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Südosteuropäische Romania

Siedlungs-/Migrationsgeschichte und Sprachtypologie. Romanistisches Kolloquium XXV

1024
2012
978-3-8233-7740-5
978-3-8233-6740-6
Gunter Narr Verlag 
Wolfgang Dahmen
Günter Holtus
Johannes Kramer
Michael Metzeltin
Wolfgang Schweickard
Otto Winkelmann

Der XXV. Band des Romanistischen Kolloquiums widmet sich dem räumlichen und ethnischen, historischen wie aktuellen Kontext der romanischen Varietäten und ihrer nichtromanischen Kontaktsprachen in Südosteuropa. Er thematisiert dazu Fragen zur Sprachtypologie, Morphologie, Toponomastik, Sprachgeschichte und zum Sprachkontakt, aber auch zu Migration und Transhumanz, zu Siedlungssystemen oder zur Weitergabe mündlichen Erzählguts unter den Bajeschi und Rudari. So entsteht ein (mindestens partielles) Bild der räumlich-kulturellen Komplexität und sprachlichen Morphologie der romanischen Varietäten Aromunisch und rumänisch und ihrer Nachbarsprache Albanisch in Südosteuropa. Die Beiträge beleuchten dabei auch etablierte Termini wie etwa den Balkansprachbund bewusst kritisch. Insgesamt zeigt der Band, dass der Status quo romanischer "Balkansprachen" nur über einen Bezug zur Westromania und eine sehr vielschichtige Rekonstruktion der komplexen historischen, demographischen und kulturell-ethnischen Verhältnisse in Südosteuropa konstatiert werden kann.

<?page no="0"?> Wolfgang Dahmen / Günter Holtus / Johannes Kramer / Michael Metzeltin / Wolfgang Schweickard / Otto Winkelmann (Hrsg.) Südosteuropäische Romania Siedlungs-/ Migrationsgeschichte und Sprachtypologie Romanistisches Kolloquium XXV <?page no="1"?> Südosteuropäische Romania <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 532 <?page no="3"?> Südosteuropäische Romania Siedlungs-/ Migrationsgeschichte und Sprachtypologie Romanistisches Kolloquium XXV Wolfgang Dahmen / Günter Holtus / Johannes Kramer / Michael Metzeltin / Wolfgang Schweickard / Otto Winkelmann (Hrsg.) <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Diese Publikation wurde finanziert aus Mitteln der Forschungsplattform „Wiener Osteuropaforum“ der Universität Wien www.osteuropaforum.at Im Wiener Osteuropaforum (www.osteuropaforum.at) kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus elf Instituten und sechs Fakultäten der Universität Wien. Damit bringt die Forschungsplattform eine europaweit seltene Konzentration der interdisziplinären Beschäftigung mit Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa zum Ausdruck. An der Forschungsplattform beteiligt sind die Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, die Katholisch-Theologische Fakultät, die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, die Rechtswissenschaftliche Fakultät sowie die Fakultät für Sozialwissenschaften. © 2012 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6740-6 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Jürgen Kristophson, Was kann die Linguistik für extralinguistische Fakten in Südosteuropa leisten? Eine Selbstkritik .............................. 1 Maria Iliescu, Der Balkanbund aus romanischer Perspektive .................... 17 Wolf Dietrich, Historische Sprachschichten von Süditalien bis zum Balkan. Areale Gemeinsamkeiten und ihre historische Deutung ........ 29 Eugen Munteanu, Die Konzeption von Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen .................................... 47 Holger Wochele, Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel: Wahrnehmung und Bewertung der Beziehungen zu den Nachbarsprachen sowie zur Restromania in historischer Hinsicht ... 59 Joachim Matzinger, Der lateinisch-albanische Sprachkontakt und seine Implikationen für die Vorgeschichte des Albanischen und der Albaner... 75 Daniel Göler, Kontinuität und Wandel im Siedlungssystem Albaniens ........ 105 Ina Arapi, Albanisch-rumänische Parallelen im Bereich der Wortbildung: Die Suffixe ............................................................................. 123 Gabriella Schubert, Aromunen und Zinzaren in Ungarn, insbesondere in Budapest .......................................................................................... 153 Stamatis Béis, L’aroumain dans le cadre des langues romanes balkaniques ............................................................................................... 165 <?page no="6"?> VI Fanis Dasoulas, Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge. Anthropologische und sprachwissenschaftliche Bemerkungen ......................... 175 Thede Kahl / Ioana Nechiti, Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari. Vergleich zweier Märchen anhand von Feldaufnahmen in Ungarn und Griechenland................................................................... 191 Mihailo St. Popovi , Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz in den Flusstälern der Strumica und Kriva Lakavica.. 227 <?page no="7"?> Vorwort Das international besetzte XXV. Romanistische Kolloquium, welches den Kulturen und Sprachen im südosteuropäischen Raum aus romanistischer Perspektive gewidmet war, fand unter dem Titel „Südosteuropäische Romania: Siedlungs-/ Migrationsgeschichte und Sprachtypologie“ am 30. April 2010 am Institut für Romanistik der Universität Wien statt. Unter den Vortragenden befanden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Österreich, Deutschland, Rumänien und Griechenland. Es wurden fünf für die südosteuropäische Romania bezeichnende Themenbereiche vorgestellt und diskutiert, die entsprechenden Beiträge finden sich im vorliegenden Band in ihrer Mehrheit wieder. Allgemeinere sprachtypologische und sprachhistorische Fragestellungen behandeln: Jürgen Kristophson (zeitliche Gliederung von Kontaktphasen und sprachgeographische Kontakträume), Maria Iliescu (Balkanbund aus romanischer Perspektive), Wolf Dietrich (das Rumänische im Vergleich mit den süditalienischen Dialekten), Eugen Munteanu (Wanderungen der Rumänen) und Holger Wochele (Bewertung der Zugehörigkeit des Rumänischen). Dem albanischen Raum sind gewidmet die Beiträge von Joachim Matzinger (lateinisch-albanischer Sprachkontakt), Daniel Göler (Albaniens Siedlungsgeschichte und Siedlungssystem) und Ina Arapi (Gemeinsamkeiten der albanisch-rumänischen Morphologie). Sprache, Kultur und Raum der Aromunen werden untersucht in den Beiträgen von Gabriella Schubert (Aromunen und Zinzaren in Ungarn), Stamatis Beis (Typologie des Aromunischen), Fanis Dasoulas (aromunische Toponomastik), und Mihailo Popovi (wlachische Transhumanz), während Thede Kahl und Ioana Nechiti auf die Sprache der Rudari und Bajeschi und damit auf rumänisierte Roma eingehen. Das Romanistische Kolloquium XXV. fand als eine Veranstaltung der Forschungsplattform „Wiener Osteuropaforum“ der Universität Wien statt. Es wurde zugleich von der Balkankommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und das Institut für Romanistik der Universität Wien unterstützt. Diesen Institutionen, insbesondere Hansfrieder Vogel, Koordinator der Forschungsplattform „Wiener Osteuropaforum“, sei für ihre Unterstützung herzlich gedankt. <?page no="8"?> Vorwort VIII Für die Organisation vor Ort waren verantwortlich Thede Kahl, Petrea Lindenbauer, Anita Maier und Michael Metzeltin, die auch für die Redaktion des Bandes zeichnen. Besonderer Dank gilt Anita Maier für die Herstellung der Druckvorlage. Die Herausgeber <?page no="9"?> Jürgen Kristophson Was kann die Linguistik für extralinguistische Fakten in Südosteuropa leisten? Eine Selbstkritik Zunächst möchte ich das Thema erläutern, und zwar vom Ende her. Die Selbstkritik bezieht sich auf eigene Untersuchungen, wobei nicht so sehr an den Ergebnissen und an den Methoden gezweifelt werden soll, sondern an dem möglichen Beitrag zum mittleren Teil des Titels, zu den extralinguistischen Fakten für die Sprachenwelt Südosteuropas. Das Hauptproblem besteht in der Verteilung der südosteuropäischen Sprachgebiete, d.h. die Aufspaltung der Slavia in zwei Zonen: Süd und Nord, die große romanische Insel Rumänien und die kleinen Punkte der rumänischen Splitterdialekte, die ungarischen Inseln Ungarn und das Szeklerland, der albanische Streifen von Kosovo bis nach Attika. Das Griechische und das Türkische bieten weniger Probleme. Aber auch kulturelle Entwicklungen von der Folklore bis zur Einführung des Christentums, für die es natürlich sprachliche Spuren gibt, haben nicht alle Geheimnisse gelüftet. Die Linguistik sollte jetzt einen Zugang zu diesen Fragen und Problemen gewähren. Hinter dem Terminus Linguistik verbergen sich allerdings sehr verschiedene Disziplinen, die hier aufzuzählen sich erübrigt. In jedem Fall liegt eine Fülle von Daten vor, die bearbeitet und ausgewertet werden müssen, u.a. in der Hoffnung auch extralinguistische Schlüsse ziehen zu können. So sei hier ein Aufsatz erwähnt, der als Kritik an MA CZAK 1987 gedacht war und der den schönen Titel trägt: Kann man die Urheimat der Goten berechnen? (KRISTOPHSON 1989). Die Antwort lautete (KRISTOPHSON 1989, 94) „nein, aber … Berechnen lässt sich die Gliederung einer Sprachfamilie. Aus den Berechnungen ergeben sich kontaktreichere und isoliertere Sprachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass isolierte und konservativere Sprachen eher der Urheimat verbunden sind, ist größer als bei Sprachen mit einer großen Anzahl von Neuerungen. Allerdings sind die Szenarien einer möglichen äußeren Sprachgeschichte sehr vielgestaltig. Es ergibt sich wieder die Einsicht, dass sprachliche Aussagen nur Indizien für außersprachliche Zustände sind, die Beweislast für die Zusammenhänge müssen andere Disziplinen tragen. Will man aber wenigstens Indizien für die Beziehungen von Sprachwandel, Sprachfamilie und soziokulturellen Zuständen bzw. auch Veränderungen lie- <?page no="10"?> Jürgen Kristophson 2 fern, so sollte man als Idealmaterialsammlung romanische, slavische, vielleicht auch germanische Sprachen heranziehen, da hier die innere und äußere Sprachgeschichte relativ gut bekannt sind. Hier könnte man am ehesten allgemeine Prinzipien, z.B. auch für Urheimatfragen herausarbeiten.“. Dieser Optimismus sollte hier und jetzt, gerade für Südosteuropa, revidiert werden. Obwohl die Linguistik einiges geleistet hat, sollte man prüfen, ob sich wirklich extralinguistische Fakten ableiten lassen. Beginnen wir mit der Typologie. Diese Disziplin hat gerade in Südosteuropa seine Heimat gefunden und eine neue Disziplin, die Balkanologie, entwickelt. Durch strukturelle Vergleiche stellte die Forschung fest, dass einige benachbarte Sprachen Gemeinsamkeiten aufweisen, die von anderen benachbarten Sprachen nicht geteilt wurden. Das Interessante an diesem Phänomen bestand darin, dass die Gemeinsamkeiten in unterschiedlichen Sprachfamilien zu finden waren. Dies galt als besonders bemerkenswert, denn das zentrale Erkenntnisziel der zeitgenössischen Wissenschaft waren Probleme der Sprachfamilienforschung. Die Erkenntnisse der historischen Linguistik zeigten zudem, dass ältere Sprachstufen die sogenannten Balkanismen noch nicht kannten, dass eine Entwicklung zu einem Balkantyp anzusetzen war. Zum Balkantyp sind zwei zentrale Fragen zu stellen, wie kommt es zu diesem Typ und was macht ihn aus? Sprachveränderung an sich ist ein allgemeines Lebensprinzip, aber Annäherung sprachlicher Strukturen kommt in der Regel durch engere und länger andauernde Kontakte zustande, also Siedlungsbewegungen und Handelsbeziehungen, aber auch kulturelle Einflüsse. Für Südosteuropa gilt aber, dass die zwei literarisch verwendeten Sprachen, Griechisch und Altkirchenslavisch, einen archaischen Sprachzustand konservieren, d.h. die Kontakte, die zu den balkanischen Strukturen führten, müssten im mündlichen Verkehr zwischen weitgehend illiteraten Sprechergruppen stattgefunden haben. Man nimmt an, dass größere Gruppen bi- oder sogar multilingual waren. Die oft in die Diskussion gebrachten Substrattheorien sind zunächst keine Alternative, denn die Sprecher der verschiedenen Strata müssen auch zeitweise bilingual gewesen sein. Auch die neuerdings eingebrachte Kreolisierungstheorie ist zu verwerfen (HINRICHS 2004). Keine Balkansprache kann als Kreolsprache angesehen werden. Alle Balkansprachen verfügen über ausgebildete morphologische Systeme, besonders im Verbalbereich, aber eben auch in Nominalbereich. Damit ist man bei der Qualität der Balkansprachen. Ich weise auf die Untersuchung Kristophson 1993 hin, wo zunächst keine Eigenschaft als balkanisch, gar als Schlüsselelement angesetzt wurde, sondern nur Frequenzen einfacher grammatischer Erscheinungen, wie <?page no="11"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 3 Anzahl der Artikel, der Verba finita, der Infinitive usw. Die Frequenzen wurden an einem inhaltlich gleichen Text einiger Sprachen erhoben. Der Text war ein Bibeltext, ein Evangelienabschnitt. Die Wahl fiel auf diesen Text, weil er für alle Sprachen vorliegt, leicht zugänglich ist, der gleichen Stilschicht angehört und in einer eher einfachen Sprache verfasst ist. Es hatte sich, ungeplant und unmanipuliert folgende Gliederung ergeben: Alt und Ost, Nordwest, Südost (s. Abbildung 1). Die Nähe innerhalb der Gruppen und zwischen den Gruppen lässt sich in Zahlen ablesen. Südost und Nordwest wird durch die rumänische und französische Nähe verbunden. Auch lässt sich an den Daten erkennen, dass Rumänisch und Französisch sich vom Latein etwa gleichweit entfernt haben, allerdings in verschiedene Richtungen, dass der Weg Altbulgarisch zu Neubulgarisch etwa der Entfernung Latein-Rumänisch entspricht, aber eben zu einer Nähe Neubulgarisch-Rumänisch geführt hat. Da die beiden Sprachgebiete auch geographisch benachbart sind, dürfte die sprachliche Nähe nicht zufällig sein. Man könnte sogar von einer strukturellen Romanisierung des Neubulgarischen reden, da diese strukturelle Ausprägung den übrigen slavischen Sprachen, eben auch dem Altbulgarischen, fremd ist. Der slavische Einfluss auf das Rumänische war eigentlich mehr dem Altkirchenslavischen zugewiesen, wurde aber offenbar auch durch gesprochene slavische Varietäten verstärkt. Einen zeitlichen Rahmen für die Balkanisierung könnte man zwischen 1000 und 1500 ansetzen, über die sprachlichen und sozialen Bedingungen lässt sich nichts Sicheres sagen. Bemerkenswert ist nur, dass das romanische Element während des genannten Zeitraums weder politisch, kulturell oder ökonomisch wichtig war, ja im Grunde war sogar das Vorhandensein von Romanischsprechern eher unbemerkt. Die Balkanisierung wurde hier auf der Basis struktureller Frequenzen definiert. Müssen die Ergebnisse und die Schlüsse stimmen? Es zeigt sich nämlich, dass bei Vergleichen anderer Textsorten nach dem gleichen Verfahren, die Werte schon innerhalb einer Sprache stark schwanken, was die Aussagekraft der Vergleichsergebnisse zwischen den Sprachen vermindern könnte. Was an einer totalen Falsifizierung des ersten Versuchs zweifeln lässt, liegt in der Tatsache, dass eher volkssprachliche Texte dem Bibelabschnitt näher stehen als wissenschaftliche oder moderne literarische Texte. Ebenso dürften, durch einige Versuche angeregt, Durchschnittswerte aller Texte wieder ein ähnliches Bild wie das auf dem Bibeltexte basierte ergeben. Akzeptiert man mit Einschränkungen die Existenz von Balkansprachen, so muss man trotzdem sagen, dass es eigentlich keine spezifischen balkanischen Merkmale gibt, sondern nur einige gemeinsame Frequenzen, die eine Gruppe eher neueuro- <?page no="12"?> Jürgen Kristophson 4 päisch zu nennende Sprachen vereinen. Auch der Wortschatz der Balkansprachen ist bunt gemischt, aber spezifisch balkanische Wortschichten gibt es kaum (SOBOLEV 2005), auch die paar balkanischen Wörter, die dem sogenannten autochthonen Wortschatz des Rumänischen nahestehen, gehören meistens zur Hirtensprache, die allerdings alles andere als einheitlich ist (KAHL 2007). Gemeinsamkeiten, eher Überlappungen oder Verdichtungen, lassen sich bei der Lautsubstanz der balkanischen Sprachen feststellen. Die Vokalsysteme des Bulgarischen und des Rumänischen sind sich besonders nah in den fünf Grundvokalen [a], [e], [ i ], [o], [u] und dazu [ ], im Rumänischen auch [î], aber nicht in allen Dialekten. Albanisch besitzt ein ähnliches System, kennt aber ein zusätzliches [y], aber nicht in allen Dialekten, im Neugriechischen fehlen diese besonderen Vokale. Rumänisch zeichnet sich durch Vokalveränderungen in Abhängigkeit der Silbenstruktur, der Umgebung, des Akzents aus, daher Fälle wie pot ‚ich kann/ sie können‘: putem ‚wir können‘, poate ‚er/ sie/ es kann‘, veac ‚Ewigkeit‘: veci (pl.). Der Fall pot, putem könnte auch als Reduktion angesehen werden, solche Erscheinungen gibt es auch im Bulgarischen und im Neugriechischen. Quantitätenoppositionen gibt es nicht im Gegensatz zu den Nachbarn im Westen, Ungarisch und Serbokroatisch. Ungarisch und Türkisch besitzen weitgehend feste Betonung, gerundete Vokale, keine Reduktion, Vokalharmonie, im Anlaut eingeschränkte Konsonantenkombinationen. Die Verhältnisse im Konsonantenbestand unterscheiden sich etwas. Bulgarisch und Rumänisch haben nahezu ein identisches Konsonanteninventar. So hat Rumänisch das slavische, aber unromanische „h“ importiert, das Bulgarische das unslavische „f“. Zunächst kommen diese Laute nur in Fremdelementen vor, dann gibt es aber in beiden Sprachen Doppelformen, rumänisch prah‚ praf ‚Staub/ Pulver‘, bulgarisch bjach, bef. Moldauisches und aromunisches h´ire statt fire ist wahrscheinlich nicht mit slavischem Einfluss begründet. Das neugriechische Konsonanteninventar weicht allerdings stärker ab. Es fehlen die frikativen Alveopalatalen [š, ž, ], echte stimmhafte Verschlusslaute [b, d, g], dafür gibt es die intradentalen Frikative [dh, th]. Albanisch kombiniert in etwa das slavische und das griechische Inventar. Diachron betrachtet lässt sich sagen, dass der slavisch-romanische Kontakt das rumänische Konsonantensystem geglättet hat. Man muss davon ausgehen, dass die im Romanischen übliche Palatalisierung der Gutturale vor e, i im Osten spät und sehr regelmäßig, quasi blind, eingetreten ist, dakorumänisch und aromunisch aber schon mit unterschiedlichen Ergebnissen. Spätlateinisches bzw. frühes balkanromanisches „g´“ und „k´“ (z.B. g´inte, dzek´e werden dako- <?page no="13"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 5 rumänisch zu [dž, ], aromunisch zu [dz, ]. Im Dakorumänischen verschiebt sich altes „dž“ zu [ž] džoku zu jocu, „dz“ zu [z] (dzi zu zi). Aromunisch bleiben diese Laute erhalten. Diese Wandelerscheinung hat, wenn man so will, wieder ein fast besseres romanisches Aussehen des Rumänischen zur Folge, und ein ein wenig von Bulgarisch abweichendes. Andere Wandelerscheinungen, die dem Rumänischen innerhalb der romanischen Sprachen eine spezifische Position verleihen, werden durch Kontakte mit dem Slavischen nicht betroffen. Der Befund des bisher Erwähnten besagt nur, dass zwei unterschiedliche Sprachgruppen, die benachbart sind, sich in zahlreichen, durchaus systemhaften Erscheinungen ähneln bzw. diachron betrachtet, sich angenähert haben. Dies gilt offenbar für syntaktische Strukturen und für die phonetischen Systeme. Es kann durchaus wechselseitige Beeinflussung angenommen werden. Die sozialen Bedingungen für diese Kontakte sind nur spekulativ zu erfassen, etwa zeitweilig andauernder Bilingualismus. Die Lokalisierung ist durchaus ähnlich schwierig, man könnte an die Grenzzonen beider Sprachgebiete denken, ebenso aber an vorherige Mischung der Sprecher mit anschließender Entmischung. Lediglich für die Datierung könnte man den Zeitraum zwischen 1000 und 1200 ansetzen (KRISTOPHSON 1996). Erstaunlich ist nur, dass die frühe slavische Literarisierung, die gerade in Bulgarien ihre Wurzeln hatte, die weit nach Serbien und Rußland ausstrahlte, in der eigenen Heimat eben nicht die Richtung der sprachlichen Entwicklung bestimmte, übrigens ohne Schuld der Türken. Als Erklärungsmuster kann gefolgert werden, sprachliche Diversität bei geographischer Nähe führt über Sprachkontakt zu sprachlicher Annährung. Dies klingt einleuchtend, fast banal, muss aber nicht immer so sein, wobei bei Fehlen anderer Quellen die sozialen Bedingungen nicht erkennbar werden. Schon bei Betrachtung des türkischen Einflusses auf die Balkansprachen fallen Unterschiede auf. Trotz geographischer Nähe, trotz zahlreicher Entlehnungen sind die systemhaften Teile der beteiligten Sprachen nicht erschüttert worden. Eine weitere, auf den ersten Blick nicht naheliegende sprachliche Beziehung ist die rumänisch-albanische. Erkennbar ist die Beziehung an Wortschatzvergleichen, die einige Übereinstimmungen aufweisen. Die betreffenden Wörter sind im sogenannten autochthonen Wortschatz des Rumänischen zu finden, für die es Parallelen im Albanischen gibt. Auf der anderen Seite gibt es romanische Elemente im Albanischen mit Parallelen im Rumänischen. Die betreffenden Wörter sind in beiden Sprachen verschieden, aber für die lautlichen Differenzen lassen sich regelmäßige Korrespondenzen in beiden Sprachen ansetzen, z.B. albanisches vjedhull(ë) : viezure, albanisches shkallë : rumäni- <?page no="14"?> Jürgen Kristophson 6 sches scar (beide ‚Treppe‘). Das Albanische konserviert einen älteren romanischen Lautzustand als das Rumänische. Auch die lateinische Palatalisierung der Gutturale ist noch nicht so stark wie im modernen Rumänischen, vgl. rumänisch ceap : albanisch qepë. Das Beispiel von shkallë lässt vermuten, dass es in beiden Sprachen drei „l“-Artikulationen gab [l, , ] (dickes „l“). Letzeres wurde im Rumänischen zu „r“. Lautkorrespondenzen als phonetisches Phänomen sind eigentlich immer einleuchtend, trotzdem wurden diese Lautkorrespondenzen bzw. Sprachkontakte als wenig einleuchtend eingeführt. Albanisch und Rumänisch sind nicht benachbart. Da die Gemeinsamkeiten einer früheren Kontaktphase zuzuordnen sind, sogar vorslavisch, wäre die Datierung vor 1000 anzusetzen. Dies führt zur Frage, waren die Frühalbaner und die Frührumänen vor 1000 benachbart und wenn ja, dann wo? Die Frühalbaner waren sicher ein altbalkanisches Volk, das mit Romanen/ Frührumänen in Kontakt stand. Waren die Rumänen aber dann romanisierte Frühalbaner, von deren Sprache sie einige Reliktwörter bewahrt haben? Bekanntlich wollen die Rumänen von den Dakern abstammen, die Albaner von den Illyrern. Wären also jetzt Albaner Daker oder die Rumänen romanisierte Illyrer, oder waren Daker und Illyrer das gleiche Volk? Die Datenbasis für die Postulierung rumänisch-albanischer Beziehungen waren zunächst nur gemeinsame Wörter mit vernünftigen Lautkorrespondenzen, mehr zunächst nicht. Aus dieser Tatsache hatte man Sprachkontakte geschlossen, die eigentlich einen gemeinsamen Raum voraussetzen. Zieht man jetzt einige andere, auch auffällige Lautveränderungen hinzu und ihre räumliche Verteilung, denn es handelt sich nur um dialektale Besonderheiten, so wird die Angelegenheit noch komplexer. Es handelt sich hier um den Wandel von „p´“, „b´“ usw. zu „k´“, „g´“, also piatr zu kiatr ‚Stein‘; bine zu g´ine ‚gut‘; und um den Wandel von intervokalischem „-n-“ zu „-r-“. Der letztere Wandel teilt auch das Albanische in das Gegische mit bewahrtem „-n-“ und in das Toskische mit gewandeltem „-r-“. Die dialektgeographische Interpretation bietet einige Hilfsmittel, auf extralinguistische Fakten wie zum Beispiel Wanderungsbewegungen, zu schließen. Am besten lässt sich dies graphisch darstellen (s. Abbildung 2). Theoretisch sieht dies Bild überzeugend aus, aber wie realistisch ist es? Vor 1000 sind Frührumänen und Frühalbaner Nachbarn. Es findet eine dialektale Aufgliederung statt, die beide Sprachen teilweise trifft (n/ r), die teils nur das Frührumänische aufspaltet (bine/ g´ine). Zusätzlich löst die albanisch-rumänische Nähe sich auf, wahrscheinlich später trennen sich Istrorumänen und Aromunen vom rumänischen Hauptteil. Dass <?page no="15"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 7 der rumänische Hauptteil sich ebenso bewegt hat, ist durchaus möglich bis wahrscheinlich. Trotzdem findet sich kein begrenzbarer Raum, kein historisches oder kulturelles Ereignis, das mit der vermuteten ethnographischen Situation in Verbindung gebracht werden kann. Bevor auf den Wortschatz eingegangen wird, der ja doch etwas über kulturelle und historische Fakten aussagt, sollen noch einmal die Sprachfamilien angesprochen werden, die hier eine Rolle spielen. Am besten bekannt ist das Griechische mit langer und reicher Überlieferung, die allerdings bedingt durch den Wunsch nach Klassizität manches über die realen Sprachzustände im Dunkeln lässt. Das Albanische steht isoliert da und ist spät überliefert. Es ist als altbalkanische Sprache anzusehen, aber es ist nicht gelungen, das Albanische mit bekannten antiken Stammesnamen zu verbinden. Darum die illyrische, dakische, thrakische These, die alle darunter leiden, dass es keine sicheren sprachlichen Quellen für diese Stämme gibt. Das Slavische bietet wenig Schwierigkeiten, denn es ist bis ca. 800 zurückzuverfolgen, slavische Einzelsprachen und Dialekte sind gut belegt. Slavische Lehnwörter in den anderen Sprachen sind gut erkennbar, datierbar und slavischen Varianten anzuschließen. Rumänisch steht einerseits als romanische Sprache günstig dar, ist aber nur spät überliefert. Man kennt für das Rumänische nur Ausgangs- und Endpunkt. Wegen der Vielzahl romanischer Sprachen gibt es aber genügend Vergleichsmaterial. So gilt Rumänisch innerhalb der Romania als archaisch und isoliert. Letzteres ist sicher richtig, aber ersteres ist schon zweifelhaft. Solche Aussagen nehmen Bezug auf die Gliederung der Romania. Die Gliederung der Romania erfolgt durch Vergleiche lautlicher und morphologischer Eigenschaften oder auch sprachgeographisch geordnet nach Wörtern, etwa ALBUS : BLANCUS - Zonen. Lautliche und morphologische Unterschiede und Wortschatzvarianten gibt es in hoher Anzahl, wobei es a priori unentscheidbar ist, welche Variation wichtig oder wesentlich für die Gliederung sein soll. Tatsächlich hat man solche wesentlichen Unterscheidungen gesucht, etwa die Generalisierung des Nom. Acc. Pl. in der Nominativform gegen die Generalisierung in der Akkusativform, woraus die Teilung in Ostromania und Westromania abgeleitet wurde. Es wäre aber notwendig, die große Anzahl von Variationsmöglichkeiten nicht zu unterschlagen. Große Datenmengen erfordern aber quantifizierende Hilfsmittel. Solche Ansätze und Ergebnisse gibt es durchaus, man denke an den metrisierten französischen Sprachatlas von GOEBL (1983, 1989) und seine graphische Darstellung. Für die Romania ist dieses Verfahren nicht so günstig, da es eigentlich synchron-deskriptiv angelegt ist. Für die Romania als Ganzes liegt ein Ansatz von MULJA I 1967 vor, der auf <?page no="16"?> Jürgen Kristophson 8 der Basis von 40 Veränderungsprozessen in zwölf Sprachen eine Gliederung versucht. KRISTOPHSON 1990 hat diese Veränderungsprozesse umformuliert dargestellt und mit Hilfe eines Indexes die Distanzen der zwölf Sprachen untereinender bestimmt, insgesamt 66 Werte. Aus der Matrix der Distanzen ließen sich ein Dendrogramm und eine ideale Geographie zeichnen. Die Darstellungen würden den Prozess des Zerfalls eines angenommenen einheitlichen lateinischen Sprachgebiets in die zwölf Einzelsprachen simulieren. Als Gruppen ergaben sich: Iberia, Gallia und Raetia, Italia, Sardinien, Rumänien mit dem nächst Verwandten Dalmatien, für das allerdings die Datenbasis als unsicher einzuschätzen ist (s. Abbildung 3). Es lässt sich auch ein Rang der Isolierung für jede Sprache aufstellen, der als Summe der Distanzen definiert ist. Rang 1 wird mit dem Sardischen besetzt, Rang 2 mit dem Rumänischen, Rang 3 mit dem Italienischen, Rang 4 mit dem Französischen usw. bis Rang 12 mit dem Katalanischen. Isolierung bezieht sich nur auf Kontakte mit anderen romanischen Sprachen. Isolierung bedeutet auch keineswegs hoch archaisch sondern nur eigentümlich. Nur für das Sardische gilt diese Übereinstimmung. Sardisch ist gekennzeichnet durch 22 Archaismen, von theoretisch 40 möglichen, Rumänisch nur durch 15. Es liegt nahe den übrigen Sprachen mit 16 bis 11,5 Archaismen, nur Französisch und Frankoprovenzalisch mit 7 bzw. 7,5 Archaismen sind besonders innovativ. Diese Ergebnisse sind sicher nicht sensationell, sie sind nur aus einer gemeinsamen Datenmenge und einer einheitlichen Auswertung gewonnen worden. Für die Siedlungsgeschichte folgt aus diesen Ergebnissen eigentlich nichts. Aus archaischem Sprachzustand und aus Kontaktarmut kann man vielleicht auf vergessene Kolonien schließen, dies würde für Sardinien gelten. Die französische und die rumänische Kontaktarmut würde eher für Kontakte mit Nichtromanen sprechen. Problematisch wäre die Bewertung der italienischen Position. Wäre dies ein Indiz für den Verbleib in der Urheimat, letztlich aber nur weil die Urheimat bekannt ist? Für die östlichen Provinzen ist aber historisch wenig bekannt, tatsächlich muss man mit starken Bevölkerungsverschiebungen und Wanderbewegungen rechnen. Übrigens gibt es auch im Westen einige Rätsel, es sei nur das Friaulische erwähnt, ein großer Block, während die Raetia sonst in dialektal gespaltene Sprachinseln zerfällt. Somit ist die Gliederung der Romania zwar ein interessantes linguistisches Problem, die aber für extralinguistische Fragestellungen wenig ergiebig ist. Auch die Glottochronologie ist eher falsifiziert. Bleibt somit nur der Wortschatz und damit verbunden die Onomastik. Zwar ist auch hier vor zu viel Optimismus zu warnen, denn wer will aus <?page no="17"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 9 den schönen Wörtern wie „Lintwurm“ und „Einhorn“ auf die Existenz dieser Tiere schließen? Immerhin sind Aussagen zur Chronologie über Wortschatzanalysen und -vergleiche gewonnen worden. Zur Datierung der Sprachkontakte ist zu sagen, dass sie eher ziemlich spät eigetreten sind, wie bereits erwähnt. Die Kontakte mit den Slaven sind zwischen 1000-1200 zu datieren, mit den Autochthonen bis ca. 800, die Verbindung mit dem Imperium höchstens bis 500-600. Der romanisch-autochthone Kontakt ist durch die rumänisch-albanischen gemeinsamen Bestandteile des Vokabulars dokumentiert. Es lassen sich Lautkorrespondenzen, etwaige Besonderheiten bei der Wortbildung und Sonderbedeutungen in beiden Sprachen feststellen, z.B. împ rat : ´mbret ‚Kaiser‘; scurtime : shkurtim ‚Kürzung‘, s cret : shkretë ‚verlassen‘. Auch kulturelle Argumente können für die Datierung eine Rolle spielen, z.B. gehören die albanischen Wochentage einer früheren Kontaktschicht an als die große Masse der albanisch-rumänischen Übereinstimmungen. Der Sonntag ist noch mit ‚Sonne‘, e diel, mit diell; der Samstag noch mit SATURNUS , e shtunë, verbunden; während Rumänisch die christlichen Bezeichnungen duminic besitzt; sâmb t ist vielleicht noch romanisch-griechisch, aber auch slavischer Einfluss wäre möglich. Der Bedeutungsumfang dieser frühen Gemeinsamkeit bietet nichts Auffälliges, das romanisch/ frührumänische Element im Albanischen umfasst alle Bedeutungsfelder, der sogenannte autochthone Wortschatz im Rumänischen umfasst Wörter aus Natur und Hirtenleben. Der romanische Wortschatz des Rumänischen hat zwar seine Besonderheiten bzw. Eigenheiten, er ist aber lautlich und morphologisch relativ gut erkennbar, man sollte vor allem auf absonderliche Etymologien verzichten, z.B. mare von lateinisch MAS . Ein umfangreicher, aus dem Lateinischen stammender Wortschatz liegt für das ländliche Leben vor, städtische und staatliche Termini sind schwächer besetzt. Christliche Termini einfacher Natur sind vorhanden, aber es sind doch viele Defizite festzustellen. Der übrige Wortschatz ist bunt gemischt, aber fast unlogisch zu nennen. So lautet das Wort für ‚Eiche‘ stejar (slavisch), aber für ‚Eichel‘ ghind (lateinisch), für ‚Buche‘ fag (lateinisch), aber für ‚Buchecker‘ jir (slavisch). Große wilde Tiere sind noch lateinisch benannt: urs ‚Bär‘, lup ‚Wolf‘, cerb ‚Hirsch‘; kleine Tiere aber wie jder ‚Marder‘, veveri ‚Eichhörnchen‘, gu ter ‚Eidechse‘, vidr ‚Fischotter‘, râs ‚Luchs‘ sind slavisch; viezure ‚Dachs‘ ist autochthon. Haustiere und Kulturpflanzen gehören überwiegend zum Erbwortschatz. Das Rumänische enthält somit ein reiches lateinisches Vokabular, jedoch lässt sich die Aussage, dass das Rumänische von allen romanischen Sprachen die lateinischste sei (PU CARIU 1943, 447), nicht halten. Pu cariu und einige andere Roma- <?page no="18"?> Jürgen Kristophson 10 nisten sind der Meinung, dass im Rumänischen das mittelalterliche Latein fehle und daher die einfache Volkssprache sich erhalten und weiter entwickelt habe. Wörter wie SAPERE und Nachfolger im Westen sind wohl eher volkssprachlich als rumänisches ti, auch it. capire statt rum. în elege. Dagegen sind în elepciune ‚Weisheit‘, iert ciune ‚Vergebung‘ eher rumänische Neubildungen, ein Versuch, einen abstrakten Wortschatz zu entwickeln, als ein Fortleben alten Vokabulars. Die lateinisch-romanische Schicht des Rumänischen ist mithin nicht nur als archaisch und isoliert zu beschreiben, sondern auch als eigenständig sich entwickelnd. Zwar fehlen die spät- und neolateinischen Einflüsse wie im Westen, was jedoch nicht zu dem Trugschluss verleiten sollte, dass es im Westen keine authentische romanische Weiterentwicklung und innerromanische Kontakte gegeben habe. Extralinguistische Faktoren lassen sich kaum am romanischen Vokabular des Rumänischen ablesen. Es gibt Termini für das ländliche Leben, für eine bescheidene intellektuelle Kultur, für ein rudimentäres Christentum. Aus diesem Wortschatz folgt nichts für eine geographische Bestimmung des rumänischen Sprachgebiets. Aus dem Bedeutungswandel von termen ‚Grenze‘ zu rm ‚Ufer‘ lässt sich keine norddanubische Siedlung der Rumänen schließen (PU CARIU 1943, 306), eine süddanubische wäre genauso berechtigt. Eine gewisse Hoffnung über die Etymologie Hinausgehendes zu erfahren, besteht in der Onomastik. Die Personennamen sind heute meist orthodox, also slavogriechisch. Es gibt eine ältere Schicht, die noch in den Namenstagen wichtiger Heiliger vorkommt, z.B. Sîn-Nicoar ‚Nikolaustag‘ gegenüber Sfîntul Nicolaie, Sîn Ziane ‚Johannistag‘ gegenüber Sfîntul Ion. Einige weltliche Namen tragen rein modern rumänisches Gepräge, wie Negru, Lupu, Ursul. Diese Namen besagen nur, dass es eine eigene rumänische Namensgebung gab. Der Volksname rumân und das Adjektiv rumânesc sind nicht als ‚Romanus‘ zu interpretieren, sondern nur als ‚wir‘. Romanus heißt ‚rîmlean‘ in slavischer Form, wie auch Rom Rîm heißt. „De la Rîm ne tragem“ heißt es noch bei Ureche. Auch die übrigen Volksnamen, vielleicht außer grec, was vielleicht direkt G RAECUS fortsetzen könnte, und Spuren von chiau (aus SCLAVUS ‚Slave‘), sind auch slavisch: Neam , Sîrb, Bulgar, Rus, Leah, Ungur. Die Fremdbezeichnung für den Rumänen ist das in das Slavische entlehnte Walche, also vlah (skr.), vlach (bulg.), voloch (ukr., altruss.), aber w och (pol.) ursprünglich ‚Italiener‘, dann auch für den „Rumänen“ (aus dem Ukrainischen wo och), tschechisch vlach, ungarisch oláh (aber olasz aus dem slav. Pl. vlasi ‚Italiener‘), griechisch . In älterer Sprache bei Tschechen und Kroaten kann <?page no="19"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 11 vlach, vlah auch ‚Italiener‘ bedeuten. Eine tiefere Erinnerung an vergangene Zeiten ist nicht zu entdecken. Auch Städtenamen zeigen ein ähnliches Bild mit einer interessanten Ausnahme, aromunisch S run aus Salona für Saloniki. Es gibt zahlreiche relativ neue rumänische Ortsnamen auf -e ti wie Bucure ti, Ploie ti, Pite ti usw., zu deuten als Siedlung der Familie Bucur usw. Sonst überwiegen slavische Namen, auch antike Namen sind über das Slavische vermittelt worden. In Siebenbürgen kommen ungarische Namen hinzu, selten auch ein paar deutsche. Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass manche ungarische Namen mit ungarischen Mitteln gebildet werden, inhaltlich aber den rumänischen Namen wiedergeben, der seinerseits formal und inhaltlich slavisch ist, z.B. Alba Iulia ungarisches Kanzleilatein, echt ungarisch Gyula Fehérvár, rumänisch B lgrad (Weißenburg), Sarmizegetusa (antik, heute Ruinenfeld), ungarisch Várhely, rumänisch Gr di te (eine Burgstätte), der Fluss Kokel (deutsch), ungarisch Küköll , rumänisch Tîrnava (‚Schlehdornfluss‘). Die Namen B lgrad, Gr di te, Tîrnava sind problemlos slavisch etymologisierbar und entsprechen den Bildungsprinzipien slavischer Toponymie. Das Rumänische hat auch gr di te als Appellativum mit der Bedeutung ‚langgestreckter Hügel, Ort einer verlassenen Ansiedlung‘ entlehnt. Es sieht so aus, als haben die Ungarn slavische Namen ins Ungarische übersetzt, die Rumänen aber die slavischen Namen übernommen. Man sollte also annehmen, dass die Ungarn in Siebenbürgen Slaven angetroffen hätten, die Rumänen ebenso. Die Präsenz zahlreicher slavischer Namen ist nicht besonders auffällig. Wenn man die Slavengrenze grob als Linie Eutin-Udine (wegen der Ähnlichkeit der Namen als Gedächtnisstütze) ansetzt, da wo Europa am dünnsten innerhalb Eurasiens ist, findet man östlich dieser Linie bis hinunter nach Griechenland ein dichtes slavisches Namensnetz, dazu auch vorslavische Namen in slavisierter Form. Trotzdem sind viele dieser Gebiete wieder entslavisiert worden. Slavische Herrschaft braucht man nicht als Grund für diese Nomenklatur anzusetzen, was z.B. PU CARIU (1943, 389) für Rumänien tut. Vor 1000 gab es kaum stabile slavische Herrschaften. Rätselhaft bleibt der rumänische Donaunamen Dun re. Der Vokalismus ist an sich dem slavischen ähnlich, im Süden Dunav, im Norden Dunaj, aber das Endglied -re ist bis jetzt nicht überzeugend erklärt. Fasst man zusammen, mit linguistischen Hilfsmitteln, besonders den historisch diachronen Disziplinen, sind Lautentwicklungen nachzuzeichnen, die zum Rumänischen führen. Daraus ergeben sich Kontaktphasen mit Anderssprachigen, die man zeitlich gliedern und annähernd datieren kann. Sprachgeographisch gesehen, lassen bestimmte Lautbesonderheiten <?page no="20"?> Jürgen Kristophson 12 Kontakträume und Wanderungswege wahrscheinlich werden. Die Position des Rumänischen innerhalb der Romania, hier neu gegründet, zeigt das Rumänische isoliert, d.h. kontaktarm in Bezug auf andere romanische Sprachen, aber nicht besonders archaisch, nur eigenartig. Das Rumänische passt gut zu den Balkansprachen, die aber in erster Linie als südöstliche neueuropäische Sprachen zu definieren wären. Aus diesen linguistischen Untersuchungen folgt also außer der Datierung der Sprachkontakte nichts über sonstige Bedingungen dieser Kontakte. Die Schwäche linguistischer Fragen und Antworten besteht darin, dass es eigentlich um Buchstabenverschiebungen geht. Diese sind aber keine historischen Quellen, die natürlich auch unsicher sein können. So bleiben die Anfänge des rumänischen Christentums unklar, für die vororthodoxe Phase fehlen Quellen, die etwas über kirchliches Leben aussagen. Der Anschluss an die slavisch-bulgarische Orthodoxie ist verständlich, aber wieso konnte sie sich gerade in Siebenbürgen, seit 1100 sicher unter ungarischer Herrschaft mit stark römischer Ausrichtung, entfalten. Sicherlich gab es in Ungarn Reste des östlichen Kirchentums, die aber durch Stephan den Heiligen aufgesogen wurden. Die Siedlungsgeschichte Siebenbürgens ist ganz gut bekannt, nur über die Rumänen weiß man wenig. Aber auch in den anderen Gebieten, ja fast in ganz Südosteuropa fehlen verlässliche Nachrichten über die Rumänen, obwohl es überall Spuren gibt. Die Rumänen haben es verstanden, irgendwo abzutauchen, fast im Untergrund zu überdauern. Oder mit anderen Worten: „Rumînii s´au n scut la un loc s cret“ (s cret ‚gefährlich, wüst, teuflisch‘). Literaturverzeichnis Goebl, H. (1989): „Dialektometrie: Ein Hilfsmittel zur Erkennung komplexer dialektgeographischer Ordnungsstrukturen“, in: Klassifikation und Ordnung (ed. Wille, R.), 79-96 = Studien zur Klassifikation Bd.19 Frankfurt/ M. Goebl, H. (1983), „Messen, Matrizen und Mustererkennung“, in: Folia Linguistica. XVII, 403-444. Hinrichs, U. (2004), „Südosteuropa-Linguistik und Kreolisierung“, in Zeitschrift f. Balkanologie 40,1, 17-32. Kahl, T. (2007), Hirten in Kontakt, Wien. Kristophson, J. (1996), „Zur Chronologie der wichtigsten Sprachkontakte des Rumänischen“, in: Balkan Archiv N.F. 21, 157-167. Kristophson, J. (1993), „Ein neuer Beitrag zur Sprachbunddiskussion“, in: Zeitschrift f. Balkanologie 29.1, 1-11. Kristophson, J. (1991), „Kann man die Urheimat der Goten berechnen? “ in: Betriebslinguistik und Linguistikbetrieb (ed. Klein, E.), Tübingen, 89-95. <?page no="21"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 13 Kristophson, J. (1990), „Gliederung einer Sprachfamilie mit Hilfe eines numerischen Kalküls“, in: Glottometrika 11 (Quantitative Linguistics, Vol. 42) (ed. H ebí ek, L.), 68-69. Kristophson, J. (1988), „Romanische Elemente im Albanischen“, in: Zeitschrift für Balkanologie 24.1, 51-93. Kristophson, J. (1987), „Balkanische Konvergenz und Romanität des Rumänischen“, in: Die slawischen Sprachen 11, 73-81. Ma czak, W. (1987), „L'habitat primitif des Goths“, in: Folia Linguistica Historica VII/ 2, 371-380. Mulja i , Ž. (1967), „Die Klassifikation der romanischen Sprachen“, in: Romanistisches Jahrbuch 18, 23-37. Pu cariu, S. (1943), Die rumänische Sprache, Leipzig. Sobolev, A.N. (2003), Malyi dialektologi eskij atlas balkanskich jazykov. Probnyi vypusk. München. <?page no="22"?> Jürgen Kristophson 14 Anhang <?page no="23"?> Extralinguistische Fakten in Südosteuropa 15 <?page no="25"?> Maria Iliescu Der Balkanbund aus romanischer Perspektive 1. Der Sprachbund Der Begriff ‚Sprachbund‘ gehört zu den Problemen des Sprachvergleichs. Dieser kann auf verschiedene Weise durchgeführt werden: in der historischen Linguistik mit dem Ziel Sprachfamilien, d.h. Gruppen historisch verwandter Sprachen festzustellen; in der Sprachtypologie mit dem Ziel Sprachtypen, Gruppen von Sprachen mit ähnlicher grammatischer Struktur zu finden; in der kontrastiven Linguistik, mit dem Ziel die strukturellen Unterschiede zwischen zwei oder mehreren Sprachen herauszuarbeiten; und in der Areallinguistik mit dem Ziel Gruppen von Sprachen die räumlich benachbart sind und sich gegenseitig beeinflusst haben, zu untersuchen. Diese letzteren Gruppen werden Sprachbunde genannt. Die Zeit gestattet nicht, auf die Geschichte der Sprachbundtheorie einzugehen. Es sei bloß erwähnt, dass diese Theorie auf die Prager Schule, insbesondere auf Trubetzkoy, und auch auf Jakobson zurückgeht und dass dies im Schatten der Saussurschen Lehre, mit anderen Worten des beginnenden Strukturalismus und der enthusiastischen ‚Entdeckung’ der Synchronie geschah. Dazu kam noch Whorf, der andere Faktoren in den Vordergrund stellte. Dem neuen Trend folgend, verließ man nur zu gerne das ‚historische‘ XIX. Jh. mit Darwin, so wie das Problem der Sprachfamilien, der Baum- und Wellentheorien. Der Sprachbund wurde plötzlich ein modernes Schlagwort, wie heute der Kognitivismus und vor kurzem noch die Prototypentheorie. Ich beschränke mich auf die Definition von Trubetzkoy (1930, 17-18): „Gruppen bestehend aus Sprachen, die eine große Ähnlichkeit in syntaktischer Hinsicht, eine Ähnlichkeit in den Grundsätzen des morphologischen Baus aufweisen und eine große Zahl gemeinsamer Kulturwörter bieten, manchmal auch äußere Ähnlichkeiten im Bestande der Lautsysteme, dabei aber keine systematische Lautentsprechung, keine Übereinstimmung in der lautlichen Gestalt der morphologischen Elemente und keine gemeinsamen Elementarwörter besitzen solche Sprachgruppen nennen wir Sprachbünde“. An Kritiken hat es von Anfang an nicht gefehlt. Hier zusammenfassend die Bemerkungen von Pottelberge (2001, Abschnitt 3): <?page no="26"?> Maria Iliescu 18 „Weder Trubetzkoy noch Jakobson gehen auf die Frage ein, warum und in welchem Maße nicht ererbte Ähnlichkeiten die Hypothese einer neuen und wesentlichen Einheit, z.B. eines Sprachbunds, begründen könnten. Welche oder wie viele Merkmale müssen Sprachen eigentlich gemeinsam haben, damit von einem Sprachbund die Rede sein kann? “ Und abschließend: „Der Sprachbundbegriff setzt eine Einheit voraus, aber für deren Bestimmung fehlen jegliche feste Kriterien“. Eine ähnliche Bemerkung machte schon Uriel Weinreich im Jahre 1958. Es geht immer um territorial benachbarte Sprachen, zwischen denen über längere Zeit Sprachkontakte wirksam waren, beziehungsweise sind. (s. Conrad 1984 s.v.) Zur Erklärung der sprachlichen Gemeinsamkeiten wird auf die gegenseitige sprachliche Beeinflussung durch verbreitete Zwei- und Mehrsprachigkeit in einem ähnlichen kulturellen Milieu verwiesen. Mit der Zeit ist man bescheidener geworden, die Definition des Sprachbundes bei Bußmann lautet bereits: „Gruppe von geographisch benachbarten, genetisch nicht oder nur marginal verwandten Sprachen, die auf Grund wechselseitiger Beeinflussung (Adstrat, Sprachkontakt) Konvergenzerscheinungen aufweisen, die sie strukturell eindeutig, von anderen benachbarten und/ oder genetisch verwandten Sprachen abgrenzen“. Wenn man auf den letzten, unhaltbaren Satz verzichtet, nähern wir uns, so glaube ich, einer annehmbaren Definition. Ein überzeugender kausaler Schluss fehlt aber bis heute. 2. Der Balkansprachbund Der Balkansprachbund ist das häufigste Beispiel, das für die Sprachbundtheorie gegeben wird, doch ohne festzulegen, welche Anzahl der Sprachen, die eine ‚Balkancharakteristik‘ aufweisen, notwendig ist, um von einem Bund zu sprechen. Doch ist die Wahl des Balkans als Beispiel für einen Sprachbund nicht zufällig. Die Halbinsel bildet eine Einheit durch klare, einschneidende Wassergrenzen von der Adria über vier Meere bis zur nördlichen Grenze der Donau. Auf einem relativ kleinen Raum war hier bis zum ersten Weltkrieg eine große Vielfalt von ethnischen, sprachlichen und kulturellen Elementen zusammengekommen. Die meiste Zeit wurde die Halbinsel von Großreichen beherrscht, infolge derer langen Herrschaften gewisse Einrichtungen, Gepflogenheiten und sogar Mentalitäten sich ausbreiten <?page no="27"?> Der Balkanbund aus romanischer Perspektive 19 konnten und auch lange erhalten blieben. Zuerst waren es die Makedonen (339 - 278 v. Chr.), dann die Römer (anfangs unseres Zeitalters und bis um das Jahr 400 n. Chr.), die Byzantiner (400-600 und 970-1185 n. Chr.), schließlich die osmanischen Türken (1400-1918 n. Chr.). Alle diese Herrscher hatten dasselbe politische Muster verfolgt, weshalb sie ähnliche Maßnahmen im Laufe der Jahrhunderte wiederholt haben (Kolonisation, Deportation, Zahlungen an freundliche Nachbarn, nachbarliche Vasallen- und Sattelitenstaaten sowie Festhaltung um jeden Preis der Donau als nördliche Reichsgrenze). Zum Balkansprachbund werden Albanisch (ein eigener Zweig der indoeuropäischen Sprachen), das Bulgarische (eine slawische Sprache), dazu das Mazedonische eigentlich ein Dialekt des Bulgarischen - und das Torlakische (ein Dialekt des Serbischen), das Rumänische (eine romanische Sprache) und teilweise auch das Neugriechische gezählt. Ein Teil Rumäniens (die Dobrudscha) gehört unmittelbar zum Balkan, während der Süden (die Walachei) schon im Norden der Donau liegt. Es wird leider kein Unterschied zwischen dem Dako-Rumänischen und den kleinen Resten der sogenannten historischen Dialekte (Aromunisch, Meglenorumänisch und Istrorumänisch), die tatsächlich auf der Balkanhalbinsel, insbesondere in Griechenland gesprochen werden, gemacht. Von Zweisprachigkeit kann heute nur von den historischen rumänischen Dialekten und dem Griechischen, so wie, im Falle des aussterbenden Istrorumänischen, von dem Kroatischen die Rede sein. Der einzige ausschlaggebende Bilinguismus war der walachisch(rumänisch)bulgarische im Mittelalter (im XII.-XIII.Jh.), zur Zeit des zweiten Zarenreichs der Assaniden. 2.1. Die linguistischen Merkmale des Balkansprachbundes Die Ähnlichkeiten des Albanischen, Walachischen und Bulgarischen, Sprachen, die man heute als Mitglieder des Balkansprachbundes betrachtet, wurden bereits im XIX. Jahrhundert von Kopitar (1829) erkannt. Die linguistischen Merkmale der Balkanbundsprachen sind zwar in dem bekannten Standardwerk von Sandfeld (Linguistique balcanique, 1930) angegeben, doch sind die aufgelisteten ‚Balkancharakteristika‘ fast in keinem Fall allen betroffenen Sprachen eigen. Im Folgenden werde ich versuchen, mich mit drei der vier unten aufgezählten Eigenheiten, die in allen bekannten Ausführungen über den Balkanbund angegeben werden, aus romanischer Sicht auseinanderzusetzen. Es geht um: <?page no="28"?> Maria Iliescu 20 a) den Zusammenfall des Genitivs und des Dativs b) die Bildung des Futurs (mit VELLE ) c) die Postposition des bestimmten Artikels d) den Ersatz des Infinitivs durch den Konjunktiv 2.1.1. Die Homonymie des Genitivs und des Dativs Diese Gemeinsamkeit der Balkansprachen wurde von Sandfeld und von etlichen anderen Linguisten als eine balkanische Charakteristik des Rumänischen betrachtet, ein Wesenszug, den das Rumänische mit dem Griechischen, dem Albanischen und dem Bulgarischen teilt. Ich glaube bereits in mehreren Publikationen bewiesen zu haben (cf. z.B. Iliescu 2008), dass sich einerseits diese Übereinstimmung durch lateinische Fakten erklären lässt und andererseits, dass die Entwicklungsgeschichte dieser zwei Kasus im Altfranzösischen und im Rumänischen genau die gleiche ist. 2.1.1.1. Der adnominale Dativ im Lateinischen Schon in plautinischen Texten findet man Ansätze der Konkurrenz zwischen synthetischem und analytischem Ausdruck der Kasus. Häufig sind Beispiele insbesondere bei trivalenten Verben mit der Bedeutung ,jemandem etwas geben, übermitteln‘ (DARE) oder ,jemandem etwas mitteilen’ (DICERE) (So in Captivi: ad patrem vis nuntiari (v. 360) / patri vis nuntiari (v. 400). In der gesprochenen Sprache wurde bald die konkretere Konstruktion mit der Präposition der synthetischen vorgezogen. Im Unterschied zum Dativ, abhängig von einem Verb, war der Genitiv schwach, weil abhängig von einem Substantiv und oft ersetzbar durch ein Adjektiv. Immer häufiger wurde er durch die Präposition DE + Ablativ/ Akkusativ ersetzt (Terentius, Héauton 424: admiratio de filio). Seit dem V. Jh. findet man, ganz besonders in Gallien, statt des attributiven Genitivs den adnominalen Dativ, von Einar Löfstedt (1942, 225-237) dativus sympatheticus genannt. Beispiele finden sich in der gesamten spätlateinischen Literatur: litteras domino Sulpicio statt litteras domini Sulpicii (Desiderii epist. II 16; 7. Jh.); paginam testimonio nostro (CIL III 1099). statt paginam testimonii nostri. Das berühmteste Beispiel ist gewiss pro Deo amur der Serments de Strasbourg. Die zweite Phase dieser Veränderung besteht aus der Ablösung des synthetischen Dativs durch den analytischen Dativ, eingeleitet durch AD: liber matri > liber ad matrem, ancilla domini > ancilla ad dominum. <?page no="29"?> Der Balkanbund aus romanischer Perspektive 21 Der Ausgangspunkt dieser Konstruktion war ohne Zweifel der possessive Dativ: ancilla est illi > ancilla est ad illum und die semantische Nähe des Besitzers und des Empfängers: pabulum ovium ‚der Stall der Schafe‘ / pabulum ovibus ‚der Stall für die Schafe‘. Diese morpho-syntaktische Entwicklung, die ich versucht habe so kurz wie möglich darzustellen, ist Gallien und Dakien eigen. Auch die Weiterentwicklung der beiden Kasus verlief fast parallel. 2.1.1.2. Der adnominale Dativ im Altfranzösischen Das Altfranzösische bediente sich dreier Möglichkeiten, um den adnominalen Dativ wiederzugeben (nach Buridant 2000, 100): a) ohne Präposition, mit der Struktur: déterminé N1 + déterminatif (N2); filz (CS) le roi (CR); li filz le roi ‚(der) Sohn des Königs‘; b) mit der Präposition à oder de durch den cas régime prépositionnel mit der Struktur: déterminé N1 + à / de + déterminatif N2: li filz au roi; li filz du roi. Langsam gewinnt die Konstruktion N1+ à + N 2 die Oberhand. (cf. mod. fils à papa); c) Erst Ende des Mittelalters erweist sich die Präposition de siegreich: N1 + de + N2: li filz du roi. Die Entwicklungsphasen waren demnach: li filz le roi > li filz à/ au roi > li filz de / du roi. Die Wahl von de hatte den Vorteil, die ungute Homonymie des attributiven Genitivs und des indirekten Objekts zu vermeiden. Ein schönes Zitat aus Joinville (XIII. Jh. bei Nyrop; VI § 274) belegt das friedliche Zusammenleben der drei Möglichkeiten des mittelalterlichen Französisch, den alten Dativus Adnominalis, alias das Genitivattribut auszudrücken. Après la bataille le conte de Flandre estoit la bataille au conte de Poitiers, le frère le roy : laqeux bataille dou conte de Poitiers estoit à pied 2.1.1.3. Der adnominale Dativ im Rumänischen Das Rumänische, im Unterschied zum Französischen, kann bis zum XVI. Jh. keine Texte aufweisen, so dass man auf Rekonstruktionen an Hand von Inschriften und Daten der historischen Dialekte angewiesen ist. Ein zweiter Unterschied anderer Art zwischen Französisch und Rumänisch ist der enklitische Artikel des letzteren, wenn es sich nicht um Eigennamen handelt. Die Genitiv-Dativendungen, die hier interessieren, sind enklitisch Mask. Sing. -lui (< ILLUI), proklitisch vor Eigennamen <?page no="30"?> Maria Iliescu 22 lu(i). : rege ‚König‘regele ‚König der‘ regelui ‚König des‘ aber Petru ‚Peter‘lui Petru ‚des Peter‘. Doch die zwei Unterschiede zwischen Altfranzösisch und Rumänisch beeinträchtigen nicht im Geringsten die Typologie der Ausdrucksmöglichkeiten des Genitivattributs, sie stimmen überein. In den ältesten rumänischen Texten: a) ohne Präposition, synthetisch (Determinatum + Artikel) N1 + Determinans N2: fiul regelui ‚der Sohn des Königs‘ b) mit den Präpositionen a oder de: N1+ a +N2, N1+ de +N2: fiu a regelui (cf. a) ‚Sohn des Königs‘, trestie a c rtulariu ‘Schilf (=’Schreibfeder’) des Gelehrten; fiu de rege ‚Sohn des Königs. 1 Das Syntagma mit DE ist selten, wie anfangs auch im Französischen: fiu(l) de rege ‚(der) Königssohn‘. c) Im Unterschied zum Französischen hat sich im Rumänischen die Morpho-Syntax des Genitivattributes nicht geändert. Die Notwendigkeit die Homonymie zwischen Genitivattribut und indirektem Objekt zu vermeiden war nicht gegeben, da das Letztere durch die synthetische Endung oder durch die Präposition. la ( ILLE + AD ) ausgedrückt wird. 2.1.1.4. Schlussfolgerungen zur Homonymie des Genitivs und des Dativs Die Homonymie des Genitivs und des Dativs, wie supra dargestellt, ist demnach durch die Entwicklung der lateinischen Formen und nicht durch den Einfluss des Balkansprachbundes zu erklären. Als zusätzlicher Beweis steht die gleiche Entwicklung der französischen Formen, beginnend mit dem Altfranzösischen. Skok (1934, 440) und Giese (1952, 1-2) hatten auch schon auf die lateinische Herkunft des rumänischen und des albanischen Genitiv-Dativs hingewiesen, doch ohne die Ähnlichkeit mit dem Altfranzösischen zu bemerken. Es gibt tatsächlich eine formelle Identität des Genitivs und des Dativs in den sogenannten balkanischen Sprachen, doch diese hat andere Ursachen und unterscheidet sich erheblich vom Rumänischen. Was das Griechische, auf das man häufig hinweist, betrifft, ist der Ausgangspunkt der Homonymie der Genitiv, während er in den romanischen Sprachen beim Dativ zu suchen ist. Der bulgarische Genitiv-Dativ wird mit Hilfe der Präposition na ausgedrückt, die dem lateinischen AD entspricht, so dass es wahrscheinlich ist, dass in diesem Fall das Rumänische das Bulgarische beeinflusst hat, <?page no="31"?> Der Balkanbund aus romanischer Perspektive 23 da das Bulgarische im Unterschied zu allen anderen slawischen Sprachen auf die synthetische Deklination vollständig verzichtet hat. 2.1.2. Die Bildung des Futurs mit VELLE Ich möchte vorausschicken, dass im Unterschied zum ersten hier besprochenen, gemeinsamen Wesenszug, in den letzten Beiträgen (s. z.B. Solta 1989) das Futur mit VELLE, zu Recht, nur teilweise als Merkmal der Balkansprachen betrachtet wird. Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Fakten über das mit dem Modalverb a vrea < VOLERE gebildete rumänische Futur, das von Meyer-Lübke und dem Rumänisten Ovid Densusianu schon immer als lateinisches Erbgut angesehen wurde. Die grammatische Form der Zukunft, das Futur, ist eine Zeit der Potentialität, der deontischen Modalität, die den Willen, die Absicht und die Notwendigkeit ausdrückt. In der gesprochenen Sprache wird es meist durch das Präsens, deiktisch durch ein Adverb bestimmt, ausgedrückt. So erklärt sich, warum es schon im Lateinischen nicht zu einer und derselben morphologischen Form für das Futur kam und warum schon sehr früh Paraphrasen mit Modalverben im Umlauf waren (cf. Tekav i 1980, 237), einerseits mit dem volitiven VELLE , andererseits mit den deontischen Verben DEBERE und HABERE . Alle drei Verben waren anfangs lexikalische Vollverben, ein Status, den sie mit der Zeit teilweise verloren haben (für * VOLERE s. DEL s.v. mit einem Zitat aus Plautus, Trinummus: sed nunc rogare hoc ego te volo). Als Modalhilfsverben des Futurs sind alle drei Verben in den romanischen Sprachen zu finden: DEBERE und HABERE im Sardischen, HABERE in den romanischen Sprachen mit synthetischem Futur, VOLERE allein im alten Surselvischen und Engadinischen (später durch VENIRE ersetzt; cf. Louis Mourin, 1964, 104), VOLERE und HABERE im Rumänischen. Zu diesen Formen sind noch italienische Dialekte hinzuzufügen, die ebenfalls das Futur mit * VOLERE bilden: und zwar im nördlichen piemontesischen und im Canton Ticino (cf. Rohlfs II, S. 337, der auch mehrere Punkte aus dem AIS angibt: z.B. al völ mandà ‚lo manderò‘). Meyer-Lübke (1899 III § 321) macht darauf aufmerksam, dass auch im Frankoprovenzalischen das analytische Futur mit * VOLERE zu finden ist. Im Rumänischen des XVI. Jh. ist die analytische Form a vrea + Infinitiv die häufigste Form des Futurs. Die Beispiele, in denen der Konjunktiv statt des Infinitivs steht, wie in der modernen Sprache, sind noch selten, sie vermehren sich erst im XVII Jh. Zusammenfassend: * VOLERE + Infinitiv ist eine alte analytische Form, die schon im Lateinischen ‚wollen‘ und ‚müssen‘, die zwei charakteristi- <?page no="32"?> Maria Iliescu 24 schen semantischen Merkmale des Futurs ausdrückt. Das Vollverb wird allmählich (so wie auch HABERE und DEBERE ) in einem Teil der Romania grammatikalisiert, und zwar im alten Graubündner Rätoromanisch und im Rumänischen. Es ist nicht ein Einzelfall: Rumänisch und Bündnerromanisch weisen auch andere gemeinsame lateinische Reliktentwicklungen auf. Dies ist z.B. auch der Fall des Artikels, der allmählich und nicht in allen Situationen verallgemeinert wird. Im Unterschied zum Surselvischen und Engadinischen bleibt im Rumänischen die Grammatikalisierung des Futurs mit * VOLERE in der modernen Sprache bestehen, nachdem sie erst später durch die allgemeine Ersetzung des Infinitivs durch den Konjunktiv neu gestaltet wurde. Heute wird das Futur im Albanischen, im Griechischen und im Rumänischen mit * VOLERE gebildet. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Lateinisch auf der ganzen Balkanhalbinsel gesprochen wurde und außerdem der Einfluss des Sprechlateins auf das Albanische besonders stark gewesen ist. Solta (LRL 1998, 1027) unterscheidet die Formen: a) volo cantare; b) volo cantem und c) vult cantem. Zu a): Im Rumänischen entspricht volo cantare > voi cânta der alten Sprache. Für das Bulgarische zitiert Solta das sogenannte ‚unbestimmte’ Futurum (vide šta) nur wegen des epistemischen Sinns. Dieser wird im Rumänischen durch den sogenannten Präsumptiv ausgedrückt: o fi cântând‚er wird wohl grad singen‘. Das Albanische kennt diese Futurbildung nur im Nordost-Gegischen, während im Griechischen thelo + Inf. nur mehr dialektal belegt ist. Zu b): Hier geht es um die Ersetzung des Infinitivs durch den Konjunktiv, wichtig ist nach Solta aber das Erhalten in den verschiedenen Sprachen der volitiven Bedeutung, wie z.B. im Griechischen und im Serbischen. Aber gerade hier geht das Rumänische andere Wege, denn durch die Grammatikalisierung unterscheidet sich das Hilfsverb a voi (voi, vei, va etc. …) vom Vollverb a vrea (vreau, vrei, vrea etc.) Zu c): Ich zitiere: „Hier liegt der eigentliche Balkanismus vor; die Konstruktion baut auf der erstarrten Form der 3. Pers. Sg. vom Verbum wollen auf“: rum. o im gesprochenen Futur: o s fac, o s faci etc.; alb. nur im Toskischen do, bulg. šte, gr. the (mit Auslassung der Konjuktion na). Ob das Rumänische durch eine Lehnübertragung aus dem Bulgarischen oder / und Griechischen entstanden zu erklären ist oder eher als eine sprechsprachliche Abkürzung eines unbetonten einsilbigen Wortes, ist schwer zu beurteilen. Es sei noch auf den rumänischen possessiven/ genitiven Artikel hingewiesen, der auch alle Formen auf ein einsilbi- <?page no="33"?> Der Balkanbund aus romanischer Perspektive 25 ges vokalisches Wort, und zwar a < AD, ohne fremden Einfluss, aufgebaut hat. Außerdem steht dem Rumänischen eine große Anzahl von verschiedenen (deontischen und epistemischen) Futurformen zu Verfügung, ganz abgesehen von der allgemeinen Tendenz, das Präsens zu benützen. Eines steht fest, das Futur mit VELLE ist als solches ganz gewiss kein Balkanismus. 2.1.3. Der enklitische bestimmte Artikel Albanisch, Bulgarisch und Rumänisch verfügen über einen enklitischen bestimmten Artikel. 2 Die slawischen Sprachen kennen die Kategorie des Artikels überhaupt nicht. Die einzige Ausnahme ist das Bulgarische, dessen enklitischer Artikel bereits im Mittelbulgarischen (XII.- XIV.Jh.) belegt ist. Die Erklärung ist die Zweisprachigkeit des zweiten walachisch-bulgarischen, 1185 begründeten, Zarenreichs. Seine Sprechsprache war ein sehr ausgeprägter Bilinguismus, unter stärkerem Einfluss der Volkssprache. rum. carte-a, c r i-le (fem.) copil-ul, copii-i (mask.) cal-ul, cai-i (mask.) alb. kniga-ta, knigi-te (fem.) dete-to, deta-ta (neut.) kon-jat, kone-te (mask.) dt. Buch-das, Bücher-die Kind-das, Kinder-die Pferd-das, Pferde-die In diesem Fall gibt die einfache Logik die Antwort auf die Frage des Verhältnisses zwischen dem rumänischen und dem bulgarischen Artikel. Das Rumänische (und das Albanische) haben das Bulgarische beeinflusst. Das Bulgarische zeigt auch andere Typologische Veränderungen auf. Vom Bulgarischen könnte man wirklich sagen, dass es ‚balkanisiert’ wurde: es verliert nicht nur die vokalische Quantitätsopposition, sondern, wie die romanischen Sprachen, geht es von einer synthetischen zu einer analytischen Nominalflexion über. 3. Schlussfolgerungen 3.1. Die Bedeutung des Sprachbundes in der Areal- und Kontaktlinguistik Der Sprachbund ist gewiss ein Begriff, der interessante Gegebenheiten in der Areal- und Kontaktlinguistik mit sich bringt. Er erweitert auch unsere Kenntnisse über das Adstrat, einen Terminus der noch auf eine umfassendere Definition und Kriterien wartet. Es fehlt, ganz allgemein gesehen, einerseits meist der Einblick, um nicht zu sagen die Kenntnis der diatopischen und diachronen Fakten der romanischen Sprachen. Man begnügt sich nur zu oft mit den bekannten <?page no="34"?> Maria Iliescu 26 Hochsprachen und vergisst, nicht selten einen Blick auf die alten romanischen Varietäten zu werfen. Ja man ist oft dabei zu vergessen, dass die ganze Balkanhalbinsel von den Römern erobert wurde und dass hier ein mündlicher Kontakt zwischen Lateinisch (späten Sprechlatein) und Griechisch stattgefunden hat, mit anderen Worten, dass es ein gesprochenes Balkanlatein gegeben hat. Andererseits kennen wenige Romanisten die implizierten sogenannten Balkansprachen Griechisch, Bulgarisch, Albanisch. Das letztere ist eine von jedem Standpunkt hochinteressante Sprache, die große Unbekannte und ihr unbestrittener Stellenwert als Quelle des Vulgärlateins bleibt oft unberücksichtigt. 3.2. Notwendigkeit eingehender Untersuchungen des Balkansprachbundes aus romanischer Sicht In einem seiner Artikel, Balkanismen oder Romanismen, in dem bewiesen wird, dass in einer ganzen Reihe von Wörtern, die man als Balkanismen betrachtet hat, es sich eigentlich um Latinismen des Balkanlateins handelt, bemerkt Eugenio Co eriu (1982), dass im allgemeinen Romanisten, die jede romanische Sprache zuerst im gesamtromanischen Rahmen zu sehen gewohnt sind, oft ein ungutes Gefühl haben, wenn sie Ausführungen zu den sogenannten. Balkanismen des Rumänischen lesen. Aus ihrer romanistischen Sicht müssen sie immer wieder feststellen, dass dabei gerade der romanistische Gesichtspunkt oft zu kurz kommt, sie können sich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon bei der Fragestellung etwas nicht stimmt, und sehen sich auf Schritt und Tritt veranlasst, sachliche und methodische Bedenken zu äußern. Dieses ungute ‚Gefühl‘, von dem Co eriu sprach, hoffe ich hier, auch wenn nur teilweise, erklärt zu haben. 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Mit anderen Worten handelt es sich um Südosteuropa von Kroatien, Serbien und Rumänien bis Bulgarien, Mazedonien, Albanien und Griechenland. Der sicher nicht ganz zutreffende Begriff des Sprachbunds umfasst in diesem Zusammenhang traditionellerweise auffällige grammatisch-syntaktische Gemeinsamkeiten zwischen Rumänisch, Bulgarisch, Albanisch und Griechisch, also Sprachen, die vier verschiedenen Sprachfamilien innerhalb des indoeuropäischen Sprachstammes angehören, nämlich der romanischen und der slavischen Sprachfamilie sowie dem Albanischen und Griechischen, die jeweils für sich allein auf der Ebene der Familien einzuordnen sind. Die im Folgenden genauer zu beschreibenden Gemeinsamkeiten betreffen z.B. die Reduzierung bzw. den Verlust des Infinitivs, die Verwendung des Konjunktivs, die Bildung des Futurs und des zusammengesetzten Perfekts, den nachgestellten Artikel, die Stellung des Possessivadjektivs, die Adverbbildung, also viele grundsätzliche grammatisch-syntaktische Phänomene, die entweder durch gegenseitigen Einfluss oder durch den Einfluss einer dominanten Sprache erklärt werden 1 . 1.2. Ziel meiner Überlegungen ist es, zwei Korrekturen an dem bisherigen Bild des Balkansprachbundes anzubringen und eine grundsätzliche Frage zu erörtern: Erstens umfasst die Zone der morphologisch-syntaktischen Gemeinsamkeiten in vielen Fällen auch die süditalienischen Dialekte, so dass also zwei romanische Sprachzonen betroffen sind. Zweitens kann nicht von zufälligen synchronen typologischen Gemeinsamkeiten die Rede sein, sondern es muss vom Einfluss dominanter Sprachen auf kulturell weniger starke Sprachen gesprochen werden. Drittens sollte der Begriff des Sprachbundes mit seinem Bild des „Bundes“ aufgegeben wer- <?page no="38"?> Wolf Dietrich 30 den, weil es sich nicht um einen Bund aus freier Übereinkunft handelt, sondern um areale Sprachkontakte, die in ihrem historischen Umfeld genauer beschrieben werden müssen? 1.3. Im Wesentlichen handelt es sich um drei historische Sprachschichten, die jeweils auf die Nachbarsprachen eingewirkt haben, wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise. Das Griechische war in hellenistischer Zeit im Balkanraum wie in der Magna Graecia die bedeutendste Kultursprache mit großem Prestige und großer Verbreitung. Der uns hier besonders interessierende Raum ist das Gebiet, in dem sich die heutige sprachliche Vielfalt auf dem Balkan herausgebildet hat, das Rumänische als eine von den anderen romanischen Sprachen räumlich isolierte Sprache, das geheimnisvolle Albanische, dazwischen das Serbische, südlich der Donau, im alten Thrakien und in der römischen Moesia Inferior, das später eingewanderte, ebenfalls eigentümliche Bulgarische. Jede einzelne dieser Sprachen werden wir in den Blick nehmen und historisch betrachten müssen. In der Geschichte der Herausbildung dieser Sprachen spielt auch das Lateinische natürlich eine bedeutende Rolle, denn mit der Einverleibung Griechenlands in das Römische Reich gibt es einen intensiven gegenseitigen Austausch. Das römische Denken und die lateinische Sprache werden entscheidend von griechischer Philosophie und von griechischer Sprache geprägt. In Süditalien wie im balkanischen Donauraum muss sich das Lateinische stark gegen das Griechische behaupten. Das hier in Frage kommende Griechisch dürfen wir uns nicht als das klassische Altgriechisch vorstellen, sondern als eine volkstümliche, weitgehend im Munde von Nichtgriechen - gräzisierten Ägyptern, Kleinasiaten, Thrakern, Römern und anderen - gesprochene Vulgärsprache. 1.3.1. Das Albanische ist eine halb romanisierte balkanische Sprache, stärker als Englisch und Deutsch romanisiert sind. Dabei ist unklar, aus welcher Urbevölkerung die heutigen Albaner hervorgegangen sind. Die alte These, sie seien Nachfahren der antiken Illyrer, ist von Joachim Matzinger (Wien) jüngst schlüssig widerlegt worden (siehe Beitrag in diesem Band). Nun wissen wir wieder nicht, wer sie in der Antike waren, wohl ein eigenes balkanisches Volk, das zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehörte, jedenfalls keine Illyrer. 1.3.2. Das Rumänische ist eine romanische Sprache geworden, allerdings mit vielen Fragezeichen in der Ethnogenese wie in der Sprachgeschichte. Sind als Vorfahren der Rumänen romanisierte Daker im Karpatenbecken anzusehen oder auch romanisierte Thraker in Moesien? Da das von Trajan um 120 n. Chr. eroberte Dakien 275 n. Chr. schon wieder aufgege- <?page no="39"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 31 ben werden musste, ist unklar, wie sich die in so kurzer Zeit vielleicht nur unvollkommen romanisierte Bevölkerung nördlich der Donau halten konnte. Man geht heute davon aus, dass zumindest ein Teil, wenn nicht die Hauptmasse der romanisierten Proto-Rumänen zunächst vor allem in Moesien, im heutigen Bulgarien weiterlebte. Hier könnten sie in Kontakt mit der griechischen Kultur gekommen sein. Problematisch ist darüber hinaus auch, inwieweit vor der Ankunft der Slaven - um 600 n. Chr. - eine erste Christianisierung stattgefunden hat. Ein aus sehr früher Zeit stammender, nicht durch das Slavische vermittelter Wortschatz spricht dafür, aber archäologische Zeugnisse für christliche Zentren an der Donau vor 600 n. Chr. fehlen weitgehend. In der Folgezeit gerieten die frühen Rumänen in sehr enge Nachbarschaft mit den Proto-Albanern, wohl im Gebiet des heutigen Kosovo. Sie übernahmen von ihnen viele lexikalische Elemente und, wie wir noch sehen werden, manche grammatische Strukturen. Aus ihrer Umgebung, teils aus dem Bulgarischen, teils aus dem Serbischen, nahmen sie zahlreiche slavische Elemente auf, lexikalische und grammatische. Dann trennten sich die verschiedenen protorumänischen Stämme. Die heute so genannten Dako-Rumänen wanderten teils - zurück - ins Karpatenbecken, wo sie bald in Kontakt mit den im 10. Jh. eingewanderten Ungarn gerieten, teils ins flache Land südlich der Karpaten, in die Walachei und die Moldau. Ein anderer Teil wanderte südlich in das heutige Südalbanien, in den griechischen Pindos und die Gegend des Olymp. Die Istrorumänen wanderten bis nach Istrien, wo Istrorumänisch bis in die Mitte des 20. Jhs. lebendig war. Allen rumänischen Stämmen gemeinsam war die Hirtenkultur, die es ihnen erlaubte, auf den Almen buchstäblich oberhalb der slavischen (serbischen, bulgarischen, kroatischen) und der ungarischen, später auch der siebenbürgischsächsischen Bevölkerung als nicht staatenbildende Minoritäten zu überleben. Nur unter den Dakorumänen bildeten sich ab dem 14. Jh. Fürstentümer in der Walachei und der Moldau heraus. 1.3.3. In der Völkerwanderungszeit wanderten die Slaven von ihren baltischen Nachbarn im Ostseeraum weg, die späteren Westslaven nach Westen und Südwesten, die anderen südlich bis nach Kiev und zur Krim, noch andere in den Balkan und bis nach Griechenland hinein. Etwa im 6. Jh. gelangten sie in das alte Thrakien und Moesien, bis an die Adriaküste und eben bis tief nach Griechenland hinein. Wo sie in Kontakt mit dem byzantinischen Reich gerieten, nahmen sie das Christentum auf. Das Gebiet südlich der Donau, das alte Thrakien, eroberten die Bulgaren wohl im 8. Jh. Die Bulgaren sind ursprünglich ein Turkvolk. Ihre Nachfahren, die <?page no="40"?> Wolf Dietrich 32 uvaschen, leben noch heute an der mittleren Wolga. Die Bulgaren übernahmen die Sprache der Slaven südlich der Donau und gaben ihre alte türkische Sprache vollkommen auf. In jener Zeit standen sich die slavischen Sprachen noch sehr nahe, so dass ihre gemeinsame Schriftsprache, das Altslavische auch die gemeinsame Sprache der Bibelübersetzung und der kirchlichen Schriftstellerei sowie der Liturgie werden konnte, eben das sog. Altkirchenslavische. Die gesprochenen Varietäten differenzierten sich dann mit der Zeit mehr und mehr und bildeten im profanen Bereich eigene neue Schriftnormen aus. Das Bulgarische selbst geriet wohl seit seiner Entstehung im Balkanraum unter griechischen Einfluss einerseits und dann auch unter den Einfluss der bei ihnen noch wohnenden Rumänen andererseits. Nur so sind die gegenseitigen sprachlichen Einflüsse verständlich, von denen hier die Rede sein soll. Diese führten zu den erwähnten Gemeinsamkeiten der auf so verschiedenen Wurzeln beruhenden Balkansprachen. 1.4. Die sprachlichen Gemeinsamkeiten des gesprochenen Koiné- Griechischen, der äußersten süditalienischen Dialekte, des Albanischen, Rumänischen und des Bulgarischen sollen hier zurückgeführt werden auf ein gemeinsames lateinisches Erbe im Albanischen und Rumänischen zum einen und auf den umfassenden griechischen Einfluss auf das Albanische, das entstehende Rumänische und das Bulgarische zum anderen. Als dritter Einfluss wird kurz auch vom Albanischen die Rede sein müssen, vom albanischen Einfluss auf das Bulgarische und Rumänische in der Frage des nachgestellten Artikels jedenfalls. Lexikalisch findet sich Albanisches übrigens auch im griechischen volkstümlichen Wortschatz wieder, haben doch Albaner im Mittelalter bis vor den Toren von Athen gesiedelt. 2. Gemeinsames ostlukanisch-balkanromanisches Vokalsystem 2.1. Zunächst werde ich im Folgenden von zwei Aspekten der Latinität sprechen, die den süditalienischen Dialekten, dem Albanischen und dem Rumänischen gemeinsam sind. Danach wird die Rede vom griechischen Einfluss in Süditalien, im Albanischen, Rumänischen und Bulgarischen sein, zuletzt vom albanischen Einfluss auf das Rumänische und Bulgarische. 2.2. Lausberg unterscheidet in seinem grundlegenden Werk Romanische Sprachwissenschaft ( 3 1969: 148 f.) bekanntlich vier vulgärlateinische Vokalsysteme. Für unsere Zwecke hier genüge der Hinweis auf Folgendes: In <?page no="41"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 33 dem Vokalsystem, das allen romanischen Sprachen vom Portugiesischen und Spanischen bis zum Französischen und Italienischen zugrundeliegt, wurde kurzes / / wie langes / / realisiert, so dass kl.-lat. bucca zu vlt. *bocca und gula zu *gola wird und im Span. und It. auch / o/ bleibt, vgl. span. boca, gola, it. bocca, gola. In einem Teil Süditaliens, der von der Basilicata vermutlich bis zur Adria reichte, sowie im Gebiet des Balkanlateins wurden kurzes und langes / u/ nach der Aufgabe der klass.-lat. Quantitäten gleich ausgesprochen. Die Wörter mit ursprünglich kurzem / / behielten also ihre [u]-Qualität, was sich noch heute im Rumänischen zeigt: buc in der Bedeutung 'fes , obraz' und auch die Ableitung bucat sowie gur < gula haben / u/ , nicht / o/ wie bocca, gola. Weitere rum. Beispiele sind furca > furc 'Heugabel', surdu(m) > surd 'stumm', mulgit > mulge '(er, sie, es) melkt', avunculu(m) > unchi 'Onkel'. In der östlichen Basilicata lauten die entsprechenden Wörter fast gleich: z.B. furca, surda, munge. 2.3. Die interadriatische Kontinuität der Latinität von der östlichen Basilicata bis zum Balkan (vgl. auch Prifti 2001) zeigt sich auch in zahlreichen lateinischen Lehnwörtern im Albanischen. Auch in diesem Punkt manifestieren sich die sprachlichen Gemeinsamkeiten des Albanischen mit dem Rumänischen. Der Erhalt von / / als [u] zeigt sich z.B. an folgenden lateinischen Lehnwörtern im Albanischen (Haarmann 1972; Prifti 2001: 42 f.): fundu(m) > alb. fund 'Ende', rum. fund; palumbu(m) > alb. pëllumb 'Taube', rum. porumb 'Mais' (wohl wegen der Ähnlichkeit des Maiskolbens mit einem Taubenrumpf); 'Taube' heißt heute porumbel; lat. pulvere(m) > alb. pluhur 'Staub', rum. pulbere 'Pulver, Staub', avunculu > alb. ungj, rum. unchi; bucca '(aufgeblasene) Backe' > alb. bukë 'Brot, Gastfreundschaft beim Mahl', rum. buc '(Arsch-) Backe, Visage', bucate 'Speisen'; culmen > alb. culm 'Dach; Höhe(punkt)', rum. culme; furnu(m) > alb. furë 'Backofen' 2 . Ein weiteres Phänomen im Rahmen der gemeinsamen Latinität der östlichen Basilicata und des Balkanraums findet sich in der Pluralbildung: 3. Pluralbildung auf -ORA 3.1. Der Plural der Substantive und Adjektive wird im Romanischen bekanntlich auf zwei einfache Weisen gebildet: Im Westen mit dem aus dem lat. Akk. Pl. entstandenen -s (span. amigos, kat. amics, frz. amis), in der Ostromania vokalisch (it. rosa - rose, libro - libri, rum. cas - case, limb - limbi, sat - sate). Lautlich aufwendigere Pluralendungen, wie wir sie aus lat. corpus - corpora kennen, sind in den romanischen Sprachen im Allgemeinen nicht erhalten. Eine Pluralbildung auf -ORA findet sich jedoch im Rumänischen (câmpuri, locuri, adev ruri, gusturi etc.), und ebenfalls im <?page no="42"?> Wolf Dietrich 34 Albanischen (z.B. nip - nipër 'Enkel', mbret - mbretër 'Könige', shpirt - shpirtëra 'Seelen', fshat - fshatëra 'Dörfer', vgl. Lambertz 1959: 68). Die Endung hat sich in beiden Sprachen so verallgemeinert, dass sie keineswegs auf die Wörter beschränkt ist, bei denen sie im Lat. auftrat, also etwa in rum. corpuri, timpuri, piepturi. Sie tritt nicht nur an alle möglichen Lexeme lateinischen Ursprungs, sondern auch an einheimische Wörter (z.B. rum. mal - maluri, alb. det - detëra 'Meere') und solche slavischen bzw. griechischen Ursprungs (z.B. rum. vremuri, drumuri) 3 . 3.2. In den süditalienischen Dialekten ist das auf lat. -ora zurückgehende Pluralmorphem innerhalb des italienischen Sprachgebiets besonders stark vertreten 4 . Für den Dialekt von Bari zitiert Rohlfs vrazz r 'Arme', agh r 'Nadeln', anéddr 'Ringe', für Matera solch r 'Furche', v tèdd r 'Kälber', jadd r 'Hähne' (Rohlfs 1968: 40). Die Endung als solche ist unabhängig von einem direkten griechischen Einfluss, jedoch kann die Tatsache der starken Verankerung des Genus Neutrum im Griechischen zur Verbreitung der ursprünglich neutralen Endung und vor allem zur Etablierung des ambigenen Genus im Rumänischen beigetragen haben. Im Albanischen jedoch hat diese Pluralendung nichts mit dem Genus zu tun, es gibt sie vor allem im Maskulinum, aber auch im Neutrum 5 . So könnte es sich vor allem um ein Charakteristikum der gemeinsamen Latinität Süditaliens mit der des Balkanraums handeln. Im Folgenden gelangen wir zu Phänomenen, die im Zusammenhang mit dem griechischen Einfluss in Süditalien wie auch im Ursprungsgebiet des Albanischen und Rumänischen gesehen werden müssen. Zunächst die: 4. Adverbbildung 4.1. In den romanischen Sprachen wird das von einem Adjektiv abgeleitete Adverb gewöhnlich mit der Endung -MENTE gebildet. Neben der üblichen romanischen Adverbbildung auf -MENTE gibt es in begrenztem Umfang aber auch den Typ frz. parler haut 'laut sprechen', span. correr rápido 'schnell laufen', it. agire piano piano 'langsam vorgehen', der formal dem Mask. Sg. entspricht, historisch jedoch als Bildung aus dem Neutrum Sg. des Adjektivs anzusehen ist. Einzig im Rumänischen und in den südit. Dialekten sind Bildungen auf -MENTE fast unbekannt. Das Adverb im Rum. entspricht ebenfalls der lat. Neutrum-Sg.-Form: ai spus-o frumos 'du hast es schön gesagt'; a fost anunciat oficial 'es wurde offiziell angekündigt'. Im Neugriechischen wird das Adverb als unveränderliche Form vom Pl. Neutrum gebildet: 'du hast schön geschrieben'. Die altgriech. Bildungsweise auf - dürfte in der gesprochenen Sprache nicht <?page no="43"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 35 überlebt haben, nachdem Ende des 3. Jhs. v. Chr. die vokalischen Quantitäten aufgegeben wurden und so das Adverb nicht mehr von der Form 'schön' des Mask. Sg. im Nominativ unterscheidbar war. In den Texten, auch im NT, ist diese Adverbbildung von der Antike bis in die Katharévousa der Neuzeit hinein bewahrt worden. In der gesprochenen Sprache jedoch dürfte die der Form des Neutr. Pl. entsprechende Adverbbildung alt sein, wenn sie auch in den Texten früherer Zeit kaum belegt ist. 4.2. In den süditalienischen Dialekten sind die Adverbien auf -mente kaum verbreitet (vgl. Rohlfs 1969: 243 f.). Das Gebiet ist sehr viel größer als das des möglichen griechischen Einflusses. Griechischer Einfluss ist hier allerdings auch gar nicht wahrscheinlich, da statt eines Adverbs ein mit dem Subjekt kongruentes quasi prädikatives Adjektiv verwendet wird: siz. tu sa’ leggiri bonu 'tu sai leggere bene; du kannst gut lesen', era viera buona 'era veramente buona; es war wirklich gut', cal. facisti buonu 'hai fatto bene; du hast es gut gemacht', nap. la fegliola cossì bella vestuta 'das so schön gekleidete Mächen', abruzz. può mannà libb r’ a ppasc l pèch r’a la mundagn 'puoi liberamente mandar a pascere le pecore alla montagna‘; du kannst die Schafe frei weiden schicken auf den Berg‘. Das Albanische zeigt in diesem Zusammenhang keine Parallelen, weder zum Rumänischen noch zum Süditalienischen noch zum Griechischen. Gemeinsamkeiten bestehen hier allein zwischen Rumänisch und Griechisch und dürften wieder einmal auf griechischem Einfluss beruhen. Zumindest kann das Griechische im Lateinischen angelegte Möglichkeiten der Bildung eines Adverbs mit Nullmorphem, ohne eigene Endung, verstärkt haben. 5. Nachstellung des possessiven Adjektivs 5.1. Das possessive Adjektiv steht im Rumänischen - ganz in lateinischer Tradition - nach dem Substantiv: amicus meus - prietenul meu 'mein Freund', und weiter rum. hainele mele 'meine Kleider', camera ta 'dein Zimmer'. Insofern ist das Possessivadjektiv gegenüber der Voranstellung des Typs frz. mon ami, span. mi amigo oder auch it. i miei amici oder mia madre nicht unbetont 6 . Auch hier besteht ein Parallelismus mit den Verhältnissen im Albani-schen. Die Beispiele machen deutlich, dass im Alb. wie im Rum. und im Bulgarischen zusätzlich der best. Artikel postponiert ist, hier auslautendes -i: <?page no="44"?> Wolf Dietrich 36 libri im 'mein Buch', libri yt 'dein Buch', libri i tij 'sein Buch', libri ynë 'unser Buch' (vgl. Lambertz 1959: 80-81). So auch Bulgarisch: ! ! " ! # 'copilul t u, dein Kind'. 5.2. In den süditalienischen Dialekten finden wir nur gelegentlich Parallelen zu der betonten Nachstellung im Rumänischen. Für Nordkalabrien (Cosenza) führt Rohlfs (1968: 123) Beispiele an wie lu còre tue 'inima ta; dein Herz', li frati tue 'fra ii t i; deine Geschwister', li parienti sue 'p rin ii s i, lui/ ei; seine/ ihre Eltern' an, für den Salento li affari mia 'meine Angelegenheiten', li piccati sua 'seine Sünden', li frati tua 'deine Brüder' 7 . Bei Personenbezeichnungen sind dagegen südlich der Linie Rom-Ancona enklitisch gebrauchte Formen üblich und bis auf Gebiete, die im Mittelalter piemontesisch und frankoprovenzalisch besiedelt wurden, weit verbreitet: Subiaco nórema, mógliema, sal. frátuta, sòrda, sìrsa 'suo signore, suo padre', cognátusa, zíusa usw. Die Enklise könnte sich zunächst aus einem allokutiven Gebrauch heraus entwickelt haben, in dem das Possessivum in seiner Unbetontheit selbst gewissen lautlichen Verkürzungen - man denke an frz. mon-sieur! - und Reduzierungen der Genus- und Numerusunterscheidung unterworfen worden ist. 5.3. Im Griechischen gibt es nur nachgestellte Formen, die zudem alle aus verkürzten Formen des Genitivs der entsprechenden Personalpronomina gebildet sind (vgl. Dietrich 1995: 115). Ein flektiertes Possessivadjektiv ist im Griechischen nie gebildet worden: % & % @%Y 'mein Freund', wörtl. 'der Freund von mir' % & % \%Y 'dein Freund' % & % ^%Y 'sein Freund', 'der Freund von ihm', % & % ^_ 'ihr Freund', wörtl. 'der Freund von ihr'; vgl. aber auch rum. prietenul lui/ ei 'der Freund von ihm, sein Freund/ der Freund von ihr, ihr Freund' für prietenul s u 'sein/ ihr Freund' Daraus lässt sich unschwer erkennen, dass wir im Rum. und teilweise im Alb. und Süditalienischen zwar die Form eines eigenen Possessivadjektivs finden, dass aber die Struktur des Substantivs plus Artikel und des nachgestellten Possessivums ganz dem griechischem Muster entspricht. Wenn wir in den romanischen Sprachen im Allgemeinen die Voranstellung des Possessivums haben und wir nur im Rum. die Nachstellung vorfinden - ohne dass es sich um eine besondere Hervorhebung handelte - dann kann nicht nur einfach eine Bewahrung der Nachstellung des klass. Lateins vorliegen. Vielmehr ist hier griechischer Einfluss unverkennbar. Er bildet das einigende Band zwischen den Sprachräumen, die <?page no="45"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 37 uns hier interessieren. Diesem Einfluss war die Bevölkerung, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum griechischsprachigen Raum lebte, schon ausgesetzt, als sie romanisiert wurde. 6. Tempora 6.1. Analytisches Futur 6.1.1. Wenn wir uns nun dem Verbalsystem zuwenden, so finden wir eine weitere typologische „Isoglosse“ in der Form und Bildungsweise des Futurs. Anders als die Fügung aus dem Inf. des Verbs und dem Präsens des nachfolgenden HABERE in den übrigen romanischen Sprachen, in denen auch die Formen seit den ersten Schriftzeugnissen wieder zu einer synthetischen Verbalform geworden sind (je chanterai, canterò, cantaré, cantarei), haben wir im Rumänischen immer noch analytische Formen, und zwar sowohl mit dem Infinitiv (voi lucra 'ich werde arbeiten'), als auch Konstruktionen mit persönlichen Formen, die mit HABERE (am s lucrez), aber auch mit VELLE 'wollen' gebildet werden (o s lucrez, wobei o versteinert, d.h. stark grammatikalisiert, für alle Personen gebraucht wird). Die für die vergleichende Betrachtung wichtigen Elemente sind die analytische Form, die Verwendung von 'wollen' als Auxiliar neben 'haben' und die persönliche subordinierte Form statt des Infinitivs. 6.1.2. Im Alb. wird wie im Griech. und Rum. das Futur analytisch mit einer versteinerten Form do zu dua 'wollen' in einer persönlichen Konstruktion gebildet: do të pi 'ich werde trinken' (vgl. Lambertz 1959: 122). Auch hier scheinen sowohl das Rum. wie das Alb. griechische Strukturen nachzuahmen, denn im Griech. wird seit der mittelgriechischen Epoche das Futur aus einer versteinerten, unveränderlichen Form ` < ` { 'ich will' und einem hypotaktischen persönlichen Anschluss gebildet: ` ^ |} 'ich werde es verstehen' (vgl. auch Solta 1980: 215-223, der auch Vergleiche mit dem Kroatischen, Serbischen und Bulgarischen zieht). Dabei ist anzunehmen, dass die moderne Partikel ` in der Zeit des griechischen Einflusses auf das entstehende Rumänische und Albanische etwa noch * ` { geklungen hat, so dass das zu vermittelnde Muster die subordinierende Struktur mit der Konjunktion { noch deutlich zeigte. 6.1.3. In den süditalienischen Dialekten finden wir hier nur teilweise Entsprechendes. Gemeinsam mit den Balkansprachen ist zwar die analytische Form, aber sie wird hier mit HABERE gebildet. Bildungen mit 'wollen' bleiben auf den Balkan beschränkt. Der übliche süditalienische <?page no="46"?> Wolf Dietrich 38 Bildungstyp ist HABEO AD + Inf. So finden wir (vgl. Rohlfs 1968: 335f.) im Apulischen agghi a candà 'ich werde singen; am s cânt', av’a v ní 'er wird kommen; are s vin ', im Siz. l’ai a mmannari 'ich werde es schicken; am s -o trimit', aj a scríviri 'ich werde schreiben; am s scriu', avem a purtà 'wir werden es holen; am s aducem'. 6.2. Habere + Part. Perf. bei Verben der Bewegung und des Seins 6.2.1. Die zusammengesetzten Vergangenheitstempora werden in allen romanischen Sprachen außer heute in den iberoromanischen Sprachen (mit Einschluss des Katalanischen) bei intransitiven Verben der Bewegung und des Seins nicht mit dem Hilfsverb HABERE, sondern mit ESSE gebildet. Allerdings ist die Liste der semantisch dazu zu zählenden Verben von Sprache zu Sprache verschieden und hat sich auch im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Vgl. frz. je suis venu, je suis allé, elle est morte l’année passée, aber j’ai été; it. è andata, è morta l’anno scorso, è stata in città, ha corso molto, aber è corsa in fretta all’università 8 . In diesen Sprachen wird auch das Perfekt der reflexiven Verben mit être bzw. essere gebildet. Im Altspanischen und Altkatalanischen z.B. wurde noch das Perfekt mancher Verben wie 'geboren werden' oder 'bleiben' und auch das der reflexiven Verben mit ESSE gebildet, wo es heute nur mit HABERE gebildet wird. 6.2.2. Im Rum. wird das persönliche Perfect compus nur mit a avea gebildet, daher auch a fost 'er ist gewesen', a mers 'er ist gegangen', a plecat 'er ist weggegangen', a murit 'er ist gestorben', a alergat 'er ist gelaufen'. Auch das Perfekt reflexiver Verben wird so gebildet: s-a dus la prim rie 'er ist zum Rathaus gegangen', m-am uitat la stele 'ich habe die Sterne betrachtet' usw. Ebenso gibt es im Alb. nur das Auxiliar kam 'ich habe': kam shkruar 'ich habe geschrieben', kam qënë 'ich bin gewesen'. 6.2.3. Die süditalienischen Dialekte kennen nur HABERE als Auxiliar für das Perfekt, ganz wie die iberoromanischen Sprachen. Wenn es hier einen alten griechischen Einfluss gab - von dem gleich noch zu sprechen ist -, so werden die spanische und katalanische Herrschaft in Süditalien diesen Zustand verstärkt und ein Eindringen von ESSE von Norden her verhindert haben. Beispiele aus dem Abruzzese sind ajj štat 'ich bin gewesen', ajj jit ' ich bin gegangen', nap. appe trasute 'è entrato, er ist eingetreten'; apul. ann muert 'sono morti, sie sind gestorben', cal. ajju arrivatu 'ich bin angekommen', siz. avianu passatu du misi 'es waren zwei Monate vergangen'. <?page no="47"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 39 6.2.4. Im gesprochenen Griechisch ist das altgriech. synthetische Perfekt in der Koiné aufgegeben worden. Seit der byzantinischen Epoche ist die Bildung eines analytischen Perfekts mit dem Präsens von ~ 'ich habe' und einer verkürzten Form des ehemaligen Inf. Aor. bekannt, wenngleich sie schon seit der Koiné als umgangssprachliche Form existiert haben muss. Diese Form wird auch von Verben der Bewegung gebildet, z.B. ~  €|  \^_  \\ %{ _ 'er ist nach Saloniki gegangen'. Der Gebrauch von HABERE als Hilfsverb im Rum. muss nicht zwingend auf griechischen Einfluss zurückgehen, da er sich auch sonst in der Romania herausgebildet hat. Er kann aber im Rum. wie im Südit. durch das Griechische unterstützt worden sein. 7. Konjunktiv: Morphologie und Funktion Aus Platzgründen können hier nicht die Unterschiede zwischen dem Konjunktivgebrauch im Rumänischen und Griechischen und dem der Mehrheit der romanischen Sprachen dargestellt werden (siehe hierzu Dietrich 1995: 127-131). Pauschal sei hingewiesen auf das Fehlen einer Consecutio temporum, sowohl im Indikativ wie im Konjunktiv, vor allem aber darauf, dass die durch den Konjunktiv ausgedrückte Inaktualität des Verbalgeschehens vorwiegend final ausgerichtet ist, d.h. z.B. nicht wie in den übrigen romanischen Sprachen nach Ausdrücken des Affekts steht (vgl. frz. je suis content que vous soyez là, it. mi dispiace che ti abbia molestato, span. es una vergüenza que no se haya presentado), ebenso nicht nach negativen (vgl. frz. il n’y a personne qui le sache, it. non vedo come si possa risolvere il problema) oder verallgemeinernden. Ausdrücken (vgl. frz. qui que ce soit, port. embora chova ..., span. aunque llueva ...). Gemeinsamkeiten mit den süditalienischen Dialekten sind nur insofern gegeben, als es auch dort keine Consecutio temporum gibt und der Konjunktiv dort, wo er überhaupt existiert, im Wesentlichen die Finalität ausdrückt, also keinesfalls nach affektiven bzw. fragenden oder negativen Ausdrücken steht. Darüber hinaus gibt es aber Dialektzonen, in denen der Konjunktiv als Kategorie verloren gegangen ist (Rohlfs 1969: 61 f.): In semantischen Kontexten, wie sie in nap. cr rit ch ss n va? , siz. criditi ca ssi nni va? 'Glaubt ihr, dass er/ sie weggeht? ' geäußert werden, fordert zwar die rum. Norm keinen Konjunktiv, er wäre aber theoretisch als Form möglich, im Nap. und Siz. aber nicht einmal das. In anderen Zonen wird statt des Konj. Präs. der Konj. Impf. verwendet, vor allem bei der höflichen Aufforderung, so z.B. siz. manciassi! 'esst/ ihr sollt essen! ', venissi! 'kommt/ ihr sollt kommen! '; südl. kampan. facesse súbbitu 'macht <?page no="48"?> Wolf Dietrich 40 schnell/ ihr sollt schnell machen! '. Rohlfs (1969: 63) erklärt diesen Gebrauch als Gräzismus aus dem in diesen Fällen im Griech. gebrauchten Konj. Aor., der die Handlung aspektuell als komplexiv, d.h. ausdrücklich ohne Betrachtung des Verlaufs, darstellt. Gemeinsamkeiten mit dem Griechischen und dem Rumänischen sind darin zu sehen, dass der Konjunktiv auch hier ausschließlich in finaler Funktion vorkommt und nicht nach affektiven Verben der Beurteilung, nicht nach Frage oder Negation. 8. Reduktion und Verlust des Infinitivs Im Zusammenhang mit der Frage nach der Frequenz des Konjunktivs ist natürlich zu erwähnen, dass der Konjunktiv in den hier behandelten Sprachen außerordentlich häufig in Nebensätzen nach charakterisierenden Verben wie 'wollen', 'können', 'sich entschließen' usw. statt eines Infinitivs auftritt 9 . Dies führt uns zu unserer nächsten typologischen Gemeinsamkeit. In der Diskussion um die sog. Balkansprachen spielt der Verlust bzw. die Reduktion des Infinitivs eine große Rolle (siehe z.B. Solta 1980: 210-215). Das Griech. scheint seine Infinitive (nach Aufgabe des alten synthetischen Futurs und des Perfekts vor allem Inf. Präs. und Inf. Aor.) seit langem ganz aufgegeben zu haben, in der Volkssprache vermutlich schon in der Koiné. In den anderen Sprachen, Rumänisch, Albanisch, süditalienische Dialekte, liegen die Verhältnisse komplizierter. Überall ist aber eine gewisse Reduktion festzustellen. Im Albanischen ist der Inf. im gegischen Dialekt voll erhalten, während das Toskische nur Reste besitzt (vgl. Solta 1980: 212), was bedeutet, dass bei charakterisierenden Verben hypotaktische dass-Konstruktionen benutzt werden. In der rumänischen Syntax ist der Infinitiv in seinem Gebrauch stark eingeschränkt. Die Gemeinsamkeiten zwischen Rumänisch, Toskisch, Griechisch und südit. Dialekten besteht darin, dass statt eines „charakterisierten“ Infinitivs, wie etwa in frz. il veut partir, eine subordinierte Konstruktion gewählt wird (vgl. rum. vrea s plece, alb. do të shkojë, griech. `  { &‚  'er will losgehen', südkal. vogghi mu porta 'vuole portarlo, er will es bringen'). Bezüglich der rumänisch-süditalienisch-griechischen Parallelen kann ein Zitat aus Rohlfs (1980: 24f.) die Dinge zusammenfassen: „Schon in der griechischen Sprache des Neuen Testaments beobachtet man eine deutliche Tendenz, den Infinitiv in der Abhängigkeit von einem Verbum durch einen Nebensatz zu ersetzen, der durch eine Konjunktion eingeleitet wird. Es ist ganz sichtlich ein Phänomen, das in dieser Zeit von den Verben ausgeht, die ein Wollen oder eine Absicht ausdrücken, z.B. die Phrase 'wir wollen sehen' erscheint in der Form 'wir wollen, dass wir sehen'. In der Spra- <?page no="49"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 41 che des NT gilt für das Verbum 'wollen' ohne bemerkenswerten Unterschied der Infinitiv oder die Konstruktion mit { , während für das Verbum 'können' nur der Infinitiv gebräuchlich ist. … Auch in Rumänien gehört 'können' zu den Verben, wo in einigen Landschaften vorzugsweise der Infinitiv gebräuchlich ist: nu pot dormi 'ich kann nicht schlafen', putem a tepta 'wir können warten'.“ In den südit. Dialekten finden wir dieselbe Trennung bis heute vor, d.h. nur 'können' mit dem Infinitiv, alle anderen Verben mit dem finalen Nebensatz. 9. Subordinierende Konjunktionen Sowohl im Rum. als auch im Alb., Griech. und im Kalabresischen und Südapulischen verwendet man in Subjekt- und Objektsätzen mit dem Indikativ eine andere Konjunktion als in Finalsätzen mit dem Konjunktiv. Rum. sagt man tiu c … 'ich weiß, dass …', e adev rat c … 'es ist wahr, dass …', aber vreau s dorm 'ich will schlafen (wortwörtlich: ich will, dass ich schlafe)', e important ca s -o inem în minte 'es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern'. Auch im Alb. finden wir eine ähnliche Unterscheidung zwischen se, që 'dass' (in Objektsätzen) und që të, të 'damit' in Finalsätzen, z.B. nach 'wollen', z.T. auch nach 'können'. Sie entspricht der griech. Unterscheidung zwischen ^ + Ind. und { + Konj. Ebenso unterscheiden die Sprecher des Kalabresischen, Sizilianischen und Südapulischen zwischen che, chi in Subjekt- und Objektsätzen und einer weiteren Konjunktion in Finalsätzen, die in Kalabrien mu < lat. modo, in Sizilien mi < lat. modo X chi, in Südapulien cu < lat. quod lautet. 10. Postponierter Artikel Als letztes die Balkansprachen charakterisierendes Kriterium ist der nachgestellte Artikel des Albanischen, Rumänischen und Bulgarischen zu erwähnen. Nun ist zwar die Nachstellung eines bestimmten Artikels weltweit gesehen nichts Ungewöhnliches, findet sie sich doch beispielsweise auch im Dänischen und Schwedischen. Im Vergleich mit den übrigen romanischen und slavischen Sprachen ist sie jedoch auffällig. Das Griechische wurde von dieser Entwicklung nie betroffen. Es konnte sich mit seinem von alters her vorangestellten Artikel gegenläufigen Einflüssen nicht öffnen. Im Bulgarischen finden wir den aus dem Demonstrativum entwickelten Artikel in den drei Genera, -! ", -! „, -! ", also z.B. ! 'Kind, ein Kind', ! ! " 'das Kind'. Im Rumänischen haben wir - wie in den meisten romanischen Sprachen - einen aus lat. ILLE entwickelten <?page no="50"?> Wolf Dietrich 42 Artikel, aber eben nachgestellt, wie übrigens auch im Klat.: *caballu- (i)ll(um) > altrum. calu-l 'das Pferd', neurum. cal-ul zu segmentieren, nachdem das nominale auslautende -u der Maskulina verstummt ist; *mare-illa > *mare-ea > marea 'das Meer'. Jüngste Forschungen des Wiener Indogermanisten Stefan Schumacher zum Uralbanischen und zu protoalbanischen Lehnbeziehungen zwischen Albanisch und balkanischem Latein in den ersten nachchristl. Jahrhunderten haben gezeigt, dass das Uralbanische einen postponierten Artikel entwickelt haben muss, der sich auf das uridg. Demonstrativum zurückführen lässt. Ebenso hat Schumacher enge sprachliche Beziehungen zwischen Protoalbanisch und Protorumänisch im Wortschatz nachgewiesen. Die Formen des Artikels im heutigen Alb. lauten im Mask. Sg. auf -i, -u, z.B. fshat - fshati 'das Dorf', treg - tregu 'der Markt', im Fem. -a, -ja, z.B. vjershë vjersha 'der Vers', dru - druja 'das Holz' 10 . Die Übernahme der Nachstellung des best. Art. durch das Rumänische ist wegen des hohen Alters des postponierten alb. Artikels also durchaus plausibel. Es ist darüber hinaus anzunehmen, dass dieser postponierte bestimmte Artikel als Struktur vom Rumänischen an das im gleichen Territorium gesprochene Bulgarische weitergereicht worden ist. Das Griechische mit seinen fest gefügten morphologischen Strukturen hat als damalige Prestigesprache nur lexikalische Elemente aus der unmittelbaren Nachbarschaft der in Griechenland wohnenden Albaner aufgenommen, nicht aber grammatische Strukturen; ebenso wenig natürlich die Griechen der Magna Graecia. Damit entfällt auch eine Weitergabe des postponierten Artikels an die Sprecher der proto-italienischen Dialekte in Süditalien. Wir haben es hier also mit einer engeren, vom Griechischen unabhängigen balkanischen arealen Gemeinsamkeit zu tun. 11. Schluss Die Auflistung einer großen Anzahl morphosyntaktischer Übereinstimmungen zwischen den Balkansprachen Rumänisch, Albanisch und Griechisch und den durch das griechische Substrat stark beeinflussten südit. Dialekten sollte gezeigt haben, dass erstens die sog. Balkansprachen eine gewisse Fortsetzung in diesen südit. Dialekten haben und zweitens der so definierte Balkansprachbund grundlegend durch das Griechische geprägt ist. Alle ihn charakterisierenden Züge mit Ausnahme des postponierten Artikels lassen sich historisch durch das Griechische erklären. <?page no="51"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 43 Literaturverzeichnis Dietrich, Wolf (1995), Griechisch und Romanisch. Parallelen und Divergenzen in Entwicklung, Variation und Strukturen, Münster: Nodus-Publikationen (MBRPh 11). Dietrich, Wolf (2001), Das Rumänische als Balkansprache, RGG 7,2: 137-154. 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Kommunion empfangen' < lat. communicare, regionallat. *cominicare, das über alb. kungoj und rum. a comuneca in der gleichen Bedeutung vermittelt worden sein dürfte (vgl. auch Schramm 1999: 128). Den Hinweis verdanke ich Rainer Stichel, Münster (p. M.). 3 Die rum. Endung -uri ist die des alten Gen.-Dat., während der Nom.-Akk. -ure < vlt. *-orae (vielleicht in Angleichung an Pronomina wie quae, vgl. Lausberg 2 1972: 61) lautete. Auch im Salento und in Sizilien finden wir Ergebnisse aus *-orae: sal. le lócore rum. locuri, le ákure, rum. ácele , cápure, rum. capuri, cal. (Cosenza) nídure 'cuiburi', sáccure 'saci', cuórpure 'corpuri', vgl. Rohlfs 1968: 41). <?page no="53"?> Historische Sprachgeschichten von Süditalien bis zum Balkan 45 4 In der Osthälfte der Halbinsel (Abruzzen, Apulien und Salento, Ostlukanien, ländliches Campanien) mehr als auf des Westhälfte. Doch findet sie sich auch in Kalabrien und einigen Gegenden Siziliens (vgl. Rohlfs 1968: 40 f.). 5 Als Beispiel möge das Neutrum ujë - ujëra 'Wasser' dienen, vgl. Lambertz 1959: 74 6 Die vielen Fälle, in denen ein mit dem Artikel versehenes Possessivpronomen erscheint - wie z.B. in un prieten al meu, un al meu prieten - bleiben hier unberücksichtigt. 7 In Sizilien herrschen heute dagegen die bei der Reromanisierung im Mittelalter aus dem Norden eingeführten vorangestellten Formen vor, wie z.B. tò frati, mè maritu, mè figghiu. 8 So auch occ. som tombat 'am c zut', som partit 'am plecat'. 9 Zu den Verben der Charakterisierung, die keine eigene Handlung darstellen, sondern lediglich das im Infinitiv nachfolgende Verb „charakterisieren“, und die deshalb keine lexikalischen Vollverben sind, sondern Auxiliarien in Verbalperiphrasen, siehe Uta Lausberg (1996). Diese traditionell „Modalverben“ genannten Verben haben nicht wirklich etwas mit Modalität, noch weniger mit den Modi zu tun. Der veraltete Ausdruck wird daher hier vermieden. 10 Verwandtschaftsnamen tragen übrigens einen vorangestellten best. Artikel: ati - i ati 'der Vater'. <?page no="55"?> Eugen Munteanu Die Konzeption von Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen Gheorghe Iv nescu (1912-1987) war einer der bedeutendsten rumänischen Sprachwissenschaftler, ein linguistisch in vielerlei Hinsicht originell Denkender. Trotz eines schweren Schicksals und einer angeschlagenen Gesundheit ist es ihm gelungen, ein mannigfaltiges und substanzielles Werk zu schaffen. Er hat Bedeutendes oder Beachtliches zu Sprachtheorie, Vergleichender und Indoeuropäischer Sprachwissenschaft, zu Romanistik, Onomastik, Phonologie, zu Theorie der poetischen Sprache und insbesondere zur Geschichte der rumänischen Sprache beigetragen. Als sein Schüler möchte ich betonen, dass Gh. Iv nescu, meiner Meinung nach, Autor nicht nur der einzigen vollständigen Geschichte der rumänischen Sprache, sondern auch der besten unter diesen ist. Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit waren durchwegs die Frage des Ursprungs, des Besonderen und der historischen Dynamik der rumänischen Sprache. Als hervorragender Schüler von Alexandru Philippide und Iorgu Iordan in Jassy - später sollte er auch in Paris und Rom studieren - hat er seine Überlegungen über die rumänische Sprache in einem günstigen Moment begonnen. Einerseits hatte sich durch frühere Synthesen von Linguisten wie O. Densusianu, A. Philippide oder S. Pu cariu sowie durch zahlreiche monographische Publikationen rumänischer oder ausländischer Autoren ein reiches Material zu den verschiedenen Etappen der Geschichte der rumänischen Sprache angesammelt. Andererseits fiel der Beginn von Iv nescus Karriere in der Zwischenkriegszeit noch nicht in die Zeit der politischen Deformierung und Pervertierung des wissenschaftlichen Diskurses der rumänischen Ethnogenese und des Ursprungs der rumänischen Sprache. Noch wurde der freie Ausdruck einer unkonventionellen Position nicht verhindert, wie dies später, in der kommunistischen Etappe der jüngeren Geschichte Rumäniens geschehen sollte. Anders gesagt, hat sich Iv nescu in seiner Theoriebildung zur rumänischen Ethnogenese bzw. in dem einen oder anderen obskureren oder kontroverseren Moment oder Aspekt zur Geschichte der rumänischen Sprache ausschließlich von inneren, auf rationalen Argumenten begründenden Überzeugungen führen und somit nicht vom ideologischen Zwang der nationalistischen Imperativa der kommunistischen Epoche beeinflussen lassen. <?page no="56"?> Eugen Munteanu 48 Zum Thema der Migrationen zurückkommend, lässt sich sagen, dass die vollständige Kenntnis der Arbeiten von Iv nescu wie auch seiner Synthesen oder kürzeren Beiträge über die Geschichte der rumänischen Sprache notwendigerweise jeden zum Schluss führt, dass die Wanderungen von Bevölkerungen - von größeren oder kleineren Gruppen von Rumänen - in deren nativem Karpaten-Balkanraum konstant als ein wichtiges Argument von dem Jassier Gelehrten herangezogen wurden. Er ging davon aus, dass in einem Zeitraum von über 1000 Jahren zwischen dem 7./ 8. Jahrhundert bis zur Schwelle der modernen Zeit (dem 19. Jahrhundert) größere oder kleinere Gruppen von Rumänen vom Süden in den Norden, vom Westen in den Osten, vom Osten in den Westen sowie, seltener, vom Norden in den Süden wanderten. Die Folge dieser historischen Wanderungen war die Entstehung der rumänischen Dialekte und Subdialekte, wie wir sie in der modernen Zeit kennen. Diese Wanderungen haben einen bestimmten Einfluss auf die Konstituierung des Normensystems der rumänischen Hochsprache gehabt. Die Zeit erlaubt es hier nicht, eine detailliertere Präsentation aller Ideen, Hypothesen und Theorien von Gh. Iv nescu zu diesem Thema, und umso weniger eine kritische Reflexion und Gegenüberstellung von früheren oder späteren Meinungen Anderer dazu vorzunehmen. Alles, was ich hier zu tun wünsche, ist, die Positionen von Iv nescu bezüglich der Migrationen der Rumänen schematisch vorzustellen. Ich stütze meine Untersuchung auf drei essentielle Texte von ihm: Erstens seinen an der Universität Jassy gehaltenen und 1954 - in sehr kleiner Auflage - veröffentlichten Kurs Originea românilor [Der Ursprung der Rumänen]; zweitens, seine 1947 veröffentlichte Doktorarbeit Problemele capitale ale vechii române literare [Über Grundfragen der älteren rumänischen Hochsprache]. Der dritte Text ist schließlich seine große 1980 in Jassy veröffentliche Synthese Istoria limbii române [Die Geschichte der rumänischen Sprache]. Ich werde hier nicht auf die Positionen Iv nescus bezüglich der komplexen Problematik der rumänischen Ethnogenese eingehen, sondern nur auf die Migrationen der Rumänen in einer Zeitspanne nach dem VII./ VIII. Jahrhundert, also nachdem die Bildung des rumänischen Volks als abgeschlossen betrachtet werden kann. Wie man aus ILR (76 ss.) entnehmen kann, verwirft Iv nescu die 1940 von Ernst Gamillscheg formulierte attraktive Theorie über ursprüngliche Kerngebiete, in denen sich schon seit der Zeit der Herausbildung des rumänischen Volks auch die wichtigsten rumänischen Dialekte gebildet hätten. Gamillscheg schlug dafür für den Raum nördlich der Donau zwei Kerngebiete vor, eines in den Mun ii Apuseni, den Westkarpaten, und ein <?page no="57"?> Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen 49 anderes in Muntenien und in dem im Donauraum liegenden Bulgarien. Für den Raum südlich der Donau schlug Gamillscheg eines im Timoktal und ein weiteres in Mazedonien vor. Die Theorie der Kerngebiete als Erklärung der Ausdifferenzierung der wichtigsten „Äste” der Romanität, wurde von Günther Reichenkron, Emil Petrovici und Vasile Arvinte übernommen und weiter ausgearbeitet; sie wurde aber von Iv nescu als Erklärung für die dialektale Differenzierungen des Rumänischen verworfen. Er zeigte, dass die geograpische Isolation dieser Kerngebiete für die dialektale Ausdifferenzierung keine befriedigende Erklärung sein kann. Für eher wahrscheinlich hält er im Balkan-Donau-Raum ein nicht unterbrochenes romanisiertes Gebiet und erklärt die rumänischen Dialekte durch die Vermischung der Mundarten, welche durch die Wanderungen von Rumänen in verschiedenen Zeiten und verschiedenen Richtungen entstanden wären. Desweiteren folgt Iv nescu seinem Lehrer Philippide, welcher auf der Basis sehr alter phonetischer Unterschiede (OR, II, S. 239) schon vor dem massiven Kontakt mit den Slawen drei „Zweige der rumänischen Bevölkerung” («ramuri ale poporului român») unterschied: die Mazedorumänen (zu denen er auch die Meglenorumänen zählt); die rotacizan ii, d.h. Sprecher, die den Rhotazismus kannten; und den Rest der Dakorumänen (Moldauer und Muntenen). In ILR (200 ss.) formuliert Iv nescu eine integrierende Hypothese, die besagt dass, obwohl die dialektalen Differenzierungen bis zum Balkanlatein zurückgehen, dennoch die letzte dialektale Ausprägung des Rumänischen durch massive Migrationen zeitlich später geschehen sein muss. Dabei haben sich praktisch alle dialektalen Zweige des Rumänischen ursprünglich in anderen Regionen gebildet, als in jenen, in denen sich ihre Sprecher später ansiedelten: „Trebuie s admitem migra ii, — c ci macedoromânii, meglenoromânii, istroromânii i dacoromânii nu mai sunt de secole vecini, ci locuiesc la mari dep rt ri unii de al ii, iar primele trei ramuri se g sesc în bun parte pe teritoriul din afara celui ce constituia patria lor primitiv . (…) Dac chiar latina popular de la baza roman (…) nu era perfect unitar , cu atît mai mult nu putea s fie unitar limba român în epoca ei de forma ie, c ci (…) într-o asemenea epoc se manifest într-o limb tendin e de diversificare local “. — „Wir müssen Migrationen annehmen, — denn die Mazedorumänen, die Meglenorumänen, die Istrorumänen und die Dakorumänen sind seit Jahrhunderten keine Nachbarn mehr, sondern wohnen in großen Abständen zueinander, und die ersten drei Zweige befinden sich zum Großteil außerhalb des Territoriums, welches ihre ursprüngliche Heimat gewesen war. (...) Wenn selbst das Volkslatein, aus dem das Rumänische entstehen sollte, nicht vollständig einheitlich war, konnte die rumänische Sprache in der Zeit ihrer Herausbildung umso <?page no="58"?> Eugen Munteanu 50 weniger einheitlich sein, denn (...) in einer solchen Epoche manifestieren sich in einer Sprache Tendenzen der lokalen Diversifizierung“ (ILR, 200). Die erste und wichtigste Migration von Rumänen aus dem Süden über die Donau in den Norden - eine Migration, die sich stark auf die dialektale Ausgestaltung des Dakorumänischen auswirkte - ist die von Trägern einer Sprache, die mazedorumänische Charakteristiken aufweist. Diese konnte, nach Iv nescu (ILR, 215), nur einige Jahrhunderte nach dem 7. Jahrhundert geschehen, als sich die Mazedorumänen von den Trägern sprachlicher Varietäten mit Rhotazismus - den Banatern, den Bewohnern der Kreisch und den Siebenbürgern - trennten. Der Jassier Gelehrte machte darauf aufmerksam, dass die Präsenz einiger sporadischer phonetischer Albanismen wie îm , dr. mam ‘Mutter’, oder coafs , dr. coaps ‘Oberschenkel’, und des Mazedorumänismus far ’Volk, Sippe’ der ältesten rumänischen Texten (15.-16. Jahrhunderts) nicht zeigten, dass die Dakorumänen aus dem Süden der Donau gekommen wären, wie R. Roesler es annahm, sondern nur die Wanderung einiger größerer Gruppen von Rumänen aus dem Raum südlich der Donau nördlich des Flusses. Sie vermischten sich in der Folge mit den autochthonen Dakorumänen. Die höhere Frequenz von südlichen - phonetischen, morphologischen oder lexikalischen - Elementen in westlichen Regionen des dako-rumänischen Territoriums (Banat und Kreischgebiet), die Richtung Osten (Moldau und Muntenien) immer seltener werden, zeigt die Richtung der Wanderungen aus dem Raum südlich der Donau über die Donau: sie verliefen zuerst nach Norden und dann nach Osten. Die Wanderungen rumänischer Bevölkerung südlich der Donau oder aus dem Süden der Donau in den Norden haben, nach Iv nescu, nicht vor dem Jahr 1000 zum totalen Bruch der kontinuierlichen Verbindungen zwischen den Sprechern der sogenannten «româna primitiv » (Urrumänisch oder primitives Rumänisch) geführt, sondern zu ihrer geographischen Neupositionierung: „Migra iile care au avut loc prin secolul al IX-lea sau al X-lea au m rit prea pu in aria de locuire a poporului român; ele au desp r it pentru totdeauna grupuri care pîn atunci fuseser vecine, dar n-au dus la izolarea vreunui grup fa de toate grupurile apropiate, a a încît se dezvolt inova ii comune mai multor dialecte. Ceea ce s-a putut produce în acest timp a fost o separare prin migra ii a macedoromânilor de rotacizan i (…) i o întrerupere a oric ror rela ii directe dintre aceste dou ramuri ale românimii, deci în fond o îndep rtare a macedoromânilor de dacoromâni (…). Migra iile cele mai vechi ale poporului român nu au dus, a adar, la desp r irea românilor în mai multe ramuri aloglote, ci la schimbarea raporturilor de vecin tate dintre diferitele grupuri de români, care au alc tuit i dup aceea o mas continu , f r întreruperi. (…) <?page no="59"?> Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen 51 Putem accepta doar ideea c , înainte de anul 1000, s-au rupt orice leg turi dintre macedoromâni i dacoromâni (…). O desp r ire (…) i a meglenoromânilor i a istroromânilor s-a produs cu mult mai tîrziu, anume spre sfîr itul evului mediu (în veacurile al XVI-lea — al XV-lea)“. — „Die Migrationen, die im 9. oder 10. Jahrhundert stattgefunden haben, haben das Gebiet der rumänischen Bevölkerung relativ wenig vergrößert; sie haben die Gruppen für immer getrennt, die bis dahin Nachbarn gewesen waren. Aber sie haben nicht zur Isolierung irgendeiner Gruppe von den in der Nachbarschaft sich befindenden Gruppen geführt, sodass sich in mehreren Dialekten ihnen gemeinsame Erneuerungen entwickelt haben. Das, was in dieser Zeit geschehen hat können, war die - durch Migrationen bedingte - Trennung der Mazedorumänen von den Trägern des Rhotazismus (...) und ein Bruch aller direkten Verbindungen zwischen diesen beiden rumänischen Zweigen des Rumänentums, also ein Auseinanderdriften der Mazedorumänen und der Dakorumänen (...). Die frühesten Migrationen der Rumänen haben nicht zu ihrer Zersplitterung in mehrere Sprachzweige geführt, sondern zu einer Veränderung der Nachbarschaftsverhältnisse zwischen den verschiedenen Gruppen von Rumänen. Diese haben auch später eine kontinuierliche, nicht unterbrochene Masse gebildet (...). Wir können nur die Vorstellung akzeptieren, dass vor dem Jahr 1000 jeder Kontakt zwischen Mazedorumänen und Dakorumänen abgebrochen ist (....). Eine Trennung (...) auch der Meglenorumänen und Istrorumänen ist sehr viel später erfolgt, nämlich gegen Ende des Mittelalters (im 16.-15. Jahrhundert)” (ILR, 320). Die Konsequenz dieser ersten massiven Wanderungen der rumänischen Bevölkerung ist, nach Iv nescu, die Abzeichnung im Urrumänischen von vier Hauptdialekten, und zwar bis etwa zum Jahr 1000. Diese sind: 1. ein rhotazierender „Dialekt”, aus dem sich der morlakische Dialekt (später das Istrorumänische) herausbilden wird sowie die Mundarten der nördlichen Karpatenregion und einige Mundarten der Region Kreisch- Maramursch; 2. die mazedorumänisch-meglenorumänische Mundart; 3. eine Mundart des Raums Banat-Kreisch-Maramuresch-Siebenbürgen und 4. eine moldauisch-muntenische Variante“ (ILR, 328-329). Philippide und andere Gelehrte sahen in der massiven Ansiedlung von Slawen und Bulgaren südlich der Donau den Grund für die ersten massiven Migrationen der Rumänen. Gegen diese Erklärung hat Iv nescu Vorbehalt (ILR, 325-326). Er meint, dass das Eindringen der Slawen eine indirekte Ursache war, der primäre Grund aber einerseits die durch die Kriege zwischen Slawen und Byzantinern entstandenen Verwüstungen südlich der Donau war, sowie die hohe Wanderungsbereitschaft eines Hirtenvolks, wie es der größte Teil der Rumänen südlich der Donau war. Nur kurz erwähnt sei hier, dass Gh. Iv nescu wiederholt zum Ausdruck bringt (siehe z.B. ILR, 387), nicht hinter der unter rumänischen wie <?page no="60"?> Eugen Munteanu 52 ausländischen Autoren weit verbreiteten These zu stehen, dass sich die Rumänen zeitweise in die Berge zurückgezogen hätten und nach den jeweiligen Migrationswellen in die Flusstäler zurückgekehrt wären. Iv nescu betont, dass eine relativ zahlreiche Bevölkerung, wie es die der Rumänen des Mittelalters waren, nicht als Masse die Siedlungen in den Ebenen oder der Flusstäler hätte verlassen können, sondern kontinuierlich im Kontakt mit den Wandervölkern gewesen wären, welche in der Regel politisch besser organisiert gewesen wären. Im gesamten Kapitel II seiner Istoria - dieses Kapitel ist dem noch unnormierten Rumänisch («româna preliterar ») der Zeitspanne 10.-14. Jahrhundert gewidmet - beschäftigt sich Gh. Iv nescu breit mit den Wanderungen von Rumänen aus dem Raum südlich der Donau im Zeitraum 10.-14. Jahrhundert. Es geht um diese Zeitspanne, die entscheidend war für die Herausbildung des Rumänischen und der Ausgliederung der wichtigsten Dialekte und Subdialekte des Rumänischen. Der Beginn und das Ende dieser Zeitspanne sind durch politische Ereignisse geprägt, welche wesentlich für die weitere Geschichte der Rumänen sowie des Rumänischen sein werden: diese Ereignisse sind einerseits der Beginn der ungarischen Herrschaft in Siebenbürgen wie auch die Gründung der mittelalterlichen rumänischen Staaten des 14. Jahrhunderts, der Walachei (Šara Româneasc , 1330) und der Moldau (Moldova, 1359). Aber von welcher rumänischen „Bevölkerung” südlich der Donau ist die Rede, von wo ist sie gekommen? Wo hat sie sich niedergelassen? Und welche waren die Gründe ihrer Migrationen und welche die Konsequenzen auf die Dynamik der rumänischen Sprache? Um auf diese Fragen zu antworten, verbindet Iv nescu die kritische Analyse von Meinungen und Argumenten seiner Vorgänger mit eigenen Überzeugungen und Theorien, die er auf die rationale und objektive Interpretation von Daten der Sprache und Daten der demographischen bzw. politischen Geschichte stützt. Betont sei, dass Gh. Iv nescu auch hierbei eine weitere Theorie, von Ernst Gamillscheg, als sich nicht haltend verwirft. Der österreichisch-deutsche Linguist hatte sich auf eine falsche Interpretation des ALR I gestützt und angenommen, dass der moldauische Dialekt das Ergebnis aus der Vermischung einer südlich der Donau gesprochenen Mundart mit einer aus dem Raum der heutigen Walachei stammenden Mundart wäre. Obwohl auch schon A. Philippide noch vor Gamillscheg diese These verteidigt hatte und sie auch von Vasile Arvinte nicht verworfen worden war, verwarf sie Gh. Iv nescu. Sein Argument war, dass die Moldauer schon zur Zeit ihrer Ethnogenese sich als eigener dialektaler Zweig innerhalb des Rumänischen ausgeprägt hätten und ihre Sprachvarietät später durch <?page no="61"?> Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen 53 die Wanderungen von rumänischer Bevölkerung aus Siebenbürgen und Muntenien verstärkt worden wäre (ILR, 390). Was die bedeutende, mit dem 10. Jahrhundert einsetzende Migration von Rumänen aus dem Raum südlch der Donau betrifft, artikuliert sich Iv nescu hierzu zum ersten Mal in seinem Artikel Colonii meglenoromâne în sudul Transilvaniei, Oltenia i Muntenia. Graiul Românilor din Imperiul româno-bulgar [Meglenorumänische Kolonien im Süden Transilvaniens, in Oltenien und Muntenien. Die Sprache der Rumänen des rumänischbulgarischen Reichs] (BIFR, Nr. IX, 1943, 161-174), desweiteren - erweitert - in Problemele capitale (passim). In Resümee geht es dabei darum, dass ab rund 1000, jedoch vor allem nach dem Zusammenbruch des Rumänisch- Bulgarischen Zarenreichs der As ne ti (1185-1279) relativ große Gruppen von Rumänen aus dem Raum südlich der Donau - Träger einer meglenorumänischen Sprachvarietät - in den Norden der Donau gewandert und von der Masse der autochthonen Rumänen assimiliert worden wären. Dabei hätten diese Gruppen deutliche - und zwar phonetische, morphologische und lexikalische - Spuren in den lokalen Mundarten des südlichen Ardeal, Olteniens und Munteniens hinterlassen. Zu diesen „Meglenorumänismen“ der Mundarten nördlich der Donau zählt Iv nescu unter anderem die Palatalisierung der Labiallaute, welche sich später weit und in fast allen Mundarten des Dakorumänischen verbreitet hätte; dazu zählen auch der „Wegfall” von anlautendem h-, g- und vin Wörtern wie aine ‘haine, Kleider’; o ‘ho , Dieb’; inovat für ‘vinovat, schuldig’; itele für ‘vitele, die Tiere’; dann die Formen dîp , d p , dupe für heute standardrumänisch dup ‘nach’; das Wort amir roa ‘împ r teas , Kaiserin’; der Einschub eines „epenthetischen i“ in oiichi ‘Augen’; veichi ‘alt’; roichie ‘Kleid’. Zu den Meglenorumänismen gehören desweiteren auch die Form a dur i ‘a dormi, schlafen’, und die Konjunktion ama ‘dar, aber’. Diese und viele andere sprachliche Daten führen Iv nescu zu der Annahme, dass in der Zeit vor und nach der Gründung der rumänischen Wojwodate aus dem Raum südlich der Donau viele Meglenorumänen in die Walachei und in den Süden Siebenbürgens gewandert wären („în epoca care a precedat întemeierea voievodatelor române ti i în cea care a urmat, a avut loc emigrarea din sudul Dun rii în Šara Româneasc i în sudul Ardealului a numero i meglenoromâni“; ILR, 397). In der ILR zog Iv nescu in Betracht, dass diese kompakten, in den Norden der Donau gewanderten Gruppen derselben walachischen Bevölkerung angehörten, wie die Familie As ne ti und dass daher der Grund der Migrationen der Zusammenbruch des Zweiten Bulgarischen Zarenreichs gewesen wäre wie auch, ab einem bestimmten Zeitpunkt, die Attraktivität der auf dem Hinter- <?page no="62"?> Eugen Munteanu 54 grund der türkischen Expansion auf dem Balkan neu gegründeten rumänischen Staaten im Norden der Donau. Der Migrationsprozess wurde sicherlich durch die traditionelle Mobilität der Walachen im Süden der Donau gefördert. Dies waren zum Großteil Wanderhirten. Der Migrationsprozess vom Süden in den Norden wird durch historische Fakten erhärtet, wie die Gründung einer Kolonie von „ chiai“ im Jahre 1392 am Stadtrand von Bra ov/ Kronstadt - „ chiai” ist die ethnische Bezeichnung, die verwendet werden sollte für Rumänen aus von Slawen, also von Bulgaren beherrschten Gebieten. Diese Rumänen aus Gebieten südlich der Donau waren nach Iv nescu - er folgt hier den Meinungen anderer Forscher wie C. Lacea und Th. Capidan - vom dialektalen Gesichtspunkt her Meglenorumänen, welche größtenteils aus dem Gebiet der Rodopen kamen. Später (ILR, 397) bekannte Iv nescu, dass er den großen Fehler gemacht hätte, von meglenorumänischen Migrationen zu sprechen, während de facto die wandernden Gruppen nicht aus dem Raum Nord-Griechenlands/ Süd-Mazedoniens (Meglen), sondern vom Balkan kamen; einen noch schwereren Fehler hätte er gemacht, die Heimat der Meglenorumänen in den Balkangebirgen zu verorten, und nicht aus der Gegend um Šîrnareca. Der letzte und definitive Folgeschluss Iv nescus - im Jahre 1980 - ist dieser: „O serie de fapte ne oblig s plas m, pentru evul mediu, graiul din Šîrnareca în Macedonia“ - „Eine Reihe von Fakten zwingt uns, für das Mittelalter die Mundart von Šîrnareca in Mazedonien zu verorten“ (ILR, 398). Folglich ist es das Wahrscheinlichste, dass die walachischen Emigrierenden die Balkan- Halbinsel vom Südwesten Richtung Nordosten durchquert haben, bis sie in den Süden Siebenbürgens, nach Oltenien und Muntenien, gelangten. Ebenso folgert Iv nescu, dass viele der sprachlichen Daten, die er anfänglich als ausschließlich meglenorumänisch erachtet hatte, auch mazedorumänisch sein konnten. In den unmittelbar folgenden Jahrhunderten, also dem 15. - 16. Jahrhundert, erfolgten die Migrationen der Rumänen aus Gebieten südlich der Donau über diesen Fluss in einem langsameren Rythmus und in der allgemeineren Abwanderung (von Serben, Bulgaren, und vor allem von Griechen) in die rumänischen Länder. Die Schlussfolgerung ist folgende: „Instaurarea regimului feudal sau n v lirea turc provoac o serie de migra ii ale diferitelor ramuri ale românilor; migra iile despre care este vorba duc la un amestec al dialectelor, amestec început, se pare, ceva mai înainte. În epoca pe care o studiem acum se produce separarea definitiv a românilor din sudul Dun rii de cei din nordul fluviului. Unele migra ii române ti spre nord, dezna ionalizarea multor români din sudul Dun rii i crearea unor state diver- <?page no="63"?> Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen 55 se cu grani a pe Dun re duc la acest lucru. Începînd cu secolul al XIV-lea, orice dezvoltare comun a dacoromânilor cu vreun grup românesc din sudul Dun rii este exclus .“ — „Die Einsetzung des Feudalregimes bzw. der Einfall der Türken löst eine Reihe von Wanderungen von verschiedenen Zweigen der Rumänen aus; diese Migrationen führen zu einer Vermischung der Dialekte, eine Vermischung, die etwas früher begonnen zu haben scheint. In der Zeitspanne, die wir untersuchen, erfolgt die endgültige Trennung der Rumänen aus dem Raum südlich der Donau von jenen des Nordens. Einige rumänische Migrationen in den Norden, die Entnationalisierung vieler Rumänen im Süden der Donau und die Gründung von verschiedenen Staaten, deren Grenze die Donau ist haben dazu beigetragen. Ab dem 14. Jahrhundert, ist jede gemeinsame Entwicklung der Dakorumänen mit irgendeiner rumänischen Gruppe aus dem Süden der Donau ausgeschlossen.” (ILR, 457) Beachtliche Folgen auf die Vermischung der Dialekte hatten desweiteren die Migrationen in den ersten Jahrhunderten nach der Gründung der rumänischen Staaten. Die Existenz dieser stabilen politischen Formationen, Moldau und Walachei, in einer Zeit, in der die anderen christlichen Staaten auf dem Balkan verschwanden — zuerst das serbische und bulgarische Königreich, danach Byzanz selbst — hat vor allem die Rumänen aus Siebenbürgen angezogen. In diesem Sinne erwähnt Iv nescu die Einwanderung in die Region von Sibiu / Hermannstadt von Rumänen einer rhotazierenden Sprachvariante (ILR, 458), desweiteren Kolonisierunswellen der Moldau und der Walachei von Rumänen jenseits der Karpaten, aus Siebenbürgen, Kreisch und Maramuresch (ILR, 459 ss.). Von jetzt an bis in die moderne Zeit wird aus diesen Regionen eine beachtliche Bevölkerungsmasse in die Moldau und in die Walachei abwandern. Die letzte große Bevölkerungs-”verschiebung” von Rumänen außerhalb des dakoromanischen Raums, welche Iv nescu ausführlich diskutiert, ist die der schon erwähnten morlaci (Morlaken) [Maurowalachen, Maurowlachen, Mavrowlachen, ital. auch morlacchi]. Es scheint, dass aufgrund der Verwüstungen Dalmatiens durch die Türken sowie auch aufgrund des Interesses der Venezianer, die von ihnen beherrschte Halbinsel Istrien mit Kolonisten zu bevölkern, deren Bevölkerung von der Pest dezimiert worden war, eine große Zahl dieser, den Rhotazismus kennenden Rumänen von Dalmatien nach Istrien gewandert ist. Für einige Jahrhunderte dürften sie hier eine ziemlich kompakte Masse gewesen sein. Am Ende seines Kapitels über die Wanderungen der Morlaken Richtung Westen finden wir eine Synthese der Vorstellung von Iv nescu über die letzte Konfiguration der Rumänität als Folge der Migrationswellen: „Aceste migra ii ale unora dintre români au împu inat i mai mult num rul românilor cu grai de tip meglenoromân i ale morlacilor. Dar, în aceast epoc , <?page no="64"?> Eugen Munteanu 56 se petrece în sudul Dun rii i un fenomen foarte important: asimilarea de c tre bulgari i sîrbocroa i a celor mai mul i dintre românii cu graiuri de tip meglenoromân i a morlacilor din Dalma ia. (…) Aceasta duce la totala izolare a românilor cu graiuri de tip meglenoromân i morlac de ceilal i români: pîna atunci, românii norddun reni aveau în imediata lor vecin tate, în sudul Dun rii, al i români, anume pe cei din Bulgaria i Serbia, iar ace tia, care au migrat mai tîrziu spre nord, erau vecini cu macedoromânii i morlacii; începînd cu epoca întemeierii Principatelor, nu mai avem o mas neîntrerupt a întregii românimi, ci numai ramuri r zle e: dacoromânii, macedoromânii, meglenoromânii i istroromânii. De acum nu va mai fi posibil extinderea unor fapte lingvistice de la românii sudici la cei nordici sau de la cei nordici la cei sudici. Cel mult se men ine cîtva timp o leg tur între macedoromâni i meglenoromâni. Aceste dou procese, migrarea spre nord a meglenoromânilor i a morlacilor i desna ionalizarea lor, au avut urm ri foarte importante pentru dezvoltarea ulterioar a poporului român i a limbii sale: de acum înainte, românii nordici (dacoromânii), românii sudici (macedoromânii i meglenoromânii, care continu înc s fie vecini i s aib rela ii) i românii vestici (morlaci, din care se vor recruta istroromânii) vor constitui trei grupuri ale românimii izolate prin popula ii aloglote, iar graiurile vorbite de aceste grupuri încep s capete noi tr s turi proprii fiec rui grup, tr s turi care ne oblig s d m acestor graiuri alt clasificare decît cea care a fost valabil pentru perioadele anterioare. Abia în aceast perioad încep deci s se afirme acele tr s turi dialectale care ne dau dreptul s sus inem c limba român de ast zi are trei sau patru grupuri de dialecte: cele dacoromâne, cele macedoromâne, i meglenoromâne, cel al istroromânilor.“ — „Diese Migrationen von einigen Rumänen haben die Zahl der Rumänen, die eine meglenorumänische Varietät sprachen, sowie die Zahl der Morlaken vermindert. Jedoch geschieht in dieser Zeit im Süden der Donau auch ein sehr wichtiges Ereignis: die Assimilation der meisten der Rumänen mit Mundarten des meglenorumänischen Typs und der Morlaken von Dalmatien durch die Bulgaren und Serbokroaten. (…) Dies führt zur totalen Isolation der Rumänen, die eine meglenorumänische oder morlakische Varietät sprechen von den anderen Rumänen: Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Rumänen nördlich der Donau in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft südlich der Donau andere Rumänen, nämlich jene aus Bulgarien und Serbien, und diese, die später in den Norden zogen, waren Nachbarn mit den Mazedorumänen und den Morlaken. Seit der Gründung der Fürstentümer haben wir keine kontinuierliche Masse der Rumänität mehr, sondern nur noch vereinzelte Zweige: die Dakorumänen, die Mazedorumänen, die Meglenorumänen und die Istrorumänen. Von jetzt an wird die Ausbreitung von sprachlichen Erscheinungen von den südlichen Rumänen zu den nördlichen oder von den nördlichen zu den südlichen nicht mehr möglich sein. Allerhöchstens bleibt für einige Zeit eine Verbindung zwischen Mazedorumänen und Meglenorumänen erhalten. Diese zwei Prozesse, die Wanderung von Meglenorumänen und Morlaken in den Norden und ihre Entnationalisierung haben sehr wichtige Folgen für die spätere Entwicklung des rumänischen Volks und seiner Sprache <?page no="65"?> Gheorghe Iv nescu über die mittelalterlichen Wanderungen der Rumänen 57 gehabt: von jetzt an werden die nördlichen Rumänen (die Dakorumänen), die südlichen Rumänen (Mazedorumänen und Meglenorumänen, die weiterhin noch Nachbarn sind und Verbindungen haben) und die westlichen Rumänen (die Morlaken, von denen sich die Istrorumänen ableiten lassen) drei isolierte Gruppen der Rumänität bilden als anderssprachige Bevölkerungen, und die gesprochenen Mundarten dieser Gruppen beginnen, neue, jeder Gruppe eigene Charakterzüge auszubilden, Charakterzüge, die uns zwingen, diesen Mundarten eine andere Klassifikation zu geben, als die, die für die vorangegangenen Zeiten in Betracht herangezogen wurde. Erst seit dieser Zeit beginnen sich diese dialektalen Charakterzüge stärker herauszukristallisieren, welche uns das Recht geben, zu argumentieren, dass das Rumänische von heute drei oder vier dialektale Gruppen hat: das Dakorumänische, das Mazedorumänische, das Meglenorumänische und das Istrorumänische.“ (ILR, 467- 468). Abschließend möchte ich betonen, dass es keine posthume Würdigungsgeste für meinen Lehrer Gh. Iv nescu war, die mich dazu brachte, seine Konzeption von der zentralen Thematik dieses Bandes auszuwählen, sondern die Überzeugung, dass seine Beiträge zu den heikleren und noch immer kontroversen Themen der Geschichte der rumänischen Sprache ihre Aktualität nicht verloren haben und es verdienen, besser kennengelernt und gewertet zu werden. Literaturverzeichnis Iv nescu Gheorghe, Problemele capitale ale vechii române literare, Separatum aus: Buletinul Institutului de Filologie Român «Alexandru Philipide», vol. XI-XII (1944-1945), Ia i, 1947. Iv nescu Gheorghe, Originea Românilor. Curs predat în anul academic 1945-46. Editor: Petre Laz r, Litografia Politehnicii «Gh. Asachi», Ia i, 1948. Iv nescu Gheorghe, Istoria limbii române, Ia i, 1980. Mete tefan, Emigr ri române ti din Transilvania în secolele XIII-XX. Editura tiin ific i Enciclopedic , Bucure ti, 1977. Philippide Alexandru, Originea Romînilor, vol. II, Ce spun limbile romîn i albanez , Ia i, Tipografiea „Viea a Romîneasc “, 1928. Philippide Alexandru, Istoria limbii române. Edi ie critic de Gh. Iv nescu, Carmen Gabriela Pamfil i Lumini a Boto ineanu, Polirom, Ia i, 2010. Spinei Victor, Realit i etnice i politice în Moldova Meridional în secolele X-XIII. Români i turanici, Editura Junimea, Ia i, 1985. Spinei Victor, Moldova în secolele XI-XIV, Editura tiin ific i Enciclopedic , Bucure ti, 1982. <?page no="67"?> Holger Wochele Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel: Wahrnehmung und Bewertung der Beziehungen zu den Nachbarsprachen sowie zur Restromania in historischer Hinsicht 0. Einleitung Für Fragestellungen der Sprachtypologie erweist sich Südosteuropa als ein ergiebiges Forschungsfeld. In den gängigen deutschsprachigen Nachschlagewerken wird diese Disziplin definiert als „Klassifikation der Sprachen aufgrund grammatischer Eigenschaften, d.h. ohne Rücksicht auf historisch-genetische oder geographische Zusammenhänge“ (Bußmann 2002, s.v. Sprachtypologie) bzw. als „sprachwissenschaftliche Disziplin, die auf die von genetischen Aspekten unabhängige Feststellung übergreifender Merkmale […] und eine sich darauf gründende Klassifikation natürlicher Sprachen abzielt“ (Glück 1993, s.v. Sprachtypologie). Strukturell-typologische Ähnlichkeiten geographisch benachbarter Sprachen, zwischen denen keine genetische Verwandtschaft bestehen muss, charakterisieren einen Sprachbund (vgl. Glück, s.v. Sprachbund); er stellt gewissermaßen eine arealtypologische Sprachklassifikation dar und abstrahiert damit nicht von geographischen Zusammenhängen, die Bußmann in ihrer obigen Definition erwähnt. In beiden Nachschlagewerken wird jedoch der Balkansprachbund als typisches Beispiel für einen Sprachbund angeführt, dem das Rumänische traditionell zugerechnet wird. Sehr synthetisch und unter Vernachlässigung von Einzelaspekten kann man einige der wichtigsten Gemeinsamkeiten beispielsweise nach Solta 1980: 180-231 folgendermaßen umreißen: - Phonetik: Herausbildung eines Mittelzungenvokals (rum. [ ]) - Morphologie: Zusammenfall von Genitiv und Dativ - Morphosyntax: Postposition des Artikels - Syntax: Reduktion des Infinitivs - Syntax: Bildung des Futur mit einem Verb für ‚wollen‘ Thema der folgenden Ausführungen sind nun allerdings nicht typologische, historische o.ä. Fragestellungen, die den Balkansprachbund betreffen, sondern vielmehr, wie die Zugehörigkeit oder angebliche Zugehörig- <?page no="68"?> Holger Wochele 60 keit der rumänischen Sprache - womit im Folgenden lediglich das Dakorumänische gemeint sein soll - gesehen und bewertet wurde. Dieser Frage soll anhand so genannter „Sprachlobtexte“ nachgegangen werden, d.h. Texten, in denen sich das ‚Sprachbewusstsein‘ eines Autors im Sinn einer „Wertzuschreibung an eine Einzelsprache” artikuliert. In solchen Texten drückt sich ein Werturteil über eine einzelne Sprache aus, wobei eine gewisse Prominenz des Autors und infolgedessen eine gewisse Breitenwirkung seines Textes postuliert wird (s. unten; zur genaueren Definition von Sprachlobtexten cf. Wochele 2003: 8-9 und 32-33). Mit Hilfe eines Kriterienrasters (Fragen zur Sprache als System, als Kommunikationsmittel sowie als Kulturgut und Identitätsmarker) können solche Sprachlobtexte systematisch analysiert werden. Sie situieren sich damit auf dem Gebiet, das De Mauro als „idiomatologia“ bezeichnet, d.h. eine „valutazione globale d’un sistema linguistico“ (2005: 316). Dabei stellt er für das Italienische fest: „Molto forte è la continuità tra le singole valutazioni idiomatologiche anteriori all’avvento della linguistica storica e le valutazioni recenti (cioè dopo l’avvento della linguistica storica)” (ibid.). De Mauro erwähnt dabei die Tradition der „idea della staticità e prossimità al latino dell’italiano - motivo tradizionale di vanto” (317). Wenig überraschend lassen sich ähnliche Befunde auch für das Rumänische feststellen. Der Bezug bzw. die Hervorhebung der Romanität und Latinität ist ein zentraler Topos in Sprachlobtexten für das Rumänische (Wochele 2003). Kramer 2001/ 2002 spricht in diesem Zusammenhang von „Romanitätssucht”, Dahmen 1999 vom „Romanitätsgedanken“. Schon Elwert 1961 zeigte sich erstaunt, dass in der rumänischen Sprachwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg dem Latinitätsgedanken noch eine so große Bedeutung beigemessen wurde - im Kontext einer zunehmend synchron ausgerichteten Linguistik. Um nun wieder auf den Balkansprachbund zurückzukommen: kontrastiert man die Sprachgenese (Latinität) des Rumänischen mit den oben erwähnten sprachtypologisch-strukturellen Merkmalen (Zugehörigkeit zum Balkansprachbund), so ist Widerspruch wohl nicht nur seitens der „Latinisten“ zu erwarten. Die Gründe für die Ablehnung der Zugehörigkeit des Rumänischen zum Sprachbund sind vielfältig und lassen sich nicht einfach auf den Nenner „Latinomanie“ bringen oder auf den einfachen Grund zurückführen, dass Rumänien geographisch in der Regel nicht der Balkanhalbinsel zugeordnet wird bzw. dass der Begriff „balkanisch“ im Deutschen sowie seine Entsprechungen in den romanischen Sprachen von eher negativen kulturellen Konnotationen geprägt sein <?page no="69"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 61 dürften. Wie einzelne Sprachwissenschaftler diese Frage bewerten, dokumentiert in diesem Sammelband z.B. der Beitrag von M. Iliescu. Gleichwohl soll diese Diskussion im Folgenden nicht im Zentrum stehen. Das Erkenntnisinteresse des folgenden Beitrags besteht vielmehr darin, exemplarisch zu zeigen, wie das Konzept des „Balkansprachbunds“, seine strukturellen Merkmale und die Zugehörigkeit des Rumänischen zum Balkansprachbund wahrgenommen und interpretiert wurden. Man kann also zwei Ebenen unterscheiden: einerseits die Wertung der einzelnen Phänomene (z.B. Infinitivabbau) und andererseits die Bewertung der Zusammenfassung dieser Phänomene zum Konzept „Balkansprachbund“. Aus einem Korpus von Sprachlobtexten für das Rumänische bis 1945 (Wochele 2003: 186-302) wurden für die gerade skizzierte Frage zwei Texte aus dem 20. Jahrhundert ausgewählt, die den Balkansprachbund indirekt oder explizit thematisieren. Die zeitliche Einschränkung auf das 20. Jahrhundert liegt darin begründet, dass mit Sandfeld 1930 (Linguistique balkanique) die Fragestellungen des Balkansprachbundes breit rezipiert wurden, obwohl einzelne Phänomene natürlich schon früher z.B. vom Slawisten Bartholomäus Kopitar oder dem Romanisten Gustav Weigand beschrieben worden waren. 1. Sprachlobtexte des Rumänischen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bevor in den beiden folgenden Kapiteln zwei Werke von Sextil Pu cariu und Dumitru Caracostea vorgestellt werden, soll kurz der geistigkulturelle Kontext in den rumänischen Ländern umrissen werden, sofern er für die hier betrachteten Texte relevant ist. Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist dort politisch und literarisch durch den Gegensatz zwischen westlicher Orientierung und Geringschätzung des National-Rumänischen einerseits und der Besinnung auf die autochthonen Traditionen, auf das Rumänische sowie Nationalismus und Chauvinismus andererseits gekennzeichnet. Literarisch und kulturell kommt die letzte Haltung - in verschiedener Ausprägung und mit unterschiedlichen Akzenten - in den beiden Stilrichtungen des Poporanismus und des Sem n torismus zum Ausdruck. Der berühmte Schriftsteller Liviu Rebreanu (1885-1944), der keiner der beiden Stilrichtungen zuzuordnen ist, sondern Autor großer kritisch-realistischer Romane war, charakterisiert die rumänische Sprache als Bauernsprache. In der Rede „Lauda ranului român”, die er am 29.5.1940 anlässlich seiner Aufnahme in die Rumänische Akademie hielt, <?page no="70"?> Holger Wochele 62 stellt er das Rumänische sklerotischen, hochentwickelten Sprachen gegenüber. Das Rumänische habe durch den ständigen Kontakt mit dem Boden und der konkreten Welt farbige Frische und bildhaften Ausdruck bewahren können (Wochele 2009: 363-364). Auch wenn solche Aussagen für die Fragen zur Einordnung des Rumänischen als Balkansprache unergiebig sind, stehen sie doch für Autochthonismus und eine klare Distanzierung gegenüber den - explizit nicht genannten - westromanischen oder westeuropäischen Sprachen. Inwiefern die Aussagen von Rebreanu dem Zeitgeist geschuldet sind, kann hier nicht erörtert werden. In Bezug auf Sprachbewertung und Gesamtdarstellung einer Sprache kommt Hatzfeld 1959, der sich mit den rumänischen Beiträgen zur modernen Stilistik beschäftigt, für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu folgendem Ergebnis: „La structure particulière du roumain parmi les langues romanes a encouragé très tôt les érudits à caractériser cette langue selon des critères de ce que Bally a appelé la stylistique extérieure [...] Il s’agit d’un intérêt dans les traits caractéristiques d’une langue dans l’ordre psychologique et esthétique, comme aurait dit Karl Vossler, ou dans l’ordre idiomatique. Si la stylistique en général prend son essor d’un texte comme une philologie, ici elle s’occupe d’une langue comme d’une [sic] texte illimité, où le système linguistique joue un rôle certain, et où l’on s’arrête à l’inattendu et au surprenant” (1959: 148). Nachdem von Hatzfeld eine Reihe solcher Untersuchungen aufgezählt wurden - darunter der hier behandelte Text von Caracostea - kommt er zu folgendem Schluss: „Il n’y a certainement pas d’autre langue romane qui ait provoqué tant d’érudits, et ceux qui étaient le plus en vue, à une caractérisation en général. L’enthousiasme était moindre pour la caractérisation stylistique du détail [...]” (1959: 149). 2. Sextil Pu cariu: Die rumänische Sprache (1943) Der bedeutende rumänische Linguist Sextil Pu cariu (1877-1948), der manchen sogar als Begründer einer zweiten „Siebenbürgischen Schule“ gilt, Herausgeber der Zeitschrift Dacoromania, Autor zahlreicher linguistischer Studien und Initiator des Dic ionarul limbii române (ab 1913) u.a., plante die Veröffentlichung eines großen, dreibändigen Werkes über die rumänische Sprache, Limba român , dessen erster, hier vorzustellende Band unter dem Titel Privire general 1940 in Bukarest erschien. Das Werk blieb Fragment, postum erschien 1959 Teil 2 Rostirea. Grundlage für die folgende Analyse ist die deutsche, vom Autor autorisierte Übersetzung <?page no="71"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 63 von Privirea general durch Heinrich Kuen, die 1943 in Leipzig erschien - also ein Jahr später als der Text von Caracostea (1942); das rumänische Original war jedoch zwei Jahre früher veröffentlicht worden. Laut Vorwort des Übersetzers hat „der Verfasser [Pu cariu] den Ertrag eines reichen Forscherlebens in einer Darstellung niedergelegt, die nicht nur für den Spezialisten, sondern für jeden Gebildeten verständlich sein soll, getreu dem Grundsatz des Verfassers, «dass es die Pflicht des Sprachforschers ist, durch eine gefällige und durchsichtige Darstellung den Leser für die sprachwissenschaftlichen Fragen neu zu gewinnen»“ (Pu cariu 1997: V). Das auch an ein Laienpublikum gerichtete, gut lesbare Werk verbindet eine Einführung in die rumänische Sprache mit einer Einführung in grundlegende Erkenntnisse der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Zwar greift Pu cariu darin bestimmte traditionelle Bewertungstopoi auf (z.B. romanisch-lateinischer Charakter des Rumänischen, die damit verbundene Abgrenzung von den umgebenden Sprachen, Einheitlichkeit des Rumänischen und Urheimatsthese), die objektivierende Darstellung des Sprachwissenschaftlers erweist sich allerdings stärker als die Tendenz, einseitig positive Wertungen zu Gunsten des Rumänischen zu treffen. Insofern erscheint die Würdigung Pu carius durch Niculescu 2003, der ihn den Linguisten Ovid Densusianu (1873-1938) und Alexandru Rosetti (1895-1990) gegenüberstellt, etwas übertrieben: „Il faut souligner que parmi tous les linguistes roumains, Pu cariu fut le seul à subordonner ses études à l’idéal national. Ce fut un défenseur à outrance de l’héritage latin du roumain » (Niculescu 2003: 194) So vertritt Pu cariu, achtzig Jahre nach Einführung der durchgängigen Lateinschreibung für das Rumänische (Walachei: 1860, Moldau: 1863), in der im 19. Jahrhundert stark ideologiebesetzten Auseinandersetzung mit der Kyrilliza einen angenehm vorurteilsfreien Standpunkt: das kyrillische Alphabet, das über eine größere Anzahl an Graphemen als das lateinische Alphabet verfügt, hätte das Phoneminventar des Rumänischen adäquater wiedergegeben (Pu cariu 1997: 100-103). Seine Ersetzung durch das lateinische Alphabet hätte diakritische Sonderzeichen notwendig gemacht bzw. Uneindeutigkeiten nach sich gezogen. Denkt man an Eftimie Murgu (1805-1870), der „mit cyrillischen Lettern verstümmelte Bücher” erwähnt und die kyrillischen Buchstaben als „ein gefährliches Werkzeug der Kultur-Verhinderung” bezeichnet (cf. Wochele 2006: 157), so sieht man den Abstand, der beide Autoren trennt. Gleichfalls nicht überbewertet werden dürfen die wohl dem Zeitgeist geschuldeten, bizarr anmutenden Kapitelüberschriften im zweiten Teil <?page no="72"?> Holger Wochele 64 des Werkes von Pu cariu: „das Blut“ oder „der Boden“. Pu cariu äußert, dass „wir in bezug auf die Verbindung, die zwischen dem Blut und der Sprache eines Volkes besteht, nur im Bereich der Hypothesen schwimmen, und die Sprachforschung eher zu negativen Ergebnissen gelangt ist” (248). Macrea 1959: 204 äußert sich ähnlich zu den dem nationalistischen Zeitgeist geschuldeten Kapitelüberschriften, während sie von Kramer 1999/ 2000: 136-137 bedeutend kritischer gewertet werden. Indem Pu cariu diesen Konzepten keine realen Entsprechungen in der Sprache zuweist, führt er sie implizit ad absurdum. Hinsichtlich lexikalischer Übernahmen aus anderen Sprachen erweist sich Pu cariu als ein Anhänger der idealistischen Sprachauffassung seiner Zeit. Die Entlehnung von Wörtern hat auch das Eindringen einer anderen Geisteshaltung zur Folge. Lexikalische Parallelen des Albanischen und des Rumänischen gehen zurück auf die nicht näher spezifizierte gemeinsame „«Geistesart» und «sprachliche Vorstellungsweise»” (328), und über die Turzismen im Rumänischen heißt es: „Die meisten türkischen Lehnwörter im Rumänischen finden sich auch bei den Balkanvölkern, zuweilen auch bei den Ungarn [...] Diese gemeinsamen türkischen Lehnwörter sind bezeichnend für die ähnliche Mentalität der Völker in Südosteuropa” (406). Gleichwohl ist bei Pu cariu eher eine Ablehnung von Lehnwörtern seitens der Rumänen zu beobachten. Als Erklärung werden dafür u. a. ein „Volksbewusstsein” oder eine „nationale Widerstandskraft” angeführt. In diesem Zusammenhang zitiert Pu cariu Beno Conev, ein Zitat, das sich im Kapitel über die rumänisch-slavischen Beziehungen findet: „Ich wundere mich nicht so sehr, dass die Rumänen diese Menge von bulgarischen Wörtern aufgenommen haben, als ich mich wundere, wie sie vor ihnen die lateinische Struktur ihrer Sprache bewahren konnten, und wie ihr Volksbewußtsein im Laufe der Jahrhunderte stark und unberührt geblieben ist. Darin liegt ihre Größe und ihr Stolz, die alle fremden Einflüsse auf ihre Sprache hinter sich lassen” (Conev, zitiert nach Pu cariu 1997: 355). Im Hinblick auf den Umfang der Entlehnungen ins Rumänische manifestiert sich ziemlich deutlich das Bestreben, den romanischen Charakter des Rumänischen hervorzuheben, obwohl eine prinzipielle Empfänglichkeit für fremde lexikalische Elemente nach Wegfall des lateinischen Adstrats bestanden habe und eben die starke Durchsetzung mit slavischen Lehnwörtern das Rumänische von den übrigen romanischen Sprachen abhebe (345). Das Rumänische ist dennoch eine romanische Sprache und entgegen anderer Annahmen sei der Einfluss des Slavischen nicht so groß <?page no="73"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 65 gewesen. Nachdem Pu cariu unterstrichen hat, dass die grammatische Struktur des Rumänischen auf der Grundlage des Lateinischen beruht (222), gesteht er, dass der Einfluss des Slavischen im lexikalischen Bereich groß war und sogar zur Entlehnung slavischer Wortbildungsmorpheme (Affixe) geführt hat. Andererseits wird diese Aussage sogleich relativiert: „Aber sogar was den Wortschatz selbst betrifft, ist die große Zahl der fremden Wörter mehr eine optische Täuschung”, da auch - so das bis heute klassische Argument - der „Verkehrswert der Wörter in einer Sprache”, d.h. ihre Vorkommenshäufigkeit in Texten, mitberücksichtigt werden muss (222-223). Und trotz dieser Entlehnungen ist auch für Pu cariu das Rumänische die „lateinischste“ unter den romanischen Sprachen (447). Niculescu kommentiert die Einschätzungen von Pu cariu so: „Les éléments (lexicaux) slaves […] n’étaient que des ‘remplaçants’ des mots latins ou des ‘doublures’ - voire des ‘corps étrangers’ dans le tissu latin de la langue roumaine. On voit facilement, dans ces affirmations, la continuation de la tradition latinisante de la coala Ardelean . À Bucarest Densusianu avait des idées bien différentes sur les contacts du daco-roumain avec la nonlatinité” (2003: 194). Doch Pu cariu nimmt auch deutlich zum Balkansprachbund Stellung und bezieht sich dabei auf Sandfeld 1930. Sie findet sich im zweiten Teil des Werkes „Sprache und Nation“, im Unterkapitel 1 „Das Blut“ (1943: 196- 203). Einleitend vermerkt Pu cariu, dass Rumänien nicht zur Balkanhalbinsel gehört. Im Folgenden manifestiert sich dann die klare Tendenz, die Bedeutung des Balkansprachbundes und der Balkanlinguistik herunterzuspielen. Keineswegs werden bestehende strukturelle Parallelen zwischen den Balkansprachbundgliedern geleugnet, aber ihre Bedeutung wird minimiert, und ihre historische Erklärung durch Sprachkontakt und gegenseitige Beeinflussung wird abgelehnt: allenfalls habe der Sprachkontakt schon bestehende innere Entwicklungen verstärkt. So ist beispielsweise der Zusammenfall von Dativ und Genitiv im Rumänischen lateinisches Erbe (198) - eventuell hätten sich die Bulgaren in diesem Fall nach den Rumänen gerichtet. Die Bildung des Futurs mit dem Hilfsverb für ‚wollen‘ (a vrea) scheint - so Pu cariu - tatsächlich dem Neugriechischen nachgeahmt zu sein, findet sich aber auch im Dalmatischen - und es gibt auch andere Möglichkeiten das Futur im Rumänischen auszudrücken (198-199). Die Generalisierung des Hilfsverbs a avea zur Bildung der zusammengesetzten Zeiten auch intransitiver Verben findet sich ebenfalls anderswo in der Romania. Ähnliches gilt auch für die Ausdehnung des Konjunktivs auf Kosten des Infinitivs (199). Als Fazit ergibt sich: <?page no="74"?> Holger Wochele 66 „Wenn wir auch die anderen Übereinstimmungen aus der Formenlehre und Syntax prüfen, sehen wir, dass meistens schon im ererbten Sprachgut Neigungen oder Ansätze zu ihnen bestanden, die das Eindringen und die Verallgemeinerung des balkanischen Modells im Rumänischen erleichterten.“ (ibid.) Gedankengut der idealistischen Sprachwissenschaft findet sich dann wieder im folgenden Zitat: „Die gleiche örtliche Umwelt, die gleichen Kultureinflüsse, die gleiche Religion und die gleichen Volksbräuche, vor allem aber die gleiche gesellschaftliche Gliederung haben eine einheitliche Geistesart hervorgebracht, die ihrerseits eine einheitliche sprachliche Vorstellungswelt geschaffen hat, mit gleichmäßigen Bedürfnissen der sprachlichen Bereicherung“ (200) - was Pu cariu vor allem auf die Lexik bezieht. Vehement greift er die „Balkanphilologen“ an, zu denen er in diesem Fall Sandfeld eigentlich nicht rechnen darf: „Die Unterschiede in der Struktur und Phraseologie dieser Sprachen sind viel zahlreicher als die Ähnlichkeiten. Diese Sprachvergleicher [wie Kopitar, Weigand] begehen im Allgemeinen den Fehler, dass sie, überrascht von den großen Ähnlichkeiten zwischen mehreren Sprachen, nicht auch die wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen betrachten“ (200). Solch eine extreme Lesart („eine einzige sprachliche Form mit dreierlei verschiedenem Sprachmaterial“ soll Kopitar geäußert haben, wobei eine genaue Referenz fehlt) gestattet Sandfeld 1930 mitnichten. Und dass einer großen Anzahl von Ähnlichkeiten eine große Anzahl von Unterschieden gegenübersteht, wer wollte diese Aussage in der Balkanphilologie, der Fremdsprachendidaktik bzw. beim Sprachvergleich im Allgemeinen bestreiten? Einigkeit darüber, wie man bei Sprachvergleichen Übereinstimmungen und Unterschiede quantifizieren und gewichten kann, wird sich schwerlich erzielen lassen. Pu cariu beschreibt also die beobachtbaren Übereinstimmungen, stuft sie aber als wenig bedeutsam ein, erklärt sie als polygenetisch begründet und allenfalls durch Nachbarschaft und geistige Nähe verstärkt - und wird nicht müde zu unterstreichen, dass es keine genetische Verwandtschaft der betreffenden Sprachen gibt - was so ja auch kein Balkanphilologe behauptet hatte. Oder wirkt hier noch die Angst der Vertreter der Siebenbürgischen Schule nach, das Rumänische könnte nicht als romanische Sprache wahrgenommen werden? Eine Wertung dieser einzelnen sprachlichen Strukturparallelen nimmt er nicht vor und kommt zu folgendem Schluss: <?page no="75"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 67 „Der Fachausdruck «Balkanphilologie» ist also nur insoweit berechtigt, als er kurz und bündig - wie etwa der Ausdruck «klassische Philologie» - einen Fall von «Konvergenz», nicht von «Filiation», bezeichne“ (201). Diese eine Aussage ist ihm offenbar so wichtig, dass er sie in den Schlussfolgerungen des Bandes in abgewandelter Form abermals aufnimmt: „[...] die rumänische Sprache [unterscheidet sich] grundlegend von den auf der Balkanhalbinsel gesprochenen Sprachen” (529). Diesen Auffassungen stellt Niculescu 2003: 195-196 diejenigen von A. Rosetti gegenüber, die er in seiner Istoria limbii române vertritt: Latinität des Rumänischen und seine Zugehörigkeit zum Balkansprachenbund sind vereinbar, im Gegensatz zu Pu cariu attestiert ihm Niculescu für seine Istoria eine „attitude scientifique prudente et équilibrée“ (Niculescu 2003: 195). 3. Dumitru Caracostea: Expresivitatea limbii române (1942) Da der Literaturwissenschaftler und -historiker Dumitru Caracostea (1879-1964) weniger bekannt als Pu cariu ist, soll er kurz vorgestellt werden. Nach Studien in Bukarest und Wien, wo er als Schüler von Meyer- Lübke 1913 promoviert wurde, unterrichtete er ab 1920 an der Universität Bukarest. 1938 Mitglied der Academia român , bekleidete er 1940 zehn Tage das Amt des Kultusministers (Ministrul Educa iei Na ionale). Seine akademische Karriere musste er 1944 beenden, und er war politischer Verfolgung ausgesetzt (1950 bis 1955 ohne rechtskräftige Verurteilung im Gefängnis von Sighet; für eine genauere Würdigung von Person und Werk, cf. die ausführliche Darstellung von Bot 2001). Laut Schroeder 1967: 139 kam Caracostea „über die Linguistik zur Literaturwissenschaft, in der er, von der deutschen Forschung beEinflusst, die Ästhetik des Wortkunstwerkes vertrat“. Begründer einer eigenen Schule ist Caracostea nicht geworden, unter den rumänischen Forschern finden sich keine direkten Nachfolger. Er konzipierte seine Werke als Antworten auf berühmte Zeitgenossen (Bally, Spitzer, Meyer-Lübke, Croce u.a.), ihre Reichweite blieb allerdings gering, und übersetzt wurden sie nicht (Bot 2003: 226-227). Außer für Fragen der Sprachästhetik interessierte sich Caracostea vor allem für rumänische Volkskunde und Literaturkritik, wobei die Werke von Eminescu einen zentralen Stellenwert einnehmen (Arta cuvântului la Eminescu, Bukarest, 1938; diese Studie wird auch im hier besprochenen Werk oft zitiert). <?page no="76"?> Holger Wochele 68 Expresivitatea limbii române gliedert sich in vierzehn Unterkapitel, die einzelne, zwischen 1937 und 1942 erschienene Untersuchungen darstellen (Caracostea 1942: 419-420). Er bezieht darin unter anderem gegen den Positivismus Stellung, dessen Verdienste bei der Konstituierung von Geschichte, Sprachwissenschaft und Ethnografie als Wissenschaften, die Material sammeln, er anerkennt. Wenn es aber aus Furcht vor voreiligen Schlüssen beim Faktensammeln bleibt („un sistematic cimitir de fapte”, 204), so dringen die Positivisten nicht zum Kern der Dinge vor (190). Caracostea sieht wie Humboldt einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Leben; Sprache kann nicht wie ein toter Gegenstand erforscht werden. Daraus leitet er die Notwendigkeit einer gelebten Interpretation ab („intrepretarea tr it ”, 191). Sein Erkenntnisinteresse richtet sich auf das besonders Rumänische („specificul românesc”, „ceea ce este neao românesc”, 313), wobei Caracostea die rumänische Sprache als Kunstwerk („limba român ca o oper de art ”, 5 und passim) und als überindividuellen Stil (46) betrachtet, die eine bestimmte Weltsicht mit sich bringt. Die Bestimmung der rumänischen Sprache und Literatur fasst er zu Beginn seines Werkes so zusammen: „A ezat între R s rit i Apus, literatura român este chemat , ca i limba, s dea o sintez unic , împ când ceea ce Apusul are superior i mai presus de genera ii cu posiblit ile largi ale R s ritului” (28). Die Bestimmung des Rumänischen sieht er in einer romanischen Synthese von Osten und Westen (148). Um das Wesen und das Spezifische der rumänischen Sprache zu erkennen, bedient er sich der Methode des Sprachvergleichs mit romanischen und mit den umgebenden Sprachen: „[...] cel mai adecvat mijloc de a p trunde în specificul românesc este învederarea acelor resorturi expresive prin care limba noastr se deosebe te i de limbile surori i de limbile înconjur toare” (191). Im Folgenden sollen die Befunde Caracosteas referiert werden, die in Expresivitatea limbii române in Bezug auf die Nachbarsprachen und den Balkansprachbund von Relevanz erscheinen. Bei der Charakterisierung des rumänischen Vokalsystems kommt Caracostea auf das für den Sprachbund charakteristische Phonem [ ] zu sprechen, das er als Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeiten des Rumänischen - in Opposition zu den hellen Vokalphonemen [a] und [e] - betrachtet und anhand des Eminescu-Gedichts „ i dac ramuri bat în geam” exemplifiziert. Durch diese Aufwertung distanziert er sich von Auffassungen, die in diesem auch akzentuierten Phonem „o pat a limbii române ti” (196) sahen - gleichzeitig verweist er aber auf sein Vorhan- <?page no="77"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 69 densein in unbetonter Silbe im Portugiesischen und lehnt - etwas kurz und wenig überzeugend - die „identificare[a] acestor vocale postpalatale cu sunetele i â din limbile înconjur toare“ (195) ab: „Dar atât â cât i , strâns legat de el, înf i az un str vechi archifonem propriu limbii române, z mislit înaintea atingerilor cu Slavi“ (195). Wie schon Pu cariu bestreitet er also hier nicht die Existenz einer Ähnlichkeit, verwehrt sich aber aus sprachhistorischen Gründen gegen eine gemeinsame Genese. Vergleichsweise knapp fallen die Ausführungen von Caracostea zur Morphologie aus (geringer Formenreichtum in der Nominal- und Verbalflexion im Vergleich zu den slavischen Sprachen, was ein Zeichen von Effizienz ist, 147). Die Existenz eines postponierten Artikels im Rumänischen wird kurz erwähnt; auf das Vorhandensein in den Nachbarsprachen wird allerdings nicht eingegangen, vielmehr wird das Phänomen nur mit den übrigen romanischen Sprachen kontrastiert (291): „Prin aceast strâns înf i are, prezentarea substantivului este mai relevant la noi i nu st oarecum subordonat semnaliz rii condi ionate de articol proclitic” (ibid.). Die Auswahlmöglichkeit zwischen Konjunktiv und Infinitiv führt Caracostea sprachgeschichtlich auf den Dualismus „romanischer Charakter des Rumänischen” und „autochthones Substrat” zurück. In ihr kommt aber auch die Konkurrenz zwischen einer generalisierenden und abstrakten Sichtweise einerseits und einer personellen und konkreten Sichtweise andererseits zum Ausdruck („dou pozi ii fa de existen ”, 294). Die Synthese der beiden ist ein Charakteristikum des Rumänischen (ibid.). Wenn Caracostea Konjunktiv und Infinitiv zwei Weltsichten zuordnet, bezieht er sich explizit auf die aus dem Sprachvergleich Französisch- Deutsch gewonnenen Einsichten in Eugen Lerchs Französische Sprache und Wesensart (1935). Ein Vergleich Rumänisch - Französisch ergibt nun, dass fast überall dort, wo das Französische den Infinitiv verwendet, im Rumänischen ein Konjunktiv steht (294). Die Verdrängung des Infinitivs durch den Konjunktiv deutet Caracostea dabei so: „[...] toat via noastr sufleteasc este determinat de primatul afectivit ii, al setei de a fi, de a avea i de a se manifesta, care st în esen a fiin ei omene ti” (294). Im Rumänischen hat die Stärkung der Rolle des Konjunktivs, der durch einen starken volitiven und affektiven Wert gekennzeichnet ist, eine Schwächung des Infinitivs zur Folge gehabt, so dass dieser zunehmend seinen verbalen Wert verlor. Daher lässt sich im Rumänischen leichter als <?page no="78"?> Holger Wochele 70 in anderen romanischen Sprachen ein abstraktes Substantiv aus dem Infinitiv bilden: a schimba schimbare. Veranschaulicht wird die Bevorzugung des Konjunktivs gegenüber dem Infinitiv in verschiedenen rumänischen Übersetzungen des Hamlet- Monologs: Die Übersetzung mit „A muri - a dormi - nimic mai mult” von A. Stern wird zugunsten der Fassung von D. Protopopescu verworfen: „S mori, s dormi. Nimic mai mult” (310-311). Sie komme nämlich durch ihre Dynamik des häufiger verwendeten Konjunktivs dem Shakespearschen Original näher. Da die westeuropäischen Sprachen im Hamletmonolog überall dort den Infinitiv haben, wo in den südosteuropäischen Sprachen [sic] im Allgemeinen der Konjunktiv steht, interpretiert Caracostea das Rumänische auf Grund der Verwendung beider Modi in der Übersetzung abermals als eine Synthese zwischen Osten und Westen (311). Schlussendlich noch eine Anmerkung: in puncto Entlehnungen distanziert sich Caracostea viel deutlicher als Pu cariu von puristischen Tendenzen. Slavismen wurden in die Lexik aufgenommen, sofern sie integriert werden konnten und eine „adaptare organic “ (322) stattfand. Auf diese Weise haben sie zu einer Bereicherung der Ausdrucksressourcen beigetragen: „Purismul originii nu st îns în spiritul limbii noastre privit ca expresie. Azi, po i alc tui fraze în care cuvinte de zece origini felurite stau al turi, f r ca obâr ia lor eterogen s fie sim it sup r tor. St în caracterul i în destinul limbii române aceast st pânire i armonizare expresiv de elemente deosebite” (322). Abschließend kann gesagt werden, dass Caracostea viele Eigenschaften erwähnt, die Sprachen des Balkansprachbunds charakterisieren, und sie als gemeinsame Strukturmerkmale anerkennt. Die Aufzählung ist weniger vollständig als bei Pu cariu, der ja der Balkanlinguistik ein eigenes Kapitel widmet. Im Gegensatz zu Pu cariu werden diese Merkmale aber synchron positiv gewertet und als Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeiten des Rumänischen verstanden. Sie heben diese Sprache von der Romania in Westeuropa ab. Wie schon aufgezeigt ist für Caracostea die rumänische Sprache eine Synthese zwischen Osten und Westen. Der Autor dieses originellen und inspirierenden Werkes ist kein Anhänger der Latinomanie, lehnt aber - mit Ausnahme der Entlehnungen - die Auffassung ab, dass die strukturellen Parallelen der Balkansprachen durch Sprachkontakt mit angrenzenden Sprachen entstanden seien. Die Optionen (z.B. Wahl von Konjunktiv oder Infinitiv) sind Ausdruck einer vom <?page no="79"?> Das Rumänische als Repräsentantin der Romania auf der Balkanhalbinsel 71 römischen Erbe bedingten Weltsicht bzw. eines Blickwinkels, der im Substrat verwurzelt ist. 4. Schlussbetrachtungen Im Vergleich zu Sprachlobtexten vorhergehender Jahrhunderte bewerten Caracostea und Pu cariu - beide ausgebildete Philologen - angenehm differenzierend und vergleichsweise wenig ethnozentristisch. Merkmale, die das Rumänische von der übrigen Romania unterscheiden, werden nicht als Defizit interpretiert, obschon Pu cariu den Topos wieder aufgreift, dass die Unterschiede zur Restromania gerade die größere Nähe des Rumänischen zum Latein ausmachen, d.h. zum Vulgärlatein, das sich in Südosteuropa ohne Einfluss eines lateinischen Kulturadstrats natürlich weiterentwickeln konnte. Beide Autoren heben sowohl die Romanität bzw. Latinität des Rumänischen, aber auch seine Eigenständigkeit hervor, die Caracostea aber als eine Synthese von Ost und West interpretiert. Gemeinsamkeiten mit den sprachgenealogisch verschiedenen Sprachen des südosteuropäischen Raums werden nicht geleugnet bzw. können wohl wegen der Deutlichkeit der philologischen Befunde im Gegensatz zu früheren Zeiten auch nicht mehr geleugnet werden. Wohl aber wird im Zeichen der Eigenständigkeit des Rumänischen von beiden Autoren eine zeitgleiche bzw. durch Sprachkontakt bedingte Genese dieser sprachstrukturellen Parallelen abgelehnt. In der Akzentsetzung unterscheiden sie sich jedoch: Pu cariu wertet den Sprachbund eher diachron, Caracostea eher synchron. Pu cariu versucht die Gemeinsamkeiten mit den übrigen Balkansprachen zum Teil aus der eigenständigen Sprachentwicklung des Rumänischen heraus zu erklären bzw. konzediert eine nicht näher spezifizierte „ähnliche Geistesart“ (1943: 201) der betroffenen Sprachgemeinschaften und ihres regen Verkehrs, die die Entwicklung dieser Gemeinsamkeiten begünstigt hätten. Gleichzeitig spielt er aber die Bedeutung des Balkansprachbundes herunter, wie gezeigt wurde. Demgegenüber interessiert sich Caracostea weniger für sprachgenealogische Aspekte und kann infolgedessen die ästhetischen Ressourcen, die aus diesen Besonderheiten des Rumänischen resultieren, stärker schätzen. Da aber in seiner Darstellung das Rumänische und seine ästhetischen Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen, erfolgen Hinweise auf lexikalische und strukturelle Parallelen zu den anderen südosteuropäischen Sprachen nicht systematisch. <?page no="80"?> Holger Wochele 72 Literaturverzeichnis Primärquellen: Caracostea, Dumitru (1942), Expresivitatea limbii române, Bucure ti, Funda ia regal pentru literatur i art . Pu cariu, Sextil (1943), Die rumänische Sprache, aus dem Rumänischen übersetzt und bearbeitet von H. Kuen, Leipzig, Harrassowitz, (Bucure ti, „Grai i suflet - cultura na ional ”, 1997). Sekundärliteratur: Bot, Ioana, ( 2 2001), D. Caracostea, teoretician i critic literar, Cluj-Napoca, Casa c r ii de tiin e. Bot, Ioana (2003), Histoires littéraires. Littérature et idéologie dans l’histoire de la littérature roumaine, Cluj-Napoca, Institut Culturel Roumain. Bußmann, Hadumod (ed.) ( 2 2002), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner. 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Linear-B-Schrift in Erscheinung. 1 Diese Dokumentation dauert etwa zweihundert Jahre, bis zum Eintritt jener politischen, sozialen und ökonomischen Umwälzungen, die sich im 12. vorchristlichen Jahrhundert im östlichen Mittelmeerraum ereigneten und die man gemeinhin unter dem Begriff „Seevölkersturm“ oder „Dark Ages“ zusammenfasst. Ab dem 8. vorchristlichen Jahrhundert ist das Griechische dann wieder schriftlich bezeugt, diesmal in der Alphabetschrift. Seit damals ist die Überlieferung nicht mehr abgebrochen, und damit ist das Griechische jene Sprache auf dem Balkanraum, welche die zeitlich tiefste und auch längste schriftliche Tradition für sich beanspruchen kann. Mit dem Erblühen der griechischen Stadtstaatenkultur ab der archaischen Periode im 8. vorchristlichen Jahrhundert und dem Einsetzen von Gründungen griechischer Kolonien im Adriaraum und an der Schwarzmeerküste strahlte das prestigereiche Griechische von diesen Siedlungen über die Handelswege auf die an den Küsten wie auch im Binnenland gesprochenen lokalen 2 Sprachen aus. Im Gefolge dieser Kolonisation sowie der Kontakte mit den Einheimischen beginnen ab dem 5. Jahrhundert bei griechischen Historikern die Nachrichten über die lokalen Stämme, die von ihnen allgemein mit dem übergeordneten Begriff Barbaren (}| } %) und damit implizierten Topoi bezeichnet wurden. Aus der antiken Historiographie ergibt sich schließlich das folgende Bild der antiken Balkanhalbinsel: 3 Im Nordosten, in etwa dem heutigen rumänischen Staatsgebiet entsprechend, saßen Stämme, die mit dem Oberbegriff Daker bezeichnet wurden, 4 im Südosten wiederum, das heutige bulgarische Staatsgebiet und das türkische Thrakien umfassend, Stämme, die als Thraker zusammengefasst wurden. 5 Als die Bewohner des inneren (nördlichen) Balkanraums werden die Pannonier genannt. 6 Im Südwesten schließlich, in einem Areal, das in etwa dem heutigen nordbis mittelalbanischen Staatsgebiet, Kosova und dem mo- <?page no="84"?> Joachim Matzinger 76 dernen Crna Gora entspricht, hatten jene Stämme ihren Siedlungsraum, die als Illyrer benannt wurden. 7 Die Ostadriaküste aufwärts, nördlich von den Illyrern, siedelten schließlich Stämme, die Dalmater, Liburner, Japoden und Histrier genannt wurden. 8 Für einige dieser lokalen Stämme des Balkanraums wurde das Griechische, auf der Dominanz der elaborierten materiellen griechischen Kultur beruhend, zu jener Sprache, an der sie sich orientieren konnten und derer sie sich auch bedienten, wenn es etwa um inschriftliche Aufzeichnungen ging. 9 §2. Mit dem Jahr 168 vor Christus, dem Jahr der Niederlage des illyrischen Königs Genthius gegen die römischen Legionen unter der Führung des Prätors Lucius Anicius Gallus, beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte Südosteuropas, 10 der nicht nur politische Auswirkungen hatte, sondern in langer Folge auch die sprachlichen Verhältnisse in diesen Gebieten beeinflusste. Mit der schrittweisen Etablierung der römischen Herrschaft, der Einrichtung von römischen Provinzen und deren sozialer und ökonomischer Einbettung in das Imperium sowie der ebenso schrittweisen Verbreitung der lateinischen Sprache setzt jener Prozess ein, 11 der in seiner Gesamtheit üblicherweise mit dem viel diskutierten Begriff Romanisierung 12 bezeichnet wird. Mit dem Lateinischen aber erscheint auch eine neue Ausbausprache 13 auf der Balkanhalbinsel, die neben das Griechische tritt 14 und die für die lokalen Bewohner allmählich zu einem überregionalen Kommunikationsmedium wird. 15 Welchen territorialen Umfang 16 die Ausbreitung des Lateinischen hatte und wie weit der Rückgang lokaler Idiome damit einherging, ist nur schwer festzustellen und wird letztlich kontrovers diskutiert. 17 Unwahrscheinlich ist jedenfalls die Annahme einer den gesamten Balkan flächendeckenden Verbreitung des Lateinischen, da, wie es der Fall des Albanischen aufzeigt, lokale Idiome sich halten konnten. Übereinstimmend werden jedenfalls einige Räume angenommen, in denen sich die Latinität festgesetzt hatte, 18 nämlich in den Städten entlang der dalmatinischen Küste von Apollonia 19 im Süden bis nach Istrien im Norden, in den Städten Pannoniens 20 und Mösiens 21 und, so man dem von Emanuele Banfi entwickelten Konzept folgen will, im Einzugsgebiet der Via Egnatia. Solange die administrativen und militärischen Strukturen des Imperiums aufrecht blieben, blieb auch die lateinische Sprache auf der Balkanhalbinsel ein wichtiges und verbindendes Kommunikationsmedium. 22 Erst in der Spätantike, mit dem Erscheinen von slawischsprachigen Verbänden 23 ab etwa dem 6. Jahrhundert und ihrer dauerhaften Siedlungstätigkeit, änderten sich die sprachlichen Verhältnisse in Südosteuropa nachhaltig. 24 Denn, als Konsequenz jener <?page no="85"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 77 slawischen Landnahme wurde nämlich der Geltungsbereich der lateinischen Sprache in den folgenden Jahrhunderten sukzessive auf Randzonen beschränkt. So hielt sich die Latinität zunächst in den Küstenstädten des dalmatinischen und des nordalbanischen Adriaraums, 25 wo sich dann die dalmatischen Varietäten herausgebildet haben, 26 bevor diese später endgültig der Slawisierung oder der Italianisierung erlegen sind. 27 Die Latinität bestand dann auch bei jenen Sprechern weiter, deren lateinische Varietät sich allmählich zum Urrumänischen 28 entwickelt hat. Reflexe der untergegangenen Latinität sind als Konsequenz des Sprachkontaktes schließlich auch die lateinischen Lehnwörter des Mittel- und Neugriechischen, 29 der südslawischen Idiome 30 sowie des Albanischen, die in das jeweilige Lexikon dieser Sprachen integriert worden sind. 31 §3. Die Albaner erscheinen seit ihrer erstmaligen Nennung in byzantinischen Quellen des 11. Jahrhunderts 32 als die Bewohner jenes westbalkanischen Territoriums, das antik von illyrischen Stämmen bewohnt war. Ihre Sprache, das Albanische, 33 bildet so wie auch das Griechische einen eigenständigen Zweig der großen indogermanischen Sprachfamilie. 34 Für die längste Zeit seiner Sprachgeschichte ist das Albanische schriftlich nicht dokumentiert, erst im Jahr 1555 beginnt mit dem Seelsorgehandbuch 35 des katholischen Priesters Don Gjon Buzuku die literarische Überlieferung. Schon früh 36 wurde bei der Erforschung des Albanischen bemerkt, dass es eine beachtliche Zahl von Lexemen lateinischer Herkunft in seinem Lexikon aufweist, die sich auf alle semantischen Bereiche verteilen. 37 Ihr Umfang wie auch ihre Verteilung sind nicht anders als ein Hinweis auf einen intensiven Sprachkontakt zu deuten, der zwischen Lateinsprechern und Sprechern der Vorstufe des bezeugten Albanischen stattgefunden hat, die in den folgenden Ausführungen Uralbanisch genannt wird. 38 Dieser Sprachkontakt hielt ungefähr 600 39 Jahre an, so dass die lateinischen Lehnwörter des Albanischen verschiedene Strata der lateinischen Gebersprache aber auch ganz verschiedene Phasen phonologischer Veränderungen (d.h. Lautwandel) im Albanischen widerspiegeln. 40 Die lateinischen Lehnwörter sind schließlich ein ganz entscheidender Anhaltspunkt bei der Rekonstruktion der schriftlosen Perioden der albanischen Sprache, da sie im Hinblick auf die an ihnen vollzogenen phonologischen Veränderungen zwei relativ-chronologisch zu unterscheidende Phasen der albanischen Sprachgeschichte zu ermitteln gestatten. So zeigt nämlich das uralbanische Phonemsystem Veränderungen, die bereits in den Zeiträumen vor der Aufnahme der lateinischen (und auch altgriechischen 41 ) Lehnwörter eingetreten sind. Diese Veränderungen betrafen ausschließ- <?page no="86"?> Joachim Matzinger 78 lich die Erbwörter des albanischen Lexikons 42 (daher: erbwörtliche Lautwandel). 43 Dagegen traten gewisse phonologische Veränderungen erst ein, als das Uralbanische bereits lateinische Lehnwörter in sein Lexikon integriert hatte. Diese Lautwandel vollzogen sich nicht nur an den noch erhaltenen Erbwörtern, sondern auch an den Lehnwörtern (daher: lehnwörtliche Lautwandel). 44 Aber nicht nur der appellativische Teil des Lexikons wurde von diesen Lautwandeln berührt, sondern auch der onomastische Bereich des albanischen Lexikons. Die Untersuchung der erhaltenen albanischen Benennungen der antiken Toponyme des Westbalkanraums nach diesem fundamentalen Kriterium von unterschiedlicher erbwörtlicher bzw. lehnwörtlicher Entwicklung lässt Rückschlüsse auf ihr Alter und ihr Bekanntwerden im Albanischen zu und gestattet damit auch Aussagen über die spätantiken Aufenthaltsräume von Albanern. §4. Die lateinischen Lehnwörter des Albanischen sind bereits oft untersucht worden, so dass für eine allgemeine Übersicht auf diese Arbeiten hingewiesen werden kann. 45 Dabei ist der Forschung natürlich nicht entgangen, dass bei den lateinischen Lehnwörtern chronologisch unterschiedliche Entlehnungen zu verzeichnen sind, denn einige wurden nämlich schon sehr frühzeitig entlehnt, andere hingegen wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Albanischen aufgenommen. 46 Diese chronologisch unterschiedlichen Entlehnphasen können an den unterschiedlichen Substitutionen abgelesen werden, mit denen lateinische Phoneme durch uralbanische Phoneme wiedergegeben wurden. Denn zu verschiedenen Zeiten des lateinisch-albanischen Sprachkontaktes lagen jeweils auch verschiedene phonologische Systeme in den beiden Sprachen vor, die sich in einigen Bereichen entsprachen, in anderen Bereichen dagegen divergierten. Ein übergreifender Mangel der Literatur zu den lateinischen Lehnwörtern im Albanischen ist schließlich, dass sie auf die Tatsache der chronologisch divergierenden Phonemsysteme gerade des Uralbanischen entweder viel zu wenig oder gar keine Rücksicht nimmt. §4.1. Das frühuralbanische 47 Vokalsystem vor der Übernahme der altgriechischen und der ältesten lateinischen Lehnwörter: 48 Kurzvokale 49 Langvokale */ i/ */ u/ */ / */ / */ e/ */ / */ a/ */ / <?page no="87"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 79 Gegenüber dem fünfgliedrigen Vokalsystem des klassischen Lateinischen (a/ , e/ , i/ , o/ , u/ ) zeigt das Vokalsystem des Frühuralbanischen 50 sowohl bei den Kurzals auch bei den Langvokalen ein grundsätzlich viergliedriges System, da durch frühe phonologische Veränderungen zum einem das ererbte haupttonige Phonem */ ó/ mit dem ererbten haupttonigen Phonem */ á/ 51 in */ á/ und zum anderen das ererbte haupttonige Phonem */ / mit dem ererbten haupttonigen Phonem */ / in */ / zusammengefallen ist. 52 Beide Lautwandel waren schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der albanischen Sprachgeschichte eingetreten und sind - im Zusammenhang mit spezifischen Veränderungen im Konsonantensystem - als charakteristisch und konstitutiv für das Albanische als eigenständige indogermanische Sprache anzusehen. Da die frühuralbanische Quantitätenopposition zu jenem Zeitpunkt noch intakt war, konnte bei der Übernahme lateinischer Lexeme mit Vokalphonem / / dieses mit frühuralban. */ / substituiert werden, 53 so z.B. bei frühuralban. */ p ma/ < latein. p ma. In einer späteren Entwicklung erfuhr das uralbanische Phonem */ / die phonologische Veränderung der Frontierung zum Phonem */ œ/ , 54 das im weiteren Verlauf der Sprachgeschichte noch zum Phonem / e/ entrundet wurde. 55 Bei alban. pemë „(Obst)baum“ liegt deshalb die gleiche Lautentwicklung vor wie beim albanischen Erbwort pelë „Stute“ < *p l-n - (vgl. altgriech. € „Fohlen“). 56 Hingegen gab es im frühuralbanischen Vokalsystem keinen Kurzvokal / ó/ , da dieser Vokal, wie oben dargelegt, bereits sehr früh zu */ á/ geworden war. Aus diesem Grund musste das lateinische Phonem / ó/ - ebenso wie latein. / ú/ - durch frühuralban. */ ú/ substituiert werden, 57 daher alban. (i) kuq „rot“ < frühuralban. */ kúkii a-/ < latein. cocceus „scharlachrot“ 58 (gleich wie / ú/ in gusht (Monatsname) „August“ < frühuralban. */ agú ta-/ < latein. a(u)gustus). 59 Im Verlauf der frühuralbanischen Sprachgeschichte ereignete sich im Vokalsystem eine Umgestaltung, bei der die Quantitätenopposition zwischen Kurz- und Langvokalen unter Aufgabe des phonologischen Merkmals der Länge verloren ging. Die Aufgabe der Quantitäten ging jedoch mit einer Veränderung der Qualitäten einher, so dass daraus ein System mit ausschließlich kurzen Vokalphonemen (*/ a/ , */ e/ , */ i/ , */ / , */ œ/ */ u/ , */ y/ ) 60 resultierte. Nach diesem Vorgang, der als ‘uralbanischer Quantitätenkollaps’ bezeichnet werden kann, 61 konnten die Langvokale der lateinischen Lehnwörter nur noch durch diese uralbanischen Kurzvokale substituiert werden. Als nach diesem Kürzungsprozess aus späturalban. */ / durch Hebung und Rundung das neue Phonem */ / 62 entstanden war, konnte dieses als Substitut für latein. / o/ und / / eintreten. In der Mehrzahl <?page no="88"?> Joachim Matzinger 80 lateinischer Lehnwörter verläuft daher die Substitution durch späturalban. */ / , welches im weiteren Verlauf zu modernalban. / o/ geworden ist, vgl. z.B. korb „Rabe“ < späturalban. */ k rba-/ < corbus (klassisch-latein. corvus) oder (i) shëndoshë „gesund“ < späturalban. */ anit a-/ < latein. s nit sus, u.a.m. 63 §4.2. Falsch beurteilt wird in der Fachliteratur der albanische Reflex des entlehnten lateinischen Suffixes - rius. Im System der albanischen Wortbildung liegen nämlich mit -ar, 64 -er 65 und standardalbanisch -or (tosk. uar/ geg. -uer, altalban. -uor) 66 drei Suffixe zur Bildung von Nomina agentis vor. Mehrheitlich tendiert die Literatur dazu, im Suffix -ar den regulären Reflex des lateinischen Suffixes - rius zu sehen. 67 Betrachtet man jedoch die möglichen Prototypen, die in der Literatur 68 als der Ausgangspunkt für die Übernahme dieses Suffixes genannt werden, so fällt auf, dass für diese entweder auf im Lateinischen unbelegte Rekonstrukte oder auf aus inneralbanischer Sicht phonologisch oder morphologisch problematische Belege zurückgegriffen wird. Dessenungeachtet leitet man das alban. Suffix -ar aus - rius primär unter der in der Literatur einhellig vertretenen Prämisse her, dass der lateinische Langvokal / / (auch des Suffixes) nur durch den uralbanischen Kurzvokal */ a/ substituiert wurde. Diese Annahme widerspricht aber der phonologischen Realität zur Zeit der frühesten lateinisch-frühuralbanischen Sprachkontakte, da zu jenem Zeitpunkt im uralbanischen Phonemsystem ein Langvokal */ / vorhanden war (siehe dazu §4.1.), 69 der als Substitut für das lateinische Phonem / / eintreten konnte. Dieser Prozess kann auch bei der Übernahme des Suffixes - rius gesehen werden, für das als Substitutionsform frühuralbanisch */ - rii a-/ anzusetzen ist. 70 Diese Substitutionsform */ - rii a- / liegt z.B. vor in den Monatsnamen frühuralban. */ kalend rii u- / „Januar“ 71 < latein. calend rius oder frühuralban. */ fe u r rii a-/ „Februar“ 72 < febr rius (klassisch-latein. febru“rius), 73 die zu einer sehr frühen Schicht von Entlehnungen im Rahmen des lateinisch-frühuralbanischen Sprachkontakts gerechnet werden können. 74 Das Suffix liegt neben diesen Monatsnamen auch in einigen anderen Lexemen vor, wie z.B. bei frühuralban. */ armi rii a-/ „(Zucht)hengst“ (standard ha(r)mëshor) < latein. armiss rius 75 oder frühuralban. */ kell rii a-/ „Keller, Vorratsraum“ 76 < latein. cell rium 77 , die als fertige Lexeme Eingang in das Albanische gefunden haben. 78 Die weitere Entwicklung dieses entlehnten Suffixes */ - rii a-/ vollzog sich dann nach regulären späturalbanischen phonologischen Veränderungen wie folgt: 79 nach dem Verlust der Endsilbe wurde in uralban. *- r# das Phonem */ / in der nunmehr tautosyllabischen Position vor dem auslauten- <?page no="89"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 81 den Resonanten r# zu */ : / gelängt. 80 Zu einem späteren Zeitpunkt wurde */ : / zu/ uo/ diphthongiert, 81 dem auch synchron altgegischen Ergebnis, das im Verlauf der Dialektdifferenzierung des Albanischen zu geg. / ue/ und tosk. / ua/ geworden ist. Wenn aber das andere ebenfalls produktive Suffix für Nomina agentis des Albanischen -ar nicht der Reflex des lateinischen Suffixes - rius ist, muss für seine Herkunft eine andere Quelle ausfindig gemacht werden. Eine solche ist im produktiven altslawischen Suffix -arj (vgl. serbo-kroat. - r und bulgar. -ar) zu sehen, 82 das über südslawischalbanischen Sprachkontakt ins Albanische entlehnt worden ist, 83 ebenso wie auch eine Reihe anderer slawischer Suffixe (z.B. alban. -nik). 84 §4.3. Was die Adaption der lateinischen Lehnwörter im Bereich der konsonantischen Phoneme betrifft, so ist von folgendem frühuralbanischen Konsonantensystem zum Zeitpunkt des Beginns und einer noch frühen Phase des lateinisch-uralbanischen Sprachkontakts auszugehen: 85 Verschlusslauten: */ b/ , */ d/ , */ g/ , */ p/ , */ t/ , */ k/ Resonanten: */ l/ 86 , */ ll/ , */ m/ , */ n/ , */ nn/ , */ r/ 87 , */ rr/ Approximanten: */ i/ , */ / Sibilanten: */ / , */ / Spiranten: */ f/ , */ x/ 88 Affrikaten: */ t s / , */ d z / 89 , */ / , */ j´/ 90 Lateinische Lehnwörter mit velarem Verschlusslaut in der Position vor vorderem Vokal / e/ oder / i/ wurden aus lateinischen Grundformen mit velarer Artikulation entlehnt 91 (z.B. latein. c pa > frühuralban. */ kepa/ ). Erst im Verlauf der internen späturalbanischen Sprachgeschichte wurden die velaren Verschlusslaute */ k/ und */ g/ vor vorderen Vokalen zu späturalban. */ k j / und */ g j / palatalisiert, woraus die modernen Artikulationen / c/ (graphisch q) und / / (gj) resultieren. Demnach entwickelte sich das eben genannte frühuralbanische Lehnwort */ kepa/ „Zwiebel“ erst späturalbanisch zu */ k j epa/ und ergab sodann mit regulärer Schwächung der Nachtonsilbe */ kjep / und so das moderne Ergebnis qepë ['ce(: )p( )]. 92 Im früh- und späturalbanischen Phonemsystem existierte zur Zeit des Sprachkontaktes mit dem Lateinischen kein alveolarer Sibilant / s/ , so dass dieses Phonem mit dem präpalatalen Sibilanten */ / 93 des Uralbanischen wiedergeben wurde, 94 wie im Fall von alban. (i) shëndoshë „gesund“ < uralban. * anit a-< latein. s nit sus. Die Substitution durch dieses uralbanische Phonem */ / erfolgte dementsprechend auch in lateinischen Sibilantengruppen wie / sk/ , / sp/ und / st/ , für die späturalban. */ k/ , */ p/ und */ t/ eintraten (vgl. dazu etwa geg. shkâm, tosk. shkëmb „Felsen; Hocker“ < scamnum, shpatull „Schulter(blatt)“ < spatula, shtrat „Bett“ < str tum). <?page no="90"?> Joachim Matzinger 82 §5. Die Erkenntnisse aus der Lehnwortforschung im Albanischen und allen voran die Tatsache der chronologisch unterschiedlichen Substitutionsprozesse lassen sich bei der Frage, ob die Albaner in ihrem heutigen Siedlungsgebiet alteingesessen (im Sinne autochthoner Bevölkerungskontinuität), oder aber erst zugewandert sind, gewinnbringend verwerten. §5.1. In einer weitverbreiteten Anschauung gelten die Albaner unter dem Postulat einer Bevölkerungskontinuität als die neuzeitlichen Nachkommen der antiken illyrischen Stämme, das Albanische wird hierbei dementsprechend als die moderne Nachfolgesprache des antiken Illyrischen betrachtet 95 . Das Illyrische 96 selbst ist eine Sprache ohne eigenständige textuelle Dokumentation, denn es sind keine epichorischen Inschriften bezeugt 97 . Trotz des Fehlens appellativischen Vergleichsmaterials kann die Antwort auf die Frage, ob zwischen Albanisch und Illyrisch eine solche lineare Entwicklungslinie besteht, zuverlässig durch eine Auswertung der Lautgeschichte der Toponymie 98 des albanischen Siedlungsraumes gegeben werden. Denn im Falle einer linearen Entwicklung des Albanischen aus dem Illyrischen müssten sich die Topo- und Hydronyme des albanisch besiedelten Raums dann als im Albanischen seit vorrömischen Zeiten ererbte Benennungen ebenso linear nach den phonologischen Veränderungen der erbwörtlichen Lautwandel (siehe §3.) entwickelt haben 99 . Analysiert man jedoch die im Albanischen vorhandenen Namensformen der antiken urbanen Siedlungen der östlichen Adriaküste wie auch die Flussnamen des albanischen Siedlungsgebiets 100 , so zeigt sich, dass an ihnen ohne Ausnahme nur solche phonologischen Veränderungen nachgewiesen werden können, die erst nach der Aufnahme der lateinischen Lehnwörter eingetreten sind (d.h. die lehnwörtlichen Lautentwicklungen) 101 . Dazu vgl. im folgenden 102 : Antik ” ó• / Scodra, albanisch Shkodër: Bei einer linearen Fortführung des illyrischen Ortsnamens im Albanischen sollten die beiden chronologisch frühen erbwörtlichen Lautwandel */ sk/ >/ h/ sowie */ ó/ >/ á/ eingetreten sein 103 . Tatsächlich zeigen sich an der späturalbanischen Lautform */ k dr / aber gerade nur jene Substitutionen, die erst seit der Aufnahme der lateinischen Lehnwörter eingetreten sind, nämlich / sk/ – späturalban. */ k/ und / ó/ – späturalban. */ / 104 . Antik —Y / Dyrrhachium, albanisch Durrës: Der Name der mittelalbanischen Hafenstadt, einer korinthisch-korkyrischen Gründung um 626/ 5 vor Chr. 105 , wurde in der Literatur schon oft im Hinblick auf seine Lautform diskutiert. Als problematisch wird dabei der auslautende Sibilant -s der albanischen Namensform aufgefasst, da bei einer regulären <?page no="91"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 83 Entwicklung der Lautgruppe / ki / (in Erb-und Lehnwörtern) daraus alban. [c] (graphisch q) zu erwarten wäre 106 . Da für eine von den regulären Lautwandeln abweichende Lautentwicklung, oder eine auf analogische Weise erfolgte morphologische Umbildung des Namens aber keine Anhaltspunkte zu finden sind, kann der Ortsname nur auf eine Weise ohne unbeweisbare Zusatzannahmen ins Albanische gelangt sein, und zwar als Entlehnung aus der chronologisch bereits späten ostromanischen Namensform */ Dúrrat so-/ 107 , in der schon das affrizierte Phonem / t s/ aus / ki / vorliegt 108 , das im Albanischen wiederum ganz regulär zum Sibilanten / s/ vereinfacht wurde 109 . Antik Scamp nus, albanisch Shkumbî: Der mittelalbanische Fluss, der zugleich die Dialektgrenze zwischen dem Gegischen im Norden und dem Toskischen im Süden bildet 110 , ist antik in mehreren Namen überliefert, nämlich Genusus 111 , Scampis und Scamp nus. Die albanische Form (geg. Shkumbî) beruht auf der letztgenannten Namensform des Flusses und zeigt hierbei die auch schon beim ON Shkodër besprochene Substitution des / sk/ durch uralban. */ k/ 112 . §5.2. Diese drei kurz behandelten Namen zeigen deutlich, dass die inneralbanische Lautentwicklung nach phonologischen Veränderungen abläuft, die chronologisch jüngeren Zeitstufen innerhalb der albanischen Sprachgeschichte zuzurechnen sind. Wären diese Namen hingegen in einem kontinuierlichen illyrisch-albanischen Verlauf bewahrt worden, so müssten sich an ihnen vielmehr jene Lautentwicklungen vollzogen haben, die auch schon das ererbte Lexikon vor der Aufnahme der Lehnwörter betrafen. Als besonders aufschlussreich kann hier vor allem der Name der nordalbanischen Stadt Shkodër angesehen werden. Das Gründungsdatum der Stadt ist zwar nicht bekannt, doch hat die von albanischer Seite durchgeführte archäologische Forschung zumindest Befestigungsarbeiten auf dem Burgberg, der neuzeitlich Rozafa genannt wird, in das 4. vorchristliche Jahrhundert datiert 113 . Zu jener Zeit aber gab es im frühuralbanischen Phonemsystem weder einen haupttonigen Vokal / ó/ noch die Phonemkombination / sk/ , da beide schon zu */ á/ bzw. */ x/ gewandelt waren 114 . Da damit definitiv ausgeschlossen ist, dass der Ortsname in der Vorstufe des Albanischen gebildet wurde 115 , ist er so vielmehr als eine Namensgebung jener Bevölkerungsteile zu sehen, die zur Gründungszeit an diesem Ort ansässig waren und die eben als Illyrer identifiziert werden können 116 . Aus diesem Umstand lässt sich aber auch sofort eine unüberbrückbare Diskrepanz in der Phonologie des Illyrischen und Frühuralbanischen ablesen: <?page no="92"?> Joachim Matzinger 84 illyr. / ó/ : frühuralban. Ø (nur */ á/ , */ é/ , */ í/ und */ ú/ ) illyr. / sk/ : frühuralban. Ø (stattdessen */ x/ ) Da also zwischen dem Illyrischen und dem Uralbanischen zwei grundsätzlich verschiedene Phonemsysteme vorliegen 117 , liegen somit auch zwei verschiedene Sprachen vor. Aufgrund dieser Fakten ist es möglich, ja sogar unausweichlich, die Hypothese von der linearen Herkunft der albanischen Sprache aus dem antiken Illyrischen abzulehnen. Das Albanische kann vielmehr als Kontinuante eines vom Illyrischen unabhängigen 118 , eigenständigen altbalkanischen Idioms angesehen werden 119 , das schließlich sowohl der Romanisierung als auch einer Slawisierung entgehen konnte und so seine sprachliche Eigenständigkeit bis heute bewahrt hat 120 . §6. Die lateinischen Lehnwörter des Albanischen sind somit nicht nur ein interessanter Untersuchungsgegenstand bei Fragen soziolinguistischer oder kontaktlinguistischer Natur, sondern sie sind auch eine sehr wertvolle Stütze bei der diachronen Ermittlung vorschriftlicher Sprachzustände des Albanischen. Die phonologischen Veränderungen (Lautwandel), die sich an ihnen nach ihrer Übernahme in das Uralbanische vollzogen haben, erlauben nicht nur Rückschlüsse auf das frühuralbanische Phonemsystem zur Zeit der ersten Kontakte und zu späteren Zeitpunkten, sondern sie können mit solchen phonologischen Veränderungen verglichen werden, die in der frühuralbanischer Periode noch vor ihrer Entlehnung stattgefunden haben und ermöglichen es so, zwei chronologisch unterschiedliche Phasen der uralbanischen Sprachentwicklung akkurat auseinanderzuhalten. Die Erkenntnisse über den chronologisch gestaffelten Verlauf der Lautwandel, die aus der Analyse der lateinischen Lehnwörter gewonnen werden können, sind geeignet, auf zwei zentrale Fragen der albanischen Geschichte eine Antwort zu geben. Zum einen kann mit diesen Erkenntnissen die Hypothese von der Herkunft des Albanischen aus dem antiken Illyrischen ausgeschlossen werden, zum anderen kann die damit untrennbar verbundene Hypothese der Autochthonie der Albaner in ihren historischen Wohnsitzen eindeutig negativ beantwortet werden. Wie die vorangegangenen Ausführungen nämlich gezeigt haben, spiegelt die Toponomastik des albanischen Raums lautliche Entwicklungen wider, die erst auf chronologisch jungen phonologischen Veränderungen beruhen. Dadurch wird evident, dass diese Orts- und Flussnamen nicht von alters her im Albanischen vorhanden waren, sondern den Sprechern des Uralbanischen erst allmählich bekannt wurden. Das ursprüngliche Sprachkontaktgebiet zwischen Sprechern des <?page no="93"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 85 Lateinischen und des Uralbanischen muss demnach im Inneren des Balkanraums lokalisiert werden. Aus der Phonologie des Uralbanischen ergibt sich ein unumstößliches Argument, das die Annahme einer Zuwanderung der Albaner in ihre aktuellen Wohnsitze bestätigt. Wann, woher und unter welchen historischen Umständen diese Zuwanderung erfolgte 121 , ist aktuell wieder zum Gegenstand von lebhaften Auseinandersetzungen geworden 122 und wird der Sprach- und Geschichtswissenschaft auch in der Zukunft noch ausreichend Diskussionsstoff bescheren. Literaturverzeichnis Adamik, Béla (2003): „Die verlorene Romanität in Mösien, Thrakien und Pannonien“, in: Ernst, Gerhard u.a. (Hgg.), Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen, 1. Teilband. Berlin & New York: Walter de Gruyter, 2003, S. 675-683. Adams, James N. 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Anmerkungen * Für Diskussion und Ratschläge danke ich PD Dr. Stefan Schumacher. 1 Siehe zum Mykenischen etwa die Darstellung in Barton˜k 2003 2 Die lokalen Stämme können aus der damaligen Zeitperspektive auch als indigene Stämme gesehen werden, wobei der Begriff ihrer Indigenität so zu interpretieren ist, dass sie zur Zeit der Kontaktaufnahme mit den Griechen bereits an den angegebenen Wohnstätten siedelten. Aus dem Blickwinkel älterer, d.h. vorhistorischer Perioden betrachtet, sind diese Stämme jedoch als Sprecher indogermanischer Idiome ohne Zweifel Zuwanderer in diesen Territorien (Über-legungen zur Vorgeschichte auf dem Balkan siehe bei Hajnal 2004: 130f.). 3 Die folgenden Angaben sind nur als allgemein gehaltene Orientierungsangaben cum grano salis zu verstehen, die ethnische Situation des antiken Balkanraums war weitaus komplexer. Die Zuordnung einzelner Stämme zu einem der übergeordneten Ethnonyme ist auch nicht immer ohne Zweifel und Unsicherheiten. Aber auch die Angaben über ihre Verteilung sind nur als ungefähre Richtlinien zu verstehen, da sich die antiken Wohnsitze natürlich nicht im Rahmen der erst neuzeitlichen Staatsgrenzen bewegten. Siehe zur sprachlichen Situation des antiken Balkans u.a. Kati i 1976, Kati i 1980, Haebler 1997 und Hajnal 2004. 4 Zeugnisse ihrer Sprache finden sich in der Onomastik und in Glossen bei antiken Autoren, es gibt jedoch keine epichorischen Inschriften (siehe den Kurzüberblick in Kati i 1980: 113f.). 5 Das Thrakische ist außer in Glossen und den Belegen der Onomastik auch in einigen wenigen, jedoch bislang nicht klar verständlichen Inschriften belegt (siehe Kati i 1980: 111f., Brixhe & Panayotou 1997, Brixhe 2006 und zuletzt Dimitrov 2009). Als zu den Thrakern gehörig nennt man auch die Geten, die an der unteren Donau siedelten. 6 Ein paar wenige Hinweise auf die Sprache der Pannonier können aus ihrer Onomastik gewonnen werden, siehe Neumann 1979. Das Namensmaterial Pannoniens ist in Anreiter 2001 gesammelt. 7 Informationen zur Sprache der Illyrer können einzig aus der Onomastik gewonnen werden, da keine epichorischen Inschriften belegt sind und der Status der wenigen Glossen zu unsicher ist (siehe Eichner 2004, Matzinger 2009a und Matzinger 2010). Auch die antiken Dardanier, deren Wohnsitze in etwa auf dem Gebiet des heutigen Kosova lagen, wurden von den antiken Autoren zu den Illyrern gerechnet. Doch <?page no="101"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 93 neben einer illyrischen Komponente gibt es auch thrakische Elemente in der dardanischen Onomastik, so dass hier vielmehr eine ethnisch wie sprachlich gemischte Gesellschaft anzunehmen ist (siehe Papazoglu 1978: 131f.). Was die antiken Makedonier betrifft, so betrachtet die neuere Forschung ihre Sprache als einen nordwestgriechischen Dialekt (siehe Hajnal 2004: 122f.). Neben den genannten Stämmen kommen seit dem 4. vorchristlichen Jahrhundert auch noch Kelten als Siedler in den mittleren und südlichen Balkanraum (siehe Mócsy 1974: 5f. s o w i e Papazoglu 1978: 271f.). 8 Siehe z.B. Alföldy & Mócsy 1965. Die Anthroponymie dieser Stämme unterscheidet sie deutlich von den Illyrern, so dass - wie in der früheren Forschung geschehen - ihre Verbindung mit den Illyrern weder gesichert, noch zwingend ist. Siehe hier z.B. die mit reichhaltiger Bibliographie versehene Abhandlung von Šašel 1977. 9 Siehe zu den Beziehungen der Griechen mit den Thrakern Panayotou 2007, zu den griechisch-illyrischen Kontakten Tzitzilis 2007. 10 Siehe zu den historischen Ereignissen z.B. Papazoglu 1965: 175f. und Wilkes 1992: 170f. 11 Dieser Prozess hat sich territorial unterschiedlich und mit jeweils wechselnder Intensität über Jahrhunderte hin erstreckt. 12 Zum Konzept und zur Begriffsdiskussion siehe Alföldy 1988: 3f., den Abriss bei Woolf 2001 und die einleitenden Paragraphen bei Spickermann 2003. Die Festsetzung der römischen Herrschaft auf dem Balkan erfolgte im Zeitraum von etwa 300 Jahren, von der Niederschlagung des Genthius 168 v. Chr. bis zur Eroberung Dakiens durch Trajan 107 n. Chr. Jedoch ist erst mit dem 1. nachchristlichen Jahrhundert und dem Aufkommen römischer Stadtstrukturen mit einer größeren Verbreitung des Lateinischen in diesen Räumen zu rechnen. Siehe auch die Ausführungen in Alföldy 1988: 15ff. 13 Zum Sprachausbau des Lateinischen siehe den kurzen Abriss bei Lüdtke 2009a: 52f. 14 Das Lateinische trat nicht nur neben das Griechische, sondern es hat dieses auch lexikalisch beeinflusst (siehe etwa Mih escu 1978: 30f. und Binder 2000). 15 Zu den Sprachkontakten des Lateinischen mit anderen Sprachen der antiken Welt siehe die umfangreiche Darstellung bei Adams 2008. Das Lateinische auf dem Balkan ist nicht nur Ausdrucksmedium L1 der zugezogenen lateinischen Muttersprachler, sondern es wird auch zum übergreifenden Kommunikationsmedium L2 und L3 (zusätzlich zum Griechischen) für die lokale Bevölkerung, wie auch für jene peregrinen Bevölkerungsteile, die aus den östlichen Provinzen des Imperiums hinzugekommen sind (vgl. auch Alföldy 1988: 6f.). 16 Anhand der Verbreitung lateinischer gegenüber griechischer Inschriften auf dem Balkanraum können zwei Kulturräume festgestellt werden. Die Grenze, die die beiden Schrifträume trennt, ist die sog. Jire ek-Linie, deren Verlauf durch die Forschung auf Grund von Inschriftenneufunden immer wieder korrigiert wurde (siehe u.v.a. Banfi 1972: 219f., Mih escu 1978: 73f., Gerof 1980, Solta 1980: 64f., Banfi 1991: 57f., Kramer 1992: 59f., Windisch 1998: 911, Haarmann 1999: 549f., Banfi 2003: 623f.). 17 Die weitverbreitete Ansicht darüber ist, dass - außerhalb des Sprachgebietes des Griechischen - das Lateinische in den Städten und partiell auch in den Ebenen vor- <?page no="102"?> Joachim Matzinger 94 herrschte, in den Hochlagen und Gebirgsregionen hingegen die lokalen Idiome weiter gesprochen wurden (siehe z.B. Çabej 1962: 162, Mócsy 1970: 228f., Stadtmüller 1976: 46f., Solta 1980: 64f., Alföldy 1988: 17f., Bartl 1995: 19f., Haebler 1997: 423f., Adamik 2003). 18 Siehe hierzu Banfi 1972, Mih escu 1968, Mih escu 1978: 73f., Solta 1980: 64f., Banfi 1985: 137f., Fischer 1985, Banfi 1991: 15f., Kramer 1992, Mih escu 1993: 13f., Windisch 1998: 910f., Haarmann 1999, Banfi 2003, Kramer 2003, Lüdtke 2009a: 440f. Die Latinität des Balkanraums wird weithin, aber nicht allgemein übereinstimmend auch als Balkanlatein bezeichnet (siehe zu einer Begriffsdiskussion Windisch 1998: 908). 19 Tatsächlich sind lateinische Inschriften südlich von Durrës seltener als nördlich davon, jedoch sind ab der Einrichtung von römischen coloniae in den griechisch dominierten Siedlungen Südalbaniens auch lateinische Inschriften belegt (siehe etwa Mih escu 1968: 129f.); siehe zu den lateinischen Inschriften Albaniens jetzt die Sammlung bei Anamali & Ceka & Deniaux 2005 (S. 14f. zum Befund der lateinischen Inschriften Südalbaniens). 20 Hier und im folgenden beziehen sich die Namen der römischen Provinzen auf jene administrativen Gebiete vor der diokletianischen Reform der Provinzen. Zu Fragen der Romanisation in Pannonien siehe die Ausführungen bei Dahmen 1992. 21 Siehe Mócsy 1970: 199f. und Adamik 2003: 676f. Zur Geschichte Mösiens vor den Römern siehe etwa Mócsy 1974: 63f. und den Abriss bei Mirkovi 2007: 12f. Speziell zu Niedermösien siehe Mrozewicz 1984. 22 Siehe die Ausführungen bei Binder 2000: 41f. 23 Zu einer modernen historischen Sichtweise auf die slawischen Verbände und deren ethnogenetische Prozesse siehe die Ausführungen bei Emeliantseva & Malz & Ursprung 2008: 51f. 24 Die dem Erscheinen der slawischsprachigen Verbände vorangegangene temporäre Präsenz ostgermanischer Stämme (etwa der Goten) hat letztlich keine Auswirkungen auf die Sprachenlandschaft Südosteuropas gehabt. Spuren jener ostgermanischen Idiome sind nämlich in den Balkansprachen so gut wie nicht auszumachen (siehe dazu die Bemerkungen bei Kramer 2003: 295f.). 25 Zur Situation der nordalbanischen Städte, in denen sich - so etwa im Fall von Drivasto (alban. Drisht) - das Bewusstsein der Romanität bis zur osmanischen Eroberung hielt, siehe Šufflay 1924: 37 und Schmitt 2001: 126f. 26 Siehe Mulja i 1971 und auch Mulja i 1992. Auf Istrien hielt sich daneben auch noch das Istriotische. 27 Der Rückgang der dalmatischen Varietäten verlief, wie bekannt, unterschiedlich, einige gingen schon im Spätmittelalter unter (Ragusa), andere hielten sich bis ins 19. Jahrhundert (Veglia). 28 Zum Ansatz eines Urrumänischen siehe etwa Pu cariu 1910, Friedwagner 1934: 672f., Iv nescu 1980: 285f., Kramer 1992: 65f., Tagliavini 1998: 288f., Dahmen 2003: 735f. Die komplexe Frage nach dem Entstehungsgebiet der rumänischen Sprache soll hier nicht diskutiert werden, der Verfasser dieser Zeilen plädiert für eine süddanubische Herkunft der Dakorumänen, wie sie in der modernen Romanistik und Südosteuropaforschung (außerhalb Rumäniens) heute zu finden ist (siehe <?page no="103"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 95 Kramer 1992: 61f., Du Nay 1996, Schramm 1997: 275f., Kramer 2003, Lüdtke 2009a: 435f. und Lüdtke 2009b: 49f.). 29 Siehe Mih escu 1978: 30f. und Binder 2000. 30 Siehe Mih escu 1978: 34f. und Haarmann 1999: 568f. 31 Nach dem Konzept von Banfi 1972: 226f. sind die lateinischen Lehnwörter des Griechischen und Albanischen der Latinität der Via Egnatia entnommen worden, wofür in der Hauptsache phonologische Begründungen angeführt werden. Ein Blick auf die bei Banfi a.a.O. geäußerten Beurteilungen albanischer Verhältnisse lässt aber doch gewisse Zweifel aufkommen, da es scheint, dass der Autor die albanische Lautgeschichte bisweilen nicht völlig im Griff hat (eine kritische Auseinandersetzung muss hier aus Platzgründen unterbleiben). Grundsätzlich ist vorstellbar, dass es einen spätlateinisch-romanischen Kontaktbereich (Kontaktzone? ) gegeben haben kann, wo westromanische Innovation auf ostromanische Permanenz getroffen ist und beide sich beeinflusst und vermischt haben. In welchem Ausmaß das Albanische Reflexe davon zeigt, muss noch einmal im Rahmenwerk einer systematischen sowie auch akribischen uralbanischen Phonologie geprüft werden. 32 Siehe Bartl 1995: 22f. und Schmitt 2001: 50. 33 Das Albanische ist in zwei große Dialekte gegliedert, das Gegische im Norden Albaniens (und in Kosova) und das Toskische im Süden Albaniens (und der albanischen Diaspora in Griechland und in Italien); siehe Kurzinformationen bei Matzinger 2006: 8f. 34 Siehe Informationen zum Albanischen bei Matzinger 2006: 7f. und Fortson 2009: 446f. 35 Üblicherweise als „Missale“ bezeichnet. Dieses liturgische Werk, eine Kompilation wichtiger Texte für die praktische Seelsorge, darunter auch der katholische Messritus (Missale), steht am Beginn der literarischen albanischen Schriftlichkeit und ist zugleich das älteste gedruckte Buch des Albanischen überhaupt (siehe Kurzinformationen bei Elsie 1995: 46f.). 36 Siehe dazu bereits Schuchardt 1868: 46f. 37 Die lateinischen Lehnwörter des Albanischen wurden schon vielfach (auch monographisch) behandelt, vgl. den folgenden kurzen wie selektiven Überblick: Meyer-Lübke 1904-06, Çabej 1962, Mih escu 1966, Stadtmüller 1966: 77f., Lüdtke 1968: 37f., Haarmann 1972, Çabej 1976a, Haarmann 1979: 81f., Pellegrini 1980, Solta 1980: 123f., Banfi 1985: 92f., Kristophson 1988, Landi 1989, Landi & Del Puente 1990, Pellegrini 1992, Mih escu 1993: 24f., Bonnet 1998, Trummer 1998: 159f., Windisch 1998: 924f., Birkensilverman 2006: 40f., Lüdtke 2009a: 446f. 38 Die uralbanische Vorstufe selbst kann auf Grund von verschiedenen phonologischen Veränderungen (Lautwandel) in zwei chronologisch unterschiedliche Perioden eingeteilt werden. Die älteste Periode noch vor den Kontakten mit Lateinsprechern kann Frühuralbanisch, die Periode nach Aufnahme lateinischer Lehnwörter kann Späturalbanisch genannt werden (siehe zur Periodisierung und Terminologie Schumacher 2007: 211f.). In den folgenden Ausführungen wird allgemein der Terminus Uralbanisch gebraucht, der bei einer Festlegung unterschiedlicher chronologischer Vorgänge jedoch weiter spezifiziert wird, wobei die Termini Frühuralbanisch und Späturalbanisch zum Einsatz kommen. <?page no="104"?> Joachim Matzinger 96 39 Siehe auch Mih escu 1985: 325, der bis zu 800 Jahren Sprachkontakt in Betracht zieht. Auch wenn das Lateinische bisweilen schon in den vorchristlichen Jahrhunderten seinen Weg in den Balkan gefunden hat, so ist es doch wahrscheinlicher, dass ein Sprachkontakt zwischen Lateinsprechern und größeren Teilen der Lokalbevölkerung erst mit der Zeitenwende einsetzen konnte, als sich die römische Herrschaft nach der Niederschlagung des pannonisch-dalmatischen Aufstandes im Jahr 9 nach Chr. endgültig konsolidierte und das Imperium in den folgenden zwei Jahrhunderten seine Außengrenzen immer weiter in den inneren Balkanraum vorangeschoben hat. Mit der Niederlassung der slawischsprachigen Verbände ab dem 6. Jh. nach Chr. bricht die Latinität des Balkanraums auseinander und entwickelt sich jeweils regional zu den späteren Varietäten, wie sie oben in §2. genannt wurden. Es empfiehlt sich daher, ab diesem Moment von romanischalbanischen Sprachkontakten zu sprechen, die auf Grund ihrer lautlichen wie lexikalischen Merkmale dann jeweils in mögliche dalmatisch-albanische und rumänisch-albanische Sprachkontakte zu differenzieren sind. 40 Die Erforschung der lateinischen Lehnwörter im Albanischen (siehe die in Fn. 37 genannte Literatur) hat sich zumeist mit der Frage beschäftigt, welche lateinischen Lehnwörter im Albanischen belegt sind (z.B. Mih escu 1966: 30f. und Mih escu 1993: 58f. zu den exklusiv im Albanischen bezeugten lateinischen Lexemen) und wie ihr Verhältnis zur Restromania und im besonderen zum Rumänischen ist (siehe etwa Mih escu 1966: 26f., Mih escu 1993: 51f., Haarmann 1978: 49f. und Kristophson 1988: 62f.). Aspekte der Chronologie der Lehnwortschichten und vor allem Aspekte der intern-albanischen Lautveränderungen blieben dabei jedoch weitestgehend unberücksichtigt. 41 Neben vielen Lehnwörtern, die das Albanische erst den mittel- und neugriechischen Sprachstufen entlehnt hat, finden sich auch einige Lehnwörter, die schon aus dem Altgriechischen, und zwar aus dem dorischen Dialektbereich, übernommen wurden (siehe z.B. Ölberg 1972a und vgl. auch die Anmerkungen bei Matzinger 2009a: 28). 42 D.h. jene Lexeme, die das Albanische als eine indogermanische Einzelsprache aus der urindogermanischen Grundsprache ererbt hat (siehe Fortson 2009: 448f.). 43 Diese Lautwandel sind demnach der in Fussnote 38 definierten Periode des Frühuralbanischen zugehörig. 44 Nach der in der Fussnote 38 gegebenen Definition sind diese Lautwandel in der späturalbanischen Phase abgelaufen. Der Begriff ‘lehnwörtlich’ ist natürlich chronologisch motiviert und intendiert. 45 Siehe die in Fn. 37 genannte Literatur. 46 Ein Spezifikum des lateinischen Lehnguts des Albanischen ist, dass es eine Reihe von nur im Albanischen fortgeführten lateinischen Lexemen gibt und vor allem auch eine Reihe von Lexemen, die das Albanische exklusiv mit dem Rumänischen gemeinsam hat. Diese Thematik wird hier nicht weiter berührt, siehe dazu die in Fn. 37 genannte Literatur und die Hinweise in Fussnote 40. 47 Siehe zur Terminologie bereits die Anmerkungen in Fn 38. 48 Der Überblick kann nur kondensiert und in gewissen Punkten auch vereinfacht gegeben werden. Hauptprinzip jeder Argumentation ist die relative Chronologie von phonologischen Veränderungen (Lautwandel). <?page no="105"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 97 49 Die Phonemsysteme werden in phonologischer Notation angegeben, Aussagen über die phonetische Realisierung sind bei unbelegten Sprachstufen natürlich verwehrt. 50 Zur Rekonstruktion des frühuralbanischen Phonemsystems siehe auch die Darstellung bei Hock 2005. 51 Bei der phonologischen Veränderung des idg. */ o/ > */ a/ in einer sehr frühen Phase des Frühuralbanischen ist eine kontextsensitive Ausnahme zu beachten. In der Haupt- und Nebentonposition (*/ ó/ ) erfolgt zwar die Entwicklung zu */ á/ (siehe auch Fußnote 52), in der Nebentonposition vor dem Sibilanten */ -s/ wird der Vokal jedoch nicht vollständig entrundet, sondern die Entwicklung führt zu einem Vokal, der hier versuchsweise mit */ / bezeichnet wird (siehe auch Matzinger 2006: 51f. mit etwas anderer Notation). Da dieses Phonem ausschließlich an diese posttonale Stellung gebunden ist, ist das Vokalsystem des Haupttons tatsächlich viergliedrig. 52 Die phonologischen Vorgänge dieser Zusammenfälle sind derart, dass idg. */ o/ entrundet, idg. */ / geöffnet wurde (wohl über eine Zwischenstufe */ / > */ / ). 53 Auch für die lateinischen Langvokale / / , / / und / / gilt, dass sie durch frühuralban. */ / (dazu in den folgenden Ausführungen), */ / und */ / substituiert wurden. Latein. / / hingegen musste durch frühuralban. */ e/ substituiert werden, da das frühuralbanische Phonemsystem kein entsprechendes Phonem aufwies. 54 Siehe etwa Matzinger 2006: 53. 55 Siehe auch Bonnet 1998: 80f. 56 Eines der anderen lateinischen Lehnwörter, das diesem Lautwandel noch unterworfen wurde, ist z.B. alban. plep „Pappel“ < *pl pus (durch Metathese aus p pulus; vgl. auch rumän. plop). 57 Zu trennen sind diese Substitutionen von jenen Fällen, in denen das lateinische Ausgangswort bereits ein / ú/ an Stelle des klassischen / ó/ aufwies, wie z.B. im Fall von alban. kurt „Hof“ (auch rumän. curte) aus curtis (klass. cohors, -tis); siehe auch Mih escu 1978: 190. Die Substitution durch frühuralban. */ u/ liegt auch bei alban. hudhër/ hurdhë „Knoblauch“ vor, sofern dieses ein sehr frühes Lehnwort aus altgriech. \ ó (%)•%{ ist (siehe bereits Matzinger 2009a: 23). 58 Die Ableitungsvariante coccus des Adjektivs ist ins Kymrische entlehnt worden (kymr. coch „rot“). Reflexe einer anderen Grundform coccinus „scharlachrot“ zeigen sich in der Bündnerromania, vgl. etwa surselvisch (m.) tgietschen, (f.) cotschna „rot“. 59 Zum Wechsel von aug° und ag° siehe Mih escu 1978: 185f. und Väänänen 2006: 39f. 60 Wozu noch der kurze atonale Zentralvokal */ / zu stellen ist (zu dessen Genese siehe bereits Fußnote 51). 61 Der Terminus nach Ölberg 1972b: 147. Die Quantitätenkürzung kann wie folgt zusammengefasst werden: */ / (< */ / + */ / ), */ œ/ (< */ / ), */ i/ (< */ / ) und */ y/ (< */ / ). 62 Siehe auch im Folgenden in Fußnote 63. 63 Der Zeitpunkt der Genese von späturalban. */ / ist zwar nicht exakt terminierbar, jedoch legt die Tatsache, dass das Phonem / o/ nur relativ weniger lateinischer Lehnwörter mit frühuralban. */ u/ substituiert wurde, in der Mehrzahl der Lehnwörter jedoch mit diesem neuenstandenen Phonem */ / nahe, dass es in einer noch frühen Sprachkontaktphase des Späturalbanischen entstanden ist. <?page no="106"?> Joachim Matzinger 98 64 Das Suffix -ar ist produktiv und hat eine breite semantische Anwendung (Nomina agentis, Ethnika, Adjektive usw.; siehe Einzelheiten bei Xhuvani & Çabej 1962: 18f.). 65 Das Suffix ist auf wenige Ableitungen beschränkt (siehe Xhuvani & Çabej 1962: 35f.). 66 Die standardsprachliche Variante -or des Suffixes gegenüber den dialektalen Varianten geg. -uer/ tosk. -uar ist aus Kontexten wie etwa dem mit dem postponierten Artikel -i versehenen Nominativ Singular (d.h. -or-i) verallgemeinert. Zum Suffix und zu seiner semantischen Bandbreite siehe Xhuvani & Çabej 1962: 77f. 67 Von den drei genannten Suffixen hat -er als Reflex des latein. - rius auszuscheiden, da die mit diesem Suffix versehenen Lexeme keine unmittelbaren lateinischen Lehnwörtern sind, sondern aus anderen Sprachen, wie z.B. dem Türkischen entlehnt wurden (z.B. alban. qelér „Keller, Vorratsraum“ aus türk. kilér < griech.  < latein. cell rium, siehe Boretzky 1976: 109; aus dem Türkischen ist auch serbo-kroat. ìler „Vorratskammer“ entlehnt, siehe Škalji 1973: 193). Zu anderen albanischen Lexemen auf -er siehe Bonnet 1998: 330f. 68 Siehe hier z.B. die in Bonnet 1998: 330f. besprochenen Lexeme. 69 In der Tat ist in den meisten lateinischen Lehnwörtern / / durch späturalban. */ a/ substituiert worden (z.B. fat „Schicksal“ < f tum, kunat „Schwager“ < cogn“tus, usw.). Die Tatsache, dass frühuralban. */ / nur in wenigen Fällen als Substitut für latein. / / eingetreten ist, erklärt sich im Rahmen der relativen Chronologie auf diese Weise, dass schon recht bald nach den frühesten sprachlichen Kontakten frühuralban. */ / zu */ / geworden ist, das in der Mehrzahl der Lehnwörter als Substitut für latein. / o/ , / / eingetreten ist (siehe Fußnote 63); vgl. auch Topalli 2007: 93. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Rekonstruktionen mit phonologischen Einheiten vorgenommen werden. Tatsächlich ist über die Phonetik dieses frühuralban. */ / keine Aussage möglich, es könnte zum Zeitpunkt der frühesten lateinisch-uralbanischen Sprachkontakte schon eine leicht gerundete Aussprache gehabt haben (etwa *[ ]) und war dennoch geeignet, um als Substitut für lateinisches / / herangezogen zu werden. 70 Die Entlehnung verlief in Adaption an das entsprechende uralbanische Deklinationsmuster auf */ °C- -s/ , das dem lateinischen Muster der o-Deklination (Nom. Sg. -us) entsprach. Das produktive latein. Suffix - rius, dessen Fortsetzer in den romanischen Sprachen ebenso produktiv geblieben sind (siehe z.B. Väänänen 2006: 84f.), ist auch in viele andere europäische Sprachen entlehnt worden, z.B. ins Griechische (- _ ), in die slawischen Sprachen (altslaw. -arj ), in die germanischen Sprachen (z.B. gotisch -areis) sowie in die keltischen Sprachen (z.B. altirisch -(a)ire). In der Literatur, die die frühe Substitution des latein. / / durch frühuralban. */ / übersieht, wird die Lautgestalt des albanischen Suffixes -uor (modern -or) bisweilen durch Suffixwechsel erklärt unter der Annahme, dass in der lateinischen Ausgangsform das Suffix - rius an Stelle von - rius getreten sein soll, wofür aber keine Hinweise vorliegen, ganz abgesehen davon, dass motivierbare Erklärungen für einen solchen Suffixwechsel nicht ersichtlich sind. Ebensowenig gewinnbringend ist der Versuch, in -or ein ererbtes albanisches Suffix zu sehen (Spekulationen bei Bonnet 1998: 329). 71 Altgegisch kallënduor, kallënduer, standard kallnor. In der modernen albanischen Literatursprache dominiert jedoch die Bezeichnung janar (siehe allgemein auch Buchholz & Fiedler 1986: 597f.). Der albanische Monatsname hat eine genaue <?page no="107"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 99 Parallele in der volkstümlichen rumänischen Benennung c rindar „Januar“ (siehe Kristophson 1973, Kramer 1984: 125 und zuletzt Lüdtke 2009a: 448). Zu den Benennungen der Monate in den anderen europäischen Sprachen siehe etwa Tagliavini 1963: 115f. (zu alban. kallnor S. 123). 72 Altgegisch fruer, standard fror. In der modernen albanischen Literatursprache herrscht jedoch die Bezeichnung shkurt vor (siehe dazu ausführlich bei Buchholz & Fiedler 1986: 599f.). Dem albanischen Monatsnamen entspricht die volkstümliche rumänische Benennung f urar „Februar“ (siehe Kristophson 1973, Kramer 1984: 102f. und Lüdtke 2009a: 448). Siehe auch Tagliavini 1963: 126. 73 Ferner in den Monatsnamen altgeg. qershuer „Juni“ (standard qershor, vgl. auch rumän. cire ar) und den nach den lateinischen Monatsnamen gebildeten Ableitungen geg. shtatuer „September“ (standard shtator, von shtatë „sieben“), geg. tetuer „Oktober“ (standard tetor, von tetë „acht“), geg. nantuer „November“ (standard nëntor, von nëntë „neun“) und geg. dhjetuer (standard dhjetor, von dhjetë „zehn“); siehe zu Details und den verschiedenen Varianten Buchholz & Fiedler 1986: 601f. 74 Nach Gerov 1965: 238 und Gerov 1997: 111f. (Abschnitt ‘œ„Ÿ - „¡ # Ÿ ! "¢#£Ÿ -# ’) erscheinen die Monatsnamen des römischen Kalenders ab dem 2. Jahrhundert nach Chr. in den Inschriften des Balkans. Nimmt man an, dass die Sprecher des Uralbanischen die Monatsnamen etwa zwischen dem 1. und 2. Jahrhundert übernommen und adaptiert haben, so wird damit ein chronologischer Hinweis gewonnen, dass zu jenem Zeitpunkt frühuralban. */ / im phonologischen System des Uralbanischen noch intakt war, bevor es zu */ / gehoben wurde (vgl. auch Fn. 69). 75 Siehe zum Lexem den Eintrag bei Meyer-Lübke 1935: 14f. (Nr. 117). Da der ererbte alveolare Sibilant */ s/ in einer frühen Vorstufe des Frühuralbanischen zu */ / palatalisiert wurde, wurde dieses Phonem zur Substitution des lateinischen Sibilanten / s/ verwendet (siehe auch §4.3 im Folgenden). Das albanische Lexem weist im Anlaut den zusätzlichen Spiranten / h/ auf, dessen Auftreten bei diesem Lexem noch ungeklärt ist. 76 Altgegisch quer „Keller“ (< */ kluor/ < */ kl : r/ <*/ k l r/ aus */ kell rii a-/ ) beim Autor Pjetër Bogdani im ‘Cuneus Prophetarum’ von 1685 (S. XVI der unpaginierten Einleitung; siehe die Ausgabe durch Omari 2005: XVI), modern (tosk.) quar „Vorratsraum, Keller; Gefängnis“. Viel später wurde nochmal über türkische Vermittlung qelér „Keller, Vorratsraum“ entlehnt, siehe schon Fußnote 67. 77 Daneben wurde auch latein. cella ins Albanische entlehnt, das als qelë auf die Bedeutung „Wohnraum eines Pristers“ festgelegt ist. In Paaren wie späturalban. */ kella/ ~*/ kell rii a-/ oder späturalban. */ kalanda/ (modern gegisch kullana „Neujahrsnacht“ < latein. calandae; siehe Çabej 1976b: 296f.) ~*/ kalend rii a-/ sind mögliche Prototypen zu sehen, von denen aus das Wortbildungsmuster mit späturalban. Suffix */ - rii a-/ abgelöst worden ist. Die beiden Beispiele verdanke ich St. Schumacher. 78 So nimmt etwa Bonnet 1998: 329 für altalban. kaluor „Reiter“ (schon bei Buzuku 1555 belegt) eine Entlehnung aus latein. caball rius an, was möglich sein kann. Andererseits könnte das Lexem auch zur Gänze innerhalb des Albanischen gebildet worden sein aus k lë „Pferd“ (Lehnwort aus latein. caballus, vgl. rumän. cal) + Suffix <?page no="108"?> Joachim Matzinger 100 -uor. Modernalbanisch lautet das Lexem kalorës mit zusätzlichem Antritt des Suffixes -ës der Nomina agentis. 79 Als frühe späturalbanische Zwischenstufen können versuchsweise etwa *- rii s > *- r s > *- r s > *- rih > *- r # angesetzt werden. 80 Hierbei liegt eine sekundäre Längung vor, die nicht mit den frühuralbanischen Langvokalen in Verbindung steht, die zu einem bestimmten Zeitpunkt des Späturalbanischen einer Kürzung unterzogen wurden (siehe bereits §4.1.). Siehe zu dieser sekundären Längung vor einem folgenden silbenschließenden Resonanten Matzinger 2006: 59f.; vgl. dazu auch Topalli 2007: 170f. 81 Siehe zur Diphthongierung des sekundär gelängten Phonems uralban. */ : / Matzinger 2006: 59f.; vgl. auch Topalli 2007: 170f. 82 Siehe Vaillant 1974: 318f. (das slawische Suffix -arj selbst ist über got. -areis aus latein. - rius entlehnt). Das lateinische Suffix ist so zweimal ins Albanische entlehnt worden, einmal direkt über das Lateinische und ein anderes Mal über das Südslawische als Gebersprache. Ähnlich verhält es sich bei der Doppelentlehnung der deutschen Suffixe -er (althochdeutsch - ri) aus dem lateinischen - rius gegenüber später entlehntem -ier aus dem Französischen (siehe z.B. Paul 1959: 57f.). Mit der Semantik des slawischen Wortbildungsmusters stimmt auch die Semantik des albanischen Wortbildungsmusters auf -ar weitgehend überein, das hautpsächlich Nomina agentis ableitet und wie auch im Südslawischen Ethnika bilden kann (siehe die Abhandlung von Duridanov 1976; vgl. auch Fußnote 64). 83 Für eine slawische Entlehnung spricht sich explizit auch Duridanov 1976: 16 aus. Zu einigen slawischen Lehnwörtern auf -ar siehe auch Svane 1992: 198f. Zu serbo-kroat. - r bei der Bildung von Ethnika siehe auch Görner 1963: 9f. 84 Siehe z.B. Xhuvani & Çabej 1962: 70f. 85 Siehe auch Hock 2005. 86 Bei den Liquiden ist zu beachten, dass in einer späteren Phase des Späturalbanischen ein intervokalisches */ l/ (auch der lateinischen Lehnwörter) zu */ / (moderne Graphie ll) velarisiert wurde. Geminiertes / ll/ der lateinischen Lehnwörter wurde durch im Frühuralbanischen generiertes geminiertes */ ll/ substituiert, vgl. späturalban. */ kella/ (standard qelë) < cella (siehe bereits Fußnote 77), das im Späturalbanischen dann zum einfachen nichtvelaren Liquiden */ l/ degeminiert worden ist. 87 Im Späturalbanischen wurde ein anlautendes #*/ r-/ (auch der lateinischen Lehnwörter) zu # */ rr-/ (modern rr) verstärkt. 88 Die Definition des phonologischen Status dieses uralbanischen Phonems ist etwas kompliziert. Als Quelle dieses Phonems sind die idg. Phonemkombinationen */ sk/ und */ sk / anzusetzen, die sich beide auf sehr früher Vorstufe der albanischen Sprachentwicklung wohl über */ hk/ > */ kh/ > */ k h / zu */ x/ entwickelt haben, das später zum modernen Reflex / h/ geführt hat (siehe Matzinger 2006: 78 und Schumacher 2007: 228). Zum Zeitpunkt des Beginns der lateinisch-frühuralbanischen Sprachkontakte und darüber hinaus jedenfalls war die Artikulation / h/ noch nicht erreicht. Festzuhalten ist, dass lateinisches / h/ zum Zeitpunkt des uralbanischlateinischen Sprachkontakts bereits geschwunden sein muss. <?page no="109"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 101 89 Frühuralban. */ t s / und */ d z / sind die Reflexe der urindogermanischen palatalen Verschlusslaute *k und *g (siehe Matzinger 2006: 71), die dann zu späturalbanisch */ t / und */ d ð / geworden sind, wo von mit Aufgabe des Verschlusses die modernen Reflexe / / (graphisch th) und / ð/ (dh) abstammen. 90 Frühuralban. */ / und */ j´/ sind die Reflexe der urindogermanischen labiovelaren Verschlusslaute *k u und *g u , die in der Position vor den vorderen Vokalen */ e/ und */ i/ palatalisiert wurden (‘erste frühuralbanische Palatalisation’); siehe Matzinger 2006: 72. 91 Zu den Vorgängen der Palatalisierung/ Affrizierung der velaren Verschlusslaute vor vorderen Vokalen in der Romania siehe zuletzt Bossong 2008: 37f. und passim sowie den Abschnitt in Lüdtke 2009a: 323f. 92 Vgl. dazu auch rumän. ceap ; siehe auch Meyer-Lübke 1935: 175. 93 Das späturalbanische Phonem */ / wurde im weiteren Verlauf der Sprachgeschichte zum postalveolaren Sibilanten [ ] (graphisch sh) entwickelt. 94 Vgl. auch Bonnet 1998: 215 (Bonnet gibt auf S. 215 ein instruktives Beispiel dafür, dass, wie in §4. ausgeführt, die Literatur zu den lateinischen Lehnwörtern des Albanischen dem Umstand keine Rechnung trägt, dass jeweils verschiedene Phonemsysteme der beiden Kontaktsprachen vorlagen, denn es wird anlässlich der Substitution des latein. / s/ durch */ / festgestellt: „Ce fait est remarquable, puisque le système phonologique de l’albanais possède également un / s/ ”. Bonnet übersieht hier, dass der im modernen albanischen Phonemsystem vorhandene alveolare Sibilant / s/ zum Zeitpunkt lateinisch-uralbanischen Sprachkontaktes noch nicht existierte, sondern erst im Späturalbanischen entwickelt wurde, wobei die frühuralbanische Affrikata */ / die wichtigste Quelle ist; siehe Matzinger 2006: 72). 95 Siehe zuletzt die Behandlung der Thematik in Matzinger 2009a. 96 Illyrisch muss als kollektiver Sammelbegriff verstanden werden, da über einzelne dialektale Ausdifferenzierungen der Idiome illyrischer Stämme noch nicht ausreichend Klarheit herrscht. 97 Siehe dazu auch Eichner 2004: 92 und Matzinger 2009a: 19. 98 Ohne Aussagekraft ist die illyrische Anthroponymie. Die im heutigen Albanischen gebräuchlichen ‘illyrischen’ Personennamen setzen keine antiken Namen fort, sondern wurden erst im Zuge der nationalen Bewegung ab dem 19. Jahrhundert wiederbelebt (siehe Matzinger 2009a: 21 und Matzinger 2010). 99 Dieses Postulat folgt der empirischen Erkenntnis, dass die Toponyme einer gegebenen Sprache ebenso den phonologischen Veränderungen unterworfen sind, wie die Appellative des Lexikons dieser Sprache. 100 Eine Sammlung albanischer Gewässernamen in Elsie 1993 (siehe dort auch die Auswertung auf S. 37). 101 Dies gilt für die von lokalen Bevölkerungsteilen gebildeten Namen (z.B. Shkodër) ebenso wie für die von den griechischen Kolonisten geprägten Namen (z.B. Durrës). 102 Zu bereits detaillierten Besprechungen der Lautgeschichte dieser Toponyme siehe Matzinger 2009a: 22f. und Matzinger 2009b: 90f. mit den entsprechenden Literaturangaben. 103 Siehe dazu §4.1. und §4.3. mit Fußnote 88. Und vgl. schon Matzinger 2009a: 23. 104 Siehe dazu §4.1. und §4.3. <?page no="110"?> Joachim Matzinger 102 105 Siehe Kurzinformationen bei Strauch 1997. 106 D.h. es müsste eine Palatalisierung des Velars zu */ k j / erfolgen, wie sie auch dann eintritt, wenn der Velar in der Position vor den vorderen Vollvokalen / e/ und / i/ steht (siehe §4.3.). 107 Gegenüber den italienischen und serbo-kroatischen Namensformen (Durázzo bzw. Dra <*D rá ) zeigt sich in der albanischen Namensform Dúrrës ein abweichender Akzent, der als Fortführung einer lokalen Akzentuierung bei der Entlehnung ins Albanische mitübernommen wurde (siehe auch Matzinger 2009a: 24). In der Spätantike existierten demnach zwei unterschiedlich akzentuierte romanische Namensformen, */ Durrát so-/ mit nach lateinischen Regeln normiertem Akzent und eine Form */ Dúrrat so-/ mit Beibehaltung der lokalen Akzentuierung. 108 Siehe zum Prozess der Affrizierung von / ki / z.B. Lausberg 1967: 59f. und Väänänen 2006: 54. Zu rumän. </ ki / siehe Rothe 1957: 45. 109 Siehe Matzinger 2009a: 25f. 110 Siehe dazu auch Fußnote 33. 111 Der Name des Flusses kann etymologisch von idg. *g enu- „Knie“ abgeleitet werden (mit Krahe 1946: 91 kann * g enu-soangesetzt werden). Trifft dies zu, so zeigt der Name mit der Bewahrung des velaren Verschlusslauts, dass das Illyrische, zumindest die vor Ort gesprochene Varietät, zu den sog. Kentum-Sprachen zu rechnen ist. 112 Wie in Matzinger 2009a: 26 ausgeführt wurde, könnte es sogar wahrscheinlich sein, dass der Name nicht aus dem Lateinischen übernommen worden ist, sondern vielleicht aus einer slawischen Namensform *sk pín entlehnt wurde, zumal die Nebenflüsse des Shkumbin ebenso slawische Namen tragen. 113 Siehe Matzinger 2010. Die Burgsiedlung kann natürlich schon sehr viel älteren Datums sein, aber gerade dann hätte die lautliche Entwicklung erst recht nach den erbwörtlichen Lautwandeln verlaufen müssen. Nimmt man an, die Gründung und Namensgegebung wären erst nach Ablauf der erbwörtlichen Lautwandel (*/ ó/ > */ á/ sowie */ sk/ > */ x/ ) erfolgt, dann stellt sich sofort wieder das unüberwindliche Problem ein, dass der Name dann mit / ó/ und / sk/ Phoneme enthielte, die im Frühuralbanischen gerade nicht vorhanden waren! 114 Es sei hier nochmal daran erinnert, dass beide Veränderungen ein chronologisch sehr hohes Alter aufweisen (siehe auch §4.1. und Fußnote 88). Gerade im Hinblick auf die Veränderung der Lautverbindung */ sk/ ist zu beachten, dass schon bei den altgriechischen Lehnwörtern, für die als Terminus post quem ihrer Entlehnung das 7. vorchristliche Jahrhundert angesetzt werden kann (siehe Matzinger 2009a: 23 und Matzinger 2009b: 92), die Gruppe \ - vielleicht von der einen Ausnahme hudhër/ hurdhër „Knoblauch“ abgesehen (vgl. Fußnote 57) - durch frühuralban. */ k/ substituiert wurde. 115 Zu einer möglichen Etymologie siehe die Hinweise in Matzinger 2009b: 96. 116 Die Stadt und das Umland waren Siedlungsgebiet des Stammes der Labeaten (Labeates; siehe Wilkes 1969: 166 und die Kurzinformation bei Šašel-Kos 1999). 117 Die Unterschiede manifestieren sich auch in anderen Bereichen der jeweiligen Phonemsysteme. So weist der in Fußnote 111 besprochene illyrische Flussname Genusus (< idg. * g enu-) mit / g/ einen velaren Verschlusslaut als Fortsetzer des idg. <?page no="111"?> Der lateinisch-albanische Sprachkontakt 103 Palatals *g auf, während das Frühuralbanische hingegen die Affrikata */ d z / als Reflex dieses idg. Phonems entwickelt hatte. 118 Desgleichen negativ ist die Hypothese zu bewerten, wonach das Albanische eine Fortsetzung des antiken Thrakischen sein soll (siehe Literatur dazu in Matzinger 2009a: 15). Zum Verhältnis zwischen Thrakisch und Albanisch soll an anderer Stelle gehandelt werden. Wenn auch keine lineare Verwandtschaft besteht, so ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass die altbalkanischen Sprachen in wechselseitigem Sprachkontakt standen, wodurch gewisse Übereinstimmungen vor allem lexikalischer Natur ihre Erklärung finden könnten (siehe weitere Ausführungen in Matzinger 2009a: 34). 119 Zu dieser Schlussfolgerung siehe bereits Matzinger 2009a: 34f. 120 Die sprachliche Landkarte des antiken Balkans war sicherlich vielfältiger, als die erhaltenen Daten suggerieren. 121 Nach Meinung des Verf. ist mit einer spätantik-frühmittelalterlichen Ausbreitung des Albanischen von Norden nach Süden zu rechnen (siehe Matzinger 2009a: 26 und Matzinger 2009b: 95). 122 Siehe zuletzt dazu das Protokoll eines in Regensburg 2009 abgehaltenen Fachkolloquiums in Matzinger & Kreuter 2009. <?page no="113"?> Daniel Göler Kontinuität und Wandel im Siedlungssystem Albaniens Einführung und Problemstellung Abhandlungen zur Siedlungsgeographie Südosteuropas stehen vor dem Problem des Fehlens einer systematischen genetischen Kulturlandschaftsforschung wie sie beispielsweise für Mitteleuropa vorliegt. 1 Eine - zumindest in Ansätzen - ähnlich eingängige und trennscharfe Siedlungstypologie Südosteuropas respektive zum albanischsprachigen Raum zählt zweifelsohne zu den Desiderata der Balkanologie. Das mag darin begründet sein, dass Genese und Morphologie der Siedlungen dort nicht ähnlich klar differenziert sind und sich folgerichtig auch nicht vergleichbar klar differenzieren lassen. Das wiederum hängt mit den vielfältigen historischen und politischen Wandlungen im Rahmen einer oft bis in die Frühgeschichte hineinreichenden Siedlungskontinuität des Balkanraumes zusammen. Insofern kann und will der Anspruch des folgenden Beitrages weder als eine umfassende albanische Siedlungsgeschichte oder gar eine vollständige Siedlungstypologie Albaniens verstanden sein. Zentraler Bestandteil der Ausführungen ist vielmehr erstens das Herausarbeiten der wichtigsten Etappen, und zwar unter der gebotenen Generalisierung und Reduktion auf das Wesentliche; zweitens sollen speziell die Wandlungsprozesse betont werden, insbesondere soweit sie für die Herausbildung des gegenwärtigen albanischen Siedlungsbestandes (womit sowohl Städte als auch Dörfer gemeint sind) von Relevanz sind. Ziel der Ausführungen ist also ein Beitrag zur Siedlungsentwicklung des Balkanraumes aus chorologischer Sicht, wobei die Suche nach Erklärungsansätzen des vergangenen und v.a. des gegenwärtigen albanischen Siedlungsbestandes sowie wichtige Stadien seiner Genese im Vordergrund stehen. Den Phasen relativer Kontinuität der Siedlungsgenese werden dazu Zeiten bruchhafter Wandlungen gegenübergestellt. Die historische wie die aktuelle Argumentation bezieht sich gleichermaßen auf „albanische Siedlungsgebiete“, d.h. auf Regionen, in denen heute mehrheitlich albanische Bevölkerung lebt. Das schließt neben dem Territorium des 1912 gegründeten Albaniens ebenso jene Anrainerregionen mit ein, welche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Teilre- <?page no="114"?> Daniel Göler 106 publiken des föderalen sozialistischen Jugoslawien (bzw. seit dessen Zerfall zu unterschiedlichen selbständigen Nachfolgestaaten) gehören und seitdem eine von Albanien divergierende Siedlungsentwicklung erfuhren. Mit dieser Differenzierung wird also keineswegs ein Großalbanien propagiert, sondern lediglich wechselnden Gebietsbezügen und den nach dem Zweiten Weltkrieg auseinandergehenden Entwicklungspfaden Rechnung getragen; die siedlungsgeographische Betrachtung der letzten sechs Jahrzehnte konzentriert sich aus diesem Grund allein auf die heute gültige nationalstaatliche Abgrenzung Albaniens. Schon diese - in einem Raum mit derart viel Geschichte pro Quadratmeter unbedingt notwendige - Präzisierung deutet auf die bewegte Historie hin, welche es reizvoll erscheinen lässt, die Frage der komplexen Kulturlandschaftsentwicklung mit Anmerkungen zu Kontinuitäten und Brüchen der Siedlungsgenese Albaniens aus geographischer Sicht zu bereichern. Der Siedlungsgang im Überblick Zur Chronologie der für den Siedlungsgang entscheidenden Etappen soll einführend ein grober Überblick zur Territorialentwicklung im Untersuchungsgebiet genügen 2 . Für den Mittelmeerraum findet sich dazu beispielsweise bei Wagner ein einfaches Zeit-Raum-Schema. 3 Reduziert auf das albanische Exempel verbleiben daraus folgende Bruchstrukturen und intermediäre Kontinuitätslinien, welche im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtung stehen sollen: Da ist zunächst der Schritt von den auf dem Balkan scheinbar allgegenwärtigen Illyrern über das römische Zwischenspiel hin zur Herausbildung des Albanischen, welche letztlich unter dem Dach des Byzantinischen Reiches erfolgte (1), dann die Einbindung des nunmehr albanophonen Siedlungsraumes in das osmanische Reich (2), dessen Zerfall mit den nachfolgenden Balkankriegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Folge letztendlich in der Gründung des Nationalstaates Albanien mündete (3). Eine weitere entscheidende Zäsur stellt der Zweite Weltkrieg bzw. die anschließende kommunistische Epoche mit dem autozentrierten Entwicklungsweg 4 dar; mit der zunehmenden Isolation des Landes war letztlich die bis heute gültige räumliche Trennung der Verbreitung von Ethnie und Nationalstaat verbunden (4). Die postsozialistische Epoche seit 1991 schließlich ist nach wie vor von anhaltenden sozioökonomischen Transformationsprozessen geprägt, welche nicht zuletzt für das Siedlungswesen abermals erhebliche Verwerfungen mitbrachten (5). <?page no="115"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 107 Determinanten der Siedlungsentwicklung und Konzepte ihrer Systematisierung Die Frage nach dem Einfluss naturräumlicher Gegebenheiten auf die Siedlungstätigkeit des Menschen bewegt sich zwischen einer mehr oder weniger freien Wahl und Gestaltung des Siedlungsraumes (im Sinne eines Possibilismus) und einer starken Limitierung durch äußere Einflüsse (sog. Geobzw. Naturdeterminismus) 5 . Ohne in eine solche geodeterministische Argumentation verfallen zu wollen, spielt die naturräumliche Differenzierung doch eine nicht unerhebliche Rolle in der Siedlungsgenese Albaniens: So waren weite Teile Niederalbaniens lange Zeit kaum besiedelt. Eine flächenhafte Siedlungstätigkeit in dem heutigen agrarischen Gunstraum des Landes geht auf die Zeit der Trockenlegung der dortigen Sumpflandschaften zur Zeit der italienischen Okkupation Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Demgegenüber kamen die Berglagen - weite Teile Albaniens liegen in Höhen über 500 m NN 6 - der lange Zeit dominanten (osmanischen) Wirtschafts- und Lebensweise auf Basis der Weidewirtschaft entgegen, wenngleich die Lebensführung stets sehr auf Wahrung der Existenz und Subsistenzwirtschaft beschränkt blieb und sich größere Städte gar nicht herausbilden konnten. Die hohe Reliefenergie, der damit verbundene Aufwand im Verkehrswegebau und mithin die erschwerte Erreichbarkeit sind ein Grund für die massive post-kommunistische Siedlungsregression dort. Daneben sind selbstverständlich anthropogene Einflussfaktoren ganz maßgeblich für die Ausgestaltung des Siedlungswesens. Zu denken ist an Belange der Lebensweise, welche wiederum durch Ethnie, Kultur oder Naturraum konstituiert wird. Erhebliche Gestaltungskraft erlangen Staat und Politik als normative Elemente der Siedlungsgestaltung in Form der Raumplanung, gegebenenfalls auch über eine gezielte staatliche Peuplierungspolitik oder andere Machtinteressen. Nicht unwesentlich sind Belange der Ökonomie, beispielsweise in Zusammenhang mit der Inwertsetzung von Räumen hinsichtlich ihrer potentiellen Nutzung, z.B. für Landwirtschaft oder Bergbau. Es ist naheliegend, dass jede Änderung der o.g. Rahmenbedingungen quasi in Form einer Stimulus-Response-Kette auch Veränderungen im jeweiligen Siedlungswesen nach sich zieht. Das ist in der genetischen Kulturlandschaftsbzw. Siedlungsforschung natürlich nichts Neues. Vielmehr lässt sich dort je ein stadt- und ein siedlungsgeographisches Konzept für eine weiterführende Betrachtung des albanischen Exempels entlehnen: <?page no="116"?> Daniel Göler 108 (a) So unterscheidet Hofmeister in seinen Ausführungen zur „Stadt im interkulturellen Vergleich“ 7 auf der Basis des bis heute immer wieder diskutierten und fallweise instrumentalisierten Kulturraumkonzeptes insgesamt zwölf regionale Stadttypen. In einem entsprechenden Raum- Zeit-Schema jener kulturgenetischen Stadttypen 8 stehen Städte mit langfristigen Kontinuitäten (z.B. die australische, südafrikanische oder japanische Stadt) solchen mit ausgeprägten Diskontinuitäten gegenüber. Letzteres betrifft beispielsweise die (ehemaligen) Kolonialstädte Asiens und Afrikas, die „verwestlichten Städte der Dritten Welt“ (a.a.O.) und insbesondere eben die sozialistisch überprägten Stadtanlagen, welche im hier behandelten Zusammenhang im Vordergrund stehen. Das einzige Problem an dem an sich überzeugenden Schema ist, dass es noch in der sozialistischen Epoche endet und - von wenigen nationalen Exempeln abgesehen, so auch für Albanien 9 - bislang nicht in die Transformationsperiode fortgeschrieben wurde: D.h. die für ost- und südosteuropäische Städte ganz wesentliche Bruchstruktur des wie auch immer im Einzelfall ausgestalteten „Wendeereignisses“ einschließlich seiner fundamentalen Veränderungen ist noch nicht berücksichtigt. (b) Mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die Kulturlandschaftsentwicklung bezeichnet Hans-Jürgen Nitz besonders tiefgreifende, plötzliche Einschnitte als Brüche und definiert „Brüche im Sinne von Umbrüchen (…) [als] Ausnahmesituationen in der Entwicklung von Gesellschaften und ihren Kulturlandschaften. Es sind markante Wendepunkte zwischen Phasen einer ‚normalen‘, über längere Zeit hin kontinuierlichen Kulturlandschaftsentwicklung unter mehr oder weniger stabilen gesellschaftlich-ökonomischen Rahmenbedingungen“. 10 So lässt sich Kulturlandschaftsentwicklung - und damit auch die Siedlungsentwicklung - als eine Abfolge von mehr oder weniger konstant verlaufenden Phasen mit zwischengestreuten Zäsuren interpretieren. Diese Diskontinuitäten brechen eingeschlagene Entwicklungspfade ab und markieren den Übergang in eine nächste Kontinuitätsbzw. „Entwicklungs-“Phase, die ggf. jedoch mit anderen gesellschaftlichen Gestaltungsregeln und neuen räumlichen Ordnungsprinzipien versehen ist. Mit Bezug auf Südosteuropa verwendet Horst Förster in einem sehr knappen Beitrag einen ganz ähnlichen, allerdings mehr regulationstheoretisch orientierten Zugang und betont zugleich die Komplexität der Übertragung auf „einen so vielschichtigen geographischen Übergangsraum wie Südosteuropa als außerordentlich schwierig und problematisch.“ 11 Die beiden vorstehend zitierten Konzepte erklären also aktuelle Siedlungsstrukturen dezidiert mit einer historischen Erklärungstiefe. Jenen <?page no="117"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 109 folgend soll nun ein Blick auf die albanische Siedlungshistorie mit ihren wichtigsten Etappen und Überprägungen unternommen werden. Etappen der albanischen Siedlungsgenese und Elemente ihrer Überprägung 1. Von der Antike ins Frühmittelalter, oder: Von den Illyrern zu Albanern? Die Albaner selbst sehen sich in ihrem heutigen Siedlungsraum als Nachfahren der Illyrer, auch wenn besagte „Illyrerthese“ v.a. aus sprachwissenschaftlicher Sicht mehr und mehr in Frage gestellt wird. 12 Die Frage der frühen Ethnogenese - sie wird auf das 5. bis 6. nachchristliche Jahrhundert datiert 13 - ist mit Blick auf das heutige Siedlungswesen jedoch sekundär. Es darf angenommen werden, dass das Albanophone im gegebenen Untersuchungsraum spätestens im Frühmittelalter verbreitet war. 14 Punktuelle bzw. lokal ausgeprägte Persistenzen im albanischen Siedlungsraum resultieren dagegen v.a. aus dem antiken Städtewesen: Zu denken ist beispielsweise an das mittelalbanische Elbasan (Scampa), eine an der Via Egnatia gelegene Stadtanlage mit nahezu quadratischer Ummauerung aus römischer Zeit, deren Innenbereich deutlich erkennbar von späteren Überformungen mit orientalischen Grundrissmustern geprägt ist. Auch die heute zweitgrößte Stadt Albaniens, Durrës (andere Namen waren Epidamnos, Dyrrachium, Durazzo), ist in diesem Zusammenhang nicht minder interessant. Dort sind - es gibt Belege einer langen und bewegten Geschichte und eine stadtgeographische Rarität - sowohl Phasen der Expansion als auch der Regression in der Siedlungsentwicklung mit Befestigungsanlagen dokumentiert. Anderen in der betrachteten Epoche bedeutenden Stadtanlagen auf dem Gebiet des heutigen Albaniens wie Appolonia oder Butrint fehlt dagegen die Siedlungskontinuität. Sie sind v.a. als archäologischer Bestand bzw. durch Grabungen nachgewiesen, gleichwohl sie nochmals die Bedeutung der Region als alten Kulturraum unterstreichen. 2. Die Einbindung in das Osmanische Reich Für das heutige Siedlungswesen sicherlich entscheidender ist die Entwicklung nach der Einbindung des albanischen Siedlungsraumes in das osmanische Reich ab dem 15. Jahrhundert; seit dieser Epoche lässt sich der Siedlungsgang wegen der Quellenlage auch gut nachverfolgen. Spä- <?page no="118"?> Daniel Göler 110 testens ab dieser Zeit kann die „Aufgelöstheit der Siedlungen“ 15 als grundsätzliches Merkmal der albanischen Kulturlandschaft angenommen werden: Einzelhöfe und Streusiedlungen dominieren in den älter besiedelten Regionen v.a. des Berglandes bis heute das Bild (Foto 1). Foto 1: Die Streusiedlung Dragobija im Valbona-Tal, Nordalbanien. Die osmanische Wirtschafts- und Siedlungsweise war eher nicht-städtisch und landgebunden. Damit unterscheidet sich jene Gesellschaft z.B. von den im Adriabereich ebenfalls präsenten Venezianern. Osmanische Handelsnetze bevorzugten die Landwege und konsequenterweise mieden die Türken, wenn möglich, die Küste. Die wenigen über einen längeren Zeitraum osmanisch geprägten Siedlungen im südöstlichen Adriabereich jedenfalls sind, wie z.B. Stari Bar (heute Montenegro), i.d.R. dem Meer abgewandt gelegen. Eines der bedeutendsten geistig-kulturellen und wirtschaftlichen Zentren des Balkans jener Zeit, Voskopoja (Moschopolis), ist eine Höhensiedlung im Binnenland unweit des ostalbanischen Korça. 16 Das hauptsächliche Kennzeichen der osmanischen Überprägung betrifft zunächst insbesondere die „Umstellung“ der Agrarverfassung und das nicht zuletzt daraus resultierende Siedlungswesen: Mit der Einfühsüd <?page no="119"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 111 rung des Agrarfeudalismus ging das Entstehen von sog. Tschiftlik bzw. Tschiftlik-Dörfern einher. Tschiftlik wurden in türkischer Zeit die Großgrundbesitze 17 - etwa gleichzusetzen mit den Guts- oder Meierhöfen im deutschen Sprachraum - genannt. Die Höfe bestanden aus eher regelhaften Anlagen und der Grundbesitz umfasste häufig zwei bis drei Dörfer. Er war im Regelfall meist in den Ebenen oder den intramontanen Beckenlagen lokalisiert. Die Verteilung in Südalbanien verdeutlicht das 18 : Tschiftliks fanden sich dort vorzugsweise in der küstennahen Ebene und entlang der Tallagen. Neben den effizienteren und auf marktfähige Produkte ausgerichteten Feudalbesitzen blieben die Gesellschafts- und Wirtschaftsformen in den abseitigen Bergländern subsistenzorientiert; sie waren im Regelfall als Familien- und Sippen bzw. auf Hausgemeinschaftsbasis (Zadruga) organisiert. 19 Zur ländlichen bzw. auf landwirtschaftlicher Basis beruhenden Siedlungstätigkeit tritt das im islamisch beeinflussten Raum typische Stiftungswesen, die als Vaqf (Waqf, auch Vakuf) genannte Anlage, welche z.B. auch im bosnischen Siedlungsraum weit verbreitet sind. So wurde die heutige albanische Hauptstadt Tirana zu Beginn des 17. Jahrhunderts als fromme Stiftung orientalischer Prägung mit den typischen Elementen Gebetshaus, Hamam und wenigen Wohngebäuden angelegt. 20 Ebenfalls typisch für die sich daraus entwickelnde osmanische Landstadt erscheint im genannten Falle die küstenabgewandte Lage in einer „Scharnierlage“ 21 zwischen Ebene und Bergland. Die Verfügbarkeit von Wasser, die von der Hanglage ausgehende relative sommerliche Kühle, die gleichermaßen gegebene Möglichkeit zur Agrarwirtschaft in der Ebene und zur Viehwirtschaft im Bergland sowie die Kontrolle der auf dem Weg von Sommerzur Winterweide durchziehenden transhumanten Wanderhirten sind Faktoren einer gewissen Gunstlage. 3. Vom Ende der osmanischen Periode über die Nationalstaatsgründung zum Zweiten Weltkrieg Die Zeit nach Ende der osmanischen Präsenz mit der Gründung des albanischen Nationalstaates (1912) bis zum Zweiten Weltkrieg war für Albanien mit mannigfaltigen Phasen der Okkupation und - versuchter und er folgreicher - ausländischer Einflussnahme . Der zeitweilig sehr starke italienische Einfluss ist bis heute v.a. in der albanischen Hauptstadt städtebaulich nachvollziehbar: Die Hauptachse des Tiranaer Heldenboulevards (Bulevardi Deshmorët e Kombit) würde zwar ins Bild einer typischen sozialistischen Magistrale passen. Die Anlage geht aber auf die verbunden <?page no="120"?> Daniel Göler 112 Italiener zurück. Noch um 1920 trug Tirana das Antlitz einer türkenzeitlichen Landstadt mit kleinteiligen Strukturen, einbis maximal zweigeschoßigen Gebäuden und durchgrünten Hinterhöfen; eine Momentaufnahme jener Zeit ist in einem Plan der K.u.K. Kriegsvermessung dokumentiert. 22 Das ansonsten in anderen Balkanhauptstädten übliche Ideal der Stadtplanung, nämlich die bewusste Überformung des ggf. bestehenden osmanischen Gepräges, 23 hielt in Albanien somit erst ein halbes Jahrhundert später Einzug - hier also v.a. in Form einer erheblichen Stadterweiterung mit urbanem Antlitz in südlicher Richtung in bis dato mehr oder weniger freies, unbebautes Land. Diese sehr regelhaften Strukturen pausen sich noch heute in der Stadttopographie Tiranas südlich des Skanderbeg-Platzes deutlich ab. Daneben stellte sich auch abseits der Hauptstadt eine erste, allerdings sehr zurückhaltende Urbanisierung ein, insbesondere in Zusammenhang mit der Entdeckung von Erdölvorkommen in Niederalbanien. Auf dem Land wird die Abkehr vom türkischen Feudalsystem vollzogen, ohne dass sich zunächst an den praktizierten Wirtschaftsweisen (dem Vorherrschen der Weidewirtschaft) und den gültigen sozialen Organisationsformen (z.B. der Zadruga) Entscheidendes ändern sollte. Die nach den Balkankriegen vollzogene nationalstaatliche Aufteilung Südosteuropas allerdings hat allein durch die Verschiebung des räumlichen Gefüges erhebliche Konsequenzen. In vielen Regionen bedeuteten die neuen Grenzen die Unterbrechung der bis dato üblichen Routen der äußerst bedeutsamen Fernweidewirtschaft bzw. der Transhumanz. 24 Insgesamt lässt sich festhalten, dass mit dem (nach der Antike abermaligen) Aufkommen des Städtewesens der ländliche bzw. der nichtstädtische Raum ins Hintertreffen geriet. Dazu konstatiert Holm Sundhaussen, dass „die Bauern in ihrer traditionell gewachsenen Lebenswelt (…) die großen Verlierer der tiefgreifenden Veränderungen auf dem Lande seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ 25 waren. Es sei betont, dass hier die Rede von einem Raum ist, welcher bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu in seiner Gänze und auch in der Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend von Landwirtschaft geprägt war: Noch für das Jahr 1939 wird berichtet, dass es in der dörflichen Lebensweise kaum Unterschiede gegenüber dem Zustand, wie er sich im 17. oder 18. Jahrhundert präsentierte, gegeben habe. 26 So lässt sich die Tragweite des zitierten Befundes einordnen, und es wird nicht erstaunen, dass eine Bilanzierung des sozialen und wirtschaftlichen Wandels der prä-sozialistischen Zeit für den ländlichen Bereich auf dieser Basis sehr kritisch ausfällt: „Das traditi- <?page no="121"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 113 onelle Dorf als multifunktionale Institution wurde restlos zerstört, ohne dass die Bauern einen neuen - ihrer Zahl angemessenen - Platz in der Gesellschaft erhalten hätten.“ 27 4. Der Übergang zum sozialistischen System Nach dem Zweiten Weltkrieg und spätestens ab dem Abbruch der kurzen Beziehungen zu Jugoslawien wird eine systembedingte Divergenz gesellschaftlicher und damit selbstverständlich auch räumlicher Entwicklungen im albanischen Siedlungsraum wirksam. Die außerhalb des heutigen Albanien gelegenen Gebiete mit albanischen Bevölkerungsanteilen wie Teile von Montenegro, Mazedoniens oder Kosovo waren nun in den „marktwirtschaftlichen Sozialismus“ 28 Jugoslawiens eingegliedert. Das brachte zwar gewisse Restriktionen wie z.B. eine neue Amtssprache mit sich, bedeutete aber auch die Teilhabe an den dort vollbrachten sozialistischen Aufbauleistungen in Form der Modernisierung von dörflichen Siedlungen mit andernorts längst üblicher Infrastruktur und dem Ansatz der Intensivierung und Effizienzsteigerung der Landwirtschaft. Der albanische Staat dagegen wartete mit einer sehr strengen Interpretation eines Sozialismus Stalin‘scher Prägung auf und schottete sich sukzessive von jeglicher Einflussnahme von außen ab. Zunächst betraf das Kontakte mit den mehr oder weniger direkten Nachbarn und letztendlich die ganze Welt: Spätestens ab 1978, als die bilateralen Beziehungen mit China abgebrochen wurden, verfolgte das schon zu dieser Zeit selbst in Europa kaum mehr wahrgenommene Land in einer in der Wirtschaftsgeschichte bis dato nicht gekannten Konsequenz ein „Konzept autozentrierter Entwicklung“ 29 . Ein solches Wirtschaftssystem zielt auf die vollständige Importsubstituton, d.h. jegliche Entwicklung und insbesondere die Versorgung der Bevölkerung soll aus eigener Kraft gestemmt werden. Die Konsequenzen jener nahezu vollständigen Isolation des albanischen Sozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg sind bekannt; sie müssen hier nicht vertieft werden. Zu diskutieren sind im gegebenen Zusammenhang wohl aber drei Themen, welche direkt oder indirekt und mittel- oder langfristig mit Belangen des Siedlungswesens verknüpft sind. Erster Punkt ist die eingeleitete Bodenreform mit entsprechender Kollektivierung und der Bildung von Staatsgütern. Sie verlief zunächst schleppend, kann aber dennoch bis Mitte der 1960er Jahre als abgeschlossen angenommen werden. Das betrifft insbesondere die Ebenen und die Beckenlagen. Dagegen sind in den kärglichen Karstgebieten und in peripheren Bergregionen Einzelhöfe bzw. Einzelsiedlungen nach wie vor <?page no="122"?> Daniel Göler 114 dominant. 30 Die bis dato vorherrschenden patriarchalischen Strukturen bleiben, obgleich sie faktisch nicht geduldet wurden, auch unter der kommunistischen Führung weitgehend bestehen. 31 Zweitens beschleunigt die systembedingte Bevorzugung der Städte bzw. der städtischen Siedlungsweise die Urbanisierung in den 1950er bis 1970er Jahren. Im Zuge des angestrebten Industrialisierungs- und des laufenden agrarischen Intensivierungsprozesses entstehen neuartige Verstädterungsmuster; teilweise werden sog. Agro- und Industriestädte neu angelegt. 32 Dabei lässt sich die „Urbanisierung“ v.a. an der differenzierten Arbeitsteilung und der standardisierten Bauweise, weniger an einer tatsächlich städtischen Lebensform oder gar der Größe der Siedlungen, festmachen. 33 Drittens wird die nach wie vor bestehende Landflucht in den Quellregionen der Binnenwanderung durch ein hohes natürliches Bevölkerungssaldo ausgeglichen. Allerdings erkennt der Staat die Notwendigkeit eines Gegenzusteuerns, da sich aus der schnellwachsenden Gesamtbevölkerung einerseits und den Autarkiebestrebungen andererseits zwangsläufig ein zunehmendes Ernährungsproblem stellt. Die Konsequenz ist eine Bevölkerungsverdichtung in ländlichen und peripheren Räumen, mithin in den Randbereichen der Ökumene. Die landwirtschaftliche Anbaufläche wird in die Hügel- und Bergzonen ausgeweitet, was weitere Terrassierungen in großem Maßstab erfordert; Albaniens Kulturlandschaft erfährt in jener Zeit, trotz zwischenzeitlich einsetzender Verfallstendenzen der Terrassen 34 , seine bis heute gültige Prägung. In den bereits erwähnten, teilweise weit abseitig gelegenen Agrostädten werden z.B. gezielt qualifizierte Fachkräfte einschließlich deren Familien angesiedelt. Das führt zwar zu keiner vollständigen Trendumkehr, wohl aber zur Bevölkerungszunahme auch im ländlichen Raum. Als Fazit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ist also auf die Kombination sozialistischer Stadt- und Landentwicklung hinzuweisen. Das beinhaltet die Kollektivierungen ebenso wie den Stadtumbau und den Stadtneubau bei zeitgleich bestehenden Zuzugsbeschränkungen in die Hauptstadt Tirana, was letztlich - und spätestens hier entzieht sich Albanien jedem in anderen europäischen Ländern geltenden Trend - ab den späten 1970ern sogar zur Aufsiedlung ländlicher Räume geführt hat. Das ist für die weitere Betrachtung von besonderer Relevanz, denn damit wurde ein Bevölkerungsdruck in der Peripherie aufgebaut, der sich nach dem Ende des Kommunismus und dem Wegfall der Ordnungsprinzipien der Staatsmacht in einer intensiven Landflucht mit peripher-zentralen Binnenmigrationen sowie einer massiven Emigration entlud. <?page no="123"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 115 5. Post-kommunistische Transformation Das politische Wendeereignis, das um 1991 in Albanien den postkommunistischen Transformationsprozess einläutete, ist die jüngste Bruchstruktur. Der bisherige Verlauf der „mehrfach unterbrochene[n] Transformation“ 35 bzw. ihre regional differenzierenden Konsequenzen lassen sich, speziell mit Blick auf die Siedlungsstrukturen und sehr verkürzt, in einem Spannungsfeld zwischen Wüstung und Hyperurbanisierung skizzieren. In der Tat sind die markantesten Tendenzen der 1990er Jahre einerseits ein bis heute anhaltendes explosionsartiges Stadtwachstum der küstennahen Städte (und dort insbesondere der Agglomeration Tirana-Durrës) und andererseits die massive Marginalisierung der Peripherien mit einem Niedergang der dörflichen Siedlungen, die bis hin zu Wüstungsvorgängen geht. (a) Marginalisierung der Peripherie Die Entwertung der Peripherie - gemeint sind im Wesentlichen die albanischen Bergregionen - besteht aus zwei engen Interdependenzen: Das ist zum einen die demographische Entleerung und zum anderen die ökonomische Marginalisierung. Erstere beinhaltet einen quantitativen Bevölkerungsverlust, der in einigen Bezirken allein zwischen den Volkszählungen 1989 und 2001 bis über 50% betrug; damit verbunden sind erhebliche qualitative Verwerfungen der Altersstrukturen 36 , aber auch der familiengebundenen Versorgungsstrukturen. 37 So ist die Landbzw. Viehwirtschaft in Folge von De-Kollektivierungen in eine kleinteilige, oft allenfalls familienbetriebliche Bewirtschaftung auf Subsistenzniveau zurückgefallen, zu dem der Wegfall der ohnehin spärlichen alternativen Erwerbs möglichkeiten, welche früher z.B. im Bergbau bestanden, tritt. Empirische Befunde aus dem nordostalbanischen Bergland verdeutlichen die Dimension 38 : Zahlreiche dörfliche Siedlungen dort erfuhren im Übergang zum 21. Jahrhundert Einwohnerverluste jenseits der 50%, was mit dem partiellen Wüstungsfallen von Ortslage und Flur einhergeht. Besonders dramatisch erscheint die Lage in den peripheren, kaum in das Verkehrsnetz eingebundenen Bergdörfern und in den erst im Sozialismus aufgebauten kleinen Agro- und Industriebzw. Bergbau“städten“: Das Beispiel Kam 39 , eine Bergbausiedlung im Bezirk Has, einst die jüngste der „Neuen Städte“ Albaniens, zeigt einen rapiden Devastierungsprozess. Von ehemals 1800 Einwohnern wurden 2002 noch 43 gezählt und die Siedlungsanlage kann heute als aufgelassen angenommen werden. Zwar - <?page no="124"?> Daniel Göler 116 zeichnet sich derzeit ein Aufleben des albanischen Chrombergbaus ab, aber der Prozess der Siedlungsregression wird sich damit nicht umkehren. Verantwortlich für die skizzierten Marginalisierungsprozesse sind einerseits der Wegfall des sozialistischen Ordnungs- und Organisationsrahmens, der sowohl die späte Aufsiedlung der ländlichen Gebiete als auch den Bergbau an derart peripheren Standorten ermöglichte. Andererseits bot die Transformationsphase der Bevölkerung neue Chancen, so z.B. die Möglichkeit der Emigration (welche 40 Jahre lang unterbunden gewesen war) oder zur Umsiedlung in die zentrale Hauptstadtregion. Die Bevölkerungsumschichtungen führten dort zum Massenphänomen informeller Siedlungen. (b) Stadtwachstum Die Bevölkerungszunahme der niederalbanischen Städte, dort insbesondere in der Konurbation der beiden größten albanischen Städte Tirana und Durrës, kann in der Tat komplementär zu den Abwanderungen aus der Peripherie gesehen werden. Der größte Teil des enormen Stadtwachstums während der Transformationsperiode - die Einwohnerzahl Tiranas etwa hat sich seit der Zeit um 1990 nahezu verdreifacht - resultiert aus der Zuwanderung aus den Bergregionen. Das führte zunächst v.a. zu einem flächenhaften Wachstum an den Rändern der bis Ende der 1980er noch sehr überschaubaren albanischen Hauptstadt. Heute umringt ein kaum überschaubares und nicht enden wollendes Meer gleichförmiger, singulär stehender und im Regelfall informell errichteter Gebäude die früher sehr klar vom Umland abgegrenzte Stadt. Dazu tritt insbesondere seit Beginn des 21. Jahrhunderts und koinzidierend mit der politischen und ökonomischen Stabilisierung des Landes ein beachtliches Höhenwachstum: Hunderte Appartmentblocks mit zehn und mehr Geschoßen seitdem das Weichbild der Stadt. 40 Mit Blick auf die nach wie vor anhaltende Dynamik in der Hauptstadtregion, aber auch auf das Wachstum der Städte der zweiten Hierarchieebene wie Shkodra, Vlora oder in dem von Tourismus geprägten Saranda, stellt sich eine Gemengelage an Problemen, die eine enorme Aufgabe für die Stadtplanung definiert: Es geht nicht allein um die notwendige und teilweise erst aufholende öffentliche Infrastrukturausstattung in den neuen suburbanen Squattersiedlungen, die zu 95% informell, also ohne planerische Einbindung, errichtet wurde 41 , oder um den Abbruch allzu dreister oder die künftige Erschließung behindernder Bauten. Das Kernproblem ist - da die Stadtentwicklung an diesem Punkt nicht dominieren <?page no="125"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 117 umkehrbar ist - die nachträgliche Legalisierung des informellen und ggf. illegalen Gebäudebestands. Zwar sollte hinter dem Phänomen „Squatting“ in Albanien nicht pauschal ein Armutsphänomen vermutet werden 42 ; in einzelnen Wohnviertel wie beispielsweise im Falle von Ansiedlungen auf ehemaligen Industriearealen ist das zweifelsohne zutreffend. 43 Das gilt sicherlich weniger im Falle von Familien, die im städtischen Umland in einem veritablen Einfamilienhaus auf einem (faktisch oder tatsächlich) eigenen Grundstück leben. Hier stellt sich vielmehr die Frage der ökonomischen und sozialen Integration der Zuwanderer in den städtischen Raum und Gesellschaft. 6. Fazit, Rück- und Ausblick: Kontinuität und Diskontinuität und ihre Persistenzen im albanischen Siedlungssystem Das Diktum von Kontinuität und Wandel klingt, zugegebenermaßen, zunächst nach Banalitäten. Aber es ist augenscheinlich, dass jede der vorstehend thematisierten Diskontinuitäten - „Brüche“ im Sinne Nitz‘ 44 - und die intermediären Perioden von unterschiedlicher Zeitdauer auch ihre Persistenzen beinhalten. Das ist in der Stadtgeographie längst erkannt 45 und es ist mindestens genauso lange ein zentrales Element ländlicher Siedlungsgeographie. 46 So kann in der ruralen Siedlungsentwicklung Albaniens z.B. die weite Verbreitung der Einzelhöfe mit entsprechenden Wohnformen als persistentes osmanisches Erbe interpretiert werden; abgesehen von den skizzierten Wüstungstendenzen des Postsozialismus dominieren summa summarum eher die Kontinuitätslinien. Das kann über einen langen Zeitraum, mithin bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, auch für die Städte angenommen werden. Mit der Nationalstaatsgründung jedoch setzt die Urbanisierung ein, welche in der sozialistischen Epoche zur Blüte kam. Insofern bedeutet der Eintritt in die Transformationsphase eine enorme Zäsur und den Beginn einer räumlich differenzierenden Siedlungsentwicklung. Das betrifft nicht allein die Polarisierung zwischen städtisch und ländlich, sondern viel mehr noch jene zwischen Peripherie und Zentrum. Bemerkenswert im gesamten Prozessgefüge ist einerseits die enorme Dynamik der großstädtischen Entwicklung und andererseits die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Reichweite der Transformationsprozesse. Deren Folgen sind äußerst problematisch, denn Armut, Erwerbslosigkeit, Informalität und konstante Unsicherheiten beispielsweise sind stete Begleiter der gerade in Albanien im Grunde erwünschten, wenn nicht ersehnten Prozesse. Es bleibt die Hoffnung, die extrem vielfach <?page no="126"?> Daniel Göler 118 Anmerkungen 1 Vgl. Born, Martin (1977): Geographie der ländlichen Siedlungen. (= Teubner Studienbücher Geographie). Stuttgart. 2 Fundierte und detaillierte Einblicke in die albanische Geschichte finden sich z.B. bei Bartl, Peter (1995): Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. (= Ost- und Südosteuropa. Geschichte der Länder und Völker). Regensburg; Bartl, Peter (2003): „Albanien in der Vergangenheit: Vom Mittelalter zur osmanischen Herrschaft“. In: Jordan, Peter et al. (Hrsg.): Albanien. Geographie historische Anthropologie - Geschichte - Kultur postkommunistische Transformation. (= Österreichische Osthefte). Wien, u.a. S. 111-133; oder Schmitt, Oliver Jens & Eva Anne Frantz (Hrsg.) (2009): Albanische Geschichte. Stand und Perspektiven der Forschung. München. 3 Wagner, Horst-Günter (2001): Mittelmeerraum. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik. (= Wissenschaftliche Länderkunde). Darmstadt. [hier S. 19] 4 Russ, Wolfgang (1979): Der Entwicklungsweg Albaniens. Ein Beitrag zum Konzept autozentrierter Entwicklung. Meisenheim am Glan, Hain. 5 Werlen, Benno (2000): Sozialgeographie. Eine Einführung. (= UTB für Wissenschaft 1911). Berlin, Stuttgart, Wien. [hier S. 383] 6 Barjaba, Kosta & King, Russell (2005): „Introduction and theorising Albanian migration“. In: King, Russell/ Mai, Nicola/ Schwandner-Sievers, Stephanie (Hrsg.) (2005): The New Albanian Migration. Sussex, S. 1-28. [hier S. 5] 7 Hofmeister, Burkhard (1982): „Die Stadt im interkulturellen Vergleich.“ In: Geographische Rundschau 34, H. 11, S. 482-488. 8 Hofmeister, Burkhard (1982): „Die Stadt im interkulturellen Vergleich.“ In: Geographische Rundschau 34, H. 11, S. 482-488. [hier S. 487] sowie Hofmeister, Burkhard (1993): Stadtgeographie. (= Das Geographische Seminar). 6. Auflage, Braunschweig. [hier S. 223] 9 Becker, Hans/ Göler, Daniel (2000): Stadtstruktureller Wandel in Albanien. Der Transformationsprozeß im konsumorientierten Dienstleistungssektor Tiranas. Europa Regional 8 (1), S. 2-21. [hier S. 19] 10 Nitz, Hans-Jürgen (1995): „Brüche in der Kulturlandschaftsentwicklung.“ In: Siedlungsforschung Bd. 13, S. 9-30. [hier S. 13]. Für den Hinweis auf die genannte Quelle sei Prof. em. Dr. Hans Becker wärmstens gedankt! 11 Vgl. Förster, Horst (2009): „Kulturlandschaftsprozesse in Südosteuropa vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart.“ In: Krauss, Karl-Peter (Hrsg.): Agrarreformen und ethnodemographische Veränderungen. Südosteuropa vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. (= Schriftenreihe des Instituts für donaunegative Einschätzung möge der verzerrten Wahrnehmung zeitgenössischer Beobachter geschuldet sein, für die der Anspruch einer Bewertung und Einordnung v.a. der jüngeren Etappen mit ihren Bruchstrukturen und Kontinuitätslinien zu früh kommt. <?page no="127"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 119 schwäbische Geschichte und Landeskunde, Bd. 15). Stuttgart, S. 311-323. [insbesondere S. 313f] 12 dazu z.B. Matzinger, Joachim (2009): „Die Albaner als Nachkommen der Illyrer aus Sicht der historischen Sprachwissenschaft.“ In: Schmitt, Oliver Jens/ Frantz, Eva Anne (Hrsg.) (2009): Albanische Geschichte. Stand und Perspektiven der Forschung. München, S. 13-36. 13 ebd., S. 35f 14 Clewing, Konrad (2009): „Albanien.“ In: Roth, Harald (Hrsg.): Studienhandbuch Östliches Europa, Bd. 1: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas. 2. Auflage, Köln, Weimar, Wien S. 97-108. [hier S. 97] 15 Nach Louis, Herbert (1933): „Die ländlichen Siedlungen in Albanien.“ In: Klute, Fritz (Hrsg.): Die ländlichen Siedlungen in verschiedenen Klimazonen der Erde. Breslau, S. 47- 54. [hier S. 47] 16 Vgl. Busch-Zantner, Richard (1931): „Zur Siedlungsgeographie Südwestalbaniens“ [sic! ]. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München, Bd. 24, S. 309-316. [hier S. 310ff] 17 Ein eindrucksvoller, einem Reisebericht angemessen blumig verfasster Bericht zum Leben in einem albanischen Tschiftlik findet sich bei Grothe, Hugo (1913): Durch Albanien und Montenegro. Betrachtungen zur Völkerkunde, Politik und Wirtschaftswelt der westlichen Balkanhalbinsel. München. [hier S. 211ff] 18 Eine Karte findet sich bei Urban, Martin (1938): Die Siedlungen Südalbaniens. (= Tübinger geographische und geologische Abhandlungen, Bd. 2). Öhringen. [hier S. 78] 19 Dazu Urban, Martin (1938): Die Siedlungen Südalbaniens. (= Tübinger geographische und geologische Abhandlungen, Bd. 2). Öhringen. [hier S. 73 und 79] sowie Busch- Zantner, Richard (1937): „Tschiftlikwesen und Zadruga in Südosteuropa. Ein Beitrag zur balkanischen Agrarverfassung.“ In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 30, S. 72-81. 20 Carter, F.W. (1986): „Tirana. City profile.“ In: Cities. Vol. 3, No. 4, S. 270-281. 21 Karger, Adolf: Albanien: Exkursionsbericht Sommer 1988. (= Kleinere Arbeiten aus dem Geographischen Institut der Universität Tübingen, Bd. 8). Tübingen 1990 [hier S. 8] 22 Abdruck bei Aliaj, Besnik/ Lulo, Keida/ Myftiu, Genc (2003): Tirana, the Challenge of Urban Development. Tirana. [hier S. 27] 23 vgl. Göler, Daniel/ Lehmeier, Holger (2011): „Balkanmetropolen. Urbane Entwicklungen in Belgrad, Bukarest und Sofia.“ In: Geographische Rundschau 63, H. 4. 24 Kahl, Thede (2001): „Auswirkungen von neuen Grenzen auf die Fernweidewirtschaft Südosteuropas.“ In: Lienau, Cay (Hrsg.): Raumstrukturen und Grenzen in Südosteuropa. (= Südosteuropa-Jahrbuch 32). München, S. 245-271. [hier S. 253] 25 Sundhausen, Holm (1997): „Vom Vorzum Frühkapitalismus. Die Transformation des Dorfes und der Landwirtschaft im Balkanraum vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg.“ In: Grimm, Frank-Dieter/ Roth, Klaus (Hrsg.): Das Dorf in Südosteuropa zwischen Tradition und Umbruch. (= Südosteuropa aktuell, Bd. 25). München, S. 29-48. [hier S. 30] 26 Teich, Gerhard (1969): Das albanische Dorf. (= Von der Agrarzur Industriegesellschaft 16). Darmstadt. [hier S. 4] <?page no="128"?> Daniel Göler 120 27 Sundhausen, Holm (1997): „Vom Vorzum Frühkapitalismus. Die Transformation des Dorfes und der Landwirtschaft im Balkanraum vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg.“ In: Grimm, Frank-Dieter/ Roth, Klaus (Hrsg.): Das Dorf in Südosteuropa zwischen Tradition und Umbruch. (= Südosteuropa aktuell, Bd. 25). München, S. 29-48. [hier S. 48] 28 Büschenfeld, Herbert (1981): Jugoslawien. (= Länderprofile - Geographische Strukturen, Daten, Entwicklungen). Stuttgart. [hier S. 240] 29 Russ, Wolfgang (1979): Der Entwicklungsweg Albaniens. Ein Beitrag zum Konzept autozentrierter Entwicklung. Meisenheim am Glan, Hain, 1979. 30 Teich, Gerhard (1969): Das albanische Dorf. (= Von der Agrarzur Industriegesellschaft 16). Darmstadt. [hier S. 6f] 31 A.a.O. [hier S. 19] 32 Beispiele wären - neben zahllosen anderen - die mitelalbanischen Industriestädtchen Patos oder Qyteti Stalin/ “Stalinstadt“, das heutige Kuçova, oder die Agrostadt Ksamil (Südalbanien). 33 Baumann verwendet den Begriff „Urbanisierung“ des ländlichen Raumes; vgl. Baumann, Christoph (2008): Die albanische Transformationsregion Gjirokastra. Strukurwandel im 20. Jahrhundert, räumliche Trends und Handlungsmuster im ruralen Raum. (= Bamberger Geographische Schriften, 23). Bamberg. [hier S. 65]. Zum Sachverhalt auch Teich, Gerhard (1969): Das albanische Dorf. (= Von der Agrarzur Industriegesellschaft 16). Darmstadt. [hier S. 11] 34 Glötzl, Gregor (2010): Transformationsprozesse und Kulturlandschaftswandel in Albanien. Erosion und Nutzungsänderung von landwirtschaftlich genutzten Terrassen vor dem Hintergrund sozialer, politischer und wirtschaftlicher Veränderungen. Unveröffentl. Diplomarbeit im Studiengang Geographie, Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften, Univ. Bamberg. 35 Göler, Daniel (2008): „Zwischen Integration und Peripherisierung - Probleme der Regionalentwicklung in Albanien.“ In: Förster, Horst (Hrsg.): Regionalisierung, Regionalismus und Regionalpolitik in Südosteuropa. (= Südosteuropa-Jahrbuch, Bd. 35). München, S. 163-181. [hier S. 165] 36 Göler, Daniel (2009): „Regionale und lokale Auswirkungen von Migration in Albanien.“ In: Südosteuropa 56, H. 4, S. 472-499. [hier S. 485] 37 Vullnetari Julie/ King, Russell (2008): „‘Does your granny eat grass? ’ On mass migration, care drain and the fate of older people in rural Albania.” In: Global Networks 8, H. 2, S. 139-171. 38 Göler, Daniel (2009): „Regionale und lokale Auswirkungen von Migration in Albanien.“ In: Südosteuropa 56, H. 4, S. 472-499. [hier S. 486] 39 Göler, Daniel (2008): „Zwischen Integration und Peripherisierung - Probleme der Regionalentwicklung in Albanien.“ In: Förster, Horst (Hrsg.): Regionalisierung, Regionalismus und Regionalpolitik in Südosteuropa. (= Südosteuropa-Jahrbuch, Bd. 35). München, S. 163-181. [hier S. 175] 40 Doka, Dhimiter/ Göler, Daniel (2010): „Vom Latecomer der Urbanisierung zum Newcomer im Postkommunismus - Tirana’s Weg ins 21. Jahrhundert.“ In: Bohn, Thomas & Marie-Janine Calic (Hrsg.): Urbanisierung und Stadtentwicklung in <?page no="129"?> Kontinuität und Wandel im Siedlungssystems Albaniens 121 Südosteuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. (= Südosteuropa-Jahrbuch Bd. 37). München, S. 307-317. [hier S. 316] 41 Nuissl, Henning (2001): „Suburbanisierung in Tirana: Perspektiven kooperativer Entwicklungsstrategien.“ In: Trialog - Zeitschrift für das Bauen und Planen in der dritten Welt 70, S. 12-17. 42 So z.B. bei Deda, Luan/ Tsenkova, Sasha (2006): „Poverty and inequality in Greater Tirana: The reality of peri-urban areas.” In: Tsenkova, Sasha/ Vedovi -Budi , Zorica (Hrsg.): The Urban Mosaic of Post-Socialist Europe. Heidelberg, New York, S. 151-170. 43 Becker, Hans/ Blöchl, Alexander/ Doka, Dhimiter/ Göler, Daniel/ Karaguni, Merita/ Köppen, Bernhard/ Mai, Ralf (2005): Industrie-Squatter in Tirana. Europa Regional 13 (1), S. 12-20. 44 Nitz, Hans-Jürgen (1995): „Brüche in der Kulturlandschaftsentwicklung.“ In: Siedlungsforschung Bd. 13, S. 9-30. 45 Hofmeister, Burkhard (1997): Stadtgeographie. (= Das Geographische Seminar). 7. Auflage, Braunschweig. 46 Born, Martin (1977): Geographie der ländlichen Siedlungen. (= Teubner Studienbücher Geographie). Stuttgart. <?page no="131"?> Ina Arapi Albanisch-rumänische Parallelen im Bereich der Wortbildung: Die Suffixe Ziel dieses Aufsatzes ist es, einen Überblick über die gemeinsamen Suffixe zu geben, die sowohl im Albanischen als auch im Rumänischen verwendet werden. Mit „verwenden“ ist hier folgendes gemeint: Entweder sind die Suffixe noch produktiv oder sie sind bei Wörtern, die noch im Umlauf sind, noch zu erkennen. Es wurden Suffixe verschiedener Herkunft berücksichtigt. Für den albanischen Teil habe ich mich hauptsächlich auf das klassische Werk von A. Xhuvani und E. Çabej über die Suffixe im Albanischen (1980) und auf die jeweiligen Paragraphen über Wortbildung in der Akademiegrammatik Gramatika e gjuhës shqipe, I. Morfologjia, von 2002 gestützt, für den rumänischen Teil auf das klassische Werk von Pascu (1916), auf die rumänische Akademiegrammatik Gramatica limbii române (GLR) von 1966 und auf das Wörterbuch der Akademie von 1975 (DEX), die Grammatik von Beyrer/ Bochmann und Bronsert (1987), die Studie über slawische Entlehnungen von Jürgen Kristophson (2006), die Studie von Victoria Popovici über Wortbildung (2006) und auf die Studie von Laura Vasiliu über Derivation (1973). Die Suffigierung ist im Albanischen stärker verbreitet als die Präfigierung. Passend zum sprachlichen Charakter gibt es hier doppelt soviele Suffixe als Präfixe. In der Abhandlung von Xhuvani/ Çabej (1980) wird jedes Suffix diachron und synchron untersucht. Am Anfang wird die grammatische Wortklasse und das semantische Begriffsfeld des abgeleiteten Wortes sowie die grammatische Wortklasse und bei Bedarf auch das semantische Begriffsfeld des Grundwortes genannt. Es werden die eventuellen Varianten und Kontaminationen der Suffixe dargestellt, oft gibt es auch Angaben über die geographische Verbreitung, inklusive die Dialekte der Arbëresh in Italien und Griechenland. Für jedes Formans wird festgestellt, ob es im Gesamtalbanischen oder nur dialektal, ob es nur umgangssprachlich oder auch in der Schriftsprache verwendet wird. Es folgt dann die eventuelle Verbreitung in anderen Balkansprachen mit besonderer Berücksichtigung des Rumänischen. Manchmal wird die erste Erscheinung bei den altalbanischen Autoren 1 erwähnt. Da aber, wie die Verfasser kommentieren, diese Dokumentation nicht vollständig ist, habe ich sie weiter ergänzt. Analysiert wird auch die Herkunft der einzelnen Suffixe, <?page no="132"?> Ina Arapi 124 nur ist man sich hier bewusst, dass zukünftige Studien an diesem Punkt mehr Klarheit bringen werden (Xhuvani/ Çabej 1980: 364). Alle Daten basieren auf einem umfangreichen Material, das teils aus verschiedenen Publikationen, teils von den Autoren selbst gesammelt wurde. Sehr wertvoll ist meiner Meinung nach die Erschließung vieler Toponyme und Onomastika, obwohl hier, besonders im Bereich der Mikrotoponyme, noch Einiges getan werden muss. So wie bei Xhuvani/ Çabej (1980) beschränkt sich meine Untersuchung auf die nominale Wortbildung. Bis auf extrem seltene Ausnahmen bilden die Formantien der verbalen Wortbildung im Albanischen eine eigene Serie. 2 Als Beispiele habe ich in der Regel die Wörter mit der höheren Frequenz ausgewählt. Die Suffixe sind in jeder Rubrik alphabetisch geordnet. 1. Suffixe autochthoner oder unsicherer Herkunft 3 1.1. -aj Dieses wichtige Suffix ist in allen albanischen Gebieten verbreitet. Es dient zur Bildung von Stammesnamen/ Familiennamen und infolgedessen von Patronimika und Toponymen wie Balaj, Kolaj, Nikaj, Çorraj, Memaliaj, Zogaj etc. Die ältere Form -anj wird noch im Süden des Landes und bei den Arvaniten Griechenlands bewahrt (Hasananj, Toranj, Gjinanj etc.) sowie in der altalbanischen Literatur dokumentiert: Pleqënia e shtëpisë Bogdananjet ‘Das Alter des Hauses Bogdani’ 4 etc. Xhuvani/ Çabej erwähnen, dass dieses Suffix auch ins Aromunisch eingedrungen ist, bringen aber keine Beispiele. Hier einige: Poçaj oder, artikultiert, Poçajt, Dodajt, Kurajt, Fuqajt. 5 Jokl schlägt als Ursprung des Suffixes das lat. Suffix -anius vor, welches auch bei einigen italienischen Patronimika wie Galvagni, Mascagni erscheint. Weigand widerspricht dem und behauptet, dass -aj nach Palatalen auch in der Form -ej wie bei Synej, Reshej zu erkennen sei. Xhuvani/ Çabej (1980: 429) schließen sich dem an, ohne einschlägige Argumente zu erwähnen. 1.2. -án Dieses Suffix dient im Albanischen zur Bildung von Substantiven, Adjektiven, Toponymen und sogar von Eigennamen wie: vejan ‘Witwer’ < i ve ‘id. (also mit derselben Bedeutung)’; kopilan, fem. kopilane ‘hinterlistig’ < <?page no="133"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 125 kopil ‘uneheliches Kind, listiger Mensch’; zeshkan ‘Brünette’ < i zeshkë ‘id.’; shkodran ‘Einwohner von Shkodra’; tropojan ‘Einwohner von Tropoja’; Gjégjan, Kóman (Toponyme), Hekuran (Eigenname) etc. Ein Suffix -â (-an) mit augmentativer Bedeutung und motionaler Funktion wird im Norden Albaniens zur Bildung von Substantiven verwendet, die ein männliches Tier, meistens das Männchen eines Vogels bezeichnen, z.B. bibâ-ni < bibë ‘junge Gans’, breshkâ-ni < breshkë ‘Schildkröte’, hutâ-ni < hutë ‘Geier’, patâni < patë ‘Gans’, vidâ-ni < vidë ‘Täubin’ etc. Ähnliches kommt auch im Rumänischen vor: b lan ‘blond’ < b l ‘weiß’, curcan < curc ‘Truthenne’, gâscan (auch gânsac) < gâsc ‘Gans’; lungan ‘außergewönlich groß’ < lung ‘lang, groß’; ran ‘Bauer’ < ar ‘Land’ (s. auch GLR 1966: 62). Xhuvani/ Çabej (1980: 437) stützen sich auf Jokl und akzeptieren die slawische Herkunft dieses Suffixes, betonen aber, dass es ein solches Formans schon im Illyrischen gegeben habe bei Namen wie ! "$ oder den Stammesnamen A% '+! und A =+! . Deshalb kommen sie zu dem Schluss, dass hier ein Zusammenfall zweier verschiedener Suffixe vorliege; das autochthone Formans -an habe sich mit anderen slawischen und fremden latino-romanischen Suffixen vermischt (Xhuvani/ Çabej 1980: 438). 1.3. -ár Dieses ist eines der wichtigsten Suffixe im Albanischen zur Bildung von Substantiven und Adjektiven. In der GGJSH (2002: 134, 189) wird es als zweitwichtigstes Suffix zur Bildung von nomina agentis, Berufsbezeichnungen und Ethnika sowie zur Bildung von Adjektiven ohne vorangestellten Artikel angeführt, wie bei: argjendar ‘Silberschmied’ < argjend ‘Silber’, gazetar ‘Journalist’ < gazetë ‘Zeitung’, këpucar ‘Schuhmacher’ < këpucë ‘Schuh’, kopshtar ‘Gärtner’ < kopsht ‘Garten’, librar ‘Buchhändler’ < libër ‘Buch’, lopar ‘Kuhhirte’ < lopë ‘Kuh’, kundërshtar ‘Gegner’ < kundër ‘gegen’, fshatar ‘Bauer’ < fshat ‘Dorf’, qytetar ‘Bürger’ < qytet ‘Stadt’, gjakovar ‘Einwohner von Gjakova’, kosovar ‘Kosovare’, bregdetar ‘an der Küste liegend’ < bregdet ‘Meeresküste’, mesjetar ‘mittelalterlich’ < mesjetë ‘Mittelalter’ etc. Mit der gleichen Funktion wird es auch in anderen Balkansprachen verwendet, aber uns interessieren hier vor allem rumänische Beispiele wie: @cu itar, -i: 1. Persoan care face sau vinde cu ite sau alte instrumente de t iat. 2. (Fam.) Scandalagiu gata s scoat cu itul în timpul unei certe sau al unei înc ier ri¨ (DEX 1975: 224) sowie aurar, brânzar, buc tar, cizmar, <?page no="134"?> Ina Arapi 126 gîscar, pantofar, p s rar ‘1. Vogelzüchter, -fänger; 2. (zool.) Roter Milan’, pungar, BituchYar ‘Einwohner von Bituch©’ etc. (Pascu 1916: 81). Es erscheint schon bei Buzuku, und zwar sowohl als adjektivisches Suffix beim fem. Adjektiv kurvare ‘ehebrecherische’ (127b) zum mask. Adjektiv kurvar ‘ehebrecherisch’ < kurvë ‘Hure’ (289b) als auch beim Substantiv tregëtar ‘Kaufmann’ < tregëti ‘Handel’ (335 a und b) wie auch bei Bardhi: Sutor, calzolaio ‘kapuc r’ (2008: 168, 29); Litteratus, letterato ‘letër r’ (49, 20) etc.; und bei Bogdani: Deetaretè ‘Marinari’ (I 142, 1); letteraar ‘Letterato’ (II 49, 17). Xhuvani/ Çabej (1980: 444) akzeptieren die allgemeine Meinung (Meyer, Jokl, Weigand, Jordan, Pascu, Sandfeld) über eine Herkunft aus dem lateinischen Suffix -arius, betonen aber, dass es ein solches Suffix auch im Illyrischen gegeben habe, wie es bei Stammes- und Personennamen wie Audarus, Langarus, Leucaros, Masaros zu sehen ist. Daher wäre für sie eine Vermischung des authochtonen Suffixes mit dem lateinischen möglich. 1.4. -arí Xhuvani/ Çabej (1980: 445-6) sprechen hier von einer Erweiterung des Suffixes -ar durch -í und erwähnen Wörter wie bujari ‘Freigebigkeit’, katundari ‘Bauernschaft’, ushtëri ‘Heer’ 6 . Ferner soll -arí eine gewisse Produktivität in der modernen Sprache erlebt haben, indem man es zur Bildung von Berufssparten bzw. von Orten, an denen ein Beruf ausgeübt wurde, gebraucht hat, z.B. argjendari ‘Juwelierladen, Gold-, Silberschmiede’, bletari ‘Bienenzucht’, gazetari ‘Zeitungswesen, Journalismus’, kopshtari ‘Gärtnerei, Gartenbau’, librari ‘Buchhandlung’, pemëtari ‘Obstbau’, vreshtari ‘Weinbau’ etc. 7 . Zum Schluss vergleichen die Autoren das alb. -arí mit dem rum. Suffix - rie bei Wörtern wie brânz rie 'Käserei' < brânz 'Käse', pit rie 'Backstube' < pitar 'Bäcker' etc. Die lexikalische Basis für bujari, katundari und ushtëri sind bujar ‘Adliger’, katundar ‘Bauer’ und ushtar ‘Soldat’. Deutlich sieht man dies auch bei bujarí, welches aus dem slaw. bujar + -í kommt. Auch für das DEX (1975, s.v.) ist pit rie aus pitar + -ie entstanden, im Gegensatz zu brânz rie, das als aus brânz + - rie interpretiert wird. Genauso wird cu it rie („1. Atelier sau pr v lie unde se ascut sau se vînd cu ite sau alte instrumente de t iat. 2. Diferite feluri de cu ite“) als aus cu it + - rie (DEX 1975: 224) abgeleitet (s. 1.3.). Warum dieser Unterschied gemacht wird, ist unklar. De facto sind die angegebenen Beispiele wie oben erwähntes albanisches katundar, ushtar abgeleitete Substantive mit -ar: pitar 'Brotbäcker, -verkäufer', brânzar 'Käsehersteller, -verkäufer', cu itar 'Messerhersteller, -verkäufer'. <?page no="135"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 127 Für Pascu (1916: 183) gehören pit rie und brânz rie mit Recht zur gleichen Kategorie, also durch -ie gebildete Wörter. Es handelt sich hier um das -í, eines der Hauptsuffixe im Albanischen zur Bildung von abstrakten und konkreten femininen Substantiven. Es entspricht dem rum. -íe von z.B. rum. brânz rie oder argint rie. So lassen sich vergleichen rum. bog ie 'Vermögen' mit alb. pasurí 'id.', rum. argint rie 'Silberschmiede' mit alb. argjendarí 'id.', rum. s r cie 'Armut' mit alb. varfërí 'id.'. Das rum. bucuríe 'Schönheit’ könnte als ganzes aus dem Albanischen (s. alb. bukurí 'id.') entlehnt und hier analoge Bildungen motiviert haben. Die Verdunkelung des -awurde sowohl im Rumänischen als auch im Albanischen durch die Akzentverschiebung verursacht (brânz rie ~ ushtëri). Ableitungen mit dem Suffix -i gibt es ebenso viele im Altalbanischen, schon ab Buzuku: gosti ‘Gastmahl’ < gostë ‘id.’ (307b etc.), ushtëri < ushtar 'Soldat' (307b), priftëni ‘Priesterschaft, Klerus’ < priftën 'Priester (Plural)' (349a), regjëni ‘Königreich’ (85b etc.) < regjënj 'Könige', upeshkëpi ‘Bistum’ < upeshkëp 'Bischöfe' (373a). Die Gemeinsamkeiten der beiden Suffixe mit ihren Erweiterungen 8 bedürfen aber weiterer Recherchen, die in diesem Rahmen nicht ausgeführt werden können. Was das Albanische betrifft, wurde schon von Bopp festgestellt, dass hier ein geerbtes Element vorliegt. Das rum. -íe kommt, laut Fischer, auch wenn nicht in direkter Linie, aus dem lat. -ía („bien qu’il n’y ait aucun dérivé provenant directement du latin“; 1989: 35). 1.5. -atë Mit diesem Suffix sind sowohl konkrete als auch abstrakte Substantive gebildet worden. Die ersten sind denominale und deverbale, die zweiten nur deverbale Ableitungen, z.B. çallatë ‘Scharte, Kerbe’ < çallë ‘id.’, flokatë ‘Flokati’ < flok ‘Haar’, dhuratë ‘Geschenk’ < dhuroj ‘schenken’, kafshatë ‘Bissen’ < kafshoj ‘beißen’, kungatë ‘Abendmahl’ < kungoj ‘das Abendmahl reichen’, gjykatë ‘Gerichtshof’ < gjykoj ‘beurteilen’, lëngatë < ‘Krankenlager < lëngoj ‘dahinsiechen’, lëvdatë ‘Prahlerei, Lob’ < lëvdoj ‘loben’, shtrëngatë ‘Sturm’ < shtrëngoj ‘drücken’, uratë ‘Segen‘ < uroj ‘Segen spenden’ etc. Es ist produktiv auch in der Literatursprache durch eigene und fremde Bildungen wie blokatë ‘Blockade’, fushatë ‘Kampagne’ < fushë ‘Feld’, indinjatë ‘Empörung’ < indinjohem ‘sich empören’, shoqatë ‘Gesellschaft, Verein(igung)’ < shok ‘Genosse, Freund’ etc. Auch Fremdwörter, die auf -tion enden, nehmen diese Endung an, z.B. situatë ‘Situation’. Im Rumänischen werden einerseits die Partizipien der im Infinitiv auf -a endenden Verben <?page no="136"?> Ina Arapi 128 oder daraus gebildete Adjektiva mit diesem Suffix gebildet. Pascu gibt folgende Beispiele: A teptat '[ich habe] gewartet' < a a tepta 'erwarten'; Buzat 'mit großen Lippen' < buz 'Lippe'; Înfumurat 'eingebildet' < a înfumura 'sich aufblasen'; Îngîndurat 'in Gedanken seiend' < gînduri 'sich Gedanken machend'; Sprincenat 'mit (starken) Augenbrauen' < sprincean 'Augenbraue'; Adîncat (bei Coresi), Nvirinat ‘întristat’ < (mazedorumänisch/ aromunisch) nvirinedz ‘m întristez’ (1916: 93-95); vor allem aber auch substantivierte Partizipien: la intratul 'beim Hineingehen' < a intra 'hineingehen, eintreten'; sunatul 'das Klingeln' < a suna 'klingeln, ertönen'. Ferner werden auch Abstrakta gebildet wie Celnicat 'Beruf des Großhirten' < celnic 'Großhirte' („1. meseria proprietarulu© de o© 2. mul ime de proprietar© de o©“) < celnic; GYurat ‘jur mânt; Schwur’ < gYur 'ich schwöre'; Judecat 'Urteil' < judec 'ich urteile'; Alunat 'Haselnusshain' = aluni 'id.' < alun 'Haselnussbaum'; (A)umbrat 'Schattenspender' < (a)umbr 'Schatten' (Pascu 1916: 95-98). Xhuvani/ Çabej (452-453) nehmen für das Suffix -atë eher die Herkunft aus dem lat. -ata als -atum an, welches zuerst über lateinische Entlehnungen (wie cannata > kënatë, 452) eingedrungen sei. Sie schließen aber auch eine Vermischung des lateinischen mit einem autochthonen Formans nicht aus. Pascu nimmt für Rumänisch die Herkunft aus dem lat. -atus, -ata an (1916: 97). 1.6. -e 9 Das wichtigste Motionsuffix im Albanischen zur Bildung von femininen Substantiven aus der entsprechenden männlichen Form ist -e, wie bei gjyshe ‘Großmutter’ < gjysh ‘Großvater’, punëtore ‘Arbeiterin’ < punëtor ‘Arbeiter’, shkodrane ‘Einwohnerin von Shkodra’ < shkodran ‘Einwohner von Shkodra’ oder von femininen Adjektiven wie dinake ‘schlaue’ < adj. m. dinak, e pëlqyeshme ‘angenehm, akzeptabel’ < adj. m. i pëlqyeshëm etc. Xhuvani/ Çabej machen keine Angaben über die Verbreitung des Suffixes -e im Rumänischen, das hier zur Realisierung der Motion von nomina agentis dient, und zwar bei Adjektiven auf -tor oder -or wie bei muncitoare 'Arbeiterin' < muncitor, ambasadoare 'Botschafterin' < ambasador etc. Es wird in der GLR (1966: 62) in der Variante -toare, -oare angegeben. 1.7. -ésh Mit diesem Suffix werden im Albanischen Toponyme und Patronyme gebildet wie Bradashesh, Kurpnesh, Martanesh, Zgërdhesh, Grebllesh (Famili- <?page no="137"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 129 enname) etc. Xhuvani/ Çabej (1980: 470-471) vermuten, dass diese entweder aus Eigennamen oder aus Appellativen abgeleitet sind, wie z.B. Martanesh < Martin, Petresh <Petër, Kurbnesh / Kurpnesh < kurpën ‘Klematis’. Hierhin gehört auch das alte Ethnikum Arbnesh / Arbëresh ‘Albaner’. Im Rumänischen sind mit dem Suffix -e einige Adjektive wie etwas gúre ‘Schwätzer’ < gur ‘Mund’, léne ‘Faulenzer, Faultier’ < lene ‘Faulheit, Bequemlichkeit’, aber auch Familiennamen wie (Vlad) _épe gebildet worden (Pascu 1916: 283 v). Die Herkunft dieses Suffixes ist unklar. 1.8. -kë Mit diesem Suffix werden Diminutive, nomina motionis und einige andere Hypokoristika aus Substantiven und Verben abgeleitet wie etwa çupkë ‘kleines Mädchen’ < çupë ‘Mädchen’, fshatarkë ‘Bäuerin’ < fshatar 'Bauer', zuskë ‘Dirne’ < zuzë ‘id.’, korçarkë ‘Einwohnerin von Korça’ < korçar ‘Einwohner von Korça’, Gjokë < Gjon, Gjikë, Lekë, Marikë etc. Es gilt oft als eine dialektale Variante des Motionssuffixes -e, besonders im Südosten des Landes (s. z.B. fshatarkë neben fshatare). Auch Rumänisch kennt diese Bildungsmöglichkeit, um feminine Substantiva auszudrücken: Ferestuic 'kleines Fenster' < ferestúie 'Fenster' (Pascu 1916: 227); neben român auch românc 'Rumänin' < român 'Rumäne' (GLR 1966: 62; -c wird hier als eines der sechs Motionssuffixe angeführt) oder mândrulic '(kleine, also sehr) Geliebte' < mândr 'stolze; Geliebte' etc. Das Suffix taucht bereits bei Bardhi (2008: 54, 13) auf bei Mandra, welches albanisch Gjedhka, also einer 'kleinen Rinderherde' entspräche; und bei Bogdani (1977, I: 79, 3): sheputken’è Kambesè ‘pianta di piedi’ < shëputë 'Fußsohle', mit ehemals diminutiver, später neutraler Bedeutung. Das Suffix ist im Albanischen eher slawischer Herkunft, im Rumänischen eher bulgarischer Herkunft. Xhuvani/ Çabej (1980: 510) stützen sich auf Jokl und Bari und sehen bei Wörtern wie shputkë ‘Fußsohle’, profkë ‘Prahlerei’, shemërkë ‘Mitgattin, Beifrau’ < shemër 'id.' etc. die weibl. Form des heimischen Suffixes -k. D.h. -kë stellt für sie die Vermischung zweier verschiedener Formantia dar. 1.9. -(í)sht Das Suffix -(i)sht (vgl. auch dt. -isch 10 ) ist nach wie vor das wichtigste albanische Suffix, um Adverbien der Art und Weise sowie Sprachbezeichnungen zu bilden (GGJSH 2002: 373), z.B. burrërisht ‘mannhaft’ < burrërí ‘Mannhaftigkeit, Tapferkeit’, njerëzisht ‘höflich, anständig’ < njerëzi <?page no="138"?> Ina Arapi 130 ‘Höflichkeit, Anständigkeit’, absolutisht ‘absolut’ < absolut, gegënisht ‘Gegisch’ < Gegëni ‘Land der Gegen’, toskërisht ‘Toskisch’ < Toskëri ‘Land der Tosken’, gërqisht ‘Griechisch’ < Greqi 'Griechenland', rumanisht ‘Rumänisch’ < Rumani 'Rumänien', vllahisht ‘Walachisch’ < Vllahi, 'Walachei', gjermanisht ‘Deutsch’ < Gjermani 'Deutschland' etc. Es tritt schon bei Buzuku, Matrënga und mehrmals bei Bardhi auf: xhudhisht e gerqisht e lëtishte ‘jüdisch und griechisch und lateinisch’ (Buzuku 1968: 225a). Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 503) dürfte die ursprüngliche Variante dieses Suffixes ein -sht, wie bei liksht ‘schlecht, ungünstig, krank’ < i lik ‘böse’, gewesen sein. Die Variante -isht dürfte durch die femininen Substantive auf -i (wie burrëri) als Ausgangsbasis für die Adverbien entstanden sein. Xhuvani/ Çabej erwähnen auch die bisherigen Meinungen zum Ursprung dieses Suffixes: Für Weigand steht es in Verbindung mit dem rum. -e te bei b rb te te (vgl. alb. burrërisht); Meyer- Lübke und Sandfeld bezweifeln die Meinung Weigands; Graur und Rosetti akzeptieren, dass es um nahestehende Suffixe geht, aber das rumänische Suffix e te kommt für sie aus dem Thrakischen. Meines Erachtens nach zeigen Wörter wie române te, moldovene te < moldovean + -e te, mit der Bedeutung 'auf Moldauisch', fran uze te < fran uz + -e te 'Französisch', italiene te < italian + -e te 'Italienisch', grece te < grec + -e te 'Griechisch' etc., dass es um das gleiche Suffix geht (s. auch Popovici 2006: 183, Fußn. 13). Fischer (1989: 43) meint, -e te entspräche dem Adjektiv auf -esc und komme aus dem lat. -isce. 1.10. -ónjë Mit dem Suffix -ónjë, im Gegischen -ójë, werden Substantive und nomina motionis von Tieren gebildet: beronjë 'eine lange und dünne Schlange’ < ber ‘id.’; shqiponjë ‘Adler’ < shqipe ‘id.’, ulkonjë ‘Wölfin’ < ulk ‘Wolf’, zgërbonjë ‘große Baumhöhle’ < zgarbë ‘id.’ etc. Eine moderne Bildung ist pasojë ‘Folge’ < pas 'hinten' etc. Dieses Suffix entspricht, wie schon von Weigand festgestellt wurde, dem dakorumänischen -oáie und dem aromunischen und meglenorumänischen -oa , -oa e und dient als Motionssuffix in Wörtern wie b rb toaie ‘Frau’ < b rbat oder doftoroaie mit der Bedeutung: „(Pop.) 1. Femeie (b trân ) care vindec bolile cu mijloace empirice. 2. So ie de doctor (1); femeie care practic medicina (DEX 1975: 275)” < doftor 'Doktor'; dann auch porumboaie ‘Täubin’ < porumb 'Taube', erpoaie 'weibl. Schlange, auch fig.’ < erpe '(männliche) Schlange', strigoaie ‘Gespenst’ < strig 'Hexe', <?page no="139"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 131 fito ‘Mädchen’ < f t ‘männlicher Säugling bis Knabe’, lupoa 'Wölfin' < lup 'Wolf'. Das Serbische hat auch ein Suffix -onja. Bardhi übersetzt Lupa, la lupa mit ‘Ulkonja’. Xhuvani/ Çabej (1980: 526) zählen die bisherigen Meinungen über die Herkunft dieses Suffixes auf. Jokl denkt an das lat. -onia. Graur behauptet, das Albanische und das Serbische hätten dieses Suffix aus dem Rumänischen entlehnt. Weil das -onja nur im Serbischen existiert und bei den gleichen Kategorien von Wörtern zu finden ist wie im Albanischen - so entspricht beispielsweise serb. dugonja 'lang, groß' alb. gjatojë ‘id.’ - plädieren Xhuvani/ Çabej für eine serbische Entlehnung aus dem Albanischen in der Zeit als das Gegische noch die Variante -onjë gehabt hat, und lehnen die Meinung von Graur über eine Herkunft aus dem Rumänischen ab. Als unbestätigt finden sie die Meinung von Bari über die Verbindung des alb. -onjë mit dem littauischen -onas (palaidonas) und dem lat. -onis ( CRABRO , - ONIS ) und erinnern an das -onio / -onia im Illyrischen bei den ON und PN wie Aronia, Pelsonia etc. Nach Fischer (1989: 42) entspräche -oáie dem maskulinen -oi und komme aus dem lat. -onea. 1.11. -shór Mit -shór, das in beiden albanischen Dialekten auftritt, sind ganz wenige Adjektive und Substantive gebildet worden wie das adjektivische barkashor ‘mit einem kleinen dicken Bauch’ < bark ‘Bauch’, das fem. Substantiv barkashore ‘Keramiktopf’, das adj. dendëshor ‘sehr dicht’ < (i, e) dendur ‘dicht’, kupshuer / tosk. kupshore ‘Becher’ < kupë ‘id.’, nanshore ‘Amme’ < nanë ‘Mutter’, rrengshor ‘hinterlistig’ < rreng ‘Streich’, trimshor ‘tapferer Mann, Gefolgsmann’ < trim ‘id.’ etc. Es finden sich insgesamt zwölf Eintragungen im rückläufigen Wörterbuch (Snoj 1994: 52, 357). Für das Rumänische stellt Fischer (1989: 41) fest: «très productif, près de 700 dérivés» (Vgl. auch Popovici 2006: 173-4). Xhuvani/ Çabej (1980: 543) akzeptieren die Äußerungen Jokls, wonach kupshore aus dem altrum. cupsoare und das -shor als Konglutinat von sh- + -or aus dieser Sprache komme. Sie erinnern aber an das Wort katërshor 11 ‘viereckig, Viereck’ < katër ‘vier’, welches ihrer Meinung nach durch die Konglutination der alb. Suffixe -sh + -or entstanden sei. Ich denke, dies ist nicht hundertprozentig klar, es könnte genauso aus katër + -shor entstanden sein. <?page no="140"?> Ina Arapi 132 1.12. -tór Eine Variante dieses Suffixes ist -tore mit der Femininendung -e (im älteren Tosk.: -tuar und im Geg. -tuer). Nach -ar und -tar ist es das dritthäufigste Suffix, um nomina agentis und andere Substantive zu bilden, welche in der Regel auch als konvertierte Adjektive gelten 12 . Beispiele sind blegtor ‘Viehzüchter, Hirte’ < blegë ‘Hirtin’, gjahtor ‘Jäger’ < gjah ‘Jagd’, punëtor ‘Arbeiter; arbeitsam, fleißig’ < punë ‘Arbeit’, leshtor ‘behaart’ < lesh 'Haar, Wolle', gjellëtore ‘Wirtshaus’ < gjellë ‘Speise’, pijetore ‘Bierkneipe’ < pije ‘Getränk’ etc. Es wurde schon lange von dem Suffix -tar verdrängt und gilt heutzutage als unproduktiv. Zu vergleichen ist hier das rum. -tor, fem. -toare, mit der gleichen Funktion wie im Albanischen. Gemäß Fischer (1989: 36) ist dieses Suffix das im Rumänischen am häufigsten mit dieser Funktion verwendete: muncitor/ muncitoare 'Arbeiter/ Arbeiterin', cînt tor 'Sänger', croitor 'Schneider', vorbitor 'Redner', emi tor 'Sender', întâmpl tor 'vorkommend', nivelator 'ebnend', privitor 'betrachtend', oft substantiviert wie strecur toare 'Sieb' (DEX 1975: s.v.) etc. Es ist das Suffix der nomina agentis par excellance: „sufixul -tor poate forma de la aproape orice verb numele celui care îndepline te ac iunea (nume de agent): ascult tor, în eleg tor, cititor [...]“ (GLR 1966: 19). Es finden sich mehrere Belege bei allen altalbanischen Autoren, so bei Buzuku (157, b: ) as sherbëtuorë, as sherbëtorenë ‘weder den Diener, noch die Dienerin’, bei Matrënga (215: prespëtorë ‘würdig’), bei Budi (1985, DC, 169: fajëtorëtë ‘die Schuldigen’). Beispiele aus Bardhi (2008: 42, 77, 10, 180, 184) sind die albanischen Bedeutungen ‘Gazëtuer’ für Irrisor, ‘Punetuer’ für Operaius, ‘Kangëtuer’ für Cantor, ‘Gj tuer’ für Venator, ‘Mazatoreja; Kälbin, junge Kuh’ für Vitula etc. Die Herkunft des Suffixes ist umstritten. Bopp vergleicht es mit dem altind. -tar und dem lat. -tor. Die meisten sind für eine lateinische Herkunft. Meyer-Lübke argumentiert, dass das lat. -torem im Albanischen auf das alte heimische Suffix -tor stieß, welches seine Einführung erleichterte (Xhuvani/ Çabej 1980: 551-553). Die Meinung Fischers (1989: 36), der sich auf Graur stützt, ist, dass rum. -tor aus dem adjectiv. lat. -TORIUS komme („ou, avec des difficultés phonétiques, -TªR-, qui aurait abouti à -toare, devenu -tor pour le différencier du fém.“). 1.13. -úrë Man findet dieses Suffix bei den femininen Substantiven pëlhurë ‘Leinen’ (vgl. plaf ‘Wolldecke, Flokati’), lëkurë ‘Haut, Leder’ (vgl. lakur, lakuriq ‘nackt’), und durch Verschiebung des Akzents auf die vorletzte Silbe auch <?page no="141"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 133 bei den Pluralen dhëndurë ‘Schwiegersöhne’ < dhëndër ‘Schwiegersohn’ und zërmurë ‘mehrere Feuer’ < zjarr ‘Feuer’. Die Stellungnahme von Xhuvani/ Çabej (1980: 568-569) ist unklar. Einerseits behaupten sie, dass es dieses Suffix auch im Rumänischen, Italienischen und Griechischen gäbe und bringen folgende Wörter zum Vergleich: atinsur , nach Pascu: '(das) Berühren'; mersur , nach Pascu: 'Gang(art)' (1916: 58); it. chiusura 'das Beenden', verdura 'Gemüse(arten)' etc. Andererseits meinen sie, dies sei ein altalb. Suffix, dessen Ursprung und Verbindung zu den gleichklingenden Suffixen im Rumänischen, Italienischen und Griechischen unklar seien. Meines Erachtens gibt es zwischen albanischem -urë und rumänischem -ur keine Verbindung. Das rum. -ur dient ausschließlich der Bildung von abstrakten und konkreten Substantiven aus dem Partizipium und weicht damit funktionell vollkommen ab. 1.14. -úsh Ein anderes Suffix ist -úshë / -úshe, mit der Femininendung -ë/ -e. Mit diesem Suffix sind Substantive wie babush ‘Papa’ < babë ‘Vater’, djallush ‘Teufelskerl’ < djall ‘Teufel’, drenushë ‘Hirschkuh’ < dre ‘Hirsch’, arushë ‘Bärin’ < ari ‘Bär’, vejushë ‘Witwe’ < e ve ‘id.’, zonjushë ‘Fräulein’ < zonjë ‘Frau’, vogëlush ‘kleines Kind’ < (i,e) vogël ‘klein’, barkushe ‘Herzkammer’ < bark ‘Bauch’ etc. sowie Adjektive wie larush ‘scheckig’ < i larë ‘gefleckt’ gebildet worden. Die meisten davon sind Diminutive. Das Suffix taucht ferner bei vielen Personen- und Ortsnamen auf: Agush, Bardhushe, Ëngjëllushe, Mitrush, Merushe, Tanush, Shegushe, Dobrushë (Dorf in Skrapar) etc. Es kommt mit der gleichen Funktion auch im Rumänischen vor, z.B.: lemnu 'kleines Hölzchen, Zündholz' < lemn 'Holz', c ld ru 'kleiner Kessel' < c ldare 'Kessel', albu (substantiviertes Adj.) ‘Eiweiß’ < alb 'weiß', g lbenu 'Dotter' < galben 'gelb', m nu 'Handschuh' < mân 'Hand', m tu 'Tante' < lat. AMITA (DEX 1975: 495, 130, 23, 365, 531, 534); Andru '(Dim. von Andrei)' < Andrei etc. Bogdani (1977, II: 49, 17) verwendet gjarpènushè ‘weibliche Schlange’, wohingegen der Name Tanush schon im Jahr 1281 erscheint: ducem Ginium Tanuschum albanensem (Xhuvani/ Çabej 1980: 570-571). Letztere Autoren sehen hier ein altes heimisches Suffix, das auch im Illyrischen bei Namen wie Genusus (Fluss), Marusio und Ebusius (ON), Janusioi, Tatusius, Picusus (PN) erkennbar sei. Das neue slawische Suffix soll dann auf das Vorhandene gestoßen sein. Sonst sind die Meinungen über seine Herkunft unterschiedlich. Pascu meint, es sei im Rumänischen aus slawischen <?page no="142"?> Ina Arapi 134 Sprachen gekommen, Pu cariu behauptet, die rumänischen Suffixe -a und -u kämen aus dem Substrat und hätten ihre Funktion durch den Kontakt mit dem Slawischen erweitert. Sandfeld und Fischer widersprechen ihm und Skok sieht seinen Ursprung im illyro-thrakischen *-usius (für Einzelheiten s. Popovici 2006: 137-141). 1.15. -úshkë Damit werden von den femininen Substantiven in der Regel Diminutive und Hypokoristika abgeleitet wie arushkë ‘kleine Bärin’ < arí ‘Bär’, fletushkë ‘Flugblatt, Käseblatt’ < fletë ‘Blatt’, llambushkë ‘kleine Lampe’ < llambë ‘Lampe’, miushkë ‘kleine weibl. Maus, Mäuschen’ < mi ‘Maus’ etc. Analog finden wir im Rumänischen: femeiu c 'Dim. von femeie, Tussi' < femeie 'Frau'. Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 571-572) handelt es sich dabei um eine innere Entwicklung des Albanischen. Das Suffix -ushkë, das meistens eine übertriebene diminutive Bedeutung hat, soll durch die Erweiterung der Wörter auf -ush mit dem nachfolgenden Suffix -kë entstanden sein. Im Rumänischen stammt es, Pascu (1916: 345) zufolge, aus dem Slawischen. 1.16. -zë Mit diesem Suffix werden im Albanischen Diminutive von femininen Substantiven gebildet, z.B. motërzë ‘Schwesterchen’ < motër 'Schwester'. Die Derivate bleiben weiblich. 13 Das -zë kommt auch in mehreren Toponymen vor wie in Fierza, Lajthiza, Preveza, Qyteza etc. Es gibt sehr viele Belege in der altalb. Literatur, angefangen mit Buzuku. In der heutigen Sprache findet das Suffix fast nur in der Literatur und in einigen Mundarten Verwendung (GGJSH 2002: 144). Wie schon von Jokl festgestellt wurde, handelt es sich um ein vererbtes indogermanisches Suffix im Albanischen (Xhuvani/ Çabej 1980: 574 f.). Pascu (1916: 378) sieht hier das einzige albanische Suffix, das auch ins Rumänische hinübergewandert sei und bringt dazu einige Beipiele. Meiner Meinung nach sind einige davon gesichert in Wörtern entlehnt worden, z.B. coac z ‘Preiselbeere’ < alb. kokëzë ‘Köpfchen’, g lbeaz ‘Leberegelkrankheit’ < alb. gëlbazë ‘id.’, pup z ‘Wiedehopf’ < alb. pupëzë ‘id.’ (s. auch DEX 1975: 165, 365, 762) etc. Aber cintezë/ cintéz ‘Buchfink, Fink’ (im DEX 151 mit unbekannter Etymologie angegeben) und toc z ‘caset de muni iuni; Gewehrmagazin, Patronengurt’ (im DEX 1975 nicht verzeichnet) können durchaus rumänische Bildungen sein aus cint- und toc- (Pas- <?page no="143"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 135 cu 1916: 378 f.). Toc z existiert auch im Albanischen mit der Bedeutung ‘Heftel, Schnalle’. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gemeinsamen albanischrumänischen Suffixe heimischer oder unbekannter Herkunft sich durch folgende Merkmale auszeichnen: 1. Sie sind in der Regel hochproduktiv und betreffen wichtige Sparten des Wortschatzes, z.B. konkrete und abstrakte Begriffe, grammatische Motion, Bildung der meisten Adverbien, Diminutive, Ethnika sowie Toponyme und Eigennamen. Besonders hervoruzuheben sind hierbei die Suffixe auf -i, -e, -tor und -isht. 2. Für -an, -kë (< -k + -ë), -ush., fem. -ushë / -ushe denken Xhuvani/ Çabej (1980) an einen eigenen Prozess im Albanischen, nämlich an einen Zusammenfall zweier oder dreier Suffixe unterschiedlicher Herkunft: heimisch, lateinisch-romanisch und slawisch. Für das Rumänische wird in solchen Fällen die slawische Herkunft angenommen. 3. Manchmal geht es, wie z.B. bei argjendar/ argjendarí und argintar/ argint rie, nicht nur um das gleiche Suffix, sondern auch um das gleiche Lexem. Daher die Frage: Sind diese Wörter tatsächlich innersprachlich entwickelt oder wurden sie entlehnt? 2. Suffixe lateinischer Herkunft 2.1. -éshë Dieses Suffix dient als feminines Formans, z.B. in hyjneshë ‘Göttin’ < hyjni ‘Gottheit’, luaneshë ‘Löwin’ < luan ‘Löwe’, Aleshë ‘die Frau von Ali’, bujkeshë ‘Bäuerin’ < bujk 'Bauer', murgeshë ‘Nonne’< murg 'Mönch' uvm. Es ist auch in der Literatursprache produktiv: doktoreshë ‘Ärztin’ < doktor 'Arzt', drejtoreshë ‘Direktorin’ < drejtor 'Direktor', profesoreshë ‘Professorin’ < profesor 'Professor' etc., höchstwahrscheinlich unter italienischem Einfluss. Xhuvani/ Çabej (1980: 472) erwähnen ohne konkrete Angaben einige Autoren, nach denen dieses lateinische Suffix auch bei den Sarakatschanen und in einige rumänische und serbische Dialekte eingedrungen wäre. Im Rumänischen gibt es zwei Suffixe, die dem alb. -eshë entsprechen. Erstens das von Pascu erwähnte -eas , wie in rum. împ r teas , welchem alb. mbretëreshë ‘id.’ Gegenübersteht (1916: 24). Weitere Beispiele für das rumänische Suffix -eas sind: boiereas 'Gemahlin eines Bojaren, adlige Frau', brânz reas 'Gemahlin eines Käseherstellers, Käseherstellerin' ciz- <?page no="144"?> Ina Arapi 136 m reas 'Gemahlin eines Schuherzeugers, Schuherzeugerin', croitoreas 'Näherin', mireas 'Braut', preoteas 'Gemahlin eines Priesters' (vgl. alb. priftereshë ‘id.’) etc. In zweiter Linie erwähnt GLR (1966, I: 62) das Suffix -es , wie in prin es < prin (vgl. alb. princeshë), negres 'eine schwarz(afrikanische) Frau' < negru 'schwarz' etc. Die altalbanische Literatur liefert mehrere Belege. So findet sich z.B. bei Buzuku (281a) die bestimmte Pluralform von mikeshatë ‘die Freundinnen’ (< mikesha), bei Bardhi (2008: 5, 34, 98, 138) z.B: für Amika die Übersetzung ‘mikesha’, für Imperatrix ‘perëndesha’, für pileus turcicus ‘kësulë turkeshë’, für Sacerdotissa die Übersetzung ‘priftënesha’. 2.2. -ét Mit diesem Suffix sind denominale Kollektiva von Pflanzennamen und viele Toponyme gebildet worden, die den Ort bezeichnen, an dem eine Ansammlung bestimmter Bäume oder Pflanzen anzutreffen ist, z.B. arrnjet ‘Walnussbaumwald’ < arrë ‘Walnuss’ und ON wie Kallmet < kallm ‘Schilfrohr’, mëllet < mollë ‘Apfel’, shkorret ‘Dickicht, Gestrüpp’ (auch als ON Shkorret) < shkorre ‘Unterholz, Busch’, shkozet 'Hain aus Hain- oder Weißbuchen'< shkozë ‘Hainbuche, Weißbuche’ etc. Xhuvani/ Çabej (1980: 473) erwähnen keine Parallele im Rumänischen, aber es handelt sich offensichtlich um das gleiche rumänische Suffix in Wörtern wie: br det ‘p dure de brazi; Tannenwald’, castanet ‘p dure de castani; Kastanienwald’ (vgl. alb. kashnjet), prunet (vgl. unten pruni te) 'Hain von Zwetschkenbäumen' etc. Zu anderen semantischen Bereichen, oft singularia tantum zählen beispielsweise das rumänische sunet 'Laut', urlet 'Brüllen', strig t 'Schrei', suflet 'Seele', zâmbet 'Lächeln' etc. Das Suffix kommt aus dem lat.-romanischen -etum, laut Fischer (1989: 35) aus -Ytus, dessen Funktion bewahrt wurde. 2.3. -týrë Es werden damit einige feminine Nomina gebildet wie detyrë 14 ‘Aufgabe, Pflicht’, pagëtyrë ‘Vergütung’ < paguaj ‘bezahlen’, shembëlltyrë ‘Gleichnis, Abbild’ < shëmbëllej ‘ähneln’. Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 553-554) ist dieses Suffix zuerst über lateinische und italienische Wörter auf -tura ins Albanische gekommen wie in fytyrë ‘Gesicht’ < it. factura oder fattura; kreatyrë von creatura usw. Auch im Rumänischen ist das Suffix produktiv in vielen Wörtern wie ar tur 'Sähen, bearbeitetes Land', leg tur 'Abmachung, Bindung, Gebundenes', <?page no="145"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 137 f ptur 'Tat', untur 'Fett' (vgl. alb. yndyrë ‘id.’) etc. Diese Meinung wird auch von Fischer (1989: 34) bestätigt, obwohl für Pascu (1916: 62-63) die rumänischen Suffixe - tur / -itur phonetisch bedingte Erweiterungen des Suffixes -ur sind. In der altalbanischen Literatur finden sich viele Belege, z.B. bei Buzuku: pagëtyrë 'Vergütung' (215a etc.), detyrë 'Pflicht' (175b etc.), fëtyrë 'Gesicht' (337b etc.), shembëlltyrë 'Gleichnis, Abbild' (13a etc.), sherbëtyrë 'Bedienung, Dienst' (51a), letzteres auch bei Bardhi: Shërbëtyrë, shërbëtyra jote 'Deine Bedienung', shërbëturë, pagëtyrë (2008: 76, 150, 159). 2.4. -úc oder -úcë Mit dem Suffix -úc oder -úcë sind Diminutive und selten auch Hypokoristika gebildet worden, z.B. bërruc ‘Hirtenumhang aus Schafspelz’, anscheinend aus berr-i ‘Kleinvieh’; birucë ‘kleines Loch; Gefängniszelle’ < birë ‘Loch’, derkuc ‘Ferkel’ < derk ‘Schwein’, majucë ‘kleine Spitze’ < majë ‘Spitze’; Palucë 'Dim. von Paulus' < Pal 'Paulus', aber auch modern poetuc ‘unbedeutender Dichter’, shkrimtaruc ‘kleiner, unbedeutender Schriftsteller’ etc. Im Rumänischen ist das Suffix weit verbreitet in den Varianten -u / u wie c lu 'Pferdchen' < cal 'Pferd', c ru 'kleiner Wagen' < car ‘Wagen’, c su 'Häuschen' < cas 'Haus', dr gu '(besonders) liebe weibliche Person' < drag 'lieb', gr su 'dicklich' < gras 'fett, dick', b nu 'kleine Münze, Kleingeld' < ban 'Geld', micu 'klein, niedlich' < mic 'klein' usw. Buzuku (385b) verwendet garuc 'nackt' für lakuriq 'id.', und Budi (1985: SC 317) hardhucë 'Eidechse'. Über die Herkunft des Suffixes im Rumänischen ist man sich nicht einig. Nach Pascu (1916: 159) stammt es aus dem it. -uzzo/ -uccio, nach Fischer (1989: 41) wahrscheinlich aus lat. -uceus, während Rosetti sich des lateinischen Ursprungs nicht sicher ist. Xhuvani/ Çabej (1980: 558) schließen sich bedingungslos Vasmer an. Er findet die Quelle des alb. -uc in der venezianischen Variante -uzzo des it. -uccio. 2.5. -úk Mit diesem Suffix sind Substantive und Adjektive gebildet worden, z.B. bajukë ‘ein Wildvogel, ähnlich dem Primitiv’ < bajzë ‘Blesshuhn, Wildente’ 15 , balluke-t ‘Stirnfransen’ < ballë ‘Stirn’, bishtuk ‘Ölfunzel’ < bisht ‘Stiel’, bardhuk ‘weißlich’ < i bardhë ‘weiß’, vjeshtuk ‘im Herbst reifend’ < vjeshtë ‘Herbst’ etc. Auch gibt es einige PN und ON wie Diluke < Dile, Pashuk < Pashk, Vllashuk < Vlash (Dorf in der Nähe von Fier). Für rumänische Beispiele lassen sich anführen: frundzuc 'kleines Blatt (heute: frunzulic )' < <?page no="146"?> Ina Arapi 138 frundz 'Blatt', mândruc 'mândru, iubit; Kosebezeichnung für geliebte Person' < mândru 'Geliebter', puc 'kleiner (Ziegen-)Bock' < ap '(Ziegen-) Bock', so uc 'Dim. von Ehegatte, Kosebezeichnung' < so 'Ehegatte' (Pascu 1916: 131-132) etc. Nach Jokl und Pascu entstammt -uk aus dem vulgärlat. -uccus, kl.latein. -ucceus (Xhuvani/ Çabej 1980: 561). Fischer hingegen (1989: 41) behauptet, dass die Herkunft „incertaine, probablement sl.“ sei. 2.6. -úl / -úle Man findet dieses Suffix bei wenigen Substantiven und Adjektiven wie kaçul ‘(Feder-)Schopf’, kapul ‘Garbenhaufen’, dredhule ‘Wirbel, Strudel’ < dredh ‘drehen’, veshul ‘Weintraube’ < vesh ‘Ohr’, verdhul ‘blass’ < (i, e) verdhë ‘gelb’ etc. 16 Auch Toponyma finden sich, wie Kocul (Dorf in der Nähe von Vlora) oder Mengul (Dorf in Dukagjin). Das Suffix gibt es in allen Balkansprachen. Im Rumänischen ist es archaisch und kommt sehr selten vor wie in br dul ‘un ciomag sau bît mare de brad; grosser Knüppel aus Tannenholz' < brad ‘Tanne, Fichte’; Bujdul ‘Haus in schlechtem Zustand’ < bujd ‘(regional) Haus’ (Pascu 1916: 279) etc. Angenommen wird eine lateinische Herkunft, über das präzise lateinische Suffix hat man sich noch nicht geeinigt. 2.7. -ún, -únë Dieses Suffix kommt im Albanischen besonders selten vor bei Substantiven sowie in bestimmten Nach- und Ortsnamen: bicun ‘Ferkel’ < bic ‘id.’, dhjetun ‘zweijähriger Ziegenbock’ < vjet ‘Jahr’, manun ‘Lämmchen’ (vgl. manar ‘zahmes Lämmchen’ 17 ), Godun (Familienname), Beun (Dorf nahe Vlora), Pajun (Dorf nahe Elbasan) etc. Im Rumänischen ist es genauso selten: c p un ‘Erdbeere’ < c pu ‘id.’ (DEX 1975: 132), iep un 'kleine Stute' < iap 'Stute' (Pascu 1916: 53). Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 565-566) kommt es aus dem Italienischen oder dem venezianischen Dialekt. 2.8. -ýrë Mit diesem Suffix sind nur wenige, meist deverbativ abgeleitete Substantive gebildet, z.B. kalbtyrë 'Verfaultes' < (i,e) kalbët ‘faul’, kapcyrë 'Sprung' < kapërcej ‘überspringen’, mënyrë ‘Art, Weise’ (nach it. maniera), trazyrë 'Vermengung' < trazoj ‘vermischen’. <?page no="147"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 139 Es findet sich schon bei Buzuku, in mëndyrë (63b etc.) und mëxyrë ‘homicidia’ (159a), das an die Bedeutung von mizuer ‘grausamer Mensch; grausam’ und minxore 'id.' herankommt. Es stammt, genauso wie -tyrë aus -túra, aus dem lat. -úra. Das Suffix -ura lebt noch in anderen romanischen Sprachen. Im Rumänischen bildet es konkrete und abstrakte Substantive aus den Partizipien. Hier einige Beispiele von Pascu (1916: 58 f.): ar. ans ritur 'Sprung' < s rit 'gesprungen, Sprung'; cump r tur 'Einkauf', încep tur 'Beginn', înv tur 'Lehre', mirositur ‘Parfum’, mînc tur 'Essen', ruptur 'Riss' etc. Im Allgemeinen sind die gemeinsamen lateinischen oder italienischen Suffixe wenig produktiv gewesen, aber wie bei den slawischen ist auch hier manchmal die Rede von Wörtern des Basiswortschatzes wie detyrë, 'Aufgabe, Pflicht', balluke 'Stirnhaare, Stirnfransen', von Orts- und Personennamen sowie mehreren Diminutiven. 3. Suffixe aus den slawischen Sprachen 3.1. -áç Mit den fem. Suffixvarianten -áçë, best. -áça, und -açe, best. -açja werden Substantive und Adjektive gebildet, z.B. gjembaç ‘Distel’ < gjemb ‘Stachel’, gungaç ‘Buckeliger’ < gungë ‘Buckel’, rrugaç ‘schlecht erzogener Mensch’ < rrugë 'Straße', bigaçe ‘Astgabel’ < bigë ‘id.’, furkaçe ‘Stützer, Pfeiler’ < furkë ‘(Heu)Gabel, Stütze’ etc. Im Rumänischen werden mit dem Suffix -acíu einige Adjektive und Substantive gebildet wie Pîrlac `, welcher erklärt wird als einer „care fur lucruri m runte“, also 'kleiner Gauner' < pîrlesc 'betrüge'; dann auch stîngac ` 'Linkshändler, linkische Person' < stîng 'links'; vac hr nace 'gefräßige Kuh' < hr nesc '(er)nähren'; cal robac ` 'care trage din gre ; Arbeitspferd'; femeie robace 'muncitoare; arbeitssame Frau' < rob 'Sklave'; Gh umac ` Subs., ein Diminutiv zu gh um 'vas de aram de pus ap ; Kupferkanne, Blechkanne'; luptac ` „Fischnetz“ < lupt 'ich kämpfe' etc. (Pascu 1916: 197 f.). Es ist heute unproduktiv. Es stammt aus den slawischen Suffixen -aç, -aça, die eine ähnliche Bedeutung wie das Suffix -aç im Albanischen haben (Xhuvani/ Çabej 1980: 428-429). Pascu akzeptiert die Meinung Pu carius und gibt als Ursprung eine Vermischung aus dem lat. -ax, -acis und slav. -a an (1916: 198). <?page no="148"?> Ina Arapi 140 3.2. -ásh Dieses Suffix ist gut verbreitet und dient zur Bildung von Adjektiven, oft pejorativer Bedeutung: balash ‘mit weißen Flecken (für Tiere)’ < balë ‘weißer Fleck’, larash ‘scheckig, bunt’ < larë ‘Fleck’, gjumash ‘Schlafmütze’ < gjumë ‘Schlaf’, kuqalash ‘rötlich’ < i kuq ‘rot’, mëngjarash ‘Linkshänder’ < (i,e) mëngjer ‘link’, qurrash ‘rotzig’ < qurra ‘Rotz’ etc. Das Suffix gibt es auch im Dakorumänischen und Meglenorumänischen. Es dient zur Bildung verschiedener lexikalischer und semantischer Kategorien: Erstens für Diminutive sowohl von Substantiven als auch von Adjektiven, oft pejorativer Bedeutung wie in autora ‘unbedeutender Autor’, articola 'kleiner, unwichtiger Artikel'; aber auch bei neutraler Bedeutung wie in b ieta 'kleiner Junge' < b iat 'Junge'; copila 'kleines Kind' < copil 'Kind'; cocona 'junger Adeliger' < cocon 'Adliger'; cu ita 'kleines Messer' < cu it 'Messer'; dr g la 'niedlich' < drag 'lieb'; sc una 'kleiner Sessel' < scaun 'Sessel' usw. Zweitens dient es zur Bildung von nomina agentis: biserica 'Mann der Kirche' < biseric 'Kirche', cerceta 'Pfadfinder' < cerceta 'suchen', chiria 'Mieter' < chirie 'Miete', druma 'Reisender' < drum 'Weg', pr v lia 'Eigentümer oder in einem Geschäft arbeitende Person' < pr v lie 'Geschäft', industria 'Industrieller' etc. Es gibt auch Eigennamen auf -a wie z.B. Grigora . Eine gemeinsame Herkunft ist unsicher. Fischer kommentiert den Ursprung des Diminutivsuffixes -a als unklar (1989: 41). Für Pascu kommt es aus dem Slawischen (1916: 351). Auf Grund der gemeinsamen Funktion wird für das alb. -ásh eine Herkunft aus dem Slawischen angenommen (Xhuvani/ Çabej 448). 3.3. -áshkë Das Suffix ist ein Konglutinat von -ásh und -kë. Es wird manchmal zur Bildung von Diminutiven verwendet, wie in dorashkë ‘Handschuh’ < dorë ‘Hand’, grykashkë ‘Lätzchen’ < grykë ‘Kehle’ etc. Heute ist es nicht mehr produktiv. Pascu (1916: 298) zufolge würde es in seltenen Fällen auch im Rumänischen verwendet, häufiger bei Hypokoristika wie Dumitra cu, Iona cu, P tra cu etc. Xhuvani und Çabej (1908: 449) nehmen eine slawische Herkunft an. 3.4. -çe Das Suffix wird bei einigen wenigen mundartlichen Diminutiven und Pejorativen verwendet, wie in birçe ‘junger Mann, Sohn; verzogenes Kind’ <?page no="149"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 141 < bir ‘Sohn’, nipçe ‘Enkerl, kleiner Neffe’ < nip ‘Enkel, Neffe’. Hier sind auch einige Eigennamen wie Braçe < Braho anzuführen. Es ist im Toskischen wie im Aromunischen aus dem Bulgarischen entlehnt, wie folgende Wörter belegen: mulluriçe ‘kleines Maultier’, këlëvuçe ‘kleine Hüte’, bukutiçe ‘Stückchen’, tërtiç ‘Sackel’. 18 Für das Gegische nehmen Xhuvani/ Çabej (1980: 459) 19 eine serbische Etymologie an. 3.5. -éc Auch dieses Suffix dient zur Bildung von Diminutiven und Pejorativen wie burrec ‘kleiner und hässlicher Mann; Feigling’ < burrë ‘Mann’, von gewöhnlichen Substantiven wie shtypec ‘Stössel’ < shtyp ‘zerbröckeln’ oder von Toponymen und Patronymen wie Zvërnec (Dorf nach Vlora), Kolec. Einige Wörter auf -ec wie memec 'Taubstummer', kastravec 'Gurke' oder pijanec 'Trinker' sind Entlehnungen aus slawischen Sprachen. Im Rumänischen ist das Suffix stärker verbreitet: brâne 'Dim. von brâu 'Gürtel', dünner Gürtel', drume 'Reisender' < drum 'Weg', b trâne 'betagt' < b trân 'alt (für Menschen)' etc. Es erscheint schon bei Buzuku in dem Wort turmec 'Sperling, Spatz', mit der Pluralform turmeca 'Sperlinge' (21a, 361a zweimal) und bei Bardhi (2008: 84, 136). Das Modernalbanische kennt beispielsweise trumcak ‘Sperling, Spatz’. Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 463-464) hätte das Albanische dieses Suffix aus dem Bulgarischen entlehnt, in welchem es weit verbreitet sei. 3.6. -ícë Mit diesem Suffix werden eine Reihe von Diminutiven, Motionsbildungen und andere Wörter gebildet wie rrugicë ‘Gasse, Gässchen’ < rrugë ‘Straße’, buallicë ‘Büffelkuh’ < buall ‘Büffel’, magjistricë ‘Zauberin’ < magjistar ‘Zauberer’, pakicë ‘Minderheit, kleine Menge’ < (adv.) pak ‘wenig’, shumicë ‘Mehrheit, große Menge’ < (adv.) shumë ‘viel’, tepricë ‘Rest, Überfluss’ < (adv.) tepër ‘zuviel’ etc.; aber auch einige ON wie Nivicë, Kapshticë etc. Im Rumänischen ist es ein sehr häufiges Suffix: chei < cheie 'Schlüssel', linguri < lingur 'Löffel', porti < poart 'Tor' oder dasc li , doctori , pictori , zei . Es dient auch zur Bildung von PN wie Ioni , Lumini a etc. Als Derivationssuffix habe ich bei Buzuku nichts gefunden, jedoch zwei slawische Wörter auf -icë: shojnicë (105b) ‘Getreidespeicher’ aus dt. Scheune und riznicë ‘Opferkasten’ (209a, 357a). Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 488) stammt das Suffix aus dem slawischen Motionssuffix -ica. <?page no="150"?> Ina Arapi 142 3.7. -íç(ë ) Das Suffix dient zur Bildung einer weniger Diminutive und Pejorative wie barkiç ‘Dickbauch’ < bark ‘Bauch’, gomiç ‘albern’ < gom ‘Esel’ und hardhiçë ‘Eidechse’ (vgl. hardhucë ‘id.’). Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 489) gehören hierher auch kërriç ‘Eselsfüllen’ < kërr ‘Esel’ und gaviç ‘Tretfass, Weintrotte’. Stärker verbreitet ist die Erweiterung -içkë < -iç + -kë wie bei deriçkë ‘kleine Tür’ < derë ‘Tür’, guriçkë ‘Steinchen’ < gur ‘Stein’, koriçkë ‘kleine Brotrinde’ < kore ‘Brotrinde’ etc. Die rumänische Parallelform -icíu war viel produktiver und hat eine Reihe von Diminutiven und anderen Substantiven gebildet wie Misuriciu 'kleiner Teller' < misur 'Teller'; P durice 'kleiner Wald' < p dure 'Wald'; P c liciu 'Täuscher, Witzbold' < p c li 'übers Ohr hauen, betrügen'; Tremuriciu < 'tremblement, frisson; Erbeben' < tremur 'ich zittere' (Pascu 1916: 325 f.). Das Suffix ist slawischer Herkunft. 3.8. -ík Das Suffix ist nicht sehr produktiv im Albanischen. Es dient zur Bildung einiger Adjektive und Substantive wie z.B. jetik ‘lebensnotwendig’ < jetë ‘Leben’, thatik ‘dürrer Mensch’ < (i,e) thatë ‘dürr’, moçalik ‘sumpfig’ < moçal ‘Sumpf’, zhapik ‘Smaragdeidechse’ < zhapi ‘id.’ etc.; sowie von einigen ON slawischer oder türkischer Herkunft wie Belik, Cërrik, Leskovik, Sopik etc. Die meisten Derivate auf -ik sind nur regional verbreitet. Zu modernen Wörtern auf -ik und -ikë gehören artistik, demokratik, ekonomik, gramatikë, fizikë aus den romanischen Sprachen. Da die Wörter auf -ik meistens in Nordalbanien verwendet werden, und die ON slawisch sind, sprechen sich Xhuvani/ Çabej (1908: 490) für eine serbische Herkunft dieses Suffixes aus, betonen aber, dass es auch in Illyrischen ON, Stammesnamen und PN auf -ik gegeben habe wie Cliticus, Juricus, Iutossica etc. Das Gleiche behaupten sie auch für das rumänische Suffix -íc. Für Pascu (1916: 169 f.) ist das rum. Suffix -ic, weibl. -ic , mit seinen Erweiterungen - ic und - ic allerdings geerbt und hätte eine ganze Reihe von Diminutiven der entsprechenden Primitive und anderen Wörtern gebildet, z.B. buc ic 'Stückchen' < bucat 'Stück', cîmpic 'kleines Feld' < cîmp 'Feld', fitic 'kleines Mädchen' < feat , l ptic 'Dim. von Milch' < lapte, m mic 'Mütterchen' < mam , p tic 'Bettchen' < pat, prunic 'kleiner Zwetschkenbaum' < prun, (adj.) singuric 'einsam' < singur, t tic 'Dim. von Vater' < tat etc. Dieses Suffix kommt oft auch in Eigennamen vor wie in Anica < Ana, Costic < Coste, Ionic < Ion, Petric < Petru etc. Nach Fischer <?page no="151"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 143 ist die Herkunft des Suffixes nicht eindeutig („origine discutée“), es sei „productif“ und dies „surtout pour le fém. -íc “ (1989: 40). 3.9. -ínë Mit diesem Suffix werden viele Substantive gebildet, oft Bezeichnungen von Naturlandschaften: çmendinë ‘Irrenanstalt’ < çmend ‘verrückt machen’, djerrinë ‘Brachland’ < djerr ‘id.’, kodrinë ‘kleiner Hügel’ < kodër ‘Hügel’, luginë ‘Tal, Schlucht’ < lug ‘kleines Tag’, rrafshinë ‘Flachland’ < rrafsh ‘id.’, shkretinë/ shkretirë ‘Einöde’ < (i,e) shkretë ‘verlassen’, godinë ‘Gebäude’ < godis ‘bauen’, greminë ‘Abgrund’ < gremis ‘hinabstürzen’, rrethinë ‘Umkreis’ < rreth ‘Kreis’ etc., oder ON wie Prishtinë, Rrogozhinë, Smokthinë etc., alle slawischer Herkunft. Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 497-498) sind die meisten albanischen Namen auf -inë unter dem Einfluss slawischer Wörter mit der gleichen Bedeutung entstanden, wie bulg. dolina 'Tal' < dol 'id.' (vgl. alb. luginë 'id.'), bulg. rav’nina 'Ebene' (vgl. alb. rrafshinë 'id.'). Das dürfte stimmen, weil das slawische Wort bashtinë ‘Erbhof, Erbbesitz’ schon in einem Dokument aus dem Jahr 1462 erscheint, welches auch den ersten Beleg der albanischen Sprache enthält, eine Taufformel (Shamku-Shkreli 2009). Buzuku verwendet das Wort oft (63b, 237a, 279a, 355a). Das Suffix gibt es auch im Rumänischen, wie z.B. in ba tin ‘originar, din mo -str mo ; Ursprung’. In der rumänischen Parallele -in/ -in sieht Pascu (1916: 206 f.) einen Zusammenfall zweier Suffixe: eines lateinischen und eines slawischen Suffixes, welches vor allem Augmentativa und Kollektiva bildet und durch Worte wie gr din 'Garten', sl nin 'Speck' etc. eingedrungen sei. Hier einige rumänische Derivate: b ltin 'kleiner Sumpf' < balt 'Sumpf, Schlamm', f tocin '(physisch) großes Mädchen' < f toc 'id.', lumin 'Licht' < lume 20 'Welt und (Augen)Licht', stîrvin 'toter Tierkörper' < stîrv 'id.', stupin 'eine Anzahl von Bienenstöcken, die gesamte Anlage eines Imkers' < stup 'Bienenstock', codin 'Schwanzhaare' < coad 'Schwanz' etc. 3.10. -íshtë / -íshte Es werden damit meistens Kollektiva gebildet, die den Ort zeigen, an dem sich eine Mehrheit der von dem Primitivwort bezeichneten Dingen befindet, wie etwa ahishtë / ahishte ‘Buchenwald’ < ah ‘Buche’, ranishtë / ranishte ‘sandiges Ufer’ < ranë ‘Sand’, lulishte ‘Park’ < lule ‘Blume’, punishte ‘Werkstatt’ < punë ‘Arbeit’ etc. Auch zur Bildung von ON wurde das Suffix <?page no="152"?> Ina Arapi 144 verwendet, wie bei Bilisht, Blinisht etc. Zu vergleichen ist hier das rumänische, nicht immer den Akzent tragende Suffix -i te: ar. C st i te 'loc plin de coj© de castane' < castan 'Kastanie', F uri te 'Schmiede' < fáur 'Schmied', Lini te 'Ruhe, Stille' < lin 'ruhig, still', Pruni te 'Pflaumenhain' < prun 'Pflaume', R ri te 'loc într-un p dure în care copaci© sunt rar©; r ritur în pînz ; undichter Wald, undichte Stelle' < rar 'selten' etc. (Pascu 1916: 250- 252). Schon Bardhi (2008: 76) gibt für die Lexeme Oletum und Olivetum die Bedeutung ‘ull shtë’ an 21 . Xhuvani und Çabej (1980: 505) stellen eine Herkunft aus dem Südslawischen fest, in dem es mit der gleichen Bedeutung verwendet wird. Für sie hat dieses Suffix die gleiche Funktion wie das vorslawische Suffix -shtë in vjeshtë 'Herbst' < vjel 'lesen, pflücken, ernten' + -shtë oder kashtë 'Heu' < kalli 'Ähre' + -shtë, mit dem es sich vermischte. Diese Kontamination wird von einigen parallelen Bildungen belegt wie z.B. ashtë 'Buchenwald' < ah + -shtë und ahishte 'id.' etc. (Xhuvani/ Çabej 1980: 544). 3.11. -mán / -amán Mit diesem Suffix werden aus Substantiven, die oft ein moralisches oder physisches Merkmal zeigen, Adjektive mit hauptsächlich pejorativer Bedeutung gebildet, z.B.: çalaman ‘hinkend’ < çal ‘Hinkender’, fjalaman ‘schwatzhaft’ < fjalë ‘Wort’, frikaman ‘feige’ < frikë ‘Angst’, laraman ‘gescheckt’ < larë ‘Fleck’, pordhaman ‘Furzer, fig. Angsthase’ < pordhë ‘Furz’, qurraman ‘rotznäsig’ < qurra ‘Nasenschleim’, rreckaman ‘zerlumpt, in Fetzen angezogen’ < rrecka ‘Lumpen’, trashaman ‘dick’ < (i,e) trashë ‘id.’ etc. Vereinzelte Bildungen mit -oman gibt es auch im Rumänischen wie das Adjektiv Gogoman 'prost; blöd' < alb. gogâ ‘ungeschickter Mensch’; Grosoman 'grossier; flapsig, plump, ungebildet' < gros 'dick' etc. (Pascu 1916: 340). Für das Rumänische wurde sowohl das Griechische als auch das Slawische als Ausgangsbasis angenommen. Xhuvani/ Çabej (1980: 515) bevorzugen für das Albanische eine slawische Herkunft. Boretzky lehnt diese Meinung ab. Er sieht keinen Grund für eine Annahme einer Entlehnung aus dem Slawischen, da dieses Suffix in keiner slawischen Sprache produktiv gewesen sei (1975: 268). <?page no="153"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 145 3.12. -ník Mit dem Suffix -ník/ feminin -níke werden Substantive und Adjektive gebildet wie drithnik ‘Getreidebehälter, Getreidespeicher’ < drithë ‘Getreide’, misërnike ‘Maisbrot’ < misër ‘Mais’, petanik ‘Börek mit Blätterteig’ < peta ‘Blätterteig’, fisnik ‘adlig, vornehm, edel’ < fis ‘Sippe’ etc. sowie einige ON wie Dushnik < dushk ‘Eiche’, Ujanik < ujë ‘Wasser’ etc. Auch im Rumänischen findet sich das Suffix, allerdings unakzentuiert: Cásnic/ cásnic wird im DEX (1975) erklärt als: „Adj. 1. Care ine de cas , de gospod rie 2. Care î i petrece timpul liber acas , în familie. S.f. Femeie care se ocup numai cu gospod ria”, < cas 'Haus'; Datornic 'jmd. etwas schuldig sein' < datoresc 'ich schulde'; Gu nic - eine cerfeuil bulbeux (Pflanze) < gu 'Hals'; Pa nic 'Wächter' < pace 'Frieden'; Puternic 'kraftvoll' < putere 'Gewalt' etc. (Pascu 1916: 335-336). Das Suffix erscheint mehrmals in der altalbanischen Literatur, so bei Bardhi, der uns für Nobilis die Übersetzung ‘fisnik’, und für Stipendialis und Stipendiarius ‘haraçnik’ < haraç (2008: 66, 159) gibt, sowie bei Bogdani: me besnikët e trima ungjerë ‘mit den treuen und tapferen Ungarn’ < besë ‘Ehrenwort, Treue’ (1977: Pleqënia, S. 2). Dieses Suffix ist charakteristisch für die slawischen Sprachen und über die vielen slawischen Wörter auf -nik auch ins Albanische und Rumänische eingedrungen (Xhuvani/ Çabej 518-519). 3.13. -ók Das Suffix -ók dient zur Bildung von Substantiven und Adjektiven. Einige Substantive sind Augmentative, die vor allem das Tiermännchen bezeichnen wie harrok ‘unkastrierter Ziegenbock’ (vgl. hakrri ‘Paarungsbereitschaft’); misërok, fem. misëroke ‘Truthahn’ < Misir ‘Ägypten’; tarok ‘Jungbulle, Jungstier’ < ter ‘Stier, Bulle’; mjeshtërok ‘ungehobelter Mensch’ < mjeshtër ‘Meister’ etc. Die Adjektive haben oft eine pejorative Bedeutung: bardhok ‘weißlich’ < (i,e) bardhë ‘weiß’, çalok ‘hinkend’ < (i,e) çalë ‘id.’, malok, fem. maloke ‘Hinterwäldler(in)’ < mal ‘Berg’ etc. Hierher gehören auch das Hypokoristikum Palokë < Pal und der Familienname Biçok. In analoger Weise dienen im Rumänischen Derivate auf -oc, fem. -oac / -og, -oag als Substantive und Adjektive mit diminutiver oder augmentativer Bedeutung, z.B.: Hâr og/ hâr oag , erklärt als “(Despr.) Hârtie scris , document, act (vechi sau f r valoare)”, also 'unbedeutendes Papier' < hârtie 'Papier' (DEX 1975: 404); Mînzoc 'ein Fohlen von zwei bis drei Jahren' (DEX 1975: 559) < mînz 'männliches Fohlen'; F toc 'physisch großes Mädchen' < fat 'Mädchen'; bosmoag , eine “comédie, dr covenie” < bas- <?page no="154"?> Ina Arapi 146 mu/ basm 'Märchen'; blîndoc 'Dim. des Adjektivs weich, mild' < blind; oder das augmentative Adjektiv m roc 'foarte mare; sehr groß' < mare 'groß'; sl b nog ‘lipsit de putere; schwächelnd’ < slab 'schwach' etc. (Pascu 1916: 212-215). Xhuvani/ Çabej (1980: 523) erwähnen Jokl, der für eine Herkunft aus dem vulgärlateinischen Suffix -ucceus von -uceus plädiert, schließen sich aber Bari an, nach dem einige Wörter auf -ok im Albanischen Entlehnungen aus slawischen Sprachen seien. Auch im Rumänischen dürfte das lateinische -oc mit den slawischen Suffixen -ok und -og vermischt sein (auch Pascu 1916: 216). 3.14. -óvinë Dieses slawische Suffix erscheint extrem selten im Südosten Albaniens bei femininen Substantiven wie baltovinë ‘ein matschiger Ort’ < baltë ‘Schlamm, Matsch’, zorrovinë ‘ein extrem langes und hässliches Ding’ < zorrë ‘Darm’ etc. Plausibel ist die Herkunft aus dem Bulgarischen (Xhuvani/ Çabej 1980: 535). Für Rumänisch gibt Pascu (1916: 277) das einzige Derivat ciorovin mit der Bedeutung „porecl la adresa Šiganilor“ < cioar 'Krähe' an. Im DEX (1975: 153) steht aber mit der gleichen Bedeutung cioropin < cioroi + arap. Das Suffix kann durch Wörter wie Bucovina < slv. Bukovina 'forêt de hêtres; Buchenwald' ins Rumänische gekommen sein (Pascu ib.). Xhuvani/ Çabej stellen insgesamt 168 Suffixe vor, 32 davon slawischer Hekunft. Knapp die Hälfte dieser slawischen Suffixe, d.h. vierzehn, hat das Albanische mit dem Rumänischen gemeinsam. 22 Diese sind alphabetisch geordnet: -aç, feminin -açë, -ash, -ashkë, -çe, -ec, -icë, -içë, -ik, -inë, -ishtë / -ishte, -man / -aman, -nik, -ok, -ovinë. Viele Suffixe wie -ash, -ashkë, -ec, -icë -içë und -man etc. werden hauptsächlich zur Bildung von Diminutiven und Pejorativen herangezogen. Für die gemeinsamen slawischen Suffixe mit dem Rumänischen sind im Albanischen folgende Merkmale charakteristisch: • Sie sind relativ leicht identifizierbar. • Sie sind sehr zahlreich. Es sind zweimal so viele als die aus dem Latein stammenden und neunmal so viele wie die aus dem Türkischen stammenden. • Sie sind wenig produktiv, d.h. es werden in der Regel wenige Derivate gebildet. Dennoch sind hierbei eine Reihe von Wörtern zu nennen, die zum Basiswortschatz gehören und daher eine sehr hohe Frequenz haben wie: gjumash 'Schlafmütze', dorashkë 'Handschuh', nipçe 'Enkerl, <?page no="155"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 147 Neffe', punishte 'Werkstatt', rrugicë 'Gasse', pakicë 'Minderheit, kleine Menge', shumicë 'Mehrheit, große Menge', tepricë 'Übrigbleibsel', jetik 'lebensnotwendig', kodrinë 'Hügelchen', greminë 'Abgrund', godinë 'Gebäude', lulishte 'Park', fjalaman 'geschwätzig', rreckaman 'Zerlumpter', besnik 'treu', fisnik 'adelig, edel', malok 'Hinterwäldler' uvm. Die Produktivität der Suffixe -ok und -ovinë beschränkt sich auf ca. ein Dutzend Wörter. • Sieben Suffixe (-ash, -ashkë,ec, -icë, -içë, -man, -ok), wurden im Albanischen vor allem zur Bildung von Diminutiven und Pejorativen verwendet. • Die meisten sind nur regional oder dialektal verbreitet. Nur wenige betreffen die gesamtalbanische Sprache. • So wie alle slawischen Suffixe im Albanischen, kommen sie im Toskischen fast immer aus dem Bulgarischen und im Gegischen aus dem (Alt)Serbischen. 4 Suffixe türkischer Herkunft 4.1. -llëk Es wird zusammen mit den Varianten -llik, -lluk und -lik fast ausschließlich in der Umgangssprache verwendet und ist in der geschriebenen Sprache verpönt. Die Bildung von konkreten und abstrakten Substantiven im Albanischen wird v.a. durch viele Entlehnungen aus dem Türkischen induziert, z.B.: gomarllëk ‘Dummheit’ < gomar ‘Esel’, njerëzillëk ‘Höflichkeit, Anstand’ < njerëzi ‘id.’, nikoqirllëk ‘Sparsamkeit’ < gr. nikoqir ‘guter Haushälter’, karshillëk ‘Herausforderer’ < slaw. karshi ‘gegenüber’. Das Suffix erscheint bereits bei Bogdani (1977, I: 36, 18): “té sgjanohej Perendillëku i tijnaj ‘sia anche facile stendersi il suo imperio’” (s. auch Xhuvani/ Çabej 1980: 514-515). So wie in anderen Balkansprachen, ist dieses Suffix auch im Rumänischen in erster Linie über die vielen türkischen Wörter bekanntgeworden. Zu ihnen zählen z.B. ciflic, das als „Mic mo ie sau ferm ; conac (de mo ie)“ erklärt wird (DEX 1975: 149) oder babalîc ' vieillard; Greis', geamlic 'vitrage; Glaswand', caraghioslîc 'Narretei, Spaß' (s. auch Pascu 1916: 407 f. und Fischer 1989: 36). <?page no="156"?> Ina Arapi 148 4.2. -xhí / -çí Mit diesem Suffix sind im Türkischen eine Reihe von nomina agentis abgeleitet worden, die als solche auch ins Albanische eingedrungen sind, z.B.: bojaxhi ‘Anstreicher’, daullexhi ‘Trommelspieler’, fajdexhi ‘Wucherer’, han-xhi ‘Herbergsbesitzer’, kumarxhi ‘Glücksspieler’, qiraxhi ‘Mieter’ etc. Wenn das Grundwort auf einen stimmlosen Konsonanten endet, wird es mit der Variante -çi kombiniert, wie bei batakçi ‘Betrüger’, bixhosçi ‘Kartenspieler’. Das Suffix -xhi wurde im Albanischen produktiv in Derivaten wie mask. arixhi, fem. arixheshë ‘Zigeuner(in)’ < ari ‘Bär’; furrëxhi/ furraxhi, fem. furrëxheshë ‘Bäcker(in), Brotverkäufer(in)’ < furrë ‘Ofen’, plehraxhi ‘Müllman, Straßenkehrer’ < plehra ‘Müll’, sharrëxhi ‘Säger’ < sharrë ‘Säge’ etc. In der Regel wurden damit im Albanischen, so wie im Türkischen, Berufsbezeichnungen gebildet. Manche Handwerksbezeichnungen sind besonders in den Städten zu Nachnamen geworden: Duhanxhiu < duhan 'Tabak', Jorganxhiu '(ursprünglich) Deckenhersteller' < jorgan 'Wattedecke', Sahatçiu '(ursprünglich: Uhrmacher)' < sahat 'Uhr' etc. (Xhuvani/ Çabej 1980: 572-73). Im Rumänischen verläuft es ähnlich. Mit -gíu/ -agíu werden vor allem nomina agentis gebildet, wie Duelgiu 'jemand, der sich ständig duellieren will' < duel 'Duell', Laptagiu 'Milchmann' < lapte 'Milch', Cosagiu 'Mäher' < cos 'Mahd', Reclamagiu 'jemand, der ständig reklamiert' < reclam 'Werbung', Scandalagiu 'Radaubruder' < scandal 'Skandal' (Pascu 1916: 410-411; für duelgiu und reclamagiu s. auch DEX 1975: s.v.). Dieses Suffix tritt auch in anderen Balkansprachen auf. Die gemeinsamen türkischen Suffixe mit dem Rumänischen sind nur zwei: -llëk und -xhi. Sie sind auch heutzutage produktiv, werden aber fast nur umgangssprachlich benützt, und die mit ihnen gebildeten Derivate haben oft eine negative Konnotation. Mann kann annehmen, dass sie ursprünglich durch die vielen türkischen Wörter mit diesen Suffixen bekannt und erst später an albanische Grundwörter angehängt wurden. 23 Deswegen muss zwischen den türkischen Entlehnungen und den albanischen Derivaten auf -llëk und -xhi unterschieden werden. Eine Anpassung zeigt die Entwicklung der Varianten -llik, -lluk und -lik in beiden Sprachen. Altalbanische Textquellen Buzuku (1555) = Çabej, Eqrem. 1968. “Meshari” i Gjon Buzukut (1555). Botim kritik. II. Tiranë. Zitiert wird nach Seite und Spalte: die linke mit a, die rechte mit b. <?page no="157"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 149 Budi (Roma 1618) = Svane, Gunnar. 1985. Pjetër Budi. Dottrina Christiana. Århus. Zit.: DC. Bardhi (Romae 1635) = Demiraj, Bardhyl. 2008. Dictionarium latino-epiroticum una cum nonnullis usitatioribus loquendi formulis per R. D. Franciscum Blanchum. Shkodër. Bogdani (Patavii 1685) = Bogdani, Pjetër. 1977. Cuneus Prophetarum. München. Zitiert wird nach Teil, Seite und Paragraphnummer. Matrënga (Roma 1592) = Matzinger, Joachim. 2006. Der altalbanische Text [E] Mbsuame e Krështerë (Dottrina cristiana) des Lekë Matrënga von 1592. Eine Einführung in die albanische Sprachwissenschaft. Dettelbach. 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Morfologjia [Grammatik der albanischen Sprache. I. Die Morphologie]. Tiranë. Shtypshkronja „Maluka“. Zit.: GGJSH Akademia e Shkencave e Shqipërisë (Albanische Akademie der Wissenschaften). Hysa, Enver. 2004. Formimi i emrave me ndajshtesa në gjuhën shqipe. [Die Bildung der Substantive mit Affixen im Albanischen]. Tiranë. Shtypshkronja „Mësonjëtorja“. Akademia e Shkencave e Shqipërisë (Albanische Akademie der Wissenschaften). Thomai, Jani et al. 2005. Fjalor sinonimik i gjuhës shqipe [Wörterbuch der albanischen Synonyme]. Tiranë. Shtypshkronja „Mësonjëtorja“. Akademia e Shkencave e Shqipërisë. Buxheli, Ludmilla. 2008. Formimi i foljeve në gjuhën e sotme shqipe. [Die Verbbildung in der heutigen albanischen Sprache]. Tiranë. Shtypshkronja „Kristalina-KH“. Beyrer, Arthur/ Bochmann, Klaus/ Bronsert, Siegfried. 1987. Grammatik der rumänischen Sprache der Gegenwart. VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig. Boretzky, Norbert. 1975. Der türkische Einfluss auf das Albanische. Teil 1. Phonologie und Morphologie der albanischen Turzismen. Albanische Forschungen. Band 11. Wiesbaden. Otto Harrassowitz Verlag. <?page no="158"?> Ina Arapi 150 Buchholz, Oda / Fiedler, Wilfried / Uhlisch, Glerda: 1977. Wörterbuch Albanisch- Deutsch. VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig. Demiraj, Shaban. 1986. Gramatikë historike e gjuhës shqipe [Historische Grammatik der albanischen Sprache]. Tiranë. Shtëpia Botuese „8 Nëntori“ (Verlag „Der 8. November“). Siehe auch die gekürzte Version: Demiraj. Sh. Historische Grammatik der albanischen Sprache. 1993. Wien. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ekmekçiu, Ali und Behushi, Nazmie. 2001. Albanisch-Deutsches Wörterbuch. Tiranë, Verlag Toena. Fischer, Iancu. 1989. In: Holtus, G./ Metzeltin, M./ Schmitt Ch. (Hrsg.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL). Band Volume III, Tübingen. Seiten 33-43. Max Niemeyer Verlag. Gazulli, Nikoll D. 2005. Fjalori i Gazullit. Botim anastatik. 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Formula e Pagzimit, kumte të reja nga dokumenti më i vjetër i shqipes [Die Taufformel, neue Erkenntnisse aus dem ältesten Dokument des Albanischen]. In: Gazeta Shqiptare (eine Zeitung mit dem Titel “Die albanische Zeitung”), Sonntag 26. 04. 2009. Vasiliu, Laura. 1973. “Aspecte ale relevan ei semantice într-o descriere sistematic a deriv rii (cu aplicare la sufixul românesc -ar)”. In: “Studii i cercet ri lingvistice 24”. S. 255-263. Editura Academiei Române. Xhuvani, Aleksandër / Çabej, Eqrem. “Parashtesat e gjuhës shqipe” [Die Präffixe der albanischen Sprache]. In: Aleksandër Xhuvani Vepra I. 2 1980. Shtypshkronja e Re (Die Neue Druckerei). Erste Ausgabe in: Çështje të gramatikës së shqipes së sotme II (Fragen der heutigen albanischen Grammatik II), 1975, Seiten 5-57. Auch eine Publikation der Akademia e Shkencave e RPS të Shqipërisë. Xhuvani, Aleksandër / Çabej, Eqrem. “Prapashtesat e gjuhës shqipe“ [Die Suffixe der albanischen Sprache]. In: Aleksandër Xhuvani Vepra I. 1980². Shtypshkronja e Re (Die Neue Druckerei). Erste Ausgabe 1962. Tiranë. <?page no="159"?> Albanisch-rumänische Parallelen: Die Suffixe 151 Anmerkungen 1 Damit sind das Messbuch von Gjon Buzuku, das erste bis jetzt bekannte Buch in Albanisch (1555), die Werke von Pjetër Budi (1618, 1621), das Wörterbuch von Frang Bardhi (1635) und das theologisch-philosophische Traktat von Pjetër Bogdani (1685) gemeint. S. auch Literaturverzeichnis. 2 Das sind die Suffixe -uc und -ul, mit denen nur die Kausativverben bëltuc ‘fest pressen bis es breiig wird’ und zbardhul / zbërdhul ‘ausbleichen’ gebildet werden (Buxheli 2008: 296-7). 3 Lesehinweis: Der alb. Buchstabe sh = rum. und dt. sch; alb. ë = rum. und dt . ö. 4 Titel der biographischen Notizen am Ende des Werkes von Bogdani. 5 Ich verdanke diese Information Frau Dr. Spiridhulla Poçi aus Gjirokastra (Albanien). Sie hat als Kind im Dorf Këllez gelebt. 6 Das heißt als Ausgangsbasis dienen hier Derivate mit dem Suffix -ar oder Wörter, meistens Fremdwörter, die auf -ar enden. Darüber hinaus bildet das Suffix -i, das schon bei Buzuku erscheint und hoch produktiv wurde, Substantive von primären und abgeleiteten Substantiven mit den Suffixen: -tar, -(ë)s, -or, -tor, von Adjektiven, die meistens auf -(u)r, -t, -l und -m enden, sowie von Adverbien, Verben und Komposita (Hysa 2004: 134-140). 7 Aus argjendar ‘Silber-/ Goldschmied, Juwelier’, bletar ‘Imker’, librar ‘Buchhändler’ etc. + -i gebildet. 8 Z.B. bildete das -i aus phonetischen Gründen auch die Varianten: gegisch -(ë)nì, toskisch -(ë)rí, welche dem rum. -( )rie entspricht. Vgl. alb. fëmijëri ‘Kindheit’ < fëmijë ‘Kind’ + -ri mit rum. copil rie ‘id.’ < copil + rie. 9 Für den Ursprung s. Demiraj 1986: 165-171 oder Demiraj 1993: 73-74. 10 Das german. Suffix -°iska ist ein aus dem Indoeuropäischen ererbtes Morphem gleich griech. und latein. °iskos, °iscus > italien. -°esco, z.B. in tedesco (Erklärung von Prof. H. Eichner am 21.03.2010). 11 Früher auch katërshore (Subs. f. veralt.) ‘Schulheft’ (FGJSSH 1980: 800). 12 Gleich im Rumän.: «Le roumain ne distingue pas le nom d’agent de l’adjectif correspondant» (Fischer 1989: 36). 13 Das männliche Pendant dazu ist -th, z.B. birth ‘Söhnchen’ < bir ‘Sohn’ + -th. In vielen Fällen haben beide Suffixe ihre primäre Bedeutung verloren und die Derivate werden nicht mehr als Diminutive, sondern als selbstständige Wörter, oft mit einer anderen Bedeutung wahrgenommen als mit der des Primitivs: z.B. vezë ‘Ei’ < ve ‘id.’, gjuhëzë ‘Klöppel’ < gjuhë ‘Zunge’, qiellzë ‘Gaumen, Bogen’ < qiell ‘Himmel’ etc. 14 Erscheint gemeinsam mit detorës 'Schuldner' < lat. DEBITOREM schon bei Buzuku (1555). Ein Primitivum dieser Wörter ist nicht dokumentiert. 15 -zë ist ein Diminutivsuffix. D.h. es ist mit einem Primitiv bajzu rechnen. 16 Bei Xhuvani/ Çabej (1980: 562) wird festgelegt, dass die meisten Derivate die gleiche Bedeutung wie ihr Primitiv haben. Für kaçul und kapul könnte ich mir als Primitiv kap ‘zusammenfassen’ vorstellen. 17 Für dhjetun und manun s. auch Çabej 1996: 46. 18 S. Fußn. 5. <?page no="160"?> Ina Arapi 152 19 Boretzky (1975: 268) meint, ein zusätzlicher Einfluss durch pers.-türk. -çe, ebenfalls mit Diminutivfunktion, sei nicht auszuschließen. 20 Für dieses Wort s. Kristophson 2006: 92-93. 21 Nach Xhuvani/ Çabej (1980: 504) ist dieses Wort mit dem Suffix -ishtë gebildet, also ulli + -ishtë. Es könnte aber genauso ullishtë < ulli + -shtë sein, mit dem heimischen Suffix shtë. 22 Pascu (1916: 424) listet für das Rumänische 165 Suffixe auf, darunter 70 slawischen Ursprungs. 23 Überlegungen über den Weg der türkischen Suffixe ins Albanische bringt Boretzky 1975: 265 f. <?page no="161"?> Gabriella Schubert Aromunen und Zinzaren in Ungarn, insbesondere in Budapest Ethnische Vielfarbigkeit war eines der prägenden Kennzeichen im historischen Ungarn seit dem Mittelalter. Insbesondere galt dies für die an der Donau gelegenen Zwillingsstädte Buda und Pest, die später vereinigte Hauptstadt: Pest-Buda bzw. Budapest. Hier lebten neben Ungarn in größerer Zahl Deutsche, Serben, Kroaten, Slowaken, Griechen, Roma und Rumänen - unter ihnen Aromunen bzw. Mazedorumänen und Zinzaren, denen im Folgenden unsere Aufmerksamkeit gilt. Nach Ungarn kamen die meisten von ihnen im 18. Jh. aus Moschopolis bzw. Voskopolje (heute Voskopoje, Süd-Albanien), ferner aus Kozani und Bitola. Moschopolis war im 17. und im 18. Jh. bekanntlich ein bedeutendes wirtschaftliches, kulturelles und religiöses Zentrum der Aromunen bzw. Mazedorumänen, obgleich in dieser Stadt neben Aromunen auch Griechen, Albaner und Bulgaren lebten. Grundlage für den Aufschwung der Stadt war die wirtschaftliche Potenz aromunischer Kaufleute, die in jener Zeit den Handel auf der Balkanhalbinsel beherrschten und bis nach Deutschland, Ragusa, Venedig und Konstantinopel reichende Handelsbeziehungen unterhielten. Als bekennende Orthodoxe stifteten sie ab dem 17. Jahrhundert zahlreiche Kirchen; insgesamt gab es in Moschopolis etwa 26 Kirchen und Klöster, von denen die meisten im 18. Jahrhundert errichtet wurden. 1720 wurde hier eine der ersten Druckereien des Balkans gegründet, die viele griechische und aromunische Schriften publizierte; unter anderem erschien hier 1770 das erste Wörterbuch des Griechischen, Albanischen, Aromunischen und Bulgarischen. 1744 wurde hier die Neue Akademie, die einzige christliche Hochschule im Osmanischen Reich, gegründet. 1769 zerstörten jedoch die Osmanen die Stadt zum ersten Mal, und nach mehrmaligen Verwüstungen brannten albanische Truppen des Ali Tepeleni-Pascha die Stadt nieder. Der Großteil der Überlebenden fand in Griechenland, Serbien, Rumänien und Bulgarien eine neue Heimat, doch die reicheren Händlerfamilien flohen in die Habsburger Monarchie: nach Wien, Pest-Buda und Siebenbürgen. 1 Ungarn war für sie ein vertrautes Land, lieferten sie doch nach Pest mit ihren Schleppbooten schon seit langem Getreide aus Südungarn, ferner Leder, Leinen, Silber, Gold und andere Handelsartikel aus dem Os- <?page no="162"?> Gabriella Schubert 154 manischen Reich 2 . Häufig nannte man sie „Zinzaren“ oder „Mazedovlachen“. Die Bezeichnung „Zinzaren“ erhielten sie dem Vernehmen nach von den Slawen wegen ihrer Aussprache der Zahl 5 mit zinz statt tschintsch (rum. cinci). 3 Der Nachweis hierzu fehlt jedoch. In Ungarn ist die Bezeichnung cincár seit 1784 belegt, doch wurden und werden sie bis heute allgemein als „Griechen“ bezeichnet, da sie mit griechischen Händlern zusammen als Mitglieder „griechischer“ Handelsgesellschaften in Erscheinung traten und sich des Griechischen als Kommunikationssprache innerhalb dieser Handelsgesellschaften bedienten. Zudem bekannten sie sich zur Orthodoxie griechischer Prägung und betrieben ihre Geschäfte natürlich auch in griechischer Sprache. Im privaten Bereich pflegten sie jedoch das Aromunische und identifizierten sich selber als Aromunen. Interessanterweise wurden die Aromunen in kleineren ungarischen Städten sowohl von der Bevölkerung wie auch von den Stadtverwaltungen nicht mit ihrem Familiennamen, sondern als Görög Tamás, also „Griechen- Thomas“, Görög Péter „Griechen-Peter“ usw. genannt 4 , und sämtliche Auskünfte zu Aromunen in Ungarn, auch in Archiven, findet man unter der Rubrik „Griechen in Ungarn“. Diese - eigentlich missverständliche - Bezeichnung verwendet auch Ödön Füves, der zahlreiche Studien den in Ungarn lebenden Griechen und Makedorumänen gewidmet hat. 5 Die Bezeichnung cincár war den Ungarn gleichwohl bekannt, jedoch zumeist in abfälliger Konnotation, in der Bedeutung „Ziegen-händler“, „Ziegenfleischer“, „Zwischenhändler“, „Wucherer“ und „Pfuscher“. 1784 gab es in Ungarn 10 griechische Handelskompanien, in denen Griechen und Aromunen gemeinsam tätig waren, und zwar in Tokaj, Diószeg, Eger, Eszék, Kecskemét, Miskolc, Pest, Pétervárad und Világosvár. 6 Vielen aromunischen Familien gelang es, in Ungarn in die höchsten wirtschaftlichen und später auch sozialen Schichten des Landes aufzusteigen. Wie schafften sie dies? Sie etablierten sich im Lande in einer Zeit, in der die deutschen Händler bereits an Bedeutung verloren hatten und jüdische Händler noch nicht in Erscheinung traten. Die ersten griechischen und aromunischen Wanderhändler traten in Pest bereits im Jahre 1690 stärker in Erscheinung, 7 doch waren sie in den von den Osmanen beherrschten Gebieten sowie in Siebenbürgen auch schon vorher präsent, und nach der Zurückdrängung der Osmanen ließen sie sich sehr bald in allen Teilen Ungarns nieder. Nach den Türken- und Kuruzenkriegen, zu Beginn des 18. Jhs., als es kaum einen Warenaustausch im Lande gab, waren sie in ihrem Metier praktisch konkurrenzlos. In Pest gab es bereits in den ersten Jahrzehnten des 18. Jhs. mehr griechisch-orthodoxe als ungarische und deutsche Händler. In größerem Maße kamen sie nach dem <?page no="163"?> Aromunen und Zinzaren in Ungarn 155 Friedensvertrag von Požarevac 1718 bzw. dem darauf folgenden Handelsabkommen hierher. In diesem wurde nämlich festgelegt, dass die Händler des Habsburgerreiches wie des Osmanischen Reiches für ihre Waren nur einmalig Zoll in Höhe von 3% zu zahlen hatten 8 ; später waren dies 5%. Die meisten griechischen und aromunischen Händler waren im Transithandel tätig: Mit Familienmitgliedern und Verwandten gründeten sie Handelskompanien, in denen der eine die österreichische Staatsangehörigkeit annahm und der andere türkischer Untertan blieb, um die jeweils günstigeren Handelsbedingungen nutzen zu können 9 . Balkanische und ungarische Erzeugnisse lieferten sie nach Wien und brachten von dort westliche Industrieerzeugnisse zurück. Die Verhältnisse in Ungarn begünstigten ihre Tätigkeit insofern, als sie ein von Kriegshandlungen leergefegtes Gebiet vorfanden und auf keinerlei Hindernisse stießen. Dies war es jedoch nicht allein, was ihnen Erfolg brachte; dazu trug vor allem ihre ausgeprägte kaufmännische Begabung bei. Sie waren mit Fuhrwerken oder zu Fuß unterwegs; häufig transportierten sie ihre Waren auf Frachtkähnen entlang von Flüssen, die vom Ufer aus gezogen wurden. 10 Sie zogen durch die Dörfer, von Haus zu Haus und verkauften ihre Waren vor der Haustür. Sie handelten mit allem, was sich verkaufen ließ, oft auch unter Umgehung von Verboten. Ihre Haupt-Handelsartikel waren jedoch Baumwolle, Stoffe, Weine, Kupfergeschirr, Pottasche, Kaffee, Baumwollgarn, Schals und Silberbesteck. Zur Abwicklung ihres Handels war Pest aufgrund der zentralen geographischen Lage und der guten Verkehrsanbindung der Stadt ideal. Die aromunischen Händler brachten ihr eigenes, für viele günstigeres Kreditsystem mit sich, das sich von ungarischen und österreichischen dadurch unterschied, dass sie Geld für kürzere Laufzeiten mit einem höheren Zinssatz verliehen, während ihre Wechselverträge eine längere Laufzeit hatten als zu dieser Zeit in Österreich üblich. Die österreichischen Behörden beklagten sich ununterbrochen darüber, dass die griechischen Händler ihr Kreditwesen ruinierten. In Wirklichkeit aber funktionierte der Wechsel in Österreich und Ungarn als Zahlungsmittel nie; zumeist befand er sich als „totes Papier“ in den Schubläden (bzw. war eine Art Schuldbrief), während die Wechsel der griechischen Händler von Hand zu Hand gingen und als Geldersatzmittel auf ihren Wanderwegen eine wichtige Rolle spielten. Sowohl der Wiener Hof als auch die ungarischen und deutschen Händler beobachteten die Aktivität dieser Händlergruppe, deren Waren billiger waren als ihre eigenen, mit Argwohn und versuchten mit allen <?page no="164"?> Gabriella Schubert 156 Mitteln und Regelungen, ihre Rolle zurückzudrängen. Dass sie dennoch so erfolgreich blieben, ist in erster Linie ihrer ausgeklügelten Geschäftspolitik zuzuschreiben. Schon früh engagierten sie sich in Gewerbezweigen, die eine Lücke aufwiesen bzw. bei Pester Kleinhändlern, die sich in erster Linie mit dem Absatz von Industrieerzeugnissen beschäftigten, nicht gefragt waren: im Export balkanischer (bzw. türkischer) Waren wie Wolle, Tabak, Lederwaren, Kaffee, Zucker, Gewürze, Südfrüchte, ferner im Export von ungarischen Schweinen und Rindern. Mit der Zeit waren sie auch auf Wochenmärkten präsent und eröffneten Läden, in denen sie unmittelbar vom Erzeuger bezogene Industrieerzeugnisse zu günstigeren Preisen als sonst üblich verkauften. Dabei bedienten sie sich des Profits halber auch mancher nicht zulässiger Praktiken, was ihnen natürlich den Zorn und einschränkende Regelungen der ungarischen Konkurrenten einbrachte und von offizieller Seite zu restriktiven Bestimmungen führte. Ihr Aufstieg war jedoch unaufhaltsam. Es war zu dieser Zeit nach den damaligen Gesetzen nicht möglich, ohne Hauseigentum am politischen Leben des Landes teilzunehmen. Da reichgewordene aromunische Händler ihr Vermögen vor 1774 auch in Industrieunternehmen nicht investieren konnten, kauften sie sich in dieser Zeit Grundbesitz, Häuser und Adelstitel, verliehen Geld mit hohen Zinsen und führten Geldaktionen durch (Aufkauf und Verkauf von Anteilen), was damals in Ungarn noch unbekannt war. Einen anderen Teil ihres Vermögens schickten sie in ihre Heimat oder finanzierten den Bau von Kirchen und Schulen. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, als ihnen 1790 Kaiser Leopold offiziell den Kauf von Immobilien und die Bekleidung offizieller Ämter erlaubte. An allen Verkehrsknotenpunkten von Pest besaßen sie Geschäfte und schafften es, in relativ kurzer Zeit zu bedeutendem Vermögen und Immobilienbesitz zu gelangen. Die schönsten und wichtigsten Gebäude im Herzen der Stadt haben sie bis zur Mitte des 19. Jhs. aufgekauft. Hier gehörte beispielsweise die östliche Hausreihe auf dem heutigen Vörösmarty-Platz, wo sich heute unter anderem das Kaffee Gerbeaud befindet, fast ausschließlich Aromunen, den Familien Mocioni, Sina, Lepora, Grabovsky und Lyka, von denen noch die Rede sein wird. Seit Beginn des 19. Jhs. betrieb Athanas Grabovsky in seinem Hause in der Pesti Barnabás-Straße einen rumänischen literarischen Salon, in dem Petru Maior, Samuil Micu-Clain, Gheorge incai, Dinicu Golescu und andere bedeutende rumänische Persönlichkeiten ständige Gäste waren, und das auch von den in Pest studierenden rumänischen Studenten gern besucht wurde. <?page no="165"?> Aromunen und Zinzaren in Ungarn 157 1772 wurde die für balkanische Händler eingeräumte Zollerleichterung rückgängig gemacht und ab 1774 wurde der freie Handel nur jenen türkischen Untertanen eingeräumt, die den Treueid gegenüber der Kaiserin abgelegt hatten und sich mit ihren Familien im Reich niederließen. Damit verloren sie ihre türkischen Besitzungen, und auch ihre Handels- und Kreditverbindungen ließen nach. Von nun an wandten sie sich im Ausbau ihrer Geschäftsbeziehungen immer stärker nach Wien, und gegen Ende des Jahrhunderts ließ die Einwanderungswelle der balkanischen Aromunen und Zinzaren nach. Doch die hier finanziell und sozial bereits etablierten griechischen und aromunischen Händler waren mittlerweile in bürgerliche und zum Teil auch adlige Kreise der Metropole aufgestiegen und konnten ihre Unternehmen ausbauen, so dass sie von den einschränkenden Regelungen der siebziger Jahre kaum tangiert wurden. Als angesehene Persönlichkeiten trugen sie wesentlich zum kulturellen Aufschwung der Stadt wie auch der ungarländischen Rumänen bei. In Pest und anderwärts in Ungarn nahmen die Aromunen eine führende Rolle in der Organisierung der rumänischen Orthodoxie ein, besaßen doch die ungarischen Rumänen über lange Zeiten außer ihnen keine bürgerliche Schicht. 1788 gründeten sie Graeco-valachica comunitatis Pestiensis. Die aromunische Kolonie bestand gegen Ende des 18. Jhs. aus mehr als 600 Personen. Unter der Leitung des aromunischen Händlers Dumitru Arghir kauften sie ein Grundstück, auf dem ihr Zentrum, den Pester Griechenhof, entstand. 1789 beantragten sie in Pest den Bau einer eigenen Kirche, nachdem sie bis dahin mit den Serben gemeinsam ihre Gottesdienste in der serbisch-orthodoxen Kirche in der heutigen Szerb-Straße, einer Nebenstraße der Váci-Straße, abhielten. Zu den Antragstellern gehörten 179 Familien mit insgesamt 620 Personen. Unter ihnen treten folgende aromunische Namen auf: Andrea Mocsoni nobil; Naum Moszka nobil, Naum Dadany nobil; Janko Csuka; Stamo Malagezy; Naszto Kukungela; Naszto Gyna; Michael Argenti; Michael Szidér; Michael Bozda; Georg Kojoka; Naszto Visnye; Michael Popovics; Demeter Argir; Costa Pomita; Vreta Pomita; Michael Argir; Athanas Dora; Naszto Lepore; Naum Lulja; Koszta Macsinka; Janko Josin; Naszto Demeter; Janko Bakuli; Jankina Fenekoty; Metro Busin; Spirus Katusis; Janko Kalogere; Popin Constanzinovich; Vrusius Dotsu; Gregorius Kalistrata; Constantin Kasryra; Vrustin Romty; Costa Sorogsár; Janko Grundi; Nicolaus Brana; Coszta Filipi; Georg Bojacsy; Michael Tsonka; Zoga Nikomara; Janko Luppan; Sena <?page no="166"?> Gabriella Schubert 158 Marton; Naum Simbra; Coszta Michael; Theodor Zivro; Cosma Panajot; Nasto Krenara; Anastas Kapitanovich; Naum Mitricza. 11 1791 wurde der Grundstein gelegt, und Ende der 90er Jahre war die Kirche am Donauufer, auf dem heutigen Pet-fi-Platz, errichtet. Sie wurde zum Mittelpunkt der Pester aromunischen und griechischen Kolonie. Hier befanden sich die Wohnungen der rumänischen Lehrer und Popen. In dieser Kirche wurde die Liturgie für Griechen und Aromunen gemeinsam zweisprachig abgehalten, bis sie sich verzankten. Ab 1812 hielten Griechen und Vlachen ihren Gottesdienst bereits getrennt ab und 1888 trennten sie sich endgültig. Von 1808 bis 1888 wurde hinter der Kirche eine rumänische Schule betrieben, und hier erschienen auch Lehrbücher in rumänischer Sprache. Das Kircheninnere besticht auch heute noch durch seine Holzschnitzereien und seinen barocken Ikonostas. Der Wiener Künstler Kuchelmeister fertigte dafür 80 Ikonen verschiedener Größe, die danach vergoldet wurden, was angeblich soviel Geld kostete, dass man davon zehn Jahre lang einen Husaren unterhalten konnte. Vor der Kirche steht heute die Statue des ungarischen Nationaldichters Sándor Pet-fi. Bis 1950 war sie im Besitz bzw. diente der griechisch-orthodoxen Gemeinde; danach wurde sie, offenbar im Zuge der politischen Orientierung an der Sowjetunion, in die russisch-orthodoxe Kirche integriert. Gegenwärtig wird aber gerichtlich darüber gestritten, wer der wirkliche Eigentümer dieser Kirche ist. 12 Bis zum Ende des 1. Weltkrieges waren nahezu alle Aromunen in Ungarn weitgehend magyarisiert, doch haben die Grabovskys, Mocionis, Sinas, Gojdus, Murnus und andere im 19. Jh. für Ungarn und seine Metropole Pest und die ab 1873 vereinigte Hauptstadt Budapest eine bedeutende wirtschaftliche und kulturelle Leistung erbracht. Im Folgenden will ich einige von ihnen herausgreifen. Einer der populärsten Budapester Aromunen, den auch heute noch jeder Ungar kennt, ist Emanuil Gojdu, ung. Gozsdú Manó (1802-1870). 13 Er war Kaufmann, Anwalt, Richter am Obersten Gericht und Parlamentssekretär. Die Familie Gojdu flüchtete zwischen 1769 und 1788 aus Moschopolis zunächst nach Polen und dann nach Ungarn, gemeinsam mit anderen griechischen und aromunischen Händlern. Sie ließ sich in Miskolc nieder, wo auch der Erzbischof der rumänisch-orthodoxen Kirche Andrei aguna geboren wurde. Ein Nachkomme der Miskolcer Familie Gojdu wanderte mit seiner Familie nach Nagyvárad/ Oradea aus. Hier wurde Emanuil geboren und hier besuchte er die rumänische Schule sowie das katholische Gymnasium und die Rechtsakademie. 1823 kam er <?page no="167"?> Aromunen und Zinzaren in Ungarn 159 nach Pest, wo er zum Notar der Königlichen Tafel ernannt wurde. Ein Jahr später wurde ihm das Anwaltspatent zuerkannt. Insbesondere in Strafprozessen erwarb er sich große Bekanntschaft und sammelte damit ein großes Vermögen an. Emanuil Gojdu bekannte sich zum Ungarntum ebemso wie zum Rumänentum; er war eine herausragende Persönlichkeit des zeitgenössischen ungarischen wie rumänischen politischen und kulturellen Lebens und vertrat die Ansicht, dass Ungarn und Rumänen nur gemeinsam auf eine erfolgreiche Zukunft hoffen könnten. Er trat unter anderem dafür ein, das Ungarische anstelle des Lateinischen im öffentlichen Leben zu verwenden; er kannte alle bedeutenden ungarischen Literaten und schrieb auch selber Gedichte in ungarischer Sprache. 1861 wurde er Obergespan des Komitats Cara -Severin, blieb aber Parlamentssekretär und nutzte sein Amt, um für die Ziele der Rumänen in Ungarn einzustehen. Mit seiner finanziellen Hilfe erschienen in Buda die erste rumänische Zeitschrift unter dem Titel Biblioteca româneasc und weitere Veröffentlichungen in rumänischer Sprache. Die von ihm geschaffene und auch heute noch existierende Gojdu-Stiftung verhalf vielen ungarländischen Rumänen zum Studium. Nicht weniger berühmt wurde in Ungarn wie auch in Wien die aromunische Familie Sina, die sich nach ihrer Flucht aus Moschopolis in Wien niederließ. 14 Als erster ist hier Georg Sinna Popovich im Jahre 1780 verzeichnet. Simeon Sina, geboren 1753 in Moschopolis, wurde einer der reichsten Bankiers und Kreditgeber der österreichischen Regierung, zugleich einer der größten Großgrundbesitzer in Ungarn. Sein Vermögen erarbeitete er sich mit Baumwoll- und Tabakhandel. Auch sein Sohn Gheorge Simeon Sina (1782-1856) war ein bekannter Großkaufmann, der ungarische Wolle an tschechische und mährische Fabriken sowie ungarischen Tabak nach Frankreich und Italien lieferte. 15 1818 wurde er in den ungarischen Adelsstand erhoben und 1832 erhielt er den Titel eines österreichischen und ungarischen Barons. Berühmtheit erlangte er jedoch vor allem durch seine finanzielle Unterstützung eines der wichtigsten Fortschrittsprojekte des großen ungarischen Reformers und „größten Ungarn“, des Grafen István Széchenyi, des Erbauers der Kettenbrücke, die 1849 fertiggestellt war. Sein Name ist auf der Brückeninschrift neben dem Széchenyis verewigt. Er unterstützte auch dessen Bahnausbau- und Flussregulierungspläne. Der Überlieferung nach war er für Maurus Jókai das Vorbild bei der Modellierung der Hauptperson seines Romans „Der Goldmensch“ (az arany ember). Sein Sohn Simeon Gheorge Sina (1810- 1876) setzte die Tradition fort: Er besaß ausgedehnte Ländereien in Ungarn und Prunkbauten in Wien, Paris und Venedig, ja sogar am Canale <?page no="168"?> Gabriella Schubert 160 Grande. In Ungarn machte er sich ebenfalls als Mäzen einen Namen; er spendete große Summen für das Nationalmuseum, für das Nationaltheater, das National-Kasino, die Stephans-Basilika, aber auch für Waisenhäuser und Krankenhäuser. Für die Erbauung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften spendete er 1859 achtzigtausend Forint; dies war die größte Privat-Spende zu dieser Zeit. 1858 wurde er in das Direktorium der Akademie gewählt. Seinen Namen führt die Sinawarte im Wienerwald, die er 1856 errichten ließ, und nach ihm wurde auch der Sina- Krater des Mondes benannt. Eine wichtige Rolle in der ungarischen Hauptstadt spielte ferner im 19. Jh. die Dynastie Lyka. 16 Ihr Begründer, Demeter Lyka, wurde 1737 in Moschopolis geboren, er starb 1819. Genau weiß man nicht, wann er sich in Ungarn niedergelassen hat. Er handelte mit Tuch- und Lederwaren, engagierte sich in der griechisch-orthodoxen Gemeinde und war Mitunterzeichner des Antrags, den die griechisch-aromunische Gemeinde zwecks Errichtung einer eigenen Kirche 1789 an den Pester Landrat richtete. Seine einunddreißig Jahre jüngere Ehefrau war Juliana Gojdu aus der bereits genannten Familie Gojdu. Sein Sohn Anastas (1800-1871) war ebenfalls Geschäftsmann (er beschäftigte sich mit Lederwarenhandel in Warschau und später in Pest). In Pest gründete er eine Lederwarenfabrik und wurde als Lederwarenfabrikant weltberühmt. Sein Vermögen investierte er vor allem in Immobilien, ließ sich 1844 luxuriöse Palais am heutigen Vörösmarty-Platz erbauen. Fast wäre der Platz sogar nach seinem Namen benannt worden. Zu den Migranten aus Moschopolis nach Ungarn gehörte auch die Familie Mocioni, ung. Mocsonyi de Foen. 17 Sie kam bereits Ende des 17. Jhs. nach Ungarn. Insbesondere bekannt wurde aus dieser Familie Alexandru Mocioni bzw. Mocsonyi Sándor (1841-1901) als ungarländischer rumänischer Politiker und Komponist. Er wurde bei den Pester Piaristen und außerdem von einem rumänischen Hauslehrer ausgebildet. 1865 wurde er Parlamentsabgeordneter und engagierte sich in dieser Eigenschaft für die ungarländischen Minderheiten. 1869 wurde er Vorsitzender der in Temesvar gegründeten Rumänischen Nationalpartei, förderte und finanzierte mehrere rumänische literarische und kulturelle Vereinigungen, finanzierte rumänische, in Pest erscheinende Zeitungen. Franz List war häufig Gast im Palais von Alexandru Mocioni und pflegte mit ihm freundschaftliche Beziehungen. Mocioni betätigte sich auch selber als Komponist. Als Minister Eötvös 1867 im Parlament seinen die Rechte der Minderheiten betreffenden Gesetzesvorschlag einbrachte, war Mocioni die führende Persönlichkeit in der Formulierung des Gegenvorschlages <?page no="169"?> Aromunen und Zinzaren in Ungarn 161 der ungarländischen Minderheiten, der das Rumänische als offizielle Sprache auf föderativer Grundlage forderte. Er kritisierte den ungarischen Adel dafür, dass er sich mit Wien anstatt mit den Ethnien des Landes verbündete. Er initiierte und unterstützte verschiedene ungarländisch-rumänische literarische und kulturelle Vereinigungen. Im Februar 1870 gründete er gemeinsam mit der Budapester rumänischen Intelligenz eine Theaterplattform, deren Wandertruppe alle rumänisch bewohnten Gebiete besuchte. Bis 1895 war ihr Sitz Budapest, danach bis 1914 Bra ov. Aus Mazedonien, über Muntenien nach Süd-Siebenbürgen wanderte der Schweinehändler sowie Armeelieferant Christophoros Diognisos Nacos nach Ungarn, der hier den Adelstitel verliehen bekam und als Graf Kristóf Nákó die Familie Nákó in Ungarn begründete. 18 Über den Reichtum der Familie waren viele Legenden im Umlauf. Graf Nákó besaß ein ein Palais in der Vaci-Straße 9; 1781 (? ) erwarb er ein ausgedehntes Grundstück in Nagyszentmiklós (Sînnicolau-Mare), wo die weltberühmten, aus 23 Teilen bestehenden Goldfunde entdeckt wurden, die lange Zeit für Attilas Goldschatz galten und heute im Wiener Kunsthistorischen Museum aufbewahrt werden. Sein Reichtum und sein luxuriöses Landleben motivierten Maurus Jókai zu seinem Roman „Der Zigeunerbaron“, der dann von Johann Strauss vertont wurde. Das Nako-Palais auf dem heutigen Roosevelt-Platz wurde 1903 abgerissen und an seine Stelle das bis heute existierende Gresham-Palais, ein Gebäude der Sezessionsperiode, gebaut; dies ist eines der wertvollsten Immobilien von Budapest. Aus einer aus Moschopolis nach Miskolc ausgewanderten aromunischen Familie stammt auch der siebenbürgische Bischof und Metropolit der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Anastasios alias Andrei aguna (1809- 1873). Sein Vater Naum aguna konvertierte in Miskolc mit seiner Familie, um sich bessere Lebensbedingungen zu sichern, zum römischkatholischen Glauben; inoffiziell blieb die Familie jedoch dem orthodoxen Glauben verhaftet. 1847 wurde Andrei aguna zum Bischof ernannt. In dieser Eigenschaft kämpfte er für die Rechte der Orthodoxen und der Rumänen in Siebenbürgen. Er engagierte sich beim Wiener Hof für die Errichtung eines autonomen rumänischen Kronlandes aller Rumänen der Habsburger Monarchie. Er gründete das Theologische Institut in Sibiu, verschiedene Grund- und Mittelschulen sowie die Zeitung Telegraful Român. 1864 wurde er zum ersten rumänisch-orthodoxen Metropoliten ernannt. Er wandte sich vehement gegen die damalige Magyarisierungspolitik und setzte sich für die Gleichberechtigung des Rumänischen in Siebenbürgen ein; 1865 forderte er im Klausenburger Landtag die Unab- <?page no="170"?> Gabriella Schubert 162 hängigkeit Siebenbürgens von Ungarn. 1871 wurde er Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie der Wissenschaften in Bukarest. 19 Aromunische Vorfahren soll schießlich eine der beliebtesten ungarischen Schauspielerinnen der Gegenwart haben, Éva Ruttkai geb. Russ (1927-1986). Ihre Familie wurde wahrscheinlich in den 30er Jahren des 20. Jhs. magyarisiert. Über vier Jahrzehnte trat sie als eine der farbigsten und vielseitigsten ungarischen Schauspielerinnen in Erscheinung. Sie trat in klassischen und modernen Theaterstücken nahezu aller Gattungen, in ungarischen und ausländischen Tragödien und Komödien, auf. Auch aus zahlreichen Filmen und Fernsehsendungen war sie bestens bekannt. Sie wurde vielfach ausgezeichnet; seit 2002 erinnert ein Bronze-Denkmal im Nationaltheater an sie in ihrer Rolle als Anna Karenina. 20 Soweit diese Überblicksdarstellung über Aromunen und Zinzaren in Ungarn, vor allem in Budapest. Sie haben deutliche, bis heute vorhandene und wahrnehmbare Spuren im ungarischen öffentlichen und kulturellen Leben hinterlassen. Anmerkungen 1 Zum historischen Moschopolis vgl. u. a. Max Demeter Peyfuss: Die Druckerei von Moschopolis, 1731-1769. Buchdruck und Heiligenverehrung im Erzbistum Achrida. Wien - Köln 1989. (= Wiener Archiv f. Geschichte des Slawentums u. Osteuropas. 13); Karin Kirchhainer: Die Malereien in den Gewölbezonen der Kuppelbasiliken von Voskopoje (Moschopolis). Acta Studia Albanica 1, 2007, S. 60-96; Thede Kahl: Wurde in Moschopolis auch Bulgarisch gesprochen? In: Probleme de filologie slav XV, Editura Universit ii de Vest, Timi oara 2007, S. 484-494; Maximilien Durand: Patrimoine des Balkans. Voskopoje sans frontières 2004. Somogy, Paris 2005; Aurel Plasari: Fenomeni Voskopojë. Tiranë 2000; Stilian Adhami: Voskopoja dhe monumentet e saj. Tiranë 1998; Valeriu Papahagi: Aromanii Moscopoleni i comer ul vene ian în secolele al 17. i al 18. Bucure ti 1935. 2 Vgl. hierzu u. a. Magyar Katolikus Lexikon unter dem Stichwort görög keresked k. http: / / lexikon.katolikus.hu/ G/ , Zugriff am 17.08.2010; ferner Márta Bur: A balkáni keresked k és árúkészleteik a XVIII. sz. Magyarországonv (1737-1753). In: Ethnographia XCVI/ 1985, S. 251-275; Dies.: A balkáni keresked-k és a magyar borkivitel a XVIII. században. In: Történelmi Szemle XXI/ 1978, 281-313; László Schäfer: A görögök vezet szerepe Magyarországon a korai kapitalizmus kialakulásában. Budapest 1930. 3 Hierzu u. a. A magyar nyelv történeti-etimológiai szótára Bd. 1, Budapest 1967, s. v. cincár, 439f. 4 Vgl. hierzu Vera Bácskai: A görög keresked k szerepe a f város polgárosodásában. http: / / www.euroastra.-info/ node/ 29805 Zugriff: 24.9.2010. <?page no="171"?> Aromunen und Zinzaren in Ungarn 163 5 Vgl. u. a. Ödön Füves: Adatok az egri görögök történetéhez. In: Antik Tanulmányok V/ 1958; Ders.. Görög keresked k a Dunántúlon. In: Antik Tanulmányok XII/ 1965; Ders.: Görögök a Duna-Tisza közén. Antik Tanulmányok XIII/ 1966; Ders.: A görögök állandó letelepülésének meggyorsulása Pesten. Budapest, Antik Tanulmányok. XXIII/ 1976; Ders.: Statisztikai adatok Pest és Buda 1687-1893 között polgárjogot nyert görög származású lakosairól. Antik Tanulmányok. X/ 1963; Ders.: A pesti görög kommunitás 1802. évi alapító szerz dése. Antik Tanulmányok XXI/ 1974. 6 Mária Berényi: Cultur româeasc la Budapesta în secolul al XIX-lea. Giula 2000, 5. 7 Ebda., 6. 8 Vera Bácskai: a.a.O. 9 Hierzu Amelie Lanier: Az osztrák kereskedelempolitika és a görögök. In: Budapest F-város Levéltára. http: / / bfl.archivportal.hu/ id-790-amelie_lanier_az_osztrak.html. Zugriff: 24.9.2010. 10 Vgl. Amelie Lanier: Die Geschichte des Bank- und Handelshauses Sina. Frankfurt 1998, hier die Internetversion http: / / www.alanier.at/ Sina1.html. Zugriff: 24.9.2010. 11 Berényi 13f. 12 vgl. u.a. unter http: / / belfold.ma.hu/ tart/ rcikk/ a/ 0/ 28696/ 1 13 Vgl. u..a. Mária Berényi: Via a i activitatea lui Emanuil Gojdu. 1802-1870. Giula 2002. 14 Hierzu u.a. Mária Berényi: Cultur româneasc la Budapesta în secolul al XIX-lea, Giula 2000, 30f. 15 Fotini Asimakopoulou: Sina György, a "hódító balkáni orthodox keresked ". http: / / epa.oszk.hu/ 00000/ 00003/ -00038/ asimakopoulou.html. Zugriff: 24.9.2010. 16 Erik Haupt: Egy régi görög család. http: / / www.nemzetisegek.hu/ repertorium/ 2007/ 01/ belivek_28-29.pdf; Zugriff: 24.9.2010. 17 Hierzu u.a. Mária Berényi: Haris, Nákó, Sina, Mocsonyi: a pesti macedoromán kolónia. In: Barátság 2. 1995. 4. 783-785. 18 Hierzu u.a. Bácskai: a.a.O. 19 Ioan Lupas, Mitropolitul Andreiu |aguna 2d ed Sibiu, 1911; Keith Hitchins, Orthodoxy and Nationality: Andreiu |aguna and the Rumanians of Transylvania, 1846-1873 Cambridge MA, 1977; Nicolae Popea, Archiepiscopul si Mitropolitul Andreiu baron de |aguna, Sibiu, 1879. 20 Hierzu u.a. Gábor Szigethy: Ruttkai. Budapest 1987. <?page no="173"?> Stamatis Béis L’aroumain dans le cadre des langues romanes balkaniques 1. Les langues romanes balkaniques Dans cette présentation, nous allons examiner la position de l’aroumain parmi les langues romanes et son rapport avec les langues romanes les plus proches qui appartiennent à la branche des langues romanes orientales, c.-à.-d.: le roumain, le mégléno-roumain ou méglénite et l’istroroumain. Ce travail comparatif concerne tous les niveaux de la langue: la phonologie, la morphologie, la syntaxe et le vocabulaire. Nous allons mettre l’accent sur les particularités qui opposent l’aroumain aux langues apparentées et demontrent son caractère spécial, innovateur et conservateur, roman et balkanique. Le cadre théorique de cette présentation est celui de la linguistique structurale, fonctionnelle. Les exemples tirés de l’aroumain, du méglénoroumain et de l’istro-roumain, langues à tradition orale, qui ne possèdent pas de système d’écriture unifié, sont présentés en notation phonologique. Pour la comparaison des systèmes morphologiques, nous employons le terme de la linguistique structurale monème, équivalent aux morphèmes de la linguistique fonctionnelle (Martinet, 1979, 6). Après la conquête romaine de la Péninsule Balkanique, cette région est devenue un centre de culture et de langue latines parmi d’autres cultures et langues déjà existantes. À part le dalmate, langue parlée sur les côtes dalmates, et ayant disparu au cours du XIXe siècle (le dernier locuteur de cette langue, appelée aussi vegliote, est mort en 1898, dans l’île de Veglia; Bec, 1971, 233), d’autres langues originaires du latin oriental et proches de l’aroumain, continuent d’être parlées dans les Balkans. La branche balkanique des langues romanes orientales contient, outre le roumain, les langues suivantes: L’istro-roumain Le nombre des locuteurs de cette langue était estimé à 2.000 environ (Bec, 1971, 170). Ils sont répartis dans quelques villages de la région de Cicarija, située entre le Monte Maggiore et le lac de epi dans la péninsule d’Istrie, en territoire croate près de la frontière croato-slovène et de la ville <?page no="174"?> Stamatis Béis 166 italienne de Trieste. L’enclave istro-roumaine comprend les villages de Brdo, Šušnjevica, Jasenovik (rum. Sucodru), Kostr an, Nova Vas (rum. Noselo), actuellement abandonnés par leurs habitants qui sont partis à la recherche d’une vie meilleure dans les villes de la côte d’Istrie. Le mégléno-roumain ou méglénite Cette langue est parlée dans une enclave de la plaine de Meglena située aux deux cotés de la frontière de la Grèce et de l’ex-République yougoslave de la Macédoine au nord de Salonique. Le nombre de ses locuteurs a été estimé à environ 15.000 personnes (Winnifrith, 1992, 29 & Dahmen & Kramer, 1976, 78-89). L’enclave méglénite ou mégléno-roumaine comprend les villages d’Archangelos, Langadia, Perikleia, Skra et Koupa du coté grec et les villages de Konjsko et Sermenin, du côté de l’ex-République yougoslave de la Macédoine. Ceux-ci sont aujourd’hui complètement slavisés. Le méglénite présente des différences notoires avec l’aroumain au niveau morphologique et phonologique. L’aroumain (valaque ou coutso-valaque ou macédo-roumain) Dans le cas de l’aroumain, focalisé ici, il s’agit d’un ensemble de parlers, avec des variantes qui présentent des différences notables. Il est parlé en Grèce du Nord, en Albanie, dans l’ex-République yougoslave de la Macédoine par un nombre de locuteurs supérieur à celui des langues mentionnées précédemment. Ce nombre dépasse sans doute les 200.000 locuteurs, mais il est difficilement contrôlable à cause du manque de données vraiment fiables. Comme il s’agit de langues minoritaires et en voie de disparition, le problème du classement et de la définition des parentés entre ces parlers mal connus reste à analyser. Seule la parenté génétique et l’origine commune de ces langues (origine qui remonte au latin balkanique) sont indiscutables. Des problèmes analogues se posent en ce qui concerne le nombre de locuteurs de ces langues. Par le nombre de ses locuteurs et par son étendue géographique, l’aroumain est la plus importante des langues et des parlers romans de la péninsule balkanique mis à part le roumain. Pour définir la position et la parenté de l’aroumain avec les autres langues romanes, nous nous sommes appuyés sur les informations données par P. Bec et C. Tagliavini. Selon Tagliavini (1964, 300) l’aroumain fait partie des quatre dialectes de base de la langue roumaine. Selon les informations de <?page no="175"?> L’aroumain dans le cadre des langues romanes balkaniques 167 P. Bec (1971, 472), l’aroumain se rapproche davantage du méglénoroumain et diffère du roumain et de l’istro-roumain. La position de l’aroumain peut être illustrée par le tableau suivant, qui a été réalisé selon des informations concernant la classification de la branche balkanique des langues romanes (Coteanu, 1959, 47): dalmate LATIN OCCIDENTAL ORIENTAL balkanique aroumain roumain istro-roumai D’ailleurs, l’aroumain a été considéré souvent par les auteurs roumains comme un dialecte roumain, appelé aussi dialecte macédo-roumain (terme qui s’oppose au daco-roumain qui désigne le roumain standard). Pourtant, les opinions divergent en ce qui concerne la relation entre ces deux langues, sujet qui a intéressé depuis longtemps les romanistes balkanologues. 2. Les rapports entre l’aroumain et les autres langues romanes orientales Les recherches linguistiques, concernant l’aroumain, procèdent souvent à une comparaison de l’aroumain avec le roumain, langue apparentée de grande diffusion. Bien que notre étude n’ait aucune prétention dialectologique, nous nous limitons à présenter, de façon sommaire, certains traits qui opposent les traits communs des parlers aroumains aux langues apparentées. Ce rapprochement couvre les différents niveaux de la langue présentés ci-dessus: <?page no="176"?> Stamatis Béis 168 Phonétique et phonologie a. Entre l’aroumain et le roumain, il y a une différence “phonologique d’inventaire”, selon la définition de N. Trubetzkoy. L’aroumain est caractérisé par la prèsence des consonnes / / , / ð/ , / `/ , / / et / / qui sont inconnus en tant que phonèmes en roumain, les trois premières existant en grec moderne. p. ex: / ínu/ «je viens», / ðoár / «cadeau», / `áru/ «courage», / áu/ «je prends», / élu/ «agneau». D’après Saramandu, le phonème / ð/ n’existe pas dans certains parlers aroumains septentrionnaux (Saramandu, 1972, 62). Caragiu (1968, 49) soutient aussi que parmi les parlers usités en Bulgarie et dans l’ex- République yougoslave de la Macédoine certains ne disposent pas des phonèmes / / , / ð/ , / `/ . b. Il n’y a pas de différences phonologiques importantes de l’inventaire entre l’aroumain et les autres langues romanes orientales en ce qui concerne le système vocalique. L’aroumain connaît une série centrale complète, comportant les phonèmes: / / et / i / . Certaines variétés de l’aroumain septentrional, le mégléno-roumain et l’istro-roumain ne connaissent pas le phonème / i/ , p. ex.: / k nt/ mégléno-roumain ~ / kintu/ aroumain, / kint/ roumain «je chante». Il s’agit donc d’un système vocalique identique à celui du roumain: / a, e, i, o, u, , i/ . D’après les informations dont on dispose, en aroumain les réalisations longues [a: ], [e: ], [i: ], [o: ], [u: ] du mégléno-roumain ne se présentent pas. Morphologie et syntaxe a) L’aroumain et le roumain standard connaissent ce qu’on appelle traditionnellement la “flexion bicasuelle” et la présence d’un monème génitifdatif indicateur de certaines fonctions. Néanmoins, la présence du monème génitif affecte aussi la forme des noms en roumain, ce qui n’est pas le cas en aroumain: ar. / kás / roumain / kás / «maison» «maison» / kás - i/ / kás-e-i/ maison+la/ Gén. maison/ Gén.+ la/ Gén. «de la maison, à la maison,» «de la maison, à la maison» <?page no="177"?> L’aroumain dans le cadre des langues romanes balkaniques 169 L’innovation de l’aroumain consiste dans le fait que l’opposition exprimée par le moyen des “cas” s’exprime en aroumain uniquement par la forme de l’actualisateur du nom ou “article” selon la terminologie de la grammaire traditionnelle (Béis, 2000, 366). Cependant, la différence la plus importante entre les deux langues concerne peut-être la réduction de l’emploi du génitif en aroumain (les constructions où le génitif est utilisé font figure rare dans notre corpus), tandis que son emploi est imposé en roumain pour l’indication de certaines fonctions (Béis, 1996-1997, 217- 222). Ce phénomène caractérise plusieurs parlers aroumains, d’après des informations linguistiques mises à notre disposition: (1) / kása a mu áre i/ maison+la Gén. femme+la/ Gén. «la maison de la femme» (2) / dz tse a mu áre i/ dire+3 e p. Gén. femme+la/ Gén. «il dit à la femme» (3) / kása di mu área/ maison+la prép. (de) femme+la «la maison de la femme» (4) / dz tse la mu área dire+3 e p. prép. (à) femme+la «il dit à la femme» Il s’agit d’une évolution de la langue aroumaine qui ne concerne que la morphologie, dans le sens que l’opposition des fonctions, exprimées par le génitif, subsiste toujours, tandis que son expression formelle se modifie. L’aroumain, en tant que langue à tradition orale, est innovateur et son système morphologique évolue, sans subir l’influence de la langue écrite, comme le roumain, qui fige l’emploi des monèmes casuels, tel le monème du génitif-datif. Cette tendance est exprimée aussi par l’istro-roumain et le mégléno-roumain qui sont aussi des langues à tradition orale. En mégléno-roumain et en istro-roumain, l’opposition exprimée par le moyen des “cas” en aroumain et en roumain, ne se manifeste pas à la forme de l’actualisateur du “nom”, ou “article” selon la terminologie de la grammaire traditionnelle comme en aroumain. Ces langues ne connaissent pas les monèmes casuels, à part les monèmes / lu/ et / la/ , qui precèdent le nom déterminé, et qui sont des marques des fonctions exprimées par le genitif-datif du roumain et de l’aroumain (Dahmen & Kramer, 1986, 272): (5) / kása lu mu área/ mégléno-roumain / kása lu mu éra/ istro-roumain <?page no="178"?> Stamatis Béis 170 maison+la prép. (de) femme+la «la maison de la femme» L’aroumain est donc une langue innovante par rapport au roumain, puisque le monème casuel du genitif-datif n’affecte que la forme de l’article défini et non la forme du nom. Pourtant, on assiste aussi à une réduction de l’emploi du génitif-datif, au profit de l’emploi des prépositions, comme en istro-roumain et en mégléno-roumain, langues plus innovantes qui ne présentent pas la flexion bicasuelle, au sens propre du terme. b) Des différences importantes se présentent en ce qui concerne le système verbal de l’aroumain et des autres langues balkaniques. En aroumain, les constructions de subjonctif sont plus importantes, elles remplacent souvent les constructions en infinitif des autres langues romanes orientales, p. ex.: mégléno-roumain: / pot k ntári/ ~ aroumain: / pótu s k ntu/ «je peux chanter». On peut aussi opposer le plus-que-parfait analytique de l’aroumain et du mégléno-roumain (formé par l’imparfait du verbe avoir et le participe passé) au plus-que-imparfait synthétique du roumain (formé par les désinences: -sei …), p. ex. aroumain: / aveámu k ntát / = mégléno-roumain: / veám k ntát/ = roumain: <cântasem> / k ntásem/ «j’avais chanté». Mais la particularité la plus notoire de l’aroumain consiste en la présence d’une classe de monèmes des modalités verbales qui s’excluent mutuellement et qui ont les mêmes compatibilités avec les monèmes des temps et de l’aspect. Les monèmes / s / , / va/ et / as/ s’excluent mutuellement et peuvent se situer à la même place, avant le verbe, permettant un changement de sens: ar. / s áfl / «qu’il trouve» (valeur subjonctive) ar. / va áfl / «il, elle trouvera» ar. / as áfl / «qu’il trouve» (valeur d’incitation, valeur optative) Ils correspondent exactement aux monèmes du grec moderne <{ > / na/ , <` > / `a/ et < > / as/ , qui ont exactement les mêmes valeurs et s’opposent par leur emploi au reste des langues romanes, p. ex.: gr. <{ } \ > / na vríski/ «qu’il trouve» (valeur subjonctive) gr. <` } \ > / `a vríski/ «il, elle trouvera» gr. < } \ > / as vríski/ «qu’il trouve» (valeur d’incitation, valeur optative) <?page no="179"?> L’aroumain dans le cadre des langues romanes balkaniques 171 Lexique L’aroumain a subi la forte influence du vocabulaire grec. Les éléments grecs de son vocabulaire sont nombreux; cependant, il est difficile de distinguer les éléments anciens ou modernes et les néologismes adaptés à la vie actuelle. T. Papahagi dans son Dic ionarul dialectului aromân (1963) consigne 2.543 termes d’origine grecque, soit 27,52%, contre 1.628 termes d’origine latine, soit 17,68%. Cette influence est expliquée par le fait que la majorité des aroumains vivent actuellement à l’intérieur du territoire grec, mais aussi par l’emploi du grec dans les institutions culturelles (comme l’école et l’Église), bien avant la création de l’État grec en 1830. L’influence slave et de loin moins importante qu’en roumain, en mégléno-roumain et en istro-roumain. 3. Conclusion Selon Sandfeld (1939, 105), l’aroumain a un caractère plus «balkanique» que le roumain, dans la mesure où il présente un nombre et une fréquence supérieur notables de phénomènes considérés comme des traits de l’Union Linguistique Balkanique (Balkansprachbund). L’emploi du subjonctif, par exemple, est bien plus fréquent dans les propositions subordonnées en aroumain qu’en roumain. L’infinitif n’est employé que comme nom verbal. Le prétérit simple ou aoriste est utilisé en aroumain au cas où le roumain emploie les formes analytiques du passé: aroumain: / sór méa nu s m rtí/ ~ roumain: <sora mea nu s-a m ritat> «ma sœur ne s’est pas mariée». L’aroumain est une langue qui appartient à la branche romane balkanique des langues romanes orientales. On la considère plus éloignée du roumain que l’istro-roumain et le mégléno-roumain. Son système phonologique est presque identique à ceux des autres langues romanes balkaniques. La différence majeure est la présence des consonnes / / , / ð/ , / `/ . En ce qui concerne la flexion casuelle, l’aroumain est moins conservateur que le roumain, puisque la forme du génitif-datif n’affecte pas la forme du nom. L’emploi du génitif-datif tend actuellement à être remplacé par l’emploi des prépositions / di/ et / la/ , selon des données récentes. Elle est plus conservatrice que l’istro-roumain et le mégléno-roumain où le monème casuel du génitif-datif a disparu. Le système verbal garde son caractère roman (oppositions temporelles et aspectuelles de type roman). Pourtant, sa structure présente des similitudes importantes avec le système verbal grec en ce qui concerne les mo- <?page no="180"?> Stamatis Béis 172 dalités verbales (l’exclusion mutuelle et les mêmes compatibilités partagées par le subjonctif et le futur) qui l’opposent au reste des langues romanes. Le caractère balkanique de l’aroumain, par rapport au roumain et aux autres langues romanes balkaniques, est confirmé par l’emploi plus fréquent du subjonctif et du prétérit simple (aoriste), traits qu’il partage avec des langues balkaniques non romanes, comme le grec, l’albanais et le bulgare. 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The history of a Balkan people, New York, St Martin’s Press, 171 p. <?page no="183"?> Fanis Dasoulas Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge. Anthropologische und sprachwissenschaftliche Bemerkungen Die geographischen Voraussetzungen im Bergland des Pindos, die seit dem Mittelalter vererbten Gesellschaftsstrukturen und die historischen Veränderungen während der osmanischen Herrschaft bilden den Rahmen, in dem sich die kompakteste, aber auch letzte Präsenz der Aromunen als eigene kulturelle Einheit auf der Balkanhalbinsel erhalten konnte. Obwohl ihre Anwesenheit im Pindos-Gebirge schon seit Langem Gegenstand historischer, ethnologischer und volkskundlicher Untersuchungen ist, kann in Griechenland erst in den letzten Jahrzehnten ein systematischer Ansatz der Untersuchung ihrer Gesellschaft im Rahmen einer breiteren anthropologischen Annäherung beobachtet werden 1 . Die Teilnahme an diesbezüglichen Forschungen 2 gab mir die Gelegenheit, einen bislang wenig untersuchten Aspekt der aromunischen Kultur und Gesellschaft im Pindos zu fokussieren, wobei es insbesondere um einen sprachwissenschaftlichen Ansatz ging. Zunächst sollten die ethnologischen Komponenten der lokalen Mundarten als methodologisches Problem kulturanthropologischer Forschungen verstanden werden. Die Untersuchungen hierzu führte ich im Raum des zentralen Pindos durch. Dabei war festzustellen, dass trotz der seit Jahrhunderten bestehenden aromunisch-griechischen Zweisprachigkeit die Alltagssprache der Einwohner - besonders in Bereichen, die ihre alte ländliche Lebensart betreffen - weiterhin überwiegend das regional gesprochene Aromunisch darstellt. Außerdem konnte beobachtet werden, dass jeder Versuch, bestimmte Termini in die offizielle Landessprache, das Griechische, zu übertragen, den Sprechern nicht gelang, so dass hier Zeichen für eine unvollständige Sprachverschiebung zu beobachten sind. Diese Bevorzugung der Sprach- und Wortwahl, die Schlüsse zulässt über das Überleben einer Kultur, die sich in unserem Untersuchungsraum seit langer Zeit ausprägen konnte, bildete den Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Problemstellung. Mit der Erforschung der aromunischen Toponyme des Pindos soll der Ansatz dieses Beitrages nicht nur in einer linguistischen Strukturanalyse bestehen, vielmehr sollen die Toponyme als eine anthro- <?page no="184"?> Fanis Dasoulas 176 pologische Komponente der vorindustriellen Welt im Pindos-Gebirge dargestellt werden. Die verwendeten Beispiele gehen auf das Material zurück, das bei Feldforschungsaufnahmen in sieben Siedlungen des zentralen Pindos gesammelt wurde 3 . Die Bewohner des Pindos-Gebirges nehmen die Berge, in denen sich ihre Siedlungen befinden, nicht als geotektonische Einheit wahr und ignorieren daher vielfach amtliche Bezeichnungen. Für die meisten von ihnen teilt sich die von ihnen wahrgenommene Umgebung in viele kleinere Orte auf, die sich durch eigene Toponyme bezeichnen lassen. Diese Auffassung entstand im Verlauf eines jahrhundertelangen Prozesses der Erschließung der Gebirgsgegend, während dessen sich auch die Strukturen der bäuerlichen Welt der Region herausgebildet haben. Im lokalen Wortschatz fallen zunächst die Bezeichnungen vale, gean , pade, tshum , cheatr , punte 4 , cale, f nt n 5 oder fîndîn 6 sowie r u oder arîu auf, die je nach Idiom einer Siedlung in unterschiedlichen Formen vorliegen kann. Allerdings stellen diese Bezeichnungen mit ganz wenigen Ausnahmen nicht von sich aus Ortsnamen dar, sondern treten als konstituierende Elemente umschreibender Toponyme auf. Von besonderem Interesse ist die syntaktische Form dieser Namensbildungen, da sie repräsentative Beispiele aus dem System der aromunischen Sprache darstellen. Die meisten von ihnen werden aus einem vorangestellten Subjekt mit Artikel und einer mit Präposition nachgestellten näheren Bezeichnung des Ganzen gebildet - diese wird mit den Präpositionen de la, la, din, di, de und di tu eingeführt und erklärt das allgemeinere Toponym der Gegend. Charakteristische Namen dieser Art sind: Valea de la Urs , Padea de la Lacu, F nt n de la Gretsi}i, Tshuma la ~agunu, Valea din Cornu, Valea di Chishori, F nt n di tu Chetri usw. Auf die gleiche Weise wird eine weitere Kategorie beschreibender Toponyme gebildet, mit dem Unterschied, dass die präpositionale Angabe mit cu eingeführt wird und Angaben über den Inhalt macht. Die Seltenheit dieser Toponyme gestattet mir ihre vollzählige Anführung: Cheatra cu Fearic , Cheatra cu Ap , Cheatra cu Sare, Cheatra cu Ush , Strunga cu Chetrile, Tshuma cu Fagi}i und „Tshuma cu Fearic “. Eine ebenfalls bedeutende Kategorie von umschreibenden Toponymen sind jene, die aus einem vorangestellten durch Artikel bestimmten Subjekt und einem nachgestellten mit Artikel versehenen Attribut bestehen. Dieses wird gebraucht mit dem Genetivartikel a für Substantive, alu (oft mit Ausfallen der Endung -u) bei männlichen Eigennamen und ale für die weiblichen. Toponyme dieser Art sind: Padea a Fagilor, Tshuma a lupu}i, Cheatra al Cheadinu, Fîndîn al Bushu, F nt na ale M rushe usw. Erhebliches <?page no="185"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 177 Interesse bietet auch eine vierte Kategorie umschreibender Toponyme. Diese werden durch ein vorangestelltes Substantiv mit Artikel und ein untergeordnetes, bestimmtes oder unbestimmtes, genauer festlegendes Adjektiv gebildet. Als Artikel dienen die Demonstrativpronomina acelu und acea, welche die adjektivische Spezifizierung einbringen. Toponyme dieser Art stellen charakteristische Beispiele der sprachlichen Ausdrucksweise der Aromunen hinsichtlich ihrer Umwelt dar. Ich führe als Belege dafür an: Valea Cald , Valea Mare, Padea lung , Padea Ascumpt , F ntana Aratse, Fîndîna Seac , Arîulu Albu, Valea acea Bun , Arîulu acelu icu, Tshuma acea Analt , P dzîle aceale M ri. Bezüglich ihres syntaktischen Gebrauchs weichen einige Toponyme von den beschriebenen Regeln ab. Ein wichtiges Element stellt das Problem ihrer Artikulierung dar, die häufig die Struktur ihrer Syntax verändert 7 . An dieser Stelle müssen wir auf die Bedeutung der lokalen Idiomatik für unterschiedliche Wortwahl und Syntax der Toponyme hinweisen. Ungeachtet des linguistischen Interesses, das diese Beobachtungen verdienen, ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ihre Analyse jedoch nicht praktikabel. Die semantischen Felder, die aus dem toponymischen System der Gegend aufgezeigt werden, beziehen sich in erster Linie auf die morphologischen Charakteristika des Berglandes. Hier müssen wir zunächst auf das quantitative Übergewicht der Namen von Gewässern hinweisen. Unsere Aufmerksamkeit liegt besonders bei den Nomina Vale und f nd n oder fîndîn , die als Komponenten von mehreren hundert beschreibenden Ortsnamen anzutreffen sind. Diese beiden sprachlichen Bezeichnungen scheinen nicht zufällig von den Aromunen als geeignetste Lexeme für die Namensbildung von Gewässersystemen bevorzugt worden zu sein. Die aus dem Lateinischen ererbte Vieldeutigkeit der beiden Wörter erklärt am besten die Struktur des verzweigten hydrologischen Systems eines Gebietes, in dem sich die bedeutendsten hydrologischen Becken Griechenlands 8 befinden. Für die Einheimischen bezeichnet Vale jeden größeren Graben, der von Wasser durchflossen wird. Folglich kann je nach den Ausmaßen dieser Falte das Wort Vale Tal, Flussbett oder Schlucht bedeuten 9 . Ähnlich bezeichnet der Begriff „f nd n “ sowohl einen Trinkwasserbrunnen von Siedlungen als auch natürliche Trinkwasserquellen 10 . Zwar tritt f nd n nur als eine Komponente von umschreibenden Toponymen in Erscheinung, doch gilt dasselbe nicht für seine Diminutiva. Diese bilden eigenständige Gewässernamen und können in den Formen F nt its , F nt neale und F nd ori vorkommen. <?page no="186"?> Fanis Dasoulas 178 Natürlich beschränkt sich die Benennung des hydrologischen Systems nicht nur auf die obigen Fälle. Zusätzlich werden viele Arten von Wasserflächen und -läufen mit Hilfe der Nomina arîu oder r u, ap 11 , trapu, lacu, balt , bar , gur , putsu, poltocu, shopotu, mutshar , varico und einer Vielzahl anderer Gewässernamen bezeichnet. Ich erwähne als besonders charakteristisch Arîulu Albu, R ulu di su Hoar , €pa acea un , Gura Stearp , Balta a Broashtelor, Traplu Îns ratu, Mutshara a Greclui usw. Für den Forscher mögen alle diese Gewässernamen semantische Elemente der lokalen Sprachkultur darstellen, aber vergessen wir nicht ihre bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts entsprechende Funktion im Rahmen einer Agrargesellschaft. Der die Arten von Wasser betreffende Wortschatz stellte eine für das Funktionieren der örtlichen Wirtschaft unentbehrliche Struktur dar, denn so bot sich ein Beziehungspunkt zu dem umfangreichen Bewässerungsnetz, das sich über die Bergweiden ergoss, Gärten, Fluren und Felder bewässerte, Ortschaften, Weilern und Einzelgehöften das Wasser lieferte. Vergessen wir schließlich nicht, dass Wasser die einzige Form beweglicher Energie darstellte, welche die vorindustrielle Technologie der Gegend nutzen konnte. Auf die handwerklich-produzierende Nutzung des Wassers weisen Toponyme hin, die sich auf wasserbetriebene mechanische Anlagen beziehen, die einst in dem Gebiet betrieben wurden, wie Dr shte}i, M nd nle al Tshubanaki, Moara al Moshuli, Moara Vucufeasc , Vale la Prione, Prionea a Preftului, Prionea al Hrona. Ebenso bedeutsam ist der Beitrag von Wasser und Gewässer zur Ausprägung der Volkskultur. Bezeichnend dafür sind die Auffassungen, dass in den Vale zu fürchtende oder dämonische Geister (draci) hausten, weshalb sich kein Mensch bei vollem Verstand in der Nacht dorthin wagte. Auch stellten sie einen Ort für Zurückweisung alles Bösen und für Exorzismus dar. Die Brunnen spielten eine zentrale Rolle für die Hygiene und das Überleben der Bewohner, bildeten aber auch symbolträchtige Plätze der Siedlungen, Orte für soziale Kontakte, traditionelle Feiern und poetisch-musikalische Darbietungen 12 . Als bezeichnend dafür möchte ich erwähnen, dass die Ortsteile von Metsovo, der größten aromunischen Siedlung in der Region und damit gleichzeitig ganz Griechenlands, nach dem zentralsten der Brunnen benannt waren, über die sie verfügten, beispielsweise M h l lu de la Drai und M h l lu de la F nd neale. An diesen spielte sich zu jedem Rosenmontag die rituelle Reinigung der Küchengeräte eines Haushaltes ab, der Brauch des „unantastbaren Wassers“ (apa nentsiput ) sowie des „Brunnenraubs“ (furare a f nt n }e) am Silvesterabend. Die Agrargesellschaft nutzte bis gegen die Mitte des 20. Jahrhunderts auch das kleinste Fleckchen Erde, um die Voraussetzungen für ihren <?page no="187"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 179 materiellen Lebensbedarf zu schaffen. Dieses Bestreben hätte nicht funktionieren können, wenn das unübersichtliche Gebirgsrelief der Gegend nicht sprachlich eingeteilt worden wäre. Die Spitzen der Gebirgsmassive, oft die einzigen örtlichen Orientierungspunkte in einem zusammenhängenden und kompakten Bergsystem, bildeten die zentralen Ansatzpunkte zu seiner Benennung. Wie ich feststellte, konnte jeder Gipfel, Grat, Bergrücken und jede Anhöhe auf Anhieb von den Einheimischen benannt werden. Dafür gebrauchten sie das Nomen geana, das sie der allgemeineren Bezeichnung des betreffenden Ortes voranstellten. Auf diese Weise bildeten sie Toponyme wie: Geana de la Toac , Geana din Kiru, Geana de la Fiu, Geana de la Telushu, Geana la C sh retsî, Geana la Deaderi usw. Die vielen Bedeutungen des Begriffs „geana“ zeigen, dass die Einheimischen dazu neigen, die Bergspitzen nach ihrer Masse und nicht nach ihrer Form zu benennen. Wahrscheinlich hängt diese Auffassung mit der Tatsache zusammen, dass alleinstehende Erhebungen in der Gegend äußerst selten sind 13 , wenn wir von den Erdhügeln absehen, die in Hochebenen verstreut sind. In ihrem Fall wird jedenfalls der Begriff tshum , tshumic oder tshumeal gebraucht, sofern es sich um kleine Hügel handelt 14 . Charakteristische Toponyme dieser Art sind Tshuma a Barbe}i, Tshuma atsea Mare, Tshuma cu Fagi}i und Tshuma al Rapu. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass trotz der weiten Verbreitung des Wortes tshum die Bedeutung des Hügels in den existierenden aromunischen Wörterbüchern nicht verzeichnet ist 15 . In einer Region, in der abschüssiges Gelände vorherrscht, boten sich nur die ebenen Plätze für die Entfaltung landwirtschaftlicher Aktivitäten und die Gründung von menschlichen Niederlassungen an. Ihre agrarische oder bauliche Nutzung wurde von den Höhenunterschieden zwischen ihnen und dem Umfang ihrer Fläche bestimmt. Es ist daher nicht zufällig, dass das Wort pade überall dort verwendet wird, wo eine ebene Fläche im Bergland zu finden ist, unabhängig vom jeweiligen Ausmaß. Charakteristische Toponyme dieser Art sind Padea Lung , Padea a Boilor, Padea a Ghine}i, Padea Dumneasc , Padea a Featilor, Padea a ‚r m ticu}i, Padea de la Mu}eri, Padea iu ac tsa Coru und P dic . In das gleiche semantische Feld möchten wir auch Toponyme einbeziehen, welche die Bezeichnungen c mpu, cîmpu und c mpure beinhalten. Dennoch stellen die sonstige Bedeutung dieses Wortes in den lokalen Mundarten, in denen es ausschließlich ausgedehnte ebene Gebiete bezeichnet, sowie die Tatsache, dass die erwähnten Örtlichkeiten lediglich kleine ebene Flächen im Gebirge darstellen, hinsichtlich ihres etymologischen Ursprungs ein Problem dar. <?page no="188"?> Fanis Dasoulas 180 In ihren Anfangsstadien war die landwirtschaftliche Aktivität wahrscheinlich extensiv. 16 Dies ergibt sich zumindest aus der semantischen Analyse, die zeigt, dass sich die lokale agrarische Terminologie gut bewahrt hat. Jedoch hatte der etappenweise Übergang zu mehr intensiven Formen der Bodennutzung die Schaffung fester landwirtschaftlicher Zonen zur Folge. Diese Entwicklung führte zur Bildung von Toponymen, die in Beziehung mit den verschiedenen Formen landwirtschaftlicher Nutzung stehen, wie das Bezeichnungen wie Liv dzî, Yi etsî, Sic ri i, G rdine, Ovesu, V c reats , Stî e usw. zeigen, aber auch Toponyme die sich auf landwirtschaftliche Strukturen beziehen wie Aryia Înc ltsat , Seri e, Cutaru, Purc retsî, C pr lease, Mandra a Boilor. Parallel zu diesem Prozess entwickelt sich auch die Grundbesitzordnung des Raumes. Die schrittweise Anpassung an den institutionellen und staatlichen Rahmen, den das osmanische Herrschaftssystem dem Gebiet auferlegte, hatte die Festlegung von zwei völlig unterschiedlichen Arten des Grundbesitzes zur Folge: Zum einen sind das Ländereien, die gemeinsamer Nutzung unterliegen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Wälder und Weideland 17 . Eine zweite Kategorie von Besitz umfasst Grund und Boden, welcher Privatpersonen oder Körperschaften gehörten. Die wechselnde Grundbesitzordnung spiegelt sich im toponymischen System des Gebietes wider. Obwohl das Gemeinland den grundlegendsten Produktionsfaktor der lokalen Wirtschaft darstellte, ist keine Benennung erhalten, die den Weg ihrer Erwerbung oder die Formen ihrer Nutzung aufzeigt. Hingegen bezieht sich die Mehrzahl der Toponyme, die mit der Landwirtschaft zusammenhängen, auf Landbesitz der privaten Haushalte oder der Kirche. Der Besitz oder die Nutzung eines Landstückes durch eine bestimmte Familie oder Kirche stellte automatisch auch den Anknüpfungspunkt für ihre toponymische Erwähnung dar. Auf diese Weise bildeten sich Toponyme wie Agrele al Dashul , Agrele Vucufeshti, Runglu al Canistri oder Sicar al Band . Im Laufe der Zeit verliert die Mehrzahl dieser umschreibenden Toponyme ihr nomen appellativum, behält jedoch den Namen des Grundeigentümers, was sie Personennamen macht, zu Namen ihrer Herren. Charakteristische Fälle solcher Toponyme sind jene, die bei ihrer Artikulation den auf einen Besitzer hinweisenden Artikel beibehalten, wie al Rapu, al Veru, al Fitsh , al Bulbu, al Tafili, ale Flore, ali Mitre. Hier möchte ich betonen, dass die meisten Personennamen, mit Ausnahme derer, die ihren Ursprung von historischen Personen ableiten, neuere Schöpfungen darstellen und mit der letzten Periode landwirtschaftlicher Tätigkeit der lokalen Bevölkerung zusammenhängen. Um bei der Beziehung von Eigennamen zu den Toponymen <?page no="189"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 181 der Gegend zu verweilen, möchte ich ihre häufige Beteiligung an umschreibenden Toponymen betonen, die sich auf alleinstehende Felsen beziehen, als Beispiele hierfür führe ich an: Cheatra al Veneti, Cheatra al Filu und Cheatra al Cheadinu. Die Beziehung der genannten Personen zu den Steinklötzen, die sich über die Gegend verstreut finden, ist schwierig nachzuvollziehen, dennoch fällt der beachtliche Anteil des Nomens cheatra an der Bildung von Toponymen auf. Den klassischsten Fall stellen die Toponyme dar, welche die geologische Zusammensetzung oder die Farbe dieser Felsen ausdrücken, so z.B. Chetrile Albe für jene mit Kalksteinstruktur, Cheatra Rosh , wenn sie Oxydationen aufweisen, und Cheatra Vinet für jene Felsen, die aus Serpentit (grünliches Mineral mit schlangenartigen Zeichnungen) gebildet sind. Den interessantesten Fall jedoch stellen jene Toponyme dar, welche diese Felsen mit der Anwesenheit von Tieren verbinden, wie Cheatra a Tsapu}i, Cheatra a C tush }i, Cheatra a Shoaricului, Keatra a Urs }ii usw. Dazu möchte ich betonen, dass die Zahl der Zoonyme im Vergleich zu den anderen Kategorien sehr klein ist. Abgesehen von den bereits erwähnten sind zu erwähnen: Alghin roas , Lupoa , ~epuraru, N mpîrtic , Heole, Vulturu, Valea de Urs , Tshuma a Lupului, Tshuma a Corbului sowie Measa a C tush }i. Der geringe Anteil der Fauna bei der Bildung von Toponymen ging offenkundig auf den beschränkten Beitrag der Jagd zur Ernährung der Einwohner zurück, was mit den großen Fleischvorräten zusammenhängt, welche die weit entwickelte Viehzucht zur Verfügung stellte. Hingegen stellen die Phytonyme, die ich verzeichnet habe, eine regelrechte botanische Tafel der örtlichen Flora dar. Ihre semantische Breite beweist die Beziehung der lokalen Idiome mit den restlichen romanischen Sprachen des Balkans. Als Beweismaterial nenne ich: P duric , Cup tshîn , C n chishte, F getu, S lcetu, Kinice}i, Djuneapine, Skinishoare, Rugi, S lci, Arburi, Alune, C shtoa e, Bradzî, Nuci, Meri, Gordzî, M r cinle alu Ardani, Fale, C i i, Berde i, Prunu, Cornu, Paltinu, Tsh reshu, Urdzîc , Nan , Djugastru, Fagu Scriptu usw. Die Produktionsmethoden, die von der Landbevölkerung des Raumes angewandt wurden, und die breitere Verteilung der Nutzungsstätten erforderten den alltäglichen Einsatz in der Natur, weshalb ein Wegenetz vonnöten war. Es bestand aus Fußpfaden, Fuhrwegen und Brücken und wurde durch Toponyme folgender Art überliefert: Calea Mare 18 , Calea a Ca}ilor, Cale Spart , Orma Cale, Calitsh , Calea dipu Scamnulu, Calea di Ameru, Pundzî, Puntic , Puntea acea Mare, Puntea din Chesari, Puntea din Cheare, Puntea ale Cherane usw. wie auch durch Toponyme der folgenden Art: Coasta Rao, Gusha din C tar , Sh l tura ale Marie usw., welche den Gebirgscharakter zum Ausdruck bringen. <?page no="190"?> Fanis Dasoulas 182 Mag auch der oft beschwerliche Charakter des lokalen Wegenetzes die tägliche Fortbewegung der Bewohner mühsam gemacht haben, so hatte es dennoch zahlreiche positive Auswirkungen für die örtliche Bevölkerung. Die Osmanen hielten ein reibungsloses Funktionieren und die Sicherheit des Netzes der Wege durch das Bergland für einen Faktor von lebenswichtiger Bedeutung für den Zusammenhalt ihres Staates. Sie bestellten daher die Bewohner zu Wächtern und Betreuern der Gebirgsübergänge und räumten ihnen als Gegenleistung einen privilegierten politischen und fiskalischen Sonderstatus ein. Die Überlieferung schriftlicher Berichte von Reisenden belegen zwei Bergpässe als figurative Orte dieses Verwaltungsnetzes. Die historische Wichtigkeit der Pässe bezeugt auch der Sachverhalt, dass die regionalen Mundarten ausschließlich diesen beiden Bergpässen das Toponym Djugu beigelegt hat: Djuglu di Ameru 19 , für jenen, der nach Makedonien führte, und Djuglu Mare für denjenigen nach Thessalien. In den örtlichen Idiomen hat das Wort Djugu fast alle Bedeutungen bewahrt, die ihm im Lateinischen zukamen, darunter auch die des Gebirgsüberganges. 20 Es ist unmöglich, im Rahmen dieses kurzen Beitrags die Gesamtheit der 1600 Toponyme vorzustellen, die ich in dieser Gegend aufgezeichnet habe. Klarerweise haben Toponyme wie Dzîn , Dumneasc , Murminde, Marmure, Saduri, Butshumu, Coduru, C ldare, ~agunu, Furc , Ushîts , Spindzur tur , Yisteare, Strîmoar , Vlitoru, Rugelu, Picelu, Surinu, Cheare, P rleandz , Sulatin , Sto}in Toac , Petrums , Ascumpt , Pushc}oas , Ri oas , Vu}ai, C mpu Neagitu, Crucea Betîrn , Vuloag larg , Lutlu a Mu}erilor, Mealu Vinetu, Valea Shasî oder Noaole F ndîne ihren eigenen linguistischen und volkskundlichen Wert. Dennoch bleibt, wie wir schon betont haben, das Studium der aromunischen Toponymie wie auch der aromunischen Idiome des Pindos ein kaum untersuchtes Phänomen 21 . Das minimale Interesse, das früher einmal bestimmten Ortsnamen der Region entgegengebracht wurde, hing damit zusammen, dass sie Möglichkeiten zur Herstellung historischer und ethnologischer Assoziationen boten. Charakteristisch ist der Fall der Toponyme Împeritoare und Fagu Scriptu, die sich auf der großen Hochebene von Metsovo finden. Ihre offenkundige Latinität fand schon seit Jahrhunderten bei einheimischen Gelehrten und bei Reisenden Beachtung. Diese sprachliche Dimension der beiden Benennungen in Verbindung mit der Tatsache, dass sie Lokalitäten bezeichnen, wo sich Ruinen aus älteren Zeiten finden, führte zu Meinungsäußerungen hinsichtlich römischer Niederlassungen in der Gegend. Eine historische Verifizierung dieser Hypothese ist nicht Gegenstand dieses Berichts. Dennoch muss ich auf den ideologischen Ausganspunkt hinwei- <?page no="191"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 183 sen, auf dem die Formulierung dieser Ansichten basierte. Das Bestreben, die aromunische Präsenz im Pindos mit der sprachlichen Latinisierung älterer griechischer Stämme zu erklären, würde den Nachweis ihrer ununterbrochenen Anwesenheit in dem Gebirge wenigstens seit der Römerzeit erfordern. Nach Ansicht einiger Gelehrter stellen die Toponyme Împeritoare und Fagu Scriptu Beweismaterial zur Erhärtung des oben erwähnten historischen Konstrukts dar. Da konkret die aromunischen Idiome der Gegend heute die Benennung Împeritoare nicht zu erklären vermögen, wurde diese als überliefertes römisches Toponym verstanden und etymologisch mit imperator in Verbindung gebracht. Ähnliche Standpunkte wurden bei der adjektivischen Bestimmung Sricptu eingenommen. Da die Form heute im Aromunischen als Scriatu vorliegt, wurde die morphologische Ähnlichkeit mit scriptus als Überleben eines römischen Toponyms verstanden. Nimmt man an, dass das Aromunische nicht Vermittler dieser lateinischen Toponyme war, muss man auch eine spätere Niederlassung der Aromunen in der Region diskutieren. Ihre Zurückführung auf das klassische Latein würde hingegen die ununterbrochene Präsenz der Aromunen in dem Raum zumindest seit römischer Zeit beweisen und damit die Latinisierung des Balkans als einen Prozess beschrieben können, der auf der südlichen Balkanhalbinsel seinen Anfang nahm. Zu diesem Thema möchte ich noch das Folgende hinzufügen: Die Örtlichkeit von Împeritoare hat stets starke Anziehungskraft ausgeübt, nicht nur auf die lokalen Gelehrten, gerade auch bezüglich der dort entstandenen Mythen. Ich weiß nicht, ob diese mythische Produktivität mit den Ruinen und den Funden in Zusammenhang stand, die von Zeit zu Zeit dort gemacht wurden, oder mit einer schwindenden historischen Erinnerung. In jedem Fall aber zeigt die Verbindung des Toponyms Împeritoare mit irgendeiner Form königlicher oder kaiserlicher Funktion in der Gegend eine verborgene Kenntnis der örtlichen Bevölkerung bezüglich dieser Bedeutung. Auch wenn die heutigen aromunischen Idiome der Region keinen Hinweis auf eine Verknüpfung mit dem Toponym Împeritoare geben, bleibt die Tatsache, dass sich Wörter ähnlichen etymologischen Ursprungs im balkanromanischen Sprachraum erhalten konnten, weshalb es wahrscheinlich ist, dass ihre Verwendung in den aromunischen Idiomen auf altes Erbgut zurückgeht. Was das adjektivische [Fagu] Scriptu betrifft, betrachte ich die Präsenz des Wortes in der Gegend als ein Sprachfossil des Aromunischen. Meine Ansicht stützt sich auf die Tatsache, dass es auch in anderen Toponymen der weiteren Gegend vorkommt. Konkret habe ich ganz in der Nähe der Örtlichkeit Fagu Scriptu die Bezeichnung Cheatra Script verzeichnet. Noch einen anderen Hinweis <?page no="192"?> Fanis Dasoulas 184 auf den Sachverhalt, dass diese Wörter sprachliche Archaismen des Aromunischen darstellen, liefert die Kenntnis ihrer Bedeutung bei den Einheimischen. Zum Abschluss möchte ich hinzufügen, dass in griechischsprachigen Teilen von Epirus, in deren Toponymen ein beachtliches aromunische Substrat fortlebt, die Benennung ” €^ zu verzeichnen ist 22 . Am Ende dieses Berichts möchte ich unterstreichen, dass die Verknüpfungen von Sprache und Kultur in der traditionellen und in der modernisierten Gesellschaft des Pindos noch zahlreiche Desiderate wissenschaftlicher Forschung offen lassen. Die unzureichend systematischen Studien und die Erkenntnis des baldigen Verschwindens der aromunischen Mundarten waren die Gründe, die mich auf meinen anthropologischen Recherchen zu einer linguistischen Annäherung geführt haben. Anhand der aufgezeichneten Toponyme zeigten sich viele bisher unbekannte Einzelheiten im materiellen Leben der örtlichen Bevölkerung. Die Analyse der Ortsnamen belegt ferner ein ausgedehntes lokales Netzwerk und eine lange und umfangreiche Beziehung der lokalen Bevölkerung mit dem weiteren Balkanraum, was sich auch in der kulturellen Identität der Einheimischen deutlich widerspiegelt. Die sprachlichen Elemente belegen ein historisches Miteinander auf dem Balkan, über das in schriftlichen Quellen bisher nicht genügend gesagt wurde. Ein weiteres fruchtbares Thema ist weiterhin die Zweisprachigkeit, welche das seit Jahrhunderten enge Verhältnis zur offiziellen griechischen Sprache belegt. Die Zweisprachigkeit bedingt starke Umwertungen bezüglich der etymologischen und semantischen Funktionen der Toponyme und erlaubt viele Schlüsse über Bedeutungsverschiebungen und kulturelle Assimilierung. Die Behandlung dieser Probleme verlangt eine Zusammenarbeit von anthropologischer Linguistik, Soziolinguistik, Ethnographie und Kommunikationswissenschaften. Trotz des verhältnismäßig guten sprachlichen Zustandes des Aromunischen im zentralen Pindos, hat es für das Aromunische bereits fünf vor zwölf geschlagen. Die Dominanz der offiziellen griechischen Nationalsprache hat einen gewaltigen Rückgang der örtlichen Mundarten mit sich gebracht. 23 Ihr Aussterben in der unmittelbaren Zukunft wird derartige Forschungen sehr bald undurchführbar machen. Quellen Academia Român , Institutul de Filologie Român , Alexandru Philippide (Hg.): Tezaurul Toponimic al României, Moldova, Volumul I, Bucure ti, 1991. <?page no="193"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 185 Capidan Th., Elementul slav în dialectul aromân, AAR-Lit, S. 3, T. 2, 1925. Iordan ¯., Toponimia Romîneasc , Ed. Academiei Republicii Populare Romîne, 1963. Leake W. M., Travels in northern Greece, Vol. 1, 2, 4, ±. ³. µakkert (reprint Amsterdam 1967). Miklosich F., Lexicon palaeoslovenico-graeco-Latinum, 1862-1865. Papahagi ¶., Dic ionarul Dialectului Aromîn, EARPR, Bucure ti 1963. Philippson ±., Thessalien und Epirus, Reisen und Forschungen im nördlichen Griechenland, W.H. Kühl, Berlin 1897. Akademia e Shkencave e Republikës së Shqipërisë, Instituti i Gjuhësisë dhe i Letërsisë, Fjalori gjuhës së somte Shqipe, Tiranë 1986. ± |€% %Y ³., «· ^ \^|\  \^%{ % { ~ % ^_ }  ¸ {•%Y (19% - 20%  { )», in: ¹^\| % , º. ¼ \ @_ , X. (Hg.), · % { ~ % ^_ º { ½ . ”Y ^_\_  @ ^ \~_@ ^\@% , •. ¸ ` %{, —½@% ¼ {^\ , ±`½{ 2000, 185-200. — \%‚ ., ± %^ %{ { ^%Y % {%‚ ~ %Y ^| %` @ { ½ € %•%, ·  \@% ^_ ¾ ³ ^¿ }%Y (18% -19% .), Dissertationsschrift, Universität Ioannina, ¯ |{{{ 2009. ¼ ^\|{_ ¹., ¶%€ {Y@ | ¯, { ^. € ^_{ ÁÁ”±¸ 18 (1979), 117-124. ¼ ^\|{_ ¹., ·{%@ \^ ¹Y@& %Y (¹ } \ ), •. ³ •%{ ½ º} %`½ _,  \\ %{ _ 1990. ¼%\@| ¹., · • %•% ^_ ¸ {•%Y, µ€  ^ ½ Á\^ 4 (1955), 14-20. ¼%Y^\% |{_ —.; ³ @|\_ ¹., ³ ^\%}%: µ Õ % %  ½ •| ^_ Á |• . Im Sammelband ¶% Á`{ ³ ^\ }% ¸% Y^ ~{ %  ^% ³ ^\%}%. ¸ ^ | ^%Y 1oY • €\^_@%{ %‚ • € { €\^_@ %‚ \Y{ • %Y 1995, € { €\^_@ • \  Á³¸, ±`½{ 1998, 209-229. ³ ½ Æ.; ¸ € %Y ”., ¶% ¾ \ % • ^Y% € %{ { \^% |^% ^%Y ± ½ ¸ \| ¶ € { ½, •. ¸ € ¿½\_, ±`½{ 1990. ³ ^¿%Y ¼., ”Y@}% ½  ^_{ @_{ { ^ { È { { µ€  ^ { ¶%€ {Y@ {, µ€  ^ | ¾ %{ | 9 (1934), 182-203. ³% %\\ Ê., ± ~ % %  {, \^%  {, & {, \^ ^ ^ {, \^ ^\^ {  @€%  % • @%, µ€  ^ ³ ^  4 (1878). ³€ @ ^_ Â., · } ‚\ ^%Y ³ ^\ }%Y ( € ^%{ 18%  { @ ~  \½@ ), •. ±& { ¼Y  •_,  \\ %{ _ 1989. ¹^\| % º., · % { %{ ^_^ ^_ }  ¸ {•%Y. ”^%{ € _~% ^_ @ | •|  , ±`½{ , •. ¸ ` %{, ±`½{ 1995. · %{ @%Y ¼., ¶%€ {Y@ ^_ € %~½ Ê % %Y, •. — • {_, ¯ |{{{ 1995. · %{ @%Y ¼.,«”Y@}% ½ \^_{ %@%Y{ ½ %{%@ ^% % , ¶ ^%€ {Y@ ^%Y ~ %‚ ³_ | ³ ^\ }%Y», ·{ @ ^ . Revue Onomastique 12, ±`½{ 1988, 384-411. Ë %Y º., · { %{ { ^| ^_{ € %•% ^_ ·` @ { ½ Y  ~ \^ º |{ , •. Á • ,  \\ %{ _ 2007. ”%‚ _ ¾., «¶%€ {Y@ { ^ { ¾%Y  |• {», µ€  ^ | ¾ %{ | 7 (1932), 217- 245. <?page no="194"?> Fanis Dasoulas 186 ”%& { —., «±cta Stagorum, T Y€ ^_  \\  ½ €\ %€½ ”^ { € | }Y¿ {^{| & (^ { ^ { 1163, 1336  1393)», ¶  {| 13 (1993), 7-67. ”^  €%Y % ¼., ± • %•% ^_ ¸ {•%Y ^| ^%Y € %Ì\^%  %‚ ~ {%Y , \^%{ ^ @% & @  ¼. Í@ {^%{, ±`½{  1940. ” |^%Y , Á _\ \^ ½ ¯\^% , \^% Migne PG, ^ @. 67. Übersetzung aus dem Griechischen: Thede Kahl Anmerkungen 1 Siehe hierzu º. Ë %Y, „ '! † ‡"'! ˆ! $ ‡ ‰+ ‰Š! ‹ $"Œ" ‰Š „ ˆ= ! '‡’ ‡“ ' $ ”‰  ‡+! ' , •. Á • ,  \\ %{ _ 2007; º. ¹^\| % , „' " '! † ‡"'! ‰Š‰ ‰Š ' •$! Œ"“. –‰"! ‹ Š " ‰Š = ‡ + Œ'+ ‡ ' , •. ¸ ` %{, ±`½{ 1995; M. ± |€% %Y, «· ^ \^|\  \^%{ % { ~ % ^_ }  ¸ {•%Y», in: º. ¹^\| % , ¾. ¼ \ @_ (Hg.), „ " '! ˜ " ‰Š  ‡ ! '‡’ , •. ¸ ` %{, ±`½{ 2000, 185-193. 2 Siehe . — \%‚ , «± %^ %{ { ^%Y % {%‚ ~ %Y ^| %` @ { ½ € %•%, ·  \@% ^_ ¾ ³ ^¿ }%Y (18 %  - 19 % .)», Dissertation an der Universität Ioannina, ¯ |{{{ 2009. 3 Die von mir aufgezeichneten Toponyme stammen aus den heutigen Siedlungen Vovousa (arom. º es ), Milia (arom. ±meru), Platanistos (arom. CutsufÏeani), Malakasi (arom. Malacashî), Anilio (arom. Keare), Votonosi (arom. Votonosu) und Metsovo (arom. Amindju). 4 Aussprache auch punde. 5 Aussprache auch f nd n . 6 Aussprache auch f ndîn . 7 Für die Entstehung bestimmter Toponyme ist die präpositionale Bestimmung ein wesentlicher Bestandteil seiner Ausformung. Dies hat zur Folge, dass das Subjekt ohne den Artikel und mit den Präpositionen de oder la zusammengesetzt wird. Charakteristische Beispiele sind: în Vale la Cucu, în Vale de Roate, în Vale di Ljoshanji Acea Mare, în Vale di Ljoshanji Acea Njic . Bei umschreibenden Ortsnamen, die das Substantiv dzean beinhalten, wird dies in ihrer Ausformung häufig durch das Adverb dzean ersetzt, beispielsweise dzean la Crutse. Darüber hinaus findet man umschreibende Toponyme, deren erster Teil aus einem Ortsadverb besteht und der zweite Teil aus einem Substantiv, etwa sti Scamnu, dupu Livadzî. Wenn die umschreibenden Toponyme Zahlwörter beinhalten, werden diese vorangestellt, z.B. ™oaole F ndîne, Trei Kinji, Unu Kinu, Doale Leamne usw. Schließlich bedürfen Toponyme der Form Padea Hranu, Padea Mushoru, Valea Shasî, Padea Beloe, Keatra Askiti einer gesonderten Erklärung. 8 Es handelt sich um die Flussbecken von Arachthos, Acheloos, Pinios, Aliakmon und Aoos. Siehe ¼%Y^\% |{_ , ¹. ³ @|\_ , «³ ^\%}%: µ Õ % %  ½ •| ^_ Á |• », im Sammelband š" › ! '‡ Ÿ ‰” '" •" “‰ ! $" %' ‰" Ÿ†‰”" ", ¸ ^ | <?page no="195"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 187 ^%Y 1 oY • €\^_@%{ %‚ • € { €\^_@ %‚ \Y{ • %Y 1995, € { €\^_@ • \  Á³¸, ±`½{ 1998, 209-229. 9 Es kann auch mit der Verkleinerungsform valic bezeichnet werden. In der Mundart von Metsovo habe ich außerdem die Wörter V l reao und V l ur für Flüsse und Ebenen aufzeichnen können. 10 An dieser Stelle muss ich das Fehlen des Wortes f nd n bei den Gewässernamen der Siedlung CutsufÏeani und seine Ersetzung durch das Substantiv shopotu unterstreichen, ein Begriff, der auch in anderen Dialekten der Region existiert, allerdings mit der Bedeutung „Schleuse/ Strom“. 11 Das Substantiv ap als umschreibendes Toponym erscheint oft in den Formen apa bun oder apa atsea bun . Hier bezieht sich die adjektivische Bestimmung bun nicht auf die Qualität des Wassers, sondern weist auf die üppige Menge des Wassers hin. 12 Siehe Â. ³€ @ ^_, „' -” ‰"“ Ÿ ‰” "“ (a‹ ‰"! 18 " '˜! =† ' ”’= ), •. ±& { ¼Y  •_,  \\ %{ _ 1989. 13 Mit ist nur ein Fall bekannt. Es handelt sich um den Begriff šshuca Rosh , eine vollkommen alleinstehende pyramidenförmige Bergspitze. Das Substantiv tshuc taucht in der Region in drei weiteren Fällen auf, die alleinstehende Erhebungen bezeichnen. Das Wort existiert heute in den regionalen Dialekten nicht. Es kann aber anhand der morphologischen Bestandteile seiner Komposita leicht bestimmt werden, dass das entsprechende Toponym vereinzelte pyramidenförmige Bodenerhebungen bezeichnet. Generell handelt es sich um ein gesamtalbanisches Toponym, dessen Herkunft schwer zu entschlüsseln ist (s. · %{ @%Y ¼., š"‹ˆ! “='‡ ‰Š ‹ '" ’ ¡ %" $"“, •. — • {_, ¯ |{{{ 1995, S. 318-319, 661-662, ¯. ¯ordan, Toponimia Romîneasc , ed. Academiei Republicii Populare Romîne, 1963, S. 35, Academia Român , Institutul de Filologie Român „Alexandru Philippide”, Ia i, Tezaurul Toponimic al României, Moldova, Volumul I, Bucure ti, 1991, 321). 14 Das Toponym taucht in der selben Bedeutung auch in griechischsprachigen Gegenden des Epirus auf, besonders dort, wo es ein bedeutendes aromunisches Substrat in den Toponymen gibt (s. ¼. · %{ @%Y, .‹., S. 319,446, ¾. ”%‚ _, «¶%€ {Y@ { ^ { ¾%Y  |• {», ¢‹ ' ˆ‰'‡+ £ "! '‡+ 7 (1932), 242. ¼. ³ ^¿%Y, « ”Y@}% ½  ^_{ @_{ { ^ { È { { µ€  ^ { ¶%€ {Y@ { », ¢‹ ' ˆ‰'‡+ £ "! '‡+ 9 (1934), 189, 197). 15 Das Wort tshum , das sowohl in der aromunischen als auch in der rumänischen Sprache in unterschiedlichen Bedeutungen vorkommt, wird von anderen Autoren auf das lateinische Wort cyma zurückgeführt, welches eine Entlehnung des griechischen ‡-= ist, während ich eine Beziehung zu lat. tumiditas, tumulus oder tumentia für wahrscheinlicher halte. 16 Beispielsweise beweist die semantische Verschiebung des Wortes vuloag , von der Bedeutung „bewaldetes Weideland, Wiese“ zu „Acker, Flurstück“, dass die grünen Lichtungen der Wälder den Beginn der Vergrößerung der bewirtschafteten Flächen darstellten. Als Toponym hat es seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt. Es stammt vom altslawischen vologa ab, vgl. F. Miklosich, Lexicon palaeoslovenico-graeco-Latinum, 1862-1865, 65, ¶. Papahagi, op. cit. S. 1125, Th. Capidan, Elementul slav în dialectul aromân, AAR-Lit, 3 , T. 2 (1925), 90. Weiterhin ist auch der Begriff rungu ein Überbleibsel einer Zeit, in der die Vergrößerung der Ackerflächen vor allem die Wälder <?page no="196"?> Fanis Dasoulas 188 betraf. Es beschreibt den Zustand der Äcker, die aus gerodeten Waldflächen entstanden waren. Zu seiner etymologischen Herkunft vgl. ¹. ¼ ^\|{_, «¶%€ {Y@ | ¯», Neudruck aus ››¤–€•¥ 18 (1979), 117-124, Akademia e Shkencave e Republikës së Shqipërisë, Instituti i Gjuhësisë dhe i Letërsisë, Fjalor i gjuhës së somte Shqipe, Tiranë 1986, 1669. 17 In den aromunischen Mundarten der Umgebung werden sie auch als locu a hoar }i oder mushao erwähnt. 18 Dieser Begriff bezeichnet die zentralen Straßenverbindungen. 19 Dieser Gebirgskamm war der höchste Punkt des wichtigsten Passes zwischen Epirus und Makedonien. Aufgrund seiner Höhe war er viele Monate lang von Schnee bedeckt und Schneestürme konnten das Leben der Wanderer bedrohen. Er heißt auch Djean-Hortara oder Djeanhorta vom türkischen Ausdruck cankurtaran, übersetzbar als „Seelenheil“, oder „Ort, an dem die Seele gerettet wird“. Zotos Molossos bezieht sich auf den wichtigsten Han auf der westlichen Seite des Kamms, der bei den Einheimischen als hanea din Djean-Hortara bekannt ist und meinte, dass der Gasthof so genannt wurde, weil er für die Reisenden im Winter tatsächlich die Seelenrettung war, wenn sie sich im Schnee verlaufen hatten und riefen, damit jemand vom Han ihnen den Weg zeige. Vgl. Ê. ³% %\\ , «± ~ % %  {, \^%  {, & {, \^ ^ ^ {, \^ ^\^ {  @€%  % • @%», ¢Ÿ. 4 (1878). Vgl. Æ. ³ ½ , ”. ¸ € %Y, š" £ ” $" Œ$‡‰“" ‹'‡"'! ˆ! $ ”‰" ‡ +‰" ‰"“ € ’ • ”+ š ‹ ! ’, •. ¸ € ¿½\_, ±`½{ 1990, 184-185. 20 Es gibt viele Angaben von Reisenden und Schriftstellern über diesen Pass, welche schon in der Spätantike beginnen. Vgl. ” |^%Y , ›‡‡ Š”' ”‰'‡’ ¦”‰" $ , Migne PG, ^ @. 67, \^. 710, 756. Als Zygos wird er schon seit dem 12. Jh. bezeichnet, vgl. «±cta Stagorum, T Y€ ^_  \\  ½ €\ %€½ ”^ { € | }Y¿ {^{| & (aus den Jahren 1163, 1336 und 1393)», š '‡ '! + 13 (1993) 27-54. Über die Überquerung des Zygos, die Schwierigkeiten der Reisenden im Winter, aber auch generell zur Bedeutung der Region als Verbindungsachse zwischen den westlichen und den östlichen Regionen Nordgriechenlands vgl. ¼. ”^  €%Y % , €' Œ$"Œ"' ‰Š •$! Œ"“ ‡ ‰+ ‰"“ ‹ "§”‰" '‡"- ! "“ , \^%{ ^ @% & @  ¼. Í@ {^%{, ±`½{  1940, S. 290, ¹. ¼%\@| , «· • %•% ^_ ¸ {•%Y», ¢› 4 (1955), S. 14-20, ±. Philippson, Thessalien und Epirus, Reisen und Forschungen im nördlichen Griechenland, W.H. Kühl, Berlin 1897, S. 172-190, W. M. Leake, Travels in northern Greece, Vol. 1, ±.³. µakkert- Publisher (Reprint Amsterdam 1967), S. 411-416. 21 Davon sollen hier Erwähnung finden: ¹. ¼ ^\|{_ , „! "= ”‰'‡ ™“=¨ $"“ (™† ”‡ ), •. ³ •%{ ½ º} %`½ _,  \\ %{ _ 1990, K. O %{ @%Y, «”Y@}% ½ \^_{ %@%Y{ ½ %{%@ ^% % , ¶ ^%€ {Y@ ^%Y ~ %‚ ³_ | ³ ^\ }%Y», „! = ‰ Revue Onomastique 12, ±`½{ 1988, 384-412, Kahl, Th.; Bara, M.: Pflanzen im Pindos- Gebirge. Phytonyme, Nutzung und Mythen, In: Sobolev, A. N., Rusakov, A. Ju.: ©ª--® ® ¯®±²³-µ- ¶±²-· ¸µ¹®º³¼-®· ½¾¿ÀÀ ¹± Á±²-±¹±·, Є-†! - Ñ ! ¡ÒÓ¡Ô/ München, 200-209. Außerdem liegen einige Werke lokaler Gelehrter von zweifelhaftem wissenschaftlichem Wert vor. 22 º . ¼. ³ ^¿%Y, . ‹., 197. 23 Dieser Umstand war einer der hauptsächlichen Beweggründe für mich, die Toponyme des zentralen Pindos aufzuzeichnen. Insbesondere der Bedarf nach der Identi- <?page no="197"?> Aromunische Ortsnamen im Pindos-Gebirge 189 fikation der dortigen kulturanthropologischen Untersuchungen mit konkreten Orten brachte mich dazu, genaues Kartenmaterial der Region zu konsultieren. Dies führte dazu, dass ich die Karten des Geographischen Dienstes der Armee zu Rate zog. Obwohl diese, entsprechend der technischen Möglichkeiten, die detailliertesten und maßgeblichen Abbildungen des griechischen Territoriums darstellen, stellte ich fest, dass die Angaben zu den Toponymen sehr ungenau waren, manche Ortsnamen waren an der falschen Stelle notiert, vollkommen entstellt oder fehlten gänzlich. Es ist nicht die Aufgabe des Autors, die Herausgeber für diese Fehler verantwortlich zu machen, dennoch muss hier angemerkt werden, dass diese in hohem Maße durch die nationale Voreingenommenheit entstehen, die in den Balkanländern leider zu finden ist. <?page no="199"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari. Vergleich zweier Märchen anhand von Feldaufnahmen in Ungarn und Griechenland 1. Fragestellung Aschenputtel ist im europäischen und internationalen Raum eine der am weitesten verbreiteten Märchenfiguren, die sich auch unter rumänischsprachigen Bevölkerungsgruppen größter Beliebtheit erfreut. Ihre schriftlich festgehaltene Erfolgsgeschichte reicht von der 1697 von Charles Perrault veröffentlichten Cendrillon über Aschenputtel bei den Brüdern Grimm (Kinder- und Hausmärchen 1812) und Aschenbrödel bei Ludwig Bechstein (Deutsches Märchenbuch 1845) bis hin zu Opern, Balletts, Musicals, Theaterstücken und Verfilmungen. Berücksichtigt man die schriftlich nicht festgehaltenen Überlieferungen oder einzelne zentrale Bilder des Märchens (Vögel, Asche, Schuhe, Nüsse) wird man Teilen der Geschichte ein weitaus höheres Alter zuschreiben können. Bei der Gruppe, in deren mündlicher Überlieferung im Folgenden das Aschenputtelmotiv vorgestellt und untersucht werden soll, handelt es sich um rumänischsprachige ‚Zigeuner‘, die wir hier so nennen dürfen, da sie den Begriff selber für sich verwenden und das politisch korrektere ‚Roma‘ ablehnen. Ihre Vorfahren haben so lange in rumänischsprachigem Umfeld gelebt, dass sie die rumänische Sprache annahmen und heute kein Romani mehr beherrschen. Als wichtigster Herkunftsort ihrer Vorfahren wird das Westsiebenbürgische Gebirge (Mun ii Apuseni) angenommen (Weigand 1908: 173). Sie sprechen archaische Dialekte des Rumänischen und nennen sich im Norden ihres Verbreitungsgebietes Bajeschi (dt. Bajeschi, engl. Boyash, ungar. beás, rum. b e i und b ia i, bosn./ kroat./ serb. Banjaši), im Süden hingegen Rudari (dt. Rudari, engl. Rudari, rum. rudari und b ia i, bosn./ kroat./ serb. Rudari). Bajeschi und Rudari gehörten noch im 18. Jahrhundert zu den größten Sklavengruppen in den rumänischen Ländern; sie beschäftigten sich mit der Goldwäscherei und -verarbeitung. Nimmt man an, dass sie diese Tätigkeiten unter den Rumänen ausgeführt haben, wäre dies eine Erklärung für ihre frühe Aufgabe des Romani und den Übergang zur rumänischen Einsprachigkeit (Kahl 2012: 199-200). Als die „Goldausbeute im Laufe des 18. Jahr- <?page no="200"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 192 hunderts immer mehr zurückging und Arbeiter überflüssig wurden“ (Weigand 1908: 174), zogen sie in andere Räume wie das südliche Siebenbürgen weiter. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert finden sich ihre Nachfahren in den südungarischen und transdanubischen Komitaten (Papp 1982: 4-5; László 2001), in Ostserbien (Tal des Timok) und in Bulgarien, von wo sie in die weiter südlich gelegenen Gebiete weiterwandern. Die Ansiedlung in den hier vorgestellten Untersuchungsgebieten dürfte auf Mitte des 19. Jahrhunderts (Südungarn) und Anfang des 20. Jahrhunderts (Griechenland) zurückgehen. Frage dieses Beitrages ist, wie sich das Aschenputtelmotiv bei einer Bevölkerung entwickelt hat, die zwar rumänische Dialekte spricht, aber mit der rumänischen Schulbildung und Alphabetisierung nie in Kontakt gekommen ist und seit mehreren Generationen in anderssprachigem Umfeld lebt. Hierzu wählten wir diejenigen Aufnahmeorte, die innerhalb ihres Siedlungsgebietes am weitesten voneinander entfernt liegen: das südliche Ungarn und Zentralgriechenland. Zwei der aufgenommen Märchen werden im vorliegenden Beitrag vollständig in sprachwissenschaftlicher Transkription wiedergegeben und auf Deutsch zusammengefasst, bevor auf gemeinsame und trennende Elemente in der Sprache (Kap. 3) sowie auf Ablauf und Inhalt des Märchens (Kap. 4) eingegangen wird. 2. Die Feldaufnahmen Aschenputtel ist den meisten Kindern in Rumänien heute als Cenu reas bekannt und als solche in vielen Märchenbüchern zu finden. Eine ähnliche Bekanntheit genießen Stahtoputa in Griechenland (für frühe deutsche Übersetzungen s. Hahn 2 1918, Bd. 1: 7-12, Bd. 2: 235-239) und Hamupip ke in Ungarn (für eine frühe deutsche Übersetzung s. Stier 1850: 91-95). Nach Ni cov (1996: 257-259) liegen allein auf Rumänisch über 80 Varianten der Aschenputtel vor, von denen sie selbst eine veröffentlicht. Dabei dürfte weder der Name Cenu reas noch die heutige Bekanntheit des Märchens auf mündlich überlieferte rumänische Märchenvarianten zurückgehen. Vielmehr scheint es sich um eine junge Lehnübersetzung von Cinderella zu handeln. Der rumänische Volksmund kannte ursprünglich die Figuren Cenu otc (aus rum. cenu ‚Asche‘) und Pipelc (aus bulg. pepeli ‚Asche‘), jedoch sind diese Namen den Erzählern der folgenden Beispielaufnahmen aus Ungarn und Griechenland nicht bekannt, und in Rumänien sind sie heute vollkommen durch Cenu reas verdrängt worden. In beiden hier vorgestellten Varianten wird der Name der Heldin überhaupt nicht erwähnt. Die Märchenerzähler benennen ihre Geschichte üblicherweise <?page no="201"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 193 nicht mit einem Titel, so dass das Fehlen des Namens der Heldin nicht auffällt. Kinder wünschen sich ein Märchen, indem sie auf eines der Schlüsselereignisse oder Symbole hinweisen, indem sie beispielsweise nach der Geschichte mit dem verlorenen Schuh, mit der Asche oder mit den hilfreichen Tauben fragen. So wurden auch während der Feldforschungen erst auf unsere Nachfrage hin die Titel „MunÕá u sî mùnÕe î a“ und „Stahtoputa“ genannt, wobei wiederum auffällt, dass in Ungarn keinerlei Bezeichnung für Aschenputtel vorkommt, in Griechenland hingegen die griechische übernommen wurde. „MunÕá u sî mùnÕe î a“ bezieht sich auf die Herkunftsbezeichnung ihrer Eltern (der Muntenier und die Muntenierin), „Stahtoputa“ ist eine Übernahme des modernen griechischen –‰ ‰"‹"-‰ . Bajeschi und Rudari sind für die Märchenforschung besonders aufschlussreich, weil man davon ausgehen kann, dass die Überlieferung von Märchen und anderen Geschichten in ihrer Gesellschaft nur auf mündlichem Wege geschah. Sie lebten bis vor wenigen Jahren nicht in dauerhaften Siedlungen, ihre Kinder besuchten dementsprechend keine Schulen. Durch ihre starke Segregation von anderen Bevölkerungsgruppen, ihre mobile Lebensweise und die geringe Alphabetisierung sind ihre alten Erzählformen weitgehend unbeeinflusst geblieben von standardsprachlicher Überformung durch Literatur, Schulbildung und Medien. Der Erzählstil der Gebrüder Grimm, der in vielen Kulturen Europas für ganze Generationen prägend und maßgebend war und ist, kann daher bei ihnen kaum erwartet werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden Kürzel für die beiden Märchen vergeben: M1 MunÂá sî mùnÂe î a Aufnahmeort: Gilvánfa (Süd-Ungarn) Datum: 24. März 2011 Erzähler: János Orsós (geb. 1952) M2 Stahtoputa Aufnahmeort. Zefyri (Attika, bei Athen), Griechenland Datum: 7. November 2011 Erzählerinnen: Vasiliki Paiteri (geb. 1933) und ihre Tochter Evanthia Paiteri (geb. 1959) Transkription und Zusammenfassung: Ioana Nechiti, Thede Kahl <?page no="202"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 194 2.1. Beispiel M1: Aschenputtel bei den Bajeschi Ungarns Ínc-o dát ánu, Â-o dat, pîn p ár dómn’é o dat un munÂá -o mùnÂe î [...]. Ãe tu sáma, Ye, munÂá u áre o fát . Avé frumós fát áre, d húnd’e r sáre pîn-apún’e, ca YeÄe frumós fát nu Ye. Es waren einmal ein MunÕa und eine MunÕe î . Der MunÕa hat die schönste Tochter aller Zeiten. Cî nd dómn’e fáta m-ár , opt, z e, ái d zî Äe, múm -sa cád’e în pat, o murít, múm sa féÂi. D ómn’e, dú e búYe munÂá u, Â-o fi ráno, cum o nivîlí p fát sus, cum o cré Âe fáta. No nu-i báY, n-áre e s fác , or apucát, or îngropát-o p mùnÂe î , tré e dómn’e, zî iYe, s pt mî n’iYe, lún’iÄe. Ma fáta, da Ye tu sám c mî grib sc. Als das Mädchen acht Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Mínd’e n-o murít múm -sa, o Âám p fát -i la pátu-i: <Aúz fáta me> zî e, <ói murí, tátî-to,> fá e <o murî váca, ma dúp pumán ,> <tu s du ,> fá e <más , Ye s Âist lé t la pîróu. În pó v’éi aflá tri fíre d nú . V acás, tri fíre d nú s Äe îngróp i la cónu d cás . Drága mé, fáta mé,> fá e <o cré Âe un nuc dîn Ye, máre. Alt nu trébe s fá , fáta mé. Cî nd viY avé d gînd s Âe bré s Âe dezbré , núma-tît zî : <c p núcu mn’o, s m gat, vo Y c p núcu mió, s m d zbr c.> [...] Cîn muYérea s-o lovít în pat, o murít. Cînd o murít, vín’e munÂá u, o murî t váca, o murî t [...]. Vor ihrem Ableben bittet sie das Mädchen, drei Walnüsse im Bach zu waschen und vor dem Haus zu vergraben. Daraus solle ein Nussbaum wachsen. O m r s, o sp lát cum Yo zîs múm -sa, o flat tri fiÄé d nú i, în pó a và í. O apucát nú iYe, Yo b gát în îb, o sp lát má îYe, o mers acás , or f cút d mult d mîncát, or f cút grupimínÂe, or f cút. Ye tu sáma, dî p grup mínÂe, dî p -or mîncat, or but, léz tri firé d nú , Äe-o-ngropát. Ye tu sáma, e áltu Yemn în z e ái d zî Ye cré Âe, ála, núcu, î nt-u zî cri Âá atî ta. P Âe dó , tri zî Ye, afél nuc dómn’e, t ré bié mári, d nu s póÂe vid’é în tótu hotáru. An einem einzigen Tag wächst daraus ein Nussbaum, wofür andere Bäume zehn Jahre brauchen. <?page no="203"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 195 <No nu-i báY> fá e <e tu sáma, în cutáre sat îÅé o mùnÂe î î áYa úg’e áYe, avé o fát . Cînd o vin’ít áYa dób [...] -o muitát dómna, munÂá u: <Aúz fáta mé, zî e, î ì ma pát r usp z e ai d zî Ye,> zî e <n’íme, la n’íme nu pót spún’e báYu, lúcru. Bin’-a fi cînd a me d’e î m-a cutá, zî e o dómn .> <O tát ,> zî e <dúÂe.> S-o àpucátu-s , munÂá u, s-o g tátu-s , -o b gát bán’i în p, mé e, mé e lúme î-n p mî nt. Nach dem Tod seiner Frau fühlt sich der MunÕa sehr einsam. Cînd a un e-n-sat afár , mág órecî Âe sáturi afár , s áfle c-o mùnÂe î . <Bún zî ua,> zî e <mùnÂe î o! > <H fi sîn tós,> zî e <munÂá ! > [...] <Ápo iáca-acúm î áca-acúm ma doY ái d zî Ye, c-o murít> zî e <dómna-m, m duc> zî e <s -m cot> zî e <dómna.> <No, munÂá e,> fá e < î míe d doY ái d zî Ye m-o murít> zî e <dómnu, î Yo> zî e <m duc s -m cot p ín’va s am> zî e <cu ín’i s -m î mp r sc> zî e <cústu.> Er hat von einer Witwe im Nachbardorf gehört, und so geht er zu ihr, um sie zu seiner Gemahlin zu machen. <Da,> zî e <cum îl scol> zî e <în b órbe, áY o fát , da î Yo am úna. Aúz munÂá ,> zî e <a á víu> <zî e la Âín’i, c > zî e <ón’ i fá e un iÅi úg. Mi-Y p ne g áYa c Â-o curá dîn sî t o mî nca fáta- , -o r mî n’e în sî t o mînca fáta-m.> <No,> fá e munÂá u <fíe a á.> S-apúc dómn’e, o r mers acá, or înút lúna s pt mî na núnta, o r înút dómn’e [...] p fáta munÂá î ca p cî n’e o î n’é mî ÂóY-sa. Ba mn’e zbár , mu e Âe, o báÂe, o în áie d cap, d p r, îÊcó, îÊculó. <No,> fá e <az a á fá e, n-o fi bín’e, fátam o gábo. <No fáto,> zî e <dumín’ic mé en’i la biséric .> <On’ mé e> zî e. Die MunÕe î willigt in die Heirat unter der Bedingung ein, dass ihre Tochter aus dem Sieb essen darf, die des MunÕa jedoch nur vom Gesiebten bekommt. Doch sie behandelt die Tochter des MunÕa sehr schlecht. O mes la bólt , o lot un kiló d rí . Rí o r s pít-o în, în gunóYe, o r s pít-o. <P cîn î i vin’í ácà> fá e <dîn rí a ásta s fá > fá e <á e -ái p t t cápu stor í curéÂ, cárn’e, mumbó , s fá mîncáre î zám , Eines Sonntags geht sie zur Kirche und gibt dem Mädchen ihre erste schwierige Aufgabe: Sie kauft ein Kilo Reis und wirft es auf den Müll. Das Mädchen <?page no="204"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 196 c dác nu,> fá e <t Y-stúY-tí tàra Âe-oi iupirí î Âe-oY Äegá Âe-n horn.> Dómn’e, fáta, dómn’e, cîn vín’e dumín’ica, o r adús rí , o r s pít-o în gunóYe, plî n e dómn’e fáta róu plî n e. <Ah [...], máma-s m Âóie, e máY fél -o lot míe. Ácu cum oY [...] brí a afár dîn gunóYe.> Mér e dómn’e afár , ád’e p bú um, plî n e, plî n e, plî n è. soll den Reis vom Müll auslesen und eine Suppe daraus kochen, sonst wird sie bestraft. Cum Ye plî n e, e-s mé e la Ye, doY porumbá . <Bún zî ua, zî e fát frumós .> <S fi s n tó po rúmbilor! > zî e. <O, dár , fát frumós , di e plî n i á a táre? > <Óu, pòrumbá kîlor, a uÂe-v drágu-m domn, iáca-acúm î iáca-acúm e m ÂóYa me e-o zîs. O lot un kiló d rí , o r s pít-o colé-n gunóie, -o zîs, p cîn oY vin’i acás, or vin’i acás dîn biséric , s fíe tât cât cápu ásta dîn Ye Ye. Dápo cum oY fá e atî ta rí , cum ói agutío Yo afár ? > zî e <dîn gunói.> <O, o, fát frumós , dod’i c nu dubúie> zî e. <Dut d spál -Âe, gát -Âe, dúÂe-n biséric , p cîn vi-Y vin’í, áca o fi mîncáre> fá e. <O, da, porúmbilor, drá ilor p o rúmbilor, cápu-n par îm î p .> <Ba nu, fát , púc Âe î dúÂe, spál -Âe, gát -Âe î dúÂe la éva biséric .> Als das Mädchen bittere Tränen weint, kommen ihm zwei Tauben zur Hilfe. Sie bitten die Tochter zur Kirche zu gehen, und wenn sie zurückkommt, würde alles vorbereitet sein. O mes fáta la vîló u , s sp látu-s , e-i dîn t lp pî n -n cré t’it, buf la nuc. <H p, núcu mn’o, s m- mbr c Âar în cus tór’i . Cap d cus tór’, îpirí d cus tór’, kimé d cusatór’, curón -n cáp, d cus tór’i, d királ már’e d ár .> Óre c-o zîs afár dómn’e, t’ar în cus tór’ îY îmbr cát , tal d cus tór’, dómn’e, a fel d frumós íra fáta, d ca Ye nu mai íra p lúme, p ár . <No, dága mé,> zî e cálu-mn’o < e î- Y purúncà? > <O,> zî e <cálu-mn’o, oY mé e la cutáre pilát, în sat, în váro > zî e <la biséric > zî e. Dómn’e s-o urcát cal în c lár’ic, s-o urcát, ma cînd or v zút-o d Das Mädchen wäscht sich am Bach und sagt am Walnussbaum den Spruch auf, den ihm seine sterbende Mutter beigebracht hat. Plötzlich findet sie sich in wunderschönen Zinnkleidern wieder. So reitet sie auf einem wunderschönen Pferd zur Kirche und begegnet einem Prinzen, der sich in sie verliebt. <?page no="205"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 197 d párÂe róu ma múlt cum mi é, náno, p cáÄea sfî nt , to dómn’e, p do u p r în inú s pún’e, dómn’e, îY d cáÄe kit s márg . Cînd o v zút-o fi óru d királ már’e d ár , [...] o fost dî p Ye, o mes pîn la u r tár, o kirlít u rt áru, o kirlít, o mes o surutát u r táru, s-o urcát cal în c láric înapói, pÂi é biséri e, odát o u mblát-o cî rbe cu cálu, n’égur dînapói, lumin naínÂe, lúme î p mî nt, nu-i n’iker’ i . O me r s acás , o m s la nuc, <nucu mn’o, s m d zbr c> zî e. S-o d zbr cátu-s . Ma v d c Y-o tún nlóntru, dómn’e, pòrumbá cî, dómn’e, mîncárea, ma, ma gizîlé, ma s r é, p más , cu tótu, mîncáre gáta-i. Wieder zu Hause angekommen, geht sie erneut zum Nussbaum und zieht sich ihre einfachen Kleider an. Zu Hause ist das Essen bereits vorbereitet. Vin’e múm -sa î m ÂóY-sa, sórî-sa mî ÂióY-sa î tátî-so. <A,> fá e sórî-sa m ÂóYe d dîpárt’e. <Aúz> zî e <sórî-me, o iói, n-ái v zút e Yo am v zút! > <|e-ái v zút, sorî-me? > <O iói,> fá e <sórî-me, o zîs máma s nu spúY.> <Da î Yo am v zút sórî-me> <A tu -aY v zút, sórîme? > <|e zî i, o fát d királ már’e d ár , Âar în ar ínt irá, în cus tór’i irá d î m br cát , îpirí i d cus tór’, cal d cus tór’, o mes la u r tár, umblát u r táru cîr’ in inú , o surutát u r táru, s-o urcát în cál c lár’e î turu d biséric o îmblát odát cî rî î> fá e <n-o máY vid’é n’íme.> <Canúme, sórî-me, ór’e únd’e-aY v zút? > <Sórî-me, ór’e únd’e-am v zút? > zî e. <Da p ÂiÂía d có in > <Aúz munÂé ! > <Óz , no s stî n i ÂiÂía d có in os! > <Aúz c î Ye o v zút! > O st r îcát ÂiÂía d có in . Als Mutter und Tochter von der Kirche zurückkommen, erzählen sie ihr von dem schönen Mädchen, das sie in der Kirche gesehen haben. Weil das Mädchen sagt, dass es das schöne Mädchen auch gesehen habe, wird sie bestraft. Tré e-o zî, tré e dóu , pátru zî Ye tré e, Yár vín’e dumín’ica, buf mùnÂe î a la bó l t , o lot [...] un kiló d mac, o lot. O vin’ít acá, ásta dumín’ic d’imin’á clé s mac, l-o Am nächsten Sonntag gibt die Schwiegermutter dem Mädchen eine zweite Aufgabe: Sie vermischt Mohn mit Asche und <?page no="206"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 198 rîs pítu-l în inú . <Aúz, fáta me, o ven’í, no fi> fá e <mîncári, culác cu mac fá e p más , p cîn oY v in’í d la biséric , coló ÂioY Äíga fár -n horn.> Cînd o vin’ít dóba, éi s-or g tátu-s cî Âi tréi, mér e la biséric . Ãe mér e afár d plî n e p bú um. Plî n e dómn’e, plî n e, d kit nu s rúpe lócu d sub Ye. befiehlt, einen Mohnkuchen daraus zu backen, sonst wird sie auf dem Dach festgebunden. Ãa s-apúc dómn’e dói pòrumbá c : <Bun zî ua, fát frumo s ! Fáto,> zî e < e-i cu Âín’e, a plî n i? Da e nu é t’i cu kétve bún , cî nt , óc , nu dubúYe,> fá e. <Ái tu, d e s áY búYe? D e tr be s Âe gînd’e Â, ái tu gî ndur’? > <O porumbá c lor, a úÂev drágu-m domn. Iáca-acúm î iáca-acúm,> zî e <máma-m> zî e, < é fel purúnc m-o dat.> <No é fel? > <Ãácît , o r sturnát mácu-n inú ! |-o zîs c d n-o fi culác cu mác p la amn’áz , p más , m-o Äigá-n horn.> <T’e-o Äigá-n horn, no nu-i báY fát ,> fá e. <No zî e spál î du-t’e î tu la biséric .> Wieder weint das Mädchen erbittert und auch dieses Mal kommen die zwei Tauben und bieten erneut ihre Hilfe an. O m s fáta la vîló u , s-o sp lát dîn t lp pî n -n cré Âit, buf la nuc afár . <H p, núcu mn’o, s m- mbr c, Âar în ar int, î Yo î cálu-m, Âar în ar ínt s fín’, p táta, p máma p u m táÂe caÄe s -Y a ún én i > zî e. Núma c-o zîs afár , Ye î ma î mbr cát , calu-Y Âar în ar ínt, Ye cu curún d ar ínt în cap, dómn’e, d kirlí már’e d ár , p tátî-so, p múm -sa ia ún e p ùm táÂe cáÄe. Má kin o véd’e p kîrlí a máre d ár , d d párÂe, în inú pî n- e î cálului cupíÂiYe d cal î Äe sùrutáu. Pì ióriYe, mî n’iYe, p únd’ea un é. <Da kirlí már’i d ár , da spún’e d h nÌe Ye tu? > Tá e, nu sf té Âe. O mes Yá r la utár, în dó rî nduri în inú o î mblát utáru cî rî, o surutát utáru, o s rít p cal în c láric, în dó Das Mädchen wäscht sich, geht erneut zum Nussbaum, spricht den Spruch und kleidet sich in Silberkleider mit silberner Krone. Auf dem Weg zur Kirche begegnet sie ihren Eltern, und diese küssen ihr aus Respekt vor ihrer Schönheit die Füße. <?page no="207"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 199 rî nduri o îmblát bisérica, túrnu d biséric , lúme î p mî nt altî nt, lumín naínÂe n’égur napói. N-o máY véd’e n’íme. O més acás . B cîn o a uns acá, dómn’e mîncár’ea cu tótu p más , cum o zîs, o porun ít m ÂóY-sa a á o aflát cu tótu tiritít, o mes la nuc, <h p núcu mn’o, s m d zbr c.> S-o d sbr cat, mé e sórî-sa ma d d parÂe.> <H h , sórî-me, n-áY v zút e Yo am v zút> <Dó c n-am v zút, sórî-me.> <S úit sórî-sa m ÂóYe p Ye.> <A, spún’e-m e-aY v zút! > <Ah, -am v zút î e-am v zút. Am v zút p kirlí a már’i d ár .> zî e <Ïar în ar ar ínt íra î Ye î cálu-Y. Da î Ye a fel d frumós írà, d-afél p lúme p ár Yar nu maY vez [...], cunún d ar int în cap,> zî e <to írà ca î cupíÂiÄe d cal îY surutá [...] múm -sa m ÂóYe, sórî-sa m ÂóYe î tátî-so. |î cupiÂiÄe d cal îY surutá, lúme! > <S nu máY zî sórî-me, a d únd’-aY v zút, sórîme.> <O d únd’-am v zút, sórî-me, dî p cî ncîrígu d fîntî n > fá e. <MunÂá e, în múm -ta áYa! > fá e <Ózo no, vi-Y st r icá cî nc rígu d fîntî n os! > O mes munÂá u, o avút d gînd ór i nu, o strîcát cînc rígu d fîntî n [...]. No, a tríYe zî, a pátrîYe, a ín iYe da dî p cîn iár vin’é, acu tót s pt mî na mi ’é lumea la biséric . <A, ácu e fel lé c s -i dáu máY féÂi, Âíe ácu tótu fá e.> zî e. <Róu î i á a fát , da a á t-oY pún’o, dî p g  i > zî e în gî ndu múm -sa m ÂóYe. <|e s áflu afár , e s áflu afár ? > [...]. Sie verneigt sich vor dem Altar und kehrt nach Hause zurück, wo das Essen bereitsteht. Doch auch dieses Mal wird sie bestraft. Am darauffolgenden Sonntag bekommt das Mädchen eine dritte Aufgabe. O mes o lot un kiló d nu , Äe-o d r lítu- Äe, Äe-o b gát în à Âí î [...]. <Aúz fát ! > zî e < [...] d no fi culác cu nú p la amn’áz , în horn Âe-oY Yéga.> [...] Cî nd o vin’ít dùmín’ica, -or g tátu-s cî Âe trí, or Das Mädchen muss Walnüsse hacken, und seine Mutter verstreut sie auf dem Boden. Bis Mittag soll sie daraus einen Kuchen backen. Auch dieses <?page no="208"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 200 purn’ít la biséric , núma c-or purn’ít, Ye mé e p bú um, ma acoló p bú um os, ma dóY porumbá acoló-s. <Bun zî ua, fát frumós ! > <S fi sîn tó pòrumbá îlor> zî e. <No, fát frumós , ásta> zî e <trébe> zî e <s spúi, s scri sus> zî e <c nu plî n i> zî e. <N-avém dób pòrumbá cîlor, róu rép-a vin’ít.> <No e-Y báYu? > Spún’e porúmbilor hot i-o f cút múm -sa m ÂóYe, hot c-o b gát nú iYa în á Âi î Y-o porun ít c d n-o fi culác cu nu , o Äág în horn, or Äegáo. Mal kommen die Tauben und bieten ihre Hilfe an. Das Mädchen geht zur Kirche. <Ba bín’e, du d Âe gát ,> zî e < î dúÂe î tu la biséric .> Ãe tu sáma, királu cînd amú î a dóYa rî ndu cînd o v zút, -atú d friguri irá. |e-o aflát afár ínc-o uns cu vúl ultáru c cî ndu, c d máY dát o mér e fáta frumós o c lcá ac u ló […] el o apucáo. A á o f cút d ní nu s vidé vúr a, Âi, éva r óu sub î ri irá. El o apucáo î máY mult el n-o máY slobo d’e pî n e-a lui dómn n-o fi [...]. No, o mes múm -sa, tátî-so, o mes Yár p n c. <H p, núcu mn’o, s m gat, î Yo î cálu-m Âar în or î ar ínt,> zî e <curún -n cap d or,> zî e <cálu-m d or, kimé îÄe-m d or. P máma, p táta,> zî e <în cápu sátului ma s -Y a ún i> zî e. Núma c-o zîs, dómn’e, Âar în or î-n ar ínt. Dómn’e frumós irá. Mái d d-aínÂe, da-dî p áYa da î máY frumós irá. A á róu frumós ìrá fáta, róu frumós ìrá. Der Prinz wartet dort auf sie und stellt ihr eine Falle. Sie soll ausrutschen und ihren Schuh verlieren. Wieder geht sie zum Nussbaum, spricht den Spruch und kleidet sich in Goldkleider mit goldener Krone. So ist sie das schönste Mädchen aller Zeiten. Dómn’e s pún’e, cî nd o véd’e în cápu sátului d-a ún e p tát î -so, p múm -sa, pîn e î úrma d cal îi surutá, to , tót lúme, a fel n-or máY v zút în cústu-Ye. O m r s acoló, o s rít fáta d p cal os, o mes la ultár dómn’e [...], c r’i cîn s ié -afár î cálc cu îpiYígu în búr . Íaca o r más îpiYígu acoló s-o rîgîÄít, iáca -o scos Das Mädchen geht zur Kirche, verneigt sich, rutscht aus und verliert seinen Schuh. <?page no="209"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 201 pi óru, o s rít p cal, ní n-o máY umblát ultáru, kîrli dómn’e, lúme î p mî nt, lumín náinÂe, n’égur dînpói. N-o máY véd’e n’íme. Mé -acás , o uns, mîncárea gáta irá, s-o d sbr cát. Ãe tu sáma, fi óru d királ cu h l máY bún’ i húst lur’ o lot mî ndru îpiYígu os d p vúr , l-or Âist Äít róu mî ndru p îpiYíg. L-o pus királu-nculó. Da s nu î mbli b , sta nu. Tátî-so, múm -sa, sórî-sa m ÂóYe mére-acá. Ma d d párÂe, dómn’e, ai, sórî-sa m ÂóYe: <IoY, sóra me, v zútam a dó sár , da acú e-am v zút? > <Ho ho, sórî-me, î Yo am v zút.> <No s nu máY zî ! > zî e <Ba nu,> zî e <c î Yo am v zút.> <A e-ái v zút,> zî e <sórî-me? > <|e-am v zút, áYa-m v zút, o drág d frumós fát > zî e <Ïar d or î d ar ínt,> zî e <curún în cap d or, cálu d or, dat cu tótu d or irá. În îpiÄí d or, î Ye a á-m v zút cînd am Ye î t d la u r tár afár > zî e. <S s-o rîg d’ít îpiÄígu î d scúl > fá e <cu-n pi ór d scúl > fá e <lúme î p mî nt o fu ít.> <S nu máY zî i sórî-me, d únd’-aY v ut? > <Dá d p có r nu d cás > zî e. <MúnÂá e, oz no víY stricá la có r nu d cás .> <Da mùnÂe î o,> fá e <[…] o picá înlóntru.> <Nu-i báY, da Äi sticál .> Sie reitet nach Hause und zieht sich wieder ihre gewöhnlichen Kleider an. Abermals wird sie bestraft, weil sie wieder alles vom Dach gesehen hatte. O mes o sticát córnu d cás , o sticát. No […] fi óru al d királ, c-o îmblá lúme, ára cur í curmezî . Pîn-atún n-o mé e-acás pî n e n-o aflá gázda îpiÄígului. |-o f cút bót d fer, upín d u l, a, s-o lótu-s , lúme î p mî nt. Dómn’e, úmbl urságu cur ís, curmezî . Der Prinz begibt sich im ganzen Land auf die Suche nach der Besitzerin des Schuhes. N-áfl ún’i irá mic, lu car’ ira máre. Irá cáre múm -sa pi óru-Y uplé cît s -Y fíe bun îpiÄígu feÂí. Da n-o aflát, nu irá bun îpiÄígu lu n’íme. <A,> fá e királu, m-a cîn Schließlich geht er zum MunÕa und fragt, ob er nicht eine Tochter habe. <?page no="210"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 202 s-o urî t királu umblát lúme, ára, da nu, so lót înapóY. S gînd’é t’e királu p cáÄe, s gînd’é t’e: <da húnd’e n-am máY fost? Ohó,> fá e <la cutáre munÂá ! > fá e. Cînd a ún e la munÂá : <Bún zî ua, munÂá ! > <S fii s n tós királ már’e d ár ! > <No, munÂá ,> zî e <ki Âe féÂe ái? > Fá e mùnÂe î a: <Úna.> <Úna? > <Aúz munÂá , Yáca-acúm î Yáca-acú, s -m Yér , da ásta î ásta gî ndur’ am, Yác -t îpiYígu sta,> zî e <lu car’ îpiYígu sta Y-o fi […] bun p pi ór, áYa m-o fi> zî e <dómna.> Eh, cînd o auzî t mùnÂe î a <c Yést fát -i, buf înlóntru d Y ub d pi óriYe, s -Y fie bun îpiYígu, avé pi óre, avé Ya d már’e. Ïar c nu. <No,> fá e munÂánu <mùnÂe î o> zî e <aiá-i máY,> zî e <fát .> Fásé munÂá <am> zî e <máY o fát . Coló m in f ína> zî e <p inú a [...].> <No nu-i báY, áca-a ún e, áca e fel îY adú ér . <No, fáta me, háY zî e c Yác í e királu már’e d ár , trébe s -n ér îpiYígu.> <Yo nu m duc,> zî e, <tát , Yo nu m duc.> fá e. <HáY fáta mé, ínc királ már’e Y-o lo cápu.> <Yo nu m- mb nù, dá Yo nu m duc> <Mé e-napóY tátî-so.> <No, e-o zîs,> zî e. Da holt die Schwiegermutter ihre Tochter, um den Schuh anzuprobieren. Doch ihre Füße sind viel zu groß für den kleinen Schuh. Da sagt der MunÕa , er habe noch eine andere Tochter, die in der Asche lebt. <[…] îm zî e c mi lo cápu, n’i atú nu vín’e> fá e. <No, dúÂe maY o dát î-Y zî e cu curî nd s víe.> Mé e <fáta mé, o zîs királu már’e d ár cî curî nd s vi [...], c már’e îY î bulî nd îY> fá e. <Dác are d gînd, fá e, mo dî vin’í Yél.> Mé e înapóY királ la múnÂá . <No, -o zîs múnÂá ? > <Ápo> zî e <királ már’e d ár [...] p Âi róu p drágu-m domn. Slóbod î cu cústum> zî e <No Yáca-acú î Yáca-acú -o zîs fáta: > <No -o zîs, múnÂá ? > <Királ d ár [...] slóbod î cu cústu-m,> zî e <da o Der Prinz schickt nach ihr, sie aber weigert sich zu ihm zu kommen, mit der Begründung, der Prinz solle sie suchen. <?page no="211"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 203 zîs > zî e <c róu már’e î bulî nd’ îY> zî e <Dác vi avé d gînd éva> zî e <vóY mî mé e tu dî p Ye> zî e. <MùnÂá ! > zî e <No, zîs cu ásta d’ìriptáÂe ári.> <Hát nu Ye m Âam p mín’e, hát Yo o Âem p Ye. Hát acú, întásta s, n’i Yo nu mi-s ma már’e királ d cî t Ye> zî e. <Mága> zî e <dác Ye -Y áYa p e Yo cot, cu-atî t-o fi ma máre királ în kirá águ-m, dor kit-odat oi b ga cu Äíngura máY tîY în gur ,> zî e. S-o scuburî t d p cal os királu, mé e la Ye. <Bún zî u a,> zî e <fáto! > <S fi s n tós, királ már’e d ár ! > <No, fát ,> zî e < [...] dînt-atî a d’ìriptáÂe-dáu,> zî e <anumé, î bén’e-aY zîs,> zî e <c nu tu m co p mín’e ha nu Yo p Âíne> zî e. <Ái d’ìriptáÂe ái, zî e> <Da Yáca-acú î Yácaacú în e Yár [...] mi zî e. Ást z,> zî e <dor o s pt mî n , dor o lun , dor tri o îmblát la mín’ o drág d fát ,> zî e <în biséric > s púYe dîn cáp pîn -n, pîn -n cré Âit îi spún’e e cum o p î t în tri rî ndúr’, î> zî e < îpiYígu sta m-o r más zî e Ya.> <Da,> zî e <lu car’ îpiYígu sta i bun,> zî e <áYa m-o fi> zî e <dómna.> <ÁYa -o fi> zî e <dómna? |î dác nu Âe plá e? > fá e. <No,> zî e <a fel nu-i dáu> î pi óru róu frumós irá. <Ha nu máY zî a fel, fáto! > zî e. Dá Ye pÄin irá d înú , n-o cuno t’é. <No, în árc > zî e < îpiYígu.> <YóY, királ d ár , a fel mî ndru îpiYíg, d or, cum s nu m po dú e a fél -n-mî n ? > <Ba nu c trébe-l în ér tu.> Als der Prinz dies hört, erkennt er die Weisheit der Worte, geht zu dem Mädchen und bittet sie, die Schuhe anzuprobieren. Schließlich zieht sie den Schuh an. O apucát fáta îpiYígu-n mîn , m-a cîn l-o milin la pi ór, îpiYígu acoló o s rít, în pi ór . Á a ímós , plín d inú , o apucát-o d p mí oc, da d-o s rutá, d mult ùcá fi óru al d királ. <Drága me, dómna me,> zî e <tu í a> zî e <iáb îm Der Prinz erkennt sie, obwohl sie voller Asche und Schmutz ist, und bittet sie, sich noch einmal so schön anzuziehen wie in der Kirche. Das Mädchen befolgt den Wunsch des Prin- <?page no="212"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 204 sf té  i, > zî e <da> zî e <un kiva ág am> zî e <d la Âin’e. [...] a a p cum Âe-am v zút în tri rî ndur’.> <Drágu mn’o, dómnu mn’o,> zî e <ásta mu ón’i fá e, hái afár ! > O mes la hulóu, s-o sp látu-s , buf la córnu d cás . <H p núcu mn’o,> zî e <s m ga > zî e <Âar în cus tór’. Dómnu mn’o> zî e <a á m-aY v zút? > <A á Â-am v zút.> <H p núcu mn’o, s m d zbr c! > S-o d zbr cá t . <H p núcu mn’o, s m-îmbr c, Âar în ar ínt! |î Yo î cálu-m, curún d ar ínt în cap. No dómnu mn’o,> zî e <a á m-aY v zút? > <A á Â-am v zút, dómna me.> <H p núcu mn’o, s m d zbr c! > <H p núcu mn’o, s m-îmbr c, Âár în, or î în ar ínt,> zî e < î Yo î cálu-m, curún d or î ar ínt> zî e <în cap. No, dómnu mn’o,> zî e <a á m-aY v zút? > î- Ye îpiYígu dîn pi ór afár . sta-i îpiÄígu -aY ádus tu, stá-i> zî e <p réÂá-i.> zen, geht wieder zum Nussbaum und kleidet sich nacheinander in Zinn, Silber und Gold. Der Prinz erkennt in ihr das Mädchen, das er in der Kirche gesehen hatte. <Drága me, dómna me,> fá e <àúz, d kin cust p lúmea álb , Yo ínca fel n-am máY v zút, da f r Âín’i, n’i n-oY máY viÅé kit Yo ói custá. Yo ní cu Äíngura máY tíngur n-ói b ga. N’i cu-atî t nói fi mái már’e királ. Tu îY fi do mna> O apucát dómn’e, o mînát cîtána -acás , curî nd […] d or s víe dî p domn -Y. H’inÂó Âar d or î ar ínt. Cu fur d or or b gát-o în h’inÂó. <No, dómna me,> zî e <cu múm -ta, cu tátî-to e s fíe? P tátî mn’o b g î-l lîng mín’e în h’inÂó. ÃéYe dó > zî e <mînín e-s aí có îYe kit or custá, da cu mín’e înt-un loc nu poÂe vin’í> fá e [...]. Dómn’e l-or dus p tátî-so, l-or ras, l-or sc ldát în lápÂe, or înút lúna, s pt mî na lúnta, dómn’e. Dácî n-or murít, -acú cúst . Der Prinz nimmt das Mädchen und seinen Vater mit, damit er es zu seiner Gemahlin macht. Stiefmutter und Stiefschwester dürfen zur Strafe nicht mitkommen. Sie feiern eine lange Hochzeit, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. <?page no="213"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 205 2.2. Beispiel M2: Aschenputtel bei den Rudari Griechenlands [VP] Ãerá tréi sùróri î múm - a. Av’á baÌác d bîgá inú , Äámn’i foc, cu Äámn’i-Êc lÐá. <Mum i-o s mîÊc m? > plînÌá feÑí Äe áÄa. <Mám i-o pî ne, i-o pî ne s mîÊc m, , n’i foám’e! > <E, e s - dáu re fáta m’a, c nu mái am! > S-a sculá Ya, c tá s g sásc . Es war einmal eine Mutter mit drei Mädchen. Sie leben in sehr armen Verhältnissen. Sie weinen vor Hunger und fragen ihre Mutter nach Essen. [EP] Aduná, av’á fîín în momói , le f Ya d st i cu fîína, pî ne, túrt în foc, în inu a áYa o vîrá --- Aus den letzten Resten backt die Mutter ein Brot auf der Asche im Ofen. [VP] O scuturá, o f á, le t Yá, còpilá î mîÊcá. P úrm nu maY av’á, s-o biÑirí, <Âe s mái v fac? > O, plîÊÌá <Âe s fac acúma? Da st i s m duc, s m Yertá , s -Y táY t î a, s v o fac d -i s mî Êcá la copíÄi éi. Als sie nichts mehr zu essen haben, schlägt die Mutter vor, sich eine Brust abzuschneiden und daraus eine Suppe zu kochen. [EP] <S v-o férb îÊ cazán.> [VP] PlîÊÌá fYaÑíle: <N , re mámo, cum d s fa tu -á ta? > Die beiden älteren Mädchen sind damit einverstanden, die jüngste Schwester hat Mitleid mit der Mutter. [EP] Ále dó már’ i vr’a. Ái míc , míc , nu vr’a, Yerá míl mult d mám . [VP] AY míc plînÌé. ÁÄa cîti doáve: <La-s ca s n’i Ða, s fác d -i máma! > A me r s, a t Yát, a sc b gát-o-Êcazánu la coló, a fYért, a f cút-o-Êcazán, sár’e b gá, mînc . A r más Ya s rác , a Äegát acoló cu p’eáÑic î a Ðá. Tát n-àv’á. Òo , =† ! - ‰ o g , toát z î úa. ÃáÄe ómus, n-áve gaiÄáÄi mári. Ái mái már’i, Yerá múltu árs . ÁY a o poviÄé p múm -sa. <Du-Ñe s n’-adu i, du-Ñe s n’e fá i c n’i foámi. Ôi-o s mîÊc m nói acúma? > U n m gár’ av’á î m rÌá ta ca cu m gár’u la--- Als es keine Suppe mehr gibt, fragt die ältere Tochter nach mehr. [EP] Aduná Äámn’i. [VP] S-adún’e Äámn’i, Äi Äigá cu fúnia p <?page no="214"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 206 Yel, bab, Ä-adu á.<Am adú Äámn’i> Hái b gá a coló, în inú a áYa coló, Ðá rá iÄe, mîÊcáÑe, n’emîÊcáÑe. Da coló--- [EP] <B i mámo n’i fóme Yár ! > [VP] Ãar, ‡+ ' =† , ‡+ ' =† a s lúcru <Ôe s fac Yo ac u má? H ái s v-o tái î p áilàlt , s-o mîncá ! ‰ '˜”"“= ' .> [EP] S nu mái víi. [VP] S ráca, a taá î áilàlt , a f’ert, a f cút-o, mîÊcá. P úrm a murí t múm -sa- -- [EP] Nu, nu, nu mámo, n-a murí. Ái muitá pov’ésÑa- . <Àpucá î-m , puné áp , b gá î Äámn’i múlÑi d su cazán, s sapríÊg fócu bíne, f’árb ápa, b gá îm -nóntru! > ×púni: [Die Tochter der Erzählerin, Evanthia verbessert ihre Mutter.] Die Mutter bietet den Mädchen an, sie im Ganzen in einem großen Kessel zu kochen. [VP] Áuz fátî-mä, YéÑe asá: aduná Äámn’i, a pus cazánu p foc, f’ìrb’á ápa--- [EP] A f’ért-o, a op rít-o p múmà. [VP] ×-a b gát înóntru-Ê cazán ca s mînî Êc YáÄe. Ái míc nu mîÊcá. Ái míc : <Mînî Êc ! > <Nu mînî Êc! > <Máma-b gát-o-nóntru! D-a mur’í, s mîÊc m p máma? Nu, Yo nu mînî Êc> N-a mîÊcá k’iv’éta ái mn’ic . ÁÄe dó mîÊcá. Wieder ist das kleine Mädchen sehr traurig und widersetzt sich der Entscheidung ihrer Mutter. Ihre Schwestern aber sind mit dem Opfer ihrer Mutter einverstanden. [EP] Ái míc sorb’á dîn Äíngur , îi zî s d la coáda Äìngurî i. Nu sorbeá a Ya zám , nu mîÊcá cárn’a múmi-sî i c -i Yerá mult míl lî-i mi . [VP] Cu coáda lu Äíngur b gá-n gúr . [EP] <P mînî Êc ! > <Da, mînî Êc,> î e ái míc , cúra òk’í, plînÌá mult d múm sa.<Da cum o mîncá vói p múm -m’á? > Sî fáta-i míc nu mîÊcá. Las s b’a dîn zám , întor á Äíngura s b’a d la coáda áYa d în’é, mái v zú, f á min iún’i c m nî Êc . Áma nu mîÊcá fáta, Ä-aduná, î e áre s vîrÄásc oás Äi da r más d la Aus Angst vor ihren Schwestern täuscht die Jüngste vor, dass sie isst und begräbt die übriggebliebenen Knochen ihrer Mutter. Seitdem geht sie jeden Tag zum Grab ihrer Mutter und beweint sie. <?page no="215"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 207 múm -sa, c cárn’a toát a mîÊcát-o, nu mái av’á. Da, -a r má oás Äi s Äi Yá fáta ái míc , -a me r s la un copá i coló d Äa- Êgropá, î Äia nv lí cu nisî p. În toát zî ua plî nÌá plî nÌá fáta-i míc . Î i zî e múm -sa, Y-a vín’i t vórb d Y-a vorbí. <Nu mái plînÌá, c tu ór’i d vi aí a, tot plî nÌi, nu mái plînÌá! × vi aí a, -m aprin î míe c nÐíl aí a am lumín , o fú î fátî-m’a o - g sá c o copíl mult bogát d l-avú ,> îi î e <o s fi î mp r toáYc , o s te Ya b iátu lump rátulùi, o s víi s te Ya p tíni.> M rÌá fáta acoló de-i àprînÐá c nÐíl , -a g î p-úrm a ía-ndrúmu ól copílu cu o cal d -l már’e, bun, álbu cálu la--- Eines Tages spricht die Mutter zu ihr und sagt ihr voraus, dass sie einem Prinzen auf einem weißen Pferd begegnen würde, der sie zu seiner Gemahlin machen wird. [VP] Vez cum î i tu mínte? [EP] Afú Yerám míc d mY-o spun’á máma meá. Mult míc , atî ta fát . [EP] ×-a g sî copílu la, cu cálu la, mult mî ndru d copíl Yerá. B iátu-mp rátului, avút, bán’ av’á. Fáta Yerá mult, mult s rác , n-ávù. ×-a g sî copílu, <Ão, b i fát , m ría î már’i, Yo ti i-o Ñe Yáu d n’ivá ta meá> î i pun’i Yél. Ãa f ’á c nu-l vr’a, áma ea du d mínte p múm - a, c-o g asc -mp rátu. <E, vórb d mi-a zî múm -meá. ta-i copílu l avút, l bun.> In der Tat trifft sie diesen Prinzen auf dem weißen Pferd, und er teilt ihr seinen Heiratswunsch mit. E, a fuÌí copílu cu cálu, m’árÌì Ya la múm - a coló. Îi vorb’á, î i pún’ì múm - a: <B i fáta meá! > <B i mámo: d mi-ái zî tu g á c copílu lu-mp rátulùi, a g î on mî ndru d copíl p drum cu o cal már’e, álbu. Òî á c m ár’e.> <E, fáta m’á, la î c zmétu, p- la o YáY, la Ñi ér’e.> <×î cum Yo, c nu Yo-înc át, oáÄi bún’e n-am m port.> <Acúma Yo o -fac oáÄi d- Äe bún’e.> Múma- a î i fá e o stuÄíe d-áYa p Ya mî ndr , cum Yerá copílu Da erinnert sie sich an die Voraussage ihrer Mutter und begibt sich zu ihrem Grab. Die Mutter verspricht ihr schöne Kleider und Schuhe, mit denen sie zur Kirche gehen soll, um dort den Prinzen zu treffen. <?page no="216"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 208 d-împarát, d-áÄi oáÄi Ya purtá -Ä . ×î p pú i mult mî ndri-n pi ór. A plecá Ya cúma d fuÌá d-a í d la múm - a, s î e mérÌi la bi eáric î copílu Ñi v’ág . <Po, po, e fát -Y á ta? Há ta-Y d-am v ú Yo coló. Áma cum -a f cú a a mult mî ndr ? > Mái fúÌi, mérÌi la bi eáric , a v út-o, -àÊk’iná, a prin o lùmînár’i-n bi eáric , fáta, copíl-a tat d-a v út-o mul bín’e p Ya fúÌi d dáu r -nd r , meárÌi la múm - a. <B i mámo, l-am g sî p copílu la, ven’í la bi eáric . Ão m-am îÊk’iná, m-a prins o lùmînár’e, áma Yel nu m’Y-a vorbí nimíca.> Sie tut wie ihr geheißen, und als der Prinz sie sieht, läuft sie zurück zum Grab ihrer Mutter, die das Mädchen wiederum am nächsten Sonntag zur Kirche schickt. <Cùmá, dumínic az dî ni vín’i o mái Ñi dú i la bi eáric sî cupílu, ti i-o s fác dî tíni? Cî t loc i o pl i, d-á Ña plàcát’iÄi, o Äi úÊg cu m’ár’e, în léÌi m’ér’ea? O o úÊg cu m’ér’ea î mólis o mérÌ tu cu cálu acoló, cálu la o fúg pi oariÄi o d k’í o cá o , ó , cum î e, glìstrî á c , o cá copílu o , î, cálu- , -o -fúg > î e pàntófla, papúcu dîn pi ór î Ye fát -meá, î copílu p púcu la o s î-l Ya s -l báÌi-n bùzunár’u lúi. [VP] Brávo, brávo, fáta meá, véz? [Vasila staunt, dass sich ihre Tochter an alles erinnert.] [EP] _î u mínte. [VP] Ãéu am uitát-o, na! Pî n e am înút mínte. [EP] × coál p urm copílu, m’árÌ la bi- eáric dùmínica àilánt , a uns toÑi pl iÄe áÄa p o d m’ár’e, vín’e d coló fáta cu cálu la, -au întrát înóntro-n avÄíe, s d k’íÐe cálu pi oariÄi, cáÐe o , a c ú, î i fúÌi féÑi papúcu dîn pi or, l Ya cópilu, îl bág -n bu un r’. A mer d-únu fáta-n bi eáric -Êk’in’e: <D -m copíÄe p púcu, d -m copíÄe! > <Nu î-l dáu, áma n-o Ñi fac nivá ta-m’á.> <D -m p púcu! > <Nu î-l dáu! > Bevor sie in der Kirche ankommt, verteilt der Prinz Honig auf dem Boden vor dem Altar. Das Pferd des Mädchens rutscht aus, und sie verliert ihren Schuh. Daraufhin steckt der Prinz den Schuh in seine Tasche und sagt dem Mädchen, er würde ihr den Schuh nicht zurückgeben, bis sie seine Frau würde. <?page no="217"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 209 × coál , fúÌi, m’ e árÌ la máma léi f r’ p púcu, un p púc în pi iór. <Mámo, a î a m’-a zî . Copílu la m’-a lat papúcu! > Ãel acúma, cî t at már’e-i aí á, m’árg la toáti c îÄi, o s cáte s g e ásc p tíni. Sofort rennt das Mädchen zu ihrer Mutter zurück und erzählt ihr was geschah. Die Mutter sagt ihr voraus, dass der Prinz sie überall suchen würde. [EP] Áma la ní i úna papúcu la--- Ãel o zî c <Ãa bág m i fát , m r’ía î már’e, poárt p púcu ta,> nu fác la ní i úna. <×î p púcu la Yo î l-am f cút dor d tíne, nu l-am f cút d àl în’evá fác . Tu zî i-u mérÌi te vî r’i la o có n’i , o púi có n’i a-Ê cáp, -o Ñe vî r’ acoló î copílu î e, î copílu la o o ten’á c d mult d-o cát tot, tot, tot átu, o víi o ág íe, p có n’i a áYa o î c t i g o î r m odiné c, o áve-un ac már’e în mî n -i. Cu ácu la, o tempúÊg . S -l împúnÌ cu ácu la tréi or’ tu.> <M a f cút co ni a á ta d m púÊÌi> o î c Yél. O -i Ða úna> î e cu clu Yá cu pi óru s-o doboár’i, fi tu înóntru. Sie rät ihr daher, ihm entgegenzukommen und sich in einer Holzkiste zu verstecken, auf der sich der Prinz ausruhen wird. <Bíne m i mámo.> Ãa î múm -sa á ta. ×-a du fáta, -a b gá u có n’i , a c ta copílu p ste tot g á c pi óru lu fä ti, nu il g á. <M i únÐei, únÐei, únÐei, únÐ-o -o g c? > Wiederum folgt sie dem Rat ihrer Mutter. Cu ácu la, o te-mpúÊg . S -l împúnÌ cu ácu la tréi ór’i tu.> <M a f cút co ni a á ta d m -púÊÌi> O î c Yél. O -i Ða úna> î e cu clu Yá cu pi óru s-o doboár’i, fi tu înóntru. <Bíne m i mámo.> Ãa î múm -sa á ta. ×-a du fáta, -a b gá u có n’i , a c ta copílu p ste tot g á c pi óru lu fä ti, nu il g á. <M i únÐei, únÐei, únÐei, únÐ-o -o g c? > Sie sticht ihn drei Mal mit einer Nadel, um sich bemerkbar zu machen. Nu mái o veg, nu m-ái o g c Yo p fáta áYa, áÐe Yel p úrm , a ù Ñiní, a mer , a ú acoló p có n’i , s s udin’á c . La-mpús fáta. Úna: <Of, fá e Yel, e m’-a Als sie den Schuh anzieht, erkennt der Prinz das Mädchen und bittet es, sich die schönen Kleider anzuziehen. <?page no="218"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 210 f cú! > Î Êc úna, î Êc úna. <P , ma gúri> î e <mult îm tár’e.> Î i d úna lu co ni a în Yé cu pi óru, Yá fáta dîn óntru. <Aí á Yerái? Áma ti fá i! > Áma fáta a f cú mult rác , oáÄiÄe nu mái Äi b gá p Ya ca n-o cunoá c copílu. <Áma n-o ti fá cum àirái, mî ndr , bún d te-am v zú Yo, acúma cápu î-l Yáu,> î i î e copílu d mp rát. <Ãa bág -acúma p púcu ta. Î fá e î Ye, tu Ye ti áYa Ð-ái vení la bi eáric te îÊk’ín’? > <N , nu l pot> <Bág -l acúma co s - Yáu cápu, î e împ rátu, copílu! .> Bág fáta p púcu, i -a lipí p pi or, î i f á. Òî e <Ø! Tu Ye t? M br s acúma coál ti Yáu.> O Ya copílu, a f cú núnt mul már’e. A la án’i Ðun’á, vér’ i , búlt Ðun’á dîn toáte áteÄe p-acoló p-únÐe Ðe tr Yá împ rá î Ya. × ráca áYa fáta, aduná mul, mul vér’ Ðun’á, a bú, a mîÊcá, a f cú núnt d- Y már’i. So heiratet der Prinz das Mädchen, und zu ihrer Hochzeit erscheinen viele Könige und Königinnen. A f cú fáta p-urm o copìlá , a rudít un b Yát î a fo t mul mic î plînÌá cupílu. Cupílu împ rátu fuÌá la lùcrîríÄe lúi coló, coló, únÐe m rÌá Yél, áma î i î e. <M toát î ua fúÌ,> î e fáta <tu fúÌ, fúÌi toát î ua. Ôe fá e, d mín’e nu-míl eá Ñe? Ão, î e, copílu táu d lúcri, tu tái aí acá avém epireátri d fá e lúcre, mîÊc r’ dî-n-Ä-ádú e aí . Sie bekommen ein Kind und leben glücklich miteinander. Der Prinz geht jeden Tag von zu Hause fort und kommt erst abends zürück. Tu nu fá i nimíca, o i.> <Bín’e, bín’e.> Vín’e ùrór’iÄi äÄi d mîÊcá p máma a lu fäÑi, a lu fäÑiÄi Yi súror’, áÄe dóu ín , a véni á i î e fäÑiÄi áÄa […], vinÐá íÑe d-áÄea d- n rn m f ína, în lé t. <Víne,> î e <da gúr Yár’i p ucác, vinÐém, da, íte vinÐém, ite vinÐém, ín’e ár’i Yá.> M’árÌe la cá a áYa g î p órî- a, ma, o veáÐe, a cunoscút-o. <B , órîm’-a,> î e <la p Als eines Tages ihre Schwestern als Siebverkäuferinnen zu ihr nach Hause kommen und dort ihre jüngste Schwester erkennen, erblassen sie vor Neid. <?page no="219"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 211 cópilu-mp rátului e bíne tr Yé Ñe! .> Av’á YáÄi c rfí . × -n le i c rfí îÄi dîn punÌém, ca ácu, d cîrpím oáÄi, d cîrpím, b g m ni Ñe d-áÄa pàramán’e d-áÄa cum pún’i, m’árÌe coló la fát : <Lel i! > î e <Yá dái dái dái, c e-ái tu în cápu ta? > î e <áma> Ñi , <p dúk’i> în lé i p dúk’i? <P dúk’i în cap.> î i î e lu f--- [VP] C Ye tót pove tea o tíe! [Vasila kann kaum glauben, wie gut ihre Tochter die Geschichte kennt.] [EP] Toát o tíu. [VP] O f cútu fáta d a mers buzdúga áia s le Ya p urm p copílu s - Ya, a venít d la lúcru uómu, îgánu léY, s púie s mînî n e, a Ñeptá! [EP] Tórn , tórn , ve c nu î i bín’e, nu. M’árÌe, nu, metá-e, m’árÌe fáta: <Yá d áYd áYa -fec în cáp. _-úmblu cáÑi-Ê cap! > nu Ya pú c Ye p dùk’é. <Vín , vín , vín veg e-i la d-ái îÊ cap! > M’árÌe fáta -apleác cu cápu, î i bág o c rfí d-áYa, a-mpún -o-Ê cáp. ×t i, t i, t i <Ø, m-a durú! Ô-a fo t la? > <×t i, t i, t i, t i c-ái, ne ne áltu ái, áltu, áltu, áltu.> I l-a f cú cápu pl n d cúYe d-áÄa micuÑàÄé, îÊ cáp, -a f cú fáta pá rè, n’ivá ta áYa. A zbur’á, av’á o k’ípu mári cu copá , cu frúÑi, d-av’á portocáÄe, m’ár’e, a d l rít în copác Ya nóntru, -a f cú pá re fáta. ×î màxî mu copilá u la-l míc , plînÌá îÊ cún’e, plînÌá, plînÌá. Unter dem Vorwand, ihre Schwester nach Läusen abzusuchen, stechen sie sie mit einer Haarklammer und verwandeln sie in einen Vogel. Fáta áYa d i-a b gá c rfí Äi, óra léi, cúiÄe áÄa-Ê cap, a b gá oáÄiÄe, a pu o cî rp -Ê cap, -a Äigá, a trá -o a á, nu i veág fír’a bín’e. Av’á o fír’e, s m ná cu óra léi, d a f cú ála. Nu tiá c a a p ómu léi, nu cuno Ñá. A întrá nóntru, plînÌá copílul mic, d múm -sa cúma. Víni cupílu d la lúcru. <D e plî nÌe copílu? > î e <Nu púi î míe mînî Êc? > <Dú-te d pún’e Die ältere Schwester nimmt die Stelle in der Familie der jüngsten Schwester ein, doch das Kind macht dies endlos traurig. Die ältere Schwester ist aber böse, und der Prinz bemerkt, dass etwas mit seiner Frau passiert ist. Das Kind war bis dahin immer allein geblieben. <?page no="220"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 212 úÊgur mînî n ! > <Ma d e? > î e <tu mólis d m veÐái, îm pun’ái d mîÊcám î Yo pî ne.> <Ô-ai fcu cúma, nu púi pî ne? > <Nu, dú-te d m nî Êc úÊgur! > O î doá , tréi, a mér , mîÊcá úÊgur copílu, e úrm nu mái ta mái mînî n i coló a întrá pá r’a áYa nóntru, copílul mic d -a f cú máma pá r’e úntr nóntru. P la cápu lu màxî mu lu cópilá u a dùl n’i, a dùl n’í p coló, p coló. Òî e copílu: <M i e pá r’e-i á ta? > R p o apúc -n mî n , sa f cú Ya fát : <Ô-ái f cú? > î e? <O orîm’a, m’-a b gá cuYe múlÑi-Ê cap, m-a f cú pá r’e, î c am o p dú i k’é-Ê cáp, m-a f cú pá r’e d-am fuÌí d la tíne d la b Yátu no tru l mic. Acúm o -o t Yém! > Als es eines Tages wieder allein in seinem Zimmer ist, kommt ein Vogel zu ihm. Als es dem Kind gelingt, den Vogel zu fangen, verwandelt es sich in seine Mutter zurück. A pu p i peré î Ya de avú de lucrá acoló la Yéi: <Ápucá -o, t Yá -o, omorî -o, v rlí o p r -o m nî n e kî nì! > A lát-o, t Yát-o, omorî t-o p muYär’a áYa, p ora lu fätí, acoló pov’á te, -aí a s n táte. Bitirí. Asta-e povest’a. Sie erzählt ihrem Mann, was geschehen war, und die Schwester wird getötet und in den Fluss geworfen. 3. Beobachtungen zur Sprache Es liegt auf der Hand, dass in der Aufnahme aus Gilvánfa ungarische und in derjenigen aus Zefyri griechische Einflüsse zu hören sind, insbesondere aus phonetischer Perspektive wird dies sofort deutlich. Im lexikalischen Bereich fallen in den beiden vorgestellten Märchenvarianten Beispiele auf wie úg’e von ung. ugye ‚nicht wahr? ‘, váro > város ‚Stadt‘ aus dem Ungarischen und stulíe > ”‰" ’ ‚Tracht‘, clu Yá > ‡ ˆ‰”'+ ‚Tritt‘ aus dem Griechischen. In beiden Ländern sind weiterhin südslawische Einflüsse festzustellen, die sich mit einer längeren Siedlungszeit vor allem im serbischen Raum (insbesondere bei den Munteni), im Fall der Rudari auch im makedonischen Raum, erklären lassen. Insgesamt sind aus sprachlicher Sicht beide hier vorgestellten Märchenvarianten sehr komplex und weisen nur wenige Interferenzen aus dem Ungarischen bzw. aus dem Griechischen auf. Die Märchensprache unterscheidet sich wesentlich von der Alltagssprache. Die Erzähler geben das Erlernte treu wieder, auch wenn sie selbst die Bedeutung mancher Wörter nicht mehr erschließen können. Ein <?page no="221"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 213 einzelnes, aus dem Zusammenhang gerissenes Wort wie z.B. n’égur ,Dunkelheit’ (János Orsós, Gilvánfa) kann der Erzähler im Nachhinein nicht mehr eindeutig erklären. Im Folgenden versuchen wir, die wichtigsten phonologischen, morphologischen und syntaktischen Eigenschaften tabellarisch zusammenzufassen. Dabei ergänzen wir die Formen der hier vorgestellten Märchenerzähler - János Orsós, Vasiliki und Evanthia Paiteri - um die Antworten von Ersébet Petrovics (geb. 1947) und Peter Orsós (geb. 1974) aus Alsószentmárton, beide aus der Gruppe der Munteni (ausführliche Darstellung der Analyse bei den Ar×eleni und Munteni s. Nechiti 2011). Weil die Antworten den Interviewausschnitten entnommen wurden, können die folgenden Tabellen einige kontextbedingte Unvollständigkeiten enthalten. Es wurde keine Vollständigkeit angestrebt, sondern eine Übersicht von repräsentativen Zügen und auffallenden Formen. 3.1. Phonologie Ar eleni Munteni Zefyri In allen hier verglichenen Varianten des Bajeschischen/ Rudarischen finden wir zahlreiche Beispiele einer von der rumänischen Standardsprache abweichenden Akzentsetzung: f cém ,wir machen‘, mer é i ‚wir gehen‘, pri epé i ,wir verstehen‘ f cém ,wir machen‘, pri epém ,wir verstehen‘ nu mái plînÌá ‚wein nicht mehr‘, punÌém ‚wir stechen‘, vind’ém ‚wir verkaufen‘ Das Phänomen der Palatalisierung ist überall zu finden, jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt: stark: frá e ,Bruder‘, Âápt n ‚Kamm‘, frún e ‚Stirn‘, uréÂe ‚Ohr‘, sprî n in d ó i ‚Augenbraue‘, pu ére ‚Macht‘ keine/ sehr schwach: fráte ,Bruder‘, pépt n ‚Kamm‘, uréke ‚Ohr‘, sprîncén ‚Augenbraue‘, putére ‚Macht‘ schwach: fráti ,Bruder‘, t’áptin’ ‚Kamm‘, ureák’i ‚Ohr‘, Äegát ‚gebunden‘, pYáÑic ‚Lappen‘, Äámn’i ‚Hölzer‘ Vokalverschluss, beispielsweise [a] > [e] und [ ] > [î], finden wir in allen untersuchten Varietäten. In beiden Orten Ungarns werden die Diphthonge reduziert, in Griechenland sind sie besser erhalten. pén ,Feder‘, sîpád ,Schnee‘ pén ,Feder‘, zîpád ,Schnee‘ peán ,Feder‘, zîpጠ,Schnee‘, YéÑe ,schau‘ <?page no="222"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 214 3.2. Morphosyntax Substantiv: Genus Ar eleni Munteni Zefyri In beiden untersuchten Varietäten Ungarns besteht die Tendenz, die Endungen des Maskulinum (m.) im Plural mit denen des Neutrum (n.) zu ersetzen. In Zefyri besteht die Tendenz, sowohl im Singular als auch im Plural Maskulinum (m.) und Femininum (f.) zu vertauschen. un brad ‚Tanne‘ - dói bráduri (n.), aber auch bráj (m.) un brad - dói bráduri (n.) o copíl ‚Kind‘ - doáu copíle o cal ‚Pferd‘ - dói cái o cupaÂu ‚Baum‘ - doi cupaÂi (m.) un domn ‚Herr‘ - doi dómnuri (n.) un domn - doi dómnuri (n.) un óm ‚Herr‘ - doi oámi (m.) Substantiv: Numerus Ar eleni Munteni Zefyri In allen Vernicula lassen sich die Dominanz des Neutrums sowie eine Unsicherheit in der Verwendung von Genera beobachten. sg. un domn ‚Herr‘ pl. dó dómnuri un domn ,Herr‘ dóv dómnuri únu uómu ‚Mann‘ dói oámi sg. un fát ,Mädchen‘ pl. dó fát o vórb ‚Wort‘ dói vórbe u fáta ‚Mädchen‘ doáu feáti Substantiv: Casus Ar eleni Munteni Zefyri Die Kasuspaare Nom./ Akk, Gen./ Dat. und der Vokativ kennen unterschiedliche Realisierungen. Gen./ Dat. kann doppelte Markierung erfahren. Analytische Formen werden bevorzugt. Analytische Formen werden parallel mit synthetischen Formen verwendet. Sî lu úngurì lor mái vóYe i d b iá d cî t d l c tári ,die Ungarn mögen die Bajeschi li drag a lu mul d el ‚viele mögen ihn‘ lúi bineá ti, áma lía nu bineá ti, ‚ihm gefällt es, ihr nicht‘; cárn’a múmi-sî i ,das <?page no="223"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 215 lieber als die Roma‘ a lu búsu lui cás ,Busstation‘ Fleisch der Mutter’ (synthetisch); la coáda Äìngur î i ‚am Löffelstiel’ (synthetisch); b iátu lu -mp rátu lui ,der Sohn des Kaisers’ (analytisch) Pronomina: Possessivpronomen Bei den Possessivpronomen lässt sich beobachten, dass die pronominalen Formen gut erhalten sind und eine reiche Deklination im Nominativ, Akkusativ, Genitiv/ Dativ mit varietätenspezifischen phonetischen Eigenheiten aufweisen. a mníó a óu a lúi/ a l’íe a nostr a vóstr a lor a míe a íe a lui/ a Ye/ Yéi a nó / nóv a vó / vo v a lor m’éu t u lúi/ léi nóstru/ noástr vróstu/ vroást lor Pronomina: Demonstrativpronomen In der Bildung des Demonstrativpronomens der Gleichheit können starke Unterschiede zu den Standardformen beobachtet werden. Ar eleni Munteni Zefyri Bildung durch a fel ‚gleich‘ + Präp. d + Verb a fi ‚sein‘ Erhalt der synthetischen Deklination, jedoch in Form eines lexikalischen Serbismus (ìstumáYa > isto ‚dasselbe‘) Bildung aus Demonstrativpr. der Nähe bzw. der Entfernung + Verb sein in der 3. Pers. Sg. a fel d -i ,derselbe, dieselbe‘ a fel d -s ,dieselben‘ ìstumáYa ,dieselbe‘ ìstum la ,derselbe‘ ìstum Ya ,dieselben‘ ìstum luYa ,demselben‘ ìstum lora ,denselben‘ âi, áia; l-e, Ya-e; ásta-e, áia-e; un, un ‚derselbe/ dieselbe‘ un feál e ‚dasselbe‘ <?page no="224"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 216 h lalánt ,der andere‘ hàYalánt ,die andere‘ h Yunlánt ‚dem anderen‘ hèYalán e ‚der anderen‘ (Dat. f. sg.) hèYlán ,der anderen‘ (Dat. pl.) lált ,der andere‘ àlált ‚die andere‘ Yalál ‚die anderen‘ luYlált ‚dem anderen‘ l lánt ,der andere‘ àilánta ,die andere‘ àilán / ilál ,die anderen‘ Numerale Ar eleni Munteni Zefyri Obwohl morphologisch in den drei Varietäten erhalten, werden die Numerale parallel zu den ungarischen bzw. griechischen Formen verwendet. Es besteht die Tendenz, die Ordnungszahlen mit den Kardinalzahlen zu ersetzen él e cupíl, únu cúpil ,das erste Kind‘ prî vu cupíl ,das erste Kind‘ l d -ntî i/ prótu ,das erste‘ áia d -ntî i/ próta ,die erste‘ a dó le cupíl ,das zweite Kind‘ al dóv le cupíl ,das zweite Kind‘ la dói/ la iált/ Œéftiru ,der zweite‘ la doáu/ la ilánta/ Œéftir ,die zweite‘ s-or g tátu-s cî i tréi ,alle drei zogen sich an‘ cî ci trí ,zu dritt‘ tréi in ,zu dritt‘ Verb: Modi und Tempora In allen drei Varietäten liegt ein reich ausgeprägtes Verbalsystem mit zwei Vergangenheitsformen und einem Futur vor. Wie im Standardrumänischen wird das Imperfekt durch zusammengesetztes Perfekt ersetzt. Die vorhandenen Modi sind Indikativ, Konjunktiv, Imperativ und Präsumtiv. Der Infinitiv kommt nur sehr sporadisch vor; Gerundium und Supinum fehlen. Im Folgenden beschränken wir uns lediglich auf eine repräsentative Auswahl. <?page no="225"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 217 Ar eleni Munteni Zefyri Ar eleni Munteni Zefyri a fi ,sein‘ a avea ,haben‘ Indikativ Präsens mis ié i i ís / i é i i é s mésc e ti i / îi istém isté sî nt / îs Yesc Ye t e istém isté e am ái áre avé i avé áre am ái áYe aYém aYé áre am ái áre avém avé áre Indikativ Imperfekt îYrám / isrám îYrái / isrái îYrá / isrá / isrás îYra i / isrá i isrá isrá irém iréi iré / s irés m irés irés Yerám Yerái Yerá Yerám Yerá Yerá avém avé avé / àvés avé i avé avé aYém aYéi aYéi / àYés aYém aYé áYé / àYés aveám aveái aveá aveám u aveá aveá Indikativ Perfekt am fost ái fost a/ o fost á i fost a fost or fost am fost ái fost a fost am fost a fost a fost am fost ái fost a fost am fost a fost a fost am avút aY avút a/ o avút a i avút a avút or avút am vut ái vut a vut am vut a vut a vut am avú ái avú a avú am avú a avú a avú Indikativ Futur I ói fi víi fi o fi ó i fi v’i fi or fi vói fi (î )i fi a fi om fi vé i fi o fi u s fíu u s f u s fí u s fim u s fi u s fi oi avé víi avé o avé ó i avé v‘i avé or avé vóY ve (î )i ve a ve om ve î ve o ve u s-am u s-ái u s-áve u s-avém u s-avé u s-áve Ar eleni Munteni Zefyri a merge ,gehen‘ Konditional Präsens ,ich würde gehen‘ a mér e ái mér e ar mér e a méd’e ái méd’e ar méd’e u s m-am dus / u s-am mers / u s m du ’ám u s te-ái dus / u s ái mers u s s-a dus / u s-a mers <?page no="226"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 218 á i mér e a mér e ar mér e am méd’e a méd’e ar méd’e u s ne-am dus / u s-am mers u s v-a dus / u s-a mers u s s-a dus / u s-a mers Konditional Vergangenheit ,ich wäre gegangen‘ a vi mers ái vi mers ar vi mers á i vi mers a vi mers ar vi mers a fi més ái fi més ar fi més am fi més a fi més ar fi més u fi m-am dus / u fi am mers u fi t-ái dus / u fi ái mers u fi s-a dus / u fi a mers u fi ne-am dus / u fi am mers u fi ne-a dus / u fi a mers u fi s-a dus / u fi a mers Ar eleni Munteni Zefyri a merge ,gehen‘ Konjunktiv Präsens Pers. III s márg s áive s plóve s nu s piárd s -i víYe în fíre sa sco t s istilésc s még s áre / ár s plóYe s nu s pérd s s gîndésc s sco t s cistésc ára s m’árg ára s áve s ploáve s nu l p’árg s se gînd’ásc ára s l scoát s c riseásc / s ncur eáz ‚zu gehen‘ ,zu haben‘ ,zu regnen’ ,nicht zu verlieren‘ ,zu überlegen‘ ,herauszuholen‘ ,zu säubern‘ Konjunktiv Vergangenheit Pers. III s vi mers s fi furát --u fi mers ui fi dus u fi furát ‚er würde gegangen sein; gestohlen haben‘ 4. Zur Analyse des Materials In beiden Varianten tritt die Aschenputtelgestalt deutlich zu Tage, die Asche wird explizit erwähnt. Der rumänische Volksmund bietet Märchenvarianten, die weit weniger Elemente der Grimmschen Aschenputtel enthalten und dennoch als Aschenputtel bezeichnet werden können. So stufen auch die Gebrüder Schott (1845: 96-100) das von ihnen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts im östlichen Banat aufgezeichnete Märchen, in dem weder Asche noch Schuhe vorkommen, sondern der Prinz <?page no="227"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 219 ein armes Mädchen, in das er sich verliebt hat, an seinem Ring wiedererkennt, als Aschenbrödel (1845: 328) ein. Beide hier vorgestellten Märchenvarianten entsprechen somit in der Klassifikation AaTh (Aarne-Thompson-Index) der Nummer 510A mit dem übernatürlichen Helfer und der Figur des Aschenputtels als entscheidenden Markern. In der rumänischen bäuerlichen Gesellschaft ist der Märchentypus 510A weit verbreitet und wird von den meisten Autoren als autochthon angesehen. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es in Rumänien „Situationen mündlichen Erzählens, in denen ein enger, lebendiger und ungezwungener Kontakt zwischen Zuhörern und den Erzählenden bestand“ (Hetmann 1999: 51), wie in anderen Gegenden Osteuropas und Südosteuropas auch. Viele Merkmale, die in beiden Märchen auftreten, weisen auf eine gemeinsame Ursprungsversion hin, die im rumänischen Raum vor der Auswanderung der Bajeschi und Rudari verbreitet war. Der Umstand, dass in der Gruppe der Ar×eleni in Ungarn Märchen mit dem Titel MunÂá sî mùnÂe î a kursieren, und der MunÂá zu einer archetypischen Figur geworden ist, weist auf ihren geringen Kontakt mit der Gruppe der Munteni hin, die nur knapp 40 Kilometer entfernt von Gilvánfa leben, und gleichzeitig auf die Mythisierung eines gemeinsamen Ursprungs der beiden Gruppen, die zu unterschiedlichen Zeiten aus den rumänischen Gebieten ausgewandert sind. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es im Ablauf der beiden Märchenvarianten gibt, lässt sich besonders gut veranschaulichen, wenn das von Metzeltin/ Thir (2012: Kap. 35) entworfene Schema zur prototypischen Narrativisierung von Initiationen in den einzelnen Schritten angewendet wird. Nach der Anpassung der Erzählreihenfolge an das Schema ergibt sich folgendes Bild. M1 M2 Mun á sî mùn e î a (Gilvánfa) Stahtoputa (Zefyri) Anfangsformel − Ínc-o dát ánu, Â-o dat, pîn p ár dómn’é o dat un munÂá -o mùnÂe î ,Es waren einmal ein MunÕa und eine MunÕe î ‘ − Ãerá tréi sùróri î múm - a ,Es waren drei Schwestern und ihre Mutter‘ 1. Weggang: Initiand verlässt das Elternhaus − Mädchen wird von der Mutter verlassen und als Kind ausgesetzt − Täglicher Gang zum Grab der Mutter <?page no="228"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 220 2. Widerstand: Initiand wehrt sich gegen den Weggang/ Tod − Pflanzen eines magischen Wallnussbaumes neben dem Grab der Mutter --- − Begraben der Knochen der Mutter bei einem Baum − Weinen als Widerstand gegen den Tod der Mutter 3. Gang zum und Aufenthalt im Initiationsbezirk − Besuch am Grab als Initiationsort (Totenwelt), an dem die Mutter das Mädchen belehrt − Kirche als heiliger Ort der Begegnung, zu dem das Mädchen auf einem weißen Pferd reitet − Das weiße Pferd bringt sowohl das Mädchen als auch den Prinzen in die Kirche 4. Tranceversetzung: Der Initiand wird isoliert − Mädchen darf das Haus nicht verlassen und lebt getrennt von ihrer Familie in ihrem eigenen Kämmerchen --- − Schlafen in der Asche neben dem Herd 5. Symbolischer Tod Dialog mit der verstorbenen Mutter am Grab 6. Metamorphose − Symbolische Reinigung am Bach − Stechen mit der Nadel beim Entlausen und Verwandlung in einen Vogel − Verwandlung durch das Anziehen von neuen Kleidern aus Zinn, Silber und Gold erfolgt am Grab nach Aussprechen eines Zauberspruches − Gold und Silber als Metalle, die auf das Jenseits hinweisen − Verwandlung durch das Anziehen von neuen Kleidern --- <?page no="229"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 221 7. Belehrung Mutter sagt dem Mädchen die Zukunft voraus und belehrt sie, wie sie handeln sollte; vorausgesagte Schritte dürfen nicht übergangen werden 8. Übung − Stiefmutter und Stiefschwester, die das Leben des Mädchens schwer machen − Schwierige Aufgaben: Reis, Mohn, Nüsse von der Asche trennen − Eigene ältere Schwestern, die das Leben der Mädchen schwer machen --- − Tauben, die die drei Aufgaben ganz übernehmen --- − Der Prinz stellt dem Mädchen eine Falle: Er spannt einen Faden vor den Altar, das Mädchen stolpert und verliert seinen Schuh − Der Prinz stellt dem Mädchen eine Falle: Er beschmiert den Boden mit Honig, das Mädchen rutscht aus und verliert seinen Schuh 9. Rückkehr aus dem Initiationsbezirk − Mädchen wird am Grabe der Mutter in eine neue Tracht gekleidet. Ihre Familie erkennt sie nicht und zollt ihr Respekt − Gesellschaft und Familie halten sie für eine Prinzessin − Mädchen wird am Grabe der Mutter in einer neuen Tracht gekleidet − Die Gesellschaft hält sie für eine Prinzessin 10. Familiengründung: Der Initiierte heiratet eine Initiierte − Das Mädchen, dem als einzigem der Schuh passt, wird schließlich als wahre Braut erkannt − Mädchen heiratet den Prinzen, der durch die Suche nach der wahren Herrin des Schuhes als Initiierter gelten kann Ende Verlassen der Stiefmutter und Stieftochter; symbolischer Sieg des Guten über das Böse Bestrafung der Schwester; symbolischer Sieg des Guten über das Böse <?page no="230"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 222 Schlussformel Dácî n-or murít, -acú cúst ,Wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute‘ ×-acoló pov’á te, -aí a s n táte ,Dort Geschichte, hier Gesundheit‘ Aus struktureller Sicht beinhalten die hier vorgestellten Märchenvarianten alle Merkmale der europäischen Märchen nach Lüthi (2005, passim): Formelhaftigkeit (Anfangs- und Schlussformel), Wiederholungen (drei Aufgaben, wiederholte Besuche in der Kirche), Zahlensymbolik (Zahl drei), Farbsymbolik (weißes Pferd, goldene Schuhe), Einteilung in drei Teile: (a) Anfangssituation, die die Helden veranlasst, den Initiationsweg zu starten, (b) der Weg der Helden, (c) die Lösung, und schließlich Flächenhaftigkeit der Gestalten (die handelnden Figuren werden nicht in einen sozialen oder zeitlichen Kontext eingegliedert). Die zentrale Figur des Mädchens ähnelt den typischen Märchenfiguren, die im griechischen und albanischen Raum häufig vorkommen (Dieckmann 1995: 464): das Profil der jüngsten Tochter, der ungeschicktesten oder ärmsten, die am Ende des Initiationsweges zur Heldin wird (M2). In M1 wird das Mädchen als die schwächste Tochter dargestellt, weil sie nach dem Tod ihrer Mutter und Heirat seines Vaters alleinstehend und ausgeschlossen ist. Im Laufe der Erzählung wird sie dennoch zur Initiierten. Das Element der Bestrafung ist in beiden Märchen zentral, erfolgt aber zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt. In M2 „fehlt“ zunächst die Bestrafung der bösen Taten der Schwestern, stattdessen erfolgt nach der Hochzeit und der Geburt des Kindes ihre drastische Bestrafung mit dem Tod. Die Magie, das Übernatürliche, spielt in den beiden Märchen eine wichtige Rolle. Es wird eine Welt voller Wunder, mit sprechenden Tieren (M1 - Tauben), Verwandlungen (M2 - Verwandlung in einen Vogel) dargestellt, in dem aus „Aschenputtel“ eine Prinzessin wird. Die diesseitige und die jenseitige Welt existieren parallel nebeneinander und sind nur räumlich voneinander getrennt (Haus - diesseitige Welt; Grab, Kirche - jenseitige Welt). In beiden Märchenvarianten spielen christliche Symbole eine wichtige Rolle, wodurch sie Elemente der Gattungen Sagen und Legende übernehmen. Die Kirche gilt als heiliger Topos, als Treffpunkt des Mädchens mit dem Prinzen. Dass Volkmärchen kirchliche Symbole zugetragen werden, ist nicht wunderlich. Der moralisierende christliche Charakter lässt sich auch bei Volksromanen wie Alexandria (Cartojan 1910) beobachten, in dem heidnischen Motive in christliche Lehren verwandelt werden. Alexander selbst, heidnisch am Anfang, wird zu einem Christen am Ende des Romans, und sein ursprüngliches Ziel, die ganze <?page no="231"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 223 Welt für sich zu erobern, wird zur Mission der Befreiung des Volkes Gottes von heidnischen Herrschern (Zgraon 2006: 24). Der Kirchenbesuch in den beiden Märchen ersetzt den rituellen Tanz, der durch das Christentum tabuisiert wurde, und wird der symbolischen Reise ins Jenseits gleichgestellt. Diese Reise wird in M1 drei Mal durchgeführt und erinnert damit an den dreimaligen Tanz um den Altar während der orthodoxen Hochzeitsprozedur. Der Zahl drei werden hier magische Kräfte als wichtiger Teil der Initiation beigemessen. In M2 verlieren die Zahlen ihre magische Kraft (zwei Kirchenbesuche), während sie in M1 ständig wiederkehrt (drei Walnüsse, drei Aufgaben, drei Reinigungen am Bach, drei Besuche in der Kirche, am Grab usw.). Die magisch-symbolische Kraft in M2 liegt überwiegend in den symbolhaften Objekten (Kerze in der Kirche, am Grab, Nadel, Haarklammer etc.). Der Schuh spielt in beiden Märchen eine zentrale Rolle und dient als „Identitätsbeweis“ (Pöge-Alder 2005: 212-219). Er besitzt auch hier die Eigenschaft, sich ausschließlich dem Fuß der Außerwählten anzuschmiegen. Diese sprachlich und inhaltlich komplexe Überlieferung der Märchen wurde möglich durch die hohe Mobilität der Bajeschi und Rudari und die starke Mündlichkeit ihre Volkskultur, die bis heute andauert. Das Erzählen als gemeinschaftliche Praxis, „eine wesentliche, neben der Unterhaltung auch der geistigen Anregung dienende Beschäftigung“ (Hetmann 1999: 49), hat mit der Sesshaftwerdung der Bajeschi und Rudari in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts und ihrem Berufswechsel (Aufgabe der Holzverarbeitung) an Bedeutung verloren. Dennoch steht das Erzählen heute noch mancherorts in Mittelpunkt von Freizeitbeschäftigungen, Unterhaltung und Ereignissen wie Heirat oder Tod (Gilvánfa). Der Erzähler der Märchen genießt besonderen Respekt innerhalb der Gemeinschaft (János Orsós war zwölf Jahre lang Bürgermeister). Auch in Zefyri haben sich die Märchen wegen ihres hohen Stellenwertes sowie wegen ihres Unterhaltungswertes und Vorbildcharakters von einer Generation zur anderen erhalten. Unser Beispiel zeigt, wie die Mutter Vasiliki sich an Teile des Märchens, das sie wiederum von ihrer Mutter als kleines Mädchen erlernt hatte (Afú Yerám míc d mY-o spun’á máma - ,Als ich klein war, erzählte mir Mutter diese Geschichte‘), nicht mehr erinnern konnte. Ihre Tocher aber erinnerte sich haargenau an den Ablauf des Märchens und sorgt dafür, dass sich die Tradition nicht verliert, indem sie die Geschichte wiederum an ihre Kinder weitergibt. Die Bajeschi und Rudari sind damit ein lebendiges Beispiel, wie sich Mobilität und Segregation einer Bevölkerung positiv auf die Bewahrung ihres mündlichen Kulturerbes auswirken können. <?page no="232"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 224 5. Literatur- und Quellenverzeichnis 5.1. Literatur Cartojan, Nicolae (1910): Alexandria în literatura romîneasc . Bucure ! ti: Institutul de Arte Grafice Carol Göbl. Dieckmann, Hans (1995): „Die symbolische Sprache des Märchens“, in: Laiblin, Wilhelm (ed.): Märchenforschung und Tiefenpsychologie. Darmstadt: Primus Verlag. Hahn, Johann Georg von (²1918): Griechische und albanesische Märchen. München, Berlin: Georg Müller ( 1 1864 Leipzig: Engelmann). Hetmann, Frederik (1999): Märchen und Märchendeutung erleben und verstehen. Krummwisch bei Kiel: Königsfurt Verlag. Kahl, Thede (2012): „Die Zigeuner und das Rumänische. Zur Sprache und Kultur der Vlach-Roma, Bajeschi und Rudari“, in: Doppelbauer, Kremnitz Georg, Stiehler, Heinrich (eds.): Die Sprachen der Roma in der Romania. Les langues des Rroms. Les lenguas de los gitanos. Beihefte zu Quo vadis, Romania 48. Wien: Praesens, 190-223. László, Endre (2001): A dunai aranymosás. Aranymoso cigányok a Karpát-medencében. Budapest: Argumentum Tudományos Kiadó. Lüthi, Max (2005): Das europäische Volksmärchen. Tübingen. Metzeltin, Michael; Thir, Margit (2012): Textanthropologie. Wien: Praesens. Nechiti, Ioana (2011): Ardelenii i Muntenii din Ungaria. Studiu dialectal comparativ. Unveröffentlichte Bachelorarbeit im Seminar „Regionale Diversität der rumänischen Kultur der Universität Wien. Ni cov, Viorica 1996: A fost de unde n-a fost. Basmul popular românesc. Bucure ti: Humanitas, Nummer 25, 257-259. Papp, Gyula (1982): A beás cigányok román nyelvjárása: Beás-magyar szótár [Der rumänische Dialekt der Bajeschi-Zigeuner. Bajesch-Ungarisches Wörterbuch]. Pécs: Szociológiai Szemle. Pöge-Alder, Kathrin (2005): Schuh. Der Schuh als Abbild seiner Besitzer. In: Ranke, Kurt et al. (ed.): Enzyklopädie des Märchens. Schinden, Schinder-Sublimierung. Band 12: De Gruyter. Schott, Arthur; Schott, Albert (1845): Walachiche Mährchen. Mit einer einleitung über das volk der Walachen und einem anhang zur erklärung der märchen. Stuttgart und Tübingen: J.G. Gotta’scher Verlag. Stier, Georg (1850): Ungarische Sagen und Märchen. Berlin: Ferdinand Dümmlers Buchhandlung. Weigand, Gustav (1908): „Rumänen und Aromunen in Bosnien“, in: Jahresbericht des Instituts für rumänische Sprache zu Leipzig XIV. Leipzig, 171-197. Zgraon, Florentina (ed., 2006): Alexandria. Cea mai veche versiune p strat , C r i Populare. Bucure ti: Funda ia National pentru " tiin i Art . <?page no="233"?> Aschenputtel bei den Bajeschi und Rudari 225 5.2. Videoaufnahmen MunÂá sî mùnÂe î a. Interview mit János Orsós in Gilvánfa am 8. Juni 2011. EthnoThesaurus Archivnummern Video 2011_06_08 (4) und 2011_06_08 (5). Interview und Kamera: Ioana Nechiti. Pové ti. Interviewreihe mit János Orsós in Gilvánfa am 24. März 2011. EthnoThesaurus Archivnummern Video 2011_03_24 (1) bis 2011_03_24 (1). Interview: Ioana Nechiti und Thede Kahl, Kamera: Thede Kahl. Stahtoputa. Interview mit Vasiliki und Evanthia Paiteri in Zefyri am 7. November 2011. EthnoThesaurus Archivnummern Video 2011_11_07 (3) und 2011_11_07 (4). Interview: Ioana Nechiti, Kamera: Thede Kahl. 5.3. Audioaufnahmen Poze. Interview mit János Orsós in Gilvánfa am 8. Juni 2011. EthnoThesaurus Archivnummern Audio 2011_06_08e. Interview und Aufnahme: Ioana Nechiti. Stahtoputa. Interview mit Vasiliki und Evanthia Paiteri in Zefyri am 7. November 2011. EthnoThesaurus Archivnummern Audio 2011_11_07 (8) und 2011_11_07 (9). Interview und Aufnahme: Thede Kahl und Ioana Nechiti. <?page no="234"?> Thede Kahl / Ioana Nechiti 226 János Orsós in Gilvánfa, rechts im Bild Ioana Nechiti. Foto: Thede Kahl Evanthia (links) und Vasiliki Paiteri (rechts) in Zefyri. Foto: Thede Kahl <?page no="235"?> Mihailo St. Popovi Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz in den Flusstälern der Strumica und Kriva Lakavica 1 1. Einleitung Bei siedlungstheoretischen Überlegungen, wie sie im Folgenden anhand eines regional umrissenen Fallbeispiels angestellt werden, ist einer der immanenten Aspekte, die Berücksichtigung des Verhältnisses der sesshaften zu den mobilen Gruppen von Bevölkerung. 2 Das berücksichtigte Zielgebiet umfasst zum einen das Tal des Flusses Strumica (Strumešnica), das sich im Südosten der (ehemaligen jugoslawischen) Republik Mazedonien bzw. im Südwesten der Republik Bulgarien befindet, zum anderen das Flusstal der Kriva Lakavica auf dem Territorium der (ehemaligen jugoslawischen) Republik Mazedonien, das als linker Zubringer in den Fluss Bregalnica einmündet. Während sich die bisherige Beschreibung an den angelsächsischen geographischen Begriff des space angelehnt hat, kann man in Gegenüberstellung unter Zuhilfenahme der Kategorie place die Städte Štip bzw. Melnik als nordwestlichen bzw. östlichen Grenzpunkt der Region ansprechen. 3 Auf der Basis byzantinischer und altslawischer Urkunden des 13./ 14. Jahrhunderts sowie osmanischer Steuerregister (Defter) des 16. Jahrhunderts wird erstmals synoptisch ein Überblick über die Weideaktivitäten in der beschriebenen Region im allgemeinen und über dortige wlachische Präsenz im speziellen geschaffen, der zu weiteren vergleichbaren Studien für andere Regionen anregen soll. Bereits an anderer Stelle konnte gezeigt werden 4 , dass für die gesamte Region im Zeitraum 1152 bis 1395 insgesamt 60 lokalisierte bzw. lokalisierbare Siedlungen in den obenerwähnten schriftlichen Quellen bezeugt sind, die auch eine Siedlungskontinuität in osmanischer Zeit aufweisen. Ausgehend von Berechnungen, wonach die durchschnittliche räumliche Ausdehnung von Dörfern in der historischen Landschaft Makedonien rund 15 km 2 betragen haben dürfte 5 , stellen sich die folgenden zwei Fragen: Wurde das „Niemandsland“ 6 zwischen den Siedlungen bzw. an den Grenzen der Siedlungen in jener Zeit für Weidewirtschaft (seitens der <?page no="236"?> Mihailo St. Popovi 228 Wlachen) genutzt? Hat diese Nutzung in den schriftlichen bzw. toponomastischen Quellen ihren Niederschlag gefunden? 2. Allgemeine Hinweise auf Weidewirtschaft in den schriftlichen Quellen Am nordwestlichen Ende des Flusstales der Strumica, d.h. im Gebiet rings um Štip, wird in der Kirche Sveti Gjorgji beim Dorf Dolni Kozjak bzw. in der Flur Gorni Kozjak in einem altslawischen Graffito ein nicht lokalisierter „Tetev“ oder „Tutev Katun“ genannt (az` gramatikY Voichna ot T[e]teva katuna). 7 Vuk Stefanovi Karadži (1787-1864) setzte das Wort „katun“ mit den Begriffen „ba ija“ bzw. „mandra“ in seinem Lexicon Serbico-Germanico- Latinum gleich und übersetzte alle drei spezifisch mit „Sennerei“. 8 Allerdings handelt es sich beim Katun im breitesten Sinne des Wortes um eine saisonal - d. h. auf die Sommer- oder Wintermonate - begrenzte Siedlung wlachischer, albanischer oder anderer Hirten. Die innere Organisation eines mittelalterlichen Katun lässt sich aufgrund spärlicher Quellen nicht einwandfrei rekonstruieren. An seiner Spitze stand jedenfalls ein Oberhaupt, das „katunar“ oder „ elnik“ genannt wurde. Ob dessen Name für den gesamten Katun namensgebend war und ob innerhalb eines Katun stets miteinander verwandte Großfamilien organisiert waren, bleibt in der Sekundärliteratur umstritten. Die Größe eines Katun schwankte im Mittelalter zwischen 10 und 105 Haushalten. 9 Die besondere Problematik liegt darin, dass von nomadischen Organisationsformen, die im 20. Jahrhundert in Südosteuropa dokumentiert wurden, nicht automatisch auf Zustände im Mittelalter geschlossen werden kann. Südöstlich von Štip befindet sich das bereits erwähnte Flusstal der Kriva Lakavica. Ebendort hatte der Großvojvode Nikola Stanjevi die Kirche des Heiligen Stefan im Dorf Kon e errichtet, die er dem Ath s- Kloster Chilandariu zusammen mit Bergweiden (s planinami) schenkte, was durch den Zaren Stefan Uroš V. mit einer Urkunde des Jahres 1366 bestätigt wurde. 10 Der Terminus technicus „planina“ bezeichnet in den serbischen mittelalterlichen Urkunden üblicherweise Bergweiden, die auf mehr als 1000 m über Normalnull lagen. Es handelte sich hierbei vorwiegend um Sommerweiden, die jährlich von Frühling bis Herbst genutzt wurden. Ebendort entstanden in derselben Zeit die saisonal begrenzten Katune. Fallbeispiele in der Sekundärliteratur, die anhand von serbischen mittelalterlichen Urkunden erarbeitet wurden, verdeutlichen, dass der <?page no="237"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 229 König bzw. Zar, Klöster, Adelige, Dörfer oder Katune über Bergweiden verfügen konnten. 11 Das altslawische Wort „planina“ 12 wurde als „€ {_{|“ in den byzantinischen Wortschatz übernommen, wovon im folgenden anschauliche Zitate aus den verwendeten Quellen zeugen. 13 Eine Urkunde über Schenkungen von Landbesitz im Flußtal der Strumica seitens des Feudalherrn Stefan Hrelja Dragovol an das Ath s-Kloster Chilandariu, die auf eine Urkunde des serbischen Königs Stefan Uroš II. Milutin aus den Jahren 1303/ 04 Bezug nimmt, nennt als Besitz des besagten Klosters das Gebirge Ogražden (planina OgraždenY). 14 Im Jahre 1336 erließ der serbische König Stefan Uroš IV. Dušan eine Urkunde, in welcher das Gebirge Belasica (planina Belasica), das Gebirge Ogražden und die Bergweide Draguljevo samt unmittelbarer Umgebung (I planina Ograždeno i Draguljevo i podplaninije sY vseju oblastiju i megja imY) als Besitz desselben Klosters aufscheinen. 15 Die zweite Variante dieser Urkunde nennt ebenfalls die Gebirge Belasica sowie Ogražden und die Bergweide Draguljevo in demselben Wortlaut bzw. Kontext. 16 Ca. 1340/ 1341 bestätigte der byzantinische Kaiser Andronikos III. Palaiologos dem Ath s-Kloster Chilandariu den Besitz des Dorfes Staro/ Novo Konjarevo in der Engstelle Klju mit einer Bergweide des Gebirges Ogražden (eis to Kladion t n Kunarianin, meta t s plan n s t s Grasdenas). 17 Im April 1346 erließ Stefan Uroš IV. Dušan eine Urkunde zugunsten des Ath s-Klosters IbÙr n, worin unter den Besitzungen des Metochion Theotokos Eleusa (Veljusa) bei der Stadt Strumica unter anderem eine (nicht lokalisierte) Bergweide namens Hagioi Theod roi (kai t s plan nas t s legomen s t n Hagi n Theod r n) genannt wird. 18 1357 scheint dieselbe Bergweide (kai t s plan n s t s legomen s t n Hagi n Theod r n) in einer Urkunde des byzantinischen Kaisers I annÙs V. Palaiologos für dasselbe Kloster auf. 19 Im Zuge einer Begehung zur Beschreibung der Grenzen des Landbesitzes des Klosters Chilandariu in der Gegend Breznica 20 seitens des Richters Michalis IoskulÙs, die auf Geheiß des serbischen Despoten (Fürsten) Jovan Uglješa stattfand, wird in der betreffenden Urkunde unter anderem die Bergweide Draguljevo (t n planin n t n Draguleban) erwähnt. 21 Dieselbe Bergweide scheint in einer Urkunde aus dem Jahre 1375/ 76 auf (ot planine Draguljeva). 22 Ebenfalls 1376/ 77 schenkte EvdokÚa mit ihren Söhnen, den Lokalherrschern Jovan und Konstantin Dragaš, dem Ath s-Kloster Hagios PanteleÙm n die Dörfer Mokrino (selo Mokrani) mit einer Bergweide (sY planinomY), Mokrievo (selo MakrÙevo) mit einer Bergweide (sY planinomY), <?page no="238"?> Mihailo St. Popovi 230 Zubovo (selo Zubovce) mit einer Bergweide (sY planinomY), Borisovo (selo Borisovo) mit einer Bergweide (sY planinomY) und Gabrovo (selo Gabrovo) mit einer Bergweide (sY planinomY). 23 Ein letzter Schwerpunkt an allgemeinen Quellenbelegen zur Weidewirtschaft bzw. nicht lokalisierten Bergweiden ist rings um die Stadt Melnik am östlichen Ende des Strumica-Tales zu erkennen: In einer Urkunde des byzantinischen Kaisers Andronikos II. Palaiologos für das Kloster Chilandariu im Jahre 1319 werden eine „Bergweide in Gemeinnutzung“ 24 mit Namen Matzista und eine weitere namens Hagios DÙmÙtrios Pter tos genannt (h peri ton Melenikon d mosiak plan n h Matzista syn t tu Hagiu D m triu tu Pter tu kalumen ). 25 Diese Schenkung bestätigten sowohl dessen Sohn MichaÙl IX. Palaiologos 26 als auch dessen Enkel Andronikos III. Palaiologos 27 mit demselben Wortlaut in demselben Jahr. 1321 musste Kaiser Andronikos II. Palaiologos eingreifen, da ein gewisser Pululon dem Kloster Chilandariu die besagte Bergweide Matista streitig machte (h peri ton Melenikon plan n h Matista). 28 Im Jahre 1327 wurde dem Ath s-Kloster Z graphu die „Bergweide in Gemeinnutzung“ Lakteba in der Flur Lestia in der Umgebung der Stadt Melnik von Andronikos II. Palaiologos als Besitz bestätigt (t n peri ton Melenikon eis ta Lestia d mosiak n plan n n t n Lakteban). 29 Bereits ein Jahr später (1328) nahm Andronikos III. Palaiologos dem Kloster Z graphu die Bergweide Lakteba und gab ihm diejenige von Tzerkbista an ihrer statt (anti t s plan n s t s legomen s Laktebas t s katechomen s para t n d l thent n monach n epilabesthai kai katechein to meros aut n t n peri ton topon tu Meleniku d mosiak n heteran plan n n t n legomen n Tzerkbistan 30 ). 31 1342 bestätigte Kaiser I annÙs V. Palaiologos, der Sohn des Andronikos III., dem Kloster Z graphu den Tausch der Bergweiden Lakteba und Tzerkbista in der Umgebung von Melnik (peri ton Melenikon d mosiak s plan n s t s hut kalumen s Laktebas […] t n peri ton auton topon ton Melenikon heteran d mosiak n plan n n t n legomen n Tzerkb stan). 32 Schließlich erließ der serbische Zar Stefan Uroš V. eine Urkunde im Jahre 1356, worin er Kiril© (Kyrillos), dem Metropoliten von Melnik, den Besitz über die Kirche Svetago Nikoli Ûudotvor’ca StožYskoga in der Stadt Melnik (u MÝlnicÝ u gradu) samt einer Bergweide (s planinomY) bestätigte. 33 Wie bisher ersichtlich wurde, existieren zahlreiche Belege zu Bergweiden in den Flusstälern der Strumica und Kriva Lakavica in den schriftlichen Quellen der spätbyzantinischen Zeit, die beredtes Zeugnis einer funktionierenden Weidewirtschaft sind. Allerdings können die besagten Weiden zumeist nur großräumig lokalisiert und nicht zweifelsfrei mit wlachischen Nomaden bzw. Hirten in Verbindung gebracht werden. Dies <?page no="239"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 231 trifft auch auf die nunmehr folgenden toponomastischen Hinweise zu, die zunächst allgemein einen Rückschluss auf weidewirtschaftliche Aktivitäten im Bearbeitungsgebiet erlauben. 3. Allgemeine Hinweise auf Weidewirtschaft in der Toponomastik Zu Beginn des 20. Jahrhunderts berichtete der serbische Geograph Jovan Cviji (1865-1927) von der Existenz von Sommersiedlungen (ba ije bzw. jazle) und Weideflächen in der Kone ka planina, welche das Flusstal der Kriva Lakavica im Südwesten begrenzt. 34 Rund 10 km osö. des Ortes Kon e liegt im selben Flusstal eine Erhebung, welche den Namen „Katunski Rid“ trägt. 35 Ein weiteres toponomastisches Zeugnis befindet sich am östlichen Ende des Tales der Strumica (Strumešnica). Es handelt sich um den Ort Katunci am rechten (w.) Ufer des Flusses Pirinska Bistrica bzw. 9 km ssö. von Melnik. Dieser wird zum ersten Mal unter dem Namen Katunitza im Testament des Erzbischofs Paulos KlaudiupolitÙs von Melnik im Mai 1216 erwähnt (ed r th de t toiaut mon ch rion to legomenon Katunitzan). 36 Sein Name ist ohne Zweifel vom Lexem „katun“ abzuleiten. 37 Des weiteren befindet sich die Flur Mandrata rund 10 km nö. von Melnik im Pirin- Gebirge. 38 4. Quellenbasierte und toponomastische Zeugnisse wlachischer Präsenz in den Flusstälern der Strumica und Kriva Lakavica Neben zahlreichen allgemeinen Hinweisen auf Weidewirtschaft im Bearbeitungsgebiet lassen sich in den schriftlichen Quellen der spätbyzantinischen Zeit auch einschlägige zu wlachischer Bevölkerung bzw. Hirten finden. So werden in einer Urkunde des serbischen Zaren Stefan Uroš IV. Dušan für den Edelmann Ivanko Probištitovi im Mai 1350 unter den der Kirche des Heiligen Johannes des Täufers (crYkvY Svetago Ioana KrYstitelja) in der Stadt Štip zugeteilten Untergebenen (otroke) 39 neben einem Albaner (GinY ArbanasinY) und einem Serben (DragoslavY SrYblinY) explizit auch zwei Wlachen - Manoo VlachY und DragoslavY VlachY - genannt. 40 Im Mittellauf des Flusses Strumica existieren zwei sehr spezifische Hinweise auf Wlachen in den spätbyzantinischen Quellen. 1293 stellte Kaiser Andronikos II. Palaiologos eine Urkunde aus, mit der er den Grundbesitz des Le n KoteanitzÙs in der Gegend Preasnitza (t n eis t n <?page no="240"?> Mihailo St. Popovi 232 Preasnitzan heuriskomen n g n) als Dank für seine militärischen Leistungen bestätigte. Ursprünglich hatte sich dieses Land im Besitz von verschiedenen Wlachen befunden und war ebendiesen entzogen worden (apespasth apo diaphor n Blach n). 41 Das Toponym „Preasnitza“ geht auf das slawische Wort „breza“ - für „Birke“ - zurück 42 und lautete daher ursprünglich wohl „Breznica“ (s. o.). Es konnte nicht einwandfrei lokalisiert werden, dürfte aber entlang des ebenfalls in den Quellen bezeugten gleichnamigen Flusses gelegen sein, der auf der Höhe des jetzigen Ortes Dobrošinci in den Fluss Turija mündet. 43 Daraus ergibt sich eine ungefähre Lokalisierung rund 10 km nnö. der Stadt Strumica, d.h. an den westlichen Ausläufern des Ogražden- Gebirges. Über großen Landbesitz in diesem Flussabschnitt verfügte unter anderem das Ath s-Kloster Chilandariu, das weite Teile des Ogražden- Gebirges besaß (s. o.). Dieses Kloster hatte vom Zaren Stefan Uroš IV. Dušan Bergweiden (planinach) 44 und weitere Weideflächen (zabelech) 45 in der Gegend „Kunarach“ oberhalb des Ortes Sekirnik (u KunarachY više Sekirnika) an den südwestlichen Ausläufern des Ogražden-Gebirges erhalten. Zwischen 1349 und 1353 wurde der Abt des Klosters namens Ioan© mit einer Abordnung von Mönchen beim Zaren vorstellig, da ihrem Eigentum seitens der Feudalherren, Edelmänner und Katune der Wlachen des Kaisers Schaden zugefügt worden sei (kako ich obide vlastele i vlasteli iki i katuni VlachY carYstva mi). Daraufhin entsandte der Zar seinen Edelmann Branilo, um die Grenzen des Klosterbesitzes vor Zeugen nochmals festzuschreiben. 46 Neben den zitierten schriftlichen Quellen bezeugen zahlreiche Toponyme die Präsenz von Wlachen im Flusstal der Strumica (Strumešnica). Tomo Tomoski identifiziert das Dorf Šopur und die Flur Turtel(a) als wlachischen Ursprungs. 47 In der Umgebung von Melnik bzw. an der Grenze zwischen den historischen Landschaften Makedonien und Thrakien 48 im Pirin-Gebirge begegnen die Flurnamen „Vlaška erkva“, „Vlaškija p t“ und der Brunnen „Vlaškata ešma“ (rund 11 km nö. der Stadt Melnik) sowie die Reste einer neuzeitlichen Kirche namens „Vlaška c rkva“ in der Gegend Popovi livadi (rund 22 km onö. von Melnik). 49 Das osmanische Steuerverzeichnis (Defter) für den Sandžak Köstendil (jetzt Kjustendil in Bulgarien) aus den Jahren 1570 bis 1573 verzeichnet in der Nahiye Melnik beim nicht lokalisierten Dorf Mala Bogorodica eine „Mezra Eflaklar“. 50 Noch heute ist unter dem türkischen Wort „Eflak“ die Walachei zu verstehen. 51 „Mezra“ ist ein Terminus technicus der osmanischen Verwal- <?page no="241"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 233 tung für das Siedlungsgebiet eines verlassenen Dorfes (einer Wüstung), dessen Rechte und Grenzen trotz des verlassenen Zustandes erhalten blieben, sodass eine Wiederbesiedlung jederzeit erfolgen konnte. 52 5. Zusammenfassung In Anlehnung an die Ausführungen von Johannes Koder und in Anbetracht der quellenbasierten sowie toponomastischen Zeugnisse ist es offensichtlich, dass es im sogenannten „Niemandsland“ des Flusstales der Strumica (Strumešnica) eine funktionierende Weidewirtschaft in spätbyzantinischer Zeit gab. Im Konkreten lebten wlachische Nomaden bzw. Hirten an den westlichen und südwestlichen Ausläufern des Ogražden- Gebirges sowie an den westlichen Ausläufern des Pirin-Gebirges. Weiters lässt sich am Beispiel des Ogražden-Gebirges belegen, dass ebendort wlachische Transhumanz in spätbyzantinischer Zeit existierte, weil wlachische Katune explizit in den Quellen aufscheinen. Offensichtlich mussten sich die wlachischen Nomaden unter den politisch und militärisch stark wechselnden Verhältnissen - im Zuge der Expansion des serbischen mittelalterlichen Staates nach Südosten durch das Flusstal der Strumica (Strumešnica) in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und den damit verbundenen territorialen Umschichtungen von byzantinischen zu serbischen Grundbesitzern bzw. zu den Ath s- Klöstern - neu orientieren, was mitunter Verletzungen von Besitzgrenzen zur Folge hatte (wie z. B. 1293 oder 1349/ 53). Inwieweit dies in einem größeren Zusammenhang der Bevölkerungsentwicklung in der historischen Landschaft Makedonien zu sehen ist, soll in der vorliegenden Untersuchung nicht behandelt werden. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Formulierung „von verschiedenen Wlachen“ (apo diaphor n Blach n) in der Urkunde des Jahres 1293 den Rückschluss auf die Existenz mehrerer transhumanter Gruppen von Wlachen in diesem Gebiet erlaubt. Aus dieser Perspektive betrachtet, nimmt es nicht wunder, dass noch in den dreißiger bzw. sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts Forscher auf transhumante Nomaden in besagtem Bearbeitungsgebiet stießen und deren Lebensweise dokumentierten. 53 <?page no="242"?> Mihailo St. Popovi 234 Anhang Abb. 1 Die Flusstäler der Strumica (Strumešnica) und Kriva Lakavica Abb. 2 Die neuzeitliche Kirche „Vlaška c rkva“ in der Gegend Popovi livadi <?page no="243"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 235 Anmerkungen 1 Dieser Beitrag ist ein Resultat des vom FWF - Der Wissenschaftsfonds getragenen Forschungsprojektes (P21137-G19) „Wirtschaft und Handelswege im nördlichen Makedonien“ / “Economy and trade routes in northern Macedonia” unter der Leitung von Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Koder (Wien). Für die mannigfaltige Unterstützung danke ich sowohl dem FWF als auch meinem Projektleiter sehr. Die Transkription des Altslawischen folgt dem System von: Nikolaos H. Trunte, Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 35 Lektionen. Zugleich eine Einführung in die slavische Philologie. Band 1: Altkirchenslavisch. München 4 1997 (Slavistische Beiträge, 264), 10. Die Transkription des Griechischen beruht auf demjenigen von: Koder, Johannes/ Hild, Friedrich (Register von Soustal, Peter), Hellas und Thessalia. Wien 1976 (Nachdruck Wien 2004) (Tabula Imperii Byzantini, 1), 13. 2 Vgl. dazu mit weiterführender Sekundärliteratur: Koder, Johannes, „Land Use and Settlement: Theoretical Approaches”, in: Haldon, John F. (Hg.), General Issues in the Study of Medieval Logistics: Sources, Problems and Methodologies. Leiden, Boston 2006 (History of Warfare, 36), 159-183, 161f. 3 Siehe zu den Begriffen space und place: Tilley, Christopher, A Phenomenology of Landscape. Places, Paths and Monuments. Oxford, Providence/ Ri. 1994, 7-34. Vgl. zur Lokalisierung der genannten Städte und der folgenden Toponyme Abb. 1. 4 Popovi , Mihailo St., Siedlungsstrukturen im Wandel: Das Tal der Strumica bzw. Strumešnica in spätbyzantinischer und osmanischer Zeit (1259-1600), Südost- Forschungen 68 (2009), DERS ., „Die Siedlungsstruktur der Region Melnik in spätbyzantinischer und osmanischer Zeit“, Zbornik Radova Vizantološkog Instituta 47 (2010), 247-276; DERS ., „Das Flusstal der Kriva Lakavica in spätbyzantinischer und osmanischer Zeit (1259-1600): Das Verhältnis des Ortes Kon e zum Siedlungsnetz der Städte Štip und Strumica“, Revue des Études Byzantines 69, 2011. 5 Kravari, Vassiliki, „L’habitat rural en Macédoine occidentale (XIII e -XIV e siècles)“, in: Belke, Klaus/ Hild, Friedrich/ Koder, Johannes/ Soustal, Peter (Hgg.), Byzanz als Raum. Zu Methoden und Inhalten der historischen Geographie des östlichen Mittelmeerraumes. Wien 2000 (Veröffentlichungen der Kommission für die Tabula Imperii Byzantini, 7), 83-94, 88f. 6 „In between there may be Ûno man’s land’, frequented by stock-farming nomads. In this case, von Thünen’s theory may help to explain Ûisolated’ regional structures.“ (Koder, Land Use, 162). Siehe zu den Grenzen mittelalterlicher Dörfer: Blagojevi , Miloš, Sporovi oko srednjovekovnih medja, Zbornik Matice srpske za istoriju 71-72 (2005), 7-28; Purkovi , Miodrag, Odredjivanje medja, Etnologija 1 (Skoplje 1940), H. 2, 65-84. 7 Zitiert nach: Rasolkoska-Nikolovska, Zagorka, Crkvata Sv. Gjorgji vo Goren Kozjak vo svetlinata na novite ispituvanja, in: Polenakovikj, Haralampie (Hg.), Simpozium 1100-godišnina od smrtta na Kiril Solunski. Kniga 1, 23-25 maj 1969, Skopje - Štip. Skopje 1970, 219-226, 222. Vgl. zu den möglichen Lesarten: Ebd. 224. 8 Karadži , Vuk Stef. (Hg.), Srpski rje nik istuma en njema kijem i latinskijem rije ima (Lexicon Serbico-Germanico-Latinum). Beograd 4 1935, 19, 276, 357. Vgl. dazu: <?page no="244"?> Mihailo St. Popovi 236 Filipovi , Milenko S., „Struktura i organizacija srednjovekovnog katuna“, in: Milenko S. Filipovi (Hg.), Simpozijum o srednjovjekovnom katunu održan 24. i 25. novembra 1961 g. Sarajevo 1963 (Nau no društvo SR Bosne i Hercegovine, Posebna izdanja Knjiga 2, Odjeljenje Istorijsko-filoloških nauka Knjiga 1), 45-120, 54. Demgemäß kennzeichnet der Begriff katunište den Platz eines aufgelassenen bzw. verlassenen Katun. Siehe dazu: Trifunoski, Jovan F., „Geografske karakteristike srednjovekovnih katuna“, in: Ebd. 19-43, 36f. 9 Siehe zu einer Zusammenfassung der älteren Forschung über den Katun: Milenko S. Filipovi , „Katun u našoj istoriografiji“, in: Milenko S. Filipovi (Hg.), Simpozijum o srednjovjekovnom katunu održan 24. i 25. novembra 1961 g. Sarajevo 1963 (Nau no društvo SR Bosne i Hercegovine, Posebna izdanja Knjiga 2, Odjeljenje Istorijskofiloloških nauka Knjiga 1), 9-17; zum Katun im Mittelalter: Miloš Blagojevi , Planine i pašnjaci u srednjovekovnoj Srbiji (XIII i XIV vek), Istorijski glasnik 2-3 (1966), 3-95, 18-23; Sima irkovi , Albanci u ogledalu južnoslovenskih izvora, in: Garašanin, Milutin (Hg.), Iliri i Albanci. Serija predavanja održanih od 21. maja do 4. juna 1986. godine. Beograd 1988 (Srpska Akademija Nauka i Umetnosti, Nau ni skupovi Knjiga 39, Odeljenje istorijskih nauka Knjiga 10), 323-339; Filipovi , Struktura i organizacija, 47f., 65, 81-91; Desanka Kova evi -Koji , Katun / Katunar, in: irkovi , Sima/ Mihalj i , Rade (Hgg.), Leksikon srpskog srednjeg veka. Beograd 1999, 286f.; Trifunoski, Geografske karakteristike, 29-37. Zu den Behausungen und Zweckbauten mit zahlreichen Abbildungen: Thede Kahl, Hirten in Kontakt. Sprach- und Kulturwandel ehemaliger Wanderhirten (Albanisch, Aromunisch, Griechisch). Wien, Berlin 2007 (Balkanologie. Beiträge zur Sprach- und Kulturwissenschaft, 2), 46, 269- 279. 10 Urkunde ediert in: Bojanin, Stanoje, Povelja cara Stefana Uroša kojom potvrdjuje dar velikog vojvode Nikole Stanjevi a manastiru Hilandaru, Stari srpski arhiv 1 (2002), 106; vgl. dazu: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 30; Tomo Tomoski, Katunsko sto arenje po planinite na Makedonija vo sredniot vek, in: Makedonija niz vekovite, in: Grozdanov, Cvetan/ Adžievski, Kosta/ Stojanovski, Aleksandar (Hgg.), MakedonÚa niz vekovite. Gradovi - tvrdini - komunikacii. Skopje 1999, 449-462, 452. 11 Siehe dazu die ausgezeichnete Studie von: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 8-39. Vgl. dazu auch: DERS ., Srednjovekovni zabel, Istorijski asopis 14-15 (1966), 1-17; DERS ., Planine, in: irkovi , Sima/ Mihalj i , Rade (Hgg.), Leksikon srpskog srednjeg veka. Beograd 1999, 519f. 12 Franz von Miklosich, Lexicon Palaeoslovenico-Graeco-Latinum emendatum auctum. Wien 1862-1865 (Nachdruck Aalen 1977), 569. 13 Trapp, Erich (Hg.), Lexikon zur byzantinischen Gräzität besonders des 9.-12. Jahrhunderts, 6. Faszikel. Wien 2007 (Veröffentlichungen der Kommission für Byzantinistik, VI/ 6), 1309 (im folgenden: LBG). Vgl. dazu: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 5f., Anmerkung 6. 14 Siehe die Edition von: Miklosich, Franz (Hg.), Monumenta Serbica spectantia historiam Serbiae Bosnae Ragusii. Wien 1858 (Nachdruck Graz 1964), 64. 15 Ediert in: Petit, Louis/ Korablev, Basile (Hgg.), Actes de Chilandar. Deuxième partie. Actes slaves (Actes de l’Athos). St. Petersbourg 1915 (Nachdruck Amsterdam 1975) (VizantijskÚ vremennik, 17/ 1), 460 (Nr. 27) (im folgenden: AChil sl). Vgl. dazu auch: <?page no="245"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 237 Blagojevi , Planine i pašnjaci, 12f., 29; Tomoski, Katunsko sto arenje, 451. Eine Karte des in dieser Urkunde beschriebenen Besitzes des Klosters ist zu finden in: Živojinovi , Mirjana, Strumi ki metoh Hilandara, Zbornik radova Vizantološkog instituta 45 (2008), 205-221, 219 (Ò). 16 Vgl. die Edition von: Novakovi , Stojan (Hg.), Zakonski spomenici srpskih država srednjega veka. Beograd 1912, 400f. Siehe dazu auch: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 29; Tomoski, Katunsko sto arenje, 451, 453. 17 Ediert in: Petit, Louis/ Korablev, Basile (Hgg.), Actes de Chilandar. Première partie. Actes grecs (Actes de l’Athos). St. Petersbourg 1911 (Nachdruck Amsterdam 1975) (VizantijskÚ vremennik, 17/ 1), 276 (Nr. 131) (im folgenden: AChil gr). 18 In der Edition: Lefort, Jacques/ Oikonomides, Nicolas/ Papachryssanthou, Denise/ Kravari, Vassiliki/ Metreveli, Hélène (Hgg.), Actes d’Iviron IV. De 1328 au début du XVIe siècle. Texte. Paris 1995 (Archives de l’Athos, 19), 121 (Nr. 90) (im folgenden: AIvir IV). Vgl. dazu den Lokalisierungsversuch in: Miljkovikj-Pepek, Petar, Veljusa. Manastir Sv. Bogorodica Milostiva vo seloto Veljusa kraj Strumica. Skopje 1981 (Posebni izdanija na Oddelenieto za nau na dejnost na N.N.S.G. Istorija na umetnosta so arheologija pri Filozofskiot Fakultet vo Skopje, Kniga 1), 50. 19 AIvir IV, 144 (Nr. 94). 20 Vgl. zu dieser Gegend weiter unten, Anmerkungen 42 und 43. 21 Mošin, Vladimir/ Sovre, Anton (Hgg.), Dodatki h grškim listinam Hilandarja. Supplementa ad acta graeca Chilandarii. Ljubljana 1948, 32 (Nr. 8). 22 Solovjev, Aleksandar V. (Hg.), Odabrani spomenici srpskog prava (od XII do kraja XV veka). Beograd 1926, 170. 23 Novakovi , Zakonski spomenici, 511. Vgl. dazu: Tomoski, Katunsko sto arenje, 451f. 24 Schwierig gestaltet sich die Übersetzung des byzantinischen Begriffes d mosiak plan n . Die Herausgeber der Urkunde übersetzen ihn mit „le pâturage d’été du fisc“, was am ehesten mit „Sommerweide der Staatskasse / des Fiskus“ wiederzugeben ist. Vgl. dazu den Kommentar in: Živojinovi , Mirjana/ Kravari, Vassiliki/ Giros, Christophe (Hgg.), Actes de Chilandar I. Des origines à 1319. Texte. Paris 1998 (Archives de l’Athos, 20), 266 (im folgenden: AChil). Keinen Aufschluß zu dieser spezifischen Frage geben folgende, sonst ausgezeichnete Publikationen: E. Laiou, Angeliki/ Morrisson, Cécile, The Byzantine Economy. Cambridge 2007, 103; E. Laiou, Angeliki (Hg.), The Economic History of Byzantium. From the Seventh through the Fifteenth Century. Volumes 1-3. Washington/ DC 2002 (Dumbarton Oaks Studies, 39), passim. Systematische Untersuchungen zur Weidewirtschaft im Byzantinischen Reich anhand von Passagen aus den einschlägigen Urkunden der Ath s-Klöster gibt es nicht in der Form, wie sie Miloš Blagojevi (Blagojevi , Planine i pašnjaci, passim) für den serbischen mittelalterlichen Staat vorgelegt hat. Meine Übersetzung des byzantinischen Begriffes mit „Bergweide in Gemeinnutzung“ basiert zum einen auf den Überlegungen von Miloš Blagojevi , zum anderen auf dem Eintrag in: Liddell, Henry George/ Scott, Robert/ Jones, Henry Stuart, A Greek- English Lexicon. Oxford 1996, 387 (dÙmosios). 25 AChil, 269 (Nr. 42); siehe dazu auch die ältere Edition: AChil gr, 108 (Nr. 41). Vgl. zu den spätmittelalterlichen Denkmälern in sowie rings um die Stadt Melnik: Popovi , <?page no="246"?> Mihailo St. Popovi 238 Mihailo, Zur Topographie des spätbyzantinischen Melnik, Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 58 (2008), 107-119. 26 AChil, 273 (Nr. 43). In der älteren Edition: AChil gr, 111 (Nr. 42). 27 AChil, 275 (Nr. 44). Vgl. dazu die ältere Edition in: AChil gr, 113 (Nr. 43). 28 AChil gr, 135 (Nr. 56). Matzista bzw. Matista sind Namensvarianten, die ein und dieselbe Bergweide bezeichnen. 29 Riegel, Wilhelm/ Kurtz, Edouard/ Korablev, Basile (Hgg.), Actes de Zographou (Actes de l’Athos, 4). St. Petersbourg 1907 (Nachdruck Amsterdam 1969) (Vizantijskij vremennik, 13/ 1), 60 (Nr. 26) (im folgenden: AZog). 30 Das Toponym Tzerkbista ist aus dem slawischen Wort crkvište herzuleiten. Das Wort crkvište kennzeichnet einen Platz, an dem sich ehemals eine Kirche befunden hat. Siehe dazu: Karadži , Srpski rje nik, 842; Siniša Miši , Crkvine i crkvišta - nemi svedoci prošlosti, Crkvene studÙe 4 (2007), H. 4, 297-301. 31 AZog, 62f. (Nr. 27). 32 Ebd. 77 (Nr. 33). 33 Ediert in: Mihalj i , Rade, Hrisovulja cara Uroša melni kom mitropolitu Kirilu, Stari srpski arhiv 2 (2003), 88f. Vgl. dazu: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 33; Popovi , Mihailo, Neue Überlegungen zu der alten Metropolitankirche Sveti Nikola in Melnik als Ergänzung zur Forschung des Vladimir Petkovi , in: Popovi , Mihailo/ Preiser- Kapeller, Johannes (Hgg.), Junge Römer - Neue Griechen. Eine byzantinische Melange aus Wien. Beiträge von Absolventinnen und Absolventen des Instituts für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien, in Dankbarkeit gewidmet ihren Lehrern Wolfram Hörandner, Johannes Koder, Otto Kresten und Werner Seibt als Festgabe zum 65. Geburtstag. Wien 2008, 179-185. 34 „Po vencu Kone ke Planine ima slabih paša na kojima su ba ije sa letnjim kolibama, koje zovu jazle.“ Siehe: Cviji , Jovan (Hg.), Osnove za geografÚu i geologiju MakedonÚe i Stare SrbÚe s promatranjima u južnoj Bugarskoj, TrakÚi, susednim delovima Male AzÚe, TesalÚi, Epiru i severnoj ArbanÚi. Knjiga prva. Beograd 1906, 219. Vgl. zum Begriff ba ija weiter oben, Anmerkung 8. 35 Auf folgender Karte zu finden: Karte 1: 100.000, Beograd 1955, Blatt Strumica. 36 Bompaire, Jacques/ Lefort, Jacques/ Kravari, Vassiliki/ Giros, Christophe (Hgg.), Actes de Vatopédi I. Des origines à 1329. Texte. Paris 2001 (Archives de l’Athos, 21), 122 (Nr. 12). 37 Vgl. dazu die Ausführungen von: Stankovska, Ljubica, Toponimite so sufiksot -ica vo MakedonÚa. Skopje, Prilep 2001, 195. Zahlreich sind die Toponyme im heutigen Griechenland, die auf das Lexem katun zurückzuführen sind, wie zum Beispiel: Katun, Katuna, Katuna Rema, Katunakia, Katunari, Katunes, Katuni, Katunia, Katunitsa Rema, Katunoi. Siehe dazu: Stamatelatos, MichaÙl/ Bamba-Stamatelatu, Ph teinÙ, Á€ ^%@% & È ^_ Á |•% . AthÙna 2001, 322f.; Æ & È _{ { ^%€ {Y@ {. ¶ @% 2 % . AthÙna 1998, 54. 38 Auf folgender Karte eingetragen: Karte 1: 55.000, Turisti eska karta, Pirin, Sofija 10 2006. Siehe zum Begriff mandra weiter oben, Anmerkung 8. 39 Vgl. zum Begriff otrok: Bubalo, Djordje, Otrok, in: irkovi , Sima/ Mihalj i , Rade (Hgg.), Leksikon srpskog srednjeg veka. Beograd 1999, 483-485. <?page no="247"?> Spätbyzantinische Siedlungen und wlachische Transhumanz 239 40 Ediert von: Aleksi , Vladimir, Povelja cara Stefana Dušana vlasteli i u Ivanku Probištitovi u, Stari srpski arhiv 8 (2009), 73. Siehe zu dieser Textstelle auch: irkovi , Sima, Štip u XIV veku, in: Makedonska AkademÚa na Naukite i Umetnostite (Hg.), Zbornik na trudovi posveteni na akademikot Mihailo Apostolski po povod 75godišninata od životot. Skopje 1986, 25-37, 36; Filipovi , Struktura i organizacija, 58; Petrovski, Boban, Kategorii zavisno naselenie i razvoj na stopanstvoto vo Štipskata oblast vo XIV-ot vek, Godišen Zbornik Filozofski Fakultet na Univerzitetot „Sv. Kiril i Metodij“ - Skopje 56 (2003), 57-73, 62f., 68f.; Tomoski, Katunsko sto arenje, 459; Tomo Tomoski, Zapisi za Vlasite vo Makedonija vo sredniot vek (Od krajot na VI do krajot na XIV vek), in: Grozdanov, Cvetan/ Adžievski, Kosta/ Stojanovski, Aleksandar (Hgg.), MakedonÚa niz vekovite. Gradovi - tvrdini - komunikacii. Skopje 1999, 419- 438, 421, 437. 41 Ediert in: AChil, 147 (Nr. 12); zur Echtheit dieser Urkunde und zum historischen Kontext: Ebd. 145f.; Lemerle, Paul/ Dagron, Gilbert/ irkovi , Sima (Hgg.), Actes de Saint-Pantéléèmôn. Texte. Paris 1982 (Archives de l’Athos, 12), 174 (Actes Serbes, Nr. 7); Živojinovi , Mirjana, Le conflit entre Chilandar et Saint-Pantéléèmôn au sujet du village de Breznica, Byzantinoslavica 56 (1995), 237-244, 238; vgl. auch die Edition in: AChil gr, 28f. (Nr. 11). 42 Siehe dazu: Šmilauer, Vladimír, Handbuch der slawischen Toponomastik. Praha 1970, 38. 43 Zur Lokalisierung: Živojinovi , Le conflit, 239; Matanov, Hristo, Jugozapadnite b lgarski zemi prez XIV vek. SofÚa 1986, 118; Vgl. dazu auch Abb. 1. 44 Siehe dazu im Detail weiter oben, Anmerkung 11. 45 Zum Begriff zabel: Blagojevi , Srednjovekovni zabel, 1-17; DERS ., Zabel, in: irkovi , Sima/ Mihalj i , Rade (Hgg.), Leksikon srpskog srednjeg veka. Beograd 1999, 202. 46 Urkunde ediert in: irkovi , Sima, Hreljin poklon Hilandaru, Zbornik radova Vizantološkog instituta 21 (1982), 116. Kommentiert in: Blagojevi , Planine i pašnjaci, 37f.; DERS ., Sporovi, 18. 47 Tomoski, Zapisi za Vlasite, 424. Vgl. zur Flur Turtel: Ivanova, Olga, Re nik na toponimite vo oblasta po slivot na Bregalnica. Skopje 1996, 662 (Turtel’). 48 Siehe zu dieser Grenze: Soustal, Peter, Thrakien (ThrakÙ, RodopÙ und Haimimontos). Wien 1991 (Nachdruck Wien 2004) (Tabula Imperii Byzantini, 6), 47- 52. 49 Karte 1: 55.000, Turisti eska karta, Pirin, Sofija 10 2006. Siehe zur „Vlaška c rkva“ [GPS 23 38 58; 41 33 10] in Popovi livadi Abb. 2 (Juni 2010). 50 In Übersetzung bei: Stojanovski, Aleksandar (Hg.), Turski dokumenti za istorÚata na Makedonskiot narod. Opširen popisen defter za Kjustendilskiot sandžak od 1570 godina. Tom V/ Kniga 4. Skopje 1985, 146. 51 Siehe dazu: Ebd. 146, Anmerkung 151; Steuerwald, Karl, Türkisch-Deutsches Wörterbuch. Wiesbaden, Ýstanbul 1972, 257 (Eflak). 52 Vgl. zum Begriff Mezra u.a. Jelena Mrgi , Transition from Late Medieval to Early Ottoman Settlement Pattern. A Case Study on Northern Bosnia, Südost-Forschungen 65/ 66 (2006/ 2007), 50-86, 81, Anmerkung 112. 53 Filipovi , Milenko S., Nomadski Cincari na Ograždenu, Glasnik Geografskog Društva 24 (1938), 59-72; Trifunoski, Jovan F., Današnji vlaški katuni u Makedoniji, in: <?page no="248"?> Mihailo St. Popovi 240 Filipovi , Milenko S. (Hg.), Simpozijum o srednjovjekovnom katunu održan 24. i 25. novembra 1961 g. Sarajevo 1963 (Nau no društvo SR Bosne i Hercegovine, Posebna izdanja Knjiga 2, Odjeljenje Istorijsko-filoloških nauka Knjiga 1), 171-202.