Stesichoros zwischen kultischer Praxis, mythischer Tradition und eigenem Kunstanspruch
Zur Behandlung des Helenamythos im Werk des Dichters aus Himera
1121
2012
978-3-8233-7767-2
978-3-8233-6767-3
Gunter Narr Verlag
Peter Grossardt
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der berühmten Alternativversi-on zu Homers Darstellung vom Trojanischen Krieg, die der sizilische Dichter Stesichoros (ca. 630 - 550 v. Chr.) gab, wonach nicht Helena selbst, sondern nur ein Phantom nach Troja gelangt sei.
Zu diesem Zweck werden in dieser Studie sämtliche Erwähnungen Helenas, die sich bei Stesichoros finden, einer neuen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis ist, dass Stesichoros sich für seine Darstellung zwar an lokale Mythenvarianten Spartas anschloss, diese aber mit panhellenischen und frei erfundenen Elementen kombinierte und insbesondere das Motiv von Blendung und Heilung, wovon er selbst betroffen gewesen sei, in freier Form von der ägyptischen Göttin Isis auf Helena übertrug.
<?page no="0"?> Leipziger Studien zur klassischen Philologie Peter Grossardt Stesichoros zwischen kultischer Praxis, mythischer Tradition und eigenem Kunstanspruch Zur Behandlung des Helenamythos im Werk des Dichters aus Himera <?page no="1"?> Leipziger Studien zur klassischen Philologie 9 Neubegründet von Ekkehard Stärk (†) und Kurt Sier Herausgegeben von Marcus Deufert, Ursula Gärtner und Kurt Sier <?page no="3"?> Peter Grossardt Stesichoros zwischen kultischer Praxis, mythischer Tradition und eigenem Kunstanspruch Zur Behandlung des Helenamythos im Werk des Dichters aus Himera (mit einem Anhang zum Motivkomplex von Blendung und Heilung in der internationalen Erzähltradition) <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1862-2186 ISBN 978-3-8233-6767-3 <?page no="5"?> für Gwendolyn Lins zum vierzehnten Geburtstag am 12. 9. 2012 Solon, Fragment 27 West 2 ; %C9 μ1= "=I#<9 NG= J-@ ='; @<9 7: ? <9 4M&=-(= )$8%9 N? #,>>K@ ; : B-<= N= 7; -F J-K8@=. -<H9 MF L-*: <+9 3-K M0 -K>*8E AK.9 7; -F N=@%+-<$9, 6#I9 †M1 ),=K@† 8'μ%-% ! K@=<μ*=I9. -D -: @-,-E M* ... und für Jan Maarten Bremer zum achtzigsten Geburtstag am 8. 10. 2012 Solon, Fragment 18 West 2 ! I: ,8? ( MF %5K/ ; <>>2 M@M%8? &μK=<9 <?page no="7"?> Vorwort “Beim Wiederlesen von ‘Krieg und Frieden’”, so hätte diese Arbeit auch heißen können. Als ich vor wenigen Jahren nach gut einem Vierteljahrhundert Lev Tolstojs monumentalen Roman zum zweiten Mal las, stolperte ich plötzlich über die nachfolgende Episode, in der die beiden zentralen Romanfiguren Pierre Bezuchov und Fürst Andrej Bolkonskij auf dem Landgut des Fürsten in der Umgebung von Smolensk mit einem Kreis einfacher frommer Landleute bekannt werden. Weil die beiden Adeligen aber die Erzählung einer alten Bäuerin bezweifeln, wonach im Ort Koljazin auf einem Bild der Gottesmutter in wundersamer Weise Tränen aus den Wangen Marias herausgetreten seien, verteidigt die Bäuerin ihren Wunderglauben mit folgender Ausführung 1 : 'HBFHE: %: B<BC ; D: B? C, - 4DCB? 2BI, B4/ =/ 1/ B? D/ ": 6/ . - #9, ,C )H+HD: , H? C6. A/ 4-? H HE: , / ,/ D/ 1 ,C +CD: 1, B4/ =/ 1: “$H,/ 9: H-./ ,J+/ G? ”. &/ 4/ 4 B4/ =/ 1, ? / 4 : HB1CF. % FD: B,: 1HBI C.<, 3? H FD: 9HE: ? 4 ,C.< ./ ? <04/ "C3CDB4/ 2 : )H+HD: ? : “>+CD<7 .,C, 2 ? C-2 : B6C1G”. (H? : B? / 1 FDHB: ? IB2: FH+C=: E/ FH+C=: .C,2 4 ,C7. 5? H 2 ? C-C : B? : "<G FD/ +E< )H+HDG, B/ ./ +: EC1/ . "D: +C=1: C)H, B1CFH)H, FD2.H 4 ,C7; FHEH0C1, <F/ 1, )H+HD: ? : “%B- 6C1: ! H? E/ . ? C-C, )H+HD: ? , +BC, 3C. 6/ DI @/ 1H+/ 1”. ! / ./ +: EC1/ , H? C6, =+C=E/ + ,C7 ? / 4 : +EC1/ ,/ . 8? H @, FDH=DC1! 'DC9 )H+HD: ? I ? / 4. *H) ,/ - 4/ @C? , - FH<3: ? C1I,H H-D/ ? : 1/ BI H,/ 4 "ICD<. “Herr Jesus Christus! ” rief die Betfahrerin und bekreuzigte sich. “Ach, rede nicht so, Väterchen! Da war auch ein General, der glaubte es auch nicht und sagte: ‘Die Mönche betrügen uns.’ Aber kaum hatte er das gesagt, da wurde er blind. Und ihm träumte, die heilige Mutter Gottes aus dem Höhlenkloster komme zu ihm und sage: ‘Glaube an mich, so werde ich dich heilen.’ Da fing er an zu bitten und zu betteln: ‘Führt mich hin, führt mich hin zu ihr! ’ Ich erzähle dir das alles der Wahrheit gemäß, wie ich es selber gesehen habe. Und man führte den Blinden geradeswegs zu ihr, und er kam hin, fiel vor ihr nieder und sagte: ‘Heile mich’, sagte er, ‘und ich werde dir alles geben, was mir der Zar verliehen hat.’ Und ich habe selber gesehen, Väterchen, wie da der Ordensstern plötzlich an ihrer Brust war. Und auf einmal konnte er wieder sehen. Es ist eine Sünde, so zu reden, die Gott straft”, schloß sie belehrend zu Pierre gewandt. (Übertragung von M. Kegel) 1 Tolstoj 1962, 136 f. bzw. Tolstoj 1956, 527. <?page no="8"?> VIII Die Parallelen zwischen dieser Heiligenlegende und der Geschichte von Stesichoros und Helena, also von Stesichoros’ anfänglicher konventioneller Darstellung der Troja-Sage, von der Blindheit des Dichters, die von der darüber erzürnten Heroine verursacht wurde, und von seiner Heilung, die ihm nach der Korrektur seiner blasphemischen Dichtung zuletzt wieder gewährt wurde, stechen sofort ins Auge (um im sprachlichen Bild zu bleiben), und es war daher eine reizvolle Aufgabe, einen Versuch der Klärung zu unternehmen, wie diese Parallele zustande kam. Dass diese Untersuchung mich dann auch relativ tief in die Stesichoros-Forschung führte und insbesondere eine allgemeine Erforschung seiner Behandlung der Helena- Gestalt erforderlich machte, dass die Arbeit also zu einer gräzistischen wurde, aber auch einen längeren Anhang komparatistischer Natur enthält und somit ein doppeltes Angesicht zeigt, möge die Nachsicht der Leser finden. Franz Dornseiffs Nachsicht hätte das Unterfangen wahrscheinlich gefunden. Denn zu seiner Zeit stand kaum jemand so sehr wie er für das Miteinander von Klassischer Philologie und Vorderorientalistik, und Dornseiff erwies sich damit als Pionier einer Forschungsrichtung, die inzwischen etablierter Bestandteil der Altertumswissenschaft ist und immer wieder glänzende Resultate zeitigt 2 . Es ist daher eine besondere Ehre für mich, dass die Monographie nun in den ‘Leipziger Studien zur Klassischen Philologie’ erscheinen kann und damit in einer Reihe, die an die große Vergangenheit der Leipziger Klassischen Philologie anzuknüpfen sucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Berufung Dornseiffs (1948-1960) eine letzte Nachblüte erlebte 3 . Mein herzlicher Dank für fruchtbare Diskussionen und schließlich für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe gilt somit Herrn Professor M. Deufert, Frau Professor U. Gärtner und Herrn Professor K. Sier, mein Dank für die professionelle Betreuung des Manuskripts den Lektoren des Verlags Narr, insbesondere Frau C. Filbrandt und Frau S. Fischer. Wissenschaftliche Arbeit lebt ebenso sehr vom fachlichen Austausch wie von der stillen Einzelarbeit. Ich danke daher auch den Zuhörern zweier Vorträge, die ich - in einem ganz frühen Stadium der Arbeit - an den Aquilonia vom Juni 2009 und - in einem recht späten Stadium - an der Weiterbildungsveranstaltung der Sächsischen Lateinlehrer vom Dezember 2011 jeweils in Leipzig halten konnte; nicht nur die Vorbereitung dieser Referate, sondern auch das Überdenken der verschiedenen Diskussionsbeiträge veranlasste mich wiederholt zur Klärung der eigenen Position. Last 2 Zur Pionierrolle Dornseiffs für das parallele Studium der frühgriechischen und der vorderorientalischen Dichtungstraditionen cf. Burkert 1984, 11, West 1997, XI und Werner 1999, 17-20; die einschlägigen Arbeiten sind gesammelt in Dornseiff 1959. 3 Zum akademischen Werdegang Dornseiffs cf. Werner 1999, 7 f., zu seiner Tätigkeit als Ordinarius für Klassische Philologie in Leipzig cf. Deufert, Sier 2009, 588. <?page no="9"?> IX but not least gilt mein herzlicher Dank aber auch meiner Kölner Kollegin, Frau Dr. S. Zajonz, die das gesamte Manuskript durchsah und ihm dabei ebenso viel fachliche Kompetenz zuteilwerden ließ wie redaktionelle Aufmerksamkeit einer erfahrenen Schriftleiterin. Verbleibende Fehler, die im weiteren Arbeitsprozess aufgetreten sein mögen, gehen selbstverständlich allein zu meinen Lasten. Die Stesichoros-Studien, die im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer wieder vom Zuwachs an neuen Papyri und von den daran hängenden Diskussionen profitierten, haben nun in den letzten Jahren zunächst durch einen Beitrag von J. M. Bremer 4 und danach - in etwas größerem Rahmen - durch Arbeiten von G. Schade, M. Lazzeri und P. Curtis 5 auch im Bereich der Kommentierung die verdiente Aufmerksamkeit gefunden und werden einen weiteren Aufschwung erfahren durch die Beiträge zu einem eigenen Stesichoros-Kongress, den P. Finglass und A. Kelly im Juni 2012 in Oxford organisierten. Wenn einmal auch diese Aufsätze publiziert sind, wird es erst recht sichtbar werden, wie große Fortschritte die Stesichoros-Forschung gemacht hat, seitdem F. Dornseiff in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts seine provokanten Thesen zur ‘Helena’ und zur ‘Palinodie’ veröffentlichte 6 . Dennoch war es für mich im Auf und Ab des universitären Alltags stets ein Lichtblick, wenn ich in der kleinen Handbibliothek unseres Instituts das auf dem Fensterbrett stehende Bild von Dornseiff sah, das ihn zeigt, wie er in der ihm offenbar eigenen Mischung von Güte, Skepsis und Spottlust in die Welt blickt 7 . Wenn der Leser auf den folgenden Seiten etwas von dieser geistigen Haltung wiedererkennt, darf ich zufrieden sein. Leipzig, Ende August 2012 4 Bremer 1987. 5 Schade 2003, Lazzeri 2008 und Curtis 2011. 6 Zur Kontroverse um Dornseiffs Behandlung der ‘Palinodie’ (Dornseiff 1933, 35: “Also es war ein aitiologischer Witz auf die Blindheit des Homer.”) cf. die kritischen Reaktionen von Maas 1933, Pfeiffer 1933, Rose 1933, Bowra 1934b, Jacoby 1934 und Pfister 1934 sowie die Gegenkritik von Dornseiff 1935 und die Einordnung von Schmidt 1986, 59-61 (= Schmidt 1988, 101 f.). 7 Reproduktionen des Bildes finden sich auch auf den Titelseiten der Dornseiff gewidmeten Festschrift (Kusch 1953, 2) und auf dem Frontispiz bei Werner 1986. <?page no="11"?> INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung ............................................................................................ 1 2. Helena und die Geburt der Iphigeneia ........................................... 7 3. Aphrodite und die Töchter des Tyndareos in PMGF 223 ............ 13 3.1. Die Beziehung zwischen PMGF 223 und Hes. Frg. 176 M.-W. ... 14 3.2. Die Identifikation der verschiedenen Personen in PMGF 223 .... 16 3.3. Stesichoros und der Kult der Aphrodite in Sparta ....................... 18 3.4. Die Frage nach Werkzugehörigkeit von PMGF 223 ..................... 26 4. Helena und Menelaos in Stesichoros’ ‘Helena’ ............................. 29 5. Helena in der ‘Iliupersis’ und in den ‘Nostoi’ ............................... 35 6. Stesichoros und Helena in der ‘Palinodie’ ..................................... 43 6.1. Der Inhalt der ‘Palinodie’ und die literarische Polemik in PMGF 192 ............................................................................................ 44 6.2. Das Blendungsmotiv in der ‘Palinodie’ und die verschiedenen Versionen der Geschichte von der Heilung des Stesichoros ....... 48 6.3. Das Motiv der Blendung und Heilung als traditionelles Erzählmotiv ........................................................................................ 57 6.4. Verschiedene göttliche Hüterinnen der menschlichen Augen und die Frage nach ihrer Beziehung zu Helena und Stesichoros ............................................................... 59 6.5. Die Motivreihe von Blendung und Heilung als indogermanisches Erbgut? ............................................................... 69 6.6. Folgerungen ........................................................................................ 73 7. Schluss ................................................................................................. 79 Anhang Der Motivkomplex von Blendung und Heilung in der internationalen Erzähltradition Vorbemerkung ................................................................................... 89 1. Die Motive von Blindheit und Heilung in den ostkirchlichen Marienlegenden ................................................................................. 90 2. Die isländische Erzählung von Thormod und Thorbjörg ........... 109 <?page no="12"?> XII 3. Der Motivkomplex von Blendung und Heilung in mittelalterlichen irischen und englischen Heiligenlegenden und dessen Vorbilder in spätantiken Heiligenviten .................... 115 4. Bilanz ................................................................................................... 129 Bibliographie 1. Primärliteratur (und davon abgeleitete Übersetzungen bzw. Zusammenfassungen der Originaltexte) ........................................ 141 2. Sekundärliteratur ............................................................................... 147 Indices 1. Namen und Sachen ........................................................................... 167 2. Stellenindex ........................................................................................ 171 3. Ikonographisches ............................................................................... 180 <?page no="13"?> Hinweise für die Leser Da die Monographie für Klassische Philologen und für Vertreter der vergleichenden Erzählforschung (wie auch für solche der vergleichenden Religionswissenschaft) bestimmt ist - die Kapitel 1 bis 7 mehr für die Erstgenannten, der darauf folgende Anhang mehr für die Letzteren, aber doch beide Teile für beide Leserkreise -, sind im folgenden sämtliche Primärquellen - ob im Original angeführt oder nicht - übersetzt. Dabei wurden die griechischen und lateinischen Zitate ausnahmslos vom Verfasser der Arbeit übertragen; anderssprachige Texte wurden ebenfalls vom Verfasser selbst übersetzt, wenn nicht, ist der Übersetzer am jeweiligen Ort genannt. Die im folgenden zitierten griechischen Autoren und Texte sind nach dem Abkürzungssystem des griechisch-englischen Wörterbuchs von LSJ (= H. G. Liddell, R. Scott, A Greek-English Lexicon, revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones with the assistance of R. McKenzie, with a supplement, Oxford 1968; Revised supplement, edited by P. G. W. Glare, with the assistance of A. A. Thompson, Oxford 1996) angeführt. Um aber insbesondere fachfremden Lesern keine Rätsel aufzugeben, sind folgende Abweichungen von diesem System vorgenommen worden: Ael. Aristid. = Aelius Aristides; Aisch. = Aischylos; Anth. Pal. = Anthologia Palatina; Apoll. Rhod. = Apollonios von Rhodos; Aristoph. = Aristophanes; Bakch. = Bakchylides; Diod. Sic. = Diodor von Sizilien; Eur. = Euripides; Pind. = Pindar; Plat. = Platon; Plut. = Plutarch; Polyb. = Polybios; Quint. Smyr. = Quintus Smyrnaios; Soph. = Sophokles; Strab. = Strabon; Thuc. = Thukydides. Griechische Inschriften sind ebenfalls nach dem Verweissystem von LSJ und LSJ Suppl. zitiert. Neu hinzugekommen sind: Clinton, Eleusis (= Kevin Clinton, Eleusis: the inscriptions on stone. Documents of the sanctuary of the two goddesses and public documents of the deme, Zwei Bände, Athen 2005) und RICIS (= Laurent Bricault, Recueil des inscriptions concernant les cultes isiaques, Drei Bände, Paris 2005). Lateinische Texte und Inschriften sind nach dem Muster des ‘Index auctorum’ des ‘Thesaurus Linguae Latinae’ (2. Aufl., Leipzig 1990) zitiert, ikonographische Zeugnisse nach LIMC (= Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, München - Zürich 1981-1999), wissenschaftliche Zeitschriften in der abschließenden Bibliographie nach dem Muster der ‘Année Philologique’. <?page no="15"?> 1 Einleitung Stesichoros aus Himera ist auch heute nach vielfältigen Bemühungen der Forschung immer noch eine schwer fassbare Dichterpersönlichkeit. So ist es, um eine ganz grundlegende Frage herauszugreifen, immer noch umstritten, ob Stesichoros, wie es sein Name, aber auch die triadische Struktur seiner Werke nahelegt, seine Lieder durch einen Chor zur Aufführung brachte 1 , oder ob er selbst seine Lieder zur Kithara vortrug und allenfalls noch eine Gruppe von (stummen) Tänzern dazu auftreten ließ 2 . Wenn die zweitgenannte Alternative zuträfe, könnte man sich sogar fragen, ob seine Dichtkunst nicht eher als Seitenzweig epischer Dichtung aufzufassen ist 3 und nicht als Beispiel früher Lyrik. Eine weitere ganz grundlegende Frage, die uns hier beschäftigen soll, ist die, ob Stesichoros in seinen mythischen Erzählungen der großen epischen Tradition folgte oder ob er mit Vorliebe lokale Mythenvarianten aufgriff, mit denen er seinen jeweiligen Gastgebern zu Gefallen sein wollte. So hat vor wenigen Jahren Alexander Beecroft in einem Artikel zu Stesichoros’ ‘Palinodie’, also seiner korrigierten Version der Geschichte von der Entführung Helenas durch Paris, die Position vertreten, dass Stesichoros sich damit der panhellenischen bzw. homerischen Version entgegensetzen und gleichzeitig lokalen Erzähltraditionen den Vorzug geben wollte 4 . Entsprechend trägt Beecrofts Aufsatz den fast schon martialischen (Unter-) Titel ‘The revenge of the epichoric’. Beecroft versuchte mit dieser Konfrontation zwischen lokalen und allgemein bekannten Mythenvarianten ein wissenschaftliches Programm seines Lehrers Gregory Nagy von der Harvard University in eine konkrete Fallstudie umzusetzen 5 , wie auch andere Schüler von Nagy vergleichbare Foschungsziele verfolgten 6 . 1 So beispielsweise Burkert 1987, 51, Nagy 1990, 361 f., Willi 2008, 76-82 und Curtis 2011, 23-36. 2 Diese Position prominent vertreten von West 1971, 309, Herington 1985, 19 f., Davies 1988a, 53, Robbins 1997, 232-234, Russo 1999, 345-347 und Schade 2003, 6 f.; den Versuch eines status quaestionis unternehmen Lazzeri 2008, 369-374 und Bagordo 2011, 190 f. 3 So der Versuch der Einordnung bei Rossi 1983, 6 und Russo 1999. 4 Beecroft 2006, bes. S. 55 (“... the story Stesichorus is rejecting is not marked as local, and may thus have Panhellenic associations.”) und S. 68 (“The Palinode dramatizes a serious challenge to Homeric epic, reasserting the power of local cult over Panhellenic mythos, just as Helen, in blinding Stesichorus, reasserts her epichoric status as a goddess over her Panhellenic status as the adulterous and treacherous wife of Menelaus.”); Wiederholung der These in Beecroft 2010, 152 (“The story of Helen’s eidôlon, sent to Troy without her, already a paradigm of epichoric tradition in opposition to Panhellenic epic, ...”) und 161. 5 Dieses Programm von Nagy ist umfassender Natur, doch hat auch Nagy selbst bereits eine entsprechende Einschätzung der ‘Palinodie’ gegeben (Nagy 1990, 419: “... the Stesichorean rendition of the Helen story, which contrasts its own adherence to <?page no="16"?> Kapitel 1 2 Nun soll hier nicht grundsätzlich gegen diesen Forschungsansatz polemisiert werden: Der Verfasser hat selbst in einer Gesamtübersicht zum Mythos von der Kalydonischen Jagd ähnliche Wege beschritten 7 . Doch ist auffällig, dass Beecroft zur Stützung seiner These lediglich eine linguistische Analyse des Wortlauts von PMGF 192 (= Plat. Phdr. 243a) vornimmt 8 und das konkrete Bekenntnis vermeidet, dass es sich bei der Erzählung vom fehlgeschlagenen Entführungsversuch des Paris und vom zehnjährigen Kampf um das Phantom, das an Helenas Stelle in Troja gewesen sein soll 9 , tatsächlich um eine lokale Erzählvariante gehandelt habe 10 . Dies ist umso erstaunlicher, als es verschiedene Forschungszweige gibt, die eben einen solchen Schluss auf die Nutzbarmachung lokaler Gegebenheiten durch Stesichoros nahelegen oder bereits selber ziehen und sich zu diesem Zweck auf den göttlichen Status konzentrieren, den Helena in Sparta genoss 11 . So besteht zum einen schon seit geraumer Zeit eine Forschungsrichtung, die Helena und ihr Phantom mit der indischen Göttin Saranyu und deren Phantom gleichsetzt 12 , und wenn das so richtig ist, dann müsste die Geschichte von der künstlichen Doppelgängerin Helenas traditionell gewesen sein und sollte Stesichoros in diesem Fall aus einer spartanischen Lokalversion bekannt geworden sein 13 . Zum anderen hat vor gut zehn Jahren one particular localized version with the syncretism of the Homeric Helen tradition of the Iliad and Odyssey.”). 6 So vor allem O. Levaniouk in ihrer Dissertation “Odyssean usages of local traditions”, Cambridge (Mass.) 2000; cf. die Inhaltsangabe in Levaniouk 2000 und die umgearbeitete publizierte Fassung in Levaniouk 2011 (bes. S. 213-228). 7 Grossardt 2001, bes. S. 261-269. 8 Beecroft 2006, 47 (“Careful examination shows that the language it [sc. das von Platon zitierte Fragment aus der ‘Palinodie’] uses is carefully chosen to situate Stesichorus’s work in opposition to epic and Panhellenic versions of the story of Helen.”). 9 Dies für Stesichoros bereits belegt bei Plat. R. 586 c 3-5 (... C)/ ! - AB A>+ 05&3=+ ! ."9513 ,/ B A83 23 (-1%@ *A=)%<1-6+ ? =)7 #! 3&): $7 / ! -7μ'<=A13 4#31%@ A1; 45=: 1; +. - “... wie auch Stesichoros sagt, dass das Eidolon der Helena aus Unkenntnis der Wahrheit sehr umkämpft gewesen sei bei denen, die in Troja waren.”). 10 Auch in seiner folgenden Arbeit, in der Beecroft etwas näher auf mögliche Kontexte der Aufführung eingeht (Beecroft 2010, 161-163), unterbleibt letztlich die Abklärung dieser Frage. 11 Dies am deutlichsten ausgedrückt bei Isoc. 10,63; cf. die weiteren Ausführungen unten in den Kap. 6.6 und 7. 12 So Pisani 1928, 491-498 und Skutsch 1987 (aufgegriffen von Danek 1998, 103, der versucht, diese These für die Interpretation der ‘Odyssee’ fruchtbar zu machen). 13 Eine alternative (oder ergänzende) Möglichkeit ist die, dass Stesichoros das Motiv des Phantoms nicht aus der spartanischen Lokaltradition bezog, sondern aus einem Werk Hesiods (Frg. 358 M.-W.). Doch ist die Zuverlässigkeit dieses Testimoniums sehr umstritten (cf. unten Kap. 6, Anm. 3), und selbst wenn das Testimonium korrekt ist, so bedeutet das nur, dass bereits Hesiod (oder der anonyme Verfasser eines unter Hesiods Namen umlaufenden Werks) eine lokale Mythenvariante aufgegriffen und in seine Dichtung inkorporiert hatte. Jedenfalls ist zu beachten, dass eine lokale Her- <?page no="17"?> Einleitung 3 Gerhard Baudy den ambitionierten Versuch unternommen, eine apokryphe Variante des Mythos, nach der weder die echte Helena noch ein äußerlich mit dieser identisches Phantom nach Troja gelangte, sondern eine Holztafel mit einem aufgemalten Bild der Heroine, womit Paris sich über sein Liebesleid trösten sollte 14 , dem rituellen Geschehen des dorischen Festkalenders zuzuordnen und aus dieser mutmaßlichen Konfrontation von mythischen und rituellen Versionen der Geschichte eine eigene Poetik des Dichters abzuleiten 15 . Es soll an dieser Stelle also ein neuer Versuch unternommen werden abzuklären, ob die berühmte Alternativversion zur homerischen Darstellung des Trojanischen Kriegs, die Stesichoros in seiner ‘Palinodie’ vertrat, tatsächlich aus lokalem Erzählgut stammte. Dabei soll aber nicht die Frage nach dem Phantom der Helena im Zentrum stehen, sondern das Motiv der Blindheit, mit der Stesichoros zunächst für die Nacherzählung der epischen Variante bestraft worden sei, und das sich anschließende Motiv der Heilung, die dem Dichter für seine korrigierte Mythenversion zuteil wurde. Mit anderen Worten, es soll hier die Frage gestellt werden, ob die Vorstellung von Helena als einem machtvollen Wesen, das Menschen, die ihr göttliches Wesen und ihre heilige Sphäre verletzten, mit Blindheit straft, schon vor Stesichoros in lokalen Erzählungen lebendig war, ob erst Stesichoros diese Vorstellung mit Helena in Verbindung brachte, oder ob gar erst die nach-stesichoreische Tradition dafür verantwortlich war. Um die Untersuchung auf eine breitere Basis zu stellen, seien hier aber überhaupt sämtliche Erwähnungen Helenas im Werk des Dichters aus Himera besprochen und zwar immer unter dem Gesichtspunkt, ob sich ein spezieller Anschluss an lokale oder panhellenische Traditionen feststellen lässt. Vor der weiteren Untersuchung über die Mythenvarianten des Stesichoros ist somit eine Klärung der Begriffe ‘panhellenisch’ und ‘lokal’ nötig. Der Ausgangspunkt soll daher die Definition sein, die G. Nagy in seiner kunft des Motivs noch nicht notwendigerweise impliziert, dass das Motiv des Phantoms bereits in solchen lokalen Erzählungen auf die Troja-Sage übertragen worden war. Dies kann auch erst durch Hesiod oder Stesichoros bzw. durch eine vor ihnen liegende epische Tradition geschehen sein. 14 Scholien zu Ael. Aristid. 1,128, III p. 150,28-32 Dind. 15 Baudy 2001, bes. S. 40-42 und 56 f. Die Schwierigkeit bei dieser Interpretation besteht freilich darin, dass ein ! #"$'%& nach den sonstigen frühgriechischen Belegen (Hom. Il. 5,449-453: Aineias im Kampf vor Troja; Hom. Od. 11,601-627: Herakles in der Unterwelt; Hes. Frg. 23a,17-24 M.-W.: Iphigeneia bei der Opferung in Aulis) ein lebensechtes Abbild der betreffenden Person sein sollte, und dass der Begriff ! #"$'%& nun nach den neuesten Analysen bereits für die ‘Palinodie’ gesichert ist (cf. unten Kap. 6.1, Anm. 8). Die Wahrscheinlichkeit spricht also doch dafür, dass die Version mit dem Gemälde eine spätere Weiterentwicklung der Erzählung darstellt, die erst in hellenistischer Zeit aufkam (so bereits Bowra 1970, 95 f., Austin 1994, 98 f. und Blaise 1995, 37). <?page no="18"?> Kapitel 1 4 großangelegten Studie zum Verhältnis zwischen epischer und lyrischer Dichtung gegeben hat: “By Panhellenic poetry, then, I mean those kinds of poetry and song that operated not simply on the basis of local traditions suited for local audiences. Rather, Panhellenic poetry would have been the product of an evolutionary synthesis of traditions, so that the tradition that it represents concentrates on traditions that tend to be common to most locales and peculiar to none.” 16 Wie Nagy weiter ausführt, ist diese Grenze zwischen panhellenischen und lokalen Mythenversionen nicht ein für alle mal festgelegt. Es handelt sich vielmehr um einen langen Prozess, in dem mythische Erzählungen, die ursprünglich an einen rituellen Hintergrund oder an sonstige lokale Gegebenheiten gebunden waren, sich allmählich davon lösten, erzählerisches Allgemeingut wurden und Bedeutsamkeit für den gesamten griechischen Kulturraum erlangten 17 . Am Schluss dieser Entwicklung sei die schriftliche Fixierung von ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ gestanden, die eben durch die weite schriftliche Verbreitung, aber auch durch ihre Rezitation an großen Festen wie den Panathenäen panhellenische Geltung erlangt hätten. Es wäre jedoch falsch, den Begriff der panhellenischen Dichtung auf den Bereich schriftlicher Dichtung zu reduzieren. Der Prozess der Aufnahme lokaler Mythen in einen gesamtgriechischen ‘Pool’ setzte sicher schon lange vor der schriftlichen Fixierung der Epen ein. Das vielleicht beste Beispiel dafür ist der Mythos des Argonautenzugs, der im Kern einen Konflikt zwischen thessalischen Helden zeigt (Jason vs. Pelias), der aber durch die Aufnahme von Helden aus verschiedensten Gegenden Griechenlands gemeingriechischen Charakter erhielt und, wie uns der Odysseedichter verdeutlicht, Teil eines allgemeinen epischen Repertoires wurde (Od. 12,69 f.: )+-*+)'0+. -2#. / / &03% )$,1 μ"/ +(,! - “das meerdurchdringende Schiff, die Argo, die alle kümmert”), auf das dann auch in sehr knapper Weise angespielt werden konnte 18 . Wenn also die ‘Ilias’ und die ‘Odyssee’ die herausragenden Beispiele für panhellenische Dichtung sind, so haben andere literarische Werke ebenfalls Anspruch auf diesen Status. Dazu zählen zunächst die Kyklischen Epen, die zwar von Nagy als weniger panhellenisch eingestuft werden als die homerischen Epen, weil in ihnen auch lokalen Gegebenheiten Rechnung getragen sei 19 , die aber dennoch denselben Faktenkanon zu ih- 16 Nagy 1990, 54. 17 Nagy 1990, 66 f. 18 Beispielsweise in den Anspielungen auf Euneos, König von Lemnos, Sohn des Jason und der Hypsipyle, in Hom. Il. 7,467-469; 21,40 f. und 23,746 f.; cf. West 2002, 214, West 2005, 39 f. und Kullmann 2009, 9. 19 Nagy 1990, 70 f. <?page no="19"?> Einleitung 5 rem Inhalt haben, den schon die ‘Ilias’ weitgehend voraussetzt 20 , und die eben dadurch Beispiele für Dichtung von gemeingriechischem Interesse sind. Noch eine Stufe tiefer in dieser Skala mögen die Epen Hesiods stehen 21 , weil sie einen relativ persönlichen Anstrich haben und unter anderem von Hesiods Konflikt mit seinem Bruder Perses und von seiner Teilnahme an den Leichenspielen für König Amphidamas auf Euboia berichten 22 . Doch weiß auch Hesiod von solchen gemeingriechischen Themen wie dem Mythos der fünf Menschengeschlechter 23 oder der Entstehung des olympischen Opfers und des Kampfs der Olympischen Götter mit den Titanen 24 zu erzählen, sodass seine Dichtung fraglos auch panhellenische Qualität hatte. Ähnliches gilt für die großen homerischen Hymnen wie den Demeter-Hymnos oder den Apollon-Hymnos, die zwar im Kern Aitien für lokale Kulte sind, die diesen Kern aber in solcher Weise ausweiten, dass sie ebenfalls einen gemeingriechischen Nerv getroffen haben dürften 25 . Keinem Zweifel unterliegt wiederum die panhellenische Geltung der hesiodeischen Frauenkataloge, da diese zum einen den Versuch unternehmen, die ganze griechische Heroenwelt in ein kohärentes System zu bringen, und zum anderen auf eine Vielzahl von Mythen mit solcher Knappheit hindeuten, dass die allgemeine Bekanntheit dieser Erzählungen erneut offenkundig ist. Es zeigt sich also, dass eine ganze Reihe frühgriechischer Dichtwerke Anspruch auf panhellenische Geltung erheben kann. Der Nachweis lokaler Dichtungstraditionen ist für diese frühe Zeit dagegen nicht so leicht zu führen. Dies ist meist nur auf indirektem Wege möglich, etwa durch den archäologischen Nachweis lokaler Riten, die in einem plausiblen Verhältnis zu den bekannten Mythen stehen, oder durch sehr viel spätere literarische Testimonia. Stets aber muss der Interpret sich bewusst bleiben, dass die Zuordnung bestimmter Mythen zu den Kategorien ‘lokal’ und ‘panhellenisch’ nicht ein für allemal festgelegt war, dass insbesondere Verschiebungen von der ersten Kategorie zur zweiten immer wieder aufs neue möglich waren, und dass in archaischer Zeit sogar, wie wir zuletzt sehen werden, eine eigentliche Überwindung dieser Kategorien versucht wurde. 20 Cf. Kullmann 1981, 41 f. (“Insofern die Ilias aber auch eine Reihung von Einzelepisoden ist, spiegelt sich in ihr ein chronographisches Epos, das den Troischen Krieg vom Anfang bis zum Ende erzählte und mündlich gewesen sein kann.”). 21 Nagy 1990, 76 (“The myth of this victory [sc. der Sieg Hesiods in der traditionellen Erzählung vom Dichterwettstreit mit Homer] compensates for the fact that the poetry of Hesiod is relatively less Panhellenic than that of Homer.”). 22 Hes. Op. 27-41 bzw. 649-659. 23 Hes. Op. 106-200. 24 Hes. Th. 535-557 und 617-819. 25 Dies für den homerischen Demeter-Hymnos zu zeigen versucht von Grossardt 1998, 227-253 und 408-410. <?page no="21"?> 2 Helena und die Geburt der Iphigeneia In seiner Beschreibung der Stadt Argos kommt der Reiseschriftsteller Pausanias auch auf den Tempelbezirk mit den Heiligtümern der Dioskuren und der Geburtsgöttin Eileithyia zu sprechen. Dieser Tempel der Eileithyia sei von Helena geweiht worden. Helena sei nämlich als junges Mädchen von Theseus und Peirithoos aus Sparta entführt, später aber von ihren Brüdern Kastor und Polydeukes zurückgewonnen worden. Auf dem Rückweg von Attika nach Sparta habe Helena in Argos eine Tochter zur Welt gebracht, die sie von Theseus empfangen hatte. Um die Geschichte zu vertuschen, habe sie diese Tochter Iphigeneia aber ihrer Schwester Klytaimestra zur Aufzucht übergeben (Paus. 2,22,6: ")EaO$( I/ AD( 8(U+A=( *X)E- C@OMc ^aAT( WGeR( 9(UCEμM [)S(Ec, 4AG aP( dG-eOCF 'EaS=c 9"G)C<(A$c ^c 'Ga"e=A$Pc _? -I(U AG 2"R ,-$a+$; e=( ]U)= +MT YKGA$ ^c #M+GIMOμ$(M [)S(E. \>G-( μ/ ( K0e M3A.( )SK$@a-( ^( KMaAeO, AG+$HaM( I/ ^( _eKG- +MT ALc *X)EC@OMc WIe@aMμS(E( AR WGeR( A.( μ/ ( "MJIM, Z( \AG+G, %)@AM-μ(QaAeN I$H(M- - a@($-+GJ( K0e YIE %)@AM-μ(QaAeM( 8KMμSμ($(- -, M3A.( I/ 1aAGe$( A$; A=( ! G(G)UF KQμMaCM-. - “In der Nähe aber der Herrscher 1 befindet sich ein Heiligtum der Eileithyia, eine Weihegabe der Helena, aus der Zeit, als Theseus mit Peirithoos zu den Thesproten aufgebrochen war, Aphidna von den Dioskuren eingenommen wurde und Helena nach Sparta zurückgebracht wurde. Sie soll nämlich schwanger gewesen sein, aber in Argos niedergekommen sein. Als sie das Heiligtum der Eileithyia gestiftet hatte, soll sie das Kind, das sie geboren hatte, der Klytaimestra übergeben haben - Klytaimestra war nämlich bereits mit Agamemnon verheiratet -, sie selbst aber soll danach Menelaos geheiratet haben.”). Diese Geschichte sei nachzulesen bei den hellenistischen Dichtern Euphorion von Chalkis (zu Frg. 94 van Groningen) und Alexander von Pleuron (Frg. 12 Powell = Frg. 11 Magnelli), finde sich aber auch schon bei Stesichoros (PMGF 191) und sei überhaupt argivische Lokaltradition (Paus. 2,22,7: +MT ^"T ABIG *3? $eO=( `M)+-IGPc +MT d)G@e: (-$c 8)S&M(Ie$c \"E "$-QaM(AGc, "e<AGe$( I/ \AbAEaO>$e$c 5 6μGeMJ$c, +MA0 AM3AU ? Ma-( 8eKGO$-c 'EaS=c GV(M- C@KMASeM 7? -KS(G-M(. - “Aus diesem Anlass verfassten Euphorion von Chalkis und Alexander von Pleuron Verse und zuvor schon Stesichoros, die genau gleich wie die Argiver sagen, dass Iphigeneia die Tochter des Theseus sei.”). Dass die Geschichte von der heimlichen Niederkunft Helenas zur Zeit des Hellenismus gut bekannt war, zeigen neben diesem Testimonium zu Euphorion und Alexander auch eine Andeutung bei Lykophron (Alex. 102 f.), ein Hinweis auf eine entsprechende Behandlung bei Nikander (nach Ant. Lib. 27,1), ein Seitenhieb der Oinone in den ‘Heroiden’ Ovids (epist. 1 Sc. des Tempels der Dioskuren. <?page no="22"?> Kapitel 2 8 5,127-129) und eine Äußerung des Historikers Duris von Samos (FGrHist 76 F 92). Dabei handelt es sich aber nur um eine Spezialform eines sehr verbreiteten Mythos, der bereits im frühgriechischen Epos und in der archaischen Lyrik bezeugt ist 2 und sich nachher durch die historiographische und mythographische Literatur hindurchzieht 3 . In dieser Standardversion ist aber immer nur von der Entführung und Rückführung Helenas die Rede und nie von ihrer Schwangerschaft; gelegentlich wird sogar betont (in offensichtlicher Opposition zur Spezialform des Mythos), dass Helena im Moment ihrer Rückführung noch Jungfrau gewesen sei 4 . Es handelt sich bei der Geschichte von der Niederkunft Helenas also offensichtlich um ein lokales Aition (wie Pausanias ja deutlich genug sagt 5 ), das von verschiedenen Dichtern für ihre poetischen Zwecke aufgegriffen wurde. Wie nun Stesichoros sich in diese Traditionslinien einreiht und überhaupt wie glaubhaft die auf ihn bezogene Nachricht des Pausanias ist, lässt sich nicht so leicht sagen. Dass Stesichoros den hellenistischen Dichtern, die dieselbe Mythenvariante von der Niederkunft Helenas vertreten, zeitlich weit vorausliegt, ist nicht unbedingt eine sehr große Schwierigkeit, da es sich, wie dargestellt, um ein lokales Aition handelte, das zu verschiedenen Zeiten immer wieder neu in die hohe Dichtung übernommen werden konnte 6 . Dass die etwa zeitgleichen ‘Kyprien’ nichts von dieser Schwangerschaft zu wissen scheinen, braucht ebenfalls kein entscheidendes Hindernis darzustellen, weil die ‘Kyprien’ (Frg. 24 Bern.) Iphigeneia zu den vier Töchtern des Agamemnon zählten 7 und auch von ihrer Opferung in Aulis zu berichten wussten (Procl. Chr. p. 41,42-49 Bern.), also sicher kein Interesse daran haben konnten, Iphigeneia als Tochter der Helena und des Theseus zu bezeichnen. Ein ernsteres Problem besteht dagegen in der Nachricht des 2 ‘Kyprien’ Frg. 13 Bern.; Alcm. PMGF 21 (= Frg. 210 Calame). 3 Hdt. 9,73; Hellanic. FGrHist 4 F 134 und 168; Isoc. 10,18-20; Strab. 9,1,17; D. Chr. 11,44; Plut. Thes. 31-33; Paus. 1,17,5; 1,41,3; 3,18,4-5; 3,18,15 (= LIMC Helene 27: Abbildung auf dem Thron von Amyklai, zweite Hälfte des 6. Jh.s v. Chr.) und 5,19,2-3 (= LIMC Helene 55: Abbildung auf der Kypselos-Lade, Mitte des 6. Jh.s v. Chr.); Luc. Gall. 17 und VH 2,8; Scholien zu Apoll. Rhod. 1,101-104, p. 15,10-20 Wendel; Hyg. fab. 79. 4 Diod. Sic. 4,63. 5 Paus. 2,22,7 (+1(# (1$(" &1*-) [sc. die zitierten Dichter] %.0/ ! '-,); zur üblichen Identität der lokalen Gewährsmänner des Pausanias und zu seiner Haltung ihnen gegenüber cf. Jones 2001 (selbst wenn man im vorliegenden Fall mit Kalkmann 1886, 252- 254 nicht an mündliche Quellen des Pausanias denkt, sondern an ein Handbuch argivischer Prägung, so ändert das den lokalen Charakter von Pausanias’ Wissen nicht und damit auch nicht den lokalen Charakter der Quellen, aus denen die genannten Dichter zuletzt schöpften). 6 Plausibel ist freilich, dass die genannten hellenistischen Dichter wie Lykophron und Euphorion sich nicht nur an lokale Traditionen anschlossen, sondern auch direkt auf Stesichoros zurückgriffen; cf. Geffcken 1891, 572 f. und Massimilla 1995, 48-50. 7 Zur Tradition von den vier Töchtern des Agamemnon cf. Kullmann 1965. <?page no="23"?> Iphigeneia 9 epikureischen Philosophen Philodem von Gadara, der berichtet, dass Stesichoros in seiner ‘Oresteia’ Hesiod gefolgt sei und Iphigeneia als Tochter Agamemnons bezeichnet habe (Phld. Piet. p. 24 Gomperz = Stesich. PMGF 215: *B=[D%9-+-]) "8 0/ A+! DB! %[; 4$B]$4-1-? : &D$) [,D76]"2 B>/ 3#$μ'[μ/ -- / -) E]<7#'/ ! 7$/ ! F[/ $7 B>]/ .4(B=/ / 5/ [C/ -μ$@]-μ'/ =/ 8 - “Stesichoros aber folgt in der ‘Oresteia’ dem Hesiod und sagt, dass Iphigeneia, die Tochter des Agamemnon, identisch mit der jetzt als Hekate bezeichneten Göttin sei.”). Es besteht hier für Stesichoros also offenbar ein Widerspruch zwischen PMGF 191, wo Iphigeneia als Tochter von Helena und Theseus gilt, und PMGF 215, wo sie ganz konventionell als Tochter von Klytaimestra und Agamemnon erscheint. U. von Wilamowitz-Moellendorff hat daher den Schluss gezogen, dass Pausanias sich bei der Beschreibung der argivischen Kultverhältnisse aus Flüchtigkeit vertan habe 9 , wie ihm ja überhaupt immer wieder mythographische Fehler unterlaufen seien 10 . A. Kalkmann und J. Geffcken waren dagegen eher gegenüber Philodem kritisch eingestellt, den sie als Viel- und Schnellschreiber sahen, weswegen sie zur Annahme neigten, dass Philodem hier verschiedene Traditionen durcheinandergebracht habe und Stesichoros falsch referiere 11 . Es dauerte dann einige Jahrzehnte, bis J. Vürtheim und danach weitere Autoren wie Vürtheims holländischer Landsmann B. A. van Groningen dieser Diskussion den Boden entzogen, indem sie schlicht darauf hinwiesen, dass Stesichoros eine Vielzahl mythologischer Dichtungen verfasste und keineswegs daran gebunden war, in jeder Dichtung genau derselben Mythenvariante zu folgen 12 . Wenn auch eine solche pluralistische Lösung des Problems den rationalistischen und hyperkritischen Harmonisierungsversuchen des neunzehnten Jahrhunderts sicher vorzuziehen ist, so ist damit natürlich die Frage noch nicht geklärt, in welchem poetischen Zusammenhang Stesichoros die argivische Lokaltradition denn aufgriff. Th. Bergk und J. Vürtheim hatten für eine Situierung des Motivs im Zusammenhang der ‘Helena’ votiert 13 . 8 Die Verse aus dem hesiodeischen Frauenkatalog, auf die Philodem hier anspielt, sind inzwischen wieder auf Papyrus verfügbar und werden gezählt als Hes. Frg. 23a,15- 26 M.-W. (mit Nennung der Heroine in der Namensform ‘Iphimede’). 9 Von Wilamowitz-Moellendorff 1883, 252. 10 Zur Heftigkeit von Wilamowitz’ Anwürfen gegen Pausanias gerade in dieser frühen Zeit seiner wissenschaftlichen Laufbahn cf. Henrichs 1985, 270 (mit Anm. 36). 11 Kalkmann 1886, 254; Geffcken 1891, 572 f. 12 Vürtheim 1919, 47-49; Ferrari 1938, 11; van Groningen 1977, 160 (“Il est encore possible que Stésichore n’ait pas toujours reproduit la même tradition: dans une Orestie Iphigénie ne peut être que la fille d’Agamemnon.”). 13 Bergk 1882, 216 bzw. Vürtheim 1919, 49 und 61 (ebenfalls zu dieser Position neigend Bowra 1934a, 118, Ferrari 1938, 11, Bowra 1970, 96-98, Podlecki 1971, 324 f., Massimilla 1990, 376 f. und Brillante 2001-2002, 18 sowie die Herausgeber Page, Davies und <?page no="24"?> Kapitel 2 10 Doch könnte man dagegen einwenden, dass die ‘Helena’ gerade als konventionelle Darstellung der Troja-Sage, die dann durch die ‘Palinodie’ ersetzt wurde, soweit immer möglich, den mythologischen Hauptvarianten gefolgt sein sollte, die durch die Erwähnung des Mutter-Tochter-Verhältnisses zwischen Helena und Iphigeneia doch eine erhebliche Veränderung erfahren hätten. Umgekehrt kann man aber darauf hinweisen, dass auch Werke des Stesichoros, die einem etablierten Mythos folgen, diesen manchmal in recht eigenwilliger Weise ausgestalten und neu motivieren 14 , und, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, hätte es durchaus seinen guten Sinn gehabt, Iphigeneia schon in der ‘Helena’ als Tochter Helenas zu bezeichnen. Denn auch Stesichoros wird in seiner Darstellung kaum auf das Motiv der Opferung Iphigeneias in Aulis verzichtet haben, und dies würde dann unter den gegebenen Prämissen bedeuten, dass Helena durch ihren Ehebruch mit Paris letztlich sogar die Tötung des eigenen Kindes verschuldete. Somit war die Opposition zwischen der konventionellen Mythenvariante der ‘Helena’ und ihrer radikalen Negierung in der ‘Palinodie’ noch einmal verschärft, und dies konnte nur im Sinne unseres Dichters sein. Da nun zudem andere Zuweisungsversuche wie beispielsweise der an die ‘Iliupersis’ 15 eher noch stärkeren Zweifeln ausgesetzt sind 16 , bleibt die Zuweisung von PMGF 191 an die ‘Helena’ die wahrscheinlichste Hypothese. Damit ergeben sich nun aber interessante Perspektiven. Denn die ‘Helena’ wurde wahrscheinlich in Sparta aufgeführt 17 , und einer der wichtigsten Kulte Spartas war derjenige der Artemis Orthia, bei dessen Feierlichkeiten, wie uns prominente antike Quellen bezeugen, Helena damals von Theseus entführt worden sein soll 18 . Stesichoros scheint also in seiner Campbell, die das Fragment einhellig den übrigen Fragmenten der ‘Helena’ zuordnen). 14 So etwa die Geschichte von der Versöhnung zwischen Menelaos und Helena, die in der ‘Iliupersis’ des Stesichoros einen ganz anderen Verlauf nimmt als in der sonstigen Tradition; cf. die Besprechung unten in Kap. 5. 15 So einst Welcker 1829, 259 f., dem Bergk in der ersten Sammlung der Fragmente noch folgte (Bergk 1843, 641). Doch wollte Welcker ohnehin alle die Helena betreffenden Fragmente der ‘Iliupersis’ zuweisen (Welcker 1829, 265 und 267), wozu sich aber in der Folge kaum mehr ein Philologe bereitfand. 16 Da die ‘Iliupersis’ auf die schließliche Versöhnung zwischen Helena und Menelaos zulief, hätte die Erwähnung des Mutter-Tochter-Verhältnisses zwischen Helena und Iphigeneia auch dieses Gedicht einigermaßen gestört und sie wäre jedenfalls nicht im gleichen Maße funktional gewesen wie für den Erzählzusammenhang von ‘Helena’ und ‘Palinodie’. 17 Cf. unten Kap. 4. 18 Hellanic. FGrHist 4 F 168a (= Plut. Thes. 31,2: 9&? +@7 9: 1"7 27 .#1= 41+(μ; $5/ ,1! '&/ <51#85)-&7 613*-&7+#/ 0>)%57 - “und nachdem sie das Mädchen, das im Heiligtum der Artemis Orthia tanzte, geraubt hatten, flüchteten sie [sc. Theseus und Peirithoos]”); Hyg. fab. 79,1 (Theseus ... cum Pirithoo ... Helenam Tyndarei et Ledae filiam vir- <?page no="25"?> Iphigeneia 11 Wiedergabe dieser Geschichte auf den Kult der Artemis Orthia Bezug genommen zu haben, der das mythische Geschehen um die erste Entführung Helenas alljährlich nachzeichnete 19 , und scheint diese Version dann in interessanter Weise mit der argivischen Lokaltradition vermengt zu haben. Es liegt hier also ein merkwürdiger Synkretismus zweier Kultlegenden vor, wie wir ihn unten im Zusammenhang mit der ‘Helena’ noch einmal antreffen werden 20 . Wenn nun zudem die ‘Oresteia’, wie sich zumindest plausibel machen lässt 21 , ebenfalls in Sparta aufgeführt wurde, ergibt sich das brisante Resultat, dass Stesichoros vor ein und demselben Publikum einmal Helena als Mutter der Iphigeneia bezeichnete und einmal Klytaimestra. Dieser soeben skizzierte Zusammenhang muss selbstverständlich Hypothese bleiben. Dennoch ist die saubere Trennung, die Vürtheim zwischen den von Pausanias und Philodem überlieferten Nachrichten vorgenommen hat, sicher der richtige methodische Weg. Wir sehen also, dass die Frage, ob Stesichoros in seinen Dichtungen eher den panhellenischen Traditionen oder eher lokalen Mythenvarianten gefolgt sei, falsch gestellt ist: Stesichoros hat je nach Kontext entweder der einen oder der anderen Tradition den Vorzug gegeben, ohne sich um irgendeine Form der allgemeinen Kohärenz zu bemühen. virginem de fano Dianae sacrificantem rapuerunt et detulerunt Athenas ... - “Theseus und Peirithoos raubten Helena, die Tochter des Tyndareos und der Leda, aus dem Tempel der Diana, wo sie als Jungfrau opferte, und verbrachten sie nach Athen ...”). 19 So argumentiert von Merkelbach 1957, 21-23 und Baudy 2001, 48-50. 20 Cf. unten in Kap. 3.3 die Bemerkungen zur Überlagerung der Legende zum spartanischen Aphrodite-Kult durch den Mythos von der Kalydonischen Jagd. 21 Cf. unten Kap. 4, Anm. 17. <?page no="27"?> 3 Aphrodite und die Töchter des Tyndareos in PMGF 223 In den Scholien zu Euripides, Or. 249 (I p. 123,11-13 Schwartz) sind Verse des Stesichoros überliefert, nach denen Aphrodite aus Zorn auf König Tyndareos von Sparta dessen Töchter dazu veranlasst habe, ihre legitimen Ehemänner zu verlassen und neue Ehen einzugehen. Der Grund für den Zorn der Göttin sei ihre Vernachlässigung bei den allgemeinen Opferfeiern für die Götter gewesen (Stesich. PMGF 223): &Q)F-K #A)G\"F&] .ZE>) $&-O $4[B CF&/ ] μ=)K] +\CFY3 T$B&G; "&A '<$"BG&], -FM)K GN #A)GK"Z&A -="K] ? &+>[KμZ)K GBH\μ&A] YF -K6 Y"BH\μ&A] 8YMCFB -K6 +B$F[\)&"K]. Weil Tyndareos, als er einst sämtlichen Göttern opferte, einzig Kypris vergass, die Göttin der milden Gaben. Jene aber zürnte den Töchtern des Tyndareos und machte sie zu zweimal und dreimal Heiratenden und zu solchen, die ihre Männer verließen. Diese Verse stehen in enger Beziehung zu bestimmten Versen aus dem hesiodeischen Frauenkatalog (Frg. 176 M.-W.) 1 , die denn auch im selben Euripides-Scholion (I p. 123,15-21 Schwartz) überliefert sind: Y0[B) GN @B+&μμFBG7] 9@"&GMYD TH\[CD $"&[BG&L[K, -K-0 GZ [@3 WμIK+F @Xμ2. #Bμ\)G"D μN) W$FBY3 U? Fμ&) $"&+B$&L[3 8IFIX-FB, R-FY& G3 8] ! A+1K @M+&) μK-\"F[[B CF&/ [B), P] GN '+AYKBμX[Y"D ‹$"&›+B$&L[3 9HKμZμ)&)K G/ &) *SHM[CJ $K"Z+F-Y& -K6 FR+FY& ? FM"&)3 : -&MYD), P] G3 V+Z)D 5[? A)F +Z? &] (K)C&L %F)F+\&A. Diesen aber verargte es die holdlächelnde Aphrodite, als sie sie sah, und sie gab sie einem üblen Ruf anheim. Timandra verließ daraufhin Echemos und ging weg, gelangte aber zu Phyleus, der den seligen Göttern lieb war. Ebenso aber verließ Klytaimestra den göttlichen Agamemnon, legte sich zu Aigisthos und wählte sich den geringeren Gemahl. Ebenso aber entehrte Helena das Bett des blonden Menelaos. 1 Oder allenfalls aus den ‘Megalai Ehoiai’ (so der Vorschlag von Hirschberger 2004, 470 f.). <?page no="28"?> Kapitel 3 14 Es stellt sich also die Frage nach der genauen Natur der Beziehung, die zwischen diesen beiden poetischen Fragmenten besteht, aber auch eine Reihe von Fragen nach der Interpretation von PMGF 223 selber, so etwa die nach der genauen Identifizierung der verschiedenen Personen, auf die in diesen Versen angespielt ist, die nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund und die nach dem Werk des Stesichoros, dem die Verse zugehörig waren. 3.1 Die Beziehung zwischen PMGF 223 und Hes. Frg. 176 M.-W. Zunächst ist evident, dass die beiden Fragmente demselben mythologischen Traditionszusammenhang angehören. So ist in beiden Fragmenten derselbe grundlegende Konflikt zwischen der Liebesgöttin Aphrodite und den Töchtern des Tyndareos geschildert, und immer geht es um das Kollektivum der Töchter und nicht um eine einzelne fehlbare Heroine aus Sparta. Stets aber scheint doch Helena die entscheidende Person zu sein, weil sie in der Reihung der Tyndareos-Töchter immer an letzter Stelle genannt ist und somit den negativen Höhepunkt im Fehlverhalten der spartanischen Prinzessinnen darstellt 2 . Es scheint also möglich, dass die Verse des Stesichoros direkt von den zitierten Versen aus dem Frauenkatalog abhängen 3 . Diese Annahme ist aber nicht unbedingt zwingend, weil die ‘Ehoien’ in der Tradition älterer Katalogdichtung und sonstiger epischer Dichtung stehen und deren Motive in kondensierter Form wiedergeben, aber sie kaum je entscheidend verändert haben dürften 4 . Die ‘Ehoien’ sind somit eher ein ‘Fenster’ in eine breite epische Tradition und kein eigenständiges literarisches Werk mit starker Ausstrahlung auf die sonstige Dichtung der Zeit. Man wird sich daher mit der Feststellung begnügen müssen, dass die beiden Fragmente in derselben Tradition stehen, dass aber ihr literargeschichtlicher Zusammenhang nicht mehr genau eruierbar ist 5 . Interessant sind denn auch die Unterschiede zwischen den beiden Fragmenten. So gibt Stesichoros sich mit einer bloßen Anspielung auf die Töchter des Tyndareos zufrieden und nennt keine Namen, ja es ist sogar unklar, ob mit dem ersten Glied ('&! "μ%#$) nur Klytaimestra gemeint ist oder Klytaimestra zusammen mit ihrer Schwester Timandra, die zwar weitaus weniger berühmt war als Klytaimestra, aber im Frauenkatalog an 2 Zur Identifikation der letztgenannten Heroine in PMGF 223 mit Helena cf. unten Kap. 3.2. 3 Wie noch angenommen von Dornseiff 1933, 58. 4 Cf. oben in Kap. 1 die Bemerkungen zum panhellenischen Charakter des Frauenkatalogs. 5 So die Position von West 1985, 133 f. <?page no="29"?> Sparta 15 erster Stelle genannt ist und ebenfalls ihren rechtmäßigen Ehemann zugunsten eines neuen Lebenspartners verlässt. Der zweite wichtige Unterschied besteht in der Person des Tyndareos, der nach Stesichoros durch ein unterlassenes Opfer den Zorn der Aphrodite heraufbeschworen haben soll, aber im Frauenkatalog in dieser Eigenschaft nicht erwähnt ist. Somit stellt sich die Frage, ob man dieses Motiv der vergessenen Opfer auch für den ursprünglichen Zusammenhang der Hesiod-Verse postulieren darf, ob dieses Motiv also den erhaltenen Versen unmittelbar voranging 6 , oder ob bei Stesichoros mit der unterlassenen Opferhandlung ein neues Motiv in den Zusammenhang eingeführt wird. Der ersten Alternative, die zunächst naheliegend erscheint, steht allerdings die genaue Wortwahl entgegen. Es ist in den Hesiod-Versen nämlich gar nicht vom Zorn der Göttin die Rede, sondern von ihrem Neid auf die Schönheit der Tyndareos-Töchter 7 . Darauf deutet vor allem der typisch epische Gebrauch des Verbes &6! μ! . - ‘verargen’ (V. 2: %6"+02 1/ 3+.53$- +! ) hin. So meint der Dichter der ‘Ilias’ einmal, dass Menelaos die Rüstung des Euphorbos leicht hätte davontragen können, wenn es ihm Apollon nicht geneidet hätte (Il. 17,71: '6"++! *3). Kalypso wirft Hermes vor, dass die männlichen Götter es den weiblichen immer neiden würden, wenn sie einen menschlichen Geliebten hätten (Od. 5,119: '6"! +04; 5,122: %6"! +04; 5,129: &6! +04). Alkinoos’ Vater Nausithoos pflegte zu sagen, dass Poseidon es den Phaiaken verargte, wenn sie Menschen heil übers Meer brachten (Od. 8,565: '6"+! +0! .), und Penelope meint nach der Rückkehr ihres Mannes, es müssten die Götter gewesen sein, die es aus Neid verhindert hätten, dass Odysseus und sie sich gemeinsam ihrer Jugendjahre erfreuen konnten (Od. 23,211: '6"+! ,*3). Es handelt sich dabei um eine archaische griechische Vorstellung, die in den homerischen Epen gut repräsentiert ist und sich danach vor allem im fünften Jahrhundert wieder verstärkt bemerkbar macht, wenn sich auch die typische Formulierungsweise mit der spezifischen Verwendung von &6! μ! . in nachepischer Zeit nicht fortsetzt 8 . Dabei ist gar nicht unbedingt nötig, dass der Mensch den Unwillen der Gottheit durch ein bestimmtes Fehlverhalten provoziert; es reicht, dass seine besondere Glücksstellung im Leben den Neid der Gottheit hervorruft 9 . Aus die- 6 So die Annahme von Bertini 1970, 81, Snell 1973, 16, West 1985, 96, Arrighetti 1994, 18 und Calame 2009, 648 (offen lassen die Frage Seeliger 1886, 4 f., Ghali-Kahil 1955, 40 f. und Kannicht 1969, 39 Anm. 23). 7 Dies in kurzer, aber korrekter Form angemerkt von Schmid 1929, 476 und Hirschberger 2004, 471, die zu Recht auf das Motiv des )0(,3- 04#, hinweisen. 8 Cf. Canter 1937 (bes. S. 140 f.) und Rakoczy 1996, 247-270 mit Hinweis auf Stellen wie Aisch. Pers. 362 und Agam. 946 f. oder Hdt. 1,32,1; 3,40,2 und 7,46,4. 9 Cf. Irmscher 1950, 20 f. (“Ganz menschlich deutete man diese Erscheinung aus dem Befremden der Gottheit über eine menschliche Leistung, die ihr eigenes Ansehen in den Schatten zu stellen geeignet war, daher ihren Neid und ihre Strafe hervorrief.”) und Rakoczy 1996, 255 (“Aber der )0(,3braucht stets etwas, wogegen er sich rich- <?page no="30"?> Kapitel 3 16 ser Perspektive betrachtete der Dichter des Frauenkatalogs offenbar auch den Konflikt zwischen Aphrodite und den Töchtern des Tyndareos 10 . Der bloße Anblick (V. 2: / -1+9$1.+') ihrer Schönheit und ihrer Glücksstellung im Leben genügte, um den Unwillen der Göttin zu erregen und sie dazu zu veranlassen, die drei Frauen gerade an der empfindlichsten Stelle zu treffen, nämlich an ihrer Stellung als glückliche Ehefrauen 11 . Es bestand für den Dichter des Frauenkatalogs also absolut keine Notwendigkeit, seine Schilderung vom Neid der Aphrodite durch das Motiv der vergessenen Opfer vorzubereiten. Im Grunde hätte dies sogar einen Widerspruch in seine Dichtung eingeführt, und das Motiv des Neides wäre dadurch eher entwertet worden. Die vergessenen Opfer und der daraus resultierende Götterzorn sind also Elemente, die das Fragment des Stesichoros vom Frauenkatalog unterscheiden, und da der Frauenkatalog, wie oben angemerkt, seine Ambition in der Bewahrung und nicht in der Erneuerung der epischen Tradition sieht, dürfte es Stesichoros gewesen sein, der hier die Tradition veränderte 12 . 3.2 Die Identifikation der verschiedenen Personen in PMGF 223 Eine zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der Identität der drei Ehemänner Helenas, von denen im vierten Vers von Stesichoros’ Fragment die Rede ist ()-9%(μ1; ,). Dass hier auf Helena abgezielt ist, ist eindeutig, denn zu Timandra und Klytaimestra kennt zumindest die frühgriechische Tradition nur je eine gescheiterte Ehe und nur je einen weiteren Lebensgefährten 13 . Zudem ist Helena bei Lykophron einmal (in ten kann, und das sind Glück und Erfolg. Ab einer gewissen Grenze erreicht dieses Glück einen ‘kritischen Wert’, ...”). 10 Frg. 176 M.-W. hätte also von Roig Lanzillotta 2010 in seiner neueren Diskussion des Götterneids bei der Besprechung Hesiods (S. 82) nicht ausgelassen werden dürfen, weil sich hier altepisches Weltverständnis fortsetzt. 11 Solche Erzählmotive müssen im 7./ 6. Jh. v. Chr. relativ populär gewesen sein, da auch Mimnermos (Frg. 22 W. 2 ) die Untreue der Aigialeia gegenüber Diomedes ähnlich motiviert; cf. die Besprechung der Parallele durch Kannicht 1969, 39 Anm. 23. 12 Zur Inspirationsquelle dieser Neuerung cf. unten Kap. 3.3. 13 Eine Tradition, die zuerst bei Euripides und dann erst wieder bei kaiserzeitlichen Autoren belegt ist, kennt für Klytaimestra als ersten Ehepartner vor der Eheschließung mit Agamemnon bereits Tantalos (Eur. IA 1149 f. [Klytaimestra zu Agamemnon]: 4%"μ', 671; +(3 μ# 765'&#, &90, / / )23 / -: +! #3 63$-' *(3)'513 7')'7)'383. - “Du hast mich gegen meinen Willen geheiratet und mich mit Gewalt geraubt, nachdem du meinen vorherigen Ehemann Tantalos getötet hattest.”; Apollod. Epit. 2,16; Paus. 2,18,2 und 2,22,3); die Verbindung mit Aigisthos wäre also, so gesehen, eine dritte Ehe. Doch wurde Klytaimestra nach der Darstellung des Euripides mit Gewalt von Tantalos getrennt, und dann können die scharfen Worte des Stesichoros nicht auf diese Mythenversion abzielen, weil darin nicht von einem mutwilligen Verlassen des Ehemanns die Rede ist. <?page no="31"?> Sparta 17 offensichtlicher Nachahmung unserer Stelle 14 ) als Frau dreier Männer bezeichnet (Alex. 851: : @/ $)E@E= -,@5= - “eines Mädchens mit drei Ehemännern”). Stesichoros wies also mit dem Ausdruck ; / >$μE7= auf Klytaimestra (oder auf Klytaimestra und Timandra) hin und mit dem Ausdruck : @/ >$μE7= auf Helena. Dennoch ist die Interpretation unserer Stelle umstritten, d.h. eine längere Traditionsreihe von Interpreten sieht darin eine Anspielung auf Helenas Entführung durch Theseus und auf ihre danach folgenden Ehen mit Menelaos und Paris 15 . Dies kann aber kaum richtig sein, denn gerade die Parallelisierung mit Klytaimestra zeigt, dass hier an legitime Ehen und deren illegitime Auflösung gedacht ist und nicht an eine vorgängige Entführung und ein in diesem Zusammenhang bestehendes Konkubinatsverhältnis. Mit anderen Worten, ebenso wie Klytaimestra zunächst in einem rechtmäßigen Eheverhältnis mit Agamemnon lebte, danach aber diese Ehe brach und so zur >7)6 ; ">! μE= wurde, so war auch Helena zunächst mit Menelaos rechtmäßig verheiratet, brach dann aber mit Paris ihre Ehe und heiratete nach dessen Tod sogar noch ein drittes Mal, was ihr - in gewisser Weise damit die Rekordhalterin in Sachen Eheschließungen - die Apostrophierung als >7)6 : @">! μE= eintrug. Mit dem dritten Mann Helenas ist also unbedingt Deiphobos, der Bruder des Paris, gemeint, der nach dessen gewaltsamem Tod im Kampf um Troja zum neuen Ehemann der Helena wurde 16 und so ihre Schande gleichsam noch einmal einem neuen Höhepunkt entgegenführte 17 . Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch noch Folgendes: Wenn das vergessene Opfer des Tyndareos den Zorn der Aphrodite verursachte und wenn diese wiederum in ihrem göttlichen Zorn den Ehebruch der Helena veranlasste und damit den Trojanischen Krieg auslöste, so ist mit den Versen des Stesichoros eine Alternative gegeben zur Standardversion, wonach Zeus die Erde von einem Teil ihrer Last befreien wollte und deshalb Eris dazu veranlasste, Streit unter den Göttinnen zu entfachen, was zur bekannten Geschichte vom Urteil des Paris und seinen Folgen führte. Diese kanonische Version war beispielsweise in den ‘Kyprien’ dargestellt (Frg. 1 Bern.; Procl. Chr. p. 38,4 - 39,8 Bern.: (80= AE7+8I8: ! / μ8: < : K= '#μ/ ; E= C8@3 : EH %@./ -EH CE+#μE7. C! @! >8)Eμ#)5 ; 9 B@/ = 8? .1E7μ#).) : F) 28F) G) : EJ= &5- 14 Nachgeahmt scheint PMGF 223,4 auch bei Theoc. 12,5, wo das Adjektiv : @">! μE= in allgemeiner Form Verwendung findet. 15 So Schneidewin 1839, 330, Vürtheim 1919, 60 f., Davison 1968, 199 f., Farina 1968, 14, Bowra 1970, 97 und Campbell 1991, 157. 16 Zur Heirat der Helena mit Deiphobos und zu dessen folgerichtiger Tötung durch Menelaos cf. Hom. Od. 8,517-520, die ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,10 Bern. (μ8: < ; 9 : ! H: ! *5"4EAE= D+#)5) >! μ8J. - “Danach aber [sc. nach dem Tod des Paris] heiratet Deiphobos die Helena.”), die ‘Iliupersis’ bzw. Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15 Bern. und Apollod. Epit. 5,9 und 5,22 sowie die umstrittenen Verse von Eur. Tr. 959 f. 17 So etwa Seeliger 1886, 5, von Holzinger 1895, 295, Ghali-Kahil 1955, 41 und Kannicht 1969, 39 Anm. 24. <?page no="32"?> Kapitel 3 18 5&7F #'μ-; F 2! G8-F +! )6 8'55-=F 42%C@AC; 2 .>A2L, H)0 8$6 .: )-"%@I, $E +)3F .5&/ $2")-2 ,2 B"I 8$@< (; 3F +)-C@$#92 ? : K J)μ-D +)3F @92 8)%C; 2 1#-2@$; * 8$6 +)-8)%2! ; @92 .: )-"%@A2 ,+$)>! 6F @-GF J5&2AF #'μ-; F .5&/ $2"- )-F. - “Zeus berät sich mit Themis über den Trojanischen Krieg. Nachdem aber Eris dazugekommen ist, während die Götter auf der Hochzeit des Peleus schmausen, erregt sie bei Athene, Hera und Aphrodite Streit wegen der Schönheit. Diese werden auf Befehl des Zeus von Hermes zu Alexander auf den Ida geführt zum Zweck der Entscheidung. Und Alexander gibt Aphrodite den Vorzug, weil er durch die Hochzeit mit Helena dazu verleitet ist.”) 18 , lässt sich aber mit der Darstellung des Stesichoros nicht in Einklang bringen, weil Aphrodite in den ‘Kyprien’ in dem Moment, in dem sie Paris die Hochzeit mit Helena in Aussicht stellt, nicht wie bei Stesichoros (kausal) aus verletzter Ehre und Zorn handelt, sondern (final) mit dem Ziel, den ersten Schönheitspreis vor den anderen Göttinnen zu gewinnen. Die Mythenversion des Stesichoros zeigt also in einem entscheidenden Punkt eine Abweichung von der panhellenischen Version, wie sie von den Kyklischen Epen repräsentiert wird. Ob diese Abweichung aber einer lokalen Mythenversion entspricht, wird erst die weitere Untersuchung zeigen können. 3.3 Stesichoros und der Kult der Aphrodite in Sparta Wie wir soeben gesehen haben, läuft sowohl die Schilderung von PMGF 223 wie auch diejenige von Hes. Frg. 176 M.-W. auf die Brandmarkung von Helenas Ehebruch zu, stellt also den Konflikt zwischen Aphrodite und Helena in den Mittelpunkt, wenn dieser auch in den beiden Fragmenten unterschiedlich begründet wird. Die hinter diesen Fragmenten stehende Tradition kann somit als Beispiel des für den griechischen Mythos typischen Konflikts zwischen einem Gott und einem ihm wesensähnlichen Heros interpretiert werden 19 . Dieser Konflikt zwischen der Liebesgöttin Aphrodite und ihrer irdischen Doppelgängerin Helena fand ihren unnachahmlichen Ausdruck im dritten Buch der ‘Ilias’, in der Szene, in der Aph- 18 Weitere Belege für die Auslösung des Trojanischen Kriegs zum Zweck der Entlastung der Erde bzw. der Auslöschung der Menschheit wegen allgemeinen Sittenverfalls liegen vor bei Hes. Frg. 204,95-101 M.-W.; Eur. Hel. 36-41und Eur. Or. 1639-1642 (mit den Scholien zu V. 1641, I p. 236,4-11 Schwartz) sowie in den A Scholien zu Hom. Il. 1,5-6, I p. 6,11-21 Dind. (gefolgt von den Anecdota Oxon. IV p. 405,6-8 und p. 405,27 - 406,1 Cramer) und auf P. Oxy. 3829 col. II 9-22; cf. die Besprechung der Quellen und die Hinweise auf nahöstliche und indogermanische Parallelen bei Burkert 1984, 95-99 und West 1997, 480-482. 19 Zu diesem Muster, das im griechischen Mythos immer wieder anzutreffen ist, grundlegend Burkert 1975, 19 und Burkert 1977, 291 und 311 (bzw. Burkert 2011, 288 und 309). <?page no="33"?> Sparta 19 rodite nach dem Duell zwischen Menelaos und Paris der Helena ihre Macht zeigt, aber Helena ihrerseits sich ebenfalls nicht scheut, ihrem Unmut gegenüber Aphrodite Luft zu machen 20 . Dieser Szene steht das Fragment Hesiods mit seinem einfachen Hinweis auf den Neid der Göttin bzw. auf die Rivalität zwischen Aphrodite und den Töchtern des Tyndareos näher als die Verse des Stesichoros, die vor allem auf das Vergehen des Tyndareos abheben. Wie Stesichoros dazu kam, mit Tyndareos einen zusätzlichen Akteur in den Konflikt zwischen Göttin und Heroine einzuführen, können Hinweise des Pausanias auf den Aphrodite-Kult in Sparta erhellen 21 . Nach Pausanias’ Schilderung gab es in Sparta nämlich einen merkwürdigen Doppeltempel für die Aphrodite Hoplismene und für die Aphrodite Morpho. Der Tempel für Hoplismene habe gewissermaßen das Erdgeschoss gebildet, das Heiligtum für Morpho gleichsam ein Obergeschoss (Paus. 3,15,10: +)-MDG-.&F O5 -S +-D1 DA_-( ; &$3C -S μ#Z^(, ; +3 O5 ^S$H C^2( >)]^/ -( E^3 <_)-O! $I( BA^C-C P+DF&μ#CI(. C^JC O5 7C -WO^ μACN $-@$N E^3 R+M)H-C =DD- ; +NE-OAμI$^F *-)_-.( XM)AC. - “Wenn man aber ein wenig weiter geht, erscheint eine kleine Erhöhung, auf welcher sich ein alter Tempel befindet und ein Standbild der bewaffneten Aphrodite. Von allen Tempeln, die ich kenne, ist dies der einzige, auf den ein zweites Stockwerk gesetzt ist, ein Heiligtum der Morpho.”) 22 . Aphrodite Morpho sei als sitzende Göttin dargestellt, sei mit einem Schleier verhüllt und trage Fußfesseln (Paus. 3,15,11: ; +! EDI&F( μ5C O4 $0( <_)-O! $I( ; &$3C 8 *-)_? , E%GI$^F O5 E^D@+$)^C $M : ]-"&^ E^3 +#O^( +M)3 $-/ ( +-&! . - “Der Beiname der Aphrodite ist ‘Morpho’; sie ist sitzend dargestellt und trägt einen Schleier und Fesseln um die Füße.”). Die Erklärung für diesen Kultbrauch sei allerdings umstritten. Fest stehe, dass Tyndareos dem Kultbild die Fesseln umgelegt habe, aber es sei nicht klar, ob er es getan habe, um in einer Form der Analogiewirkung die eheliche Treue der Frauen von Sparta sicherzustellen, oder ob er damit Aphrodite für die Schande habe bestrafen wollen, die sie über seine Töchter gebracht habe. Pausanias freilich bekennt sich klar zur ersten Version (3,15,11: +M)FGM/ C^F O# -X '"CO%)M[C $6( +#O^( _^&3C >_-μ-F- -.C$^ $-/ ( OM&μ-/ ( $2 ; ( $-1( &"C-FE-.C$^( $JC Z"C^FEJC \#\^F-C. $2C Z6) O4 9$M)-C DAZ-C, P( $4C GM2C +#O^F( ; $Fμ[)M/ $- U '"CO%)M[(, ZMC#&G^F $^/ ( G"- Z^$)%&FC ; B <_)-O! $I( 8Z-@μMC-( $6 VCM! OI, $-.$-C -SO5 >)]4C +)-&! Mμ^F, YC Z6) O4 +^C$%+^&FC MQIGM( E#O)-" +-FI&%μMC-C KLOF-C E^3 TC-μ^ <_)-O! $IC 20 Hom. Il. 3,380-420. 21 Kurze Hinweise auf den Zusammenhang zwischen den mythischen Traditionen und der kultischen Situation in Sparta bereits bei Homeyer 1977, 18 Anm. 6 und Cerri 1993, 333 f. 22 Weitere Belege für den Kult der Aphrodite Hoplismene oder Enoplios in Sparta sind Plut. Inst. Lac. 28, 239 a, Plut. Fort. Rom. 4, 317 f, Lact. inst. 1,20,29-32 und IG V 1, 602,9; cf. Ziehen 1929, 1471-1474. <?page no="34"?> Kapitel 3 20 ? ! μB; +; 5<)QAB>; 8μ: ; B$? O> "I; ? BP; . - “Man sagt, dass Tyndareos ihr die Fesseln umgelegt und damit die Beständigkeit der Frauen gegenüber ihren Ehemännern nachgebildet habe. Die andere Erzählung nämlich, dass Tyndareos sich mit den Fesseln an der Göttin gerächt habe, weil er glaubte, dass die Schande seinen Töchtern von der Göttin her gekommen sei, die lasse ich in keiner Weise gelten. Es wäre nämlich ganz und gar töricht gewesen, eine Gestalt aus Zedernholz anzufertigen, dieser den Namen ‘Aphrodite’ beizulegen und darauf zu hoffen, sich so an der Göttin zu rächen.”). Weitere Information zu diesem Kultbrauch findet sich in den Scholien zu Lykophrons ‘Alexandra’ 23 . Danach bestand Uneinigkeit vor allem in der Frage, wer der Aphrodite diese Fesseln umgelegt habe, ob es der Gesetzgeber Lykurgos gewesen sei, der damit die sittliche Stärke der Frauen von Sparta sicherstellen wollte, oder ob es König Tyndareos gewesen sei, der damit auf die von Aphrodite bewirkten Verirrungen seiner Tochter Helena reagierte (Scholia vetera zu Lyc. Alex. 449 p. 87,15-18 Leone [= p. 165,16-19 Scheer]: "H CJ '+(RG "+."+ "H -PO; P; RO$> )B)+>0$? O> 6R(+CQ"E L)H *O- =BCOQμ+; +& ; +μ+? ! "+T O1; >-Oμ! ; +T "H μI 8$B<DOQ; B>; "K& )O(? ! ; +T& 2 )BQ- $B$? O> "OM"K "/ ? BF. +N CJ %T; C#(B9; RO$> C>K "H 7μ#("@μO 4<! ; @&. - “Man sagt, dass dieses Standbild der Morpho vom Gesetzgeber Spartas für Aphrodite angefertigt worden sei, der damit andeutete, dass die Mädchen sich nicht frech benehmen sollten oder sonst dasselbe erleiden würden wie die Göttin. Andere aber sagen, dass Tyndareos es angefertigt habe wegen der Verfehlung der Helena.”). Trotz diesem abweichenden Hinweis auf Lykurgos besteht dennoch eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen den beiden Darstellungen, nämlich die Heranziehung von jeweils zwei Erklärungen: Nach der ersten Erklärung repräsentierte Aphrodite die weibliche Schönheit 24 und Sexualität und musste deswegen von einem verantwortungsbewussten Staatsmann - ob es nun Tyndareos war oder Lykurgos - im Interesse eines geordneten Familienlebens domestiziert werden. Diese Erklärung, die der von der modernen Religionswissenschaft gegebenen Deutung 25 einigermaßen entspricht, weist somit einen rationalistischen und systematisierenden Charakter auf und verrät eben dadurch ihre relativ späte Entstehung. Nach der zweiten von Pausanias bzw. den Scholien referierten Erklärung handelte es sich dagegen nicht so sehr um eine allgemeine gesellschaftliche Frage, sondern um einen einzelnen Vorfall, auf den eine Person des Mythos, König Tyndareos, reagierte. Die jeweils an zweiter Stelle genannte Erklärung hat also alle Züge eines mythischen Aitions, mit dem ein Kultbrauch der Ge- 23 Lediglich eine Glosse zeigt Hsch. μ 1697 Latte ('+(R9, 3 6R(+CQ"@). 24 Die Kultepiklese '+(R9 ist von 3 μ+(RS - ‘Schönheit’ abgeleitet; cf. Chantraine 1968, 714 (kaum haltbar dagegen die Position von Wide 1893, 140 f., der die Epiklese von μ+(R; P& - ‘dunkel’ ableitet und daher an eine chthonische Gottheit denkt). 25 Cf. die Deutung von Pirenne-Delforge 1994, 200-204 und 207. <?page no="35"?> Sparta 21 genwart gerechtfertigt wird, und dürfte damit der alternativen Erklärung zeitlich vorangehen. Dass dieses Aition in der Tat schon sehr alt sein muss, zeigt nicht nur der Hinweis des Pausanias auf das Alter der Tempelanlage (3,15,10: ! "$' %(&"#)'), sondern eben auch der Umstand, dass diese Erzählung von der genealogischen Katalogdichtung in ihr Repertoire aufgenommen wurde 26 . Im nun schon mehrfach erwähnten Hesiod-Fragment ist nämlich wie bei Pausanias von den Tyndareos-Töchtern als Kollektivum die Rede. Wie bei Pausanias gelten alle drei Töchter als Ehebrecherinnen und wieder ist die letztinstanzliche Schuld bei Aphrodite zu suchen. Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied: Der Katalogdichter spricht von keiner Kultstatue und auch von keinem lokalen Aphrodite-Kult. Die Geschichte hat bei ihm also ihren aitiologischen Schluss verloren, oder anders formuliert: sie ist Teil einer epischen oder mythischen Tradition geworden, die sich nicht mehr um lokale Bezüge kümmert, und kann eben deshalb als panhellenischer Mythos gelten 27 . Was sich im Frauenkatalog anstelle einer Bezugnahme auf lokale Gegebenheiten findet, ist somit das oben erwähnte Muster des typischen Konflikts zwischen einer Gottheit und ihrem irdischen Doppelgänger und die Erklärung dieses Konflikts durch das Motiv des Götterneides. Mit anderen Worten, die epische Tradition griff wahrscheinlich schon lange vor dem Dichter der ‘Ehoien’ ein lokales kultisches Aition auf, unterzog es aber einem ‘Reinigungsprozess’ und ordnete es so um, dass es möglichst gut in die typischen epischen Erzählmuster passte. Wenn wir nun noch einmal zu Stesichoros und zu Frg. 223 zurückschauen, so können wir feststellen, dass Stesichoros’ Text gegenüber Hesiod ein zusätzliches Motiv aufweist, eben den Zorn der Göttin, der durch die vergessenen Opfer des Tyndareos verursacht war. Dass die Person des Tyndareos hier mit ins Spiel kommt, ist nun nicht mehr schwer zu erklären: Tyndareos steht bei Stesichoros genauso in einem Konflikt mit Aphrodite wie bei Pausanias bzw. wie in der kultischen Tradition, die Pausanias referiert; Stesichoros macht also den oben beschriebenen epischen ‘Reinigungsprozess’ zum Teil rückgängig und nähert sich wieder der authentischen kultischen Tradition an. Schwerer zu erklären ist dagegen die Form, die dieser Konflikt bei Stesichoros annimmt, also das Motiv des vergessenen Opfers. Eine an sich naheliegende Erklärung müsste aber auszuschließen sein, nämlich dass Stesichoros dieses Erzählmotiv in spartanischen Kultaitien vorfand. Denn das Motiv der vergessenen Opfer ist zwar ein recht geläufi- 26 Die Annahme von Seeliger 1886, 4 Anm. 2 und Ghali-Kahil 1955, 41 Anm. 2, dass die Passage des Pausanias sich nicht auf eine alte Tradition beziehen könne, ist also nicht plausibel. 27 Zu diesem Phänomen der Loslösung aitiologischer Mythen von ihrem kultischen Hintergrund cf. allgemein Nilsson 1967, 27. <?page no="36"?> Kapitel 3 22 ges Erzählmotiv, mit dem bestimmte Kultbräuche erklärt werden. Aber wenn Pausanias im Zusammenhang mit bestimmten Riten auf solche Erklärungen stieß, dann erwähnt er diese in seinem Werk auch, so etwa bei den Kultbräuchen für Artemis in Stymphalos (Zentralarkadien) und bei denen für Demeter Melaina in Phigalia (Südwestarkadien) 28 . In der Beschreibung des Kults von Aphrodite Morpho in Sparta fehlen dagegen solche Hinweise, und Pausanias weist sogar explizit darauf hin, dass Tyndareos mit vollem Bewusstsein die Göttin strafte und nicht seinerseits für ein Vergehen von ihr gestraft wurde. Wir sind also gehalten, eine andere Erklärung für dieses Zusatzmotiv bei Stesichoros zu finden. Eine weitere Motivtradition, die sich ebenfalls auf die lokalen Verhältnisse Spartas bezieht und daher unter Umständen die Erklärung für die Darstellung des Stesichoros geben könnte, findet sich beim spätantiken Rhetor Chorikios von Gaza in Rede 29. Danach seien einst die spartanischen Mädchen plötzlich alle hässlich zur Welt gekommen, weil die kurz zuvor beleidigte Aphrodite Sparta gegenüber einen Zorn gefasst habe. Dies habe auf Anraten des Orakels von Delphi dazu geführt, dass die Spartaner beim athenischen Bildhauer Praxiteles eine Statue der Göttin in Auftrag gaben, die dieser aber nach dem Modell seiner Geliebten, der Hetäre Phryne, gefertigt habe, worauf wieder neuer Streit entstand 29 . Diese Erzählung kann natürlich schon aus chronologischen Gründen Stesichoros nicht als Vorbild gedient haben, weil Praxiteles erst im vierten Jahrhundert lebte und wirkte. Aber es scheint auch keine ältere Tradition dahinterzustehen, die Einfluss auf Stesichoros ausgeübt haben könnte, weil das Thema dieser Rede in der rhetorischen Tradition vor Chorikios nicht belegt und daher wohl als freie Erfindung des Rhetors aus Gaza anzusehen ist 30 . Chorikios übertrug insbesondere die Nachricht, wonach Praxiteles das Bild der berühmten knidischen Aphrodite nach dem Vorbild der Phryne hergestellt habe 31 , auf eine fiktive spartanische Statue der Göttin. Eine weitere Erzähltradition, an die Chorikios offenbar anknüpfte, ist die Geschichte von der Frau des spartanischen König Ariston, die einst als hässliches Kind zur Welt gekommen war und erst im Temenos der Helena in Therapne Hei- 28 Paus. 8,22,7-9 bzw. 8,42,5-13; cf. die Erläuterungen bei Grossardt 2001, 264 f. 29 Chor. Or. 29, p. 313 sq. Förster/ Richtsteig ()B; 6; *O=AKO! μ: ; > ? @<A>B; O3+$8B; )>=): μ#; P; )J; 0">; 4<? : ; A3- ,A<&: H- *O=AKO>μN; >: > 9A(+NμA; : > ): C 9%? : (- )J; 2O+>; . 5$8@+A; 1 ? AI- =O). μF; >; 7&8: K! )@- / M8>+μ#; @- )> 98L@; 6μ9A+AD; )E '9%8)G )I ; N+@μO ... - “Weil die weiblichen Kinder in Sparta hässlich von Angesicht geboren wurden, gelangten die Lakedämonier nach Delphi, um sich nach einer Heilungsmöglichkeit für das Leiden zu erkundigen. Der Gott erteilte ihnen das Orakel, dass die Krankheit Sparta wegen des Zorns der Aphrodite befallen habe, die kürzlich ein Unrecht erlitten habe ...”). 30 So Förster 1894, 170. 31 Ath. 13, 591a. <?page no="37"?> Sparta 23 lung von ihrer Entstellung fand 32 . Nicht zuletzt ließ der spätantike Rhetor sich aber auch in freier Weise von verschiedenen Traditionen anregen, die vom Zorn der Aphrodite berichteten 33 . Wenn also überhaupt eine Verbindung zwischen den Erzählungen vorliegt, die Stesichoros und Chorikios wiedergeben, so war es die Erzählung des Stesichoros, die auf Chorikios einwirkte. Stesichoros selbst zeigt somit keine Spuren einer Tradition, deren spätester Ausläufer noch bei Chorikios vorläge. Eine plausiblere Erklärung wäre daher die, dass in PMGF 223 einfach ein Wandermotiv vorliegt. A. Lesky hat sich diese Erklärung in seiner berühmten Studie zum Mythos der Alkestis zunutze gemacht, als er zu begründen versuchte, warum spätere Nacherzählungen der Geschichte im Unterschied zur Darstellung des Euripides den Zorn der Artemis mit den vergessenen Opfern des Admetos erklären 34 . In der Tat ist das Motiv der ausbleibenden Opfergaben relativ häufig, und es lässt sich neben den bereits erwähnten Kultaitien von Stymphalos und Phigalia etwa noch auf Hom. Od. 4,351-353 bzw. 4,472-474 hinweisen, wo Menelaos für seine versäumten Opfer von den Göttern mit Windstille gestraft wird. Relativ zahlreich sind solche Mythen in der ‘Bibliotheke’ des Apollodoros vertreten, der zwar manchmal nicht direkt von vergessenen Opfern spricht, aber doch immer von fehlender Ehrerbietung gegenüber einer Gottheit, womit im Grunde dann doch stets unterlassene Opfer gemeint sein müssen. Ein berühmtes Beispiel ist die soeben evozierte Geschichte von Admetos und Alkestis 35 . Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Mythos von der fehlenden Ehrerbietung des thessalischen Königs Pelias gegenüber Hera, was zuletzt zu dessen Untergang führte 36 . Besonders interessant für unsere Frage sind Mythen, in denen Aphrodite das Opfer der fehlenden Ehrerbietung ist. Eher marginal im Kontext des griechischen Mythos ist dabei die Erzählung von der fehlenden Achtung der assyrischen Jungfrau Smyrna gegenüber Aphrodite, was diese damit bestrafte, dass sie Smyrna in heißer Liebe zu deren eigenem Vater Theias entbrennen ließ 37 . Ganz zentral für einen der großen griechischen Sagenkreise ist dagegen wieder die Geschichte vom anhaltenden Zorn der Aphrodite, die über längere Zeit hin- 32 Hdt. 6,61. 33 Cf. die folgende Diskussion. 34 Lesky 1925, 38 (“... wenn wir aber bedenken, daß der Zorn der vernachlässigten Göttin ein häufiges Wandermotiv ist ...”). 35 Apollod. Bibl. 1,9,15 (A175 $6 I5 C/ H) %*μ/ >) I2#8*A#C/ ,+C(μ>$> AFE&>. - “Als er aber [sc. Admetos] bei den Hochzeitsfeierlichkeiten opferte, vergaß er, der Artemis zu opfern.”). 36 Apollod. Bibl. 1,9,8 (; &0 ; &A48/ @ $>#C(8#> C35 D+&5 .C>μ*"75 - “und er [sc. Pelias] fuhr beständig fort, Hera zu missachten”) und 1,9,16. 37 Apollod. Bibl. 3,14,4 (&<C! ; &C9 μJ5>5 ,=+/ $'C! ) - / ? %9+ &? C35 IC'μ& - BE: #> C/ F -&C+K) G+7C& ... - “Diese wurde wegen des Zorns der Aphrodite - sie ehrte sie nämlich nicht - von Liebe zu ihrem Vater ergriffen ...”). <?page no="38"?> Kapitel 3 24 weg von den Frauen von Lemnos nicht mehr geehrt worden war und diese deshalb mit einem üblen Geruch bestraft hatte, was zuletzt zum lemnischen Männermord führte, und in diesem Fall entkräften die Parallelquellen jeden Zweifel, dass hier an unterlassene Opfer gedacht ist 38 . Da der Mythos vom lemnischen Männermord schon früh paradigmatische Bedeutung erlangte 39 (und natürlich überhaupt schon in den frühesten Erzählungen vom Argonautenzug vorausgesetzt ist 40 ), kann er also durchaus dem Stesichoros wichtige Anregung für seine Gestaltung von PMGF 223 gegeben haben. Dennoch dürfte die Hypothese eines einfachen Wandermotivs oder diejenige eines freien Bezugs auf den Mythos vom lemnischen Männermord nicht die ganze und nicht einmal die hauptsächliche Erklärung für PMGF 223 sein. Deutlich wird dies durch das weitaus berühmteste Beispiel für vergessene Opfer und daraus resultierenden Götterzorn, nämlich durch den Mythos von der Kalydonischen Jagd, wie er vor allem im 9. Buch der ‘Ilias’ dargestellt ist 41 . Danach hatte König Oineus von Kalydon in Aitolien bei den allgemeinen Opferfeiern für die Götter einzig die Artemis vergessen, die darauf in Zorn geriet und sich durch die Aussendung des kalydonischen Ebers an der Bevölkerung rächte. Dieser Mythos dürfte in seinem Kern die aitolischen Feuervernichtungsopfer der Artemis Laphria gespiegelt haben, wenn auch bereits der Iliasdichter eine starke Umformung des Mythos vornimmt 42 . Die Parallelen zwischen dem Mythos von der Kalydonischen Jagd und der Geschichte von Tyndareos und Aphrodite bestehen zunächst vor allem in der Personenkonstellation, d.h. ein älterer König steht einer eifersüchtigen Göttin gegenüber und erregt durch ein unabsichtliches Vergehen ihren Zorn; die Leidtragenden dieses Zorns sind dann vor allem die (erwachsenen) Kinder des Königs, denn ebenso wie die Töchter des Tyndareos gestraft werden, so trifft das Leid auch die Söhne des Oineus, d.h. sein Sohn 38 Cf. Apoll. Rhod. 1,609-632 (V. 614 f.: ,-! 7 ; 53/ ) $E14) B-$? ! / / *2-+9"/ ), / =1! 6' μ91 #! +'81 ,-7 "<+41 0A9CC$1. - “Denn diese bedrängte der schreckliche Zorn der Kypris, weil sie ihr für lange Zeit die Ehrengaben vorenthalten hatten.”); D. Chr. 33,50; Apollod. Bibl. 1,9,17 ($D (&μ19$9 A: 1 .>+/ "%A<1 / @6 ,A%μ81. - “Die Lemnierinnen ehrten Aphrodite nicht.”); Scholien zu Pind. P. 4,50, II p. 109,14-18 Drachm.; Scholien zu Apoll. Rhod. 1,609-619, p. 53,18 - 54,6 Wendel und Hyg. fab. 15,1 (in insula Lemno mulieres Veneri sacra aliquot annos non fecerant ... - “Auf der Insel Lemnos hatten die Frauen während einiger Jahre nicht der Venus geopfert ...”). 39 So bei Pind. P. 4,252, Aisch. Ch. 631-634, Eur. Hec. 887 und Hdt. 6,138,4. 40 Cf. oben Kap. 1, Anm. 18 mit dem Hinweis auf die Erwähnung von Jasons Sohn Euneos in Hom. Il. 7,467-469; 21,40 f. und 23,746 f. 41 Hinweise auf die Parallele zu PMGF 223 bereits bei Schmid 1929, 476 Anm. 4 und Davison 1968, 199, wo jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis postuliert ist. 42 Cf. die Diskussion bei Grossardt 2001, 261-269 bzw. 9-40. <?page no="39"?> Sparta 25 Agelaos stirbt durch die Hauer des Ebers 43 und sein ältester Sohn Meleagros stirbt zuletzt nach langen Verwicklungen, aber indirekt immer noch als Folge des Zorns der Artemis, durch die Hand seiner eigenen Mutter. Dass Stesichoros hier tatsächlich von der ‘Ilias’ abhing 44 , zeigen bestimmte verbale Parallelen zwischen den Hexametern aus der ‘Ilias’ und den daktyloepitritischen Versen des Stesichoros. So findet die Formulierung für die (ausbleibende) Opferhandlung des Oineus (Il. 9,535: &G/ ! <C 0$-9; 9,536: +D5 ,EE! -! ) ihre Parallele in derselben Formulierung in PMGF 223,2 (0$A4/ ); die Hervorhebung der Göttin, der als einziger die Ehre verweigert wurde (Il. 9,536: +F6), findet sich bei Stesichoros in einem Synonym wieder (PMGF 223,2: μ1/ #C); die Ausdrücke für das Vergessen sind identisch bis hin zur Weglassung des Augments und zur Elision des Schlussvokals (Il. 9,537: 2%; ! =9; PMGF 223,2: 2%; ! =9), und die für den Zorn der Göttin gebrauchte partizipiale Wendung unterscheidet sich nur durch die ionische bzw. dorische Vokalisierung (Il. 9,538: 7+24@#μ$/ >; PMGF 223,4: 7+24@#μ$/ #). Dass Stesichoros in seinen Versen über die Töchter des Tyndareos einen so engen Anschluss an die homerische Fassung der Geschichte von der Kalydonischen Jagd suchte, ist natürlich kein Zufall. Denn zu seinen wichtigen Liedern mythischen Inhalts zählten nicht zuletzt die ‘Syotherai’, eine gehaltvolle Darstellung des Mythos von der Kalydonischen Eberjagd 45 , und auch hier finden sich wörtliche Anklänge an die entsprechende Passage aus der ‘Ilias’, so vor allem in der Beschreibung des Völkerstammes der Aitoler, die in der ‘Ilias’ eine der beiden Kriegsparteien bilden und bei Stesichoros zu den Jagdteilnehmern zählen 46 , aber wahrscheinlich auch in der Beschreibung, wie Artemis den Eber aussandte 47 . 43 Bakch. Epin. 5,115-120. 44 Wie es Burkert 1977, 331 Anm. 3 (bzw. Burkert 2011, 331 Anm. 3) zu postulieren scheint. 45 Die Frage, ob die einschlägigen Fragmente von P. Oxy. 2359 (= PMGF 222) und P. Oxy. 3876 (= PMGF 222[a]) alle den ‘Syotherai’ zugehören oder ob sie verschiedenen Gedichten zuzuweisen sind, braucht uns hier nicht zu beschäftigen, da sie jedenfalls mit der Kalydonischen Jagd befasst sind und somit als Beweis dafür dienen können, dass Stesichoros das neunte Buch der ‘Ilias’ kannte. 46 Cf. den Hexameter in Hom. Il. 9,529 ('+: E3=$C =! μ%7+/ =+ 5#? *G=42+? μ! / ! 7%Eμ#8 - “die Kureten kämpften und die wehrhaften Aitoler”) mit der Schilderung der verschiedenen Kontingente von Jägern in Stesich. PMGF 222 col. II, Zeile 8 f. (,/ ; ! / "9 #B (E.+)[$C] =! 5#[? *G=4-] / / 2+? μ! / ! 7%Eμ#[8] - “von der einen Seite her aber wiederum die Dryoper und die wehrhaften Aitoler”). Da die zwei Zeilen bei Stesichoros, versübergreifend gelesen, ebenfalls einen Hexameter bilden, und da μ! / ! 7%Eμ>C bei Homer nur in Il. 9,529 im Plural erscheint, liegt hier gewissermaßen die Übernahme einer singulären homerischen Formel vor, und der bewusste Rückbezug auf das homerische Epos durch Stesichoros ist praktisch gesichert; cf. Grossardt 2001, 57 f. 47 Cf. die Parallele von Hom. Il. 9,531 und 9,538 f. mit Stesich. PMGF 222(a), Frg. 2 + 6b (im einzelnen ausgeführt bei Grossardt 2001, 54 f. und Schade 2003, 66-69). <?page no="40"?> Kapitel 3 26 Somit ergibt sich das interessante Resultat, dass Stesichoros das Motiv der vergessenen Opfer und des dadurch verursachten Zorns der Aphrodite weder aus dem spartanischen Aphrodite-Kult noch aus sonstigen Kulten oder Mythen der Aphrodite übernahm, sondern es in freier Weise von Kalydon auf Sparta und von Artemis auf Aphrodite übertrug. Er scheute sich also weder, Elemente eines fremden Kultes in seine Beschreibung einer spartanischen Kulttradition einzugliedern, noch, Wesenszüge einer Göttin einer anderen zu verleihen und so insgesamt eine ganz eigene kultische und mythische Welt zu erschaffen. 3.4 Die Frage nach Werkzugehörigkeit von PMGF 223 Die Frage nach der Zugehörigkeit von PMGF 223 zu einem bestimmten Lied des Stesichoros ist heute immer noch so unklar und umstritten wie im neunzehnten Jahrhundert, und moderne Herausgeber tun vielleicht gut daran, die Frage offen zu lassen 48 . Will man das Problem dennoch einer Lösung näherbringen, so kommen drei Werke des Stesichoros in Frage, die ‘Oresteia’, die ‘Iliupersis’ und die ‘Helena’. Für die ‘Oresteia’ hatten sich einst J. Geel und U. von Wilamowitz- Moellendorff ausgesprochen und noch im zwanzigsten Jahrhundert J. Defradas und E. L. Bowie 49 , die zum Teil inhaltliche und metrische Argumente ins Feld führten, aber auch darauf hinwiesen, dass die Scholiasten zum ‘Orestes’ des Euripides, die die Stesichoros-Verse zitieren, eine natürliche Tendenz haben mussten, die ‘Oresteia’ des Stesichoros zu konsultieren. Dennoch hat dieser Lösungsvorschlag keine große Wahrscheinlichkeit für sich. Wie wir oben gesehen haben, lässt Stesichoros (ebenso wie Hes. Frg. 176 M.-W.) die Verse im Hinweis auf den mehrfachen Ehebruch der Helena kulminieren, die damit sogar noch ihre untreuen Schwestern überbietet. Es handelte sich daher sicher um ein Gedicht, welches Helena und nicht Klytaimestra zur zentralen Person machte. In der ‘Oresteia’, die auf den Konflikt zwischen Orestes und seiner Mutter Klytaimestra fokussiert war, kann aber Helena auf keinen Fall die zentrale Person gewesen sein. Die ‘Oresteia’ lässt sich daher als originaler Kontext von PMGF 223 mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. 48 So Page 1962 (PMG 223), Davies 1991 (PMGF 223) und Campbell 1991 (Frg. 223), die den Textausschnitt einhellig den Fragmenten unsicherer Provenienz zurechnen. 49 Geel 1838-1839, 7; von Wilamowitz-Moellendorff 1896, 248; Defradas 1954, 174; Bowie 1993, 23 f. (zwischen der ‘Oresteia’ und der ‘Helena’ schwankend Seeliger 1920, 368). <?page no="41"?> Sparta 27 Eine weitere Zuweisung des Fragments, die im neunzehnten Jahrhundert recht verbreitet war, ist diejenige an die ‘Iliupersis’ 50 . Die Verse wären dann natürlich nicht ein Teil der eigentlichen Handlung mit der Schilderung der Eroberung der Stadt gewesen. Aber sie könnten Teil der Vorgeschichte gewesen sein. Wenn wir, wie oben vorgeschlagen, annehmen, dass mit den drei Ehemännern der Helena, auf die in PMGF 223 mit dem Ausdruck #$"'! μ%& angespielt ist, Menelaos, Paris und Deiphobos gemeint sind, dann wäre eine solche Bezugnahme auf die Vorgeschichte sicher sinnvoll gewesen. Denn die Ermordung des Deiphobos durch den hintergangenen Ehemann Menelaos gehörte zu den Standardelementen bei der Schilderung der Eroberung Trojas 51 und kann daher auch in Stesichoros’ Darstellung kaum gefehlt haben. Die Geschichte von der einstigen Verfehlung des Tyndareos gegenüber Aphrodite hätte also in einem langen Spannungsbogen auf dieses doch recht wichtige Motiv aus der Endphase des Kriegs vorausgedeutet. Allerdings stellen sich auch einer solchen Annahme Schwierigkeiten entgegen, insbesondere diejenige, dass die daktyloepitritischen Verse von PMGF 223 mit den metrischen Mustern der ‘Iliupersis’ (PMGF 196-205; PMGF S 88-132) und des ‘Hölzernen Pferds’ (PMGF S 133-147) anscheinend nicht in Deckung zu bringen sind und deshalb kaum einem dieser beiden Lieder angehört haben können. Es bleibt somit als dritte Möglichkeit die Zuweisung des Fragments an die ‘Helena’ 52 . Mit dem Hinweis auf die mehrfache Verheiratung der Helena in PMGF 223 wäre demnach der Boden bereitet worden für die schließliche Mythenkorrektur in der ‘Palinodie’ bzw. für die moralische Reinigung der Heroine, die nicht einmal mit Paris die Ehe gebrochen habe und erst recht nicht mit Deiphobos eine dritte Ehe eingegangen sei. Dies klingt recht plausibel, zumal das metrische Muster von PMGF 223 am ehesten mit den sicher zugewiesenen Fragmenten der ‘Helena’ in Übereinstimmung zu bringen ist 53 . Ein weiteres Argument lässt sich zudem aus den obigen Überlegungen ableiten: Wie wir gesehen haben, nimmt unser Fragment wahrscheinlich freien Bezug auf den Kult der Aphrodite Morpho von Sparta, und genau solche lokale Bezüge lassen sich auch für die sicheren Fragmente der ‘Helena’ wahrscheinlich machen 54 . 50 So Welcker 1829, 260 (nach Welcker S. 265 und 267 stammen allerdings sowieso sämtliche Fragmente des Stesichoros, die Helena oder Troja betreffen, aus einem einzigen großen Gedicht mit dem Sammeltitel ‘Iliupersis’), Schneidewin 1839, 330 und Bergk 1843, 638. 51 Cf. die oben in Anm. 16 gegebenen Belege. 52 So bereits Blomfield 1823, 339 und danach etwa Bergk 1882, 214, Vürtheim 1919, 60 f., Alsina Clota 1957, 163 f., Bertini 1970, 87, Bowra 1970, 93, Cerri 1993, 334, Austin 1994, 94 und Pallantza 2005, 101. 53 So nach der Analyse von Kannicht 1969, 40. 54 Cf. unten Kap. 4. <?page no="42"?> Kapitel 3 28 Wenn wir diese Zuweisung des Fragments an die ‘Helena’ also im Sinne einer Hypothese akzeptieren und somit auch die Aufführung dieses Textabschnitts vor einem spartanischen Publikum annehmen 55 , so müssen wir zuletzt doch über die Kühnheit des Stesichoros staunen. Stesichoros dichtete für eine lokale Hörerschaft und nahm starken Bezug auf einheimische Riten, schloss sich aber auch an die panhellenische Katalogdichtung an und erlaubte sich vor allem die willkürliche Übertragung eines zentralen Motivs aus einem anderen Mythenkreis, dem der Kalydonischen Jagd, auf die mythische Welt Spartas. Es zeigt sich also zum zweiten Mal, dass die Opposition ‘lokale Mythenversionen’ vs. ‘panhellenische Tradition’ zu einfach ist. Es ist vielmehr so, dass Stesichoros die Grenze zwischen diesen beiden Welten aufhob, ihre einzelnen Elemente miteinander vermischte und auf diese Weise eine dritte mythologische Welt schuf, die aus seiner eigenen Kreativität hervorgegangen war. Und man muss es noch einmal betonen: All dies geschah vor den Augen und Ohren eines sachkundigen einheimischen Publikums, das diese Eigenwilligkeiten sofort bemerkt haben muss. Stesichoros fürchtete offenbar die zu erwartenden Protestäußerungen nicht, ja er muss sogar die Absicht gehabt haben, eben solchen Protest zu provozieren. 55 Zur wahrscheinlichen Aufführung der ‘Helena’ (und der ‘Palinodie’) in Sparta cf. unten Kap. 4. <?page no="43"?> 4 Helena und Menelaos in Stesichoros’ ‘Helena’ Die ‘Helena’ des Stesichoros wird in der Forschung gemeinhin mit der ,%+#'" &)&'(! $*) gleichgesetzt, die Platon in seinem ‘Phaidros’ erwähnt (243 a 5-6) 1 , und die Frage ist dann nur noch, ob die ‘Helena’ und die ‘Palinodie’ zwei getrennte Gedichte waren oder zwei Teile ein und desselben Gedichts. Dies ist aber keineswegs die einzige mögliche Annahme, da der ‘Palinodie’ auch einfach eine Kurzzusammenfassung des traditionellen Mythos von Helenas Ehebruch vorausgegangen sein kann, und die ‘Helena’ in diesem Falle ein eigenständiges Gedicht wäre, das nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der ‘Palinodie’ stand und damit auch nicht die soeben zitierte Bemerkung Platons hervorrief 2 . Der methodisch korrekte Weg ist daher eine separate Besprechung der Fragmente, die von den antiken Quellen der ‘Helena’ zugewiesen sind. Erst danach sind Mutmaßungen über den Zusammenhang zwischen der ‘Helena’ und der ‘Palinodie’ legitim. Wenn wir also die antiken Quellen nach Zeugnissen zur ‘Helena’ durchmustern, so finden sich drei eindeutige Zuweisungen an die ‘Helena’, zwei knappe poetische Auszüge, die Athenaios überliefert (PMGF 187 und 188), und eine generelle Bemerkung über das Verhältnis zwischen der ‘Helena’ und dem 18. Eidyllion Theokrits, die sich in den Theokrit-Scholien findet (PMGF 189). Zu diesen drei unumstrittenen Fragmenten der ‘Helena’ gesellen sich die beiden in den vorangegangenen Kapiteln besprochenen Texte von PMGF 191 und 223 sowie eine Nachricht über die Werbung der griechischen Fürsten um die Hand der spartanischen Prinzessin (PMGF 190). Schließlich wurde in jüngerer Zeit von W. Luppe der Vorschlag unterbreitet, ein neugefundenes Papyrus-Fragment (P. Oxy. 3876 Frg. 35 = PMGF 222[a], Frg. 35), in welchem ein unbekannter Sprecher einer weiblichen Person (Helena? ) fehlende moralische Qualitäten unterstellt, ebenfalls der ‘Helena’ zuzuweisen 3 . Diese verlockende Hypothese stieß allerdings schon bald auf Widerspruch 4 , und da sie sich beim derzeitigen Überlieferungsstand nicht verifizieren lässt, soll das Fragment von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen bleiben, und es soll stattdessen eine Konzentration auf die anderen erwähnten Fragmente erfolgen. Die zentrale Frage wird dabei wiederum sein, ob sich in den einzelnen Fragmenten eine lokale Färbung erkennen lässt oder ob sie eher den panhellenischen Mythenvarianten folgen. 1 So beispielsweise Kannicht 1969, 38-41. 2 Cf. die weitere Besprechung dieser Frage unten in Kap. 6.6. 3 Luppe 1993. 4 So bei Schade 2003, 45-48 und 79, der in der angesprochenen Person sogar einen Knaben und keine Frau vermutet. <?page no="44"?> Kapitel 4 30 Die Grundlage für jede Untersuchung der ‘Helena’ muss Fragment 189 sein, ein Scholion zu den Eidyllien des Theokrit, in dem vermerkt ist, dass Theokrits ‘Hochzeitslied auf Helena’ einige Motive aus der ‘Helena’ des Stesichoros übernommen habe (PMGF 189 = Argumentum Theoc. 18, p. 331,12-13 Wendel: (: D(: (J B4MN==? : < 69? O-'$B(! ? 5=%<A+ 69? @! ='μ? : + >! K 6< ! 1(. (? <! B3=A9(! ? 6> (: D 9-8(: & *(A)? "P-: & 5=%<A+. - “Dieses Eidyllion ist ‘Hochzeitslied der Helena’ überschrieben und in ihm ist manches aus dem ersten Buch der ‘Helena’ des Stesichoros übernommen.”). Da nun Theokrits Eidyllion mit seinem Hinweis auf die typischen spartanischen Mädchenchöre und auf den lokalen Baumkult, den Helena in Sparta bei einer heiligen Platane genoss, stark lokal gefärbt ist 5 und vielleicht sogar auf eine rituelle, jährlich erneuerte Hochzeit von Menelaos und Helena hindeutet 6 , lässt sich vermuten, dass auch PMGF 187 (= Ath. 3, 81d) in diesem Licht zu betrachten ist. Denn die Quitten und das Myrtenlaub sowie die Rosen und Veilchen, die in diesen Versen eine ungenannte Personengruppe ihrem vorbeifahrenden Herrn zuwirft, um ihn zu feiern (9: ==/ μL< ,&M8<? ! μI=! 9: (B--#9(: &< 9: (K M#$-: < 7<! >(? , / / 9: ==/ ML μN-)? <! $N==! / / >! K E: M#<: &+ )(B$'<: &+ 3R< (B >: -R<#M! + : 0=! +. - “Sie warfen viele Quitten dem Herrn zu seinem Wagen hin, aber auch viel Myrtenlaub, Rosenkränze und dichte Kränze von Veilchen.”), sollten auf die Eheschließung von Menelaos und Helena hindeuten 7 , und dann handelt es sich wahrscheinlich nicht nur um eine rein mythische Schilderung, sondern eben auch um eine Bezugnahme auf lokale Riten, die zu Stesichoros’ Zeit (und noch lange danach) in Sparta bestanden. Wenige inhaltliche Schlüsse lassen dagegen die knappen Worte zu einem bestimmten Waschbecken aus Bleisilber in PMGF 188 (=? @! -ON-B: < 9: M! <? 9(G-! ) zu. Doch die Art und Weise, wie Athenaios (10, 451d) das Zitat einführt, deutet doch wieder auf einen zeitgenössischen spartanischen Hintergrund hin. Denn das Fragment folgt bei Athenaios unmittelbar auf zwei andere Fragmente, in denen jeweils von spartanischen Besonderheiten die Rede ist, auf einen Ausschnitt aus einem Satyrspiel des Achaios von Eretria, in dem es um eine bestimmte Flasche und um deren Aufbewahrung in Sparta geht (TrGF 1,20 F 19: =? @'-O&-: + 2=9A 9! -HR-BF(: "-#μ! (: + 9=%! (J< *9! -(? '(A< O-! 9(J< 6< M? 9=. ; N=C ‹>N-Q? <› - “eine Flasche aus Bleisilber war daneben aufgehängt, voll von Salböl, die spartani- 5 Zur (wahrscheinlichen) aitiologischen Funktion, die die Schilderung der rituellen Handlungen in Theoc. 18,38-48 für den spartanischen Baumkult der Helena hatte, cf. bereits Mannhardt 1877, 22 f., Kaibel 1892, 255 f. und Wide 1893, 344 sowie in neuerer Zeit Merkelbach 1957, 20 und Stern 1978, 36. 6 Dies die These von West 1975, 5 und 12. 7 So beispielsweise Welcker 1829, 270, Kaibel 1892, 258, von Wilamowitz-Moellendorff 1913, 241, Vürtheim 1919, 63, Alsina Clota 1957, 167 f., Stern 1978, 30 und Luccioni 1997, 623 f. <?page no="45"?> ‘Helena’ 31 sche Tafel an einem doppelten Holz” 8 ), und auf einen Auszug aus der Schrift (<C= EC23/ .2+8 des Apollonios von Rhodos, in welcher auf die sogenannte >18; &/ 9 *"10-31$, also auf den in Sparta gebräuchlichen Briefstab für die Versendung verschlüsselter Nachrichten, hingedeutet war (Apoll. Rhod. Frg. 22 Michaelis 9 ). Der Hinweis auf Apollonios folgt dabei ganz natürlich auf das Zitat des Achaios, da Athenaios schon in den Versen des Satyrspieldichters eine Hindeutung auf die >18; &/ 9 erkannte und dies nun mit dem Zitat des Apollonios verdeutlicht. Die folgende Erwähnung des Stesichoros wirkt dagegen ziemlich abrupt und kurz (1"= '; 9>#2+C+A ? : D- @/ %-7 ‘/ 36"C! ,C<+- )+? "-3); 4C"’ B59 - “auch Stesichoros sagte in seiner ‘Helena’ ‘Waschbecken aus Bleisilber’”) und ist mit den obigen Zitaten nur durch die Verwendung des seltenen Adjektivs / 36&C! 8C+A / / 36"C! ,C<+A verbunden, das auch Achaios aufweist. Es wäre also denkbar, dass Athenaios einfach durch ein Lexikon auf diese Wortparallele aufmerksam gemacht wurde oder sich selber an die Parallele bei Stesichoros erinnerte. Da aber sowohl das Zitat des Achaios wie das des Apollonios von spartanischen Besonderheiten handelt, liegt die Vermutung näher, dass Athenaios an dieser Stelle aus einer Quelle schöpfte, in der solche Besonderheiten und ihre literarische Aufarbeitung gesammelt besprochen waren. Wie auch immer dies sich verhält, der Schluss scheint so oder so zulässig, dass die Analogie zwischen Achaios und Stesichoros nicht nur in der Wortparallele bestand, sondern auch in dem Umstand, dass das verwendete Adjektiv in beiden Fällen der Beschreibung eines herkömmlichen lakonischen Materials und damit der Beschreibung bestimmter Gegenstände diente, die typisch waren für Sparta. Auch das von Stesichoros erwähnte Waschbecken sollte daher nicht rein mythischen Charakter gehabt haben, sondern sollte den zeitgenössischen lakonischen Rezipienten des Dichters aus ihrer eigenen Lebenswelt bekannt gewesen sein. Wenn also bei den soeben besprochenen Fragmenten letztlich doch immer ein Bezug zu lokalen Gegebenheiten wahrscheinlich ist, so ist die Problemlage für PMGF 190 (= A Scholien zu Hom. Il. 2,339, I p. 103,3-10 Dind.) eine gänzlich andere. Hier ist von der bekannten Geschichte die Rede, wie König Tyndareos die Freier seiner Tochter Helena durch einen Eid an sich band und ihnen das Versprechen abnahm, kollektiv vorzugehen gegen jeden, der die Rechte des erhörten Freiers verletzen sollte. Die ‘Kyprien’ kannten diese Geschichte - nach der ‘Chrestomathie’ des Proklos zu urteilen - nicht 10 . Dennoch dürfte sie bereits zu dieser frühen Zeit weite 8 Zur Erklärung der Verse cf. Gauly 1991, 279. 9 Der von Apollonios besprochene Text figuriert jetzt als Archil. Frg. 185 W. 2 ; eine genaue Beschreibung der Funktionsweise der >18; &/ 9 geben Plut. Lys. 19,8-12 und Gell. 17,9,6-15. 10 Das Schweigen des Proklos in diesem Punkt wird dadurch bestätigt, dass auch die ‘Epitome’ des Apollodoros an der entscheidenden Stelle (2,16) das Motiv übergeht. <?page no="46"?> Kapitel 4 32 Verbreitung und sogar panhellenische Geltung gehabt haben, da schon der hesiodeische Frauenkatalog eine entsprechende Schilderung gibt 11 , und da sich nachher die tragischen Dichter 12 ebenso an diese Tradition anschließen wie die klassischen Historiker und Redner 13 und wie die Mythographen und die sonstigen kaiserzeitlichen Prosaschriftsteller 14 . Allerdings nennen die Homer-Scholien kein bestimmtes Werk des Stesichoros, in dem diese Schilderung zu finden war. Es lässt sich daher letztlich nicht ganz ausschließen, dass dieses Motiv nicht der ‘Helena’ angehörte 15 , sondern - im Sinne einer weitausgreifenden Prolepse - der ‘Iliupersis’ des Dichters. Wenn wir von diesem Vorbehalt einmal absehen, so ergibt sich also wiederum ein gemischtes Bild. Stesichoros blieb zwar, was den generellen Handlungsrahmen seiner Erzählung betrifft, ganz auf den traditionellen Bahnen des panhellenischen Mythos und erzählte die Geschichte von der Hochzeit des Menelaos und der Helena in überlieferter Weise. Dennoch brachte er immer wieder lokale Farbe ein und nahm damit wahrscheinlich auch Bezug auf präexistente lokale Erzählungen von der Hochzeit Helenas bzw. auf die dahinterstehenden Riten. Die einfache Opposition zwischen lokalen und panhellenischen Mythenversionen, die Nagy und Beecroft aufstellten, erweist sich damit einmal mehr als ungenügend. Dennoch bleibt zum Schluss ein Umstand noch einmal hervorzuheben: Die genannten lokalen Bezüge, die das Lied des Stesichoros aufwies, können nur für ein lokales Publikum bedeutsam oder überhaupt transparent gewesen sein 16 . Wir können daher mit einiger Sicherheit annehmen, dass die ‘Helena’ in Sparta zur Aufführung gelangte 17 (oder allenfalls in Tarent, der einzigen spartanischen Kolonie in der Magna Graecia 18 ). Wenn wir 11 Hes. Frg. 204,78-85 M.-W. 12 Soph. Aj. 1111-1114; Eur. IA 51-69. 13 Thuc. 1,9,1; Isoc. 10,40. 14 Apollod. Bibl. 3,10,8-9; Hyg. fab. 78; D. Chr. 61,10; Paus. 3,20,9. 15 Dies die communis opinio, wie sie beispielsweise bei Vürtheim 1919, 61 f. formuliert ist. 16 Die Position von Burkert 1987, 51, dass Stesichoros im Unterschied zu Alkman, Ibykos, Pindar und Bakchylides keine offenen Hinweise zum Aufführungsrahmen des jeweiligen Liedes gebe (“there is no overt reference to a specific place, person, or audience”), ist also grundsätzlich berechtigt (und diese Eigenheit ist bedingt durch den besonderen Charakter von Stesichoros’ Dichtung, in welcher der Mythos Gegenstand und nicht illustrierende Einlage ist), übersieht aber diese ‘zweite Ebene’, die solche Appelle an das lokale Publikum enthielt. 17 Die ‘Helena’ wäre damit ein Parallelfall zur ‘Oresteia’ des Stesichoros, für die sich eine Aufführung in Sparta ebenfalls wahrscheinlich machen lässt; cf. Bowra 1934a, 116-118, Bowra 1961, 112-116 und Neschke 1986, 296-301. 18 Allerdings ist für Tarent eher ein ungefährer mythologischer Bezug zu Helena bezeugt, der immerhin zeigt, dass die Heroine in der Vorstellungswelt der lokalen Bevölkerung recht lebendig war, aber keine eigentliche kultische Verehrung der Heroine oder Göttin; cf. die Bemerkungen von Lippolis, Garraffo, Nafissi 1995, 22 f. und <?page no="47"?> ‘Helena’ 33 aber noch einmal zurückschauen und auch PMGF 223 mit seiner spannungsreichen Beziehung zum Kult der Aphrodite Morpho als Teil der ‘Helena’ betrachten und PMGF 191 mit seinem möglichen Bezug zum Kult der Artemis Orthia, so sehen wir, dass die ‘Helena’ sich nicht in ausschließlicher Form an den Kult von Helena und Menelaos bindet und sich keinem spartanischen Fest eindeutig zuordnen lässt, also offenbar nicht als offizielles Kultlied eines bestimmten etablierten Festes diente 19 . Stesichoros schuf eher ein Amalgam, in dem freie Bezüge zu verschiedenen spartanischen (und sonstigen) Kulten vermischt waren. Er tat dies aber vor den Augen eines einheimischen Publikums und erwies sich eben damit als moderner Dichter, der mit Selbstbewusstsein eine eigenständige Dichtungsform vertrat, die nicht mehr direkt an das kultische Geschehen gekoppelt war. 220 (unter Hinweis auf Lyc. Alex. 852-855) und die weiteren Ausführungen bei Grossardt 2012 (im Druck). 19 Zur Frage nach dem Aufführungsrahmen der ‘Helena’ (und der ‘Palinodie’) cf. auch unten die Folgerungen in Kap. 7. <?page no="49"?> 5 Helena in der ‘Iliupersis’ und in den ‘Nostoi’ Wie sich in den obigen Kapiteln zeigte, lässt sich aus den Hindeutungen des Stesichoros auf die Person der Helena gewissermaßen eine fast vollständige Biographie der Heroine zusammenstellen mit Hinweisen auf ihre Jugend (die Entführung durch Theseus, die Geburt der Iphigeneia), auf ihre Hochzeit mit Menelaos und auf den Fehltritt ihres Vaters Tyndareos, der zum Zorn der Aphrodite und zur dadurch verursachten Unzufriedenheit Helenas mit ihrem Ehemann führte. All dies war nach der plausibelsten Hypothese Gegenstand der ‘Helena’, die dann wahrscheinlich auch noch die Entführung durch Paris behandelte. Die weiteren Phasen im Leben der Heroine behandeln nun die ‘Iliupersis’ und die ‘Nostoi’. Wie schon für die ‘Helena’ so bestehen allerdings auch für die ‘Iliupersis’ erhebliche Zuweisungsprobleme. So ist es zwar aus inhaltlichen Gründen wie auch aus solchen der Sprachgestalt recht wahrscheinlich, dass die Fragmente von P. Oxy. 2619 aus der ‘Iliupersis’ des Stesichoros stammen. Aber ihre Interpretation im einzelnen ist dann doch wieder schwierig. Beispielsweise legt die Erwähnung von Hermione in Frg. 16 (= PMGF S 104) durchaus den Schluss nahe, dass hier an die Tochter von Menelaos und Helena gedacht war 1 . Doch da der Kontext sehr knapp ist und da auch andere Trägerinnen des Namens existierten, muss diese Folgerung unsicher bleiben 2 . Ähnlich steht es mit Fragment 19 (= PMGF S 107), wo eine schamerfüllte weibliche Person zu einem Mann zu sprechen scheint. Es könnte sich also um die Wiederbegegnung zwischen Menelaos und Helena nach den langen Jahren der Trennung handeln 3 . Weil aber in den erhaltenen Buchstabenresten keine Namen genannt sind, bleibt auch dies bloße Hypothese. Wenn wir unsere Untersuchung daher mit den Fragmenten beginnen, die der ‘Iliupersis’ sicher zugewiesen sind, so ist für die Person der Helena vor allem PMGF 197 von Bedeutung, eine Bemerkung des Pausanias (10,26,1) zur knidischen Lesche in Delphi. Im Rahmen seiner ausführlichen Beschreibung der darin befindlichen Fresken Polygnots, die die Eroberung Trojas und die Vorbereitung der Griechen zum schließlichen Abzug darstellten, erwähnt der Perieget, dass in der Nähe von Theseus’ Mutter Aithra eine Gruppe von weiblichen Kriegsgefangenen dargestellt sei, die er als Klymene 4 , Kreusa, Aristomache und Xenodike identifiziert. Wie Pausanias dann weiter ausführt, wurde Klymene auch bei Stesichoros in dessen ‘Iliupersis’ zu den Kriegsgefangenen gezählt (PMGF 197: "&$μ! %'% μ#% 1 So bereits der editor princeps E. Lobel (Lobel 1967, 46). 2 So der Einwand von Page 1973, 56. 3 Wie vermutet von West 1969, 141. 4 LIMC Klymene IV 1. <?page no="50"?> Kapitel 5 36 -K: %$? &QP-)-( 5: 0; Q-" '! )&=A= <O$? )Q>μ? <@: 5: $OC( O2PμO; 8$-=(. - “Klymene also zählte Stesichoros in der ‘Iliupersis’ zu den Kriegsgefangenen.”). Stesichoros muss also, da Pausanias keine entsprechende Bemerkung zu Kreusa, Aristomache und Xenodike anbringt, Klymene bei der Schilderung der Folgen von Trojas Einnahme besonders hervorgehoben und in der Gesellschaft Aithras gezeigt haben, die als Mutter von Helenas einstigem Entführer Theseus in einer prekären Lage war und daher im Moment der Eroberung Trojas zunächst auch eher als Kriegsgefangene denn als Befreite angesehen wurde 5 . Stesichoros dürfte sich daher von den epischen oder dramatischen Quellen, denen Polygnot folgte, einigermaßen unterschieden haben. Ein möglicher Grund für diese Hervorhebung bzw. für die enge Koppelung von Klymene und Aithra ist leicht zu sehen: Beide Heroinen sind einmal in recht prominenter Form in der ‘Ilias’ erwähnt, nämlich in der Szene, in der Helena sich mit eben diesen beiden Dienerinnen auf das Skaische Tor begibt, um sich zusammen mit Priamos und anderen älteren troischen Würdenträgern das versammelte Griechenheer zu betrachten (Hom. Il. 3,141-144: ... / / / )μG$F 5< >O; #μ-=- $! )@: <O$J A#<)" P! -"&O, / / -L< -1? , 6μO $D B@ <OH 7μRQ+-; -= ANF 4+-: $-, / / ,1>)? '=$>E-( >"B#$? ), *; "μ! : ? $@ M-.+=(. - “... sie [sc. Helena] kam aus dem Gemach, wobei sie eine zarte Träne hinunterfließen ließ. Nicht alleine war sie, es folgten ihr zwei Dienerinnen, Aithra, die Tochter des Pittheus, und Klymene, die kuhäugige.”). Mit dem Hinweis auf das besondere Schicksal, das Aithra und Klymene am Kriegsende durchlebten, wies Stesichoros also zumindest in indirekter Form auf Helena zurück und damit auf eine berühmte homerische Szene 6 , die ihm offenbar als attraktiver Referenztext erschien 7 . Etwas Ähnliches scheint in PMGF S 103 vorzuliegen, einem der kleinen Ausschnitte von P. Oxy. 2619 (Frg. 14). Das Fragment steht daher unter demselben generellen Vorbehalt wie die anderen Fragmente dieser Papyrusrolle. Immerhin ist hier Helena in Zeile 5 namentlich erwähnt (9]O: >J AF 3; ! : O ')[=Oμ), und in Zeile 6 dürfte noch einmal verdeutlicht worden sein, dass sie die Schwiegertochter von König Priamos war (MO]&=; E-( 7-=A=μ[). Trotz der äußerst verstümmelten Gestalt des Fragments lassen die verwendeten Adjektive doch interessante Folgerungen zu. Die Junktur 9O: >I 3; ! : ? ist nämlich im frühgriechischen Epos nicht belegt 8 und findet sich 5 Cf. die Bemerkungen bei Paus. 10,25,7-8. 6 So andeutend bereits Bowie 2010, 80. 7 Dieselbe homerische Szene, die Aithra und Klymene aus dem Kreis von Helenas Dienerinnen hervorhebt, dürfte auch der Grund gewesen sein, warum Ovid in seinen Heroinenbriefen zweimal Aithra und Klymene gemeinsam als Dienerinnen Helenas nennt (epist. 16[15],259 f. und 17[16],267 f.). 8 Für eine Übersicht über die Epitheta der Helena in den homerischen Epen cf. Clader 1976, 41-44. <?page no="51"?> ‘Iliupersis’ und ‘Nostoi’ 37 zum ersten Mal bei Sappho in Fragment 23,5 Voigt (3*5! @ 67(5@ )= 8&)- [9]"5 - “dich der blonden Helena zu vergleichen”), wohl in Imitation der häufigen epischen (und nachepischen) Verbindung des Adjektivs mit Helenas Ehemann Menelaos 9 . Auch danach ist die Junktur sehr selten und findet sich neben unserer Stesichoros-Stelle nur noch bei Ibykos in der bekannten Polykrates-Ode, in der unter anderem davon die Rede ist, wie Griechen und Troer um Helena kämpften (PMGF S 151,5: 3%]5! ? + 47(5%+ / #-, #0$#; - “um die schöne Gestalt der blonden Helena”) 10 . Nun ist es nicht völlig auszuschließen, dass diese Wortverbindung schon in den Kyklischen Epen auftrat 11 . Aber es ist zum einen unsicher, ob diese Epen (in ihrer schriftlich fixierten Form) wirklich älter waren als die Gedichte Sapphos 12 , und selbst wenn dies der Fall war, so müsste eine solche Verbindung, die eine der Hauptpersonen dieser Gedichte betraf, bei der beträchtlichen Ausdehnung der Kyklischen Epen doch recht häufig aufgetreten sein und ähnlichen Formelcharakter aufgewiesen haben wie die Apostrophierung von Helenas Ehemann Menelaos als 3%5! <+. Mit anderen Worten, wir könnten dann erwarten, dass die Junktur überhaupt große Verbreitung erlangte und auch in der sonstigen epischen Dichtung sowie in der nachepischen Poesie relativ häufige Aufnahme fand, und dies ist, wie gezeigt, gerade nicht der Fall. Bei der Junktur von 3%5! ' und 47(5" handelt es sich also höchstwahrscheinlich nicht um eine epische Formel oder um ein Relikt mündlicher Dichtersprache, sondern um eine bewusste Neuerung Sapphos, die dann im Sinne individueller literarischer Imitation von Stesichoros und Ibykos aufgegriffen wurde 13 . 9 Beispielsweise Hom. Il. 3,284; Hom. Il. 3,434; Hom. Od. 1,285; Hes. Frg. 198,5 M.-W.; Pind. N. 7,28 und Eur. IA 175 (zur wahrscheinlichen Übertragung des Epithetons von Menelaos auf Helena durch Sappho cf. bereits Meyerhoff 1984, 114). 10 Ein weiteres Zeugnis dieser Tradition ist das anonyme Epigramm von Anth. Pal. 5,65, wo nicht Helena, aber immerhin Helenas Mutter Leda mit demselben Epitheton versehen ist (V. 2: 9: 951+ 8/ , 3%5! .5 μ">(-% >.5 47(5"+ [sc. 27! #5] - “der Schwan [sc. Zeus in Schwanengestalt] kam zur blonden Mutter der Helena”). 11 Dies die Vermutung von Torres Guerra 1998, der an die ‘Kyprien’ dachte und annahm, dass die Belege für die Junktur bei Sappho, Stesichoros und Ibykos von diesem Epos abhängen. 12 Beispielsweise datiert Davies 1989, 97-100 die ‘Kyprien’ in die Zeit knapp vor 500 v. Chr. und Latacz 1997, 1155 versucht eine generelle Einordnung der Kyklischen Epen in das 6. Jh., während Janko 1982, 200 - der These von Torres Guerra stärker entgegenkommend - eine Entstehungszeit der ‘Kyprien’ um 675 v. Chr. annimmt; zur Datierung der Gedichte Sapphos um das Jahr 600 v. Chr. cf. unten Kap. 6.1. 13 Ein Vergleichsbeispiel für eine solche nachepische lyrische (und dramatische) Tradition ist das Epitheton 3#5%/ *>"+ (‘gastfreundtäuschend’), das zunächst bei Alkaios (Frg. 283,5 Voigt) und Ibykos (PMGF S 151,10) für Paris bezeugt ist, dann zuerst von Pindar auf einen anderen Vertreter der mythischen Welt angewandt wird (Pind. O. 10,34: Augeias) und darauf bei Euripides in verschiedenen Kontexten Verwendung <?page no="52"?> Kapitel 5 38 Ähnlich scheint es sich in der folgenden Zeile mit dem Adjektiv R? #SDμ? zu verhalten. Denn R? #SDμ? ist im frühgriechischen Epos äußerst selten belegt 14 und findet erst im fünften Jahrhundert einige Verbreitung 15 . Es drängt sich somit der Schluss auf, dass Stesichoros sich an dieser Stelle in irgendeiner Form an die berühmte Szene der ‘Ilias’ anschloss, in der Helena dem Hektor ihr Leid klagt und prophezeit, dass die Verfehlungen von Paris und ihr einst Gegenstand traditionellen Liedgesangs sein würden (Il. 6,357 f.: M- C! J 3>#++" / / RAE=T>? D+D >QBTμQE2 R? #SDμ? D ; ++? μ'A? D+DA - “damit wir auch künftig besungen sind unter den Menschen”). Wahrscheinlich handelte es sich bei diesem Hinweis des Ilias-Dichters auf künftigen epischen Gesang, den er der Helena in den Mund legt, um einen autoreferentiellen Hinweis auf sein eigenes Werk 16 , wenn hier auch, wie eine Parallele aus der ‘Odyssee’ nahelegt, mit traditionellem epischem Sprachmaterial gespielt wird (Od. 8,579 f. [der Phaiaken-König Alkinoos zur Zerstörung Trojas und zum daraus resultierenden Gesang]: )IA SL [sc. 4B#? ( ? 5)? A] EQ? J μLA )Q/ @! A, ; >QCBT+! A)? S2 OBQE=? A / / RAE=T>? D+2, 6A! H+D C! J ; ++? μ'A? D+DA R? DS%. - “Dieses aber [sc. das Geschick Trojas] bereiteten zwar die Götter, sie spannen aber den Menschen Unheil, damit auch für Künftige ein Gesang sei.”). Jedenfalls erlangten die beiden zitierten Passagen schnell Berühmtheit und wurden in der Folge des öfteren von prominenten Dichtern aufgegriffen, die damit meist wiederum auf das eigene Werk hindeuteten. Sogar etwas früher erscheint dabei der erste deutliche Beleg für ein Zitat der Odyssee-Stelle 17 . Aber auch die Ilias-Stelle wurde erfährt (Med. 1392: Jason; TrGF 5 F 667: eine gnomische Äußerung), aber dann doch auch wieder für Paris eingesetzt ist (Tr. 866). 14 Neben der hier besprochenen Stelle von Hom. Il. 6,358 nur noch in Hom. h. Ap. 299 (für den Tempel des Apollon in Delphi). 15 Zu nennen ist neben Herodot (2,79,1; 2,135,5) und Euripides (El. 471) vor allem Pindar, der das Adjektiv sowohl in der herkömmlichen passiven Bedeutung ‘vielbesungen’ (O. 14,3; P. 8,59; Frg. 76,1 M.) wie auch in der neuen aktiven Bedeutung ‘vielsingend’ (N. 3,79; Frg. 52f,6 M.) kennt. 16 In diese Richtung gehen bereits Kannicht 1969, 22, Clader 1976, 8 f. und Homeyer 1977, 10 f.; cf. auch die analoge Interpretation des selbstreferentiellen Hinweises in Hom. Od. 24,194-202 (V. 197 f.: )QV@? (+D S2 ; >D$E? A#? D+DA R? DSKA / / RE*A! )? D $! =#Q+- +! A ; $'&=? AD ,FAQB? >Q#1 - “die Götter aber werden den Menschen einen lieblichen Gesang bereiten für die verständige Penelope”) durch Kullmann 1992, 297. 17 So bereits - unter Verwendung der Formel C! J ; ++? μ'A? D+DA R? DS% - im Hinweis des Theognis auf seine Liebe zum Knaben Kyrnos und auf seine eigene Dichtung (V. 251 f.: >G+D S2 N+? D+D μ'μFBQ C! J ; ++? μ'A? D+DA R? DSK / / : ++1 Pμ.-, O&=2 <A U0 )Q C! J 8'BD? -. - “Allen, auch Künftigen, denen daran gelegen ist, wirst du in gleicher Weise ein Gesang sein, solange die Erde und die Sonne bestehen.”). Analog dann das Zitat des Theokrit, der damit ebenfalls auf seine Liebe zu einem jungen Knaben und auf die Verewigung dieser Liebe im eigenen Gedicht hindeutet und wieder mit demselben Vokabular spielt (12,10 f.: Q7E2 Pμ! B? J >AQV+QD! A ; >2 Rμ&? )'=? D+DA 9=")Q- / / A.DA, ; >Q++? μ'A? D- SL UQA? #μQE! >G+DA R? DS%. - “Wenn uns beiden doch die Liebesgötter gleichermaßen zuhauchten und wir allen Künftigen ein Gesang würden.”). <?page no="53"?> ‘Iliupersis’ und ‘Nostoi’ 39 relativ früh rezipiert 18 und gab Kallimachos dann den Anlass für die wohl berühmteste Stelle aus dieser Traditionslinie, für die Anrede Athenes an die Mutter des geblendeten Teiresias, die wiederum deutlichen autoreferentiellen Charakter zeigt und sich zu diesem Zweck eben die einprägsame Formel aus der ‘Ilias’ (7: #I>μ: > 4++: μ%; : >+>; ) zunutze macht 19 . Somit dürfte auch Stesichoros, ganz ähnlich wie seine antiken Dichterkollegen und wie die modernen Interpreten, die Ilias-Verse als metatextuelle Aussage des Dichters verstanden haben und darüber hinaus als Anregung, um nun seinerseits eben Helena zu ‘seinem Gesang’ zu machen. Wenn wir das Fragment von PMGF S 103 richtig interpretiert haben, so liegt hier also die Kombination eines Homer-Zitats mit einem Sappho-Zitat vor, wobei in beiden Fällen der Anklang an ein besonders seltenes Wort bzw. an eine singuläre Junktur gesucht ist 20 . Somit wird in diesem kleinen Papyrus-Fragment ein klares Bewusstsein von seiten des Stesichoros sichtbar, dass er in einer Tradition arbeitet, in der bereits individuelle literarische Werke die entscheidende Vorlage bilden und nicht mehr nur anonyme epische Traditionen den Weg weisen. Ebenfalls auf die ‘Iliupersis’ dürfte schließlich eine Nachricht der Euripides-Scholien zurückgehen, die berichten, wie die Griechen nach der Einnahme Trojas mit der Steinigung Helenas begannen, aber durch ihren Anblick so sehr bewegt waren, dass sie die Steine zuvor fallen ließen (Scholien zu Eur. Or. 1287, I p. 214,6-9 Schwartz = PMGF 201: ... : 2L; )> =! G *)@+#- $: 8: - / 9: K8'&A> 9A8G )C; =! )! <AJA>; ! 0)H; μA<<L; )N; , &@+G K.8 5μ! )B )H; 1">; ! 0)E- 3IAD; ! 0): F- 7&AD; ! > ): F- <#? : (- 49G )H; KE; . - “... wie auch Stesichoros über diejenigen schreibt, die im Begriff waren, sie zu steinigen. Er sagt nämlich, dass sie in dem Moment, in dem sie ihr Antlitz sahen, die Steine auf die Erde fallen ließen.”). Mit diesem Motiv reiht Stesichoros sich in eine bedeutsame Traditionslinie ein, in der immer wieder das Schicksal der Helena nach Einnahme der Stadt thematisiert wird. Allerdings liegt die Initiative sonst regelmäßig bei Menelaos, der nach der einen Version Helena mit dem Schwert töten will, aber beim Anblick ihrer entblößten Brust Mitleid oder Liebe empfindet und das Schwert wieder sinken lässt 21 , oder 18 So offensichtlich in der thematisch nahestehenden Äußerung der Hekabe in Euripides’ ‘Troerinnen’, wenn hier auch keine eindeutigen sprachlichen Signale vorliegen (V. 1244 f.: 7&! ; AD- 6; 1; )A- : 0= 6; / μ; @? ADμA; 6; / / μ: J+! >- 7: >I.- IL; )A- / +)%8N; M8: )C; - “wir [sc. die Einwohner Trojas] würden unbekannt leben und nicht gerühmt werden, nachdem wir der Musenkunst Gesänge für spätere Menschen gegeben hatten”); cf. zuletzt Ambühl 2010, 113. 19 Call. Lav. Pall. 121 (μ'; )>; 49AG ? @+C ; >; 7: #I>μ: ; 4++: μ%; : >+>; - “da ich ihn zu einem Seher machen werde, der besungen ist unter den Menschen”). 20 Cf. auch unten in Kap. 6.1 die Hinweise zum mutmaßlichen Doppelzitat von Hom. Il. 24,766 und Sappho, Frg. 16,9 Voigt in Stesich. PMGF 192. 21 ‘Ilias Parva’ Frg. 19 Bern.; Ibyc. PMGF 296; Eur. Andr. 627-631 und 685 f.; Aristoph. Lys. 155 f. und Vesp. 714; Quint. Smyr. 13,385-415; LIMC Helene 210-290. <?page no="54"?> Kapitel 5 40 nach der anderen Version Helena zu seinem Schiff führt und die Frage ihrer Bestrafung vorerst offen lässt 22 . Dass die Version des Stesichoros sekundär ist gegenüber solchen Varianten, ergibt sich aus verschiedenen Umständen: Zum einen sollte es nämlich nach dem frühgriechischen Rechtsverständnis tatsächlich der betrogene Ehemann selbst sein, der über das weitere Schicksal seiner Frau entscheidet und auch die allfällige Bestrafung selber vornimmt 23 , und zum anderen verfügen wir mit dem indischen Epos ‘Ramayana’ über eine wichtige Parallelgeschichte zur Entführung der Helena durch Paris, und es ist wieder der Ehemann persönlich (König Rama), der nach der Eroberung der feindlichen Stadt und nach der Rückgewinnung der Ehefrau die Treueprobe seiner Frau (Sita) vornimmt 24 . Eine Steinigung durch ein Heer, wie sie Stesichoros schildert, ist dagegen eine kollektive Aktion, die eine formelle Entscheidung voraussetzt 25 . Stesichoros verschiebt also den Akzent von der individuellen Aktion auf die kollektive Entscheidungsfindung und bringt damit eine politische Note in die Erzählung, die das Motiv bis anhin nicht gehabt hatte, schließt die Szene dann aber doch wieder mit der hochpathetischen Schilderung, wie sich ein ganzes Heerlager vom Zauber der Helena fesseln lässt. Nicht aus der ‘Iliupersis’, sondern wahrscheinlich aus den ‘Nostoi’ 26 stammt PMGF 209 (= P. Oxy. 2360). Wie sich aus den erhaltenen Versresten noch deutlich erkennen lässt, reagiert hier Helena auf die Erscheinung eines Vogelprodigiums und deutet das Prodigium als Vorausdeutung auf die Heimkehr des Odysseus nach Ithaka. Es handelt sich also um einen Ausschnitt aus der Szene des Besuchs von Telemachos bei Menelaos und Helena in Sparta, wie ihn die ‘Odyssee’ schildert. Dabei deuten bestimmte verbale Reminiszenzen darauf hin, dass die Verse des Stesichoros sich direkt an Od. 15,160-181 bzw. an den weiteren Rahmen dieser Schlüsselszene anschlossen 27 . Es besteht daher unter den Homer- und Stesichoros- 22 ‘Iliupersis’ bzw. Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15 Bern.; Eur. Tr. 860-1059; Apollod. Epit. 5,22; LIMC Helene 291-319. 23 Es dürfte hier genügen, darauf hinzuweisen, wie Odysseus als Oberhaupt seines 74! 71 nach dem erfolgten Freiermord persönlich die Bestrafung der untreuen Mägde anordnet (Hom. Od. 22,440-445). 24 Cf. die Hinweise auf die generelle Vergleichbarkeit zwischen der Troja-Sage und dem ‘Ramayana’ und die Erläuterungen zur Parallele zwischen der Handlungsweise des Menelaos und der Ramas bei Grossardt 2009, 97 f. 25 Dieser Unterschied schon richtig erkannt von Welcker 1829, 259. 26 Die ‘Nostoi’ sind als Werk des Stesichoros erwähnt in Paus. 10,26,1 (= PMGF 208). 27 Neben der unten erwähnten Parallele von Z. 10 mit Od. 15,68 ist vor allem die Parallele von Z. 6 (8]1 .μ$-*37+1 %<μ7+1 537)'[; $,1 2%+/ / $]: 1 - “Odysseus, der in eurem Haus erschien”) mit Od. 24,159 f. (70%* -"1 6μ$(>; %: ; '-7 &; =; '" -@; 8<; -', / / 89'5(; #1 537)'; *; -? - “aber keiner von uns [sc. von den Freiern] vermochte ihn zu erkennen, als er plötzlich erschien”) zu nennen; cf. die Bemerkung des editor princeps E. Lobel (Lobel 1956, 18). <?page no="55"?> ‘Iliupersis’ und ‘Nostoi’ 41 Forschern weitgehende Einigkeit, dass hier ein Fall unmittelbarer Abhängigkeit vorliegt 28 . Erhellend ist nun aber doch die unterschiedliche Art und Weise, in der die beiden Erzählungen strukturiert sind 29 : Die Passage in der ‘Odyssee’ beginnt mit dem Hinweis des epischen Erzählers auf das Erscheinen des Adlers (V. 160-165), fährt dann fort mit der Frage des Telemachos an seinen momentanen Gastgeber Menelaos, wie das Prodigium zu deuten sei (V. 166-168), schildert darauf die unschlüssige Reaktion des Menelaos (V. 169-170) und endet mit der Deutung des Prodigiums durch Helena und mit den Dankesworten des Telemachos (V. 171-178 bzw. 179-181). Bei Stesichoros dagegen steht Helena von Anfang an im Mittelpunkt der Szene. Es ist die Heroine, die das Prodigium zuerst wahrnimmt (V. 1: <! [4]/ 3 E[1]%&; 3%) A'+%) D"/ 4C% 30μ; % - “die junge Frau, die plötzlich das göttliche Wunderzeichen sah”), und es ist sie selbst, die aus eigener Initiative sofort zur Deutung des Zeichens übergeht (V. 1-8) und - im Unterschied zur ‘Odyssee’ - auch auf den göttlichen Heilsplan, der hinter der Heimkehr des Odysseus steht, hinweist (V. 8: $/ ]>6%4) ,<(3%) - “durch den Plan der Athene”). Helena dominiert das Geschehen bei Stesichoros also in ganz anderer Weise als bei Homer, und es ist daher nur folgerichtig, dass sie im Anschluss an die eigentliche Deutung des Prodigiums die Absicht äußert, Telemachos auf seinem Weg nach Hause nicht länger aufhalten zu wollen (V. 10: / @"7 E#. C7 E+0[1]5 - “ich werde dich nicht zurückhalten”), also eine Rolle übernimmt, die in der ‘Odyssee’ noch Menelaos vorbehalten gewesen war (15,68 f.: *? 6'μ%87, / = A& C7 E#. #! -/ 6: 3 8+23/ 3 E3<("7 E+015 / / B'μ! 3/ 3 32CA/ 9/ . - “Telemachos, ich für meinen Teil werde dich in keiner Weise für lange Zeit hier zurückhalten, da du nach der Heimkehr strebst.” 30 ). Wie sich also aus diesem Überblick über die verschiedenen Hindeutungen auf Helena in der ‘Iliupersis’ und in den ‘Nostoi’ ergibt, suchte Stesichoros in seiner Darstellung stets eigene Wege. Allerdings handelt es sich nicht um Mythenvarianten, die durch lokale Traditionen zu erklären wären, sondern immer um freie Weiterentwicklungen, die ihren Ausgangspunkt bei den kanonischen Varianten der homerischen und der Kyklischen Epen nahmen. Diese Weiterentwicklungen können, wie wir im letztge- 28 Cf. beispielsweise die Arbeiten von O. Bruno (Bruno 1967, 340), M. Treu (Treu 1968, 1254), W. Burkert (Burkert 1987, 51), St. Reece (Reece 1988, 6-8) und E. Tsitsibakou- Vasalos (Tsitsibakou-Vasalos 1993, 27-31) sowie den Kommentar von A. Hoekstra (in: Heubeck, Hoekstra 1989, 242). Die Gegenposition von Mueller-Goldingen 2000, 17 Anm. 38, wonach der Odyssee-Dichter und Stesichoros einer gemeinsamen Quelle folgten, ist dagegen wenig plausibel, weil eine schriftliche Quelle kaum vorstellbar ist und eine mündliche Tradition nicht Anlass zu den lexikalischen Parallelen (mit interessanter motivischer Variation) gegeben hätte. 29 Das Folgende etwa im Sinne von Peek 1958, 174 f. 30 So zuerst Lobel 1956, 17 (der aber unnötig skeptisch war gegenüber der Annahme direkter Imitation) und danach beispielsweise Peek 1958, 172. <?page no="56"?> Kapitel 5 42 nannten Ausschnitt aus den ‘Nostoi’ gesehen haben, in einer noch stärkeren Hervorhebung Helenas und ihrer fast unheimlichen Ausstrahlung bestehen 31 ; sie können aber auch in einer stärkeren Problematisierung der politischen Komponente des Geschehens ihren Ausdruck finden, wie am Beispiel der gescheiterten Hinrichtung in PMGF 201 festzustellen war 32 ; und sie können sich, wie es wahrscheinlich in PMGF S 103 der Fall ist, in der bewussten Bezugnahme auf kanonische Texte zeigen und damit in einer Unterstreichung des Kunstcharakters der eigenen Dichtung. Immer kommt jedenfalls ein starkes Interesse für die Person der Helena zum Ausdruck, aber auch eine Hervorhebung der eigenen dichterischen Kreativität und Autonomie. 31 Stesichoros setzt damit eine Entwicklung fort, die wahrscheinlich schon die homerischen Epen im Vergleich mit der vorhomerischen Sagentradition gekennzeichnet hatte (zu diesem letzten Punkt cf. zuletzt Latacz 2007, bes. S. 99). 32 Allgemein zur verstärkten politischen Dimension des Mythos bei Stesichoros cf. Mueller-Goldingen 2000, 19. <?page no="57"?> 6 Stesichoros und Helena in der ‘Palinodie’ Die bisherige Diskussion zeigte manche Besonderheit des Stesichoros im Vergleich mit der panhellenischen Tradition, sei es, dass der Dichter eine lokale Mythenvariante wie die argivische Lokaltradition von der Geburt der Iphigeneia aufgriff, sei es, dass er einen Mythos wie den von der Kalydonischen Jagd im Sinne literarischer Imitation aufnahm und in freier Form auf spartanische Erzähltraditionen übertrug, oder sei es, dass er dem Geschehen überhaupt eine stärkere lokale Färbung gab, wie wir das für die Fragmente der ‘Helena’ verschiedentlich feststellen konnten. Wenn mit diesen Motiven durchaus schon gelegentlich an der panhellenischen Tradition ‘gekratzt’ wird, so geht Stesichoros mit der ‘Palinodie’ noch einen Schritt weiter und stellt diese Tradition überhaupt radikal in Frage. Allerdings ist uns im Zusammenhang mit der ‘Palinodie’ durch die dürftige Überlieferungslage eine Fülle von Problemen aufgegeben, die in dieser Arbeit nicht erneut diskutiert werden sollen. Dazu zählt zunächst die Frage, ob Helena schon bei Stesichoros die Zeit des Trojanischen Kriegs in Ägypten verbrachte, oder ob sie nach der Darstellung unseres Dichters überhaupt in Sparta zurückblieb und erst spätere Autoren wie Herodot und Euripides das Motiv des Ägyptenaufenthalts aufbrachten 1 ; ebenso unklar ist die Frage, ob es, wie man immer dachte, nur eine Palinodie gab, oder ob es, wie ein kaiserzeitlicher Papyrus unter Berufung auf den peripatetischen Biographen Chamaileon (P. Oxy. 2506, Frg. 26 col. I = Chamaileon, Frg. 29 I Wehrli 2 = PMGF 193) mitteilt, zwei Palinodien waren, in denen nacheinander die Darstellung Homers und die Hesiods einer Kritik unterzogen waren 2 ; und zuletzt stellt sich die damit zusammenhängende, noch grundlegendere Frage, ob Stesichoros der erste Dichter war, der an Helenas statt ein Phantom nach Troja ziehen ließ, oder ob, wie uns ein Scholion zu Lykophrons ‘Alexandra’ mitteilt, schon Hesiod dieses Motiv aufwies 3 . Die Frage, die uns hier vor allem beschäftigen soll, ist stattdessen 1 Zur Frage nach dem möglichen Ägyptenaufenthalt Helenas bei Stesichoros cf. vor allem die Diskussionen bei Mancuso 1912, 201 f., Leone 1964-1968, 18-20, Kannicht 1969, 31-33, Bowra 1970, 93-95, Podlecki 1971, 325 f. und St. West 1980 (affirmativ) bzw. Pisani 1928, 479-491, Bowra 1961, 109 und Austin 1994, 99 f. (negativ). 2 Zur Frage nach den zwei Palinodien cf. beispielsweise Doria 1962, Sisti 1965, Leone 1964-1968, 22-24, Kannicht 1969, 30 f., Bowra 1970, De Martino 1979 und 1980, Cingano 1982, Danek 1998, 102 f., Gentili 1997-2000, 27 f., Brillante 2001-2002, 19-24, Vasilescu 2004, 87-99 und Kelly 2007, 11-19; zu den zwei Götteranrufen, die die jeweilige Palinodie eingeleitet haben sollen ($#=1A &0+# ! #. @<98μ593# - “hierher wiederum, gesangliebende Göttin” bzw. >1)-83+#1# 3&1! *7# - “Jungfrau mit goldenen Flügeln”), cf. Bowra 1970, 88-90, De Martino 1980, Cerri 1984-1985 und Lazzeri 2002, 174-177. 3 Hes. Frg. 358 M.-W. (= Paraphrasis antiquior ad Lyc. Alex. 822, p. 330,12-13 Leone: 31: +5/ 4-'5$5/ 3#1, +? / 69*7"/ +B #2$; 957 3&1(%&%#. - “Als erster führte Hesiod die Geschichte vom Eidolon der Helena ein.”); für die Einschätzung dieses Testimoniums <?page no="58"?> Kapitel 6 44 diejenige nach der Herkunft und der Natur des bekannten Blendungsmotivs, also die Frage, woher Stesichoros dieses Motiv hatte und welche Funktion er ihm zuwies. 6.1 Der Inhalt der ‘Palinodie’ und die literarische Polemik in PMGF 192 Die oben umrissenen Fragen zum Inhalt und zur Struktur der ‘Palinodie’ sind vor allem deswegen schwer zu beantworten, weil die meisten unserer Quellen erst aus römischer oder gar byzantinischer Zeit stammen und daher vielfältigen Möglichkeiten der Deformation ausgesetzt waren. Die einzigen verlässlichen Zeugnisse sind daher mehrere Testimonia Platons 4 und eine Nachricht des Isokrates 5 . Da nun beide Autoren je eigene Elemente aufweisen - die etwas späteren Versionen Platons sogar noch mehr als die frühere des Isokrates 6 - und da sie beide nur knapp auf das Geschehen anspielen, aber dieselbe vollständige Geschichte vorauszusetzen scheinen, können sie nicht einfach voneinander abhängig sein 7 . Wir können somit sicher sein, dass die Traditionen um die Person des Dichters spätestens im fünften Jahrhundert ihre Form gefunden hatten. cf. die negative Haltung von Pisani 1928, 477, Sisti 1965, 307 f., Kannicht 1969, 24 Anm. 5 und Austin 1994, 104 f. und die positive von Seeliger 1886, 8 f., Vürtheim 1919, 65, Leone 1964-1968, 15-18, Bertini 1970, 82, Cataudella 1972, 88-90, Brillante 2001-2002, 15 f. und Vasilescu 2004, 83. 4 Zu den beiden unten besprochenen Testimonia aus dem ‘Phaidros’ und aus dem ‘Staat’ gesellt sich noch als dritter Beleg die knappe Andeutung Platons am Ende des dritten Briefes (319 e 3-5: ... ,$! )(μ"41+ "E4%= )1? >4 D>4 *D! )&<1-14, DA4 / %7=42#&%4 %CD15 μ=μ! )(μ"41+, .: D15 9"3#1B+ "F+ D>4 07! @8 76$14 μ"D%)D'); . - “... nachdem du [sc. der angesprochene Monarch Dionysios] zur Einsicht gekommen bist, dass Stesichoros klug ist, und nachdem du seine Palinodie nachgeahmt hast, wirst du von der Lüge zur Wahrheit übergehen.”). Da der Brief trotz gelegentlich geäußerten Zweifeln möglicherweise doch echt ist (so Szlezák 2000, 1099), ist auch diese Passage ein wichtiges Testimonium für Platons Kenntnis der ‘Palinodie’. 5 Eine sehr agnostische Haltung auch gegenüber Isokrates und Platon nimmt nun Wright 2005, 82-115 ein. Doch leidet seine Darstellung unter einer überholten Position zur relativen Datierung der beiden Autoren, und die Darlegung ist überhaupt durch eine Reihe von spitzfindigen Argumenten geprägt (cf. die Gegenkritik bei Kelly 2007, 1 Anm. 1). So scheitert etwa die kühne These, dass Platon die drei Verse von PMGF 192 selber verfasst habe (Wright, S. 105-108), an der metrischen Identität der ersten Zeile mit den Anfängen der beiden Proömien, die Chamaileon referiert (oben Anm. 2; cf. Davison 1968, 223). PMGF 192 stammt daher ebenso wie die beiden Proömien sicher von Stesichoros selbst und fand sich am Beginn einer neuen Strophe. 6 Die ‘Helena’ des Isokrates entstand zwischen 393 und 380 v. Chr. (Zajonz 2002, 58 f.; Laplace 2011, 167 Anm. 21), der ‘Phaidros’ - das wichtigste Testimonium Platons - zwischen 369 und 362 v. Chr. (so Heitsch 1993, 233) oder allgemein im Zeitraum zwischen 370 und 350 v. Chr. (so Yunis 2011, 24). 7 Dies zu Recht betont von Kannicht 1969, 27 und Sider 1989, 427 (zur partiellen Abhängigkeit Platons von Isokrates cf. aber unten Kap. 6.2, Anm. 45). <?page no="59"?> ‘Palinodie’ 45 Deutlich ist demnach, dass Helena bei Stesichoros nicht nach Troja gelangte (PMGF 192 = Plat. Phdr. 243 a 8 - b 1: -TD : &$M : $"μ-( C@P-( -7$-(, / / -TNM : R]( ; B BJ"&1B ; "&&! Cμ-F( / / -TNM YDL- +! )P]μ] %)-_](. - ”Diese Erzählung ist nicht wahr, und du gingst auch nicht weg auf den Schiffen mit dem guten Verdeck und kamst auch nicht zur Burg von Troja.”), und dass stattdessen ein Phantom Gegenstand des Trojanischen Kriegs war (Plat. R. 586 c 3-5: ... 5&+L) $0 $K( 9C! BJ( LZNAC-B S+0 $EB ; B %)-_Q '$J&_- `-)@( bJ&F PLB! &H]F +L)Fμ#`J$-B =PB-_Q $-I =CJH-I(. - “... wie auch Stesichoros sagt, dass das Eidolon der Helena aus Unkenntnis der Wahrheit sehr umkämpft gewesen sei bei denen, die in Troja waren.”) 8 . Dies sei der Inhalt der ‘Palinodie’ gewesen, mit welcher Stesichoros seine vorangehende konventionelle Darstellung korrigiert habe. Diese erste Darstellung, die noch der homerischen Vorlage gefolgt sei, habe den Zorn der Heroine bewirkt und auf diese Weise die Blindheit des Dichters verursacht (Isoc. 10,64: V$L μ3B P4) =)`@μLB-( $K( .NK( ; RC]&baμJ&! B $F +L)1 ]T$K(, =B! &$J $EB XbH]CμEB ; &$L)Jμ! B-( ... - “Als er nämlich mit seinem Lied begann und sich ihr gegenüber etwas zuschulden kommen ließ, erhob er sich, seiner Augen beraubt ...”; Plat. Phdr. 243 a 5-6: $EB P4) Xμμ#$AB &$L)JHL1( NF4 $2B 9C! BJ( D]DJP-)_]B ... - “Seiner Augen beraubt wegen der Schmähung der Helena ...”). Erst nachdem Stesichoros die Ursache seiner Schuld erkannt und mit der ‘Palinodie’ seinen Fehler berichtigt habe, sei sein Augenlicht wieder zurückgekehrt (Isoc. 10,64: ... ; +LFN2 N3 PB-/ ( $2B ]\$_]B $K( &"μb-)O( $2B D]C-"μ! BJB *]CFBGN_]B ; +-_J&LB, +#CFB ]T$0B L\( $2B ]T$2B b? &FB D]$! &$J&LB. - “... als er aber die Ursache seines Unglücks erkannt und die sogenannte ‘Palinodie’ verfasst hatte, versetzte sie [sc. Helena] ihn wieder in seine frühere Natur.”; Plat. Phdr. 243 a 6-7 und b 2-3: ... -TD 8PB@J&LB 5&+L) UμJ)-(, =CCM <$L μ-"&FD0( 6B : PBA $2B ]\$_]B ... D]1 +-Fa&]( N2 +O&]B $2B D]C-"μ! BJB *]CFBGN_]B +])]`)Kμ] =B! RCL^LB. - “... er war sich nicht im unklaren wie Homer, sondern, weil er musisch war, erkannte er den Grund, ... und nachdem er die ganze sogenannte ‘Palinodie’ verfasst hatte, konnte er sofort wieder sehen.”). Die kanonische Mythenversion, der Stesichoros sich mit seinem heftigen Protest von PMGF 192 entgegenstellt, ist von den Interpreten dieser Verse seit Platon stets mit Homer gleichgesetzt worden. Doch eigentlich liest sich die genaue Formulierung vor allem des zweiten Verses (-TNM : R]( 8 Platons Darstellung wird in diesen Punkten bestätigt durch einen umstrittenen Vers, den Johannes Tzetzes in den Scholien zu seinen eigenen ‘Antehomerica’ überliefert (zu V. 149, p. 131,2-3 Leone: P)#bLF P4) W '$J&_`-)-(, ‘%)>L&&M, -[ $@$M Z&]B 9C! BJ( LZNAC-B : `-B$L(’ - “Stesichoros schreibt nämlich: ‘den Troern, die damals mit dem Bildnis der Helena wegfuhren’”); cf. die Besprechung von Cingano, Gentili 1984, die den Vers für echt halten und sich damit von der negativen Einschätzung durch Davies 1982b distanzieren, der annahm, dass Tzetzes selber den Vers so gestaltete und sich dazu durch die Passage in Ael. Aristid. 2,234 anregen ließ. <?page no="60"?> Kapitel 6 46 9+ +EX\4+ 9X\\Y-μ(C" - “und du gingst auch nicht weg auf den Schiffen mit dem guten Verdeck”) in mancher Hinsicht eher wie eine Abgrenzung von den lesbischen Dichtern der Zeit um 600 v. Chr. So ist (OG1 8IJ" die genaue Opposition zu Sappho, Frg. 16 Voigt (V. 7-9: V-Y+J [Z3]+ ; +G$J / / Z3+ [&J+[$]C\Z(+ 9 / / BJ--[L&(C]\1 8IJ 1" #$(LJ+ &-Y(C[\J] - “Helena verließ den allerbesten Mann und ging nach Troja, dahinsegelnd”), und die unmittelbare Folge 9+ +EX\4+ 9X\\Y-μ(C" 10 , die dem im Grunde selbstverständlichen Umstand Ausdruck verleiht, dass die Überfahrt mit dem Schiff erfolgte, kann nicht nur als Variation von Sapphos &-Y(C[\J], sondern auch als Paraphrase von Alkaios, Frg. 283 Voigt (V. 5 f.: 9Bμ[+FC\J )[F , ]+J&[ZJ‹C› 1&4 &[>+- Z(+] / / 8\&FZ( +2C - “ganz von Sinnen folgte sie [sc. Helena] dem Täuscher des Gastfreunds im Schiff übers Meer”) gedeutet werden. Zwar hatte schon der Dichter der ‘Ilias’ Helenas Aufbruch von Sparta mit einem Aorist des Verbes IJL+? umschrieben (Il. 24,766: ... 9) (M BF/ DF+ 8IE+ BJ4 9μ0" <&F-W-X- DJ &[Z$E". - “... seitdem ich von dort wegging und von meinem Vaterland herkam.”) und damit vielleicht Sapphos Formulierung hervorgerufen 11 . Es ist daher ohne weiteres möglich, dass auch Stesichoros sich von dieser berühmten Schlussrede der Helena in der ‘Ilias’ (24,762-775) inspirieren ließ. Dies hätte jedenfalls einen sinnreichen Kontrast zwischen der Ich- Aussage Helenas (8IE+) und der Du-Perspektive des Stesichoros ((OG1 8IJ") ergeben, zumal es keineswegs zwingend war, die Überfahrt über die Ägäis mit einem Aorist von IJL+? zu umschreiben 12 . Dennoch zeigt sich bei einer genauen Betrachtung, dass die Schilderung des Stesichoros in einigen anderen Aspekten eher mit derjenigen der Sappho übereinstimmt. Indiz dafür ist nicht nur die jeweilige Fortsetzung von IJL+? mit dem analogen Hinweis auf die für die Überfahrt verwendeten Schiffe und mit der jeweiligen vergleichbaren Zielangabe (Sappho, Frg. 16,9: 9" #$(LJ+ &-Y- (C[\J]; Stesich. PMGF 192, 2-3: 9+ +EX\4+ 9X\\Y-μ(C" bzw. QBF( &Y$HJμJ #$(LJ"), sondern vor allem auch die klangliche Nähe von Sapphos 8IJ 1" 9 Ergänzung der Lücke durch D. L. Page; Voigt selbst liest lediglich Z3+ [ J$]C\Z(+. 10 Ein gut episches Epitheton für Schiffe (für eine Formulierung im Dativ Plural cf. Hom. Od. 4,409: &J$6 +EX\4+ 9X\\Y-μ(C\C+ - “bei den Schiffen mit dem guten Verdeck”). 11 Dies die Annahme von Blondell 2010, 381 f. 12 Cf. die vergleichbar knappe Darstellung der Episode bei Herodot 2,117, wo anstelle des Aorists von IJL+? derjenige von <ACB+Y(μJC gebraucht ist (9+ μ5+ H6$ Z(/ \C 'X&- $L(C\C FR$EZJC 7" Z$CZJ/ (" 9B %&[$ZE" : -Y)J+G$(" <&LBFZ( 9" Z3 P-C(+ ; H? + U-Y+E+ ... - “In den ‘Kyprien’ [Frg. 14 Bern.] ist nämlich gesagt, dass Alexander am dritten Tag von Sparta nach Ilion kam und Helena mit sich führte ...”), und die ins Negative gewendeten Schilderungen bei Euripides, wo jeweils der Aorist von 8$@(μJC Verwendung findet (El. 1281: TBFC -C&(.\1 *RHX&Z(+ (NG1 S-DF+ ! $=HJ" - “sie [sc. Helena] kehrte zurück [sc. nach Sparta], nachdem sie Ägypten verlassen hatte, und gelangte nicht zu den Phrygern”; Hel. 582: (OB S-D(+ 9" H0+ #$K[G1, <--1 FRG? -(+ S+. - “Ich gelangte nicht in die Troas, sondern es war ein Eidolon.”; Hel. 1509-1511). <?page no="61"?> ‘Palinodie’ 47 und Stesichoros’ ,! ">. Zwar sind diese Verbalwendungen syntaktisch unterschiedlich eingesetzt, doch vom phonetischen Standpunkt her sind sie völlig deckungsgleich, sodass man durchaus an ein bewusstes Wortspiel denken kann. Wenn also bereits die beiderseitige Verwendung von ! "#+0 und die klangliche Analogie die beiden Texte in einige Nähe zueinander rücken, so besteht auch noch eine wichtige syntaktische Parallele im jeweiligen Gebrauch der Negationen. Denn die auffällige dreifache Verneinung )B/ ... )B<: ... )B<: in PMGF 192 erhöht nicht nur die Emphase des Protests, sondern dient eben auch der Opposition zwischen dem zweiten und dem dritten Vers, und damit ist wieder eine Parallele hergestellt zum Gedicht Sapphos, wo in den Versen 10 f., also im unmittelbaren Anschluss an den entscheidenden Ausdruck ,! " : > 'A)#"+ C-%)1[; "], wieder eine Opposition mit doppeltem )B<% vorliegt (/ 0B<[@ C"]7<)> )B<@ 2#-0+ 8)[/ ]$0+ / / C&[μ- C"+] .μ+&; 3‹6› - “und sie [sc. Helena] dachte überhaupt weder an ihr Kind noch an ihre Eltern”). Es sieht also doch ganz danach aus, dass Stesichoros sich für seine (negative) Darstellung von Helenas Überfahrt nach Troja nicht nur an der ‘Ilias’ (und der sonstigen epischen Tradition), sondern auch an den lesbischen Lyrikern orientierte. Insbesondere Gedicht 16 der Sappho mag mit seiner emphatischen Verteidigung Helenas bzw. der Unbedingtheit, mit der hier die Liebe als menschliche Triebfeder in den Vordergrund gestellt und entschuldigt wird 13 , schnelle Bekanntheit erlangt und auch auf Stesichoros entsprechenden Eindruck gemacht haben 14 , sodass es nicht verwunderlich wäre, wenn der sizilische Lyriker neben Homer auch Sappho mit seiner ebenso emphatischen Kontrafaktur geadelt hätte. Jedenfalls ist das umgekehrte Abhängigkeitsverhältnis, auch wenn moderne Philologen gelegentlich solche Abhängigkeiten postulierten 15 , so gut wie ausgeschlossen: Nach dem energischen traditionswidrigen )B<: ,! "> des Stesichoros wäre Sapphos einfaches ,! " eine schwächliche Replik gewesen, und auch die ungefähren Schaffensdaten der beiden Dichterpersönlichkeiten, von 13 Cf. beispielsweise Meyerhoff 1984, 69-72, Austin 1994, 54 f., West 2002, 211 und Pallantza 2005, 66-68 (für eine Relativierung dieser Interpretationsrichtung, die aber diesen Aspekt des Gedichts nicht aufhebt, cf. Blondell 2010, 381 f.; allgemein zur Frage nach Helenas Schuld, wie sie in der frühgriechischen Dichtung behandelt wurde, cf. Perotti 2004-2005, 395-400). 14 Eine Möglichkeit, wie die Verse in der Magna Graecia schnell bekannt werden konnten, besteht in Sapphos Aufenthalt in Sizilien, wohin sie gemäß dem ‘Marmor Parium’ in den Jahren 603/ 602 - 596/ 595 aufgebrochen sein soll, nachdem sie aus Lesbos vertrieben worden war (FGrHist 239 A 36: ("C2= .? *581-$+6> 9D> (1/ 9-#"+ ,C-95; 9, 25? )4; " - “Sappho segelte von Mytilene nach Sizilien, in die Verbannung gehend”). 15 Generell zur Möglichkeit einer Rezeption des Stesichoros durch die lesbische Lyrik cf. Treu 1968, 1256; speziell zur These, wonach Alkaios, Frg. 42 Voigt durch die E-%- +6> / "/ 6? )A#" des Stesichoros (PMGF 192 = Plat. Phdr. 243 a 5-6) inspiriert sei, cf. Page 1955, 280 f. <?page no="62"?> Kapitel 6 48 denen Sappho (ebenso wie Alkaios) den Höhepunkt ihres dichterischen Schaffens um das Jahr 600 erreichte 16 , Stesichoros aber erst im Verlauf des sechsten Jahrhunderts zu seiner dichterischen Produktion fand 17 , lassen diese Annahme kaum zu. Wenn unsere Vermutung zur Abhängigkeit des Stesichoros von Sappho also richtig ist 18 , dann zeigt sich einmal mehr, dass Stesichoros sich nicht undifferenziert auf den panhellenischen Mythos bzw. einen anonymen Faktenkatalog bezog, sondern ganz bewusst die Auseinandersetzung mit einzelnen Vertretern dieser panhellenischen Tradition suchte. 6.2 Das Blendungsmotiv in der ‘Palinodie’ und die verschiedenen Versionen der Geschichte von der Heilung des Stesichoros Besonders auffällig ist in den oben genannten frühesten Testimonien zur ‘Palinodie’, wie Platon und Isokrates die Frage, wie Stesichoros denn eigentlich zur Erkenntnis seiner Schuld bzw. der Ursache seiner Blendung gelangte, elegant umgehen. Platon verweist allgemein auf die geistigen Fähigkeiten des Stesichoros (μ! 0"('+$ .%), Isokrates lässt die Frage ganz offen. Wesentlich deutlicher ist die Darstellung bei einer Reihe kaiserzeitlicher Autoren, nämlich bei Konon, Pausanias und Hermeias von Alexandria 19 . Danach sei der Feldherr Leonymos (oder Autoleon) von Kroton in einer Schlacht mit der Nachbarstadt Lokroi schwer verwundet worden und hätte sich auf Anraten des Orakels von Delphi zur Insel Leuke im Schwarzen Meer begeben, die den homerischen Helden als Jenseitswelt diente. Dort sei ihm von Achilleus 20 und dem lokrischen Aias tatsächlich die Heilung zuteil geworden, und Helena, die sich bei Achilleus aufhielt, habe ihm aufgetragen, dem Stesichoros auszurichten, er werde von seiner Blindheit geheilt werden, sobald er seine Verleumdung der Heroine zurücknehme. Wieder anders ist das späteste Zeugnis, nämlich der Eintrag im Artikel der ‘Suda’ zu Stesichoros (" 1095 Adler), wo es heißt, dass der Dichter die 16 So Meyerhoff 1984, 10-12. 17 Zu den traditionellen Lebensdaten des Stesichoros, der von 632/ 628 bis 556/ 552 v. Chr. gelebt haben soll (PMGF TA 7 = Cic. rep. 2,20; PMGF TA 19 = Suda " 1095 Adler), cf. die Diskussionen bei Ercoles 2008 und Kivilo 2010, 79-82; zur Bestimmung seiner Aktivitätszeit cf. die allerdings sehr tief heruntergehende Datierung bei West 1971, 302-306 (Zeit der dichterischen Produktion ca. 560-540 v. Chr.). 18 Cf. oben in Kap. 5 die Bemerkungen zur wahrscheinlichen Übernahme der Junktur #*%)- / &,%* in Stesich. PMGF S 103 aus Sappho, Frg. 23 Voigt. 19 Konon, Fab. 18; Paus. 3,19,12-13; Hermeias von Alexandria, zu Plat. Phdr. 243 a, p. 75,11-26 Couvreur. 20 Zum Kult des Achilleus auf Leuke, der sich seit dem 6. Jh. v. Chr. herausbildete, cf. jetzt die Beiträge bei Hupe 2006. <?page no="63"?> ‘Palinodie’ 49 Eingebung, die seine Heilung ermöglichte, im Traum erhalten habe (<&D; #A &CB84 $+*9&4B& 93$/ 4 F7(4! ) B? <76@54&=, -*7=4 #A $+*9&4B& F7(4! ) ,$: 0μ=/ 4 ,1 E4"'+/ ? , B>4 -&7=42#'&4, .4&%7(9&=. - “Man sagt aber, dass er, nachdem er einen Tadel Helenas verfasst hatte, geblendet worden sei. Als er aber infolge eines Traums wieder ein Lob Helenas, die ‘Palinodie’, verfasst hatte, habe er wieder sehen können.”). Es stellt sich also die Frage, in welchem Verhältnis diese drei Versionen 21 zueinander stehen, d.h. es erhebt sich die Frage, welche Version die älteste ist und ob sie sich vielleicht sogar auf Stesichoros’ eigene Dichtung zurückführen lässt. Dass gar keine von diesen Versionen auf Stesichoros selbst zurückzuführen wäre, dass also erst nach-stesichoreische Legendenbildung das Motiv der Blendung und ihrer Heilung auf Stesichoros übertrug, lässt sich wohl ausschließen. Denn es wäre zwar prinzipiell möglich, dass Stesichoros selbst lediglich in metaphorischer Sprache auf seine Blindheit hinwies, die ihm die richtige Einsicht über den wahren Verlauf des Trojanischen Kriegs vorerst unmöglich gemacht habe 22 . Eine allmähliche Ausschmückung dieses Kerns durch novellistische Motive ist aber nicht denkbar, weil es sich bei dem komplizierten Verhältnis zwischen Stesichoros und Helena, wie wir noch im Detail sehen werden 23 , um ein festgefügtes Erzählmuster handelt, das nur als ganzes auf die Biographie des Dichters übertragen werden konnte 24 . Auch dies könnte im Prinzip in nach-stesichoreischer Zeit geschehen sein. Doch müsste man sich dann fragen, wie anonyme Legendenbildner, die keinen besonderen Bezug zu den Verhältnissen in Sparta oder zu sonstigen Kultstätten der Heroine hatten, dazu kamen, in Helena das Potential für eine solche Anwendung des Erzählmusters zu erkennen 21 Eine vierte Version, wonach der Auftrag zur Abfassung der ‘Palinodie’ vom Orakel von Delphi ausgegangen sein soll (Porph. Hor. epod. 17,42, p. 219,12-16 Holder; Ps.- Acro, Schol. Hor. carm. 1,16, I p. 71,18 - 72,3 Keller), kann wahrscheinlich keinen eigenständigen Status für sich in Anspruch nehmen, weil es sich anscheinend einfach um eine Verkürzung der zweitgenannten Version handelt, nach der Leonymos jeweils vom Orakel von Delphi nach Leuke geschickt wird. 22 So bereits angedeutet bei Blomfield 1823, 336 und 340, Bergk 1883, 290 und Seeliger 1886, 8 und danach deutlicher zum Ausdruck gebracht bei Mancuso 1912, 194, Bowra 1961, 107 f., Fränkel 1962, 322 (mit Anm. 7), Kannicht 1969, 29, Bertini 1970, 83 f., Cataudella 1972, 87 f., Lefkowitz 1981, 32-34, Arrighetti 1982, 109, Segal 1985, 191, D’Alfonso 1993-1994, 428 f., Robbins 1997, 240, Wright 2005, 102 f. und Kivilo 2010, 75 (mit Anm. 57). 23 Cf. unten Kap. 6.3. 24 Dieser Umstand schließt im übrigen die Annahme von Farina 1968, 11 f., wonach es sich bei der Blindheit des Dichters um eine vorübergehende echte Sehschwäche gehandelt habe, ebenso aus wie die psychoanalytische Deutung von Devereux 1973, 207 f., wonach es sich um hysterische Blindheit gehandelt habe, die der Dichter mit seiner ‘Palinodie’ in der Form einer rituellen Selbstheilung wieder aufgehoben habe. <?page no="64"?> Kapitel 6 50 und die Biographie des Dichters entsprechend umzugestalten 25 . Da Helena als Adressatin des Gedichts sowieso immer schon in ein bestimmtes Verhältnis zum Sänger ihrer Erlebnisse gesetzt gewesen sein muss, spricht vielmehr alles dafür, dass sie von Anfang an auch als mächtige strafende Instanz dargestellt worden war. Jedenfalls ist bei der Annahme rein metaphorischer Blindheit nicht recht zu sehen, was den Dichter dann zur richtigen Erkenntnis führte und welche Rolle Helena in diesem Szenario spielen konnte. Nicht zuletzt aber ließe es sich im Falle metaphorischer (temporärer) Blindheit auch schwer sagen, in welchem Verhältnis dieses Motiv dann zur tatsächlichen (dauerhaften) Blindheit gestanden hätte, von der Homer nach der Legende betroffen gewesen sein soll. Denn in diesem Falle müsste man von einer sehr schiefen Analogie sprechen, die man Stesichoros kaum zutrauen wird (und dass die Blindheit des Stesichoros in gar keiner Verbindung mit derjenigen Homers stehen sollte, wird man bei der dezidiert antihomerischen Stoßrichtung der ’Palinodie’ auch kaum glauben wollen). Es bleibt also nur der Schluss übrig, dass schon Stesichoros selbst von echter Blindheit und von ihrer Heilung gesprochen hat, und wir müssen uns somit entscheiden, ob wir die Version Platons auf Stesichoros zurückprojizieren wollen, die Version von Konon und Pausanias oder die Version der ’Suda’ 26 . Gegen die Version Platons erhebt sich sofort der Einwand, dass eine so allgemeine und kryptische Erklärung, wie Sokrates sie in seiner kurzen Einlassung gibt (Phdr. 243 a 6-7: (.2 μ+,01/ #) %- '3-* .$- ! &."! - - “weil er musisch war, erkannte er den Grund”), kaum der Erläuterung seines Sinneswandels entsprechen kann, die Stesichoros selbst in seinem Lied vorgetragen hatte. Eine Betrachtung des weiteren Kontexts von Platons ’Phaidros’ zeigt zudem, dass die Formulierung des Sokrates einen sehr funktionalen Platz im Gesamtgefüge des Dialogs hat 27 . Es sind vor allem zwei Motivlinien des Dialogs, die sich in Sokrates’ Bemerkung zu Stesichoros treffen, das Thema der Selbstkorrektur und das Motiv des Vortrags philosophischer Inhalte in dichterischer Sprache. Das Thema der Selbstkorrektur wird zum ersten Mal in Sokrates’ polemischer Behauptung angeschlagen, der Redner Lysias habe mit seinem 25 Dies gilt selbst für die These von Weinreich 1909, 194, wonach die Legende von der Blindheit und Heilung des Stesichoros in dessen Heimatstadt Himera entstanden sei. Denn auch die Bürger von Himera hatten kaum Anlass, auf die göttliche Macht der Helena Bezug zu nehmen und auf die besondere Form ihrer Verehrung in Sparta oder an sonstigen Kultstätten einzugehen. 26 Zur eigentümlichen Version des Horaz (epod. 17,39-44), wo es nicht Helena ist, die den Dichter heilt, sondern ihre beiden Brüder, cf. die weiter unten folgenden Bemerkungen sowie die ausführlichere Diskussion in Kap. 6.5. 27 Für das Verhältnis zwischen dem Gesamtdialog und der Passage zu Stesichoros cf. die einführenden Arbeiten von D’Alfonso 1994 und Demos 1999, 65-86. <?page no="65"?> ‘Palinodie’ 51 Plädoyer für die vernunftgeleitete Liebe nur seine Fähigkeit vorführen wollen, in bewährter rhetorischer Manier eine Sache einmal so und einmal genau umgekehrt darzustellen (Phdr. 235 a 6-8: ... ; -HPNHFD@μNDB) Q) BUA) &N 7D &_S&5 : &%+\) &N F_2 : &%+\) E%[\D >μ"B&%+\) NV-NKD <+H(&_. - “... sich als jemanden zeigend, der fähig ist, dasselbe einmal so und einmal so zu sagen und zwar in der einen wie in der anderen Form sehr gut.” 28 ). Sokrates’ eigene Selbstberichtigung, in der auf ein Plädoyer für die vernunftgeleitete Liebe ein noch viel flammenderes für die manische Liebe folgt, sei dagegen das Ergebnis einer plötzlichen religiösen Eingebung (242 b 8 - c 6: ... F_! &HD_ "\D3D 9PBC_ _S&AJND >FBI(_H, W μN BSF ; 0 >-H%D_H -+2D =D >"B(H? (\μ_H, 6) P# &H Yμ_+&LFA&_ NV) &1 JNKBD ... - “... und ich glaubte, eine Stimme von dorther zu hören, die mich nicht weggehen ließ, bevor ich mich nicht gereinigt hätte, weil ich mich in bestimmter Weise gegen die Gottheit vergangen hätte ...”). Wie die unmittelbar folgenden Ausführungen des Sokrates zeigen, sieht er sich darin auf einer Stufe mit Stesichoros und will ihn sogar noch übertreffen, indem er im Unterschied zu Stesichoros seine korrigierte Fassung vorträgt, bevor ihn der Zorn der Götter trifft (243 b 3-7). Die zweite Verbindung des Philosophen mit Stesichoros liegt im Gebrauch dichterischer Sprache. Denn bereits Sokrates’ erste Rede zugunsten der vernunftgeprägten Liebe ist in fast dichterischer Form gehalten (241 e 1-2), und dies ist erst recht der Fall in der zweiten Rede (257 a 3-6). Dabei nimmt Sokrates konstant eine Unterscheidung zwischen zwei Formen der Dichtung vor, zwischen einer rein schulmäßig-technischen Form und einer von den Musen inspirierten. Nur die zweite Form könne zu echter Dichtung führen, während die erste schal und leer bleibe (245 a 1-8: &+! &L P4 >-1 *B$(GD F_&BF\`# &N F_2 μ_D! _ ..., T) P/ =D <DN$ μ_D! _) *B$(GD ; -2 -BHL&HF5) J@+_) >"! FL&_H ..., >&NE3) _S&A) &N F_2 Y -B! L(H) R-1 &O) &GD μ_H- DBμ%D\D Y &BI (\"+BDBID&B) Z"_D! (JL. - “Die dritte Form der Besessenheit und des Wahnsinns stammt von den Musen her ... Wer aber ohne den Wahnsinn der Musen zu den Toren der Dichtung gelangt ..., der ist selber nicht eingeweiht, und auch die Dichtung des Verständigen wird von der der Wahnsinnigen verdunkelt.”). Daher gehe die reinste Seele bei der Menschwerdung in eine Person ein, die philosophisch und musisch gesinnt sei (248 d 2-4: ... &3D μ4D -ENK(&_ VPBI(_D NV) [BD3D >DP+1) [NDL(Bμ%DB$ "HEB(A"B$ X "HEBF'EB$ X μB$(HFBI &HDB) F_2 ; +\&HFBI ... - “... diejenige Seele, die am meisten gesehen hat, geht in die Person eines Mannes ein, der ein Liebhaber des Klugen und des Schönen zu werden verspricht, und ein Musischer und Liebender ...”), und es sei lediglich ein untergeordneter Seelentypus, für den sich das Leben eines nachahmenden Dichters schicke (248 e 1-2: 8F&. [sc. ^$`M] -BHL&HF1) [sc. ]! B)] X &GD -N+2 μ! μL(! D &H) <EEB) 28 Echos dazu folgen in Phdr. 257 b 4-6 und 261 c 10 - d 1. <?page no="66"?> Kapitel 6 52 ),μ*154 ... - “Für die sechste Seele wird das dichterische Leben passen oder ein anderes mit Nachahmung befasstes ...”). Die Opposition zwischen Stesichoros und Homer, die Sokrates in Phdr. 243 a-b aufstellt, entspricht also einer allgemeinen Leitlinie des Dialogs mit der Unterscheidung zwischen dem inspirierten und dem nicht-inspirierten Dichter, und die Behauptung des Sokrates, dass Stesichoros die Ursache für seine Blindheit erkannt habe, weil er musisch gesinnt gewesen sei (243 a 6-7: (/ 5 μ.-142#3 %0 '60+ / $0 ! &/ "! 0 - “weil er musisch war, erkannte er den Grund”), hat also vielfältige Resonanz in unserem Dialog. Somit geht diese Formulierung und die weitere Erläuterung durch Sokrates sicher auf Platon selbst zurück und kann sich nicht so in der ‘Palinodie’ des Stesichoros gefunden haben. Es verhält sich vielmehr so, dass die philosophisch artikulierte Erklärung des Sokrates die tatsächliche Erklärung, die Stesichoros selbst in seinem Lied gegeben hatte, verdeckt. Es bleiben somit die beiden Alternativversionen, also die Version von Konon, Pausanias und Hermeias, wonach Stesichoros von Leuke her die entscheidende Botschaft erhielt, und die Version der ‘Suda’, wonach er im Traum von den Gründen für seine Blindheit erfuhr. Die Version der drei kaiserzeitlichen Autoren, die etwa noch von Franz Dornseiff in direkte Verbindung mit Stesichoros gebracht worden war 29 , lässt sich nach der neueren detaillierten Analyse von René van Compernolle 30 in ihrer literarischen Entwicklung zwar bis in die Mitte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts zurückverfolgen, aber nicht mehr darüber hinaus. Es hat daher gute Wahrscheinlichkeit für sich, dass sie in einer der beiden unteritalischen Städte entwickelt wurde, die sich in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts in der Schlacht am Fluss Sagra gegenübergestanden waren, also in Lokroi 31 oder in Kroton 32 . Dies sollte aber nicht bedeuten, dass eine der beiden Städte dem Stesichoros den Auftrag zur Abfassung der ‘Palinodie’ erteilte, sondern nur, dass um die Wende vom sechsten zum fünften Jahrhundert die bereits vorliegende ‘Palinodie’ von einer der Städte aufgegriffen und zum Anlass für eine legendenhafte Ausschmückung der Geschichte gemacht wurde 33 . Möglicherweise liegt hinter dieser Version ein pythagoreisches Anliegen verborgen 34 , und es scheint 29 Cf. Dornseiff 1933, 34 f., mit der These, dass schon Stesichoros selbst die Geschichte von der Reise des Leonymos nach Leuke zu einem Teil der ‘Palinodie’ gemacht habe. 30 Cf. van Compernolle 1969, 748-755. 31 So etwa schon Mancuso 1912, 205 f. und Ferrari 1937, 242 f. und in neuerer Zeit wieder Sisti 1965, 313, Rossi 1983, 25 und Gentili 2006, 200 f. 32 Dies die jüngere Alternativthese von Podlecki 1971, 317 und vor allem von Cerri 1993, 337-345. 33 So richtig Sgobbi 2003, 17 Anm. 56 in Kritik an den in den letzten Anmerkungen genannten Autoren. 34 So Maas 1929, 2461, Detienne 1957 und Sgobbi 2003, 6-17, die auf die pythagoreische Herrschaft über Kroton zur genannten Zeit hinweisen, aber auch auf die damalige <?page no="67"?> ‘Palinodie’ 53 plausibel, dass mit dieser Version auch das Orakel von Delphi verherrlicht werden sollte, das in den verschiedenen Testimonien Leonymos jeweils nach Leuke schickt 35 . In der Tat muss man sich fragen, ob Stesichoros die ‘Palinodie’ in einer der beiden Städte zur Aufführung gebracht und schon selbst die Geschichte von der Botschaft aus Leuke in seinem Gedicht vorgetragen haben kann. So ist es nämlich erstens sehr zweifelhaft, ob Stesichoros in lyrischer Sprache die komplizierte Geschichte vom Aufenthalt des Leonymos auf Leuke und von der durch diesen überbrachten Botschaft nacherzählt haben kann. Selbst wenn die Geschichte von der Reise des Leonymos ans Schwarze Meer schon vor Stesichoros bestand, so müsste der Lyriker doch das Motiv von der überbrachten Botschaft neu erfunden und eingefügt haben, und dies war wiederum nur möglich, wenn die Reise des Leonymos einigermaßen ausführlich dargestellt war. All dies ist im Kontext eines Chorlieds - oder allenfalls eines lyrischen Solovortrags - mit seiner feierlichen Sprache nur schwer vorstellbar, und ein solch detaillierter Sachbericht hätte auch einen merkwürdigen Kontrast gebildet zur Emphase, die uns in Fragment 192 entgegentritt. Zum zweiten setzt die Geschichte von der Botschaft, die Helena dem Dichter von Leuke aus übermitteln ließ, eine Tradition des gemeinsamen Aufenthalts von Achilleus und Helena auf der Insel im Schwarzen Meer voraus. Diese Tradition scheint aber erst bei Lykophron im dritten Jahrhundert voll etabliert zu sein (Alex. 143 und 171-174). Für die archaische Zeit gilt dagegen, dass es Medeia war, die als Gefährtin des Achilleus auf der Jenseitsinsel betrachtet wurde. So bei Ibykos (PMGF 291) und bei Simonides (PMG 558 = Frg. 278 Poltera) 36 , die bekanntermaßen stark von Stesichoros beeinflusst waren 37 und sich somit in dieser Frage wohl an Stesichoros angeschlossen hätten, wenn er denn von Helenas Aufenthalt auf Leuke gesprochen hätte. Bestätigt wird dies durch die Rezeption der ‘Palinodie’ durch Horaz, der in Epode 17 seiner Feindin Canidia zum Schein anbietet, die harschen pythagoreische Deutung der Helena-Gestalt verweisen, die sich in ihrer apologetischen Tendenz mit der Darstellung der ‘Palinodie’ traf; allgemein zur Prägung der Biographie des Stesichoros durch pythagoreische Motive cf. Kivilo 2010, 82 f. und 86. 35 So etwa Schmid 1929, 471 f. 36 Für die nachklassische Zeit cf. zudem Apoll. Rhod. 4,811-815 und Apollod. Epit. 5,5. 37 Für die allgemeine Abhängigkeit des Ibykos von Stesichoros cf. Lesky 1971, 214 f.; für die spezielle Junktur %! &(# $'"&), die Ibykos (PMGF S 151,5) wahrscheinlich aus Sappho (Frg. 23,5 Voigt) und Stesichoros (PMGF S 103) übernahm, cf. oben Kap. 5. Für die Kenntnis der Lieder des Stesichoros, die Simonides hatte, cf. vor allem sein Zitat in PMG 564 (= Frg. 273 Poltera). Ein weiteres mögliches Beispiel für Nachfolge ist Simon. PMG 549 (= Frg. 276 Poltera), wo wie in Stesich. PMGF 216 Sparta (und nicht Mykene) als Sitz des Palastes von Agamemnon bezeichnet ist; cf. die Diskussion in Bravi 2007, 127 f. (mit Anm. 6). <?page no="68"?> Kapitel 6 54 Worte seiner vorangestellten Invektive wieder zurückzunehmen und ihr in seiner Dichtung nun sogar den Status eines Sterns, also einer verstirnten Gottheit, zu gewähren (epod. 17,39-44: ... sive mendaci lyra / / voles sonare: ‘tu pudica, tu proba / / perambulabis astra sidus aureum.’ / / infamis Helenae Castor offensus vice / / fraterque magni Castoris victi prece / / adempta vati reddidere lumina. - “... oder sei es, du willst, dass ich mit lügnerischer Lyra ertöne: ‘Du bist sittsam, du bist rechtschaffen und wirst als goldenes Gestirn unter den Sternen wandeln.’ Wenn auch gekränkt wegen der geschmähten Helena, gaben Kastor und der Bruder des großen Kastor, von der Bitte bezwungen, dem Dichter das weggenommene Augenlicht zurück.”). Da Horaz sein Angebot also mit dem Präzedenzfall des Stesichoros illustriert, ist die Folgerung sicher berechtigt, dass bereits die ‘Palinodie’ mit der Verstirnung ihrer Adressatin geschlossen hatte 38 . Wenn aber das Lied des Stesichoros mit der Verstirnung Helenas endete, so kann der Dichter nicht gleichzeitig auch noch von ihrem postmortalen Aufenthalt als Göttin auf Leuke und von ihrer Verbindung mit Achilleus gesprochen haben. Es drängt sich also der Schluss auf, dass die Legende von der Liebe des Achilleus zu Helena bzw. von der Realisierung dieses Liebesverlangens auf Leuke erst um die Wende vom sechsten zum fünften Jahrhundert aufkam 39 und dann von den verantwortlichen Kreisen in Kroton oder Lokroi für ihre lokalen Legenden instrumentalisiert wurde, oder dass sie überhaupt erst von diesen Kreisen erfunden wurde. Der Auslöser für die Verbindung der Episode von der Schlacht am Fluss Sagra mit der Person des Stesichoros mag in der politischen Konstellation um das Jahr 500 v. Chr. bestanden haben, als Himera, die Heimatstadt des Stesichoros, und Kroton Teil einer antisyrakusanischen Allianz waren 40 . Da also auch die Version von Konon, Pausanias und Hermeias sich nicht auf Stesichoros selbst zurückführen lässt 41 , bleibt somit nur noch die dritte mögliche Erklärung, d.h. die Annahme, dass das späte Zeugnis der ‘Suda’ (! 1095 Adler), wonach Stesichoros in einem Traum die Aufforde- 38 So richtig Vürtheim 1919, 68-72, Bowra 1961, 109 f., Sisti 1965, 311 und Leone 1964- 1968, 24; zur weiteren Diskussion dieses Zeugnisses von Horaz cf. unten Kap. 6.5. 39 Wahrscheinlich war diese Erzählung von der eheähnlichen Verbindung des Achilleus mit Helena auf Leuke auch durch das epische Motiv inspiriert, wonach Achilleus, der nicht zu den Freiern der Helena gezählt hatte (Hes. Frg. 204,87-92 M.-W.; Apollod. Bibl. 3,10,8), sie vor Troja doch unbedingt einmal sehen wollte und diesen Wunsch von Aphrodite und Thetis auch erfüllt bekam (‘Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 42,59-60 Bern.). 40 Dies ausführlich begründet von Sgobbi 2003, 17-36. 41 So bereits die Annahme von Pisani 1928, 478 f., Ferrari 1937, 241 f., Farina 1968, 11 f. und West 1971, 303 f., die alle dazu neigten, in dieser Geschichte eine nach-stesichoreische Entwicklung zu sehen, und nun durch die detaillierte Arbeit von Sgobbi 2003 bestätigt sind. <?page no="69"?> ‘Palinodie’ 55 rung zur Berichtigung seiner Darstellung des Trojanischen Kriegs erhalten habe, die originale Version des Dichters war 42 . Diese Version passt, wie wir noch im Detail sehen werden, gut in den Motivkomplex von Blendung und Heilung, sie kann aber dem Dichter im Gegensatz zur Version mit der Botschaft aus Leuke auch keine Schwierigkeiten der Darstellung bereitet haben, da göttlich inspirierte Träume natürlich ein gebräuchliches episches Motiv waren 43 . Zudem wäre es schwer zu sehen, woher dieses Motiv denn stammte, wenn nicht aus dem originalen Kontext 44 . Unter der Voraussetzung, dass das Motiv vom Traum des Dichters das Originalmotiv des Stesichoros war, lässt sich nun vielleicht auch die äußerst knappe Behandlung der Episode durch Isokrates etwas aufhellen. Es heißt dort nämlich ganz lapidar, dass Stesichoros den Grund für seine Blindheit erkannt habe (10,64: K: 8G) &/ : ! 3&#! : &E) ($μ"8+F) - “als er aber die Ursache seines Unglücks erkannt hatte”), was Platon wahrscheinlich zu seiner nur unwesentlich klareren Formulierung veranlasst haben dürfte (Phdr. 243 a 6-7: 7&A μ8$(=<H) 0: 5K: N &/ : ! 3&#! : - “weil er musisch war, erkannte er den Grund”) 45 . Auffällig ist nun, dass Isokrates das Traummotiv schon im nächsten Paragraphen nachholt, aber nicht auf Stesichoros bezogen, sondern auf Homer, der von Helena im Traum aufgefordert worden sei, ihr Loblied zu singen, damit deutlich werde, dass die griechischen Helden für einen edlen Zweck vor Troja gestorben seien. So jedenfalls würden manche Homer-Rhapsoden berichten (Isoc. 10,65: ; 'K8$(=: I' &=: A) <! . &B: 2μ? +=IB: 1) 6-=(&F(! &E) : $<&H) 2μ%+C -+8('&! 9A: -8=AD: -A+. &B: (&+! &A$(! μ': N: 6-. ,+8#! : , M8$; 8μ': ? &H: 6<A#: N: >*: ! &8: @? ; N&L&A+8: 4 &H: M#8: &H: &B: J; ; N: <! &! (&E(! =. - “Es sagen aber einige der Homeriden, dass sie [sc. Helena] nachts zu Homer herantrat und ihm auftrug, ein Lied zu dichten über diejenigen, die nach Troja gezogen waren. Sie wollte nämlich den Tod jener Männer beneidenswerter aussehen lassen als das Leben der anderen.”). In der Tat findet sich in der Tradition der Homer-Viten das Motiv, dass Helena dem Homer im Traum erschienen sei, allerdings nicht, um ihn zur Schaffung der ‘Ilias’ zu bewegen, sondern, ganz im Gegenteil, um ihm die Vernichtung seines (für Helena) blasphemischen Werkes aufzutragen. Da er dies nicht habe tun wollen, habe sie den Dichter mit seiner 42 So bereits, wenn auch mit anderer Begründung, die Annahme von Bowie 1993, 27 und Kelly 2007, 9 und 20. 43 Cf. beispielsweise den von Athene geschickten Traum der Penelope in Hom. Od. 4,795-841. 44 Die Annahme von Woodbury 1967, 170, dass es sich bei der von der ‘Suda’ vermittelten Version um späte Rationalisierung gehandelt habe, scheitert jedenfalls an den unten aufgeführten Motivparallelen, in denen das Blendungsmotiv mit dem Traummotiv organisch verbunden ist. 45 Zur Abhängigkeit Platons von Isokrates in einzelnen Formulierungen (aber nicht generell in der Motivik) cf. Heitsch 1993, 89 Anm. 127. <?page no="70"?> Kapitel 6 56 Blindheit bestraft (‘Vita Romana’ = ‘Vita VI’, vol. V p. 252,51 - 253,57 Allen: ... 3-@ ? #. ; #: *8-H #2-B )#8.= =+? -G9 5 &+(/ -E9 5: $%=H9 ; #: #@=<C8# ? #C8#@ -19 ; <@'8J@9 #2-<C ... -G= L0 μ/ K=#8(*8A#@ ; <@E8#@ -<C-<. - “... man sagt auch, dass nachts die Seele der Heroine zu ihm herangetreten sei und ihn gemahnt habe, seine Dichtungen zu verbrennen ... Er habe es aber nicht ertragen, dies zu tun.”). Isokrates scheint also für das Motiv vom Traum Homers tatsächlich in rhapsodischer Tradition zu stehen. Doch ist das Motiv bei ihm in sein Gegenteil verkehrt, und es ist nur zu deutlich, dass seine Behandlung des Motivs einen wichtigen Baustein im Gesamtgefüge seiner Rede bildet. Denn Homers Loblied auf Helena, das auf diese Weise entstand, ist natürlich nur ein Vorläufer von Isokrates’ eigenen Bemühungen zum Lob der Helena, die er sich vorgenommen hatte 46 , und dass es für die griechischen Helden eine Ehre war, für Helena zu sterben, gehört sowieso zu den Leitmotiven der Rede 47 . Zudem hatte Isokrates angekündigt, dass er sein Lob Helenas nicht in den hergebrachten Bahnen halten wolle (10,15: ... ; J@: ,8<μ#@ ; J: . -E9 #2-E9 -#"-H9 J4; JD= ; #: #>@; F= 7; #=-# -1 -<D9 I>><@9 J4: Hμ*=#. - “... werde ich versuchen, über dieselbe Frau zu reden, indem ich alles, was von den anderen gesagt wurde, auslasse.”). Narratologisch gesehen, lässt sich das als Fiktionalitätssignal für die folgenden Motive verstehen 48 . Daher ist die Annahme naheliegend, dass erst Isokrates die überlieferte Form von der Erscheinung Helenas in den Träumen Homers abänderte, um seiner eigenen Darstellung damit besonderes Relief zu verleihen 49 . Ein expliziter Hinweis auf den Traum des Stesichoros hätte also die Aufmerksamkeit der Hörer oder Leser des Isokrates zu stark vom Traum Homers abgelenkt 50 . Umgekehrt kann das Motiv vom Traum des Stesichoros den Isokrates durchaus erst auf die Idee gebracht haben, das relativ obskure Motiv vom Traum Homers, wie wir es in der Tradition der ‘Vitae’ finden, aufzugreifen und umzugestalten. Die spezifische Behand- 46 Isoc. 10,14 mit der Opposition zwischen dem 6! ? Mμ@<= der Heroine, das Isokrates schreiben will, und der K; <><! %# der Helena, die sein Vorgänger (wohl Gorgias) verfasst hatte. 47 Isoc. 10,48 und 10,52-53. 48 Zur Frage nach dem Überlieferungswert von Isokrates’ Darstellung cf. auch die Diskussion bei Zajonz 2002, 288. 49 In ähnlicher Weise berichtet Lykophron (Alex. 171-173), wie dem Achilleus vor Troja Helena im Traum erscheint. Da dieses Motiv vor Lykophron nicht bezeugt ist, kann es sich auch hierbei um eine willkürliche Übertragung älterer Traummotive durch Lykophron oder einen obskuren Vorgänger handeln. 50 Die Erwähnung des Traums des Stesichoros hätte zudem auf den Widerspruch aufmerksam gemacht, dass Stesichoros in seinem Traum zur Berichtigung seiner traditionellen Version des Trojanischen Kriegs aufgefordert wird, während Homer bei Isokrates gerade zur Wiedergabe dieser Version gedrängt wird; cf. die in eine ähnliche Richtung gehenden Bemerkungen von Cerri 1993, 335 f. und Zajonz 2002, 288. <?page no="71"?> ‘Palinodie’ 57 lung des Motivs von Stesichoros’ Blendung bei Isokrates kann also unter Umständen als indirekter Beleg dafür angesehen werden, dass die Version der ‘Suda’ in letzter Instanz auf Stesichoros selbst zurückgeht. 6.3 Das Motiv der Blendung und Heilung als traditionelles Erzählmotiv Wie inzwischen mehrfach angedeutet, ist das Motiv vom Konflikt des Stesichoros mit Helena kein isoliertes Erzählmotiv. Es waren insbesondere O. Weinreich und F. Dornseiff, die darauf hinwiesen, dass das Motiv der Erblindung im Anschluss an eine wie auch immer geartete Verfehlung und das sich daran anschließende Motiv der Heilung nach erfolgter Abbitte zu einer Klasse von weit verbreiteten volkstümlichen Erzählmotiven zählen 51 . Bekannte Beispiele, auf die Weinreich und Dornseiff die Aufmerksamkeit lenkten, sind die Erblindung und Heilung von König Pheros von Ägypten 52 , die von Ovid berichtete Erblindung mehrerer Anhänger der Isis 53 , das Damaskus-Erlebnis des Apostels Paulus 54 , die vorübergehende Blendung des Zauberers Elymas durch Paulus selbst 55 und verschiedene vergleichbare Motive in spätantiken Heiligenviten 56 . Wenn das Motiv der Erblindung und ihrer Heilung somit wie ein freies Wandermotiv aussieht, das sich in fast beliebige Erzählzusammenhänge einfügen konnte und sich damit auch in eher zufälliger Weise an die Biographie des Stesichoros anschloss, so zeigen zwei Teilelemente der Erzählung, denen Weinreich und Dornseiff weniger Aufmerksamkeit schenkten, dass im Falle des Stesichoros doch etwas mehr dahinterstehen dürfte als nur ein einfaches Wandermotiv. Es sind dies das Element des Traums und dasjenige der komplexen Beziehung des menschlichen Sünders zu einer großen weiblichen Gottheit. 51 Weinreich 1909, 189-191; Dornseiff 1933, 33 f. 52 Hdt. 2,111 und Diod. Sic. 1,59 (in Opposition zu einer rationalistischeren Version des Erblindungsmotivs); zu einer authentischen ägyptischen Version derselben Geschichte cf. unten Kap. 6.4. König Pheros scheint überdies identisch zu sein mit (oder jedenfalls eine wichtige Parallele zu besitzen in) Pharao Nencoreus, Sohn des Sesosis, von dem der ältere Plinius einmal beiläufig berichtet (nat. 36,74: eiusdem remanet et alius [sc. obeliscus] centum cubitorum, quem post caecitatem visu reddito ex oraculo Soli sacravit. - “Von diesem Pharao ist noch ein anderer Obelisk von hundert Ellen Länge erhalten, den er nach seiner Blindheit und nach Rückgabe des Augenlichts aufgrund eines Orakelspruchs dem Sonnengott weihte.”). 53 Ov. Pont. 1,1,51-58. 54 Act. Apost. 9,3-9 (darauf Bezug nehmend Act. Apost. 22,6-16 und 26,12-18; I Cor. 9,1 und 15,8-10; Gal. 1,15-16). 55 Act. Apost. 13,8-12. 56 Vita des Heiligen Martin (Paul. Petr. Mart. 6,218-249; Greg. Tur. Mart. 1,2); Vita des Heiligen Julianus von Vienne (Greg. Tur. Iul. 10); cf. die Besprechung im beigefügten Anhang, Abschnitt 3. <?page no="72"?> Kapitel 6 58 Wenn wir uns an dieser Stelle vorerst noch auf das antike Material beschränken 57 , so findet das Motiv des Traums, in dem der erblindete fehlbare Mensch Aufklärung über sein Fehlverhalten und über die Möglichkeiten der Heilung erhält 58 , eine Parallele in der Erzählung des Sophronios von Jerusalem (6./ 7. Jh. n. Chr.) über die Wunder der Heiligen Kyros und Johannes. Eine der Wundertaten von Kyros und Johannes bestand in ihrer Bekehrung des Ketzers Stephanos. Zu diesem Zweck erschienen die Heiligen ihm wiederholt im Traum, brachten ihn damit von seinem Irrglauben ab und heilten so seine mehrfach wiederkehrende Blindheit zuletzt endgültig 59 . Es verwundert somit nicht, dass ein ähnliches Motiv bereits in den Tempellegenden des Asklepios-Heiligtums von Epidauros bezeugt und auch dort mit dem Ritus der Inkubation verbunden ist (IG 4 2 122 [= SIG 3 1169, um 320 v. Chr.], Z. 7-9: .-μ=5 ([')>2+. E2HE2]5 EC@835 1: 5E% ,')%E2, μ"E< #9 E2HE2 E< G%E-% 2D; 4/ '$25E[% F A": + 5>5] 1/ : ! )" EC@835 %? A>+* 4@>; : μ"525 #0 %DE35 ; %6 / '8>5 1$; %A"[7#25E% B$>]I ; %E&)E%)". - “Hermon von Thasos. Diesen heilte er [sc. der Gott Asklepios], als er blind war. Danach aber, als er die Heilungskosten nicht entrichtete, machte der Gott ihn wieder blind; als er aber zurückkam und wieder hier schlief, machte er ihn gesund.”) 60 . Das Motiv der großen strafenden, zuletzt aber auch wieder heilenden weiblichen Gottheit, wie sie Helena in der Geschichte des Stesichoros repräsentiert, hat eine seiner deutlichsten Ausprägungen in der oben erwähnten Erzählung von Isis und ihren reumütigen Anhängern gefunden. Ähnliches findet sich jedoch mehrfach in Erzählungen des Ps.-Plutarch in seinen Werken ‘Parallela minora’ und ‘De fluviis’ 61 . Diese Erzählungen dürften alle frei erfunden sein. Sie sind aber existierenden Erzählmustern nachgebildet und handeln alle davon, wie ein Frevler sich an einer weiblichen Gottheit versündigt, dafür mit Blindheit gestraft wird, zuletzt aber durch reumütige Abbitte von derselben Gottheit wieder von seiner Blind- 57 Für die nicht-antiken Belege, die teilweise noch engere Parallelen zur Geschichte des Stesichoros bilden, cf. den beigefügten Anhang, Abschnitte 1 und 2. 58 Also die Geschichte des Stesichoros nach der oben diskutierten Version der ‘Suda’. 59 Sophronios, ‘Narratio miraculorum sanctorum Cyri et Ioannis’ 38. Diese Erzählung, die O. Weinreich (1909, 191 Anm. 1) noch nach der Edition in der ‘Patrologia Graeca’ (Vol. 87,3, col. 3565-3572) zitierte, ist nun kritisch ediert von N. Fernández Marcos (Fernández Marcos 1975, 333-335); cf. die ausführlichere Besprechung der Erzählung im beigefügten Anhang, Abschnitt 3. 60 Zur Relevanz des Motivs der Inkubation cf. im folgenden Kapitel 6.4 die Bemerkungen zu den traditionellen Formen der Isis-Verehrung; zur Frage nach der Herkunft des Blindheits- und Heilungsmotivs in dieser Tempellegende von Epidauros cf. den beigefügten Anhang, Abschnitt 4. 61 Zur Identität des Verfassers der ‘Parallela’ mit dem von ‘De fluviis’ cf. Ziegler 1952, 868. <?page no="73"?> ‘Palinodie’ 59 heit geheilt wird. Die strafenden und heilenden Göttinnen sind Athene, Hestia und Artemis 62 . Die beiden Motive des Traums bzw. der großen weiblichen Gottheit sind also des öfteren mit dem Blendungsmotiv und dem Motiv der Abbitte und Heilung verbunden, und wir werden unten beim Studium des nichtantiken Materials sehen, dass diese Motive überhaupt eine zusammengehörige Reihe bilden. Die Kombination dieser Grundelemente, die wir in der Legende des Stesichoros finden, ist somit keine zufällige. Es handelt sich vielmehr um einen vorgefertigten Motivkomplex, der auf den sizilischen Dichter und auf die spartanische Heroine oder Göttin übertragen wurde. Die Frage ist dann allerdings die, ob nicht wenigstens Helena schon vor Stesichoros mit solchen Glaubensvorstellungen behaftet war, oder ob erst Stesichoros das Erzählmuster auf Helena und damit auch auf sich selbst anwandte 63 . Mit anderen Worten, wir müssen uns fragen, welche Göttin zu Stesichoros’ Zeit als besondere Hüterin der menschlichen Augen galt und daher auch die Macht hatte, einen fehlbaren oder missliebigen Menschen genau in diesem Bereich zu strafen 64 . 6.4 Verschiedene göttliche Hüterinnen der menschlichen Augen und die Frage nach ihrer Beziehung zu Helena und Stesichoros Bei einer Durchsicht des antiken Materials lassen sich vor allem drei verschiedene Göttinnen finden, die einen speziellen Bezug zu den menschlichen Augen hatten, diese also im Normalfall schützten, sie aber im Konfliktfall auch schädigen konnten und unter Umständen wieder für ihre Heilung sorgten. Es handelt sich um Athene, Demeter und Isis. Die Frage stellt sich also, welche von diesen Göttinnen in besonders prominenter Weise mit solchen Erzählmustern verbunden war und so vielleicht Stesichoros die Vorlage lieferte, die er auf Helena und auf sich selbst anwandte. Nicht sehr verbreitet war die Vorstellung, wonach der Athene besondere Macht über die menschlichen Augen zukam. Dennoch ist die Geschichte 62 Ps.-Plut. Parall. minora 17a, 309 f (Athene; angeblich nach Derkyllos, FGrHist 288 F 3); Parall. minora 17b, 309 f - 310 a (Hestia; angeblich nach Aristeides von Milet, FGrHist 286 F 15); De fluviis 22,5 (Artemis; angeblich nach Derkyllos, FGrHist 288 F 1); zur Herkunft der Motive cf. die Erläuterungen bei Jacoby 1943, 380 f. und 387 f., zur Parallele mit unserem sonstigen Muster Weinreich 1909, 147-149. 63 Dass erst die nach-stesichoreische Legendenbildung für die Anwendung des Musters auf Stesichoros und Helena verantwortlich war, sollte, wie oben in Kap. 6.2 erläutert ist, auszuschließen sein. 64 Es handelt sich dabei generell um die vorwissenschaftliche Vorstellung, dass Krankheiten kein physiologischer Prozess sind, sondern das Resultat göttlicher Wirkung, und dass somit auch die Heilung von der jeweiligen Krankheit wieder im Zuständigkeitsbereich derselben Gottheit liegt. <?page no="74"?> Kapitel 6 60 von der Blindheit des Teiresias und von seiner Sehergabe, mit der dieser Verlust des Augenlichts kompensiert werden sollte, schon seit epischer Zeit verbreitet 65 , und spätestens seit frühklassischer Zeit wurde diese Blindheit nach einer der Varianten darauf zurückgeführt, dass es ein kurzer Blick auf die badende Athene war, den Teiresias mit dem Verlust des Augenlichts bezahlte 66 . Zu diesen mythischen Vorstellungen bestehen nun auch kultische Gegenstücke, so der Kult der Athene Oxyderkes in Argos, der von den lokalen Gewährsmännern auf eine Episode aus der ‘Ilias’ zurückgeführt wurde 67 , und vor allem der Kult der Athene Ophthalmitis in Sparta. Diesen soll der Gesetzgeber Lykurgos zum Dank dafür eingerichtet haben, dass die Göttin ihm nach dem Verlust des einen Auges, den er im Streit mit politischen Gegnern erlitten hatte, wenigstens den Verlust des zweiten Auges ersparte 68 oder überhaupt sein im Kampf verletztes Auge wieder gesund machte 69 . Es handelt sich also um ein klassisches Aition für einen wichtigen Kult in einer bestimmten Polis. Dennoch stellt sich die Frage, ob hinter dieser Kultlegende das uns interessierende Erzählmuster von Frevel, Blendung, Abbitte und Heilung stehen kann, das dann durch Stesichoros in freier Weise von Athene auf Helena übertragen worden wäre. Denn es wäre natürlich schon etwas kühn gewesen, nicht nur einen bestimmten Aufgabenbereich einer Gottheit, also eine ihr eigene &1μ3, sondern auch die damit verbundenen Erzählungen innerhalb ein und derselben Polis willkürlich von einer Göttin auf die andere zu übertragen. Selbst wenn man Stesichoros eine solche Kühnheit zutraut (und ganz auszuschließen ist sie bei den nun mehrfach beobachteten Mythen- und Kultsynkretismen des Stesichoros nicht), so bleibt doch die Schwierigkeit bestehen, dass das soeben referierte Kultaition mit der Geschichte von der Heilung des Lykurgos nicht diesem Muster folgt und insbesondere nichts von einer beleidigten und zürnenden Göttin weiß. Es kann also nicht als wahrscheinlich gelten, dass Athene in verlorenen Erzählungen dasselbe klassische Schema der Blendung und Heilung nach erfolgter Abbitte erfüllte wie später Helena. Denn solche Erzählungen haben, wie wir noch mehrfach sehen 65 Cf. Hom. Od. 10,492 f. ("*.02+% ! ,1),'20+, / / μ4-&1+( $/ 0+# - “des Thebaners Teiresias, des blinden Sehers”) und Hes. Frg. 275 M.-W. (= Apollod. Bibl. 3,6,7: Blendung und Verleihung der Sehergabe im Kontext eines Streits zwischen Hera und Zeus). 66 Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 92a (= Apollod. Bibl. 3,6,7); Call. Lav. Pall. 57- 130; Prop. 4,9,57 f. 67 Paus. 2,24,2 unter Hindeutung auf Hom. Il. 5,127 f., wo Athene dem Diomedes den Nebel von den Augen entfernt, damit er die Götter von den Menschen unterscheiden könne. 68 So Paus. 3,18,2. 69 So Dioskorides, FGrHist 594 F 1 (= Plut. Lyc. 11,8-10, weitere Hinweise auf die Geschichte bei Plutarch in Sol. 16,2, Num. 23,8 und Apophth. Lac., Lyc. 7, 227 a-b); kurze Anspielungen auf den Vorfall auch bei Epict. Frg. V Schenkl 2 (= Stob. 3,19,13), Ael. VH 13,23, Jul. Gal. 168 B und Val. Max. 5,3 ext. 2. <?page no="75"?> ‘Palinodie’ 61 werden, zur Hauptsache eben die Funktion, einen Heilkult für die Augen aitiologisch zu begründen 70 , und es ist nicht zu sehen, warum hier im Falle der Athene der eine Typus von Aition durch einen anderen ersetzt worden wäre. Ähnlich liegt der Fall der Demeter bzw. ihres römischen Gegenstücks Bona Dea, denn beide Gottheiten wurden des öfteren als Heilgöttinnen für Augenkrankheiten angefleht 71 . Diese Vorstellung findet in einem Epigramm des Antiphilos ihren expliziten Ausdruck, in welchem die Einweihung in die eleusinischen Mysterien und die Rückgabe des (durch Krankheit verlorenen) Augenlichts nebeneinander gestellt sind 72 . Sie lässt sich aber vielleicht auch erschließen aus einem Marmorrelief aus Eleusis, auf dem markante Augen dargestellt sind 73 , und wird bestätigt durch ein Relief aus Philippopolis aus dem dritten Jahrhundert n. Chr., auf welchem ein junges Mädchen der Göttin für die Heilung seiner Augen dankt (SIG 3 1141 = IG Bulg. III 1, 932: '<,#<$# 5.3, </ + 9,&)! ; + 8! 1 *%μ: <,6 "-,02. - “Stratia der Göttin Demeter wegen ihrer Sehkraft zum Geschenk.”) 74 . Man könnte sich also leicht vorstellen, dass Stesichoros solche Glaubensvorstellungen von Eleusis oder von einem der arkadischen Kultorte der Demeter auf Sparta bzw. auf Helena übertrug. Allerdings fehlt uns in all diesen Testimonien über Demeter just das entscheidende Element, also die Motivreihe von Frevel, Götterzorn, Blendung und menschlicher Abbitte. Diejenige antike Göttin, die im Hellenismus und in der Kaiserzeit am stärksten mit den menschlichen Augen assoziiert wurde, war sicherlich Isis. So gibt es kaiserzeitliche Zeugnisse von Lukillios und Juvenal, wonach Isis fehlbare Menschen blind machen konnte 75 , und umgekehrt eine bedeutende Inschrift aus Maroneia in Thrakien, die beweist, dass Isis auch an der griechischen Peripherie bereits um 100 v. Chr. fest als Göttin etabliert war, 70 Cf. die folgenden Bemerkungen zu Isis sowie den beigefügten Anhang, Abschnitte 1 und 3. 71 Für Bona Dea als Heilerin von Augenkrankheiten cf. die beiden stadtrömischen Inschriften von CIL VI 68 und 75. 72 Anth. Pal. 9,298. 73 LIMC Demeter 161 (4. Jh. v. Chr.); zur Interpretation des Reliefs cf. Rubensohn 1895, 360 und Forsén 1996, 143 (abweichend van Straten 1981, 122, nach dem die dargestellten Augen nicht den Dank für die Heilung einer Augenkrankheit versinnbildlichen sollen, sondern die Einweihung eines Anhängers der Demeter in ihre Mysterien). Das Relief ist das Geschenk eines Eukrates an Demeter (IG 2 2 4639 = Clinton, Eleusis Nr. 105: *%μ: <,6 (74,&<: + - “Eukrates für Demeter”). 74 Abbildungen des Reliefs bei Bruzza 1861 (Tafel S), Overbeck 1872 (Tafel XIV 7) und Mihailov 1961 (Tafel 26). Das Relief fehlt im Artikel ‘Demeter’ im ‘Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae’, müsste aber nach unserem Verständnis der Gruppe von LIMC Demeter Nr. 27-29 (“Demetra presso l’altare; rilievi di pietra”) zugeordnet werden. 75 Anth. Pal. 11,115; Iuv. 13,92-94. <?page no="76"?> Kapitel 6 62 die menschlichen Augen Heilung angedeihen lassen konnte 76 . Das wichtigste Zeugnis für die Heilfunktion der Göttin ist aber die Nachricht Diodors, dass Isis allgemein als Heilgöttin verehrt werde, die ihre Wirkung nicht zuletzt durch Inkubation entfalte 77 , aber ganz besonders für die Heilung der menschlichen Augen zuständig sei (Diod. Sic. 1,25,5: B! &K TK+ &>2) N-@>$) 9"C(&! μ'@E@ RCRS@! C &>0) B*μ@>$(C V>ED%μ! &! -+3) &K) @S(>$), B! H &>2) O-! B>=(! @&! ) ! P&1 -! +! RS? U) OTC*FG(D! C, B! H ->AA>2) μJ@ O-3 &.@ 7! &+.@ RCK &I@ R$(B>A#! @ &>/ @>(%μ! &>) ; -GA-C(D'@&! ) O-3 &! =&E) (<FG- (D! C, ($W@>2) RJ -! @&GA.) -E+UD'@&! ) &K) 4+*(GC) 8 &C@! &.@ : AAU@ μG+.@ &>/ (<μ! &>), Q&! @ -+3) &! =&E@ &I@ DG3@ B! &! "=TU(C@, G7) &I@ -+>$-*+? ! (! @ ; ->B! D#(&! (D! C &*? C@. - “Sie gebe nämlich den Leidenden im Schlaf Hilfen gegen die Krankheiten, und die, die ihr gehorchten, würden wider Erwarten gesund. Und viele, die von den Ärzten wegen der Schwere ihrer Erkrankung schon aufgegeben worden seien, würden von ihr gerettet. Auch würden zahlreiche, die schon ganz ihrer Sehkraft oder eines anderen Körperteils verlustig gegangen seien, wenn sie zu dieser Göttin Zuflucht nähmen, wieder in den vorherigen Zustand versetzt.”). Ein zentrales Zeugnis schließlich, das die beiden Aspekte von Blendung und Heilung vereinigt, ist ein Brief Ovids, in welchen verschiedene Erzählungen von Jüngern der Isis eingelegt sind, die laut kundtun, wie sie der Göttin untreu geworden und gerechterweise zur Strafe dafür erblindet seien. Dennoch konnten sie sich, nach den Worten Ovids, berechtigte Hoffnung auf Heilung ihrer Blindheit machen, weil die Götter gerne bereit seien, fehlbaren Menschen nach solch reumütiger Abbitte das Augenlicht wieder zurückzugeben (Ov. Pont. 1,1,51-58: vidi ego linigerae numen violasse fatentem / / Isidis Isiacos ante sedere focos. / / alter ob huic similem privatus lumine culpam / / clamabat media se meruisse via. / / talia caelestes fieri praeconia gaudent, / / ut, sua quid valeant numina, teste probent. / / saepe levant poenas ereptaque lumina reddunt, / / cum bene peccati paenituisse vident. - “Ich habe gesehen, wie einer, der kundtat, den Willen der leinentragenden Isis verletzt zu haben, vor dem Opferaltar der Isis saß. Ein anderer, der wegen einer ähnlichen Verfehlung seines Augenlichts beraubt war, rief mitten auf der Straße, er habe es verdient. Die Himmlischen freuen sich über solche Verkündigungen, damit sie anhand eines Zeugen unter Beweis stellen, was ihre Macht vermag. Oftmals 76 RICIS 114/ 0202 (= SEG 26, 1976-1977, Nr. 821; Z. 6-7: L(-G+ >M@ 9-H &.@ 5μμ*&U@, 6(C, &! 0) GPW! 0) [9-%B]>$(! ), 9ADJ &>0) 9-! #@>C) B! H 9-H RG$&'+! @ GPW%@. - “Wie du nun, Isis, im Falle meiner Augen meine Gebete erhört hast, so komm auch zu meinen Lobreden auf meine zweite Bitte hin.”); zum Verständnis dieser Textpassage cf. Merkelbach 1976, zur religionsgeschichtlichen Einordnung der gesamten Inschrift Sfameni Gasparro 2007, 40-48. 77 Diod. Sic. 1,25,2-4; zu den Modalitäten der Inkubation (und der dadurch herbeigeführten Träume) in den Tempeln von Isis (und Sarapis) cf. Witt 1971, 195 f., Dunand 2006, 10-14 und Alvar 2008, 331-336. <?page no="77"?> ‘Palinodie’ 63 heben sie die Strafe auf und geben das geraubte Augenlicht zurück, wenn sie sehen, dass jemand sein Vergehen genug bereut hat.”) 78 . Diese literarischen und inschriftlichen Belege werden bestätigt durch archäologische Zeugnisse, beispielsweise durch eine große Anzahl von ex-voto-Augen aus hellenistischer Zeit, die im Heiligtum der Isis und des Sarapis auf Delos gefunden wurden und den Dank der Gläubigen für die Heilung ihrer Augen zum Ausdruck gebracht hatten 79 . Da es auf Delos zudem inschriftlich überliefert ist, dass Isis ihren Verehrern im Traum erschien 80 , dürften an der Kultstätte der Göttin also eigentliche Inkubationen stattgefunden haben 81 , und dann sollte auch der weitere Schluss zulässig sein, dass Gegenstand dieser Träume nicht zuletzt die Blindheit mancher Patienten war. Isis hat also von den drei erwähnten Göttinnen sicher die besten Aussichten, als Modell für Helena gedient zu haben 82 , zumal nur für sie mit der Passage bei Ovid das vollständige Muster von Verfehlung, Blendung, Abbitte und Heilung vorliegt, wie wir es aus der Geschichte von Stesichoros und Helena kennen 83 . Allerdings stammen die bisher erwähnten Belege für die Verbindung der Isis mit den Motiven der Blendung oder der Heilung alle aus nach-stesichoreischer Zeit. Es stellt sich also die Frage, ob die genannten Wesenszüge der Göttin schon auf die ältere ägyptische Zeit projiziert werden dürfen. Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Einige Indizien, die in diese Richtung weisen, gibt es gleichwohl. So beruft sich Diodor in seiner Lobrede auf die Göttin bzw. auf ihre universale Funktion als Heilerin ausdrücklich auf die Sichtweise der Ägypter und nicht auf seine griechischen oder römischen Zeitgenossen (Diod. Sic. 1,25,2: 7"@3 AJ *F! .)=5+5 =6- B@5- 7"Eμ&21- => )+/ / G- )E0C <! #>5"- ><E%=5- ! >! +-%-"5 2"3 =IC F"=E52IC ,)5@=$μ; C μ>! &/ ; - H4>5- ,μ)>5E#"-. - “Die Ägypter aber sagen, dass Isis die Erfinderin vieler Heilmittel zur Gesundung gewesen sei und dass sie große Kenntnis der Heilkunst habe.”), und 78 Dass Ovid hier nicht den Moment der erfolgten Heilung abbildet, sondern den der Verfehlung und der Abbitte, ist natürlich durch den kommunikativen Zweck seines Briefs bedingt, der erst die Gnade des Princeps erwirken soll. 79 Cf. Roussel 1916, 227 f. und 290 f. (allgemein zu Isis als Spenderin von Gesundheit cf. Roeder 1916, 2119 f., Witt 1971, 185-197, Dunand 2006, 18 f. und Alvar 2008, 328-331 [zu Delos S. 330]). 80 RICIS 202/ 0223 (= Roussel, Cultes égyptiens, Nr. 66: D@5A5 (; μ+-#2; '52#+: <)9E "<=IC 2"3 =G- =%2-1- ... 2"8J ? E"μ" ... - “Für Isis Demonike, die Tochter des Nikias, wegen ihrer selbst und ihrer Kinder ... gemäß einem Traum ...”). 81 So gefolgert von Roussel 1916, 291 f. und Sfameni Gasparro 1999, 409 f. 82 Zu den Parallelen zwischen Helena und Isis cf. auch Jesi 1961. Jedoch interessiert Jesi sich hauptsächlich für die mykenische Zeit und für die Darstellung Helenas bei den Pythagoreern und klammert deswegen Stesichoros und das Erblindungsmotiv weitgehend aus seiner Untersuchung aus. 83 Wenn man von dem zweifelhaften Zeugnis des Ps.-Plutarch (Parall. minora 17a, 309 f) absieht, wo Athene in dieser Rolle agiert. <?page no="78"?> Kapitel 6 64 dies findet eine glänzende Bestätigung in einem sehr frühen zentralen Text aus der altägyptischen medizinischen Literatur, nämlich im Papyrus Ebers (16. Jh.) bzw. in der Vorrede des Texts, die den einzelnen Heilmitteln vorangestellt ist und die Macht der Isis auf dem Gebiet von Krankheit und Gesundheit preist 84 . Von einer besonderen Zuständigkeit für die menschlichen Augen ist hier nicht die Rede, und auch andere Zeugnisse aus dieser frühen Zeit lassen diesen Schluss nicht unbedingt zu 85 . Dennoch bleibt es auffällig, dass Isis im Papyrus Ebers eine solch prominente Rolle einnimmt, und es dürfte auch kaum ohne Bedeutung sein, dass weitere klassische Texte aus altägyptischer Zeit, die sogenannten Sargtexte aus verschiedenen Epochen des zweiten Jahrtausends v. Chr., bezeugen, dass Isis dem Toten bei seiner Wiederauferstehung im Jenseits nicht zuletzt sein Augenlicht wiedergeben sollte 86 . Solche frühen Vorstellungen erfuhren im ersten Jahrtausend offenbar eine weitere Ausgestaltung und führten zum ptolemäischen und römischen Isis-Bild, wie wir es bei Diodor und Ovid finden, und zuletzt zu dessen Fortsetzung im ostkirchlichen Marienkult, der dieses Erzählmuster von Blendung und Heilung übernahm 87 . Ein Aspekt verdient in diesem Zusammenhang noch besondere Beachtung: Die ostkirchlichen Marienlegenden haben deutliche aitiologische oder werbende Funktion, obwohl sie ‘nur’ im Zusammenhang mit verschiedenen Ikonenkulten stehen und nicht mit eigentlichen Therapiezentren. Daher ist anzunehmen, dass auch diese aitiologische Funktion der Marienlegenden ein Erbstück der Isis-Verehrung war. Mit anderen Worten, wir können mit bestimmter Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Erzählungen von der blendenden, aber auch wieder heilenden Isis unter anderem eben dem Zweck dienten, den zahlreichen Heiligtümern und Therapiezentren der Isis, die in Ägypten seit dem sechsten Jahrhundert des 84 Cf. die Übersetzung in Westendorf 1999, 548 (“Gelöst wurde ein zu Lösender durch Isis; gelöst wurde Horus durch Isis von dem Übel, das gegen ihn verübt wurde von seinem Bruder Seth, als er seinen Vater Osiris tötete. Oh, Isis, Große an Zauberkraft, mögest du mich [ebenso] lösen [und] mögest du mich entbinden von allen schlechten, üblen, gefährlichen [wörtlich: roten] Dingen, von der Einwirkung eines Gottes [und] der Einwirkung einer Göttin, von einem Toten [und] einer Toten, von einem Widersacher [und] einer Widersacherin, der sich mir entgegenstellen sollte, wie du gelöst wurdest [und] wie du entbunden wurdest von deinem Sohn Horus.”); für eine ältere deutsche Übersetzung cf. Joachim 1890, 1 f., für eine moderne englische Übertragung Ghalioungui 1987, 10. 85 Cf. die Darstellung bei Helbling 1980, 25 und 58 f., die die altägyptischen Zeugnisse für Blindheit bespricht, die durch göttliche Einwirkung verursacht und wieder geheilt wurde, aber kein entsprechendes Zeugnis für Isis anführt. 86 Cf. Münster 1968, 28 f. und 52 sowie Bergman 1980, 193 f. 87 Zur Fortführung dieses Erzählmusters in der ostkirchlichen Marienverehrung cf. den beigefügten Anhang, Abschnitt 1. <?page no="79"?> ‘Palinodie’ 65 ersten vorchristlichen Jahrtausends bestanden 88 und mit dem Ritus des Heilschlafs arbeiteten, die nötige Unterstützung zu geben 89 . Freilich bleibt dabei eine Schwierigkeit bestehen, nämlich die, dass die Inkubation kein altägyptischer Ritus zu sein scheint 90 , weswegen die Forschung zur Position neigt, dass dieser Ritus überhaupt erst in hellenistischer Zeit aus Griechenland nach Ägypten eingedrungen sei 91 , und in diesem Fall wäre die Annahme einer Übertragung des Blendungsmotivs von Isis auf Helena natürlich erschwert 92 . Doch scheint sich, wie neuere Untersuchungen nahelegen, der Ritus und seine Verbindung mit speziellen Heilstätten in Ägypten seit der Spätzeit (ca. 760-340 v. Chr.) doch allmählich stärker ausgebreitet und dann im Hellenismus nur noch seine volle Entfaltung gefunden zu haben, wobei es unklar bleibt, ob hierfür äußere Einflüsse entscheidend waren oder ob es sich nicht doch um eine genuin ägyptische Entwicklung handelte 93 . Ein solches Indiz für eine eigenständige oder jedenfalls vorhellenistische Entwicklung des Inkubationsritus in Ägypten ist die bereits oben erwähnte Erzählung von König Pheros, der um 1900 v. Chr. geherrscht haben soll. Die Geschichte von seinem Konflikt mit dem Nil, von seiner dadurch verursachten Blindheit und von seiner schließlichen Heilung, die Herodot (2,111) so plastisch erzählt, galt der Gräzistik einst als griechische Erfindung im typischen Novellenstil des Historikers aus Halikarnassos 94 . Doch deutet eine Vielzahl von Einzelelementen dieser Erzählung eher auf 88 Cf. die Übersicht bei Bergman 1980, 195 sowie die weiterführenden Bemerkungen bei Sfameni Gasparro 1999, 410-415. 89 Ein weiteres starkes Indiz für diese These ist die Verehrung der beiden Heiligen Kyros und Johannes im unterägyptischen Menuthis, die mit großer Wahrscheinlichkeit die genaue Fortsetzung des lokalen Isis-Kultes war; cf. die Diskussion im Anhang, Abschnitt 3. 90 Cf. Szpakowska 2003, 143-146 mit ihrer (negativen) Diskussion möglicher früherer Fälle von Inkubation (zu einer positiven Einschätzung neigt dagegen Prof. A. Loprieno [Basel], der am 14. 6. 2012 die XXIII. Siegfried-Morenz-Gedächtnisvorlesung in Leipzig hielt und sich darin für eine entsprechende Wertung der älteren Zeugnisse aussprach; dieser Inkubationsritus sei, wie er nach der Vorlesung im persönlichen Gespräch weiter ausführte, wahrscheinlich aus Mesopotamien nach Ägypten gelangt). 91 So etwa Sfameni Gasparro 1999, 411 f. und Dunand 2006, 10-14 (unter Hinweis auf eine Reihe früherer Autoren). 92 Unmöglich wäre die Annahme dennoch nicht, da Isis ihren Verehrern auch außerhalb der formellen Situation der Inkubation im Traum erschienen sein kann; cf. die Übersicht über die ägyptischen Traumvorstellungen bei Bonnet 1952, 835-838 und das Fazit von Vernus 1986, 746 (“Le T. [sc. der Traum in der Vorstellung der Ägypter] peut être spontané, ou provoqué par la pratique de l’incubation.”). 93 Cf. die Diskussion bei Szpakowska 2003, 146 f. 94 So Wiedemann 1890, 428 f., Weinreich 1909, 190 und Dornseiff 1933, 33 (zu einem Detailmotiv noch Fehling 1971, 161). <?page no="80"?> Kapitel 6 66 einen authentischen ägyptischen Hintergrund hin 95 , und vor wenigen Jahren wurde schließlich ein demotischer Papyrus bekannt, der die Geschichte in ägyptischer Sprache referiert 96 . Da die Version Herodots und diejenige des Papyrus trotz grundsätzlicher Übereinstimmung auch eine Reihe von Abweichungen aufweisen, kann der Papyrus nicht von Herodot abhängig sein, sondern steht in einer alten ägyptischen Tradition, die in die Zeit vor Herodot zurückreicht 97 . Besonders wichtig ist in unserem Zusammenhang der folgende Unterschied: Wenn Herodot einfach berichtet, dass Pheros den Hinweis auf die mögliche Heilung von einem Orakel erhalten habe (2,111,2: 85$#9(,. $2 6,#! ; 1! 9'-"%! 34 μ%5,&! 35 : 9 *3+,30/ 1)7! 3/ ... - “im elften Jahr aber sei ein Orakelspruch aus der Stadt Buto bei ihm angelangt”), so erzählt der Papyrus, dass dies in einem Traum des Pharaos erfolgt sei. Damit sollte gemeint sein, dass der Pharao den Traum bewusst herbeiführte und sich dazu in einen Tempel begab 98 . Es handelt sich also um eine Situation der Inkubation, und da zum einen der Inkubationsritus in dieser Erzählung mit der Motivreihe von Blasphemie, Blendung, Abbitte und Heilung verbunden ist und zum anderen Herodot und Stesichoros zeitlich nicht viel mehr als ein Jahrhundert auseinanderliegen, kann die Erzählung von Pheros als Indiz dafür gelten, dass die Motivreihe und ihre Verbindung mit dem Inkubationsritus in Ägypten auch schon zur Zeit des Stesichoros existierte. Da nun in hellenistischer und römischer Zeit keine andere ägyptische Gottheit so sehr als Hüterin der menschlichen Augen betrachtet wurde wie Isis und da ihre Verehrung, wie oben angedeutet 99 , gerade in den ersten Jahrhunderten der Spätzeit einen enormen Aufschwung erfuhr, dürfte der Schluss somit kaum falsch sein, dass es eben Isis war, die den Erzählkomplex von Blendung und Heilung zu dieser Zeit in besonderem Maße an sich band und damit unter Umständen Stesichoros zur Aufnahme des Erzählmotivs veranlasste. Die Frage, die sich nun natürlich noch stellt, ist die nach möglichen Übertragungswegen, auf denen die Kenntnis dieser Glaubensvorstellungen zu Stesichoros gelangt sein konnte. Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Verschiedene denkbare Übertragungswege gibt es dennoch, und dies auch schon für die relativ frühe Zeit, zu der Stesichoros wirkte. So berichtet etwa Herodot (2,59,2), dass sich das größte Heiligtum der Isis in Busiris, einer Stadt im Nildelta an einem der mittleren Nilarme, befinde. Nachrichten über dieses Heiligtum bzw. über die dortige Verehrung der Isis können also über die früh ins Nildelta eingewanderten 95 So bereits de Meulenaere 1953. 96 P. Petese II, ins Englische übersetzt von Ryholt 2006, 32 f. (der Papyrus datiert aus der Zeit um 100 n. Chr. [Ryholt S. 20]). 97 So gefolgert von Ryholt 2006, 13 und 41. 98 So erklärt von Ryholt 2006, 43. 99 Cf. oben Anm. 88. <?page no="81"?> ‘Palinodie’ 67 griechischen Siedler, die in Naukratis eine Handelskolonie bildeten, ins Mutterland gelangt sein. Ein weiteres wichtiges Heiligtum der Isis befand sich nach Herodot (2,176,2) in Memphis und zwar wurde es von König Amasis (Regierungszeit von 570-526 v. Chr.) errichtet, also just in der Zeit, in der auch Stesichoros aktiv war. Ein drittes Kultzentrum für Isis existierte nach den antiken Quellen auf der Insel Pharos 100 , also nicht weit weg von der kanobischen Nilmündung und damit von dem Herakles-Heiligtum, bei dem Paris nach seiner gemeinsamen Flucht mit Helena gelandet sein soll 101 ; allerdings zweifelt die moderne Ägyptologie daran, ob Isis auf Pharos tatsächlich eine eigene Kultstätte hatte, und wenn, dann jedenfalls kaum in vorrömischer Zeit 102 . Gesichert ist dagegen ein anderes bedeutsames Zentrum der Isis-Verehrung, das sich in dieser Gegend, d.h. in Menuthis in wenigen Kilometern Entfernung von Kanobus und Herakleion, befand und jedenfalls in römischer Zeit über große Ausstrahlung verfügte 103 . Weitere mögliche Kontaktstellen bestanden außerhalb Ägyptens, so etwa in der phönizischen Handelsstadt Byblos, wo es durch die Gleichsetzung von Adonis und Osiris auch zu einer Verehrung der Isis kam, die von den Griechen aus der Perspektive des Demeter-Kults betrachtet wurde 104 , wie denn Herodot überhaupt Isis mit Demeter gleichsetzt 105 . Vielleicht die beste Möglichkeit für eine Übertragung der religiösen Vorstellungen bot jedoch die ca. 630 v. Chr. gegründete Stadt Kyrene in Libyen. Kyrene unterhielt als Gründung der dorischen Insel Thera auch zu deren Mutterstadt Sparta 106 gute Beziehungen 107 , und es soll dort jedenfalls zu Herodots Zeit einen bedeutsamen Kult der Isis gegeben haben, der von den Frauen Kyrenes organisiert wurde (Hdt. 4,186,2: $/ H2 μ'2 2@2 >A5'=2 / F"< %. (@+A2%&=2 #@2%68! ) "; 8%; ! 3E; -%C'! E>%; "; D CB2 42 *1#: -C0 ,E; 2, 755D 8%? 2AEC! &%) %FC9 8%? G+CD) 4-; C! 5'/ @E; . - “Auch die Frauen von Kyrene halten es nicht für richtig, von weiblichen Rindern zu essen, und zwar wegen der Isis von 100 Cf. insbesondere Tert. apol. 16,6 (zur Gleichsetzung der von Tertullian erwähnten ‘Ceres Pharia’ mit Isis cf. Baudy 2001, 52 bzw. die folgenden Bemerkungen zu den Parallelen zwischen Demeter und Isis). 101 So nach Hdt. 2,113,1-2 (nach der Version in den Scholien zu Ael. Aristid. 1,128, III p. 150,28-32 Dind. sollen Paris und Helena sogar just in Pharos gelandet und erst dort durch König Proteus voneinander getrennt worden sein). 102 Cf. die Diskussion bei Malaise 2005, 141-149. 103 Cf. den unten angefügten Anhang, Abschnitt 3. 104 Plut. De Iside 15-16, 357 a-d; Luc. Syr.D. 7. 105 Hdt. 2,156,5. 106 So die bei Hdt. 4,147-149; Call. Frg. 7,23 Pf. und Strab. 10,1,5 referierte Tradition. 107 Diese beruhten im 6. Jh. unter anderem auf dem Export der Pflanze Silphion, dem wichtigsten Handelsgut Kyrenes (Aristoph. Pl. 925; Arist. Frg. 528 Rose), was die lakonische Keramik auf der sogenannten Arkesilas-Schale (gegen 560 v. Chr.) durch die Darstellung des kyrenischen Königs Arkesilaos bzw. der von ihm überwachten Wägung des Handelsgutes festhielt; cf. Stibbe 1972, 115-117 (mit den Tafeln 61 und 62), Simon 1981, 59-61 (mit Tafel XV) und De Fabrizio 1986, 27 f. (mit Tafel XI). <?page no="82"?> Kapitel 6 68 Ägypten. Stattdessen widmen sie ihr Zeiten des Fastens und feiern Feste für sie.”) 108 . Nachrichten über Isis können also im sechsten Jahrhundert leicht von Kyrene nach Sparta gelangt sein und so auch den Dichter Stesichoros erreicht und zu seiner Darstellung der Helena angeregt haben 109 . Somit erscheint Isis als plausibles Modell, dessen Stesichoros sich bedient haben kann, um Helena die Züge einer strafenden und wieder heilenden Göttin zu verleihen 110 . Stesichoros hätte in diesem Fall dasselbe Verfahren angewandt, das wir schon oben in Kap. 3.3 im Zusammenhang mit dem spartanischen Aphrodite-Kult bzw. mit dem kalydonischen Kult der Artemis Laphria angetroffen haben, d.h. er hätte Wesenszüge eines auswärtigen Kultes und Motive des dazugehörigen Mythos in freier Weise auf die Verhältnisse in Sparta und auf eine dortige Gottheit übertragen - und dies vor einem Publikum, das sich völlig im klaren darüber gewesen sein muss, dass hier eine Transzendierung einheimischer Gegebenheiten erfolgte. Einer bestimmten Pointe entbehrte diese Motivübertragung von einer ägyptischen Göttin auf die spartanische Heroine jedenfalls nicht. Denn Helena kam schon nach der Darstellung der ‘Odyssee’ in den Genuss eines längeren Ägyptenaufenthalts 111 , und letztlich dürfte doch auch für die ‘Palinodie’ gelten, dass Helena die lange Wartezeit bis zum Ende des Trojanischen Kriegs in Ägypten verbrachte 112 . Dass Helena ausgerechnet die Wesenszüge der wichtigsten ägyptischen Göttin jener Jahre verliehen bekam, musste also gerade für diejenigen zeitgenössischen Rezipienten, die über die spartanischen Verhältnisse ebenso gut Bescheid wussten wie über die ägyptischen, seinen eigenen Reiz haben. 108 Zum Isis-Kult in Kyrene, der seit der Wende vom siebten zum sechsten Jahrhundert v. Chr. archäologisch nachweisbar ist, cf. Ensoli 2003. 109 Zur Frage nach dem Aufenthalt des Dichters in Sparta cf. unten Kap. 7. 110 Von dieser Frage der Motivübertragung von Isis auf Helena ist zu trennen die Nachricht Pindars, wonach Helena zusammen mit den Antenoriden nach Kyrene gelangte (Pind. P. 5,82-85). Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung der Tradition, nach der Menelaos auf seinen Irrfahrten u.a. auch nach Libyen segelte (Hom. Od. 4,85-91; Hdt. 2,119,3; Eur. Hel. 404 f. und 768). Nach dieser Sondertradition begleiteten die Antenoriden, die den Griechen immer schon relativ wohlgesinnt gewesen waren, nach dem Fall Trojas Menelaos auf seiner Heimfahrt, ließen sich aber im Unterschied zu Menelaos und Helena in Kyrene nieder und fuhren nicht mit bis nach Sparta (cf. neben Pindar vor allem Lysimachos von Alexandria, FGrHist 382 F 6 [= Scholien zu Pind. P. 5,83, II p. 186,3-20 Drachm.]). 111 Hom. Od. 3,299-302; 4,81-92; 4,227-232 und 4,351-586 (in Parallele zur kyklischen Darstellung der ‘Nostoi’ bzw. Procl. Chr. p. 94,6-7 Bern.). 112 Zur Diskussion der Frage cf. die oben in Anm. 1 genannte Literatur. <?page no="83"?> ‘Palinodie’ 69 6.5 Die Motivreihe von Blendung und Heilung als indogermanisches Erbgut? Wenn also Isis und die mit ihr verbundenen Blendungsmotive sicher eine plausible Vorlage für Helena und Stesichoros darstellen, so sollte eine mögliche (radikale) Alternative zu diesem Modell dennoch nicht gänzlich außer Blick geraten, nämlich die Möglichkeit, dass das Erzählmuster von Verfehlung, Blendung, Abbitte und Heilung schon vor Stesichoros mit Helena in Verbindung stand, dass also gar keine Übertragung von der Art, wie wir sie soeben diskutiert haben, stattfand. Mit der Geschichte vom Konflikt zwischen Helena und Stesichoros würde stattdessen eine Weiterentwicklung autochthoner Vorstellungen vorliegen. Konkrete Anhaltspunkte für eine solche These fehlen, doch bestehen einzelne Indizien, die in diese Richtung weisen könnten und daher einer genaueren Betrachtung unterzogen werden müssen. Wie wir im einleitenden Kapitel gesehen haben, werden nämlich nach einer gängigen Forschungsrichtung Helena und ihr Phantom mit der indischen Göttin Saranyu und deren Phantom gleichgesetzt. Wenn diese Gleichsetzung korrekt ist, so bedeutet dies, dass der spartanische Helena- Kult, der sowieso indogermanische Züge trägt, auch in diesem Einzelmotiv in indogermanischer Tradition stand und das Motiv des Phantoms somit schon vor Stesichoros’ Zeit aufwies. Wenn sich also auch für das Erzählmotiv von Blendung und Heilung eine indogermanische Parallele finden lässt, so könnte das unter Umständen bedeuten, dass die Verbindung dieses Erzählmotivs mit Helena ebenfalls auf indogermanischen Wurzeln beruhte und schon in der Zeit vor Stesichoros in Sparta bekannt war. Nun liegt mit der altisländischen Geschichte des Dichters Thormod und seiner Geliebten Thorbjörg tatsächlich eine solche Parallele vor, die verblüffende Ähnlichkeiten mit der Erzählung vom Konflikt zwischen Stesichoros und Helena zeigt 113 . Die Erklärung dieser Parallele ist schwierig, d.h. von den verschiedenen theoretischen Möglichkeiten (Polygenese, parallele Weiterentwicklung vergleichbarer Grundmuster, gemeinsames indogermanisches Erbe, frühes Wandermotiv, Rezeption des antiken Stoffs durch das Mittelalter) lässt sich keine völlig ausschließen. Eine plausible Erklärung besteht aber darin, dass die isländische Erzählung von den ostkirchlichen Marienlegenden und damit in letzter Instanz von der altägyptischen Isis-Religion abhängt 114 . Die These von der indogermanischen Herkunft 113 Cf. die Besprechung im unten beigegebenen Anhang, Abschnitt 2 (weniger wichtig sind in diesem Zusammenhang die in Abschnitt 3 des Anhangs diskutierten irischen Heiligenlegenden, da diese nicht die Opposition zwischen einem menschlichen [männlichen] Sünder und einer weiblichen Figur von göttlicher oder quasi-göttlicher Autorität aufweisen). 114 So meine Hypothese im Anhang, Abschnitt 2. <?page no="84"?> Kapitel 6 70 des Motivs stößt sich dagegen an dem Problem, dass es im indogermanischen Bereich, abgesehen von Thorbjörg, (der slawischen und moderngriechischen) Maria und Helena, keine großen Frauengestalten zu geben scheint, an die der Motivkomplex von Blendung und Heilung angehängt ist. Insbesondere ist auffällig, dass die oben erwähnte indische Göttin Saranyu anscheinend nicht mit solchen Vorstellungen verbunden ist. Dasselbe gilt zudem für eine andere indische Göttin, die von der Forschung verschiedentlich mit Helena gleichgesetzt wurde 115 , nämlich für Surya, die Tochter des Sonnengottes, und ebenso für Sita, die Frau des indischen Königs Rama, die auf der menschlich-heroischen Ebene die beste Parallele zu Helena bildet 116 . Ein zweites (mögliches) Indiz für eine indogermanische Herkunft des Mythos von der Blindheit des Stesichoros besteht in der Version der Geschichte, die Horaz evoziert (epod. 17,39-44: ... sive mendaci lyra / / voles sonare: ‘tu pudica, tu proba / / perambulabis astra sidus aureum.’ / / infamis Helenae Castor offensus vice / / fraterque magni Castoris victi prece / / adempta vati reddidere lumina. - “... oder sei es, du [sc. Canidia] willst, dass ich mit lügnerischer Lyra ertöne: ‘Du bist sittsam, du bist rechtschaffen und wirst als goldenes Gestirn unter den Sternen wandeln.’ Wenn auch gekränkt wegen der geschmähten Helena, gaben Kastor und der Bruder des großen Kastor, von der Bitte bezwungen, dem Dichter das weggenommene Augenlicht zurück.”). Diese Version, in der also die Dioskuren und nicht Helena selbst den Dichter heilen, dürfte mindestens im angedeuteten Hinweis auf die abschließende Verstirnung Helenas die originale Darstellung des Stesichoros widerspiegeln und sie findet eine erstaunliche Parallele in mehreren Erzählungen über das göttliche indische Brüderpaar der A"vin, von denen ebenfalls mehrere Blindenheilungen berichtet werden 117 . Da die A"vin sowieso das indische Pendant zu den Dioskuren sind, und da es auch in diesen Geschichten häufig Sänger oder Seher sind, denen die Heilung zuteil wird, scheint der Schluss nahezuliegen, dass hier ein gemeinsames indogermanisches Erbe weiterlebt 118 . Dies ist soweit sicher plausibel, sollte aber dennoch nicht in zu enge Verbindung mit Stesichoros selbst gebracht werden, weil das Verhältnis zwischen der Ursache und der Heilung der Erblindung in diesen Belegen sehr verschieden ist von dem, was wir in der sonstigen Legende von der Erblindung unseres Dichters vorfinden. Denn schon in der Darstellung des Horaz ist es sehr unklar, ob es wirklich die Dioskuren sind, die die Blind- 115 So mehrfach von M. L. West (West 1975, 8-11; West 2004, XIX; West 2007, 230-232). 116 Cf. die Erläuterungen in Grossardt 2009, 97 f. 117 So mehrfach in den Hymnen des ‘Rigveda’ (1,112,8; 1,116,14-16; 1,117,17-18; 8,5,23 und 10,39,3; hier zitiert nach der Übersetzung von Geldner 1951) und einmal im Epos ‘Mahabharata’ (3,121-125; hier zitiert nach der Übersetzung von van Buitenen 1975). 118 So geschlossen von Pisani 1969, 346 und West 2007, 230. <?page no="85"?> ‘Palinodie’ 71 heit des Dichters bewirken - Horaz könnte genauso gut auch an die traditionelle Version gedacht haben, wonach es Helena selbst war, die die Strafe verhängte, und den Dioskuren nur den Part der Heilung zugewiesen haben 119 -, und in den indischen Erzählungen tritt das Brüderpaar regelmäßig nur als heilende Instanz auf und nie auch als Verursacher der Erkrankung. In der ‘Palinodie’ dagegen muss die Blindheit und die Heilung von derselben Instanz herbeigeführt worden sein, und es muss Helena selbst gewesen sein, die die beiden drastischen Einschnitte im Leben des Dichters bewirkte. Schon Isokrates macht nämlich deutlich, dass es eben Helena war, die den Dichter strafte und wieder von seiner Strafe erlöste 120 , und die emphatische Anrede des Dichters an Helena, die Platon zitiert 121 , konnte wieder nur die Funktion haben, die Heroine selber - und nicht ihre Brüder - zu einer Aktion der Vergebung zu veranlassen. Man könnte also höchstens postulieren, dass in einer älteren lokalen Tradition, die hinter der Darstellung des Stesichoros steht, die Dioskuren für die Heilung geblendeter Sünder verantwortlich waren. Doch einer solchen Annahme steht wiederum entgegen, dass die Dioskuren zwar für ihre Tätigkeit als Heiler bekannt waren, dass die relevanten Testimonia aber relativ spät datiert sind 122 und dass sie sich insbesondere nicht auf Sparta und auf den dortigen Kult der Dioskuren beziehen 123 . Es scheint in der Version des Horaz somit eine Kontamination verschiedener Traditionen vorzuliegen, der Geschichte von der Blendung und Heilung des Stesichoros durch Helena und der Tradition, wonach die Dioskuren als Therapeuten und insbesondere als Heiler von Erblindungen agieren konnten 124 . Wann diese Kontamination erfolgte und wer dafür verantwortlich war, lässt sich schlecht sagen. Eine Möglichkeit besteht in der oben diskutierten 119 Dies also gegen die Festlegung bei West 2007, 230 (“it was the Dioskuroi who blinded and then healed him”). 120 Isoc. 10,64 (... 6/ ! ="E "F #41>+ DE4 %0D&%4 D5+ )Bμ? 1-; + DE4 : %71Bμ'4@4 *%7=42"&%4 6/ 1&@)! 4, / (7=4 %.DA4 ! 0+ DE4 %.DE4 ? 9)=4 : %D')D@)! 4. - “... als er aber die Ursache seines Unglücks erkannt und die sogenannte ‘Palinodie’ verfasst hatte, versetzte sie [sc. Helena] ihn wieder in seine frühere Natur.”). 121 Stesich. PMGF 192 (= Plat. Phdr. 243 a 8 - b 1: 1.: 3)D8 3DBμ1+ 7<#1+ 1,D1+, / / 1."8 3$%+ 64 4@B)C4 6B))'7μ1=+ ... - “Diese Erzählung ist nicht wahr, und du gingst auch nicht weg auf den Schiffen mit dem guten Verdeck ...”). 122 Hesych von Milet, FGrHist 390 F 1,15 (Byzanz) und Schol. Pers. 2,56, p. 62 Clausen- Zetzel (Rom, mit Hinweis auf Inkubationsriten); cf. die Besprechung bei Deubner 1907, 52-58, der den Kult der christlichen Heiligen Kosmas und Damian von den genannten Vorstellungen über die Dioskuren ableitet. 123 Zum Kult der Dioskuren in Sparta cf. Wide 1893, 304-325 und Nilsson 1906, 420. 124 Dies lässt sich abgesehen von unserer Horaz-Stelle vor allem aus der Spiegelung der Dioskuren in den Legenden über die genannten Heiligen Kosmas und Damian erschließen. Doch scheint es bezeichnend, dass die beiden Heiligen eben nur als Heiler von Blindheit agieren und nicht auch als deren Verursacher (Miracula 25 und 36; Deubner 1907, 164-166 bzw. 189 f.). <?page no="86"?> Kapitel 6 72 Erzählung von der Heilung des krotoniatischen Feldherrn Leonymos durch Helena, die zum einen eine entsprechende Version der Erzählung von der Heilung des Stesichoros hervorrief 125 und zum anderen eine enge Parallele fand in der Erzählung von der Heilung des krotoniatischen Feldherrn Phormion durch die Dioskuren 126 . Die parallelen Strukturen dieser Erzählungen könnten also dazu geführt haben, dass in der Erzählung von der Blindheit des Stesichoros Helena in ihrer Funktion als Heilerin durch ihre Brüder ersetzt wurde. Eine andere Möglichkeit wird durch den Schluss der ‘Palinodie’ nahegelegt, die offensichtlich mit der Verstirnung der Helena geendet hatte 127 . Da dieser Punkt nun offenbar für Horaz besonders wichtig war, und da die Dioskuren seit einiger Zeit zusammen mit ihrer Schwester als Sternbilder verehrt wurden 128 , aber Helena in dieser Eigenschaft deutlich überschatteten 129 , ist es durchaus denkbar, dass erst Horaz auf den Gedanken verfiel, die Dioskuren in das Szenario von der Heilung des Stesichoros einzusetzen, und sich dazu sowohl von den Vorstellungen über die Verstirnung der Dioskuren inspirieren ließ 130 wie auch von Traditionen über ihre Macht als Heiler 131 . Wenn es sich somit nicht völlig ausschließen lässt, dass die Dioskuren in lokalen spartanischen Erzählungen als Heilgötter für Augenerkrankungen verehrt wurden, dass die Zwillinge mit dieser Eigenschaft in indogermanischer Tradition standen und dass solche Traditionen Stesichoros veranlassten, das Motiv der Augenheilung in freier Form von den Dioskuren auf ihre Schwester zu übertragen, so könnte dies eben nur das Ende unserer Geschichte erklären, das Motiv der Heilung, nicht aber das ganze Szenario mit der Abfolge der Erzählschritte ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’. Für dieses Muster finden wir, abgesehen von der oben er- 125 Cf. oben Kap. 6.2. 126 Theopompos von Chios, FGrHist 115 F 392; cf. die Diskussion dieser Parallele bei van Compernolle 1969. 127 Cf. die Hinweise in Kap. 6.2, Anm. 38. 128 Die wichtigsten Zeugnisse liegen vor bei Eur. Hel. 1666-1669 bzw. Or. 1635-1637 und 1683-1690. 129 Cf. die sonstigen Belege für die Verstirnung der Dioskuren wie Eur. Tr. 999-1001, El. 988-993, Hel. 140 und Hel. 1495-1499; Call. Lav. Pall. 24 f.; Eratosth. Cat. 10; Polemon, Frg. 76a Müller (FHG III p. 137 = Scholien zu Eur. Or. 1637, I p. 236,1-2 Schwartz) und Diod. Sic. 4,43,2 sowie die römischen Zeugnisse von Plin. nat. 2,101 und Sol. 1,57, wo die populäre Vorstellung referiert ist, wonach Helena ein unheilbringender Stern sei, während ihre Brüder insbesondere für die Schifffahrt segensreich wirkten. 130 Diese Vorstellung von der Verstirnung der Dioskuren und von ihrer hilfreichen Wirkung für Seefahrer ist im Werk des Dichters sehr präsent (carm. 1,3,2; carm. 1,12,25- 32; carm. 3,3,9 f.; carm. 3,29,62-64; carm. 4,5,34 f.). 131 Immerhin vergleichbar Hor. epist. 2,1,5-10, wo wieder auf die Verstirnung der Dioskuren hingedeutet ist, aber auch darauf hingewiesen ist, dass sie zusammen mit Romulus, Liber und Herakles zu den großen Kulturbringern und Helfern der Menschheit zählten. <?page no="87"?> ‘Palinodie’ 73 wähnten Geschichte von Thormod und Thorbjörg, fast nur nahöstliche Parallelen bzw. spätantike und mittelalterliche Belege, die sich leicht als Abkömmlinge dieser nahöstlichen Traditionen verstehen lassen 132 . Selbstverständlich bleibt als weitere Möglichkeit, dass Stesichoros ein bis dahin apokryphes griechisches Motiv in freier Weise auf Helena übertrug, oder dass er in seiner westgriechischen Heimat, deren Erzähltraditionen sich natürlich mit denen der Nachbarvölker vermischten, ein solches Motiv vorfand 133 . Letztlich gilt ja auch die Regel, dass im vergleichenden Motivstudium ‘indogermanisch’ und ‘nahöstlich’ nicht absolute Gegensätze sind. Erzählmotive können indogermanisch und gleichzeitig auch nahöstlich oder überhaupt universell sein 134 , und Stesichoros kann somit das Blendungsmotiv sowohl im nahöstlichen Isis-Kult wie auch in einer einheimischen griechischen bzw. einer westmediterranen Tradition vorgefunden und die beiden Traditionen miteinander kombiniert haben. Sehr viel spricht aber im vorliegenden Fall nicht für ein solches Szenario, und die ökonomischste Annahme ist daher nach wie vor die, dass Stesichoros für sein Bild der Helena auf etablierte nahöstliche Traditionen zurückgriff, eben am ehesten auf die Traditionen über die Göttin Isis. 6.6 Folgerungen Wie wir in den letzten drei Teilkapiteln zu zeigen versuchten, folgt die Geschichte vom Streit zwischen Stesichoros und Helena einem verbreiteten Muster, das einen menschlichen (männlichen) Sünder einer großen weiblichen Gestalt von göttlicher Autorität und Macht entgegenstellt. Damit hebt das Motiv sich aus der größeren allgemeinen Gruppe ab, die wohl die Reihung der Erzählelemente ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ aufweist, nicht aber diese spezifische Personenkonstellation. Woher Stesichoros dieses spezifische Erzählmotiv übernommen hat, ließ sich nicht mit letzter Sicherheit klären. Dennoch gibt es unterschiedliche Grade der Wahrscheinlichkeit: Am wahrscheinlichsten ist zweifelsohne, dass Stesichoros hier an ägyptische Vorstellungen über die Göttin Isis anknüpfte; bereits weniger wahrscheinlich ist, dass Stesichoros indogermanische Motive aus sonstigen Kontexten frei auf Helena übertrug; am wenigsten wahrscheinlich ist, dass diese Motive schon vor Stesichoros’ Zeit mit Helena verbunden waren. 132 Cf. die Übersicht im unten gegebenen Anhang. 133 Zur Verwendung von volkstümlichen Erzählmotiven in Stesichoros’ ‘Geryoneis’ cf. Davies 1988b (der jedoch keinen Versuch unternimmt, die Herkunft der Motive geographisch oder ethnographisch zu lokalisieren). 134 Cf. West 2007, 20 f. <?page no="88"?> Kapitel 6 74 Doch selbst wenn diese letztgenannte Möglichkeit die richtige wäre, könnte es sich um keine sehr starke lokale Tradition gehandelt haben. Denn die hauptsächliche Beschützerin der menschlichen Augen war in Sparta, wie in Kap. 6.4 gezeigt, Athene Ophthalmitis, und die Erzählung von der Blendung und Heilung menschlicher Augen durch Helena kann, wenn sie denn in Sparta in dieser Form existierte, somit kein Aition für einen prominenten Kult dargestellt haben, sondern allenfalls eine apokryphe Erzähltradition. Das Anliegen des Stesichoros sollte also auch in diesem Fall weniger in der Stärkung lokaler Gegebenheiten bestanden haben und mehr in der Schaffung einer neuen eigenständigen Erzählung, deren Ausgangsmotive erst durch die Verbindung mit der Troja-Sage bzw. durch ihre Behandlung im Lied eines arrivierten Dichters und durch die Anwendung auf dessen eigene Person prominenten Rang erhielten. Für unsere übergeordnete Frage nach lokalen und panhellenischen Mythenversionen bedeutet dies Folgendes: Wenn es sich beim Streit zwischen Stesichoros und Helena um die freie Übertragung von Motiven aus dem Isis-Kult handelte (oder allenfalls um die Übertragung aus indogermanischen bzw. aus sonstigen griechischen Kontexten), dann war die Erzählung von der Blendung des Dichters natürlich nicht lokal geprägt und sie bildete somit auch keinen radikalen Gegensatz zu panhellenischen Erzählungen, sondern eher so etwas wie ein Tertium. Wir hätten also ein Parallelbeispiel zum oben diskutierten Fall der Übertragung bestimmter Erzähltraditionen aus dem aitolischen Kult der Artemis Laphria auf den Aphrodite-Kult von Sparta. Für die eingangs erwähnte These von A. Beecroft, dass Stesichoros in PMGF 192 mit dem Gebrauch der Wendung ('/ ) "%#- "#! μ'&) ($+'& '.#'& eine Abgrenzung von panhellenischen Mythenversionen vornehme und sich stattdessen zu lokalen Versionen bekenne, für die der Terminus μ,*'& stehe, hat dies folgende Konsequenz: ($+'& hatte vielleicht zu Stesichoros’ Zeit tatsächlich die Bedeutung, die Beecroft annimmt, aber die Version, der Stesichoros sich zuwendet, ist nicht eine traditionelle lokale Version, sondern eine von Stesichoros selbst so geschaffene, in die vielleicht lokale Elemente einflossen, in der diese aber nicht alleine das Feld behaupteten. Es gilt für die ‘Palinodie’ offenbar ziemlich dasselbe wie für das Fragment 223 mit der Geschichte vom Frevel des Tyndareos und seinem Konflikt mit Aphrodite: Stesichoros erhebt zum Schein den Anspruch, dass er eine lokal beglaubigte Geschichte weitergibt, in Wahrheit ist es aber seine eigene neuerfundene Version, die er vorträgt. Archäologische Forschungen haben ergeben, dass der Kult Helenas in Sparta, der vielleicht schon ältere Wurzeln hatte 135 , im späteren siebten und im frühen sechsten Jahrhundert durch die Einrichtung eines Kultzentrums 135 Zur Verehrung Helenas als alter Vegetationsgöttin cf. Nilsson 1967, 211 und 315. <?page no="89"?> ‘Palinodie’ 75 in Therapne, wenige Kilometer südlich von Sparta, einen entscheidenden Aufschwung erlebte 136 . Dies ist nur etwa ein halbes Jahrhundert vor der Zeit, in der die Dichtwerke des Stesichoros entstanden. Somit kann es kaum Zufall sein, dass Stesichoros just in dieser Zeit ein Lied dichtete, in welchem die göttliche Macht Helenas besonders deutlich hervortritt. Diese Koinzidenz dürfte vielmehr so zu erklären sein, dass Stesichoros sich eben durch die Erneuerung oder Neugründung eines zentralen Kults der spartanischen Polis zu seinen Äußerungen über Helena inspirieren ließ. Die Frage ist dann allerdings, ob dies auch zur Annahme berechtigt, dass Stesichoros dem spartanischen Publikum zu Gefallen sein wollte und deshalb mit dem Motiv des Phantoms eine Version schuf oder aufgriff, die als moralische Rehabilitierung der Heroine verstanden werden konnte 137 . Die relativ lockere Anbindung des Stesichoros an lokale Kultgegebenheiten, ja die teils manifesten Widersprüche zu diesen Gegebenheiten, die wir verschiedentlich feststellen konnten, sprechen nicht unbedingt für eine solche Interpretation. Was also eher in Frage kommt, ist ein bewusstes Spiel des Stesichoros mit den lokalen Verhältnissen und Erwartungen. Stesichoros zeigte durch den lockeren Anschluss an lokale Erzähltraditionen, durch deren freie Verknüpfung mit fremden Elementen und vor allem durch die zweifache Erzählung der Geschichte vom Trojanischen Krieg, dass er nicht mehr an die überlieferten Erzählungen gebunden war und frei mit ihnen spielen konnte. Auch die Geschichte vom Phantom, das an Helenas statt in Troja gewesen sein soll, ist somit keine ernstgemeinte Mythenkorrektur 138 , sondern ein starkes Bekenntnis zu literarischer Fiktion - ein Status, der sowohl der traditionellen homerischen Version zugebilligt wird wie auch der eigenen 139 . Unter diesem Gesichtspunkt erhält dann auch die frappierende (Teil-) Parallele von Stesichoros’ zwischenzeitlicher Blindheit mit der dauerhaften Blindheit Homers 140 neue Bedeutung: Es dürfte Stesichoros kaum 136 Cf. Antonaccio 1995, 155-166 und Ratinaud-Lachkar 2000, 250-253. 137 Dies schon die Position von Pisani 1928, 498 f. (der die Erfindung dieser Version - wie zuvor in ähnlicher Weise Seeliger 1886, 9 - bereits auf spartanische Priester zurückführt) und danach beispielsweise von Bowra 1961, 110-112, López Eire 1974, 339-345, Homeyer 1977, 19, Zagagi 1985, 66 Anm. 15, Austin 1994, 99 und 111-113 und Constantinidou 2004, 176 und 189 f.; ablehnend dagegen Bowie 1993, 25 und 2010, 79-81 sowie Cerri 1993, 331-335. 138 So beispielsweise noch vertreten von Pallantza 2005, 121 f. 139 So mit jeweils unterschiedlichem methodischem Zugang bereits Bassi 1993, 64 und 68 f., Arrighetti 1994, 25, Blaise 1995, 37-40 und Willi 2008, 114 f. 140 Zuletzt diskutiert von Baudy 2001, 39 (gegen die communis opinio gerichtet, die in Stesichoros den Nachahmer sieht) und Graziosi 2002, 149 f. (allgemein zum Themenkomplex der Blindheit von Dichtern und Sehern cf. E. Lesky 1954, 438 f. und 441, Buxton 1980, 27-29, Müller 1987, 55-64, Létoublon 2010, Tatti-Gartziou 2010 und Beecroft 2011, 10-13). <?page no="90"?> Kapitel 6 76 darum gegangen sein, die traditionelle homerische Version vom Trojanischen Krieg generell dem Bereich der ‘Dunkelheit’, also der mythologischen Abirrung, zuzuweisen und seine eigene Version dem Bereich des ‘Lichts’ und damit der endgültigen Wahrheit. Die traditionelle Mythenauffassung wird vielmehr als Zwischenstufe gesehen auf dem Weg zu einem freien Umgang mit dem Mythos, wo das Licht nur deswegen heller scheint, weil eben die ehemalige Fixierung auf eine alleingültige Mythenversion außer Kraft gesetzt ist und stattdessen ein Sachverhalt von allen Seiten ‘beleuchtet’ wird. Wir können uns somit abschließend der Frage zuwenden, ob die ‘Helena’ und die ‘Palinodie’ zwei selbständige Gedichte waren 141 oder nur zwei Teile ein und desselben Liedes 142 . Diese heiß umstrittene Frage soll hier keiner endgültigen Klärung zugeführt werden. Es lässt sich nun aber vom Standpunkt der vergleichenden Erzählforschung sagen, dass die Erzählmotive von der falschen Aussage über eine weibliche Gestalt von göttlicher Autorität und Macht, von der anschließenden Erblindung, von der Berichtigung und von der folgenden Heilung einen zusammenhängenden Erzählkomplex bilden, der nicht beliebig in die Einzelteile zerlegt werden konnte. Die Erzählung von der Berichtigung des eigenen Irrtums, die den Inhalt der ‘Palinodie’ ausmachte, muss also in irgendeiner Form mit einem Vorspann versehen gewesen sein, in dem die traditionelle Mythenversion nacherzählt war 143 . In dieselbe Richtung weist die Beobachtung von A. Beecroft, dass das Demonstrativpronomen (-%(', das Stesichoros in seiner Mythenberichtigung benützt (PMGF 192,1: ("* $&%, $%#μ(' )! +(' (-%('), der epischen Verwendung des Pronomens entspricht, wie es in der ‘Ilias’ und der ‘Odyssee’ des öfteren im unmittelbaren Anschluss an eine Personenrede oder an eine sonstige Digression gebraucht ist 144 . Vor der Mythenberichtigung in der ‘Palinodie’ war somit auf jeden Fall die traditionelle Sage von der Entführung Helenas nach Troja erzählt worden. Dies kann im Rahmen eines knappen Résumés geschehen sein 145 ; denkbar ist aber eben auch die Möglichkeit, dass die ‘Helena’ und die ‘Palinodie’ nur Teile eines großen Ganzen waren, in dem die traditionelle Version vom Trojanischen Krieg der neuen Version des Stesichoros vorangestellt und ausführlich referiert 141 So beispielsweise Mancuso 1912, 193 f., Alsina Clota 1957, 169 f., Doria 1962, 85, Farina 1968, 17-19 und Robbins 1997, 239. 142 Diese Position findet sich schon bei Blomfield 1823, 340 und Seeliger 1886, 7 und wurde danach prominent vertreten von Vürtheim 1919, 58 f., Bowra 1961, 112, Kannicht 1969, 26-33 und 38-41, Arrighetti 1994, 23-25 und Kelly 2007. 143 Eine Annahme wie die von Farina 1968, 16 f., wonach die ‘Helena’ ein Jugendgedicht war, das erst Jahrzehnte später von der ‘Palinodie’ korrigiert wurde, sollte also auszuschließen sein. 144 Beecroft 2006, 49-52 mit Hinweis auf Hom. Il. 2,760 bzw. Od. 8,83; 8,367; 8,521 und 23,342. 145 So der Vorschlag von Dornseiff 1933, 34 f. und Davison 1968, 207 f. <?page no="91"?> ‘Palinodie’ 77 war, in dem aber nicht zuletzt auch die Motive von Stesichoros’ Blindheit und von seiner Aufklärung im Traum ihren prominenten Platz fanden 146 . Die vergleichbaren metrischen Muster, die sich in den erhaltenen Fragmenten der ‘Helena’ und in denen der ‘Palinodie’ finden, sprechen in der Tat für diese zweite Möglichkeit 147 . 146 Für einen solchen Versuch der Rekonstruktion cf. zuletzt Kelly 2007, 20 f., wenn auch einzelne Punkte dieser Rekonstruktion weiterhin der Diskussion unterworfen bleiben. 147 Im einzelnen ausgeführt von Kelly 2007, 20 Anm. 81. <?page no="93"?> 7 Schluss Wie sich nun in allen obigen Kapiteln gezeigt hat, ist die Opposition zwischen panhellenischen und lokalen Mythenversionen, die G. Nagy und A. Beecroft aufgestellt haben, für Stesichoros zu einfach, jedenfalls was die hier behandelten Äußerungen des Dichters zur Person der Helena angeht. Denn eine eindeutige Trennung zwischen diesen Bereichen erwies sich wiederholt als unmöglich. Dies ist auch nicht einfach ein Problem der unsicheren Zuordnung einzelner Passagen, die durch den fragmentarischen Zustand von Stesichoros’ Gedichten bedingt wäre. Es verhält sich vielmehr so, dass Stesichoros selber immer wieder diese Grenzen ignorierte, also die einseitige Festlegung auf einen der beiden Bereiche vermied, oder dass er diese Grenzen gar gänzlich verwischte 1 . Dies konnte bedeuten, dass er in einem Gedicht einer lokalen Variante eines Mythos den Vorzug gab und in einem anderen der panhellenischen Version, ohne sich um einen generellen Ausgleich zu bemühen. So im Falle der Herkunft Iphigeneias, die er in der ‘Helena’ - der argivischen Lokaltradition folgend - als Tochter Helenas bezeichnete und in der ‘Oresteia’ - ganz im Sinne des panhellenischen Mythos - als Tochter Klytaimestras. Es konnte aber auch die Form annehmen, dass Stesichoros die beiden Bereiche zusammenführte und einen panhellenischen Mythos neu motivierte, indem er ihn mit lokalen Erzählelementen kombinierte. Auffälligstes Beispiel dafür ist die Hochzeit von Menelaos und Helena, die durch die panhellenische Geschichte vom Eid der Freier Helenas eingeleitet wird, aber nachher durch eine Fülle von Einzelelementen auf lokales Kolorit Bezug nimmt und insbesondere auf zeitgenössische spartanische Riten hindeutet. Schließlich ging Stesichoros in einzelnen Fällen sogar soweit, dass er neben den panhellenischen Mythenvarianten und den einheimischen Dichtungstraditionen noch eine dritte Kategorie in seine Darstellung einbezog, nämlich lokale Mythen aus anderen Gegenden, und dass er deren Erzählmotive mit dem indigenen Erzählgut des jeweiligen Schauplatzes oder Aufführungsortes verwob. Dies lässt sich vor allem für die Geschichte von der Entführung Helenas durch Paris beobachten, die zwar zunächst nicht negiert wird, aber auch nicht mehr durch den panhellenischen Mythos vom Apfel der Eris begründet wird, sondern durch einen Konflikt zwischen König Tyndareos und Aphrodite, wie er in lokalen Aitien zu finden war. Die genaue Form dieses Konflikts, d.h. das vergessene Opfer des Tyndareos, ist dann aber nicht mehr durch ein lakonisches Aition zu erklären, sondern durch die willkür- 1 Die folgende Bilanz fasst die Arbeitsergebnisse der vorangehenden Kapitel zusammen und stützt sich daher auf die Thesen, die sich oben als die wahrscheinlichsten erwiesen haben. Es soll hier also beispielsweise nicht kategorisch behauptet werden, dass PMGF 190 tatsächlich Teil der ‘Helena’ war, es soll aber auch keine erneute Diskussion solcher Fragen unternommen werden. <?page no="94"?> Kapitel 7 80 liche Übertragung von Erzählmotiven aus einer anderen Gegend Griechenlands, also durch die Übernahme von Einzelmotiven, die aus dem Mythos von der Kalydonischen Jagd stammen. Seine verschärfte Form findet dieses Verfahren dann in der ‘Palinodie’, die zum einen den panhellenischen Mythos gänzlich negiert, und zum anderen wieder einen apokryphen einheimischen Mythos, die Erzählung vom Phantom der Helena 2 , mit einem auswärtigen Mythos, dem Motiv der Blendung und Heilung eines fehlbaren Menschen durch eine große Göttin, kombiniert und so zur Grundlage einer völlig neuen Erzählung macht. Da überdies der auswärtige Mythos in diesem Fall nicht mehr einfach aus einer anderen Region Griechenlands genommen ist, sondern aus einem gänzlich anderen Kulturkreis, nämlich aus Ägypten und aus dessen Zentren der Isis-Verehrung, wird hier der Mythensynkretismus also noch einmal um eine Dimension erweitert. All dies sollte nun nicht bedeuten, dass für Stesichoros und für seine Zeitgenossen die Kategorien ‘panhellenisch’ und ‘lokal’ nicht existierten. Die obigen Daten dürften eher so zu werten sein, dass Stesichoros durchaus vertraut war mit diesen Kategorien, dass er sie aber nicht akzeptieren wollte, d.h. dass er sich nicht einseitig auf eine der Kategorien festlegen lassen wollte und dass er sie auch nicht immer säuberlich auseinanderhalten mochte. Anstelle einer solchen reinlichen Trennung war ihm vielmehr daran gelegen, das lokale Element in der panhellenischen Geschichte aufzuzeigen und die panhellenische Komponente in der lokalen Version. Die Motivation des Dichters lag also offenbar darin, diese beiden Kategorien, die sich in den vor ihm liegenden Jahrhunderten herausgebildet hatten, wieder aufzuheben und sie durch einen dialektischen Prozess der gegenseitigen Durchdringung auf eine neue Stufe zu heben. Wenn also die Motivation des Stesichoros für seine Erneuerung des Mythos nicht zuletzt in einer solchen Überwindung überkommener Kategorien lag, so hegte er daneben sicher auch den generellen Wunsch nach innovativer Mythengestaltung, also den nach einer zunehmenden Aktualisierung des Mythos. Dieses Verlangen zeigt sich nämlich auch dort, wo Stesichoros im Prinzip rein dem panhellenischen Mythos folgt, also keine Elemente einfügt, die durch lokale Mythenversionen zu erklären wären, dann aber diesen panhellenischen Mythos doch so stark abändert, dass eine Geschichte ganz eigener Färbung daraus entsteht. Dies ist etwa für die Geschichte von der Bestrafung Helenas nach Eroberung der Stadt festzustellen, die bei Stesichoros nicht mehr wie in den Kyklischen Epen und in der sonstigen literarischen (und ikonographischen) Tradition eine Privatangelegenheit des Menelaos ist, sondern eine formelle Aktion des gesamten Griechenheeres. Ähnliches gilt aber auch für die Geschichte von der 2 Wenn das Phantom Helenas nach der oben in Kap. 1 referierten These von Pisani und Skutsch tatsächlich aus lokalem Erzählgut stammte. <?page no="95"?> Schluss 81 Reise des Telemachos nach Sparta, wo Stesichoros im Unterschied zum homerischen Vorbild ganz die Person der Helena in den Vordergrund stellt. Ins Bild dieses eigenwilligen oder kreativen Umgangs mit der panhellenischen Tradition passt der Umstand, dass Stesichoros sich bei seiner Bezugnahme auf diese Tradition häufig nicht einfach undifferenziert auf eine kanonische Mythenvariante bezieht, sondern eigentliche Intertextualität, also den Anschluss an spezifische Vorbildtexte, anstrebt. Im Zentrum des Interesses steht dabei naturgemäß Homer. So ist die bereits erwähnte Szene der Begegnung zwischen Telemachos, Menelaos und Helena bzw. das dort geschilderte Adlerprodigium (Hom. Od. 15,160-181) in PMGF 209 durch Einzelzitate evoziert und, wie gezeigt, in interessanter Weise abgeändert, und in der verdeckten Anspielung auf die Kalydonische Jagd bzw. auf deren Darstellung in Hom. Il. 9,533-540 in PMGF 223 ist die Dichte der Einzelzitate eher noch höher. Nicht genau nachprüfbar ist die Bezugnahme auf Hom. Il. 3,141-144 in PMGF 197. Doch scheint es sicher, dass Stesichoros die enge Koppelung von Aithra und Klymene, die ein wichtiges Element seiner Darstellung vom Fall Trojas gewesen sein muss, aus dem dritten Buch der ‘Ilias’ übernahm, sich also in indirekter Form an die berühmte Szene der Teichoskopia und an den dortigen Auftritt der Helena anschloss, die auch sonst viele antike Dichter und Prosaschriftsteller immer wieder zu eigenen Darstellungen oder Kommentaren veranlassten. Daher ist es sicher plausibel, dass die Aufnahme des Adjektivs )095/ μ0, in V. 6 von PMGF S 103 auf eine weitere berühmte homerische Szene zurückweist, nämlich auf die Unterhaltung zwischen Hektor und Helena, die eben darin ihren Höhepunkt findet, dass Helena dieses Adjektiv auf Paris und auf sich selbst anwendet. Da nun zudem diese Äußerung der Helena als metatextueller Hinweis auf die ‘Ilias’ verstanden werden konnte, zeigt sich das künstlerische Selbstbewusstsein des Stesichoros gerade darin, dass er noch einen Schritt weiterging als der Iliasdichter und die Passage nun als Einladung für eine eigene Behandlung des Themas verstand und instrumentalisierte. Interessant ist nun, wie diese Form der Intertextualität sich nicht in der Bezugnahme auf Homer erschöpft. Denn wenn nicht alles täuscht, finden sich in Stesichoros’ Schilderungen der Helena auch zwei Zitate der Sappho. So ist die Junktur 2841# &6"43 in V. 5 des soeben erwähnten Fragmentes von PMGF S 103 aller Wahrscheinlichkeit einer Passage aus einem Gedicht Sapphos entnommen (Frg. 23,5 Voigt), die auch Ibykos danach zur Übernahme derselben Junktur veranlasste, und die emphatische kritische Darstellung in PMGF 192,2 (0%5: '78, (4 43*+! 4 (*++"6μ0/ ,) sollte u.a. als Replik auf die ebenso emphatische, aber affirmative Darstellung der Troja- Sage durch Sappho (Frg. 16,9 Voigt: '78 : , $-0984 .6"0/ [+8]) gewertet werden. Mit diesen Zitaten, die sich in beiden Fällen mit einem Homer-Zitat verbinden - im einen Fall durch die Juxtaposition zweier Schlüsselbegriffe <?page no="96"?> Kapitel 7 82 wie .+$=3μ+A und -#/ 52A, im anderen Fall durch die Verwendung des sowohl bei Homer wie bei Sappho semantisch aufgeladenen Verbs "#$/ 4 3 -, zeigt Stesichoros deutlich, dass er sich bereits in der Welt der Textualität sieht, in der nicht mehr so sehr der Kanon der dargestellten Fakten ausschlaggebend ist, sondern die Behandlung dieser mythischen Themen durch spezifische epische, aber auch schon lyrische Dichter. Nicht mehr das Faktum an sich ist von Bedeutung, sondern dessen individuelle Behandlung, und dies bedeutet, dass die Dichtung selbst überhaupt wichtiger wird als die von ihr referierten Themen. Die scheinbar so radikale Abkehr von der überlieferten Troja-Sage, die Stesichoros in seiner ‘Palinodie’ zeigt, ist dann im Grunde nur noch ein weiterer (logischer) Schritt in einer schon länger feststellbaren Entwicklung. Ein besonderer Wahrheitsanspruch dürfte damit nicht mehr verbunden gewesen sein. Im Gegenteil: Dieses Verfahren diente der Verdeutlichung eines zunehmenden Fiktionalitätsbewusstseins 4 . In diesem Zusammenhang lohnt es sich, noch einmal auf den Vers des Stesichoros einzugehen, den Johannes Tzetzes in seinen eigenen Scholien zu seinen ‘Antehomerica’ überliefert (zu V. 149, p. 131,2-3 Leone: ! )&9: 3 ! ; ) > (<7? $6+)+A* ‘')0: ? ? 8, +B <2<8 @? #/ C1%/ 7A : @=41+/ ,6+/ <: A’ - “Stesichoros schreibt nämlich: ‘den Troern, die damals mit dem Bildnis der Helena wegfuhren’” 5 ). E. Cingano und B. Gentili dürften recht haben, wenn sie gegen M. Papathomopoulos darauf beharren, dass dies kein Hexameter, sondern ein daktyloepitritischer Vers mit der Struktur ‘D ˘ ˘ D x’ sei 6 . Doch wird es kaum Zufall sein, dass ausgerechnet der wichtige Vers, der darauf hinweist, dass die Troer bei ihrer Rückfahrt nach Kleinasien eben nur das Phantom und nicht die richtige Helena bei sich hatten, sich auch als Hexameter lesen lässt. Mit anderen Worten, es liegt hier wieder ein Zitat vor. Zwar wird hier kein spezifischer Homer-Vers evoziert (und, soweit wir wissen, auch kein Vers der ‘Kyprien’, die die Entführung Helenas im Detail schilderten), und der Vers des Stesichoros transportiert sogar eine Aussage, die der homerischen und kyklischen Dichtung konträr entgegensteht. Doch bleibt es dabei, dass der Vers auch als Hexameter gelesen werden kann, und dies bedeutet, dass hier unter dem Gesichtspunkt des Metrums eben doch die Kontinuität der epischen Tradition gewahrt bleibt. 3 Für das kombinierte Zitat von Hom. Il. 24,766 und Sappho, Frg. 16,9 Voigt in PMGF 192,2, also für die wahrscheinliche Bezugnahme auf die jeweilige Verwendung des Aorists von "#$/ 4 für Helenas Fahrt nach Troja, cf. oben die Diskussion in Kap. 6.1. 4 Zur Intertextualiät als Offenlegung des Fiktionscharakters von Dichtung cf. Stocker 1998, 39 (“Intertextualität kann ein Mittel der Illusionsdurchbrechung sein. Abgebaut wird aber nicht die Fiktionalität, sondern nur die Referenzillusion; die Fiktionalität wird im Gegenteil demonstriert.”). 5 Zur Echtheitsfrage cf. oben Kap. 6.1, Anm. 8. 6 Cingano, Gentili 1984, 37 gegen Papathomopoulos 1980, 30. <?page no="97"?> Schluss 83 Solche spannungsreichen Beziehungen zum homerischen Epos, die eben im Metrum ihren Ausdruck finden, sind Stesichoros auch sonst durchaus nicht fremd 7 . Somit sind wir erneut auf die Frage nach der lokalen und nach der panhellenischen Komponente oder Qualität der Lieder des Stesichoros verwiesen. Denn insbesondere seine Dichtungen mit westgriechischen Themen, wie vor allem die ‘Geryoneis’ wurden von der Forschung wiederholt als Ausdruck eines eigenen westgriechischen (kolonialen) Horizonts verstanden 8 . Doch transzendiert Stesichoros solche lokalen Gegebenheiten dann doch immer wieder, sodass man ihn auch mit Fug und Recht als Dichter mit panhellenischem Anspruch einstufen kann 9 . Wenn wir uns zuletzt also noch einmal der Frage nach dem Verhältnis des Stesichoros zu Sparta zuwenden, so scheint es zunächst doch recht wahrscheinlich, dass Stesichoros sich für eine Zeit seines Lebens in Sparta aufhielt und einzelne seiner Lieder dort zur Aufführung brachte 10 , wie auch andere Dichter der archaischen Zeit eine beachtliche Reiseaktivität entfalteten, um ihre Lieder an verschiedensten Orten der griechisch geprägten Welt vortragen zu können 11 . Damit stellt sich natürlich sofort die Frage, in welchem konkreten Aufführungsrahmen Stesichoros seine einzelnen Lieder vortrug, also die ‘Oresteia’ und das Diptychon der ‘Helena’ und der ‘Palinodie’, für die deutliche Bezüge zu Sparta bestehen. Die Antwort darauf ist nicht eindeutig zu geben, und bereits dies scheint bezeichnend. Denn schon der 7 Cf. die oben in Kap. 3.3, Anm. 46 genannte metrische Korrespondenz in der Darstellung der Kalydonischen Jagd zwischen Hom. Il. 9,529 und Stesich. PMGF 222 col. II, Zeile 8 f. 8 So etwa schon bei Schmid 1929, 474 und 479 und Lesky 1971, 183 und zuletzt noch bei Willi 2008, 85 f. und Franzen 2009. 9 Cf. das Fazit in Arrighetti 1994, 30 (“Liberare l’interpretazione della poesia stesicorea da certi condizionamenti significa, se non altro, dar ragione del valore panellenico che essa indubbiamente perseguiva e che si direbbe avesse raggiunto come sembra provato, se non altro, dalla notevole fortuna di cui Stesicoro poté godare anche in Atene, ancora nel pieno del quinto secolo, quando Aristofane poteva parafrasare ripetutamente ... la sua produzione sicuro di essere inteso dal suo pubblico.”). 10 Dies die bekannte These von Bowra 1934a und Bowra 1961, 74-76 und 118, unter anderem gestützt auf die Nachricht des ‘Marmor Parium’ über einen Besuch des Dichters in Griechenland im Jahre 485 v. Chr. (FGrHist 239 A 50 = PMGF TA 30), was in der Datierung falsch sein muss, aber ansonsten auf einem realen Faktum beruhen sollte. Zum neueren Fund von P. Oxy. 2735 Frg. 1 (= PMGF S 166), der wohl ebenfalls auf einen Aufenthalt des Dichters in Sparta schließen lässt, cf. die Kontroverse zwischen M. L. West (1969, 148), der den Papyrus Stesichoros zuwies, und D. L. Page (1969, 71 und 1971, 89), der eher an Ibykos dachte. 11 Zur Reise- und Vortragsaktivität der Dichter in archaischer Zeit cf. nun die ausführliche Darstellung bei Bowie 2009, der jedoch Stesichoros bewusst aus seiner Arbeit ausklammert. <?page no="98"?> Kapitel 7 84 genaue Aufführungsrahmen der ‘Oresteia’ ist schwer zu bestimmen 12 , und wir haben beim Studium der Fragmente der ‘Helena’ wiederholt feststellen können, dass dieses Lied sich nicht auf ein einzelnes Fest reduzieren lässt und dass stattdessen Beziehungen zu mehreren unterschiedlichen spartanischen Kulten vorliegen. So spielt die Geschichte von der Entführung Helenas durch Theseus offenbar auf das Fest der Artemis Orthia an, an dem das mythische Geschehen jedes Jahr nachgespielt wurde 13 ; die (mythische) Hochzeit von Helena und Menelaos deutet auf den zeitgenössischen Baumkult der Helena in Sparta hin und vielleicht auch auf jährliche rituelle Erneuerungen dieser Hochzeit 14 ; und die Entführung Helenas durch Paris wird mit einer Mythenvariante begründet, die in Beziehung steht zum Kultbrauch der gefesselten Aphrodite Morpho 15 . Unter dem Gesichtspunkt der Aufführung an einem bestimmten Fest stehen diese Elemente der ‘Helena’ also in Konflikt miteinander, und man muss daher schließen, dass die ‘Helena’ und die ‘Palinodie’ entweder an einem extra für diesen Zweck geschaffenen Anlass vorgetragen wurden, oder dass sie gewissermaßen im ‘Rahmenprogramm’ eines etablierten Festes zur Aufführung kamen. Die zweite Möglichkeit dürfte die wahrscheinlichere sein, weil es im archaischen Griechenland verbreiteter Usus war, dass das eigentliche kultische Geschehen mit seinem traditionellen Kultlied durch Lieder ergänzt wurde, die bei renommierten Dichtern in Auftrag gegeben und dann im weiteren Rahmen des Festes vorgetragen wurden 16 . Dies dürfte im Falle unseres Diptychons am ehesten eines der Kultfeste zu Ehren von Helena und Menelaos gewesen sein, die in Sparta und im benachbarten Therapne durchgeführt wurden. Wenn wir die Frage zu entscheiden versuchen, so sprechen die Andeutungen auf die Hochzeit des Menelaos und der Helena in PMGF 187 und 189 für den Kult, der in Sparta selbst bei der heiligen Platane zu Ehren von Helena gefeiert wurde 17 . Bedeutsamer im religiösen Festkalender von Sparta dürfte aber doch der Kult der Helena und des Menelaos gewesen sein, der in Therapne, etwa fünf Kilometer südlich von Sparta, im sogenannten Menelaion am Grab von Helena und Menelaos gefeiert wurde. Dieser Kult bzw. Kultort wird in der griechischen Literatur immer wieder erwähnt 18 , 12 Cf. Neschke 1986, 298-301, die an dorische Kulte für Apollon denkt, aber die Festlegung auf ein bestimmtes Fest vermeidet. 13 Oben Kap. 2. 14 Oben Kap. 4. 15 Oben Kap. 3.3. 16 Cf. Burkert 1977, 169 (bzw. Burkert 2011, 162 f.) und Herington 1985, 5 f. 17 Der hauptsächliche Beleg für diesen Kult ist neben der oben (Kap. 4) besprochenen Stelle von Theoc. 18,38-48 noch Paus. 3,15,3. 18 Cf. vor allem Alcm. PMGF 7 (= Frg. 19 Calame); Alcm. PMGF 14b (= Frg. 5 Calame); Hdt. 6,61,3; Eur. Hel. 1666-1669; Polyb. 5,18,3; Polyb. 5,22,3 und Paus. 3,19,9 (zum archäologischen Befund cf. oben Kap. 6.6). <?page no="99"?> Schluss 85 und Isokrates weist explizit auf die göttliche Verehrung hin, die Helena und Menelaos dort zuteil wurde (Isoc. 10,63: 6+? J/ 9 >LG <B< I< *H9%: <L? 8 +D8 'L>$<? >D8 @)-! L8 L3+; C8 KJ! L8 >LG : L+9! L8 M: ; +H=; B-? < ; 3& 08 49$-? < M==E 08 @H; C8 Mμ(; +#9; ? 8 ; 1-? <. - “Denn auch jetzt noch bringen sie [sc. die Spartaner] in Therapne in Lakonien ihnen [sc. der Helena und dem Menelaos] heilige und herkömmliche Opfer dar, nicht als Heroen, sondern als Göttern, was sie beide sind.”). Diese Feiern dürften identisch gewesen sein mit den ‘Heleneia’, von denen Hesych einmal spricht (H 1992 Latte: 5=#<H? L, 7; 9+. MJ; μ#<A 2: F 'L>"<$<. - “Heleneia: ein Fest, das von den Spartanern gefeiert wird.”) 19 , und die starke Betonung ihrer göttlichen Seite, die Helena in Therapne erfuhr, passt nur zu gut zu ihrer Darstellung bei Stesichoros, sodass die Feierlichkeiten in Therapne sicherlich den plausibelsten Aufführungsrahmen für die ‘Helena’ und die ‘Palinodie’ bildeten. Wenn sich das so verhält, so bleibt dennoch festzuhalten, dass die Hindeutungen auf den Kult Helenas bei der heiligen Platane von Sparta, die Anspielungen auf den Kult der Artemis Orthia und die Verweise auf die Verehrung der Aphrodite Morpho 20 und erst recht die Elemente aus nichtspartanischen Kulten wie das Motiv der vergessenen Opfer oder die Kombination von Blindheit, Traumerscheinung und Heilung spürbare Fremdkörper in diesem der Helena von Therapne gewidmeten Kult gewesen sein müssen. Stesichoros schuf also mit der ‘Helena’ und der ‘Palinodie’, wenn man es drastisch formulieren will, nicht gerade poésie pure, aber einen pseudo-kultischen Komplex, in dem Motive mit echtem kultischem Hintergrund wie das Motiv der strafenden Göttin Isis nun - in der Übertragung auf Helena - in einem kultischen Zusammenhang erscheinen, in den sie im Prinzip nicht hineingehören, ja Stesichoros scheute sich nicht einmal, vor den Augen des lokalen Publikums die wahre Schutzpatronin der menschlichen Augen, wie sie in Sparta verehrt wurde, also Athene Ophthalmitis, wenigstens für den Moment dieses Festes durch Helena als ‘falsche’ Schutzpatronin zu ‘ersetzen’ 21 . Dieser pseudo-kultische Zusammenhang war das adäquate Pendant zur nur scheinbar ernstgemeinten Mythenkorrektur in der ‘Palinodie’. Beide Aspekte trugen dazu bei, dem Diptychon der ‘Helena’ und der ‘Palinodie’ eine Modernität und künstlerische Autonomie zu verleihen, die den Liedern zu schneller Berühmtheit verhalf und dafür sorgte, dass die Debatte um sie in der Folgezeit nie völlig abriss 22 . 19 So die Gleichsetzung bei Nilsson 1906, 426 f. 20 Vorausgesetzt, dass PMGF 191 und PMGF 223 tatsächlich Teil der ‘Helena’ waren. 21 Cf. oben Kap. 6.4. 22 Ein Aspekt dieser Rezeptionsgeschichte bestand darin, dass fortan radikale Mythenkorrekturen in der griechischen Literaturgeschichte jederzeit möglich waren; cf. Vöhler, Seidensticker, Emmerich 2005 und Seidensticker 2009. <?page no="101"?> Anhang Der Motivkomplex von Blendung und Heilung in der internationalen Erzähltradition <?page no="103"?> Vorbemerkung Die folgenden Darlegungen zu den Motiven der Blendung und der Heilung in nach-antiken Erzählungen und zu deren Vorbildern in christlichen und vorchristlichen antiken Darstellungen sollen die Geschichte von Stesichoros und Helena in der internationalen Erzähltradition verankern 1 . Diese Ausführungen stehen jedoch unter mehrfachem Vorbehalt und können daher nur vorläufigen Charakter für sich in Anspruch nehmen. So scheint es in der vergleichenden Erzählforschung an einer umfassenden Aufarbeitung dieses Motivkomplexes zu fehlen und auch Vorstudien zu den nationalen Einzeltraditionen liegen kaum vor 2 ; eine großflächige Suche könnte daher unter Umständen Beispiele aus Kulturkreisen zutage fördern, die im folgenden nicht berücksichtigt sind. Zum zweiten musste ich aus Unkenntnis der relevanten Sprachen bei den isländischen und irischen Beispielen auf Übersetzungen zurückgreifen 3 ; und zum dritten waren mir bei der Diskussion der ostkirchlichen Marienlegenden bisweilen die Primärquellen nicht zugänglich, und ich musste mich stattdessen mit davon abgeleiteten Zusammenfassungen bzw. mit kirchlichen Editionen ohne wissenschaftlichen Charakter behelfen. Die Vermutung ist, dass Experten der jeweiligen kulturellen Sphäre vielleicht noch wesentlich mehr Beispiele für diesen Motivkomplex finden und jedenfalls die Zusammenhänge im einzelnen besser aufhellen könnten, dass sich aber das Gesamtbild dadurch nicht grundsätzlich ändern würde. 1 Für eine Einführung in den Problembereich der vergleichenden Erzählforschung und insbesondere zu den Parallelen zwischen antiken Erzählungen und ihren Gegenstücken in modernen einfachen Erzählformen cf. W. Hansen 2002, 1-31. Allerdings wird die folgende Untersuchung zeigen, dass der Erzählkomplex von Blendung und Heilung mindestens in einer seiner dominanten Ausprägungen kein freies Wandermotiv war, sondern an bestimmte Kultstätten gebunden blieb, weswegen es in diesem Fall - in Abweichung von der programmatischen Erklärung Hansens (S. 25) - sinnvoll sein wird, nach dem Herkunftsgebiet dieser Motive zu fragen. 2 Die relevanten Einträge in Stith Thompsons ‘Motif-index’ (Thompson 1955-1958) sind Q 571 (“Magic blindness as punishment remitted”), Q 571.1 (“Magic blindness as punishment for opposition to holy person remitted”) und Q 571.2 (“Magic blindness as punishment for uncharitableness remitted”), wobei aber lediglich auf die unten diskutierten irischen Erzählungen und auf das spätmittelalterliche spanische Beispiel aus dem ‘Libro de los enxemplos’ verwiesen ist. 3 Dasselbe gilt für die indischen, altägyptischen, syrischen, koptischen und äthiopischen Texte, die ich im obigen Kap. 6 und im folgenden Anhang gelegentlich zu Vergleichs- und Argumentationszwecken herangezogen habe. <?page no="104"?> Anhang 90 1 Die Motive von Blindheit und Heilung in den ostkirchlichen Marienlegenden Die eingangs referierte Marienlegende aus Tolstojs Roman ‘Krieg und Frieden’ weist eine verblüffende Reihe von Ähnlichkeiten mit der Legende von Stesichoros und Helena auf. So verfehlt sich in beiden Geschichten eine Person von respektabler sozialer Stellung (ein zaristischer General 4 ; der Dichter Stesichoros) gegenüber einer weiblichen Gestalt von göttlicher Autorität (Maria; Helena), und dies in erster Linie durch die Äußerung einer irrigen Ansicht, in der sich mangelnde Ehrfurcht vor der göttlichen Person verrät. Die Strafe dafür ist sofortige Erblindung, deren Ursache dem Sünder in einem Traum mitgeteilt wird. Auf die dadurch ausgelöste Reue und Abbitte folgt sogleich die Heilung des Sehsinns. Diese Parallelen sind so eng, dass man, hätte man nur diese Texte, sogar die Hypothese erwägen könnte, dass Tolstoj direkt von der antiken Legende abhängt und hier Wesenszüge Helenas in freier Weise auf Maria überträgt. Dies ist aber aus mehreren Gründen äußerst unwahrscheinlich: So ist zwar bekannt, dass Tolstoj ein großer Freund der antiken Kultur war und in einem bestimmten Abschnitt seines Lebens mit höchster Intensität Altgriechisch lernte. Doch fällt diese intensive Auseinandersetzung mit den griechischen Originaltexten erst in das Jahr 1870 und in die folgenden Jahre, also just in die Zeit nach der Beendigung von ‘Krieg und Frieden’ 5 . Tolstoj müsste die Legende von Stesichoros und Helena also aus Übersetzungen kennengelernt haben, und wenn Übersetzungen von Isokrates und Platon dem Romancier wahrscheinlich leicht zugänglich waren, so findet sich die engste Parallele zu seiner Marienlegende eben nicht bei den beiden attischen Autoren, sondern erst in der ‘Suda’, wo nicht nur von der Erblindung und Heilung des Stesichoros die Rede ist, sondern auch von seinem Traum 6 . Da aber von der ‘Suda’ im neunzehnten Jahrhundert - nicht anders als heute - höchstens kleine Auszüge übersetzt waren, kann auch diese Hypothese keine Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Es bliebe noch die Möglichkeit, dass Tolstoj irgendein Handbuch benützte oder einen Bekannten bemühte, der im Altgriechischen besser versiert war als er selbst. Doch auch solche Hypothesen erweisen sich als unnötig, wenn man sich näher mit der ostkirchlichen Tradition der Marienverehrung vertraut macht. 4 D.h. ein hoher ziviler Würdenträger. 5 Cf. Finch 1951/ 1952, 206 f. und Rühl 2002, 159. 6 Suda D 1095 Adler (<&D; #A &CB84 $+*9&4B& 93$/ 4 F7(4! ) B? <76@54&=, -*7=4 #A $+*- 9&4B& F7(4! ) ,$: 0μ=/ 4 ,1 E4"'+/ ? , B>4 -&7=42#'&4, .4&%7(9&=. - “Man sagt aber, dass er, nachdem er einen Tadel Helenas verfasst hatte, geblendet worden sei. Als er aber infolge eines Traums wieder ein Lob Helenas, die ‘Palinodie’, verfasst hatte, habe er wieder sehen können.”). <?page no="105"?> Blendung und Heilung 91 Tolstoj selbst gibt nämlich den entscheidenden Hinweis, indem er festhält, dass die Marienikone von Koljazin, bei der sein General Abbitte leisten muss, eine Repräsentation der Mutter Gottes aus dem Höhlenkloster sei 7 . Damit ist das berühmte Höhlenkloster von Kiev gemeint, das schon um 1075, also kaum ein Jahrhundert nach der Christianisierung Russlands, gegründet und auf diese Weise ein Zentrum christlichen Lebens in Russland wurde 8 . In diesem Kloster befindet sich eine berühmte Marienikone, die einst griechische Baumeister, die das Höhlenkloster errichteten, in Konstantinopel von Maria persönlich erhalten und darauf nach Kiev mitgebracht hätten, und es soll keine geringere als die *'$.+%$0 ,#(-'"! ).&/ / (, also die Gottesmutter aus dem Kloster von Blachernai und damit die Adressatin eines der wichtigsten Staatskulte von Konstantinopel, gewesen sein, die den Baumeistern den Auftrag zur Errichtung des Klosters und zur Überbringung der Ikone gab 9 . Da dieser Ikone somit göttliche Herkunft und daher auch besondere Kraft zugeschrieben wurde, wurden in Kiev im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder neue Ikonen hergestellt, die die Wunderwirkung des Originals multiplizieren sollten. Bei der Ikone von Koljazin handelt es sich offenbar um eine solche Nachbildung 10 , wenn mir auch keine weiteren Informationen dazu vorliegen. Die berühmteste Nachbildung der Ikone aus dem Höhlenkloster von Kiev befindet sich jedoch nicht in Koljazin, sondern in einem Kloster in der Nähe der südrussischen Stadt Brjansk. Wie sie dorthin gelangte, erzählt eine Legende, die in das Jahr 1288 datiert ist 11 : Fürst Roman Michajlovi# aus $ernigov, der sich in Brjansk befand 12 , ging seiner Sehkraft verlustig. Als er über die Wunder und Heilungen 7 Tolstoj 1962, 136 (“" +*-).-2,)# / 0', %(, +*-&,1-( 4 ./ 0' 06('$46 ! / %/ *)467 - 3,- 5,*-( …”); Tolstoj 1956, 527 (“Und ihm träumte, die heilige Mutter Gottes aus dem Höhlenkloster komme zu ihm und sage …” [Übertragung von M. Kegel]). 8 Zur Geschichte des Höhlenklosters in Kiev cf. den Abriss bei Rupp, Weber 1995. 9 So die Legende nach dem aus dem 13. Jh. stammenden ‘Paterikon’ des Höhlenklosters (ediert bei: Tschi%ewskij 1964, 5-8; eine popularisierende Nacherzählung in: Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 262-265). 10 ‘Nachbildung’ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht unbedingt eine getreue Kopie des Vorbildwerks. Entscheidend war nur, dass die Nachbildung von geistlichen Würdenträgern in Auftrag gegeben wurde und so die Wirkkraft des Vorbildwerks weiterführen konnte. 11 Vom Verfasser übersetzt nach der Darstellung in: Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 266 f., eine kürzere Version derselben Geschichte auch bei Sokolov 2006, 150. Leider konnte die Quelle dieser Darstellungen nicht eruiert werden. 12 Zur Geschichte des Fürstentums von $ernigov cf. Zajcev 1975 (mit einer Karte gegenüber von S. 80); der historische Hintergrund unserer Legende scheint darin zu bestehen, dass Roman Michajlovi# nach der Ermordung seines Vaters Fürst Michail Vsevolodovi# im Jahre 1246 allmählich die Macht übernehmen konnte, aber im Jahre 1252 das Zentrum seiner Herrschaft von der zerstörten Stadt $ernigov nach Brjansk <?page no="106"?> Anhang 92 gehört hatte, die sich beim wundertätigen Heiligenbild der Gottesmutter aus dem Höhlenkloster ereigneten 13 und von den Wundertätern Antonij und Theodosij 14 aus dem Höhlenkloster ausgingen, da schickte der Fürst einen Boten ins Höhlenkloster mit einem Almosen und mit der Bitte, die wundertätige Ikone zu ihm nach Brjansk zu schicken zu dem Zweck der Bitte um Heilung. Nachdem der Archimandrit des Höhlenklosters sich mit seiner Klostergemeinschaft beraten hatte, schickte er die Ikone zusammen mit einem Priester auf dem Fluss Desna aus. Während der Zeit dieser Fahrt blieb das Boot plötzlich mitten im Fluss Desna stehen. Die Begleiter der Ikone entschlossen sich, die Nacht am Fluss Svena zu verbringen, aber das Boot bewegte sich plötzlich wieder nach vorne. Die Reisegefährten vertäuten das Boot und verbrachten die Nacht am rechten Ufer des Flusses Svena. Am Morgen gingen sie zum Boot, um zu dem wundertätigen Bild der Gottesmutter zu beten, doch dieses war nicht zu sehen. Nachdem die Reisegefährten beschlossen hatten, die Ikone zu suchen, gingen sie das Ufer hoch und stiegen auf einen Berg, der sich gegenüber dem Fluss Svena befand. Dort fanden sie die Ikone, die auf einer hohen Eiche zwischen den Ästen stand. Die Nachricht über dieses Wunder gelangte zum Fürsten Roman. Begleitet von Priestern kam er zu Fuß zu dem Ort, wo heute das Svensker Kloster steht, und dort schüttete er all seinen Kummer aus und betete unter Tränen folgendermaßen: “Oh wundertätige, hochheilige Herrscherin, Gottesgebärerin, Mutter unseres Gottes Christus! Höre die Stimme meines Gebetes und gewähre mir, Herrin, dass ich mit den Augen sehe und die Welt und Dein wundertätiges Bild erblicke. Alles, was ich von diesem Ort aus in den vier Richtungen erblicke, werde ich Deinem Haus schenken. Ich werde ein Gotteshaus errichten und einen Aufenthaltsort an diesem Platz, welchen Du liebgewonnen hast.” Als er das Gebet beendet hatte, kehrte in derselben Minute seine Sehkraft zu ihm zurück, und er sah einen Pfad, auf dem nach seinem Befehl damals ein Kreuz aufgestellt wurde. Jedoch sahen seine Augen nur Gegenstände, die in sehr naher Entfernung standen. Da gingen sie verlegte und dann natürlich für eine entsprechende Ausstattung der neuen Residenz sorgte (cf. Solov’ëv 1988, 185 bzw. Prochorov 1971, 228 s.v. +! *%$&#( &%*'($")# und Kondratov 2006, 371 s.v. +! *%$&). 13 Gemeint ist, wie sich u.a. aus dem Folgenden ergibt, nicht die Ikone göttlichen Ursprungs, die einst die Baumeister nach Kiev gebracht hatten, sondern eine Ikone, die von einem in Kiev wirkenden Künstler erschaffen worden war, bereits eine große Anzahl von Wundern bewirkt hatte, aber, weil sie selbst nicht von göttlichem Ursprung war, den Mönchen in Kiev nicht gleichermaßen unentbehrlich erschien wie die älteste Ikone (Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 265 f.). 14 Die beiden Kiever Mönche, die zunächst in einer Höhle gelebt hatten, dann aber eine mitentscheidende Rolle bei der Errichtung des Höhlenklosters spielten. <?page no="107"?> Blendung und Heilung 93 zur Ikone selbst hin. Der Fürst fiel auf die Erde nieder und rief erneut die Gottesgebärerin mit dem Kummer seines Herzens an. “Hochheilige Herrscherin, erhöre mein Gebet und gib mir das Sehvermögen mit meinen Augen.” Als er das ausgesprochen hatte, da begann er, noch besser zu sehen. Auf seine Anweisung hin nahm der Bischof die Ikone vom Baum herunter und brachte sie zum Fürsten. Der Letztgenannte küsste sie ehrfürchtig. Dem Beispiel des Fürsten folgten auch alle Anwesenden. Nachdem der Fürst darauf die Andacht vor der Ikone der Gottesmutter beendet hatte, begannen er und alle Versammelten, Bäume zu fällen, und sie errichteten mit vereinten Kräften ein Gotteshaus im Namen der Himmelfahrt der Gottesmutter. In der Folge errichtete der Fürst am Ort seiner wundersamen Erleuchtung ein Kloster und stattete es freigebig mit Geld aus, aber die wundertätige Ikone umfasste er mit Gold und Silber. Den Baum, auf dem die Ikone sich befunden hatte, fällten sie und benützten ihn für die Tafeln anderer Ikonen und überhaupt für das Zubehör des Gotteshauses. Damals wurde auch der Feiertag der Svensker Ikone der Gottesmutter festgelegt, der 3. Mai. Die Bedeutung dieser im entrückten Mittelalter spielenden Legende erschließt sich durch das Studium der weiteren Geschichte der Ikone von Brjansk. Diese hatte eine allgemeine Schutzfunktion für die lokale Bevölkerung, was sich vor allem in Kriegszeiten bemerkbar machte. Daneben war sie aber auch dem kranken Individuum dienlich und heilte insbesondere Geisteskrankheiten und Blindheit. So soll im Jahre 1830 die junge Tochter eines Brjansker Kaufmanns durch die Anbetung der Ikone von ihrer Erblindung geheilt worden sein 15 , und im Jahre 1840 soll eine Gutsbesitzerin der Gegend ähnliches erlebt haben und mit Hilfe der Ikone gleich auch noch für die Heilung des erblindeten Sohnes eines ihrer Angestellten gesorgt haben 16 . Die Geschichte des Fürsten Roman Michajlovi" hatte also offenbar aitiologische Funktion und sollte verdeutlichen, wie es zu dieser wundertätigen Wirkung der Ikone für erblindete oder in ihrem Sehsinn geschwächte Menschen gekommen war. Plakativ formuliert, diente die Geschichte des Fürsten also zu Werbezwecken für das Kloster. Solche aitiologischen Strukturen werden uns im Zusammenhang mit den ostkirchlichen Marienlegenden nun regelmäßig begegnen 17 . 15 Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 270 (mit dem typischen Motiv, dass das Mädchen im Traum zur Anbetung der Ikone aufgefordert wird). 16 Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 270 f. 17 Für eine allgemeine Einführung in den ostkirchlichen Kult der Maria und in die damit verbundene Verehrung ihrer Ikonen cf. Petrie 1984. <?page no="108"?> Anhang 94 Die Legende in ‘Krieg und Frieden’, die als Vorfall aus der jüngsten Vergangenheit erzählt wird und somit in die Zeit der napoleonischen Kriege datiert ist, passt also in die Atmosphäre der Zeit 18 . Allerdings ist sie stärker noch als die Erzählungen aus Brjansk von einem religiösen Impuls geprägt und sieht die Erblindung des Generals nicht einfach als Erkrankung, die danach mit Hilfe Marias wieder geheilt worden wäre, sondern als Strafe für einen Frevel, der entsprechende Abbitte nötig machte. Zudem wird Tolstojs zaristischer General im Unterschied zu Fürst Roman Michajlovi" nicht durch allgemeine Erzählungen der Leute über die Wunderkraft der Ikone informiert, sondern durch einen Traum, in welchem ihm die Gottesmutter persönlich erscheint. Es sind genau diese moralisierenden und folkloristischen Züge, die die Legende aus Koljazin in Analogie zur Biographie des Stesichoros stellen. Doch ist die Erzählung Tolstojs mit diesen Erzählstrukturen auch im ostkirchlichen Bereich, wie wir im folgenden sehen werden, keineswegs isoliert. Eine zweite berühmte Marienlegende rankt sich um die sogenannte Wurzelikone von Kursk. Diese soll im späten dreizehnten Jahrhundert von Bewohnern der Stadt Ryl’sk, die in der Umgebung der neunzig Werst entfernten, von den Tataren verwüsteten Stadt Kursk auf die Jagd gegangen waren, auf einer Wurzel liegend aufgefunden worden sein. Die frommen Ryl’sker sollen der Ikone daraufhin am Ort der Auffindung eine Kapelle errichtet und sie fortan intensiv verehrt haben 19 . Im fünfzehnten Jahrhundert allerdings beschloss der Ryl’sker Fürst Vasilij #emjaka, die Ikone in die Stadt Ryl’sk zu bringen. Sie wurde daher von der Stadtbevölkerung in einem feierlichen Zug aus der Einöde ihres bisherigen Aufenthaltsorts abgeholt und nach Ryl’sk gebracht. Nur der Fürst selbst beteiligte sich nicht an dieser Prozession 20 : &@A>2)-+ )<"/ > *! 2-A-+ $3? ")! , ./ <! : 9= ()9<3, 64-)! / ! A 6343<320- 3# : 79495 &@A>2), C09 - =@A9 253A! <9 2 =9A>B-? 0941320: 9? ; : 32> 79495 : @B3A <! : 2043C. C.590: 94<9+ ()9<3, 64-=A-1! : B3+2" 2 )4320<@? ,9- 59? . %9A>)9 2! ? *! 2-A-+ $3? ")! .)A9<-A2" 90 .C! 20-" : ; 09? 0941320: 3 - 92A36. '92A3 .2345<! 79 69)! "<-" - ? 9A-0: 63435 ()9<98 , 9< 96"0> 649- / 43A. * =A! 795! 4<920> / ! ; 09 9< 2994.5-A : &@A>2)3 ,4! ? &915320: ! '43- 18 Allgemein zur ostkirchlichen Heiligenverehrung in Situationen der Erkrankung, wie sie im 19. und noch im frühen 20. Jh. praktiziert wurde, cf. Tokarev 1957, 120 f. 19 Referiert nach: Bruderschaft 1950, 1 f. 20 Zitiert nach: Bruderschaft 1950, 2 (orthographisch angepasst). Dieser Text der Münchner Bruderschaft beruht wahrscheinlich auf einer Chronik aus dem 17. Jh., die von N. P. Senatorskij ediert wurde (Senatorskij 1913); diese Edition blieb mir jedoch unzugänglich (von der Chronik abhängig ist auch die Diskussion in: Verschiedene russische Autoren 1988, 88 sowie die Darstellung in: Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 574). Die beigegebene Übersetzung stammt vom Verfasser. <?page no="109"?> Blendung und Heilung 95 (59'! 9 $+3+)+12#! , 31/ 2 7! -8 *+('85-/ ,8 ".+,8, 2 ( '/ % *+) 5 1/ ,: 95-/ - ,29 / 9, 8 (/ ,'97)9, &('8,+5-/ ,+ / 6/ 3+1,+/ *)841,+58,2/ / 0. Der Ryl’sker Fürst Vasilij #emjaka, der von der Ikone gehört hatte, befahl, sie in die Stadt Ryl’sk zu bringen, was auch mit großer Feierlichkeit getan wurde. Die ganze Stadt ging der wundertätigen Ikone entgegen, welche sich in einer kirchlichen Prozession genähert hatte. Nur der Fürst Vasilij #emjaka selbst wich der Beteiligung an dieser Feier aus und erblindete. Nach eifriger Reue und Gebeten vor der Ikone wurde er wieder sehend. Aus Dankbarkeit dafür errichtete er in Ryl’sk ein Gotteshaus für die Geburt der hochheiligen Gottesgebärerin, wo auch die Ikone aufgestellt wurde, und seit dieser Zeit wurde für den Tag ihrer Erscheinung, den 8. September, eine jährliche Feier für sie festgelegt. Diese etwas merkwürdige Erzählung steht sicher auch im Zusammenhang mit der bewegten Geschichte der Wurzelikone, die des öfteren von einem Ort zum anderen disloziert wurde 21 . Was im Kontext unserer Untersuchung aber besonders interessiert, ist die Parallele zur Ikone des Höhlenklosters von Kiev: Wieder ist von einem Fürsten die Rede, der im Mittelalter eine temporäre Erblindung erlitt, und wieder hat die Geschichte aitiologische Funktion, denn auch die Wurzelikone von Kursk galt in der Folge als wundertätig und wurde insbesondere von erblindeten Personen aufgesucht 22 . Interessant ist aber auch die Schilderung des Fürsten Vasilij, der stärker als Fürst Roman als reumütiger Sünder dargestellt ist und damit besser in das narrative Schema des Stesichoros hineinpasst. Wenn also die Marienikonen von Kursk und Kiev bzw. deren Ableger sicher die wichtigsten Kultstätten im Bereich der russischen Orthodoxie sind, um die sich Erblindungslegenden rankten, so bestehen doch noch weitere Zentren der Marienverehrung, an denen sich vergleichbare Legenden herausbildeten. So soll sich im sechzehnten Jahrhundert in der Stadt Kazan’ im Vorland des Uralgebirges auf wundersame Weise eine Ikone gezeigt haben, die sogleich erste Heilungen von Blinden bewirkte 23 und darauf ebenfalls zur Wallfahrtsstätte für Erblindete wurde 24 . Einen rationaleren Beginn zeigt dagegen die Geschichte der Ikone von Po"aev in der Ukraine. Diese soll im sechzehnten Jahrhundert von einem Metropoliten aus Konstantinopel in die Ukraine gebracht und einer lokalen Gutsbesitzerin zum Geschenk gemacht worden sein. Erst einige Jahrzehnte danach wurde der erblindete Bruder der Gutsbesitzerin durch die Ikone von sei- 21 Cf. den Abriss in: Verschiedene russische Autoren 1988, 84-92. 22 So referiert von: Verschiedene russische Autoren 1988, 90. 23 Referiert von: Verschiedene russische Autoren 1988, 95. 24 Berichtet von Nikitin 1988, 194 f. <?page no="110"?> Anhang 96 nem Leiden geheilt 25 . Nachdem die Gutsbesitzerin darauf die Ikone in ein nahegelegenes Kloster gegeben hatte, wurde auch dieses Marienbild zur Wallfahrtsstätte für Erkrankte. Insbesondere ist aus dem Jahre 1832 die Heilung eines blinden neunjährigen Mädchens bezeugt 26 . Bestätigung erfahren diese Legenden aus dem russischen und ukrainischen Bereich durch verschiedene Erzählungen aus Klöstern auf dem Berg Athos. Dort herrscht bis heute ein sehr ausgeprägter Marienkult, der in bezeichnendem Kontrast zu dem Verbot steht, das es allen weiblichen Personen untersagt, die Halbinsel zu betreten. Die verschiedenen Marienbildnisse, an denen dieser Kult sich kristallisiert, gaben daher Anlass zu zahlreichen Erzählungen, die in lokale Chroniken eingingen, aber auch weiterhin mündlich tradiert wurden und so von Reiseschriftstellern wie Franz Spunda gesammelt werden konnten. Zu den vielen Erzählungen, die sich um die berühmtesten Ikonen ranken, zählen nun eben auch Legenden um die Erblindung und Heilung fehlbarer Mönche. Eine sehr eindrucksvolle Geschichte dieser Art ist im Kloster Vatopädi an der Ostküste der Halbinsel beheimatet. Dort soll ein renitenter Mönch sich sogar soweit haben hinreißen lassen, dass er das Marienbild mit einem Messer verletzte 27 : Eine dritte Ikone, ‘die Gestochene’ (esphagmeni), wird in der Dimitrioskapelle als wundertätig verehrt. Ihre Legende erzählt von einer schweren Übeltat an der Heiligen. Ein Diakon hatte die Aufgabe, die Kirche in Ordnung zu halten, Ampeln und Kerzen zu betreuen und den Fußboden zu reinigen. Wegen großer Arbeit kam er oft zur allgemeinen Mahlzeit in der Trapeza zu spät und mußte sich mit dem begnügen, was übrigblieb. Einmal hatte er besonders viel zu tun und erschien erst zum Abendessen, als der Speisemeister die Trapeza gerade schließen wollte. Aber es war schon alles verzehrt bis zum letzten Bissen Brot. Da kam in ihm die Galle hoch, voll Wut lief er in die Dimitrioskapelle und schrie die Ikone an: “Wie lange soll ich dir noch dienen? Nichts als Mühe und Arbeit habe ich mit dir, und als Entgelt dafür verweigert man mir sogar ein Stückchen Brot. Soll ich gar deinetwegen Hungers sterben? ” Sinnlos vor Erregung packte er das Messer, mit dem er sonst das Wachs von den Leuchtern abschabte, das dort herun- 25 Referiert in: Verschiedene russische Autoren 1988, 105 (nach einer alternativen Version soll der Bruder allerdings nicht blind, sondern lahm gewesen sein; cf. die Darstellung in: Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 582). 26 Verschiedene russische Autoren 1988, 108; Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 585. 27 Zitiert nach Spunda 1962, 100 f. (dieselbe Geschichte referiert von Panagiotis 1961, 95-97, Heydock 1965, 22-25 und Frauenkloster der Heiligen Dreieinigkeit 1993, 125- 127). <?page no="111"?> Blendung und Heilung 97 tergetropft war, und stieß es in die Wange des Bildes. Ein Blutstrahl schoß ihm daraus entgegen, er prallte zurück und sah, wie sich das Antlitz der Panagia 28 vor Schmerz verzerrte. Wie von einem Blitzstrahl getroffen stürzte er zusammen und schrie auf in namenlosem Grauen. Die Mönche eilten herbei und sahen, wie noch immer Blut der Wunde entquoll. Der Gottesmörder lag bewußtlos da, schon hielt man ihn für tot. Doch er kam zu sich, war aber blind und gelähmt. Sofort ordnete der Abt einen Sühnegottesdienst an, doch der Frevler blieb weiterhin des Augenlichtes beraubt und lahm. Jedoch die Mitbrüder ermüdeten nicht in der Fürsprache für den Unseligen, bis endlich die Panagia dem Abt die Vergebung des Verbrechens zusagte. Allmählich gewann der reuige Büßer den Gebrauch der Glieder wieder, auch das Augenlicht wurde ihm wiedergegeben, nur die Hand, die das Messer geführt, blieb starr. Der Genesende lag tagelang vor der Ikone der Panagia, sie unermüdlich um Vergebung seiner Untat in Gebeten bestürmend, und schleppte so sein schuldbeladenes Leben als reumütiger Büßer bis in das hohe Greisenalter. Auf dem Sterbebette erschien ihm die Gottesmutter und verkündete ihm, daß seine Sünde gebüßt sei, nur die rechte Hand werde vom Weltenrichter gerichtet werden. So schied er in seliger Ruhe und wurde in allen Ehren begraben. Als nach Jahren sein Grab geöffnet wurde, um die Reste in das Beinhaus zu schaffen, waren alle Gebeine schneeweiß zum Zeichen der Gnade, nur die Rechte zeigte sich als schwarz und unverwest, was auf dem Athos als Beweis der Sündhaftigkeit gilt. Sie wurde in einem Schrein nahe der ‘Gestochenen’ aufgestellt, damit alle Pilger für das Seelenheil des Armen beten mögen. Wie leicht zu sehen ist, hat auch diese Geschichte aitiologische Funktion und erklärt vor allem den Beinamen Marias (‘esphagmeni’) und die besondere Beschaffenheit einer Reliquie, der unverwesten Hand. Das Motiv der Blindheit und ihrer Heilung ist demgegenüber in dieser Erzählung nicht sehr funktional. Gerade dies zeigt aber, dass es sich um ein traditionelles Erzählmotiv handelt, zumal auch das Erzählelement der Reue in dieser Geschichte nicht fehlt. Ähnliche Strukturen weist eine Erzählung aus dem Kloster Dochiariu an der Westküste der Halbinsel auf 29 : 28 Sc. ‘Die Allheilige’ (gebräuchlicher Titel Marias). 29 Zitiert nach Spunda 1962, 117 f. (dieselbe Geschichte referiert von Maltzev 1900, 466, Panagiotis 1961, 197-199, Heydock 1965, 53 f. und Norwich, Sitwell 1966, 154; für die Parallele zu den Wesenszügen der Isis cf. Witt 1971, 321 f. Anm. 15). <?page no="112"?> Anhang 98 Das Wunderbild von Dochiariu hängt nicht in der Kirche, sondern in einer Kapelle, zu der ein Gang vom äußeren Narthex führt. Seine Augen leuchten so stark wie die der Portaitissa von Iwiron. Es heißt Gorgoypakoa wie eine ähnliche Ikone von Chiliandari. Das Wort wird übersetzt mit die ‘Furchtbar Gehorchende, d.h. Erwidernde’. Eine Version darüber erzählt, daß einst ein Priester im Stande der Sünde die heilige Liturgie abhalten wollte, doch die Panagia warf ihm mit furchtbarer Stimme sein ruchloses Vorhaben vor, so daß er gehorsam davon abließ. Eine zweite Fassung der Legende lautet ganz anders: Einst ging der Kandilaptis 30 des Klosters mit einer rußenden Fackel an dem Bild vorüber, um Lichter anzuzünden. Von dem Rauch belästigt, öffnete die Allheilige den Mund und sprach verärgert: “Daß du mir nicht noch einmal mit einer Fackel vorüberläufst und mein Bild verräucherst! ” Der Mönch erschrak über die Stimme in dem leeren Raum, und da er niemanden erblickte, der gesprochen haben könnte, glaubte er, sich getäuscht zu haben, und ging seines Weges weiter. Als er einige Tage später wieder mit einer qualmenden Fackel an dem Bild vorüberging, rief ihm die Panagia abermals scheltend zu: “O du unmönchischer Mönch, wie lange willst du noch ehrfurchtlos mein Angesicht verräuchern? Wie oft soll ich dich noch zurechtweisen? ” Und auf der Stelle bestrafte sie ihn mit Erblindung. Doch auf das inständige Bitten des Abtes hatte die Gottesmutter Mitleid mit dem Armen, schenkte dem Reuigen das Augenlicht wieder und sprach zu ihm also: “Mein Mönch, ich habe dir verziehen und nehme dich wieder in meine Huld auf. Erzähle deinen Mitbrüdern, daß ich künftighin euer Kloster wie eine Herrscherin beschützen will. Die Mönche sollen mich anflehen, wenn sie in Not sind, und ich werde mit Eifer (gorgos) ihnen zuhören (ypakuo) und allen anderen rechtgläubigen Christen, die in Ehrfurcht zu mir ihre Zuflucht nehmen. Deshalb wird man mich die Eifrighörende (gorgoypakoa) nennen.” Auch diese Erzählung, die von den lokalen Chroniken in das Jahr 1664 datiert ist, scheint also in erster Linie der Erklärung eines Kulttitels (‘gorgoypakoa’) zu dienen und verdeutlicht überhaupt die Macht, die Maria zukommt. Das Motiv der Blindheit, der Reue und der Heilung ist wieder nicht direkt funktional, ist aber doch etwas enger mit der Geschichte verwoben als im letztgenannten Beispiel, und so verwundert es nicht, dass diese Kultstätte bis in die jüngste Vergangenheit hinein als Wallfahrtsort 30 D.i. ein Mönch, der die Funktion hatte, die Kerzen anzuzünden. <?page no="113"?> Blendung und Heilung 99 für Leidende und insbesondere für Blinde diente 31 . Dies ist umso bemerkenswerter, als der Zugang zum Berg Athos streng überwacht wird, weswegen die Halbinsel nur unter einigem Aufwand zu erreichen ist. Der Zusammenhang der Legenden von Vatopädi und Dochiariu mit den russischen Marienlegenden, die ebenfalls der Stützung regionaler Heilzentren dienen, ist damit unverkennbar. Insbesondere ist die wiederholte Abfolge der Erzählelemente ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ genau dieselbe wie bei Tolstoj. Der Romanschriftsteller hat also seine Marienlegende aus einem populären Erzählstratum übernommen, das genau diesen Zügen folgte, oder er hat sie allenfalls selbst solchen Erzählungen nachgebildet 32 . Versucht man, die Frage zu ergründen, wie es zu dieser Parallele zwischen den russischen Marienlegenden und denen vom Berg Athos kam, so ist es prinzipiell denkbar, dass unser Erzählmuster vom Berg Athos nach Russland oder umgekehrt von Russland nach dem Athos gewandert ist, zumal die Präsenz russischer Mönche auf der Halbinsel seit dem elften Jahrhundert bezeugt ist 33 . Allerdings ist das Muster gerade nicht an eine Ikone aus der russischen Klostergründung Panteleimonos angehängt, sondern an Marienbilder aus den griechischen Klöstern Vatopädi und Dochiariu, und wenn auch zumindest das Kloster Dochiariu die Funktion eines Heilzentrums für Blinde innehatte, so ist es bei der abgelegenen geographischen Lage des Athos doch nur schwer denkbar, dass eines der dortigen Klöster über eine solche Ausstrahlung verfügte, dass es weite Teile der ostslawischen Welt mit seinen religiösen Vorstellungen prägen konnte. Eher denkbar wäre die umgekehrte Beeinflussung des Athos durch die russische Orthodoxie, doch müsste man sich in diesem Fall eben fragen, warum die Kultform und das damit verbundene Geschichtenmuster sich dann nicht in erster Linie im Kloster Panteleimonos etabliert haben 34 . Alle diese Annahmen erweisen sich ohnehin als unnötig, wenn man sich nur die Geschichte des orthodoxen Christentums vor Augen hält. Denn der Berg Athos ist einfach Teil der byzantinischen Welt, und die Christianisierung Russlands ging ebenfalls von Byzanz aus. Was nun das 31 Zu den Blindenheilungen in Dochiariu cf. Heydock 1965, 53; zur Behandlung psychischer Leiden cf. P. Huber 1969, 321 f. 32 Die zweitgenannte Alternative ist eher theoretischer Natur, da Tolstoj während seiner ganzen Laufbahn als Schriftsteller reges Interesse für das volkstümliche russische Erzählgut zeigte und immer wieder solche Erzählungen in seinen Werken verarbeitete; cf. Ivanova 2009. 33 Zur Präsenz russischer Mönche auf dem Athos und insbesondere zur Geschichte des von Russen besiedelten Klosters Panteleimonos an der Westküste der Halbinsel cf. den Überblick bei P. Huber 1969, 137-141. 34 Immerhin ist auch für die Ikone des Heiligen Panteleimon im gleichnamigen Kloster bezeugt, dass sie Blindenheilungen bewirken konnte (Heydock 1965, 64). <?page no="114"?> Anhang 100 Motiv der wundertätigen Ikone betrifft, die Blindheit zu heilen vermag, so ist es gewiss nicht ohne Bedeutung, dass die oben erwähnte Legende zur Herkunft der Marienikone des Höhlenklosters von Kiev von einer Überbringung des Bildes aus Konstantinopel spricht. Dies deutet auf eine Herkunft unserer Kultform aus Konstantinopel hin, und es findet sich dort tatsächlich ein entsprechender Kult, wenn es sich auch nicht um den der (! / <65/ ) *3$8! +1%<7==$ handelt, die den griechischen Baumeistern im elften Jahrhundert den Auftrag zur Errichtung des Höhlenklosters gegeben haben soll, sondern um den der (! / <65/ ) 2"; #&<+7$ aus dem Kloster Hodegon in der Nähe der Hagia Sophia. Dieser Ikone wird nämlich ganz ähnliche Macht zugeschrieben wie den vorgängig erwähnten russischen Marienbildern, d.h. sie soll eine Schutzfunktion für die Stadt in Kriegszeiten gehabt haben 35 , sie soll Kranke geheilt 36 und insbesondere von der Besessenheit durch Dämonen befreit haben 37 und sie soll - stärker noch - die Macht gehabt haben, Blinde von ihrem Leiden zu heilen 38 . Zurückgeführt wird diese Kultform bzw. der Kulttitel der Gottesmutter von unseren Quellen auf die Geschichte zweier Erblindeter, welche von Maria zu ihrer Kirche geführt und dort geheilt worden seien. So berichtet uns vor allem ein anonymer englischer Reisender aus der Zeit des elften oder zwölften Jahrhunderts 39 : Et in ipso monasterio est sancta imago sanctae Dei genitricis quae vocatur Odigitria, quod est interpretatum ‘deducatrix’, quia in illo tempore erant duo ceci et apparuit illis sancta Maria et deduxit eos ad aecclesiam suam et illuminavit oculos eorum et viderunt lumen. Und im Kloster selbst befindet sich ein heiliges Bild der heiligen Gottesmutter, welche Hodegetria genannt wird, was übersetzt ‘Führerin’ heißt. Denn zu jener Zeit waren zwei Blinde, und es erschien ihnen die Heilige Maria und führte sie zu ihrer Kirche und erleuchtete ihre Augen, und so sahen sie das Licht. 35 Cf. die Besprechung der einschlägigen Zeugnisse durch Tognazzi 1986, 234-237. 36 So mehrfach verzeichnet in den russischen Reiseberichten des Spätmittelalters (Majeska 1984, 138 f. und 160 f.). 37 So die Darstellung in der anonymen Schrift ($.μ$ <0) -$1: -! +'#1/ : "! =-/ %1; ) 4μ,1 9! / <65/ : , § 4 (Papadopoulos-Kerameus 1909, 149 f.). 38 Cf. auch die Besprechung der im folgenden genannten Zeugnisse durch Tognazzi 1986, 248 f. 39 § 4 des anonymen englischen Texts, ediert von Mercati 1936, 144 bzw. Ciggaar 1976, 249. <?page no="115"?> Blendung und Heilung 101 Diese Geschichte 40 hatte offensichtlich aitiologische Funktion, weil an dieser Kultstätte der Hodegetria regelmäßig Blindenheilungen vorgekommen sein sollen, was Kaiser Michael III. im neunten Jahrhundert dazu veranlasste, das einstige Gebetshaus durch eine richtige Kirche zu ersetzen, in deren Komplex sich eine Quelle befand, deren Wasser die erforderliche Heilkraft zugeschrieben wurde 41 : ! K+ O(A&ECFE+ ? A)V9=)+ VoH$ 3B@C)H$ %><EK- 5 μA? T"VK$ 6=V>"A+, 4$ =EJ 8+G&S? @ O(I *E">-AF)T V)/ %E=AB9+)$. μ>=&I+ BL (&9VA&)+ AP=VQ&>)+ O(2&<A ()--.+ VTR-.+ 7+ V1 7=A0"A (@C1 +>; EμS+: + =EJ D-A; U+V: + =EJ ? ETμUV: + ()--.+ C>+)μS+: + μS<&> V2$ "QμA&)+ (E&M V2$ 8A>(E&? S+)T ? A)V9=)T, B>M VI 8+ED-S; E> )N+ 7=A0"A V)H$ VTR-)H$ 7=-Q? @"E+ 3B@C)F. Die Kirche der hochheiligen Gottesmutter von Hodegoi erbaute Michael der Trinker, der auch von Basileios dem Makedonen getötet wurde. Wenig vorher aber befand sich dort ein Gebetshaus, wobei viele Blinde sich in der dortigen Quelle wuschen und wieder sahen und viele Wunder sich durch die Wirkkraft der ewigjungfräulichen Gottesmutter bis zum heutigen Tag ereignen. Weil nun die Blinden dort ihr Augenlicht wieder erlangten, wurde die Stätte Hodegoi genannt. Das in dieser Kirche befindliche Bildnis Marias soll vom Evangelisten Lukas noch zu Lebzeiten der Gottesmutter angefertigt worden sein und soll dann in der Mitte des fünften Jahrhunderts von Kaiserin Eudokia von Jerusalem aus ihrer Schwägerin Pulcheria nach Konstantinopel zugeschickt worden sein, wo die Ikone im Hodegon aufbewahrt wurde 42 . Diese Geschichte mag spätere Erfindung zur Hebung des Ansehens von Kaiserin Pulcheria sein 43 . Entsprechend strittig ist es in der gegenwärtigen For- 40 In derselben Tradition stehend, wenn auch kaum vom soeben zitierten Text direkt abhängig die aus dem 14. Jh. datierende Chronik des Andreas Dandolo, Buch 7,2 (Pastorello 1938, 109: dicta est autem yconia diguria, idest ‘deductrix’, quia duobus cecis aparuit et ad ecclesiam deduxit, ibique eos illuminavit. - “Die Ikone wurde aber diguria genannt, das heißt ‘Führerin’, weil sie zwei Blinden erschien und sie zur Kirche führte und sie dort erleuchtete.”). 41 Georgios Kodinos, #UV&>E ': +"VE+V>+)T(9-A: $ 3,27 (Preger 1907, 223; Codex H); zu den Versuchen, das Heilbecken archäologisch zu identifizieren, cf. Majeska 1984, 363 f. 42 So zuerst bezeugt bei Theodoros Anagnostes, ‘Excerpta ex Ecclesiastica Historia’ 353 (Hansen 1995, 100 bzw. ‘Patrologia Graeca’, Vol. 86,1, col. 165 A) und Johannes von Damaskus, ‘Epistola ad Theophilum Imperatorem’ 4 (‘Patrologia Graeca’, Vol. 95, col. 349 C-D) und danach etwa bei Georgios Pachymeres, ‘Relationes Historicae’ 2,31 (Bekker 1835, 160 bzw. Failler 1984, 217) und Kallistos Nikephoros, ‘Ecclesiastica Historia’ 14,2 und 15,4 (‘Patrologia Graeca’, Vol. 146, col. 1061 A bzw. 147, col. 44 A). 43 Cf. die Besprechung der Zeugnisse bei Tognazzi 1986, 237 f. und bei Pentcheva 2006, 121 f. und 124-127. <?page no="116"?> Anhang 102 schung, ob wirklich schon Pulcheria in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts eine gezielte Förderung des Marienkults in Konstantinopel betrieb 44 . Unumstritten ist es hingegen, dass seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts, also seit der Regierungszeit von Kaiser Leo I., die Marienverehrung in Konstantinopel einen gewaltigen Aufschwung erfuhr und sich dazu an Formen der Marienverehrung aus dem Heiligen Land anschloss 45 . Maria wurde somit zur dominanten Stadtheiligen Konstantinopels, und man kann somit kaum fehlgehen in der Annahme, dass es eben diese Form der Marienverehrung war, die für die Bildung vergleichbarer Kultzentren auf dem Berg Athos und in der slawischen Welt verantwortlich war 46 . Was allerdings zu fehlen scheint, ist das narrative Korrelat zu diesen Kultformen, also unser Erzählmuster von Blendung, Reue und Heilung. Dies ist aber nicht weiter verwunderlich, da die meisten unserer Quellen zur Verehrung der +&$.-! $/ ,'%(*."#) chronikartigen oder gelehrt-theologischen Charakter haben und daher nicht unbedingt an solchen Erzählungen populäreren Zuschnitts interessiert waren 47 . Umgekehrt fällt es auf, dass die oben erwähnte Geschichte des fehlbaren Mönches von Vatopädi, der das Bild der Gottesmutter mit einem Messer verletzte, worauf ein Blutstrahl aus dem Bild spritzte, eine recht enge Parallele in einer prominenten Geschichte über einen jüdischen Einwohner Konstantinopels findet, der eines der hauptstädtischen Kultbilder in ganz ähnlicher Weise misshandelte, darauf von einem heftigen Schrecken erfasst wurde und sich schließlich reumütig zum Christentum bekehrte. Diese Geschichte war im Mittelalter sehr verbreitet, wobei die einzelnen Versionen entweder mehr die Verstümmelung der Abbildung von Christus 48 oder die der Abbildung Marias 44 Dies noch die Position von Klauser, 1981, 1090 und Limberis 1994, 57-61; energischer Widerspruch dagegen bei Pentcheva 2006, 15. 45 Cf. den Überblick bei Pentcheva 2006, 12. 46 Eine Wanderung dieser Traditionen in das westliche Europa scheint dagegen nicht stattgefunden zu haben. Daher galt im katholischen Westen - soweit weibliche Wundertäter betroffen sind - nicht Maria als Heilerin von Augenkrankheiten, sondern eine Gestalt wie die Heilige Ottilie, an deren Verehrungsstätten im Elsass und in Süddeutschland Augenpatienten bis ins 19. Jh. hinein Hilfe suchten (cf. Stadler 1875, 601- 605 und Andree 1904, 118 f.). 47 Jedenfalls blieb aber auch im Hochmittelalter die allgemeine theologische Diskussion um die Wundertaten Marias wie auch anderer Heiliger in Byzanz sehr lebendig (cf. die Besprechung bei Paschalidis 2011, 148); besonders erhellend in unserem Zusammenhang ist dabei die Nachricht von Johannes dem Diakon (11. Jh.) über die Wunder des Heiligen Demetrios von Thessalien, aus dessen Bild Salböl hervorgetreten sein soll, mit dessen Hilfe Johannes sein Augenleiden heilen konnte (Gouillard 1981, 175). 48 So die Darstellung in den Textrezensionen, die auf den lateinisch schreibenden Autor Johannes Monachus zurückgehen dürften (Huber 1913, 119-124), die im erwähnten englischen Reisebericht in § 3 des Texts (Mercati 1936, 143 f.; Ciggaar 1976, 248 f.) und die bei Stefan von Novgorod (Majeska 1984, 42 f.). <?page no="117"?> Blendung und Heilung 103 in den Vordergrund stellen 49 . Die Geschichte zirkulierte also in unterschiedlichen Versionen 50 , und die Erzählung von Vatopädi verband nun offenbar solche Motive mit der Motivkette von Strafblindheit und nachfolgender Heilung. Möglicherweise erfolgte diese Verbindung der zwei Erzählmuster erst auf dem Berg Athos und nicht schon in Konstantinopel. Gleichwohl zeigt die Geschichte des reumütigen Juden, dass solche Erzählungen über Freveltaten an Marienbildern, über die nachfolgende Bestrafung und über die reumütige Abbitte und die darauf gewährte Verzeihung auch in Konstantinopel im Umlauf waren, und das Muster von Strafblindheit und Heilung hätte somit gewiss auch in die religiöse Atmosphäre von Byzanz gepasst. Ein weiteres Indiz, das in diese Richtung weist, ist die wöchentlich stattfindende Prozession für die +&$.-! $/ ,'%(*."#), wie sie uns von spätmittelalterlichen Reisenden geschildert wird. Danach soll die Ikone jeden Dienstag durch die Stadt getragen worden sein, wobei den verschiedenen Trägern des Bildes jeweils die Augen verbunden wurden 51 . Besonders eindrucksvoll ist die Schilderung des russischen Pilgers Stefan von Novgorod aus den Jahren 1348/ 1349 52 , die eben auf diese temporäre ‘Erblindung’ besonderes Gewicht legt 53 : '; 3+)-6 09/ )"916 ",: 8$"%8 +$ >/ 9.$ ",: 8$3+), $ )+ <629 <$: ><): 8<9, $13 <$: >%8, 8$1)79 3 )03 9-6 5$><)"<,798? . *3; 983 ! <)5+): >) #69"3.6 -@098 9! ) : 9-) 3 )"$-), "9/ ? -3 : 3/ +) >)"9<? 8@"$98 3-, $ )+ +9 >)-+38 : % 16; @ 9! ) 31)+$ +): 38. &)8)- ; <6! 33 >)4"$838? , 3 8)3 8$1)79, 8$7 8<983 3 098"9<8@ >); 4"$8@"$=8 , $ )+3 >)=8 : ! 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Seemann 1976, 221-228 und Majeska 1984, 15-20. 53 Zitiert (mit leichter orthographischer Anpassung) nach der kritischen Ausgabe des altrussischen Texts bei Majeska 1984, 37, der damit die ältere Ausgabe von Speranskij 1934, 54 f. ersetzte. Die beigegebene Übersetzung folgt Seemann 1976, 225, nimmt aber in Anlehnung an den kritischen Text und an die englische Übersetzung von Majeska verschiedene Anpassungen vor, insbesondere im zentralen Motiv der verbundenen Augen. <?page no="118"?> Anhang 104 Einem einzigen Menschen stellt man sie 54 aufrecht auf die Schultern, und er streckt die Arme aus, wie gekreuzigt, und man verbindet ihm auch die Augen 55 . Es ist schrecklich zu sehen: Über den Kirchplatz zerrt sie ihn hin und her, sehr stark dreht sie ihn herum, und er weiß nicht mehr, wohin ihn die Ikone trägt. Dann hebt ein zweiter sie auf, dem geht es ebenso, ebenso heben ein dritter und vierter sie auf, und sie singen mit den Kanonarchen einen großen Gesang, und das Volk ruft “Herr erbarme dich! ” unter Tränen. Da der jeweilige Träger der Ikone also selber nicht sehen konnte, wohin er sich bewegte 56 , und stattdessen von der Ikone ‘geführt’ wurde, handelt es sich bei dieser Prozession sicher um die rituelle Wiederholung der mythischen Blindenführung, welche der Kultstätte einst ihren Namen gegeben haben soll 57 . Festzuhalten ist aber auch, dass dem jeweiligen Träger die Augenbinde nach Verrichtung seiner Funktion natürlich wieder abgenommen wurde. Unter Umständen war dies sogar noch Teil des Rituals. Diese Annahme legt jedenfalls die Schilderung derselben Prozession nahe, die rund ein Jahrhundert nach Stefan der spanische Reisende Pero Tafur gibt, der Konstantinopel im Jahre 1438 besuchte 58 . Danach scheint das Abnehmen der Augenbinde und damit der neuerliche Blick auf das Marienbildnis sogar der Höhepunkt des Rituals gewesen zu sein, der dem Träger solche Kräfte verlieh, dass er die Ikone vor der Weitergabe an die anderen Mitglieder seiner Gilde noch einmal mächtig in die Höhe zu stemmen vermochte 59 : 54 Sc. die Ikone. 55 Übersetzung der Wendung *"+'01 - '&- 1)( / ".,'! ,$01*# nach Majeska (“and then they bind up his eyes”). Seemann übersetzt dagegen “auch die Augen läßt sie ihm hervorquellen”. Das Problem besteht darin, dass das hier anzusetzende Verb / "- .,'! ,$%- (Sreznevskij 1893, 939) ein Hapax legomenon ist und etymologisch nicht völlig transparent scheint. Doch passt die erstgenannte Interpretation besser zu den unten angeführten sonstigen Quellen, und auch Seemanns Interpretation impliziert jedenfalls, dass der Träger der Ikone vorübergehend seines Sehsinns verlustig geht. 56 Dies scheint auch der spanische Reisende Pero Tafur andeuten zu wollen, der in seinem unten zitierten Parallelbericht davon spricht, dass die Köpfe der Ikonenträger bedeckt seien (Jiménez de la Espada 1874, 174: “é las cabeças cubiertas”), und in dieselbe Richtung deutet die Darstellung der Prozession auf dem Fresco der Kirche von Blachernai (Pentcheva 2006, 134 Abb. 88), wo das Gesicht des Trägers ebenfalls verhüllt scheint (cf. die Beschreibung bei Tognazzi 1986, 253: “gli occhi bendati”). 57 Cf. die oben erwähnten Darstellungen im englischen Reisebericht bzw. bei Andreas Dandolo. 58 Für die Umstände seines Besuchs und generell zum Charakter von Tafurs Reisebeschreibung cf. Vasiliev 1932, 75-78 und Bravo García 1983. 59 Zitiert nach Jiménez de la Espada 1874, 174 f.; die beigegebene Übersetzung stammt vom Verfasser, sein herzlicher Dank gilt Dr. C. Búa (Heidelberg/ Leipzig) für eine gemeinsame Durchsicht und Besprechung des Texts. <?page no="119"?> Blendung und Heilung 105 É todos los dias del martes ayúntanse grandes gentes, é van allí fasta veynte onbres vestidos de lienços vermejos, como bueyes de matar perdiçes, é luengos, é las cabeças cubiertas; é son linage de onbres que otros non pueden fazer aquel ofiçio; é van con grant proçesion, é los de aquel ábito alléganse uno á uno á la ymágen, é quien ella plaçe, déxase tomar tan livianamente como sinon pesase una onça, é ponenla en el onbro é salen cantando fuera de la yglesia fasta una grant plaza, é allí, aquel la lieva, pasea con ella de un cabo á otro, é dále çinquenta bueltas al derredor, é paresçe que lo levanta alto del suelo é todo fuera de su sentido é color, puestos los ojos en ella; é despues asiéntase, é llega ótro é tómala é pónesela ansí en el onbro é faze otro tanto, ansí que desta manera quatro ó çinco pasan aquella jornada. Und jeden Dienstag versammelt sich viel Volk, und bis zu zwanzig Männer gehen dorthin, gekleidet in scharlachrote Leinengewänder, wie Ochsen, die Rebhühner erlegen sollen 60 ; die Gewänder sind lang und an ihren Häuptern sind die Männer bedeckt; und es handelt sich um einen Geschlechtsverband von Männern, weil andere diese Aufgabe nicht verrichten dürfen 61 ; und sie gehen in einer großen Prozession; und die Männer in dieser Tracht versammeln sich einer nach dem anderen bei der Ikone, und wer ihr gefällt, von dem lässt sie sich so leicht nehmen, wie wenn sie nur eine Unze wiegen würde; und sie stellen sie auf die Schulter und sie treten singend aus der Kirche heraus bis zu einem großen Platz; und dort geht derjenige, der sie trägt, mit ihr von einem Ende zum anderen, immer wieder fünfzigmal im Kreis herum; und es scheint, dass sie ihn vom Boden hochhebt, und er verliert ganz seinen Verstand und seine Farbe, nachdem er die Augen auf sie gerichtet hat 62 ; und danach lässt er sich nieder, und es kommt ein anderer 60 Zu diesem Vergleich, der aus der zeitgenössischen Jägersprache genommen ist, cf. die Erklärung von Salvador Miguel 1993, 63-65 (S. 63: “un ardid empleado para la caza de perdices ... consistente en un hombre disfrazado con una cabeza de buey, cuyo cuerpo va cubierto enteramente con una vestidura de color rojo”). 61 Es dürfte sich in Wahrheit nicht um einen Familienverband gehandelt haben, sondern um eine Vereinigung von Laien, die sich zum Zweck der regelmäßigen Erfüllung dieser religiösen Pflicht gebildet hatte; cf. die Darlegung von Nesbitt, Wiita 1975, 382 f. 62 Vasiliev 1932, 106 übersetzt: “By fixing one’s eyes upon the picture, it appears to be raised high above the ground and completely transfigured.” Doch muss das Pronomen ‘lo’ in der Wendung ‘é paresçe que lo levanta alto del suelo’, den normalen Regeln der spanischen Grammatik entsprechend, ein männliches Akkusativobjekt bezeichnen, also den Träger der Ikone. Subjekt zum Verb ‘levanta’ muss demzufolge die Ikone selbst sein, die das Geschehen in die Hand nimmt und den Träger zu ihrem willenlosen Werkzeug macht, ihm also für einen Moment übermenschliche Kräfte verleiht. Cf. auch den Parallelbericht des Stefan und insbesondere Stefans abschließende Charakterisierung des Trägers (Majeska 1984, 36 f. mit Anm. 46: “! "#, ! $% <?page no="120"?> Anhang 106 und nimmt sie und stellt sie sich ebenso auf die Schulter und macht das Gleiche, und ebenso in dieser Art verbringen vier oder fünf Männer jenen Tag. Der Träger machte also in symbolhafter Weise die zweifache Wandlung vom Sehenden zum Blinden und wieder zum Sehenden durch, die konstitutiv ist für unser Erzählmotiv, und es scheint somit plausibel, dass wir es hier mit einer rituellen Umsetzung unseres Musters zu tun haben. Insgesamt gesehen spricht also alles dafür, dass das Erzählmotiv des von Maria geblendeten und wieder geheilten Sünders auch schon in Konstantinopel präsent war und sich von dort aus sowohl nach dem Berg Athos wie auch nach Russland weiterverpflanzte. Es stellt sich somit die weiterführende Frage, woher diese ostkirchlichen Marienlegenden stammen. Der indogermanische Hintergrund des Helenakults von Sparta und die isländische Geschichte von Thorbjörg, von der im nächsten Abschnitt die Rede sein wird, könnten auch für die griechischen und slawischen Marienlegenden den Schluss auf einen indogermanischen Hintergrund nahelegen. Dagegen spricht aber, dass die Motivkette von Blendung und Heilung im mittelalterlichen und neuzeitlichen Osteuropa ausschließlich an Maria bzw. an bestimmte Verehrungsstätten der Gottesmutter gebunden scheint und sich nicht auch an andere Personen aus dem Bereich der griechischen oder slawischen Folklore anschloss. Viel wahrscheinlicher als ein indogermanischer Hintergrund ist daher eine Übernahme der Motive aus dem Legendenschatz der spätantiken Marienverehrung. Diese Annahme legt jedenfalls die schnelle Verbreitung des Marienkults in der Spätantike nahe, die von der Entstehung zahlreicher Erzählungen über das Wirken Marias nach dem Tode Jesu begleitet war 63 . So weist beispielsweise Bischof Kyrillos von Jerusalem (4. Jh.) in seiner nur in koptischer Sprache erhaltenen Predigt über die Gottesmutter darauf hin, dass Maria in den letzten Jahren ihres Lebens viele Wunder und Heilungen vollbracht habe, die denen ihres Sohnes vollkommen entsprachen 64 . Dass dazu nicht zuletzt Blindenheilungen zählten, verdeutlicht ein bedeutsamer syrischer Text zum Leben und Wirken Marias 65 . Geht man nun noch einen Schritt zurück und fragt, wie Maria zu dieser Funktion einer prominenten Blindenheilerin kam, so kann wenig Zweifel sein, dass Maria diese Eigenschaft von Isis übernahm. Denn Isis galt, wie 0/ ".- +")%- %&*"#($%(! ,"'%%! ” - “und er geht durch göttlichen Willen wie ein Unbeladener”). 63 Zur Entwicklung der Marienverehrung in der (griechisch geprägten) Spätantike cf. den Abriss bei Klauser 1981, 1087-1092. 64 So verzeichnet bei Budge 1915, 642. 65 Cf. Budge 1899, 61 f., 135 und 137. <?page no="121"?> Blendung und Heilung 107 wir oben gesehen haben, in hellenistisch-römischer Zeit so sehr wie keine andere Gottheit des Mittelmeerraums als universelle Heilgöttin und insbesondere als Heilerin von Augenkrankheiten und Erblindungen 66 . Zudem lässt sich die Marienverehrung auch sonst in mancherlei Hinsicht als Weiterführung der Isisverehrung verstehen. Ersichtlich ist dies etwa an der Ikonographie mit der Darstellung Marias mit dem Christuskind, was wahrscheinlich auf die ägyptische Darstellung von Isis mit dem Horuskind zurückgeht 67 . Noch deutlichere Belege sind Stätten der Marienverehrung an ehemaligen Kultplätzen der Isis, diverse Kulttitel, die die beiden Gestalten sich teilen, und einige sonstige Wesenszüge der ostkirchlichen Maria, die in dieselbe Richtung weisen 68 . Maria ist somit, wenn man es etwas überspitzt formulieren will, nichts anderes als eine christianisierte Isis. Was nun das Motiv der Blindheit und ihrer Heilung angeht, so scheint es besonders bedeutsam, dass die koptische Kirche in Äthiopien über liturgische Texte mit Marienwundern verfügt, die u.a. auch von Blindenheilungen berichten. Zwar stammen die Manuskripte, in denen diese Wunder verzeichnet sind, erst aus der Zeit vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert. Die Texte stehen aber in koptischer und arabischer Tradition und dürften im zwölften Jahrhundert im Gemeindeleben der ägyptischen koptischen Kirche ihre feste Form gefunden haben 69 . Überdies sind die beiden Wunder, um die es im folgenden gehen wird, in Ägypten lokalisiert. So ist in Text 14 der Sammlung des bedeutenden Ägyptologen und Koptologen E. A. Wallis Budge die Rede von einem älteren Priester namens Johannes in Kairo, der erblindet war und sich deswegen oftmals vor das Bildnis der Gottesmutter in seiner Kirche legte mit der Bitte um Heilung. Eines Tages fiel er dabei in tiefen Schlaf, worauf ihm Maria im Traum erschien und Milch aus ihrer Brust auf seine Augen tröpfeln ließ. Die Blindheit des Johannes wurde darauf sofort geheilt, und er konnte noch zwanzig Jahre lang seinen Dienst in der Kirche verrichten 70 . Im Zentrum von Text 16 steht dagegen ein junges Mädchen, das aufgrund einer Pockenerkrankung blind geworden war und deswegen zusammen mit seiner Mutter ein Marienbildnis in Oberägypten besuchte. Nach leidenschaftlichen Gebeten fielen beide in einen tiefen Schlaf, worauf 66 Cf. oben Kap. 6.4. 67 Cf. H. W. Müller 1963, 34, Witt 1971, 278, Bergman 1980, 189 f., Klauser 1981, 1099 und Langener 1996, 260-276. 68 Cf. die Übersicht bei Witt 1971, 269-281 und die verschiedenen Bemerkungen bei Limberis 1994, 137-142. 69 Cf. die Einführung von Budge 1933, IX-X und XXVII-XXXVI. 70 Budge 1933, 47 f. (“... drowsiness overtook him and he fell straightway into a deep sleep. And he had a dream, and in it he saw a most beautiful woman come forth from the picture ... And she drew nigh unto him and took out her breasts from inside her apparel, and she pressed milk out from them upon his eyes ... And straightway his eyes were opened ...”). <?page no="122"?> Anhang 108 Maria die Tochter wieder weckte und ebenfalls Milch in ihre Augen tröpfeln ließ. Sofort wurde das Mädchen geheilt 71 . Wenn also im zweitgenannten Beispiel die Heilung nicht mehr in einem eigentlichen Traum erfolgt, sondern eher in einem nächtlichen Trancezustand, so geht doch auch dieser Heilung ein tiefer Schlaf voraus und beide Heilungen erfolgen vor einem Marienbildnis, finden also an einer Kultstätte Marias statt. Es handelt sich somit in beiden Fällen um eine Situation der Inkubation, wie sie aus paganer Tradition übernommen und nur leicht an christliche Verhältnisse angepasst ist 72 . Bedenkt man zudem, dass beide Geschichten in Ägypten spielen, so kann kein Zweifel sein, dass wir es hier mit der Fortsetzung der Inkubationsriten zu tun haben, die in hellenistischer und römischer Zeit in den Tempelanlagen der Isis stattfanden und insbesondere der Blindenheilung dienten 73 . Maria galt somit auch in der ägyptischen oder allgemein nahöstlichen Tradition als Person, die nicht nur zu ihren Lebzeiten über die Fähigkeit zur Blindenheilung verfügte, sondern dies insbesondere auch nach ihrem Tod an ihr eigens gewidmeten Kultstätten bzw. vor ihren Ikonen bewirkte, und dies war offenbar der Ausgangspunkt für die entsprechenden Vorstellungen rund um die +&$- .-! $/ ,'%(*."#) in Konstantinopel und um die verschiedenen Marienbildnisse auf dem Berg Athos und in der slawischen Welt. Blickt man also noch einmal zurück, so besteht eine deutliche Spur von Isis über die nahöstliche Maria und die byzantinische +&$.-! $/ bis hin zur neuzeitlichen Gottesmutter Osteuropas. Diese Kette ist vor allem für den realen Teil dieses Sachkomplexes, also für die Tradition der Blindenheilung an bestimmten Verehrungsstätten, nahezu lückenlos. Für die narrative Komponente, also das begleitende Muster von ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’, besteht dagegen eine Lücke in der Dokumentation zur spätantiken und zur mittelalterlichen byzantinischen Maria. Da das Muster aber für Isis sicher bezeugt ist, und da in Russland in den Vorstellungen rund um das Marienbildnis des Höhlenklosters von Kiev erste Hindeutungen auf unser Muster doch schon wieder auf das Spätmittelalter zurückweisen, so kann kein wirklicher Zweifel sein, dass auch die spätantike und byzantinische Maria einst Akteurin in solchen Erzählungen war. 71 Budge 1933, 54 (“... she and her daughter straightway fell asleep under the picture. And as the daughter was sleeping with her mother, our holy Lady, the Virgin Mary, appeared unto the daughter and woke her up without her mother knowing about it. Then our holy Lady, the Virgin Mary, who is full of mercy, said unto her, ‘Open thine eyes.’ And when the maiden had opened them, the Virgin blew into them a breath from her pure mouth, and sprinkled upon her from her breasts some drops of her milk of healing and mercy; and straightway the eyes of the maiden were opened.”). 72 Zu den Inkubationsriten christlicher Prägung cf. die Zusammenstellung bei Wacht 1998, 230-263. 73 Cf. oben die Darstellung in Kap. 6.4 mit dem besonderen Hinweis auf Diod. Sic. 1,25,2-5. <?page no="123"?> Blendung und Heilung 109 Dass dies keine bloße Hypothese ist, dass mithin in der Spätantike tatsächlich solche Motivübertragungen von Isis auf christliche Heiligengestalten stattfanden, werden zudem die unten in Abschnitt 3 referierten Traditionen über die beiden Heiligen Kyros und Johannes aus Menuthis bei Alexandria verdeutlichen. 2 Die isländische Erzählung von Thormod und Thorbjörg Eine Erzählung, die wesentlich mehr Fragen aufwirft, als sie Antworten gibt, ist diejenige von Thormod und Thorbjörg 74 aus der altisländischen ‘Fóstbrœ! rasaga’. Thormod war eine historische Person, die im frühen elften Jahrhundert lebte, wurde aber bald schon Gegenstand eines reichen Schatzes von Sagen, die sich um die Erlebnisse der beiden Blutsbrüder Thorgeir und Thormod rankten. Die schriftliche Fixierung dieser Sagen erfolgte wahrscheinlich im späteren dreizehnten Jahrhundert 75 . Im Gegensatz zu Thorgeir, der den reinen Typus des Kriegers verkörpert, ist Thormod aber ein Held, der den Kriegerberuf mit dem des Skalden, des Gelegenheitsdichters, verbindet. Dies führte zur berühmten Episode, von der im folgenden die Rede ist. Thormod, der Sohn von Bersi, verbrachte mehrere Winter auf dem Gehöft seines Vaters und wurde dadurch mit der Witwe Grima, die in der Nähe wohnte, und mit deren Tochter Thordis bekannt, der er ohne ernste Heiratsabsichten den Hof machte. Nach einigen Jahren wurde Thormod auf einem Fischzug mit der Witwe Katla und mit deren Tochter Thorbjörg bekannt. Obwohl Thorbjörg ein dunkler Typus mit schwarzen Haaren und schwarzen Augenbrauen war und deshalb als nicht besonders schön galt, zeigte Thormod Interesse für sie und dichtete ein Liebeslied auf sie, das unter dem Namen ‘Schwarzbrauenlied’ (‘Kolbrúnarvísur’) bekannt wurde. Darauf musste Thormod allerdings von Katla und ihrer Tochter scheiden und kehrte in seine Heimat zurück. Dort erneuerte er die Verbindung zu Thordis und dichtete das ‘Schwarzbrauenlied’ in solcher Weise um, dass es sich nun an Thordis richtete. Die Strafe für diesen Frevel ließ allerdings nicht lange auf sich warten (‘Fóstbrœ! rasaga’, Kap. 11 76 ): 74 Die Namen aus der isländischen Tradition werden hier und im folgenden in vereinfachter Schreibweise gegeben. 75 So die Datierung bei Kristjánsson 1994, 290 f. bzw. Perkins 1995, 364. 76 Zitiert nach der Übersetzung bei von Mendelssohn 1912, 200 f.; weitere Übersetzungen finden sich bei Baetke 1924, 79-81 und bei Niedner 1929, 211 f., eine Zusammenfassung, auf die Th. Bergk sich einst stützte, bei Weinhold 1856, 340 f. (= Weinhold 1938, 230 f.). <?page no="124"?> Anhang 110 Als eine Zeit vergangen war, geschah es in einer Nacht, als Thormod zu Hause im Quellentale war, daß er träumte, Thorbjörg Schwarzbraue komme zu ihm und frage ihn, ob er wache oder schlafe. Er antwortete, daß er wache. Sie sagte: “Du schläfst, aber das, was ich dir sagen werde, wird so sicher in Erfüllung gehen, als wenn du wach wärst. Denn wie verhält es sich: hast du nicht einer anderen Frau das Lied gegeben, das du auf mich gedichtet hast? ” Thormod antwortete: “Das ist nicht wahr.” Thorbjörg sagte: “Wahrheit ist, daß du mein Loblied Grimas Tochter Thordis gegeben hast, und das verändert hast, was mich am meisten betraf. Du wagtest nicht, kleiner Mensch, einzugestehen, für welche Frau du das Lied gedichtet hattest. Aber jetzt werde ich deine Falschheit und Lüge lohnen. Du wirst so starke und strenge Augenschmerzen bekommen, daß dir beide Augen aus dem Kopfe springen, wenn du nicht deine schändliche Handlung bekannt machst, daß du mein Loblied von mir nahmst und es einer andern Frau gabst. Du wirst nie mehr gesund werden, wenn du nicht die Stellen zurücknimmst, die du zum Lobe von Thordis verändert hast, und sie wieder so herstellst, wie du sie auf mich gesagt hast, und das Lied nicht nach einer andern nennst, als nach der, für die es gedichtet wurde.” Thormod schien, daß Thorbjörg zornig und schrecklich anzusehen war. Er glaubte, ihren Geist zu sehen, als sie hinausging. Er erwachte mit so starken Augenschmerzen, daß er kaum unterlassen konnte zu schreien und nicht schlief, solange die Nacht währte. Er blieb am Morgen lange liegen. Bersi 77 stand auf, wie er es zu tun pflegte, und als alle außer Thormod aufgestanden waren, ging er zu ihm und fragte, ob er krank wäre, da er nicht aufstände, wie er es sonst zu tun pflegte. Thormod sagte das Lied: “Weh! Ich gab dem Weib Was Schwarzbraues war. Streng erschien des Goldrings Göttin 78 mir im Traum, Bracht mir ihren Spruch. Strafe muß ich tragen, Die vom Mädchen kam. Wär’ ich mit ihr doch versöhnt! ” 77 Wie oben angemerkt, der Vater von Thormod. 78 Der Ausdruck ‘des Goldrings Göttin’ bezieht sich auf die vorangegangene Episode, in der Thorbjörgs Mutter Katla dem Thormod zum Dank für sein Lied einen goldenen Ring geschenkt hatte. <?page no="125"?> Blendung und Heilung 111 Bersi fragte: “Was hast du geträumt? ” Thormod erzählte den Traum und alles, was das Gedicht betraf. Da sagte Bersi: “Schädliche Geliebte hast du: der einen wegen bist du so verstümmelt worden, daß du nie mehr ein gesunder Mann werden wirst 79 , und jetzt läufst du der andern wegen Gefahr, daß dir beide Augen aus dem Kopf springen. Ich will dir raten, das Gedicht wieder so zu wenden, wie es zuerst gewesen ist. Thorbjörg Schwarzbraue sollst du es geben, da du es für sie gedichtet hast.” Thormod antwortete: “Deinem Rate will ich folgen.” Jetzt gab er öffentlich bekannt, wie es sich mit dem Gedichte verhielt, und gab es in Gegenwart vieler Zeugen Thorbjörg aufs neue. Sein Augenübel besserte sich schnell, und er wurde ganz gesund von dieser Krankheit. Die Parallelen zur Geschichte von Stesichoros und Helena sind evident 80 : Thormod hatte wie Stesichoros ein weibliches Wesen von großer persönlicher Macht gekränkt; er wurde dafür mit einem schweren Augenleiden gestraft und in einem Traum auf die Ursache seines Leidens aufmerksam gemacht; von Reue ergriffen, erlangte er seine Gesundheit erst wieder, nachdem er in seiner Dichtung die ‘Fakten’ richtiggestellt hatte. Einzelne Abweichungen vom Muster des Stesichoros (Thormod erleidet seine Strafe erst nach dem Traum oder, wenn man so will, im Traum, während Stesichoros genau umgekehrt zuerst erblindet und dann erst im Traum die Ursache dafür erfährt 81 ; Thormod scheint vorerst einfach unter starken Schmerzen an den Augen zu leiden und das Schicksal einer Erblindung steht erst als Drohung im Raum) fallen dagegen nicht sehr stark ins Gewicht. Man wird also nicht annehmen wollen, dass die Parallele erst durch eine zufällige Anhäufung von Einzelmotiven entstanden ist. Auffällig ist nun allerdings, dass die Erscheinung Thorbjörgs in einem Traum innerhalb der altnordischen paganen Literatur einen sehr singulären Fall darstellt, denn Lebende erscheinen sonst in dieser literarischen Epoche so gut wie nie in eigener Gestalt in einem Traum 82 . Die skandinavistische Forschung nimmt daher an, dass hier entweder ältere Erzählfor- 79 Diese Äußerung Bersis bezieht sich auf eine vorangegangene Episode, in der Grimas Knecht Kolbak aus Eifersucht Thormods stärkeren rechten Arm in unheilbarer Weise verwundete. 80 Zuerst bemerkt von Bergk 1882, 215 und 1883, 290 Anm. 59. 81 So zumindest nach der Version der ‘Suda’ (, 1095 Adler); die Version des Isokrates (10,64: &+",*0 *#+ $(/ ! -μ#+ %,*1'0μ"+). - “er erhob sich, seiner Augen beraubt”) erinnert dagegen durchaus an die isländische Legende, insbesondere wenn man mit Bowie 1993, 26 f. &+",*0 auf das morgendliche Aufstehen bezieht. 82 So Kelchner 1935, 62 (die übliche Erscheinungsform eines Lebenden im Traum ist der sogenannte ‘fetch’; cf. Kelchner S. 17: “The fetch is the inherent soul, the accompanying counterpart or representation, of a living person. Usually invisible, it may, nevertheless, be seen in dreams and visions, almost always in the form of an animal.”). <?page no="126"?> Anhang 112 men, die sonst in den Sagas unterdrückt waren, für einmal an die Oberfläche drangen 83 , oder dass eine heidnische Umformung christlicher Heiligenlegenden vorliegt, in denen solche Traumerscheinungen (von toten oder lebenden Heiligen) sehr verbreitet waren 84 . Eine weitere Auffälligkeit dieser Passage besteht darin, dass mit der Darstellung von Thormods ‘Liebeleien’ eine Episode von letztlich doch eher heiterem Charakter in eine Saga eingefügt ist 85 , welche ansonsten fast zur Gänze der Schilderung brutaler Gewalttaten verpflichtet ist 86 . Bedenkt man außerdem noch das besondere Aussehen Thorbjörgs, die mit ihrem dunklen Äußeren einen klaren Kontrast bildet zur schönen und damit wohl blond zu denkenden Thordis 87 und auf diese Weise fast schon die Assoziation an eine chthonische Gottheit weckt, so erlangt man schon den Eindruck, dass hier ein festgefügter Erzähltypus als ganzer in die nordische Saga eingelassen ist. Jedenfalls ist Thorbjörgs Macht so groß, dass die skandinavische Heroine in der Tat an Isis und Helena und an die Maria der ostkirchlichen Legenden erinnert 88 . Eine Besonderheit, die allerdings nur Thorbjörg und Helena aufweisen, ist der Dichterberuf ihrer Antagonisten Thormod und Stesichoros. Wie bedeutsam diese Parallele ist, lässt sich schwer sagen. Denn die Kränkung der Göttin oder Heroine besteht in diesen Geschichten generell in mangelnder Ehrerbietung bzw. in einer blasphemischen Äußerung über sie, und auch die notwendige Abbitte erfolgt daher wieder in erster Linie über die Sprache 89 . So gesehen kann die erweiterte Parallele zwischen Thormod und Stesichoros Zufall sein, denn ein Dichter äußert sich eben typischer- 83 Dies die erste mögliche Erklärung, die Kelchner 1935, 63 f. gibt. 84 So als zweite Möglichkeit erwogen von Kelchner 1935, 63 f. und danach auch von Whaley 2001, 305. 85 Zum Unterschied zwischen der Unverbindlichkeit von Thormods Liebeserlebnissen und der sonstigen Lebenshaltung der Skalden, die ganz auf ein (unerreichbares) Liebesobjekt fixiert sind, cf. Clunies Ross 2001, 39 f.; generell zu den (vereinzelten) humoristischen Einlagen in der ‘Fóstbrœ! rasaga’ cf. Meulengracht Sørensen 1993, 395- 402. 86 Zur Haltung des Sagadichters gegenüber den Gewaltexzessen seiner Protagonisten cf. die Diskussionen bei Meulengracht Sørensen 1993, 402-411 und bei Ebel 2000. 87 Cf. die Beschreibung der Thordis (von Mendelssohn 1912, 191: “sie war schön und tüchtig in ihrer Arbeit, aber übermütig”) mit der von Thorbjörg (von Mendelssohn 1912, 198: “Thorbjörg war wohlerzogen, aber nicht besonders schön. Sie hatte schwarzes Haar und schwarze Brauen ...”). 88 Angesichts der unten diskutierten Bezüge zu osteuropäischen Marienvorstellungen mag man in diesem Zusammenhang auch an eine Repräsentation der Schwarzen Madonna denken, wie sie beispielsweise in Tschenstochau (Polen), aber auch an vielen anderen europäischen Orten belegt ist. 89 Cf. beispielsweise die Kränkungen der Isis durch ihre untreuen Anhänger bei Ov. Pont. 1,1,51-58 oder die eingangs referierte Marienlegende in ‘Krieg und Frieden’. <?page no="127"?> Blendung und Heilung 113 weise durch seine Dichtung 90 , und die Skalden sind ohnehin die zentralen Gestalten der Skaldsagas. Dennoch bleiben die analogen Erlebnisse von Thormod und Stesichoros auffällig, und es stellt sich somit die Frage, wie diese Parallele zu erklären ist. Mit dem Konzept des gesunkenen Kulturguts wird man in diesem Fall kaum operieren wollen, denn ein Dichter aus dem nordwestlichen Europa, der antike Quellen zur Geschichte des Stesichoros studieren wollte, konnte nur auf lateinische Texte zurückgreifen 91 . Die Erwähnung der Legende bei Horaz 92 ist aber sicher viel zu kryptisch, um Anstoß zu einer solchen Motivübertragung geben zu können (und stellt außerdem nicht so sehr Helena in das Zentrum des Geschehens, sondern die Dioskuren), und späte Prosazeugnisse wie die Belege bei den antiken Horazkommentatoren 93 oder gelegentliche Erwähnungen bei den Kirchenvätern 94 sind ebenfalls nur sehr kurz und weisen insbesondere das Erzählelement des Traums nicht auf. Besser vorstellbar ist dagegen eine Wanderung des Blendungsmotivs über Russland bis nach Skandinavien. Zwar wurde Russland erst im späten zehnten Jahrhundert christianisiert, kann also erst von diesem Zeitpunkt an byzantinische Marienlegenden rezipiert haben. Die Wanderung der Legende in Richtung Norden müsste somit recht schnell erfolgt sein. Dies ist aber durchaus möglich, da die Legenden um Maria sich natürlich mit dem Christentum über ganz Russland ausbreiteten. Umgekehrt waren auch die skandinavischen Seefahrer im elften Jahrhundert sehr aktiv, gelangten als Söldner unter anderem bis nach Russland und Konstantinopel und sammelten so einen großen Schatz von Erzählungen an, die sie in ihr einheimisches Sagengut integrierten, bevor sie dann in den folgenden 90 Bemerkenswert ist zudem, dass die Verbindung des Traummotivs mit einer zumindest angedrohten Erblindung in altnordischen Sagas auch außerhalb dieses Kontexts von Dichtung und Selbstberichtigung auftritt; cf. den Traum Halldors im ‘Landnámabók’ (übersetzt von Vigfusson, York Powell 1905, 34: “But the next night after Hall-dor dreamed that As-wolf [ein verstorbener Held, im isländischen Original mit Namen Asolfr] came to him and told him, that he would make both his eyes leap out of his head unless ...”; die Episode findet sich allerdings nicht in allen Versionen der Chronik und fehlt infolgedessen in den Übersetzungen von Baetke 1928 und Pálsson, Edwards 1972). 91 Zur eher theoretischen Möglichkeit, dass der Verfasser der ‘Fóstbrœ! rasaga’ in indirekter Form von griechischen Quellen der Stesichoros-Legende abhängt, cf. unten die Anm. 96. 92 Hor. epod. 17,42-44. 93 Porph. Hor. epod. 17,42, p. 219,12-16 Holder; Ps.-Acro, Schol. Hor. carm. 1,16, I p. 71,18 - 72,3 Keller. 94 Tert. anim. 34,4; Iren. 1,23,2 Rousseau; Hier. epist. 105,4,2 und adv. Rufin. 1,10; Aug. epist. 40,7, epist. 68,1, epist. 75,18 und epist. 82,33 (für eine umfassende Sammlung spätantiker, wenn auch überwiegend griechischer Testimonia zur Legende des Stesichoros cf. Davies 1982a). <?page no="128"?> Anhang 114 Jahrhunderten schriftlich fixiert wurden 95 . Wenn hier also wirklich eine Motivübertragung von Maria auf Thorbjörg stattgefunden hat, so hätten wir den oben umrissenen Fall, dass eine christliche Legende zur Ausformung einer heidnischen Erzählung herangezogen wurde und auf diese Weise die Besonderheiten dieser Erzählung, also vor allen Dingen die ungewöhnliche Gestaltung des Traummotivs, hervorrief 96 . Selbstverständlich können andere Übertragungswege nicht ausgeschlossen werden, und eine weitere Möglichkeit ist, dass es sich bei diesem Konflikt zwischen einem Dichter und einer mächtigen Göttin oder Heroine um ein indogermanisches Erbmotiv handelt. Allerdings wäre das eine relativ unsichere Annahme, solange nicht weitere indogermanische Belege für diesen Motivkomplex bekannt werden, die außerhalb des Bannkreises der Isis-Religion bzw. der ostkirchlichen Marienverehrung liegen 97 . Etwas plausibler ist daher vielleicht, dass solche Motive - ob nun von indogermanischer Herkunft oder nicht - zu Stesichoros’ Zeit im Mittelmeerraum verbreitet waren, sich auf dem Weg mündlicher Weitergabe über ganz (West-) Europa ausbreiteten und so zuletzt nach Island gelangten. Stesichoros könnte das Motiv dann aus einer apokryphen mutterländischgriechischen Tradition übernommen haben, aus dem Erzählgut seiner westgriechischen Heimat oder aus nahöstlichen oder nordafrikanischen Traditionen wie denen um die Göttin Isis. Sehr auffällig wäre in diesem Fall allerdings immer noch, dass sich in Westeuropa abgesehen von der Geschichte von Thormod und Thorbjörg anscheinend keine weiteren Belege für dieses Motiv finden 98 . 95 So die Darstellung bei Kelchner 1935, 9 f. (zur Frage nach der Historizität der Berichte über die Fahrten verschiedener nordischer ‘Condottieri’ nach Russland und Ostrom, auf die Kelchner sich für ihren Abriss stützt, cf. die neuere Besprechung bei Sigur! sson 2004, 254-258). 96 Da die isländischen Seefahrer im 11. Jh. bis nach Byzanz vordrangen, wäre theoretisch sogar eine Rezeption griechischer Zeugnisse der Stesichoros-Legende denkbar. Doch dürfte die Legende zu diesem Zeitpunkt nur noch wenigen byzantinischen Gelehrten bekannt gewesen sein, sodass eine Reintegration der Legende in mündliche Erzählstrata kaum als wahrscheinlich gelten kann. Plausibler ist aus eben diesen erzählsoziologischen Gründen eine Rezeption der Marienlegenden, die zu diesem frühen Zeitpunkt sicher noch in erster Linie von mündlicher Natur waren. 97 Cf. die Diskussion der Frage oben in Kap. 6.5. 98 Gemeint ist die Blendung durch große Frauengestalten von göttlicher oder quasigöttlicher Macht, die die Frevler im Traum zur Umkehr ermahnen. Die in der Folge erwähnten Blendungen durch mittelalterliche irische und englische (männliche) Heilige kommen hier also nicht in Betracht. <?page no="129"?> Blendung und Heilung 115 3 Der Motivkomplex von Blendung und Heilung in mittelalterlichen irischen und englischen Heiligenlegenden und dessen Vorbilder in spätantiken Heiligenviten Als Kontrast zur bisherigen Untersuchung können die Motive von Blendung und Heilung in irischen und englischen Heiligenlegenden dienen. Hier werden die Strafe und deren Heilung nämlich nicht von einer machtvollen göttlichen oder quasi-göttlichen weiblichen Person herbeigeführt, sondern von zwar frommen, aber doch nur irdisch-menschlichen männlichen Vertretern des lokalen Klerus, die meist schon zu ihren Lebzeiten über entsprechende Macht verfügen. Dennoch wird sich am Ende zeigen, dass auch dieser Sub-Typus in antiker Tradition steht und mindestens teilweise aus ähnlichen Quellen stammt wie die in den beiden vorangehenden Abschnitten besprochenen Legenden. Ein erstes solches Beispiel für die Blendung und Heilung eines Frevlers zu Lebzeiten eines Heiligen findet sich in der Lebensbeschreibung des irischen Mönches Findian (auch ‘Finnian’), des Gründers des Klosters von Clonard, der im Jahre 549 n. Chr. starb 99 . Findian hatte nach dieser Erzählung soeben eine neue Kirche gegründet, stieß damit aber auf den Widerstand der lokalen Bevölkerung. Insbesondere ein Mann namens Baeth legte energischen Widerspruch ein, wurde aber zur Strafe dafür geblendet und erlangte sein Augenlicht erst wieder nach reuevoller Abbitte 100 . Eine ähnliche Episode ist belegt in der Lebensgeschichte von Kiaran (auch ‘Kieran’ oder ‘Ciaran’) dem Jüngeren, der ein Schüler Findians war, seinerseits das Kloster von Clonmacnoise gründete, aber ebenfalls noch in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts starb. Kiaran soll schon als kleiner Junge viele Wunder gewirkt haben. Als er eines Tages Rinder hütete, kamen Räuber herbei, die die Tiere entwenden und Kiaran töten wollten. Kiaran blendete die Übeltäter aber und gab ihnen ihr Augenlicht erst wieder zurück, als sie Reue zeigten 101 . Eine etwas schattenhafte Figur ist Kiaran von Saighir, der sogenannte ältere Kiaran, der ebenfalls an der Schwelle vom fünften zum sechsten Jahrhundert gelebt haben soll und in der Tradition als erster Bischof von 99 Die Erzählung von Findian ist wie die folgenden Erzählungen über die beiden Kiaran klassifiziert unter: Thompson, Motif-index Q 571.1 (“Magic blindness as punishment for opposition to holy person remitted”). 100 Stokes 1890, 225 f. (“To him [sc. Findian] came a merciless man named Baeth. He said to the cleric that they should not dwell in that place. His sight was straightway taken from him. Thereafter he made repentance and his eyes were given to him again.”). 101 Stokes 1890, 267 (“Howbeit they were stricken with blindness, and they could not put forth foot or hand till they made repentance; and then they were loosed by God’s blessing and Ciarán’s.”). <?page no="130"?> Anhang 116 Ossory galt, aber oft mit Kiaran dem Jüngeren verwechselt wurde. Entsprechend gibt es auch über ihn vergleichbare Geschichten: So soll sich einmal ein irischer Regionalkönig von Kiaran betrogen gefühlt und ihn deswegen bedroht haben. Zur Strafe erblindete er aber sofort und fiel wie tot zu Boden 102 . Als sich aber darauf ein Verwandter des Königs, der gleichzeitig Schüler von Kiaran war, näherte und sich für den König verwandte, gab Kiaran dem König seine Sehkraft wieder und half ihm aufstehen 103 . Nach einer anderen Tradition soll einmal ein König, der über die Gabe des bösen Blicks verfügte, durch kurzes Anschauen einen Jungen getötet haben. Kiaran, der das mitangesehen hatte, wurde zornig und blendete seinerseits den König. Erst als der König Abbitte leistete und sich bereit zeigte, den Jungen wieder zum Leben zu erwecken, zeigte auch Kiaran wieder Gnade 104 . Einer eigenen Kategorie wird von der vergleichenden Erzählforschung die Geschichte des Heiligen Molasius von Devenish zugeordnet 105 . Doch ist der Unterschied zum bis hierher besprochenen Typus insgesamt marginal. Molasius war nämlich ähnlich wie Findian und Kiaran der Ältere in einen Konflikt mit einem regionalen Machthaber verwickelt. Dieser wollte nicht zulassen, dass Molasius ein kleines Stück des ganzen Landstrichs für sich in Anspruch nahm, das dem Regionalkönig gehörte. Molasius sorgte darauf für die Erblindung des Königs 106 , und als dieser Abbitte leistete und dem Heiligen nun doch das gewünschte Landstück gewährte, ermöglichte er die Heilung der Augen, schränkte allerdings die Verfügungsgewalt des Königs über den ganzen Landstrich für die Zukunft ein 107 . Es handelt sich beim Motivkomplex von Blendung und Heilung, soweit die irischen Heiligenlegenden betroffen sind, also zweifellos um ein recht produktives Muster, das in immer wieder neue Zusammenhänge eingeführt und auf immer wieder andere Personen angewandt werden konnte. Dennoch stellt sich die Frage, ob wir es mit einer rein oralen Tradition zu tun haben. Denn dass hier auch Verbindungen zu griechischen und lateinischen Erzählformen bestehen und dass damit möglicherweise literarischer 102 O’Grady 1892, 7 (“but from God vengeance came on the king, for on the instant his sight was taken from him”). 103 O’Grady 1892, 7 (“it came to pass that for the king Kieran relighted his eyes and he rose up whole”). 104 Plummer 1922, 116 (“And when Ciaran saw that, he was greatly angered against the king; and the king went blind forthwith. The king prostrated himself before Ciaran, and he restored his sight to him.”). 105 Thompson, Motif-index Q 571.2 (“Magic blindness as punishment for uncharitableness remitted”). 106 O’Grady 1892, 25 (“Molasius turned his back on him, and on the instant the king’s eyes were taken from him.”). 107 Ebenda (“I restore to thee thine eyes whole and ...”). <?page no="131"?> Blendung und Heilung 117 Einfluss vorliegt, zeigt sich beim Studium verwandter Motive aus der Antike, auch wenn die Heiligen in diesen Erzählungen häufig nicht mehr zu ihren Lebzeiten agieren, sondern erst nach ihrem Tod. Wenn wir uns bei dieser Untersuchung zunächst den westeuropäischen lateinischen Heiligenviten zuwenden, so sticht hier besonders die Vita des Heiligen Martin von Tours (4. Jh.) hervor. Martin wirkte schon zu Lebzeiten viele Wunder, soll aber auch nach seinem Tod weiterhin wundertätig gewesen sein. Insbesondere soll er einst einen Hunnen, der sein Grab schänden wollte, mit Blindheit gestraft, ihn aber, als er Reue zeigte, auch wieder sehend gemacht haben. Diese Geschichte wurde vor allem durch die Darstellung in der ‘Vita Martini’ des Gregor von Tours (6. Jh.) bekannt 108 . Gregor schrieb damit allerdings lediglich die poetische Behandlung um, die bei Paulinus Petricordiae (5. Jh.) vorliegt 109 , der seinerseits von Prosaberichten des Bischofs Perpetuus von Tours abhing 110 . Es handelt sich also im Kern um eine lokale Tradition, die sich am Grab des Heiligen in Tours herausbildete. Interessant ist nun in diesem Zusammenhang, wie Gregor (über Paulinus hinausgehend) eine lange Reihe von Blindenheilungen verzeichnet, die sich am Grab des Heiligen vollzogen haben sollen 111 , und wie Gregor dies denn auch zum expliziten Thema seines Vorworts zur ‘Vita’ macht 112 . Wie- 108 Greg. Tur. Mart. 1,2 (Chunus quidam rapidus instinctu daemonis actus, coronam sepulchri, quae sancti meritum declarabat, violenter eripuit. mox lumine privatus, praedam, cogente dolore, restituit lumenque recepit. - “Ein gewisser räuberischer Hunne entriss, durch die Eingebung eines Dämons getrieben, in gewaltsamer Weise die Krone des Grabs, die das Verdienst des Heiligen anzeigte. Bald war er seines Augenlichts beraubt und gab unter dem Zwang der Schmerzen seine Beute zurück und erhielt wieder das Augenlicht.”). 109 Paul. Petric. Mart. 6,218-249. 110 So von Paulinus offengelegt in der Praefatio zu seiner Martins-Vita (praef. 2 [Petschenig 1888, 17]: de sancti atque apostolici doctoris et domini meritis atque virtutibus tam splendidam ad nos misistis historiam, ut rectissime, si ita iussisset vestra benedictio, ad totius orbis notitiam perveniret. verum his me inhaerere vestigiis et posse aliquid adicere quasi expolitius censuistis, cum multo maius sit conperta promere quam prolata transcribere. - “Ihr [sc. der Adressat Perpetuus] habt uns von den Verdiensten und Tugenden des heiligen apostolischen Lehrers und Herrn einen so glänzenden Bericht zukommen lassen, dass dieser, wenn es Eure Güte so angeordnet hätte, mit bestem Recht zur Kenntnis des ganzen Erdkreises gelangen würde. Aber Ihr spracht euch dafür aus, dass ich diesen Spuren folge und gewissermaßen in geglätteterer Form etwas hinzufügen kann, obwohl es eine wesentlich größere Tat ist, etwas in Erfahrung Gebrachtes vorzulegen als etwas Mitgeteiltes umzuschreiben.”). 111 Beispielsweise Greg. Tur. Mart. 1,8; 1,39; 2,13; 2,29; 3,5 und 4,20. 112 Greg. Tur. Mart., Praefatio (Krusch 1885, 585 = Krusch 2 1969, 135: nemo ergo de anteactis virtutibus dubitet, cum praesentium signorum cernit munera dispensari, cum videat clodos erigi, caecos inluminari, daemones effugari et alia quaeque morborum genera, ipsum medificante, curari. - “Niemand soll also an den zuvor gezeigten Tugenden zweifeln [sc. an den Wundertaten des Heiligen zu seinen Lebzeiten], wenn er bemerkt, dass <?page no="132"?> Anhang 118 derum kann es sich nur um lokale mündliche Traditionen handeln, die Gregor aufgriff und schriftlich fixierte. Das Grab des Heiligen war also in den Jahrhunderten nach seinem Tod zur eigentlichen Pilgerstätte geworden, die insbesondere Erblindeten Erleichterung von ihrem Leid verschaffen sollte, und da die Geschichte von der Erblindung und Heilung des hunnischen Plünderers so prominenten Status hatte, dass sie auch von Bischof Perpetuus und Paulinus Petricordiae erwähnt wurde, kann man annehmen, dass diese Geschichte in ganz ähnlicher Weise wie die oben erwähnten ostkirchlichen Marienlegenden aitiologische Funktion hatte und für das Pilgerzentrum werben sollte. Jedenfalls werden wir auch in der Folge noch mehrfach ein solches Nebeneinander von Hinweisen zu häufigen Blindenheilungen einerseits und einer herausragenden Geschichte 113 mit der Abfolge der Erzählelemente ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ andererseits konstatieren können. Ähnliche Züge wie die Erzählung von der Erblindung und Heilung des habgierigen Hunnen durch Martin von Tours weist denn schon die Geschichte des Heiligen Julianus von Vienne bei Lyon auf, die ebenfalls bei Gregor von Tours überliefert ist. Danach soll einst ein Ungläubiger versucht haben, einen alten Feind, der ihm ein Auge ausgeschlagen hatte, aus der Kirche von Brioude (Auvergne) zu zerren, in der Julianus begraben lag. Doch gelang ihm dies nicht, und er erblindete stattdessen auch noch am zweiten Auge. Als er darauf sein Fehlverhalten einsah, seinem alten Feind Verzeihung gewährte und sich vor dem Grab des Heiligen Julianus niederwarf, wurde auch ihm Verzeihung gewährt 114 . Da dieses Grab allgemein als Wallfahrtsstätte für Blinde und Lahme galt 115 und sich dort verschiedene Blindenheilungen vollzogen haben sollen 116 , kann man schließen, dass auch dieser Geschichte genau dieselbe werbende Funktion zudie Leistungen der gegenwärtigen Wunderzeichen erbracht werden, wenn er sieht, dass Lahme aufgerichtet werden, Blinde ihr Augenlicht wieder erhalten, Dämonen vertrieben werden und alle anderen Arten von Krankheit durch seine ärztliche Wirkung geheilt werden.”). 113 Dass nur eine solche herausragende Geschichte vorliegt, wird sich gleich in den Erzählungen über Julianus von Vienne und Thomas Becket zeigen. Lediglich in den Wundererzählungen über Kyros und Johannes und (in Ansätzen) in den Tempellegenden von Epidauros ist das Motiv multipliziert. 114 Greg. Tur. Iul. 10 (et visum recepit et gratiam - “und er kam wieder in den Genuss des Augenlichts und der Gnade”). 115 Greg. Tur. Iul. 9 (pro quibus ac talibus virtutum ornamentis magna ibi basilica fabricata a fidelibus, virtutibus, ut praefati sumus, martyris beati refulget, in qua paralyticorum, clodorum, caecorum et aliorum quoque morborum saepius petita remedia conquiruntur. - “Für solchen Schmuck an Tugenden wurde von den Gläubigen dort eine große Kathedrale errichtet und sie glänzt, wie wir vorhin gesagt haben, durch die Tugenden des heiligen Märtyrers. In ihr werden öfter Heilungen von Gelähmten, Lahmen, Blinden und auch von anderen Krankheiten erbeten und erlangt.”). 116 So beispielsweise berichtet in Greg. Tur. Iul. 12. <?page no="133"?> Blendung und Heilung 119 kam wie der soeben besprochenen Erzählung vom Wunder des Heiligen Martin. Dass solche Erzählungen sich aber nicht nur in der lateinisch geprägten Westhälfte des Mittelmeerraums fanden, zeigt die bereits oben 117 kurz angedeutete Wundertätigkeit der Heiligen Kyros und Johannes an ihrem Grab in Menuthis im westlichen Nildelta unweit des bekannten Badeortes Kanobus 118 , und damit gelangen wir, wie es scheint, zu einer der Wurzeln unseres Motivs. Kyros und Johannes waren zwei Märtyrer gewesen, deren Gebeine Bischof Kyrillos von Alexandria wohl bald nach Beginn seiner Amtszeit (412-444) von der Kirche des Heiligen Markus in Alexandria, wo sie wenig geachtet gewesen waren, nach Menuthis in die Kirche der Vier Evangelisten überführen ließ, um den dort ansässigen Christen eine Stütze in ihrem Glauben zu geben 119 . Dabei sollte es die erklärte Funktion der beiden Heiligen sein, die Aufgabe von Heilern auf christlicher Basis zu übernehmen. Diese Erwartung erfüllte sich denn auch bald, und Menuthis wurde schnell zu einem christlichen Heil- und Pilgerzentrum 120 , in dem auf dem Wege der Inkubation insbesondere Augenkrankheiten behandelt wurden und in nicht wenigen Fällen sogar richtiggehende Blindheit rückgängig gemacht wurde. So berichtet uns Sophronios, der Patriarch von Jerusalem, der seine ‘Thaumata’ 121 im Zeitraum von 610-615 verfasste 122 , sich dafür wohl weitgehend auf mündliche Quellen stützte (und in manchen Fällen vielleicht sogar zu reiner Erfindung oder wenigstens zur Ausschmückung bestehender Erzählungen Zuflucht nahm) 123 , aber auch selber die Erfahrung einer solchen Blindenheilung machte 124 . 117 Kap. 6.3. 118 Zur geographischen Lage von Kanobus und Menuthis und zu einer möglichen archäologischen Identifikation der Kultstätten von Menuthis cf. die Arbeit von Stolz 2008. 119 So vom Erzbischof selbst festgehalten in Fragment 2 seiner ‘Oratiunculae tres in translationem sanctorum martyrum Cyri et Ioannis’ (‘Patrologia Graeca’, Vol. 77, col. 1101). 120 Zum ägyptischen Pilgerwesen im Übergang von den heidnischen Kulten zur christlichen Religion cf. die allgemeine Diskussion bei Frankfurter 2006. 121 Die ‘Narratio miraculorum sanctorum Cyri et Ioannis’, die früher nur über die Edition in der ‘Patrologia Graeca’ (Vol. 87,3) zugänglich war, ist jetzt kritisch ediert durch Fernández Marcos 1975, woran sich die französische Übersetzung von Gascou 2006 anschließt. 122 Zur Datierung des Werks cf. Fernández Marcos 1975, 9. 123 Zum Mangel an schriftlichen Quellen, auf die Sophronios sich stützen konnte, und zur Benützung und Ausschmückung mündlicher Referate cf. Fernández Marcos 1975, 9 und Gascou 2006, 10 f. 124 Dem Thema der Blindenheilung anderer sind die Kapitel 2, 24, 46, 47, 65 und 69 der ‘Narratio’ gewidmet, die eigene Heilung des Sophronios ist Gegenstand des abschließenden, sehr hymnisch gehaltenen Kapitels 70 (cf. die unten in Abschnitt 4 zitierten Ausschnitte). <?page no="134"?> Anhang 120 Wichtiger als diese Fälle einfacher Blindenheilung sind in unserem Kontext drei Erzählungen, in denen die Blindheit nach der Darstellung des Sophronios nicht durch bloße Erkrankung bedingt, sondern als Strafe für einen vorangegangenen Frevel zu verstehen war. Die erste solche Geschichte ist die des jungen Theodoros 125 , der nominell Christ war und an der heiligen Kommunion teilnahm, aber in blasphemischer Absicht während der religiösen Zeremonie ein lautes Niesen vernehmen ließ und sich damit als Anhänger der heidnischen Kulte zu erkennen gab. Die Strafe erfolgte sofort und Theodoros erblindete daher sogleich. Doch die Heiligen waren gnädig, erschienen Theodoros im Traum und klärten ihn über die Ursache seiner Erblindung auf 126 . Reumütig leistete Theodoros darauf Abbitte und wurde für immer von seinem Leiden geheilt 127 . Wie in vielen der oben referierten Erzählungen ist also auch hier die klassische Abfolge der vier Erzählschritte ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ zu beobachten. Die zweite Erzählung mit analogem Aufbau ist diejenige des jungen Diakons Johannes 128 . Zwar litt Johannes zunächst aus ganz natürlichen Gründen an Blindheit und wurde durch eine Traumbotschaft der Heiligen von seiner Krankheit geheilt 129 . Schon in dieser Phase musste Johannes jedoch, um Heilung zu erfahren, seinem monophysitischen Irrglauben abschwören 130 . Unter dem Druck seiner Verwandten stehend, wurde Johannes aber bald rückfällig, und nun versahen ihn die Heiligen mit eigentlicher Strafblindheit 131 . Erst als er den Grund für diese erneute Erkrankung 125 Sophronios, ‘Narratio’, Kap. 31. 126 ‘Narratio’, Kap. 31,4 (<+E]ZB#B$I( -PB DZF2 Q+B-"( -W μ%)$")I( $J $6B R)Z&EB >+- -C#&ZB$E ... - “Als nun die Märtyrer ihm, der sein Augenlicht verloren hatte, im Schlaf erschienen waren, ...”). 127 ‘Narratio’, Kap. 31,5 (T *IAKY)-( $4 XC#+IEB >+I\CG]I, DZ5 $4 K#-( >+#XZCI $1( $"]C? &IY( - “Theodoros erlangte sein Augenlicht wieder und verlor die Furcht vor der Blindheit”). 128 Sophronios, ‘Narratio’, Kap. 37. 129 ‘Narratio’, Kap. 37,3 (<B BA&. MN) $LB Uμμ%$YB MIBAμIB-( DZ5 ]Y$4( &$I)GFI\(, O( +)-I\)G$ZE, <+5 '/ )-B DZ5 VY%BBGB $-3( μ%)$")Z( 8MI$- ... -Q$Y K7 $LB =M\YB M#M-BIB 9 <+\&DI[E(, <+5 $1( &$)YμB1( T VY%BBG( <D%FI"KIB, DZ5 DZFI@KYB, ; Z"$4B ; &$L$Z +)4 $-/ $LB =M\YB : XCI+I μB! μZ$-( ... - “Als er an seinen Augen erkrankt und des Lichts beraubt war, wie oben gesagt ist, wurde er zu den Märtyrern Kyros und Johannes geführt ... So aber verlief der Besuch der Heiligen [sc. nach einem Jahr der Wartezeit]: Johannes schlief auf seinem Lager, und während er schlief, sah er sich selbst, wie er vor dem Grab der Heiligen stand ...” [es handelt sich also um eine Situation der Trauminkubation am Grab der Heiligen ähnlich wie in der Geschichte von Stephanos im unten referierten Kap. 38,3 der ‘Narratio’]). 130 Zu den religionssoziologischen Implikationen dieses Erzählmotivs in den Kap. 37 und 38 der ‘Narratio’ cf. Gascou 2008, 82-84. 131 ‘Narratio’, Kap. 37,7 (DZ$ZCZXAB$I( -W μ%)$")I( U]FZCμ-]ZBL( VY%BB-" $N( S[IE( 0Z+\H-"&EB, DZ5 $4 ]L( >]ZE)-/ B$ZE R+I) KIK? DZ&EB ... - “Als die Märtyrer Johannes <?page no="135"?> Blendung und Heilung 121 erkannte, war er zu einem definitiven Wechsel der Religion bereit und wurde mit der endgültigen Heilung und mit einer respektablen Funktion in der katholischen Kirche belohnt 132 . Die letzte dieser Geschichten, Kapitel 38 der ‘Narratio’ des Sophronios, ist die längste und komplexeste Erzählung dieses Typus. Sie wurde einst schon von O. Weinreich in den Kontext sonstiger antiker Blindheitsgeschichten eingeordnet und als Beleg für ein verbreitetes Wandermotiv behandelt 133 . Doch zeigt die konkrete Ausgestaltung, dass auch diese Erzählung, genauso wie die vorgängig besprochenen, aufs engste mit dem Kult- und Therapiezentrum in Menuthis verbunden ist. Wie die Geschichte von Johannes, so beginnt nämlich auch Kapitel 38 mit der krankheitsbedingten Blindheit eines jungen Mannes, Stephanos, der darauf das Therapiezentrum aufsuchte und durch Inkubation und den so empfangenen Traum den richtigen Rat zur Gesundung erhielt. Stephanos nahm daraufhin an der heiligen Kommunion teil und wurde von seiner Blindheit geheilt 134 . Allerdings war Stephanos Monophysit und fiel schon bald wieder zu seinem alten Ketzerglauben ab. Daher sorgten die Heiligen unter anderem mit einem zweiten Traum dafür, dass Stephanos erneut von Blindheit befallen wurde 135 . Erst als Stephanos von wirklicher Reue ergriffen war, erschienen ihm die Heiligen in einem dritten Traum und ließen ihn eine Verkörperung der katholischen Kirche sehen, die ihn auf den rechten Weg brachte und stark machte gegenüber weiteren Anfechtungen 136 . Schließlich gaben ihm die beiden Heiligen in weiteren Traumvisionen konkrete Hinweise für die Behandlung seiner erkrankten Augen, und so wurde Stephanos wieder definitiv sehend 137 . erreicht hatten, schlugen sie für alle sichtbar auf seine Augen und nahmen ihm das Licht, das sie ihm gegeben hatten ...”). 132 ‘Narratio’, Kap. 37,7 (9? &><&0 GL AVA>1 5S'? ? D) RF? =μF? >), 8R? S &J V6&B>? , AVK R? >I) μF&F? =D(F? , AVK μF&VR? >I) 8&$WF ($RWS+#(FS), AVK ($RR? ; μD) &$WH? GBS+C; (V&>, AVK GB>+CS('μF? >) -'@B? : ? %T@FUF? ... - “Als Johannes in einer solch schlimmen Lage war, erkannte er den Grund, und weil er ihn erkannt hatte, wurde er anderen Sinnes, und weil er bereute, erlangte er Verzeihung, und weil er der Milde teilhaftig geworden war, besserte er sich, und weil er sich gebessert hatte, konnte er wieder sehen ...”). 133 Weinreich 1909, 191 Anm. 1. 134 Sophronios, ‘Narratio’, Kap. 38,1-5. 135 ‘Narratio’, Kap. 38,6-9. 136 ‘Narratio’, Kap. 38,10-11. 137 ‘Narratio’, Kap. 38,12 (μF&3 >P ->@I GL &2) ? ! AD) Q *&%"V? >) AVK &/ ? 4"CV@μ/ ? &J (A=- &>) : -%CF&>, AVK &2) ORF! V) : -#@V$(F, AVK &J "/ ) N) &J -+K? 9CF'(V&>, (F+! S? 4-. -+J) CF+V-F! V? W+D('μF? >), &><&S? RM+ 9AW$μV&! EF(CVB &J? 4-J? >7 μ'+&$+F) GB3 Q+Vμ'&S? 9A%@F$(V? . - “Kurze Zeit nach seinem Sieg legte Stephanos die Finsternis der Augen wieder ab und hatte wieder Anteil an der Gesundheit, und er sah das Licht wieder wie zuvor, indem er zur Gesundung vom Saft der Endivie Gebrauch machte. Denn <?page no="136"?> Anhang 122 Wie also auch die zuletzt diskutierte Geschichte des Ketzers Stephanos zeigt, ist die Motivreihe von ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ in diesen Erzählungen regelmäßig mit dem Motiv der im Traum erfolgten Instruktion verbunden, und dass es sich bei dieser Motivkette nicht um ein einfaches Wandermotiv handelt, das mit dem Traummotiv einen bloßen ornamentalen Zusatz an sich nimmt, verdeutlicht die enge Verbindung mit dem Kultzentrum in Menuthis, wo dieser heilende Schlaf in den verschiedenen Erzählungen jeweils stattfindet 138 . Von entscheidender Bedeutung für unser Thema ist nun, dass die Inkubation und die Blindenheilung, die Kyros und Johannes in Menuthis bewirkten, keine christlichen Neuerungen waren, sondern einen heidnischen Kult fortsetzten, der eben durch die christliche Heiligenverehrung ersetzt werden sollte 139 . Das Objekt dieses Kults war offensichtlich Isis, die in mehreren paganen Quellen namentlich genannt wird 140 . Keine namentliche Identifizierung der Isis, aber dafür eine sehr plastische Beschreibung gibt Sophronios in seinen ‘Laudes in sanctos Cyrum et Ioannem’, wo er auf die weibliche Gestalt des (wie er es sieht) heidnischen Dämons 141 , auf seine Funktion als Heiler 142 und auf die regelmäßig dargebrachten Opfer 143 hindie Märtyrer hatten ihn im Traum dazu aufgefordert, diesen Saft über die Augen zu träufeln.”). 138 Zum gewöhnlichen Ort der Inkubation cf. Fernández Marcos 1975, 34. 139 Cf. dazu die Abrisse von Herzog 1939, 120-124, Witt 1971, 185 f., Maraval 1985, 317- 319 und Merkelbach 1995, 327 f. sowie die allgemeinen Hinweise auf die vorchristliche Situation in Menuthis und im benachbarten Kanobus bei Kayser 1991. 140 RICIS 503/ 1204 (= Vidman SIS 403 = IG XIV 1005: *S"D- [M- 9- 'H-)YEX - “Isis von Menuthis”); RICIS 503/ 1212 (= Vidman SIS 556a: [7 +>V-)- [)0 : JD)[#[)Y EH)6 %V- &#(DI)$ ["]6- [2 R"DID [[2 9]- 'H-)YEX - “das Standbild des allerheiligsten Gottes Sarapis zusammen mit der Isis von Menuthis”); P. Oxy. 1380 (Z. 63 [im Kontext einer längeren Anrufung der Isis]: 9- $#"[)]YEL ; BZEDV- - “in Menuthis als die Wahrhaftige”). 141 Sophronios von Jerusalem, ‘Laudes in sanctos Cyrum et Ioannem’, Kap. 24 (‘Patrologia Graeca’, Vol. 87,3, col. 3409 B: IVXμ? - [D$ G)WH&7$ CVL ,UJ=([D)$ ; -HWVX-H[) 'H- -)YEM$ [)P-)μV, C<μF- )UC.- [M- 9(<-Yμ)-, EZBH? $ μ)&WM- (&)"()D)=μH-)$ .... - “Ein finsterer ägyptischer Dämon namens Menuthis zeigte sich, der das gleichnamige Dorf bewohnte und sich die Gestalt eines weiblichen Wesens gab ...”). 142 ‘Laudes’, Kap. 24 (col. 3409 C: (&)WF[H=HD- CVL ->")Y$ UV[&H=HD-, μ3BB)- IN @HYI)H(H1- CVL -)")()DH1- 9[H&V[H=H[) W#"μV"D-. - “Er gab mit seinen Erscheinungen vor, Prophezeiungen zu geben und Krankheiten zu heilen, in Wahrheit aber Lügen vorzutragen und Krankheiten zu verursachen.”). 143 ‘Laudes’, Kap. 29 (col. 3416 B: CVL [7 KIHBY&7- 9CH1-) [)0 IVXμ)-)$ [! μH-)$, 9- 5 [O$ @HYIH1$ WV-[V"XV$ Q I&V(! [F$ HU&J#GH[), 9- 5 K? μ7$ 8- ; HL [)1$ VTμV"D IDVD->μH-)$ CVL [7 JY-VDC>μ)&W)- T"[V[) +>V-)-, (V&VBX4 @#μμ/ CV[! A? "V-. - “Und den abscheulichen Tempel dieses Dämons, in welchem der Leibhaftige die trügerischen Erscheinungen bewirkte, in welchem sich ein Altar befand, der stets von Blut benetzt war, und das weibliche Kultbild stand, diesen überschütteten sie [sc. die Heiligen Kyros und Johannes] mit Sand vom Meeresufer.”). <?page no="137"?> Blendung und Heilung 123 weist. Auch Sophronios meint also zweifellos Isis und wird darin durch Zacharias Rhetor (5./ 6. Jh. n. Chr.) bestätigt, der in seiner griechisch verfassten, aber nur in syrischer Übersetzung erhaltenen ‘Vita Severi’ ausführlich schildert, wie auch nach der Einrichtung des christlichen Kultes noch bis weit ins fünfte Jahrhundert hinein der Isis-Kult von Menuthis eine reale Bedrohung für das Christentum in Ägypten blieb 144 . Wir haben also in den Erzählungen über Kyros und Johannes und über ihre Wundertätigkeit einen weiteren, zwar indirekten, aber um nichts weniger erhellenden Beleg dafür, dass die im ägyptischen Isis-Kult praktizierte Trauminkubation nicht zuletzt der Heilung von Augenerkrankungen diente und dass dies in den lokalen Legenden durch das typische Erzählmuster von der Erblindung eines Frevlers und von seiner anschließenden Reue und Heilung gestützt wurde. Die ‘Narratio’ des Sophronios über die Wundertaten der Heiligen Kyros und Johannes ist somit eine äußert wertvolle Ergänzung zu den Berichten über die Wundertätigkeit der Isis wie beispielsweise denen Diodors und Ovids 145 und bestätigt unsere oben in Abschnitt 1 aufgestellte These, dass die ostkirchlichen Vorstellungen von einer blendenden und wieder heilenden Maria vom ägyptischen Isis-Kult abhängen und dass diese Motivübertragung im spätantiken Ägypten stattfand. Wenn somit die Herleitung der Blindheitsmotive in den Legenden um Kyros und Johannes von der traditionellen Isis-Religion gut begründet ist 146 und sich wohl auch gegen Zweifel aus jüngerer Zeit weiterhin aufrechterhalten lässt 147 , so stellt sich an dieser Stelle natürlich die Frage nach 144 Die syrische Fassung der ‘Vita Severi’ wurde von M.-A. Kugener ediert und ins Französische weiterübersetzt (Kugener 1907). Relevant sind in unserem Kontext die S. 16-19, wo erzählt ist, wie der heidnische Magier und Philosoph Asklepiodotos wegen der Kinderlosigkeit seiner Frau den Tempel der Isis in Menuthis aufsucht, in einem Traum Isis sieht und darauf von den Isis-Priestern entsprechende Anweisungen erhält (cf. bes. die S. 18: “Ayant cru voir en songe Isis couchée auprès de lui, il s’ entendit déclarer par ceux qui interprétaient là-bas les songes et qui servaient le démon figuré par Isis, qu’il devait ...”), die S. 20-22, die berichten, wie der noch nicht bekehrte Heide Paralios sich in Menuthis einer Trauminkubation unterzieht (cf. bes. die S. 20: “... étant à Ménouthis, Paralios vit Isis, c’est-à-dire le démon qui représente cette déesse, qui lui disait en songe ...”), und die S. 27-32, die das Nebeneinander der nunmehr offiziellen christlichen Religion und des nur noch versteckt zelebrierten ägyptischen Kults im Menuthis des 5. Jh.s im Detail schildern. 145 Zu den Berichten Diodors und Ovids cf. oben Kap. 6.4. 146 In den Worten von Herzog 1939, 117 handelt es sich um eines “der frühesten und in den Einzelheiten am besten bezeugten Beispiele der Ersetzung einer antiken Kultstätte durch eine christliche”. 147 In einer radikalen Neubewertung der Quellen versucht nun Gascou 2007 zu zeigen, dass der Kult von Kyros und Johannes in Menuthis erst im 6. Jh. eingerichtet wurde und nicht als Überlagerung eines älteren Isis-Kultes zu verstehen ist. Doch ist auch seine These mit Schwierigkeiten behaftet (cf. die Gegenkritik von Watts 2010, 8 Anm. 38), und Gascou ignoriert insbesondere die engen strukturellen Verbindungen dieser <?page no="138"?> Anhang 124 der Beziehung dieser Erzählungen zu den gleichgestimmten Erzählungen um die gallischen Heiligen Martin von Tours und Julianus von Vienne. Allgemein gilt, dass sich die christliche Heiligenverehrung und ihre Erscheinungsformen gleichzeitig mit der Ausbreitung des Christentums über den gesamten Mittelmeerraum und die nördlicheren Teile Europas verbreiteten 148 . Die gallischen Beispiele sind also sicher in irgendeiner Form von entsprechenden nahöstlichen Kultformen abhängig. Dass eben die Erzählungen um Kyros und Johannes den entscheidenden Impuls gaben, ist durchaus denkbar, zumal die Einrichtung des Kults in Menuthis bald nach 412 n. Chr. erfolgte und der Bericht des Paulinus Petricordiae, der als erster die Erzählung von der Blendung und Heilung des hunnischen Übeltäters am Grab des Martin von Tours überliefert, erst um 470 n. Chr. niedergeschrieben wurde 149 und den Einfall Attilas in Gallien in den Jahren 450/ 451 n. Chr. voraussetzt. Letztlich ist es aber auch möglich, dass es in der Spätantike weitere Beispiele für Heilige gab, die an ihrem Grab in übernatürlicher Weise Blindheit verursachten und wieder heilten, und dass uns dies nur durch Zufall nicht dokumentiert ist (oder dass die entsprechenden Dokumente von der Forschung noch nicht in diesen Zusammenhang eingeordnet wurden). Somit bleibt die Frage des genauen Übertragungsweges offen, was aber nichts am generellen Befund ändert, dass die westeuropäischen Belege von den östlichen Beispielen abhängen und dass zuletzt pagane Inkubationsriten diesen Erzählungen zugrunde liegen 150 . Somit können wir uns noch einmal der Frage nach der Herkunft des Motivkomplexes von Blendung und Heilung in den irischen Heiligenlegenden zuwenden. Es handelt sich dabei zweifellos um einen produktiven Typus eines mündlichen Erzählmotivs, das erst allmählich in die schriftlich niedergelegten Legenden Eingang fand. Dafür spricht schon die relativ hohe Zahl der Beispiele, die sich unter anderem an Personen anschlossen, die mehr oder weniger als (mythologische) Doppelgänger anzusehen sind (Kiaran der Ältere und Kiaran der Jüngere), und damit auf den mündlichen Hintergrund dieser Legenden hinweisen. Ein weiteres Argument für eine orale Prägung ist zudem die strukturelle Übereinstimmung unseres Form der Heiligenverehrung mit dem Isis-Kult, wie er von Diodor und Ovid dargestellt wurde. 148 Cf. die klassische Formulierung dieses Sachverhalts in Brown 1981, 12 (“Wherever Christianity went in the early Middle Ages, it brought with it the ‘presence’ of the saints.”). 149 So M. Skeb in: Döpp, Geerlings 1999, 483. 150 Erhellend ist in diesem Zusammenhang, wie noch mehrere der Blindenheilungen in Gregors ‘Vita Martini’ Spuren solcher Inkubationsriten aufweisen, so etwa in 1,39, wo eine ältere blinde Frau, vor dem Kirchentor liegend, die Heilung erfährt, in 2,29, wo zwei blinde Männer just am Festtag des Heiligen Martin geheilt werden, und in 4,20, wo ein seit sechs Jahren erblindeter Mann in einem Traum aufgefordert wird, die Kirche des Heiligen zum Zweck der Heilung aufzusuchen. <?page no="139"?> Blendung und Heilung 125 Erzähltypus 151 mit anderen (irischen) Erzähltypen, die nicht das menschliche Augenlicht zu ihrem Gegenstand machen, sondern andere Aspekte wie etwa den generellen Gesundheitszustand oder die allgemeine Mobilität 152 . Hinzu kommt der prinzipielle Unterschied zwischen den irischen Erzählungen, die lebende Heilige in den Mittelpunkt stellen, und den soeben besprochenen antiken Beispielen, die jeweils das Grab eines bereits verstorbenen Heiligen zum Zentrum der Erzählung machen. Allerdings gibt es in der antiken Tradition durchaus Präzedenzfälle für lebende Heilige, die einen Widersacher vorübergehend blenden. Eine relativ bekannte Geschichte ist des Apostels oder Diakons Philipp, die in den aus dem vierten Jahrhundert datierenden ‘Acta Philippi’ erzählt wird 153 . Danach soll Philipp in Athen in eine theologische Auseinandersetzung mit dem jüdischen Oberpriester Ananias geraten sein und sowohl diesen selbst wie auch dessen Gefolge zum Erweis der Macht Jesu geblendet haben 154 . Weil der Oberpriester aber auch danach bei seiner ablehnenden Haltung blieb (und bis zuletzt dabei verharrte), sorgte Philipp mit einem zweiten Wunder dafür, dass der Priester wieder sehen konnte 155 . Da dies nun immerhin seine Anhänger überzeugte, bewirkte Philipp zuletzt mit Gottes Hilfe, dass auch sie wieder sehen konnten 156 . Noch berühmter ist freilich eine Episode aus der Apostelgeschichte, und es handelt sich um keinen geringeren als um den Apostel Paulus selbst, der in diesem Fall die Blindheit seines Widersachers bewirkt. Paulus besuchte auf seiner ersten Missionsreise die Insel Zypern und wurde vom dortigen Prokonsul Sergius Paulus zunächst wohlwollend aufgenommen. Allerdings fand sich ein Gegenspieler in der Person des Zauberers Elymas, der versuchte, den Prokonsul von seinen christlichen Neigungen abzubringen. Paulus reagierte darauf mit einer Brandrede gegen den Zauberer und blendete ihn schließlich (Act. Apost. 13,8-12, bes. § 11: @! J >D> 5Q<H &OJ: @)- 151 Thompson 1955-1958, Q 571 (“Magic blindness as punishment remitted”). 152 So die Typen Q 572 (“Magic sickness as punishment remitted”) und Q 573 (“Magic paralysis as punishment remitted”). 153 Zur Entstehung und Verbreitung der ‘Acta Philippi’ cf. das Résumé bei Bovon 1988, 4521-4523. 154 Act. Phil. 17 (M. Bonnet 1903, 9: +! D+! N@<R-! 9 2 N: &AO: OH9 7Q: ! μO> 8; J +I> *#? A; ; <> μ! -+#=! A B%? $> ! 0+">, @! J ! 0+E +E L: G 1? M 6 &OJ: ! 0+<D 8=M: '>BM @! J <4 3(B! ? μ<J ! 0+<D 8+)(? PBM-! >, 2μ<#$9 QK @! J <4 ; O>+! @"-A<A <4 μO+F ! 0+<D 8+)(? PBM-! > @! J ! 0+<#. - “Als er dies gehört hatte, rannte der Oberpriester auf Philipp zu mit der Absicht, ihn zu peitschen. Doch im selben Moment vertrocknete seine ganze Hand und seine Augen wurden geblendet. Ebenso aber wurden die fünfhundert Menschen, die bei ihm waren, geblendet.”). 155 Act. Phil. 22 (M. Bonnet 1903, 12). 156 Act. Phil. 25 (M. Bonnet 1903, 13 f.: @! J N>OC&BM-! > ! 0+.> <4 3(B! ? μ<#, @! J / μ>M-! > +I> BOI> ; '>+O9 ... - “Und ihre Augen wurden geöffnet, und sie rühmten alle Gott ...”). <?page no="140"?> Anhang 126 / &5E .2? +D >%? ,+3 )EC; <μB $; (2=8 )<8 G; A58 1@/ A >%A/ 5H. 2%/ %@/ 0μ* )" ,2"+"8 .26 %F)<8 4@; 9- >%? +>: )5- >%? 2"/ A*#=8 .! ')"A @"A/ %#=#57-. - “‘Sieh nun, die Hand des Herrn wird über dich kommen, und du wirst blind sein und die Sonne bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr sehen.’ Sofort fiel Dunkel und Finsternis über ihn und er ging herum und suchte nach Führern für seine Hand.”), worauf wenigstens der Prokonsul sich zum Christentum bekehrte. Das Erzählmuster der direkten Auseinandersetzung zwischen einem christlichen Religionslehrer und einem Gegner dieser Lehre bzw. der Blendung und Heilung des Widersachers scheint sich also in der Spätantike etabliert zu haben, wenn auch anscheinend nur wenige Beispiele für diesen Sub-Typus des Motivs erhalten sind. Somit ist es nicht verwunderlich, dass das Muster auch auf prominente Figuren des frühen irischen Christentums übertragen wurde. Möglicherweise muss man hier sogar von einer Reintegration literarischer Motive in mündliche Erzählstrata sprechen, denn insbesondere die Geschichte von Paulus und Elymas gelangte natürlich auf schriftlichem Wege nach Irland. Auffällig bleibt allerdings, dass die irische Tradition das Motiv der Reue und der sich daran anschließenden Heilung regelmäßig stark betont, während in den ‘Acta Philippi’ der Oberpriester Ananias sowohl vor wie nach seiner Heilung uneinsichtig bleibt, und eine reuevolle Bekehrung des Elymas allenfalls impliziert ist 157 . Von daher stellt sich die Frage, ob nicht auch die kontinentaleuropäischen Heiligenlegenden für die Ausbreitung des Typus in Irland (mit-) verantwortlich gewesen sein können. Denn es handelt sich dabei zwar immer um verstorbene Heilige, die Blindheit verursachen und wieder rückgängig machen, aber es sind eben stets männliche Heilige, die so agieren, und das Motiv der Reue wird in diesen Erzählungen ebenso stark in den Vordergrund gestellt wie in den irischen. Jedenfalls war die Christianisierung Irlands, die um 430 n. Chr. von Papst Coelestin I. in Gang gebracht wurde, nicht zuletzt das Werk von wandernden Klerikern wie Palladius und Patrick, die eben in Italien und Frankreich ihre theologische Bildung erhalten hatten 158 . Solche Verbindungen zum Festland dürften auch in den Jahrhunderten danach bestanden haben, und so wäre es nicht weiter erstaunlich, wenn auch die Heiligenlegenden aus Frankreich (sekundär) auf die irische Tradition eingewirkt hätten. Somit mag es passend erscheinen, wenn wir unsere Übersicht mit einer bekannten mittelalterlichen Geschichte beenden, die wie die antiken Erzählungen einen bereits verstorbenen Heiligen in der Rolle des Strafenden und 157 Die Konstante des Musters scheint - nach den ‘Acta apostolorum’ und den ‘Acta Philippi’ zu urteilen - sogar darin zu bestehen, dass der Sünder eben keine Reue zeigt und nur sein Umfeld sich für das Christentum gewinnen lässt. 158 Zur Christianisierung Irlands cf. beispielsweise den Abriss von Pryce 2009, 146-148 (mit weiterer Literatur). <?page no="141"?> Blendung und Heilung 127 Heilenden zeigt und damit in etwas deutlicherer Verbindung zu den kontinentaleuropäischen Beispielen steht als die irischen Legenden. Es handelt sich um Thomas Becket (1118-1170), den Erzbischof von Canterbury, der nach seiner grausamen Ermordung bald zum Empfänger eines bedeutsamen Grabkults wurde und zu einer Vielzahl von Wundergeschichten den Anlass gab 159 . Nach einer Erzählung, die uns zuerst in der ‘Legenda aurea’ von Jacobus de Voragine (11,52-56) überliefert ist 160 , habe einst eine vornehme Dame den starken Wunsch gehabt, schönere Augen zu erhalten, und sei aus diesem Grund zum Grab des Heiligen gepilgert. Dieser sei aber nicht auf den Wunsch der Dame eingegangen und habe sie stattdessen geblendet, was sich erst nach entsprechender Reue und Abbitte wieder rückgängig machen ließ 161 : Quedam domina de Anglia varios oculos habere ob lasciviam et maiorem pulchritudinem affectabat. super hoc votum vovens nudis pedibus sepulcrum beati Thome visitavit. que cum in oratione prostrata iaceret, surgens invenit se penitus excecatam. statimque penitens cepit rogare beatum Thomam ut iam non varios, sed saltem suos sibi redderet. quod tandem cum multa difficultate vix valuit obtinere. Eine bestimmte Dame aus England trachtete danach buntschillernde Augen zu haben wegen der Geziertheit und der größeren Schönheit. Nachdem sie ein diesbezügliches Gelöbnis abgelegt hatte, besuchte sie mit nackten Füßen das Grabmal des Heiligen Thomas. Als sie betend dagelegen hatte, entdeckte sie beim Aufstehen, dass sie völlig erblindet war, und weil sie Reue empfand, begann sie sofort, den Heiligen Thomas anzuflehen, dass er ihr keine buntschillernden Augen mehr geben, aber wenigstens ihre eigenen zurückgeben möge. Dies vermochte sie zuletzt unter großer Schwierigkeit zu erreichen. Erneut ist bezeichnend, dass Jacobus diese Wundergeschichte direkt auf eine allgemeine Äußerung zur Krankenheilung am Grab des Heiligen folgen lässt (11,49-50: multa insuper et alia miracula per sanctum suum dominus operari dignatus est. meritis enim eius cecis visus, surdis auditus, claudis gressus, vita mortuis restituta sunt. - “Noch viele andere Wunder vollbrachte der Herr bereitwillig durch seinen Heiligen. Denn durch dessen Verdienste 159 Zur Entwicklung des Pilgerwesens am Grab des Heiligen in den ersten Jahren nach seinem Ableben cf. Foreville 1981. 160 Von dieser Erwähnung in der ‘Legenda aurea’ oder jedenfalls von der durch die ‘Legenda’ repräsentierten Tradition hängen ab die Belege im ‘Speculum laicorum’ (Welter 1914, 106 [Nr. 546]) und im spanischen ‘Libro de los enxemplos’ von Clemente Sánchez de Vercial (Text bei Gayangos 1860, 522 [Nr. 315] bzw. Keller 1961, 286 [Nr. 371]; Übersetzung bei Keller, Keating, Furr 1992, 247). 161 Zitiert nach Maggioni 1998, 106 f. <?page no="142"?> Anhang 128 wurde den Blinden die Sehkraft, den Tauben das Hörvermögen, den Lahmen der Gang und den Toten das Leben zurückgegeben.”), wie denn überhaupt die Blindenheilung zu den regelmäßigen Wundertaten des Heiligen zählte 162 . Es dürfte also auch dieser Erzählung gewisse aitiologische Funktion zugekommen sein, und man kann annehmen, dass in den kaum hundert Jahren, die zwischen dem Tod Beckets (1170) und der Abfassung der ‘Legenda aurea’ (1263-1267) lagen, ein Rückgriff auf die kontinentaleuropäischen (spätantiken) Heiligenviten erfolgte, der zur Herausbildung dieser Legende vom Heiligen Thomas führte. Ob die Übernahme eines solchen Erzählmotivs auf dem Weg der rein mündlichen Weitergabe oder auf dem schriftgebundener Rezeption erfolgte, ist dann eigentlich nur noch von sekundärer Bedeutung 163 . 162 Cf. die Beispiele im ‘Additamentum secundum’ zur ‘Vita Sancti Thomae quarta et quinta’ (‘Patrologia Latina’, Vol. 190, col. 232-234). 163 Ein mögliches Indiz für eine ältere englische Tradition der Motive ist eine Geschichte aus der ‘Historia ecclesiastica’ des Beda Venerabilis (Hist. eccl. 2,2; Colgrave, Mynors 1991, 136), wo der päpstliche Gesandte Augustinus mit Gebeten einen Blinden heilt und so die Überlegenheit seines Glaubensverständnisses über das seiner britischen Konkurrenten demonstriert (... adlatus est quidam de genere Anglorum oculorum luce privatus. qui cum oblatus Brettonum sacerdotibus nil curationis vel sanationis horum ministerio perciperet, tandem Augustinus iusta necessitate conpulsus flectit genua sua ad Patrem Domini nostri Iesu Christi, deprecans ut visum caeco quem amiserat restitueret, et per inluminationem unius hominis corporalem in plurimorum corde fidelium spiritalis gratiam lucis accenderet. nec mora, inluminatur caecus, ac verus summae lucis praeco ab omnibus praedicatur Augustinus. - “... da wurde ein Mann aus dem Volk der Engländer herbeigebracht, der seines Augenlichts beraubt war. Als dieser den Priestern der Briten vorgeführt wurde, konnte er durch deren Dienste keine Heilung oder Genesung erlangen. Endlich bog Augustinus, durch gerechte Notwendigkeit veranlasst, seine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus und betete darum, dass er dem Blinden die Sehkraft, die er eingebüßt hatte, wieder herstelle und dass er durch die körperliche Erleuchtung eines Menschen im Herzen vieler Gläubigen die Gnade des geistigen Lichtes anzünde. Es dauerte nicht lange, da wurde der Blinde erleuchtet, und Augustinus wurde von allen als der wahre Herold des höchsten Lichtes gerühmt.”). Es liegt hier also wie im sonstigen Muster eine Koppelung von Blindenheilung und religiöser Einsicht vor. Allerdings handelt es sich nicht um Strafblindheit, sondern um krankheitsbedingte Sehschwäche, und im Vergleich mit den anderen Erzählungen steht weniger die richtige Einsicht des Patienten im Zentrum und mehr die seines Heilers. Es kann daher nicht als wahrscheinlich gelten, dass mit der Geschichte von Augustinus eine Abwandlung unseres Erzählmotivs vorliegt, zumal Beda auch sonst Interesse für das Thema der Blindenheilung zeigt (Hist. eccl. 4,32; Colgrave, Mynors 1991, 446-448). <?page no="143"?> Blendung und Heilung 129 4 Bilanz Versucht man die bisher vor allem nach einem historisch-geographischen Prinzip geordneten Erzählungen nun abschließend auch noch typologisch zu klassifizieren, so bietet sich zunächst eine Einteilung nach den jeweiligen Verursachern der Blindheit an. Man könnte die Geschichten also in solche einteilen, in denen die Blindheit von einer Gottheit herbeigeführt wird, und in solche, in denen ein Mensch entsprechendes bewirkt. Dies hätte aber verschiedene negative Konsequenzen. So würde etwa das Beispiel mit der Blendung des Paulus durch den christlichen Gott - das Damaskus-Erlebnis - von dem Beispiel mit der Blendung des Zauberers Elymas durch Paulus getrennt werden, obwohl Paulus in beiden Erzählungen die Rolle eines Protagonisten innehat und obwohl beide Erzählungen Teil der Apostelgeschichte sind 164 . Ebenso problematisch an einer solchen Klassifikation wäre, dass dann lebende Heilige wie der irische Findian in dieselbe Kategorie fallen würden wie der bereits verstorbene Thomas Becket, und dass der irische Abt Kiaran der Ältere und die isländische Bauerntochter Thorbjörg gleich behandelt würden, obwohl ihre Art zu agieren eine jeweils sehr unterschiedliche ist. Sinnvoller als eine solche Unterscheidung, die rein nach den Personen gezogen wird, ist daher sicherlich eine Unterscheidung, die den Kontext der jeweiligen Erzählung berücksichtigt, d.h. eine Unterscheidung, die der Frage Rechnung trägt, ob die jeweilige Blendungsgeschichte an ein Blindenheilzentrum gebunden ist, oder ob sie in freier Form besteht. Zu den Geschichten, die in freier Form bestehen, zählen beispielsweise die zwei soeben genannten Beispiele aus der Apostelgeschichte, die drei Beispiele aus den Schriften des Ps.-Plutarch 165 und sämtliche bekannte Beispiele aus Irland. Da also sehr unterschiedliche geographische Bereiche betroffen sind, ist der Schluss auf ein Wandermotiv, den O. Weinreich und F. Dornseiff gezogen haben, durchaus berechtigt. Mindestens so verbreitet wie diese frei zirkulierenden Erzählungen sind aber die Beispiele unseres Motivkomplexes, die an ein Blindenheilzentrum gebunden waren. Dazu zählen vor allem die auf Isis bezogenen Erzählungen und diejenigen Geschichten, die von der Isis-Religion abhängen dürften, also die osteuropäischen Marienlegenden, die Erzählungen, die sich um die beiden ägyptischen Heiligen Kyros und Johannes gebildet haben, und die Geschichten über die westeuropäischen Heiligen Martin von Tours, Julianus von Vienne und Thomas Becket. Doch auch für die Geschichte vom Konflikt zwischen Kö- 164 Act. Apost. 9,3-9 bzw. 13,8-12. 165 Ps.-Plut. Parall. minora 17a, 309 f; Parall. minora 17b, 309 f - 310 a; De fluviis 22,5. <?page no="144"?> Anhang 130 nig Pheros und dem Nil gilt nach den neuen Papyrusfunden dasselbe 166 . Immer sind diese Erzählungen an Personen geheftet, die kraft ihrer Stellung als Gott oder als verstorbener Heiliger über übernatürliche Kräfte verfügen, und immer ist der Motivkomplex von Blendung und Heilung nur sekundärer Ausdruck eines Glaubens an die Heilwirkung dieser Personen an ihren Kultstätten. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass in diesen Erzählungen - erinnert sei hier nur noch einmal an Tolstojs General - nicht selten das Motiv des Traums aufscheint, der dem Sünder selbst oder einer Person aus seinem Umfeld 167 den entscheidenden Hinweis auf die Ursache der Erblindung und auf mögliche Wege zur Rückgewinnung des Sehsinns gibt. Dieses Motiv ist vielmehr organischer Teil dieses Erzählmusters und stellt ganz einfach das narrative Pendant zu den Inkubationsriten dar, die regelmäßig auf dem Prinzip des Heiltraums basieren. Von Wandermotiven zu sprechen, wäre in diesen Fällen somit verfehlt, weil die Erzählmotive eben nur genau so weit gewandert sind, wie auch die Kultformen sich ausbreiteten. Denn die jeweilige Erzählung blieb stets an einen bestimmten Kultort und an die dort praktizierten Kultformen gebunden. Fragt man nun nach der Beziehung, die zwischen diesen beiden soeben etablierten Erzähltypen besteht, so liefert uns den vielleicht deutlichsten Fingerzeig die Damaskus-Episode aus den ‘Actus Apostolorum’. Denn die Geschichte ist offenbar an kein bestimmtes Kultzentrum gebunden und kennt sogar einen ungefähren Vorläufer in der Geschichte aus dem Buch ‘Tobit’ im Alten Testament 168 . Von Bedeutung dürfte aber sein, dass auch in dieser Episode der von Gott geschickte Traum eine bestimmte Rolle spielt. So träumt der Jünger Hananias in Damaskus, wie Gott ihn auffordert, Saulus zu heilen 169 , und auch Saulus antizipiert das Geschehen in einem Traum 170 . Dies sind nun sicher keine aus dem Rahmen der Bibel 166 Um genau zu sein, ist auch auf dem Papyrus (P. Petese II) nicht von einem Blindenheilzentrum die Rede, doch scheint deutlich, dass der erblindete Pheros sich einem Inkubationsritus unterzieht, und dieser kann wiederum nur an einer Kultstätte erfolgen, die eben über entsprechendes Heilpotential verfügt. 167 Diese zweite Möglichkeit ist realisiert in der Erzählung von Vatopädi, wo Maria nicht dem fehlbaren Mönch selbst im Traum erscheint, sondern seinem Abt (so impliziert bei Spunda 1962, 101 und deutlich ausgeführt bei Panagiotis 1961, 96). 168 In unseren Zusammenhang eingeordnet von Dornseiff 1933, 33. Allerdings ist die (vorübergehende) Blindheit des Tobit weniger das Resultat einer persönlichen Verfehlung als das eines Missgeschicks (Tob. 2,10), und das Buch ‘Tobit’ dürfte erst im 2. Jh. v. Chr. verfasst worden sein (Einheitsübersetzung 2005, 485). 169 Act. Apost. 9,10 (... ? &= #,3#9 31: / &@+: 9 09 D1*μ&+! D ? ; 1! 6/ ... - “... und der Herr sprach in einer Traumerscheinung zu ihm ...”). 170 Act. Apost. 9,12 (? &= #,$#9 59$1& 29&9'&9 E9>μ&+! #.-#<">9+& ? &= 03! "(9+& &@+4 )#'1&/ B3A/ 89&%<(C7. - “Und er sah einen Mann namens Hananias, der eintrat und ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehe.”). <?page no="145"?> Blendung und Heilung 131 fallenden Motive, aber sie passen eben doch sehr gut zu unserem zweiten kultisch gebundenen Erzähltypus. Auffällig ist ja auch, dass erst die Apostelgeschichte mit der Erzählung von Paulus und Elymas das überhaupt erste Beispiel für die vorübergehende Blendung eines Sünders durch einen lebenden Heiligen ist und dass der Typus auch danach relativ selten bleibt 171 , bis dann im frühen Mittelalter in Irland die geschilderten Motivübertragungen stattfinden. Es ist also denkbar, das wir mit dem Damaskus-Erlebnis des Paulus einen wichtigen Scharnierpunkt in der Geschichte unseres Motivs fassen und dass erst diese Episode wesentlich dafür verantwortlich war, dass aus der Motivkette von Blendung und Heilung ein freies Wandermotiv werden konnte, das sich von seinen kultischen Wurzeln löste. Ebenfalls eine Sonderstellung unter den bisher besprochenen Erzählungen nehmen die Erzählung von Thormod und Thorbjörg und diejenige von Stesichoros und Helena ein. Denn auch diese Erzählungen sind nicht an bestimmte Blindenheilzentren gebunden, auch sie enthalten das Motiv des Traums 172 , und die Rückbindung an die kultischen Motive ist hier sogar noch etwas stärker als in den ‘Actus Apostolorum’. Dementsprechend dient der Traum in diesen Geschichten nicht nur der Information des Traumempfängers, sondern hat auch selber bereits - ähnlich wie in einem Inkubationsritus - eine direkte, wenn auch negative Auswirkung auf die Gesundheit des Träumenden. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Erzählung von Thormod und Thorbjörg 173 . Doch auch in Isokrates’ Bericht von der Erblindung des Stesichoros scheint durchzuschimmern, dass der Traum oder doch wenigstens der Schlaf eine entscheidende Veränderung im Leben des Dichters bewirkt 174 . Es handelt sich bei diesen Erzählungen also um Übertragungen von kultisch bedingten Erzählmotiven auf davon unabhängige Erzählzusammenhänge. Dass man in diesen Fällen dennoch nicht von freien Wandermotiven sprechen sollte, die auf beliebige Akteure übertragen werden könnten, zeigen die beiden als strafende und wieder heilende Instanz auftretenden Personen, also Thorbjörg und Helena. Diese 171 E. Lesky 1954, 444 nennt für diese Ausprägung unseres Motivs neben der Geschichte aus den ‘Actus Apostolorum’ nur die oben erwähnten Episoden aus den ‘Acta Philippi’, wobei bemerkenswerterweise der dortige Widersacher Philipps denselben Namen trägt wie der Helfer und Heiler in der Apostelgeschichte. 172 Für Stesichoros belegt in PMGF TA 19 (= ‘Suda’, ! 1095 Adler). 173 Cf. die Übersetzung der Passage bei von Mendelssohn 1912, 200 f. und die Bemerkungen zur Besonderheit des Traums bei Kelchner 1935, 62 f. (“... instead of giving true indication of occurrences outside it, the dream is itself the event, and the appropriate physical consequences of activities taking place within the dream frame are carried over into the waking state.”). 174 Isoc. 10,64; cf. die Besprechung der Passage in Kap. 6.2 sowie oben in Abschnitt 2 des Anhangs die Anm. 81 mit dem Hinweis auf die Interpretation der Stelle durch Bowie 1993, 26 f. <?page no="146"?> Anhang 132 agieren nämlich mit einer Macht, wie sie nur einer großen Göttin zukommt, und dies ist kein Zufall. Denn Thorbjörg hat ihre Macht nach unserer Analyse von Maria ererbt und damit indirekt von Isis, und auch die Eifersucht und Aktionsbereitschaft, die Stesichoros Helena zubilligt, ist ein Wesenszug, den sie höchstwahrscheinlich von Isis erhalten hat. Es spricht für das poetische Genie des Stesichoros, dass er nicht nur die genannte Herauslösung der Erzählmotive aus ihrem ursprünglich kultischen Zusammenhang vornahm, sondern sie durch die Übertragung auf den Helena-Kult von Sparta gleich wieder in einen neuen religiösen Zusammenhang stellte, aber damit gleichzeitig auch verdeutlichte, dass er diesen Zusammenhang nun aus ganz eigener Perspektive betrachtete 175 . Ebenso deutlich wie die religionsgeschichtliche Verortung unserer Motive ist nun auch ihre geographische Herkunft. Denn sowohl die nicht kultisch gebundenen Beispiele wie auch die mit kultischem Hintergrund sind gut im nahöstlichen Bereich verankert. Die herausragenden Beispiele sind die Geschichte von König Pheros, das Damaskus-Erlebnis des Apostels Paulus und die Belege zur großen Göttin Isis, wobei es sich nicht nur um relativ frühe Beispiele handelt, sondern auch um solche, die voneinander unabhängig sind, sodass der Typus auch schon vor Entstehung der einzelnen bekannten Beispiele im Nahen Osten präsent gewesen sein dürfte. Die Annahme einer indogermanischen Herkunft unserer Motive wäre dagegen schwierig. Denn es sind zwar viele unserer Belege im indogermanischen Bereich beheimatet wie beispielsweise die neugriechischen und russischen Marienlegenden, die isländische Erzählung von Thormod und Thorbjörg oder die irischen Heiligenlegenden. Aber diese Belege lassen sich dann doch immer leicht als Ableger der nahöstlichen Belege verstehen, und umgekehrt scheint es weite indogermanische Bereiche wie beispielsweise den indischen Sprachraum zu geben, in denen unser Erzählkomplex mindestens zu dieser frühen Zeit nicht belegt ist. Dass die Zeugnisse sich insbesondere in Ägypten häufen und dass einer der hauptsächlichen Belege einen Konflikt des Pharao mit dem Nil nachzeichnet, mag seinen guten Sinn haben, weil Blindheit in Ägypten bis in die moderne Zeit hinein eine häufige Erscheinung war und nicht zuletzt durch den Kontakt mit bakteriell verunreinigtem Nilwasser ausgelöst werden konnte 176 . Ein letzter Beleg für unsere These von der nahöstlichen Herkunft des Motivkomplexes von Blendung und Heilung und von seiner Abhängigkeit von Inkubationsriten ist ein weiteres von F. Dornseiff herangezogenes Bei- 175 Cf. die näheren Erläuterungen oben in Kap. 7. 176 Es handelt sich um das Trachom, die sogenannte ‘Ägyptische Körnerkrankheit’, die überhaupt die häufigste Augenerkrankung der Welt ist und vornehmlich in trockenheißen Gebieten auftritt. Die Erblindung ist nicht zwangsläufige Folge der Infektion, tritt aber häufig als Spätfolge ein; cf. Sachsenweger 2003, 81-83. <?page no="147"?> Blendung und Heilung 133 spiel 177 , nämlich eine Erzählung aus dem Schlussteil des Aristeas-Briefes, der erklärt, wie es zu der kanonischen griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, kam. Bei diesem Brief handelt es sich zwar um einen griechisch verfassten Text, und die von der Blindheit betroffene Person ist der griechische Tragödiendichter Theodektes. Doch wurde diese wohl im zweiten Jahrhundert v. Chr. entstandene Schrift sicherlich von einem jüdischen Autor verfasst und trägt damit eindeutig die Gesichtszüge nahöstlicher Erzähltraditionen 178 . Nach dieser Erzählung habe der im vierten Jahrhundert aktive Theodektes den Versuch unternommen, Passagen der Bibel in eines seiner Dramen einzubauen und sei dafür mit Blindheit gestraft worden; erst als er die Ursache für seine Krankheit erkannte und Gott um Verzeihung bat, sei sein Augenlicht zurückgekehrt (Aristeas-Brief, § 316 = TrGF 1,72 T 17: >! L 9! -0 *B: M%>(: & M/ (: E (C< (-! ODM? C< 9: ? A(: E μB(%=! Q: < 6O8, M? P(? 9! -! $%-B? < μ%==: <(P+ (? (C< 7<! OBO-! μμ%<R< 6< (G Q#Q=D 9-P+ (? M-Iμ! (0+ 4"B? + 79BO=! &>8@A, >! L =! QJ< 19P<: ? ! < 3(? M? 0 (: E(H ! 2(. (K )Nμ9(Rμ! O%O: <B<, 6; ? =! )'μB<: + (K< @BK< 6< 9: ==! F+ 5μ%-! ? + 79: >! (%)(A. - “Ich habe auch von dem Tragödiendichter Theodektes erfahren 179 , dass er, als er etwas, das in der Bibel steht, in eines seiner Dramen übernehmen wollte, an den Augen am Star erkrankte. Und als er den Verdacht schöpfte, dass ihm dies aus diesem Grund widerfahren sei, flehte er Gott an und wurde nach vielen Tagen wieder hergestellt.”). Auch wenn die genaue Ursache für die Verbindung des Motivs mit Theodektes nicht mehr feststellbar ist, so liegt hier doch deutlich Propaganda des Judentums von Alexandria vor, das seine Interessen gegenüber dem griechischen Kulturraum wahren wollte und daher bemüht war, sein ‘Monopol’ auf die griechischen Übersetzungen des Alten Testaments aufrechtzuerhalten. Jedenfalls folgt die Äußerung zu Theodektes unmittelbar auf eine Passage zum Unglück des griechischen Historikers Theopompos, der versucht habe, übersetzte Passagen aus der Bibel in sein Geschichtswerk einzufügen, und dafür mit geistiger Verwirrung bestraft worden sei. Auch Theopompos genas erst wieder, als er von seinem Unterfangen Abstand nahm, und bezeichnenderweise erhielt Theopompos die Weisung für das nötige weitere Vorgehen in einem von Gott geschickten Traum 180 . Es kann also kein Zweifel bestehen, dass auch diese Motive von nahöstlicher und nicht von griechischer Herkunft sind, und wenn diese Beispiele auch, soweit wir urteilen können, nicht direkt an ein Zentrum zur Blindenheilung angebun- 177 Dornseiff 1933, 33. 178 Cf. Pelletier 1962, 56-58 und Brodersen 2008, 9-11. 179 Es spricht der Philosoph Demetrios von Phaleron, der Vorstand der Bibliothek von Alexandria, der im Auftrag von König Ptolemaios II. die autorisierte Bibelübersetzung veranlasst hatte und nun die Frage des Königs beantworten muss, wie es kommt, dass kein älterer Historiker oder Dichter die Bibel erwähnt. 180 Aristeas-Brief, § 314-315 (= Theopomp. Hist. FGrHist 115 T 11). <?page no="148"?> Anhang 134 den sind, so stehen eben auch sie durch die Aufnahme des Traummotivs in der Tradition echter Inkubationsriten und davon abhängiger Erzählformen 181 . Der Erzählkomplex von Blendung und Heilung ist also - vielleicht schon in der ägyptischen Spätzeit (ca. 760-340 v. Chr.), spätestens aber seit hellenistischer Zeit - im Ritual der Inkubation verankert 182 und diente dazu, den auf diesem Weg versuchten Blindenheilungen die nötige Aufmerksamkeit zu sichern 183 . Wollte man trotz dieser eindeutigen Beleglage die These einer eigenständigen griechischen Entwicklung vertreten, für die die Legende von Helena und Stesichoros nur ein zufälliges Beispiel wäre, so könnte man sich allenfalls auf das bereits oben in Kap. 6.3 erwähnte Zeugnis aus dem Asklepios-Heiligtum von Epidauros berufen (IG 4 2 122 [= SIG 3 1169], Z. 7- 9: .-μ=5 ([')>2+. E2HE2]5 EC@835 1: 5E% ,')%E2, μ"E< #9 E2HE2 E< G%E-% 2D; 4/ '$25E[% F A": + 5>5] 1/ : ! )" EC@835 %? A>+* 4@>; : μ"525 #0 %DE35 ; %6 / '8>5 1$; %A"[7#25E% B$>]I ; %E&)E%)". - “Hermon von Thasos. Diesen heilte er [sc. der Gott Asklepios], als er blind war. Danach aber, als er die Heilungskosten nicht entrichtete, machte der Gott ihn wieder blind; als er aber zurückkam und wieder hier schlief, machte er ihn gesund.”). Da diese Inschrift um das Jahr 320 v. Chr. datiert ist, könnte sie unter Umständen als Beleg für einen wenn auch dünnen, so doch kontinuierlichen Traditionsstrom gedeutet werden, für den mit den drei Belegen von Ps.-Plutarch weitere griechische Beispiele in der Kaiserzeit vorlägen. Allerdings wäre dies dann doch ein sehr vereinzelter Beleg, der selbst in der reichen Dokumentation des Kultzentrums von Epidauros kaum Parallelen findet 184 . 181 Die Geschichte von der Blindheit des Theodektes hat also nach dieser Analyse einen ähnlichen Status wie das Damaskus-Erlebnis des Paulus und markiert den Übergang von kultischen gebundenen Motiven zu freien Erzählformen. 182 Ein weiteres ägyptisches Beispiel aus frühhellenistischer Zeit, das Weinreich und Dornseiff noch nicht kennen konnten, liegt vor auf einem demotischen Ostrakon aus dem Amun-Tempel von Karnak. Nach diesem Text wandte sich ein an Blindheit erkrankter Diener des Amun an seinen Gott mit der Bitte um Heilung und genas auch wirklich, nachdem er eine Nacht im Tempel des Gottes verbracht hatte (cf. die Übersetzung bei Malinine 1960, 254 f., leicht abweichend Volten 1961, 130). Auch diese Erzählung ist kaum anders zu verstehen denn als Hinweis auf eine Situation der Inkubation und des so empfangenen Traums und auf Ratschläge zur Behandlung, die auf diesem Weg vermittelt wurden (so Volten 1961, 131 f., Ray 1975, 188 Anm. 13 und Vernus 1986, 746). 183 Solche werbende Wirkung konnten auch Geschichten entfalten, in denen die Blindheit natürliche Ursachen hatte und nicht Folge eines vorangegangenen Frevels war, wie etwa die oben in Abschnitt 1 genannten russischen und ukrainischen Erzählungen von Brjansk und Po"aev oder die zuletzt referierte Geschichte des Amun- Priesters Thothertais. Doch bildete die drastischere Version, die das Motiv der Strafblindheit enthielt, sicher einen noch weitaus stärkeren Appell an die Gläubigen. 184 Vergleichbar sind lediglich die auf denselben Stelen verzeichneten Wunder von IG 4 2 121 (= SIG 3 1168), Z. 90-94 und IG 4 2 123, Z. 71-76. Doch ist im ersten Fall die Blind- <?page no="149"?> Blendung und Heilung 135 Auffällig ist auch, dass die Heilung Hermons auf dem Weg der Inkubation erfolgt und dass diese Heilung zuvor verhängter Strafblindheit in Epidauros durch eine ganze Reihe gewöhnlicher Blindenheilungen flankiert ist 185 . Es handelt sich also um genau dieselbe Dichotomie zwischen einer herausragenden Geschichte von Strafblindheit und Heilung und einer Vielzahl von normalen Blindenheilungen, wie wir sie für die verschiedenen Inkubationsstätten und Blindenheilzentren nun schon so oft angetroffen haben. Die Geschichte von der Heilung Hermons in Epidauros ist somit kein in erster Linie narratives Phänomen, sondern sie ist ein Ausfluss des verstärkten Interesses für Inkubationsriten, wie es zur Zeit der ausgehenden Klassik und des Übergangs zum Hellenismus in verschiedenen Gegenden des östlichen Mittelmeerraums festzustellen ist. Etwas spezifisch Griechisches haftet dieser Erzählung daher nicht an. Möglicherweise kann man sogar noch etwas weiter gehen. Denn eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass Hermon zunächst von natürlicher Erblindung betroffen ist und vom zuerst noch wohlwollenden Gott anstandslos geheilt wird, und erst danach, nach Verweigerung einer angemessenen Bezahlung, von der nunmehr erzürnten Gottheit geblendet und zuletzt wieder geheilt wird. Damit zeigt die Erzählung von Hermon genau denselben Ablauf, den wir auch oben in den Heilungsgeschichten von Menuthis, die in der Tradition der lokalen Isis-Verehrung stehen, mehrfach angetroffen haben 186 . In diesem Zusammenhang mag es nun von Bedeutung sein, dass wir nur rund zehn Jahre vor der schriftlichen Niederlegung des Vorfalls um Hermon den ersten deutlichen Beleg für einen Kult der Isis in Griechenland haben. Es handelt sich um eine Inschrift aus Piräus aus dem Jahre 333/ 332, in der Händlern aus der zypriotischen Stadt Kition das (seltene) Recht eingeräumt wird, auf attischem Boden einen eigenen Kult für ihre Landesgöttin Aphrodite einzurichten, was zuletzt mit dem Präzedenzfall der Einrichtung eines Isis-Kultes durch Bürger von Ägypten begründet wird (RICIS 101/ 0101 [= Vidman SIS 1 = IG 2 2 337], Z. 42-45: / 93"250 / 9% 4( $)8*2,141 ,# ,! . &-174. (50#6 '70+6,91 - “wie auch die Ägypter das Heiligtum der Isis errichtet haben”). Wahrscheinlich befand sich auch diese Kultstätte in Piräus und diente als religiöses Zentrum für die heit weniger das Resultat göttlicher Bestrafung als persönlichen Ungeschicks und im zweiten Fall lässt der lückenhafte Text keine sichere Lesung zu; cf. den Restitutionsversuch von Herzog 1931, 30 f. Bemerkenswert auch, dass ein berühmter Text zum Asklepios-Kult im Athen des frühen 4. Jh.s wohl die Motive der Inkubation und der Blindenheilung kennt, aber nichts von vorgängiger Strafblendung weiß (Aristoph. Pl. 653-747) und damit im Einklang steht mit den sonstigen prähellenistischen (wie auch mit den auf unsere Inschrift folgenden) Vorstellungen zum Wirken des Asklepios. 185 Cf. die zusammenfassende Besprechung der einschlägigen Heilwunder durch Herzog 1931, 95-97. 186 Sophronios, ‘Narratio’, Kap. 37 (Johannes) und 38 (Stephanos). <?page no="150"?> Anhang 136 Vertreter einer ägyptischen Handelsniederlassung. Da die Erinnerung an dieses Privileg im Jahre 333/ 332 offenbar noch frisch war, dürfte es sich zudem um eine nicht sehr weit zurückliegende Stiftung gehandelt haben, und die wahrscheinlichste Annahme ist daher, dass die Einrichtung des Kults in die Regierungsjahre des athenischen Schatzmeisters Lykurgos (338-326) fiel, also im Zeitraum zwischen den Jahren 338 und 332 stattfand 187 . Eine völlige Neuerung war im übrigen auch dies nicht, weil in Griechenland seit der Zeit des späteren fünften Jahrhunderts ein gewisses allgemeines Interesse für die Religionen Ägyptens 188 und insbesondere für den Isis-Kult feststellbar ist 189 . Dass nun gerade in Epidauros Beispiele für Blindenheilungen vorliegen, die so enge Übereinstimmungen mit denen aus dem Isis-Kult zeigen, scheint durchaus bezeichnend. Denn Isis hatte als Heilgöttin eine natürliche Affinität zu Asklepios, was sich unter anderem in verschiedenen Belegen für eine gemeinsame Verehrung dieser Gottheiten ausdrückt 190 , und so wäre es nur naheliegend gewesen, um Isis kreisende Erzählinhalte auch auf Asklepios zu übertragen. Wenn diese Hypothese also korrekt ist, so wären beide griechischen Belege für Strafblindheit und anschließende Heilung, die aus vorrömischer Zeit datieren, also die Geschichte von Stesichoros ebenso wie die von Hermon, direkt von der Isis-Religion abhängig. Isis ist jedoch auch unabhängig von dieser Hypothese sicherlich die prominenteste Gottheit, der solche Macht zu Blendung und Heilung zugebilligt wurde, und sie ragt damit selbst über die anderen nahöstlichen Gottheiten, denen dies zugetraut wurde, wie den Flussgott Nil oder den christlichen Gott der Damaskus-Episode noch einmal deutlich hinaus. Die Grundlage für diese herausragende Stellung dürfte eben die Anbindung unseres Erzählmusters an eine Vielzahl von Kultstätten mit Therapiecha- 187 Cf. Dow 1937, 185 und Simms 1988/ 1989. 188 So insbesondere belegt für Lykurgos’ gleichnamigen Großvater in verschiedenen Anspielungen athenischer Komiker (Cratin. Frg. 32 K.-A.; Pherecr. Frg. 11 K.-A.; Aristoph. Av. 1296); cf. die Besprechung der Zeugnisse durch Simms 1988/ 1989, 217. 189 So zu schließen aus dem theophoren Namen Isigenes, der für einen um 400 v. Chr. geborenen Bürger der attischen Gemeinde Rhamnus belegt ist (IG 2 2 1927, Z. 148- 150); cf. Dow 1937, 221 und 228 f. 190 Solche Belege für eine Verehrung der Isis in Epidauros sind jedenfalls in der Kaiserzeit recht häufig; cf. RICIS 102/ 0401, RICIS 102/ 0403 (= Vidman SIS 36 = IG 4 2 534), RICIS 102/ 0404 (= SEG 32, 1982, Nr. 387) und RICIS 102/ 0405 (= Vidman SIS 38 = IG 4 2 742). Besonders interessant ist Paus. 2,27,6, der von einem gemeinsamen Kult für Hygieia, Asklepios und Apollon spricht, den ein römischer Senator in Epidauros im 2. Jh. n. Chr. unter den ägyptischen Namen der Gottheiten eingerichtet habe (-$*- &%(0'# ,+).$/ *! '"), womit nach aller Wahrscheinlichkeit Isis, Sarapis und Anubis gemeint sind; cf. Bricault 2001, 6 und 8 sowie Dow 1937, 215, der weitere Hinweise auf gemeinsame Kulte für Asklepios und Isis bzw. Sarapis gibt. <?page no="151"?> Blendung und Heilung 137 rakter gewesen sein. Der Deutlichkeit halber seien daher an dieser Stelle noch einmal die Indizien, die zu dieser These führen, zusammengestellt: - Literarische Zeugnisse, wonach Isis fehlbare Menschen blenden konnte, liegen vor bei Lukillios und Juvenal 191 . - Verschiedene epigraphische und archäologische Zeugnisse aus hellenistischer Zeit deuten auf Blindenheilungen durch Isis an mehreren griechischen Kultzentren hin 192 . - Der Historiker Diodor von Sizilien spricht in einem längeren Exkurs unter Berufung auf ägyptische Quellen von Inkubationen, dadurch hervorgerufenen Träumen und auf diese Weise erfolgten Blindenheilungen in den ägyptischen Kultzentren der Isis 193 . - Ovid bezeugt im ersten Brief seiner ‘Epistulae ex Ponto’ die Glaubensvorstellungen der Anhänger von Isis, die vorgaben, nach schweren persönlichen Verfehlungen solche Blendungen und Heilungen erlebt zu haben 194 . Bezeichnenderweise situiert selbst der römische Dichter solche Vorfälle noch in den Heiligtümern der Isis 195 . - Die Inkubation im Heiligtum der Isis im ägyptischen Menuthis ist sicher bezeugt 196 . Die Erzählungen von der Wirkung der Märtyrer Kyros und Johannes an ihrem Grab in Menuthis und insbesondere die dort zirkulierenden Geschichten von der Blendung verschiedener Frevler und von ihrer Heilung nach Inkubation und Traum setzen offensichtlich diesen Kult der Isis bzw. die daran hängenden Erzähltraditionen fort 197 . - Die ostkirchlichen Marienlegenden, die mehrfach die gesamte Motivkette von ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ in reiner Form aufweisen, hängen mit größter Wahrscheinlichkeit von der Verehrung der Isis ab 198 . Somit liegt zwar kein Beleg vor, der die gesamte Motivkette von ‘Verfehlung’, ‘Blendung’, ‘Aufklärung im Traum’, ‘Abbitte’ und ‘Heilung’ aufweist und gleichzeitig auf die Verbindung dieser Motivreihe mit einem 191 Anth. Pal. 11,115; Iuv. 13,92-94. 192 Blindenheilungen in Maroneia: RICIS 114/ 0202 (= SEG 26, 1976-1977, Nr. 821, Z. 6- 7); Blindenheilungen auf Delos: Roussel 1916, 227 f. und 290 f. (Funde von ex-voto- Augen). 193 Diod. Sic. 1,25,2-5. 194 Ov. Pont. 1,1,51-58. 195 V. 51 f. (vidi ego linigerae numen violasse fatentem / / Isidis Isiacos ante sedere focos. - “Ich habe gesehen, wie einer, der kundtat, den Willen der leinentragenden Isis verletzt zu haben, vor dem Opferaltar der Isis saß.”). 196 Zacharias Rhetor, ‘Vita Severi’ (Kugener 1907, 18 und 20). 197 Sophronios von Jerusalem, ‘Narratio miraculorum sanctorum Cyri et Ioannis’, Kap. 31, 37 und 38. 198 Cf. oben Abschnitt 1. <?page no="152"?> Anhang 138 Kult- und Heilzentrum der Isis hindeutet. Die einzelnen Elemente dieses Komplexes finden aber doch immer wieder Erwähnung, und insbesondere die Geschichten von der Blendung und Heilung verschiedener Frevler am Grab der Märtyrer Kyros und Johannes in Menuthis kommen einem Beweis so nahe wie nur möglich. Diese Kultpraxis, die in den Heiligtümern der Isis statthatte, und die Geschichten, die sich an diese Praxis anschlossen, fanden dann vor allem im ostkirchlichen Marienkult und in der spätantiken und mittelalterlichen Heiligenverehrung ihre Fortsetzung. Bei dieser Ausstrahlung, die der Isis-Kult offensichtlich hatte, ist es also nicht überraschend, wenn sich auch schon einige Jahrhunderte zuvor in Griechenland Ableger davon bildeten. Vom Standpunkt der vergleichenden Erzählforschung her ist es daher durchaus plausibel, dass bereits Stesichoros die Motivkette in freier Weise von Isis auf Helena übertrug 199 und dass das erst in der späten Quelle der ‘Suda’ belegte Traummotiv somit auf den Dichter selbst zurückgeht. Es mag uns also gestattet sein, wenn wir - im Sinne eines heiteren Ausklangs - zuletzt noch einmal auf die Wundererzählungen des Sophronios und insbesondere auf den Bericht zur Heilung seiner eigenen Blindheit zurückkommen. Denn nachdem Sophronios bereits über längere Zeit hinweg an Blindheit gelitten hatte, aber von weltlichen Ärzten nicht hatte geheilt werden können, begab er sich nach Menuthis, um die Hilfe der Heiligen Kyros und Johannes zu suchen. Diese befanden ihn denn auch der Heilung würdig und zeigten sich ihm daher im Traum, wenn sie auch die Gestalt anderer Personen annahmen (Sophronios von Jerusalem, ‘Narratio miraculorum sanctorum Cyri et Ioannis’, Kap. 70,8-10 200 ): (§ 8) =-G(&%D&O) BRD ^T&H F^I1 S-DB$) ? μ"[&O+BG (&+! &K Z7 : D3C ? "1 9) -^+O\#DO&B), BS&]) ^T&H -O+5 &/ ) &JD μOEE[D&]D ? -^IO! ^) &6D -! (&GD =D#IKF^D. μBD^(&BN μ7D V OX) (_/ μ^ IO.BD ; μ"! O(&B, F^5 W]%DD0 &H -DO$μ^&GFH '^&+5 F^5 ZGZ^(F%EL &BN DB(BND&B) QμB! ]&B, ($D[D&G 201 F^5 ^T&H F^&P &4D μ^+&$+GF4D (KF[D, F^5 -O+5 &BN μ^IK&BN F^5 -^GZ4) YFO&OABD&G. *N+B) V μ%+&$) =&A\_^DOD, V &BN -^&+4) &6D μB+"6D Q) μBD^_4) ? D- OE[μODB), F^5 (&BE6D μBD^(&BN -O+GI#μODB), W]%DDK) Z7 V (3D *A+L μ^F%+GB), &4D >EOC^DZ+#^ '#&+BD, &4D &JD -+^G&]+! ]D O8F[DGMOD <-^+- _BD , U) _E^μAZ^ "B+JD ? -^(&+%-&B$(^D, ; +@&^ *N+BD =EI2D &4D O8) &4D &BN DB(BND&B) "^D#D&^ ZGZ%(F^EBD, <_OG), O8-@D, μ^IK&6D EO\[μODBD 199 Für die Frage nach den möglichen Übertragungswegen cf. oben Kap. 6.4. 200 Zitiert nach der Ausgabe von Fernández Marcos 1975, 396 (eine ältere Textausgabe in: ‘Patrologia Graeca’, Vol. 87,3, col. 3668 B-C, ed. A. Mai); zur religionsgeschichtlichen Bedeutung des Texts cf. Agosti 2011 und Fournet 2011, 24-29. 201 ($D[D&G Vorschlag von Gascou 2006, 221 Anm. 1315: ($D&! DBD&G codex C, ($D&O! DBD&G Mai, Fernández Marcos. <?page no="153"?> Blendung und Heilung 139 7μP-CF; 202 (§ 9) Y)a)L ]1 Ja/ CZ B-^N&-a μ^FCF JC)μLJO+ BaL]RMa+ Ba(#- )aF(R+, 3+ (&$H.+ 5BO-"RF W 7μP-C+, <B! "&)LF a6(E (CK _#-`+ <F%_JaF- (C+, (CK(C _2- ]PHCKF (. (GF >_! `F 8NRHRF aYFL_μa. W ]1 μRNQ T-J`F <$N%_Da(C, ; "RLF μ1F μaNP(#F, 7μP-CF ]1 μ0 H%_R)NaL, B-C)RB%$R-RF ]1 3+ C6]1 )(! "CF SμP-LJ.F \ba(^ BC(R, ]L2 (CA(C& ]PHGF (. (O+ SμP-LJO+ ? "HAC+ ? μ%NRJ(CF. B-.+ VF X`'FFP+ W =_LC+ 3+ B-.+ (.F Ba(%-a HaHGF Ja/ BaL]R&(0F ? BRJ-! Fa(C, 9μRM+ (CK(C B&N^μRFCL 203 , B-.+ <B! )JRbLF a6- (CK )&FR]-'μCμRF, R[ ]1 μ0 H%_R(aL, $P)! F, 7μP-C+ 3+ : JCA)aμRF, *R.F (.F <B/ B'F(`F ]CD')`μRF, (.F B'NC&+ (CLCA(C& Ja/ B-C)P_C-! a+ a6(.F H&(-`)'μRFCF. (§ 10) Ja/ (^(R μ1F C4(` $aF%F(R+, Ja/ H^_CL+ (CLCA(CL+ a6(.F ? BCBR! )aF(R+, 3+ SμP-LJO+ BC(R (&$H@)R`+ JCLF`F.+ C6 _RF#- )R(aL, (.F UFRL-CF ? BRHN^F(R+ ]L%H&)aF. (§ 8) Die beiden Heiligen traten also im Schlaf zu ihm (es war die dritte Nacht, seitdem er angekommen war), und sie gaben ihm auf diese Weise Zuversicht ein in Hinblick auf künftige Schmerzlosigkeit. Der eine hatte sich die göttliche Tracht eines Mönchs umgelegt und hatte sich Johannes, dem geistlichen Vater und Lehrer des Erkrankten, ähnlich gemacht, der sich mit ihm im heiligen Bezirk der Märtyrer aufhielt und für seinen Schüler und Sohn Fürbitten einlegte. Es war Kyros der Märtyrer, der als Mönch die Gestalt des Vaters angenommen und sich das Gewand eines Mönchs umgelegt hatte. Johannes aber, der zusammen mit Kyros selig war, stellte Petros von Alexandria dar, den Präfekten der Prätorianergarden, der einen glänzenden Mantel trug und, nachdem er herbeigekommen war, Kyros befragte, der sich in der Gestalt des Lehrers des Erkrankten gezeigt hatte, indem er sagte: “Hast du einen Schüler namens Homer? ” (§ 9) Es wissen aber alle, die auch nur den Vorhof der weltlichen Bildung betreten haben, dass Homer blind war, weil das Alter den Grauen Star über ihn gelegt hatte. Dies wollte der Rätselspruch der Heiligen nämlich andeuten. Der aber sagte unter Eid, dass er zwar einen Schüler habe, dass der aber nicht Homer heiße. Er fügte hinzu, dass er 204 niemals auch nur mit einem Vers Homers in Berührung gekommen sei. Damit deutete er an, dass man an der homerischen Finsternis keinen Anteil haben dürfe. Da gab ihm der Heilige Johannes, wie wenn er zum Vater und Erzieher sprechen wür- 202 Das Fragezeichen am Ende des Satzes, das sich in der Ausgabe der ‘Patrologia Graeca’ findet, ist in der Edition von Fernández Marcos wohl nur versehentlich durch einen Punkt ersetzt worden; cf. auch die Behandlung der Stelle durch den Übersetzer Gascou 2006, 221. 203 (CK(C B&N^μRFCL Duffy 1984, 90 (gefolgt von Gascou 2006, 222, mit Anm. 1319): (CA(I B&N^μRFCL codex C, (CA(I BRLN^μRFCL Mai, Fernández Marcos. 204 Der griechische Text ist an dieser Stelle ebenso doppeldeutig wie die hier gegebene Übersetzung; dennoch dürfte eher Sophronios das Subjekt zu \ba(C sein als Kyros (bzw. der geistliche Lehrer Johannes, den Kyros in diesem Traum verkörpert). <?page no="154"?> Anhang 140 de, folgende Antwort: “Wir haben dies erfahren und sind zusammengekommen, um ihn zu besuchen. Wenn er aber nicht Homer heißt, wie wir gehört haben”, so sprach er, “dann wollen wir Gott, der Herrscher ist über alles, preisen, weil er ihn von einem solchen Leiden und einer solchen Bezeichnung erlöst hat.” (§ 10) Und nachdem sie sich ihm so gezeigt hatten und ihn mit solchen Worten davon überzeugt hatten, dass er niemals an der homerischen Blindheit teilhaben solle, lösten sie den Traum auf und gingen weg. Hätte Sophronios gewusst, dass schon mehr als tausend Jahre vor ihm mit Stesichoros ein anderer Augenpatient seine Sehkraft wieder erlangte, nachdem er der traditionellen Erzählung vom Trojanischen Krieg abgeschworen hatte, hätte er sich wohl in seiner Ablehnung Homers bestätigt gefühlt. Hätte Stesichoros seinerseits gewusst, dass mehr als tausend Jahre nach ihm ein anderer Augenpatient seine Sehkraft wieder erlangen sollte, nachdem er sich an einer ehemaligen Kultstätte der Isis dem Ritus der Inkubation unterzogen und im Traum den richtigen Rat zur Gesundung erhalten hatte, so hätte auch er sich wohl in seiner Übertragung dieses Motivs von Isis auf Helena bestätigt gefühlt. Aber ob er auch den weiteren Schluss gutgeheißen hätte, dass man die Berührung mit den Versen der homerischen Dichtung tunlichst meiden müsse, dies dürfen wir nach wie vor bezweifeln. <?page no="155"?> BIBLIOGRAPHIE 1 Primärliteratur (und davon abgeleitete Übersetzungen bzw. Zusammenfassungen der Originaltexte) Vorbemerkung: Antike griechische und lateinische Texte, die im obigen Fließtext nicht eigens diskutiert, sondern nur zu Dokumentationszwecken gelegentlich hinzugezogen werden oder zum Grundbestand der klassischen Literatur zählen, sind im folgenden Literaturverzeichnis nicht eigens angeführt. Sie sind jeweils nach aktuell gebräuchlichen Ausgaben zitiert, deren Identifikation keine Schwierigkeiten bereiten sollte. 1.1 Antike griechische Texte 1.1.1 Frühgriechische Lyriker: Poetae lyrici Graeci, edidit Theodorus Bergk, Leipzig 1843 (= Bergk 1843) Poetae lyrici Graeci, recensuit Theodorus Bergk, editionis quartae volumen tertium poetas melicos continens, Leipzig 1882 (= Bergk 1882) Sapphonis, Alcaei et Stesichori fragmenta collegit Carolus Iacobus Blomfield, in: Poetae minores Graeci, praecipua lectionis varietate et indicibus locupletibus instruxit Thomas Gaisford, Vol. III, Leipzig 1823, 289-348 (= Blomfield 1823) Claude Calame, Alcman. 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Petschenig, Orientii carmina, recensuit R. Ellis, Paulini Pellaei Eucharisticos, recensuit G. Brandes, Claudii Marii Victoris Alethia et Probae Cento, recensuit C. Schenkl, Wien 1888 (= Petschenig 1888) 1.3 Indische Texte: The Mahabharata, translated and edited by Johannes A. B. van Buitenen, 2. The Book of the Assembly Hall, 3. The Book of the Forest, Chicago 1975 (= van Buitenen 1975) Der Rig-Veda aus dem Sanskrit ins Deutsche übersetzt und mit einem laufenden Kommentar versehen von Karl Friedrich Geldner, Drei Teile, Cambridge (Mass.) 1951 (= Geldner 1951) 1.4 Altägyptische Texte: The Ebers Papyrus, a new English translation, commentaries and glossaries by Paul Ghalioungui, Kairo 1987 (= Ghalioungui 1987) <?page no="157"?> Bibliographie 143 Papyros Ebers. Das älteste Buch über Heilkunde, aus dem Aegyptischen zum erstenmal vollständig übersetzt von Heinrich Joachim, Berlin 1890 (= Joachim 1890) Kim Ryholt, The Petese stories II (P. 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York Powell, Vol. I, Oxford 1905 (= Vigfusson, York Powell 1905) 1.9 Irische Heiligenlegenden: Standish H. O’Grady, Silva Gadelica (I.-XXXI.): a collection of tales in Irish, Vol. II: translation and notes, London - Edinburgh 1892 (= O’Grady 1892) Charles Plummer, Bethada Náem nÉrenn - Lives of Irish saints, Vol. II: translations, notes, indexes, Oxford 1922 (= Plummer 1922) Whitley Stokes, Lives of the saints from the book of Lismore, edited with a translation, notes, and indices, Oxford 1890 (= Stokes 1890) 1.10 Die Legende von Thomas von Canterbury; die Geschichte des päpstlichen Gesandten Augustinus aus der ‘Historia ecclesiastica’ des Beda Venerabilis: Bede’s Ecclesiastical History of the English People, edited by Bertram Colgrave and R. A. B. 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West, The east face of Helicon: West Asiatic elements in Greek poetry and myth, Oxford 1997 West 2002: Martin L. West, The view from Lesbos, in: Michael Reichel, Antonios Rengakos (Hrgg.), Epea pteroenta - Beiträge zur Homerforschung. Festschrift für Wolfgang Kullmann zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2002, 207-219 West 2004: Martin L. West, Geschichte und Vorgeschichte: Die Sage von Troia, Studia Troica 14, 2004, XIII-XX West 2005: Martin L. West, Odyssey and Argonautica, CQ 55, 2005, 39-64 West 2007: Martin L. West, Indo-European poetry and myth, Oxford 2007 St. West 1982: Stephanie West, Proteus in Stesichorus’ Palinode, ZPE 47, 1982, 6-10 Westendorf 1999: cf. oben Abschnitt 1.4 Whaley 2001: Diana Whaley, Representations of skalds in the saga 1: social and professional relations, in: Russell Poole (Hrg.), Skaldsagas: text, vocation, and desire in the Icelandic sagas of poets, Berlin - New York 2001, 285-308 <?page no="180"?> Bibliographie 166 Wide 1893: Sam Wide, Lakonische Kulte, Leipzig 1893 Wiedemann 1890: Alfred Wiedemann, Herodots zweites Buch, Leipzig 1890 von Wilamowitz-Moellendorff 1883: Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Die beiden Elektren, Hermes 18, 1883, 214-263 (auch in: Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Kleine Schriften, Band VI, besorgt von Wolfgang Buchwald, Berlin 1972, 161-208) von Wilamowitz-Moellendorff 1896: Aischylos, Orestie, griechisch und deutsch, von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Zweites Stück: Das Opfer am Grabe, Berlin 1896 von Wilamowitz-Moellendorff 1913: Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Sappho und Simonides. Untersuchungen über frühgriechische Lyriker, Berlin 1913 (S. 233-242: Die Dichter mit dem Namen Stesichoros) Willi 2008: Andreas Willi, Sikelismos. Sprache, Literatur und Gesellschaft im griechischen Sizilien (8.-5. Jh. v. Chr.), Basel 2008 Witt 1971: Reginald E. Witt, Isis in the Graeco-Roman world, Ithaca 1971 Woodbury 1967: Leonard Woodbury, Helen and the palinode, Phoenix 21, 1967, 157-176 Wright 2005: Matthew Wright, Euripides’ escape tragedies: a study of Helen, Andromeda and Iphigenia among the Taurians, Oxford 2005 Yunis 2011: Plato, Phaedrus, edited by Harvey Yunis, Cambridge 2011 Zagagi 1985: Netta Zagagi, Helen of Troy: encomium and apology, WS N.F. 19, 1985, 63-88 Zajcev 1975: A. K. Zajcev, "ernigovskoe knja#estvo, in: Drevnerusskie knja- #estva X-XIII vv. (Das Fürstentum von "ernigov, in: Altrussische Fürstentümer vom zehnten bis zum dreizehnten Jahrhundert, russisch), Moskau 1975, 57-117 Zajonz 2002: Sandra Zajonz, Isokrates’ Enkomion auf Helena. Ein Kommentar, Göttingen 2002 Ziegler 1952: Konrat Ziegler, Plutarch, Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung begonnen von Georg Wissowa, Band XXI 1, Stuttgart 1952, 636-962 Ziehen 1929: Ludwig Ziehen, Sparta (Kulte), Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung begonnen von Georg Wissowa, Band III A 2, Stuttgart 1929, 1453-1525 <?page no="181"?> INDICES 1. Namen und Sachen Achilleus: 48, 53, 54, 56 A. 49 Admetos: 23 Adonis: 67 Agamemnon: 7-11, 13-16, 53 A. 37 Agelaos: 24 f. Ägypten: 43, 57, 63-68, 80, 132, 136 Ägyptische Körnerkrankheit: 132 A. 176 Aias, der Lokrer: 48 Aigialeia: 16 A. 11 Aigisthos: 16 A. 13 Aineias: 3 A. 15 Aithra: 35 f., 81 Aition (kultisch): 8, 20 f., 60 f., 64, 93, 95, 97, 101, 118, 128 Alexander der Diakon: 103 A. 49 Alexandria: 119, 133 Alkestis: 23 Alkinoos: 15, 38 Amasis: 67 Amphidamas: 5 Amun: 134 A. 182, 134 A. 183 Ananias: 125 Antenoriden: 68 A. 110 Anubis: 136 A. 190 Aphrodite: 13-28, 33, 54 A. 39, 68, 74, 79, 84 f., 135 Apollon: 5, 15, 38 A. 14, 84 A. 12, 136 A. 190 Argonauten: 4 Argos: 7, 8 A. 5, 9, 43, 60, 79 Aristeas-Brief: 133 Aristomache: 35 f. Ariston: 22 Arkesilaos: 67 A. 107 Artemis: 10, 22, 23, 24-26, 33, 59, 68, 74, 84 f. Asklepiodotos: 123 A. 144 Asklepios: 58, 134-136, 136 A. 190 A#vin: 70 Athene: 18, 39, 41, 55 A. 43, 59, 59-61, 63 A. 83, 74, 85 Athos: 96-100, 106 Augeias: 37 A. 13 Baumkult: 30, 84 f. Becket: cf. Thomas Becket Blachernai, Gottesmutter von: 91, 100, 104 A. 56 Bona Dea: 61 Brjansk: 91-94, 134 A. 183 Busiris: 66 Byblos: 67 Byzanz: cf. Konstantinopel Canidia: 53 f., 70 $ernigov: 91 Christus: 102 f., 106, 125 Coelestin I.: 126 Damian: 71 A. 122, 71 A. 124 Deiphobos: 17, 27 Delos: 63, 137 A. 192 Delphi: 35 f., 38 A. 14, 48, 49 A. 21, 53 Demeter: 5, 22, 61 Demetrios von Thessalien: 102 A. 47 Diomedes: 16 A. 11, 60 A. 67 Dioskuren: 7, 54, 70-73, 113 Dochiariu: 97-99 <?page no="182"?> Indices 168 Echemos: 13 Eidolon: cf. Phantom Eileithyia: 7 Eleusis: 61 Elymas: 57, 125 f., 129, 131 Epidauros: 58, 118 A. 113, 134- 136 Eris: 17 Eudokia: 101 Euneos: 4 A. 18, 24 A. 40 Euphorbos: 15 Fiktionalitätsbewusstsein: 82 Findian: 115, 129 Fóstbrœ! rasaga: 109-114 Geryoneis: 73 A. 133, 83 gesunkenes Kulturgut: 113 Gorgias: 56 A. 46 Gott (christlicher): 129, 130, 133, 136 Halldor: 113 A. 90 Hananias: 130 Hekabe: 39 A. 18 Hektor: 38, 81 Helena: 90, 106, 111, 112, 131 f., 134, 138, 140 und passim Hera: 18, 23, 60 A. 65 Herakleion: 67 Herakles: 3 A. 15, 67, 72 A. 131 Hermes: 15, 18 Hermione: 35 Hesiod: 5, 43 Hestia: 59 Himera: 50 A. 25, 54 Hodegon, Gottesmutter von: 100-106, 108 Höhlenkloster von Kiev: 91, 95, 100, 108 Homer: 43, 45, 50-52, 55 f., 75 f., 81 Hygieia: 136 A. 190 Hypsipyle: 4 A. 18 indogermanische Erzähltraditionen: 18 A. 18, 69-73, 73 f., 106, 114, 132 Inkubation: 58, 62, 63, 64 f., 108, 120 A. 129, 121, 122, 130, 134, 135, 137 f. Intertextualität: 81 f., 82 A. 4 Iphigeneia: 3 A. 15, 7-11, 35, 43, 79 Isis: 57, 58, 61-65, 66-68, 69 f., 73, 80, 85, 106 f., 108, 112, 114, 122 f., 132, 135-138 Jason: 4, 24 A. 40, 37 A. 13 Johannes (Heiliger von Menuthis): 58, 65 A. 89, 109, 118 A. 113, 119-124, 129, 137, 138-140 Johannes der Diakon: 102 A. 47 Johannes Monachus: 102 A. 48 Julianus von Vienne: 57 A. 56, 118 f., 124, 129 Kalydonische Jagd: 2, 24-26, 28, 43, 80, 81, 83 A. 7 Kalypso: 15 Kanobus: 67, 119, 122 A. 139 Kazan‘: 95 Kiaran der Ältere: 115 f., 124, 129 Kiaran der Jüngere: 115, 124 Kiev: 91, 92 A. 13, 95, 100, 108 Klymene: 35 f., 81 Klytaimestra: 7-11, 13-16, 16- 18, 26, 79 Konstantinopel: 91, 95, 99-109, 113, 114 A. 96 Kosmas: 71 A. 122, 71 A. 124 Kroton: 48, 52, 54 Kreusa: 35 f. Kultaitien: cf. Aition <?page no="183"?> Indices 169 Kursk: 94 f. Kyklische Epen: 4, 37 Kyrene: 67 f. Kyrillos von Alexandria: 119 Kyrillos von Jerusalem: 106 Kyros (Heiliger von Menuthis): 58, 65 A. 89, 109, 118 A. 113, 119-124, 129, 137, 138-140 Landnámabók: 113 A. 90 Leda: 37 A. 10 Lemnos: 23 f. Leo I.: 102 Leonymos: 48, 49 A. 21, 52 A. 29, 53, 72 Leuke: 48, 49 A. 21, 52 f., 54 Liber: 72 A. 131 lokale Mythenvarianten: 1, 3-5, 11, 18, 28, 32, 41, 74, 79 f. Lokroi: 48, 52, 54 Lukas: 101 Lykurgos (Gesetzgeber Spartas): 20, 60 Lykurgos (Schatzmeister Athens): 136 Lykurgos (Großvater des Schatzmeisters): 136 A. 188 Lysias: 50 f. Maria: 64, 70, 90-109, 112, 113, 114, 123, 129, 130 A. 167, 132, 138 Maroneia: 61 f., 137 A. 192 Martin von Tours: 57 A. 56, 117 f., 124, 129 Medeia: 53 Meleagros: 25 Memphis: 67 Menelaos: 7-11, 13-16, 16-18, 23, 27, 29-33, 37 f., 39-41, 68 A. 110, 79, 80, 81, 84 f. Menuthis: 65 A. 89, 67, 109, 119-124, 135, 137, 138-140 Michael III.: 101 Michail Vsevolodovi": 91 A. 12 Molasius von Devenish: 116 Naukratis: 67 Nausithoos: 15 Neid (der Götter): 15, 21 Nencoreus: 57 A. 52 Nil: 65, 130, 132, 136 Odysseus: 15, 40 f. Oineus: 24-26 Oinone: 7 Opfer (vergessene): 15, 21 f., 23 f., 79, 85 Orestes: 9 A. 12, 26, 32 A. 17, 83 f. Osiris: 67 Ottilie (Heilige): 102 A. 46 Palladius: 126 panhellenische Mythenvarianten: 1, 3-5, 11, 18, 21, 28, 32, 48, 74, 79 f. Panteleimonos: 99 Paralios: 123 A. 144 Paris: 16-18, 27, 35, 37 A. 13, 38 f., 67, 81, 84 Patrick: 126 Paulus: 57, 125 f., 129, 130 f., 132 Peirithoos: 7 Peleus: 18 Pelias: 4, 23 Penelope: 15, 55 A. 43 Pero Tafur: 104-106, 104 A. 56 Perpetuus von Tours: 117 Perses: 5 Phantom: 2, 3, 3 A. 15, 69, 75, 80, 82 Pharos: 67 Pheros: 57, 65, 130, 132 Philippopolis: 61 <?page no="184"?> Indices 170 Phormion: 72 Phryne: 22 Piräus: 135 Po"aev: 95 f., 134 A. 183 Polygnot: 35 f. Poseidon: 15 Praxiteles: 22 Priamos: 36 Proteus: 67 A. 101 Pulcheria: 101 Pythagoreismus: 52 f., 63 A. 82 Rama: 40, 70 Ramayana: 40 Roman Michajlovi": 91-94 Romulus: 72 A. 131 Ryl‘sk: 94 f. Sagra: 52, 54 Saranyu: 2, 69 f. Sarapis: 62 A. 77, 63, 122 A. 140, 136 A. 190 Sargtexte: 64 Septuaginta: 133 Silphion: 67 A. 107 Sita: 40, 70 Smyrna (assyrische Jungfrau): 23 Sokrates: 50-52 Sparta: 2, 10, 13-28, 29-33, 49, 53 A. 37, 60 f., 67 f., 71-73, 74, 83-85, 106 Stefan von Novgorod: 102 A. 48, 103 f., 105 A. 62 Surya: 70 Tantalos: 16 A. 13 Tarent: 32 Teiresias: 39, 59 f. Telemachos: 40 f., 81 Theias: 23 Themis: 18 Thera: 67 Therapne: 75, 84 f. Theseus: 7, 8, 17, 35, 36, 84 Thetis: 54 A. 39 Thomas Becket: 118 A. 113, 127 f., 129 Thorbjörg: 69 f., 73, 106, 109- 114, 129, 131 f. Thormod: 69, 73, 109-114, 131 Thordis: 109, 112 A. 87 Timandra: 13-16 Titanen: 5 Tobit: 130 A. 168 Tolstoj, Lev: VII, 90 f., 99, 112 A. 89, 130 Trachom: 132 A. 176 Traum: 54-57, 57-59, 63, 90, 93 A. 15, 94, 107, 111, 120, 121, 130, 133 f. Tyndareos: 13-28, 31 f., 35, 74, 79 Vasilij #emjaka: 94 f. Vatopädi: 96 f., 99, 102, 130 A. 167 Wandermotiv: 23, 24, 57, 69, 89 A. 1, 121, 122, 129, 130, 131 Xenodike: 35 f. Zacharias Rhetor: 123, 137 A. 196 Zeus: 17, 60 A. 65 <?page no="185"?> Indices 171 2. Stellenindex ACHAIOS von ERETRIA (TrGF 1,20) F 19: 30 f. PS.-ACRO Schol. Hor. carm. 1,16: 49 A. 21, 113 A. 93 ACTA PHILIPPI 17: 125 A. 154 22: 125 A. 155 25: 125 A. 156 AELIAN VH 13,23: 60 A. 69 AILIOS ARISTEIDES 2,234: 45 A. 8 AILIOS ARISTEIDES, SCHO- LIEN 1,128: 3 A. 14, 67 A. 101 AISCHYLOS Agam. 946 f.: 15 A. 8 Ch. 631-634: 24 A. 39 Pers. 362: 15 A. 8 ALEXANDER von PLEURON (Powell) Frg. 12: 7 ALKAIOS (Voigt) Frg. 42: 47 A. 15 Frg. 283: 37 A. 13, 46 ALKMAN (PMGF) 7: 84 A. 18 14b: 84 A. 18 21: 8 A. 2 ANECDOTA OXONIENSIA (Cramer) IV p. 405,6-8: 18 A. 18 IV p. 405,27 - 406,1: 18 A. 18 ANONYME SCHRIFTEN aus dem MITTELALTER englischer Reisebericht, § 3: 102 A. 48 englischer Reisebericht, § 4: 100 ‘Speculum laicorum’, Nr. 546: 127 A. 160 ‘Thauma tes panyperagnou‘, § 4: 100 A. 37 ANTHOLOGIA PALATINA 5,65: 37 A. 10 9,298: 61 A. 72 11,115: 61 A. 75, 137 A. 191 ANTIPHILOS von BYZANZ Anth. Pal. 9,298: 61 A. 72 ANTONINUS LIBERALIS 27,1: 7 APOLLODOROS Bibl. 1,9,8: 23 A. 36 Bibl. 1,9,15: 23 A. 35 Bibl. 1,9,16: 23 A. 36 Bibl. 1,9,17: 24 A. 38 Bibl. 3,6,7: 60 A. 65, 60 A. 66 Bibl. 3,10,8-9: 32 A. 14, 54 A. 39 Bibl. 3,14,4: 23 A. 37 Epit. 2,16: 16 A. 13, 31 A. 10 Epit. 5,5: 53 A. 37 Epit. 5,9: 17 A. 16 Epit. 5,22: 17 A. 16, 40 A. 22 <?page no="186"?> Indices 172 APOLLONIOS von RHODOS Fragmente (Michaelis): Frg. 22: 31 ‘Argonautika’: 1,609-632: 24 A. 38 4,811-815: 53 A. 37 APOLLONIOS von RHODOS, SCHOLIEN 1,101-104: 8 A. 3 1,609-619: 24 A. 38 ARCHILOCHOS (West 2 ) Frg. 185: 31 A. 9 ARISTEAS-BRIEF 314-315: 133 A. 180 316: 133 ARISTEIDES von MILET (FGrHist 286) F 15: 59 A. 62 ARISTOPHANES Av. 1296: 136 A. 188 Lys. 155 f.: 39 A. 21 Pl. 653-747: 134 A. 184 Pl. 925: 67 A. 107 Vesp. 714: 39 A. 21 ARISTOTELES Fragmente (Rose): 528: 67 A. 107 ATHENAIOS 3, 81d: 30 10, 451d: 30 f. 13, 591a: 22 A. 31 AUGUSTINUS epist. 40,7: 113 A. 94 epist. 68,1: 113 A. 94 epist. 75,18: 113 A. 94 epist. 82,33: 113 A. 94 BAKCHYLIDES Epin. 5,115-120: 25 A. 43 BEDA VENERABILIS Hist. eccl. 2,2: 128 A. 163 Hist. eccl. 4,32: 128 A. 163 BIBEL, cf. TESTAMENT CHAMAILEON (Wehrli 2 ) Frg. 29: 43 CHORIKIOS Or. 29: 22 f. CICERO rep. 2,20: 48 A. 17 DANDOLO, ANDREAS Chronik 7,2: 101 A. 40 DERKYLLOS (FGrHist 288) F 1: 59 A. 62 F 3: 59 A. 62 DIODOR von SIZILIEN 1,25,2-5: 108 A. 73, 137 A. 193 1,25,2-4: 62 A. 77 1,25,2: 63 1,25,5: 62 1,59: 57 A. 52 4,43,2: 72 A. 129 4,63: 8 A. 4 DION CHRYSOSTOMOS 11,44: 8 A. 3 33,50: 24 A. 38 61,10: 32 A. 14 DIOSKORIDES (FGrHist 594) F 1: 60 A. 69 <?page no="187"?> Indices 173 DURIS von SAMOS (FGrHist 76) F 92: 8 EPIKTET Frg. V Schenkel 2 : 60 A. 69 ERATOSTHENES Cat. 10: 72 A. 129 EUPHORION (van Groningen) Frg. 94: 7 EURIPIDES Fragmente (TrGF 5): F 667: 37 A. 13 Erhaltene Tragödien: Andr. 627-631: 39 A. 21 Andr. 685: 39 A. 21 El. 471: 38 A. 15 El. 988-993: 72 A. 129 El. 1281: 46 A. 12 Hec. 887: 24 A. 39 Hel. 36-41: 18 A. 18 Hel. 140: 72 A. 129 Hel. 404 f.: 68 A. 110 Hel. 582: 46 A. 12 Hel. 768: 68 A. 110 Hel. 1495-1499: 72 A. 129 Hel. 1509-1511: 46 A. 12 Hel. 1666-1669: 72 A. 128, 84 A. 18 IA 51-69: 32 A. 12 IA 175: 37 A. 9 IA 1149 f.: 16 A. 13 Med. 1392: 37 A. 13 Or. 1635-1637: 72 A. 128 Or. 1639-1642: 18 A. 18 Or. 1683-1690: 72 A. 128 Tr. 860-1059: 40 A. 22 Tr. 866. 37 A. 13 Tr. 959 f.: 17 A. 16 Tr. 999-1001: 72 A. 129 Tr. 1244 f.: 39 A. 18 EURIPIDES, SCHOLIEN Or. 249: 13 Or. 1287: 39 Or. 1637: 72 A. 129 Or. 1641: 18 A. 18 GELLIUS 17,9,6-15: 31 A. 9 GEORGIOS KODINOS ‘Patria Konstantinupoleos’ 3,27: 101 GEORGIOS PACHYMERES ‘Relationes Historicae’ 2,31: 101 A. 42 GREGOR von TOURS Iul. 9: 118 A. 115 Iul. 10: 57 A. 56, 118 A. 114 Iul. 12: 118 A. 116 Mart. Praefatio: 117 A. 112 Mart. 1,2: 57 A. 56, 117 A. 108 Mart. 1,8: 117 A. 111 Mart. 1,39: 117 A. 111, 124 A. 150 Mart. 2,13: 117 A. 111 Mart. 2,29: 117 A. 111, 124 A. 150 Mart. 3,5: 117 A. 111 Mart. 4,20: 117 A. 111, 124 A. 150 HELLANIKOS von LESBOS (FGrHist 4) F 134: 8 A. 3 F 168: 8 A. 3, 10 A. 18 HERMEIAS von ALEXAND- RIA Plat. Phdr. 243a: 48 A. 19, 52 f. <?page no="188"?> Indices 174 HERODOT 1,32,1: 15 A. 8 2,59,2: 66 2,79,1: 38 A. 15 2,111: 57 A. 52, 65 2,113,1-2: 67 A. 101 2,117: 46 A. 12 2,119,3: 68 A. 110 2,135,5: 38 A. 15 2,156,5: 67 A. 105 2,176,2: 67 3,40,2: 15 A. 8 4,147-149: 67 A. 106 4,186,2: 67 6,61: 23 A. 32, 84 A. 18 6,138,4: 24 A. 39 7,46,4: 15 A. 8 9,73: 8 A. 3 (PS.-) HESIOD Fragmente (Merkelbach-West): 23a,15-26: 9 A. 8 23a,17-24: 3 A. 15 176: 13-16 198,5: 37 A. 9 204,78-85: 32 A. 11 204,87-92: 54 A. 39 204,95-101: 18 A. 18 275: 60 A. 65 358: 2 A. 13, 43 A. 3 Erhaltene Werke: Op. 27-41: 5 A. 22 Op. 106-200: 5 A. 23 Op. 649-659: 5 A. 22 Th. 535-557: 5 A. 24 Th. 617-819: 5 A. 24 HESYCH von ALEXANDRIA ! 1992 Latte: 85 μ 1697 Latte: 20 A. 23 HESYCH von MILET (FGrHist 390) F 1,15: 71 A. 122 HIERONYMUS adv. Rufin. 1,10: 113 A. 94 epist. 105,4,2: 113 A. 94 HOMER, ILIAS 2,760: 76 A. 144 3,141-144: 36, 81 3,284: 37 A. 9 3,380-420: 19 A. 20 3,434: 37 A. 9 5,449-453: 3 A. 15 6,357 f.: 38 f. 7,467-469: 4 A. 18, 24 A. 40 9,529: 25 A. 46, 83 A. 7 9,531: 25 A. 47 9,533-540: 24-26, 81 17,71: 15 21,40 f.: 4 A. 18, 24 A. 40 23,746 f.: 4 A. 18, 24 A. 40 24,762-775: 46 24,766: 39 A. 20, 46, 82 A. 3 HOMER, ODYSSEE 1,285: 37 A. 9 3,299-302: 68 A. 111 4,81-92: 68 A. 111 4,85-91: 68 A. 110 4,227-232: 68 A. 111 4,351-586: 68 A. 111 4,351-353: 23 4,409: 46 A. 10 4,472-474: 23 4,795-841: 55 A. 43 5,119: 15 5,122: 15 5,129: 15 8,83: 76 A. 144 8,367: 76 A. 144 8,517-520: 17 A. 16 <?page no="189"?> Indices 175 8,521: 76 A. 144 8,565: 15 8,579 f.: 38 f. 10,492 f.: 60 A. 65 11,601-627: 3 A. 15 12,69 f.: 4 15,68 f.: 40 A. 27, 41 15,160-181: 40 f., 81 22,440-445: 40 A. 23 23,211: 15 23,342: 76 A. 144 24,159 f.: 40 A. 27 24,194-202: 38 A. 16 HOMER, HYMNEN Ap. 299: 38 A. 14 HOMER, SCHOLIEN Il. 1,5-6: 18 A. 18 Il. 2,339: 31 f. HOMER, VITAE (Allen) Vita VI, p. 252,51 - 253,57: 55 f. HORAZ carm. 1,3,2: 72 A. 130 carm. 1,12,25-32: 72 A. 130 carm. 3,3,9 f.: 72 A. 130 carm. 3,29,62-64: 72 A. 130 carm. 4,5,34 f.: 72 A. 130 epist. 2,1,5-10: 72 A. 131 epod. 17,39-44: 50 A. 26, 53 f., 70 f., 113 A. 92 HYGIN fab. 15,1: 24 A. 38 fab. 78: 32 A. 14 fab. 79: 8 A. 3, 10 A. 18 IBYKOS (PMGF) 291: 53 296: 39 A. 21 S 151,5: 37, 53 A. 37, 81 S 151,10: 37 A. 13 S 166: 83 A. 10 INSCHRIFTEN (griechisch) Clinton, Eleusis Nr. 105: 61 A. 73 IG 2 2 337: 135 IG 2 2 1927: 136 A. 189 IG 2 2 4639: 61 A. 73 IG 4 2 121: 134 A. 184 IG 4 2 122: 58, 134 IG 4 2 123: 134 A. 184 IG 4 2 534: 136 A. 190 IG 4 2 742: 136 A. 190 IG V 1, 602,9: 19 A. 22 IG XIV 1005: 122 A. 140 IG Bulg. III 1, 932: 61 RICIS 101/ 0101: 135 RICIS 102/ 0401: 136 A. 190 RICIS 102/ 0403: 136 A. 190 RICIS 102/ 0404: 136 A. 190 RICIS 102/ 0405: 136 A. 190 RICIS 114/ 0202: 62 A. 76, 137 A. 192 RICIS 202/ 0223: 63 A. 80 RICIS 503/ 1204: 122 A. 140 RICIS 503/ 1212: 122 A. 140 Roussel, Cultes égyptiens, Nr. 66: 63 A. 80 SEG 26, 1976-1977, Nr. 821: 62 A. 76, 137 A. 192 SEG 32, 1982, Nr. 387: 136 A. 190 SIG 3 1141: 61 SIG 3 1168: 134 A. 184 SIG 3 1169: 58, 134 Vidman SIS 1: 135 Vidman SIS 36: 136 A. 190 Vidman SIS 38: 136 A. 190 Vidman SIS 403: 122 A. 140 Vidman SIS 556a: 122 A. 140 <?page no="190"?> Indices 176 INSCHRIFTEN (römisch) CIL VI 68: 61 A. 71 CIL VI 75: 61 A. 71 IRENAEUS 1,23,2 Rousseau: 113 A. 94 ISOKRATES 10,14: 56 A. 46 10,15: 56 10,18-20: 8 A. 3 10,40: 32 A. 13 10,48: 56 A. 47 10,52-53: 56 A. 47 10,63: 2 A. 11, 85 10,64: 45, 55, 71 A. 120, 111 A. 81, 131 A. 174 10,65: 55 JACOBUS de VORAGINE Legenda aurea 11,49-50: 127 f. Legenda aurea 11,52-56: 127 JOHANNES von DAMASKUS ‘Epistola ad Theophilum’ 4: 101 A. 42 JULIAN APOSTATA Gal. 168 B: 60 A. 69 JUVENAL 13,92-94: 61 A. 75, 137 A. 191 KALLIMACHOS Fragmente (Pfeiffer): 7,23: 67 A. 106 Hymnen: Lav. Pall. 24 f.: 72 A. 129 Lav. Pall. 57-130: 60 A. 66 Lav. Pall. 121: 39, 39 A. 19 KALLISTOS NIKEPHOROS ‘Ecclesiastica Historia’ 14,2: 101 A. 42 ‘Ecclesiastica Historia’ 15,4: 101 A. 42 KONON Fab. 18: 48 A. 19, 52 f. KOSMAS und DAMIAN, Legenden von Mir. 25: 71 A. 124 Mir. 36: 71 A. 124 KRATINOS Frg. 32 K.-A.: 136 A. 188 KYKLISCHE EPEN (Bernabé) KYPRIEN: Frg. 1: 17 Frg. 13: 8 A. 2 Frg. 14: 46 A. 12 Frg. 24: 8 Procl. Chr. p. 38,4 - 39,8: 17 Procl. Chr. p. 41,42-49: 8 Procl. Chr. p. 42,59-60: 54 A. 39 ILIAS PARVA: Frg. 19: 39 A. 21 Procl. Chr. p. 74,10: 17 A. 16 ILIUPERSIS: Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15: 17 A. 16, 40 A. 22 NOSTOI: Procl. Chr. p. 94,6-7: 68 A. 111 KYRILLOS von ALEXANDRIA ‘Oratiunculae tres’, Frg. 2: 119 A. 119 LAKTANZ inst. 1,20,29-32: 19 A. 22 <?page no="191"?> Indices 177 LUKIAN Gall. 17: 8 A. 3 Syr. D. 7: 67 A. 104 VH: 2,8: 8 A. 3 LUKILLIOS Anth. Pal. 11,115: 61 A. 75, 137 A. 191 LYKOPHRON Alex. 102 f.: 7 Alex. 143: 53 Alex. 171-174: 53, 56 A. 49 Alex. 851: 17 Alex. 852-855: 32 A. 18 LYKOPHRON, SCHOLIEN Alex. 449: 20 Alex. 822: 43 A. 3 LYSIMACHOS von ALEX- ANDRIA (FGrHist 382) F 6: 68 A. 110 MAHABHARATA 3,121-125: 70 A. 117 MARMOR PARIUM (FGrHist 239) A 36: 47 A. 14 A 50: 83 A. 10 MIMNERMOS (West 2 ) Frg. 22: 16 A. 11 OVID epist. 5,127-129: 7 f. epist. 16,259 f.: 36 A. 7 epist. 17,267 f.: 36 A. 7 Pont. 1,1,51-58: 57 A. 53, 62 f., 112 A. 89, 137 A. 194, 137 A. 195 PAPYRI (ägyptisch) P. Ebers: 64 P. Petese II: 66, 130 A. 166 PAPYRI (griechisch) P. Oxy. 1380: 122 A. 140 P. Oxy. 2359: 25 A. 45 P. Oxy. 2360: 40 f. P. Oxy. 2506: 43 P. Oxy. 2619: 35, 36 f. P. Oxy. 2735: 83 A. 10 P. Oxy. 3829: 18 A. 18 P. Oxy. 3876: 25 A. 45, 29 PAULINUS PETRICORDIAE Mart. Praefatio: 117 A. 110 Mart. 6,218-249: 57 A. 56, 117 A. 109 PAUSANIAS 1,17,5: 8 A. 3 1,41,3: 8 A. 3 2,18,2: 16 A. 13 2,22,3: 16 A. 13 2,22,6-7: 7, 8 A. 5 2,24,2: 60 A. 67 2,27,6: 136 A. 190 3,15,3: 84 A. 17 3,15,10-11: 18-26 3,18,2: 60 A. 68 3,18,4-5: 8 A. 3 3,18,15: 8 A. 3 3,19,9: 84 A. 18 3,19,12-13: 48 A. 19, 52 f. 3,20,9: 32 A. 14 5,19,2-3: 8 A. 3 8,22,7-9: 22 A. 28 8,42,5-13: 22 A. 28 10,25,7-8: 36 A. 5 10,26,1: 35 f., 40 A. 26 PERSIUS, SCHOLIEN 2,56: 71 A. 122 <?page no="192"?> Indices 178 PHEREKRATES Frg. 11 K.-A.: 136 A. 188 PHEREKYDES von ATHEN (FGrHist 3) F 92a: 60 A. 66 PHILODEM von GADARA Piet. p. 24 Gomperz: 9 PINDAR Fragmente (Maehler): 52f,6: 38 A. 15 76,1: 38 A. 15 Erhaltene Lieder: N. 3,79: 38 A. 15 N. 7,28: 37 A. 9 O. 10,34: 37 A. 13 O. 14,3: 38 A. 15 P. 4,252: 24 A. 39 P. 5,82-85: 68 A. 110 P. 8,59: 38 A. 15 PINDAR, SCHOLIEN P. 4,50: 24 A. 38 P. 5,83: 68 A. 110 PLATON Ep. 3, 319 e: 44 A. 4 Phdr. 235 a: 51 Phdr. 241 e: 51 Phdr. 242 b-c: 51 Phdr. 243 a-b: 2, 29, 44-48, 50, 51, 55, 71 A. 121 Phdr. 245 a: 51 Phdr. 248 d: 51 Phdr. 248 e: 51 f. Phdr. 257 a: 51 Phdr. 257 b: 51 A. 28 Phdr. 261 c-d: 51 A. 28 R. 586 c: 2 A. 9, 45 PLINIUS (der Ältere) nat. 2,101: 72 A. 129 nat. 36,74: 57 A. 52 (PS.-) PLUTARCH ‘De fluviis’: 22,5: 59 A. 62, 129 A. 165, 134 ‘Moralia’: Apophth. Lac., Lyc. 7, 227 a-b: 60 A. 69 De Iside 15-16, 357 a-d: 67 A. 104 Fort. Rom. 4, 317 f: 19 A. 22 Inst. Lac. 28, 239 a: 19 A. 22 Parall. minora 17a, 309 f: 59 A. 62, 63 A. 83, 129 A. 165, 134 Parall. minora 17b, 309 f - 310 a: 59 A. 62, 129 A. 165, 134 ‘Vitae’: Lyc. 11,8-10: 60 A. 69 Lys. 19,8-12: 31 A. 9 Num. 23,8: 60 A. 69 Sol. 16,2: 60 A. 69 Thes. 31-33: 8 A. 3 Thes. 31,1: 10 A. 18 POLEMON (Müller) Frg. 76a: 72 A. 129 POLYBIOS 5,18,3: 84 A. 18 5,22,3: 84 A. 18 PORPHYRIO Hor. epod. 17,42: 49 A. 21, 113 A. 93 PROPERZ 4,9,57 f.: 60 A. 66 QUINTUS SMYRNAIOS 13,385-415: 39 A. 21 <?page no="193"?> Indices 179 RIGVEDA 1,112,8: 70 A. 117 1,116,14-16: 70 A. 117 1,117,17-18: 70 A. 117 8,5,23: 70 A. 117 10,39,3: 70 A. 117 SAPPHO (Voigt) Frg. 16: 39 A. 20, 46-48, 81, 82 A. 3 Frg. 23,5: 37, 48 A. 18, 53 A. 37, 81 SIMONIDES (PMG) 549: 53 A. 37 558: 53 564: 53 A. 37 SOLINUS 1,57: 72 A. 129 SOPHOKLES Aj. 1111-1114: 32 A. 12 SOPHRONIOS ‘Laudes in sanctos’ 24: 122 A. 141, 122 A. 142 ‘Laudes in sanctos’ 29: 122 A. 143 Narr. 2: 119 A. 124 Narr. 24: 119 A. 124 Narr. 31: 120, 137 A. 197 Narr. 37: 120 f., 135 A. 186, 137 A. 197 Narr. 38: 58 A. 59, 121, 135 A. 186, 137 A. 197 Narr. 46: 119 A. 124 Narr. 47: 119 A. 124 Narr. 65: 119 A. 124 Narr. 69: 119 A. 124 Narr. 70: 119 A. 124, 138-140 STESICHOROS (PMGF) 187: 29-33, 84 188: 29-33 189: 29-33, 84 190: 29, 31 f., 79 A. 1 191: 7, 9, 29, 33, 85 A. 20 192: 2, 39 A. 20, 44-48, 71 A. 121, 74, 76, 81, 82 A. 3 193: 43 196-205: 27 197: 35 f., 81 201: 39 f., 42 208: 40 A. 26 209: 40 f., 81 215: 9 216: 53 A. 37 222: 25 A. 45, 25 A. 46, 83 A. 7 222(a): 25 A. 45, 25 A. 47, 29 223: 13-28, 29, 33, 74, 81, 85 A. 20 S 88-132: 27 S 103: 36-39, 42, 48 A. 18, 53 A. 37, 81 S 104: 35 S 107: 35 S 133-147: 27 TA 7: 48 A. 17 TA 19: 48 A. 17, 131 A. 172 TA 30: 83 A. 10 STOBAIOS 3,19,13: 60 A. 69 STRABON 9,1,17: 8 A. 3 10,1,5: 67 A. 106 SUDA (Adler) ! 1095: 48 f., 48 A. 17, 54 f., 90, 111 A. 81, 131 A. 172, 138 <?page no="194"?> Indices 180 TERTULLIAN anim. 34,4: 113 A. 94 apol. 16,6: 67 A. 100 TESTAMENT, ALTES Tob. 2,10: 130 A. 168 TESTAMENT, NEUES Act. Apost. 9,3-9: 57 A. 54, 129 A. 164 Act. Apost. 9,10: 130 A. 169 Act. Apost. 9,12: 130 A. 170 Act. Apost. 13,8-12: 57 A. 55, 125 f., 129 A. 164 Act. Apost. 22,6-16: 57 A. 54 Act. Apost. 26,12-18: 57 A. 54 I Cor. 9,1: 57 A. 54 I Cor. 15,8-10: 57 A. 54 Gal. 1,15-16: 57 A. 54 THEODEKTES (TrGF 1,72) T 17: 133 THEODOROS ANAGNOSTES ‘Excerpta’ 353: 101 A. 42 THEOGNIS 251 f.: 38 A. 17 THEOKRIT 12,5: 17 A. 14 12,10 f.: 38 A. 17 18,38-48: 30, 30 A. 5, 84 A. 17 THEOKRIT, SCHOLIEN Argumentum zu Id. 18: 30 THEOPOMPOS von CHIOS (FGrHist 115) T 11: 133 A. 180 F 392: 72 A. 126 THUKYDIDES 1,9,1: 32 A. 13 TZETZES, JOHANNES Scholien zu Antehom. 149: 45 A. 8, 82 VALERIUS MAXIMUS 5,3 ext. 2: 60 A. 69 VINZENZ von BEAUVAIS ‘Speculum historiale’ 7,119: 103 A. 49 3. Ikonographisches Arkesilas-Schale: 67 A. 107 Demeter-Relief von Philippopolis: 61 LIMC Demeter Nr. 27-29: 61 A. 74 LIMC Demeter Nr. 161: 61 A. 73 LIMC Helene Nr. 27: 8 A. 3 LIMC Helene Nr. 55: 8 A. 3 LIMC Helene Nr. 210-290: 39 A. 21 LIMC Helene Nr. 291-319: 40 A. 22 LIMC Klymene IV Nr. 1: 35 A. 4 <?page no="195"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG NOVEMBER 2011 JETZT BESTELLEN! Franz Schorsch Das commentum Monacense zu den Komödien des Terenz Eine Erstedition des Kommentars zu ‚Andria’, ‚Heautontimorumenos’ und ‚Phormio’ Leipziger Studien zur Klassischen Philologie 8 2011, VIII, 190 Seiten €[D] 58,00/ SFr 77,90 ISBN 978-3-8233-6663-8 Mit dieser Arbeit liegt das commentum Monacense erstmals zu großen Teilen ediert vor. Neben der kritischen Edition bietet sie einen Testimonienapparat, in dem Quellen zusammengestellt sind, aus denen der Kommentator sein Wissen bezogen hat. In einer monografischen Untersuchung werden die Interessenschwerpunkte analysiert, die den Kommentator bei seiner Arbeit geleitet haben, der Leserkreis bestimmt, auf den der Kommentar zugeschnitten ist, und das kulturelle Umfeld erschlossen, in dem er entstanden ist. Eine umfangreiche Einordnung in die mittelalterliche Terenzkommentierung rundet die Arbeit ab. <?page no="196"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de NEUERSCHEINUNG OKTOBER 2010 JETZT BESTELLEN! Charlotte Schubert Anacharsis der Weise Nomade, Skythe, Grieche Leipziger Studien zur Klassischen Philologie 7 2010, 227 Seiten €[D] 58,00/ SFr 81,90 ISBN 978-3-8233-6607-2 Der skythische Nomade Anacharsis wird zum ersten Mal bei Herodot erwähnt. Er ist der Fremde, der nach Griechenland kommt, sowohl um zu lernen als auch - da selbst ein Weiser - um anderen ein Lehrer zu sein. Er äußert sich in knappen, oft witzig-ironischen Sprüchen, die von der Antike bis heute in den allgemeinen Spruchwortschatz eingegangen sind. Anacharsis wird zum Paradigma eines griechischen Weisen und erhält seinen Platz im Kreis der berühmten Sieben Weisen. Er bleibt aber doch immer Nomade und Skythe. An ihm erweist sich, welche Rolle das Bild der Nomaden in den frühen, mythisch und geographisch geprägten Anschauungen der Griechen einnahm: Über die Verknüpfung von Weisheit und Nomadismus in der Figur des Anacharsis wird das vollständig Fremde dem Eigenen der griechischen Kultur eingeschrieben. <?page no="197"?> Leipziger Studien zur klassischen Philologie 9 Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der berühmten Alternativversion zu Homers Darstellung vom Trojanischen Krieg, die der sizilische Dichter Stesichoros (ca. 630- 550 v. Chr.) gab, wonach nicht Helena selbst, sondern nur ein Phantom nach Troja gelangt sei. Zu diesem Zweck werden in dieser Studie sämtliche Erwähnungen Helenas, die sich bei Stesichoros finden, einer neuen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis ist, dass Stesichoros sich für seine Darstellung zwar an lokale Mythenvarianten Spartas anschloss, diese aber mit panhellenischen und frei erfundenen Elementen kombinierte und insbesondere das Motiv von Blendung und Heilung, wovon er selbst betroffen gewesen sei, in freier Form von der ägyptischen Göttin Isis auf Helena übertrug.