Pilgerzeichen – „Pilgerstraßen“
0313
2013
978-3-8233-7779-5
978-3-8233-6779-6
Gunter Narr Verlag
Klaus Herbers
Hartmut Kühne
Die Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich mit einer von der Forschung zu mittelalterlichen Pilgerbewegungen bisher wenig beachteten Gruppe von historischen Zeugen, den Pilgerzeichen, d. h. kleinen Metallgüssen, die von den Pilgern als Zeichen ihres Standes an der Kleidung befestigt wurden. Diese an vielen Wallfahrtskirchen zu Tausenden seriell produzierten Abzeichen stellen das älteste Massenbildmedium des europäischen Mittelalters dar. So geben sie Auskunft über die bildliche Repräsentation der europäischen Wallfahrtskulte vom 12. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Zugleich sind Pilgerzeichenfunde wichtige Indizien für die geografische Verbreitung von Pilgerbewegungen. Die Thematik wird im vorliegenden Band exemplarisch für Westfalen und den benachbarten Raum des Pilgerdreiecks Aachen-Köln-Trier behandelt. Mit Blick auf den Tagungsort Paderborn, an dem die Beiträge zunächst vorgetragen und diskutiert wurden, ist das Spektrum mit weiteren Überlegungen zur historischen Pilgerinfrastruktur Westfalens, die sich im Mittelalter auf den Hellweg sowie seine Zugänge und Verlängerungen konzentrierte, erweitert worden.
<?page no="0"?> Jakobus - Studien Pilgerzeichen - „Pilgerstraßen“ herausgegeben von Klaus Herbers und Hartmut Kühne <?page no="1"?> Pilgerzeichen - „Pilgerstraßen“ <?page no="2"?> Jakobus-Studien 20 im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz <?page no="3"?> Pilgerzeichen - „Pilgerstraßen“ herausgegeben von Klaus Herbers und Hartmut Kühne <?page no="4"?> Titelabbildung: Jakobus der Ältere. Ausschnitt aus dem Corveyer Sippenaltar des Gert van Lon, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster / Dauerleihgabe des Westfälischen Kunstvereins. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript, Walddorf-Häslach Printed in Germany ISSN 0934-8611 ISBN 978-3-8233-6779-6 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Klaus Herbers und Hartmut Kühne Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen - Zur Geschichte und den gegenwärtigen Perspektiven ihrer Erforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Karl-Ferdinand Beßelmann Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters . . . . . . . . . . . . 29 Gerd Dethlefs Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Hartmut Kühne Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter . . . . . . . . 69 Peter Ilisch Pilgerzeichen in Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Carina Brumme Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen am Beispiel der Pilgerzeichen aus Aachen und Köln . . . . . . . . . . . . . . . 123 Jörg Poettgen Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula - Zeugnisse einer im 12. Jahrhundert beginnenden Wallfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Willy Piron Der Ertrag aus 30 Jahren niederländischer Pilgerzeichenforschung . . 187 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 <?page no="7"?> Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen - Zur Geschichte und den gegenwärtigen Perspektiven ihrer Erforschung von Klaus Herbers und Hartmut Kühne Auf dem Umschlag dieses Buches ist ein Bildausschnitt aus dem sog. Sippenaltar zu finden, den der westfälische Meister Gert van Lon (um 1465 - nach 1521) in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts für die Klosterkirche Corvey malte 1 . Das Mittelbild dieses Altarretabels stellt innerhalb einer eigentümlich in die Landschaft gestellten Halle die zahlreiche Verwandtschaft Jesu dar: Auf einer an den Wänden umlaufenden Steinbank sitzen Anna und Joachim, in der Mitte Maria mit dem Jesuskind und neben ihr die beiden Halbschwestern Maria Kleophas und Maria Jakobea je mit ihren Kindern. Der Bildausschnitt zeigt Jakobus den Älteren als Knaben, der sich lesend an das Knie seiner Mutter Maria Kleophas lehnt. Die Krempe seines Pilgerhuts ist dicht mit jenen Zeichen besteckt, die ihn als Pilger ausweisen: zwei metallenen Muscheln und zwei aus Metall gegossene oder möglicherweise auch aus Bein gedrechselte Pilgerstäbe als Zeichen der Jakobspilger, sowie ein auf Leder gemaltes Antlitz Christi, wie man es in Rom an die Pilger verkaufte, weshalb es dort um 1500 auch den Beruf des Veronikamalers gab 2 . Die gemalte Pilgerkappe dokumentiert schlaglichtartig die Vielfalt jener Pilgerzeichen, die man sich am Ende des Mittelalters ‚ an den Hut stecken ‘ konnte. Pilgerzeichen wurden an vielen Orten, an den großen Pilgerzentren, aber auch an zahlreichen kleineren Wallfahrtskirchen und -kapellen verkauft. Daher finden sich in der Alltagswirklichkeit des ausgehenden Mittelalters allenthalben Träger solcher Zeichen, wie etwa aus den Steckbriefen hervorgeht, in denen von der Obrigkeit gesuchte Missetäter beschrieben werden. Beispielsweise wurde nach dem Bundschuhaufstand in Lehen/ Breisgau 1513 nach einem Mann mit einem langen roten Bart [. . .] und 1 Vgl. Kunst und Kultur im Weserraum 800 - 1600, Bd. 2: Katalog (Münster 1966), S. 412 f., Nr. 111. 2 Vgl. Knut Schulz , Deutsche Handwerkergruppen im Rom des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts, in: Deutsche Handwerker, Künstler und Gelehrte im Rom der Renaissance, hg. von Stephan Füssel / Klaus A. Vogel (Wiesbaden 2001/ 2001), S. 11 - 25, hier S. 15. <?page no="8"?> vil heiligen am hut, nemlich die 14 nothelfer und unser Frauwen sanct Otilien 3 gefahndet. Oder ein gewisser Caspar Kettel aus München berichtete im Dezember 1520, ihn hätten zwei Räuber überfallen, von denen der eine ein gantz Rote kappen trug, die 14 Nothelffer vergult an der kappen, ein vergulte Sand Jacobs muschel neben den 14 Nothellfern 4 . Der Liber vagatorum, ein zuerst 1510 gedruckten Büchlein, das die Berufsbettler denunzierte und über ihre Tricks aufklärte, berichtet auch von den Calmierern, das seynd betler die zeichen an den hütten tragen besunder römisch veronica vnd muscheln vnd ander zeichen/ vnd gibt ie einer dem andern zeichen zu kauffen/ das man wenen sol sie sein an den steten vnd enden gewesen dar von sie die zeichen tragen/ wie wol sie doch nie dar komen/ vnd betriegen die leut da mit 5 . Pilgerzeichen wurden am Ausgang des Mittelalters im Alltag freilich nicht allein von den niedrigen Ständen der Gesellschaft geschätzt, wie man aufgrund der angeführten Zitate vermuten könnte, sondern zahlreiche Zeugnisse belegen, dass sie auch von Fürsten und Königen getragen wurden. Über die Pilgerzeichenkäufe Philipps des Guten , Herzog von Burgund (1396 - 1467) sind wir durch die erhaltenen Rechnungen gut unterrichtet 6 . Der französische König Ludwig XI . (1423 - 1483) galt als geradezu manischer Sammler von Pilgerzeichen 7 und auch König Ludwig XII . (1462 - 1515) ließ sich auf dem berühmten Porträt aus der Werkstatt Jean Perréals mit einem Pilgerzeichen des hl. Dionysios am Hut darstellen 8 . Von den deutschen Fürsten sind wir z. B. durch eine Blütenlese aus den Rechnungsbüchern der sächsischen Ernestiner besonders gut über einschlägige 3 Albert Rosenkranz , Der Bundschuh, die Erhebungen des südwestdeutschen Bauernstandes in den Jahren 1493 - 1517, Bd. 2: Quellen (Heidelberg 1927), S. 281. 4 Nach den Verhörprotokollen der Kriegsstube zu Nürnberg gedruckt von Louis Ferdinand von Eberstein , Fehde Mangold's von Eberstein zum Brandenstein gegen die Reichsstadt Nürnberg 1516 - 1522. Charakterbild der rechtlichen und wirthschaftlichen Zustände im deutschen Reiche unmittelbar vor dem großen Bauernkriege (2. Auflage, Dresden 1879), S. 41. Eine Blütenlese einschlägiger Notizen aus den Verhörprotokollen der Kriegsstube zu Nürnberg bietet auch Hans Dünninger , Pilgerzeichen von Vierzehnheiligen, Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg 100 (1964), S. 391 - 396. 5 Liber vagatorum. Der Betler orden, s. l. [1510] [VD 16 L1543], Blatt A6 v. 6 Vgl. Alexandre La Fons de Melicocq , Médailles, enseignes et affiques de dévotion commandés par Philippe le Bon, duc de Bourgogne, et le comte de Charolais, Revue de la numismatique belge 24 (1868), S. 75 - 81. 7 Vgl. Kurt Köster , Religiöse Medaillen und Wallfahrtsdevotionalien in der flämischen Buchmalerei des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Zur Kenntnis gemalter und wirklicher Kollektionen in spätmittelalterlichen Gebetbuch-Handschriften, in: Buch und Welt. Gustav Hofmann zum 65. Geburtstag dargebracht (Wiesbaden 1965), S. 459 - 504, hier S. 495 f. 8 Vgl. Barbara Hochstetler Meyer , Jean Perréal and Portraits of Louis XII., Journal of the Walters Art Gallery 40 (1982), S. 41 - 56. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 8 <?page no="9"?> Erwerbungen Friedrichs des Weisen und seines Bruders Herzog Johann unterrichtet 9 . Noch lange nach Luthers Thesenanschlag kauften die Fürsten Pilgerzeichen; zuletzt am 22. Juni 1520, als Herzog Johann bei der Heilig- Kreuz-Kapelle in Torgau, gewissermaßen einem Familienheiligtum der Ernestiner, zehn Pilgerzeichen für drei Groschen und zehn Pfennige erwarb 10 . Pilgerzeichen waren also in allen Schichten der Gesellschaft verbreitet. Neben ihrer Funktion, als sichtbares Zeichen für den Pilgerstand an der Kleidung getragen zu werden, waren sie zugleich ein wichtiges Andachts- und Bildmedium, denn vor der Etablierung der verschiedenen Drucktechniken im Laufe des 15. Jahrhunderts waren sie die einzige Form des privaten Bildbesitzes, den sich alle Bevölkerungsgruppen leisten konnten. Cum grano salis darf man behaupten, dass es im mittelalterlichen Europa bis zum 15. Jahrhundert keine andere Gruppe von Objekten gab, durch welche die Laienwelt in so umfassender und persönlicher Weise in den Kontakt zu den Heiligen trat, wie durch die Pilgerzeichen. Zur Geschichte der mittelalterlichen Pilgerzeichen Bereits seit der christlichen Antike wurden an Wallfahrtsstätten ‚ Andenken ‘ vertrieben, die deren Besucher als Devotionalien mit nach Hause nahmen. Sie wurden mit dem griechischen Wort Eulogie (Segensträger) bezeichnet: Kleine Bleiampullen mit heiligem Öl oder Wasser, aus heiliger Erde gepresste Plaketten etc 11 . Die mittelalterlichen Pilgerzeichen lassen sich von den antiken Eulogien nicht völlig trennen. Aber durch ihre eigentliche Funktion, den Träger sichtbar als Pilger auszuweisen, stellen sie eine Innovation gegenüber den antiken Wallfahrtsandenken dar, von denen sie sich als eigenständige Erscheinung deutlich absetzen. Das Phänomen der so verstandenen Pilgerzeichen lässt sich im ausgehenden 11. Jahrhundert erstmals belegen, als Besucher des Jakobusgrabes gebohrte Jakobsmuscheln (pecten 9 Georg Buchwald , Zur mittelalterlichen Frömmigkeit am Kursächsischen Hofe kurz vor der Reformation, Archiv für Reformationsgeschichte 27 (1930), S. 62 - 110. 10 Ebd., S. 109. 11 Vgl. den zusammenfassenden Artikel von Alfred Stuiber , Art. Eulogia, in: Reallexikon für Antike und Christentum 6 (Stuttgart 1966), S. 900 - 928 sowie die zahlreichen einschlägigen Beiträge in den Akten des XII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie, Bonn, 22. - 28. September 1991, hg. von Ernst Dassmann / Josef Engemann (Münster 1995 - 1997), hier bes. Josef Engemann , Eulogien und Votive, ebd. S. 223 - 233; Gary Vikan, Early Byzantine Pilgrimage Devotionalia as Evidence of the Appearance of Pilgrimage Shrines, ebd. S. 377 - 388; Brigitte Klausen- Nottmeyer , Eulogien - Transport und Weitergabe von Segenskraft. Ergebnisse einer Zusammenstellung von Pilgerandenken, ebd. S. 922 - 927; Petra Linscheid , Untersuchungen zur Verbreitung von Menasampullen nördlich der Alpen, ebd., S. 982 - 986. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 9 <?page no="10"?> maximus) als Zeichen ihres Pilgerstandes an ihrer Kleidung zu befestigen begannen 12 . Die Produktion von aus Blei-Zinn gegossenen Pilgerzeichen begann allerdings erst nach der Mitte des 12. Jahrhunderts 13 . Die ersten Pilgerzeichen aus Metall sind in Rom 14 und an Kirchen entlang der französischen Jakobuswege hergestellt worden, so in Rocamadour 15 , Saint Gilles 16 und Saint Leonard 17 . Dies ist kein Zufall, denn erst seit dem 11. Jahrhundert begriff man Pilger als eine besondere Gruppe von Reisenden, die dies aus religiösen Gründen taten und daher unter kirchlichen Schutz gestellt waren. Daher mussten sie sich auch sichtbar kennzeichnen. In der Entstehung der Pilgerzeichen manifestierte sich also auch die Entstehung des abendländischen Pilgers als eines eigenen Standes und kulturellen Typus sowie der damit verbundenen Infrastruktur 18 . So wie der Stand des Pilgers zunächst auf die Besucher der großen geistlichen Zentren beschränkt war, so blieb die Produktion von Pilgerzeichen auch zuerst diesen Orten vorbehalten. In deutschen Landen goss man die ersten Pilgerzeichen wahrscheinlich am Beginn des 13. Jahrhunderts. 12 Vgl. den immer noch instruktiven Katalog der europäischen Jakobusmuschelfunde von Kurt Köster , Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von europäischen Santiagostraßen (Neumünster 1983), S. 119 - 155. Ergänzungen jüngerer Funde finden sich bei Robert Plötz , Signum peregrinationis. Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen: Symposion in memoriam Kurt Köster (1912 - 1986) und Katalog der Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum und im Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Frankfurt a. M. u. a 2008), S. 47 - 70, bes. S. 65 - 68. 13 Die beste Übersicht über die erste Phase der europäischen Pilgerzeichenproduktion bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts bietet Andreas Haasis-Berner , Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Würzburg 2003). 14 Eine Übersicht über die bekannten Exemplare bietet Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 13), S. 138 - 148. Zur schriftlichen Bezeugung vgl. jetzt auch Jochen Johrend , Römische Pilgerzeichen und das Kapitel von St. Peter im Vatikan. Eine übersehene Urkunde Gregors IX., Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 89 (2009), S. 385 - 399. 15 Vgl. Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln (wie Anm. 12), S. 43 - 88 und die Ergänzungen bei Haasis-Berner, Pilgerzeichen (wie Anm. 13), S. 116 - 126. 16 Vgl. Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln (wie Anm. 12), S. 89 - 112 und die Ergänzungen bei Haasis-Berner, Pilgerzeichen (wie Anm. 13), S. 127 - 132. 17 Vgl. Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln (wie Anm. 12), S. 21 - 42 und die Ergänzungen bei Haasis-Berner, Pilgerzeichen (wie Anm. 13), S. 103 - 110. 18 Vgl. die summarischen Bemerkungen bei Plötz , Signum peregrinationis (wie Anm. 12), S. 51 - 54 mit weiterer Lit. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 10 <?page no="11"?> Dies geschah fast gleichzeitig am Kölner Dom 19 , am Aachener Marienstift 20 und im Matthiaskloster bei Trier 21 . Die frühen Pilgerzeichen waren massive Flachgüsse, die in der Regel eine durchgehende Fläche zeigen, auf der sich die Darstellungen als leicht erhabenes Relief abbildete. In einigen Fällen, etwa in Rocamadour, orientierte sich die Gestaltung am Vorbild der Kirchensiegel. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die massiven Plaketten von durchbrochenen, filigraneren Zeichen abgelöst, die man als Gittergüsse bezeichnet. Bei ihnen werden die Darstellungen durch Linien gebildet, zwischen denen der Hintergrund durchscheint. Diese Herstellungstechnik ermöglichte es, mit gleichem Materialeinsatz wesentlich größere Zeichen herzustellen, die zum Teil mehr als zehn Zentimeter Höhe erreichten. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sind auch Brakteaten, das heißt einseitig geprägte Bleche, als Pilgerzeichen bezeugt, in die zur Befestigung Löcher eingestanzt wurden. Der Übergang von den Flachgüssen zu den Gittergüssen erfolgte etwa zeitgleich mit einer starken Ausbreitung der Pilgerzeichenproduktion, die nun auch an nur regional bedeutenden Wallfahrtsorten hergestellt wurden. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand ist zu vermuten, dass es im mittelalterlichen Europa mindestens 500 Kirchen gegeben hat, an denen Pilgerzeichen verkauft wurden 22 . 19 Zu den Kölner Drei-Königs-Pilgerzeichen vgl. den typologischen Gesamtkatalog von Andreas Haasis-Berner/ Jörg Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige. Ein Beitrag von Archäologie und Campanologie zur Erforschung der Wallfahrt nach Köln, Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 30 (2002), S. 173 - 202. 20 Die Bearbeitung der Aachener Pilgerzeichen, der größten und differenziertesten Gruppe von mittelalterlichen Pilgerzeichen überhaupt, ist ein Desiderat der Forschung. Die Zusammenstellung von Peter Rong , Mittelalterliche Aachener Pilgerzeichen aus der Zeit des 14. bis 16. Jahrhunderts, Aachen 2000 ist unzuverlässig und irritierend. Der Katalogbeitrag von Kurt Köster , Aachener Pilgerzeichen, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800 - 1400, hg. von Anton Legner (Köln 1972), S. 149 - 151, bietet eine gewisse Orientierung, ihm fehlen aber vor allem die damals noch unbekannten frühen Flachgüsse. Der Teilbereich der Aachener Karlszeichen ist inzwischen bearbeitet von Jörg Poettgen , Karl der Große auf Aachener Pilgerzeichen des Mittelalters. Mit einem Katalog der bisher bekannten Exemplare, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 110 (2008), S. 65 - 100. 21 Vgl. Hartmut Kühne / Jörg Poettgen , Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der Diözese Trier: Kurzkatalog und Befunde, in: Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein, hg. von Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert (Stuttgart 2009), S. 135 - 180, bes. S. 138 - 141 und S. 149 - 163. 22 Kurt Köster zählte 1983 257 Orte, an denen Pilgerzeichen vertrieben worden waren: Kurt Köster , Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins München, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck / Gerda Möhler (München - Zürich 1983), S. 203 - 223, vgl. hier die Kartenlegende S. 214 f. Durch die inzwischen entdeckten Neufunde und weitere Forschungen scheint dem Verfasser die Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 11 <?page no="12"?> Hergestellt wurden die Pilgerzeichen aus einer Blei-Zinn-Legierung mittels einer rationellen Gusstechnik in steinernen Modeln 23 . Erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts finden sich gelegentlich Hinweise, dass die Pilgerzeichen für eine zahlungskräftigere Kundschaft auch in Silber gegossen wurden 24 . Die Gusstechnik ermöglichte eine preisgünstige Herstellung hoher Stückzahlen, die sich gelegentlich auch konkret fassen lassen. So wurden in der Hochphase der Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg zwischen 1519 und 1523 jährlich zwischen zehn- und zwanzigtausend Zeichen vertrieben 25 . Ein vielzitierter Spitzenwert ist die Zahl von 130 000 Pilgerzeichen, die während der zweiwöchigen Engelweihe im Kloster Einsiedeln im Jahre 1466 nach der Konstanzer Chronik des Gebhard Dacher verkauft wurden 26 . Aus Aachen, wo zweifellos die meisten Pilgerzeichen des Mittelalters überhaupt vertrieben wurden, liegen keine Zahlen vor. Zwar war auch hier die Pilgerzeichenherstellung ein Monopol der Zunft der Spiegelmacher, aber in der Zeit der siebenjährlich stattfindenden Heiltumsfahrt gab es von Ostern bis Oktober einen ‚ freien Markt ‘ für den Vertrieb von Pilgerzeichen, was den einzigartigen Typenreichtum der Aachener Zeichen erklären dürfte 27 . Die Nachfrage war dort so groß, dass der Verdienst auch Unternehmer von Zahl von mindesten 500 Kirchen realistischer, vgl. dazu auch: Willy Piron - Hanneke van Asperen , Bronnen over middeleeuwse bedevaarten, in: Heilig en Profaan 3. 1300 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, hg. von Hendrik J. E. van Beuningen / Adrianus Maria Koldeweij/ Dory Kicken u.a . (Langbroek 2012), S. 72 - 94. 23 Eine vorzügliche Einführung in die Herstellungstechniken mittelalterlicher Pilgerzeichen bietet jetzt Daniel Berger , Herstellungstechniken hoch- und spätmittelalterlicher Kleinobjekte aus Zinn, in: Heilig en Profaan 3 (wie Anm. 22), S. 39 - 55. 24 Vgl. den Überblick bei Andreas Haasis-Berner , Pilgerzeichenforschung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Spätmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum. Beiträge einer interdisziplinären Arbeitstagung Eisleben 7./ 8. Juni 2002, hg. von Hartmut Kühne / Wolfgang Radtke / Gerlinde Strohmaier-Wiederanders (Berlin 2002), S. 63 - 83, hier S. 67 f. 25 Vgl. die Zusammenstellungen der überlieferten Angaben bei Hartmut Kühne , Zwischen Bankrott und Zerstörung - vom Ende der Wallfahrten in protestantischen Territorien, in: Wallfahrt und Reformation - Pout ’ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan Hrdina / Hartmut Kühne / Thomas T. Müller (Frankfurt a. M. u. a. 2006), S. 201 - 220, hier S. 210 f. 26 Und darnach als die engelwihin ußgieng, do hat man ußgerechnet an den zaichen, die die bilgrim kofen ain umb 2 Pf[ennige], das hundertusend und 30000 bilgrim da sind gesin, und hant doch nit alle zaichen genomen. [. . .] do hett man gerechnet uß, das man uß den zaichen hett gelöst 1300 guldin. Die Chroniken der Stadt Konstanz, hg. von Philipp Ruppert (Konstanz 1891), S. 260. 27 Vgl. Kurt Köster , Gutenbergs Aachener Heiltumsspiegel, in: das werck der bucher. Von der Wirksamkeit des Buches in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Festschrift für Horst Kliemann. Zu seinem 60. Geburtstag hg. von Fritz Hodeige (Freiburg i. Br. 1956), S. 284 - 301, hier S. 289. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 12 <?page no="13"?> weither auf den Plan rief, wie etwa Johannes Gutenberg in Straßburg, der zunächst an einer rationellen Methode zur Herstellung von Aachener Pilgerzeichen arbeitete, bevor er seine dabei gewonnene Sachkenntnis auf die Herstellung von Bleilettern verwandte 28 . Zwischen dem späten 12. Jahrhundert und den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts, als die Herstellung von Pilgerzeichen fast überall in Europa abbrach, müssen viele Millionen Pilgerzeichen hergestellt worden sein, die von ihren Trägern teilweise quer durch Europa getragen wurden. Welche Bedeutung dieses erste Massenbildmedium für die Verbreitung von Bildern und (Heiligen-)Kulten hatte, ist bisher nicht einmal ansatzweise ausgelotet worden. Notizen zur Erforschung der mittelalterlichen Pilgerzeichen Nach dem Abbruch ihrer Herstellung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden Pilgerzeichen fast überall im Zuge der Reaktivierung des Wallfahrtswesens in den katholischen Ländern Europas durch die zweiseitig gestalteten Wallfahrtsmedaillen abgelöst, die bis heute im Devotionalienangebot der Wallfahrtskirchen eine wichtige Rolle spielen 29 . Die Kenntnis der mittelalterlichen Pilgerzeichen ging daher verloren, bis diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts als archäologisches Fundgut in den Ablagerungsschichten von Flüssen wieder auftauchten. Zunächst waren es vor allem die massenhaften Funde, die beim Neubau der Seine-Brücken im Zuge der Modernisierung der Pariser Innenstadt entdeckt wurden. Diese Funde weckten das Interesse des jungen Antiquitätenhändlers Arthur Forgeias (1822 - 1878), welcher eine große Sammlung der von ihm als plombs historiés bezeichneten Objekte zusammentrug, die schließlich in das Musée de Cluny, das heutige Musée national du Moyen Âge - Thermes et hôtel de Cluny, gelangte 30 . Forgeais publizierte 1858 eine erste Übersicht dieser Funde 31 und legte schließlich bis 1866 einen fünfbändigen Katalog vor 32 , mit dem der 28 Vgl. Köster , Gutenbergs Aachener Heiltumsspiegel (wie Anm. 27), und ausführlicher dazu Ders ., Gutenberg in Straßburg. Das Aachenspiegel-Unternehmen und die unbekannte „ afentur und kunst “ (Mainz 1973). 29 Vgl. dazu vor allem die grundlegende Untersuchung von Stefan Fassbinder , Wallfahrt, Andacht und Magie. Religiöse Anhänger und Medaillen - Beiträge zur neuzeitlichen Frömmigkeitsgeschichte Südwestdeutschlands aus archäologischer Sicht (Bonn 2003). 30 Ein Katalog dieser Sammlung liegt erst seit 1996 vor: Denis Bruna , Enseignes de pèlerinage et enseignes profanes (Paris 1996). 31 Arthur Forgeais, Notice sur des plombs historiés trouvés dans la Seine (Paris 1858). 32 Arthur Forgeais , Collection des plombs histories trouvés dans la Seine, 5 Bde. (Paris 1861 - 1865). Für die Pilgerzeichenforschung sind besonders der Band: Enseignes de pèlerinages (Paris 1863) und der Band 4: Imagerie religieuse (Paris 1865) von Bedeutung. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 13 <?page no="14"?> Historiker und Archäologe - vor allem aber Sammler - zur Beschäftigung mit diesen Objekten anregte. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden eine Reihe von Neufunden aus Frankreich und Belgien veröffentlicht 33 . Besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz gab es um 1900 eine Reihe von Sammlern, die Pilgerzeichen vorzugsweise auf dem französischen Kunstmarkt erwarben 34 : so Karl Maximilian Freiherr von Heyl (1844 - 1925) für das Wormser Paulus-Museum 35 , der Münchner Wilhelm Clemens (1847 - 1934), dessen Sammlung 1919/ 1920 an das Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln kam 36 , Albert Figdor (1843 - 1927) in Wien, von dessen Pilgerzeichenkollektionen heute nur noch geringe Reste vorhanden sind 37 und der Luzerner Goldschmied Johann Bossard , dessen bedeutende Pilgerzeichensammlung durch die Auktion im Jahre 1911 zerstreut wurde. 38 Besonders hervorzuheben ist aber die 1894 durch Adalbert 33 Besonders zu erwähnen sind François-Edmond Desnoyers , Objets trouvés dans la Loire durant l'été de 1870, Mémoires de la société archéologique et historique de l'orléanais, 12 (1873), S. 245 - 295; Ders . Nouveaux objets trouvés dans la Loire pendant les années 1872, 1873 et une partie de 1874, ebd., 15 (1876), S. 113 - 189; François Cajot , Antiquités de la Basse-Sambre à Namur, Annales de la Société archéologique de Namur 13 (1875), S. 401 - 473; Louis Dancoisne , Les médailles religieuses du Pas-de-Calais (Arras 1880); Alfred Danicourt, Sur les enseignes et médailles d'étain ou de plomb trouvées en Picardie (Abbeville 1886); Antoine Sabatier , Sigillographie historique des administrations fiscales communautés ouvrières et institutions diverses ayant employé des sceaux de plomb (XIVe - XVIIIe siècle). Plombs historiés de la Saône et de la Seine (Paris 1912). 34 Zur Geschichte der Sammlungen französischer Pilgerzeichen um 1900 vgl. auch Helena Koenigsmarková / Hartmut Kühne, „ Ich habe noch nie eine solche Anzahl feiner Documente aus dieser Zeit in Blei und Zinn zusammen gesehen! “ - Die Prager Pilgerzeichensammlung: Eine sammlungs- und forschungsgeschichtliche Einleitung, in: Hartmut Kühne / Carina Brumme / Helena Koenigsmarková, Jungfrauen, Engel, Phallustiere: Die Sammlung mittelalterlicher französischer Pilgerzeichen des Kunstgewerbemuseums in Prag und des Nationalmuseums Prag, Berlin 2012 [im Druck]. 35 Vgl. Mathilde Grünewald , Pilgerzeichen, Rosenkränze, Wallfahrtsmedaillen. Die Beigaben aus Gräbern des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Pfarrfriedhof bei St. Paul in Worms. Die Sammlung gotischer Pilgerzeichen im Museum der Stadt Worms (Worms 2001). 36 Zur Sammlungsgeschichte vgl. Die Sammlung Clemens, hg. vom Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln (Köln 1963). Die Pilgerzeichen wurden katalogisiert von Hanns-Ulrich Haedeke , Zinn. Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln (Köln 1968), Nr. 10 - 60 und 62 - 70. 37 Vgl. Lothar Lambacher , Zur Geschichte der Pilgerzeichensammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12), S. 207 - 222, hier bes. 212 - 216. 38 Der Auktionskatalog verzeichnet als Lot 698 220 Pilgerzeichen und als Lot 701 25 Gussmodel „ von Kruzifixen und Madonnenreliefs “ Hugo Helbing, Sammlung J. Bossard, Luzern. II. Abteilung. Privatsammlung: Arbeiten in Edelmetall (Arbeiten in Gold: Schmuck-Gegenstände - Arbeiten in Silber: Trink- und Prunkgefässe, Tafel- Geschirr, Nippes-Gegenstände, Schmuck-Gegenstände) - Bestecke - Arbeiten in Zinn, Bronze, Elfenbein etc. vorwiegend der Gothik und der Renaissance. Auktions- Klaus Herbers / Hartmut Kühne 14 <?page no="15"?> Freiherr von Lanna (1836 - 1909) für das Prager Kunstgewerbemuseum erworbene Sammlung von über 500 Zeichen, für die freilich erst seit 2012 ein Katalog vorliegt 39 . Allerdings hatte man sich in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg kaum dafür interessiert, ob solche Stücke auch in den einheimischen Flüssen zu finden wären. Nur in Bremen machte der Leiter des Focke-Museums Ernst Grohne (1888 - 1957) seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die mit der Ausbaggerung der Weser befassten Arbeiter auf mögliche Funde aufmerksam, wodurch das Focke-Museum das einzige deutsche Museum ist, das eine nennenswerte Sammlung einheimischer Pilgerzeichenfunde vorzuweisen hat 40 . Auch in Italien wurden um 1900 eine Reihe von angeblichen oder wirklichen Funden aus dem Tiber im Kunsthandel angeboten, unter anderem erwarben Wilhelm von Bode für das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum 41 oder von Anton de Waal (1837 - 1917) für seine Sammlung altchristlicher Kunstwerke im Campo Santo Teutonico 42 kleine Gruppen solche Tiberfunde, über deren Fundumstände aber u. W. keine näheren Nachrichten vorliegen. Spätestens mit dem Ende des Ersten Weltkrieges verlor sich das Interesse an den Pilgerzeichen in den Kreisen von Privatsammlern und auch bei Kunsthistorikern und Archäologen. Dies hing wohl auch mit dem Verlust jener fächerübergreifenden kulturhistorischen Perspektiven zusammen, die durch die fundamentale gesellschaftliche Krise nach dem Ersten Weltkrieg obsolet erschienen, für ein bestimmtes Sammlermilieu um 1900 aber grundlegend gewesen waren. Bereits zuvor hatte die Pilgerzeichenforschung aus einer ganz anderen Richtung einen neuen Impuls empfangen: Der dänische Glockenforscher Frederick Uldall stellte in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts fest, dass sich auf spätmittelalterlichen Glocken Abgüsse von Pilgerzeichen befinden. Seit dem 14. Jahrhundert hatten Glockengießer katalog (München 1911). Vgl. zur Sammlung auch Jules Coulin , Die Sammlung J. Bossard in Luzern, Der Cicerone 1911, S. 296 - 301. 39 Kühne / Brumme / Koenigsmarková, Jungfrauen (wie Anm. 34). 40 Vgl. Ernst Grohne , Bremische Boden und Baggerfunde. Jahresschrift des Focke- Museums Bremen (Bremen 1929) - Gerd Dettmann , Heimatliche Altertümer geschichtlicher Zeit. Die Ernte der letzten Jahre an bremischen Boden- und Weserfunden (Bremen 1937). - Jürgen Wittstock , Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, in: Der Jakobskult in „ Kunst “ und „ Literatur “ , hg. von Klaus Herbers / Rudolf Plötz (Tübingen 1998), S. 85 - 107. 41 Vgl. Hartmut Kühne , Zur Bedeutung der Pilgerzeichensammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12), S. 223 - 234, hier bes. S. 224 f. 42 Anton de Waal , Andenken an die Romfahrt im Mittelalter, Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 14 (1900), S. 54 - 67. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 15 <?page no="16"?> begonnen, Pilgerzeichen zum Glockenschmuck zu verwenden, indem sie diese vor dem Guss in den Glockenmantel eindrückten. Beim Guss verdrängte die flüssige Glockenspeise die leichter schmelzbare Blei-Zinn- Legierung, so dass eine Kopie des Pilgerzeichens auf der Oberfläche in der härteren Bronze zurückblieb. Uldall publizierte diese Beobachtung erstmals im Jahre 1905 43 . Von ihm angeregt begann der Thüringer Pfarrer Paul Liebeskind auf mitteldeutschen Glocken ähnliche Abgüsse zu suchen. Durch dessen Beiträge in der weit verbreiteten Zeitschrift „ Die Denkmalpflege “ wurden Kunsthistoriker und Denkmalkundler, die im Rahmen der Erstellung von Denkmalinventaren auch mit der Erfassung von Glocken befasst waren, auf diese Verzierungen aufmerksam 44 . Die Inventarisierung der deutschen Glocken erlebte ihren düsteren Höhepunkt, als im Zweiten Weltkrieg Kirchenglocken als Rohstoffreserve für die Rüstungsindustrie abgeliefert werden mussten und zuvor mit deutscher Gründlichkeit erfasst und bewertet wurden. (Abb. 1) Das Ergebnis dieser Verzeichnung von ca. 30000 Glocken aus dem damaligen Reichsgebiet, die neben der schriftlichen und fotografischen Dokumentation auf Karteikarten auch Abreibungen, Gipsabgüsse, und Klangproben umfasst, befindet sich seit 1965 als „ Deutsches Glockenarchiv “ im Archiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 45 . Auch auf der Grundlage dieser Dokumentation hat der Historiker und Bibliothekar Kurt Köster seit den späten 40er Jahren des 20. Jahrhunderts im ‚ Nebenberuf ‘ eine Materialsammlung zu europäischen Pilgerzeichen aufgebaut, die nach seinem Tod 1986 als „ Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ dem „ Deutschen Glockenarchiv “ zugeordnet wurde und ca. 6500 Einzelnachweise zu Pilgerzeichen enthält 46 . Neben der immensen Sammelleistung hat Köster durch seine strenge ikonographische Typisierung der Zeichen ein methodisches Instrumentarium 43 Frederick Uldall , Schwesterglocken aus dem Mittelalter im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin und dem Königreich Dänemark, Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 70 (1905), S. 153 - 182. Grundlegend wurde aber der ein Jahr später publizierte Glockenatlas Frederick Uldall , Danmarks middelalderlige Kirkeklokker (Kopenhagen 1906). 44 Paul Liebeskind , Pilger- und Wallfahrtszeichen auf Glocken, Teil 1 - 3, Die Denkmalpflege 6 (1904), Nr. 7, S. 53 - 55; 7 (1905), Nr. 15, S. 117 - 120; 7 (1905), Nr. 16, S. 125 - 128. 45 Vgl. Ludwig Veit , Das Deutsche Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg 1965 - 1985. in: Lusus campanularum. Beiträge zur Glockenkunde. Festschrift zum 80. Geburtstag von Sigrid Thurm, hg. von Tilmann Breuer (München 1986), S. 91 - 98. - Claus Pese , Das Deutsche Glockenarchiv. in: Mehr als nur Kunst. Das Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum, bearb. von Claus Pese (Ostfildern-Ruit 1998), S. 136 - 145. 46 Jörg Poettgen , Europäische Pilgerzeichenforschung. Die Zentrale Pilgerzeichenkartei (PZK) Kurt Kösters ( † 1986) in Nürnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch für Glockenkunde 7/ 8 (1995/ 1996), S. 195 - 206; vgl. auch die einschlägigen Beiträge in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12). Klaus Herbers / Hartmut Kühne 16 <?page no="17"?> geschaffen, das die Forschung bis heute bestimmt. Erstmals stellte er seine Arbeitsweise 1957 in einer umfangreichen Arbeit über den Glockengießer Tilman von Hachenburg vor 47 . Kurt Köster hat bis zu seinem Tode im Jahre 1986 insgesamt 43 größere und kleinere Beiträge zur Pilgerzeichenforschung verfasst, von denen aber nur zwei den Umfang kleiner Monografien annahmen 48 . Das große Buch der Europäischen Pilgerzeichen, als Zusammenfassung seines Lebenswerkes für den Ruhestand geplant, hat er wegen seines frühen Todes nicht mehr schreiben können 49 . Allerdings war es Kurt Köster seit 1970 immer wieder gelungen, die unscheinbaren und daher für repräsentative Expositionen eher ungeeigneten Pilgerzeichen in großen kulturgeschichtlichen Ausstellungen zu präsentieren. Dies begann mit der Kölner Schau „ Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800 - 1400 “ und endete ein Jahr vor Kösters Tod mit seinen Beiträgen zur Genter Ausstellung „ Santiago de Compostela - 1000 jaar Europese Bedevaart “ (Europalia 85 Espana). Kösters private Zettelkartei war samt der zugehörigen Materialsammlung von ihm selbst in Kooperation mit dem Würzburger Lehrstuhl für deutsche Philologie und Volkskunde unterstützt von DFG-Mitteln von 1980 - 1985 in eine maschinenschriftliche und allgemein benutzbare Form gebracht worden 50 . Als diese Pilgerzeichen-Auskunftei 1986 dem Germanischen Nationalmuseum übergeben wurde, war damit die Hoffnung verbunden, dass sich ein damals am Germanischen Nationalmuseum geplantes „ Institut für Realienforschung “ parallel zu dem der Österreichischen Akademie in Krems [. . .] das in besonderer Weise das in Nürnberg befindliche Deutsche Glockenarchiv einschließt, zu dem gerade das Köstersche Pilgerzeichenarchiv ausgezeichnet passen würde 51 um die Nutzbarmachung dieses Vermächtnisses kümmern würde. Aber diese Pläne wurden nicht realisiert und aus der „ Zentralen 47 Kurt Köster , Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrheinischen Glockengießers des fünfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Berücksichtigung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8 (1957), S. 1 - 206. 48 Vgl. die Gesamtbibliographie der Arbeiten Kurt Kösters zu Pilgerzeichen und Glocken in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12), S. 385 - 389. Als Monografien wurden gedruckt Köster , Gutenberg (wie Anm. 28) und Köster , Pilgerzeichen (wie Anm. 12). 49 Vgl. zu diesem Projekt Wolfgang Brückner , Kurt Köster und die Pilgerzeichenforschung, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12), S. 19 - 29. bes. S. 27 - 29. 50 Das Projekt schildert die Bearbeiterin Heidemarie Gruppe , Zu Begriff und Sache im DFG-Projekt „ Pilgerzeichenkatalog “ , in: Wallfahrt, Pilgerzeichen, Andachtsbild, hg. von Wolfgang Brückner (Würzburg 1982), S. 9 - 46. 51 Wolfgang Brückner , Kurt Köster und das Pilgerzeichenarchiv. Zu Tode des Historikers und Bibliothekars, Bayerische Blätter für Volkskunde 13 (1986), S. 100 - 102, wieder abgedruckt in Ders. , Volkskundler im 20. Jahrhundert (Würzburg 2000), S. 138 - 140, hier S. 140. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 17 <?page no="18"?> Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ ist faktisch ein sorgfältig archivierter Gelehrtennachlass geworden. (Abb. 2 und 3) Eine professionelle Betreuung und Erweiterung der Datensammlung hätte damals wohl auch jenes Informationsnetzwerk aufrechterhalten können, das Kurt Köster europaweit geknüpft hatte. Dass dies unterblieb ist in der Rückschau vor allem deshalb bedauerlich, weil seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts neue Impulse aus der Archäologie die Kenntnisse der europäischen Pilgerzeichen immens zu erweiterten begannen. Für den skandinavischen Raum legte Lars Andersson 1989 einen ausführlichen Überblick der bekannten Pilgerzeichenfunde vor 52 . Die zahlreichen älteren und vor allem neuen Funde von Pilgerzeichen in Großbritannien wurden von Brian Spencer (1928 - 2003), dem Kustos des Museum of London, systematisch ausgewertet 53 . In Frankreich knüpfte Colette Lamy- Lassalle an die Forschungen von Forgeais an 54 und inspirierte ihren Schüler Abb. 1: „ A-Glocken “ vor dem Einschmelzen im Glockenlager Ilsenburg 1942 52 Lars Andersson , Pilgrimsmärken och vallfart (Lund Studies in Medieval Archeology 7, Lund 1989). 53 Brian Spencer , Pilgrim Souvenirs and Secular Badges (Salisbury Museum Medieval Catalogue, Part 2; Salisbury1990); Ders. Pilgrim souvenirs and secular badges (Medieval finds from excavations in London 7, London 1998). Eine Würdigung seiner Arbeit findet sich in dem Band Beyond Pilgrim Souvenirs And Secular Badges. Essays in Honour of Brian Spencer, hg. von Sarah Blick (Oxford 2007). 54 Colette Lamy-Lassalle , Recherches sur un ensemble de plombs trouvés dans la Seine, Musée des antiquités de Rouen et collection Bossard de Lucerne, Revue des sociétés savantes de Haute-Normandie 49 (1968), S. 5 - 24; Dies. , Les enseignes de pèlerinage Klaus Herbers / Hartmut Kühne 18 <?page no="19"?> Denis Bruna 55 zur Beschäftigung mit den französischen Pilgerzeichen. Die Entdeckung eines Pilgerzeichenateliers mit zahlreichen Gussformen am Mont Saint Michel 56 und die Bergung eines größeren Komplexes von Zeichen aus dem Flüsschen Rhonelle in Valenciennes 57 waren die spektakulärsten Funde der letzten Jahre. Abb. 2: Die „ Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ im Deutschen Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg im Jahre 2006 du Mont-Saint-Michel, in: Millénaire monastique du Mont-Saint-Michel, Bd. 3: Culte du St. Michel et pèlerinages au mont (Paris 1971), S. 271 - 286; Dies ., Les enseignes de pèlerinage de saint Mathurin de Larchant, Bulletin de la Société nationale des Antiquaires de France (1988), S. 100 - 106. 55 Vgl. Bruna , Enseignes (wie Anm. 30); Ders., Enseignes de plomb et autres menues chosettes du Moyen Âge (Paris 2006); Ders ., Saints et diables au chapeau: bijoux oubliés du Moyen Âge (Paris 2007). 56 Vgl. Vivre au Moyen Âge. Archéologie du quotidien en Normandie, XIII e - XV e siècles [Ausstellungskatalog Caen - Toulouse - Evreux 2002/ 2003], hg. von Monique Rey-Delqué (Mailand 2002), bes. S. 297 - 299. 57 Arnoud Tixador, Enseignes sacrées et profanes médiévales découvertes à Valenciennes: un peu plus dûn kilogramme d ’ histoire (Valenciennes 2004). Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 19 <?page no="20"?> Vor allem haben aber die seit den frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden zu Tausenden gefundenen Zeichen unsere Kenntnisse immens erweitert. Die hohe Zahl von Funden hat ihren Grund einerseits in den günstigen Erhaltungsbedingungen durch die feuchten Böden, andererseits aber auch im Einsatz von Metalldetektoren und einer anderen Rechtslage bei der Grabungsbeteiligung von Amateurarchäologen in den Niederlanden. Hier hat sich die Forschung in den letzten 20 Jahren gut vernetzt, was vor allem der Zusammenarbeit des Kunstgeschichtlichen Lehrstuhl der Universität Nijmegen unter der Leitung von Jos Koldeweij mit dem ambitionierten Privatsammlers Hendrik Jan Engelbert van Beuningen und dessen „ Stichting Middeleeuwse Religieuze en Profane Insignes “ geschuldet ist. Aus dieser Kooperation sind inzwischen drei bedeutende Korpuswerke ( „ Heilig en profaan “ ) mit jeweils mehr als 1000 Pilgerzeichen publiziert worden 58 . Abb. 3: Ein Blick in die Ortskartei der „ Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ im Deutschen Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 58 Hendrik J. E. van Beuningen - Adrianus Maria Koldeweij , Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H. J. E. van Beuningen (Cothen 1993); Dies. - Dory Kicken , Heilig en profaan 2. 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (Cothen 2001); Dies . u. a., Heilig en Profaan 3. 1300 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, Langbroek 2012. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 20 <?page no="21"?> Auch in den ostmitteleuropäischen Ländern hat sich die Archäologie nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verstärkt mit diesem Fundmaterial zu befassen begonnen, so in Ungarn 59 , der Tschechischen Republik 60 und vor allem in Polen, wo insbesondere Krzysztof Wachowski 61 in Schlesien und Marian Re ˇ bkowski 62 an der Ostseeküste die Forschungen vorangetrieben haben. Hinzu kamen jüngst spektakuläre Funde in Danzig, wo in den letzten Jahren Hunderte Pilgerzeichen entdeckt wurden, deren vollständige Publikation noch aussteht 63 . Nur in Südeuropa stagniert die Pilgerzeichenforschung. In Italien scheint das Interesse an der Dokumentation und Erforschung mittelalterlicher Pilgerzeichen seit dem Ersten Weltkrieg fast völlig erloschen zu sein. In den letzten Jahrzehnten sind unseres Wissens nur fünf Fundberichte publiziert worden: die Vorstellung der einschlägigen Funde aus Loreto durch Carlo Bertelli und Floriano Grimaldi im Jahre 1968 64 , drei Berichte in der Zeitschrift „ Archeologia mediévale “ über Einzelfunde aus Ferrara und Argenta (Emilia-Romagna) 65 , der Kirche San Pietro in Quiliano (Provinz 59 Vgl. den Überblick von Elek Benkö , Pilgerzeichenforschung und Pilgerzeichenüberlieferungin Ungarn und in Siebenbürgen, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12), S. 167 - 184. 60 Tomá š Velímský , Reflection of pilgrimages in the material culture of the Czech middle ages, in: Wallfahrten in der europäischen Kultur/ Pilgrimage in European culture. Tagungsband Príbram, 26. - 29. Mai 2004, hg. von Daniel Dole ž al / Hartmut Kühne (Frankfurt a. M. u. a. 2006), S. 253 - 270. 61 Vgl. den Überblick bei Krzysztof Wachowski , Wallfahrten schlesischer Bürger im Mittelalter, Jahrbuch für Volkskunde NF 28 (2005), S. 137 - 158. 62 Vgl. den Überblick bei Marian Re ˇ bkowski, The Finds of the Pilgrim Badges from the Polish Baltic Coast, in: Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine, hg. von Hartmut Kühne - Lothar Lambacher - Jan Hrdina (Frankfurt a. M. u. a. 2012), S. 33 - 49. 63 Bisher sind nur einzelne Fundberichte erschienen: Anna Paner / Henryk Paner , Gdanszczanie na pielgrzymkowych szlakach w XIV i V wieku, Gdansk Sredniowieczny - w Swietle najnowszych badan archeologicznych i historycznych (Gdansk 1998), S. 167 - 183; Henryk Paner / Ewa Trawicka , Pilgrim badges depicting the Virgin Mary recovered from excavations in Gdansk, in: Terra sanctae Mariae. Mittelalterliche Bildwerke der Marienverehrung im Deutschordensland Preußen, hg. von Gerhard Eimer u. a. (Bonn 2009), S. 191 - 195. 64 Carlo Bertelli / Floriano Grimaldi , Oggetti devozionali antichi rinvenuti nella santa casa di Loreto, Studia Picena 36 (1968), S. 104 - 112. Auf den Ausfall des Themas Pilgerzeichen in der italienischen Forschung verweist auch die dort in Anm. 6, S. 106 - 108, zusammengestellte Pilgerzeichenbibliografie. 65 Chiara Guarnieri , Due insegne di pellegrinaggio provenienti da scavi urbani a Ferrara ed Argenta (FE), Archeologia medievale 25 (1998), S. 265 - 270. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 21 <?page no="22"?> Savona) 66 sowie dem Raum von Grosseto 67 und ein von Holger Grönwald publizierter Fund aus einer Burg im Friaul 68 . Abgesehen von zwei kurzen Katalogartikeln, einem von Pietro Cannata für den Katalog der 1985 im Palazzo Venezia veranstalteten Ausstellung „ Roma 1300 - 1875. L ’ arte degli Anni Santi “ 69 verfassten und einem zweiten, den Alessandra Rodolfo für eine Ausstellung im Zusammenhang des Römischen Heiligen Jahres 2000 schrieb, scheint es keine weiteren italienischen Überblicke zum Thema zu geben 70 . Noch problematischer ist die Situation in Spanien: Abgesehen von den Pilgermuscheln und den mit Santiago unmittelbar verbundenen Azabaches sind bisher nur sieben metallene Pilgerzeichen aus den spanischen Wallfahrtskirchen Santo Domingo de la Calzada, Villalcázar de la Sirga und Oviedo bekannt, die sämtlich außerhalb Spaniens gefunden wurden 71 . Auch in Deutschland spielten nach dem Tode Kurt Kösters archäologische Pilgerzeichenfunde gegenüber den Glockenabgüssen eine immer wichtigere Rolle. Besonders die starke Bautätigkeit im Bereich der ehemaligen DDR nach der deutschen Wiedervereinigung bescherte den Stadtarchäologen zahlreiche Einzelfunde von Pilgerzeichen, die häufig in der Zeitschrift „ Archäologie in Deutschland “ bzw. in den landesarchäologischen Periodika angezeigt wurden. Aber es fehlte an einer Vernetzung dieser Einzelforschungen. Unter den Archäologen bemühte sich der bei Heiko Steuer in Freiburg studierende Andreas Haasis - Berner um eine kontinuierliche Beschäftigung mit diesem Thema 72 , deren wichtigstes Ergebnis 66 Cristina Cattaneo / Cristina Ravedoni / Mauro Binda , Insegne di Pellegrino da S Pietro in Carpignano - Quiliano (SV), Archeologia Medioevale 25 (1998), S. 279. 67 Anna Wentkowska , Alcune insegne di pellegrinaggio dall'area grossetana, Archeologia medievale 27 (2000), S. 423 - 432. 68 Holger Grönwald , Maria im Pantheon. Ein Pilgerzeichen von der Burg Cucagna, Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 37 (2009), S. 180. Eine ausführliche Würdigung des Fundes und seiner Ikonografie bietet Ders ., Am Einzelfund ins Detail: Das mittelalterliche Bild des Pantheon und seiner Ikone im Spiegel von Pilgerzeichen, in: Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Jan Hrdina (Frankfurt a. M. u. a. 2012), S. 275 - 320. 69 Pietro Cannata , Divisa et insegne del Romeo, in: Roma 1300 - 1875. L'arte degli Anni Santi, hg. von Marcello Fagiolo / Maria Luisa Madonna (Mailand 1984), S. 46 - 49. 70 Alessandra Rodolfo , „ Signa super vestes “ , in: Romei & Giubilei. Il pellegrinaggio medievale a San Pietro (350 - 1350), Milano 1999, S. 151 - 156. 71 Vgl. Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 13), S. 61 - 64. Ein weiteres Zeichen aus Villalcázar de la Sirga wurde kürzlich in Valenciennes gefunden: Tixador, Enseignes (wie Anm. 57), S. 18 f., Nr. 19. Ein gemeinsames Zeichen aus Santo Domingo de la Calzada und Villalcázar de la Sirga wird in dem Katalog der Prager Pilgerzeichensammlung publiziert: Kühne - Brumme - Koenigsmarková, Jungfrauen (wie Anm. 34), Nr. 165. 72 Andreas Haasis-Berner , Die Jakobsmuschel in Grabfunden - Hinweise zu Ursprung und Bedeutung eines Pilgerzeichens, Sternenweg 16 (1995), S. 3 - 10; Ders ./ Günther Haberhauer , Zwei mittelalterliche Pilgerzeichen aus Bad Wimpfen, Regia Wimpina. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 22 <?page no="23"?> der Katalog der ältesten Pilgerzeichen-Flachgüsse darstellt 73 . Von den deutschen Glockenkundler hielt Jörg Poettgen die Verbindung zur Pilgerzeichenforschung aufrecht und konzentrierte sich dabei besonders auf den Rhein-Mosel-Raum 74 . Seitdem Hartmut Kühne im Sommer 1999 erstmals die „ Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ im Germanischen Nationalmuseum besucht hatte, verfolgte er die Idee, die dort zusammengetragenen Materialien aus dem Zustand sorgfältiger Archivierung wieder in die wissenschaftliche Kommunikation einzuspeisen. Er suchte dafür zunächst das Gespräch mit Wolfgang Brückner , der einst den Aufbau der Kartei als Würzburger Ordinarius mitbetrieben hatte und als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Germanischen Nationalmuseum immer wieder für eine stärkere Beschäftigung mit dem Köster-Nachlass geworben hatte. Allerdings wurde bald deutlich, dass im Germanischen Nationalmuseum niemand eine eigene Beiträge zur Wimpfener Geschichte 7 (1995), S. 10 - 15; Ders ., St. Jodocus in Konstanz - Zu einem neugefunden Pilgerzeichen, Archäologische Nachrichten aus Baden 54 (1996), S. 29 - 33; Ders ./ Jörg Poettgen , Pilgerzeichen als Zeugnisse der Wallfahrt zu den Heiligen Drei Königen - Neue Funde und Typologie, in: Ad Summum. 1248. Der gotische Dom im Mittelalter. Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln aus Anlaß der Grundsteinlegung des Kölner Doms vor 750 Jahren (Köln 1998), S. 167 - 179; Ders ., Die Pilgerzeichen des 11. - 14. Jahrhunderts. Mit einem Überblick über die europäische Pilgerzeichenforschung, in: Archäologie als Sozialgeschichte. Studien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschrift für Heiko Steuer zum 60. Geburtstag, hg. von Sebastian Brather u. a. (Rahden 1999), S. 271 - 277; Ders. , Archäologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78 (2000), S. 345 - 363; Haasis-Berner / Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen (wie Anm. 19); Ders. , Pilgerzeichenforschung. Forschungsstand und Perspektiven, in: Spätmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum, hg. von Hartmut Kühne/ Wolfgang Radtke/ Gerlinde Strohmaier-Wiederanders (Berlin 2002), S. 63 - 83; Ders., Pilgerzeichen zwischen Main und Alpen, in: Wallfahrten in der europäischen Kultur (wie Anm. 60), S. 237 - 252. 73 Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 13). 74 Von den zahlreichen Veröffentlichungen seien hier neben den beiden in Anm. 72 genannten, gemeinsam mit Andreas Haasis-Berner verfassten Aufsätzen genannt: Jörg Poettgen , Zwei unbekannte Medaillen der Dürener St.-Annen-Wallfahrt, Dürener Geschichtsblätter 77 (1988), S. 25 - 28; Ders .: Vorreformatorische Wallfahrtsdevotionalien aus dem Matthiaskloster zu Trier. Mittelalterliche Pilgerzeichen auf Glocken, Kurtrierisches Jahrbuch 34 (1994), S. 47 - 76; Ders ., Kryptogramme und Pilgerzeichen auf spätmittelalterlichen Glocken im östlichen Thüringen. Studien zur Werkstatt des Meisters Herlin in Jena, Jahrbuch für Glockenkunde 9/ 10 (1997/ 98), S. 81 - 98; Ders ., Die mittelalterliche Wallfahrt zum Heiligenberg - ein bisher ungedeutetes Pilgerzeichen aus Höxter-Ovenhausen, Jahrbuch für Glockenkunde 11/ 12, 1999/ 2000, S. 145 - 150; Ders. , Die Anfänge der Dürener St.-Anna-Wallfahrt im Zeugnis der Anna-Glocke von Vianden (1503), Dürener Geschichtsblätter 85 (2001), S. 31 - 59; Ders . Pilgerzeichen auf Glocken. Studien zu Geschichte, Verbreitung und Motivation ihrer Verwendung, in: Heilig en profaan 2 (wie Anm. 58); Ders ., Karl der Große (wie Anm. 20); Ders. / Kühne , Mittelalterliche Pilgerzeichen (wie Anm. 21). Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 23 <?page no="24"?> Initiative zur Aufarbeitung und Publikation dieses Materials entfalten wollte. Daher gab der damals noch bestehende Lehrstuhl für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin den Bemühungen um eine Bündelung der zerstreuten Pilgerzeichenforschungen ein erstes Zuhause. Ein dort von Hartmut Kühne im Jahre 2001 veranstaltetes Seminar mündete in die zur Zeit des ersten Internet- Booms naheliegende Idee, die von Köster gesammelten Daten und Neufunde in Form einer online abrufbaren Datenbank zusammenzuführen. Diese Unternehmung wurde nicht nur von engagierten und internetaffinen Studenten mitgetragen, sondern auch von Andreas Haasis-Berner und Jörg Poettgen mit Daten und Texten unterstützt, so dass die „ Pilgerzeichendatenbank “ im Frühsommer 2002 als Testprojekt online ging. Das Echo war überraschend positiv, es gab vielfältige Hinweise, freundliche Kritik und eindringliche Appelle zur Weiterarbeit in einem kaum erwarteten Umfang. Freilich gelang es nicht, bei einer der großen wissenschaftlichen Förderinstanzen jene Mittel einzuwerben, von denen eine Professionalisierung und Verstetigung des Vorhabens abhing. Drei bei unterschiedlichen Förderinstanzen in den Jahren 2002, 2005 und 2009 unternommene Versuche, das Vorhaben auf eine zumindest mittelfristig abgesicherte Basis zu stellen, scheiterten. Dennoch entwickelte sich um die Berliner Pilgerzeichendatenbank ein Netz des Informationsaustausches, in das unter anderem zahlreiche Archäologische Landesämter, einige Arbeitsstellen der Deutschen Inschriften bei den Akademien der Wissenschaften und die um das Deutsche Glockenmuseum organisierte campanologische Forschung einbezogen sind. Es sind insbesondere zu Kollegen in Tschechien, Polen, Österreich, Ungarn und dem niederländischen Forschungszentrum an der Radboud-Universität in Nijmegen enge Arbeitsbeziehungen entstanden, die ihren greifbaren Niederschlag auch in zwei Tagungen fanden, die im Jahre 2006 in Berlin 75 und 2010 in Prag 76 veranstaltet wurden. Durch die Auflösung des Lehrstuhls an der Humboldt-Universität im Jahre 2007 wurde das Projekt vorübergehend heimatlos, bis es mit dem Berliner Kunstgewerbemuseum eine neues Dach fand - hier ist die Datenbank seit 2010 angesiedelt und mittelfristig wird angestrebt, hier auch ein Kompetenzzentrum für die Bestimmung und Interpretation von Pilgerzeichen mit Schwerpunkt für Ostmitteleuropa aufzubauen. 75 Vgl. den Tagungsband Das Zeichen am Hut (wie Anm. 12). 76 Vgl. den Tagungsband Wallfahrer aus dem Osten (wie Anm. 62) Klaus Herbers / Hartmut Kühne 24 <?page no="25"?> Zum Profil des vorliegenden Bandes Vor dem Hintergrund der skizzierten Forschungssituation war die Entscheidung des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Sankt-Jakobus- Gesellschaft, die Jahrestagung 2011 in Paderborn dem Thema Pilgerzeichen zu widmen auch eine ermutigende Anerkennung der häufig steinigen Bemühungen um die wissenschaftliche Dokumentation, Analyse und Interpretation dieser zugleich unscheinbaren wie auch faszinierenden Objekte. Bei der Vorbereitung waren sich die Herausgeber schnell einig, dass neben den Pilgerzeichen auch Paderborn als Tagungsort und insbesondere sein geografisches Umfeld Beachtung mit Blick auf die Spuren des Jakobuskultes allgemein finden sollte, zumal es sich bei Westfalen um einen Raum handelt, der durch den Hellweg als Transitraum für Fernpilger gut bezeugt und von der Westfälischen Landesgeschichte als Wallfahrtslandschaft hervorragend erforscht ist. Dies wurde auch auf der Tagung dadurch sichtbar, dass es gelang, die Autoren zweier wichtiger einschlägiger landesgeschichtlichen Monografien aus den letzten Jahren für zwei Vorträge zu gewinnen. Werner Freitag , seit 2004 Professor für Westfälische und Vergleichende Landesgeschichte in Münster, trug über „ Pilger unterwegs in Westfalen. Eine Wallfahrtslandschaft vom Mittelalter bis heute “ vor und griff damit Themen seiner 1989 in Bielefeld vorgelegten Dissertation auf 77 . Wir bedauern es sehr, dass er wegen seiner aktuellen Arbeitsbelastung und im Hinblick auf die bereits im Druck vorliegende Monografie keinen zusammenfassenden Beitrag für die vorliegenden Jakobusstudien zur Verfügung stellte. Im Jahre 1995 wurde am Landesgeschichtlichen Lehrstuhl in Münster - allerdings unter dem Vorgänger Freitags , Peter Johanek - die Dissertation von Karl- Ferdinand Besselmann angenommen, die sich auf einer breiten Quellengrundlage mit den westfälischen Wallfahrtsorten des Spätmittelalters beschäftigt 78 . Durch diese Arbeit gehört Westfalen - jedenfalls dessen Kernbereich, das Oberstift Münster - zu den im Hinblick auf die mittelalterliche Wallfahrtsgeschichte am detailliertesten erforschten Gebieten Deutschlands. Der Beitrag von Karl-Ferdinand Besselmann „ Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters “ griff auf seine älteren Forschungen zurück, bezog aber zugleich neuere Erkenntnisse der Wege- und Wallfahrtsforschung ein. Eine Vertiefung dieses Themas stellt der Aufsatz des am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster tätigen Landeshistorikers Gerd Dethlefs dar, der sich dankenswerter Weise der Mühe unterzog, eigens für die Tagung die städtischen Rechnungsbestände 77 Werner Freitag , Volks- und Elitenfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Marienwallfahrten im Fürstbistum Münster (Paderborn 1991). 78 Karl-Ferdinand Besselmann , Stätten des Heils. Westfälische Wallfahrtsorte des Mittelalters (Münster 1998). Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 25 <?page no="26"?> entlang des Hellwegs auf Zeugnisse zu Wallfahrern hin durchzusehen. Da der Landschaftsverband Westfalen seit 2007 ein von der Altertumskommission für Westfalen moderiertes Vorhaben „ Wege der Jakobspilger in Westfalen “ betreibt, lag es nahe, auch die Leiterin dieses Projektes, Ulrike Spichal , mit einem Vortrag einzubeziehen. Leider war es aufgrund von anderweitigen Belastungen und Kommunikationsschwierigkeiten nicht möglich, eine Vorstellung dieses Vorhabens in diesen Band einzubeziehen. Der Beitrag von Hartmut Kühne „ Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter “ war als Brücke zwischen den landesgeschichtlichen Beiträgen und der Pilgerzeichenforschung gedacht, indem die Verbreitungsräume der Pilgerzeichen aus bestimmten westfälischen Wallfahrtsorten mit deren Lage im westfälischen Fernwegenetz korreliert wurden. Der am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster als Archäologe beschäftige Peter Ilisch stellte dem letztgenannten Vortrag gewissermaßen eine komplementäre Perspektive gegenüber, indem er die in Westfalen in den letzten Jahren gefundenen Pilgerzeichen dokumentierte und so nicht nur die von Andreas Haasis-Berner 2000 79 vorgelegte Übersicht aktualisierte, sondern auch die Ziele von mittelalterlichen Pilgern aus Westfalen thematisierte. Die Nähe Westfalens zu dem im spätmittelalterlichen Reich dominierenden ‚ Pilgerdreieck ‘ zwischen Aachen, Maastricht und Trier legten es nahe, sich mit den aus diesem Raum stammenden Pilgerzeichen näher zu befassen. Auf der Tagung gab Jörg Poettgen unter dem Titel „ Was erzählen Pilgerzeichen über die Wallfahrtsorte im Rheinland? “ Einen Überblick über die niederrheinischen Wallfahrtsorte des Hoch- und Spätmittelalters und ihre Pilgerzeichen. Da eine wissenschaftlich substantielle Textfassung dieses Überblicks bereits publizierte Beiträge wiederholen müsste 80 , in einzelnen Fällen - besonders bei den Aachener Pilgerzeichen - derzeit wissenschaftlich von einem Einzelnen kaum zu leisten ist, vor allem aber monografischen Umfang annehmen würde, haben sich die Herausgeber mit dem Autor darüber geeinigt, hier pars pro toto eine gerade abgeschlossene Untersuchung über die Kölner Pilgerzeichen der hl. Ursula aufzunehmen. Diese Darstellung zeigt exemplarisch, wie die Pilgerzeichenüberlieferung in der Lage sein kann, bisher aus den Quellen unbekannte Dimensionen einer Wallfahrtsbewegung aufzuschließen. Der Beitrag der von Beginn an mit der Berliner Pilgerzeichendatenbank verbundenen Archäologin und Theologin Carina Brumme versucht die statistischen und kartografischen Aussagemöglichkeiten von Pilgerzeichenfunden anhand der Kölner Drei-Königs- Zeichen und der Aachener Pilgerzeichen auszuloten. Der niederländische Kunsthistoriker Willy Piron , langjährige Mitarbeiter von Jos Koldeweij im 79 Haasis-Berner , Archäologische Funde (wie Anm. 72). 80 Dies gilt für die Texte Jörg Poettgens zu den Drei-Königs-Pilgerzeichen, zu den Aachener Karlszeichen, zu den Dürener Annenzeichen und den Pilgerzeichen aus der Diözese Trier, vgl. die Angaben in Anm. 72 und 74. Klaus Herbers / Hartmut Kühne 26 <?page no="27"?> niederländischen Pilgerzeichenprojekt KUNERA an der Radboud-Universität in Nijmegen, gab schließlich einen kundigen Überblick über die Entwicklung der Pilgerzeichenforschung in den Niederlanden und Belgien. Die hier versammelten Beiträge zur Pilgerzeichenforschung bilden vielleicht nicht alle aktuellen Tendenzen in diesem Forschungsbereich ab. Mehrfach handelt es sich um exemplarische Entwürfe, die bestimmte methodische Ansätze in der Forschung widerspiegeln: die summarische Erfassung regionaler Funde, die konzentrierte Analyse der Zeichen einzelner Pilgerzentren im Hinblick auf die Wallfahrts- und Kultgeschichte und die computergestützte Untersuchung von geografischen und chronologischen Verteilungsschemata bestimmter Zeichengruppen. Deshalb wurde diese Skizze zur bisherigen Forschung zur besseren Einordnung hier vorangesstellt. Auf der bereits oben angesprochenen Konferenz zur europäischen Pilgerzeichenforschung in Prag waren bereits im April 2010 eine Reihe neuer Forschungen besonders zum Ostseeraum und zum Alpen-Donaugebiet vorgetragen worden. Wie diese beiden Tagungen, so ergänzen sich auch die beiden Publikationen, denn sie präsentieren grundsätzliche methodische und sachliche Befunde zur Pilgerzeichenforschung in gleicher Weise mit regional unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Band ist in bewährter Weise von den beiden Herausgebern betreut worden, dabei haben viele Personen hilfreich zur Seite gestanden. Erwähnt sei hier die Hilfe des Präsidiums und der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft bei der Vorbereitung der Tagung und die Hilfe bei den Vereinheitlichungsarbeiten zur Einrichtung der Manuskripte, die Frau Luise Laufer am Erlanger Lehrstuhl in bewährter Weise vollzogen hat. Das Register wird den Mühen von XYZ verdankt. Den Autorinnen und Autoren danken wir aber für die gute Zusammenarbeit und hoffen, dass sie sich die Ergebnisse ebenso wie die Jakobus-Gesellschaft und ihr wissenschaftlicher Beirat nun „ an den Hut “ stecken können. Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen 27 <?page no="29"?> Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 1 von Karl-Ferdinand Beßelmann Es gab keine Wege, die ausschließlich einer einzigen Nutzungsweise vorbehalten waren - abgesehen von Trampelpfaden und schmalen Stiegen. [. . .] Es gab auch keine speziellen Pilgerwege, sondern nur Wege, die auch von Pilgern begangen wurden. Es muß ein buntes Treiben - einschließlich dem Treiben von Vieh - geherrscht haben. 2 . Das stellte Torsten Capelle vor wenigen Jahren fest, und das gilt auch für den Hellweg und das Wegenetz, in das er eingebunden ist, ungeachtet aller Begeisterung über die Bedeutung dieser Straße und Region für viele Wallfahrten und das Pilgerwesen. Der Hellweg, ein Teil der alten Heer- und Handelsstraße von Westeuropa über Rhein, Elbe und Oder bis zur Ostsee und ins Baltikum, dürfte zu den bekanntesten historischen Straßen in Deutschland zählen 3 . Ursprung und Alter dieser Straße sind nicht geklärt; ebenso ist die Deutung des Namens Hellweg, der nur für den Abschnitt von Essen-Steele bis zur Weser belegt ist 4 , bis heute nicht eindeutig gelungen. Dabei geht es um das Bestimmungswort hel- oder hal-, das gern mit Salz in Verbindung gebracht wurde, finden sich doch gerade am westfälischen Teilstück zahlreiche Orte der Salzgewinnung und des Salzhandels (Königsborn, Werl, Soest, Bad Sassendorf, Bad Westernkotten, Salzkotten) 5 . Daneben wurden auch etliche andere Deutungen vertreten; die plausibelste dürfte sein, Hellweg als eine Kategorialbe- 1 Geringfügig veränderte und mit Literaturnachweisen versehene Fassung eines Vortrags auf der 25. Jahrestagung der Deutschen Sankt-Jakobus-Gesellschaft in Paderborn am 8. 10. 2011. 2 Torsten Capelle, Wege zum Ziel, in: Eine Welt in Bewegung, hg. von Georg Eggenstein ( München/ Berlin 2008), S. 56 - 61, hier S. 60. 3 Vgl. Paul Leidinger, Der Westfälische Hellweg, in: Westfälische Zeitschrift 149 (1999) S. 9 - 33, hier S. 9. 4 Vgl. Axel Heimsoth, Die Wiederentdeckung des Hellwegs (Essen 2006), S. 13 f. 5 Vgl. Walter Melzer, Die Stadt Soest - eine erfolgreiche Stadtkarriere, in: Die Stadt Soest. Archäologie und Baukunst (Stuttgart 2000), S. 12 - 22, hier S. 12 f.; Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 12, Anm. 19; Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 22 f. und Anm. 36. <?page no="30"?> Abb. 1: Karte des Hellwegs auf der Grundlage des Hand-Atlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande und über das Weltgebäude. Hrsg. von C. G. Reichard und Adolf Stieler, Gotha (Perthes) 1817 - 1822, Nr. 21 Karl-Ferdinand Beßelmann 30 <?page no="31"?> zeichnung analog zu via regis = Königsweg, Weg königlichen Rechts und unter königlichem Schutz, zu verstehen 6 . Durch zahlreiche archäologische Funde ist gesichert, dass diese Trasse schon in vorgeschichtlicher Zeit eifrig genutzt wurde 7 . In den Berichten über die Römerzüge um die Zeitenwende wird der Hellweg allerdings nicht erwähnt. Die Römer scheinen vornehmlich das Lippetal genutzt zu haben 8 . Seine größte Bedeutung dürfte der Hellweg dann im frühen und hohen Mittelalter gehabt haben. Karl der Große baute ihn in den Sachsenkriegen aus, und bald darauf nutzten ihn 836 die Reliquientranslationen der Heiligen Vitus und Liborius aus St. Denis und Le Mans nach Corvey und Paderborn 9 . Hier diente er möglicherweise erstmals als ausgesprochene Pilgerroute, versammelten sich den Translationsberichten zufolge doch an wichtigen Etappenorten wie Soest, Paderborn, Brakel und Corvey viele Menschen, die von den Reliquien Heil und Heilung erwarteten, die einigen dann auch zuteil wurden. Für die ottonischen Könige stellte der Hellweg die wichtigste Verbindung zwischen dem für das Reich wichtigen Rheintal und dem Zentrum ihrer Hausmacht im Harzvorland dar, und zumindest kurzzeitig stieg seine Bedeutung im Zuge der deutschen Ostsiedlung des Hochmittelalters noch an 10 . Seit kurzem wissen wir auch, dass er in zentralen Abschnitten planmäßig ausgebaut war: In Balhorn zwei Kilometer vor Paderborn kreuzte er den Frankfurter Weg, ebenfalls eine wichtige Königsstraße, und hier wurden zwei parallele und mit mindestens elf Metern extrem breite Trassen ausgegraben, die leicht (weniger als ein Meter) in den gewachsenen Boden eingetieft, mit einem festen Unterbau versehen und von einer planmäßig aufgebrachten Erdschicht bedeckt waren, die ausweislich zahlreicher Funde bereits im Hochmittelalter von Verkehr aller Art benutzt wurde. In einem Fall konnte die Spur eines einzelnen Wagens von 1,28 Meter Breite isoliert 6 Vgl. die Zusammenstellung bei Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 12 f. 7 Vgl. Hans-Claus Poeschel, Alte Fernstraßen in der mittleren Westfälischen Bucht (Münster 1968), S. 92; Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 15 und Anm. 41; Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 10. 8 Vgl. Albert K. Hömberg, Der Hellweg, in: Ders. , Zwischen Rhein und Weser (Münster 1967), S. 196 - 207, hier S. 198; Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 10; Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 19. 9 Vgl. Zeitreise Hellweg. Spuren einer Straße durch die Jahrtausende, hg. von Reinhild Stephan-Maaser (Essen 2000), S. 23; Translatio S. Viti Martyris. Übertragung des hl. Märtyrers Vitus. Bearb. und übers. von Irene Schmale-Ott ( Münster 1979), S. 58 - 61; Erconrads Translatio S. Liborii, hg. von Alfred Cohausz ( Paderborn 1966), S. 102 - 107. 10 Vgl. Ferdinand Seibt, Eine Straße durch die Geschichte, in: transit. Brügge - Novgorod, hg. von Ferdinand Seibt / Ulrich Borsdorf / Heinrich Theodor Grütter ( Bottrop 1997), S. 31 - 46, hier S. 31 - 35; Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 26 - 30. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 31 <?page no="32"?> werden - die übliche Frachtwagenbreite der Zeit 11 . Ein anderer Abschnitt ist im Bereich der westlichen Dortmunder Ortsteile Oespel und Marten ergraben wurden. Dort bildete er in der Frühen Neuzeit einen um mindestens 2,5 Meter eingetieften, nicht ausgebauten Hohlweg, der stellenweise eine Breite von 30 Metern erreichte, die durch Fahrspuren von nur 30 - 50 Zentimetern Breite gefüllt wurden. Selbst in der Dortmunder Innenstadt zeigte die maximal zwölf Meter breite Trasse identische Wagenspuren und war nur mit Holz und Reisig befestigt sowie mit kleinen Sandsteinen unterlegt worden 12 . Dieser Befund - geringer Ausbaustand, große Trassenbreite, Verwendung schmaler Wagen - bestätigt den Eindruck, dass die Bedeutung des Hellwegs seit dem 14. Jahrhundert sank, wenn auch die Nennungen in der schriftlichen Überlieferung jetzt langsam häufiger wurden 13 - angesichts des Anschwellens der Quellen seit dieser Zeit bleiben Zahl und Aussagekraft aber eher gering. Wenn wir heute vom Hellweg sprechen, so denken wir an den Ruhrschnellweg, die A40/ B1 und östlich von Unna an die Kasseler Autobahn A44, die bis in den Raum Geseke parallel zur und südlich von der B1 verläuft - ganz überwiegend schnurgerade Straßenzüge. Das war der Hellweg früher beileibe nicht: In vielen Windungen zog er sich mal nördlich, mal südlich der späteren Chaussee die Nordabdachung der Ruhrhöhen und des Haarstrangs entlang, und er führte direkt durch Dortmund und Soest, aber nicht durch alle weiteren Hellwegstädte. Erst im Spätmittelalter wurde etwa den Städten Bochum (1351) und Werl (1433) erlaubt, den Hellweg durch die Stadt zu leiten, während er vorher südlich daran vorbeigeführt hatte 14 . In Rechnung stellen muss man auch, dass das Bild eines klar abgegrenzten Straßenzuges für die Zeit bis zum Chausseebau nur an schwer passierbaren Stellen zutraf: Flussübergänge, Gebirgspässe, Moorquerungen und ähnliche Engstellen führten zur Konzentration des Verkehrs auf eine bestimmte, über kurz oder lang auch künstlich ausgebaute Passage. Ansonsten suchte man sich je nach momentaner Lage und Witterung eine nutzbare Trasse in einem Bündel von Wegespuren, die direkt nebeneinander liegen, aber auch außer Sichtweite sein konnten, und die in einigen Fällen heute noch durch Straßennamen bezeugt sind 15 . 11 Vgl. Georg Eggenstein, Balhorn: Straßenkreuz des Mittelalters - eine Welt in Bewegung, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 76 (2007), S. 39 - 61, hier S. 39 und S. 54 - 59. 12 Vgl. Zeitreise Hellweg (wie Anm. 9), S. 33. 13 Vgl. Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 14. 14 Vgl. Hömberg, Hellweg (wie Anm. 8), S. 198 und S. 204. Der exakte Verlauf des Hellwegteilstücks von Unna bis Soest vor dem Chausseebau findet sich bei Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 57 - 62. 15 Vgl. Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 15 f. und S. 18. Karl-Ferdinand Beßelmann 32 <?page no="33"?> Nicht in Duisburg beginnt der eigentliche Hellweg, sondern in Steele (Ruhr), aber dort schlossen sich nach Westen mehrere Straßen an, die genauso zum Ruhrübergang bei Werden wie zu dem in Mülheim und zum Duisburger Hafen führten 16 . Der Weg über Werden in Richtung Ratingen scheint zunächst der wichtigere gewesen zu sein, wurde das Kloster Werden doch früher als das am Weg nach Duisburg gelegene Damenstift Essen gegründet, und dieser Weg wurde auch erst nach den Normanneneinfällen Ende des 9. Jahrhunderts durch die Gründung der Burg Broich militärisch gesichert 17 . Über Wattenscheid und Bochum erreichte er Dortmund, von Dortmund bis Paderborn erstreckte sich mit den wichtigsten Stationen Unna, Werl, Soest, Erwitte und Geseke der Westfälische Hellweg als Kernstück der Route, die ab Paderborn über zwei verschiedene Wegeführungen den Endpunkt Magdeburg mit dem Elbübergang erreichte: Stand zunächst der Weg über Höxter, Goslar und Halberstadt im Vordergrund, so wurde im 13. Jahrhundert der Abzweig über Hameln, Hildesheim und Braunschweig zur Hauptstraße 18 . In den Quellen wird der Hellweg erst seit dem 13. Jahrhundert ausdrücklich genannt. Eine der frühesten Stellen, die etwas über den Hellweg als Pilgerweg aussagen, nennt dann auch nicht einmal die Straße selbst, sondern die an ihr entstandene gleichnamige Siedlung: 1304 wurde in Soest in vico, qui dicitur Helewech, apud portam beati Jacobi ein Pilgerspital gegründet, das spätere Neue Gasthaus 19 . In fast allen anderen Fällen geht aus der Nennung in den Quellen nicht direkt hervor, dass Pilger auf dem Weg zu ihrem Ziel den Hellweg benutzten, sondern es muss insbesondere aus den Lokalangaben (Start- und Zielort, Ort des Geschehens usw.) indirekt geschlossen werden, dass der Hellweg benutzt wurde, etwa mangels plausibler Alternativen. Anfangs- und Endpunkt des Hellwegs im Land zwischen Rhein und Weser wurden durch je eine Klostergründung in Werden und Corvey markiert, die an einem Übergang über die Ruhr bzw. die Weser lagen und bald zu der kleinen Gruppe aus karolingischer Zeit stammender Grabwallfahrten gehörten 20 . Offensichtlich profitierten Kloster wie Straße vom günstigen Flussübergang, und das galt auch für die Wallfahrten. Trotz dieser Gemeinsamkeiten entwickelte sich die Situation aber recht unterschiedlich. Tun wir uns schwer, mittelalterliche Zeugnisse für eine Vituswall- 16 Vgl. Heimsoth, Die Wiederentdeckung (wie Anm. 4), S. 13 f.; Leidinger , Hellweg (wie Anm. 3), S. 9, S. 13 und S. 20; Hömberg, Hellweg (wie Anm. 8), S. 197. 17 Vgl. Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 20 f. 18 Vgl. Georg Eggenstein/ Robert Gündchen / Andreas Neuwöhner, Der Hellweg in der Wüstung Balhorn, Die Warte 105 (Ostern 2000), S. 4 - 6, hier S. 4. 19 Vgl. Friedrich von Klocke, Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten 3 (Münster/ Soest 1953 - 1964), Nr. 1, S. 1 - 3; Albert Ludorff, Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Soest (Münster 1905), S. 89 f., Anm. 2. 20 Vgl. Karl-Ferdinand Besselmann, Stätten des Heils (Münster 1998), S. 27 - 31 und S. 38 - 41; Leidinger, Hellweg (wie Anm. 3), S. 18 - 21. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 33 <?page no="34"?> fahrt nach Corvey über die Wunder hinaus zu entdecken, die sich im Zuge der Translation seiner Gebeine und der ersten Jahre danach an der Weser ereigneten, so gibt es wenige deutliche Hinweise im Spätmittelalter, etwa in Gestalt eines in Höxter gefundenen Vituspilgerzeichens oder im Bericht über den „ Aufenthalt “ der Reliquien 1398/ 99 in Lippspringe 21 . In Werden ist das Bild etwas klarer; drei verschiedene Liudgerviten des 9. Jahrhunderts berichten über zahlreiche Wunder, die sich über einen längeren Zeitraum an Liudgers Grab in Werden ereignet haben, vor allem an Personen, die nicht ortsansässig waren - mutmaßlich Pilger 22 . Aber auch hier klafft dann eine große Lücke, und sichere Kenntnis haben wir erst wieder von den spätmittelalterlichen Zuständen. Es sind zwar nur wenige Zeugnisse, die uns Auskunft geben, aber sie bezeugen nicht nur pauschal Wunder, sondern sie belegen, etwa in Werdener Einnahmeregistern, auch den Besuch von Wallfahrern aus Friesland oder Bentheim 23 . Doch insgesamt bleibt der Eindruck zurück, dass beide Klöster mehr daraus hätten machen können, aber stattdessen förderte man von Corvey aus Jakobsberg und von Werden aus gelegentlich Herzfeld und im 17. Jahrhundert Neviges - warum auch immer 24 . Anders sieht es in Paderborn aus. Auch die Ankunft der Reliquien des heiligen Liborius wurde 836 von einer zusammenströmenden Volksmenge und von Wundern begleitet 25 . Doch außer der ganz allgemeinen Behauptung von Heilungen ist zwischen 836 und 1736 keine einzige konkrete Wallfahrt und nur eine einzige Heilung bekannt, nämlich im Jahre 1267 die des für Paderborn zuständigen Metropoliten, des Mainzer Erzbischofs Werner von Eppstein 26 . Sicher hat Paderborn aufgrund seiner Lage und Bedeutung für Wallfahrten und als Wallfahrtsziel eine Rolle gespielt, aber gerade weil es ganz verschiedene Gründe gab, nach bzw. über Paderborn zu reisen, sind Wallfahrer nach Paderborn so schwer auszumachen 27 . Am Hellweg oder in allernächster Nähe zu ihm liegen eine ganze Reihe weiterer Wallfahrtsorte des späten Mittelalters. Aus der Gruppe der in Westfalen wichtigen Kreuzwallfahrten betrifft das allerdings, wenn überhaupt, nur Soest und Werl. In der Stiftskirche St. Patrokli in Soest gab es ein Kreuz, das der Große Gott von Soest genannt wurde und das nach einem Diebstahl 1770 nie wieder auftauchte 28 . Eine einzige Hamburger Quelle von 21 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 27 - 31. 22 Die Vitae Sancti Liudgeri, hg. von Wilhelm Diekamp ( Münster 1881), S. 39 - 53, S. 122 - 133 und S. 229 - 236. 23 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 38 - 41. 24 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 41 und S. 107 - 109. 25 Vgl. Cohausz (wie Anm. 9), S. 102 - 109. 26 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 118 und Anm. 17 auf S. 212. 27 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 118. 28 Vgl. S ., Der Große Gott von Soest, Soester Zeitschrift 72 (1959), S. 43. Karl-Ferdinand Beßelmann 34 <?page no="35"?> 1543 führt in einer Liste von in polemischer Absicht zusammengestellten bekannten Wallfahrtszielen auch na Soste thom groten Gade mit der gülden brock (= kurze Hose, Schurz) an. Da hier außer Soest vor allem prominente Wallfahrtsziele sowie einige des näheren Hamburger Umlandes (Bergedorf, Büchen, Quickborn) genannt wurden 29 , stellt sich durchaus die Frage, ob das Kreuz nicht irrtümlich auf diese Liste geraten ist. In Werl hat Wilhelm Halekotte für das Spätmittelalter einen blühenden Kreuzkult nachweisen können, aber ob das Kreuz auch Ziel von Wallfahrten war, ist bislang völlig unklar. Eindeutige Nachweise gibt es bisher nicht; in der Zeit um 1500, über die wir am besten orientiert sind, schienen die Angelegenheiten des Kreuzes und der Pfarrei immer stärker deckungsgleich zu werden, und das spricht eher gegen eine Wallfahrt 30 . Ähnlich verhält es sich mit den eucharistischen Kulten: Im 15. Jahrhundert stand am Hellweg nahe Bochum eine Sakramentskapelle über einem später Pilgrimspütt genannten Brunnen, die vom Inhaber der Sakramentsvikarie an der Bochumer Pfarrkirche betreut wurde. Auf das Pilgerwesen weist allein der Name Pilgrimspütt hin, aber ohne weitere Hinweise liegt es sehr viel näher, davon auszugehen, dass durchziehende Pilger namengebend waren und die Kapelle kein eigenständiges Wallfahrtsziel war 31 . Anders ist es mit Blomberg, dem wichtigsten eucharistischen Wallfahrtsort Westfalens, der sich am nördlichen Zweig des Hellwegs über Hameln nach Magdeburg entwickelte, als dieser gegenüber dem südlichen bereits der wichtigere geworden war. Die Geschichte beginnt vor dem Osterfest 1460. Eine Bürgersfrau hatte in Blomberg 45 konsekrierte Hostien gestohlen und zunächst zu abergläubischen Zwecken verwenden wollen. Dann drückte sie ihr Gewissen und sie entsorgte die Hostien in einem Brunnen. Dieser Frevel kam an die Öffentlichkeit, die Frau wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Am Ort des Frevels aber ließ der Landesherr, der Edelherr Bernhard VII. zur Lippe , zur Sühne eine Kapelle bauen, bewog in einem zweiten Schritt die Augustiner aus Möllenbeck, am selben Ort 1468 ein neues Kloster zu gründen, auch zur Betreuung von Wallfahrt und Wallfahrern, und förderte so zusammen mit seinem Bruder, dem Paderborner Bischof Simon III. , die Wallfahrt nach Blomberg nach Kräften. Sie blühte trotz ernstzunehmender theologischer Kritik sehr schnell so stark auf, dass sie bis in die Niederlande und den Ostseeraum (Fehmarn, Lübeck) hinein bekannt wurde und es sich lohnte, eigene Pilgerzeichen herauszugeben - insgesamt drei verschiedene 29 Vgl. S ., Der Große Gott (wie Anm. 28), der die entsprechende Passage aus Johannes Aepinus ’ Psalmenkommentar „ Uthlegginge aver den 15. Psalm. Lübeck: Johann Balhorn 1543 “ wörtlich abdruckt. 30 Vgl. Wilhelm Halekotte , Stadt und Kreuz (Werl 1987); Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 165. 31 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 166. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 35 <?page no="36"?> Typen sind bisher bekannt - , und sie hat die zu Anfang des 15. Jahrhunderts aufgekommene Sakramentswallfahrt in das gut zehn Kilometer entfernte Hillentrup abseits des Hellwegs 32 stark beeinträchtigt. Doch sie scheint schon nach so kurzer Zeit ihren Höhepunkt überschritten zu haben, dass die Augustiner um 1480 Mühe hatten, den Bau ihres neuen Klosters zu finanzieren. Bernhard VII. zur Lippe überließ Blomberg aber nicht seinem Schicksal, sondern förderte die Wallfahrt weiterhin: 1495 verlegte er anlässlich des Todes seiner Frau das Erbbegräbnis der Familie von Wilbasen, wenige Kilometer entfernt ebenfalls an diesem Hellweg-Zweig gelegen, wo es eine kleine Marienwallfahrt gab, in die Blomberger Klosterkirche. Auf dem dortigen Grabmal für ihn und seine Frau wurde u. a. der Frevel der Blomberger Bürgerin abgebildet. Wenige Jahre später wurde die Kapelle Wilbasen zusammen mit der Pfarrkirche in Reelkirchen, der sie zugehörte, und der Blomberger Pfarrkirche dem Blomberger Kloster inkorporiert 33 . Während die Wilbaser Wallfahrt nach allem, was wir wissen, wohl kurz darauf endete, blieb Blomberg soweit „ im Geschäft “ , dass die Wallfahrt auch Jahrzehnte nach Einführung der Reformation noch in der reformatorischen Wallfahrtspolemik erwähnt werden konnte 34 . Mit Wilbasen wurde oben schon eine erste Marienwallfahrt erwähnt. Der winzige Ort verfügte über eine alte Gerichtsstätte, an der sich auch ein Jahrmarkt entwickelt hatte. Verkehrslage und Frequenz ließen um 1400 eine Klause mit Pilgerhaus entstehen und für die Marienstatue ließ das lippische Herrscherpaar eine Kapelle erbauen, in die nach 1410 das Erbbegräbnis der Familie gelegt wurde 35 . In Bochum gab es eine zweite Wallfahrt zu einer 1415 erstmals erwähnten Marienstatue, die als wundertätig galt und dort offensichtlich schon länger die Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine Ablassurkunde bezeugt bereits zu dieser Zeit starken Zustrom von Gläubigen. Der Marienkult blieb in der Folge ganz lebendig, und noch 1535 wurden ausdrücklich Pilger aus Recklinghausen genannt. Dann verstummt die Überlieferung. Das Marienbild soll über Stiepel nach Bochum-Linden gekommen sein, wo es sich heute noch befindet; die Wallfahrt aber lebte weder am alten noch am neuen Ort wieder auf 36 . Das war in Soest ganz anders. Hier wurde 1351 erstmals eine Marienstatue in der Wiesenkirche erwähnt, die in der Stadt eine gewichtige Rolle spielte. Einige wenige, aber sehr aussagekräftige Nach- 32 Vgl. Roland Linde, Hillentrup - ein spätmittelalterlicher Wallfahrtsort, in: Hillentrup. Kirchdorf und Bauerschaft, hg. von Dankward von Reden / Roland Linde ( Hillentrup 1994), S. 31 - 41; Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 74 f. 33 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 66 - 73, mit der Angabe der gesamten älteren Literatur sowie zuletzt Burkhard Altevolmer, Blomberg, eine spätmittelalterliche Sakramentswallfahrt, in: Heiliges Westfalen, hg. von Gabriela Signori ( Bielefeld 2003), S. 139 - 150 und S. 253 f. 34 Vgl. Jodokus Hocker, Der Teufel selbs 2. (Oberursel 1568), S. 72 f. 35 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 95 - 99. 36 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 85. Karl-Ferdinand Beßelmann 36 <?page no="37"?> richten und Zeugnisse künden noch von Kult und Wallfahrt, darunter die älteste Votivtafel Westfalens 37 . Noch überzeugender war aber der Ruf, den das Bild 130 Jahre nach der Reformation und seiner Verbannung aus der Kirche noch hatte: Als Sühne für einen Jagdfrevel der Soester im Arnsberger Wald verlangte der Kölner Kurfürst 1661 u. a. die Abgabe dieser Marienstatue, die nach Werl gebracht wurde und dort sofort eine heute noch blühende Marienwallfahrt hervorrief 38 . Das war so wohl nur möglich, weil erstens die Statue noch als wundertätig bekannt war, zweitens im wieder streng katholischen Werl der 1582 unterbundene Kreuzkult sicher nicht vergessen war und drittens die Statue Kreuzreliquien barg, womit Kreuz- und Marienkult sich in der Statue verbanden. Wenige Kilometer nordwestlich von Salzkotten entwickelte sich in der Pfarrkirche zu Verne ein so kräftiger Marienkult, dass spätestens im 15. Jahrhundert der alte Patron Bartholomäus verdrängt wurde. Wenn die schriftliche Überlieferung auch dürftig bleibt, so spricht indirekt doch einiges dafür, dass die dort verehrte Marienstatue ein veritables Wallfahrtsziel war 39 . Zu einer anderen Maria, jedenfalls in der Frühen Neuzeit, führte die Wallfahrt zum Heiligenberg von Ovenhausen nahe Höxter, die von Corvey aus betreut wurde, nämlich zu Maria Salome, der Mutter der Zebedäussöhne Johannes und Jakobus 40 . Schriftliche Quellen über die mittelalterliche Wallfahrt fehlen völlig; schnell muss sie aber so viel Bedeutung erlangt haben, dass Pilgerzeichen ausgegeben wurden, die als Glockenabgüsse überliefert worden sind 41 . Unter den übrigen Heiligen spielten nur Wallfahrten zu dem Pilgerpatron schlechthin eine Rolle: Jakobus d. Ä. Die neben Breckerfeld wohl wichtigste Jakobuswallfahrt Westfalens führte nach Haddenberg südwestlich von Höxter, das nicht direkt am Hellweg liegt. Sie blühte im späten 15. Jahrhundert so stark auf, dass der Ort in Jakobsberg umbenannt wurde, und auch 37 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 92 und Farbabb. 7. 38 Vgl. Elisabeth Bellot-Beste, Die Wallfahrt zum Gnadenbild von Werl in Westfalen (Werl 1958); Rudolf Preising, Das Gnadenbild von Werl, in: Die Gottesmutter. Marienbild in Rheinland und in Westfalen 1, hg. von Leonhard Küppers ( Recklinghausen 1974), S. 153 - 160. 39 Vgl. Hans-Jürgen Brandt / Karl Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn 1 (Paderborn 2002), S. 593 - 595. 40 Vgl. Brandt / Hengst, Geschichte (wie Anm. 39), S. 382; Ulrike Spichal, Wege der Jakobspilger in Westfalen. In neun Etappen von Höxter über Paderborn und Soest nach Dortmund (Jakobswege 8, Köln 2010), S. 58 f. 41 Vgl. die Pilgerzeichendatenbank, die 18 Stücke nachweist (Abfrage vom 4. 2. 2012), http: / / www.pilgerzeichen.de/ indices/ w_orte/ 1/ 0/ 1/ Deutschland/ Nordrhein-Westfalen/ 1615/ 0/ 0/ 0/ 0; der Abdruck auf der Glocke von Untergreißlau (Thüringen), den Jörg Poettgen, Die mittelalterliche Wallfahrt zum Heiligenberg, Jahrbuch für Glokkenkunde 11/ 12 (1999/ 2000), S. 145 - 150, hier S. 149, verzeichnet, fehlt hier ohne Angabe von Gründen. Daher mögen es heute 19 sein. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 37 <?page no="38"?> dort wurden Pilgerzeichen ausgegeben 42 . Zusammen mit den schon genannten Zielen in Ovenhausen und Corvey bildete Jakobsberg einen Wallfahrtsschwerpunkt am östlichen Ende des Westfälischen Hellwegs unter Corveyer Einfluss, dessen Bedeutung ganz wesentlich von der Nähe zur vielbegangenen Straße abhing. Es gab aber auch eine Jakobuswallfahrt direkt am Hellweg, die zur Jakobikapelle im Obergeschoss des Jakobitores in Soest ging. Der Hellweg führte exakt durch dieses Tor von Südwesten in die Stadt hinein, und es liegt die Vermutung nahe, dass die Benennung des Tores aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und die Patrozinienwahl der 1214 erstmals genannten Kapelle schon unter dem Einfluss der Santiagowallfahrt erfolgten. Das wäre eine der wenigen Stellen, an denen sich die Nutzung des Hellweges durch Pilger, hier speziell der Jakobspilger, dauerhaft am Weg manifestiert hätte, aber nachweisen lässt sich das bislang nicht. Ein Ablass aus dem Jahre 1296 ist das einzige bisher bekannte Zeugnis für diese Sekundärwallfahrt, die ohne die direkte Anbindung an eine auch für Santiagopilger wichtige Straßenverbindung kaum eine Chance gehabt hätte 43 . Im Prinzip vergleichbar, wenn auch weniger deutlich, verhielt es sich in Dortmund. Hier wurde 1292 ebenfalls am westlichen Stadteingang des Hellwegs, nämlich auf dem Westentor, eine Jakobuskapelle gestiftet 44 . Anders als in Soest gibt es aber keine Hinweise darauf, dass sie eine Sekundärwallfahrt ausgebildet hätte, und selbst als Pilgerstation tritt eher die Benediktskapelle auf dem Ostentor als die Jakobuskapelle auf dem Westentor hervor 45 . Zeugnisse für einen mittelalterlichen Jakobuskult gibt es auch noch an anderen Orten des Hellwegs, so in Werden, Unna, Geseke, Paderborn, Brakel und Corvey, aber ein Bezug zum Hellweg als Pilgerroute ist dort bislang nicht erkennbar 46 . 42 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 107 - 109; zu den Pilgerzeichen vgl. Hartmut Kühne / Jörg Poettgen, Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der Diözese Trier, in: Wege zum Heil, hg. von Thomas Frank/ Michael Matheus / Sabine Reichert ( Stuttgart 2009), S. 135 - 180, hier S. 146 f.; Carina Brumme, Das spätmittelalterliche Wallfahrtswesen im Erzstift Magdeburg, im Fürstentum Anhalt und im sächsischen Kurkreis (Frankfurt/ M. 2010), bes. S. 55 - 58 und S. 366, Abb. 8; Pilgerzeichendatenbank: http: / / www.pilgerzeichen.de/ indices/ w_orte/ 1/ 0/ 1/ Deutschland/ Nordrhein- Westfalen/ 1967/ 0/ 0/ 0/ 0 (abgefragt am 5. 2. 2012). 43 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 110 f. 44 Vgl. Karl Rübel, Dortmunder Urkundenbuch. Band 1 - 3,1 und Erg.-Bd. 1 (Dortmund 1881 - 1910), hier Bd. 1, Nr. 231, S. 159 f. und Erg.-Bd. 1, Nr. 348, S. 135 f.; Chronik des Dietrich Westhoff von 750 - 1550, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1: Dortmund und Neuß (2. Aufl. Göttingen 1969), S. 147 - 462, hier S. 191 f. 45 Vgl. Rübel, Urkundenbuch 3,1 (wie Anm. 44), Nr. 134, S. 90 f. 46 Vgl. Spichal, Wege (wie Anm. 40), S. 108 f., S. 135 f., S. 194 und S. 211 f.; Peter Ilisch / Christoph Kösters, Die Patrozinien Westfalens von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches (Münster 1992), S. 322 f. und S. 327 f.; Annemarie Schmoranzer, Wege der Jakobuspilger im kurkölnischen Sauerland (Volkach 1995), S. 30 f., S. 33 f. und S. 48 - 52; Wilhelm Tack, Das Paradies des Paderborner Domes, eine alte Pilger- Karl-Ferdinand Beßelmann 38 <?page no="39"?> Eine zu optimistische Ausdeutung des Jakobus-Patroziniums als Ausfluss der Santiagowallfahrt ist schon deswegen zu vermeiden, weil sich keine der durchaus nicht seltenen Jakobuskirchen in Westfalen am Hellweg befindet. Zu weiteren Heiligen nur soviel: Immer mal wieder ist behauptet worden, es habe eine Reinolduswallfahrt nach Dortmund gegeben, aber zumindest den bekannten Quellen ist das nicht zu entnehmen, auch nicht dem in Amsterdam gefundenen Devotionalienfragment, das 2006 St. Reinoldus und damit Dortmund zugeordnet wurde 47 . Es muss weder ein Pilgerzeichen sein, noch zwingend Reinoldus darstellen. Zumindest für die Zeit um 1500 kann eine solche Wallfahrt wohl ausgeschlossen werden: Der Dortmunder Stadtchronist Dietrich Westhoff berichtet zu 1497 von einem Mann aus Brakel, der gefangen worden war und zum Dank für seine Befreiung nach Dortmund zur Reinoldikirche pilgerte 48 . Dass er dort Maria und nicht den Ritter und Märtyrer Reinoldus um Hilfe bat, spricht sehr dagegen, dass der Reinoldusschrein ein Wallfahrtsziel war - zumindest im Spätmittelalter. Wie jede große Straße war der Hellweg nicht nur für die Entwicklung und als Zugang zu den an ihm gelegenen Wallfahrtsorten wichtig, sondern auch für Pilger, die auf dem Weg zu weiter entfernten Zielen waren. Diese Bedeutung nahm zu, als die Blütezeit des 9. bis frühen 13. Jahrhunderts zu Ende ging. Erkennbar ist diese Bedeutung auch daran, dass Spuren einer speziellen Pilgerinfrastruktur festzustellen sind, die sich bei hinreichender Frequenz schnell ausbildet, wie jeder moderne Santiagopilger weiß. Dazu gehörten Gasthäuser und Herbergen, daneben aber auch Brücken und Friedhöfe sowie alle Maßnahmen zur Verbesserung der Wegesicherheit. Die Bruderschaften hatten dagegen ihren Ursprung oft an anderer Stelle. Wenn schon im „ Rheinischen Wallfahrtsdreieck “ Köln - Aachen - Trier mit den damit verbundenen weiteren Zielen keine durch die Pilgerfahrten induzierten siedlungsgenetisch bedeutsamen Vorgänge 49 wie am Camino oder in Frankreich zu erwarten sind, wieviel weniger dann am Hellweg, in dessen Nähe es kein Wallfahrtsziel gab, das es mit einem der größeren rheinischen Ziele auch nur entfernt hätte aufnehmen können. Und dennoch hinterließen die Pilgerfahrten auch hier Spuren, wenn sie auch oft schwer von denen anderer Reisender zu trennen sind. Das könnte zunächst die Straße selbst und ihren Ausbauzustand betreffen. Um es kurz zu machen: Ich kenne Raststätte, in: Westfälischer Heimatkalender 15 (1960), S. 40 - 45, hier S. 45, bietet nur Vermutungen, mit denen man sehr vorsichtig sein sollte, vgl. Ilisch/ Kösters , Patrozinien, S. 329. 47 Vgl. Barbara Welzel, Pilgerzeichen mit der Darstellung des hl. Reinoldus, in: Ferne Welten - freie Stadt: Dortmund im Mittelalter, hg. von Matthias Ohm (Bielefeld 2006), Nr. 66, S. 158. 48 Vgl. Westhoff (wie Anm. 44), S. 367. 49 Franz Irsigler, Die Bedeutung von Pilgerwegen für die mittelalterliche Siedlungsentwicklung, Siedlungsforschung 4 (1986), S. 81 - 102, hier S. 93. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 39 <?page no="40"?> nur einen Fall, wo ein solcher Ausbau am Hellweg erfolgte, um nachweislich den Pilgerverkehr zu fördern. In Hameln, wo der nördliche Hellwegstrang die Weser querte, stand eine Marienkapelle vor der Weserbrücke, und Brücke wie Kapelle dienten ausdrücklich auch den Pilgern (advenientes peregrini) 50 . Das wurde über die Weserbrücke in Höxter mit einer Marienkapelle so nie gesagt. Kapelle und Brücke standen unter der Aufsicht der Stadt, die die Opfer der Kapelle zur Brückenunterhaltung verwendete 51 . Sehr viel deutlicher als bei der Wegeinfrastruktur wird der Einfluss des Pilgerwesens bei den Herbergen und Spitälern. Sie fanden sich am Hellweg in jeder größeren Stadt und darüber hinaus an etlichen weiteren Stellen, aber nicht alle hingen mit dem Pilgerwesen zusammen. Ganz systematisch hat man im Mittelalter beispielsweise Leprosenspitäler außerhalb der Siedlungen errichtet und bewusst an stärker genutzte Straßen gelegt 52 . In den Städten dienten die Herbergen zunächst der Unterbringung von Reisenden, dann aber auch der von armen, kranken und alten Personen; die Sorge für alle diese Gruppen galt als religiös verdienstvolles Werk, und daher wechselten die aus Frömmigkeit gestifteten Herbergen auch immer wieder ihre Funktion: Aus der Pilgerherberge oder dem Krankenspital konnten ein Armenhaus oder ein fest bepfründetes Altersheim werden 53 . In den am Hellweg gelegenen Wallfahrtszielen ist in immerhin zwei Fällen eine wirkliche Pilgerherberge nachzuweisen: Das Pilgrimhaus in Soest beim Jakobitor und das Pilgerhaus bei der Wilbaser Klause, aber beide waren weniger für die Wallfahrer nach Soest oder Wilbasen denn für Aachenfahrer gedacht 54 . An weiteren Herbergen, deren ursprüngliche oder vornehmliche Aufgabe die Fürsorge für durchreisende Pilger zu den großen Fernwallfahrtszielen war, sind uns solche in Staleiken, Bochum, Dortmund (Neues Gasthaus nahe dem Westentor), Werl (Antoniusklause) und Soest (gleich drei Spitäler) bekannt 55 . 50 Vgl. Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln 2, hg. von Erich Fink ( Hannover/ Leipzig 1903), Nr. 170, S. 111. 51 Vgl. Heinrich Rüthing, Höxter um 1500 (Paderborn 1986), S. 50 und S. 285. 52 Vgl. Jürgen Belker, Aussätzige. „ Tückischer Feind “ und „ Armer Lazarus “ , in: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, hg. von Bernd-Ulrich Hergemöller ( 2. Aufl. Warendorf 1994), S. 253 - 283, hier S. 264; Martin Uhrmacher, Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12. bis zum 18. Jahrhundert (Trier 2011), S. 105 - 107. 53 Vgl. Wilhelm Liese, Westfalens alte und neue Spitäler, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 77, 2. Abt. (1919), S. 128 - 189, hier S. 129 f.; Siegfried Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter 1: Geschichte und Gestalt (Stuttgart 1932), S. 280 - 285; Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 150. 54 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 98; von Klocke, Urkunden-Regesten (wie Anm. 19), Nr. 725, S. 385 f. 55 Vgl. Liese, Spitäler (wie Anm. 53), S. 148, S. 175 f. und S. 181 f.; Franz Darpe, Geschichte der Stadt Bochum 1 (Bochum 1888), S. 57; Spichal, Wege (wie Anm. 40), S. 171 f., S. 194 und S. 211. Karl-Ferdinand Beßelmann 40 <?page no="41"?> Nur das Pilgerhaus in Staleiken diente bis in die Neuzeit der Pilgerfürsorge - die anderen waren wie der Großteil dieser Pilgerherbergen bereits am Ausgang des Mittelalters zu Siechenhäusern, Altersheimen oder Armenhäusern geworden, sei es, weil sich Ansehen und Reisemodalitäten der Fernpilger geändert hatten, sei es, weil den Nachfahren der Stifter und den städtischen Obrigkeiten die Sorge für die Mitbürger wichtiger war als die für die Fremden. Als ein anschauliches Beispiel sei die Geschichte des Staleikener Pilgrimhauses hier kurz skizziert. 1364 wurde es in der Bauerschaft Sevinghausen zwischen Essen-Steele und Bochum-Wattenscheid direkt am Hellweg als Hospital für Arme und Pilger gestiftet 56 . Einige Jahre später verlieh der Graf von der Mark als Landesherr dem Hospital wichtige Privilegien, was von seinen Nachfolgern mehrmals bis ins 17. Jahrhundert wiederholt wurde 57 . 1395 wurde die Rektoratspfründe in der heute noch existierenden Kapelle mit dem Patrozinium Maria und Georg (später Bartholomäus) fundiert 58 . Die Finanzverwaltung des Gasthauses oblag der Wattenscheider Kirche bzw. ihren Provisoren, während der Betrieb an einen Gasthausmeister verpachtet wurde. Im Zusammenhang mit einem Streit zweier Bewerber um die Kapellenpfründe wird um 1500 ein Elendenfriedhof erwähnt, der sowohl Pilger als andere reisende Fremde aufgenommen haben dürfte. Um 1600 wurde das Gasthaus Teil des Wattenscheider Armenfonds, musste aber noch 1767 eine Kammer für arme und kranke Pilger vorhalten. 1810 entfiel diese Pflicht, da es dafür keine Nachfrage mehr gab 59 . Neben diesen wenigen Pilgerspitälern gab es am Hellweg zahlreiche weitere Herbergen und Gasthäuser, von denen wir nicht ausdrücklich sagen können, dass sie für Pilger bestimmt waren, die aber im Einzelfall sicher auch Pilger zu ihren Nutzern zählten. Solche Gasthäuser fanden sich in Essen- Steele, Dortmund (Altes Gasthaus und Heilig-Geist-Spital), Unna (Heilig- Geist-Spital), bei Unna-Uelzen (Elendighof), in Geseke (Heilig-Geist-Spital), drei Spitäler in Paderborn und in Höxter (Heilig-Geist-Spital) 60 . Von ihnen verfügte das Paderborner Westernspital ebenso über einen Elenden- 56 Vgl. Joseph Lappe, Kirchengeschichte Wattenscheids 1 (Wattenscheid 1942), S. 75. 57 Vgl. Eduard Schulte, Pilgrimhaus und Kapelle zu Stalleiken (2. Aufl. Wattenscheid 1913), S. 9. 58 Vgl. Erna Römer, Die Wattenscheider Benefizien zu Leithe, Stalleiken und Höntrop (Diss. Münster/ Wattenscheid 1936), S. 53. 59 Vgl. Schulte, Pilgrimhaus (wie Anm. 57), S. 10 - 12; Lappe, Kirchengeschichte (wie Anm. 56), S. 75 f. 60 Vgl. Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet 2, hg. von Ferdinand Seibt u. a. (Essen 1990), S. 194; Spichal , Wege (wie Anm. 40), S. 43 f., S. 107, S. 135, S. 194 und S. 211; Helmut Papenberg, Von Massen nach Hemmerde. Eine Zeitreise am Hellweg (Unna 2000), S. 30; Rüthing, Höxter (wie Anm. 51), S. 286. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 41 <?page no="42"?> friedhof wie die Pilgerhäuser in Staleiken und Soest (1351 erstmals erwähnt) 61 . Eine weitere Institution, die für Pilger wichtig sein konnte, waren spezielle Bruderschaften. Durchaus verbreitet waren Elendenbruderschaften, die sich aus caritativen Beweggründen um Fremde - und damit auch um Pilger - kümmerten. Vor 1500 wird erstmals eine Elendenbruderschaft in Salzkotten erwähnt 62 . Die Paderborner Elendenbruderschaft, die seit der Großen Pest um 1350 an der Gaukirche bestand, existiert bis in die Gegenwart 63 . Mit der Tobiasbruderschaft gab es mindestens seit dem 14. Jahrhundert auch in Höxter eine Elendenbruderschaft. Sie hatte u. a. die Aufgabe, für das christliche Begräbnis verstorbener Fremder und Pilger zu sorgen 64 . Ausgesprochene Pilgerbruderschaften, in denen sich entweder ehemalige Pilger zusammengeschlossen hatten oder die nachweislich die Pilgerfahrten zu entfernten Zielen förderten, sind am Hellweg nicht festzustellen. An immerhin drei Wallfahrtszielen am Hellweg gab es aber Bruderschaften mit direktem Bezug zur Wallfahrt: Die Fronleichnamsbruderschaft in Blomberg am Hamelner Zweig 65 , die Jakobusbruderschaft an der Jakobikapelle im Soester Jakobitor 66 und die Jakobusbruderschaft in Jakobsberg, die 1485 bischöflich bestätigt wurde 67 . Weitere Bruderschaften mit typischen Pilgerpatronen (Jakobus, Jodokus, Rochus) finden sich am Hellweg nur wenige. In Bochum wird 1519 eine Jodokusbruderschaft erwähnt 68 , und die Geseker Jakobusbruderschaft war an der Leprosenkapelle angesiedelt 69 . In beiden Fällen sind keine Beziehungen zum Wallfahrtswesen nachzuweisen. Die sind aber erkennbar bei den Bemühungen, den Pilgern wie allen Reisenden den Weg angesichts der über das ganze Mittelalter hinweg herrschenden Unsicherheit der freien Straße zu sichern. Das geschah zum Beispiel in Gestalt der zahlreichen Landfrieden, aber auch durch Geleitbriefe für bestimmte Personen oder Anlässe. Da die Landfrieden immer wieder gebrochen wurden, musste man sie laufend erneuern. So folgte vor allem im 61 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 150; Liese, Spitäler (wie Anm. 53), S. 169 und S. 181; von Klocke, Urkunden-Regesten (wie Anm. 19), Nr. 528, S. 286 f. u. ö. 62 Vgl. Brandt/ Hengst, Geschichte (wie Anm. 39), S. 526. 63 Vgl. Brandt/ Hengst, Geschichte (wie Anm. 39), S. 326, S. 450, S. 492 und S. 579. 64 Vgl. Rüthing, Höxter (wie Anm. 51), S. 290; Ilisch/ Kösters, Patrozinien (wie Anm. 46), S. 677. 65 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 68. 66 Vgl. Ilisch/ Kösters, Patrozinien (wie Anm. 46), S. 323; Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 149. 67 Vgl. Ilisch/ Kösters, Patrozinien (wie Anm. 46), S. 327; Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 109. 68 Vgl. Ilisch/ Kösters, Patrozinien (wie Anm. 46), S. 331. 69 Vgl. Ilisch/ Kösters, Patrozinien (wie Anm. 46), S. 322; Schmoranzer, Wege (wie Anm. 46), S. 33 f. Karl-Ferdinand Beßelmann 42 <?page no="43"?> 14. Jahrhundert Frieden auf Frieden, aber lange nicht jeder schloss ausdrücklich Pilger mit ein. Das war etwa 1371 in Kaiser Karls IV . Ewigem Landfrieden für Westfalen und 1374 bei einem Landfrieden der Fall, den u. a. der Bischof von Paderborn, der Graf von der Mark und die Städte Dortmund und Soest abschlossen 70 , nicht aber bei den Landfrieden von 1348 und 1365, an denen u. a. der Kölner Erzbischof, der Graf von der Mark und die Städte Dortmund und Soest beteiligt waren 71 . Geleitbriefe für Pilger sind in Westfalen selten überliefert, und die Hellwegregion betrifft neben der allgemeinen Zusicherung, die Sicherheit der Straßen für die Pilger, diesmal nach Jakobsberg, zu garantieren, wozu sich Bischof Simon von Paderborn und das Kloster Corvey in zwei Urkunden von 1481 und 1487 gemeinsam verpflichtet haben 72 , nur ein „ Reisepass “ , der 1442 für Lübecker Wallfahrer ausgestellt worden ist und sich in Soest erhalten hat 73 . Ein weiteres Zeugnis der Anwesenheit von Pilgern stellen die verstreuten Funde von Pilgerinsignien am Hellweg dar. Da ihnen in diesem Band eigene Beiträge gewidmet sind 74 , will ich es bei wenigen Hinweisen belassen. In Werl, Soest und - etwas abseits vom Hellweg - Welver, in Bad Westernkotten, auf der Wildburg bei Wehrden nahe Höxter und in Hameln sind Pilgermuscheln gefunden worden 75 , Aachhorn-Fragmente liegen aus Soest und Paderborn vor 76 , und hinzu treten einige Pilgerzeichen, die als Lesefunde (St. Léonard-de-Noblat bei Soest, Köln bei Geseke) 77 , meist aber bei Grabungen auftauchten (Rom, Peter und Paul in Soest, Aachen und Köln in Balhorn, Corvey sowie ein nicht identifiziertes Marienpilgerzeichen in Höxter und vielleicht auch das bislang ebenfalls nicht identifizierte Pilgerzeichen von der Iburg bei Bad Driburg) 78 . 70 Vgl. Rübel, Urkundenbuch 2,1 (wie Anm. 44), Nr. 7, S. 10, und Nr. 41, S. 32. 71 Vgl. Rübel, Urkundenbuch 1 (wie Anm. 44), Nr. 634, S. 437 - 442, und Nr. 794, S. 583 - 588. 72 Vgl. Besselmann, Stätten (wie Anm. 20), S. 107 und S. 109. 73 Vgl. Wolf-Herbert Deus, Ein Reisepaß für Wallfahrer 1442 April 8, Soester Zeitschrift 76 (1962), S. 16 f. 74 Vgl. die Beiträge von Hartmut Kühne , Carina Brumme und Peter Ilisch in diesem Band. 75 Vgl. Andreas Haasis-Berner, Archäologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78 (2000), S. 345 - 363, hier S. 350; Spichal, Wege (wie Anm. 40), S. 155 und S. 172; Kurt Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostraßen (Neumünster 1983), S. 132. 76 Vgl. Haasis-Berner, Archäologische Funde (wie Anm. 75), S. 353; Spichal , Wege (wie Anm. 40), S. 108 f. 77 Vgl. Haasis-Berner, Archäologische Funde (wie Anm. 75), S. 355; Spichal, Wege (wie Anm. 40), S. 172. 78 Vgl. Haasis-Berner, Archäologische Funde (wie Anm. 75), S. 351 f., S. 356 f. und S. 360; Eggenstein, Balhorn (wie Anm. 11), S. 58; Hans-Georg Stephan, Neugefundene Devotionalien aus Westfalen, in: Festgabe Peter Berghaus zum 50. Geburtstag (Münster 1969), S. 57 - 62; Spichal, Wege (wie Anm. 40), S. 87. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 43 <?page no="44"?> Nur in seltenen Fällen erfahren wir etwas über einzelne Pilger und konkrete Wallfahrten. Da die Ziele am Hellweg, vielleicht abgesehen von Blomberg, nicht besonders anziehungskräftig waren, dürften ihn vornehmlich Pilger zu Zielen außerhalb der Region genutzt haben. Sichtet man die verstreut überlieferten Nennungen, dann wird vor allem zweierlei deutlich. Erstens: In den wenigen Fällen, in denen durchziehende Pilger oder Einrichtungen zu deren Nutzen erwähnt werden, handelt es sich fast ausschließlich um Aachenpilger. Zweitens: Zwei westfälische Städte spielten für die Aachenfahrt des späten Mittelalters eine entscheidende Rolle - Soest und, fraglos an erster Stelle, Dortmund. Nach dem bisherigen Eindruck kann das nicht verwundern, waren das doch die wichtigsten Städte Westfalens, die über eine hervorragende Lage im Verkehrsnetz der Region verfügten. Die Aachenfahrt wurde im Spätmittelalter immer wieder in der Dortmunder Chronistik erwähnt, so 1426 von Johann Kerkhörde oder 1496 von Dietrich Westhoff 79 ; beide Städte bemühten sich, Schutz für ihre Bürger auf Aachenfahrt zu erreichen: 1412 erbat Dortmund ihn vom Grafen von der Mark 80 , 1503 wandte Soest sich diesbezüglich gleich an mehrere Obrigkeiten (die Städte Dortmund, Neuß und Köln, den Erzbischof von Köln und den Herzog von Jülich) 81 . Einen Akenpad aber, der vor dem Westentor südwestlich vom Hellweg abbog 82 , gab es nur in Dortmund. So kann es nicht verwundern, dass Aachen das mit Abstand am häufigsten genannte Wallfahrtsziel in den Städten am Hellweg ist. 1377 waren Dortmunder Einwohner auf Aachenfahrt 83 , 1385 passierte die dänische Königin Margrethe auf ihrer Aachenfahrt Dortmund 84 , 1406 erhielt ein Dortmunder Bürger in Aachen eine Sühnewallfahrtsbestätigung 85 , 1426 zog der Dortmunder Chronist Johann Kerkhörde selbst nach Aachen und Kornelimünster 86 , um 1430 wurde in Soest das Gasthaus im Osthofen gestiftet, das ausdrücklich Aachenfahrer versorgte 87 , 1446 wurde in Werl eine Aachen- 79 Vgl. Johannes Kerkhörde, Chronik von 1405 - 1465, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1: Dortmund und Neuß (2. Aufl. Göttingen 1969), S. 1 - 146, hier S. 34; Westhoff (wie Anm. 44), S. 362 f. 80 Vgl. Joseph Hansen, Aachener Urkunden aus dem Dortmunder Stadtarchiv, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 8 (1886), S. 270 - 275, hier S. 272 f. 81 Vgl. Auszüge aus den Soester Stadtbüchern, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 3: Soest und Duisburg (Leipzig 1895), S. 1 - 175, hier S. 87, Anm. 3. 82 Vgl. Karl Rübel, Dortmunder Finanz- und Steuerwesen 1 (Dortmund 1892), S. 122. 83 Vgl. Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle in Dortmund, hg. von Joseph Hansen, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 11 (1886), S. 491 - 550, hier S. 540. 84 Vgl. Chronik der Pseudorektoren (wie Anm. 83), S. 546. 85 Vgl. Rübel, Urkundenbuch 3,1 (wie Anm. 44), Nr. 316, S. 270. 86 Vgl. Kerkhörde, Chronik (wie Anm. 79), S. 34. 87 Vgl. Reicke, Spital (wie Anm. 53), S. 306, Anm. 5; von Klocke, Urkunden-Regesten (wie Anm. 19), Nr. 725, S. 385 f. Karl-Ferdinand Beßelmann 44 <?page no="45"?> fahrt gelobt 88 , 1456 erfolgte in Brakel eine testamentarische Wallfahrtsverpflichtung nach Aachen und Einsiedeln 89 , 1487 wurde in Werl eine Wallfahrt zu denselben Zielen versprochen 90 und 1493 und 1501 wurde in Höxter je eine Sühnewallfahrt nach Aachen und Wilsnack verhängt 91 . Alle diese Wallfahrer werden, wenn ihre Fahrt je zustande kam, den Hellweg über eine kürzere oder längere Strecke genutzt haben. Dasselbe gilt für die Pilger zu folgenden Zielen: Drei Unnaer Bürger zogen 1393 über Maastricht nach St. Josse-sur-Mer 92 , und 1404/ 5 wurde der blinde Johannes Reichenbach aus Paderborn am Grabe der hl. Dorothea von Montau in Marienwerder geheilt. Die Bedeutung von Aachen selbst im fernen Westpreußen zeigt sich daran, dass seine Heimatstadt Paderborn bezeichnet wird als Palburn sita versus Aquisgrani 93 . 1483 waren acht Pilger aus Soest nach Einsiedeln unterwegs, die von Philipp Graf von Nassau to Homberch festgesetzt worden waren 94 . Und mitten im Reformationsjahrhundert machten sich die Brüder Jurgen und Tigges Hecker aus Werl auf den Weg nach Santiago, wovon wir erst 1577 im Zuge eines Nachlassverfahrens erfahren 95 . Selten sind demgegenüber die Zeugnisse konkreter Förderung einzelner Pilgergruppen: 1318 kauften die Verwalter des Dortmunder Heiliggeistspitals einen Acker, dessen Erträge nach dem Tod des derzeitigen Inhabers ausdrücklich der Unterhaltung der Aachenpilger dienen sollten 96 . 1489 wurde dem Dortmunder Neuen Gasthaus in der Akenfart to behoef der armen ein heil vat botter gestiftet 97 . Und als singulärer Beweis, dass nicht nur Aachenfahrer Aufmerksamkeit fanden: 1439 und 1477 stifteten zwei Werler Witwen Bier zur Labung der (Rom-)Pilger 98 . Zum guten Schluss konnte der 88 Vgl. Halekotte, Stadt (wie Anm. 30), S. 182. 89 Stadtarchiv Brakel, Urkunde Nr. 247 vom 1. 9. 1456; Friedrich Koch , Blätter aus der Vergangenheit der Kirche Brakel, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 24 (1864), S. 249 - 296, hier S. 269 f. 90 Vgl. Rudolf Preising, Inventar des Archivs der Stadt Werl 1(Münster 1971), Nr. 133, S. 69. 91 Vgl. Paul Wigand, Denkwürdige Beiträge für Geschichte und Rechtsalterthümer (Leipzig 1858), S. 155 - 157; Ders ., Einige merkwürdige Urkunden. 3. Sühne eines Todtschlags, Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Westphalens 1 (1826), S. 110 - 112. 92 Vgl. Rübel, Urkundenbuch 2 (wie Anm. 44), Nr. 617 - 619, S. 537 f. 93 Vgl. Anneliese Triller, Das Wallfahrtswesen in Westpreußen um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert auf Grund des „ Processus Dorotheae Montoviensis “ 1404 - 1405, in: Festschrift für Bernhard Stasiewski (Köln/ Wien 1975), S. 24 - 33, hier S. 27 und Anm. 22. 94 Vgl. Soester Stadtbücher (wie Anm. 81), S. 68. 95 Vgl. Emil Dösseler, Toversichtsbriefe für Soest (Münster 1969), Nr. 722, S. 267. 96 Vgl. Rübel, Urkundenbuch Erg.-Bd. 1 (wie Anm. 44), Nr. 524, S. 223 f. 97 Vgl. Joseph Hansen, Nachträge zum Dortmunder Urkundenbuch, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 5 (1887), S. 1 - 27, hier S. 25. 98 Vgl. Preising , Inventar (wie Anm. 90), Nr. 51, S. 25, und Nr. 116, S. 52 f. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 45 <?page no="46"?> Spieß aber auch umgedreht werden: In Dortmund hatte man sich überlegt, wie eine überregionale Wallfahrt wie die Aachenfahrt auch für die Regionen, die die Pilger durchquerten, fruchtbar gemacht werden konnte. So beschloss der Rektor der Benediktskapelle auf dem Ostentor, die Reliquien der Kapelle außerhalb des Stadttores aufzustellen, und auf sein Betteln hin erhielt er in zwölf Tagen zwei Mark (Silber) 99 . Das Ergebnis der Materialsammlung und aller daran geknüpften Überlegungen ist nicht gerade beeindruckend: Erst zu einer Zeit, als der Westfälische Hellweg seine besten Jahre schon hinter sich hatte, trat er als Pilgerroute immer mal wieder in Erscheinung. Er wurde nachweislich von Fernpilgern 100 zu den wichtigsten europäischen Zielen benutzt (Rom, Santiago), hatte aber sicher noch größere Bedeutung für regionale Ziele, zuvörderst für Aachen. Dennoch entwickelte sich an ihm mit Blomberg nur ein wirklich bedeutendes spätmittelalterliches Wallfahrtsziel; an einigen Stellen, so in Soest und im Raum Höxter (mit dem Heiligenberg, Jakobsberg und Corvey) gab es zwei oder drei benachbarte kleinere Ziele, darunter sicher auch Sekundärwallfahrten. Die Seltenheit von Belegen für Wallfahrten nach Einsiedeln und das Fehlen aller Belege für Thann wie für Wilsnack - allesamt Wallfahrten, die im Spätmittelalter auch in Niederdeutschland recht bekannt waren - fällt auf. Die Reiseinfrastruktur war offensichtlich ganz gut ausgebaut, trat aber nur selten als speziell auf Pilger bezogenes Angebot in Erscheinung. Außerdem unterlag sie einem ständigen Funktionswandel, in dessen Verlauf sie sich bis zum 16. Jahrhundert Schritt für Schritt von der Pilgerfürsorge entfernte. Es gab keine Wege, die ausschließlich einer einzigen Nutzungsweise vorbehalten waren - abgesehen von Trampelpfaden und schmalen Stiegen. [. . .] Es gab auch keine speziellen Pilgerwege, sondern nur Wege, die auch von Pilgern begangen wurden. Es ist und bleibt mühsam, die Spuren zu suchen, die sie dabei am Hellweg hinterlassen haben. Resumen: „ El ‚ Hellweg ‘ como camino de peregrinación de la Alta Edad Media “ Hasta el pasado reciente el „ Hellweg “ tal vez era la más importante pero, con seguridad, la más conocida carretera principal de Westfalia. Ya en la protohistoria este camino, que corría a lo largo del borde nórdico del „ Rheinisches Schiefergebirge “ , conectaba el Rin con el Weser y el Elba. De esta manera, formaba parte de la gran carretera principal procedente de Europa occidental, conduciendo a la región del mar Báltico. Su utilización varió considerablemente a lo largo de los siglos: según parece, tuvo su mayor importancia entre el VIII y el XIII, pero siguió siendo una importante arteria posteriormente. Sin duda alguna, ya desde la cristianización de Sajonia los peregrinos utilizaron el „ Hellweg “ . Hay numerosos testimonios individuales, sobre todo de los siglos XIV y XV. 99 Vgl. Chronik der Pseudorektoren (wie Anm. 83), S. 543. 100 Vgl. Seibt, Eine Straße (wie Anm. 10) , S. 38. Karl-Ferdinand Beßelmann 46 <?page no="47"?> Se trata de noticias de crónicas municipales que informan de un particular „ geläuft “ , al igual que de una donación a un albergue, de alimentos para peregrinos, de una confirmación de un peregrino penado, o de la petición de las ciudades de Dortmund o Soest para que los peregrinos tuviesen un viaje seguro. Hay que tener en cuenta también a los peregrinos locales, procedentes de las ciudades por donde pasa el „ Hellweg “ , así como objetos como conchas e insignias encontradas en el „ Hellweg “ . El destino más importante de todos los peregrinos en la Edad Media en el „ Hellweg “ era Aquisgrán, pero también se nombra en las fuentes Einsiedeln, Colonia, Roma y Santiago. Sin embargo, los peregrinos rara vez llegaban tan lejos, y, en suma, la imagen permanece incompleta a causa de la difícil localización de las fuentes. Por el „ Hellweg “ no sólo se lograba alcanzar destinos lejanos sino que, con el tiempo, se desarrollaron varios lugares de peregrinación regionales aledaños, comenzando en el siglo IX con dos importantes peregrinaciones a tumbas en los conventos de Corvey y Werden. Sin embargo, la culminación no se alcanzó hasta en la Alta Edad Media con varias metas más cercanas en las regiones Soest (Capilla Jacobea y Wiesenkirche) y Höxter- Corvey (Corvey, Jakobsberg, Ovenhausen-Heiligenberg), así como la más importante pereginación de Westfalia de la Alta Edad Media, que tenía lugar en Blomberg. La „ gran peregrinación de la Edad Media “ ha dejado sus huellas en el portal jacobeo en Soest, que comparte importancia con las capillas dedicadas al santo en Dortmund y Soest. Por dicho portal pasaba el „ Hellweg “ , que se alejaba de la ciudad por el oeste, es decir, en dirección a Santiago. Sin embargo, hay que tener en cuenta que también existen otros testimonios relevantes del culto jacobeo como altares, hermandades y reliquias. Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters 47 <?page no="49"?> Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen der Frühen Neuzeit von Gerd Dethlefs Die Erforschung von Pilgerwegen ist auch ein Quellenproblem, haben doch die Pilger nur wenige Spuren in der schriftlichen, d. h. archivischen Überlieferung hinterlassen. Meist werden dabei viele Einzelnachrichten zusammengetragen - und dabei sind Rechnungen - also Zusammenstellungen von Geldbzw. Naturaleinnahmen einer Institution oder Person - durchaus schon im Blick der Forschung gewesen 1 . Als serielle Quellen bieten Stadtrechnungen und Rechnungen von Pilgerhäusern und Hospitälern Belege für Pilgerströme, Herkunft und Ziel der Reisenden und im besten Fall die Chance, den Stellenwert von Pilgern, Ziele, Ausmaße usw. quantifizierend zu erkennen. Abb. 1: „ Postweg nach Paderborn “ zwischen Unna und Erwitte, Ausschnitt aus einer Karte des Verlages Matthaeus Seutter in Augsburg, um 1735/ 49 1 Vgl. Arnold Lassotta , Pilger- und Fremdenherbergen und ihre Gäste. Zu einer besonderen Form des Hospitals vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins München, hg. von Lenz Kriss-Rettenbeck / Gerda Möhler (München/ Zürich 1984), S. 128 - 142. <?page no="50"?> Abb. 2: „ Postweg nach Paderborn “ zwischen Soest und Paderborn, Ausschnitt aus einer Karte des Verlages Matthaeus Seutter in Augsburg, um 1735/ 49 Der Hellweg, wie ihn noch um 1740 eine Karte des Herzogtums Westfalen aus dem Verlag von Matthaeus Seutter (1678 - 1757) in Augsburg als Poststraße nach Paderborn zeigt (Abb. 1 - 2) 2 , verbindet in diesem Ausschnitt sechs Städte, in denen ältere Stadtrechnungen überliefert sind: Unna - Werl - Soest - Geseke - Salzkotten - Paderborn. Der Verlust des älteren Dortmunder Stadtarchivs in der Nachkriegszeit begründet für unsere Untersuchung eine natürliche Grenze nach Westen. Zwischen Unna und Paderborn kreuzte der Hellweg viermal eine Grenze, und zwar zwischen drei Territorien: in der Grafschaft Mark lagen Unna und Soest, im Herzogtum Westfalen, das der Erzbischof und Kurfürst von Köln regierte, lagen Werl und Geseke, im Hochstift (Fürstbistum) Paderborn Salzkotten und Paderborn. Von zweien dieser Städte gibt es sogar bereits gedruckte Inventare der Stadtarchive, nämlich von Werl 3 und Soest 4 . Unna Unna war eine kleine Landstadt in der Grafschaft Mark, die der Herzog von Jülich-Kleve-Berg regierte. Durch eine Saline und den Fernhandel seiner Oberschicht im 14. Jahrhundert reich geworden, war 1315 ein Heilig-Geist- Spital gegründet worden, seit 1404 ist ein Almosenfonds für Hausarme bezeugt, seit 1500 ein vor den Stadttoren gelegenes Siechenhaus mit Kapelle. Ein Pilgerhospiz gab es wohl nicht. Die Stadtherren, seit 1391/ 1417 auch 2 Vgl. Brigitte Englisch , Der Hellweg zwischen Mythos und Realität, Soester Zeitschrift 117 (2005), S. 45 - 75, mit der älteren Literatur. 3 Rudolf Preising , Inventar des Archivs der Stadt Werl, Teil 1: Urkunden (Münster 1971) (= Inventare der nichtstaatlichen Archiv Westfalens, Neue Folge [im Folgenden abgekürzt INA N. F.] 3,1); Dietrich Kausche / Wolfgang Müller , Inventar des Archivs der Stadt Werl, Teil 2: Akten (Münster 1969) (= INA N. F. 3,2), hier S. 20 - 21: Kämmereirechnungsbücher. 4 Wilhelm Kohl , Inventar des Stadtarchivs Soest (Münster 1983). Gerd Dethlefs 50 <?page no="51"?> Herzöge von Kleve, seit 1521 auch von Jülich-Berg, verhielten sich konfessionell indifferent und ließen der konfessionellen Entwicklung ihren Lauf: die Stadt Unna fiel schon 1559 der Reformation zu. 1601 fiel die Entscheidung für das Luthertum. Durch Protektion des calvinistischen Kurfürsten von Brandenburg, der sich schließlich ab 1614 als Landesherr in der Mark durchsetzte 5 , entstand eine reformierte Gemeinde, und seit 1666/ 72 gab es sogar eine kleine katholische Gemeinde. Für unsere Betrachtung scheidet indes eine Stadt, in der Pilger aus konfessionellen Gründen nur geringes Ansehen hatten, aus. Ist es ein Zufall, dass auf der Ansicht von Unna in Matthaeus Merians Topographia Westphaliae (1647) ein Wanderer mit Pilgerhut und Stab an der Stadt vorbeiwandert (Abb. 3)? Abb. 3: Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Unna von Nordosten, um 1641/ 47. Kupferstich Werl Viel ergiebiger dagegen ist Werl, das zum Herzogtum Westfalen gehörte. Landes- und Stadtherr war der Erzbischof und Kurfürst von Köln. Werl war sogar eine der vier Hauptstädte des Landes und Sitz des erzbischöflichen Offizialatgerichtes. Als der Kurfürst Gebhard Truchsess 1583 versuchte, 5 Willy Timm , Geschichte der Stadt Unna, (2. Auflage Unna 1975), S. 29 - 31 (Sozialeinrichtungen), S. 31 - 37, 42 (Konfessionsverhältnisse). Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 51 <?page no="52"?> seinen geistlichen Staat der Reformation zuzuführen und weltlicher Herrscher zu werden, unterlag er - und damit blieb Werl durchgehend katholisch. Im Jahr 2011 wurde die 350-Jahrfeier der Werler Wallfahrt gefeiert - nachdem man ein wundertätiges Marienbild aus der Soester Wiesenkirche in die Werler Kapuzinerkirche übernommen hatte, blühte Werl rasch als Wallfahrtsort auf 6 . Tatsächlich gibt es in den Stadtrechnungen Belege für Pilger, die in der Stichwortkartei der Werler Stadtarchivare schon erschlossen sind 7 : 15. 06. 1608 Der Wagenmeistern eingebracht, daß ehr auß befehlich B[ürgermeister]. Lilien auff Pfingstmontagh etzligen Jacobs Brüdern geben 1 ½ Mk. 2 ß 8 06. 02. 1615 Einem Priester aus Ungarn und seinem Gesellen, die das Grab der Hl. Drei Könige in Köln besuchen wollen, 3 ½ Mark Es sind eindrucksvolle, gelegentlich auch schon publizierte Nachrichten 9 . Werl war durch seine Salzquellen relativ wohlhabend. Schon im frühen 14. Jahrhundert hatte es mehrere Hospitalgründungen gegeben: 1311 außerhalb der Stadttore eine Antoniusklause (getragen von den Burgmannen), die nach einer Urkunde von 1526 am Hellweg vor der Büdericher Pforte, also im Westen der Stadt, lag 10 . Stiftungen zugunsten von Pilgern sind dort ausdrücklich bezeugt, so 1439, als eine Witwe zugunsten der Clusener in dem Heiligenhaus Land schenkte tom schenebeyr in dem hiligen huse vor Werle umme lavinge armer pelgeryme 11 . 1477 schenkte eine Bürgermeisterswitwe der vor Werl gelegenen Antoniusklause eine Rente von 3 Scheffel Malz, wovon der dort wohnende Klausner jährlich zu Ostern Bier brauen soll, um die Rompilger laben zu können 12 . 6 Gerhard Best / Michael Feldmann / Ralf Preker , 350 Jahre Marienwallfahrt Werl 1661 - 2011 (Paderborn 2011), vor allem S. 181 - 209. 7 Herrn Stadtarchivar i. R. Hermann-Josef Deisting gebührt für diese freundlichen Hinweise großer Dank, für weitere Hilfe seinem Nachfolger Michael Jolk. 1 Mark = 12 Schilling. Ein Tagelohn lag nach den Rechnungen bei 3 - 6 Schillingen für ungelernte und 7 - 10 Schillingen für qualifizierte Arbeitskräfte wie Handwerksmeister. 8 Stadtarchiv Werl, C II Nr. 7 Bd. 1: Ausgaberechnung der Stadt Werl 1608 - 1615, Bl. 12 v: Woche nach dem 3. Sonntag nach Trinitatis, 15. Juni 1608; der Pfingstmontag fiel 1608 auf den 26. Mai. - Bl. 262 v. 9 Hermann Josef Deisting , „ . . . oder annoch mehrere heilige Oerther in Teutsch- oder Welschland zu besuchen “ , in: Werl 2005 - Gestern - heute - morgen. Ein Jahrbuch der Stadt Werl (Werl 2005), S. 123 - 127, hier S. 125. 10 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 97 Nr. 238 11 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 25 Nr. 51. 12 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 52 - 53 Nr. 116. Gerd Dethlefs 52 <?page no="53"?> Abb. 4.: Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Werl von Westen, um 1641/ 47. Kupferstich Abbildungen gibt es leider nicht; die von Matthaeus Merian 1647 publizierte Stadtansicht (Abb. 4) ist eine Kopie nach einem Stich aus Hogenbergs Geschichtsblättern und stellt die Stadt seitenverkehrt da 13 : Die Burg lag im Südwesten der Stadt, das Büdericher Tor im Westen mit der Doppelturmanlage jenseits des Grabens ist links unter dem Westturm der Walburgiskirche dargestellt. Zwischen Büdericher Tor und der Walburgiskirche ist die Kapelle des um 1320/ 23 entstandenen Hospitals für Kranke und Arme in der Stadt dargestellt, geweiht den Heiligen Laurentius und Elisabeth. Um 1330 wurde ein zweites Hospital zum Nutzen von Kranken und Pilgern gegründet - außerhalb der Stadt 14 . Es war das spätere Siechenhaus, dessen Kapelle 1357 - 1360 in drei Urkunden als Filialkirche der Pfarrkirche St. Walburgis bezeugt ist, wo pro solacio et devotione peregrinorum täglich Gottesdienst zu halten sei - die Pilger hatten ausdrücklich für das Seelenheil der Stifter zu beten 15 . 1469 ist bezeugt, dass dieses Heiligenhaus der hl. Gertrud geweiht 13 Jochen Luckhardt u. a. (Bearb.), Westfalia Picta Bd. IV: Kreis Soest/ Kreis Unna/ Stadt Hamm (Bielefeld 1989), S. 287 - 292, hier S. 291 Nr. 469. 14 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 5 - 6 Nr. 5; Wolfgang Bockhorst , Werl im Spätmittelalter, in: Amelia Rohrer / Hans-Jürgen Zacher (Hg.), Werl. Geschichte einer westfälischen Stadt (Paderborn/ Werl 1994), S. 95 - 133, hier S. 108, nach Johann Suitbert Seibertz (Hrsg.), Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, Bd. 3 (1400 - 1800) (Arnsberg 1854), S. 480 Anm. 399. 15 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 10 - 11 Nr. 12 a (1357), 12 b (1359) und 13/ 1360). Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 53 <?page no="54"?> war; im 17. Jahrhundert bestand diese als Liebfrauenkapelle vor dem Neheimer Tor im Südosten der Stadt 16 . Das Siechenhaus für die Leprosen entwickelte sich aber faktisch in der frühen Neuzeit zu einem Armen- und Pfründnerhaus, erhielt 1644 einen Kapellenneubau und 1710 ein neues Haus, wurde aber 1816/ 18 abgebrochen. Die Werler Stadtrechnungen sind seit dem Amtsantritt eines neuen Stadtsekretärs 1608 erhalten 17 . Unter der Vielzahl von Armen und durchreisenden Bedürftigen sind indes die Geldspenden an die Jacobsbrüder 1608 und an die Drei-Königs-Pilger 1615 absolute Ausnahmen. Soest Große Aufmerksamkeit verdient auch die nächste größere Stadt am Hellweg: Soest 18 . Auch ihr Reichtum basierte anfangs auf Salzquellen. Schon vor der karolingischen Missionsepoche hatte hier der Erzbischof von Köln Besitz; er war Stadtherr gewesen, und seine Stadt der Vorort Südwestfalens, Handelsort und reiche Hansestadt, die es in der Soester Fehde 1447 - 1449 sogar schaffte, die Stadtherrschaft des Erzbischofs abzuschütteln und sich dem Herzog von Kleve und Graf von der Mark zu unterstellen. Mit knapp 9.000 Einwohnern war es im 16. Jahrhundert noch fast so groß wie Münster, bis dann ein Niedergang einsetzte. Als Ende des 12. Jahrhunderts der mittelalterliche Mauerring entstand, erhielt das Stadttor, das nach Westen den Hellweg als wichtigste Handelsstraße Richtung Dortmund und Duisburg aus der Stadt entließ, nach einer in dem Stadttor befindlichen, 1214 erstmals bezeugten Kapelle den Namen Sankt Jakobi-Tor, das nach seinen architektonischen Formen zu dem Ende des 12. Jahrhunderts entstandenen Mauerring zu rechnen ist 19 . Ob die Lage auf der Westseite der Stadt, also quasi in Fluchtrichtung nach Santiago, zur Namensgebung beitrug, ist Spekulation. Die älteste Stadtansicht von Soest aus Braun-Hogenbergs Sammlung von Stadtansichten ( „ Civitates orbis terrarum “ , Bd. 3, Köln 1581, Nr. 37) zeigt am linken Rand den spitzen Turm der Kapelle, der aus der Toranlage deutlich herausragt (Abb. 5) 20 . 16 Preising , Urkunden (wie Anm. 3), S. 44 Nr. 94. 17 Stadtarchiv Werl, C II Nr. 7 Bd. 1: Ausgaberechnung der Stadt Werl 1608 - 1615, Ausgaben in wöchentlicher Folge, hier Bl. 12 v. Die „ Rechnungen “ der städtischen Armenstiftungen sind nur Vermerke über die ordnungsgemäße Erhebung der Einkünfte und haben mehr den Charakter von Revisionsprotokollen. 18 Vgl. als Überblick: Marga Koske , Soest und das mittelalterliche Pilgerwesen, Soester Zeitschrift 98 (1986), S. 62 - 74. Geschichte der Stadt Soest Bd. 1 - 3, hg. von Ellen Widder (Soest 1994 - ). 19 Koske , Soest und das Pilgerwesen (wie Anm. 18), S. 65 - 66. 20 Luckhardt u. a. (Bearb.), Westfalia Picta Bd. IV (wie Anm. 13), S. 211 - 220, hier S. 214 Nr. 345. - Nach Hubertus Schwartz , Soest in seinen Denkmälern Bd. 1 (Soest 1955), S. 102 - 105 und Bd. 2 (Soest 1956), S. 157 Ersterwähnung von 1225. Gerd Dethlefs 54 <?page no="55"?> Abb. 5: Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Süden, um 1580/ 81. Kolorierter Kupferstich Im Laufe des Mittelalters waren in Soest nicht wenige Institutionen sozialer Fürsorge gegründet und gestiftet worden, um Einheimischen und Fremden, darunter auch Pilgern, in Notlagen zu helfen. Neben dem sog. Hohen Hospital, das ausweislich einer späteren Urkunde im späten 12. Jahrhundert (um 1178? ) für Elende, Gebrechliche, Bedürftige und Leidende in einem früheren Kastellturm gegründet worden und dem Hl. Geist geweiht war (vgl. Abb. 6 - 7, vor St. Maria zur Wiese und links vor dem Turm der Petrikirche) 21 , gab es ab 1251 ein Siechenhaus (für Leprakranke) auf der Marbecke knapp zwei Kilometer vor dem Jakobitor. Die Gründung des „ Neuen Hospitals “ 1304 beim Jakobitor, geweiht der Gottesmutter, sollte zwar vor allem die Unterbringung von Kranken ermöglichen, die im Heilig- Geist-Spital keinen Platz mehr fanden 22 . Das Statut sah indes ausdrücklich vor, ut ibidem viatores et peregrini scilicet personae miserabiles, si hospicia non possint alias obtinere, una nocte recipiantur et victualia eis ut competit ministrentur, illic longiorem moram non facturi, sed mane sequenti cum gratiarum actionibus recessuri 23 . - ebenso legen wir fest, dass dort Reisende und Pilger, sozusagen bedauernswerte Personen, wenn sie keine anderen Herbergen erhalten können, für eine Nacht aufgenommen und ihnen angemessene Lebensmittel gereicht werden, und sie dürfen keinen längeren 21 Beate Sophie Gros , Das Hohe Hospital (ca. 1178 bis 1600). Eine prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchung (Münster 1999), zu den Anfängen S. 15 - 16, 25 - 64, zu den Insassen ebd. S. 77 - 78. 22 Gros , Das Hohe Hospital (wie Anm. 21), S. 115 - 118; Kay Peter Jankrift , Gesundheit, Krankheit und Medizin in Soest von der Zeit der Karolinger bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, in: Soest. Geschichte der Stadt, Bd. 1, hg. von Wilfried Ehbrecht (Soest 2010), S. 487 - 519. 23 Friedrich von Klocke (Bearb.), Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten Bd, 3: Urkunden der kleineren Hospitäler, Pilgrimshäuser, Beginenhäuser und Armeneinrichtungen (Münster/ Soest 1953 - 1964) (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XXV, 3), Reg. 1, S. 2. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 55 <?page no="56"?> Aufenthalt haben, sondern müssen am folgenden Tag mit Akten der Dankbarkeit abreisen. Abb. 6: Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Südwesten, 1588. Aus: Braun/ Hogenberg: Civitates orbis terrarum, Bd. 4, Köln 1588, Nr. 21. Kupferstich Schon wenige Jahre später erfolgte eine weitere Differenzierung, als nämlich dieses Hospital auf Kranke beschränkt, 1319 - 1321 innerhalb der Stadt verlegt und schließlich in Großer Mariengarten umbenannt wurde. Die Baulichkeiten am Jakobitor wurden dagegen zu einem Pilgrimhaus umgewidmet, das 1309 bezeugt ist - in diesem Jahr stiftete eine Soester Bürgerin eine Rente, aus der Lebensmittel den peregrinis pauperibus in domo peregrinorum foras portam sancti Jacobi - also den armen Pilgern in dem Pilgerhaus [außen] vor dem Jakobitor - gereicht werden sollten 24 . Man wollte die Pilger offenbar nicht in der Stadt haben, aber auch ihren Zorn nicht auf sich ziehen. Doch nicht mit Geld, sondern mit Lebensmitteln sollten sie abgespeist werden. Die Verwaltung übernahmen zwei Provisoren, die schon aus Spenden oder Einkünften bei ihrer ersten urkundlichen Erwähnung 1333 für 4 ½ Mark (= 648 Silberpfennige) eine Rente kaufen konnten 25 . Der Zusammenhang dieses Pilgerhospizes mit der Kapelle im Jakobitor ist zumindest auffällig und mag ein Indiz für ein noch höheres Alter sein. 24 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 526 S. 285. 25 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 527 S. 286. Gerd Dethlefs 56 <?page no="57"?> Vor dem Jakobitor wurde bei der großen Pest 1350 ein neuer Friedhof angelegt, der 1351/ 53 als cimiterium novum extra portam Sancti Jacobi bezeugt ist und von zwei namentlich benannten provisores verwaltet wurde, die noch in demselben Jahr als provisoribus domus peregrinorum extra Suasatum agierten; kein geringerer als Graf Gottfried von Arnsberg stiftete 1353 zu seinem und seiner Familie Seelenheil vier Morgen Saatland an das domum peregrinorum sitam apud iam dictum cimiterium ad elemosinas 26 . Die Zustiftungen waren erheblich, bis 1400 sind neben den schon genannten vier Urkunden achtmal teils erhebliche Landschenkungen und drei Schenkungen von Geldrenten erfolgten. Die Einkünfte - Renten und Spenden - haben offenbar regelmäßig die Ausgaben überstiegen, so dass in diesem Zeitraum viermal Land und sechzehn Geldrenten (für 129 Mark = 12 Mark 1 Schilling jährliche Rente) gekauft und also nach und nach ein erheblicher Besitz erworben werden konnte. Ab 1392 waren es jeweils zwei Ratsherren, die das Provisorenamt verwalteten 27 . 1402 wurde eine der Jungfrau Maria geweihte Kapelle auf dem Friedhof gestiftet, übrigens mit eigenen Vorschriften für den Fall, dass der Priester selbst einmal auf Bedevart gehen wolle - dann musste er die Provisoren des Pilgrimhauses um Urlaub bitten, und die Geldspenden an den Altar sollten zwischen der Kapelle und dem Pilgerhaus geteilt werden 28 . Während der Soester Fehde wurde das Pilgerhaus 1446 zerstört; daher kauften die Provisoren ein Haus innerhalb der Stadtmauern in dem Helwege [ge]legen vor der Jakobspörten dar sente Laurencius capelle anroret - es war das frühere Neue Hospital - und fortan heißt es belegen vor dem Jakobitor binnen Soest, ab 1487 sogar mit dem Patrozinienzusatz unser lieben Frauen [in dem] pylgrimhus 29 . Dieses Haus steht übrigens bis heute - dendrochronologisch auf 1294 datiert - und rühmt sich, das älteste Gasthaus Westfalens zu sein. Die Stadtansicht aus einer Neuauflage des Ansichtenwerkes von Braun/ Hogenberg von 1588 zeigt übrigens das Jakobitor mit der Liebfrauenkapelle auf dem Friedhof (Abb. 7), obwohl diese schon im Vorjahr abgebrochen worden war 30 . 26 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 528 und 530, S. 286 - 288. - Vgl. Marga Koske , Der „ Neue Friedhof “ in Soest, Soester Zeitschrift 105 (1993), S. 47 - 53, hier S. 47 - 49 zur Nutzung für Pilger. 27 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 554 S. 299. Die Zahlen nach ebd. Nr. 531 - 562, S. 288 - 303. 28 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 568 S. 306 - 309. 29 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 615 S. 337 - 338; die Formulierung binnen Soest regelmäßig ab Reg. 618 (1450), ebd. S. 339, und ab Reg. 642 (1487) S. 350. 30 Jochen Luckhardt , Die Ansichten von Soest bei Braun und Hogenberg, Soester Zeitschrift 96 (1984), S. 61 - 74. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 57 <?page no="58"?> Abb. 7: Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Südwesten, 1588. Ausschnitt: vorn die Marienkapelle und das Jakobitor, Kupferstich In den seit 1504 überlieferten Stadtrechnungen ist ersichtlich, dass die Provisoren des Hospitals jährlich erhebliche Überschüsse an die Stadtkasse abgeben konnten 31 . In den 1580er Jahren waren dies jährlich zwischen 140 und 200 Mark, also nicht unerhebliche Beträge. Diese Überschüsse waren wohl auch der Grund, weshalb schon bald nach Einführung der Reformation eine zumindest teilweise Umwidmung der Einnahmen erfolgte, denn die reformatorische Kirchenordnung von 1532, die auch die Armenpflege neu regelte, bestimmt zum Pilgrimhaus: Die Rente für das Pilgrimhaus sollen die Diakone auch dazu benutzen, die rechten Pilgrime als arme elende, kranke Hausarme, die - in ihrer Gesundheit beeinträchtigt - weder arbeiten noch das Geld für die Kost aufbringen können, die einen guten Ruf haben, das Ihre nicht verschlemmen oder unnötig verprassen, sondern von Gott das auf- 31 Stadtarchiv Soest, A Nr. 4537 - 4546 (Kämmereirechnungen 1503 - 1519). Gerd Dethlefs 58 <?page no="59"?> erlegte Kreuz empfangen haben, arme Witwen und Waisen, die keine Verwandtschaft haben, welche in der Lage sind, sie zu versorgen oder sich ihrer nicht annehmen wollen, und arme, elende, verlassene Jungfrauen und Mägde davon zu versorgen 32 . Die Neudefinition armer Pilger ist schon erstaunlich. Das Haus hatte, wie andere solche Häuser auch, einen Vater - also Herbergsvater, der unter Aufsicht zweier Ratsherren stand, die zugleich auch das Leprosenhaus auf der Marbecke beaufsichtigten 33 . Aus dem Jahr 1564 ist ein Pachtvertrag mit dem Herbergsvater überliefert, in dem bestimmt war 34 : Den pilgrum aber, die etwo dahin kommen wurden, sol er (sovern es keine unnutze boven oder truggeler weren) eine maltyt to geven und davon wie gleichfals von allem upboren und uitgeven des hauses alle jar vor dem erbaren rat und zwolven to rechnen. Dafür erhielt er 10 Mark als Entgelt und durfte auch die Ländereien, insbesondere des hoves achter der capellen neien kirchoves zu behoef seiner koien sonder pacht nutzen. Nun haben sich eine ganze Reihe von Rechnungen des Pilgrimhauses aus den Jahren zwischen 1570 und 1703 erhalten 35 , die über die Verwendung der beträchtlichen Einnahmen Aufschluss geben. Im Jahre 1570 sah der Etat des Stiftungsvermögens wie folgt aus (12 Schilling = 1 Mark, 1 Goldgulden = 29 ß, 1 Taler = 2 Mk 2 ß): Einnahmen: 628 Mark 1 Schill. 1 Pfg Ausgaben Mark ß d. Erbrenthe (meist Geistliche und Beamte) 58 5 ½ 2 ½ Besserung des Hauses (mit Papier, Verzehrungen, Handwerker und Material) 48 11 3 An Wochengeld den Armen (48 Namen, 4 mit doppelter Portion) 312 6 Item An gespiseden Brodern die der vader gespiset hatt von diesem lxx. Jar sein gewest LV thutt an Gelde 4 7 Summa Summarum 387 8 7 ½ 32 Koske , Pilgerwesen (wie Anm. 18), S. 69. 33 Gros , Das Hohe Hospital (wie Anm. 21), S. 134. 34 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 676 S. 366 - 367. 35 Kohl , Stadtarchiv Soest (wie Anm. 3), S. 648 Nr. 9658 (Rechnungen 1570 - 1573, 1575 - 1584, 1586, 1588 - 1589, 1599), Nr. 9659 (1603 - 1604, 1616 - 1621, 1666 - 1667, 1671 - 1688 mit Lücken, 1692 - 1703). Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 59 <?page no="60"?> Der Hausvater bezahlte von den Einnahmen an die Kämmereikasse 182 ½ Mark, doch blieb noch - auch aus den Vorjahren - eine Restschuld von 137 Mark. Die Aufstellung verdeutlicht, dass die Einkünfte hauptsächlich für direkte Zahlungen an Bedürftige genutzt wurden, die pro Woche 14 Pfennige pro Person erhielten. Die Ausgaben für fremde Arme sind also in den Rechnungen des Pilgrimhauses eigens ausgeworfen. 1570 waren es 55 Schillinge - offenbar wurde pro Person ein Schilling veranschlagt. In den folgenden Jahren von 1571 bis 1621 sah diese Rubrik folgendermaßen aus 36 : 1571 Item an gespeiseden Brodern die der vader gespiset hatt von diesem lxxi. Jar zusammen in eine Rechnungh gezogen [. . .] thutt an Gelde 5 Mk. 1572 Item an gespeisedenn Brodernn die der vatter gespeiset hatt von diesem lxxii. Jar zusammen in ein Rechnungh gezogen ad 8 Mk. 1573 Item An gespeiseden Brodern, die der Vatter gespeiset hatt vonn diesem LXXIII Jar zusamen Inn ein Rechnung gezogenn Thut sich Inn diesen 73ten Jar gehaltener Aakerfart in Ansehung großer theuerung 16 Mk. 1575 An gespeisedenn Brodern, dweil der Vader vast vil anlauffens daß Jar vor und nach gehabt Ist ihme dafür gutgethan 10 Mk. 1576 An gespeisedeen Brodern, dweil das Hauß vast vil anlauffens gehabt Ist der Wittwe dafür gerechnet und gutgethan 8 Mk. 1577 An gespisedenn Brodern, Alß das Haus vast bei dißen Zeiten vil anlauffens hatt gerechnet in summa 8 Mk. 1578 An gespeisedenn Brodernn, dweil das Haus diese Zeitt voruber wegen der Nederlendischen emporungh mit vilfeltigen anlauffens Armer leutt fast beschweret vor dißmal gutgethan und passirt 12 Mk. 1579 An gespeisedenn Brodernn, dweil das Haus von frembdenn verdriebenenn Armen und sonst fast vil anlauffens gehabt, guthgethan und zugekert 14 Mk. Noch einem armen Man um gots willen geben 1 Mk. 1580 An gespeisedenn Brodernn, dweil das Haus von frembdenn verdriebenenn und andern Armen und sonst 36 Stadtarchiv Soest, A 9658 Bl. 12 r (1570), 26 v (1571), 39 v (1572), 50 (1573), 64 (1575), 76 (1576), 89 (1577), 101 (1578), 112 v (1579), 124 (1580), 136 v (1581), 147 (1582), 157 v (1583), 168 v (158 v), 192 v (1586), 203 v (1588), 215 (1589), 227 (1599); A 9659 Bl. 9 (1603), 22 v (1604), 32 (1616), 42 (1617), 52 (1618), 62 (1619), 72 (1620), 82 (1621). Gerd Dethlefs 60 <?page no="61"?> vil anlauffens gehabt, dem Vader darfür abgerechnet und gekurtzt 14 Mk. Item zweien Vatter und Moder loesen Kindern auß christlichem Mitleiden geben 1 Mk. Item Peterken den Geck um Gots willen 1 Mk. 1581 Item An gespeiseden Brodern dweil das Haus vonn frembden Armen und sonst viel anlauffens gehabt, die Herrn des Hauses auch wenn sie alhie zu thun gehabt, bei dem Vader gedruncken, abgerechnet und gekurzt 15 Mk. 1582 An gespeisedenn Brodern unnd Armen leuthen, dweil das Huiß sunst vast vil Anlauffens hadt, darinne sunst andere zufellige unkosten mitgerechnet in summa 15 Mk. 1583 Item An gespeiseden Brodern unnd Armen leuden, dweil das Haus sunst vast vil Anlauffens hatt, darzu sunst andere zufellige unkosten mitgerechnet, sa. 15 Mk. 1584 An gespeiseden Brodern und Armen leuden und andere zufellige unkosten dwil dass Hauß diß Jahr vast unkosten ertragen 14 Mk. 1586 Item gespeiste Brodernn und Arme Leuthe, Auch andere Unkosten so dem Hause teghlichs ankhomen 15 Mk. 1588 Item an gespeisedenn Broedern und Armen Leuthen, sunsten auch andere dagelichs dem Hause vorgefallene unkosten 16 Mk. 1589 Item an gespeißeden Broederen vort Armen Leuten, und andere dem Hause suunst daghlichs vorfallenden unkosten 16 Mk. 1599 An gespeiseden Brodern und Andern Armen, so taglichs ankhomen, auch anderen Uncosten 18 Mk. 1603 Item an gespeiseden Bröderen und Andern Armen, so taglichs ankomen, sunsten auch Andere bei der rechnunge Auffgewandte Uncosten zusammen 18 Mk. 1604 [genau wie vor] 18 Mk. 1616 - 1621 zu erstattung der refection uff der Rechnung 20 - 22 Mk. Die Einnahmen vermehrten sich bis 1600 auf rund 680 Mark und lagen ab 1616 bei jährlich 644 Mark. Die Abführung an die Kämmereikasse lag etwa bei einem Drittel, während die Zahlungen an Hausarme ab 1579 sich bis auf 63 Portionen für 55 Arme (alljährlich knapp 320 Mark) vermehrten. Ab 1589 waren die Zahlungen für Gespeiste Brüder und Arme kein selbständiger Posten mehr, sondern unter den Baukosten rubrizirt, wo sie anstelle der Zahlungen für die Verköstigung der aufsichtsführenden Ratsherren traten. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 61 <?page no="62"?> 1613 wurde das Pilgrimhaus an den Bürger Thomas Merckelbach verkauft 37 . Damit müssen die Naturalleistungen an durchziehende Pilger oder andere Bedürftige eingestellt worden sein, während das Haus seine Hauptrolle als Fond für die offene Armenpflege behielt. Dass die entsprechende Rubrik mit jährlichen Ausgaben von 20 - 22 Mark gleichwohl als Ausgabeposten erhalten blieb, erklärt sich aus der Verköstigung der aufsichtsführenden Ratsherren. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts indes lagen die Stiftungserträge bei nur noch rund 265 Taler (1703), von denen 17 ½ Taler an zwei Arme in „ ordentlichen Portionen “ , 25 Taler an sonstige Arme und 20 Taler zum Bau eines neuen Armenhauses vergeben wurden - alles andere waren Verwaltungskosten. Schließlich wurden in dieser Rubrik auch andere Mahlzeiten, nämlich Besuche der Provisoren, erfasst, und nach 1616 war dies offensichtlich der Hauptzweck dieser Rubrik - die Refection bei der Rechnungslegung, und das war sogar noch teurer als vor 1600 die Verpflegung vertriebener Armer. 1667 wurden die Einkünfte des Hauses der Schule zugewiesen, der Emonitor erhielt 1/ 30 der Einkünfte als Verwaltungsgebühr und soll die Refectio abgestellt sein 38 . Nach diesem Befund ist offensichtlich: der Großteil des Vermögens wurde für Stadtarme aufgewandt, nicht mehr für Fremde; vereinzelt ist 1573 die Aachenfahrt als Ursache für eine dreimal so hohe Zahlung wie in Normaljahren angegeben, und zu 1578 der Aufstand in den Niederlanden, der viele Flüchtlinge durch Soest führte. Eine zweite Sozialeinrichtung war noch für Fremde gestiftet worden: das sogenannte Gasthaus im Osthofen am Osthofentor. 1433 bestand es bereits, als einige Soester Bürger elf Morgen Land vor Soest umme de leve [Liebe] des almechtigen Godes, Marien, siner leven moder, unde aller hilligen tho dem alemosenhuse in den Oisthoven tho Soist, dar men de armen peregrinen in der Akenevard over dat sevede jar, wan sie utgaed, inne to spyzende pleget schenkten 39 . Die Wallfahrt nach Aachen, die ja jedes siebte Jahr mit der Heiltumsweisung zahlreiche Menschen anzog, hatte also die Schenkungen motiviert, denen bis 1442 drei weitere Stiftungen mit 15 Morgen Land folgten. Unser Leyven Vrouwen Gasthus in den Osthoven trug das Marienpatrozinium wohl wegen dieser Zweckbindung an die Aachenfahrt. 1479 das Hospital und pilgrimhaus in dem Oesthoven genannt, ist 1520 von den armen und kranken lude des gasthueses in den Oisthoven die Rede, das nach und nach sein Vermögen mehrte 40 . Die Ausgaberechnungen sind ab 1570 überliefert, als am 14. August 1570 mit Patroklus Krancken ein neuer Vader des Gast oder Pilgrimhauses zum 37 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 695 S. 374. 38 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 708 S. 378. 39 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 725 S. 385 - 386. 40 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 726 - 734 (1437 - 1520) S. 386 - 391. Gerd Dethlefs 62 <?page no="63"?> Osthove eingestellt wurde 41 . Die Einkünfte lagen mit 36 ½ Mark zunächst deutlich niedriger als das des Pilgrimhauses am Jacobitor, doch steigerten sich die Einnahmen bis auf jährlich 140 - 180 Mark (1577/ 79). Den Ausgaben zufolge sind offenbar auch Hausarme unterstützt worden, vor allem jedoch arme und kranke Fremde sowie Holz und Kohlen für die Heizung. Nicht selten sind Todesfälle überliefert; für die Toten bezahlte man nicht nur den Sarg, sondern die ganze Beerdigung, was insgesamt bis zu 3 ½ Mark (also 40 - 42 Schillinge) kosten konnte - damit konnte im Todesfall eben ein ehrliches Begräbnis bezahlt werden. Die so Begünstigten würden als arme Menschen bezeichnet, selten nur mit Namen genannt - dann dürften es wohl Einheimische gewesen sein. Einige Beispiele: 1572 zahlte man 5 Schilling vor einen krancken Man nach Paderborn zu fueren, dem Fuhrmann, und sechs Pfennige einer Frauwen, die die leutt zur Begreffnis eines im Gasthaus verstorbenen Knechts batt. 1576 gab man einem krancken Studenten der gar kranck lach in dem Osthove einmal einen und einmal 7 Schillinge; 1577 einer Frau zu Unterhaltung eines Fündtlings 10 Mark - und schließlich Geld für ein Särglein. 1578 lag ein Mann vier Wochen krank und starb. 1579 erhielt ein Barbier vor den lamen Jungen von Dülmen über vier Mark. Arme kranke Studenten und ein Krüppel begegnen 1581, 1582 ein armer Predicant, 1585 ein armern Schneidersknecht, 1587 erstmals ein Soldat. 1589 ist eine an der Pest erkrankte Frau mit zwei Kindern bezeugt, die 2 ½ Mark empfing. 1594 ist ein Junge von Frankfort genannt, 1595 eine Ausgabe notiert behuf des schwachsinnigen Mönchs von Benninckhausen - das eigentlich ein Zisterzienserinnenkloster war - , und noch eine Geldausgabe für zwen Knechte so vom Turckhen komen. 1597 ist ein Goltschmied von Unna Empfänger einer Gabe. Nach 1599 werden immer häufiger Kriegsmänner aufgenommen, 1618 ein armer Student von Hildesheim, am Mittwinterabend 1619 stirbt eine stumme Frau im Gasthaus, und 1620 wurden einem blinden Manne von Warsten, welchem seine Frau abgestorven, zwei Mark zum Sarcke gethan. Die Schicksale und das Elend, das man in diesem Hause linderte, kann damit ein klein wenig vorstellbar werden. Nur - Pilger sind an keiner Stelle bezeugt! 1666 - 13 Jahre, nachdem das Haus abgebrannt war - beschloss der Rat, die Hausstätte zu verkaufen, weil es daselbsten mitten in der Statt umb Verhütung Unglücks wegen allerhand ruchlosen Gesindleins, so sich in 41 Stadtarchiv Soest, A. Nr. 9691 (Rechnung des Patrocli Krancken von 1570/ 71 - 1587 und 1600; ebd. Bl. 2 der Übernahmerevers); Nr. 9692 (Rechnungen 1588 - 1599), Nr. 9693 (Rechnungen 1602 - 1609, 1612 - 1613, 1615), Nr. 9694 (Rechnungen 1616 - 1620). - Kay Peter Jankrift , Gesundheit, Krankheit und Medizin in Soest von der Zeit der Karolinger bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, in: Soest. Geschichte der Stadt, hg. von Wilfried Ehbrecht / Gerhard Köhn / Norbert Wex (Soest 2010), S. 487 - 519 bespricht neben dem Leprosenhaus (S. 502 - 510) das 1568 erstmals erwähnte Pesthaus, die Ellende up der Becke, das sog. kleine Altena (S. 500 - 501), nicht aber das Gasthaus im Osthofen. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 63 <?page no="64"?> demselben zu finden pflegt, ein Gasthaus wieder zu erbauen nicht dienlich 42 . Der Verkaufserlös von 54 Talern wurde zugunsten der Armen angelegt, und ab 1667 auch die Refectio für die verwaltenden Ratsherren eingestellt. Zwischen den Sozialeinrichtungen gab es also eine Arbeitsteilung in der Fürsorge für Pilger und kranke oder erkrankende durchreisende Fremde; Leprakranke wurden in die Marbecke eingewiesen. Hilfsgelder für durchreisende Bedürftige, Verbrannte, Vertriebene usw. weisen auch die Kämmereibzw. Rentmeisterrechnungen der Stadt Soest mit eigenen Rubriken in dieser Zeit nach - diese Zahlungen müssen aber von den Mahlzeiten, die der Pilgrimsvater ausgab, unterschieden werden. Insgesamt lässt sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine sich verstärkende Abwehrhaltung der Stadtobrigkeiten gegen fremde Bettler beobachten, die Konzentration der Ressourcen für Sozialausgaben auf einheimische Arme, und auch die zunehmende Kontrolle der Bedürftigkeit. Aus dem Pilgerhospiz wird also eine innerstädtische Sozialeinrichtung. Pilger werden nicht mehr gefördert. Paderborn Auch in Paderborn gibt es mittelalterliche Belege für Wallfahrten; schon 1211 bestätigte Bischof Bernhard die Gründung eines Spitals ad pauperes, debiles et peregrinos recipiendos - um Arme, Schwache und Pilger aufzunehmen; es wurde 1229 dem Frauenkloster Gokirche inkorporiert und hatte anfangs ein Johann Baptist- und später ein Heilig-Geist-Patrozinium. Auch dieses Hospital lag nicht innerhalb, sondern außerhalb der Stadtmauern, und zwar vor dem Westerntor, wo ab 1671 die Westernschanze angelegt wurde - es scheint vorher untergegangen zu sein 43 . Noch 1517 wurde anlässlich einer frommen Stiftung bestimmt, dass die Erträge in jedem siebten Jahr zur Speisung der Pilger, die zur Heiltumsweisung nach Aachen unterwegs waren, verwendet werden, und diese Speisung sollte im Westernspital, also außerhalb der Stadt stattfinden 44 . Die Stadtansicht aus Merians Topo- 42 Von Klocke , UR III (wie Anm. 23), Nr. 746 S. 397; zur Entwicklung der Soester Sozialfürsorge vgl. Antje Sander-Berke , Armut und Armenfürsorge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Soest. Geschichte der Stadt, Bd. 2, hg. von Heinz- Dieter Heimann/ Wilfried Ehbrecht ( Soest 1996), S. 312 - 332. 43 Wilhelm Tack , Die Paradies-Vorhalle des Paderborner Domes und die Wallfahrt nach Santiago de Compostela, in: Alte und neue Kunst im Erzbistum Paderborn 8 (1958), S. 27 - 62, hier S. 53 - 54. Die These von Tack , die in jenen Jahren gebaute Paradiesvorhalle des Domes habe den Jakobspilgern gedient, lässt sich mit Blick auf das eigens dafür bestehende Spital außerhalb der Stadt falsifizieren. Zum Hospital vgl. Anton Gemmeke , Geschichte der Armenhäuser und des Armenwesens der Stadt Paderborn bis zum Jahre 1866 (Bad Oeynhausen 1939), S. 10 - 18. 44 Urkunde im Stadtarchiv Paderborn Nr. 229 (16. 11. 1517): Stiftung einer Rente von 13 ½ Gulden zu verschiedenen frommen Zwecken mit der Klausel, es soll so alle jaren werden gehalden und flitigen betzalt, uthbeschaden das Sevende Jair als wanner dat de Gerd Dethlefs 64 <?page no="65"?> graphia Westphaliae von 1647 zeigt im Vordergrund vor dem Westerntor eine Kapelle mit einem Hospitalhof (Abb. 8) - das Leprosenhaus St. Georg - und hinten vor der Stadtmauer ein Haus, das wahrscheinlich dieses Pilgerhospiz meint 45 . Abb. 8: Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Paderborn von Südwesten, um 1641/ 47, Ausschnitt: Westentor mit Leprosenhaus St. Georg und Kapelle (vorn) und dem Pilgerhospiz hinten. Kupferstich Akenvart ansteit, dan so soll enen dar van den vurgescr. Jufferen, den Broderen und ock Templereren und Provysoren nycht geven, sunder die renthe upgenoempter provisor, pastor und twe Templireren sollent de vorgerorten vertheyndehalven goltgulden jarlicke Rente by eyn behalden und [. . .] de pelgerymme unsser leven Vrowen des begherende synt In unsserem Weisteren Hospitale tho spisen overantworen und hant reken Dar vor sollen dan de geschickeden raedesvrunde vorscr. vor de armen Pelgerymme der Aken vairt kopen Ber, Broidt, Vleisch und wes enne dar tho spisen behoiff woerde und von noden is.; vgl. Das Paderborner Stadtarchiv, Heimatbote. Beilage zum Paderborner Anzeiger. . . 6. Jg. No. 8, August 1933; vgl. Tack (wie Anm. 43), S. 54. 45 Jochen Luckhardt u. a. (Bearb.), Westfalia Picta Bd. V: Kreis Höxter - Kreis Paderborn (Bielefeld 1995), S. 355 Nr. 602; skizzenhaft auch auf dem Belagerungsgrundriss von 1646, ebd. S. 352 - 353 Nr. 597. Vgl. Dina van Faassen , Lepra und Lepröse im Hochstift Paderborn, Mitteilungen des Vereins für Geschichte an der Universität-GH Paderborn 11 (1998), 5 - 23. - Nach Andreas Neuwöhner , Den Kampf um die Freiheit verloren? Verwaltung und Finanzen der Stadt Paderborn im Spannungsfeld von städtischer Autonomie und frühmodernem Staat (Paderborn 2004), S. 95 wurde das Hl.-Geist-Hospital vor dem Westerntor schon 1604 abgebrochen. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 65 <?page no="66"?> Die ältesten Paderborner Stadtrechnungen datieren aus den Jahren 1556 bis 1608 46 . Die Stadt war einigermaßen wohlhabend; einige evangelische Tendenzen in der Bürgerschaft konnte Fürstbischof Dietrich von Fürstenberg (1546 - 1618, reg. seit 1585), einer der frühen und durchaus erfolgreichen Verfechter der Gegenreformation, im Jahre 1604 dämpfen. Die Stadt war in den beiden Musterjahren nicht mittellos; 1575 betrugen die Einnahmen 1917 Mark, die Ausgaben 1658 Mark, so dass ein Überschuss von knapp 260 Mark entstand. In der Rubrik Pfarrherrn, Studenten und Arme Leute finden sich 19 Empfänger mit 7 ½ Mark Unterstützung: Pferherren Stu[denten] und Armen Leuthen gegeben Einem Armen Pfarherrn geben 8 ß 4 d. Einem Studenten 1 ortt [1/ 4 Taler] Einem Man von Harlem 1 ortt Armen Studenten 15 ß Einem Man welcher das Monstrum eines seltzam geporenen Kinds zeigte 3 ß Einem Kroppel 2 ß Einem Ungern 1 ortt Einem Betler ix d. Einem Hollender 3 ß Einem Verjagten paßete einen schnaphanen Einem Armen Man 3 groschen Zwe betlerern 3 ß Einem Betler 3 ß Einem Berumpten Man von Munster 1 ortt Einer Armen frawen ix d. Einem Verbrandten 7 ß Noch verbrandten 3 ß Einem prediger 1 ortt Einem Armen man ½ daler Summa 7 ½ Mark vi d. Im Jahre 1608 betrugen die Einnahmen sogar 2694 Taler, die Ausgaben 1964 Taler, so dass immerhin 730 Taler übrig blieben. Von solchen Überschüssen können heutige Stadtväter nur träumen! Immerhin wurde in der Rubrik für fremde Arme etwas mehr als 9 ½ Taler ausgezahlt, darunter aber auch 46 Landesarchiv Westfalen Münster, Reichskammergericht Nr. P 24, Bd. 2 - 4; bis 1569 allerdings nur Einnahmerechnungen. Ab 1610 sind die Stadtrechnungen im Stadtarchiv Paderborn erhalten, mit nur wenigen Lücken - es ergibt sich dasselbe Bild. Vgl. Neuwöhner , Der Kampf (wie Anm. 45), S. 97 zur offenen Armenunterstützung auch Fremder, von denen man erwartete, dass sie die Stadt bald wieder verließen. Gerd Dethlefs 66 <?page no="67"?> Gratifikationen für dichtende und singende Studenten - 1607 waren es in 33 Positionen sogar über 21 Taler: Frembden Armen auß befelh der Hern 5. Marty Georgen Albrechten von Havesporgh, einer Adelichen Person deßen Vatter vom Turcken gefangen 10 ß 6 d. 14. eiusdem Jacob von Wiemer einem von Adell so 10 Jahr vom Turcken gefangen gewest 14 ß 22. eiusdem Samuell Schopff von Perrenstein so vom Turcken gefangen gewest 1 Tl. 23. eidusdem Hermanno Petraeoi so einem Erbarn Ratt ettzliche Carmina dedicirt 14 ß 20. eiusdem einem beraubten Kauffman 7 ß 13. Aprilis Bernhardten Steppers von Bißolich bei Wesell so von den Frybutern verdrieben 10 ß 6 d. eodem die: verbranten Leutten von Blanckenhagen in der Grafschaft Gleichen 10 ß 6 d. 15. April. zwei Kriegsleutten vermogh zettuls 4 ß 8 d. 3. May Hanß Halwinckh und Hans Sommers von Sinkenrade zu Erbauung einer Kirchen 7 ß 19. Letzlichen verbrandten Leutten dero Stadt Schmalenbergh 9 ß 4 d. Bl. 57 r 16. Juny einem beraubten gesellen Christian Levenburgh außm Stifft Quendlenburgh 5 ß 3 d. . . . [verbrandten Leutten] . . . 14. 9bris einem von Adell so vom Turcken gefangen gewest uff furbrachten Beweiß 10 ß 6 d. 14. Decembris Volckhardt Jungh zu Cammall so auß seinem Vatterlandt vertrieben 10 ß 6 d. [. . .] Einem angegebenen beraubten Pastor vonn Lutteken Bremen verehrt 2 ß 4 d. 2 Armen Studenten verehrtt 4 ß 8 d. Den Musicanten bei schaidungh eines Erbaren Rahts verehrt 10 ß 6 d. Summarum obgl. Armen Ausgabe 9 thaler 13 ß 5 d. Von Pilgern ist durchaus nicht mehr die Rede - Bedürftigkeit definierte sich anders: Vertreibung, Leiden durch den Türken, verbrannte Städte und Dörfer, Kirchbau, auch einfache Armut. Stattdessen lassen sich Maßnahmen gegen „ Vaganten “ , also gegen umherziehende Bettler nachweisen 47 . Die 47 Neuwöhner , Der Kampf (wie Anm. 45), S. 98. Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen 67 <?page no="68"?> quantifizierbaren Daten marginalisieren Pilger als Reisende. Nur ganz, ganz selten werden sie einmal genannt, in Paderborn gar nicht, immerhin zweimal in Werl. Die Warum-Frage ist an die Wallfahrtsforschung zurück zu richten: sind die Leute nicht mehr gepilgert? Waren Pilger nicht mehr arm und bedürftig? War das Sozialprestige von Pilgern verspielt - oder der Rechtsschutz, den ein Reisender als Pilger genoss? Hatte die Reformation das Reisen zu wundertätigen Reliquien und Gnadenbildern obsolet gemacht? Pilgerte man nicht mehr, so wie man zum Beispiel heute keine patriotischen Lieder mehr singt? Hatte das Zunehmen der Armut in den Städten, hatte die Not der Religionskriege mit den dadurch ausgelösten Migrationsströmen die Maßstäbe für Bedürftigkeit verschoben? Es sind Fragen an die Migrations- und Armutsforschung, die hier nur gestellt, aber nicht abschließend beantwortet werden können. Resumen: „ Viajeros en el ‚ Hellweg ‘ reflejados en las facturas urbanas de la Edad Moderna “ En las facturas de las ciudades que se encuentran en el „ Hellweg “ entre Werl y Paderborn - así como en las facturas de conventos y fincas señoriales - en la Edad Media y en la Edad Moderna se halla copiosa información sobre ofrendas de caridad para la gente humilde que pasara por allí. Sin embargo, éstas casi nunca llegaban a manos de los peregrinos, y solamente se han encontrado dos documentos de Werl a tal efecto: el primero data del año 1608 (una ofrenda a los „ Jakobsbrüder “ , la hermandad de Santiago), y el segundo del año 1615 (una ofrenda a un sacerdote húngaro que iba de camino a Colonia para visitar la capilla de los Reyes Magos). Lo más revelador son las facturas de las instalaciones para peregrinos, como la del „ Pilgrimhaus “ (hospicio de peregrinos) de la Alta Edad Media, que se encuentra en Soest. Aunque la documentación no está completa, existen testimonios del „ Pilgrimhaus “ desde el año 1570. Conforme a una nueva definición de „ peregrinos “ en el reglamento urbano reformado de los pobres del año 1532, la mayoría de los ingresos ya no se usaban para los peregrinos sino para los pobres residentes en cada ciudad, y nada más y nada menos que un tercio de los ingresos se cedía al presupuesto urbano. Conforme a los estatutos de fundación (1309), se gastaban solamente 5 marcos (en el año 1570) de un total de aproximadamente 670 marcos para los alimentos de los peregrinos que pasaban por allí, y en el año 1573 por lo menos se gastaron 15 marcos - con la condición explícita de que la peregrinación de Aquisgrán supusiese una afluencia más fuerte de personas. En los años siguientes los gastos aumentaron hasta llegar a 20 marcos, gracias al aumento de peregrinos. En el año 1578 la afluencia más fuerte estuvo vinculada a la guerra en los Países Bajos. Más tarde se sumaron a estos pagos los alimentos de los provisores y, cuando en el año 1613 se vendió la casa de peregrinos a un hostelero, esta transacción pareció referirse exclusivamente a ellos. En Paderborn entre los años 1570 y 1608 se puede comprobar los gastos ocasionados por diversos necesitados, pero no por peregrinos, dato que puede servir como referencia de una disminución de los movimientos de peregrinación. Gerd Dethlefs 68 <?page no="69"?> Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter * von Hartmut Kühne Pilgerzeichen werden gelegentlich als kurioses Sammelobjekt mit allenfalls illustrativer Funktion missverstanden, denen ein historischer Aussagewert kaum zukommt. Dass diese unscheinbaren und als Massengut hergestellten Blei-Zinn-Güsse durchaus Zeugnis von historischen Vorgängen geben können, von denen wir ohne sie nichts oder weniger wüssten, soll dieser Beitrag am Beispiel von westfälischen Pilgerzeichen des Spätmittelalters zeigen. Seit der Wiederentdeckung der mittelalterlichen Pilgerzeichen in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Schlamm der Themse, der Seine und anderer Flüsse hat es drei große methodische Fortschritte in ihrer Erforschung gegeben. Als erstes ist die katalogartige Erfassung der Pariser Seine-Funde zu nennen, die Artur Forgeais in den Jahren 1862 - 1865 publizierte 1 und so die Basis aller weiteren wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen Metallgüssen legte. Eine zweite grundlegende Entdeckung war die Identifikation von Abgüssen auf mittelalterlichen Glocken als Pilgerzeichen durch den dänischen Campanologen Frederik Uldall kurz nach 1900 2 , die die Aufmerksamkeit der Glockenforscher und der mit der Kunstgutinventarisierung beschäftigten * Dieser Beitrag hat vielfältige Anregungen und Hinweise von zahlreichen Seiten aufgenommen. Im besonderen Maße dankt der Vf. aber Jörg Ansorge (Horst), Karl-Ferdinand Beßelmann (Köln) und Jörg Poettgen (Overath) für Hinweise und kritische Lektüre des Textes. 1 Arthur Forgeais , Collection de plombs historiés trouvés dans la Seine, 5 Bde. (Paris 1862 - 1865). 2 Von entscheidender Wirksamkeit war sein großes campanologisches Hauptwerk: Frederik Uldall , Danmarks middelalderlige Kirkeklokker (Kopenhagen 1906). Aber schon zuvor hatte er seine Entdeckung verbreitet, so dass der Thüringer Glockenforscher Paul Liebeskind sich in seiner ersten einschlägigen Veröffentlichung bei Uldall für dessen schätzenswerten Wink bedankte: Paul Liebeskind , Pilger- oder Wallfahrtszeichen auf Glocken, Die Denkmalpflege 6 (1904), S. 53 - 55. <?page no="70"?> Kunsthistoriker auf diese Abgüsse lenkte. Ein dritter wegweisender Impuls ging von der Arbeit Kurt Kösters aus, der seit den späten 40er Jahren des 20. Jahrhunderts eine systematische Sammlung von Hinweisen auf Pilgerzeichen mit einem strengen typologischen Vergleich des Materials verband und die Ergebnisse dieser Methodik erstmals 1957 veröffentlichte 3 . Dass es ihm durch seinen frühen Tod nicht mehr vergönnt war, die Summe seiner als Nebentätigkeit betriebenen Forschungen in Form einer großen Monografie zu veröffentlichen und auch seine kurz vor Beginn des digitalen Zeitalters angelegte Pilgerzeichenkartei samt Materialsammlung als Depositum im Deutschen Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ein wissenschaftliches Schattendasein führt, sind bedauerliche Fakten, die zumindest die deutsche Forschung bis heute belasten 4 . Die wichtigste methodische Innovation für die Erforschung der Pilgerzeichen nach Kurt Köster scheint mir in ihrer datenbankmäßigen Erfassung zu bestehen, die es erstmals ermöglicht, automatisch geografische Verteilungskarten von Pilgerzeichentypen zu erstellen. Die Kartierung von Pilgerzeichenfunden ist nicht vollkommen neu; schon in Kurt Kösters Arbeit über Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostraßen von 1983 5 finden sich einzelne Verteilungskarten, und Andreas Haasis-Berner kartierte in seiner Arbeit über die hochmittelalterlichen Pilgerzeichen-Flachgüsse einen Teil der Funde 6 . Aber solche Kartierungen bildeten bisher eine Ausnahme. Erst die jetzt mögliche automatische Darstellung der geografischen Ver- 3 Kurt Köster , Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrheinischen Glockengießers des fünfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Berücksichtigung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8 (1957) S. 1 - 206. Vgl. dazu auch Jörg Poettgen , Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung von Kurt Köster bis heute, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen: Symposion in memoriam Kurt Köster (1912 - 1986) und Katalog der Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum und im Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Frankfurt a. M. 2008), S. 31 - 46. 4 Vgl. Jörg Poettgen , Europäische Pilgerzeichenforschung. Die Zentrale Pilgerzeichenkartei (PZK) Kurt Kösters ( † 1986) in Nürnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch für Glockenkunde 7/ 8 (1995/ 96), S. 195 - 206; Hartmut Kühne , Die Pilgerzeichenforschung in Deutschland seit dem Tod von Kurt Köster 1986, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 3), S. 153 - 160. 5 Kurt Köster , Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostraßen. Saint-Léonard, Rocamadour, Saint-Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Gesamtüberlieferung (Neumünster 1983). 6 Andreas Haasis-Berner , Pilgerzeichen des Hochmittelalters. Untersuchung zu ihrer Entstehung und Bedeutung, Magisterarbeit an der Adalbert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. 1995. In die umgearbeiteten Druckfassung wurde nur die Verteilungskarte römischer Pilgerzeichen übernommen: Ders. , Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Würzburg 2003). Hartmut Kühne 70 <?page no="71"?> breitungsräume erlaubt es, die Verteilung von Pilgerzeichenfunden als Kriterium ihrer Erforschung systematisch zu nutzen. Wenn man die so erzeugten Verteilungskarten vergleicht, zeigen sich rasch drei verschiedene Verteilungsmuster. Im ersten Fall handelt es sich um eine große Menge von mehreren Dutzend bis zu über hundert Pilgerzeichenfunden, die sich in einem weiten Radius von mehreren hundert, z. T. auch weit über tausend Kilometer verteilen, wie es etwa bei den Pilgermuscheln aus Santiago aber auch bei den Pilgerzeichen von Wallfahrtszentren wie Aachen, Köln oder Wilsnack der Fall ist 7 . Solche weiträumige Verteilung von zahlreichen Funden zeichnet die großen europäischen Wallfahrtszentren aus. Dem steht eine Verteilung von relativ wenigen Funden in einem regional begrenzten Radius von etwa 100 - 200 Kilometer gegenüber. Dieses Verteilungsmuster ist typisch für nur regional bedeutende Gnadenorte, die seit dem 15. Jahrhundert zu einer prägenden Erscheinung des Wallfahrtswesens wurden und in der Forschung meist als Nah- oder Regionalwallfahrten bezeichnet werden. Neben diesen beiden Grundmustern der großen europäischen Wallfahrtszentren und der Regionalwallfahrten gibt es noch ein drittes Schema, das Elemente aus den beiden eben vorgestellten vereinigt: Es handelt sich bei der Fundmenge eher um bescheidene Zahlen, von unter zehn bis maximal etwa zwei Dutzend Pilgerzeichen, was für die Regionalwallfahrten kennzeichnend ist. Allerdings finden sich diese Zeichen in einem weiten Verbreitungsgebiet, was eher für ein überregionales Wallfahrtszentrum spricht. Dies soll an einem exemplarischen Fall verdeutlicht werden. Exkurs: Zwei Pilgerzeichen aus der Aa bei Münster 1882 wurde in der Aa bei Münster ein Pilgerzeichen mit der Darstellung Johannes des Täufers in einem Architekturrahmen gefunden, das sich heute im Westfälischen Landesmuseum Münster befindet 8 . (vgl. Abb. 1) Michael Schmauder publizierte 1991 ein ähnliches Zeichen, das in Oldenburg entdeckt wurde und wies auf die von Kurt Köster gesammelte Belege von Abgüssen desselben Typus hin, die sich auf vier Glocken des 15. Jahrhunderts in Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg finden 9 . Inzwi- 7 Entsprechende Verteilungskarten lassen sich in den beiden Pilgerzeichendatenbanken des Kunsthistorischen Instituts der Katholischen Universität Nimwegen (www. kunera.nl) bzw. des Berliner Kunstgewerbemuseums (ehemals an der Humboldt- Universität Berlin: www.pilgerzeichen.de) abrufen. Vgl. zur Sache auch den Beitrag von Carina Brumme in diesem Band. 8 Vgl. Andreas Haasis-Berner , Archäologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78 (2000), S. 345 - 363, hier S. 361 f. 9 Michael Schmauder , Mittelalterliche Pilgerandenken im Oldenburger Raum, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland 14 (1991), S. 69 - 76, hier S. 72 - 74. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 71 <?page no="72"?> Abb. 1: Pilgerzeichen aus Werben, gefunden in der Aa bei Münster Abb. 2: Fundorte der Pilgerzeichen aus Werben Hartmut Kühne 72 <?page no="73"?> schen sind drei weitere Originale dieser Täuferzeichen in Flensburg 10 und in Seehausen (Uckermark) aufgetaucht 11 . (Abb. 2 Verteilungskarte) Eine Identifikation des Herkunftsortes dieses Pilgerzeichens gelang mir im Jahre 2004 eher zufällig durch die Kenntnis eine Ablassurkunde, die der Lebuser Bischof Johann von Borsnitz im Jahre 1407 für die Besucher der Kirche der Johanniterkomturei in Werben (Elbe) ausstellte: Er erteilte darin u. a. 40 Tage Strafnachlass für jene Gläubigen, welche die Zeichen, die das Bild des unschuldigen Lammes Gottes und des heiligen Johannes des Täufers zeigten [. . .] aus Liebe zu Gott und dem Täufer Johannes an ihren Hüten oder Mänteln tragen und in ihren Häusern zur Andacht aufbewahren, welche auf Anordnung des Komturs von den Ordensbrüdern zur Förderung der Andacht verkauft würden 12 . Diese Beschreibung der Pilgerzeichen stimmt mit der Darstellung auf den Funden überein und lenkte so den Blick auf die Johanniterkirche von Werben, deren Wallfahrt bis vor kurzem gänzlich aus dem Blick der Wissenschaft geraten war. Inzwischen ist aber deutlich geworden, dass die Werbener Kirche seit dem späten 14. Jahrhundert zum Ziel einer vor allem mit einer Schädelreliquie Johannes d. T. verbundenen Wallfahrtsbewegung geworden war 13 . Deren weiträumige Attraktion beruhte freilich im Wesentlichen darauf, dass Werben in unmittelbarer Nähe Wilsnacks liegt, dessen Kirche nach dem Jahre 1383 rasch zum europäischen Wallfahrtszentrum aufstieg 14 . Auf der von Magdeburg kommenden Straße 10 Vgl. Hartmut Kühne , Spätmittelalterliche Pilger und ihre Spuren zwischen Werben und Magdeburg, in: Die Altmark von 1300 bis 1600, hg. von Jiri Fajt / Wilfried Franzen / Peter Knüvener (Berlin 2011), S. 216 - 230, hier S. 221. 11 Vgl. Hartmut Kühne / Carina Brumme , Der Pilgerzeichenfund am Kloster Seehausen und sein historischer Kontext, in: Sachkultur und religiöse Praxis, hg. von Dirk Schumann (Berlin 2007), S. 406 - 457, hier S. 435 f. 12 Signa ymaginem agni dei innocentis et sancti johannis baptiste in se continencia, que ibidem in werben in aucmentum deuocionis magister ordinis mandavit a suis fratribus peregrinis errogari, devote in suis pilleis aut vestibus ob dilectionem dei et sancti johannis portantibus uel ea in suis domibus ob premissum amorem collocantibus. . . Urkunde des Bischofs Johann von Borsnitz vom 9. September 1407, gedruckt bei Riedel , Codex diplomaticus Brandenburgensis A6 (Berlin 1846), Nr. LXVII, S. 48. Auch eine kuriale Sammelindulgenz erwähnt die in Werben vertriebenen Pilgerzeichen: Urkunde vom 6. Mai 1414, gedruckt: Ebd. , Nr. LXIX, S. 49. 13 Eine erste Zusammenstellung der einschlägigen Zeugnisse findet sich bei Kühne/ Brumme , Pilgerzeichenfund (wie Anm. 11), S. 420 - 423 und Hartmut Kühne , Werben/ Elbe - Von Barbieren, Fährleuten, Ordensrittern und dem Haupt Johannes des Täufers, in: Wunder, Wallfahrt, Widersacher. Die Wilsnackfahrt, hg. von Hartmut Kühne / Anne-Katrin Ziesack (Regensburg 2005), S. 80 - 100. Diese Forschungen sind inzwischen aufgegriffen worden u. a. von Wilfried Franzen , Das Werbener Hochaltarretabel im Kontext von Neubau und Ausstattung der St. Johanniskirche, in: Die Altmark (wie Anm. 10), S. 272 - 291. 14 Zur Geschichte der Wilsnacker Wallfahrt vgl. Wunder, Wallfahrt, Widersacher (wie Anm. 13); Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spätmittelalter, hg. von Felix Escher/ Hartmut Kühne (Frank- Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 73 <?page no="74"?> über Tangermünde nach Wilsnack bildete Werben die wichtigste Fährstation an der Elbe, so dass aus dem Süden kommende Wilsnackpilger hier notwendig Station machten 15 . Die Entstehung solcher Transitheiligtümer an den Zugangswegen großer Pilgerzentren ist ein immer wieder zu beobachtender Vorgang, der sich nicht zuletzt auch an den spanischen und französischen Jakobswegen nachvollziehen lässt. Der Zusammenhang zwischen dem Zentrum Wilsnack und seiner Transitwallfahrt in Werben erklärt auch das eigentümliche Verteilungsmusters der Pilgerzeichen mit Johannes d. T., denn es waren Wilsnackfahrer, die jene Zeichen aus Werben mitnahmen und nach Oldenburg, Münster oder an die Ostseeküste brachten. Abb. 3: Marienpilgerzeichen, gefunden in der Aa bei Münster Andreas Haasis-Berner regte im Jahre 2000 bei seiner Besprechung des damals noch nicht identifizierten Täuferzeichens aus Werben Erwägungen an, ob ein zweites Pilgerzeichen, das wohl gemeinsam mit diesem 1882 bei Münster aus der Aa geborgen worden war, zusammen mit dem Werbener Zeichen auch dorthin gelangte sein könnte, so dass also beide auf derselben Wallfahrt erworben wurden 16 . Es handelt sich bei diesem zweiten Zeichen um eine Darstellung, die durch drei mit Giebeln und Fialen gekrönte Architektursegmente unterteilt wird und daher an den Querschnitt einer Kirche mit erhöhtem Mittelschiff und zwei Seitenschiffen erinnert. Im mittleren Segment steht eine gekrönte Marienfigur, die das Kind auf dem linken Arm hält. In den beiden seitlichen ‚ Nischen ‘ befinden sich zwei Engel mit Kerzen, die sich Maria zuwenden. (Abb. 3) Die ansprechende Vermutung von Andreas Haasis-Berner hat auch daher etwas für sich, weil das Verteilungsmuster dieser Marienzeichen dem der Werbener Zeichen ähnelt. Ein zweiter archäologifurt a. M. u. a. 2006). Zur Frühgeschichte vgl. jetzt auch: Hartmut Kühne / Jan Hrdina : Wilsnack - Prag - Magdeburg: Neue Perspektiven auf die ersten Jahrzehnte einer europäischen Wallfahrt, in: Der Havelberger Dombau und seine Ausstrahlung, hg. von Leonhard Helten (Berlin 2012), S. 23 - 48. 15 Vgl. Kühne , Spätmittelalterliche Pilger (wie Anm. 10), S. 254. 16 Haasis-Berner , Funde (wie Anm. 8), S. 361. Hartmut Kühne 74 <?page no="75"?> scher Fund stammt nämlich aus der Weser bei Bremen 17 , während sich Abgüsse des Zeichens auf der 1423 gegossenen Erztaufe in Tostedt (Landkreis Harburg, Niedersachsen) 18 und der 1427 gegossenen Glocke von Mandelsloh (heute ein Ortsteil von Neustadt am Rübenberge) 19 finden. Da beide Abgüsse auf der Erztaufe bzw. der Glocke zusammen mit anderen Pilgerzeichen aufgebracht wurden, die entweder aus Wilsnack oder dessen weiterem Umfeld (Perleberg, Königslutter) stammen, ist auch im Fall der Marienzeichen eine Herkunft aus dem Wilsnacker Umfeld nicht unwahrscheinlich. Sollte diese Vermutung zutreffen, könnte die Marienkapelle bei Tangermünde der gesuchte Herkunftsort sein, wo 1423 ein wundertätiges Marienbild eine vom brandenburgischen Kurfürsten geförderte Wallfahrt begründete, die einen Teil ihres Erfolgs ihrer Lage am Weg nach Wilsnack verdankte 20 . Die Herstellung von Zeichen wird schon bei der Gründung der Kapelle durch den Kurfürsten Friedrich I. 1423 erwähnt 21 und aus dem Jahr 1431 wissen wir aus dem Rechnungsbuch des hessischen Landgrafen Ludwig I. , dass er auf seiner Wallfahrt nach Wilsnack auch diese Marienkapelle besuchte und hier fünf alte Groschen für zceychen ausgab 22 . Auch wenn diese Überlegungen zur Herkunft der Marienzeichen vorerst nur eine Hypothese sind, könnten auch die Daten der Abgüsse diese Zuweisung zu stützen, da sie in die ersten Jahre der Tangermünder Wallfahrt fallen. Der Exkurs zu den beiden bei Münster gefundenen Pilgerzeichen soll verdeutlichen, wie sich die geografischen Verteilungsmuster der Pilgerzeichen von Transitwallfahrten erklären lassen. Transitwallfahrten meint hier solche Kultorte, die ihre überregionale Attraktion dem Umstand verdanken, dass sie an den Zugangsstraßen von Pilgerzentren lagen und daher auf dem Weg dorthin gewissermaßen ‚ mitgenommen ‘ wurden. Dies vorauszuschicken ist im Zusammenhang der westfälischen Pilgerzeichen wichtig, weil Westfalen im Rahmen der mittelalterlichen Wallfahrtsbewegungen im besonderen Maße ein Transitraum gewesen ist. Dies macht ein Blick auf das 17 Bremen, Focke-Museum, Inv.-Nr. 29.261. Das Stück wurde zuerst publiziert von Gerd Dettmann , Heimatliche Altertümer geschichtlicher Zeit. Die Ernte der letzten Jahre an bremischen Boden- und Weserfunden (Bremen 1937), Abb. 1.7. 18 Vgl. Hans Drescher , Tostedt - die Geschichte einer Kirche aus der Zeit der Christianisierung im nördlichen Niedersachsen bis 1880 (1985), S. 178. 19 Vgl. Eberhard Doll , Pilgerzeichen an einer Glocke der Kirche zu Mandelsloh, in: Mandelsloh. Beiträge zur Kirchengeschichte, hg. von Christoph Bölsing / Eberhard Doll (Mandelsloh 1990) S. 9 - 18. 20 Vgl. Kühne , Spätmittelalterliche Pilger (wie Anm. 10), S. 257 f. 21 Urkunde des Kurfürsten Friedrich I. vom 15. 12. 1423, gedruckt bei Riedel , Codex (wie Anm. 12) XVIII, S. 45 - 48, Nr. 53. 22 Friedrich Küch , Eine Quelle zur Geschichte des Landgrafen Ludwig I., Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 42 (=N. F. 32) (1908), S. 144 - 277, hier, S. 249. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 75 <?page no="76"?> Kartenwerk zur Dokumentation der Hansischen Verkehrswege von Friedrich Bruns und Hugo Weczerka deutlich, welche die klassische Arbeit zur Altstraßenforschung im nördlichen Deutschland darstellt 23 . Westfalen war im Spätmittelalter von einem dichten Netz von Straßenverbindungen durchzogen, das zahlreiche Wegealternativen anbot. Sofern es um Westfalen als Durchgangsgebiet von Pilgern geht, so spielten hier vor allem die auf die großen Pilgerzentren zwischen Rhein und Maas ausgerichteten Bewegungen im Raum zwischen Maastricht, Aachen, Köln und Trier eine Rolle 24 . Spätestens mit der Durchsetzung des Siebenjahresrhythmus für die Aachener Heiltumsweisung ab 1349 wurde die Aachenfahrt zum zentralen Wallfahrtsereignis im spätmittelalterlichen Reich, die immer wieder Hunderttausende von Menschen von der Ostsee bis an die Adria in Bewegung setzte. Gemessen an dieser Wallfahrtsbewegung, die zunehmend auch andere Kirchen im weiteren Umfeld Aachens wie das Maastrichter Servatiusstift, die Abtei Kornelimünster, die Kölner Domkirche, das Neußer Quirinusmünster und seit dem frühen 16. Jahrhundert auch die Pfarrkirche von Düren mit dem Annenhaupt und die Trierer Domkirche mit dem ungenähten Rock Jesu einschloss 25 , waren alle anderen Wallfahrten im spätmittelalterlichen Reich zumindest im Hinblick auf die Zahl der Teilnehmer nachrangig 26 . Schlaglichtartig beleuchtet dies die Aussage in einem Stettiner Ketzerprozess vom Jahre 1393, in dem eine gewisse Katherina Sachse, die Frau eines Webers, gefragt wurde, was sie von Pilgerfahrten halte. Die damals 48 Jahre alte Frau gab an, in ihrem Leben ein Mal in Rom, drei Mal in Aachen und zwei Mal in Wilsnack gewesen zu sein 27 . Sollte diese Aussage zutreffen, so hat sie von den vier Aachenfahrten, an denen sie als erwachsene Frau teilnehmen konnte, nur eine ausgelassen. Man mag diese Angabe nicht für repräsentativ halten, aber es dürfte im spätmittelalterlichen Reich kaum eine Familie gegeben haben, aus der nicht mindestens ein Mitglied in Laufe seines 23 Friedrich Bruns / Hugo Weczerka , Hansische Handelsstraßen, 3 Bde. (1962 - 1968). Die angesprochene Übersichtskarte findet sich im Kartenband 3, Karte IV. 24 Vgl. dazu auch den Beitrag von Karl-Ferdinand Besselmann , Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters in diesem Band. 25 Über die Wallfahrtslandschaft zwischen Mosel und Niederrhein hat zuletzt besonders Wolfgang Schmid auf der Grundlage der frühen Druckproduktion gearbeitet; vgl. besonders den Überblick in: Wolfgang Schmid , Die Wallfahrtslandschaft Rheinland am Vorabend der Reformation. Studien zu Trierer und Kölner Heiltumsdrucken, in: Wallfahrt und Kommunikation - Kommunikation über Wallfahrt, hg. von Bernhard Schneider (2004), S. 17 - 195. 26 Die ältere Literatur zur Aachener Heiltumsfahrt, insbesondere aus der Feder des Aachener Bistumsarchivars Heinrich Schiffers (gest. 1956), hat von einer detaillierten Erforschung von Wallfahrtstestimonien abgesehen. Daher ist der knappe Überblick des Aachener Stadtarchivars Wilhelm Mummenhoff , Die europäische Bedeutung der Aachenfahrt, in: Aachen zum Jahre 1951 (1951), S. 179 - 185 immer noch nicht ersetzt. 27 Dietrich Kurze , Quellen zur Ketzergeschichte Brandenburgs und Pommerns (1975) S. 209 (Verhör Nr. 145 zu 16). Hartmut Kühne 76 <?page no="77"?> Lebens Aachen besuchte. Vor diesem Hintergrund wird man die Bedeutung Westfalen als Transitraum für alle Aachenfahrer verstehen, die aus dem Osten und Norden des Reiches sowie aus dem Baltikum kamen. Auch wenn die Aachenfahrt zweifellos stärker als jede andere mittelalterliche und frühneuzeitliche Wallfahrtsbewegung ihre Spuren auf den westfälischen Transitstrecken hinterlassen hat, so sind auf ihnen auch Pilger auf dem Weg nach Rom und Santiago unterwegs gewesen 28 . Ein instruktives Zeugnis dafür könnte wohl ein Druck des frühen 16. Jahrhunderts abgeben, wenn sich von ihm noch ein Exemplar finden ließe. Nach einer Nachricht des frühen 17. Jahrhunderts druckte Hans Dorn 1518 in Braunschweig ein Büchlein mit dem Titel De overen vnde meddelen Straten van Brunswygk tho Su(e)nte Jacob in Galicien/ tho Compostella/ Anderwerff gecorregeret/ vnde mit mehr thogesatten 29 . Verfasst hatte diesen Pilgerführer Gerdt Helmich , einer der Älterleute der Bruderschaft St. Jacobi an der Hildesheimer Andreaskirche 30 . Da sich von diesem Druck kein Exemplar mehr nachweisen lässt, wird in der Forschung schon seit dem 19. Jahrhundert darüber diskutiert, ob es sich lediglich um eine niederdeutsche Fassung des erfolgreichen Santiagopilgerführers des Hermann Künig aus Vacha handele und was unter der im Titel erwähnten „ mittleren Straße “ zu verstehen sei 31 . Zu dieser Frage hat kürzlich Siegfried Bräuer einen wichtigen Hinweis beigesteuert 32 , indem er darauf hinwies, dass Philipp Julius Rehtmeyer den Druck im frühen 18. Jahrhundert noch für seine Braunschweiger Kirchengeschichte genutzt hatte und mitteilt, dass man aus dem Text erfahren könne wie solche Reise von Braunschweig ab, u(e)ber Co(e)lln am Rhein, bis nach Paris und endlich Compostell am besten fast von Tage zu Tage, von einem Ort zum andern ko(e)nte angerichtet werden 33 . Der vermeintliche mittlere Weg scheint also der Niederstraße von Aachen über Paris zu entsprechen. Ein eigener Anteil Helmichs ist in der Wegbeschreibung von Braunschweig 28 Vgl. dazu die Nachweise in Besselmann , Der Hellweg (wie Anm. 24). 29 VD 16 H 1787. Der Nachweis folgt Conrad Borchling / Bruno Claussen , Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800, 3 Bde. (1931 - 1957) Nr. 613. 30 Vgl. zur Person Volker Honemann , Gerdt Helmich, Verfasserlexikon 2. Aufl. 3 (1981), Sp. 975 f. - Ders. , Jacobus der Ältere in der niederdeutschen Literatur des Mittelalters, in: Der Kult des Apostels Jakobus d. Ä. in norddeutschen Hansestädten, hg. von Hedwig Röckelein (Tübingen 2005), S. 137 - 157, hier S. 138 f. 31 Vgl. die Zusammenfassung bei Honemann , Der Apostel (wie Anm. 30), S. 139 f. 32 Siegfried Bräuer , Wallfahrt in reformationsgeschichtlicher Perspektive. Forschungsgeschichte und Desiderata, in: Wallfahrt und Reformation - Pout ’ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan Hrdina / Hartmut Kühne / Thomas Müller (2007), S. 29 - 62, hier S. 39. 33 Philipp Julius Rehtmeyer , Antiquitates ecclesiasticae inclytae urbis Brunsvigae oder Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie, T. 4 und 5. Braunschweig 1715/ 1720, Supplementa zum 2. Teil, S. 66. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 77 <?page no="78"?> nach Köln zu vermuten, wobei sicher der Hellweg mit seiner nördlichen Verlängerung über Hameln bis Braunschweig gewählt wurde. Mit dem Hellweg ist die zentrale westfälische Verkehrsachse zwischen Dortmund und Soest bzw. Paderborn mit seiner südwestlichen Verlängerung nach Köln angesprochen. In Paderborn gabelte sich die östliche Verlängerung des Hellwegs in zwei Äste, nämlich in die ältere südliche Route, die bei Höxter die Weser überquerte und von dort nach Kassel bzw. nach Goslar weiterführte, und in die jüngere nördliche Route, die bei Hameln die Weser überschritt und über Hildesheim sowie Braunschweig nach Magdeburg führte 34 . Wer aus dem Gebiet der wendischen Hansestädte, insbesondere von Lübeck aus, an den Niederrhein unterwegs war, reiste wohl nach Lüneburg, überquerte bei Minden die Weser und traf über Bielefeld kommend in Soest auf den Hellweg 35 . Die vierte Hauptstrecke bildete die Straße von Bremen über Osnabrück und Münster, die in Dortmund auf die Strecke nach Köln einbog 36 . In seiner grundlegenden Arbeit über die Wallfahrtsorte Westfalens im Mittelalter hat Karl-Ferdinand Besselmann darauf hingewiesen, dass die meisten der von ihm erfassten Kultorte entweder direkt an oder zumindest nahe bei diesen Hauptrouten lagen. 37 Noch klarer wird die Verbindung ‚ erfolgreicher ‘ westfälischer Wallfahrtsorte mit diesen Verkehrsachsen, wenn man die Herstellung von Pilgerzeichen mit einbezieht, denn fast alle bisher bekannten Pilgerzeichen aus westfälischen Wallfahrtsorten stammen aus Kultorten, die an diesen Straßen lagen. Auch dass sich westfälische Pilgerzeichen z. T. erheblich über Westfalen hinaus verbreiteten, hängt mit dieser Lage im Wegenetz der großen Wallfahrtsbewegungen zusammen, was in diesem Beitrag gezeigt werden soll. Die folgende Darstellung orientiert sich daher an den Wegstrecken und stellt die einzelnen Pilgerzeichentypen entsprechend der Verortung im Wegenetz dar. 1. Pilgerzeichen vom Hellweg zwischen Dortmund und Paderborn Es ist ein merkwürdiger Befund, dass gerade auf der am stärksten begangenen Hauptstrecke des Hellwegs bisher kein Wallfahrtsort identifiziert werden konnte, an dem mit Sicherheit Pilgerzeichen vertrieben wurden. Nicht 34 Hinweise zur Nutzung des Weges durch Aachenpilger finden sich bei Mummenhoff , Bedeutung (wie Anm. 26), S. 179 mit Hinweisen auf bedeutende Stiftungen zugunsten durchreisender Aachenpilger in Braunschweig, Hildesheim, Soest, Dortmund und Essen. Für die einschlägigen westfälischen Stationen sind die Nachweise zusammengestellt von Karl-Ferdinand Besselmann , Stätten des Heils. Westfälische Wallfahrtsorte des Mittelalters (Münster 1998), S. 151 f. Vgl. auch Besselmann , Der Hellweg (wie Anm. 24) und Gerd Dethlefs , Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen der Frühen Neuzeit in diesem Band. 35 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 152. 36 Vgl. ebd., S. 152 f. 37 Ebd., S. 153. Hartmut Kühne 78 <?page no="79"?> einmal für die Paderborner Bischofskirche ist dies gesichert, obwohl zwei Pilgerzeichen bekannt sind, die eindeutig den Bistumspatron Liborius darstellen. Das erste Exemplar stammt aus der Weser bei Bremen und wurde schon 1929 publiziert 38 . Es zeigt eine in einem Architekturrahmen sitzende Bischofsgestalt mit Stab; am Fuß des Thrones findet sich ein Wappenschild mit einem sechsspeichigen Rad. (Abb. 4) Die Inschrift St. Liborius episcopus 39 in der Fußleiste nennt den dargestellten Heiligen. Aber das zunächst von Grohne als Hinweis auf das Bistum Osnabrück gedeutete Wappenschild verunklart den Befund. Seit 1960 hat sich zudem eine Deutung als Wappen des Erzbistums Mainz durchgesetzt. Deshalb wird die Liboriuskapelle auf der Werrabrücke von Creuzburg (Thüringen) gegenwärtig auch als Her- Abb 4: Liborius-Pilgerzeichen, Weserfund 38 Ernst Grohne , Bremische Boden und Baggerfunde, Jahresschrift des Focke-Museums Bremen 1 (Bremen 1929), S. 44 - 102, hier S. 98 und Abb. 31, Nr. 15; vgl. auch Jürgen Wittstock , Der Bremer Pilgerzeichen-Fund, Der Jakobus-Kult in „ Kunst “ und „ Literatur “ , hg. Klaus Herbers / Robert Plötz (Tübingen 1998), S. 85 - 107, hier S. 102. 39 Die Lesung nach Grohne , Baggerfunde (wie Anm. 38), S. 98. Allerdings ist die Mischung von Groß- und Kleinbuchstaben unwahrscheinlich, es scheint sich nach der Abbildung bei Wittstock, Pilgerzeichenfund (wie Anm. 38), S. 100 um eine Minuskelinschrift zu handeln. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 79 <?page no="80"?> kunftsort des Zeichens favorisiert 40 . Ein jüngerer Fund stammt aus Rotterdam: Er zeigt einen Bischof mit Stab und Kreuz stehend unter einer Giebelarchitektur. Die in der Fußleiste stehende Inschrift s. liborius 41 gibt eindeutig zu erkennen, wer dargestellt wird. In diesem Fall ist die Herkunft aus Paderborn nicht ganz unwahrscheinlich, freilich auch nicht gesichert. Abb. 5: Abguss eines Zeichens mit dem Motiv des Gnadenstuhls auf der Erztaufe von Wolterdingen Erst im Rahmen der Paderborner Jahrestagung der Jakobusgesellschaft sind erste Überlegungen angestellt worden, ob nicht auch ein nur als Glockenabguss bezeugter Pilgerzeichentypus von einer Station des Hellweges stammen könnte. Es handelt sich um zwei identische Abgüsse: Der eine von ihnen befindet sich auf einer Erztaufe in der Heilig-Geist-Kapelle von Wolterdingen bei Soltau 42 und der zweite auf der 1415 gegossenen Glocke 40 Diese Deutung wurde erstmals durch einen Zeitungsartikel ins Spiel gebracht von Wilhelm Tack , Mittelalterliches Sankt Liborius Pilgerzeichen, Westfalen-Zeitung vom 23. Juli 1960, S. 7; vgl. zur Diskussion Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 134. 41 Heilig en Profaan. 1000 laat-middeleeuwse insignes uit de collectie Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / A. M. Koldeweij (Cothen 1993), S. 179, Nr. 281. 42 Ich danke Frank Farthmann, Soltau, für die Überlassung seiner Fotos von der Erztaufe. Eine Beschreibung der Taufe findet sich im Kunstinventar: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover 27: Die Kunstdenkmale des Kreises Soltau, bearbeitet von Hermann Deckert (Hannover 1939), S. 79 f. Die dort gebotene Hartmut Kühne 80 <?page no="81"?> von Bisperode (Kreis Hameln-Pyrmont, Niedersachsen) 43 . In beiden Fällen hat der Gießer eine ganze Reihe von Pilgerzeichen verwendet: In Bisperode finden sich Abgüsse von Zeichen aus Aachen, Köln (Heilige Drei Könige und Ursula), Thann im Elsaß, Königslutter und Wilsnack, in Wolterdingen solche aus Thann, Einsiedeln und Köln, so dass die Deutung des jetzt zu besprechenden Abgusses als Pilgerzeichen nicht unwahrscheinlich ist. Dieses Zeichen folgt ikonografisch dem Motiv des Gnadenstuhls als Symbol der göttlichen Trinität: Die auf einem Thron mit betonten Seitenlehnen sitzende und nimbierte Figur von Gottvater hält vor sich den an das Kreuz geschlagenen Christus, über dessen Haupt eine Heilig-Geist-Taube schwebt. (Abb. 5) Diese Darstellung erinnert an die Präsentation des Heiligen Kreuzes in der Propsteikirche St. Walburga in Werl, wo unter einem Ziborium ein hölzerner Kruzifix gezeigt wird. Die Rückwand des Ziboriums ist mit einer Darstellung Gottvaters bemalt, der auf einer Bank mit betonten Seitenwangen thront. Auf diese Weise verbinden sich das gemalte Bild und die geschnitzte Plastik zur Darstellung eines Gnadenstuhles. Die gegenwärtige Situation verdankt sich freilich den Restaurierungen der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, ist aber in den Grundzügen nicht unhistorisch. Das in Werl seit 1370 urkundlich fassbare Heilige Kreuz hat am Ende des Mittelalters eine gewisse Kultdynamik entfaltet, wie aus zahlreichen Schenkungen und Stiftungen hervorgeht, die Wilhelm Halekotte akribisch zusammenstellte 44 . Freilich belegen diese Zeugnisse nicht unbedingt einen wallfahrtsmäßigen Besuch des wohl mit einer Kreuzreliquie versehenen Bildwerks 45 . Allenfalls könnte man in der seit spätestens 1419 jährlich nach Soest gehende Kreuztracht einen gewissen Hinweis darauf finden 46 . Das Kruzifix wurde 1583 durch die Truppen des Gebhard Truchsess von Waldburg in den Wirren des Kölner Krieges stark beschädigt. Den nur fragmentarisch erhaltenen Korpus fand man erst 1938 auf dem Kirchenboden wieder; er wurde bis 1953 in mehreren Schritten restauriert und ergänzt 47 . Auch die Wandmalereien des Ziboriums wurden erst am Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt. Das Bild mit der Darstellung Gottvaters soll nach dem Urteil der Kunstgeschichte Datierung in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts halte ich für zu früh, da die Verwendung der Einsiedler Engelweihzeichen als Glockenschmuck sonst nicht vor dem Beginn des 15. Jahrhunderts belegt ist. Wegen der starken Übereinstimmung mit dem Glockenschmuck von Bisperode ist auch der zeitlich parallele Guss der Taufe um 1415 wahrscheinlich. 43 Beschreibung der Glocke ohne Identifizierung der Pilgerzeichen im Kunstinventar: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landes Braunschweig 4: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Holzminden, bearbeitet von Karl Steinacker (Wolfenbüttel 1907), S. 235 f. 44 Wilhelm Halekotte , Stadt und Kreuz (Werl 1987), S. 46 ff. 45 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 165. 46 Vgl. Halekotte , Stadt (wie Anm. 44), S. 101 - 103. 47 Vgl. ebd., S. 42 - 44. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 81 <?page no="82"?> um 1420 entstanden sein 48 . Auch wenn der heutige Zustand als Ergebnis einer Rekonstruktion nicht im vollen Umfang der Präsentation des Heiligen Kreuzes im 15. Jahrhundert entsprechen dürfte, ist die Verbindung von Wandmalerei und Kreuz zum Gnadenstuhlmotiv für die Zeit um 1420 gesichert. Da die beiden Pilgerzeichenabgüsse mit der markanten Aufnahme des Gnadenstuhlmotivs sich auch zeitlich gut in die Chronologie der Werler Kreuzverehrung einpassen, könnten sie als Hinweise auf einen zumindest kurzzeitigen Besuch durch Wallfahrer gedeutet werden. Auch ist das Motiv des Gnadenstuhles zumindest auf Pilgerzeichen aus dem deutschen Raum sonst nicht belegt. Ein endgültiges Urteil über die Herkunft der Gnadenstuhl- Zeichen ist freilich gegenwärtig nicht möglich, so dass diese Überlegungen als Anregungen zur weiteren Diskussion verstanden werden sollten. 2. Pilgerzeichen von der südlichen Verlängerung des Hellwegs nach Höxter Auf der südlichen Verlängerung des Hellwegs konzentrieren sich jene Kirchen, an denen im Spätmittelalter Pilgerzeichen vertrieben wurden, in auffälliger Weise im Raum Höxter, d. h. im Territorium der Reichsabtei Corvey. Auch an der Klosterkirche von Corvey selbst wurden Pilgerzeichen verkauft, von denen allerdings bisher nur ein Exemplar mit der Darstellung des hl. Vitus, des Klosterpatrons von Corvey, entdeckt wurde. Das Zeichen stammt aus dem späten 15. oder dem frühen 16. Jahrhundert. Es wurde im Stadtgebiet von Höxter archäologisch geborgen und dokumentiert damit nicht unbedingt eine weite Verbreitung des Kultes 49 . Wahrscheinlich war der Vertrieb dieser Vituszeichen im besonderen Maße mit dem Patronatstag des Klosters (15. Juni) verbunden, der sich im Laufe des 15. Jahrhunderts zu einem regional stark besuchten Wallfahrtstermin entwickelte 50 . Die spätestens seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts mit dem Patronatsfest verbundene Reliquienweisung hat die Attraktion dieser Wallfahrt nicht mehr steigern können 51 . 48 Dorothea Kluge , Gotische Wandmalerei in Westfalen (Münster 1959), S. 52. 49 Das Zeichen wurde gefunden und publiziert von Hans-Georg Stephan , Neugefundene Devotionalien aus Westfalen, in: Festgabe Peter Berghaus zum 50. Geburtstag dargebracht aus dem Kreise seiner Studenten (Münster 1969), S. 57 - 78, eine Abbildung dort auf der Tafel 9.1. 50 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 29 - 31. Zum regionalen Besuch Corveys vgl. auch Heinrich Rüthing , Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft (Paderborn 1986), S. 326. 51 Vgl. zum Corveyer Heiltumsfest die Vorstellung der liturgischen Weisungsordines bei Hedwig Röckelein , Der Corveyer Heiligenkult des Mittelalters im Spiegel frühneuzeitlicher Überlieferung. Ritualtexte und Inventare von Heiltümern - Probleme ihrer Überlieferung und Erforschung, in: Heilige-Liturgie-Raum, hg. von Dieter R. Bauer / Klaus Herbers / Hedwig Röckelein / Felicitas Schmieder (Stuttgart 2010), S. 77 - 98. Hartmut Kühne 82 <?page no="83"?> Im Gegensatz zu dem bisher singulären Fund des Vituszeichens in Höxter steht ein Pilgerzeichentypus, von dem gegenwärtig mindestens 21 Glockenabgüsse 52 bekannt sind, und der von Jörg Poettgen dem Heiligenberg bei Ovenhausen zugewiesen wurde 53 . Die dem Erzengel Michael geweihte Kirchengründung - möglicherweise am Ort einer älteren heidnischen Kultstätte - geht auf eine Stiftung des Corveyer Abtes Werner für eine geistlichen Gemeinschaft um den Mönch Humbert und seinen Genossen Simon im Jahre 1079 zurück 54 . Diese Kirche entwickelte sich bald zur zentralen Pfarrei des Umlandes, die aber im Laufe des Spätmittelalters vom Wüstungsprozess erfasst wurde 55 . Die Reaktivierung als Wallfahrtskapelle scheint im 15. Jahrhundert erfolgt zu sein, wobei auch ein Kultbild der Maria Salome eine Rolle spielte, ohne dass gegenwärtig sichere Aussagen über den Kult des 15. Jahrhunderts möglich sind 56 . Daher sind die Pilgerzeichen in diesem Fall ein wichtiges Indiz für den wallfahrtsmäßigen Besuch des Heiligenberges. Ihre Verteilung konzentriert sich besonders im hessisch-thüringischen Raum, reicht aber in Einzelfällen auch darüber hinaus bis nach Mecklenburg (Burow, Glockenabguss 1442) und in die Zeitzer Gegend (Wittgendorf, Glockenabguss um 1450). (Abb. 6) Das massive Auftreten im hessischthüringischen Raum könnte damit zusammenhängen, dass hier die Verwendung von Pilgerzeichen als Glockenschmuck im ausgehenden Mittelalter sehr verbreitet war. Möglicherweise spielt aber auch eine Rolle, dass die Glockenforschung hier seit gut einhundert Jahren besonders intensiv gearbeitet hat und daher mehr Abgüsse erfasst wurden, als andernorts. Für die Beurteilung der Attraktion des Patronatsfestes sind die von Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 30 f. jahrweise aufgelisteten Einnahmen des Klosters am Patronatstag zu vergleichen. 52 Vgl. die Einzelnachweise unter www.pilgerzeichen.de. Gegenwärtig fehlen noch zwei Nachweise, nämlich die Glocke des Georgenhofes von Blankenburg (Harz), vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landes Braunschweig 6: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Blankenburg, bearbeitet von Karl Steinacker (Wolfenbüttel 1922), S. 43; und die 1443 gegossene Glocke der Liebfrauenkirche Duderstadt, vgl. Deutsches Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg 5/ 37/ 8C. 53 Jörg Poettgen , Die mittelalterliche Wallfahrt zum Heiligenberg - ein bisher ungedeutetes Pilgerzeichen von Höxter-Ovenhausen, Jahrbuch für Glockenkunde 11/ 12 (1999/ 2000), S. 145 - 150. 54 Nach der Urkunde des Corveyer Abtes Werner vom 1. Dezember 1079 (? ), Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen (Münster), Fürstabtei Corvey - Urkunden, Nr. 43. 55 Vgl. zur Gründung und frühen Geschichte des Heiligenberges Hans-Georg Stephan , Zur mittelalterlichen Siedlungsgeschichte im Raum zwischen Höxter und Brakel, in: Ovenhausen im Corveyer Land. Beiträge aus Geschichte und Gegenwart im Heimatjahr 2005, hg. vom Heimat- und Schützenverein Ovenhausen (Höxter-Ovenhausen 2005), S. 53 - 73. 56 Vgl. Peter Ilisch / Christoph Köster , Die Patrozinien Westfalens von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reichs (Münster 1992), S. 499. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 83 <?page no="84"?> Abb. 6: Abguss eines Pilgerzeichens aus Ovenhausen auf der Glocke von Wittgendorf Die Pilgerzeichen werden von einer hochrechteckigen Ädikula mit krabbenbesetztem Spitzgiebel gerahmt. Im Giebel, durch ein Bogensegment vom übrigen Bildfeld getrennt, ist der Erzengel Michael als Halbfigur sichtbar, der mit einer langen Lanze in den Schlund eines Drachen sticht, welcher sich in der Mitte des unteren Bildfeldes befindet. Links von dem Drachen steht halbfrontal eine weibliche Heilige mit Krone und Nimbus, die in ihrer linken Hand einen länglichen, hochrechteckigen evtl. zylinderförmigen Gegenstand hält. Rechts wendet sich ihr ein männlicher Heiliger zu, der ein langes Gewand trägt und dessen einziges sicher erkennbares Attribut ein Stab mit Knauf darstellt. Während die Identifikation des Erzengels eindeutig ist, war die weibliche Heilige zunächst als Maria und über lange Zeit vor allem als hl. Barbara gedeutet worden, bis Jörg Poettgen das Attribut in ihrer Hand als Salbgefäß erkannte und damit die Figur als Maria Salome ansprach. Wegen des Stabes wurde der männliche Heilige bisher als Jakobus d. Ä. gedeutet. Da die Gussdaten der Glocken mit diesen Pilgerzeichen zwischen den Jahren um 1430 und 1470 liegen, wird man diese knapp vier Jahrzehnte als die Blütezeit der Wallfahrt ansprechen dürfen. Erst durch die gegenwärtige Beschäftigung mit diesen Zeichen ist dem Vf. deutlich geworden, dass dieser Gruppe noch ein weiterer archäologischer Fund zuzuordnen ist, der auch ihren zeitlichen Horizont etwas verschiebt. Es handelt sich bei diesem Pilgerzeichenfund um eine einseitige Prägung in Hartmut Kühne 84 <?page no="85"?> dünnem Kupferblech, eine Produktionstechnik, welche erst um das Jahr 1500 die aus Blei-Zinn gegossenen Pilgerzeichen abzulösen begann. (Abb. 7) Dieses Zeichen ist somit deutlich jünger als die bisher bekannten Glockenabgüsse und bezeugt die Kontinuität der Wallfahrt bis in die Zeit nach 1500. Gefunden wurde es bei Ausgrabungen in Volkmarskeller, einer Karsthöhle bei Blankenburg (Harz), die im Mittelalter als Einsiedelei des Zisterzienserklosters Michaelsstein diente 57 . Der Fund kam zunächst in die Münzsammlung des Braunschweiger Anton-Ulrich-Museums, von dort in das Städtische Museum Braunschweig und ist gegenwärtig in der Mittelaltersammlung des Herzog Anton-Ulrich-Museums in der Burg Dankwarderode ausgestellt 58 . Die Darstellung wurde bisher gedeutet als Aegidius, mit Abtsstab und Hirschkuh (vor der Kutte, schwer erkennbar), und Margarethe mit Krone und Drachen; darüber ein geflügelter Engel 59 . Bei einem Vergleich mit Abb. 7: Pilgerzeichenbrakteat aus Ovenhausen, gefunden in Volkmarskeller 57 Vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landes Braunschweig 6: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Blankenburg, bearbeitet von Karl Steinacker (Wolfenbüttel 1922), S. 195 - 206. 58 Inv. Nr. MA 328. 59 Bau- und Kunstdenkmäler (wie Anm. 57) S. 205. Ähnlich auch Köster , Pilgerzeichen (wie Anm. 5), S. 106, dem allerdings nur ein Foto zur Verfügung stand, weil das Stück damals als verschollen galt. Die Hirschkuh soll an der rechten Körperseite des Heiligen eben noch zu erkennen sein. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 85 <?page no="86"?> dem Typus der oben beschriebenen Glockenabgüsse zeigt sich aber, dass die Darstellung auf dem Brakteaten deren Ikonographie entspricht - lediglich die rechte und linke Seite wurden gespiegelt. Auch auf dem Brakteaten sticht der Engel im oberen Bildfeld dem Drachen die Lanze in den Rachen. Die weibliche gekrönte Heilige berührt zwar den Lanzenstiel, sie ist aber nicht die Drachentöterin Margarete. Vielmehr hält sie einen hochrechteckigen Gegenstand als Attribut in der Hand - nach dem Vergleich mit den älteren Gittergüssen also die Salbbüchse und ist damit als Maria Salome anzusprechen. Der männliche Heilige ist eindeutig als (Benediktiner-) Mönch mit Tonsur, Kukulle und Kreuzstab dargestellt. Inwiefern der Wechsel vom Stab mit Knauf auf den Gittergüssen zum Kreuzstab für die Interpretation relevant ist, muss hier offen bleiben. Die in der älteren Literatur beschriebene Hirschkuh ist m. E. nicht zu erkennen. Wegen dieses Bildes wird man auch den auf den Glockenabgüssen dargestellten männlichen Heiligen nicht mehr vorschnell als Pilgerheiligen bzw. Jakobus d. Ä. ansprechen dürfen, zumal die Kukulle mit Kapuze auch auf den Glockenabgüssen in Wittgendorf und Speckswinkel deutlich sichtbar ist. Bei dem dargestellten Heiligen muss es sich also um einen heiligen (Benediktiner-)Mönch handeln. Da über den Kult auf dem Heiligenberg im 15. Jahrhundert fast nichts bekannt ist, lässt sich die Identität des dargestellten Mönchsheiligen gegenwärtig nicht lösen. Möglicherweise handelte es sich aber um einen mit der Gründung von Heiligenberg verbundenen Lokalheiligen, etwa den Mönch Humbert? Wie die Wallfahrt zum Heiligenberg wurde auch die zur Jakobuskirche in Haddenberg/ Jakobsberg (heute ein Ortsteil von Beverungen) vom Kloster Corvey betreut. Der Besuch setzte wahrscheinlich erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts ein. Die zunächst wüste Kirche entwickelte sich rasch zum bedeutendsten Jakobus-Gnadenort im nördlichen Deutschland, bevor die Reformation die Wallfahrt zum Erliegen brachte und die Kirche für lange Zeit in Vergessenheit geriet. Abgesehen von einem Aufsatz des Paderborner Domkapitulars Anton Bieling im Jahre 1871 60 rückte erst die Behandlung von Jakobsberg in dem grundlegenden Werk zu den westfälischen Wallfahrten des Mittelalters von Karl-Ferdinand Besselmann deren Geschichte wieder in den Blick der Wissenschaft. 61 Die Existenz der Wallfahrt wird zuerst durch eine Urkunde vom 19. Mai 1480 bezeugt, mit der Papst Sixtus IV. die baulich desolate und vakante Pfarrkirche in Haddenberg dem Kloster Corvey inkorporierte 62 . Da der 60 Anton Bieling , Jacobsberg, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde 29 (Dritte Folge 9) (1871), S. 121 - 138. 61 Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 107 - 109. 62 Vgl. Bieling , Jacobsberg (wie Anm. 60), S. 123 f. (mit irrigen Daten) und die Angaben zur Überlieferung der Urkunde bei Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. S. 209 f., Anm. 126. Hartmut Kühne 86 <?page no="87"?> Paderborner Bischof Simon III. zur Lippe auf die Wallfahrt aufmerksam wurde, verständigte sich das Kloster Corvey mit ihm am 1. April 1481 über die Verteilung der Opfergaben und anderer Einnahmen aus der Wallfahrt, die rechtlichen Zuständigkeiten am Wallfahrtsort, den Schutz der Pilger und auch über die Einnahmen aus dem Verkauf der Pilgerzeichen (teknen der pelgrymen) 63 . Der Liesborner Benediktiner Bernhard Witte berichtet als Zeitgenosse, die Wallfahrt sei etwas nach 1460 durch die Vision eines Schäfers in der wüsten Kirche von Haddenberg entstanden, bei der Jakobus d. Ä. dem Schäfer erschienen sei und ihm versichert habe, dass er Pilgern in dieser Kirche ebenso seinen Schutz wie in Santiago gewähren würde 64 . Testamentarische Wallfahrtslegate für den Besuch der Jakobuskirche finden sich schon bald in einem Stralsunder 65 und einem Braunschweiger Bürgertestament von 1485, in dem eine Wallfahrt to sunte Jacobbe in Westfalen ausgestattet wird, womit nur Haddenberg gemeint sein kann 66 . Die Identifikation der Pilgerzeichen aus Jakobsberg/ Haddenberg gelang im Jahre 2007, ausgelöst durch einen archäologischen Fund im ehemaligen Franziskanerkloster von Salzwedel (Altmark) in der Altmark. 67 Es stellte sich heraus, dass ähnliche Funde bereits bekannt, aber bisher irrtümlich als Zeichen des Trierer Matthiasklosters gedeutet worden waren. 63 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 107 f. 64 Eodem ferme tempore [nämlich als die Blomberger Wallfahrt entstand = 1460] in ipsa item Padeburnensi diocesi in monte dicto Hallesberge (Jacobsberg) in desolata quadam ecclesia, nescio cui opilioni revelationem factam fuise vulgatum est, quasi sanctus Jacobus, ejusdem ecclesiae patronus, se ibi, prout in Compostella Gallatiae hactenus, peregrinis suis patrocinium concessurum spopondisset. Curritur certatim ad locum, prodigia & signa ibidem fieri publicatur, multa a peregrinis pecunia defertur. Bernhard Witte , R. P. Bernardi Wittii Ordinis S. Benedicti Ex Celeberrima A Carolo Magno Fundata Abbatia Liesbornensi, Scriptoris Ab Anno Saltem MCCCCLXXX Usque Ad Annum MDXX Coaevi Historia Antiquae Occidentalis Saxoniae [. . .] (Münster 1778), S. 558. 65 Die testamentarische Notiz über das Legat für den Besuch des hl. Jakob in Haddenberge ist zuerst publiziert worden von Hellmuth Heyden , Stralsunder Wallfahrten, Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 8 (1968/ 69), S. 29 - 36, hier S. 31, wo aber fälschlich das rheinländische Hardenberg als Zielort vermutet wird. Zu dem Testament vgl. auch Hartmut Bettin / Dietmar Volksdorf , Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität, in: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Austausch - Einflüsse - Wirkungen, hg. von Klaus Herbers - Dieter R. Bauer (Tübingen 2003), S. 231 - 258, hier S. 250. Die Identifikation des Ortes mit Haddenberg/ Jakobsberg findet sich zuerst bei Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 210, Anm. 143. 66 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 109. 67 Vgl. Hartmut Kühne / Jörg Poettgen , Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der Diözese Trier: Kurzkatalog und Befunde, in: Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein, hg. von Thomas Frank / Michael Matheus / Sabine Reichert (Stuttgart 2009), S. 135 - 180, hier S. 145 - 149. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 87 <?page no="88"?> Abb. 8: Abguss eines Pilgerzeichens aus Jakobsberg auf der Barbara-Glocke in Eberswalde Die Zeichen aus Jakobsberg sind Gittergüsse mit einem kreisrunden Rahmen, an dem sich vier Ösen befinden. (Abb. 8) Im Zentrum des Bildfeldes steht frontal die Figur des Apostels Jakobus mit Bart und Nimbus im faltenreichen Gewand. In der Linken hält er ein Buch, in der Rechten einen senkrecht geführten Pilgerstab, auf dem oben eine große Muschel aufruht. Neben der Apostelfigur kniet eine kleine Gestalt, die wohl jenen Schäfer darstellt, der die Vision in der wüsten Kirche empfing. Die andere Seite des Bildfeldes wird durch eine Gewächsranke ausgefüllt. Von diesem Pilgerzeichentypus sind derzeit vier Originale und sieben Glockenabgüsse bekannt, deren Fundorte vom niederländischen Zeeland im Westen bis zum brandenburgischen Eberswalde im Osten reichen 68 . Die datierten Glockenabgüsse konzentrieren sich besonders in den Jahren 1485 - 1487, was gut mit den ersten Quellen zu Jakobsberg übereinstimmt. Allerdings belegen die späten Glockenabgüsse von 1518 (Eberswalde) und 1522 (Molchow, OT von Neuruppin) die Fortdauer der Wallfahrt bis zum Beginn der Reformation. Überblickt man die Herstellung von Pilgerzeichen im Raum Höxter, so ist auffällig, dass bei allen drei Wallfahrten das Kloster Corvey der entscheidende Träger und Nutznießer dieser Kulte gewesen ist. Während der 68 Vgl. den Katalog in Kühne/ Poettgen , Mittelalterliche Pilgerzeichen (wie Anm. 67), S. 171 - 173. Hartmut Kühne 88 <?page no="89"?> Kult des Klosterpatrons Vitus trotz Ablasskumulierungen und Heiltumsweisung nur einen regionalen Einfluss ausübte, konnten die Kapellen auf dem Heiligenberg und in Haddenberg/ Jakobsberg wesentlich weiträumigere Besucherströme an sich binden. Dabei spielte die Lage der beiden Gnadenorte in der Nähe des Weserübergangs von Höxter und an oder im Umfeld der Zubringerstraße zum Hellweg wohl die entscheidende Rolle. Bei der zeitlichen Verteilung der Pilgerzeichenfunde ist auffällig, dass die Glockenabgüsse der Zeichen vom Heiligenberg in den Zeitraum von etwa 1430 bis 1470 fallen, während die Jakobsberger Zeichen seit den 1480er Jahren auftreten. Man gewinnt den Eindruck, dass die Jakobsberger (Transit-) Wallfahrt jene zum Heiligenberg gewissermaßen abgelöst hat. 3. Pilgerzeichen von der nördlichen Verlängerung des Hellwegs über Hameln nach Braunschweig Auf der östlichen Verlängerung des Hellwegs, der bei Hameln die Weser überschreitet und über Hildesheim und Braunschweig nach Magdeburg führt, war Blomberg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der wichtigste Wallfahrtsort, obwohl die Stadt im Jahre 1447 in der Soester Fehde fast vollständig zerstört worden war. Der Kult geht auf einen wirklichen oder vermeintlichen Hostienfrevel im Jahre 1460 zurück: Eine Frau aus Blomberg namens Alheyt, die auch als Hexe bezeichnet wird, soll kurz vor dem Osterfest 45 konsekrierte Hostien mitsamt dem Korporale aus dem Sakramentshäuschen der Pfarrkirche entwendet, zu magischen Zwecken gebraucht und anschließend in einen Brunnen geworfen haben 69 . Nachdem sie der Tat überführt und hingerichtet worden war, sollen zahlreiche Wunder die Wallfahrt ausgelöst haben. Sie hatte jenen Brunnen zum Ziel, in welchem die Hostien versenkt worden waren. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Wallfahrt war die Förderung durch den Landesherren Bernhard VII. zur Lippe (1428 - 1511) und seine Frau Anna, welche die Gründung einer Kapelle über dem besagten Brunnen und den bald darauf einsetzenden Bau der Kirche unterstützten. Zur Betreuung der Wallfahrt wurde 1468 das Blomberger Augustiner-Chorherren-Kloster Zum Heiligen Leichnam gegründet. Bernhard VII. , der zeitweilig auf der Blomberger Burg resi- 69 Eine Zusammenstellung der einschlägigen Quellen und ein fundierter Abriss der Geschichte der Wallfahrt findet sich bei Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 66 - 73. Vgl. auch Alfred Cohausz , Vier ehemalige Sakramentswallfahrten: Gottsbüren, Hillentrup, Blomberg, Büren, Westfälische Zeitschrift 112 (1962), S. 275 - 306; Ders. : Religiöse Hintergründe des Blomberger Kirchbaus von 1462, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 31 (1962), S. 59 - 80; Burkard Altevolmer , Blomberg. Eine spätmittelalterliche Sakramentswallfahrt, in: Heiliges Westfalen. Heilige, Reliquien, Wallfahrt und Wunder im Mittelalter, hg. von Gabriela Signori (Bielefeld 2002), S. 139 - 150. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 89 <?page no="90"?> dierte und die Wallfahrts- und Klosterkirche zu seiner Grablege machte, wurde bei der Förderung des Kultes durch seinen Bruder, den Paderborner Bischof Simon III. zur Lippe (1463 - 1488), unterstützt, der u. a. eine Reihe von Ablässen zugunsten des Besuch der Blomberger Kirche gewährte 70 . Zu diesen Ablässen traten noch Indulgenzen Papst Pauls II. aus dem Jahre 1465 71 und Papst Sixtus IV. aus dem Jahre 1475 72 hinzu. Blomberger Pilgerzeichen 73 werden schon in den zeitgenössischen Quellen zur Wallfahrt erwähnt. So kritisiert ein gegen den Blomberger Kult gerichteter Traktat des Erfurter Kartäusers Johannes Hagen aus der Zeit um 1471 sowohl die Verwendung des Wassers aus dem Blomberger Hostienbrunnen für abergläubische Zwecke als auch die Gestaltung der dort verkauften Pilgerzeichen, denn während die Zeichen anderer Wallfahrten Maria und die Heiligen darstellten, seien auf den Blomberger Zeichen das schändliche Weib und der Brunnen abgebildet 74 . Erst 1973 wurde in Amsterdam der erste archäologische Fund eines Blomberger Pilgerzeichens entdeckt 75 , wozu inzwischen ein zweiter Fund aus dem niederländischen Nieuwlande hin- 70 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 68. 71 Ablass für den Besuch der Wallfahrtskirche in Höhe von sieben Jahren durch Papst Paul II. vom 26. Juni 1465, Regest: Otto Preuss / August Falkmann , Lippische Regesten 3 (Detmold - Lemgo 1866), Nr. 2299, S. 388; vgl. auch: Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern und Kameralakten vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien vom Beginn des Schismas bis zur Reformation, Bd. 9, Paul II. (1464 - 1471), bearbeitet von Hubert Höing , Heiko Leerhoff , Michael Reimann (Tübingen 2000), Nr. 581. 72 Ablass für den Besuch der Wallfahrtskirche in Höhe von sieben Jahren und Gewährung von Beichtfakultäten durch Sixtus IV. vom 21. Dezember 1475, Regest: Preuss - Falkmann , Lippische Regesten 3 (wie Anm. 71), Nr. 2495, S. 475 f. 73 Zu den Blomberger Pilgerzeichen vgl. auch die Einzelnachweise bei Hartmut Kühne / Carina Brumme , Jenseits von Wilsnack und Sternberg: Pilgerzeichen spätmittelalterlicher Heilig - Blut - Wallfahrten, in: Varia campanologiae studia cyclica. 25 Jahre Deutsches Glockenmuseum auf Burg Greifenstein. Zugleich eine Festschrift für Jörg Poettgen zur Vollendung des 70. Lebensjahres (Greifenstein 2009), S. 129 - 142, hier bes. S. 136 - 138. Das im Jahre 2009 in der Wasserburg Haus Werburg in Spenge (Kreis Herford) entdeckte Fragment des ersten Pilgerzeichentypus aus Blomberg, das erst im Juli 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, konnte im Text nicht mehr berücksichtigt werden, vgl. den Blomberger Anzeiger, Ausgabe vom 13. Juli 2012. 74 Vgl. Kurt Köster , Eine neuerschlossene Quelle zur Geschichte der Blomberger Wallfahrt und ihrer Pilgerzeichen, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 32 (1963), S. 5 - 15. Der Traktat wurde aus der Sammelhandschrift Hist 1. des Erfurter Domarchivs unter dem Titel Die Hexe von Blomberg ediert von Joseph Klapper , Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen. Ein Reformtheologe des 15. Jahrhunderts, Teil 2 (Leipzig 1961), S. 92 - 113. 75 Das gemeinsam mit einem Wilsnacker Dreihostienzeichen auf einem kleinen Holzbrettchen aufgenagelte Stück wurde publiziert von Kurt Köster , Ein spätmittelalterliches Blomberger Pilgerzeichen, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 43 (1974), S. 9 - 18. Hartmut Kühne 90 <?page no="91"?> zukam 76 . Diese Zeichen stellen dar, wie die Hostien von der Hexe in den Brunnen geworfen werden. Die Täterin wird als junge verführerische Frau im tief ausgeschnittenen und eng anliegenden Kleid dargestellt, was dem Protest des Erfurter Kartäusers an dieser Darstellung zusätzliche Nahrung gegeben haben dürfte. Im Bild trägt der Brunnen das Wappen der Grafschaft Lippe. Durch die Minuskelinschrift corp[us] xri[sti] i[n] blomburg bzw. blombh[erg] in der geschwungenen Fußleiste wird die Zuordnung des Zeichens unterstrichen. Dieser erste Typus der Blomberger Pilgerzeichen wurde spätestens in den 1480er Jahren durch einen anderen abgelöst, der - möglicherweise auch unter dem Druck der zitierten Kritik - auf die Darstellung der Hexe verzichtete und eine stärker sakramentstheologisch orientierte Bildsprache wählt, die sich auch in dem Blomberger Konventssiegel von 1479 wiederfindet 77 . Es handelt sich um monstranzförmige Zeichen, die z. T. auch durch die Inschrift corp[us] xri[sti] blomberg auf dem Fuß identifiziert werden können. (Abb. 8) Im Inneren der Monstranz wird der Blomberger Brunnen dargestellt, in den die Hostien aus dem Korporale fallen, während oberhalb der Hostien Christus als Schmerzensmann erscheint. Zu beiden Seiten des Brunnens steht eine nimbierte Gestalt. Eine parallele Darstellung findet sich auf der Stirnseite des Grabmals von Bernhard VII. zu Lippe und seiner Frau Anna in der Blomberger Kirche. (vgl. Abb. 9) Hier flankieren den aus dem Brunnen steigenden Schmerzensmann in seitlichen Nischen die beiden Stifter mit ihren Schutzheiligen, den Aposteln Jakobus d. Ä. und Andreas 78 . Daher wird man auch bei dem Pilgerzeichen vermuten dürfen, dass die beiden seitlichen Figuren diese Apostel darstellen könnten. Von diesem jüngeren Blomberger Zeichen sind derzeit vier fragmentarisch erhaltene Funde aus den Niederlanden und drei Glockenabgüsse bekannt. Zuerst wies Cornelia Oefelein auf einen Abguss auf der 1487 gegossenen Glocke im brandenburgischen Rohlsdorf hin, der ein vollständiges Pilgerzeichen des jüngeren Blomberger Typus wiedergibt 79 . Derselbe Abguss findet sich auch auf einer 1495 gegossenen Glocke in dänischen Frøslev auf Seeland 80 . Einen 76 Heilig en Profaan 2. 1200 laat-middeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Koldeweij / Maria Dory Kicken (Cothen 2001), S. 367, Abb. 1540. 77 Vgl. die Abbildung bei Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 72, Abb. 12. 78 Vgl. zum Grabmal Paul Pieper , Das Grabmal Bernhards VII. zur Lippe und seiner Gemahlin zu Blomberg. Ein Werk Heinrich Brabenders und seiner Werkstatt, Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 34 (1965), S. 23 - 45. 79 Cornelia Oefelein , Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 3) S. 121, mit Abb. 4 auf S. 123. 80 Die von Meister Oluf Kegge gegossene Glocke, die mehr als ein Dutzend z. T. aber stark vergossene Pilgerzeichenabgüsse aufweist, wurde behandelt von Niels Knut Liebgott , Frøslevklokkens Reliefer. Historik Samfund for Praestrø amt (1971/ 1972), S. 291 - 315. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 91 <?page no="92"?> fragmentarischen Abguss ohne den Fuß hat Jörg Poettgen auf der 1490 gegossenen Glocke von Heppendorf (Rhein-Erft-Kreis) dokumentiert 81 . Nach einer Umzeichnung der um 1500 gegossenen und im 2. Weltkrieg vernichteten Glocke von Hohenzieritz (Landkreis Mecklenburg-Strelitz) befand sich auch auf ihr ein Blomberger Pilgerzeichen 82 . Abb. 9: Stirnseite des Grabmals von Bernhard VII. zu Lippe und seiner Frau Anna aus der Werkstatt Heinrich Brabenders in der Blomberger Kirche In Blomberg wurde aber noch eine dritte Gruppe von Pilgerzeichen hergestellt, wie zwei weitere Funde aus den Niederlanden belegen 83 . Diese ebenfalls monstranzförmigen Zeichen verzichten ganz auf die Darstellung des Brunnens und des Schmerzensmannes und zeigen lediglich fünf kreisrunde Felder als Symbole der Hostien. Zu beiden Seiten des Schaftes erscheint je ein Wappenschild: Das linke trägt einen achtstrahligen Stern, das Wappenbild der westfälischen Grafschaft Sternberg, das rechte zeigt die 81 Ich habe Jörg Poettgen dafür zu danken, dass ich seine private Abgusssammlung auf entsprechende Zeichen durchsehen konnte. 82 Die Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Bd. 1, 1: Das Land Stargard, bearbeitet von Georg Krüger (Neubrandenburg 1921), S. 110 f. 83 Ein vollständiges Stück wurde in Nieuwlande gefunden vgl. Heilig en Profaan (wie Anm. 41) S. 145, dort Abb. 128. Ein Fragment stammt aus ´s-Hertogenbosch, vgl. Adrianus Maria Koldeweij , Opgespeld geloof en bijgeloof Geloof en Magie, in: Tekens von leven. Opgravingen en vonsten in het Tolbrugkwartier in ´s-Hertogenbosch (Utrecht 2007), S. 147 - 189; hier S. 157 f. mit Abb. 21. Hartmut Kühne 92 <?page no="93"?> lippische Rose. Die beiden Zeichen wurden von der niederländischen Forschung bisher dem mecklenburgischen Sternberg zugeordnet, da sie durch die monstranzförmige Gestaltung den Sternberger Zeichen ähneln, und zudem der achtstrahlige Stern als heraldisches Zeichen für Sternberg missdeutet wurde 84 . Die Ähnlichkeit mit den Sternberger Wallfahrtszeichen ist sicher kein Zufall; möglicherweise hat man sich in Blomberg bewusst an den Zeichen der 1492 nach einem Judenpogrom entstandenen Gnadenstätte orientiert, die auch durch den Buchdruck rasch berühmt wurde und sich bis zum Beginn der Reformation einer außerordentlich starken Attraktion erfreute 85 . Die Reformation setzte der Blomberger Wallfahrt ein Ende. Nach dem Übergang Lippes zur Augsburgischen Konfession wurde auch das Kloster aufgehoben und die Wallfahrtskirche der Pfarrei zugewiesen 86 . Allerdings könnte die einflussreiche Wallfahrt zum Blomberger Hostienbrunnen indirekt einen kulturellen Impuls über die Reformation hinaus vermittelt haben: Auch in den lutherischen Territorien gab es im späten 16. und vor allem im 17. Jahrhundert ein wallfahrtsartiges und von protestantischen Theologen pastoriertes und propagiertes Zusammenströmen an bestimmten Wunder- und Gnadenbrunnen, wo die Gnade Gottes vermittels des Heilwassers Kranke heilte, Blinden das Augenlicht sowie Tauben das Gehör zurückgab und sogar Besessene von Dämonen befreite - allerdings ist diesem Phänomen in der Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden 87 . Der erste dieser Wunderbrunnen, der sich nur eines kurzzeitigen, aber außerordentlich starken Echos im ganzen Reich erfreute, entsprang zu Beginn des Jahres 1556 in dem nur wenige Kilometer von Blomberg entfernten Pyrmont und zog rasch Tausende von Heilungssuchenden an 88 . Sollte die Nähe 84 Vgl. die Literatur in Anm. 48. 85 Die Geschichte der Sternberger Wallfahrt ist ein Desiderat der Forschung; einen Überblick zum Forschungsstand und eine partielle Neubewertung der Quellen bietet Hartmut Kühne , Zur Konjunktur von Heilig-Blut-Wallfahrten im spätmittelalterlichen Mecklenburg, Jahrbuch für Mecklenburgische Kirchengeschichte. Mecklenburgia Sacra 12 (2009), S. 76 - 115, hier bes. S. 93 ff. 86 Vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 72 f. 87 Das Phänomen der Gnaden- und Wunderbrunnen im Luthertum ist bisher allenfalls in der lokalhistorischen Literatur wahrgenommen worden. Der Vf. arbeitet gegenwärtig an einer Monografie zu dem Thema. Bis zu deren Abschluss kann zur Orientierung auf einige Vorstudien verwiesen werden: Hartmut Kühne , „ . . .ein rechter Wunder-Brunn Gottes “ . Ein Beitrag zur lutherischen Frömmigkeit im 16. und 17. Jahrhundert, Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 68 (2008), S. 63 - 92; Ders. , Der Beginn theologischer Deutungen von Heilwasser im deutschen Luthertum, in: Bilder - Sachen - Mentalitäten. Arbeitsfelder historischer Kulturwissenschaften. Wolfgang Brückner zum 80. Geburtstag, hg. von Heidrun Alzheimer u. a. (Regensburg 2010), S. 139 - 153. 88 Zum Ursprung und der Nachwirkung dieses Wunderbrunnens vgl. Hartmut Kühne , „ . . . diese Quelle übertrifft alle Thermen und anderen Quellen “ - Der Wunderbrunnen Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 93 <?page no="94"?> Pyrmonts zu dem gerade untergegangenen Brunnenkult von Blomberg ein Zufall sein? Abb. 10: Abguss eines Pilgerzeichens aus Königslutter auf der Erztaufe in Tostedt An der Wegstrecke zwischen Paderborn und Hameln war Blomberg der einzige Wallfahrtsort im westfälischen Gebiet, an dem nach dem gegenwärtigen Forschungsstand Pilgerzeichen hergestellt wurden. Folgt man der Verlängerung des Hellwegs weiter nach Osten, so finden sich hier aber noch drei weitere Kirchen, die im späten Mittelalter Pilgerzeichen verkauften und deren Erfolg vor allem auf ihrer Funktion als Transitstationen der Aachenfahrt beruhte. Der östlichste dieser Gnadenorte ist die Stiftskirche von Königslutter. Hier begann die Herstellung von Pilgerzeichen kurz nach dem Jahr 1400, als das Kloster auch mit der Propagierung außerordentlicher Ablässe für den Besuch seines Patronatstag (Peter- und Paulstag, 29. Juni) zu werben begann 89 . Die inzwischen bekannten Pilgerzeichenfunde aus Königslutter, nämlich ein Gussmodel, zehn archäologische Funde und 28 Abgüsse auf Glocken bzw. Erztaufen, deren Verteilung von Gotland bis in den Böhmerwald und von London bis Danzig reicht, belegen den starken von Pyrmont im Briefwechsel Melanchthons, in: Philipp Melanchthon. Ein europäischer Reformator, hg. von Irene Dingel / Armin Kohnle (Leipzig 2011), S. 227 - 250. 89 Zu den Ablässen von Königslutter vgl. Klaus Nass , Ablaßfälschungen im späten Mittelalter. Lothar III. und der Ablaß des Klosters Königslutter, Historisches Jahrbuch 111 (1991), S. 403 - 432. Hartmut Kühne 94 <?page no="95"?> und weiträumigen Besuch Königslutters 90 . Zum Erfolg Königslutters dürfte beigetragen haben, dass es nicht nur von der Aachenfahrt profitierte, sondern auch in das Wegenetz der Wilsnacker Wallfahrt eingebunden war. Die Pilgerzeichen von Königslutter folgen einem einheitlichen Typus: Unter einem krabbenbesetzten Giebel, der von einer stilisierten Lilie gekrönt wird, befindet sich eine dreifigurige Kreuzigungsgruppe. Vom Betrachter aus links neben dem Gekreuzigten steht der Apostel Paulus mit erhobenem Schwert und rechts der Apostel Petrus mit einem großen Schlüssel. In einem halbkreisförmigen Feld darunter befindet sich die gekrönte Büste eines Königs - gemeint ist Lothar von Supplinburg als Stifter von Königslutter - mit dem Reichsapfel in der linken und einem Lilienzepter in der rechten Hand. Das vor ihm stehende Wappenschild zeigt den einköpfigen Reichsadler. (Abb. 10) Zu diesem Zeichentypus von Königslutter weist ein Glockenabguss eine gewisse Ähnlichkeit im Bildaufbau auf, der sich auf einer Glocke des Braunschweiger Doms befindet. (Abb. 11) Es handelt sich um die im 15. Jahrhundert gegossene Glocke Blasius minimus, die auch Adämchen genannt wird 91 . Der Abguss besteht aus einem vierpassförmig gerahmten Bildfeld, das nach unten von einem gestuften Fuß begrenzt wird. Auf dem oberen Halbkreis erheben sich vier Fialen, die in Kreuzblumen auslaufen, und ein kleiner Giebel, der ebenfalls von einer Fiale bekrönt wird. Unter der Fiale ist eine nimbierte Vera-Ikon-Darstellung zu erkennen. Innerhalb des vierpassförmigen Bildfeldes befindet sich ein halbkreisförmiges Segment, auf dessen Scheitel die Figur Johannes des Täufers mit der Agnus-Dei-Scheibe in der linken Hand steht. Rechts und links finden sich die Figuren des hl. Blasius und des hl. Thomas Becket. Auf diese Weise sind die drei Patrone der Braunschweiger Stiftskirche hier auf ähnliche Weise angeordnet, wie es bei den Zeichen von Königslutter mit den Klosterpatronen der Fall ist. Noch auffälliger wird die Übereinstimmung, wenn man die Halbfigur berücksichtigt, die im unteren Vierpassbogen sichtbar ist. Zwar sind die Details stark vergossen, aber in Analogie zu den Zeichen von Königslutter scheint es sich nur um eine Darstellung Heinrichs des Löwen als Gründer der Braunschweiger Stiftskirche handeln zu können. Bei dem Abguss auf der 90 Vgl. die Zusammenstellung der bekannten Funde bei Hartmut Kühne / Carina Brumme , Ablässe und Wallfahrten in Braunschweig und Königslutter. Zu einem Detail des Briefes Heinrich Hanners an Thomas Müntzer, in: Thomas Müntzer - Zeitgenossen - Nachwelt. Siegfried Bräuer zum 80. Geburtstag, hg. von Hartmut Kühne / Hans-Jürgen Goertz / Thomas Müller / Günter Vogler (Mühlhausen 2010), S. 39 - 78. 91 Die Glocke ist beschrieben von Andrea Bockmann , Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528. Die deutschen Inschriften 35 (Wiesbaden 1993), S. 168 f., Nr. 270. Allerdings beruhte die Beschreibung wegen der Aufhängung der Glocke in großer Höhe nicht auf Autopsie, sondern auf einer Zeichnung der Sammlung Sack. Ich danke daher den Campanologen Sebastian Wamsiedler (Braunschweig) und Claus Peter (Hamm) für weitere Auskünfte und die Überlassung ihrer Fotos der Glocke. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 95 <?page no="96"?> Braunschweiger Glocke handelt es sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Pilgerzeichen des Braunschweiger Blasiusstiftes, das nach dem Vorbild der Pilgerzeichen von Königslutter gestaltet wurde. Die Anbringung der eigenen Pilgerzeichen auf den Glocken von Wallfahrtskirchen ist nicht unüblich gewesen; jedenfalls gibt es dafür eine Reihe von Zeugnissen, so z. B. in Wilsnack oder auch in Hadamar oder Bödingen. Es scheint auch noch einen zweiten Abguss dieses Braunschweiger Pilgerzeichens zu geben: In der Pilgerzeichenkartei Kurt Köster im Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums findet sich auf einer Karteikarte ein handschriftlicher Nachtrag mit dem Foto eines identischen Glockenabgusses, der angeblich von einer der beiden von Heinrich van Kampen 1514 gegossenen Glocken der Marienkirche in Parchim stammen soll. Nach einer Auskunft des Campanologen Claus Peter , der die Glocken in Parchim 2006 untersuchte, findet sich dort aber kein entsprechender Abguss. Daher kann man gegenwärtig zwar davon ausgehen, dass es mindestens einen weiteren Abguss dieses Braunschweiger Pilgerzeichens gibt, die Fundstelle und die genaue Datierung müssen allerdings noch geklärt werden 92 . In welchem Kontext am Abb. 11: Abguss eines Pilgerzeichens der Braunschweiger Stiftskirche St. Blasii auf der Glocke Blasius minimus daselbst 92 Die Aufnahme stammt nach dem Eintrag der Karteikarte der Pilgerzeichenkartei Kurt Köster aus dem Landesdenkmalsamt Kiel und soll sich auf eine Signatur 2. V. 6644 a Hartmut Kühne 96 <?page no="97"?> Braunschweiger Blasiusstift Pilgerzeichen vertrieben wurden, ist ebenfalls unklar, was vor allem mit der mangelnden Erschließung dieser Aspekte des religiösen Lebens in der Braunschweiger Stadtgeschichte zusammenhängt 93 . Abb. 12: Abguss eines Pilgerzeichens (? ) aus dem Michaelskloster in Hildesheim (? ) auf der Glocke von Zennern, Gipsabguss Ein ähnliches forschungsgeschichtliches Desiderat betrifft jene Pilgerzeichen, die am Hildesheimer Michaelskloster verkauft wurden. Auf den Vertrieb von Pilgerzeichen verweist eine Serie von bischöflichen Ablässen, die den Besuchern der Klosterkirche 1441 von den Bischöfen von Münster, Osnabrück und Hildesheim u. a. dafür gewährt wurden, dass sie die dort beziehen. Nach einem Schreiben von Wolfgang Teuchert (Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein) vom 25. April 1985 an Kurt Köster muss Köster vorgehabt haben, den damals noch im Kieler Landesamt bewahrten Teil der schleswig-holsteinischen Glockenkartei aus dem 2. Weltkrieg einzusehen, was wohl auch erfolgt ist. Einige der handschriftlichen Nachträge der Pilgerzeichenkartei verdanken sich wohl diesem Besuch. Da diese Kartei 1986 an das Germanische Nationalmuseum Nürnberg abgegeben wurde und dort bei meinem letzten Besuch im Mai 2010 nicht benutzbar war, konnte ich dieser Spur bisher nicht weiter nachgehen. 93 Zur Kirchengeschichte Braunschweigs vgl. jetzt die zusammenfassende Darstellung in Von der Taufe der Sachsen zur Kirche in Niedersachsen, hg. von Friedrich Weber u. a. (Braunschweig 2010). Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 97 <?page no="98"?> angebotenen Pilgerzeichen trugen 94 . Diese bisher in der Forschung m. W. noch nicht beachteten Ablässe werfen die Frage auf, wie die in Hildesheim vertriebenen Pilgerzeichen beschaffen waren. Auf der Grundlage des bisher bekannten Materials kommt wohl nur ein Pilgerzeichenabguss als möglicher Kandidat in Frage: Es handelt sich um einen 15 Zentimeter hohen Abguss auf der Glocke von Zennern (Kreis Fritzlar), der den heiligen Michael mit Seelenwaage, in der einen Hand das Schwert in der anderen ein Schild haltend, darstellt 95 . (Abb. 12) Links neben ihm steht Maria mit dem Jesuskind, rechts ein Bischof mit Stab. Es könnte sich bei den Figuren um den heiligen Bernward von Hildesheim als Gründer und um Maria als Mitpatronin des Michaelsklosters handeln. Freilich ist diese Deutung des bisher singulären Stücks mit Unsicherheiten behaftete und soll deshalb als Vorschlag zur Diskussion verstanden werden. 4. Pilgerzeichen am Weg von Soest nach Minden Wie Blomberg an der nördlichen Verlängerung des Hellweges über Hameln der einzige westfälische Wallfahrtsort war, der Pilgerzeichen herstellte, so gilt dasselbe am Weg von Soest nach Minden für die Kreuzkapelle von Stromberg, die zu den ältesten Wallfahrtsorten Westfalens zählt 96 . Die Entstehung der Kapelle auf der Burg Stromberg und der Weg, auf dem der als Heiliges Kreuz verehrte romanische Kruzifixus hierher gelangte, ist recht unklar. Die erste aussagekräftige Quelle zur Wallfahrt ist ein Ablass Papst Johannes XXII. aus dem Jahre 1317, der den Wiederaufbau der von einem Brand zerstörten Kapelle unterstützen sollte. In dieser Urkunde wird das in der Kapelle befindliche Heilige Kreuz genannt und auf die dort gewirkten 94 Ablassurkunde des Bischofs Heinrich von Münster zugunsten des Michaelisklosters in Hildesheim vom 16. Juni 1441, Bistumsarchiv Hildesheim, Urkunden St. Michael, A VII 34/ 1; Ablassurkunde des Bischofs Magnus von Hildesheim zugunsten des Michaelisklosters in Hildesheim vom 16. Juni 1441, ebenda AVII 35/ 1; Ablassurkunde des Administrator Erich von Osnabrück zugunsten des Michaelisklosters in Hildesheim vom 16. Juni 1441, ebenda A VII 35/ 2; Ablassurkunde des Titularbischofs Johannes von Missinum, Generalvikar der Bischöfe Magnus von Hildesheim und Albert von Minden zugunsten des Michaelisklosters in Hildesheim vom 21. Juli 1441, ebenda A VII 36/ 1. Alle Urkunden sind über das Portal www.monasterium.net als Digitalisat verfügbar. 95 Die Glocke und das Zeichen sind beschrieben und als Umzeichnung abgebildet im Kunstinventar: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. 2: Kreis Fritzlar, bearbeitet von bei C. Alhard von Drach (Marburg 1909), Textband S. 206, Bildband Tafel 242. In der Pilgerzeichenkartei Kurt Köster findet sich ein Foto von einem wesentlich genaueren Gipsabguss des Hessischen Landesdenkmalsamtes Marburg, dem auch die Abbildung in diesem Text zugrunde liegt. 96 Zur Wallfahrt, ihrer Geschichte und den Testimonien vgl. Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 55 - 66. Hartmut Kühne 98 <?page no="99"?> Wunder verwiesen. Im Laufe des 14. Jahrhunderts häufen sich die Zeugnisse für den Besuch Strombergs durch Pilger aus den Niederlanden, aber auch aus Pommern und Dänemark. Durch diese Entwicklung gerieten Burg und Kreuzkapelle immer stärker in den Blick der Münsteraner Bischöfe, die schließlich im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts die Burggrafen aus Stromberg vertrieben und die Herrschaft selbst übernahmen. Nach der Untersuchung Karl-Ferdinand Beßelmanns erlebte die Stromberger Wallfahrt ihre eigentliche Blütezeit im späten 13. und im 14. Jahrhundert; in den folgenden Jahrhunderten blieb die Kreuzverehrung zwar bestehen, war aber nur noch regional wirksam 97 . Pilgerzeichen werden im Rechnungsbuch der Stromberger Kapelle aus den Jahren 1500/ 1501 erwähnt, als jährlich gut 2000 Zeichen verkauft wurden 98 . Über das Aussehen dieser Stromberger Pilgerzeichen war bis vor kurzem nichts bekannt. Erst durch die Analyse von zwei größeren Pilgerzeichenfundkomplexen, die der Archäologe Jörg Ansorge 2006 und 2008 in Stralsund bzw. in Wismar entdeckte, änderte sich dies 99 . Zum Fundmaterial gehörten insgesamt vier Kreuze, deren Enden verbreitert und mit einem Straminmuster versehen sind. Es handelt sich um ein Viernagelkreuz; die für diese Zeichen charakteristische ausgemergelte Christusgestalt trägt ein Lendentuch, das auf der linken Seite verknotet ist. (Abb. 13) Über dem Haupt erscheint auf dem Kreuzesbalken ein kleines Kreuzzeichen. Die Analyse der Zeichen durch Jörg Ansorge ergab, dass ähnliche Kreuzzeichen aus zahlreichen Funden bekannt sind, die von der Nordseeküste (Hamburg, 100 Bremen, Amsterdam) aus dem Ostseeraum (Stargard/ Hinterpommern, Turku/ Finnland) und aus Brandenburg (Eberswalde) stammen 101 . Weitere Stücke kamen bei einer jüngeren Grabung in Stralsund hinzu 102 . Nachweise dieses Pilgerzeichentypus liegen auch aus 97 Vgl. ebd., S. 66. 98 Vgl. ebd., S. 59 f. 99 Jörg Ansorge , Pilgerzeichen sowie religiöse und profane Zeichen aus der Grabung für das Ozeaneum in Stralsund, in: Das Zeichen am Hut (wie Anm. 3), S. 83 - 114; Ders. , Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der Hansestadt Wismar, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 56 (2009), S. 213 - 257. 100 Elke Först , Mittelalterliches Pilgerzeichen, Archäologie in Deutschland 2001 (3), S. 44 - 45. 101 Vgl. zur Fundverteilung Jörg Ansorge , Pilgerzeichen und Pilgerzeichenforschung in Mecklenburg-Vorpommern, in: Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine, hg. von Hartmut Kühne / Jan Hrdina / Lothar Lambacher (Europäische Wallfahrtsstudien 10, Frankfurt a. M. u. a. 2012), S. 81 - 143, hier S. 135 - 138. 102 Renate Samariter , Pilgerzeichen und religiöse Zeichen aus der Stralsunder Frankenvorstadt, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern Jahrbuch 56 (2009), S. 191 - 212. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 99 <?page no="100"?> Westfalen vor, nämlich zwei archäologische Funde aus dem Dominikanerkloster in Lemgo 103 sowie aus St. Ludger im münsterländischen Albersloh 104 und ein Abguss auf der in der Mitte des 14. Jahrhunderts gegossenen Glocke im Kloster Welver (Kr. Soest) 105 . Diese weite Verbreitung der Funde im Verbund mit den Stromberger Wallfahrtstestimonien aus den Niederlanden und dem Baltikum macht die Herkunft der Kreuzzeichen aus Stromberg sehr wahrscheinlich. Abb. 13: Pilgerzeichen aus Stromberg, gefunden in Wismar, Grabung Am Lohberg Im Jahre 2010 fand Jörg Ansorge in Rostock ein weiteres Exemplar, das stilistisch und in der Gestaltung leicht von den übrigen aus dem 14. Jahrhundert stammenden Zeichen abweicht 106 . (Abb. 14) Dieser Fund lässt sich recht genau in die Zeit um 1269 datieren. Damit belegt dieses Zeichen die außerordentlich frühe Attraktion des Heiligen Kreuzes von Stromberg schon ein halbes Jahrhundert vor jener Urkunde Papst Johannes XXII. , die bisher als erste gesicherte Quelle für die Wallfahrt galt. Abgesehen von der Marburger Elisabethkirche 107 ist Stromberg damit der erste rechtsrheinische 103 Vgl. Ansorge , Mittelalterliche Pilgerzeichen (wie Anm. 99), S. 229. 104 Bernd Thier , Pilgerzeichen eines unbekannten Wallfahrtsortes, in: Der sassen speyghel. Sachsenspiegel-Recht-Alltag, hg. von Mamoun Fansa 2 (Oldenburg 1995), S. 504, Nr. 139. 105 Claus Peter , Zeitspuren: Die Anfänge der Stadt Hamm (Hamm 2001), S. 168 - 170. 106 Jörg Ansorge , . . . unam reysam versus Stromberch, Archäologie in Deutschland 2011 (5), S. 52. 107 Zu den Marburger Elisabethzeichen vgl. Hartmut Kühne , Pilgerzeichen [der hl. Elisabeth], in: Elisabeth von Thüringen - eine europäische Heilige [Ausstellungskatalog Eisenach/ Wartburg 2007], hg. von Dieter Blume - Matthias Werner (Petersberg 2007), S. 215 - 219. Hartmut Kühne 100 <?page no="101"?> Wallfahrtsort im mittelalterlichen Reich, an dem die Herstellung von Pilgerzeichen nachgewiesen ist. Abb. 14: Pilgerzeichen aus Stromberg, gefunden in Rostock, Grabung am Mühlendamm Die weiträumig verteilten Funde des späten 13. und vor allem des 14. Jahrhunderts bestätigen die Annahme, dass dieser Zeitraum die eigentliche Blütezeit der Stromberger Wallfahrt gewesen sei. Auch in diesem Fall wird man die Fundverteilung nur erklären können, wenn man die Funktion Strombergs als Transitstation auf dem Weg aus dem Nord- und Ostseeraum zu den Pilgerzentren des Niederrheins berücksichtigt. Eine offene Frage ist, ob sich die Form der Zeichen bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts gewandelt hat. Obwohl der Verkauf von Pilgerzeichen um 1500 durch die Rechnungen der Kreuzkirche belegt ist 108 , sind ähnliche Kreuzzeichen aus dem 15. bzw. dem frühen 16. Jahrhundert bisher nicht bezeugt. Haben sich, auch wegen der zurückgehenden Attraktivität der Stromberger Wallfahrt, keine Zeichen erhalten oder hatte sich deren Form verändert? Im letzten Fall müssen sie in der großen Zahl von bisher nicht lokal zugewiesenen Gittergüssen mit Kreuzigungsdarstellungen gesucht werden. 108 Vgl. Anm. 98. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 101 <?page no="102"?> 5. Nachtrag: Der Pilgerzeichenfund von der Iburg Durch die Abbildung in dem vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe herausgegebenen auflagenstarken Jakobswege-Führer 109 hat ein Pilgerzeichen wieder ein gewisses Interesse auf sich gelenkt, das am Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Iburg gefunden wurde, aber inzwischen wieder verlorenging und auch lange Zeit dem Vergessen anheimgefallen war. Die einzige erhaltene Abbildung des Stücks findet sich auf einer Postkarte, die nur eine undeutliche Vorstellung von dem angeblichen Schmuckstück des 12. Jahrhunderts vermittelt. (Abb. 15) Es handelt sich um ein ädikulaförmiges Zeichen mit Spitzgiebel und flankierenden Fialen, das im Bildfeld einen nach rechts gewendeten Bischof mit Mitra und einem Stab mit großer Krümme zeigt. Vor dem Bischof scheint ein großes kelchartiges Gefäß zu stehen, aus dem sich eine Figur erhebt. Zu diesem Fund konnten inzwischen drei Parallelen ausfindig gemacht werden, die eine sehr ähnliche Darstellung zeigen. Auf einer Glocke, die 1353 für die Kirche von Sibbesse (Landkreis Hildesheim) gegossen wurde, finden sich vier Pilgerzeichenabgüsse, von denen noch keiner eindeutig identifiziert werden konnte: Neben einer Bischofsbüste, einer frontal abgebildeten Bischofsgestalt und einem Kruzifix, das den Stromberger Kreuzzeichen ähnelt - allerdings auch einige signifikante Unterschiede aufweist - ,ist auch eine Parallele zu dem Iburg- Fund abgegossen 110 . In einem fünfeckigen Rahmen mit Fialen und Dreiecksgiebel wird ein Bischof bei der Feier der Messe dargestellt. Die Figur wendet sich nach rechts zu einem würfelförmigen Altar, auf dem ein Messkelch steht und hält dabei eine Hostie empor. (Abb. 16). Etwa gleichzeitig mit dem Werk von Sibbesse wurde die Glocke von Dankerode (Ortsteil Stadt Harzgerode, Landkreis Harz) gegossen 111 . Auf ihr findet sich außer einem kleinen Kruzifix und zwei Pilgerzeichen mit derselben frontal stehenden Bischofsfigur wie in Sibbesse eine weitere Variante des ädikulaförmigen Zeichens. Die Bischofsfigur steht hier mit Mitra und Stab nach rechts gewendet vor einer schlanken hohen Mauer oder einem Turm, auf dessen Spitze eine kleine Figur erscheint. In der rechten Hand hält die Bischofsfigur einen Gegenstand, möglicherweise einen Kelch. (Abb. 17) Dasselbe Zeichen ist auch auf der Glocke von Esbeck (Ortsteil von Elze, Landkreis Hildesheim) abgegossen, 109 Ulrike Spichal , Wege der Jakobspilger in Westfalen. In neun Etappen von Höxter über Paderborn und Soest nach Dortmund, hg. vom Landschaftsverband Westfalen- Lippe (Köln 2010), S. 87 mit Abb. 110 Beschreibung und Abbildung im Kunstinventar: Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover 26: Die Kunstdenkmale des Kreises Alfeld II: Der ehemalige Kreis Gronau, bearbeitet von Heiner Jürgens (Hannover 1939), S. 214, mit Tafel 50. 111 Ein Hinweis auf die Pilgerzeichen findet sich in Werner Schreck , Tausendjähriges Dankerode 992 - 1992 2 (Dankerode 1992), S. 7 - 9. Die dort vorgetragene Datierung in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts ist irrig. Gute fotografische Aufnahmen der Glocke und ihrer Pilgerzeichen verdanke ich Hans Losche (Nordhausen). Hartmut Kühne 102 <?page no="103"?> die ebenfalls aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt 112 . Alle Varianten dieses Zeichens deuten auf ein eucharistisches Wunder hin. Die grobe Ausführung des Zeichens und die starke Variation des Bildthemas scheint auf eine eher provinzielle Herkunft und einen noch nicht klar strukturierten Kult zu verweisen, also wohl eine Wallfahrt, die sich um 1350 in einer Formierungsphase befand. Eucharistische Wallfahrtskulte erlebten in der Mitte des 14. Jahrhunderts einen ersten Boom, wie sich an den um 1331 entstandenen Wallfahrten im hessischen Gottsbüren 113 und dem mecklenburgischen Güstrow 114 ablesen lässt, wo auch Pilgerzeichen vertrieben wurden. Legt man die Verteilung der vier Fundorte zugrunde, so ist ein Kultort im Raum zwischen Paderborn, Hildesheim und Göttingen zu vermuten. Als eucharistischer Kult würde sich das westfälische Rulle zumindest insofern anbieten, als die Ursprünge der dortigen Wallfahrt Abb. 15: Postkarte mit dem „ Iburg-Fund “ . 112 Vgl. das Kunstinventar: Die Kunstdenkmale der Provinz Hannover 31: Die Kunstdenkmale des Kreises Alfeld II. Der ehemalige Kreis Gronau, bearbeitet von Heiner Jürgens u. a. (Hannover 1939), S. 82. Nach der Beschreibung steht der Bischof vor einem Zinnenturm, er hält vor sich anscheinend einen Kelch, über dem eine segnende Halbfigur (? ) mit Mitra (? ) erscheint. 113 Vgl. Kurt Köster , Gottsbüren, das „ hessische Wilsnack “ . Geschichte und Kulturgeschichte einer mittelalterlichen Heiligblut-Wallfahrt im Spiegel ihrer Pilgerzeichen, in: Festgabe für Paul Kirn, hg. von Ekkehard Kaufmann (Berlin 1961), S. 198 - 222; Wilhelm A. Eckhardt , Gottsbüren - ein hessisches Wilsnack? , in: Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spätmittelalter, hg. von Felix Escher / Hartmut Kühne (Frankfurt a. M. u. a. 2006), S. 259 - 267. 114 Vgl. Kühne , Zur Konjunktur (wie Anm. 85). Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 103 <?page no="104"?> auf das Jahr 1347 verweisen 115 . Allerdings lässt die dortige Ursprungslegende nicht erkennen, wie die auf den Zeichen dargestellte Szene zu verstehen ist. Möglicherweise fordern uns diese Funde also auf, nach einem bisher unbeachteten Kultort zu suchen, dessen Wallfahrt erst wiederzuentdecken ist. Der Überblick über die Pilgerzeichen von den Kultorten am oder im Umkreis des Hellweges und seiner Zubringerstraßen hat deutlich gemacht, in welchem Maße gerade die Verbreitung westfälischer Pilgerzeichen durch die Lage in einem Transitraum bestimmt war. Die Pilgerzeichen erweisen sich so als wichtige Indikatoren für die Reichweite und die zeitliche Einordnung einzelner Wallfahrtskulte, die aus Quellen resultierende Beobachtungen stützen und deren Befunde erweitern können. Trotz der historisch sicheren Zuordnung bestimmter Zeichen zu einzelnen Herkunftsorten sollte auch deutlich geworden sein, wie viel Arbeit noch zu leisten ist, bevor die zum Teil schon seit Langem bekannten Funde und Abgüsse im Bereich der Pilgerzeichenforschung angemessen gedeutet und eingeordnet sind. Diese Aufgabe wird nicht von Einzelnen zu lösen sein, sondern sie bedarf eines langen Atems und vor allem eines Netzwerks von Forschern, die gleichermaßen die regionalen Verhältnisse und die Einzelfunde wie auch die europaweiten Wechselwirkungen der mittelalterlichen Pilgerbewegungen im Blick haben. Auf dem Weg zu einem solchen Netzwerk hat die Paderborner Tagung einen Impuls gegeben, dessen Wirkung erst mit einigem zeitlichen Abstand zu ermessen sein wird. Abb. 16: Abguss eines Pilgerzeichens auf der Glocke in Sibbese Abb. 17: Abguss eines Pilgerzeichens auf der Glocke von Dankerode 115 Besselmann , Stätten (wie Anm. 34), S. 76 - 79. Hartmut Kühne 104 <?page no="105"?> Resumen: „ Insignias y caminos de peregrinación en la región de Westfalia “ En la Alta Edad Media se extendió una densa red de caminos y carreteras por Westfalia. Como zona de tránsito entre Renania, el área de Elb-Saale y las costas del Mar del Norte y del Mar Báltico, Westfalia, además, funcionaba de puente para las peregrinaciones en la Edad Media, en particular las que tenían como destino Aquisgrán, Colonia, Maastricht y Tréveris. En la segunda mitad del siglo XIV se estableció una corriente de continuos viajes a Aquisgrán, que se repiten cada siete años, en los cuales, además, se comenzó a visitar iglesias colindantes. Allí se observa con regularidad que una gran cantidad de peregrinos caminaban desde los países bálticos, del norte y del centro de Alemania, a través de Westfalia hasta Renania. La vía de comunicación principal es el llamado „ Hellweg “ , que se extiende entre Dortmund y Soest, o bien Paderborn con su prolongación suroccidental hasta Colonia. En Paderborn la prolongación oriental del „ Hellweg “ se divide en dos recorridos: la ruta meridional, cercana a Hoexter, que cruza el Weser y, desde allí, continúa hasta Kassel o Goslar; y la ruta nórdica, que cruza el Weser cerca de Hameln y continúa por Hildesheim y Brunswick hasta Magdeburgo. Quienes venían de la región de las „ wendische “ , ciudades hanseáticas, en particular de Lübeck, viajaban vía Lüneburg, cruzaban el Weser cerca de Minden, y por Bielefeld llegaban al „ Hellweg “ en Soest. La cuarta vía principal es el camino de Bremen, que pasa por Osnabrück y Münster y, ya en Dortunund, confluye con la ruta de Colonia. En lo que respecta a los viajes a Aquisgrán, los peregrinos también visitaron aquellas iglesias de peregrinación en Westfalia que encontrasen en su ruta. De esta manera los sitios de devoción regionales se transformaron en conocidos lugares de culto hasta en los lugares más remotos, hecho que se manifiesta, sobre todo, en la distribución de las insignias portadas por los peregrinos en estos „ tránsitos de peregrinación “ . El arqueólogo Jörg Ansorge de Mecklenburg ha publicado recientemente un trabajo sobre las insignias en la Capilla de Cruz de Stromberg, localizada en el camino de Soest a Minden, queson una imitación del cuadro románico de la crucifixión adorado en Stromberg desde el siglo XIII. Los hallazgos se distribuyen a través de una gran zona de Westfalia, por Bremen, Hamburgo, y los países bálticos hasta Finlandia, y documentan el apogeo del culto desde el último tercio del siglo XIII que tuvo su culmen en el XIV. Poco antes del año 1480 surgió una peregrinación a la iglesia parroquial abandonada de Haddenberg (hoy en día „ Jakobsberg “ ), cerca de Höxter, lugar de la aparición de San Jacobo el Grande a un pastor a quien prometió el amparo a todos los peregrinos tanto en este lugar como en Santiago de Compostela. Aunque el peregrinaje solamente existió hasta la Reforma, la más importante ruta jacobea en Alemania se desarrolló gracias al apoyo del Obispo de Paderborn y del convento de Corvey. Existen numerosos testimonios de la visita de Haddenberg, a los que hay que añadir las insignias recientemente identificadas por el autor, cuya área de distribución se extiende desde los Países Bajos, por Slesvig-Holstein hasta Brandenburgo y el Harz meridional. Esta extensa emanación del culto jacobeo de Haddenberg sin duda tuvo que ver con su ubicación cercana al paso del Weser, al lado de Höxter. Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter 105 <?page no="107"?> Pilgerzeichen in Westfalen Von Peter Ilisch Im Christentum des Mittelalters spielten Wallfahrten zu bekannten Heiltümern eine wichtige Rolle. Im späteren Mittelalter verbreitete sich die Praxis, die absolvierte Pilgerfahrt durch ein an der Kleidung getragenes Pilgerzeichen zu dokumentieren. Pilgerzeichen waren ein Massenprodukt. Damit teilten sie das Schicksal anderer Objekte der Alltagskultur vergangener Zeit, nämlich nicht explizit aufbewahrt zu werden. Pilgerzeichen wurden mehrheitlich in billigen Materialien ausgeführt, in Blei-Zinn-Legierungen oder in Bronze. Bei Lagerung im Boden sind beide korrosionsanfällig. Dies gilt besonders dann, wenn die Lagerstätte wechselnden Bedingungen unterworfen ist, besonders im Hinblick auf Sauerstoffzufuhr und Trockenheit bzw. Feuchtigkeit. Daher haben sich Pilgerzeichen in Westfalen real äußerst selten erhalten. Schlammböden, in denen fragile Objekte dem äußeren Druck entzogen sind, gibt es in diesem Land so gut wie nicht. Diese Einschränkungen muss ich an den Beginn stellen, um klar zu machen, warum die wenigen Fundstücke nicht mit Fundorten in den Niederlanden oder in Küstenorten wie z. B. Bremen vergleichbar sind. Die Mehrzahl der Fundstücke stammt von lizensierten und mit der Bodendenkmalpflege kooperierenden Sondengängern aus Wüstungskontexten, wobei die Areale heute Ackergelände sind. Das hat zur Folge, dass sie von den landwirtschaftlichen Gerätschaften mehrfach berührt und z. T. auch etwas verlagert wurden. Brüche und Beschädigungen sind daher weit verbreitet, wobei sich die Frage stellt, ob die Pilgerzeichen nicht bereits fragmentiert oder beschädigt in den Boden gelangten, z. B. weil Ösen brachen und das Stück somit unbemerkt herunterfiel. In Westfalen gibt es insgesamt nicht sehr viele bekannte gefundene Pilgerzeichen. Beginnen wir also mit einem Fundstück aus unserem Tagungsort. Es wurde bei der Ausgrabung der Wüstung Balhorn in der ehemaligen Paderborner Stadtflur gefunden. Zu sehen ist eine Muttergottes, auf einem Thron sitzend und eine Krone auf dem Kopf. Zu ihrer Linken befindet sich das Jesuskind, anscheinend auf der Bank stehend. Mit der Rechten hält Maria <?page no="108"?> eine Lilie. Über ihr befindet sich ein Dreiecksgiebel. Die seitlich zu vermutenden Ösen sind abgebrochen 1 . (Abb. 1) Abb. 1: Marienpilgerzeichen, gefunden in Paderborn Ein fast gleiches Stück mit erhaltenen zwei Türmchen stammt aus aktuellen Ausgrabungen der Falkenburg im Kreis Lippe (Lippisches Landesmuseum). Unterschiede bestehen bei der Zeichnung der Thronbank. Bildlich dem gleichen Konzept folgt ein in Lippstadt-Bökenförde (Kr. Lippstadt) entdecktes Fragment, zu dem die untere Partie des Pilgerzeichens fehlt 2 . (Abb. 2) Deutlich ist hier, dass die Mariendarstellung sich unter einem dreieckigen Giebel befindet, auf dem sich ursprünglich drei Türmchen befanden. Diese dürften sich ursprünglich auch auf dem Paderborner Fundstück befunden haben. Während das Jesuskind auf dem Paderborner Stück einen Reichsapfel hält, hat es hier diagonal vor der Brust ein Zepter. Das senkrecht gehaltene Zepter der Muttergottes hat eine sehr deutliche Lilie, die sich auch auf der Krone Mariens findet. Zwei sehr enge Parallelstücke sind in den Niederlanden in Dordrecht gefunden worden 3 . Weitere verwandte Stücke stammen aus Nieuwland und Amsterdam sowie aus Trier. 1 Andreas Haasis-Berner , Archäologische Funde von mittelalterlichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken in Westfalen, Westfalen 78 (2000), S. 345 - 363, hier S. 350 (dort Aachen als Herkunftsort angegeben). 2 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38389Mz. 3 Heilig en Profaan 2. 1200 laat-middeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Koldeweij / Maria Dory Kicken S. 311, Abb. 1320 und 1321. Peter Ilisch 108 <?page no="109"?> Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Pilgerzeichen in Westfalen 109 <?page no="110"?> Zu diesem Typ gibt es noch ein drittes Parallelstück aus Borgentreich im Kreis Höxter 4 . (Abb. 3) Auch hier sind die drei Türme wie auch der untere Bereich des Zeichens abgebrochen. Es unterscheidet sich von den vorhergehenden aber insofern als die Muttergottes einen Heiligenschein aufweist, der auf den vorher gezeigten Stücken nur dem Jesuskind vorbehalten war. In der Literatur werden Pilgerzeichen dieser Art fast grundsätzlich dem Pilgerort Aachen zugeschrieben. Auch wenn an der Bedeutung der Aachenfahrt nicht zu zweifeln ist und die Muttergottesverehrung bei dieser eine gewichtige Rolle spielte, scheint es mir berechtigt Aachen mit einem Fragezeichen zu versehen, da es auch andere Zentren der Muttergottesverehrung gab und der gleiche ikonographische Typ auch an anderen Orten benutzt wurde. Als Beispiel verweise ich auf ein Pilgerzeichen, das durch seine Umschrift eindeutig nach Chartres gehört 5 . Es hat den gleichen Typus der Muttergottes unter Spitzgiebel mit drei Türmen. Gäbe es die Inschrift nicht, würde es gewohnheitsmäßig Aachen zugeschrieben. Ebenfalls ein Marienpilgerzeichen ist das Unterteil eines Pilgerzeichens aus Erwitte-Bad Westernkotten (Kreis Soest) 6 . (Abb. 4) Es zeigt die Beine einer sitzenden Figur. Es weist Ähnlichkeit zu einem Fundstück aus Braunschweig auf 7 , doch sind die Beine hier mehr parallel gestellt. Der Faltenwurf des Gewandes ist aber durchaus vergleichbar. Auch ein Fragment aus Oelde-Stromberg (Kreis Warendorf) ist mit einer Muttergotteswallfahrt zusammenzubringen 8 . (Abb. 5) Technisch ist es nicht ganz so flach und relativ plastisch. Es handelt sich um den gekrönten Kopf. Der Kopf der Muttergottes ist mehr oder weniger oval und charakterisiert durch mandelförmige Augen. Außerhalb des Schleiers muss auch ein Heiligenschein gewesen sein, der, da dünner, weggebrochen ist. Die engste mir bekannte Parallele stammt aus Dordrecht und zeigt die auf einer Bank thronende Maria zwischen einem stehenden Engel mit Kelch links und dem ebenfalls stehenden Kind rechts 9 . Sie lässt ahnen, welche Teile bedauerlicherweise in Verlust geraten sind. Ebenfalls auf eine Marienwallfahrt deutet ein Fragment aus Lippstadt- Bökenförde (Kreis Soest), das als Kopf der heiligen Gottesmutter zu 4 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 24967Mz. 5 Nach http: / / anywhereouttheworld.blogspot.de/ 2010/ 08/ le-vieux-plomb-de-la-semai ne.html (Stand 31. 8. 2012) (Musée Carnavalet) mit seitlicher Umschrift SBEATMA- RIECARNOTESIS. 6 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38396Mz. 7 Kurt Köster , Pilgerzeichen und Ampullen. Zu neuen Braunschweiger Bodenfunden, in: Stadtarchäologie in Braunschweig, hg. von H. Rötting (Hameln 1985), S. 277 - 286, dort: S. 281 f. und Abb. 6 auf S. 281; Andreas Haasis-Berner , Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94, Würzburg 2003), S. 60. 8 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38206Mz. 9 Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 344, Abb. 1432 sowie Abb. 1433 - 1435. Peter Ilisch 110 <?page no="111"?> betrachten ist 10 . (Abb. 6) Ein Heiligenschein ist festzustellen, während eine Krone nur angenommen werden kann. Das Fragment ist relativ verwandt mit dem vorherigen. Ebenfalls aus Lippstadt stammt der mittlere Bereich eines Pilgerzeichens, das zunächst an eine Äbtissin denken ließ, auf Grund von Vergleichsbeispielen aber doch als Teil einer Muttergottes mit Kind ausgemacht werden kann 11 . (Abb. 7) Erkennbar sind die Enden des auf die Brust herabhängenden Schleiers sowie die Hand auf dem Schoß, die eine Kugel hält. Auch hier ist seitlich der Muttergottes der Ansatz des Gewandes des Jesuskindes erkennbar. Der ursprüngliche Kontext ist rekonstruierbar durch einen besser erhaltenen Parallelfund aus Dordrecht (Niederlande) 12 . Aus Lippstadt gibt es auch noch ein zweites Marienkopffragment, bei dem eine im Stirnbereich gegitterte Krone ansatzweise zu erkennen ist 13 . (Abb. 8) Der Schleier ist zum Gesicht hin schraffiert. Dazu gibt es eine gute Parallele aus Nieuwland in den Niederlanden, die nur in kleinen Details abweicht 14 . Auch bei einem weiteren Fundstück aus Lippstadt ist eine Mariendarstellung wahrscheinlich 15 . (Abb. 9) Erkennbar sind die parallel gestellten Beine einer sitzenden Figur auf einer Thronbank, von der die Basis wie auch die Sitzfläche durch Schraffur gekennzeichnet ist. Das Gewand fällt über die Knie seitlich bis zu den Knöcheln herab. Am Thron selber fallen strichförmige Verstrebungen auf, die durch Punkte oben, unten und in der Mitte hervorgehoben sind. Im Fundbestand der Niederlande gibt es keine enge Parallele. Ein Vergleichsstück aus Greifswald in Vorpommern zeigt den Gesamtkontext 16 . Es lässt auch erkennen, dass das, was seitlich der thronenden Figur zu erkennen ist, die unteren sehr schlicht gestalteten Gewandfalten des Jesuskindes sind. Es unterscheidet sich aber von unserem dadurch, dass dort am Thron bereits gotische Bögen zu sehen sind. 10 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 37945Mz. 11 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 36361Mz. 12 Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 344, Abb. 1434. 13 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 36374Mz. 14 Heilig en Profaan. 1000 laat-middeleeuwse insignes uit de collectie Hendrik Jan Engelbert van Beuningen, hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / A. M. Koldeweij (Cothen 1993), S. 238, Abb. 529. 15 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38668Mz. 16 Katrin Nagel , . . .umme salicheit miner zele . . . - Wallfahrten und Wallfahrtsdevotionalien in den Städten Mecklenburg-Vorpommerns, in: Archäologie unter dem Straßenpflaster. 15 Jahre Stadtkernarchäologie in Mecklenburg-Vorpommern, hg. von Hauke Jöns / Friedrich Lüth / Heiko Schäfer ( Schwerin 2005), S. 381 - 384, dort: S. 383 f und Abb. 5. - Heiko Schäfer , Eine Greifswalder Grapengießerwerkstatt des 14. Jahrhunderts in der Brüggstraße 25 a, Bodendenkmalpflege in Mecklenburg- Vorpommern, Jahrbuch 1994, S. 151 - 169, dort: S. 158 dort mit Abb. 7 Pilgerzeichen in Westfalen 111 <?page no="112"?> Nicht ganz so sicher zu identifizieren ist ein Fragment, das nach Größe und Material auch von einem Pilgerzeichen stammen und die Lilie auf der Krone der Muttergottes unter dem Spitzbogen darstellen könnte. In diesem Fall bleibt aber eine Unsicherheit. Einen ganz anderen Typus von Wallfahrtszeichen zeigt ein Zeichen, das in Werl (Kreis Soest) gefunden wurde (Heimatverein Werl). (Abb. 10) Es ist wie viele spätmittelalterliche Siegel spitzoval, wobei der obere Bereich leider fehlt. Deutlich zu erkennen ist eine Maria auf einem Thron. Der Typus ist bekannt von den Pilgerzeichen von Rocamadour, die wie hier die Muttergottesdarstellung umrahmt von einer Umschrift haben, die das Stück auch als Sigillum (Siegel) bezeichnet. Eine größere Anzahl von Pilgerzeichen aus Rocamadour ist bekannt. Ihre Umschrift lautet aber ohne Ausnahme auf Sigillum Beatae Mariae 17 , während auf dem Werler Stück deutlich Sanctae zu lesen ist. Nach Haasis-Berner gibt es aber ebenfalls spitzovale Pilgerzeichen aus dem nordspanischen Villalcazar de Sirga, nicht sehr weit entfernt von Santiago de Compostela, die auf Sigillum Sanctae lauten 18 . Außerdem gibt es einige wenige aus Rocamadour mit verkürzter Inschrift, bei denen Beata durch Santa ersetzt ist 19 . Bis auf eine Ausnahme beginnt allerdings die Umschrift mit diesem Wort, während hier ein Wort davorstand, das bedauerlicherweise weggebrochen ist. Lesbar ist . . .SANCTE MARIE. . . Alle spitzovalen Flachgusspilgerzeichen in Siegelform stammen jedoch aus dem Umfeld der Pyrenäen 20 . Rund die Hälfte aller archäologisch erfassten Pilgerzeichen in Westfalen bezieht sich auf Marienwallfahrten. Ein Pilgerzeichen aus Blomberg, hergestellt in einer Zwischenform von Flachguss und Gitterguss, wurde bei Ausgrabungen in der Werburg bei Spenge gefunden. Erhalten sind die aufgereihten Hostien und darunter das lippische Wappen und ein Spruchband mit CORPXPII(n)BLOMBERG 21 . Die obere filigrane Partie des Pilgerzeichens fehlt. Die Blomberger Wallfahrt wurde ausgelöst durch einen vermeintlichen Hostienfrevel im Jahre 1460 22 , wodurch das Fundstück zeitlich enger datiert wird. 17 Vgl. Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 7), S. 116 - 125. 18 Ebd., S. 62 f. Spitzoval ist auch ein Pilgerzeichen aus Santo Domingo de la Calzada/ Nordspanien (Musée de Cluny, Inv.-Nr. CL4768) 19 Ebd., S. 125 f. 20 Die spitzovale Form als Angleichung an die Siegel kommt außerdem noch vor bei den Zeichen der Livlandfahrer des 13. Jahrhunderts. Jürgen Wittstock , Pilgerzeichen in Lübeck - alte und neue Funde, Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 8 (1984), S. 15 - 21, hier S. 16 f., Taf. 1.6; Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 7), S. 199 f., Taf. 21.3. 21 Noch unveröffentlicht, ausgenommen bei archaeologie-online.de. 22 Karl-Ferdinand Besselmann , Städten des Heils. Westfälische Wallfahrtsorte des Mittelalters (Münster 1998), S. 66 - 73. Peter Ilisch 112 <?page no="113"?> Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Pilgerzeichen in Westfalen 113 <?page no="114"?> Kommen wir nun zu den anderen Heiligen. Deren Identifizierung ist bei fragmentarischer Erhaltung oft besonders schwierig, mitunter auch unmöglich. Dies gilt auch z. B. für ein eigentlich ganz ansprechendes romanisches Gesicht eines bärtigen Mannes 23 . Da auf der Stirn mehrere schwalbenförmige Stirnfalten angedeutet sind, scheiden heilige Könige oder Bischöfe aus, da bei diesen oben ein waagerechter Abschluss vom Unterteil einer Mitra oder eine Krone vorhanden sein müsste. Möglich wäre ein Apostel. Einfacher ist es mit einem vom Pflug beschädigten, aber immerhin noch in wesentlichen Teilen erhaltenen Fundstück aus Lippstadt-Bökenförde 24 . (Abb. 12) Es zeigt den hl. Leonhard stehend und vor ihm einen bittenden, knienden Mann, der durch die darüber angedeuteten Fesseln und Ketten als Gefangener gekennzeichnet ist. Es gibt ein Vergleichsstück aus Dordrecht in Holland, das interessanterweise gussformgleich ist 25 . Es gibt in Europa eine ganze Reihe ähnlicher Stücke, die sich allesamt dem Pilgerort Saint-Léonardde-Noblat zuweisen lassen, einer Station auf dem Weg nach Santiago 26 . Ebenfalls aus Lippstadt-Bokenförde stammt das Unterteil der Gewandung eines stehenden Heiligen 27 . (Abb. 13) Die Form der Gewandung deutet auf einen Bischof hin. Seitlich sieht man eine Hand, die an der Seite des Körpers einen aufrecht gehaltenen Schlüssel zeigt. Auf Grund von Vergleichsstücken aus den Niederlanden ist dann auch ein diagonal gehaltener Bischofsstab, von dem hier die Krümme nicht erhalten ist, erkennbar, mit dem der Dargestellte auf das geöffnete Maul eines Drachens zielt, der sich zu seinen Füßen befindet. Es ist dies eine klassische Darstellungsform des Sieges über das Böse. Durch die Kombination der Attribute ist eine Zuweisung an den heiligen Servatius zwingend, dessen bedeutendster Kultort Maastricht war 28 . 2012 wurde vom gleichen Typ in Lippstadt, aber an anderem Fundort, ein Kopf gefunden 29 . Auf den gleichen Heiligen geht auch ein in seiner Form abweichendes Objekt zurück, das bei Ausgrabungen in Lemgo (Kreis Lippe) entdeckt wurde. Es ist jünger als die zuvor genannten Objekte, doch aus dem Kontext heraus scheint es sinnvoll, es hier zu erwähnen. Die eine Seite zeigt das Halbbild der Muttergottes im Strahlenkranz mit dem Jesuskind auf dem Arm. Diese Darstellungsform verbreitete sich besonders seit dem 15. Jahrhundert. Die andere Seite zeigt in einem äußeren Perlkreis das Halbbild eines Heiligen (ohne Nimbus) und rechts ein nach innen geneigter Krummstab sowie links ein außen gedrehter senkrechter Schlüssel. Durch die Attribute 23 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 39448Mz. 24 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 36649Mz. 25 Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 276, Abb. 1183. 26 Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 7), S. 103 - 110. 27 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38112Mz. 28 Vgl. ebd., S. 180 - 189; Heilig en Profaan (wie Anm. 14), S. 288 - 295. 29 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 39342Mz. Peter Ilisch 114 <?page no="115"?> lässt sich der Dargestellte auf einen heiligen Bischof oder Abt einengen. Zusammen mit dem Schlüssel aber kann es sich nur um den heiligen Servatius handeln. Das Lemgoer Stück hat weder eine Öse noch eine Lochung, weist aber auf dem dicken Rand (5 mm! ) einen schmalen Steg rundum auf, der wohl gleichzeitig Gussnaht ist. Es ist anzunehmen, dass mit Hilfe dieses scharfgratigen Steges das aus Blei oder Zinn bestehende Fundstück in eine Umrahmung aus anderem dünnen Metall eingelassen war und sich an diesem eine Befestigung zum Umhängen befand. Die Zweiseitigkeit schließt eine Verwendung durch Aufnähen aus. Zu erwähnen ist übrigens, dass die Bildachsen von Vorder- und Rückseite nicht genau übereinstimmen und eine Diskrepanz von etwa 30° aufweisen. Die Form ist zu schlicht als dass sie sich genauer datieren ließe. Im reformierten Lemgo ist aber von einer vorreformatorischen Zeitstellung auszugehen. Vergleichbare Stücke mit Maria und Jesuskind im Strahlenkranz, aber anderen Rückseiten sind in Bremen sowie in Nieuwland/ Zeeland, wo es sich aus dem Kontext auf vor 1532 datieren lässt, gefunden worden. Ein Kopf mit Tiara wurde in Lippstadt gefunden 30 . (Abb. 14) Durch den Kopfschmuck ist er leicht als zu einem heiligen Papst gehörig identifizierbar. Ein unversehrtes Parallelstück aus Maastricht lässt auch eine zunächst unplausible Ausbuchtung an der Wange als abgebrochenen Ansatz eines Hornes erkennen und deutet auf den hl. Cornelius 31 . In den Niederlanden werden im allgemeinen die Corneliuspilgerzeichen mit dem ostflandrischen Wallfahrtsort Ninove in Verbindung gebracht 32 , doch ist zu fragen, ob nicht auch die Aachen benachbarte Benediktinerabtei Kornelimünster ein Kandidat ist. Eindeutig ebenfalls der hl. Cornelius ist auf einer runden einseitigen Scheibe aus einer Blei-Zinn-Legierung dargestellt, von welcher der Fundort unbekannt ist, die aber zum Altbestand der Sammlung des Westfälischen Landesmuseums gehört, der im 19. Jahrhundert zusammengekommen ist 33 . (Abb. 15) Da kein Grund erkennbar wäre, dieses Stück gezielt anzukaufen, ist eher davon auszugehen, dass es ein Fundstück in der Region war. Hier ist der Heilige auf die wesentlichsten Attribute: Tiara, Horn und Kreuzstab reduziert. Vergleichsweise gut, auch wenn nicht vollständig erhalten, ist ein Rechteck aus Geseke (Kr. Soest) mit thronender Muttergottes mit Jesuskind links und vor ihr die Heiligen Drei Könige, die durch Kronen auf den Häuptern 30 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38394Mz. 31 Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 53 Abb. 1078. 32 Ebd., S. 253 - 254. Für Kornelimünster werden dort nur in technisch völlig anderer Form hergestellte Stücke aus dem ausgehenden Mittelalter gelten gelassen. 33 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 34511Mz. Pilgerzeichen in Westfalen 115 <?page no="116"?> auch in der reduzierten Form als solche identifiziert sind 34 . (Abb. 16) Durch die in den Händen gehaltenen Deckelgefäße sind sie leicht als die Drei Heiligen Könige auszumachen. Es liegt auf der Hand, dass es sich um ein Pilgerzeichen aus Köln handelt, von wo es eine ganze Reihe von Pilgerzeichen in ähnlicher Form gibt 35 . Nicht ganz so einfach ist es bei einem relativ kleinen Fragment aus Lippstadt, das zwei Beine unter einer gerauteten Fläche zeigt 36 . (Abb. 17) In der Mitte der Rauten befindet sich jeweils ein Punkt. Die Rautenfläche muss zur Darstellung eines Gewandes und könnte zu einem Jesuskind im Kontext eines Marienpilgerzeichens gehören. So ist das Gewand bei dem Jesuskind eines Fundstücks aus Dordrecht, auf das ich schon vorher verwiesen habe, recht ähnlich 37 . Allerdings sind die Beine bei unserem Stück länger. Ähnlichkeit findet sich auch zu einem von drei Königen auf einem Pilgerzeichen, das in Magdeburg gefunden wurde. Einer der drei ist kleidungsmäßig von den anderen differenziert 38 . Ein weiteres Fragment ist als Stirnbereich mit Ansatz einer Mitra erkennbar 39 . (Abb. 18) Auf Grund von Vergleichsfunden aus Brügge lässt es sich dem heiligen Thomas Becket zuordnen 40 . Ziemlich chancenlos ist in dieser Hinsicht ein Fragment der Stadtarchäologie Soest, weil außer Gewandfalten nichts anderes erkennbar ist. (Abb. 19) Unsicherheit besteht bei einem Ausschnitt aus einer Gewandung, bei der ein gerauteter Streifen extra hervorgehoben ist, aus Erwitte-Bad Westernkotten (Kreis Soest) 41 . (Abb. 20) Eventuell ist dies als ein Teil der Gewandung des hl. Jodocus ansprechbar 42 . Einige Stücke konnten bisher nicht identifiziert werden. Dazu gehört der in Lippstadt gefundene Kopf eines Heiligen mit Nimbus und zweizipfeligem Bart 43 . (Abb. 21) Mit längerem Bart wird z. B. der Eremit Antonius dar- 34 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 29393Mz. 35 Ursula Hagen , Die Wallfahrtsmedaillen des Rheinlandes in Geschichte und Volksleben (Werken und Wohnen. Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland 9, Köln 1973). - Haasis-Berner , Pilgerzeichen (wie Anm. 7), S. 168 - 180. - Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 256 - 259. 36 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38113Mz. 37 Vgl. oben Anm. 9. 38 Otto Friedrich Gandert , Ein romanisches Pilgerzeichen aus dem mittelalterlichen Magdeburg, in: Wilhelm Unverzagt zum 60. Geburtstag dargebracht am 21. Mai 1952. Frühe Burgen und Städte, Beiträge zur Burgen- und Stadtkernforschungen (Berlin 1954), S. 168 - 173, dort: S. 171 f. 39 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38395Mz. 40 Vgl. Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 297, Abb. 1275. 41 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38361Mz. 42 Vgl. Heilig en Profaan 2 (wie Anm. 3), S. 274, Abb. 1172 - 1173. 43 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38770Mz. Peter Ilisch 116 <?page no="117"?> Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22 Pilgerzeichen in Westfalen 117 <?page no="118"?> gestellt, dessen Kult in Westfalen allerdings erst im 14. Jahrhundert einsetzt. Langbärtig dargestellt wurde auch der durchaus populäre Täufer Johannes. Bei unserem Objekt scheint der Heilige seitlich des Kopfes etwas mit der Hand zu halten. Schwer zu deuten ist auch der Kopf eines oder einer Heiligen auf einem Throngestühl aus Lippstadt-Bökenförde 44 . (Abb. 22) Bei den bisher vorgestellten Pilgerzeichen handelte es sich mit wenigen Ausnahmen um Stücke aus Flachguss in Blei oder Zinn. Sie dürften aus dem 13./ 14. Jahrhundert stammen. Dass diese Materialgruppe hier besonders breit vorkommt, hat zwei Gründe. Zum einen stammt das meiste Material aus mittelalterlichen Wüstungen. Der Wüstungsprozess läuft im 14. Jahrhundert weitgehend aus, so dass spätere Objekte dort kaum noch vorkommen. Zum anderen haben diese Stücke noch eine relativ große Dicke, die ein Überleben leichter macht als bei den späteren filigranen Gittergüssen. Dementsprechend sind solche in Westfalen extrem selten. Zwei verschiedene Herstellungstechniken liefen im Spätmittelalter bei unterschiedlichen Gewerken parallel, zum einen die Prägung in Brakteatentechnik, zum anderen der Gitterguss in Zinn. Bei der Brakteatentechnik wurde ein Blech, überwiegend Bronze, vermutlich vorherrschend das goldfarbene Messing, hohl geprägt. Durch am Rand angebrachte Lochungen waren sie auf der Kleidung aufnähbar. Wegen der Dünnheit des Blechs sind solche Stücke leicht zerbrechlich und zum anderen stärker der Bodenkorrosion ausgesetzt. Solche Stücke sind bisher nur bei Grabungen hinter dem Dom in Münster nachgewiesen 45 . Alle sind fragmentiert. Dem Kontext nach stammen sie aus dem ausgehenden Mittelalter. Zum einen handelt es sich um einen Brakteaten mit Muttergottesdarstellung und lesbarem SANCTA, zu dem die Fortsetzung fehlt 46 . (Abb. 23) Anzunehmen ist, dass sich in der nicht erhaltenen Hälfte noch die hl. Anna befunden hat, deren Kult im späten 15. Jahrhundert in Westfalen blühte. Möglich, jedoch nicht nachweisbar ist eine Herkunft aus dem Wallfahrtsort Düren im Rheinland. Ein zweiter Bronzebrakteat zeigt einen stehenden Heiligen mit Tau- Kreuz 47 . (Abb. 24) Die gotische Fraktur-Umschrift ist nur als Anfang und Ende erhalten, nämlich S für Sanctus und Alie. Auf Grund der Darstellung ist dies leicht zu S. Antonius Wesalie zu ergänzen. In Wesel war im Spätmittelalter einer der Schwerpunkte der Verehrung des hl. Antonius mit entsprechender Wallfahrt. 44 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 38851Mz. 45 Vgl. Peter Ilisch , Devotionalienfunde vom Horsteberg in Münster, Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 6/ A (1988), S. 367 - 371. 46 Archäologie für Westfalen Dep., Inv.-Nr. F-1751Mz. 47 Archäologie für Westfalen Dep., Inv.Nr. F-1480Mz. Peter Ilisch 118 <?page no="119"?> Abb. 23 Abb. 25 Abb. 26 Abb. 24 Pilgerzeichen in Westfalen 119 <?page no="120"?> Ein drittes Bronzepilgerzeichen ist nur als kleines Fragment überliefert, jedoch auf Grund einiger ikonografischer Besonderheiten identifizierbar 48 . (Abb. 25) Von der Umschrift lesbar ist nur ein T mit nachfolgendem Abkürzungszeichen, das als Rest eines SANCTVS zu deuten ist. So sieht man die Füße eines Heiligen über einem quadrierten Wappenschild und an dessen Seite eine Krone, auf die der untere Teil eines Stabes hinweist. Normalerweise befinden sich Kronen nicht auf der Erde, sondern auf Köpfen oder Wappen, in jedem Fall oben. Wenn eine Krone unten dargestellt wird, dann, weil sie abgelegt wurde. So ist der heilige Jodocus identifizierbar und das Wappen als das der Grafschaft Ravensberg erkennbar, die mit Jülich- Berg verbunden war. Damit ist die Brücke zum Jostberg bei Bielefeld zu schlagen, da Kultorte des hl. Jodocus nicht so häufig waren. Ein Gitterguss ist bei Ausgrabungen in der Altstadt von Höxter gefunden worden. 49 Er zeigt den hl. Vitus stehend in einem Bogen mit einem Palmzweig als Attribut. Nach der Antiquaschrift zu seinen Füßen muss es zu Beginn des 16. Jahrhunderts kurz vor der Reformation entstanden sein. Zwei weitere Gittergüsse gehören zum Altbestand des Westfälischen Landesmuseums. Sie wurden 1883 bei Kanalisierungsarbeiten der Aa entdeckt, die die Altstadt Münster durchzieht. Das eine Zeichen zeigt die stehende Muttergottes zwischen zwei Engeln, die Kerzen halten 50 . Sie beziehen sich auf die Verkündigung Mariens. Das zweite Pilgerzeichen zeigt Johannes den Täufer in der im Spätmittelalter üblichen Form. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt es aus Werben (Sachsen-Anhalt) 51 . Auffällig ist, dass in Westfalen hergestellte Pilgerzeichen in der Region selber nicht gefunden werden 52 . Resumen: „ Signos de peregrinación en Westfalia “ En la Edad Media había también gente procedente de la misma Westfalia que iba de peregrinación. Igual que en otras partes, estos peregrinos se identificaban mediante un signo expuesto en sus vestidos. Sin embargo, no existen tantas pruebas como en otros países, como por ejemplo en los Países Bajos. La razón es la falta de suelos blandos en 48 Archäologie für Westfalen Dep., Inv.-Nr. F-1752Mz. 49 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. 31870Mz; vgl. Hans-Georg Stephan , Neugefundene Devotionalien aus Westfalen, in: Festgabe Peter Berghaus zum 50. Geburtstag dargebracht aus dem Kreise seiner Studenten (Münster 1969), S. 57 - 62, bes. S. 57 - 59. 50 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. V272. 51 Haasis-Berner , Archäologische Funde (wie Anm. 1), S. 350; Fritz Wolff , Die Glocken der Provinz Brandenburg und ihre Gießer, Denkmalarchiv der Provinz Brandenburg (Berlin 1920), S. 28. Zur Herkunft dieses Zeichens und möglicherweise auch des zuvor erwähnten Marienzeichens vgl. den Beitrag von Hartmut Kühne in diesem Band. 52 Westfälisches Landesmuseum, Inv.-Nr. V271. Peter Ilisch 120 <?page no="121"?> Westfalia, donde tales objetos frágiles podrían sobrevivir. No obstante, en Westfalia también se han descubierto fragmentos de insignias - en la mayoría de los casos en prospecciones, y rara vez mediante excavaciones - que muestran que también en Westfalia tenían lugar movimientos de peregrinación. La mayoría de las piezas que han sido descubiertas son fragmentos de insignias de una fundición de plomo y estaño que, a causa de su estructura relativamente compacta, han podido sobrevivir mejor que las procedentes de una fundición de rejillas. La mayoría de los fragmentos se puede clasificar comparándolos con piezas mejor conservadas de otros lugares. Existen piezas en relativo buen estado como la de los Reyes Magos de Colonia o el San Leonardo de Saint-Léonard-de-Noblat. En la mayoría de los casos se trata de insignias de peregrinación mariana. También del San Servatius existe más que una prueba. En Westfalia no se ha podido demostrar, hasta el momento, la existencia de insignias de peregrinación. Pilgerzeichen in Westfalen 121 <?page no="123"?> Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen am Beispiel der Pilgerzeichen aus Aachen und Köln von Carina Brumme Die Analyse der räumlichen Verteilung von Artefakten ist in der Archäologie schon lange ein probates Mittel, um die Verbreitung von Kulturen zu erfassen, politische und ökonomische Beziehungen aufzuzeigen oder Wanderbewegungen nachzuvollziehen. Die räumliche Beziehung zwischen dem Fundort eines Objektes und seinem Herstellungs- oder Emissionsort verrät viel über den Wert, den es für seinen Besitzer hatte - gerade bei Gegenständen mit einem ideellen oder religiösen Wert. Man kann diesen Zusammenhang wohl auf diese Formel reduzieren: Je größer die Entfernung zwischen der ursprünglichen Emissionsstelle und dem Fundort ist, desto größer war auch der Wert des Objektes in den Augen seines Besitzers. Das bedeutet weiterhin: Je mehr Fundstücke eines Herkunftsortes in einer Distanz angetroffen werden, die den Radius alltäglicher Mobilität seiner Bewohner deutlich übersteigt, umso beliebter war das Objekt. Handelt es sich dabei um ‚ Souvenirs ‘ , dann zeigen sie den Grad der Beliebtheit des Herkunftsortes an. Die insbesondere im Spätmittelalter an vielen Wallfahrtsorten ausgegebenen Pilgerzeichen 1 waren zweifelsohne Objekte, die vor allem einen ideellen Wert im Sinne solcher Souvenirs besaßen - daher besteht für Gnadenorte eine direkte Proportionalität zwischen der Größe des Verbreitungsraums ihrer Pilgerzeichen und ihrer Popularität. 1 Kleine Metallgüsse zumeist aus einer Bleizinnlegierung, die seit dem ausgehenden Hochmittelalter an verschiedenen Wallfahrtsorten verkauft wurden. Jeder Wallfahrtsort gab seine eigenen, individuell gestalteten Zeichen heraus, so dass es möglich ist, diese ihrem ursprünglichen Herkunftsort zuzuweisen. Die Pilger kauften die Zeichen und befestigten sie an ihrer Kleidung, auf diese Weise gelangten sie in die Heimat ihres Trägers und erlauben heute Aussagen über das Wirkungsgebiet des Wallfahrtsortes. Mittlerweile gibt es umfangreiche Literatur zu diesem Thema; eine Übersicht über selbige sowie einen Großteil der heute bekannten Zeugnisse sind in zwei online verfügbaren Datenbanken zusammengestellt. Siehe Anm. 3. <?page no="124"?> Während die Quantität der materiellen Überlieferung bei den Pilgerzeichen aus verschiedenen Gründen, wie der allzu leichten Vergänglichkeit der fragilen Stücke oder der möglichen Wiederverwendung als Sekundärrohstoff, als Bewertungsgrundlage für die Bedeutung des zugehörigen Wallfahrtsortes nur eingeschränkt taugt, erlaubt ein Vergleich der Verbreitungsräume und der Verteilungsmuster durchaus fundierte Aussagen 2 . Die folgenden Ausführungen illustrieren dies am Beispiel der Pilgerzeichen zwei der bedeutendsten spätmittelalterlichen Wallfahrtszentren im deutschsprachigen Raum - Aachen und Köln 3 . 1. Die Entwicklung des abendländischen Wallfahrtswesens Vorangestellt seien noch einige, die allgemeine Entwicklung der Verbreitungsräume der abendländischen Pilgerzeichen betreffende Beobachtungen 4 . (Abb. 1) Denkt man sich das christliche Abendland grob vereinfacht als ein Oval, dann entstanden die ersten Wallfahrtsorte, namentlich Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela, an der südlichen und westlichen Peripherie dieses Ovals. Die Pilgerzeichen dieser Orte finden sich weit verstreut fast im gesamten Einflußbereich des Christentums, was vor allem in der Absenz anderer Gnadenstätten zu dieser Zeit gründet. Mit der Ausbreitung des Christentums nach Nordosten entstanden im Hochmittelalter neue Wallfahrtsorte an den Auslegern der Santiagowege, die ebenfalls vor allem von Pilgern aus dem Nordosten besucht worden. Der 2 Carina Brumme , Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsräume, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4, Berlin 2008), S. 127 - 142. 3 Die folgende Betrachtung basiert im Wesentlichen auf dem Material, das in den Internetdatenbanken des Wallfahrtsprojektes am Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin unter: http: / / www.pilgerzeichen.de. (folgend als PZDB) und des vom kunstgeschichtlichen Lehrstuhl von Jos Koldeweij der Faculteit der Letteren der Radboud Unviversiteit Nijmwegen geführte Kunera-Datenbankprojektes unter: http: / / www.let.ru.nl/ ckd/ kunera (folgend als Kunera) gesammelt und online publiziert wird. Weiterhin wird auf die Pilgerzeichenkartei Kurt Kösters (künftig zitiert als PZK) im Deutschen Glockenarchiv (DGA) im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zurückgegriffen. Aufgrund der Menge von über 300 entsprechenden Zeugnissen wird hier auf die vollständige Auflistung der einzelnen Nachweise verzichtet. Entsprechende Vermerke werden im Folgenden nur bei den explizit genannten Einzelstücken gemacht, die übrigen Zeugnisse sind anhand der genannten online- Ressourcen nachvollziehbar. 4 Carina Brumme , Das spätmittelalterliche Wallfahrtswesen im Erzstift Magdeburg, im Fürstentum Anhalt und im sächsischen Kurkreis (Europäische Wallfahrtsstudien 6, Frankfurt 2010), S. 348 - 350. Carina Brumme 124 <?page no="125"?> interregionale Wallfahrtsverkehr mit Reichweiten von über 300 Kilometern behält diese Ausrichtung nach Südwesten während des gesamten Mittelalters bei. Daher befinden sich die zugehörigen Wallfahrtsorte in der Regel im Westen des Verbreitungsraumes der von ihnen emittierten Pilgerzeichen. Dies zu wissen, ist besonders hilfreich bei der Zuordnung nichtidentifizierter Stücke, die eine überregionale Verbreitung markieren. Es gibt im mittel- und nordeuropäischen Raum eine einzige Ausnahme: Die Drei-Hostienzeichen der brandenburgischen Wunderblutstätte Wilsnack bilden einen annähernd konzentrischen Verteilungskreis um die Wallfahrtsstätte, da Wilsnack - ganz atypisch - auch Pilger aus dem Südwesten anzog 5 . Nachdem das Christentum im Spätmittelalter auch nordöstlich des Rheins endgültig Fuß gefasst hatte, kam es besonders im 15. Jahrhundert zu einer immensen Zunahme von Gnadenstätten, die bis auf wenige Ausnahmen aber nur von regionaler Bedeutung waren und deren Pilgerzeichen nur in einem Umkreis bis ca. 100 Kilometer angetroffen werden. Die Verbreitung ihrer Pilgerzeichen zeigt den Besuch von Pilgern vor allem aus der näheren Umgebung an. Da diese Nahwallfahrten in der Regel unabhängig von den Fernwallfahrten stattfanden 6 , zeigen ihre Wirkungskreise auch keine spezielle Ausrichtung. Die Wallfahrtsorte befinden sich deshalb annähernd im Zentrum der Verbreitungsräume ihrer Pilgerzeichen. 2. Die Entwicklung der Aachener und Kölner Wallfahrt 2.1 Methodische Überlegungen Die Wallfahrten nach Aachen und Köln begannen im ausgehenden Hochmittelalter. Wenn man die Gesamtheit der zugehörigen Fundstellen aller in der Zeit vom 13. Jahrhundert bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts hier ausgegebenen Pilgerzeichen summarisch betrachtet, dann wird deutlich: Die Lage beider Wallfahrtsorte innerhalb der so bezeichneten Wirkungskreise entspricht dem typischen Verbreitungsschema im Hochmittelalter initiierter Wallfahrten. Attraktiv waren und blieben beide Orte also primär für Pilger, die aus den Gebieten östlich des Rheins stammten. (Abb. 2 und 3) 5 Ebd., S. 349 f. 6 Anders verhält es sich mit kleineren Wallfahrtstätten, die an den Zubringern zu den großen Kultstätten entstanden. Die durchreisenden Fernwallfahrer kauften auch an diesen Orten Zeichen und trugen sie über weite Entfernungen. Beispiele hierfür sind der Jakobsberg bei Höxter oder auch Sternberg, vgl. dazu auch den Beitrag von Hartmut Kühne in diesem Band. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 125 <?page no="126"?> Abb. 1: Schema der räumlichen Verbreitung der Pilgerzeichen im Hoch- und Spätmittelalter Carina Brumme 126 <?page no="127"?> Abb. 2: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen, 13. Jahrhundert bis zur vierten Dekade des 16. Jahrhunderts Abb. 3: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln, 13. Jahrhundert bis zur vierten Dekade des 16. Jahrhunderts Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 127 <?page no="128"?> Die Verbreitungsgebiete beider Orte zeigen dabei hinsichtlich ihre Größe und ihre Lage große Übereinstimmung. Die enorme Reichweite der Wirkungskreise mit vereinzelten Funden in weit über tausend Kilometer Distanz ist ein untrüglicher Indikator für die überregionale Popularität, der sich Aachen und Köln gleichermaßen erfreuten. Der Grund für den Erfolg beider Wallfahrtsorte dürfte in den spektakulären Reliquienschätzen zu suchen sein, die an beiden Orten verwahrt und während großer Heiltumsschauen den Pilgern gezeigt wurden 7 - insbesondere das Aachener Mariengewand und die Schädelreliquien der Heiligen Drei Könige in Köln. Aachen beanspruchte zudem das Recht, einen vollständigen Ablass gewähren zu dürfen, der auf die legendäre Kirchweihe des Aachener Marienmünsters zurückgeht. Eigentlich handelte es sich nur um eine gewöhnliche Sammelindulgenz, die aber durch das legendäre Hinzutreten zweier, explizit zur Gewährung dieses Ablasses ihren Gräbern entstiegenen Maastrichter Bischöfe, Monulphus und Gondulphus, zur Plenarindulgenz aufgewertet wurde 8 . Seit der Initiierung der beiden Gnadenstätten bis zu ihrem vorübergehenden Niedergang in der dritten Dekade des 16. Jahrhunderts waren Hunderttausende an den Niederrhein gepilgert. Während dieses Zeitraumes gab es Phasen großen Erfolges und Wachstums, aber auch solche der Stagnation und der Regression. Dies wird ersichtlich, wenn man die Funde entsprechend ihrer Datierung in verschiedene Zeiträume unterteilt, dieses Ergebnis kartiert und so die Ausbreitung chronologisch betrachtet. Das Fundspektrum der Kölner und Aachener Pilgerzeichen ist hierfür im Vergleich zu anderen Wallfahrtsorten im Regnum aus verschiedenen Gründen besonders geeignet. Zunächst gibt es eine durchgängige Präsenz von Funden für das gesamte Spätmittelalter. Weiterhin weisen die Zeichen ein einzigartig vielfältiges typologisches Spektrum auf, was die zeitliche Differenzierung erheblich erleichtert. Schließlich steht mit über 150 Exemplaren pro Ort, darunter eine beachtliche Anzahl datierter Glockenangüsse, eine überdurchschnittlich große Zahl an Funden zur Verfügung, mit deren Hilfe eine zuverlässige Chronologie erstellt werden kann 9 . Die Abgrenzung dieser Teilzeiträume orientiert sich, um die Resultate der Untersuchung stimmig in den historischen Kontext einordnen zu können, an markanten Daten aus der Geschichte der Aachener und der Kölner Wallfahrt sowie deren Korrelation mit externen relevanten Ereignissen. 7 Hartmut Kühne , Ostensio reliquiarum. Untersuchungen über Entstehung, Ausbreitung, Gestalt und Funktion der Heiltumsweisungen im römisch-deutschen Regnum (Arbeiten zur Kirchengeschichte 65, Berlin/ New York 2000), S. 153 - 197, S. 250 - 260. 8 Ebd., S. 163. 9 Neben Aachen und Köln ist bisher nur für das brandenburgische Wilsnack eine solche immense Menge an überlieferten Exemplaren bekannt. Siehe Kunera und PZDB (wie Anm. 3). Carina Brumme 128 <?page no="129"?> Ungeachtet diverser sozialer und wirtschaftlicher Faktoren 10 gab es im Spätmittelalter zwei kirchengeschichtliche Ereignisse, die in erheblichem Maße die Stellung des Wallfahrtswesens innerhalb der Heilsvermittlung der mittelalterlichen Kirche aufgewertet haben. Als Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1300 das erste römische Jubeljahr ausrief 11 , erzeugte dies ein starkes Echo und brachte unzählige Gläubige nicht nur auf den Weg nach Rom. Etwa hundert Jahre später kam es unter dem Pontifikat Papst Bonifaz IX. zu exorbitanten Ablassexporten, die zu einer neuerlichen Expansionswelle des abendländischen Wallfahrtswesen führten, vor allem zu einer extremen räumlichen Verdichtung durch die Entstehung zahlreicher regional wirksamer Gnadenstätten 12 . Auch im Kölner und Aachener Wallfahrtsbetrieb vollzogen sich etwa zu diesen Zeiten bedeutsame Wandlungen. Das Einsetzen der Heiltumswei- 10 Die spätmittelalterliche religiöse Mobilität war längst nicht nur von der Frömmigkeit der Pilger motiviert. Hinzu traten eine ganze Reihe weltlicher Motive, die in nicht unerheblichem Maße zur Blüte des Phänomens beigetragen haben, wohl aber weniger als primäre, treibende Kräfte, sondern vielmehr als resultierende Wahrnehmung von Chancen zu begreifen sind. Beispielsweise dienten Heiliglandfahrten den Adligen als Abenteuertouren, vgl. Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 300 f. Reiche Patrizier unternahmen regelrechte Bildungsreisen, vgl. z. B. Friedrich Emil Weltli , (Hg.), Hans von Waltheyms Reisen durch die Schweiz im Jahre 1474 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 25, 1920), S. 89 - 154. Besitzlose sicherten sich mit permanenter Pilgerschaft das Überleben, vgl. Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 267 - 272. Zu diesen Gründen treten die Interessen jener, welche die Kultstätten betreuten, in deren Nähe lebten bzw. die Heiltümer verwalteten. Das Schank- und Herbergswesen profitierte pekuniär wohl am meisten von einer gut besuchten Wallfahrt. Auftragswallfahrer und Bettler konnten hier ihren Lebensunterhalt bestreiten. Gut dokumentiert ist dies z. B. in der Synodalrede des Magdeburger Dompredigers Heinrich Tocke von 1451, in der er sich ausführlich zu den Geschehnissen am und um die Wunderblutverehrung in Wilsnack äußert: Ernst Breest , Synodalrede des Domherren Dr. Heinrich Tocke, (Blätter für Handel, Gewerbe und soziales Leben, Beiblatt zur Magdeburgischen Zeitung Nr. 22/ 23, 1882), S. 167 - 180. Schließlich sei noch erwähnt, dass die Ausstellung eigener Reliquienschätze wie an der Schlosskirche in Wittenberg durch Friedrich den Weisen und seinen Bruder Johann den Beständigen auch der Zurschaustellung von Macht und Reichtum diente, vgl. Livia Cárdenas , Friedrich der Weise und das Wittenberger Heiltumsbuch. Mediale Repräsentation zwischen Mittelalter und Neuzeit (Berlin 2002); Stefan Laube , Zwischen Hybris und Hybridität. Kurfürst Friedrich der Weise und seine Reliquiensammlung, in: „ Ich armer sundiger mensch “ . Heiligen- und Reliquienkult am Übergang zum konfessionellen Zeitalter, hg. von Andreas Tacke , (Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt 2, Göttingen 2006), S. 170 - 207. 11 Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 642 f. 12 Hartmut Kühne , Art. Wallfahrt/ Wallfahrtswesen V, (Kirchengeschichtlich), in: TRE 35 (2003), S. 423 - 430, dort S. 427 f. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 129 <?page no="130"?> sungen in Aachen spätestens 1312 13 markiert einen Wendepunkt hin zu einer neuen Qualität im Kultgeschehen und war mit großer Sicherheit auch für eine erhöhte Besucherfrequenz verantwortlich. Durch die geographische Nähe zu Köln ist dies auch für die dortige Wallfahrt nicht ohne Folgen geblieben. Dass es einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Erfolg Aachens und dem Erfolg Kölns gegeben hat, wobei Aachen wohl als Motor dieser Entwicklung gelten kann 14 , sieht man etwa 90 Jahre später: Seit 1398 wurden auch am Kölner Dom Heiltumsweisungen abgehalten, die synchron zum Siebenjahresrhythmus der Aachenfahrt stattfanden 15 . Aufgrund der Konzentration der relevanten Multiplikatoren auf die Jahrhundertwenden zum 14. Jahrhundert beziehungsweise zum 15. Jahrhundert, wird der gesamte Betrachtungszeitraum in drei Abschnitte geteilt, deren Abgrenzung untereinander zu Beginn und zum Ende des 14. Jahrhunderts erfolgt. Diese Unterteilung geht annähernd mit dem chronologischen Verlauf der Typologie der Aachener und Kölner Pilgerzeichen konform. Eine jahrgenaue Datierung ist maximal ante quem bei den datierten Glockenabgüssen möglich. An den Übergängen der Betrachtungszeiträume kommt es daher zwangsläufig zur Überschneidung zwischen einzelnen Typen. Wenn diese relevant sind, ist dies in die Kartierung eingeflossen. Auf eine wirkliche Feinchronologie wurde allerdings verzichtet, denn die Fülle des Materials erfordert dafür eine deutlich feingliedrigere Darlegung, die Gegenstand einer separaten Untersuchung sein sollte. Die aus dieser Verfahrensweise resultierende leichte Unschärfe kann für die hier aufgeworfene Frage nach den Entwicklungstendenzen der Wallfahrten nach Aachen und Köln m. E. guten Gewissens vernachlässigt werden. 13 Kühne, Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 157. 14 Zur Bedeutung Aachens für die mitteldeutschen Todschlagsühnen, siehe weiter unten im Text. 15 Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 252 f. Die Gleichzeitigkeit der Hochfeste blieb nicht auf Aachen und Köln beschränkt; daneben synchronisierten auch andere Wallfahrtsorte ihre Weisungen mit dem Rhythmus der Aachenfahrt: Maastricht, wahrscheinlich ab 1391, ebd., S. 217; Kornelimünster, belegbar seit 1359, ebd., S. 199 ff., sowie im ausgehenden Spätmittelalter die Weisung des Annenhauptes in Düren ab 1510, ebd., S. 474 und die Weisung des Heiligen Rockes am Trierer Dom ab 1517, ebd., S. 507. In dieser zeitlichen Engführung des Gnadenangebotes und der physischen Sichtbarkeit der Reliquienschätze gründet die Exklusivität dieser eben nicht, wie bei den zahllosen kleineren Wallfahrtsstätten mit beispielsweise Mariengnadenbildern, beliebig verfügbaren Heiltümern. Analog den römischen Jubiläen bewirkte die lediglich temporäre Zugänglichkeit der derart verbundenen Kultlandschaft am Niederrhein ihren besonderenStatus. Carina Brumme 130 <?page no="131"?> 2.2 Die Verbreitungsräume Aachener und Kölner Pilgerzeichen bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts Bis zum Einsetzen der Weisungsfeierlichkeiten kurz vor oder spätestens 1312 16 wurden in Aachen die für diese Zeit typischen kleinformatigen, hochrechteckigen und kompakten Flachgüsse 17 an die Besucher verkauft, die oben mit einem meist dreieckigen bisweilen auch halbrunden Giebel abschließen. Ihre Ikonographie könnte auf das Marienbild am Marienschrein oder auf ein im Aachener Münster verehrtes Gnadenbild der Gottesmutter zurückgehen. Die Zeichen zeigen eine thronende Madonna mit Lilienzepter auf eine Bankthron mit dem Jesuskind zu ihrer Linken. Trotz ihrer unspezifischen Marienikonographie ist die Zuweisung der Zeichen nach Aachen gewiss 18 . Die Streuung dieses Typus verdeutlicht diese Zuordnung: wenigstens 40 solcher Objekte aus dem 13. und dem beginnenden 14. Jahrhundert sind derzeit bekannt. Die Fundplätze liegen weit verstreut in Deutschland, England, Polen, Böhmen, den Niederlanden und Belgien. Dass sich Aachen ganz im Westen des so markierten Verbreitungsgebietes befindet, spricht zusätzlich für die Herkunft aus Aachen, da dies, wie eingangs erwähnt, der typischen Verteilung überregional wirksamer Gnadenstätten im Mittelalter entspricht und keine andere bekannte Wallfahrtsstätte mit marianischem Gnadenbild zu diesem Zeitpunkt so erfolgreich war wie Aachen 19 . (Abb. 4) 16 Auch wenn das erste römische Jubiläum 1300 den Zeitpunkt des ersten Wandels im spätmittelalterlichen Wallfahrtswesen verkörpert, ist es doch sinnvoll, der typologischen Chronologie der Pilgerzeichen zu folgen und auch noch die erste Dekade des 14. Jahrhunderts in diesen ersten Abschnitt einzubeziehen. Das Jubiläum hat ohne Zweifel maßgeblich auf den Aachener Wallfahrtsbetrieb gewirkt. Im Einsetzen der Heiltumsweisungen um 1312 zeigt sich das Resultat dieser Wirkung, was wiederum auch in der veränderten Gestalt derjenigen Zeichen fassbar wird, die nach dem Wandel im Kultgeschehen hergestellt worden sind. Siehe dazu weiter unten im Text. 17 Andreas Haasis-Berner , Die Pilgerzeichen des 11. - 14. Jahrhunderts. Mit einem Überblick über die europäische Pilgerzeichenforschung, in: Archäologie als Sozialgeschichte. Studien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschrift für Heiko Steuer zum 60. Geburtstag, hg. von Sebastian Brather / Christel Bücker / Michael Hoeper (Internationale Archäologie - Studia honoraria 9, Rhaden 1999), S. 271 - 277. 18 Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 45. Eine anregende Überlegung, die die unterschiedlichen Typen der frühen Aachener Pilgerzeichen auf den Aachener Marienschrein bzw. ein konkretes Aachener Gnadenbild bezieht, findet sich jetzt bei Jan Hrdina / Franti š ek Kolár ˇ / Barbora Marethová / Ale š Mudra / Pavla Skalická / Hana F. Teryngerová , Neue Pilgerzeichenfunde aus Opava (Troppau) und die Typologie der älteren Aachener Pilgerzeichen im Kontext der Zeugnisse zur Aachenfahrt aus den böhmischen Ländern im 14. Jahrhundert, in: Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine, hg. von Hartmut Kühne / Jan Hrdina / Lothar Lambacher (Europäische Wallfahrtsstudien 10, Frankfurt a. M. u. a. 2012), S. 321 - 359, bes. S. 339 - 353. 19 In diesem Zeitraum käme nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nur das nordfranzösische Boulogne-sur-Mer in Frage. Hier wurde im Mittelalter ein Gnadenbild Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 131 <?page no="132"?> Abb. 4: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts, und Aachener Flachguss, Fundort: Trier Ob ein weiterer, zeitgleich auftretender Typus ebenfalls in Aachen vertrieben wurde, steht derzeit zur Diskussion - auch in diesem Fall deuten Darstellung und Verbreitungsraum auf eine Marienverehrungsstätte am Niederrhein hin 20 . Diese Plaketten zeigen ebenfalls die thronende Gittesmutter allerdings ohne umgebendes Bildfeld. Sie sitzt im langen Gewand mit Krone und Schleier auf einem reich geschmückten Bankthron mit Thronkissen, in der rechten Hand einen Apfel haltend. Zu ihrer Linken steht der nimbierte der Gottesmutter verehrt, welches der Legende nach auf wundersame Weise in einem führerlosen Schiff die Stadt erreichte. Etliche Pilgerzeichen konnten Boulogne-sur- Mer zugewiesen werden, allerdings zeigen diese das Gnadenbild immer in Kombination mit dem Schiff, vgl. Denis Bruna , Enseignes de pelerinages et enseignes de profanes (Paris 1996), S. 83 - 87; Brian Spencer , Pilgrim Souvenirs and Secular Badges (London 1998), S. 218; Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Maria Koldeweij , Catalogus religieuze insignes, in: Heilig en Profaan. 1000 laatmiddeleuwse insignies uit collectie H. J. E. van Beuningen (Rotterdam Papers 8), hg. von Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Maria Koldeweij (Cothen 1993), S. 115 - 239, S. 216 f.; Hartmut Kühne / Carina Brumme / Stefan Krabath / Lothar Lambacher , Katalog, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher/ Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4, Berlin 2008), S. 251 - 384, S. 266 f., Nr. 8, S. 292 dort Nr. 59. 20 Entscheidende Anregungen in dieser Frage verdanke ich insbesondere dem Austausch mit Hartmut Kühne und Jörg Poettgen . Siehe Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 79 ff. Carina Brumme 132 <?page no="133"?> Jesusknabe mit Kreuznimbus, zu ihrer Rechten kniet ein Kerzen tragender Engel mit hoch aufgestellten Flügeln. Die detaillierte Ausführung, die unverkennbar die geometrische Handschrift der Romanik zeigt, wirkt im Gegensatz zu den davor beschriebenen hochrechteckigen Flachgüssen künstlerisch deutlich anspruchsvoller. Über 20 Originalfunde dieses Typus sind in Bayern, in Baden-Württemberg, in Westfalen, in Ungarn, in Böhmen und in den Niederlanden zu Tage getreten. Ihr Verbreitungsraum ist somit zwar kleiner als der des zuvor beschriebenen hochrechteckigen Typus, aber trotzdem deutlich überregional verbreitet 21 . (Abb. 5) Hinsichtlich der Lage Aachens innerhalb dieses Raumes wäre eine entsprechende Zuweisung hierher durchaus denkbar, verifizieren lässt sie sich indessen bisher noch nicht. (Siehe Anm. 18) Zudem wirft die Herstellung zweier so unterschiedlicher Typen für dieselbe Gnadenstätte zu dieser Zeit Fragen auf - denn üblicherweise war die Gestaltung der Zeichen der jeweiligen Gnadenstätten recht homogen, wohl nicht zuletzt eines durchaus gewollten Wiedererkennungswertes wegen. Abb. 5: Verbreitung der vermutlich aus Aachen stammenden Pilgerzeichen mit thronender Gottesmutter, Glockenabguss aus Piscaborn (Sachsen-Anhalt) Die Tatsachen, dass die beiden unterschiedlichen Typen (die Flachgüsse und die rahmenlose Figur), gleichzeitig im Umlauf gewesen sind, spricht m. E. gegen die mögliche Annahme, diese Heterogenität sei ein Reflex auf die 21 Ebd. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 133 <?page no="134"?> Zerstörung des Aachener Gnadenbildes im Jahre 1237 und seine anschließende Erneuerung, die sich dann in der Gestaltung eines neuen Pilgerzeichentypus niederschlage. Auffällig ist zudem die qualitative Differenz zwischen den beiden Typen, die nur als Folge der Herstellung durch unterschiedliche Künstler und auch in verschiedenen Werkstätten denkbar ist 22 . Letztlich bleiben m. E. zwei denkbare Szenarien: entweder, eine bisher unbekannte, zeitgleich mit Aachen wirksame und zudem ebenfalls sehr erfolgreiche marianische Kultstätte am Niederrhein hat diese Zeichen ausgegeben oder aber, beide Typen stammen tatsächlich aus Aachen. Träfe Letzteres zu, wäre davon auszugehen, dass hier von Beginn an Zeichen in unterschiedlicher Qualität und damit vielleicht auch von unterschiedlichem Wert ausgegeben wurden. Deutlich klarer stellt sich in diesem Zeitraum die Situation der Zeichen der Kölner Drei-Königsfahrt dar: Die Ikonographie ist ebenso singulär wie homogen und verweist so eindeutig auf Köln als Herkunftsort. Die Pilgerzeichen zeigen ohne Ausnahme die Heiligen Drei Könige gegenüber der thronenden Gottesmutter mit Jesuskind. Die Form der frühen Kölner Zeichen gleicht der der Aachener Exemplare, auch sie wurden ganz ähnlich als hochrechteckige Flachgüsse mit Dreiecksgiebeln ausgeführt. Der Wirkungsraum reicht ebenfalls weit nach Nordosten und stimmt im Wesentlichen mit dem für Aachen dargelegten Befund überein. (Abb. 6) Es gibt auch einige Unterschiede, am markantesten ist wohl das Fehlen von Kölner Zeichen in Danzig, während Aachener Exemplare dort auch in dieser frühen Phase schon zahlreich vertreten sind; ein Faktum, das allerdings mit großer Sicherheit dem Forschungstand geschuldet ist 23 . Umgekehrt 22 Dass Gnadenstätten Zeichen unterschiedlichen Wertes (materialiter) und Machart ausgaben und hierfür verschiedene Werkstätten beauftragten, ist zumindest für die Zeit um 1500 bezeugt. So berichten die Rechnungsbücher von Grimmenthal, einer ab dem Ende des 15. Jahrhunderts aktiven Marienwallfahrtsstätte im Herrschaftsgebiet der Grafen von Henneberg-Schleusingen, über die Vergabe von Aufträgen an einen Zeychenmacher für die Produktion wohlfeiler Stücke aus einer Bleizinnlegierung und an einen Goldschmied für die Herstellung von Zeichen aus Edelmetall, vgl. Johannes Mötsch , Die Wallfahrt zum Grimmenthal. Urkunden, Rechnungen, Mirakelbuch (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Thüringen Größe Reihe, 10, Köln 2004), S. 45 f., S. 54 f. und S. 292. 23 Auf der Speicherinsel in Danzig wurden bei den seit 1973 andauernden archäologischen Untersuchungen etwa 160.000 Kleinfunde im Schlamm entdeckt, darunter auch ca. 750 Pilgerzeichen. Einige wenige Stücke, darunter auch Aachener Flachgüsse, wurden in der bisher einzigen Publikation zu diesem Fund veröffentlicht. Anna Paner / Henryk Paner , Gdan´ szczanie na pielgrzym-kowych szlakach w XIV i XV wieku, in: Gdan´ sk s´redniow-ieczny w s´wietle najnowszych badan´ archeologicznych i historycznych (Gdan´ sk 1998), S. 167 - 183, dort S. 179 f. Die Auswertung dieser riesigen Fundmenge dauert bis heute an. Der Danziger Stadtarchäologe Henryk Paner hat auf der internationalen Fachtagung „ Perspektiven der Europäischen Carina Brumme 134 <?page no="135"?> kamen einige frühe Kölner Pilgerzeichen auf den Britischen Inseln, in London und Huntington, zu tage 24 . Aachener Zeichen aus dieser Zeit fehlen hier. Allerdings könnte es sich dabei um ein Forschungsdesiderat handeln, oder aber um einen Hinweis auf intensivere Beziehungen zwischen Köln und den Britischen Inseln, beispielsweise durch Kaufleute - darauf wird später im Text noch eingegangen werden. Abb. 6: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts, Flachguss, Fundort: Ribe (Dänemark) Insgesamt kann für den ersten der hier betrachteten Zeiträume bis zum Einsetzen der Aachener Weisung festgestellt werden, dass die Zeichen beider Wallfahrtsorte deutlich überregionale Einflussbereiche belegen. Einige der Pilger überwanden demnach Strecken von über tausend Kilometern, um an ihr Ziel zu gelangen - folglich genossen beide Wallfahrtsorte schon in ihrer Entstehungszeit und frühen Wirkungsphase eine hohe Popularität. 2.3 Die Stagnation im 14. Jahrhundert Das 14. Jahrhundert begann im Blick auf das Wallfahrtswesen mit einem Paukenschlag in Gestalt des von Papst Bonifaz VIII. ausgerufenen ersten Pilgerzeichenforschung “ , (Prag, April 2010) erste Ergebnisse summarisch vorgestellt und dabei auch Kölner Pilgerzeichen erwähnt. 24 Spencer , Pilgrim Souvenirs (wie Anm. 19), S. 261 ff. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 135 <?page no="136"?> römischen Jubeljahrs 25 und der damit eröffneten Gelegenheit, einen vollständigen Sündennachlass zu erlangen, was seit dem Scheitern der Kreuzzugsbewegung Ende des 13. Jahrhunderts de facto nicht mehr möglich war. Der Erfolg dieses Jubiläums regte zur Nachahmung an und so entwickelten sich an einigen Kirchen im Reich ebenfalls periodische Ablasskonkurse 26 . Hierzu gehörte auch Aachen, wo 1312 die erste urkundlich fassbare Heiltumsweisung stattfand. Erwartungsgemäß hätte sich diese Neuerung in einer Expansion, also in größeren Verbreitungsräumen, niederschlagen sollen. Überraschenderweise tritt das Gegenteil ein. Bei den Aachener Zeichen des 14. Jahrhunderts fällt als erstes ihr im Gegensatz zum vorherigen Typus sowohl formal als auch ikonographisch stark verändertes Aussehen auf. Für diese Änderung ist der markante Wandel im Kultgeschehen, das Einsetzen der Heiltumsweisungen, verantwortlich, denn die Darstellung der Weisung des Mariengewandes durch zwei Kleriker ergänzt nun das bisher allein bestimmende Gnadenbild. Zudem wurden die Zeichen, wie die der anderen meisten Wallfahrtorte auch, ab dem 14. Jahrhundert in einer neuen Machart als durchbrochene Gittergüsse hergestellt. Abb. 7: Verbreitung der Aachener Pilgerzeichen im 14. Jahrhundert, Gitterguss, Fundort: Aachen 25 Nikolaus Paulus , Geschichte des Ablasses am Ausgange des Mittelalters, 3 Bde., Paderborn 1923, (Neudruck Darmstadt 2002), Bd. 2, S. 80. 26 Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 617 - 625. Carina Brumme 136 <?page no="137"?> Die Kartierung der Fundverteilung dokumentiert eine überraschende Entwicklung; der Wirkungskreis der Aachener Wallfahrt ist im 14. Jahrhundert deutlich kleiner als im vorangegangenen Zeitraum. (Abb. 7) Abb. 8: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln, 14. Jahrhundert, Gitterguss Fundort: s´ Hertogenbosch, Niederlande Ähnliches gilt auch für die Verteilung der Kölner Pilgerzeichen in dieser Zeit. (Abb. 8) Auch sie werden ab dem 14. Jahrhundert als Gittergüsse ausgeführt. Ihr Bildprogramm ändert sich aber im Gegensatz zu den Aachener Zeichen kaum; weiterhin werden die Heiligen Drei Könige gezeigt, die der thronenden Gottesmutter mit dem Jesuskind ihre Huldigung entgegenbringen, jedoch nun in der deutlich bewegteren Formensprache der Gotik 27 . Formal fällt für diesen Zeitraum eine enge Orientierung am Kölner Dreikönigsschrein ins Auge. Dies wird an den drei Rundgiebeln deutlich, die sich an der Front des Schreines wiederfinden und die die meisten der hochrechteckigen Zeichen nun nach oben hin begrenzen. Zudem zeigt der Kölner Reliquienschrein die Drei Könige nun nicht mehr in bloßer Reihung nebeneinander 27 Eine Typologie der im Spätmittelalter in Köln ausgegebenen Zeichen stellten 2002 Andreas Haasis-Berner und Jörg Poettgen vor: Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige, ein Beitrag von Archäologie und Campanologie zur Erforschung der Wallfahrt nach Köln, Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 30 (2002), S. 173 - 202; ergänzende Anmerkungen zur zeitlichen Stellung der Typologie auch bei Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 58 ff. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 137 <?page no="138"?> gestellt, wie bei den älteren Exemplaren 28 , sondern präsentiert sie im sogenannten französischen Schauspieltypus, bei dem der erste König vor der Madonna niederkniet, die ihrerseits die Hand nach der von ihm dargebotenen Gabe ausstreckt. Einige wenige Exemplare kommen in einer abweichenden vierschiffigen Ausführung vor. Alle bisher bekannten und datierten Abgüsse der Zeichen mit Rundgiebel weisen sämtlich ins 14. Jahrhundert. Datierte Abgüsse gibt es in Ebsdorf 1310 29 , Lüneburg 1325 30 und Kreuzau 1362 31 . Dass dieser Typus unter Umständen aber auch noch bis in das 15. Jahrhundert hinein ausgegeben wurde, legt der seltene Fund einer Gussform nahe, die bei Ausgrabungen im Kölner Dom zu tage kam. Das Modelfragment eines Kölner Pilgerzeichens mit zwei- oder dreibogigem Rundgiebel wurde gemeinsam mit anderen Kleinfunden in einer Glockengussanlage in der Grube gefunden, in der in den Jahren 1437 bzw. 1448, die Pretiosa oder 1449 die Speciosa gegossen wurde. Das Model datiert demnach, so es nicht bei der Anlage der Glockengrube aus älteren Schichten verlagert wurde, aufgrund des Datums des Glockengusses und der Beifunde vermutlich ins erste Drittel des 15. Jahrhunderts 32 . Die Verteilungskarte dieser Kölner Zeichen zeigt, analog zu Aachen, dass auch diese Objekte einen deutlich kleineren Wirkungskreis markieren als im 13. Jahrhundert. Obwohl man eigentlich als Auswirkung des ersten römischen Jubeljahres eine Zunahme des Wallfahrtsverkehrs und damit eine größere Verbreitung der Pilgerzeichen erwartet, trat also hier genau das Gegenteil ein. Bei der Suche nach den Ursachen muss demnach an Faktoren gedacht werden, die nicht primär im Kontext der Wallfahrten standen, diese aber dennoch beeinflussten. So ist es durchaus vorstellbar, dass sich in diesem Befund beispielsweise die allgemeine Regression der Bevölkerungszahl und der Wirtschaft infolge der großen Pandemiewelle und der Hungersnöte in der Mitte des 14. Jahrhunderts niederschlägt 33 . Zudem war dies nicht die einzige große Krise in dieser Zeit 34 . Vorerst muss an dieser Stelle 28 Haasis-Berner/ Poettgen , Pilgerzeichen (wie Anm. 27), S. 184 f. 29 Ebd ., S. 185. 30 Ebd., S. 185 f. 31 PZK (wie Anm. 3), Köln (? ) Hl. 3 Könige (? ) Typ E. 32 Marc Steinmann , Figuren und Model, in: Die Baugeschichte des Kölner Domes nach archäologischen Quellen. Befunde und Funde aus der gotischen Bauzeit, hg. von Ulrich Back / Thomas Höltken (Studien zum Kölner Dom 10, Köln 2008), S. 237 - 248, dort S. 238 f. und S. 248; Ulrich Back , Befundkatalog, ebd., S. 361 - 450, dort S. 368 f. 33 Zur Auswirkung der Pest auf die breite Bevölkerung siehe unter anderem Michel Mollat , Die Armen im Mittelalter (München 1984), S. 170 - 191. 34 So erlitt in Folge des großen Abendländischen Schismas die Romwallfahrt ungeachtet ihres großen Heilsangebotes vom letzten Viertel des 14. Jahrhundert bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts einen massiven Einbruch und kam sogar fast vollständig zum Carina Brumme 138 <?page no="139"?> aber offen bleiben, woher die Verminderung des Einzugsgebietes der Aachener und Kölner Wallfahrt letztlich rührte. Es wäre in diesem Kontext sicher lohnenswert, weitere einschlägige Wallfahrtsorte hinsichtlich dieses Phänomens zu untersuchen. 2.4 Die Blütezeit im 15. Jahrhundert Schon am Ende des 14. Jahrhunderts begann unter dem Pontifikat Bonifaz IX. (1389 - 1404) ein ‚ Export ‘ kurialer Ablässe in vorher nicht gekanntem Ausmaß. Unter dem Druck des großen Abendländischen Schismas bewilligte Papst Bonifaz IX., wohl auch um seine Obödienz an sich zu binden, die Nachfeiern des römischen Jubiläums in mehreren Städten und Territorien des Reiches und vergab zahlreiche hochdotierte Ablässe, darunter hunderte ad instar-Indulgenzen, die sich an populären Plenarindulgenzen orientierten - ungeachtet dessen, dass es sich bei den Vorbildern nicht selten um historisch fragwürdige Gnaden bzw. schlicht um Fälschungen handelte 35 . Die Zahl der Gnadenorte stieg in der Folge stetig an, zu den Hochfesten der großen Wallfahrtszentren strömten die Pilger in großer Zahl herbei. Auch die Wallfahrten nach Aachen und Köln profitierten merklich von dieser Entwicklung. Mit der Synchronisierung der seit 1349 im Siebenjahresrhythmus stattfindenden Weisungsfeiern in Aachen mit anderen Heiltumsweisungen wie Maastricht (1391) oder Köln (1398) wurde der Niederrhein endgültig zur zentralen Kultlandschaft des deutschen Reiches. Testimonien belegen die Vorrangstellung Aachens in diesem Verbund. Zu diesen Zeugnissen zählen beispielsweise die Quellen zu den mitteldeutschen Totschlagsühnen, bei denen neben einer materiellen Wiedergutmachung an den Hinterbliebenen vor allem Maßnahmen zum Wohle des Seelenheils des Opfers, darunter auch Wallfahrten, vom Täter gefordert wurden. In 80 Prozent der Fälle, in denen eine Sühnewallfahrt zu einem bestimmten Ort festgesetzt wurde, handelt es sich dabei um Aachen. Dagegen finden Köln oder auch Maastricht in diesem Kontext keine Erwähnung 36 . Im Aachener Kult selbst rückte die Weisung im Laufe des 15. Jahrhunderts endgültig in den Mittelpunkt der Pilgerbewegungen. Die große Popularität und die immense ideelle Bedeutung, explizit die der Weisung des Mariengewandes, führte bei den Aachener Pilgerzeichen zu einem neuerli- Erliegen - eine Entwicklung die auch in der Pilgerzeichenemission Roms greifbar ist, vgl. Carina Brumme , Mittelalterliche Zeugen der Wallfahrt in die Ewige Stadt, in: Rom sehen und sterben . . . Perspektiven auf die Ewige Stadt. Um 1511 - 2011, hg. von Kai- Uwe Schierz u. a. (Erfurt 2011), S. 49 - 56. 35 Hartmut Kühne , Ablassfrömmigkeit und Ablasspraxis um 1500, in: Fundsache Luther, (Ausstellungskatalog), hg. von Harald Meller , (Archäologie in Sachsen- Anhalt 6, Halle 2008), S. 36 - 47, S. 40 f. 36 Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 98 f. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 139 <?page no="140"?> chen Formwandel. Ein direkter physischer Kontakt mit den Reliquien war im Spätmittelalter in der Regel nicht möglich 37 . Infolge des großen Andranges während der Weisungen war auch die visuelle Wahrnehmung der Heiltümer eingeschränkt. Viele Gläubige hielten daher während der Weisungen Brot oder kleine Glasscherben empor, um den Abglanz der heiligen Reliquien einzufangen und zu bewahren. Dies führte zu einer innovativen Neuerung besonders bei den Aachener Zeichen: ab dem 15. Jahrhundert wurden Zeichen hergestellt, in die ein solches Spiegelelement bereits serienmäßig integriert war 38 . Bei der frühen Variante dieser Spiegelzeichen, die etwa bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts existierten, handelt es sich in direkter Anlehnung an den älteren Typus um runde Gittergüsse, in deren Bildfeld die thronende Madonna mit Jesuskind, später auch eine Vera Ikon oder eine Mondsichelmadonna zu sehen sind. Die Weisung selbst erscheint nun aus dem zentralen Bildfeld hinausgeschoben, zwischen den Türmen der bekrönenden Architektur, analog dem tatsächlichen Geschehen während der Weisung. Hier findet sich auch das in der Regel wappenförmige Spiegelfeld. (Abb. 9) Ab den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts kommen dreikreisige Spiegelzeichen auf. Im unteren Rundfeld ist meist eine Szene aus dem Marienleben, seltener auch eine Vera Ikon zu sehen. Das mittlere, kleinste Feld ist das Spiegelfeld und im oberen Rund wird die Weisung dargestellt. (Abb. 10.) Betrachtet man die Gesamtheit der überlieferten Aachenzeichen ab dem 15. Jahrhundert, dann fällt sofort auf, dass offensichtlich ab dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts in Aachen fast ausschließlich Spiegelzeichen ausgegeben wurden. Vor allem der überregionale Wallfahrtsverkehr konzentrierte sich auf die alle sieben Jahre stattfindenden Weisungsfeiern 39 . Allerdings konnten die Spiegelzeichen auch außerhalb der Weisungszeiten erworben werden. So kaufte der hessische Landgraf Ludwig I. im Mai 1431 in Aachen Spiegel und Zeichen, obwohl in diesem Jahr dort keine Heiltumsweisung stattfand 40 . 37 Reliquientranslationen, die seit dem 4. Jahrhundert bis ins Hochmittelalter hinein vor allem im Kontext von Kirchweihen stattfanden, ermöglichten es insbesondere den Laien, die heiligen Gebeine zu sehen und zu berühren. Wegen der angenommenen heilenden Wirkung war der physische Kontakt mit den Reliquien während der Translation von großer Bedeutung. Ab dem 11. Jahrhundert veränderte sich diese Praxis zunehmend und die Zugänglichkeit wurde mehr und mehr eingeschränkt. Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 520 ff. und S. 531 - 534. 38 Kurt Köster , Gutenberg in Straßburg. Das Aachenspiegel-Unternehmen und die unbekannte „ afentur und kunst “ (Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft 93, Mainz 1973), S. 30 ff. 39 Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 165 ff. und S. 197. 40 Uf montag darnach geyn Ache. Daselbst geopperd zum buwe 5 gulden. Item geoppert vor unser lieben frouen bylde drii beh. Item vor kertzen unser lieben frouen vierdehalben beh. Item vor spiegile und zceychen achte beh. Item vor eynen viltzhud 14 Carina Brumme 140 <?page no="141"?> Das Einflussgebiet der Aachenfahrt erreichte im 15. Jahrhundert sein Maximum. Bemerkenswert ist, dass die Masse der Fundstellen von Pilgerzeichen verhältnismäßig dicht beieinander liegt und so eine Art Kerngebiet im Verbreitungsgebiet markiert. Dennoch finden sich einzelne Belege noch weit außerhalb dieses Bereiches, sogar im rumänischen Siebenbürgen. (Abb. 11). Auch Testimonien belegen, dass zu den Weisungsjahren Aachenfahrer nicht nur aus dem Kerngebiet im Heiligen Römischen Reich kamen, sondern u. a. auch aus dem Ordensland, aus Böhmen und Mähren sowie aus dem polnischen und dem ungarischen Königreich 41 . Abb. 9: Aachener Spiegelzeichen mit wappenförmigem Spiegelfeld, Glockenabguss in Halsdorf (Hessen) erste Hälfte des 15. Jahrhunderts Abb. 10: dreikreisiges Aachener Spiegelzeichen, Abguss auf einer Glocke im hessischen Großenlinden von 1476 wieße den. Friedrich Küch , Eine Quelle zur Geschichte des Landgrafen Ludwig I., Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 42 (NF 32, 1908), S. 144 - 277, dort S. 241. 41 Kühne , Ostensio reliquiarum (wie Anm. 7), S. 165 f. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 141 <?page no="142"?> Abb. 11: Verbreitungsgebiet Aachener Pilgerzeichen im 15. Jahrhundert Abb. 12: Verbreitungsgebiet der Hanse und der Kölner Pilgerzeichen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts Carina Brumme 142 <?page no="143"?> Analog zur beschriebenen Situation in Aachen dehnte sich auch das Verbreitungsgebiet der Zeichen, die ab dem beginnenden 15. Jahrhundert in Köln ausgegeben wurden, gegenüber dem vorherigen Befund deutlich aus. (Abb. 12) Seit 1398 fanden im Siebenjahresrhythmus der Aachenfahrt auch am Kölner Dom Weisungsfeiern statt. Die Produktion von Spiegelzeichen setzte sich in Köln allerdings längst nicht in dem Maße durch, wie es in Aachen der Fall war. Während derzeit über 110 Aachener Spiegelzeichen bekannt sind, existiert nur ein knappes Dutzend einschlägiger Kölner Belege. Diejenigen davon, die ausschließlich die Heiligen Drei Könige zum Bildgegenstand haben, datieren dabei sämtlich in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts 42 . Zwei Zeichen, die zusätzlich die Legende der heiligen Ursula aufgreifen, stammen vom Ende des 15. Jahrhunderts 43 . Die Ursache für diese im Verhältnis zu Aachen geradezu verschwindend geringe Anzahl an Spiegelzeichen ist derzeit noch unklar. Der Annahme einer deutlich geringeren Popularität der Wallfahrt nach Köln widerspricht die Größe des Verbreitungsraumes und die Menge der gesamten Zeichenfunde. Am ehesten ist hier von einem Einwirken des Kultgeschehens selbst auszugehen, einem Unterschied in einer spezifischen Handlung des Ritus oder in der Wahrnehmung beziehungsweise der Beurteilung der Weisung durch die Gläubigen. Der überwiegende Teil der in dieser Zeit hergestellten Kölner Zeichen wurde ohne Spiegel in Form von querrechteckigen oder runden Gittergüssen, letztere oft mit umlaufender Schrift, ausgeführt. Die Ikonographie blieb gleich, trat aber nun variantenreicher auf und bildet die Heiligen Drei Könige als Reiter, in Anbetung der Gottesmutter oder auch in Form ihrer drei Kopfreliquiare ab. Wiederum zeigen einige dieser Typen neben den Heiligen Drei Königen auch das Martyrium der heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen 44 . Von Aachen aus fuhr der bereits erwähnte hessische Land- 42 Eisdorf, Landkreis Merseburg-Querfurt, Sachsen-Anhalt um 1400; Domsühl, Landkreis Parchim, Mecklenburg-Vorpommern um 1400; Brüssel, Belgien ohne Dat., Bisperode, Landkreis Hameln-Pyrmont, Niedersachsen, 1415; Dedelow, Landkreis Uckermark, Brandenburg, Mitte 15. Jahrhundert; Middelburg, Provinz Zeeland, Niederlande, 1. Hälfte 15. Jahrhundert; London, Großbritannien, ohne Datierung, Haasis-Berner/ Poettken, Pilgerzeichen (wie Anm. 27), S. 193 ff.; Wenigenhasungen, Ortsteil Wolfhagen, Landkreis Kassel, Hessen zwei Abgüsse aus dem 15. Jahrhundert, alle PZK (wie Anm. 3), Köln, Hl. 3 Könige A IV bzw. A V. 43 Grötlingbo, Schweden, 1482 und Falkenhagen, Landkreis Märkisch-Oderland, Brandenburg, 1487, beide PZK (wie Anm. 3), Köln, Hl. 3 Könige/ Hl. Ursula, Typ B I d. Zu Falkenhagen siehe auch: Cornelia Oefelein , Pilgerzeichen - Neue Funde auf Glocken in Brandenburg, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4, Berlin 2008), S. 115 - 126, dort S. 121. 44 Siehe vorherige Anm. zudem: Rijmenau (Belgien) PZK (wie Anm. 3), Köln, Hl. 3 Könige/ Hl. Ursula ohne Typbezeichnung; Glockenabgüsse St. Goar, Rhein-Hunsrück-Kreis, Rheinland-Pfalz, 1506; Gleuel, Ortsteil von Hürth im Rhein-Erft-Kreis, Nordrhein-Westfalen 1509; Immendorf 1511, Stadtteil Köln, Nordrhein-Westfalen; Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 143 <?page no="144"?> graf Ludwig I. 1431 übrigens auch nach Köln. Die Regesten verzeichnen diverse Einkäufe während seines Aufenthaltes; Pilgerzeichen werden dabei allerdings nicht erwähnt, obwohl er den Dom besuchte, sich dort von einem Priester das Heiltum zeigen ließ und ein Opfer spendete 45 . 2.5 Exkurs: Fernhandel und Fernwallwallfahrt Im Verbreitungsgebiet der Kölner Zeichen finden sich analog zum Aachener Befund vereinzelte Zeugnisse weit abseits des Kerngebietes. Besonders ins Auge fallen dabei die Funde in Scharenberg (Sáromberke/ rum. Dumbravioara), in Siebenbürgen 46 und im ukrainischen Lemberg (Lviv) 47 . Sie liegen in einer Distanz von über 500 km zum Rand des Kerngebietes und von über 1200 km zu Köln. Wie ist dieser Befund zu interpretieren? In der Regel ist in erster Linie davon auszugehen, dass es Fernpilger waren, die zur Weisung nach Aachen kamen und die Gelegenheit nutzten, um auch die anderen Reliquienfeste zu besuchen. Doch die Zeichen könnten durchaus auch auf anderen Wegen an ihre Fundorte gelangt sein - über den Fernhandel. In Ernst Daenells 1906 erschienenem Werk Die Blütezeit der deutschen Hanse findet sich ein einschlägiger Hinweis in einer kurzen Ausführung zu den Konflikten zwischen der Hanse und England im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts 48 . 1467 waren englische Kaufleute nach Island gefahren und hatten dort geplündert, gebrandschatzt und schließlich sogar den königlichen Vogt ermordet. Zur Vergeltung ließ der dänische König Christian I. , zu dessen Herrschaftsbereich Island gehörte, 1468 sieben englische Schiffe mit samt ihrer Ladung beschlagnahmen. Da die englischen Kaufleute wenig Sistig Ortsteil Kall, Kreis Euskirchen, Nordrhein-Westfalen 1513; Karrenzig, Stadtkreis Aachen, Nordrhein-Westfalen, 1516; Bendorf, Landkreis Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz 1532, alle PZK (wie Anm. 3), unter Köln, Hl. 3 Könige/ Hl. Ursula, Typ B I a. 45 Küch, Ludwig I., (wie Anm. 40), S. 241 f. 46 Zu Siebenbürger Wallfahrten im Mittelalter siehe Elek Benkö , Pilgerzeichenforschung und Pilgerzeichenüberlieferung in Ungarn und in Siebenbürgen, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4, Berlin 2008), S. 167 - 184, dort speziell zu dem Fund in Sáromberke, Ebd., S. 180 ff. mit Abb. auf S. 184. 47 Das Wissen um diesen Fund verdankt die Verfasserin dem Leipziger Archäologen Roman Grabolle, der in Lemberg auf dieses Stück aufmerksam wurde. Es ist Teil der Dauerausstellung des archäologischen Museums des Ivan Krypiakevych Institute of Ukrainian Studies of the National Academy of Sciences of Ukraine. Das während einer Grabungskampagne unter der Leitung von W. Schischak 1999 in Lemberg ergrabene Stück wird hier unter der Bezeichnung Kleiderbeschlag ausgestellt. 48 Ernst Daenell , Die Blütezeit der deutschen Hanse, (Berlin/ New York 2001), Bd. 2, S. 42 ff. Carina Brumme 144 <?page no="145"?> Hoffnung hatten, ihren Besitz von den Dänen zurückzubekommen, behaupteten sie kurzer Hand, die Beschlagnahmung sei ursächlich das Werk der Hanse gewesen, da diese den Dänen die Route verraten hätten. Der englische König ordnete daraufhin umgehend die Arrestierung der Hansekaufleute an. Unter den Festgenommenen befanden sich auffällig wenige Kölner Händler. Der Ältermann des Kontors erklärte dies, neben der ausstehenden Augustmesse in Frankfurt am Main damit, dass die Aachener Heiltumsfahrt anstand. 1468 war ein Weisungsjahr. Aus diesem exemplarischen Fall lässt sich schließen, dass Kaufleute in ihre Heimat fuhren, dort Wallfahrtsorte besuchten, und dabei unter Umständen Pilgerzeichen erwarben und mit ihnen zurück zu ihrem Handelsposten reisten. Auf diesem Weg könnte auch das eine oder andere Pilgerzeichen in die Fremde gelangt sein. Händler, Wallfahrer und natürlich auch andere Reisende bewegten sich entlang der Straßen in einem Kommunikationssystem, in dem auch die Verbreitung von Gütern und Nachrichten, respektive auch die der Pilgerzeichen stattfand. Der Wallfahrts- und Handelsverkehr bewegte sich in derselben Infrastruktur, auf denselben Straßen, benutzte dieselben Herbergen und dieselben Verkehrsmittel. Einige der großen Wallfahrtszentren, wie Köln, waren gleichzeitig wichtige Handelsplätze. Eine derart breite Kongruenz im Gebrauch der Mittel und Medien impliziert zwangsläufig Analogien in anderen Bereichen. Eine Überlagerung des Verbreitungsraumes der Kölner Pilgerzeichen aus dem 15. Jahrhundert (Abb. 12) mit dem Einflussgebiet der Hanse aus derselben Zeit offenbart, dass das Kerngebiet der Verbreitung der Zeichen hauptsächlich im Wirkungsraum der Hanse liegt. Dies trifft übrigens auf Aachen genauso zu. Außerhalb des Kerneinzugsgebietes glichen die Bewegungen der Pilger offensichtlich dem Transport von Fernhandelsgütern. Sie reisten entlang der großen Handelswege und verweilten in den Handelszentren direkt an der Strecke, wie die Funde aus Lemberg und in Siebenbürgen zeigen, die in der Nähe der Hauptverkehrsadern liegen. Lemberg war bis zum Einfall der Mongolen am Ende des 14. Jahrhunderts östlichster Handelsposten der Hanse gewesen und blieb auch danach Verkehrsknotenpunkt an einer wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen, die von der Ostsee über Westrussland und bis hinunter zum Schwarzen Meer führte 49 . Im 15. Jahrhundert hatten besonders die Kölner Kaufleute intensiven Kontakt zum Salzmarkt in Breslau und nach Krakau. Beide Städte waren seit dem Niedergang von Lemberg die wichtigsten Grenzmärkte zwischen dem abendländischen Westeuropa und dem orthodoxen Osten 50 . Die Siebenbürger Sachsen pfleg- 49 Ebd ., 1 S. 91, 2 S. 269 ff. 50 Ebd., S. 271 f. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 145 <?page no="146"?> ten zahlreiche Fernhandelskontakte, zudem führte eine wichtige Handelsroute, der Landweg nach Jerusalem, durch dieses Gebiet 51 . In diesem Wechselspiel zwischen den Räumen, die durch die Zeugnisse spätmittelalterlicher Fernwallfahrten beziehungsweise der Aktivitäten der Hanse markiert sind, zeigt sich, dass neben der Popularität der Gnadenstätte selbst auch der Handel Einfluss auf den Wallfahrtsverkehr ausübte. In welchem Maß dies geschah, muss allerdings vorerst offen bleiben, da die hier aufgeführten Exempel für eine generelle Aussage zahlenmäßig nicht genügen. Abb. 13: Herkunftsorte der Pilgerzeichen auf der Glocke in Hablingbo Eine weitere Verbindung zwischen Infrastruktur und Wallfahrtswesen ist zudem auch in Fundkontexten erkennbar, die mehrere Pilgerzeichen umfassen, namentlich auf Glocken mit mehreren Zeichenabgüssen. Auf einigen von ihnen scheint sich eine Art Itinerar erhalten zu haben. Dies sei abschließend an zwei Beispielen illustriert: Auf eine Glocke im schwedischen Hablingbo von 1484 wurden Pilgerzeichen aus Königslutter, Aachen, Köln, Maastricht und Neuss abgegossen 52 . Die so markierte Strecke führt entlang 51 Krista Zach , Art. Sachsen, Siebenbürger, Lexikon des Mittelalters 7 (2002), Sp. 1237 f. 52 Mats Amark Pilgrimsmärken på svenska medeltidsklockor (Antikvarikt Arkiv 28, 1956), S. 21 f.; Lars Andersson , Pilgrimsmärken och vallfart, (Lund Studies in Medieval Archeology 7, Lund 1989), S. 72 f.; Kurt Köster , Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalien, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800 - 1400 (Ausstellungskatalog), hg. von Anton Legner (Köln 1972), S. 146 - 160, dort: S. 151. Carina Brumme 146 <?page no="147"?> der großen Hauptverkehrsadern dieser Zeit. (Abb. 13) Die gleiche Strecke ist auf einer Glocke im mecklenburgischen Falkenhagen von 1487 abgebildet. Sie trägt Zeichen aus Königslutter, Jakobsberg, Neuss, Aachen, Köln und Maastricht 53 . (Abb. 14) Auch hier gilt: Ob und in welchem Maße sich aus diesen einzelnen Beispielen auf die allgemeinen Zustände schließen lässt, muss vorerst offen bleiben. Abb. 14: Herkunftsorte der Pilgerzeichen auf der Glocke in Falkenhagen 2.6 Das ausgehende Spätmittelalter: Ende des 15. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts Obwohl es kein wirklich fassbares Ereignis gibt, das an der Wende zum 16. Jahrhundert einen Wandel im abendländischen Wallfahrtswesen hätte herbeiführen können, gibt es eine Veränderung, die zeigt, dass augenscheinlich nicht erst die Reformation zum Niedergang der mobilen Frömmigkeit geführt hat. 54 Die Wallfahrt nach Aachen und Köln erlebte ihren Höhepunkt 53 Oefelein , Pilgerzeichen (wie Anm. 43), S. 121. 54 Hartmut Kühne , Zwischen Bankrott und Zerstörung - vom Ende der Wallfahrten in protestantischen Territorien, in: Wallfahrt und Reformation - Pout ’ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan Hrdina / Hartmut Kühne / Thomas T. Müller (Europäische Wallfahrtsstudien 3, Frankfurt am Main [u. a.] 2007), S. 201 - 220. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 147 <?page no="148"?> in den letzten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. Danach verringerte sich die Größe der Verbreitungsräume beider Gnadenorte beinahe wieder auf das Niveau des 14. Jahrhunderts. (Abb. 15 und 16) Dieser Rückgang ist auch quantitativ nachvollziehbar, da es für den Zeitraum ab der Mitte des 15. Jahrhunderts bis in die zweite Dekade des 16. Jahrhunderts hinein eine große Anzahl an einschlägigen datierten Glockenabgüssen gibt, die in der statistischen Auswertung ein recht klares Bild zeichnen. (Abb. 17) Die Graphik zeigt die jeweilige Anzahl der Glockenabgüsse Aachener Zeichen (hellgrau) und Kölner Zeichen (dunkelgrau) in Siebenjahreszyklen subsummiert und auf das vorangegangene Weisungsjahr bezogen. Die Senkrechten markieren die römischen Jubiläen. Man erkennt deutlich den immensen Zuwachs im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts sowie vereinzelte Spitzenwerte zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Danach erfolgt das abrupte Ende. Ein rapider Anstieg ist zu verzeichnen, nachdem 1475 das römische Jubiläum mit einem Weisungsjahr zusammenfiel. Ob dieses Wachstum eine Folge des Jubiläums war, oder umgekehrt schon dessen Erfolg von einer Frömmigkeitswelle bedingt war, von der auch Aachen und Köln profitierten, ist schwer zu sagen. Die Bruderschaftsbücher der römischen Animabruderschaft verzeichnen für das Jubiläum 1475 extrem hohe Besucherzahlen 55 . Abb. 15: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln im 16. Jahrhundert 55 Brumme , Wallfahrtswesen (wie Anm. 4), S. 148 f. Carina Brumme 148 <?page no="149"?> Abb. 16: Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen im 16. Jahrhundert Abb. 17: Quantitative Verteilung der datierten Glockenabgüsse Aachener und Kölner Zeichen im ausgehenden Spätmittelalter Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 149 <?page no="150"?> Fazit Die Verbreitungsräume der Pilgerzeichen der beiden großen Kultzentren am Niederrhein haben einige grundlegende Entwicklungsaspekte klar aufgezeigt. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Größe der Verbreitungsräume der Aachener und Kölner Pilgerzeichen in einem direkten Zusammenhang zur Popularität der Gnadenorte, explizit also zu den Besucherzahlen, steht, ist die schwankende Größe der Wirkungsbereiche Indikator dafür, dass es hinsichtlich des Erfolges der Gnadenstätten unterschiedliche Phasen gab. Die Hoch- und Tiefphasen beider Wallfahrtsorte stimmen dabei im Wesentlichen überein. So deutet sich im 14. Jahrhundert gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum für beide Orte eine Verminderung des Wallfahrtsverkehrs in Gestalt eines merklich kleineren Wirkungskreises an. Die meisten Besucher und damit die größte Verbreitung hatten beide im 15. Jahrhundert, besonders in dessen letztem Viertel. Die synchronen Phasen von Wachstum und Regression haben ihre Ursache primär in drei Faktoren: in der topographischen Nähe beider Orte, dem Besitz von ähnlich spektakulären Heiltümern und in den seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert im gleichen zeitlichen Rhythmus abgehaltenen Pilgerfesten, - ein Besuch beider Stätten auf derselben Reise dürfte daher üblich - wenn auch nicht obligatorisch - gewesen sein. Trotz dieser vielen Übereinstimmungen übertraf die Popularität Aachens nicht nur die Kölns, sondern die der anderen Wallfahrtstätten am Niederrhein und auch der meisten anderen im deutschsprachigen Regnum. Diese letzte Feststellung ist allerdings nicht, oder zumindest nicht direkt aus den Funden 56 beziehungsweise ihrer räumlichen Verteilung zu erschließen, sondern wird erst durch das Hinzuziehen von textlichen Quellenzeugnissen offenbar. Resumen: „ La distribución de las insignias de peregrinación en Aquisgrán y Colonia “ En la Alta Edad Media Aquisgrán y Colonia formaban parte de las megalópolis de peregrinación occidental. Estas ciudades eran los lugares de peregrinación más populares en el reino. Esto no sorprende, dado que poseían reliquias espectaculares, entre las que destacaban un traje completo de la Virgen María y las reliquias de los cráneos de los Reyes Magos. Aquisgrán, además, podía triunfar al ofrecer una completa bula de indulgencia, la „ indulgencia de consagración legendaria “ . En ambos lugares se vendían objetos de peregrinación. Sumando los lugares de los hallazgos de estos recuerdos se perfilan áreas de distribución, y gracias a ello se puede confirmar el desarrollo de los dos centros de peregrinación del Niederrhein. 56 Sieht man einmal von dem übergroßen Anteil von Spiegelzeichen unter den Aachener Pilgerzeichen ab, in dem sich unter Umständen ein Sonderstatus gegenüber den anderen rheinischen Zentren abzeichnet. Carina Brumme 150 <?page no="151"?> Partiendo del hecho de que las áreas de divulgación de los signos de Aquisgrán y de Colonia están en relación directa con la popularidad de los lugares de peregrinación, es decir, con el número de visitantes, la cantidad de insignias, que varía considerablemente, indica que existían diferentes fases en cuanto al éxito de los lugares de peregrinación, cuyos picos y valles coinciden tendencialmente. Después del primer jubileo romano en el año 1300, se muestra una considerable disminución de los visitantes en el siglo XIV. Ambos lugares de devoción registraron la afluencia más grande y, al mismo tiempo, el territorio de distribución más extenso en el siglo XV, concretamente en el último cuarto de siglo. La homogeneidad del crecimiento y de la regresión se atribuye al hecho de que las ciudades de Aquisgrán y Colonia se encuentran relativamente cerca y poseen reliquias únicas. Además, desde el siglo XV ambas ciudades habían sincronizado sus fiestas principales - y probablemente muchos peregrinos aprovechaban para visitar los dos lugares en un solo viaje, aunque no fuese obligatorio. Hay diferentes aspectos que dejan entrever una intensa interacción entre los movimientos de peregrinación y el tráfico comercial. Por ejemplo, cabe mencionar la extensión cuantitativa de los lugares de los hallazgos, la concordancia amplia del núcleo donde se distribuyen los signos con la región hanseática y, por último, la estrecha relación geográfica entre la región suprarregional y las rutas de comercio a larga distancia. Los tránsitos de peregrinación y el tráfico comercial se apoyaban en la misma infraestructura, utilizaban las mismas calles, albergues y medios de transporte. No eran pocos los grandes centros que, al mismo tiempo, servían de plazas comerciales importantes. Dentro de esta red de comunicaciones se movían los comerciantes, los peregrinos y, naturalmente, también otros viajeros, y dentro de este sistema se realizaba la distribución de las mercancías y también la distribución de las insignias para los peregrinos. Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen 151 <?page no="153"?> Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula - Zeugnisse einer im 12. Jahrhundert beginnenden Wallfahrt von Jörg Poettgen In der Geschichte der mittelalterlichen Wallfahrt gehört im Rheinland neben Aachen und Trier auch und gerade Köln zu den Wallfahrtsstätten von europäischem Rang. Dabei steht für Köln bis heute die Verehrung der Heiligen Drei Könige an vorderster Stelle, die alsbald begann, nachdem im Jahre 1164 ihre Reliquien nach Köln übertragen worden waren. Regelmäßige Wallfahrten zu den Heiligen Drei Königen waren die Folge 1 . Dies war jedoch keinesfalls die einzige Heiligenverehrung in Köln und nicht einmal die erste. Bereits zuvor wurden nämlich neben etlichen anderen Heiligen besonders die Heilige Ursula und ihre Gefährtinnen verehrt. Als dann noch bei der Erweiterung der Stadtmauer im Jahr 1106 das spätantike Gräberfeld an St. Ursula ausgegraben wurde und man die hierbei zahlreich aufgefundenen Reliquien diesen heiligen Jungfrauen zuordnete, führte dies zu einer weiteren Steigerung des Ursulakultes 2 . Nach der Einschätzung von Wolfgang Schmid wurde in der Folge die Ursulaverehrung immer beliebter und gar zum bedeutendsten Kult im spätmittelalterlichen Rheinland, da andere Heilige mit jungfräulichen Martyrerinnen nicht konkurrieren konnten. Gleichwohl stellt er fest, dass sich für Sankt Ursula weder eine Wallfahrt noch eine Heiltumsweisung belegen läßt 3 . Bei dieser Aussage stützt er sich vor allem auf schriftliche Quellen, ins- 1 Von der zahlreichen Literatur zur Kölner Dreikönigenverehrung dient als Grundlage immer noch Jakob Torsy , Achthundert Jahre Dreikönigenverehrung in Köln, Kölner Domblatt 23/ 24 (1964) S. 15 - 162. Zuletzt hat Yuki Ikari das Kölner Wallfahrtswesen großräumig untersucht: Yuki Ikari , Wallfahrtswesen in Köln vom Spätmittelalter bis zur Aufklärung (Köln 2009). 2 Die Geschichte der Ursulaverehrung ist umfassend und detailliert dargestellt von Frank Günter Zehnder , Sankt Ursula, Legende-Verehrung-Bilderwelt (2. Auflage Köln 1987). 3 Wolfgang Schmid , Die Wallfahrtslandschaft Rheinland am Vorabend der Reformation. Studien zu Trierer und Kölner Heiltumsdrucken, in: Bernhard Schneider (Hrsg.), Wallfahrt und Kommunikation. Kommunikation über Wallfahrt, (Quellen <?page no="154"?> besondere auf die Heiltumsdrucke des 15. Jahrhunderts. Pilgerzeichen werden in diese Aussage nicht einbezogen. Frank Günter Zehnder hatte zwar die wenigen bis dahin bekannten Zeichen des 15. Jahrhunderts erwähnt, bei denen aber die Heilige Ursula nur gemeinsam mit den Heiligen Drei Königen dargestellt wurde, ihre Ausgabe aber eher auf die innerstädtischen Prozessionen bezogen, die andere Kirchen oder Konvente zur Äbtissin nach St. Ursula durchführten 4 . Auch Yuki Ikari stützt sich ebenfalls nur auf die beiden von Köster benannten Glockenabgüsse und bezieht sie einzig auf die Wallfahrt zum Dom 5 . Die folgende Untersuchung möchte demgegenüber die Frage einer eigenständigen Ursulawallfahrt an Hand einer Gesamtdarstellung aller neuerdings gefundenen Ursulazeichen behandeln. Bei der Erforschung der Dreikönigenverehrung hatte sich nämlich gezeigt, dass gerade Pilgerzeichen eine präzise Dokumentation dieser Wallfahrt darstellen und zwar vom Beginn im 12. Jahrhundert bis zur Reformation 6 . Dabei ergab sich auch, dass bei zwei Zeichentypen das Motiv der Dreikönigswallfahrt mit der Darstellung der Heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen kombiniert wurde 7 . Diese Zeichen stammen jedoch erst aus dem 15. Jahrhundert, als auch das Kölner Stadtwappen um die Symbole der Jungfrauen erweitert wurde 8 . Inzwischen sind in der Pilgerzeichenforschung jedoch etliche Objekte aufgefunden worden, die ausschließlich die Ursulaverehrung zeigen und ebenfalls schon im 12. Jahrhundert beginnen. Sie sollen im Folgenden erstmals im Zusammenhang vorgestellt werden. 2. Pilgerzeichen der Kölner Ursulaverehrung 2.1 Bisheriger Forschungsstand Nachdem Kurt Köster seine „ Zentrale Pilgerzeichenkartei “ (PZK) aufgebaut hatte, umfasste sie nach ihrem Abschluss im Jahr 1986 rund 6500 Pilgerzeichen und andere Wallfahrtsdevotionalien aus nahezu 300 Wall- und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 109, Mainz 2004), S. 15 - 196, hier S. 127, 134. 4 Zehnder (wie Anm. 2), S. 72. Zu den genannten Pilgerzeichen vgl. Kurt Köster , Mittelalterliche Pilgerzeichen und Wallfahrtsdevotionalen, in: Zwischen Rhein und Maas. Ausstellungskatalog, (Köln 1972), S. 146 - 160, hier S. 154. 5 Ikari (wie Anm. 1), S. 58 - 64, vor allem Anm. 142. 6 Andreas Haasis-Berner/ Jörg Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige. Ein Beitrag von Archäologie und Campanologie zur Erforschung der Wallfahrt nach Köln, Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 30 (2002), S. 173 - 202. 7 Ebd., S. 196. 8 Heiko Steuer , Die Heiligen Drei Könige und das Wappen der Stadt Köln, in: Die Heiligen Drei Könige. Darstellung und Verehrung. Katalog WRM-Ausstellung (Köln 1982), S. 97 - 111, hier S. 103. Jörg Poettgen 154 <?page no="155"?> fahrtsorten in ganz Europa. In dieser umfangreichen Sammlung lässt sich die Zahl Kölner Ursulazeichen an einer Hand abzählen und in Kösters Unterlagen bilden sie lediglich einen Unterpunkt bei den Dreikönigenzeichen. Über sie hatte er im Rahmen der Kölner Ausstellung Zwischen Rhein und Maas im Jahr 1972 in nur wenigen Zeilen und über lediglich zwei Pilgerzeichen mit Darstellung der Heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen berichtet, zunächst ein originales Fragment aus einem Bremer Baggerfund des Jahres 1929 (vgl. Katalog Nr. 4), das damals jedoch falsch gedeutet wurde 9 , sowie einem Glockenabguss auf einer schwedischen Glocke von 1483 (Katalog Nr. 44) 10 . Zu diesen beiden Funden wurde in der Zentralen Pilgerzeichenkartei lediglich ein weiteres hinzugefügt, ebenfalls auf einer Glocke des 15. Jahrhunderts und zwar im heute polnischen Pommern (Katalog Nr. 34). Schon diese Fundorte deuten darauf hin, dass es sich bei den Ursulazeichen nicht um Devotionalien für eine städtische Prozession handelt. Allerdings ist die Gesamtzahl von lediglich drei Zeichen wenig geeignet, ein differenziertes Bild einer größeren Ursulawallfahrt zu zeichnen, selbst wenn man etwa zehn bis dahin erfasste Zeichen hinzuzählt, die eine kombinierte Darstellung der Heiligen Drei Könige und der Heiligen Ursula zeigen 11 . Diese Belege werden in der Regel zuvorderst der Dreikönigenwallfahrt zugerechnet. Die Anzahl aufgefundener spezieller Ursulazeichen änderte sich erst, nachdem als weitere Quelle neuer Pilgerzeichen die nach Kösters Tod (1986) vor allem in den Niederlanden öffentlich und privat durchgeführten archäologischen Grabungen zumal untergegangener Wohnplätze an den Flussmündungen aufgetan wurden. Diese brachten durch den Einsatz von Metalldetektoren Tausende dieser sonst nur vereinzelt aufzufindenden Bleigüsse zutage. In den Niederlanden war es vor allem Hendrik Jan Engelbert van Beuningen , der eine umfangreiche Sammlung dieser Zeichen zusammentrug, die er in eine Stiftung (Stichting middeleeuwse Religieuze en Profane insignes) überführte und aus der er gemeinsam mit Adrianus Maria Koldeweij , Nijmegen, 1993 mit über 1000 Objekten eine erste Auswahl publizierte. Ein zweiter Band folgte 2001, der weitere 1200 Zeichen enthielt und auch andere Sammlungen einbezog 12 . Auf der Grundlage dieser beiden Bände hatte Andreas Haasis-Berner in seiner Dissertation, die nur Pilgerzeichen in der Form der Flachgüsse behandelt, d. h. bis zur Mitte des 9 Ernst Grohne , Bremische Boden - und Baggerfunde, Jahresschrift des Focke - Museums Bremen 1929, S. 96, erkannte auf dem Zeichen Christus in der Vorhölle etc. 10 Köster ( wie Anm. 4), S. 154. 11 Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), S. 196 f. 12 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen/ Adrianus Maria Koldeweij , Heilig en Profaan. 1000 laatmiddeleeuwse Insignes uit de collectie H. J. E. Beuningen (Rotterdam Papers VIII., Cothen 1993); Dies ./ Dory Kicken, Heilig en Profaan II (Cothen 2001). Vgl. auch Anm. 14. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 155 <?page no="156"?> 14. Jahrhunderts, bereits 18 originale Ursulazeichen aufgeführt, die alle dem Schiffstyp (s. u.) zuzuordnen sind 13 . Es fehlen also kombinierte Zeichen für Ursula und die Heiligen Drei Könige, da diese erst aus dem 15. Jahrhundert stammen. Inzwischen ist gar der dritte Band von „ Heilig en Profaan “ erschienen 14 . Diese Veröffentlichungen, die im deutschen Sprachraum verständlicherweise nicht sehr bekannt sind, sind in die von der Radboud- Universiteit Nijmegen betreute Datenbank Kunera (www.kunera.nl) eingebracht worden, die mittlerweile rund 15.000 religiöse und profane Zeichen umfasst. Sie alle werden hier für den Bereich der Ursulazeichen mit einbezogen und stellen deren Erforschung auf ein völlig neues Fundament, da es sich hierbei um Zeichen handelt, die ausschließlich die Ursulaverehrung zeigen und teilweise mindestens ebenso alt sind wie die Dreikönigenzeichen. Dabei wird versucht, ähnlich wie bei der Darstellung der Dreikönigenzeichen eine zeitliche Entwicklung oder eine Abhängigkeit vom Ursulaschrein aufzuzeigen. 2.2 Fragen zur Datierung Bezüglich der Datierungsangaben sind einige grundlegende Hinweise angebracht, zumal derartige Angaben in den einzelnen Publikationen variieren. Hier muss unterschieden werden zwischen den sicher datierten, allerdings erst relativ spät anzutreffenden Glockenabgüssen und den archäologischen Bodenfunden. Da man in der Regel davon ausgehen kann, dass der Glockengießer ein gerade im Umlauf befindliches Exemplar und nicht ein antiquarisch erworbenes auf der Glocke wiedergegeben hat, wird man die Gusszeit der Glocke als ein weitgehend sicheres Indiz für den Gebrauch des jeweiligen Zeichens ansehen können. Zwar ist hier ebenfalls eine frühere Entstehungszeit anzunehmen, diese wird jedoch nicht allzu viele Jahre betragen haben. Als Beispiel mögen hier die Pilgerzeichen von Düren oder Trier angeführt werden. Das erste Dürener Pilgerzeichen, auf dem das 1501 von Mainz nach Düren verbrachte Kopfreliquiar der Heiligen Mutter Anna dargestellt ist, findet sich bereits auf einer Glocke aus dem Jahre 1502; ähnlich ist das erste Pilgerzeichen des Heiligen Rockes in Trier, dessen 13 Andreas Haasis-Berner , Pilgerzeichen des Hochmittelalters (Würzburg 2003), S. 177 - 180. 14 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen/ Adrianus Maria ,Koldeweij/ Dory Kicken u. a., Heilig en Profaan III. 1300 laatmiddeleeuwse Insignes uit openbare en particuliere collecties (Langbroek 2012). Der Band erschien erst nach Abschluss des Manuskriptes. Gleichwohl wurden die dort neu publizierten Ursulazeichen noch nachträglich in den untenstehenden Katalog eingefügt. Dabei sind die drei Bände als HP I, HP II und HP III abgekürzt. Jörg Poettgen 156 <?page no="157"?> Verehrung mit der Altaröffnung 1511 begann, auf einer lediglich zwei Jahre jüngeren Glocke anzutreffen. Ein weiterer Aspekt ist bei den Glockenabgüssen zu beachten. Zwar sind manche Pilgerzeichen in der Glockenbronze bei den Details nicht immer deutlich zu erkennen, dafür lassen sie des Öfteren gegenüber originalen, aber nur bruchstückhaft erhaltenen Exemplaren die vollständige Formgebung erkennen. Auf alle Fälle sind zumal bei den datierten Glocken die Entstehungszeiten sicherer festzulegen als bei den meisten Bodenfunden. Bei diesen ist die zeitliche Situation sehr viel schwieriger zu erkennen, wenn datierbare Beifunde fehlen. Dies gilt vor allem für die jüngsten Feuchtbodenfunde in den Niederlanden. Aber auch bei gesicherter Bodenlage sind die Aussagen nicht eindeutig. Aus diesem Grunde werden gerne kunstgeschichtliche Kriterien herangezogen oder - was sich bei der Darstellung der Dreikönigenzeichen als eindrucksvoll erwies - der Vergleich mit dem Fortschritt der Bauarchitektur oder des Reliquienschreines 15 . Inzwischen hat sich auch bei einer Untersuchung der Aachener Karlszeichen gezeigt, dass dieser Ansatz positive Ergebnisse bringen kann 16 . Ob die von Andreas Haasis-Berner in einer neueren Publikation geäußerte Annahme, dass nicht die Heiligsprechung Karl des Großen (1165), sondern frühestens die Fertigstellung des Karlsschreines (1215) den Beginn der Pilgerzeichen markiert 17 , berechtigt ist, muss zumindest für die Kölner Dreikönigenzeichen in Frage gestellt werden, da sonst diejenigen Zeichen, die eine ältere Anbetungsszene zeigen als sie auf dem Dreikönigsschrein zu sehen ist, nicht erklärbar sind. Da bei den Ursulazeichen der Beginn einer potentiellen Wallfahrt nach Fertigstellung des Kirchenneubaus (um 1150) und der Fertigstellung des Ursulaschreines (um 1170) nicht sehr weit auseinanderliegt, ist diese Frage für unsere Untersuchung nicht so bedeutend. Aus diesem Grunde soll auch im Folgenden versucht werden, hieraus Datierungshilfen zu erhalten. Die hierbei angegebenen Datierungsvorschläge können jedoch meist nur diskutierbare Annäherungswerte sein. 15 Vgl. Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), passim. 16 Jörg Poettgen , Karl der Große auf Aachener Pilgerzeichen des Mittelalters - mit einem Katalog der bisher bekannten Exemplare, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 110 (2008), S. 65 - 100. 17 Andreas Haasis-Berner , Das Wallfahrtswesen im 14. Jahrhundert im Spiegel der Pilgerzeichen. Eine These zur Geschichte des Wallfahrtswesens im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4, Berlin 2008), S. 143 - 151. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 157 <?page no="158"?> 3. Inhaltliche und architektonische Orientierungspunkte der Gestaltung 3.1 Geschichte, Legende und Verehrung der Heiligen Ursula Die bei Zehnder 18 dargestellte vielfältige Entwicklung kann hier nur in einer kurzen Zusammenfassung wiedergegeben werden, soweit sie für das Verständnis der Pilgerzeichen erforderlich ist. Demnach bildet die sog. Clematiusinschrift den historischen Ausgangspunkt. Sie stammt etwa aus der Zeit um 420 und berichtet vom Neubau einer Kirche, die zu Ehren jungfräulicher Märtyrerinnen (martyrii virginum) auf Kosten des Senators Clematius errichtet wurde. Namen oder Zahl der Jungfrauen werden nicht genannt. Der Name Ursula erscheint erstmals in einer Kölner Litanei des 10. Jahrhunderts (S. 19), die Zahl der Gefährtinnen wechselt und pendelt sich schließlich auf elf ein. Vermutlich führte erst ein Lesefehler dazu, aus elf Märtyrerinnen die Zahl 11.000 zu machen 19 . Dieser Legende nach war Ursula eine britische Königstochter, die - mit ihrem ebenfalls legendären Bräutigam Aetherius - und gemeinsam mit ihren Gefährtinnen eine Pilgerfahrt nach Rom durchführte, wobei sie bis Basel rheinaufwärts reiste und dann auf dem Landweg Rom erreichte. Erst als sie auf der Rückreise wieder mit dem Schiff nach Köln kam, erlitt sie hier den Märtyrertod durch einen Pfeil. In der Legende wird dieses Martyrium den Hunnen zugeschrieben. Schon früh entstanden aus dieser Legende Bilderzyklen, von denen sich bald verschiedene Szenen besonderer Beliebtheit erfreuten 20 . Hierzu gehört auch die Ankunft der Jungfrauen mit dem Schiff in Köln, vor allem auf den Zyklen der Kölner Tafelbilder des 15. Jahrhunderts. Aber bereits im 12. Jahrhundert wurde sie außer bei den Pilgerzeichen auch auf einer Messingschale wiedergegeben, auf der sich insgesamt drei Schiffe der Stadt nähern 21 . Auf ihr ist diese Szene gar mit einem kunstvollen Hexameter gedeutet: utentes voto redeunt dum flumine noto (wie gelobt reisten sie zurück mit Hilfe des Windes) Die Szene mit dem Schiff ist so dominant, dass sie bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die einzige blieb und nach Zehnder die bereits im frühen 13. Jahrhundert entstehenden Bruderschaften der Heiligen Ursula Ursula- 18 Zehnder (wie Anm. 2), S. 13 - 42. 19 Etwa wird XI m[artyres] zu XI m[ilia], vgl. Zehnder (wie Anm. 2), S. 21 f. 20 Ebd ., S. 121 f. 21 Ebd. Die Schale hat einen Durchmesser von 28 cm und befindet sich im Suermondt- Museum, Aachen, Inv. Nr. KK 1010. Jörg Poettgen 158 <?page no="159"?> schiffchen genannt wurden 22 . Noch Jahrhunderte später schrieb Friedrich von Spee in einem Lied 23 : Sankt Ursula ein Schiff regiert mit engelreicher Fracht geziert; es trägt der keuschen Jungfraun viel in voller Fahrt zum Himmelsziel. Sankt Ursula, du Jungfrau rein, auch uns nimm in dein Schiff hinein und führ uns mit zum Himmel ein. Wie erwähnt, begann die Verehrung der Heiligen Ursula schon vor der Jahrtausendwende, blühte aber erst auf im Zusammenhang mit den Reliquienfunden bei der 1106 begonnenen Stadterweiterung. Nun erhielt auch die Ursulakirche einen Neubau, der etwa bis zur Jahrhundertmitte abgeschlossen war und bis heute den Kernbau der Kirche bildet. Für die Baugeschichte ist zu ergänzen, dass der abschließende Turmbau erst aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts stammt 24 . 3.2 Die Reliquienschreine In der Region zwischen Rhein und Maas schlug sich die Reliquienverehrung in zahlreichen von der Goldschmiedekunst gestalteten Reliquienschreinen nieder. Allein in der Stadt Köln zählte man im Laufe der Zeit mehr als zwei Dutzend. So verwundert es nicht, dass angesichts der großen Zahl von an St. Ursula gefundenen Reliquien diese nicht nur sehr großzügig an auswärtige kirchliche Institutionen abgegeben wurden, was eine eminente Auswirkung auf den Ursulakult hatte, sondern auch im Stift St. Ursula dazu führte, dass es nicht nur einen Schrein für Sankt Ursula gab, sondern fast gleichzeitig auch einen für ihren Bräutigam Aetherius. Nach Aussage der Kunstgeschichte wurden beide Schreine etwa um 1160 fertiggestellt 25 , rund ein halbes Jahrhundert vor dem der Heiligen Drei Könige. Trotz dieser Zeitgleichheit sind sie architektonisch unterschiedlich gestaltet, wozu sich bisher noch niemand geäußert hat. 22 Zehnder (wie Anm. 2), S. 73, 138. 23 Wiedergegeben ebd., S. 222. 24 Ebd ., S. 53. 25 Der derzeitige kunstgeschichtliche Kenntnisstand wurde zuletzt von Sabine Czymmek zusammengefasst: Die Kölner Romanischen Kirchen - Schatzkunst, Band 2, Colonia Romanica XXIII (2008), S. 262 ff, 276 ff. Dabei wird man die Entstehungszeit für beide Schreine wohl nicht genauer als 1160 - 1170 angeben können, da Czymmek selbst etwa den Ursulaschrein einmal mit 1160 - 1170 (S. 262), zum anderen mit 1170 - 1180 (S. 276) angibt. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 159 <?page no="160"?> Abb. 1: Ursulaschrein, Länge 112 cm Abb. 2: Ätheriusschrein, Länge 94 cm Der Ursulaschrein wurde anlässlich der Säkularisation seines Goldschmucks beraubt, der dann im 19. Jahrhundert erneuert wurde. Immerhin wurde dabei der ursprüngliche Holzkern verwendet, so dass die hausförmige Architektur des Schreines übernommen wurde. Im Unterschied zum Ursulaschrein wird die Architektur des Ätheriusschreines mit einem tonnenförmigen Deckel abgeschlossen, der an eine Truhe oder ein Schätzkästchen erinnert. Es fällt auf, dass Typ A 1 der Pilgerzeichen ebenfalls einen derartigen Rundgiebel zeigt. 4. Katalog der Kölner Ursulazeichen Köster hatte 1972 für die Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige zwölf unterschiedliche Typen anführen können. Dies war natürlich bei nur zwei verschiedenen Ursulazeichen nicht sinnvoll. Inzwischen stehen jedoch Jörg Poettgen 160 <?page no="161"?> nahezu 60 Exemplare zur Verfügung, so dass sich diese Zahl sehr wohl in unterschiedliche Typen einteilen lässt, was hiermit erstmals geschieht. Dabei bilden die beiden bereits von Köster vorgefundenen Typen des Schiffahrttyps und des Schutzmanteltyps den Ausgangspunkt. Zwar wurden die bisher dargestellten Exemplare der Kölner Ursulazeichen an unterschiedlichen Orten jeweils einzeln beschrieben, eine ungefähre zeitliche Abfolge und eine genauere typologische Kategorisierung waren jedoch noch nicht erfolgt. Die folgende Einteilung des Kataloges setzt Kösters Entwurf nach formalen und thematischen Kriterien fort. Gemäß der von ihm und Haasis- Berner entwickelten Kategorisierung werden die Pilgerzeichen entsprechend ihrer Form folgendermaßen unterschieden: FLACHGUSS bezeichnet eine durchgehend gegossene Form, die etwa bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts verwendet wurde, GITTERGUSS meint Zeichen mit gittermäßigen Durchbrüchen, die ursprünglich möglicherweise farbig hinterlegt waren. Jeder Typus wird zunächst formal und inhaltlich beschrieben und in seinen zeitlichen Kontext eingeordnet. Dabei stammen die einzelnen Belegexemplare nur im Ausnahmefall aus ein und demselben Model, wie insgesamt auf Grund der teilweise unzureichenden Abbildungen manche Zuordnungen erst vorläufig vorgenommen werden können. An diese Beschreibung fügt sich die Aufreihung der bisher gefundenen Belegexemplare. Die Nummerierung erfolgt durchgehend, so dass jedes der 58 Zeichen eindeutig identifiziert werden kann. Ein Kreuz (+) hinter der Nummer bedeutet (vor allem bei den Glocken), dass der Zeichenträger nicht mehr erhalten ist. Diese Inventarisierung umfasst Angabe von Fundort, nach Möglichkeit Fundzeit 26 , jetziger Aufbewahrungsort (wenn von dem Fundort verschieden), Maße, bei Glocken Angabe des Gießers, vermutete oder gesicherte Datierung und Quellenangabe (Literatur). Die Belege aus der PZK = Zentrale Pilgerzeichenkartei im Nachlass Kurt Köster, Germanisches Nationalmuseum, Karthäusergasse 1, 90402 Nürnberg, sind nicht veröffentlicht. Hier ist Herrn Dr. Matthias Nuding für Hilfen zu danken, ohne die der vorliegende Katalog nicht hätte erstellt werden können. In anderen Fällen bedeutet n. p. = nicht publiziert. Die Abbildungen stammen in der Regel aus der publizierten Literatur und wurden teilweise von Carina Brumme umgezeichnet. Hier ist den Verfassern für die Erlaubnis zur Reproduktion in besonderer Weise zu danken. 26 Für die niederländischen Funde aus der Sammlung van Beuningen sind im Einzelnen keine Daten angegeben, jedoch haben die wesentlichen Grabungen erst Mitte der 1980er Jahre begonnen. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 161 <?page no="162"?> Abkürzungen: HP I - III = Heilig en Profaan (Vgl. Anm. 12) PZK = Pilgerzeichenkartei im Deutschen Glockenarchiv, Nürnberg DGA = Deutsches Glockenarchiv, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg I Flachgüsse Bei den ersten Ursulazeichen, die Kurt Köster 1972 publiziert hatte, handelte es sich um Glockenabgüsse des 15. Jahrhunderts, unter denen sich kein Flachguss befand. Dies kann nicht überraschen, da ja nach den umfassenden Studien von Andreas Haasis-Berner der Zeitraum der Flachgüsse sich nur bis etwa zur Mitte des 14. Jahrhunderts erstreckte, als die Praxis, Pilgerzeichen auf Glocken aufzubringen, erst mit wenigen Beispielen belegt ist 27 . Infolgedessen müssen alle Ursulazeichen, die als Flachguss gelten, aus der Zeit vom Beginn der Wallfahrt, also etwa nach der Mitte des 12. Jahrhunderts, bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts stammen. Es stellt sich die Frage, ob hier für einzelne Typen eine genauere Unterteilung möglich ist. Bei den Dreikönigenzeichen hatte sich gezeigt 28 , dass es einen Typus gibt, der sich formal an dem alten Dom orientierte, wie ihn der Hillinuskodex zeigt, so dass sie als die ältesten Zeichen gelten müssen, die noch vor der Grundsteinlegung des gotischen Domes im Jahr 1248 entstanden sind (dort Typ A I). Diese Zeichen zeigen auch den archaischen Huldigungsstil der Anbetungsszene. Andere Dreikönigszeichen lassen bereits die Formen der gotischen Giebelarchitektur erkennen und stellen die Heiligen Drei Könige im sog. Anbetungsstil dar (Typ A II), wobei teilweise selbst die Bogenarchitektur der Vorderseite des Dreikönigenschreins wiedergegeben wird (Typ A III). Sie wird man darum als jünger ansehen müssen. In ähnlicher Weise hatte sich auch bei den Aachener Karlszeichen gezeigt, dass sie sich formal am Karlsschrein (nach 1215) und später an der Karlsbüste und den Karlsreliquiaren (beide um 1350) orientiert hatten 29 . Dies hatte Horst Appuhn zu der Aussage veranlasst, dass man die Heiltümer der großen Wallfahrten oder ihre Kirchen anderen Gläubigen dadurch bildlich vor Augen führen wollte, indem man ihnen diese an ihrem Heimatort durch die Gestaltung der Pilgerzeichen reproduzierte 30 . Dabei gilt für Flachgüsse generell: je geschlossener sich ihre Form zeigt, desto älter sind die Zeichen, je mehr Durchbrüche sie erkennen lassen, desto jünger sind sie. 27 Haasis-Berner (wie Anm. 13). 28 Vgl. zum Folgenden Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), S. 181 ff. 29 Poettgen , Aachen (wie Anm. 16), S. 72. 30 Horst Appuhn , Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland (4. Auflage Darmstadt 1991), S. 107. Jörg Poettgen 162 <?page no="163"?> Es stellt sich nun die Frage, ob diese Differenzierung auch auf die Ursulazeichen anzuwenden ist. Eine Unterteilung ist hier sehr viel schwieriger, da bei den Ursulazeichen im Hinblick auf die inhaltliche Gestaltung ausschließlich die Schifffahrt der Heiligen Jungfrauen dargestellt ist, so dass formale Bezüge zur Architektur des Kirchenbaus entfallen. Ein Bezug zum Reliquienschrein stößt auf Schwierigkeiten, da dieser in seinem ursprünglichen Bildprogramm nicht mehr vorhanden und auch nicht überliefert ist. Alle Flachgüsse der Ursulazeichen zeigen ein Schiff und die gekrönte Ursula mit Pfeil entweder neben oder in dem Schiff, in welchem sich auch ihre Gefährtinnen befinden, deren Anzahl zwischen vier und zwölf variiert. Der Schiffsmast ist meist als Kreuzstab mit Banner gestaltet. Typ A 1 Flachguss mit Rundbogen Hochrechteckiger Flachguss, oben mit einem Rundbogen abgeschlossen. Bei Nr. 1 nimmt das Schiff die ganze Breite ein, Ursula steht rechts im Schiff, in der Mitte der Mast in Form eines Kreuzstabes sowie ein Banner, die Zahl der Gefährtinnen beträgt zwölf. Bei Nr. 3 ist der Rundbogen von Ecktürmen flankiert (der linke nicht erhalten), der Kreuzstab teilt das Bild in der Mitte, auf der linken Bildseite das Schiff, in dem vier gekrönte Frauen sitzen, auf der rechten Seite die ganzfigurige Ursula mit Krone und Pfeil. Nr. 4 zeigt eine gleiche Szene jedoch seitenvertauscht. Das Fragment aus Jeper (Nr. 6) stellt möglicherweise eine Variante dar. Diese Zeichen mit Rundbogen gleichen in der Form anderen rheinischen Pilgerzeichen der Zeit um 1200. Wenn zudem der Rundbogen sich an der Architektur des Ätheriusschreines orientiert, deutet dies auf eine Entstehungszeit dieses Typus hin, die kurz nach der Fertigstellung dieses Schreines anzusetzen ist, so dass eine Zeit bereits vor 1200 bis um 1250 nicht unrealistisch erscheint. Dabei ist nicht das einzelne Zeichen gemeint, sondern die Entstehung des Typus. Dem muss nicht entgegenstehen, dass einzelne Exemplare aus einer späteren archäologischen Fundsituation stammen, da der einzelne Typus durchaus über einen längeren Zeitraum im Handel war. Dies lässt sich noch bei den Zeichen des 15. Jahrhunderts durch die datierten Glockenabgüsse deutlich sehen (vgl. Typ C - 1,1, Nr. 40, 41). Wenn dieser Typus A - 1 in früheren Publikationen wesentlich jünger datiert wurde, so ist dies auch darin begründet, dass diese Datierung vor der Zusammenstellung von Haasis-Berner erfolgte und erst weniger Vergleichsstücke vorlagen wie auch die Deutung des Wallfahrtsortes noch unsicher war 31 . 31 „ De duiding als Ursula met har schip vol maagden is niet zeker. “ (HP I, S. 200). Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 163 <?page no="164"?> Abb. 3: Kat.-Nr. 1 Abb. 4: Kat.-Nr. 3 Abb. 5: Kat.-Nr. 4 Nr. 1 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 31 x 30 mm, 1200 - 1250, Lit.: HP I, Nr. 372, dortige Datierung 1350 - 1400 Nr. 2 Vlissingen, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original (Fragment), 29 x 18 mm, 1200 - 1250 (ohne Abb.) Lit.: HP I, Nr. 374, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 3 Neustettin/ Pommern, =heute Szczecinek, Polen (vor 1999), Original, 46 x 39 mm, 1200 - 1250. Lit.: Marian Re ˇ bkowski , Uwagi o niektórych atrybutach s´redniowiecznych pielgrzymów na podstawie znalezisk z pó ł nocnej Polski (Remarks on some mediaeval pilgrims ’ equipment, based on finds from northern Poland),In: Archaeologia Historica Polona, XV/ 2, Torun´ 2005, S. 221 - 230. S. 164, Abb. 7. - dortige Datierung spätes 13. Jahrhundert. Nr. 4 Bremen (vor 1930), jetzt: Focke Museum, Original (beschädigt), 44 x 39 mm, 1200 - 1250. Lit.: Ernst Grohne , Bremische Baggerfunde, Jahresschrift des Focke-Museums Bremen, 1929, S. 44 - 102, hier S. 96, Abb. S. 95, dortige Datierung: 14. Jahrhundert? Nr. 5 Friedland, Lkr. Mecklenburg-Strelitz, Regionalmuseum Neubrandenburg, Inv. ALM 1994/ 934, 10, Original (beschädigt), 1200 - 1250, Funddatierung: nach 1300, (o.Abb). Lit: n. p. Nr. 6 Ieper, Belgien, Kulturgüter Brüssel, Original (Fragment), 29 x 29 mm, 1200 - 1250. Lit: HP III, Nr. 2482, dortige Datierung 1250 - 1300. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Exemplar um eine Typvariante, da im Rundgiebel ein Engels(? )kopf zu erkennen ist, wie er bei den Dreikönigszeichen Typ A1 ebenfalls vorhanden ist. Jörg Poettgen 164 <?page no="165"?> Typ A 2 Flachguss mit Spitzgiebel Statt des Rundgiebel bei Typ A 1 ist dieses Zeichen mit einem kreuzgekrönten Spitzgiebel geschmückt, der möglicherweise auf den zu Beginn des 13. Jahrhunderts durchgeführten Bau des Westturmes hinweist. Ähnlich wie oben bei Nr. 1 nimmt das Schiff die gesamte Breite ein, in ihm steht Ursula (mit Krone) auf der linken Seite, rechts der Kreuzmast mit Banner, in der Mitte für die Gefährtinnen 10 Punkte. Abb. 6: Kat.-Nr. 7 Nr. 7 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 40 x 38 mm, um 1250 - 1300. Lit.: HP I, 373, dortige Datierung 1350 - 1400 Nr. 8 Zierikzee, Zeeland, Stiftung kulturelles Erbe, Original (etwas beschädigt), 32 x 23 mm, 1250 - 1300. Lit: HP III, 2484, dortige Datierung 1350 - 1400. Typ A 3 Flachguss mit Turmarchitektur Bei der folgenden Gruppe von Flachgüssen ist der Rund bzw. Spitzbogen durch eine meist dreiteilige und durchbrochene Turmarchitektur ersetzt, was auf eine jüngere Entstehungszeit hindeutet. Des Öfteren sind diese durchbrochenen Türmchen teilweise beschädigt oder fehlen ganz. Auch wenn somit bei einigen Exemplaren die Details nicht immer zu erkennen sind, werden sie hier zu einer Gruppe zusammengefasst, da sie eine gleiche Entstehungszeit repräsentieren, für die man wohl die Jahre von 1250 bis 1350 wird ansetzen können. Durch drei kürzlich in Stralsund gefundene Exemplare wird dieser Zeitrahmen durch die Beifunde bestätigt 32 . Auch die 32 Renate Samariter , Pilgerzeichen und Diadem - bemerkenswerte mittelalterliche Metallfunde aus der Hansestadt Stralsund, Apollonienmarkt 15, in: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 17 2010, S. 101 - 114, Abb. 8. sowie: Dies. , Neue Pilgerzeichen und religiöse Zeichen aus Stralsund, in: Wallfahrer aus dem Osten. Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee, Donau und Seine, hg. von Hartmut Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 165 <?page no="166"?> Sondergruppe mit Inschrift (Typ A 3,4) gleicht im sonstigen formalen Aufbau allen anderen Exemplaren dieser Gesamtgruppe, die mit bisher 20 Exemplaren die umfangreichste ist. Inhaltlich gibt es eine ganz klare Gestaltung, da außer den beiden Exemplaren des Typs A 3,1 bei allen anderen Stücken Ursula neben dem Schiff steht und zwar entweder links oder rechts. Die Anzahl der Gefährtinnen variiert wieder zwischen vier 33 und elf. Bei einem Exemplar ist der Kreuzmast zweimal wiedergegeben (Nr. 14) Typ A 3,1 Ursula innerhalb des Schiffs Abb. 7: Kat.-Nr. 9 Abb. 8: Kat.-Nr. 10 Nr. 9 Westenschouwen, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, Turmarchitektur beschädigt, 33 x 32 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1298, dortige Datierung 1350 - 1400 Nr. 10 Stralsund, Mecklenburg-Vorpommern, Inv. ALM 2010/ 333, 3014, Befund 54, Original, Turmarchitektur fehlt, 27 x 26 mm, 1280 - 1320, Lit: Renate Samariter (wie Anm. 32), Nr. 10. Kühne / Jan Hrdina / Lothar Lambacher (Europäische Wallfahrtsstudien 10, Frankfurt a. M. u. a. 2012), S. 145 - 178. 33 Das Zeichen, auf dem nur drei Gefährtinnen zu sehen sind, ist beschädigt. Jörg Poettgen 166 <?page no="167"?> Typ A 3,2 Ursula links neben dem Schiff Obwohl Nr. 11 bis 13 aus unterschiedlichen Modeln stammen, haben sie dieselbe Größe, einzig bei Nr. 14 und 15 sind Teile der Turmarchitektur erhalten. Nr. 14 ist das einzige Ursulazeichen mit zwei Kreuzmasten. Abb. 9: Kat.-Nr. 11 Abb. 10: Kat.-Nr. 14 Abb. 11: Kat.-Nr. 15 Nr. 11 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, (ohne Türmchen) 28 x 28 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1302, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 12 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, (ohne Türmchen) 29 x 27 mm, 1250 - 1350 (ohne Abb.) Lit.: HP II, 1303, dortige Datierung 1325 - 1375. Nr. 13 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, (ohne Türmchen) 28 x 24 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1304, dortige Datierung 1325 - 1375. Nr. 14 Dordrecht, Niederlande, jetzt: private Sammlung, Original, 35 x 29 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1305, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 15 Stralsund, Mecklenburg-Vorpommern, Original, 40 x 30 mm, archäologische Fundsituation 1280 - 1320. Lit.: Renate Samariter , wie Anm. 32. Nr. 16 Oldenzaal, Niederlande, Sammlung Engbers, Oldenzaal, Original (Fragment), 21 x 31 mm, 1250 - 1350, (ohne Abb.). Lit.: HP II, 1294, dortige Datierung 1250 - 1350. Nr. 17 Stralsund, Mecklenburg-Vorpommern, Inv. ALM 2010/ 333, 3015, Befund 55, Original, beschädigt, 31 x 29 mm, archäologische Fundsituation 1320 - 1380. Lit: Renate Samariter (wie Anm. 32), Nr. 11. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 167 <?page no="168"?> Typ A 3,3 Ursula rechts neben dem Schiff Die Zeichen dieser Gruppe stimmen in der Größe mit denen von Typ A 3,1 überein, so dass für sie eine zeitgleiche Entstehung anzunehmen ist. Da bei ihnen die gotische Turmarchitektur weitgehend erhalten ist, lässt sich im Vergleich mit dem zeitgleichen Dreikönigenzeichen (Typ A - 2) eine weitgehende Übereinstimmung in Größe und Gestaltung erkennen 34 . Abb. 12: Kat.-Nr. 18 Abb. 13: Kat.-Nr. 19 Abb. 14: Kat.-Nr. 20 Abb. 15: Vergleichsstück: Dreikönigenzeichen Typ A II Nr. 18 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 37 x 30 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1299, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 19 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 32 x 29 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP II, 1296, dortige Datierung 1325 - 1375. 34 Vgl. Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), Nr. 183, Abb. 7, Katalog Nr. 31. Dieses Zeichen hat die Maße 34 x 35 mm. Jörg Poettgen 168 <?page no="169"?> Nr. 20 Danzig, Polen, Original, 1250 - 1350. Lit.: Marian Rebkowski , Pielgrzymki mieszkanców sredniowiecznych miast poludniowego wybrzeza Baltyku w swietle znalezisk znaków patniczych: wstep do badan. In: Kwartalnik historii kultury materialnej, 2004, 52 (2004), 2, [153] - 188, hier: S. 164 f., Abb. 8. Dortige Datierung um 1340. Nr. 21 Sluis, Belgien, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original (beschädigt), 35 x 23 mm, 1250 - 1350 (ohne Abb.) Lit.: HP II, 1297, dortige Datierung 1355 - 1400. Nr. 22 Stavoren, Niederlande, jetzt: Sammlung Universität Groningen, Original (beschädigt), 23 x 24 mm, 1250 - 1350 (ohne Abb.) Lit.: HP II, 1295, dortige Datierung 1200 - 1300. Nr. 23 Bremen, jetzt: Bremen, Focke-Museum, Original (Fragment), Höhe 22 mm, 1250 - 1350 (ohne Abb.) Lit.: Manfred Rech , Gefundene Vergangenheit, Archäologie des Mittelalters in Bremen mit besonderer Berücksichtigung von Riga, Bremen 2004, S. 311, Abb. 323. Nr. 24 Aachen, Marienmünster, Ausgrabung 2009, Original (Fragment), Maße unbek., 1250 - 1300. Lit.: n. p. (Frdl. Auskunft Andreas Schaub , Stadtarchäologie Aachen). Nr. 25 Den Briel, Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original (Fragment), 26 x 27 mm, 1250 - 1300. Lit.: HP III 2483, dortige Datierung 1350 - 1400. Typ A 3,4 Flachgüsse mit Inschrift Die dritte Gruppe der Flachgüsse dieser Epoche stimmt in nahezu allen Merkmalen mit den vorhergehenden überein: in der Turmarchitektur, in der Größe sowie in der Position der Heiligen Ursula links neben dem Schiff, zusätzlich hat sie jedoch als Inschrift den Buchstaben „ A “ . In der ersten Publikation von „ Heilig en Profaan “ wurde dieser Buchstabe noch als „ onduidelijk “ beschrieben, erst im zweiten Band interpretierte Koldeweij ihn als Abkürzung für den lateinischen Namen des Herkunftsortes Köln „ Agrippina 35 . Immerhin sind bisher drei Beispiele für diese Gruppe gefunden worden. 35 Die Zitate in HP I, S. 200, HP II, S. 303. Zudem weist auch Zehnder ( wie Anm . 2, S. 48) darauf hin, dass dieser Name für Köln schon gebraucht wurde, als sich der Feldherr Silvanus im Jahr 355 dort zum Kaiser ausrufen ließ. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 169 <?page no="170"?> Abb. 16: Kat.-Nr. 26 Abb. 17: Kat.-Nr. 27 Abb. 18: Kat.-Nr. 28 Nr. 26 Nieuwlande, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 39 x 31 mm, 1250 - 1350. Lit.: HP I, 371, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 27 Groningen, Niederlande, jetzt: Gemeinde Groningen, Original, 42 x 28 mm, 1250 - 1350 Lit.: HP II, 1300, dortige Datierung 1350 - 1400. Nr. 28 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung Jan Bol, Rijswijk, Original, 36 x 27 mm, 1250 - 1350 Lit.: HP II, 1301, dortige Datierung 1350 - 1400. II Gittergüsse Es ist in der Pilgerzeichenforschung heute sensus communis, dass etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts der Umbruch von den Flachgüssen zu den filigranen und durchbrochenen Gittergüssen erfolgte, wobei man jedoch sicher einige Jahrzehnte Entwicklungszeit wird annehmen müssen. Die zarte Gestaltung der Zeichen dieser Gruppe, die nun auch größer geworden sind, ist wohl auch der Grund dafür, dass sie zahlenmäßig sehr viel weniger erhalten blieben als die Flachgüsse. Die beiden folgenden Exemplare sind im Aufbau mit ihrer spitzgiebeligen Turmarchitektur sehr ähnlich und korrespondieren in der Form der Giebelpartie auffallend mit einem entsprechenden Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige (Typ B Ic) 36 . Formal verfolgen die beiden Ursulazeichen eine strenge Zweiteilung: rechts erneut das Schiff mit vier Jungfrauen, links die Heilige, die ebenfalls vier Jungfrauen unter ihren Schutz nimmt. Damit wird neben dem Ursulaschiff das Motiv des Schutzmantels eingeführt, der dann in Typ B - 2 verselbständigt wird. In Nr. 29 erscheint wieder der Pfeil als ikonographisches Attribut. 36 Haasis-Berner/ Poettgen , (wie Anm. 6), S. 187, Abb 14. Dieses Zeichen hat die Maße 85 x 63 mm und ist ebenfalls in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu datieren. Jörg Poettgen 170 <?page no="171"?> Zur Datierung ist zu sagen: Selbst wenn die Gittergüsse generell um die Jahrhundertmitte beginnen, wird man die dargebotenen Beispiele wegen ihrer weit fortgeschrittenen Aufgelockertheit und dem vergleichbaren Dreikönigszeichen frühestens für das Jahrhundertende ansetzen können, wie auch der nachfolgende Glockenguss von 1415 nahelegt. Zudem führt auch Frank Günter Zehnder den Typ der Schutzmantelheiligen erst für die Zeit nach dem Jahrhundertwechsel an 37 . Typ B - 1, 1 Gitterguss (Schifffahrt und Schutzmantel) Abb. 19: Kat.-Nr. 29 Abb. 20: Dreikönigszeichen Typ B Ic Abb. 21: Kat.-Nr. 30 Nr. 29 Amsterdam, Niederlande, jetzt: Archäologische Sammlung, Amsterdam, Original, 92 x 71 mm, 1350 - 1400. Lit.: HP II, 1293, dortige Datierung 1300 - 1350. Nr. 30 Dordrecht, Niederlande, jetzt: Sammlung van Beuningen, Langbroek, Original, 71 x 60 mm, 1350 - 1400 Lit.: HP II, 1292, dortige Datierung 1300 - 1350. 37 Zehnder ( wie Anm . 2) , S. 140. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 171 <?page no="172"?> Typ B - 1, 2 Gitterguss (Schifffahrt und Schutzmantel) Dieses nach der Wende zum 15. Jahrhundert auftretende Zeichen, von dem hier erstmals eine Abbildung publiziert wird, weist einen kräftigeren Architekturrahmen auf. Das Thema ist nun nicht mehr zwischen Schifffahrt und Schutzmantel zweigeteilt, sondern das Schutzmantelmotiv rückt weiter in den Vordergrund und ist in das Schiff verlegt. Abb. 22: Kat.-Nr. 31 Abb. 23: Kat.-Nr. 31 Nr. 31 Bisperode, Kreis Hameln-Pyrmont, Glockenabguss, 1415, (H) 87 x 56 mm bewimpeltes Schiff in einer gotischen Ädikula, Ursula in der Mitte, zu beiden Seiten drei Gefährtinnen Lit: Karl Steinacker , Die Bau - und Kunstdenkmäler des Kreises Holzminden, 1907, S. 235 f, dort ohne Abbildung. Jörg Poettgen 172 <?page no="173"?> Typ B - 2 Ursula als Schutzmantelheilige War in dem vorhergehenden Typus die Schutzfunktion der Heiligen Ursula noch ein Teilthema, so dominierte es mit dem Fortschreiten des 15. Jahrhunderts immer mehr und gestaltete sich gegen Ende zu einer Kopie des seit dem 13. Jahrhundert in der Marienverehrung ausgebildeten Typus einer Schutzmantelmadonna. Zu dieser Schutzmantelfunktion heißt es ebenfalls im Ursulalied: Du unser Schutz- und Schirmfrau sei, sowie all wollen wir darunter sein 38 . Bei den beiden Pilgerzeichen ist stets der bei Zehnder so benannte Typ 2 dargestellt, bei dem Ursula selbst mit einer Hand oder mit beiden Händen den Schutzmantel öffnet 39 . Er war offenbar in Köln allgemein verbreitet, so besonders in den Werken des Meisters des Heisterbacher Altars, der in der Werkstattnähe von Stefan Lochner um die Mitte des 15. Jahrhunderts tätig war 40 . In seiner Nachfolge ist das Pilgerzeichen auf der Glocke im schwedischen Hablingbo (1483) zu sehen, aber auch der nicht datierte Glockenabguss im pommerschen Zeitlitz, der wegen seines kleineren Medaillonformates sicher einige Jahrzehnte jünger ist. Dies macht auch das vergleichbare Kombinationszeichen auf der Glocke in Breitenfelde (1511) deutlich (vgl. unten Nr. 52). Abb. 24: Kat.-Nr. 32 Abb. 25: Heisterbacher Altar Abb. 26: Kat.-Nr. 34 38 Zehnder (wie Anm. 2), 143. 39 Ebd. 40 Zu diesem Maler und seinem Bild vgl. Frank Günter Zehnder , Katalog der Altkölner Malerei (Köln 1990), S. 450 f. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 173 <?page no="174"?> Nr. 32 Hablingbo, Schweden, jetzt: Stockholm, Städt. Museum, Glockenabguss, 71 x 60 mm, 1483. Lit.: Köster (wie Anm. 14), S. 151, 154. Nr. 33 Federow, Kreis Müritz, Glockenabguss, 1494+, ohne Größenangabe, (vermutlich wie Nr. 27): „ Ursula, die Arme über je drei Jungfrauen breitend “ Lit: PZK, n. p. Nr. 34 Zeitlitz, Pommern, (= Siedlice, Polen), Glockenabguss, Ø ca. 50 mm, um 1500. Lit: Deutsches Glockenarchiv Nürnberg, Nr. 3/ 12/ 121, n. p. Typ C Zeichen mit zwei Wallfahrtsdarstellungen Mit dem allgemeinen Anwachsen der Wallfahrtsbewegung im 15. Jahrhundert ging auch einher, dass die Pilger auf ihrer Reise möglichst mehrere Heiltümer besuchen wollten. Auf der bereits erwähnten Glocke von 1483 im schwedischen Hablingbo hatte schon Kurt Köster erkannt, dass Abdrücke von mindestens fünf Pilgerzeichen des Rhein-Maasgebietes (Maastricht, Aachen, Köln und Neuss) abgegossen waren 41 . Darunter befand sich aus Köln zwar das oben dargestellte Zeichen der Schutzmantelursula, von den Heiligen Drei Königen jedoch nur ein Zeichen, in dem beide Kölner Wallfahrten kombiniert wurden. Es ist sicher kein Zufall, dass diese Kombination erst in dieser späten Hochphase des mittelalterlichen Wallfahrtswesens erfolgte, zumal auch am Ende des 15. Jahrhunderts - wie bereits erwähnt - das Kölner Stadtwappen um die Symbole der Jungfrauen erweitert wurde 42 . Wenngleich diese Zeichen bereits in der Arbeit über die Pilgerzeichen der Heiligen Drei Könige behandelt wurden, ist es sicher sinnvoll, sie hier zu wiederholen, mit vier neuen Zeichen zu aktualisieren und die zeitliche Ordnung zu überarbeiten 43 . Es zeigt sich nämlich, dass die Pilgerzeichen im 15. Jahrhundert an Größe zunehmen - was an allen Zeichen rheinischer Wallfahrtsorte zu beobachten ist. Dies hatte schon Köster an den Beispielen von Aachen und Neuss aufgezeigt. So steigern sich die Aachener Marienzeichen, die zunächst zwei, dann drei Kreise umfassen, von 82 mm in der Zeit unmittelbar vor 1400 bis zu der erstaunlichen Größe von 169 mm im Jahre 1478. Die Neusser Quirinuszeichen sind zwar nicht ganz so groß, nehmen aber von 75 mm im Jahre 1424 bis zum Ende des Jahrhunderts auf 118 mm zu 41 Köster, Rhein-Maas (wie Anm. 4), S. 151, Nr. 10 mit Abbildung. 42 Steuer (wie Anm. 8), S. 103. 43 Vgl. Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), S. 196 f. Jörg Poettgen 174 <?page no="175"?> und sind noch nach 1500 in dieser Größe auf Glocken zu finden 44 . Diese Progression lässt sich auch für die Kölner Ursula-Zeichen feststellen, bevor sich auch hier die kleineren Medaillenformen anschließen (Typ D - 2). Typ C - 1. Die beiden abgebildeten Zeichen des Typs C - 1,1 sind jeweils 66 mm hoch bei einem Kreisdurchmesser von ca. 45 mm; darüber findet sich eine mehrgliedrige Turmarchitektur. Der Hauptkreis ist bogenförmig bzw. gerade unterteilt. Im unteren Bereich sind mehrere Gestalten in einem Schiff zu erkennen: in der Mitte Ursula mit Krone, in beiden Händen einen Pfeil. Die Arme sind über einige der Gefährtinnen ausgebreitet wie bei dem Schutzmanteltyp B - 2. Im oberen Teil des Kreises finden sich wechselnde Darstellungen der Heiligen Drei Könige wie die Anbetungsszene (links), die drei Häupter oder die reitenden Könige (Abb. 44). Der dreiteilige Turmaufbau variiert ebenfalls, er ist entweder leer, mit Spiegel, Stern oder durch bildliche Darstellungen der Kreuzigung oder (bei dem Exemplar im Kölnischen Stadtmuseum) des Kirchenpatrons Petrus gestaltet. Die Glockenabgüsse umfassen den Zeitrahmen der Jahre 1440 bis 1495, der somit einen Anhaltspunkt auch für die anderen Zeichen angeben wird. Dabei fällt auf, dass der kleinere Typus früher einsetzt und etwa zwei Drittel des Jahrhunderts umfasst, während der größere Typ C - 1,2 nur im letzten Viertel zu finden ist. Dieser Zeitrahmen wird annäherungsweise auf die originalen Zeichen übertragen. 44 Zu den Aachener Marienzeichen, deren mittlerweile etwa 300 bekannte Exemplare noch nicht zusammenhängend dargestellt wurden, vgl. bisher bei Kurt Köster , Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrheinischen Glockengießers des fünfzehnten Jahrhunderts, mit besonderer Berücksichtigung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtszeichen, Jahrbuch der hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957, S. 1 - 206, hier S. 58 - 70. Die Neusser Zeichen hingegen sind weitgehend schon von Kurt Köster selbst dargestellt: Ders. , Die Pilgerzeichen der Neusser Quirinus-Wallfahrt im Spätmittelalter, Neusser Jahrbuch 1984, S. 11 - 29. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 175 <?page no="176"?> Abb. 27: Kat.-Nr. 35 Abb. 28: Kat.-Nr. 36 Typ C - 1,1 1400 - 1495 (Größe 64 - 68 mm) Nr. 35 Veere, Niederlande, jetzt: Kölnisches Stadtmuseum, Original, 64 x 44 mm, 1430 - 1490, Lit.: Haasis-Berner/ Poettgen (wie Anm. 6), Nr. 103, bisherige Datierung: Mitte 15. Jahrhundert Nr. 36 Scharnberg, Siebenbürgen (=Dumbra ˘ vioara, Rumänien), Glockenabguss, (H) 66 mm, 1430 - 1490 Elek Benkö , Erdély középkori harangjai és bronz keresztelömedencéi; (mit deutscher Zusammenfassung: Mittelalterliche Glocken und bronzene Taufbecken in Siebenbürgen). Budapest 2002, S. 492 f., Nr. 216, dortige Datierung: 1450 - 1500 Nr. 37 unbekannt, Belgien (? ), Original, jetzt: Heimatmuseum 't Smiske, Rijmenam, Vlanderen, 68 x 42 mm, 1430 - 1490 Lit. S. E. Van 't Hof , De laatste lootjes. Laatmiddeleeuwse religieuze pelgrimstekens uit de collectie Amsterdam, S. 175 - 177, Abb. 2. Nr. 38 Nieuwlande, Niederlande, jetzt: Sammlung v. Beuningen, Langbroek, Original (Fragment), noch 33 x 39 mm, 1430 - 1490. Lit.: HP I, 175, dortige Datierung: 1400 - 1450. Nr. 39 London, England, Original (kleines Fragment ohne Maßangabe, jedoch Nr. 35 vergleichbar), 1430 - 1490. Lit: Brian Spencer , Pilgrim Souvenirs an secular Badges, (Medieval Finds from Excavations in London 7) 1998, S. 262 f, Abb. 257 e. Dort kein Datierungsvorschlag. Jörg Poettgen 176 <?page no="177"?> Nr. 40 Langenau-Göttingen, Alb-Donau-Kreis, Glockenabguss, 82 x 52 mm, Meister Johannes Fraedenberger, Ulm, 1440. Lit.: Deutscher Glockenatlas, Württemberg-Hohenzollern (1959), Nr. 1748 (ohne Abb.) Nr. 41 Frøslev, Dänemark, Glockenabguss, (Typ wie Nr. 35), Meister Oluf Kegge, 76 x 42 mm, 1495. Lit.: Niels Knut Liebgott , Frøslevklokkens Reliefer, Historik Samfund for Praeströ amt. 1971/ 1972 (1972, S. 291 - 315, hier S. 308, Fig.12. Nr. 42 Preddöhl, Kreis Prignitz, Glockenabguss, 78 mm hoch, unbekannte Meistermarke, 1507. Lit: Ev. Zentralarchiv Berlin, Bestand 525, Heinzel-Kartei, Nr. 700. Nr. 43 Arnemuiden, Zeeland, Sammlung R. Schroevers, Original, 66 x 41 mm, 1450 - 1500. Lit: HP III, 2317, dortige Datierung 1450 - 1500. Typ C - 1,2 1480 - 1500 (Größe 95 - 100 mm) Die besondere Größe ist bedingt durch einen zusätzlichen Spiegel über dem Bildkreis 45 , in dessen oberer Hälfte die Heiligen Drei Könige zu Pferde abgebildet sind (Typ B IIIb der Dreikönigenzeichen) Abb. 29: Kat.-Nr. 45 45 Dieser Spiegel diente dazu, dass bei großem Pilgerandrang, bei dem nicht jeder Pilger die Heiltümer selbst sehen konnte, darin deren Bild eingefangen wurde, so dass es jedermann mit nach Hause nehmen konnte, vgl. Kurt Köster , Gutenbergs Straßburger Aachenspiegel-Unternehmen von 1438/ 1440, Gutenberg-Jahrbuch 58 (1983) S. 24 - 44. - Dieser quellenmäßig belegte Vorgang bildet somit einen terminus ante quem für die Verwendung von Spiegelzeichen. Sie sind vor allem für Aachen und - wie hier - für Köln belegt. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 177 <?page no="178"?> Nr. 44 Grötlingbo, Schweden, Glockenabguss, ca. 95 x 55, 1483, 46 Lit.: Mats Åmark , Sveriges medeltide Kyrkeklokkor, Stockholm 1960, S. 173 und Tafel 56 A. Nr. 45 Hablingbo, Schweden, jetzt: Museum Stockholm, Glockenabguss, (gleicher Typ wie in Grötlingbo), 95 x 55 mm, 1486 47 , Lit.: Mats Åmark , Sveriges medeltide Kyrkeklokkor, Stockholm 1960, S. 172 und Tafel 55 K. Nr. 46 Falkenhagen, Kreis Ostprignitz, Glockenabguss (gleicher Typ wie in Grötlingbo), 100 x 58 mm, 1487, Lit.: PZK nach DGA 7/ 2/ 167, neuerdings Rainer und Cornelia Oefelein , Pilgerspuren auf mittelalterlichen Glocken in Brandenburg (Berlin 2012), S. 62 - 68 und Abb. 116. Nr. 47 Rohlsdorf, Kreis Ostprignitz, Glockenabguss (gleicher Typ wie in Falkenhagen) 48 , 100 x 58 mm, 1487, Lit.: Rainer und Cornelia Oefelein (a. a. O.), S. 119, Abb. 261 - 263. Abb. 30: Kat.-Nr. 48 Abb. 31: Kat-Nr. 56 46 In der Kirche steht auch ein mittelalterlicher Taufstein des Meisters Sighraf, auf dem sich ebenfalls eine Darstellung der Heiligen Drei Könige befindet. Dies deutet auf eine enge Beziehung zu Köln hin. 47 Die beiden Pilgerzeichen in Hablingbo und Grötlingbo sind vom selben Typ und nahezu gleich groß. Beide Glocken haben denselben Inschrifttypus und stammen offenbar vom selben Gießer. 48 Auf dieser Glocke befinden sich drei Abgüsse dieses Zeichens, alle vom selben Typ und im selben Erhaltensstand, so dass sie offenbar alle von einem einzigen Original stammen. Da zudem Rohlsdorf nur wenige Kilometer von Falkenhagen entfernt ist und beide Glocken aus dem Jahr 1487 stammen und gleiche Elemente der Glockenzier haben, kann man sogar von einem gemeinsamen Guss ausgehen. Jörg Poettgen 178 <?page no="179"?> C - 2. Jüngerer runder Gitterguss des vorstehenden Kombinationszeichens, bei dem Spiegel oder Turmaufbau fehlen und das darum nur eine Höhe zwischen 35 und 45 mm besitzt, dessen oberen Abschluss meist ein schmaler Aufbau aus drei oder fünf Kronen bzw. Krabben bildet. Mindestens die spätesten Zeichen verzichten sogar auf diesen Aufbau und sind als Medaille zu bezeichnen. Die beiden szenischen Darstellungen „ Anbetung der Heiligen Drei Könige “ und „ Ursulaschiffchen “ sind bei diesem Typ meist durch eine gerade Querfüllung getrennt. Das einzige Original der Gruppe wird in der bisherigen Literatur auf die Zeit zwischen 1400 und 1450 datiert, was offensichtlich zu früh ist, da die elf datierten Glockenabgüsse erst im 16. Jahrhundert beginnen, ein Zeitrahmen, in dem auch die anderen rheinischen Pilgerzeichen dieser Größe und Form liegen. Die wenigen Originalexemplare dieser Gruppe werden somit analog zu den Glockenabgüssen einheitlich mit den Jahren zwischen 1500 - 1530 angegeben. Auf eine Unterteilung innerhalb der Gruppe wird verzichtet, da zumal bei den Glockenabgüssen die Details nicht immer genau zu erkennen sind, sei es auf der Glocke selbst oder auf Abbildungen. Nr. 48 Nieuwlande, Niederlande, jetzt Sammlung v. Beuningen, Original, 38 x 34 mm, 1500 - 1530. Lit.: HP I, 174, dortige Datierung 1400 - 1450 Nr. 49 Hoorn, Niederlande, jetzt: Archäologischer Dienst Hoorn (Inv.Nr. WIN00 - 073 - M01), Original (Fragment), noch 30 x 42 mm, 1500 - 1530. Lit: www.kunera.nl, n. p. Nr. 50 St. Goar, Rhein-Hunsrück-Kreis, Glockenabguss, Maße nicht bekannt, 1506, Meister Wilhelm Roide (Trier), Lit.: PZK Nr. 51 Gleuel, Erftkreis, Glockenabguss, 1509, Meister Gregor v. Trier (Aachen), Maße nicht bekannt, Lit.: PZK. Nr. 52 Breitenfelde, Kreis Lauenburg, Glockenabguss, 47 x 42 mm, 1511, Meister Peter Wulff , (Lübeck), Lit.: Theodor Hach , Lübecker Glockenkunde, 1913, Abb. 52. Nr. 53 Zierke, Kreis Neustrelitz, Glockenabguss, 40 mm, (1511), Lit.: Monika Schaugstatt , Mittelalterliche Glocken in Mecklenburgischen Dorfkirchen, Mecklenburgische Jahrbücher 109 (1993), S. 19 - 54, hier S. 36 u. Abb. 5 c. (Ursulaschiff fälschlich als Heimfahrt der Könige gedeutet). Nr. 54 Immendorf, Stadt Geilenkirchen, Glockenabguss, 39 x 39 mm, 1511, Meister Gregor von Trier (Aachen), Lit.: PZK np. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 179 <?page no="180"?> Nr. 55 Buchten, Niederlande, Glockenabguss, 1513, Meister Gregor v. Trier (Aachen), Maße nicht bekannt, Lit.: A. M. Koldeweij , Van de Hoed en de rand (1995), Abb. 19. Nr. 56 Sistig, Kreis Schleiden, Glockenabguss, 1513, Meister Gregor v. Trier (Aachen), Maße nicht bekannt, Lit.: PZK. Nr. 57 Körrenzig, Kreis Aachen, Glockenabguss, 1514, Meister Gregor v. Trier (Aachen), Maße nicht bekannt, Lit.: PZK. Nr. 58 Bendorf, Kreis Koblenz, Glockenabguss, Ø 32 mm, Medaille ohne Kronenaufsatz, 1532, Meister Peter von Echternach und Johan von Andernach (III). Lit.: PZK. Tabellarische Übersicht über die unterschiedlichen Typen und ihre zeitliche Zuordnung Typ Beschreibung Darstellung Größe Datierung Anzahl A Flachgüsse A - 1 Rundgiebel Ursulaschiff 46 x 37 1180 - 1250 6 Or. A - 2 Spitzgiebel Ursulaschiff 40 x 38 1180 - 1250 2 Or. A - 3,1 Turmarchitektur Ursula im Schiff 33 x 32 1250 - 1350 2 Or. A - 3,2 Turmarchitektur Ursula links vom Schiff 35 x 29 1250 - 1350 7 Or. A - 3,3 Turmarchitektur Ursula rechts vom Schiff 35 x 29 1250 - 1350 8 Or. A - 3,4 Turmarchitektur Schiff + Inschrift 40 x 30 1250 - 1350 3 Or. B Gittergüsse B - 1 mit Spitzgiebel Schiff + Schutzmantel 90 x 70 1350 - 1415 2 Or., 1 GA B - 2 mit Kielbogen Schutzmanteltyp 70 x 60 1483 - 1494 3 GA Jörg Poettgen 180 <?page no="181"?> Typ Beschreibung Darstellung Größe Datierung Anzahl C Zeichen mit zwei Wallfahrtsdarstellungen C - 1,1 Kreisform mit Türmen Dreikönige/ Schiff 64 x 45 1400 - 1495 5 Or., 4 GA C - 1,2 Spiegelzeichen Dreikönige/ Schiff 98 x 55 1483 - 1487 4 GA C - 2 Medaillon mit Krone Dreikönige/ Schiff 40 x 30 1506 - 1532 2 Or., 9 GA durchschnittliche Größe in mm; Or. = Original, GA = Glockenabguss 5. Zusammenfassung und Auswertung In der ersten Abhandlung über die Pilgerzeichen der Heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen hatte Kurt Köster lediglich eine Handvoll Exemplare vor allem als Glockenabgüsse des 15. Jahrhunderts aufführen können, die bisher den Eindruck vermittelt hatten, dass eine Wallfahrt zur Heiligen Ursula erst sehr spät durchgeführt wurde. Inzwischen ist die Zahl der Pilgerzeichen auf mehr als 55 angewachsen, davon ca. 60 % Originale. Schon durch die frühesten dieser Zeichen wird deutlich, dass die Wallfahrt bald nach dem Neubau der Ursulakirche und der Anfertigung der Reliquienschreine von Ursula und Ätherius in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begann, noch bevor mit dem Bau des Dreikönigsschreines angefangen wurde. Ein Teil der Zeichen (Typ A - 1) weist in ihrer Rundbogenarchitektur Ähnlichkeiten mit den zeitgenössischen Typen anderer Wallfahrtsorte im Rheinland auf. Möglicherweise wird er formal dabei auch vom Ätheriusschrein beeinflusst. Nur bei diesem Typus steht Ursula innerhalb des Schiffes, so dass wir hier gegebenenfalls die ältesten Zeichen vor uns sehen. Inhaltlich ist das Ursulaschiff die Hauptszene der Legende, die für alle Jahrhunderte bis zur Reformation verwendet wird, wobei sie bis zum Ende des 14. Jahrhunderts die einzige Szene bildet. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 181 <?page no="182"?> Abb. 32: Trierer Matthiaszeichen, gefunden in Güstrow Abb. 33: Kat.-Nr. 1 Abb. 34: Maastrichter Servatiuszeichen, gefunden in Halberstadt 49 Die weiteren Exemplare (Typ A - 3) geben den Rundbogen auf und übernehmen wie die gleich großen Zeichen der Heiligen Drei Könige eine gotische Giebelarchitektur, eine deutlich parallele Form der Darstellung, die vielleicht auch von dem Turmbau der Ursulakirche beeinflusst ist. St. Ursula, Köln Kat.-Nr. 19 (vgl. Abb. 13) Dreikönigenzeichen Typ A II (vgl. Abb. 15) In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird das bis dahin ausschließlich abgebildete Thema des sog. Ursulaschiffchens um das der Schutzmantelursula ergänzt und zwar zunächst in einer gemeinsamen Darstellung (Typ B - 1). Auch hier zeigen die Ursulazeichen eine deutlich parallele Gestaltung wie die zeitgleichen Dreikönigszeichen. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts findet man für einige Jahrzehnte Pilgerzeichen, bei denen die Schutzfunktion der Heiligen das zentrale Thema bildet (Typ B - 2). 49 Es handelt sich bei dem Pilgerzeichen um einen bisher unpublizierten Fund aus dem Bestand des Städtischen Museums Halberstadt. Es wurde 1993 in Halberstadt in einem Brunnen im Düsterngraben entdeckt. Dem Direktor des Museums Armin Schulze ist für die Möglichkeit der Publikation zu danken. Jörg Poettgen 182 <?page no="183"?> Ursulazeichen Kat.-Nr. 29 (vgl. Abb. 19) Dreikönigszeichen Typ B Ic (vgl. Abb. 20) Bereits vor der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden Zeichen gegossen, auf denen beide Kölner Wallfahrten gemeinsam dargestellt werden. Dabei variiert im oberen Teil des Kreises die Darstellung der Heiligen Drei Könige entweder in der Anbetungsfunktion, bei ihrer Reise nach Bethlehem oder durch Darbietung der drei Häupter aus dem Dreikönigsschrein. Für die Ursulawallfahrt im unteren Kreissegment bleibt ausschließlich die Ankunft mit dem Schiff in Köln. Diese gemeinsame Verehrung der beiden Wallfahrten korrespondiert mit dem Kölner Stadtwappen, das am Ende des Jahrhunderts neben den Kronen auch die als Flammen dargestellten Jungfrauen zeigte 50 . Vom Beginn des 15. Jahrhunderts an nehmen die Pilgerzeichenabgüsse auf Glocken zu. Hatte Köster 1972 noch zu den Aachener Zeichen geschrieben, dass wir die Kenntnis ihres unerhörten Typenreichtums einzig den Abgüssen auf Glocken verdanken, so ist dies durch die zahlreichen seitdem aufgetretenen archäologischen Funde vor allem in den Niederlanden nahezu ins Gegenteil gewendet, so dass die Glockenabgüsse nur noch etwa ein Drittel ausmachen. Dabei ist es nicht angebracht, Originalfunde und Glockenabgüsse gegeneinander aufzurechnen. Beide haben Vor- und Nachteile. So lassen zwar die Originalfunde häufig Details und Inschriften besser erkennen, andererseits sind aufgefundene Fragmente erst durch eine vollständige Darstellung bei Glockenabgüssen ergänzt worden. Auch fehlen gerade bei den Grabungen mit Metalldetektoren oft Beifunde zur zeitlichen Einordnung, während die Glocken entweder sicher datiert oder jedoch zeitlich genauer einzuordnen sind. Nach der Wende zum 16. Jahrhundert sind die Glockenabgüsse gegenüber den Originalen signifikant in der Überzahl und die Fundorte näher an Köln. Dies zeigt mit Deutlichkeit die Dominanz der Nahwallfahrten in dieser Zeit. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der 50 Vgl. Steuer (wie Anm. 8). Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 183 <?page no="184"?> Wandel in der Wallfahrtsform nicht auch einer der Gründe war, weshalb im 15. Jahrhundert die gemeinsamen Kölner Pilgerzeichen beginnen. Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der unterschiedlichen Pilgerzeichentypen ist festzustellen, dass bei den Flachgüssen sieben unterschiedliche Typen vorkommen, genauso viele wie bei den späteren Zeichen. Auch ein Blick auf die topographische Verbreitung zeitigt interessante Ergebnisse. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei den Bodenfunden die Grabungen in den Feuchtgebieten (Fluss - und Meeresfunde) eindeutig überrepräsentiert sind, so dass eine zahlenmäßige Auswertung mit Vorsicht erfolgen sollte 51 . Auch bei den Glockenabgüssen hatten wir gesehen, dass die Praxis von Pilgerzeichenabgüssen regional unterschiedlich praktiziert wurde. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich folgende Aussagen tätigen: l Durch die archäologischen Grabungen an Nord- und Ostsee bieten sich die Funde Kölner Ursulazeichen an folgenden Küsten dar: - Belgien und die Niederlande mit mehr als 20 Funden - London sowie die skandinavischen Länder Dänemark und Schweden mit 5 Belegen - die deutsche Ostseeküste bis nach Danzig mit 8 Funden Da es sich bei diesen Zeichen vor allem um Flachgüsse handelt, ist dies ein deutlicher Beleg für eine Fernwallfahrt zur Heiligen Ursula spätestens ab etwa 1200. Dies wird man auch auf das Binnenland übertragen dürfen, selbst wenn dort archäologische Funde weitgehend fehlen. l Seit dem späten 14. Jahrhundert änderte sich die Situation durch das Anwachsen des Pilgerwesens und das Aufkommen der Nahwallfahrt. Die nun auftretenden Glockenabgüsse gleichen dabei das Fehlen von Bodenfunden im Inland aus. Nun finden sich auch Zeugnisse in Mecklenburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg bis hin nach Siebenbürgen, letzteres ein deutliches Dokument für die gut belegten Ungarnpilger 52 . l Erst unmittelbar vor der Reformation finden sich etliche Abgüsse auf rheinischen Glocken, die belegen, dass nun auch die Nahwallfahrten die Heilige Ursula in Köln zum Ziel hatten. 51 Über die geographische Auswertung der Pilgerzeichenfunde vgl. Carina Brumme , Pilgerzeichen - Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsräume, in: Das Zeichen am Hut. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne / Lothar Lambacher / Konrad Vanja (Frankfurt a. M 2008), S. 127 - 142. 52 Eine kurze Übersicht über die Ungarnpilger gibt Yuki Ikari (wie Anm. 1), S. 49 ff. - Die Pilgerzeichen auf ungarischen Glocken künden außer von Köln und Aachen auch von anderen Wallfahrten, vgl. Elek Benk ő , Erdély középkori harangjai és bronz keresztelömedencéi; (mit deutscher Zusammenfassung: Mittelalterliche Glocken und bronzene Taufbecken in Siebenbürgen) (Budapest 2002), S. 488 - 494. Jörg Poettgen 184 <?page no="185"?> Als Ergebnis zeigt die Verbreitung der Pilgerzeichen, dass eine Wallfahrt zur Heiligen Ursula und ihren Gefährtinnen bereits vom Ende des 12. bis zur Reformation praktiziert wurde, die mit dem gesamten Wallfahrtsleben fast vollständig versiegte. Erst als die Wallfahrten im Zeitalter der Gegenreformation neu aufblühten, entwickelten sich neue Medaillen an den Wallfahrtsstätten, die sich jedoch in Form, Größe und Material deutlich von den mittelalterlichen Pilgerzeichen unterschieden 53 . Resumen: „ Signos de Santa Úrsula “ Lo que se conoce sobre todo de Colonia es la peregrinación para visitar las reliquias de los Reyes Magos poco tiempo después del traslado de sus huesos en el año 1164. Se sabe que en esta época Santa Úrsula y sus compañeras fueron adoradas en Colonia. Sin embargo, hasta el momento no se han encontrado alusiones ni por escrito ni reales. Sólo en las últimas décadas, entre los numerosos hallazgos arqueológicos, se han descubierto alrededor de 60 objetos originales que pueden interpretarse como insignias de peregrinación de la santa. Ahora existe la prueba de que a Colonia también había una peregrinación destinada a la colegiata de Santa Úrsula. Esta peregrinación empezó después de la reedificación de la iglesia de Santa Úrsula y la manufactura de los relicarios de Úrsula y Eterio en la segunda mitad del siglo XII, antes de que se comenzara la construcción del relicario de los Reyes Magos. Parte de las insignias de esta época (tipo A-1) muestra en su arquitectura de arcos de medio punto semejanzas con otros lugares renanos de peregrinación como, por ejemplo, Aquisgrán, Tréveris y Maastricht. Las insignias de estos lugares también pueden datar de alrededor del año 1200. Estos tipos dominarán en los próximos dos siglos: Úrsula se encuentra dentro del barco o de pie, al lado del barco. Varía también el número de las compañeras, entre cuatro y doce. Los demás ejemplares (tipo A-3) renuncian al arco de medio punto y asumen - como las insignias contemporáneas de los Reyes Magos - una arquitectura gótica de frontones. En la segunda mitad del siglo XIV se añadió el llamado „ barquito de Úrsula “ - que hasta entonces estaba exclusivamente pintado - el tema de la santa con el manto protector (tipo B-1). También aquí las insignias de Úrsula muestran un diseño claramente paralelo a las contemporáneas de los Reyes Magos. Después de la mitad del siglo XV se encuentran durante algunas décadas insignias, cuyo tema central es la función de amparo de los santos (tipo B-2). Ya antes de la mitad del siglo XV se funden insignias que representan las dos peregrinaciones de Colonia a los Reyes Magos y a Santa Úrsula en común. De esto también existen varias formas (tipo C). La común veneración de las dos peregrinaciones de Colonia corresponde al diseño del escudo de Colonia, que a finales de siglo mostraba al lado de las coronas a las vírgenes en forma de llamas. Junto a estos originales encontrados por los arqueólogos hay fundiciones de insignias en campanas a partir de comienzos del siglo XV. Mientras que en las excavaciones con detectores de metal faltan a menudo los hallazgos adicionales, con los cuales se podrían asociar a una cierta época, las campanas están fechadas o, por lo menos, se enclavan mejor 53 Hierzu Ursula Hagen , Die Wallfahrtsmedaillen des Rheinlandes in Geschichte und Volksleben, Köln 1973. Darin Medaillen der Hl. Ursula auf S. 164 - 167. Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula 185 <?page no="186"?> en su tiempo. En total se distinguen hasta el momento siete tipos diferentes, tanto en los originales como en las fundiciones de campanas. La distribución topográfica permite entrever resultados interesantes. A pesar de ciertas reservas, se puede determinar lo siguiente: Las excavaciones arqueológicas en la región del Mar del Norte y del Mar Báltico, arrojan hallazgos de insignias de peregrinación de Santa Úrsula procedentes de Colonia en las siguientes costas: l Bélgica y los Países Bajos, con más de 20 hallazgos, l Londres, así como los países escandinavos de Dinamarca y Suecia, con 5 pruebas justificadas, l la costa báltica alemana hasta Gdansk, en Polonia, con 8 hallazgos. El hecho de que estas insignias sean sobre todo fundiciones planas de entre 1200 y 1350 prueba claramente que la peregrinación a Santa Úrsula tenía una fuerte difusión desde sus tiempos más remotos. Sin duda, esto se relaciona también con una región sin acceso al mar, aunque carecemos en su mayoría de hallazgos arqueológicos. A partir de avanzado el siglo XIV la situación cambió por el aumento de la peregrinación y la aparición de la peregrinación local. Las fundiciones de campanas de esta época equilibran la falta de hallazgos arqueológicos en el interior. Ahora se encuentran también testimonios en Mecklemburgo, Baja Sajonia, Baden-Wurttemberg e incluso en Transilvania. Esto último es un documento claro para los peregrinos a Hungría, de los que hay bastantes pruebas. La distribución de las insignias muestra que la peregrinación a Santa Úrsula y sus compañeras se practicaba ya desde el final del siglo XII hasta la Reforma, donde se agotó casi completamente junto con el movimiento de la peregrinación en general. Cuando las peregrinaciones renacieron en la época de la Contrarreforma se fabricaron nuevas medallas que, en cuanto a su forma, tamaño y material eran perfectamente diferenciables de las medievales. Jörg Poettgen 186 <?page no="187"?> Der Ertrag aus 30 Jahren niederländischer Pilgerzeichenforschung von Willy Piron Während in Deutschland, Frankreich und Großbritannien schon im 19. Jahrhundert über Pilgerzeichen publiziert wurde, kam in den Niederlanden das Interesse am Phänomen der Pilgerzeichen und vor allem deren Erforschung erst spät auf. Ein Grund hierfür war vermutlich, dass bis zu dieser Zeit in den Niederlanden fast keine Zeichen gefunden worden waren. In Frankreich und Großbritannien verfügte man schon im 19. Jahrhundert über große Flussfunde und auch in Deutschland waren Pilgerzeichen aufgrund von deren Abguss auf Glocken bereits bekannt. In den Niederlanden war all dies nicht der Fall. Erst 1966 hielt Brian Spencer während einer Tagung in Rotterdam einen Vortag über britische Funde und war damit einer der ersten von denen, die etwas über mittelalterliche Pilgerzeichen in den Niederlanden berichteten. Die erste Veröffentlichung zum Thema erschien erst am Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, also fast zehn Jahre später. Jan Baart , Stadtarchäologe von Amsterdam, publizierte einen Bericht über zwanzig Jahre archäologische Forschung in der Amsterdamer Innenstadt 1 . Er verzeichnete darin den Fund von nur sieben Pilgerzeichen, was letztlich auch nicht verwunderlich ist, da sich der Metalldetektor als Hilfsmittel in der Archäologie damals noch nicht durchgesetzt hatte. In den siebziger Jahren veröffentlichte Stéphan Vandenberghe , Konservator der Brügger Museen, verschiedene Artikel über Pilgerzeichen in Belgien und auch der Brügger Historiker Antoon Viaene beschäftigte sich in seinen Artikeln zu Pilgerfahrten mehrmals mit diesem Thema. Rob Datema erstellte 1978 in einer unveröffentlichten Diplomarbeit eine erste Übersicht über niederländische Pilgerzeichen im In- und Ausland, die 1 Jan Baart , Opgravingen in Amsterdam: 20 jaar stadskernonderzoek (Amsterdam 1977). <?page no="188"?> aus der Periode zwischen 1250 - 1500 stammten. Diese Übersicht verzeichnete 78 Pilgerzeichen 2 . Im gleichen Jahr erschien Jan van Herwaardens Standardwerk Opgelegde Bedevaarten, bei dem es sich um eine sehr umfangreiche Studie über Bußwallfahrten in den Niederlanden in der Zeit von 1300 bis 1550 handelt. Diese Studie, in der der Autor mehr als 500 Ziele von Bußwallfahrten auflistet, ist heute noch immer nicht veraltet oder überholt 3 . Die erste Ausstellung, die man in den Niederlanden den Pilgerzeichen widmete, fand 1982 unter dem Titel Vroomheid per dozijn (Frömmigkeit im Dutzend) im Museum Het Catharijneconvent in Utrecht statt, wo damals 130 Pilgerzeichen zu sehen waren. Fünf Jahre später organisierte man 1987 in Bergen op Zoom die Ausstellung Schatten uit de Schelde 4 . Auf diese folgte 1988 die Ausstellung Heiligen uit de modder in Middelburg und Uden, wo man 713 Zeichen zeigte, von denen 600 aus dem in den 1530er Jahren überschwemmten Dorf Nieuwlande stammten 5 . 1997 fand in Brügge im Rahmen des Internationaal Congres over Middeleeuwse en Latere Archeologie ein Workshop mit dem Titel Sacred and Profane: medieval massproduced badges unter Leitung von Jos Koldeweij statt. Der einstige Provinzial-Archäologe der Provinz Seeland, Dr. Robert van Heeringen , dokumentierte die seeländischen Funde über verschiedene Jahre in der Archäologische Kroniek van Zeeland. 1992 gründete Hendrik Jan van Beuningen die Stiftung Medieval Badges Foundation. Diese Stiftung fördert die Forschung zu mittelalterlichen Pilgerzeichen, publiziert darüber und organisiert Tagungen und Ausstellungen. Ein Jahr nach Gründung der Stiftung erschien 1993 deren erste Publikation mit dem Titel Heilig en Profaan 1 unter Mitwirkung von Professor Jos Koldeweij 6 . Dieses Buch beschreibt 1000 Pilgerzeichen aus der Sammlung van Beuningen und bildete die Grundlage für eine Ausstellung und eine 2 Rob Datema , Pelgrims-insignes in Nederlands bezit en Nederlandse tekens in het buitenland 1250 - 1500 (1978) (Master-Thesis Rijksuniversiteit Leiden, unveröffentlicht). 3 Jan van Herwaarden , Opgelegde Bedevaarten (Assen 1978). 4 Willem van Ham , Schatten uit de Schelde: gebruiksen siervoorwerpen uit de verdronken plaatsen in de Oosterschelde (s. l. 1987). 5 Robert Maarten van Heeringen / Adrianus Maria Koldeweij / Antonia Anna Geertruida Gaalman , Heiligen uit de modder. In Zeeland gevonden pelgrimstekens (Clavis kunsthistorische monografieën 4; Utrecht - Zutphen 1987). 6 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Maria Koldeweij , Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie Hendrik Jan Engelbert van Beuningen (Rotterdam Papers 8, Coten 1993). Willy Piron 188 <?page no="189"?> Tagung im Museum Boymans van Beuningen in Rotterdam. Der anschließend herausgegebene Tagungsband trug ebenfalls den Titel Heilig en Profaan und erschien 1995 7 . Das zweite Buch, Heilig und Profaan 2, wurde 2001 veröffentlicht und beschreibt 1200 Zeichen aus verschiedenen öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter erneut auch die Sammlung van Beuningen 8 . Ein Teil der in diesem Buch beschriebenen Pilgerzeichen war im Rahmen der von Jos Koldeweij 2001 organisierten Hieronymus Bosch-Ausstellung in Rotterdam zu sehen. Das Ziel der beiden Bücher und des geplanten dritten Teils ist es, so viele Typen und Varianten der in den Niederlanden gefundenen Zeichen wie möglich vorzustellen 9 . Auch in die Festschrift zum achtzigsten Geburtstag von Hendrik Jan van Beuningen wurden verschiedene Artikel über mittelalterliche Pilgerzeichen aufgenommen 10 . Die letzte große Ausstellung und Publikation auf diesem Gebiet war die ebenfalls durch Professor Koldeweij zusammengestellte Ausstellung Geloof en Geluk. Sieraad en Devotie in Middeleeuws Vlaanderen in Brügge 2006 - 2007 und der dazugehörige Katalog. Das Thema bildeten die in Flandern gefundenen oder dort hergestellten Pilgerzeichen in ihrem kulturhistorischen Kontext 11 . KUNERA Im Jahre 1998 begann Professor Koldeweij mit dem sogenannten Kunera- Projekt, gemeinsam subventioniert durch die Radboud Universität Nimwegen und die NWO (Netherlandish Organisation for Scientific Research). 7 Adrianus Maria Koldeweij / Johanna Maria Frederika Willemsen , Heilig en profaan: laatmiddeleeuwse insignes in cultuurhistorisch perspectief (1995). 8 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrianus Maria Koldeweij / Dory Kicken , Heilig en profaan 2. 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties, Rotterdam Papers 12 (2001). 9 Hendrik Jan Engelbert van Beuningen / Adrainus Maria Koldeweij / Dory Kicken † / Hanneke Van Asperen / Heinrich Wilhelm Jacob Piron / Willemijn Gertsen , Heilig en Profaan 3. 1300 Laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (2012). 10 Edd. Dory Kicken / Adrianus Maria Koldeweij / Johannes Rein Ter Molen , Gevonden Voorwerpen, opstellen over middeleeuwse archeologie voor Hendrik Jan Engelbert van Beuningen/ Lost and found, essays on medieval archeology, Rotterdam Papers 11 (2000). 11 Adrianus Maria Koldeweij , Geloof & Geluk. Sieraad en Devotie in middeleeuws Vlaanderen (2006). Der Ertrag aus 30 Jahren niederländischer Pilgerzeichenforschung 189 <?page no="190"?> Einen Bestandteil dieses Projekts bildete die Erstellung einer Datenbank für mittelalterliche Pilgerzeichen und -ampullen 12 . Es gab mehrere Gründe, warum die Anlage einer solchen Datenbank sinnvoll und notwendig erschien. Erstens war eine konsequente und gründliche Dokumentation aufgrund der Zerbrechlichkeit der Pilgerzeichen dringend erwünscht. Da diese schnell zerfallen, müssen die Objekte dokumentiert und fotografiert werden. Ein weiterer Zweck der Datenbank ist das Speichern von Information, die nicht durch das Objekt selbst geboten werden, wie zum Beispiel dessen Fundort, Fundjahr und Provenienz. Es gibt einen regen Handel mit Pilgerzeichen, bei dem diese Informationen leicht verloren gehen können. Der dritte Grund war die Streuung der Pilgerzeichen. Sie befinden sich in öffentlichen Sammlungen von Museen, aber auch in nicht zugängliche Privatsammlungen. Das Kunera-Projekt beabsichtigte, diese zerstreuten Daten in einer zentralen Datenbank zusammen zu bringen. Im Jahre 2006 wurde die erste Website lanciert. Von Anfang an gab es die Absicht, dass die Datenbank nicht nur für Forscher interessant sein sollte, sondern auch für andere Interessierte wie Amateurarchäologen und Sondengänger. Gerade Sondengänger sind für die Forschung nach mittelalterlichen Pilgerzeichen in den Niederlanden sehr wichtig, da sie den größten Teil der Zeichen finden. Die erste Datenbank im Internet funktionierte jahrelang zu aller Zufriedenheit, aber im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass die Suchmöglichkeiten zu beschränkt waren. Eine Subvention der Reinier Post- Stiftung machte die neue Kunera-Internetsite möglich. Die Fundorte der Pilgerzeichen und die Wallfahrtsorte (also die Herkunftsorte) werden nun mit Hilfe der Geografical Information System-Technologie auf einer Karte wiedergegeben. Als die neue Website entwickelt wurde, stellte man gleichzeitig Anträge für zwei weitere Nebenprojekte: die Dokumentation des Brügger Reiseführers (Brügger Itinerar) und des Mirakelbuchs aus `s-Hertogenbosch. Beide Projekte wurden subventioniert durch Data Archiving and Networked Services (DANS). Die Kunera-Internetsite steht in niederländischer und englischer Sprache zu Verfügung. Sie enthält Daten von fast 16.000 Pilgerzeichen und -ampullen: von Originalen, von Abgüssen auf Glocken und von gemalten Abbildungen in Stundenbüchern und auf Gemälden, sowie Gussformen 13 . Professor Koldeweij betreute in der Vergangenheit verschiedene Dissertationen zur Thematik der Pilgerzeichen. So schrieb Dr. Elly van Loon 2004 ihre Arbeit über die Ornamentik auf mittelalterlichen und Renaissance- 12 Mitarbeiter der Datenbank sind: Dr. Hanneke van Asperen, drs. Willy Piron und drs. Sybille Wijffels. 13 http: / / www.kunera.nl/ . Willy Piron 190 <?page no="191"?> Glocken aus dem Herzogtum Brabant, in der sie sich in einem Kapitel auch mit Pilgerzeichen auf mittelalterlichen Glocken befasste 14 . Dr. Hanneke van Asperen behandelte in ihrer Dissertation aus dem Jahre 2009 Wallfahrtszeichen im Original und in ihrer gemalten Darstellung in religiösen Handschriften aus der Zeit zwischen 1450 bis 1530 15 . Dr. Bart Minnen schrieb 2011 seine Dissertation über den Sankt Job-Kult in Wezemaal, in der er auch eine Übersicht über die bis dahin (Stichtag: 11. November 2010) 33 bekannten Pilgerzeichen des Sankt Job aus Wezemaal erstellte 16 . Drs. Katja Boertjes arbeitet aktuell an einer Dissertationsschrift über Wallfahrtsampullen. Fundkomplexe in den Niederlanden Der erste und vielleicht wichtigste niederländische Fundkomplex ist das seeländische Delta. Fand man bis 1978 in Seeland nur 22 Pilgerzeichen, so häuften sich mit der zunehmenden Popularität des Metalldetektors in den kommenden Jahren die Funde. 1988 belief sich deren Zahl bereits auf mehr als 700 gefundene Pilgerzeichen. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in diesem Gebiet viele tausende Zeichen gefunden - die meisten davon durch Sondengänger. Diese erstaunlichen Zahlen haben auch das Interesse an Pilgerzeichen in den Niederlanden im Allgemeinen gesteigert und insbesondere das Interesse von Herrn van Beuningen geweckt. Bei einer archäologischen Grabung, die zwischen 1994 - 1997 dem Bau eines Einkaufszentrum auf dem Loeffplein in `s-Hertogenbosch vorausging, wurden unerwartet nahezu 1000 Zeichen gefunden. Diese sind 2007 publiziert worden 17 . Die Grabung auf dem Statenplein in Dordrecht in den Jahren 1997 - 2000 brachte ungefähr 300 mittelalterliche Zeichen hervor, davon 191 religiöser Art. Der Stadtarchäologe Johan Hendriks schrieb einen Artikel über die Grabung und die gefundenen Pilgerzeichen in Heilig en Profaan 2 18 . 14 Elly van Loon-Van de Moosdijk , Goet ende wael ghereact. Versieringmotieven op luiden speelklokken uit Middeleeuwen uit de middeleeuwen en Renaissance in hertogdom Brabant (1300 - 1559) (2004). 15 Hanneke Van Asperen , Pelgrimstekens op perkament: originele en nageschilderde bedevaartssouvenirs in religieuze boeken (ca. 1450 - ca. 1530) (2009). 16 Bart Minnen , „ Den heyligen Sant al in Brabant “ . De Sint-Martinuskerk van Wezemaal en de cultus van Sint-Job 1000 - 2000, 2 (2011) S. 20 - 40. 17 Hans Louis Janssen / Anton Agnes Jozef Thelen , Tekens van leven: opgravingen en vondsten in het Tolbrugkwartier in 's-Hertogenbosch (2007). 18 Johan Hendriks , Insignes in context? Pelgrimsinsignes van het Statenplein in Dordrecht, 1997 - 2000, in: Heilig en Profaan 2. 1200 Laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere collecties (Rotterdam Papers 12, 2001). Der Ertrag aus 30 Jahren niederländischer Pilgerzeichenforschung 191 <?page no="192"?> In Groningen sind bei verschiedenen Grabungen (Stichtag: 1. Juli 2010) 39 Pilgerzeichen gefunden worden. Ein Teil dieser Funde ist von Hans van Gangelen und Klaas Helfrich veröffentlicht worden 19 . Bei einer im Jahr 2009 ausgeführten Grabung in der Baugrube an der Clasinastraat in Arnemuiden, fand man 222 religiöse mittelalterliche Zeichen, von denen 61 neue Typen sind, die in Heilig en Profaan 3 veröffentlicht werden sollen. H. J. van Beuningen wird in Heilig en Profaan 3 einen Artikel über diese Fundstelle publizieren. Man hatte auch hochgespannte Erwartungen beim Bau der Metrolinie Noord-Zuidlijn in Amsterdam. Die Archäologen des Bureau Monumenten & Archeologie der Stadt Amsterdam haben in den Jahren 2005 - 2010 archäologische Grabungen ausgeführt. Seit 2010 werden die Funde verarbeitet. Zwar ist noch nicht klar, wann die Funde publiziert werden, aber es ist bereits bekannt, dass dort Pilgerzeichen gefunden worden sind. Fundkomplexe in Belgien Seit 1992 wurde im belgischen Dorf Raversyde ein archäologischer Komplex ausgegraben. Walraversijde wurde 1290 zum ersten Mal erwähnt. Der Komplex besteht aus zwei Dörfern: das erste Dorf wird Raversijde-Strand genannt und wird ins 13. bis in das 14. Jahrhundert datiert. 1394 verließ man das Dorf aufgrund der Sandverwehungen der Dünen und verlegte es landeinwärts. Diese Fundstelle nennt man Raversijde-Polder; sie datiert ins 15. bis 16. Jahrhundert. Mehrere hundert Pilgerzeichen sind in diesem Komplex gefunden worden, die zum Teil in einer Publikation von Pieters , Cools , Koldeweij und Mortier vorgestellt wurden 20 . Die Situation in Ieper ist einzigartig. Die dort gefundenen Pilgerzeichen stammen aus einem Gebiet, dass man Verdronken Weiden nennt, also die überschwemmten Weiden oder Wiesen. Das Gebiet war im Mittelalter ein Stadtteil, der 1383 zerstört wurde und nie wieder aufgebaut worden ist. Im 17. Jahrhundert hat man das Gebiet unter Wasser gesetzt und es blieb bis in das 20. Jahrhundert unbebaut. Für die Funde gilt also ein Terminus ante quem des Jahres 1383. In Ieper sind mehr als 200 Zeichen gefunden worden, die zum Teil im Katalog Geloof en Geluk aufgenommen wurden. 19 Hans van Gangelen / Klaas Helfrich , Teekens die ghy draegt an uwen hoet. Twee bijzondere laat-middeleeuwse pelgrimsinsignes van de opgraving Boterdiep-Ciboga in: Hervonden Stad 2010. Jaarboek voor archeologie, bouwhistorie en restauratie in de gemeente Groningen. 20 Marnix Pieters / Etienne Cools / Adrianus Maria Koldeweij / Agnes Mortier , Middeleeuwse en latere insignes en devotionalia uit Raversijde (gemeente Middelkerke en stad Oostende, prov. West-Vlaanderen), Archeologie in Vlaanderen 1997/ 1998 (Instituut voor het Archeologisch Patrimonium) (2002), S. 261 - 301. Willy Piron 192 <?page no="193"?> In Brügge sind bei verschiedenen Grabungen auch mehr als 100 Zeichen gefunden worden. Die meisten Zeichen wurden durch das Bruggemuseum in Brügge aus der Sammlung H. van der Pas angekauft. Auch diese Funde sind zum Teil in Geloof en Geluk publiziert worden 21 . Der Unterschied zwischen den Niederlanden und Belgien In Belgien findet keine zentral organisierte Pilgerzeichenforschung statt. Hier sind nur einige Diplomarbeiten über Pilgerzeichen geschrieben worden. Auch die Gesetzgebung ist in Belgien sehr nachteilig für die Forschung, da dort beispielsweise die Amateurarchäologie verboten ist. Das ist sehr zu bedauern, denn der Ertrag aus den alten flämischen Städten hätte unter Beteilungung von Amateuerarchäologen bestimmt größer sein können. Die Funde aus Raversyde und Ieper waren nur möglich, da man den Boden dort systematisch mit Detektoren abgesucht hat. Aus Antwerpen sind uns gegenwärtig nur 22 Zeichen bekannt und aus Gent, das doch in etwa vergleichbar mit Brügge oder Ieper ist, nur 14. In den Niederlanden haben die Amateurarchäologen den größten Teil der Pilgerzeichen gefunden und in den letzten Jahren arbeiten Stadtarchäologen immer häufiger mit diesen zusammen - leider geschieht dies noch nicht überall. Meistens müssen die offiziellen Archäologen unter Zeitdruck arbeiten, da ein Neubau in der Planung ist und nicht selten ist auch das Geld ein Problem. Es fehlt oftmals an Zeit oder Geld, um alle abgeführte Erde systematisch zu untersuchen. Eine Lösung für dieses Problem besteht darin, Amateurarchäologen einzuschalten, die mit ihren Detektoren an der Grabungsstelle selbst helfen oder noch häufiger die abgeführte Erde auf dem Abladeplatz untersuchen. Auch Geoff Egan , der leider im Februar 2011 verstarb, war überzeugt von der Bedeutung der Amateurarchäologie. Er war in London ein Pionier im Hinblick auf die Beziehung zwischen den Archäologen und den Mudlarks (wie man dort die Männer und Frauen mit den Metalldetektoren nennt). Die Mudlarks haben mehr Zeit und mehr Leute als die offiziellen Archäologen. Sie sind vielleicht nicht so genau im Registrieren der Funde - aber ohne ihren Einsatz wären diese überhaupt nicht zu Tage gekommen. Viele Mudlarks überließen ihre Funde aufgrund der Initiative Geoff Egans dem Museum of London oder dem British Museum. Die Beziehungen zwischen der offiziellen Archäologie und den Amateuren ist lange Zeit sehr schlecht gewesen. Aber mit guten Vereinbarungen ist eine gute Zusammenarbeit sehr gut möglich und kann sehr wertvoll sein. In den Niederlanden hat van Beuningen sehr wichtige Arbeit auf diesem Gebiet geleistet. 21 Koldeweij , Geloof & Geluk (wie Anm. 10). Der Ertrag aus 30 Jahren niederländischer Pilgerzeichenforschung 193 <?page no="194"?> Resumen: „ El resultado de 30 años de investigación sobre las insignias de peregrinación en los Países Bajos “ La investigación sobre las insignias de peregrinación en los Países Bajos no comenzó hasta los años sesenta del siglo pasado, principalmente por la falta casi completa de hallazgos en los Países Bajos hasta entonces. Posteriormente se han encontrado varios miles de signos, sobre todo en la provincia de Zeeland. En el año 1992 Hendrik Jan van Beuningen estableció la fundación Middeleeuwse Religieuze en Profane Insignes fundación que fomenta la investigación sobre las insignias de peregrinación en la Edad Media. En el año 1993 se editó la primera publicación de la fundación, Heilig en Profaan 1, donde se comentan 1000 insignias de la colección Van Beuningen. Este libro ha sido la base para una exposición y un congreso en el museo Boymans Van Beuningen en Rotterdam. El segundo libro, Heilig en Profaan 2, se publicó en el año 2001, y describe 1200 insignias de diversas colecciones públicas y privadas. Una parte de las insignias de este libro se ha expuesto en la exposición Hieronymus Bosch en Rotterdam, organizada por Jos Koldeweij en el año 2001. A comienzos del año 2012 ha aparecido Heilig en Profaan 3 con 1300 descripciones de insignias. La intención de estos tres libros es describir la mayor cantidad posible de tipos y variantes de insignias encontradas en los Países Bajos. La exhibición Geloof en Geluk - Sieraad en Devotie in Middeleeuws Vlaanderen en Brugge en los años 2006 - 2007 y con su correspondiente catálogo ha sido la última gran exposición y publicación en el campo de las insignias. Sieraad en Devotie in Middeleeuws Vlaanderen en Brugge en los años 2006 - 2007 y con su correspondiente catálogo. El tema era las insignias de peregrinación que habían sido encontradas o fabricadas en Flandes en su marco histórico-cultural. En el año 1998 Jos Koldeweij, catedrático de historia del arte medieval en la Radboud University Nijmegen desde el año 1993, lanzó el proyecto de Kunera, una de cuyas partes es el banco de datos de insignias de peregrinación y ampollas medievales. En el año 2009 fue lanzada la nueva página electrónica de Kunera. Por medio de la Geographical Information System Technology es posible reproducir en un mapa los lugares de peregrinación (es decir, los lugares de origen) y los lugares de hallazgo de los signos. Se han incorporado en esta página también dos proyectos secundarios: El „ itinerario de Brujas “ y el libro de milagros de `s-Hertogenbosch. Willy Piron 194 <?page no="195"?> Abbildungsverzeichnis Klaus Herbers und Hartmut Kühne Einführung: Mittelalterliche Pilgerzeichen - Zur Geschichte und den gegenwärtigen Perspektiven ihrer Erforschung Abb. 1 „ A-Glocken “ vor dem Einschmelzen im Glockenlager Ilsenburg 1942, Foto: Glockenkartei Heinrich Schuster, Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Abteilung Bau und Kunstdenkmäler. Abb. 2 Die „ Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ im Deutschen Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg im Jahre 2006, Foto: René Hurtienne. Abb. 3 Ein Blick in die Ortskartei der „ Zentralen Pilgerzeichenkartei Kurt Köster “ im Deutschen Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Foto: René Hurtienne. Karl-Ferdinand Beßelmann Der Hellweg als Wallfahrtsstraße des späten Mittelalters Abb. 1 Karte des Hellwegs auf der Grundlage des Hand-Atlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande und über das Weltgebäude. Hrsg. von C. G. Reichard und Adolf Stieler, Gotha (Perthes) 1817 - 1822, Nr. 21, Grafik: Karl-Ferdinand Beßelmann. Gerd Dethlefs Reisende am Hellweg im Spiegel städtischer Rechnungen der Frühen Neuzeit Abb. 1 „ Postweg nach Paderborn “ zwischen Unna und Erwitte, Ausschnitt aus einer Karte des Verlages Matthaeus Seutter in Augsburg, um 1735/ 49 (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, C - 9262 LM). <?page no="196"?> Abb. 2 „ Postweg nach Paderborn “ zwischen Soest und Paderborn, Ausschnitt aus einer Karte des Verlages Matthaeus Seutter in Augsburg, um 1735/ 49 (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, C - 9262 LM) Abb. 3 Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Unna von Nordosten, um 1641/ 47. Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, K 61 - 98 LM). Abb. 4 Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Werl von Süden, um 1641/ 47. Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, K 63 - 170 LM). Abb. 5 Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Süden, um 1580/ 81. Kolorierter Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, K 61 - 346 LM). Abb. 6 Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Südwesten, 1588. Aus: Braun / Hogenberg: Civitates orbis terrarum, Bd. 4, Köln 1588, Nr. 21. Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Inv.Nr. K 64 - 42 LM). Abb. 7 Werkstatt Franz Hogenberg: Ansicht der Stadt Soest von Südwesten, 1588. Ausschnitt, Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Inv.Nr. K 64 - 42 LM). Abb. 8 Werkstatt Matthaeus Merian: Ansicht der Stadt Paderborn von Südwesten, um 1641/ 47, Ausschnitt, Kupferstich (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Inv.Nr. K 61 - 154 LM). Hartmut Kühne Pilgerzeichen westfälischer Transitwallfahrten im Mittelalter Abb. 1 Pilgerzeichen aus Werben, gefunden in der Aa bei Münster, LWL- Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Inv.- Nr. V-271 LM; Foto: Gerd Dethlefs. Abb. 2 Fundorte der Pilgerzeichen aus Werben, Karte: Carina Brumme. Abb. 3 Marienpilgerzeichen, gefunden in der Aa bei Münster, LWL- Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Inv.- Nr. V-272 LM; Foto: Gerd Dethlefs. Abb. 4 Liborius-Pilgerzeichen, Weserfund, Focke-Museum Bremen, Inv.-Nr. C 0752, Foto: Focke-Museum Bremen. Abb. 5 Abguss eines Zeichens mit dem Motiv des Gnadenstuhls auf der Erztaufe von Wolterdingen, Foto: Frank Farthmann, Soltau. Abb. 6 Abguss eines Pilgerzeichens aus Ovenhausen auf der Glocke von Wittgendorf, Gipsabguss aus dem Evangelischen Zentralarchiv Berlin, Bestand 525 Glockenerfassung Richard Heinzel. Abbildungsverzeichnis 196 <?page no="197"?> Abb. 7 Pilgerzeichenbrakteat aus Ovenhausen, gefunden in Volkmarskeller, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen, Inv.-Nr. MA 328 PZ, Foto: Museumsfotograf. Abb. 8 Abguss eines Pilgerzeichens aus Jakobsberg auf der Barbara- Glocke in Eberswalde, Foto: Hartmut Kühne. Abb. 9 Stirnseite des Grabmals von Bernhard VII. zu Lippe und seiner Frau Anna aus der Werkstatt Heinrich Brabenders in der Blomberger Kirche, Foto: Hartmut Kühne. Abb. 10 Abguss eines Pilgerzeichens aus Königslutter auf der Erztaufe in Tostedt, Foto: Annemarie Anders, Tostedt. Abb. 11 Abguss eines Pilgerzeichens der Braunschweiger Stiftskirche St. Blasii auf der Glocke Blasius minimus daselbst, Foto: Pilgerzeichenkartei Kurt Köster im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Abb. 12 Abguss eines Pilgerzeichens (? ) aus dem Michaelskloster in Hildesheim (? ) auf der Glocke von Zennern, Gipsabguss, Foto: Pilgerzeichenkartei Kurt Köster im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Abb. 13 Pilgerzeichen aus Stromberg, gefunden in Wismar, Grabung Am Lohberg, Foto: Jörg Ansorge, Horst. Abb. 14 Pilgerzeichen aus Stromberg, gefunden in Rostock, Grabung am Mühlendamm, Foto: Jörg Ansorge, Horst. Abb. 15 Postkarte mit dem „ Iburg-Fund “ , um 1902, Foto: Werner Best, Bielefeld. Abb. 16 Abguss eines Pilgerzeichens auf der Glocke in Sibbese, Foto: Christine Wulf (Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Inschriftenkommission). Abb. 17 Abguss eines Pilgerzeichens auf der Glocke von Dankerode, Foto: Hans Losche, Nordhausen. Peter Ilisch Pilgerzeichen in Westfalen Abb. 1 Umzeichnung nach Andreas Haasis-Berner: Archäologische Funde, in: Westfalen 78 (200), S. 353. Abb. 2 - 26 sämtlich Bestand LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, Fotos Peter Ilisch. Abbildungsverzeichnis 197 <?page no="198"?> Carina Brumme Aus nah und fern - Interpretation von Fundverbreitungsräumen am Beispiel der Pilgerzeichen aus Aachen und Köln Abb. 1 Schema der räumlichen Verbreitung der Pilgerzeichen im Hoch- und Spätmittelalter, Grafik: Carina Brumme. Abb. 2 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen, 13. Jahrhundert bis zur vierten Dekade des 16. Jahrhunderts, Grafik: Carina Brumme. Abb. 3 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln, 13. Jahrhundert bis zur vierten Dekade des 16. Jahrhunderts, Grafik: Carina Brumme. Abb. 4 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts, und Aachener Flachguss, Fundort: Trier, Reproduktion nach Hans-Joachim KANN, Aachener Wallfahrtszeichen des 13. bis 15. Jahrhunderts aus Trierer Funden (Kurtrierisches Jahrbuch 36, 1996) S. 63 - 72; dort: Abb. 5 auf S. 70, Grafik: Carina Brumme.. Abb. 5 Verbreitung der vermutlich aus Aachen stammenden Pilgerzeichen mit thronender Gottesmutter, Glockenabguss aus Piscaborn (Sachsen-Anhalt), Reproduktion nach der Glockenkartei Heinrich Schuster im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachen-Anhalt, Grafik: Carina Brumme. Abb. 6 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts, Flachguss, Fundort: Ribe (Dänemark), Reproduktion nach Andersson , Pilgrimsmärken (wie Anm. 52) S. 74/ 75, Grafik: Carina Brumme. Abb. 7 Verbreitung der Aachener Pilgerzeichen im 14. Jahrhundert, Gitterguss, Fundort: Aachen, Reproduktion nach Peter Rong , Mittelalterliche Aachener Pilgerzeichen aus der Zeit des 14. bis 16. Jahrhunderts (Aachen 2000) S. 20 f., Grafik: Carina Brumme. Abb. 8 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln, 14. Jahrhundert, Gitterguss Fundort: s´ Hertogenbosch, Niederlande, heute Schnüttgen- Museum in Köln, Reproduktion nach Haasis-Berner / Poettgen , Pilgerzeichen (wie Anm. 27) S. 187, Grafik: Carina Brumme. Abb. 9 Aachener Spiegelzeichen mit wappenförmigem Spiegelfeld, Glockenabguss in Halsdorf (Hessen) erste Hälfte des 15. Jahrhunderts, Reproduktion nach der Glockenkartei von Heinrich Schuster, Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Abteilung Bau und Kunstdenkmäler, Grafik: Carina Brumme. Abb. 10 dreikreisiges Aachener Spiegelzeichen, Abguss auf einer Glocke im hessischen Großenlinden von 1476, Reproduktion nach Kurt Köster , Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk Abbildungsverzeichnis 198 <?page no="199"?> eines mittelrheinischen Glockengießers des 15. Jh.s. Mit besonderer Berücksichtigung der als Glockenzier verwendeten Pilger- und Wallfahrtszeichen (Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung 8, 1957) S. 1 - 206, dort: S. 67, Tafel XVI, Abb. 73, Grafik: Carina Brumme. Abb. 11 Verbreitungsgebiet Aachener Pilgerzeichen im 15. Jahrhundert, Grafik: Carina Brumme. Abb. 12 Verbreitungsgebiet der Hanse und der Kölner Pilgerzeichen bis Ende des 15. Jahrhunderts, Grafik: Carina Brumme. Abb. 13 Herkunftsorte der Pilgerzeichen auf der Glocke in Hablingbo, Grafik: Carina Brumme. Abb. 14 Herkunftsorte der Pilgerzeichen auf der Glocke in Falkenhagen, Grafik: Carina Brumme. Abb. 15 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Köln im 16. Jahrhundert, Grafik: Carina Brumme. Abb. 16 Verbreitung der Pilgerzeichen aus Aachen im 16. Jahrhundert, Grafik: Carina Brumme. Abb. 17 Quantitative Verteilung der datierten Glockenabgüsse Aachener und Kölner Zeichen im ausgehenden Spätmittelalter, Grafik: Carina Brumme. Jörg Poettgen Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula - Zeugnisse einer im 12. Jahrhundert beginnenden Wallfahrt Abb. 1 Ursulaschrein, Foto: Stadtkonservator Köln. Abb. 2 Ätheriusschrein, Foto: Stadtkonservator Köln. Abb. 3 Kat.-Nr. 1, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 4 Kat.-Nr. 3, Foto: Marian Rebkowski. Abb. 5 Kat.-Nr. 4, Foto: Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster. Abb. 6 Kat.-Nr. 7, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 7 Kat.-Nr. 9, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 8 Kat.-Nr. 10, Foto: Renate Samariter. Abb. 9 Kat.-Nr. 11, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 10 Kat.-Nr. 14, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 11 Kat.-Nr. 15, Foto: Renate Samariter. Abb. 12 Kat.-Nr. 18, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 13 Kat.-Nr. 19, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 14 Kat.-Nr. 20, Foto: Marian Rebkowski. Abb. 15 Vergleichsstück: Dreikönigenzeichen Typ A II, Reproduktion nach Haasis-Berner / Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen (wie Anm. 6), S. 183. Abbildungsverzeichnis 199 <?page no="200"?> Abb. 16 Kat.-Nr. 26, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 17 Kat.-Nr. 27, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 18 Kat.-Nr. 28, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 19 Kat.-Nr. 29, Umzeichnung: Carina Brumme Abb. 20 Dreikönigszeichen Typ B Ic, Reproduktion nach Haasis-Berner / Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen (wie Anm. 6), S. 187. Abb. 21 Kat.-Nr. 30, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 22 Kat.-Nr. 31, Foto: Hartmut Kühne. Abb. 23 Kat.-Nr. 31, Durchreibung: Jörg Poettgen. Abb. 24 Kat.-Nr. 32, Foto: Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster. Abb. 25 Heisterbacher Altar, Rheinisches Bildarchiv, Köln (Pl. 95580). Abb. 26 Kat.-Nr. 34, Foto: Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster. Abb. 27 Kat.-Nr. 35" Reproduktion nach Haasis-Berner/ Poettgen , Die mittelalterlichen Pilgerzeichen (wie Anm. 6), S. 197. Abb. 28 Kat.-Nr. 36, Umzeichnung: Elek Benkö. Abb. 29 Kat.-Nr. 45, Foto: Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster. Abb. 30 Kat.-Nr. 48, Umzeichnung: Carina Brumme. Abb. 31 Kat-Nr. 56, Foto: Zentrale Pilgerzeichenkartei Kurt Köster. Abb. 32 Trierer Matthiaszeichen, gefunden in Güstrow, Umzeichnung nach Giannina Schindler. Abb. 33 Kat.-Nr. 1, Umzeichnung Carina Brumme. Abb. 34 Maastrichter Servatiuszeichen, gefunden in Halberstadt, Foto: Städtisches Museum Halberstadt. Abbildungsverzeichnis 200 <?page no="201"?> Register der Orts- und Personennamen bearbeitet von Stephanie Kamm Das Register erfasst neben dem Haupttext auch alle Namen aus den Anmerkungen, sofern sie nicht in bibliographischen Angaben enthalten sind. Nicht berücksichtigt wurden Namen in den spanischen Zusammenfassungen sowie in Bildlegenden. Personen werden bis Anfang/ Mitte des 16. Jahrhunderts unter dem Vornamen angeführt. Auf die moderne Schreibweise der Personen und Orte wird jeweils verwiesen; alternative Stichworte werden in Klammern beim Hauptstichwort vermerkt. Adjektive sind den entsprechenden Substantiven (z. B. „ deutsch “ zu „ Deutschland “ ), Personenbezeichnungen ggf. den entsprechenden Toponymen zugeordnet (z. B. „ Deutscher “ zu „ Deutschland “ ). Datenangaben beziehen sich bei Herrschern, Päpsten und Bischöfen auf ihre Regierungszeit. Sofern keine genauen Lebensdaten bzw. Regierungszeiten vorliegen, wird auf das Jahrhundert oder auf das Sterbejahr bzw. bei noch lebenden Personen - falls möglich - auf das Geburtsjahr verwiesen. Abkürzungen apok. - apokryph Bf. - Bischof Bg. - Burg bibl. - biblisch böhm. - böhmisch Btm. - Bistum dt. - deutsch Dyn. - Dynastie Ebf. - Erzbischof Ebtm. - Erzbistum Fl. - Fluss frk. - fränkisch Gf. - Graf Gft. - Grafschaft hl. - heilig Hz. - Herzog Hzt. - Herzogtum Jh. - Jahrhundert Kf. - Kurfürst Kg. - König Kgn. - Königin Ki. - Kirche Kl. - Kloster Ks. - Kaiser L. - Land/ Landschaft Lgf. - Landgraf M. - Meer Mgf. - Markgraf O. - Ort P. - Papst röm.-dt. - römisch-deutsche(r) St. - Sankt, San, Saint(es), Santo, Santa V. - Volk <?page no="202"?> Aa, Fl. 71 f., 74, 120 Aachen (Aquisgranum, Aken, Akene, Ache), O. 11 - 13, 26, 39 f., 43 - 46, 62, 64, 71, 76 f., 78 Anm. 34, 81, 94 f., 108 Anm. 1, 110, 115, 124 f., 128 - 141, 143 - 148, 150, 153, 157, 158 Anm. 21, 162, 174, 175 Anm. 44, 177 Anm. 45, 179 f., 183, 184 Anm. 52 - St. Marien, Ki. 128, 131, 169 - Karlsbüste 162 - Karlsschrein 157, 162 - Marienschrein 131 - Kornelimünster (Korneliemünster), Kl. und Ortsteil 44, 76, 115, 130 Anm. 15 - Marienstift 11 Adria, M. 76 Aegidius, hl. ( † 720? ) 85 Aetherius (Ätherius), Bräutigam der hl. Ursula (5. Jh.) 158 f., 181 Agrippina, siehe Köln Aken(e), siehe Aachen Alb, Fl. 177 Albersloh, O. 100 - St. Ludger, Ki. 100 Albert, Bf. von Minden (1436 - 1473) 98 Anm. 94 Albrecht, Georg, Adeliger (17. Jh.) 67 Alheyt, Frau aus Blomberg (15. Jh.) 89 Alpen 27 Altmark, L. 87 Amsterdam, O. 39, 90, 99, 108, 171, 176, 187, 192 Andreas, bibl. Person 91 Anna, apok. 7, 118, 156 Anna, Frau des Bernhard VII. zur Lippe (15. Jh.) 89, 91 Antonius, Eremit ( † 356) 116, 118 Antwerpen, O. 193 Aquisgranum, siehe Aachen Argenta, O. 21 Arnemuiden, O. 177, 192 Augsburg, O. 50, 93 Augustiner, Orden 35 f. Bad Driburg, O. 43 Baden-Württemberg, L. 133, 184 Bad Sassendorf, O. 29 Bad Westernkotten (Westernkotten), O. 29, 43, 110, 116 Balhorn, O. 31, 43, 107 Baltikum, L. 29, 77, 100 Barbara, hl. ( † 306? ) 84 Bartholomäus, bibl. Person 37, 41 Basel, O. 158 Bayern, L. 133 Belgien, L. 14, 27, 131, 143 Anm. 42, 143 Anm. 44, 164, 169, 176, 184, 187, 192 f. Bendorf, O. 144 Anm. 44, 180 Benediktiner (Ordo S. Benedicti), Orden 86 f. Benninghausen (Benninckhausen), Kl. 63 Bentheim, O. 34 Bergedorf, O. 35 Bergen op Zoom, O. 188 Berlin, O. 15, 24, 26, 71 Anm. 7, 124 Anm. 3, 177 f. Bernhard III. von Oesede, Bf. von Paderborn (1204 - 1223) 64 Bernhard Witte (Bernardus Wittius), Mönch (um 1460) 87 Bernhard VII. zur Lippe, Landesherr ( † 1511) 35 f., 89, 91 Bernward von Hildesheim, Bf. von Hildesheim (993 - 1022), hl. 98 Bethlehem, O. 183 Beverungen, O. 86 Bielefeld, O. 25, 78 - Jostberg (Josteberg), Kl. 120 Bisperode, O. 81, 143 Anm. 42, 172 Bißolich, O. 67 Blanckenhagen, O. 67 Blankenburg, O. 83 Anm. 52, 85 - Georgenhof 83 Anm. 52 - Michaelsstein, Kl. 85 - Volkmarskeller 85 Blasius, hl. ( † 316) 95 Blomberg (Blomburg, Blombh[erg]), O. 35 f., 42, 44, 46, 87 Anm. 64, 89 - 94, 98, 112 - Blomberger Burg 89 - Fronleichnamsbruderschaft 42 - Zum Heiligen Leichnam, Kl. 36, 89, 93 - Klosterkirche 36, 90 f., 93 Bochum, O. 32 - 36, 40, 42 - Jakobusbruderschaft 42 - Linden, Ortsteil 36 Register der Orts- und Personennamen 202 <?page no="203"?> - Pilgrimspütt, Sakramentskapelle und Brunnen 35 - Stiepel, Ortsteil 36 - Wattenscheid, Ortsteil 41 - Wattenscheider Ki. 41 Bödingen, O. 96 Böhmen, L. 131, 133, 141 Böhmerwald, L. 94 Bonifaz VIII., P. (1294 - 1303) 129, 135 Bonifaz IX., P. (1389 - 1404) 129, 139 Borgentreich, O. 110 Boulogne-sur-Mer, O. 131 Anm. 19, 132 Anm. 19 Brabant, Hzt. 191 Brakel, O. 31, 38 f., 45 Brandenburg, L. 71, 75, 88, 91, 99, 125, 128 Anm. 9, 143 Anm. 42, 143 Anm. 43, 178 Braun, Georg, Theologe ( † 1622) 54, 57 Braunschweig (Brunswygk), O. 33, 77 f., 81 Anm. 43, 85, 87, 89, 95 Anm. 91, 96 f., 110 - St. Blasius, Ki. 95 - 97 - Dankwarderode, Bg. 85 Breckerfeld, O. 37 Breisgau, L. 7 Breitenfelde, O. 173, 179 Bremen, O. 15, 67, 75, 78 f., 99, 107, 115, 155, 164, 169 Breslau, O. 145 Broich, Bg. 33 Brügge, O. 116, 187 - 190, 193 Brüssel, O. 143 Anm. 42, 164 Brunswygk, siehe Braunschweig Buchten, O. 180 Budapest, O. 176 Büchen, O. 35 Burow, O. 83 Cammall, O. 67 Calvin, Johannes, Reformator ( † 1564) 51 Camino francés, siehe Frankenweg Caspar Kettel, Münchner (um 1520) 8 Chartres, O. 110 Christian I. von Oldenburg, Kg. von Dänemark (1448 - 1481) 144 Clematius, Senator (4. Jh.? ) 158 Co(e)lln, siehe Köln Cornelius, hl. ( † 253) 115 Corvey, O. und Kl. 7, 31, 33 f., 37 f., 43, 46, 82, 83, 86 - 88 Creuzburg, O. 79 - Werrabrücke 79 - Liboriuskapelle 79 Cucagna, Bg. 22 Dänemark, L. 15, 91, 99, 144 f., 177, 184 Dankerode, siehe Harzgerode Danzig, O. 21, 94, 134, 169, 184 Dedelow, O. 143 Anm. 42 Den Briel, O. 169 Deutschland (Deutsches Reich, Niederdeutschland, Deutsche Demokratische Republik), L. 8, 10, 14 - 16, 22 - 25, 27, 29, 31, 46, 76 f., 82, 86, 131, 139, 144, 150, 156, 184, 187 Dietrich IV. von Fürstenberg, Fürstbf. von Paderborn (1585 - 1618) 66 Dietrich Westhoff, Dortmunder Stadtchronist ( † 1551) 39, 44 Dionysios, hl. ( † nach 250) 8 Domsühl, O. 143 Anm. 42 Donau, Fl. 27, 177 Dordrecht, O. 108, 110, 114, 116, 164 f., 167 f., 170 f., 191 - Statenplein 191 Dorothea von Montau, hl. ( † 1394) 45 Dortmund, O. 32 f., 38 - 41, 43 - 46, 50, 54, 78 - Altes Gasthaus 41 - Heilig-Geist-Spital (Heiliggeistspital) 41, 45 - Jakobuskapelle 38 - Marten, Ortsteil 32 - Oespel, Ortsteil 32 - Ostentor 38, 46 - Benediktskapelle 38, 46 - Reinoldikirche 39 - Reinoldusschrein 39 - Westentor 38, 40, 44 - Neues Gasthaus 40, 45 Duderstadt, O. 83 Anm. 52 - Liebfrauenkirche 83 Anm. 52 Dülmen, O. 63 Düren, O. 118, 130 Anm. 15, 156 - St. Anna, Ki. 76 Duisburg, O. 33, 54 Register der Orts- und Personennamen 203 <?page no="204"?> Eberswalde, O. 88, 99 Ebsdorf, O. 138 Eduard IV., Kg. von England (1461 - 1470) 145 Einsiedeln, O. und Kl. 12, 45 f., 81 Eisdorf, O. 143 Anm. 42 Elbe, Fl. 29, 33, 73 f. Elisabeth, hl. ( † 1231) 53, 100 Anm. 107 Elsaß, L. 81 Elze, O. 102 - Esbeck, Ortsteil 102 Emilia-Romagna, L. 21 Engelbert III. von der Mark, Ebf. von Köln (1364 - 1368) 43 England, L. 18, 131, 144 f., 176, 190 Erich I. von Hoya, Administrator von Osnabrück ( † 1441/ 42) 98 Anm. 94 Erft, Fl. 92, 143 Anm. 44, 179 Erfurt, O. 90 f. Ernestiner, Dyn. 8 f. Erwitte, O. 33, 110, 116 Esbeck, siehe Elze Essen, O. 78 Anm. 34 - Damenstift 33 - Steele, Ortsteil 29, 33, 41 Europa (Europalia, Mitteleuropa, Nordeuropa, Ostmitteleuropa, Südeuropa, Westeuropa), L. 9, 10 Anm. 13, 11, 13, 16 - 18, 21, 24, 27, 29, 46, 71, 73, 104, 114, 125, 134 Anm. 23, 145, 153, 155 Euskirchen, L. 144 Anm. 44 Falkenburg, Bg. 108 Falkenhagen, O. 143 Anm. 43, 147, 178 Federow, O. 174 Fehmarn, L. 35 Ferrara, O. 21 Finnland, L. 99 Flandern (Vlanderen, Vlaanderen, Ostflandern), L. 115, 176, 189, 193 Flensburg, O. 73 Frankenweg (Camino francés) 39 Frankfurt (Frankfort, Frankfurt am Main), O. 63, 145 - Frankfurter Weg 31 Frankreich (Nordfrankreich), L. 10, 14, 18 f., 39, 74, 131 Anm. 19, 187 Freiburg, O. 22 Friaul, L. 22 Friedland, O. 164 Friedrich I., Kf. von Brandenburg (1415 - 1440) 75 Friedrich III. (der Weise), Kf. von Sachsen (1486 - 1525) 9, 129 Anm. 10 Friesland, L. 34 Fritzlar, O. 98 Frøslev, O. 91, 177 Galicien, L. 77 Gebhard I. Truchsess von Waldburg, Kf. und Ebf. von Köln (1577 - 1583) 51, 81 Gebhard Dacher, Chronist ( † 1471) 12 Geilenkirchen, O. 179 Gent, O. 17, 193 Georg, hl. ( † 305? ) 41 Gerdt Helmich, Verfasser eines Pilgerführers (16. Jh.) 77 Gert van Lon, Meister ( † um 1521) 7 Gertrud, hl. ( † 659) 53 Geseke, O. 32 f., 38, 41 - 43, 50, 115 - Heilig-Geist-Spital 41 f. - Jakobusbruderschaft 42 Gleichen, Gft. 67 Gleuel, O. 179 Göttingen, O. 103 - Langenau, Ortsteil 177 Gondulphus, Bf. von Maastricht (597 - 614) 128 Goslar, O. 33, 78 Gotland, L. 94 Gottfried IV., Gf. von Arnsberg (1338 - 1368) 57 Gottsbüren, O. 103 Gregor von Trier, Glockengießer (um 1500) 179 f. Greifswald, O. 111 Griechenland, L. 9 Grimmenthal, O. 134 Anm. 22 Grötlingbo, O. 143 Anm. 43, 178 Groningen, O. 169 f., 192 Großbritannien, L. 18, 135, 143 Anm. 42, 158, 187 Grosseto, O. 22 Güstrow, O. 103 Haarstrang, L. 32 Hablingbo, O. 146, 173 f., 178 Register der Orts- und Personennamen 204 <?page no="205"?> Hadamar, O. 96 Haddenberg, siehe Jakobsberg Halberstadt, O. 33 Halwinckh, Hanß (17. Jh.) 67 Hamburg, O. 34 f., 99 Hameln, O. 33, 35, 40, 42 f., 78, 89, 94, 98 - Marienkapelle 40 Hameln-Pyrmont, L. 81, 143 Anm. 42, 172 Hamm, O. 95 Anm. 91 Hannover, O. 80 Anm. 42 Hans Dorn, Buchhändler und -drucker in Braunschweig ( † um 1525) 77 Hanse 54, 76, 78, 144 - 146 Harburg, L. 75 Hardenberg (Hardenberge), O. 87 Anm. 65 Harz, L. 31, 83 Anm. 52, 85, 102 Harzgerode, O. 102 - Dankerode, Ortsteil 102 Heilige Drei Könige, bibl. 11 Anm. 19, 81, 115 f., 128, 134, 137 f., 143, 144 Anm. 44, 153 - 157, 159 f., 162, 164, 168, 170 f., 174 f., 177, 178 Anm. 46, 179, 181 - 183 Heiliges Römisches Reich, L. 141 Heiligenberg, O. 46 Heinrich III. von Spiegel zum Desenberg, Fürstbf. von Paderborn (1361 - 1380) 43 Heinrich II. von Moers, Bf. von Münster (1424/ 25 - 1450) 98 Anm. 94 Heinrich (der Löwe), Hz. von Sachsen (1142 - 1180) und Bayern (1156 - 1180) 95 Heinrich Tocke, Theologe ( † 1455) 129 Anm. 10 Heinrich van Kampen, Glockengießer ( † um 1524) 96 Heisterbach, Kl. 173 Hellweg (Helevech, Helwege, Königsweg, Weg königlichen Rechts und unter königlichem Schutz, Westfälischer Hellweg, via regis) 25 f., 29, 31 - 46, 50, 52, 54, 57, 78, 80, 82, 89, 94, 98, 104 Henneberg-Schleusingen, Gft. 134 Anm. 22 Heppendorf, O. 92 Herford, O. 90 Anm. 73 Hermann IV. von Hessen, Ebf. von Köln (1480 - 1508) 44 Hermann Künig von Vach, Pilger (15. Jh.) 77 Herzfeld, Kl. 34 Hessen, L. 75, 83, 98 Anm. 95, 103, 140, 143 Anm. 42, 144 Hieronymus Bosch, niederländischer Maler ( † 1516) 189 Hildesheim, O. 33, 63, 77 f., 89, 97 f., 102 f. - St. Andreas, Ki. 77 - Jacobibruderschaft 77 - St. Michael (Michaeliskloster), Kl. 97 f. Hillentrup, O. 36 Hinterpommern, siehe Pommern Höhe, O. 90 Anm. 71, 90 Anm. 72 Höxter, O. 33 f., 37, 40 - 43, 45 f., 78, 82 f., 88 f., 110, 120, 125 Anm. 6 - Heilig-Geist-Spital 41 - Marienkapelle 40 - Ovenhausen, Ortsteil 37 f., 83 - Heiligenberg 37, 83, 86, 89 - St. Michael, Ki. 83, 89 - Tobiasbruderschaft 42 Hogenberg, Frans, Kupferstecher ( † 1590) 53 f., 57 Hohenzieritz, O. 92 Holland (Hollender), L. 66, 114 Homberg (Homberch), O. 45 Hoorn, O. 179 Hürth, O. 143 Anm. 44 - Gleuel, Ortsteil 143 Anm. 44 Humbert, Mönch (11. Jh.) 83, 86 Hunnen, V. 158 Hunsrück, L. 143 Anm. 44, 179 Huntington, O. 135 Iburg, Bg. 43, 102 Ieper, siehe Jeper Immendorf, siehe Köln Island, L. 144 Italien, L. 15, 21 f. Jacob von Wiemer (17. Jh.) 67 Jakobsberg (Jacobsberg, Haddenberg, Hallesberge, Jacobsberg), O. und Register der Orts- und Personennamen 205 <?page no="206"?> Kl. 34, 37 f., 42 f., 46 f., 86 - 89, 125 Anm. 6, 147 - Jakobusbruderschaft 42 Jakobus (der Ältere) (Jakob, Jacob, Sand Jacob, Sankt Jakobus, sanctus Jacobus, Su(e)nte Jacob, sunte Jacobbe), hl. ( † 43) 7 - 9, 10 Anm. 12, 25 f., 33, 37 - 39, 42, 52, 54, 56, 64 Anm. 43, 77, 84, 86 - 8 , 91 Jakobsweg 10, 102, 124 Jean Perréals, Maler ( † 1530) 8 Jeper (Ieper), O. 163 f., 192 f. Jerusalem, O. 124, 146 Joachim, apok. 7 Jodokus (Jodocus, Job), hl. ( † 669) 42, 116, 120, 191 Johannes, bibl. Person 37 Johannes der Täufer (Johannes Baptista), bibl. Person 64, 71 f., 95, 118, 120 Johannes XXII., P. (1316 - 1334) 98, 100 Johannes, Titularbf. von Missinum (1428 - 1468) 98 Anm. 94 Johannes Hagen, Mönch ( † 1475/ 76) 90 Johannes Aepinus, Theologe und Reformator ( † 1553) 35 Anm. 29 Johannes Fraedenberger, Meister und Glockengießer (15. Jh.) 177 Johannes Gutenberg, Buchdrucker ( † 1468) 13 Johannes Reichenbach, Pilger (15. Jh.) 45 Johann (der Beständige), Hz. und Kf. von Sachsen (1525 - 1532) 9, 129 Anm. 10 Johann Kerkhörde, Dortmunder Stadtchronist (15. Jh.) 44 Johann Sigismund, Kf. von Brandenburg (1608 - 1619) und Landesherr in der Mark (ab 1614) 51 Johan von Andernach, Meister (16. Jh.) 180 Johann von Borsnitz, Bf. von Lebus (1397 - 1420) 73 Johanniter, Orden 73 Jost(e)berg, siehe Bielefeld Jülich-Berg, Hzt. 51, 120 Jülich-Kleve-Berg, Hzt. 50 Jung, Volckhardt (17. Jh.) 67 Jurgen Hecker, Pilger (16. Jh.) 45 Kall, O. 144 Anm. 44 - Sistig, Ortsteil 144 Anm. 44 Karl der Große, frk. Kg. (768 - 814), Ks. (800 - 814) 11 Anm. 20, 31 Karl IV., dt. Kg. (1346 - 1378), böhm. Kg. (1347 - 1378) und röm.-dt. Ks. (1349 - 1378) 43 Karolinger, Dyn. 33, 54 Karrenzig, siehe Körrenzig Kassel, O. und L. 32, 78, 143 Anm. 42 Katherina Sachse, Frau eines Webers (14. Jh.) 76 Kiel, O. 96 Anm. 92 Kleve, Hzt. 51, 54 Köln (Agrippina, Co(e)lln), O. 11, 14, 17, 26, 37, 39, 43 f., 50 - 52, 54, 71, 76 - 78, 81, 116, 124 f., 128 - 130, 134 f., 137 - 139, 143 - 148, 150, 153 - 155, 157 - 161, 169, 173 - 176, 177 Anm. 45, 178 Anm. 46, 183 f. - Immendorf, Ortsteil 143 Anm. 44, 179 - St. Peter, Ki. 11, 76, 130, 138, 143 f., 154, 157 - 159, 162, 165 - Dreikönigsschrein (Reliquienschrein) 52, 137, 157, 162, 181, 183 - St. Ursula (Ursulakirche), Ki. 154, 159, 181, 182 - Ätheriusschrein 160, 163, 181 - Ursulaschrein 156 f., 159 f., 163, 181 Köln (bei Geseke), O. 43 Königsborn, O. 29 Königslutter, O. 75, 81, 94 - 96, 146 f. - St. Peter und Paul, Ki. 94 Körrenzig (Karrenzig), O. 144 Anm. 44, 180 Koblenz, O. 180 Konstanz, O. 12 Krakau, O. 145 Krems, O. 17 Kreuzau, O. 138 Langbroek, O. 164 - 171, 176 Lauenburg, L. 179 Laurentius (sente Laurencius), hl. ( † 258) 53, 57 Lebus, O. und Btm. 73 Register der Orts- und Personennamen 206 9 <?page no="207"?> Lehen, O. 7 Leipzig, O. 144 Anm. 47 Le Mans, O. 31 Lemberg (Lviv), O. 144 f. Lemgo, O. 114 f. - Dominikanerkloster 100 Leonhard, hl. ( † 559? ) 114 Levenburgh, Christian, Geselle (17. Jh.) 67 Liborius (St. Liborius), hl. ( † 397? ) 31, 34, 79 f. Liesborn, O. und Kl. 87 Lippe, Fl. 31 Lippe, Gft. 91, 93, 102, 108, 110, 114 Lippspringe, O. 34 Lippstadt, O. 108, 11 , 114 f., 116 - Bökenförde, Ortsteil 108, 110, 114, 118 Liudger, hl. ( † 809) 34 Livland, L. 112 Anm. 20 London, O. 18, 94, 135, 143 Anm. 42, 176, 184, 193 Loreto, O. 21 Lothar III. von Supplinburg, Hz. von Sachsen (1106 - 1137), röm. Kg. (1125 - 1137), Kg. von Italien (1128 - 1137), röm.-dt. Ks. (1133 - 1137) 95 Ludwig XI. (der Kluge), Kg. von Frankreich (1461 - 1483) 8 Ludwig XII., Kg. von Frankreich (1498 - 1515) 8 Ludwig I., Lgf. von Hessen (1413 - 1458) 75, 140, 144 Lübeck, O. 35, 43, 78, 179 Lüneburg, O. 78, 138 Lutteken, O. 67 Luzern, O. 14 Lviv, siehe Lemberg Maas, Fl. 76, 155, 159, 174 Maastricht, O. 26, 45, 76, 114 f., 128, 130 Anm. 15, 139, 146 f., 174 - Servatiusstift 76 Mähren, L. 141 Märkisch-Oderland, L. 143 Anm. 43 Mainz, O. und Ebtm. 34, 79, 156 Magdeburg, O. 33, 35, 73, 78, 89, 116 Magnus von Sachsen-Lauenburg, Bf. von Hildesheim (1424 - 1452) 98 Anm. 94 Marburg, O. 98 Anm. 95, 100 - St. Elisabeth, Ki. 100 Maria (Gottesmutter, Jungfrau Maria, Marien, Muttergottes, Marie, Madonna), bibl. Person 7, 12, 36 f., 39, 41, 43, 51, 55, 57, 62, 74 f., 84, 90, 98, 107 - 116, 118, 120, 128, 130 Anm. 15, 131 f., 134, 136 - 140, 143, 173 f., 175 Anm. 44 Maria Jakobea, bibl. Person 7 Maria Kleophas, bibl. Person 7 Maria Salome, bibl. Person 37, 83 f., 86 Marienwerder, O. 45 - Grab der hl. Dorothea von Montau 45 Margarethe (Margarete), hl. ( † 305) 85 f. Margrethe I., Kgn. von Dänemark ( † 1412) 44 Mark, Gft. 41, 43 f., 50 f., 54 Martin Luther, Reformator (1483 - 1546) 9, 51, 93 Maximilian Heinrich von Bayern, Kf. und Ebf. von Köln (1650 - 1688) 37 Mayen-Koblenz, L. 144 Anm. 44 Mecklenburg, L. 71, 83, 92 f., 103, 147, 179, 184 Mecklenburg-Strelitz, L. 92, 164 Mecklenburg-Vorpommern, L. 143 Anm. 42, 166 f. Meister des Heisterbacher Altars, Maler (15. Jh.) 173 Merckelbach, Thomas, Bürger der Stadt Soest und Käufer des Pilgrimhauses (um 1613) 62 Merian, Matthaeus, Verleger und Verfasser der Topographia Westphaliae ( † 1650) 51, 53, 64 Merseburg-Querfurt, L. 143 Anm. 42 Michael, Erzengel, hl. 83 f., 98 Middelburg, O. 143 Anm. 42, 188 Minden, O. 78, 98 Möllenbeck, Kl. 35 Mont Saint-Michel, Kl. 19 Monulphus, Bf. von Maastricht ( † 599) 128 Mosel, Fl. 23, 76 Anm. 25 Mülheim, O. 33 München, O. 8, 14 Register der Orts- und Personennamen 207 1 <?page no="208"?> Münster (Munster), O. 25 f., 54, 66, 71, 74 f., 78, 83 Anm. 54, 87 Anm. 64, 97, 98 Anm. 94, 99 f., 118, 120 - Oberstift 25 - St. Paulus, Ki. 118 Müritz, L. 174 Neubrandenburg, O. 164 Neuruppin, O. 88 - Molchow, Ortsteil 88 Neuß (Neuss), O. 44, 146 f., 174, 175 Anm. 44 - Quirinusmünster, Ki. 76 Neustadt am Rübenberge, O. 75 - Mandelsloh, Ortsteil 75 Neustettin (Szczecinek), O. 164 Neustrelitz, L. 179 Neviges, Kl. 34 Niederlande (nederlendisch, netherlandish), L. 20, 24, 26 f., 35, 60, 62, 88, 90 - 93, 99 f., 107 f., 111, 114 f., 131, 133, 143 Anm. 42, 155, 157, 161 Anm. 26, 164 - 171, 176, 179 f., 183 f., 187 - 191, 193 Niederrhein, L. 26, 76 Anm. 25, 78, 101, 128, 130 Anm. 15, 132, 134, 139, 150 Niedersachsen, L. 71, 75, 81, 143 Anm. 42, 184 Nieuwlande (Nieuwland), O. 90, 92 Anm. 83, 108, 111, 115, 170, 176, 179, 188 Nijmegen (Nimwegen), O. 20, 24, 27, 71 Anm. 7, 124 Anm. 3, 155 f., 189 Ninove, O. 115 Nordhausen, O. 102 Anm. 111 Nordrhein-Westfalen, L. 83 Anm. 54, 143 Anm. 44, 144 Anm. 44 Nordsee 99, 101, 184 Normannen, V. 33 Nürnberg, O. 8 Anm. 4, 16 f., 70, 96, 97 Anm. 92, 124 Anm. 3, 161 f., 174 Oder, Fl. 29 Oelde, O. - Stromberg, Ortsteil 99 - 103, 110 - Burg 98 f. - Hl. Kreuz, Ki. 98 f., 100 Oldenburg, O. 71, 74 Oldenzaal, O. 167 Oluf Kegge, Glockengießer (um 1500) 91 Anm. 80, 177 Ordensland, L. 141 Osnabrück, O. 78 f., 97 Österreich, L. 14, 24 Ostflandern, siehe Flandern Ostprignitz, siehe Prignitz Ostsee, Meer 21, 27, 29, 35, 74, 76, 99, 101, 145, 184 Ottilia (Otilien), hl. ( † 717? ) 8 Ottonen, Dyn. 31 Oviedo, O. 22 Paderborn (Palburn, Padeburnensi), O. und Btm. 25, 29 Anm. 1, 31, 33 - 35, 38, 41 - 43, 45, 50, 63 f., 66, 68, 78 - 80, 86 f., 90, 94, 103 f., 107 f. - SS Maria, Liborius und Kilian, Ki. 64 Anm. 43, 79 - Paradiesvorhalle 64 Anm. 43 - St. Ulrich (Graukirche, Gokirche), Ki. 42, 64 - Elendenbruderschaft 42 - Spital 64 - Westernschanze 64 - Westernspital (Weiteres Hospital, Hl.- Geist-Hospital) 41, 64, 65 Anm. 45 - Elendenfriedhof 41 f. - Westerntor 64 f. - Leprosenhaus St. Georg (Kapelle mit Hospitalhof) 65 Palburn, siehe Paderborn Parchim, O. und L. 143 Anm. 42 - Marienkirche 96 Paris, O. 13, 69, 77, 110 Anm. 5, 112 Anm. 18 Patroklus, hl. ( † 259? ) 62 Paul (Paulus), bibl. Person 94 f. Paul II., P. (1464 - 1471) 90 Perleberg, O. 75 Perrenstein, O. 67 Peter (Petrus), bibl. Person 94 f., 175 Peter von Echternach, Meister (16. Jh.) 180 Peter Wulff, Meister (um 1500) 179 Petraeoi, Hermanno, Dichter (17. Jh.) 67 Philipp (der Gute), Hz. von Burgund (1396 - 1467) 8 Philipp, Gf. von Nassau (um 1483) 45 Register der Orts- und Personennamen 208 <?page no="209"?> Polen (Polski, Poland), L. 21, 24, 131, 141, 155, 164, 169 Pommern (Hinterpommern, Vorderpommern), L. 99, 111, 155, 164, 173 f. Prag, O. 15, 22 Anm. 71, 24, 27 Preddöhl, O. 177 Preußen (Westpreußen), L. 45 Prignitz (Ostprignitz), L. 177 f. Pyrenäen, L. 112 Pyrmont, O. 93 f. Quedlinburg (Quendlenburgh), O. 67 Quickborn, O. 35 Quiliano, O. 21 - St. Pietro, Ki. 21 Quirinus, hl. ( † 115? ) 174 Ratingen, O. 33 Ravensberg, Gft. 120 Raversyde, O. 192 f. Recklinghausen, O. 36 Reelkirchen, O. 36 Regensburg, O. und Btm. 12 - St. Maria, Ki. 12 Rehtmeyer, Philipp Julius, Historiker und Verfasser der Braunschweiger Kirchengeschichte (1678 - 1742) 77 Reinoldus, Ritter, hl. (10. Jh.) 39 Rhein, Fl. 23, 29, 31, 33, 39, 76 f., 92, 100, 125, 143 Anm. 44, 150 Anm. 56, 155, 158 f., 163, 174, 179, 184 Rheinland, L. 26, 87 Anm. 65, 118, 153, 181 Rheinland-Pfalz, L. 143 Anm. 44, 144 Anm. 44 Rhonelle, Fl. 19 Riga, O. 169 Rijmenam (Rijmenau), O. 143 Anm. 44, 176 Rijswijk, O. 170 Rocamadour, O. 10 f., 112 Rochus, hl. ( † 1327) 42 Rohlsdorf, O. 91, 178 Rom (Roma), O. 7 f., 10, 22, 31, 43, 45 f., 52, 70 Anm. 6, 76 f., 124, 129, 130 Anm. 15, 131 Anm. 16, 138 f., 148, 158 - St. Maria dell ’ Anima, Ki. - Bruderschaft 148 - Campo Santo Teutonico 15 - Piazza Venezia 22 Rostock, O. 100 Rotterdam, O. 80, 187, 189 Ruhr, Fl. 32 f. Rulle, O. 103 Rumänien, L. 141, 176 Russland (Westrussland), L. 145 s'-Hertogenbosch, O. 92 Anm. 83, 190 f. Sachsen, L. 8, 31, 145 Sachsen-Anhalt, L. 120, 143 Anm. 42 Saint Gilles, O. 10 Saint Leonard (Saint-Léonard-de-Noblat), O. 10, 114 Salzkotten, O. 29, 37, 42, 50 - Elendenbruderschaft 42 Salzwedel, O. 87 - Franziskanerkloster 87 Santiago (Santiago de Compostela, Compostella), O. 22, 38 f., 45 f., 54, 70 f., 77, 87, 112 - 114, 124 - St. Jakob, Ki. - Jakobusgrab 9 Santo Domingo de la Calzada, O. 22, 112 Anm. 18 - Wallfahrtskirche 22 Savona, Pr. 22 Scharenberg, O. (Sáromberke, Dumbravioara, Scharnberg) 144, 176 Schleiden, L. 180 Schlesien, L. 21 Schmalenbergh, O. 67 Schleswig-Holstein, L. 96 f. Anm. 92 Schopff, Samuel (17. Jh.) 67 Schwarzes Meer 145 Schweden, L. 143 Anm. 43, 146, 155, 173 f., 178, 184 Schweiz, L. 14 Seehausen, O. 73 Seeland (dän.), L. 91 Seeland, siehe Zeeland Seine, Fl. 13, 69 Servatius, hl. ( † 384? ) 114 f. Seutter, Matthaeus, Kartograf und Verleger ( † 1757) 49 f. Sevinghausen, O. 41 - Kapelle 41 Sibbesse, O. 102 Siebenbürgen, L. 141, 144 f., 176, 184 Register der Orts- und Personennamen 209 <?page no="210"?> Sighraf, Steinmetz (11. oder 12. Jh.) 178 Anm. 46 Silvanus, röm. Ks. ( † 355) 169 Anm. 35 Simon III. zur Lippe, Bf. von Paderborn (1463 - 1498) 35, 43, 87, 90 Simon, Mönch (11. Jh.) 83 Sinkenrade, O. 67 Sistig, O. 180 Sixtus IV., P. (1471 - 1484) 86, 90 Skandinavien, L. 18, 184 Sluis, O. 169 Soest (Soste, Suasatum, Soist), O. 29, 31 - 38, 40, 42 - 46, 50, 54 - 57, 62, 64, 78, 81, 89, 98, 100, 110, 112, 115 f. - Armenhaus 62 - Großer Mariengarten 56 - Hohes Hospital (Heilig-Geist-Spital, später Pilgerhaus) 55 f., 58 - 60, 62 - Jakobitor (Sankt-Jakobi-Tor) 38, 42, 55 - 57 - Friedhof mit Liebfrauenkapelle 57 - Jakobikapelle 38, 42, 54, 56 - Jakobusbruderschaft 42 - Pilgrimhaus 40 - Kastellturm 55 - Marbecke, Leprosenhaus 55, 59, 63 Anm. 41, 64 - Neues Hospital (Neues Gasthaus, Sente Laurencius, später Pilgrimhaus) 33, 42, 55 - 57, 63 - Osthofen (Oisthoven, Oesthoven) 62 f. - Gasthaus im Osthofen (Gasthus in den Osthoven, gasthues in den Oisthoven, Pilgrimhaus zum Osthove) 44, 62 - 65 - Osthofentor 62 - Pesthaus (kleine Altena) 63 Anm. 41 - St. Maria zur Wiese (Wiesenkirche), Ki. 36, 52, 55 - St. Patrokli, Ki. 34 - St. Paul, Ki. 43 - St. Petri (St. Petrikirche), Ki. 43, 55 Soltau, O. 80 Sommer, Hans (17. Jh.) 67 Soste, siehe Soest Spanien (Nordspanien), L. 22, 74, 112 Speckswinkel, O. 86 Spee, Friedrich von, Jesuit, Lyriker und Schriftsteller (1591 - 1635) 159 Spenge, O. 90 Anm. 73, 112 - Haus Werburg (Werburg), Bg. 90 Anm. 73, 112 Staleiken, O. 40 - 42 - Pilgerhaus 41 f. - Elendenfriedhof 42 Stargard, O. 99 Stavoren, O. 169 Stefan Lochner, Meister und Maler ( † 1451) 173 Steppers, Bernhardt (17. Jh.) 67 Sternberg, Gft. 92 f., 125 Anm. 6 Stettin, O. 76 St. Denis, O. und Ki. 31 St. Goar, O. 143 Anm. 44, 179 St. Josse-sur-Mer, Kl. 45 St. Léonard-de-Noblat, O. 43 Stockholm, O. 174, 178 Stralsund, O. 87, 99, 165 - 167 Straßbourg, O. 13 Stromberg, siehe Oelde Tangermünde, O. 74 f. - Marienkapelle 75 Thann, O. 46, 81 Themse, Fl. 69 Thomas Becket, hl. ( † 1170) 95, 116 Thüringen, L. 16, 37 Anm. 41, 69 Anm. 2, 79, 83 Tiber, Fl. 15 Tigges Hecker, Pilger (16. Jh.) 45 Tilman von Hachenburg, Glockengießer (um 1420 - 1479) 17 Torgau, O. 9 - Heilig-Kreuz-Kapelle 9 Tostedt, O. 75 Trier, O. und Btm. 26, 39, 76, 108, 153, 156, 179 - St. Matthias, Kl. 11, 87 - St. Peter, Ki. 76, 130 Anm. 15 Tschechische Republik (Tschechien), L. 21, 24 Türkei (Turcken), L. 67 Turku, O. 99 Uckermark, L. 73, 143 Anm. 42 Uden, O. 188 Register der Orts- und Personennamen 210 <?page no="211"?> Ukraine, L. 144 Ulm, O. 177 Ungarn (Ungern), L. 21, 24, 52, 66, 133, 141, 184 Unna, O. 32 f., 38, 41, 45, 50 f., 63 - Heilig-Geist-Spital 41, 50 - Siechenhaus mit Kapelle 50 - Uelzen, Ortsteil 41 - Elendighof 41 Untergreißlau, O. 37 Anm. 41 Ursula, hl. ( † um 451) 26, 81, 143, 144 Anm. 44, 153 - 163, 165 - 170, 172 - 175, 179 - 185 Utrecht, O. 188 Vacha, O. 77 Valenciennes, O. 19, 22 Anm. 71 Veere, O. 176 Verne, O. 37 Villalcázar de la Sirga (Villalcazar de Sirga), O. 22, 112 - St. María la Blanca, Ki. 22 Vitus (Veit), hl. ( † um 304) 31, 33 f., 82 f., 89, 120 Vla(a)nderen, siehe Flandern Vlissingen, O. 164 Vorpommern, siehe Pommern Walraversijde, O. 192 - Raversijde-Polder, Ortsteil 192 - Raversijde-Strand, Ortsteil 192 Warendorf, O. 110 Warstein (Warsten), O. 63 Wattenscheid, O. 33 Wehrden, O. 43 - Wildburg 43 Welver, O. und Kl. 43, 100 Wenden, V. 78 Werben, O. 73 f., 120 - Johanniterkomturei 73 - St. Johannis, Ki. 73 Werburg, siehe Spenge Werden, O. und Kl. 33 f., 38 - Grab des hl. Liudger 34 Werl, O. 29, 32 - 35, 37, 40, 43 - 45, 50 - 54, 68, 81 f., 112 - Antoniusklause 40, 52 - Büdericher Tor (Büdericher Pforte) 52 f. - Hospital 53 - Kapuzinerkirche 52 - Liebfrauenkapelle 54 - Neheimer Tor 54 - Siechenhaus (Armen- und Pfründnerhaus) 53 f. - St. Walburga, Ki. 53, 81 Werner von Eppstein, Ebf. von Mainz (1259 - 1284) 34 Werner, Abt von Corvey ( † 1079) 83 Wesel (Wesalie), O. 118 Wesell, O. 67 Weser, Fl. 15, 29, 33 f., 40, 75, 78 f., 89 Westenschouwen, O. 166 Westernkotten, siehe Bad Westernkotten Westfalen (Westphalia, Westfalen-Lippe), L. und Hzt. 7, 25 f., 29, 33 - 35, 37 - 39, 43 f., 46, 50 f., 54, 57, 69, 75 - 78, 83 Anm. 54, 86 f., 92, 94, 98, 100, 102 - 104, 107, 112, 115, 118, 120, 133 Westrussland, siehe Russland Wezemaal, O. 191 Wien, O. 14 Wilbasen, O. 36, 40 - Kapelle 36 - Pilgerhaus 36, 40 Wilhelm IV., Hz. von Jülich-Berg (1475 - 1511) 44 Wilhelm Roide, Meister (um 1500) 179 Wilsnack, O. 45 f., 71, 73 - 76, 81, 90 Anm. 75, 95 f., 125, 128 Anm. 9, 129 Anm. 10 - Marienkapelle 73, 75 Wismar, O. 99 Wittenberg, O. 129 Anm. 10 - Schlosskirche 129 Anm. 10 Wittgendorf, O. 83, 86 Wittstock, O. 79 Anm. 39 Wolfhagen, O. 143 Anm. 42 - Wenigenhasungen, Ortsteil 143 Anm. 42 Wolterdingen, O. 80 f. - Heilig-Geist-Kapelle 80 Worms, O. 14 Würzburg, O. 17, 23 Zebedäus, bibl. Person 37 Zeeland (Seeland), L. 88, 115, 143 Anm. 42, 165, 177, 188, 191 Register der Orts- und Personennamen 211 <?page no="212"?> Zeitlitz (Siedlice), O. 173 f. Zeitz, O. 83 Zennern, O. 98 Zierikzee, O. 165 Zierke, O. 179 Register der Orts- und Personennamen 212 <?page no="213"?> Die Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich mit einer von der Forschung zu mittelalterlichen Pilgerbewegungen bisher wenig beachteten Gruppe von historischen Zeugen, den Pilgerzeichen, d. h. kleinen Metallgüssen, die von den Pilgern als Zeichen ihres Standes an der Kleidung befestigt wurden. Diese an vielen Wallfahrtskirchen zu Tausenden seriell produzierten Abzeichen stellen das älteste Massenbildmedium des europäischen Mittelalters dar. So geben sie Auskunft über die bildliche Repräsentation der europäischen Wallfahrtskulte vom 12. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Zugleich sind Pilgerzeichenfunde wichtige Indizien für die geografische Verbreitung von Pilgerbewegungen. Die Thematik wird im vorliegenden Band exemplarisch für Westfalen und den benachbarten Raum des Pilgerdreiecks Aachen-Köln-Trier behandelt. Mit Blick auf den Tagungsort Paderborn, an dem die Beiträge zunächst vorgetragen und diskutiert wurden, ist das Spektrum mit weiteren Überlegungen zur historischen Pilgerinfrastruktur Westfalens, die sich im Mittelalter auf den Hellweg sowie seine Zugänge und Verlängerungen konzentrierte, erweitert worden.
