auf Gesprächssituationen, wie dies in den polyglotten Wörterbüchern der Fall war, sondern auch auf syntaktische und semantische Umgebungen, in denen ein Element auftreten kann. So werden beispielsweise in Buch III mögliche Konstruktionen und Periphrasen beschrieben, in denen die frequenten Verben estar, andar, ir, hallar, caer und picarse auftreten. Des Weiteren stellen die Osservationi mit den Definitionen von Wortarten, grammatischen Kategorien und Funktionen auch theoretisches Sprachwissen zur Verfügung - einen Aspekt, den Alessandri weitgehend ausgeblendet hatte. Miranda greift damit ein Element der lateinischen ars auf, das auch Nebrija und Dolce in ihren Grammatiken übernommen hatten. 757 Mirandas Definitionen basieren zwar auf denen Nebrijas, allerdings fallen seine Formulierungen häufig knapper aus und setzen andere Schwerpunkte. Ein Vergleich der Definitionen der Wortarten in den beiden Büchern kann dies verdeutlichen. Nebrija schreibt zu Beginn des ersten Kapitels von Buch III der Gramática de la lengua castellana: Dicion se llama assi por que se dize como si mas clara mente la quisiessemos llamar palabra, pues ia la palabra no es otra cosa sino parte dela oracion. Los griegos comun mente distinguen ocho partes de la oracion: nombre, pronombre, articulo, verbo, participio, preposicion, adverbio, conjuncion. Los latinos no tienen articulo, mas distinguen la interjeccion del adverbio, i assi hazen otras ocho partes dela oracion: nombre, pronombre, verbo, partecipio, preposicion, adverbio, conjuncion, interjeccion. Nos otros como los griegos no distinguiremos la interjeccion del adverbio; i añadimos conel articulo el gerundio, el cual no tienen los griegos, i el nombre participial infinito, el cual no tienen los griegos ni latinos. Assi que seran por todas diez partes dela oracion enel castellano: nombre, pronombre, articulo, verbo, 757 Vgl. Lope Blanch, 1998, XXII-XXVII. 268 participio, gerundio, nombre participial infinito, preposicion, adverbio, conjuncion. Destas diez partes dela oracion diremos agora por orden en particular, i primera mente del nombre. (Nebrija 1946, 57f.) Miranda nennt anstelle von zehn nur neun Wortarten des Spanischen. Diese sind Artikel, Nomen, Pronomen, Verb, Partizip, Präposition, Adverb, Interjektion und Konjunktion. Das Gerundium und die infinite Form des Partizips in den zusammengesetzten Tempora („nombre participial infinito“) werden ausgeklammert, stattdessen kommt die Interjektion hinzu. (109) Le parti, che nel parlamento entrano appresso i Castigliani sono noue: articoli, nome, pronome, uerbo, participio, prepositione, auuerbio, intergiettione, e congiontione 758 , delle quali due sono principali, cioè nome, e uerbo; percioche senza di quelle, non si potrebbe fare perfetto parlamento, l’altri s’aggiungono, & appoggiano a queste: cinque di loro si uariano, o declinano, cioè, articolo, nome, pronome, uerbo, & participio, et le quattr’altre non si declinano; quelle che hanno uariazione hora, sian nomi, o uerbi, hanno due numeri; del meno, che altramente singulare si nomina; & del piu, che plurale uien chiamato, come nel uariar d’ogn’uno si uederà. (Miranda 1566, 12) Während Nebrija die Wortarten des Spanischen, mit denen des Griechischen und des Lateinischen verglich, verzichtet Miranda auf Bezüge zu den antiken Sprachen. Stattdessen unterscheidet er flektierende und nichtflektierende Wortarten und bündelt damit die Definitionen, die bei Nebrija jeweils zu Beginn der entsprechenden Kapitel stehen. Die Einteilung in eine Haupt- (Nomina und den Verben) und eine Nebengruppe mit den restlichen Wortarten, basiert auf den Quattro libri delle Osservationi. 759 Alessandri hatte mit dem Paragone die erste Lerngrammatik vorgelegt, die das Spanische und das Toskanische kontrastiert. Dennoch ist es Miranda, dem das Verdienst zukommt, ein innovatives Modell einer solchen Lerngrammatik entwickelt zu haben. Indem er Beschreibungsmodi der lateinischen und der volkssprachlichen 760 Grammatikschreibung miteinander kombinierte und diese systematisch mit Vokabellisten, Dialogbeispielen und Textpassagen illustrierte, die in übersichtlichen Darstellungsformen 758 Der erste Satz dieser Definition, ist im Duktus von Donats Ars Minor verfasst; vgl. Donat 1961, 355: „Partes orationis quot sunt? Octo. Quae? Nomen pronomen verbum adverbium participium coniunctio praepositio interiectio.“ 759 Vgl. Dolce 2004, 264: „Le parti, che necessariamente entrano nel parlamento […] sono pure; come l’hanno i Latini; otto: due principali, nome, e verbo. Le quali sì fattamente alle altre signoreggaindo, che quelle a guisa di serve lor sempre stanno a canto, e non se ne allontano mai. L’altre sono pronome, participio, avverbio, propositione, interrogatione, et congiuntine.“ 760 Die Terminologie zur Beschreibung der grammatischen Kategorien in den Osservationi und im Paragone stimmt weitgehend überein. Alessandri seinerseits hatte sich an Villalón orientiert; vgl. Gallina 1975, 29. Lope Blanch (1998, XVIII) stellte außerdem Übereinstimmungen mit Dolce (1550) und Nebrija (1492) fest. 269 präsentiert werden, stellte er mit den Osservationi della lingua castigliana eine praktische Lehrmethode zur Verfügung. 761 Miranda erfüllte in mancher Hinsicht das, was Alessandri bereits sechs Jahre zuvor versprochen hatte. Annamaria Gallina bezeichnet Mirandas Grammatik deshalb als ‘Schritt nach vorne’ in der Entwicklung der Lerngrammatiken 762 und Maria Carreras i Goicoechea sieht darin einen der Gründe, weshalb die Osservationi weitaus erfolgreicher waren als der Paragone: La clave de semejante éxito se halla sin duda en la sencillez de las explicaciones, más descriptivas que teóricas, y en el corpus de ejemplos [...] pero sobre todo en el modo gradual con que éstos van siendo presentados por el autor, permitiendo la asimilación de los nuevos conceptos gracias a palabras ya conocidas: la enseñanza primero de palabras, luego de pequeñas frases y proverbios, y más tarde - solo cuando se ha podido assimilar la gramática - de ejemplos de diálogos y fragmentos literarios, no puede haber sido casual. (Carreras i Goicoechea 2002, 17) Den Erfolg der Osservationi im Verlauf des 16. Jahrhunderts belegen neben neun Ausgaben, die zwischen 1566 und 1622 in Venedig erschienen, auch einige Adaptionen und Kompendien. 763 1569 wurde in Venedig ein Kompendium der Osservationi im Rahmen einer zweisprachigen Ausgabe der Münchner Fürstenhochzeit von 1568 veröffentlicht. 764 Das Kompendium bildet eine geschlossene Einheit innerhalb der Dialoghi di Massimo Troiano, in der die Osservationi in zwei Dialogen zusammengefasst sind. 765 Mirandas Text wurde auf 74 Seiten reduziert, wobei Troiano Beispiele und ganze Kapitel strich und die Ausführungen zur Morphologie drastisch kürzte. 766 Der erste Dialog fasst den Inhalt der ersten drei Bücher der Osservationi zusammen, der zweite Dialog behandelt die Themen des vierten Buches. Somit liegt der Schwerpunkt des Kompendiums auf der Aussprache und der Orthographie, was im Wesentlichen der Gewichtung der „Introducion“ von Delicado und Ulloa entspricht. 767 Das bedeutet auch, dass das Kompen- 761 Vgl. Sánchez Pérez 1992, 40. 762 Vgl. Gallina 1975, 37. 763 Vgl. Gallina 1975, 37 und 45; siehe auch Carreras i Goicoechea 2002, 19. 764 Der Neapolitaner Massimo Troiano war Komponist am Hof von Herzog Albrecht von Bayern und mit Miranda befreundet; vgl. Mele 1914, 16 und Gallina 1975, 37. 1568 veröffentlichte Troiano in München die Discorsi delli triomfi, giostre, apparati, e delle cose piu notabile fatte nelle nozze, dell illustrissimo e excellentissiimo Signor Guglielmo primogenito del generosissimo Alberto V. conte Palatino del Reno, e Duca di Baviera, deren spanische Übersetzung von Miranda stammt; vgl. García Dinis 1995, 18. 765 Vgl. Gallina 1975, 38: „Si tratta del rifacimento di una parte soltanto della grammatica del Miranda […], in forma di dialogo. Certamente, la forma dialogata fu suggerita, oltre che dalla moda letteraria del tempo, anche perché il Compendio é come una continuazione dei Dialoghi che lo precedono, con gli stessi interlocutori: Fortunio e Marinio.“ 766 Vgl. García Dini 1995, 19. 767 Vgl. Gallina 1975, 38f.; vgl. auch Mele 1914, 9. 270 dium einen gänzlich anderen Zweck erfüllte als Mirandas Osservationi. Troiano stellte keine Lerngrammatik zur Verfügung, sondern fasste die wichtigsten Merkmale zusammen, um denjenigen, die bereits Kenntnisse in der Fremdsprache hatten, die spanische Lektüre zu erleichtern. Troianos Zusammenfassung der Osservationi blieb ebenfalls nicht wirkungslos. Der sizilianische Dichter und Spanischexperte, Argisto Giuffredi 768 , fertigte eine kommentierte Fassung des Kompendiums an, das 1601 in Florenz postum erschien. In dem 362 Textseiten 769 umfassenden Compendio del signor Massimo Troiano tratto dalle osservationi della lingua Castigliana del signor Giovanni Miranda, werden Troianos Dialoge in „annotazioni“ kommentiert. Giuffredi hielt sich strikt an das Compendio und ergänzte nichts aus den Osservationi, was Troiano zuvor weggelassen hatte. Seine Anmerkungen sind blockweise in den Text eingeschoben und untergliedern Troianos Dialoge in kürzere Einheiten. Dabei werden die einzelnen Abschnitte jeweils durch die Überschriften „Autore“ beziehungsweise „Annotazione“ gekennzeichnet. Die Anmerkungen beziehen sich dabei häufig auf den normalen und unaffektierten Sprachgebrauch, den Giuffredi veranschaulicht, indem er phraseologische Einheiten konstruiert und diese in Kontexte einbettet. So vertieft er beispielsweise den Gebrauch des spanischen Subjektpronomens in der 3. Person Sg. in der Funktion der höflichen Anrede. 770 (110) E per non lasciare indietro vna cosa, che m’occore intorno al modo di parlare degli Spagnuoli in terza persona con vn’el, dico, che fra di loro è tanto abborrito questo el, che stò quasi per dire, che alcuno si contenterebbe piu tosto d’vn vos. E però rarißime volte l’vsano, e rimediano con parlare in terza persona, solamente a questo modo, Como le va? que hizo? Para donde escriue? e simili. E se qualcuno dicesse a vn’altro, ha oydo missa esta mañana? e colui o non intendesse per se, o non volesse intendere, e risponderesse, quien? Replicherebbe quell altro (per non dir nè V. M. nè vos, nè el, ancorchè questo modo di dire sarebbe la maggior affetazione del Mondo) La persona con quien hablo, o pure el Senor hulano, perchè allora sarebbe forse piu propria risposta, o per dir meglio, meno scortesia, che dire, La persona con quien hablo. E questo sia detto, perché ognuno auuertisca, come fauella. (Giuffredi 1601, 178f.) Ausgehend von Troianos Kompendium liegt Giuffredis Schwerpunkt ebenfalls auf der Beschreibung der Aussprache und der Orthographie, die Morphologie und die Syntax spielen eine untergeordnete Rolle. Allerdings 768 Vgl. Gallina 1975, 40. Sáez Rivera (2007, 117) nennt Giuffredi einen „célebre poeta y prosador siciliano, así como experto conocedor de la lengua castellana, en la cual escribía con habilidad“; vgl. auch Lucía Megías 1996, 10. Von Giuffredi stammen u.a. die Osservationi di Argisto Giuffrè, Palermitano sopra alcune parole del Boccaccio nel Decamerone, die 1573 in Florenz bei Vincenzio Auria erschienen; vgl. Alfieri 1990, 325. 769 Vgl. Gallina 1975, 43. 770 Vgl. hierzu auch Mele 1914, 18f. 271 stattete er in den Annotazioni Troianos Text mit zusätzlichen Beispielen aus, die idiomatisches Wissen vermitteln. Seine Kommentare bezüglich des Sprachgebrauchs sind teilweise detaillierter als die in den Osservationi. Giuffredi konnte bei der Bearbeitung von Troianos Compendio bereits auf Cristóbal de las Casas Vocabulario de las dos lenguas tosacana y castellana zurückgreifen, das 1570 in Sevilla erschienen war. 771 Dieses zweisprachige Wörterbuch war die erste lexikographische Arbeit, die das Spanische systematisch mit einer anderen modernen Volkssprache kontrastierte. 772 Der Vocabulario besteht aus einem ersten toskanisch-kastilischen Teil, der circa 15 000 Lemmata umfasst, und einem zweiten kastilisch-toskanischen, der rund 10 500 Lemmata beinhaltet 773 , die jeweils alphabetisch aufgelistet sind. Die Grundlage des Vocabulario bildet Nebrijas Dictionarium ex Hispaniensi in Latinum sermonem (1495), wobei Las Casas die Lemmata tilgte, die für das Lateinischen relevant waren, in den beiden Volkssprachen jedoch nur mit äußerst geringer Frequenz oder gar nicht auftraten. Außerdem fügte er einige Lexeme hinzu, die er für den Gebrauch des Spanischen beziehungsweise des Toskanischen als wichtig erachtete. 774 Die Einträge sind nach dem Schema <L EMMA . Ü BERSETZUNG ( EN )> aufgebaut, wobei jeweils der toskanische Anteil kursiv gesetzt ist, der kastilische nicht. Die Einträge enthalten keine grammatischen Informationen und die Wortbedeutungen werden nicht erläutert. Nur vereinzelt sind phraseologische Einheiten aufgeführt 775 , wie im Fall der Einträge zu „Da“ im toskanisch-kastilischen Teil: (111) Da. De. / / Da bene. De bien ò buena persona. / / Da che. Despues que. / / Da capo. Otra vez de nueuo. / / Da ciascuna parte. De cada parte. / / Dadi. Dados. / / Da douero. De veras. / / Daga. Daga. / / Da indi. De alli. / / Da indi inquà. De alli aca. [...] (Las Casas 1570, 48v) Las Casas Wörterbuch enthielt des Weiteren eine „Introducion para leer, y pronunciar bien las lenguas Toscana y Castellana“, in der die gleichen Aspekte wie in Delicados beziehungsweise Ulloas Einleitungen berücksichtigt wurden. 776 Der Vocabulario entsprach einer Notwendigkeit auf dem Buchmarkt der Italia Spagnola, was unter anderem auch die zahlreichen Neuauflagen belegen. Allein in Venedig erschien Las Casas Buch zwischen 1576 und 1622 zwölf Mal 777 , wobei es im 17. Jahrhundert allmählich von Lorenzo Franciosinis zweibändigem spanisch-italienischen Wörterbuch abgelöst wurde. Dieses erschien 1620 in Rom bei Giovanni Angelo Ruffinelli unter 771 Vgl. auch Kapitel 4.2.1 und 5.2. 772 Vgl. Lope Blanch 1990, 112. 773 Vgl. Gallina 1959, 167. 774 Vgl. Gallina 1959, 167; siehe auch Acero Durántez 1991. 775 Vgl. Gallina 1959, 169. 776 Zur Entwicklung der paratextuellen Elemente in den Folgeauflagen des Vocabulario; vgl. Gallina 1959, 171-179. 777 Vgl. Gallina 1959, 180. In Sevilla erschienen nach 1570 vier weitere Auflagen. 272 dem Titel Vocabolario italiano e spagnolo, in dem das Toskanische konsequent als italiano bezeichnet wird. Als Zielgruppe werden Prediger, Sekretäre und Übersetzer genannt. Das bedeutet, dass das Wörterbuch ein Hilfsmittel für Spanier und Italiener war, die aus beruflichen Gründen Texte auf Toskanisch beziehungsweise Spanisch verfassen mussten. (112) Vocabolario / Italiano, e Spagnolo / non piv dato in lvce./ Nel quale con la facilità, e copia,/ che in altri manca, si dichiarano e con proprietà conuer- / tono tutte le voci Toscane in castigliano, e le / Castigliane in Toscano./ / Con le Frasi, et alcuni Prouerbi, che in ambe due le lingue giornalmente / occorrono; con una chiara, e breue Regola per leggere, e scri/ uere, et una succinta Introduzione, con Auuertimenti / di molte cose notabili./ / Opera vtilissima, e necessaria a’ Predicatori; Segretari, e Traduttori,/ che con legittimo senso, e vero fondamento le voglion / tradurre, o imparare./ / Composto da Lorenzo Franciosini Fiorentino./ / Parte Prima. (zit. bei Gallina 1959, 267) Bereits der erste Band ist mit 668 Seiten umfangreicher als Las Casas Vocabulario, der nur 496 778 Seiten umfasst. 779 Das Wörterbuch beinhaltet neben dem lexikographischen Teil auch eine Anleitung mit Ausspracheregeln des Spanischen „Regola per leggere, e scrivere in lingua Castigliana“ (Franciosini 1620, Bd. I, 1f.) sowie eine Einführung in die Grammatik des Spanischen auf rund 30 Seiten „Introduzine alla lingua Spagnola“ (Franciosini 1620, Bd. I, 2-34). Der zweite Band umfasst 784 Seiten und enthält neben dem spanisch-italienischen Wörterbuch auch eine „Regla para leer italiano“ mit Konjugationstabellen der regelmäßigen Verben. Im Vergleich zu Las Casas Vocabulario stellen Franciosinis Wörterbücher weitaus mehr Informationen zur Verfügung. Unter anderem wird auch Polysemie berücksichtigt. Jede einzelne Bedeutung eines Lexems wird in einem eigenen Eintrag dargestellt, wie zum Beispiel im Fall von sp. dado 780 : (113) dado, pezzuol d’osso di sei facce riquadrate, & in ogni vna, è vegnato vn numero, cominc-dosi dall’vno infino al sei, e si giuoca con esso a molti giuochi di sorte.] dado dado, vna sorte di strumento, col quale si tormentano gli huomini stringendo loro con esso le noci del piede.] dado (Franciosni 1645, Bd. I, 146f.) Die Bedeutungserklärungen beinhalten enzyklopädisches Wissen, die zugleich Informationen über die Gebrauchskontexte eines Wortes enthalten. Die Einträge zu Präpositionen und anderen Partikeln enthalten auch mor- 778 Vgl. Gallina 1959, 166. 779 Zur physischen Beschreibung des Vocabolario von 1620 vgl. Gallina 1959, 267f. 780 Zitiert wird aus der Ausgabe des Vocabolario von 1645, die der editio princeps entspricht, vgl. Gallina 1959, 268. 273 phosyntaktische Informationen. So finden sich zu dem Lemma da insgesamt 66 Einträge (vgl. Franciosini 1645, 146f.). Drei davon beziehen sich auf unterschiedliche grammatische Funktionen des Lexems, während die restlichen Einträge anhand von Beispielen die Bedeutung und die entsprechenden Gebrauchskontexte dieser Funktionen erläutern. Als erstes wird da als ‘Ablativmarker’ in der Funktion der Kasusrektion genannt. An zweiter Stelle wird da als Präposition beschrieben und in den folgenden neun Einträgen illustriert. An dritter Stelle werden die Funktionen von da als Adverb genannt, worauf 54 Einträge mit phraseologischen Einheiten und Periphrasen folgen, in denen da vorkommt. (114) Da, segno dell’vltimo caso, cioè dell’ablativo, e quando sarà co’ verbi passiui, si dirà por, coſi. Questo libro è stato composto da Lorenzo Franciosini.] Este libro hà sido compuesto por Lorenço Franciosini. da, prepositione, come: Io ho inteso da Francesco che, &c.] he entendido de Francisco que, &c. da, tal’hora denota operazione, cosi: Non è cosa da fare.] No es cosa que se pueda hazer, o que conuenga hazer. [...] da, auuerbio, e significa intorno, o poco più, o menò, cosi: Si crede far Fiorenza da trenta mila fuoci.] Dizen hazer Flor ẽ ncia cosa de treynta mil vezinos poco mas, o menos da, con l’infinito denota cõuenienza, o necessita, cosi: E cosa da fare.] Es cosa que se puode hazer. […] (Franciosni 1645, Bd. I, 145) In der Mikrostruktur dieser Einträge ist mit dem Beispielsatz eine zusätzliche Einheit enthalten, die die restlichen Einträge nicht aufweisen. Daraus ergibt sich folgende Formel: <L EMMA , F UNKTION BZW . B EDEUTUNGSERKLÄ - RUNG : ITAL . B EISPIELSATZ .] SPAN . Ü BERSETZUNG ( EN ).>. In den Beispielsätzen, Periphrasen, phraseologischen Einheiten und idiomatischen Wendungen vermittelte Franciosini nicht nur lexikalisches Basiswissen in Form von isolierter Lexemen, sondern auch Wissen über die morphosyntaktischen und semantischen Kontexte, in denen ein Lexem auftreten kann. Somit stellte er in dem Nachschlagewerk Informationen über den Sprachgebrauch zur Verfügung, was als einer der Gründe gilt, weshalb der Vocabolario über zwei Jahrhunderte hinweg erfolgreich war und immer wieder neu aufgelegt wurde. 781 Der aus Castelfiorentino stammende und in Siena und anderen oberitalienischen Städten als Spanischlehrer tätige Franciosini 782 , war im 17. Jahrhundert einer der Hauptakteure in der Produktion von Lehrmaterialien für den Spanischunterricht in Italien. Neben den beiden Wörterbüchern erschien 1624 in Venedig die Grammatica spagnuola ed italiana, in der Franciosini César Oudins Tesoro de las dos lenguas francesa y español (1607) adaptiert hatte, der seinerseits an Mirandas Osservationi und Giuffredis Annotazioni 781 Die letzte Ausgabe erschien 1796 in Venedig bei Baglioni, vgl. Gallina 1959, 282. 782 Vgl. Mele 1914, 28 und Gallina 1959, 263f. 274 orientiert war. 783 Des Weiteren veröffentlichte er 1626 die Diálogos apazibles, compvestos en castellano, y traduzìdos en Toscàno […], die ebenfalls auf einem Text von Oudin basieren. 784 1627 erschienen Franciosinis Rodomontadas españolas (vgl. Kapitel 4 und 4.2.1.2). In den Veröffentlichungen von 1626 und 1627 adaptierte Franciosini jeweils Texte, die zuvor in Frankreich auf Französisch und Spanisch erschienen waren. Während er jedoch in den Rodomontadas die toskanische Übersetzung, die er als ‘italienisch’ bezeichnet, hinzufügte, ersetzte er in den Diálogos apazibles den französischen Teil durch die toskanischen Übersetzung. Das mag damit zusammenhängen, dass die beiden Bücher unterschiedliche didaktische Zwecke erfüllen sollten. Die Rodomontaden-Sammlung war in erster Linie als Erbauungslektüre konzipiert, die den gebildeten, polyglotten Leser unterhalten sollte, während die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen dabei ein Nebeneffekt war. Die Diálogos apazibles hingegen waren eine Art Konversationshandbuch, mit dem Spanischkenntnisse vertieft werden konnten. 785 Anhand der acht Dialoge in dieser Textsammlung konnten - ähnlich, wie in den Colloquia cum Dictionariolo (vgl. Kapitel 5.3.1) - unterschiedliche Gesprächssituationen eingeübt werden. Das 71 Seiten lange zweisprachige Glossar im Anhang stellte den entsprechenden Wortschatz zur Verfügung. Auch dieses Buch nützte vorwiegend demjenigen, der bereits über Grundkenntnisse des Spanischen verfügte. In diesem Lehrbuch werden anhand von Dialogen, die auch einen erbaulichen Charakter haben 786 , Regeln für den angemessenen Sprachgebrauch erläutert. Die zweispaltigen Dialoge werden zu diesem Zweck regelmäßig unterbrochen, um die Unterschiede zwischen dem Spanischen und dem Toskanischen in kurzen Anmerkungen zu erläutern. Die Erläuterungen beziehen sich auf die Morphosyntax, auf Bedeutungsnuancen und Konnotationen, auf die Idiomatizität einzelner Wendungen und Ausdrücke sowie auf kulturelle Unterschiede. Dabei werden sowohl der korrekte Sprachgebrauch im Spanischen als auch im Toskanischen kommentiert. Der erste Dialog „Para leuantarse por la mañana“ (vgl. Franciosni 1626, 7) 787 , wird gleich zu Beginn unterbrochen. 783 Vgl. Sáez Rivera 2007, 119. 784 Dieser hatte 1608 die Diálogos muy apazibles escritos en lengua española y traduzidas en Frances [...] herausgegeben, die er von John Minsheus Pleasant and Delightfull Dialogues in Spanish and English Profitable to the Learner and not Unpleasant to Any Other Reader (1599) übernommen hatte; vgl. hierzu Gentilli/ Mazzochi 1996; Castillo Peña 2001 und Pablo Segovia 2008; siehe auch Mele 1914, 30f. und Sáez Rivera 2007, 120. 785 Die Diálogos apazibles knüpfen an die Tradition der Dialogbücher an, die in der griechisch-römischen Antike begründet liegt und auch im Mittelalter als Lehrmaterial im Sprachunterricht eingesetzt wurde; vgl. hierzu u.a. Castillo Peña 2001, 111. 786 Vgl. hierzu Segovia 2007, 603f.: „Son diálogos pensados para disfrutar como una obra literaria.“ 787 Auch das sechste Colloquio der Colloquia cum Dictionariolo (1583) beinhaltet eine Konversation beim Aufstehen am Morgen; vgl. Kapitel 5.3.1. 275 (115) D P. Oyes moço? D P. Odi garzone? Per parlare correntemente Toscano, meglio sarebbe chiamare per il nome proprio il servitore; cioè Alfonso, Antonio Pietro, Francesco, e simili; dando quell’accènto nel chiamare, come quando diciamo Olà? poichè à dire in generale, Garzone, ò Seruitore in tal caso non è vsato. (Franciosini 1626, 7) Hier werden die unterschiedlichen Konventionen der Anrede kommentiert. Die wörtliche Übersetzung des spanischen moço ‘Knecht’ mit garzone wird für den toskanischen Sprachgebrauch als ungewöhnlich beschrieben. Stattdessen müsse man den Namen des Dieners mit einer bestimmten Betonung aussprechen, um den gleichen auffordernden Charakter wie in dem spanischen Satz zu erzielen. Im folgenden Ausschnitt aus dem ersten Dialog erläutert Franciosini Unterschiede im Tempusgebrauch: (116) D P. Puès asno, como dixìste que ha dado las cinco? D P. Dunque, pezzo di asino, perche hai tu detto che son sonate le cinque? Auuertiscasi quì, per altroue, che gli Spagnoli vsano spesso il Perfetto Indefinito, per il Definito; come in questo luogo nel verbo. Dixìsste. (Franciosini 1626, 8) Es finden sich zahlreiche Beschimpfungen und Kraftausdrücke, mit denen die Spanier und das Spanische als ungehobelt und roh stilisiert werden. (117) D P. Pues hidepùta yd por ellas. D P. Oh furfante, và per esse. Si noti, che parlando in Spagnolo co’seruitori, si dá loro del Voi, che in Italiano diciamo Tu. Hidepùta è vna voce corrotta da Hijodeputa. che vuol dire, figliuolo d’vna puttana, ma noi altri sogliamo dir più tosto furfante, manigoldo, sciaurato, e simili. (Franciosini 1626, 10f.) Der Kommentar zum Gebrauch von sp. hideputa fasst im Wesentlichen Mirandas Ausführungen zur Verwendung des Schimpfwortes zusammen (vgl. Zitat 108). 788 Gelegentlich beziehen sich die Anmerkungen auf mehrere Aspekte. So wird in folgendem Zitat einerseits die Verwendung des spanischen Wortes pues als Diskursmarker 789 angesprochen, andererseits die Doppeldeutigkeit des spanischen jubón kommentiert, das ‘Weste’ und ‘Peitsche’ bedeuten kann. (118) A. Que iubon? D P. El de raso pespuntàdo. A. Hele aqui. A. Che giubbone? D P. Quello di raso fatto a impuntare. A. Eccolo qui. 788 Vgl. Miranda 1566, 298ff. 789 Vgl. Martín Zorraquino/ Portolés Lázaro 1999. 276 D P. Majadero, pues el iubon me trahes antes que la camisa; quieres me motejar de açotàdo? D P. Oh balordaccio, tu m’arrèchi prima il giubbone, che la camicia vuoi tu forse mottegiare ch’io sia stato frustato? La particola, Puès. in Spagnolo, si usa taluolta più tosto per riempimento, che per necessità, come in questo luogo, benche paia ch’ella porti seco non sò che di merauiglia. Jubòn, è equiuoco a quella sorte di vestimento, che comunemen-te si porta sotto alla casacca, e sopra la camiciuola, detto da noi giubbone, & à quel numero di frustate, che il Boia, ò il Carnefice dà à chi da lui è frustato, & in questo luogo s’allude a quest’vltima significazione. (Franciosini 1626, 10) In den acht Dialogen, die ähnlich wie die Colloquia cum Dictionariolo (vgl. Kapitel 5.3.1) verschiedenen Kommunikationssituationen entsprechen, illustriert Franciosini je nach Stand und Position der Dialogteilnehmer typische Umgangsformen und sprachliche Verhaltensmuster. In den Dialogen, die Gespräche zwischen Edelleuten simulieren, wie das Tischgespräch bei einem Gastmahl, überwiegt ein gepflegter, bisweilen affektierter Stil, wobei die spanischen Anrede- und Begrüßungsformeln und auch das Scherzen und Spotten (motejar oder mottegiare) in den Vordergrund gerückt werden, das auch bei Miranda als wichtiges Element des spanischen Sprachgebrauchs beschrieben wurde. In den Dialogen, in denen Gespräche mit Dienstboten und Angestellten dargestellt werden, überwiegen hingegen derbe Ausdrucksweisen, die von Kraftausdrücken und Schimpfwörtern geprägt sind. Franciosini transportierte damit ähnliche stereotype Bilder vom Wesen und der Sprache der Spanier, die auch in den mehrsprachigen Komödien Torres Naharros und anderer Autoren zur Charakterisierung der Figur des spanischen Soldaten oder des spanischen Edelmannes eingesetzt worden waren (vgl. Kapitel 4.2). Es handelt sich dabei letztlich um Stereotype, die im 16. Jahrhundert bereits europaweit verbreitet waren 790 , deren früheste Belege jedoch aus der Italia Spagnola stammen (vgl. Kapitel 4.2.1). Der Überblick über die Entwicklung der Lehrmaterialien für den Spanischunterricht bestätigt, dass sich im Verlaufe des 16. Jahrhunderts in der Italia Spagnola ein Systematisierungsschub vollzog. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts existierten lediglich die mehrsprachigen Lehrbücher (Vochabuolista- und Colloquia-Tradition, vgl. Kapitel 5.3.1), die vorwiegend ein auf die kommunikativen Bedürfnisse von Händlern und Reisenden abgestimmtes Sprachwissen vermittelten und auf Grund ihrer polyglotten Konzeption nicht detailliert auf die Unterschiede zwischen dem Spanischen und dem Toskanischen eingehen konnten. Die in den Zentren der Italia Spagnola vertretenen spanischen Autoren, Übersetzer und Herausgeber etablierten jedoch in Kooperation mit den dort ansässigen Druckern und Verlegern in 790 Man berücksichtige, dass Franciosinis Dialoge auf Oudin (1608) und Oudins Dialoge auf Minsheus (1599) zurückgehen. 277 der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Einführungen in das Spanische (vgl. Kapitel 5.2) eine frühe Form der Beschreibung der spanischen Grammatik für Italiener. Ausschlaggebend dafür waren die Vorlieben und Lektüregewohnheiten der italienischen Leser. Alessandris Paragone della lingua Toscana et Castigliana (1560) hingegen war der erste Versuch einer praktischen Lerngrammatik, in der das Spanische und das Toskanische kontrastiert werden. Miranda perfektionierte dies, indem er in den Osservationi della lingua castigliana (1566) ein Konzept entwickelte, dass tatsächlich ein systematisches Studium der Grammatik und des Sprachgebrauchs ermöglichte. Die Notwendigkeit dafür thematisieren die Autoren in den Paratexten und die hohen Auflagenzahlen der Bücher bestätigen dies. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts erschienen die ersten Wörterbücher (Las Casas 1570 und Franciosini 1620, vgl. Kapitel 5.3.2), die explizit als Hilfsmittel für Personen konzipierten waren, deren Fremdsprachenkenntnisse professionellen Anforderungen, wie beispielsweise dem Übersetzen oder Verfassen von Texten, genügen mussten. Die Autoren und Herausgeber der Lerngrammatiken, Wörterbücher und Lehrbücher bewerten Fremdsprachenkenntnisse positiv und betonen die Relevanz des Spanischstudiums insbesondere im Kontext der Italia Spagnola. 791 Dabei war es Miranda und Alessandris Anliegen, auf der Basis einer möglichst exhaustiven Beschreibung der Grammatik des Spanischen, dem Lerner vertiefte, wenn nicht sogar perfekte Sprachkenntnisse zu vermitteln: „col mezo delle quali potrà ciascuno impadronirsi perfettamente del nostro Spagnuolo Idioma“ (vgl. Zitat 104). Durch die Verwendung der begrifflichen Formen der volkssprachlichen Grammatikographie konnte Miranda eine terminologisch präzise Beschreibung der grammatischen Strukturen des Spanischen leisten, die zusätzlich durch Tabellen, Schemata und Schaubilder illustriert wurden. Durch die Verwendung nicht-begrifflich deskriptiver Formen, wie Dialoge und Textfragmente, wird der Sprachgebrauch und idiomatisches Wissen vermittelt. Die Kombination von Elementen unterschiedlicher Traditionen (Grammatikographie, Lehrdialoge, Nomenklaturen und Stiltraktate), machen den innovativen Charakter der Osservationi aus und Mirandas Weiterentwicklung des Modells ‘Lerngrammatik’ zur Beschreibung des Spanischen ist als Reaktion auf ein Bedürfnis in der Italia Spagnola zu bewerten. 791 Man berücksichtige auch die Spanischgrammatik für Italiener von Perles y Campos, die 1689 in Neapel erschien. Wie Tina Ambrosch-Baroua 2013 in ihrer Untersuchung darlegt, beweist die Gramatica española, O’modo de entender leier, y escrivir Spañol, in der Elemente der Gebrauchsgrammatik mit Anleitungen zum Verfassen von Briefkorrespondenz kombiniert wurden, die Dynamik der spanisch-italienischen Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel und zeigt, dass Spanischkenntnisse dort noch im ausgehenden 17. Jahrhundert eine Notwendigkeit darstellten; vgl. auch Sáez Rivera 2007, 140-162. 278 Dieser Systematisierungsschub in den kontrastiven spanisch-toskanischen Lerngrammatiken führte jedoch nicht dazu, dass kein Bedarf mehr an anderen Lehrbuchtypen und Darstellungsformen bestanden hätte: Troiano veröffentlichte mit dem Compendio einen grammatikographischen Text in Dialogform und verzichtete ebenso wie Giuffredi in den Annotazioni, in denen auch stilistische Fragen erörtert werden, auf die begrifflichen Formen. Franciosini, der in der Grammatica spagnuola ed italiana Mirandas Modell folgte und in dessen Wörterbücher ebenso wie in Las Casas Vocabulario die beiden Sprachen systematisch kontrastiert wurden, stellte mit den Diálogos apazibles und den Rodomontadas españolas zweibeziehungsweise dreisprachige Lehrbücher zur Verfügung, die auf der Grundlage erbaulicher Dialoge sprachliche Raffinessen des Spanischen vermitteln sollten. Es muss auch berücksichtigt werden, dass die ‘neuen’ Lerngrammatiken an den Bedürfnissen gebildeter Lerner orientiert waren. Die Nachfrage nach Lehrbüchern, die praxisbezogenes und in alltäglichen Kommunikationssituationen nützliches Sprachwissen vermittelten, bestand weiterhin. Bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts erschienen in Italien und in anderen europäischen Ländern die mehrsprachigen Lehrbücher der Vochabuolista-Tradition, die der Colloquia-Tradition sogar bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Aus diesem Grund kann nicht nur die Rede davon sein, dass die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola ein Auslöser für die Systematisierung der Spanischlehrwerke war, sie wirkte auch als beschleunigende Kraft auf den Prozess der Pluralisierung von Lehrmethoden und -formaten ein. 279 6. Ergebnisse Welche Ergebnisse lassen sich aus den Untersuchungen in den Kapiteln 4 bis 5 bezüglich des Kommunikationsraums der Italia Spagnola ableiten? Was die historischen Konstellationen betrifft, bestätigen die Texte zunächst, dass Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel und der restlichen Italia Spagnola im 16. und 17. Jahrhundert eine Gegebenheit war und in bestimmten Domänen der literarisch-intellektuellen Textproduktion, wie in der poesía cancioneril (Kapitel 4.1.1), in der höfisch-satirischen Dichtung Tansillos (Kapitel 4.1.2) und den Komödien (Kapitel 4.2) sowie in der Literaturrezeption (Kapitel 5.1 und 5.2), sogar verankert war. In der Textproduktion spielten neben dem Toskanischen das Lateinische und das Spanische, aber auch das Neapolitanische, zum Beispiel bei Tosco, und vereinzelt sogar das Sizilianische, zum Beispiel bei Arezzo, eine Rolle (Kapitel 5.1.3). Diese Sprachen waren Optionen, zwischen denen Autoren unter Berücksichtigung gattungsbezogener und diskurstraditioneller Regeln auswählen konnten. Der Cancionero de Estúñiga enthält zwar keine metasprachlichen Äußerungen oder Reflexionen über die Mehrsprachigkeit im dichterischen Umfeld des spanisch-aragonesischen Hofes unter König Alfons V, allerdings konnte in Kapitel 4.1.1 gezeigt werden, dass in der Literaturproduktion schon in aragonesischer Zeit das Kastilische das dominierende iberische Element war. Die Texte bezeugen eine spanisch-italienische Pluralität im Bereich der literarisch-lyrischen Produktion am neapolitanischen Hof. Insbesondere in den Gedichten Carvajals äußert sich ein Bewusstsein für Sprachkontakt sowie eine Vorliebe für ästhetisch motivierte Mehrsprachigkeits- und Sprachkontaktphänomene. Seine Gedichte (vgl. Zitat 5-8) diskursivieren eine besondere Form von Sprachbewusstsein: Zutage tritt die Sensibilität eines Autors literarischer Texte für Fragen, die die Mehrsprachigkeit betreffen. Während in der poesía cancioneril Mehrsprachigkeit in das ästhetische Programm eingebettet ist und sprachliche Tendenzen der frühen Italia Spagnola widergespiegelt werden, sind Sprachkontakt- und Mehrsprachigkeitsphänomene in Tansillos Capitoli giocosi e satirici fester Bestandteil der satirischen Inszenierungen. Wie in Kapitel 4.1.2 dargelegt wurde, werden durch sie systematisch komische Effekte erzeugt. Das bedeutet, dass Mehrsprachigkeit hier nicht nur eine ästhetische Variante, sondern Programm ist. Dies trifft sowohl auf die Gestaltung der äußeren Form zu, wenn Hispanismen als reimbildende Elemente eingesetzt werden (vgl. Zitat 14), als auch auf die inhaltliche Gestaltung, wenn die ähnliche Lautgestalt spanischer und toskanischer Lexeme (vgl. Zitat 15) ins Zentrum gerückt wird. Sie dient dann nicht nur dem Sprachspiel, sie ist auch der Aus- 280 löser für Reflexionen über die Sprachverschiedenheit. Tansillos Inszenierung einer spanisch-italienischen Sprachverwirrung ist widersprüchlich. Die sogenannte ‘insalata’ (vgl. Zitat 21) ist vielmehr ein Symptom für die mehrsprachigen Kompetenzen des Autors und die Interkomprehensionsfähigkeiten in seinem Umfeld. Die Mehrsprachigkeit und die daraus resultierenden Kontaktphänomene boten auch einen ästhetischen Anreiz, auf den Autoren mit der mehrsprachigen Verfasstheit ihrer Texte reagierten. Dabei greifen die Texte, die in Kapitel 4 besprochen wurden, Phänomene des spanisch-‘italienischen’ Sprachkontakts auf, der in den Macht- und Ballungszentren der Italia Spagnola durch die extrem hohe spanische Präsenz gegeben war. Die Texte verweisen auf zwei Umfelder, auf die sich der Sprachkontakt konzentrierte. Eines davon betrifft die ‘süditalienische’ Hofgesellschaft, in der Spanischkenntnisse nahezu flächendeckend gegeben waren, wie Valdés bestätigt (Kapitel 5.1.2) und Il Galateo kritisiert hatte (vgl. 5.1.1). Das andere betrifft das Umfeld der spanischen Soldaten, die in Neapel und Rom in engem Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung lebten (Kapitel 3.1) und die beispielsweise in den Komödien Torres Naharros repräsentiert sind (Kapitel 4.2.1 mit Unterkapiteln). In den mehrsprachigen Komödien sind - wie in den Capitoli giocosi e satirici - Sprachkontaktphänomene und mehrsprachige Kommunikation nicht nur in der Verfasstheit der Texte gegeben, sondern zugleich auch der Gegenstand von Karikatur und Spott, also Programm. In Torres Naharros Tinelaria sind der Sprach- und Kulturkontakt und die daraus resultierenden Missverständnisse sogar das zentrale Thema des Spiels (Kapitel 4.2.1.1 und 4.2.1.2). Dabei bedienten sich die Autoren gezielt kultureller Stereotype, wie beispielsweise der Figur des ungehobelten spanischen Soldaten oder des arroganten und anmaßenden spanischen Kapitän, und koppeln diese mit sprachlichen Mustern um ‘Spanisch Sprechen’ zu signalisieren. Einige dieser Stereotype und sprachlichen Muster finden sich sowohl in der Stilkritik (vgl. 5.1.1) und in sprachtheoretischen Abhandlungen als auch in den Lehrwerken wieder. Während Il Galateo in de educatione die Rohheit der spanischen Sprache und das schmeichlerische Sprechen der Spanier verurteilte (Kapitel 5.1.1), rückt Franciosini in den Rodomontadas españolas und den Diálogos apazibles (vgl. 4.2.1.2 und 5.3.2) die gleichen oder ähnliche Eigenschaften des Spanischen und der Spanier ins Zentrum, um damit die Erwartungen seiner Leserschaft zu erfüllen, die das hoheitsvolle und von Aufschneidereien gekennzeichnete Sprechen der Spanier erbaulich fanden und bis zu einem gewissen Grad auch für authentisch hielten. Giovanni Miranda (Kapitel 5.3.2) nennt neben den refranes und proverbios, auf die Juan de Valdés im Diálogo de la lengua (vgl. 5.1.2) verwiesen hatte, auch Kraftausdrücke als typische Elemente des spanischen Sprachgebrauchs, die er in seiner Lerngrammatik als Beispiele einsetzte und kom- 281 mentierte (vgl. 5.3.2). Die Stereotypisierung des schimpfenden, ungehobelten und anmaßenden Spaniers ist ebenso wie die Generalisierung der damit verbundenen sprachlichen Muster eine Form der Reflexion und der Abstraktion, mit der kommunikative Prozesse und Mehrsprachigkeit beschrieben wurden. Die salienten lautlichen und lexikalischen Merkmale, die das Spanische und die mehrsprachige Kommunikation markieren, sind Essenzen von sprachlichen Handlungen und Verhaltensweisen, die ihren Ursprung im Kommunikationsraum der Italia Spagnola hatten. In den Texten wurden die Elemente der mehrsprachigen Kommunikation, die gemeinsame Erfahrungswerte darstellten und auf Grund ihres hohen Wiedererkennungswertes funktionierten (vgl. 3.2), zu einer neuen stilisierten Realität der Mehrsprachigkeit zusammengefügt. Dabei dominiert in den Repräsentationen des Sprachkontakts ein Paradoxon: Während in den Karikaturen und Imitationen häufig ein Misslingen der mehrsprachigen Kommunikation zwischen Spaniern und ‘Italienern’ simuliert und somit sprachliche Diversität als Hindernis in den Vordergrund gerückt wird, durfte die Mehrsprachigkeit gleichzeitig das Textverständnis von Seiten der Rezipienten nicht behindern. In Bezug auf den Status der einzelnen Sprachen in den Komödien, die in Kapitel 4.2 und den Unterkapiteln vorgestellt wurden, zeichnen sich Kontraste ab. Das Neapolitanische ist zwar durch bestimmte sprachliche Merkmale gekennzeichnet, dabei handelt es sich jedoch nicht um feste stereotype Muster, sondern eher um saliente phonetisch/ phonologische, morphosyntaktische und lexikalische Merkmale (Kapitel 4.2.2). Aus diesem Grund ist auch eine relativ freie Themenentfaltung möglich und das Neapolitanische kann autonom neben der am toskanischen Modell orientierten Literatursprache bestehen. In dieser Konstellation wird maximale Interkomprehension dargestellt. Andere Sprachen, wie zum Beispiel das Deutsche, werden nur durch ein übersichtliches Repertoire an stereotypen Signalen angedeutet. Die Darstellung des Spanischen hingegen variiert von signalhaften Verwendungen spanischer Merkmale, über unterschiedlich stark markierte, ‘pseudospanische’ Varietäten bis hin zu einem beinahe fehlerfreien Gebrauch des Spanischen als Fremdsprache. Letztlich sind nicht nur die in Kapitel 4.2.1.1 besprochenen metasprachlichen Urteile, sondern auch die beschriebenen Spielarten der Repräsentation von Mehrsprachigkeit Resultate von Reflexionsprozessen: Die Autoren hatten eine Bewusstheit dafür entwickelt, wie viel Angriffsfläche die einzelnen mehrsprachigen Konstellationen für Komik und Spott boten und es zeichnet sich ab, dass das Spanische im Vergleich zu anderen Sprachen als Projektionsfläche einen Sonderstatus hatte. Während die Gegenüberstellung süditalienischer Varietäten mit dem Toskanischen in den seltensten Fällen zu sprachbasierten Missverständnissen und Verwechslungen führt, enden spanisch-‘italienische’ Konstellationen häufig konfliktiv. Dies hängt damit zusammen, 282 dass in letzterem Fall die sprachintern-systematischen und die historischkulturellen Unterschiede bewusst als Differenz wahrgenommen wurden, während bei der Gegenüberstellung verschiedener italienischer Varietäten nicht genügend Angriffsfläche dafür geboten war. In den in Kapitel 4 besprochenen Texten ist Sprachreflexion überwiegend bis ausschließlich in nicht begrifflicher Form gegeben, da Sprachbetrachtung und Sprachkritik im Rahmen literarischer Texte stattfindet. In Kapitel 5 hingegen ist Mehrsprachigkeit Gegenstand sprachtheoretischer Überlegungen und Reflexionen sind in begrifflichen und nicht-begrifflichen Formen gegeben. Das Spanische wird in Bezug auf seine Qualitäten als Literatursprache mit dem Toskanischen verglichen (vgl. 5.1.2, 5.2 und 5.3.2) oder, wie bei Partenio Tosco (vgl. 5.1.3), sogar als Argument gegen die Überlegenheit des Toskanischen funktionalisiert. Teilweise nehmen diese Diskussionen auch politische Dimensionen an, wie beispielsweise in De Educatione oder auch im Diálogo de la lengua (vgl. 5.1.2). Was die Verbreitung des Spanischen in ‘Italien’ über die Grenzen des Königreichs Neapel hinaus betrifft, stimmen die ‘Sprachexperten’ in ihren metasprachlichen Äußerungen und Betrachtungen weitgehend überein: Francisco Delicado, Alfonso de Ulloa, Juan de Valdés, Giovanni Mario Alessandri d’Urbino und Giovanni Miranda, deren Interesse an sprachbezogenen Fragen ein professionelles war, betonen, dass in der Italia Spagnola Spanischkenntnisse bereits flächendeckend vorhanden waren. Die in Kapitel 5.2 besprochenen Äußerungen und Reflexionen über die Lesegewohnheiten in der Italia Spagnola kommentieren einen Aspekt des Pluralisierungsprozesses, der im 16. Jahrhundert nicht ausschließlich im Königreich Neapel gegeben war, dort aber auf Grund der gesellschaftlichen Konstellationen besonders vital war. Die unterschiedlichen Meinungen und Aussagen der Experten über die Mehrsprachigkeit im Kommunikationsraum der Italia Spagnola bestätigen, dass im 16. und 17. Jahrhundert für die gelehrte Textproduktion folgende Sprachen relevant waren: Lateinisch und Toskanisch sowie Neapolitanisch und Sizilianisch - die süditalienischen Idiome, die für literarische Zwecke ausreichend ausgebaut waren - und das Spanische, das als Sprache der Fremdherrscher eben nicht nur in der Diplomatie, bei Hof und in der Verwaltung, sondern auch im literarisch-gelehrten Kontext präsent war. Die Notwendigkeit dieses Wissen durch entsprechende Lehrmethoden zu systematisieren, erkannten die Herausgeber, Delicado und Ulloa (vgl. 5.2). Die entscheidenden Maßnahmen ergriffen jedoch die Verfasser der ersten Lerngrammatiken: Alessandri und Miranda kontrastierten im Paragone della lingua Toscana et Castigliana und in den Osservationi della lingua Toscana (5.3.2) die Grammatik des Spanischen und des Toskanischen und ermöglichten dadurch ein detailliertes und umfassendes Sprachstudium. Mehrsprachigkeit wird in den untersuchten Texten der Kapitel 4 und 5 grundsätzlich positiv bewertet und als Chance für sozialen und beruflichen 283 Aufstieg bezeichnet. Was jedoch die systematische Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen, die für die Kommunikation in der Italia Spagnola relevant waren, betrifft, sind die Lehrwerke auf eine spanisch-toskanische Zweisprachigkeit ausgerichtet. Andere italienische Varietäten, wie beispielsweise das Neapolitanische, das immerhin in der Textproduktion des vizeköniglichen Verwaltungsapparates eine Rolle spielte 792 , wurden nicht berücksichtigt. Damit favorisieren die Lehrwerke eine Hierarchisierung der Sprachen im Königreich Neapel: Das Kastilische als international anerkannte Sprache der spanischen Krone und das Toskanische als einflussreichste Literatursprache ‘Italiens’ waren die Prestigesprachen, deren Kenntnisse in der Italia Spagnola als Voraussetzung für sozialen und wirtschaftlichen Erfolg sowie für Aufstieg gewertet wurden. Andererseits finden sich in den Texten zahlreiche Verweise auf Sprachkontakt, Interferenz und zweisprachige Kommunikation. Das bedeutet, dass im sprachlichen Alltag von Fall zu Fall ausgehandelt werden musste, welche Sprache(n) für die entsprechenden kommunikativen Anforderungen angemessen beziehungsweise notwendig waren. Vor allem das Prinzip des sich Anpassens durch Akkommodationen (Kapitel 3.2.2), das auch Valdés als Option für die Verständigung zwischen Spaniern und ‘Italienern’ nannte, spielte dabei eine Rolle. Die metasprachlichen Betrachtungen über die Mehrsprachigkeit sind dabei auch der Versuch ordnend in die institutionell nicht geregelte Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola einzugreifen. Insgesamt zeichnen die Texte, die in den Kapiteln 4 und 5 untersucht wurden und in denen unterschiedliche Formen der Sprachreflexion identifiziert werden konnten, das Bild von einer mehrsprachigen Gesellschaft im spanisch dominierten Süditalien, in der sprachliche Diversität nicht als Hindernis betrachtet, sondern als Gegebenheit akzeptiert wurde, auf die man mit unterschiedlichen Strategien reagieren konnte. In ihrer Gesamtheit zeichnen die hier untersuchten zeitgenössischen Reflexionen aus dem 16. Und 17. Jahrhundert das Bild von einer dynamischen und vielschichtigen spanisch-italienischen Mehrsprachigkeit, die für einige Bereiche der Distanzkommunikation um das Lateinische erweitert werden kann. Dabei weist die Verwendung des Lateinischen eine stärker diskurstraditionelle Gebundenheit auf. Der Vorschlag, die Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel als ‘Trias Spanisch, Italienisch, Latein’ zusammenzufassen, stammt von Verena Schwägerl-Melchior (2014). In ihrer Dissertationsschrift wird gezeigt, dass die Distribution der einzelnen Idiome in der Verwaltungskommunikation teilweise „relativ stark an bestimmte Idiome gebunden“ war und diese somit eine „exklusive diskurstraditionelle ‘Institutionalität’“ (Schwägerl-Melchior 2014, 408) aufweisen, während in anderen Kontexten spanische und italienische Varietäten gleichberechtigt waren. 793 792 Vgl. Schwägerl-Melchior 2010. 793 Vgl. Schwägerl-Melchior 2014, 409f. 284 In diesen Kontexten war die Sprachenwahl dem Produzenten des Textes überlassen, wobei im institutionellen Rahmen Mehrsprachigkeit zumindest durch passive Kenntnisse in den beiden Volkssprachen gegeben war, wodurch erfolgreiche Kommunikation und Informationsaustausch garantiert waren. 794 Diesen Befund, der auf die Vielschichtigkeit von aktivem und rezeptivem Plurilinguismus im Bereich der Administration (Kapitel 3.2.2) hindeutet, können die hier untersuchten Formen der Sprachreflexion in literarischen und sprachtheoretischen Texten bestätigen: Die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola reichte je nach kommunikativen Anforderungen von der Interkomprehension auf der Basis passiver Kenntnisse bis hin zu systematischem Wissen über grammatische, stilistische und idiomatische Eigenschaften der Sprachen. Insofern trifft George Lüdis Begriff der Polyglossie 795 , der als begrifflicher Raum mit zahlreichen Dimensionen definiert ist (Kapitel 3.2.2), auf die Organisation des Sprachgebrauchs im spanisch dominierten Italien im 16. und 17. Jahrhundert zu. Die Untersuchungen und Analysen in dieser Arbeit konnten außerdem zeigen, dass sich die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit keineswegs auf die historisch verankerten räumlichen und zeitlichen Grenzen des Königreichs Neapel beschränkte. Auf Grund der Aussagen über die Rezeption und die Produktion spanischer Literatur (Kapitel 5.2), mehrsprachiger Poesie und Komödien (Kapitel 4) sowie der Urteile und Bewertungen in sprachtheoretischen Schriften (Kapitel 5.1 mit Unterkapiteln) und Lehrbüchern (Kapitel 5.3.2) kann das Spanische als Kulturadstrat bezeichnet werden, dass über mehrere Jahrhunderte hinweg mit den italienischen Varietäten in Kontakt stand und insbesondere das Neapolitanische stark beeinflusste. Somit ist auch der Kommunikationsraum der Italia Spagnola keine geografisch, territorial oder epochal eingrenzbare räumliche Entität, sondern vielmehr ein Konstrukt, das auf der Gesamtheit aller Texte und Diskurse basiert, in denen die spanisch-italienische Mehrsprachigkeit verhandelt wurde und deren historisches Fundament der Sprach- und Kulturkontakt durch die spanische Präsenz im Königreich Neapel und anderen Teilen Italiens in der Frühen Neuzeit ist. In Bezug auf die drei Ebenen der Sprache überwiegen in den untersuchten Texten Beobachtungen und Äußerungen, die die historische Ebene der Sprache betreffen, denn auf ihr ist Sprachverschiedenheit beobacht- und analysierbar. Die Experten (Kapitel 5), die sich in der Stilkritik, in sprachtheoretischen Abhandlungen und Lehrwerken mit der Rolle des Spanischen in Italien befassten, attestieren einerseits die gesellschaftlich verankerte Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola. Zum anderen thematisieren sie explizit Unterschiede auf der lautlichen, morphosyntaktischen, der lexikalischen und der idiomatischen Ebene, mit dem Ziel der Hierarchisierung 794 Vgl. Schwägerl-Melchior 2014, 411. 795 Vgl. Lüdi 1996, 237. 285 beider Volkssprachen oder der Vermittlung von strukturierten Fremdsprachenkenntnissen. Kommentare über den Gebrauch einzelner Wörter, wie in den Capiotoli, in den Komödien oder auch im Diálogo de la lengua, beziehen sich ebenfalls auf die historische Ebene, auch wenn sie vermeintlich die aktuelle Verwendung im Diskurs aufzugreifen scheinen. Derartige Beobachtungen in den besprochenen Texten (Kapitel 4 und 5) sind das Resultat von Überlegungen und Reflexionen von Autoren, die auf Grund ihres professionellen Umgangs mit Sprache ein geschultes Bewusstsein für stilistische, grammatische und idiomatische Fragen hatten. Nur die Kommentare über den Gebrauch von Lexemen oder lautlichen Phänomenen fanden Eingang in literarische oder sprachtheoretische Texte, die sich von Regelmäßigkeiten im Fremdsprachengebrauch ableiten ließen. Reflexionen, die sich im weitesten Sinn auf die universelle Ebene der Sprache beziehen, sind lediglich in den Bemerkungen enthalten, die den Vorteil mehrsprachiger Kompetenzen für Staatsmänner, Handeltreibende und Reisende betonen (vgl. z.B. Zitat 94 und 105). Welche theoretischen Erkenntnisse lassen sich schließlich aus der Untersuchung der Mehrsprachigkeit und der Sprachreflexion in der Italia Spagnola ableiten? Die in der Einleitung in Anlehnung an Uriel Weinreich (Kapitel 1) formulierte Hypothese wurde bestätigt: Mehrsprachigkeit, die über einen längeren Zeitraum innerhalb einer Gesellschaft konstant gegeben ist, kann Prozesse der Sprachreflexion auslösen. Diese wiederum beeinflussen das Sprachbewusstsein der Sprecher und die Sprachtheorie. Uriel Weinreichs Annahme bewahrheitet sich in der Hinsicht, als dass die spanischitalienische Mehrsprachigkeit im Königreich Neapel tatsächlich dazu führte, dass Autoren in literarischen, sprachphilosophischen und -theoretischen sowie grammatikographischen Texten sich intensiv und aus unterschiedlicher Perspektive mit der Sprachverschiedenheit, mit Kontaktphänomenen und deren Auswirkung auf die Kommunikation befassten. Das heißt, dass in diesem durch konstanten Sprachkontakt geprägten Kommunikationsraum das steigende Interesse an sprachrelevanten Fragen sowie die Pluralisierung von sprachbezogenen reflexiven Leistungen als Folge der Mehrsprachigkeit zu betrachten ist. Der Systematisierungsschub des Fremdsprachenstudiums durch innovative Lerngrammatiken und die Pluralisierung der Formen der Sprachbetrachtung und der Grammatikographie wurden letztlich durch den Sprachkontakt und die Mehrsprachigkeit beschleunigt. Prinzipiell stellte gesellschaftliche Mehrsprachigkeit in der gesamten Vormoderne den Regelfall dar. Die Italia Spagnola ist insofern keine Ausnahme. Das charakteristische Merkmal des hier untersuchten Kommunikationsraumes hingegen ist der konstante Kontakt zweier genealogisch sehr eng miteinander verwandter Volkssprachen, die für frühneuzeitliche Verhältnisse bereits über einen relativ hohen Ausbaugrad verfügten und in einigen Bereichen der Distanzkommunikation als Dachsprachen funktionierten. So- 286 mit richtete sich nicht nur die Aufmerksamkeit der Sprachexperten vermehrt und gezielt auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen, sondern auch die des durchschnittlichen Sprechers. Dabei wurde durch die Diversitätserfahrung eine bestimmte Form des Sprachbewusstseins, nämlich ein Bewusstsein für Mehrsprachigkeit und die situations- und kontextabhängige Verwendung bestimmter Idiome, ausgeprägt, was sich in den verschiedensten Formen und Ausprägungen der Sprachreflexion niederschlug. Die flammenden Bekundungen der Loyalität gegenüber der eigenen Muttersprache (Tosco), die ablehnenden Haltungen gegenüber der Sprache der anderen (Galateo), die inszenierte Verzweiflung über den Verlust sprachlicher Treffsicherheit durch zu viel Sprachkontakt (Tansillo), die Karikaturen des spagnolo finto oder des mangelhaften Italienisch spanischer bisoños, sie alle haben eines gemeinsam mit den seriösen sprachtheoretischen Überlegungen über Sprachverschiedenheit und -gemeinsamkeiten (Kapitel 5): Sie sind zeitgenössische ‘Sprachhaltungen’, die die Mehrsprachigkeit in der Italia Spagnola reflektieren und Uriel Weinreichs in Kapitel 1 zitierte Behauptung bestätigen: „It is in a situation of language contact that people most easily become aware of the peculiarities of their language as against others.“ (Weinreich 1964, 100) 287 7. Bibliographie 7.1 Texte und Quellen Alberti, Leon Battista <ca. 1441>(1996): Grammatichetta e altri scritti sul volgare, hrsg. v. 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Auch nach den editorischen Bemühungen der letzten vierzig Jahre ist eine verläßliche philologische Rekonstruktion des Werks bis heute ein Desiderat. Ein entsprechender Versuch wird hier für das letzte und reifste Stück des Zyklus, den Sueño de la muerte , vorgelegt und in einer ausführlichen Einleitung begründet. Zwei in den letzten Jahren aufgetauchte vollständige Handschriften des Sueño aus Quevedos Lebenszeit sind erstmals berücksichtigt. Die Ausgabe ist zugleich ein historisch fundierter Beitrag zur aktuellen Diskussion um eine „neue“ Editionsphilologie. Das frühneuzeitliche Königreich Neapel, das von 1503 bis 1713 unter spanischer Herrschaft stand, war auf allen gesellschaftlichen und institutionellen Ebenen vom spanisch-italienischen Sprach- und Kulturkontakt geprägt. Diese Arbeit untersucht den Plurilinguismus in der Italia Spagnola mit einem interdisziplinären Ansatz: Anhand von Texten aus der Epoche, die unterschiedlichen Gattungen der Literatur und der Sprachbetrachtung angehören, werden Zusammenhänge offengelegt, die sich in dem Kommunikationsraum zwischen der Mehrsprachigkeit und der zeitgenössischen Sprachreflexion ergaben. Die Arbeit richtet sich sowohl an sprachhistorisch interessierte Italianisten als auch Hispanisten.