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Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit/ The Neo-Latin Novel in its Time

1002
2013
978-3-8233-7792-4
978-3-8233-6792-5
Gunter Narr Verlag 
Stefan Tilg
Isabella Walser

Der neulateinische Roman ist ein bisher nicht einmal in seinen Umrissen bekanntes Forschungsfeld von großem literatur- und kulturgeschichtlichem Interesse. Das 14. Freiburger Neulateinische Symposion, die erste internationale Konferenz zu diesem Thema, hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Forschungsfeld in seiner zeitlichen und inhaltlichen Dimension auszuloten und damit künftiger Beschäftigung mit der lateinischen Erzählliteratur der Frühen Neuzeit einen Impuls zu geben. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Relevanz der neulateinischen Romane als Medium ihrer eigenen Zeit. Die Ergebnisse sind im vorliegenden Konferenzband gesammelt.

<?page no="0"?> herausgegeben von Stefan Tilg und Isabella Walser Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit The Neo-Latin Novel in its Time Neo L atina Tilg / Walser (Hrsg.) Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit Der neulateinische Roman ist ein bisher nicht einmal in seinen Umrissen bekanntes Forschungsfeld von großem literatur- und kulturgeschichtlichem Interesse. Das 14. Freiburger Neulateinische Symposion, die erste internationale Konferenz zu diesem Thema, hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Forschungsfeld in seiner zeitlichen und inhaltlichen Dimension auszuloten und damit künftiger Beschäftigung mit der lateinischen Erzählliteratur der Frühen Neuzeit einen Impuls zu geben. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Relevanz der neulateinischen Romane als Medium ihrer eigenen Zeit. Die Ergebnisse sind im vorliegenden Konferenzband gesammelt. Neo L atina <?page no="1"?> Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit The Neo-Latin Novel in its Time <?page no="2"?> Herausgegeben von Thomas Baier, Wolfgang Kofler und Eckard Lefèvre in Verbindung mit Achim Aurnhammer Neo L atina 21 <?page no="3"?> Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit The Neo-Latin Novel in its Time herausgegeben von Stefan Tilg und Isabella Walser <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1615-7133 ISBN 978-3-8233-6792-5 <?page no="5"?> Inhalt Vorwort ................................................................................................................. vii Romanhaftes vor und neben Barclay Laurence Bernard-Pradelle La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni : De l’influence des arts figuratifs sur un théoricien de la traduction à Florence ..................................................... 3 Hartmut Wulfram Der Bogen der Juno: Vergilparodie und Zeitkritik in Leon Battista Albertis Momus ......................................................................... 19 Jacqueline Glomski Science Fiction in the Seventeenth Century: The Neo-Latin Somnium and Its Relationship with the Vernacular .............. 37 Barclay und Frankreich Jochen Schultheiß Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon ................ 55 Jennifer Morrish Tunberg An Old Wife and the Tale that She Tells in Barclay’s Argenis ........................ 73 Jürgen Blänsdorf Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628): Der Charakterwandel als Leitthema eines Schlüsselromans aus der Zeit Ludwigs XIII. ................................................................................... 83 Hermann Wiegand Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus ............................................................................................ 93 Heiliges Römisches Reich und habsburgische Länder Péter Kasza Parergi Philosophici Speculum: Henricus Nollius’ hermetisch-rosenkreuzerischer Roman ........................................................... 105 <?page no="6"?> vi Katharina Kagerer Eine Gratulationsschrift in Romanform: Die Palma Boica des Johannes Bisselius SJ (1636) ............................................ 119 Thomas Gärtner Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685): Eine christliche Apuleius-Adaptation .............................................................. 135 Florian Schaffenrath Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie ................................................................. 145 Stefan Tilg The Neo-Latin Novel’s Last Stand: András Dugonics’ Argonautica (1778) .............................................................. 161 Aufklärung Mon Torfs A Man on a Mule or a Cock and a Bull? A Narratological and Culture-Historical Interpretation of Laurence Sterne’s Slawkenbergii fabella ......................................................... 175 Karen Skovgaard-Petersen The Interplay with Roman Literature in Ludvig Holberg’s Iter subterraneum ............................................................. 185 Samuel Galson A Missive from the Mole: Holberg on How to Read the Iter Subterraneum ............................................. 193 Rückblick und Ausblick Isabella Walser Im Namen des Fürsten und des Volkes: Die politische Dimension des neulateinischen Romans ................................ 211 Ralph Lather Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert: Karl Fleschs Ferocia Latina (1942) und die Münchener Societas Latina ............................. 229 Allgemeiner Index .............................................................................................. 243 Stellenindex .......................................................................................................... 257 <?page no="7"?> Vorwort Der lateinische Roman der frühen Neuzeit ist ein wenig beachtetes Forschungsfeld. Die von Jozef IJsewijn und Dirk Sacré 1998 in ihrem Companion to Neo-Latin Studies (II, 256) konstatierte Lücke klafft nach wie vor: „[...] one must say that most Neo-Latin novels have hardly been critically studied so far. Indeed, we do not even have a reliable and more or less complete list of Neo-Latin novels. It is a wide and inviting field awaiting scholars in search for untrodden paths.“ Als wir deshalb die Gelegenheit erhielten, ein Thema für das 14. Freiburger Neulateinische Symposion (29.-30. Juni 2012) vorzuschlagen, fiel uns die Wahl leicht. Das diesmal vom Ludwig Boltzmann Institut für neulateinische Studien in Innsbruck und dem Seminar für Klassische Philologie der Universität Freiburg veranstaltete Symposion stand unter dem Motto „Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit - The Neo-Latin Novel in Its Time“. Damit war auch ausgesprochen, dass es uns in erster Linie nicht um die Rückführung des neulateinischen Romans auf seine Quellen, sondern um ein Verständnis im literarischen, kulturellen und politischen Kontext der jeweiligen Epoche ging. Die Ergebnisse in Form von siebzehn Beiträgen sind in diesem Band gesammelt, der - soweit wir sehen - der erste Sammelband zum neulateinischen Roman und die erste umfassendere Darstellung seines Formen- und Funktionsreichtums überhaupt ist. Freilich ist zu beachten, dass mit diesem Band weder eine vollständige noch eine systematische Behandlung des Themas vorliegt. Auch die - wohl ohnehin unrealistische - Klärung der notorisch schwierigen Frage, was denn einen „Roman“ eigentlich ausmacht und inwiefern er als Gattung zu fassen ist, wurde außen vor gelassen. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung schien es uns vielmehr geraten, von einer Minimaldefinition des neulateinischen Romans als längerer Prosafiktion auszugehen und darüber hinaus ein breites Spektrum von Texten und Ansätzen zu präsentieren, um auf dieser Basis eine Diskussion über Systematik und Gattungszugehörigkeit erst richtig zu ermöglichen. Trotzdem ergaben sich Traditionslinien und Schwerpunkte, nach denen wir die Vorträge auf der Konferenz und dann auch die Beiträge in diesem Band angeordnet haben. Ein gewisses Zentrum bilden dabei die Werke John Barclays (1582-1621), der mit seinem satirischen Euphormionis Lusinini Satyricon (1605/ 07) und dem Abenteuer- und Liebesroman Argenis (1621) zwei viel bewunderte und -nachgeahmte Erzählmuster schuf. Da diese zuerst in Frankreich rezipiert wurden, haben wir die betreffende Sektion „Barclay und Frankreich“ genannt. Den Beginn macht eine Sektion „Romanhaftes vor und neben Barclay“, in der frühe Erzähltypen (u.a. Novelle, lukianisch-mythologische Satire, somnium) abseits der späteren Romanformen vorgestellt werden. Auf Barclay und den Roman in Frankreich folgt eine Sektion „Heiliges Römisches Reich und habsburgische Länder“, in der eine Reihe von Beispielen aus diesem zweiten geographischen <?page no="8"?> viii Hauptbereich des neulateinischen Romans diskutiert wird. Obwohl das letzte Beispiel dieser Reihe, Dugonics’ Argonautica, aus dem Jahr 1778 datiert, wäre es missverständlich, es der „Aufklärung“ zuzuordnen, für die die folgende Sektion vorgesehen ist. Die „Rückschau und Ausblick“ betitelte Schlusssektion fasst eine generelle Betrachtung zum politischen Gehalt des neulateinischen Romans und ein kurioses Beispiel lateinischen Erzählens aus dem 20. Jahrhundert zusammen. Zeitlich betrachtet zeigt sich klar, dass die Blüte des neulateinischen Romans - nicht zuletzt dank der Vorbildwirkung Barclays - ins 17. Jahrhundert fällt, dem neun Beiträge gewidmet sind. Das 15. Jahrhundert ist mit zwei Beiträgen, das 16. Jahrhundert mit keinem, das 18. Jahrhundert mit vier vertreten. Auch wenn die Auswahl unvollständig ist, kann diese Verteilung als grob repräsentativ gelten. Der neulateinische Roman ist ein Thema, das auch viele Leser außerhalb der Latinistik ansprechen könnte. Lateinischen Texten ist deshalb stets eine Übersetzung beigegeben, außer sie sind bereits in eine hinreichende Paraphrase eingebettet und es kommt auf den Wortlaut nicht an. Die formale Gestaltung der in französischer, deutscher und englischer Sprache verfassten Beiträge ist weitgehend einheitlich, nimmt aber auch auf bestimmte spezifische Konventionen der jeweiligen Wissenschaftskulturen Rücksicht - so folgen z.B. Abkürzungen in deutschen Beiträgen dem Neuen Pauly, in englischen dem Oxford Classical Dictionary. Es bleibt uns am Ende noch die angenehme Pflicht, der Stiftung Pegasus Limited und der Deutschen Neulateinischen Gesellschaft zu danken: Ohne ihre Unterstützung hätte das Symposion nicht wie gewohnt stattfinden können. S.T. I.W. <?page no="9"?> Romanhaftes vor und neben Barclay <?page no="11"?> Laurence Bernard-Pradelle La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni De l’influence des arts figuratifs sur un théoricien de la traduction à Florence La présente étude aborde la question suivante : en 1439, pourquoi produire la traduction latine d’une nouvelle écrite en vulgaire vers 1350 et déjà traduite dans d’autres langues vernaculaires avec un énorme succès ? Quelques raisons furent avancées par Vittore Branca, grand spécialiste de l’œuvre de Boccace, dans un article publié en 1990 : rappelant que la langue latine reste encore la langue d’échange par excellence procurant aux nouvelles traduites en latin un succès plus grand que les autres à leur époque, l’auteur y souligne, notamment, la volonté explicite de l’humaniste de traduire avec des convictions rhétorico-littéraires très précises qui font de la Sigismunda brunienne une héroïne plus païenne que la médiévale Ghismonda de Boccace et qui orientent la nouvelle du côté du théâtre en lui donnant une dimension tragique évidente. 1 Cette lecture est incontestable, et pendant très longtemps il me semblait impossible d’en proposer une autre. Pourtant, dans son article, Vittore Branca laissait de côté un mot qui, me semble-t-il, pose problème et mérite donc que l’on y prête attention. En effet, dans sa lettre préface, adressée à son ami Bindacio Ricasoli, s’il commence bien par parler de traduction, (in latinum converterem, f. 1), 2 Bruni présente ensuite l’œuvre qui en découle comme une « transfiguration » (Sequitur transfiguratio, f. 1v). 3 Ce terme, lourd de sens, est 1 Branca 1990. Il semble que l’humaniste veuille abstraire d’emblée le récit de son contexte médiéval et normand, en éliminant les clichés chrétiens (« vita dolente », « valle di lacrime », « miserie del mondo »), pour le teinter de classicisme antique et de religiosité sacrificielle (« pathera » étrusque), à des fins hautement tragiques. Parallèlement à cette tournure classicisante, V. Branca relève une tendance à la « retoricizzazione » avec de nombreux emprunts à Virgile et Ovide, mais aussi au Sénèque de Phèdre. L’idéal subtilement défendu par Bruni semble être de faire passer le récit de la nouvelle à la tragédie en supprimant pour cela les locutions narratives telles que « come udito avete ». La conséquence en fut que la traduction brunienne fut à l’origine d’une longue tradition dramatique mais aussi picturale du thème. 2 Toutes les citations du texte latin de Bruni sont tirées de l’incunable GW5626 (Mainz, Peter Schöfer, vor 1470.09, Bayerische Staatsbibliothek). 3 Pour la présente étude, il faut avoir à l’esprit la définition biblique du terme (Luc 9, 28- 36 ; Marc 9, 2-10 ; Matthieu 17, 1-9 ; Jean 1, 14), à savoir l’abandon momentané par le Christ de sa forme d’homme, remplacée par une autre forme, en se rappelant que la forme, ici, s’entend comme manifestation visible de la nature invisible (d’après Osty / <?page no="12"?> Laurence Bernard-Pradelle 4 inédit sous la plume de Bruni, dans le contexte de la traduction comme ailleurs. Aussi fait-il l’objet de l’analyse présente. C’est un autre travail de Vittore Branca qui peut nous permettre de suivre une piste parallèle et de présenter une nouvelle hypothèse, susceptibles de rendre compte de ce terme inaugural. En effet, en 1999, est parue en France une édition du Décaméron contenant des illustrations de l’auteur luimême et des peintres de son époque : cette édition n’a été rendue possible que grâce aux travaux du même Branca sur l’iconographie inhérente à ce texte. 4 Elle comprend donc les dessins que, dans les années 1365-1367, Boccace lui-même aurait faits pour illustrer son Décaméron, dans un manuscrit que l’on connaît sous le nom de manuscrit Capponi (BnF, Parisien it. 482 ; voir ici p. 17). 5 Ces dix-huit dessins à la plume, ombrés au bistre, suscitent l’admiration. Vittore Branca, dans la préface, en souligne la « hardiesse de construction » et la « grande sûreté narrative » : […] pour chaque nouvelle, ont été choisis les moments, les scènes et les gestes qui servent le mieux le sens ultime et parfois occulté du récit, non les plus voyants ou les plus détaillés, comme ferait un dessinateur étranger à l’œuvre. Quand on songe à la fréquente approximation, à la transcription passive des illustrateurs professionnels, qui souvent n’avaient même pas une connaissance directe du texte, qui le déformaient, voire le représentaient de façon erronée, on a tout de suite l’impression d’être en présence d’une illustration d’une qualité interprétative exceptionnelle, propre à l’auteur. Le texte n’est pas simplement représenté, il est visualisé : c’est-à-dire que les mots Trinquet 1973, 2168). La « forme » est à rapprocher, à son tour, de la notion de figura, minutieusement analysée par E. Auerbach (voir Bernier 1993). Après avoir énuméré les sens différents pris par figura depuis l’Antiquité, l’auteur rappelle que, si ce terme peut être rapproché d’historia, à savoir « le sens littéral, l’événement raconté », il « désigne ce même sens littéral ou ce même événement mis en corrélation avec l’accomplissement à venir qui s’y dissimule, et, comme cet accomplissement lui-même est veritas, figura devient ainsi un terme intermédiaire entre littera-historia et veritas » (p. 52). 4 Branca 2010 (nouvelle édition). Pour la bibliographie sur le thème, voir p. 658 de cette édition. Pour l’italien, notre texte de références est Branca 1985. 5 Ce ‘premier’ manuscrit « appartenait à une famille de marchands liée à celle de Boccace et à la puissante corporation marchande des Bardi » ; s’il s’agit de l’ouvrage du copiste Giovanni d’Agnolo Capponi, « il semble plus que vraisemblable que Boccace soit intervenu personnellement dans l’illustration du texte, comme dessinateur, comme auteur-interprète, comme conciliateur de ces deux modes d’expression » (Branca 2010, 24). Il existe un ‘second’ manuscrit, le manuscrit autographe Hamilton 90 de Berlin, rédigé vers 1370 : « Boccace corrigea non seulement stylistiquement et narrativement son Décaméron, mais tenta une représentation systématique de ses personnages, en guise de « rappels ». Les mots inscrits à l’intérieur des figures, outre leur fonction pratique, semblent doués d’une singulière force allusive » (Branca 2010, 28). Pour notre étude, il est important de relever que Bruni traduisit la version antérieure au manuscrit autographe (voir Branca 1990, 210), et donc il est possible qu’il ait eu accès au manuscrit Capponi contenant les illustrations à vocation narrative, plutôt que les illustrations avec portraits où se révèle une tendance expressionniste centrée sur l’homme et ignorant les paysages et les compositions. <?page no="13"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 5 sont vraiment interprétés par les images, parfois même dans leur valeur allusive. Ce sont des « mots figurés ». 6 Boccace n’a pas illustré l’œuvre dans sa totalité, mais seulement, en général, la première nouvelle de chaque journée. 7 Quand, bien des décennies plus tard, en 1439, Leonardo Bruni, humaniste et helléniste florentin, décide de rendre en latin l’une des nouvelles du Décaméron, son choix porte sur la première de la quatrième journée, qui avait justement fait l’objet d’une illustration de la part de l’écrivain. Or, l’expression de « mots figurés » employée par Vittore Branca incite à réfléchir sur l’utilisation du terme transfiguratio, évoqué plus haut, sur sa profonde ambiguïté à l’orée d’une œuvre traduite. Pour tenter de répondre aux significations possibles de ce terme, et à sa portée éventuelle dans l’histoire littéraire, la démarche est la suivante : partir tout d’abord de la trame narrative du texte source, puis présenter l’illustration de Boccace, en la comparant succinctement à deux autres illustrations plus tardives, avant d’analyser certains passages de la traduction brunienne. L’historia : source et trame narrative complexe La nouvelle commence par un court commentaire introductif sur la cruauté du thème (1-2), 8 suivi d’une présentation de Tancredi, caractérisé par son amour exclusif pour sa fille ; vient ensuite la présentation de celle-ci : elle n’est pas nommée mais elle se voit dotée d’une rare intelligence qui lui permet de passer outre les interdictions de son père et de se choisir pour amant Guiscardo, un homme de basse condition sociale au cœur noble (1-6) ; commence alors le récit, scandé par quatre temps forts : 1. Le stratagème (nuova malizia) : la jeune femme invente une ruse pour que Guiscardo vienne la retrouver ; elle la lui explique dans une lettre qu’elle insère, à l’insu de ce dernier, dans la fente d’un roseau : elle soumet donc le jeune homme à une épreuve initiatique implicite qu’il surmonte brillamment (7-8). Suit une description circonstanciée de la grotte par laquelle il est possible d’accéder à la chambre de Ghismonda (9-12) et des amours clandestines des deux amants (13-14). Le narrateur Boccace construit une trame complexe, où fusionnent trois récits (la lettre de Ghismonda, le récit de Fiammetta, lui-même récit de Boccace) et où les temporalités s’enchâssent, la lettre de Ghismonda étant d’abord lue et comprise par Guiscardo avant d’être connue du lecteur : 9 ce dernier n’en perçoit le contenu 6 Branca 2010, 24. 7 Ibid. pour les exceptions. 8 Ces remarques préliminaires de Fiammetta n’apparaissent pas dans la traduction de Bruni, qui ne commence qu’avec la présentation de Tancredi. 9 Enjambement narratif entre la situation de Guiscardo et celle du lecteur : le lecteur apprend ce qu’il en est quand Guiscardo est déjà en train d’agir. <?page no="14"?> Laurence Bernard-Pradelle 6 que par le biais de l’action de Guiscardo et se voit soumis à un jeu déstabilisant d’anticipations et de retours sur l’action. 2. Le retournement de la fortune : « Ma la fortuna, invidiosa di così lungo e di così gran diletto, con doloroso avvenimento la letizia de’ due amanti rivolse in tristo pianto » (15). C’est la fortune qui induit la découverte des deux amants par Tancredi, dont le rôle est ainsi minimisé (16-21) : pour la première fois, sa fille est nommée par son nom, Ghismonda ; Tancredi est saisi d’un violent désir de vengeance et fait arrêter Guiscardo en cachette ; puis il tient un discours indécis et larmoyant à sa fille (22-29). Sur le plan narratif, Tancredi n’est qu’un adjuvant de la fortune, qui est la véritable instigatrice des péripéties de la nouvelle, avec Ghismonda. Par son attitude de voyeur invisible et d’acteur masqué, Tancredi contribue à s’effacer luimême de la scène du drame, tout en le provoquant. 3. La réaction de Ghismonda : le troisième temps fort du récit s’avère être le long discours par lequel Ghismonda explique les raisons de son amour et de ses actes : elle y critique l’attitude de son père, y justifie le choix de Guiscardo et se déclare prête à affronter la mort (30-45). Sur le plan narratif, Boccace a recours au procédé discursif, comme moteur de l’action. Grâce à sa parole véridique, Ghismonda sort de l’ombre et éclipse la présence de son père en devenant héroïne à part entière. 4. La mort de Guiscardo et de Ghismonda : Tancredi connaît enfin la grandeur d’âme de sa fille (scène de reconnaissance) mais sa pusillanimité et sa jalousie l’entraînent à tuer Guiscardo, malgré tout, à lui faire arracher le cœur et à le faire porter à sa fille (46-47). Prévoyant l’action de son père, Ghismonda s’était préparé un poison qu’elle absorbe à même la coupe où repose le cœur de son amant, après avoir prononcé une oraison funèbre et fait ses derniers adieux (48-62). Sur le plan narratif, là encore, Boccace agence le déroulement des événements selon un premier plan que Tancredi semble maîtriser et un arrière-plan, en réalité conduit par Ghismonda qui anticipe sur les pensées et les actes de son père et mène ainsi l’action. La nouvelle tout entière repose donc sur une forme narrative apparemment linéaire, avec ses quatre grandes scènes successives et repérables, mais où se croisent une série de micro-récits qui se chevauchent par le biais d’enjambements dans l’avenir et de retours sur le passé. Boccace peut, à volonté, ralentir le temps par le procédé discursif ou bien l’accélérer par le recours à l’ellipse (les amants sont déjà réunis quand on apprend leur ruse), ou encore le suspendre par une sorte de mouvement en spirale (Ghismonda sait avant Guiscardo, qui sait avant le lecteur, qui sait avant le père), malmenant ainsi la logique de l’action, par ailleurs d’une grande clarté. Tout se passe comme si l’enchaînement implacable des événements occupait une place aussi importante que les événements eux-mêmes. Pour ce qui fait l’objet de notre étude, ce rapide survol de l’historia pourrait conduire à un premier sens du terme transfiguratio, puisque l’on assiste à une, voire à deux métamorphoses dans ce récit : le passage de Guiscardo <?page no="15"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 7 d’une forme à une autre, qui d’être humain devient un cœur sacrifié, symbole de l’amour au-delà de la mort ; le passage de Ghismonda du statut de fille-objet (sans nom) au statut de femme-sujet s’émancipant de la tutelle de son père et acquérant un nom, une parole et une capacité d’action. Cette double métamorphose relègue Tancredi dans l’inexistence. Toutefois, ces deux transformations suffiraient-elles à justifier l’emploi du terme transfiguratio ? Si l’on accepte la lecture de Vittore Branca, faisant de la Sigismunda brunienne une héroïne païenne et de la nouvelle écrite en latin le motif d’une pièce dans le goût antique, l’acception religieuse et chrétienne semble forcée. D’autre part, du fait de son utilisation abstraite, sans complément spécifique, le terme oblige à poursuivre plus loin l’analyse de son emploi, comme y incitent d’ailleurs les illustrations. L’historia figurée À partir de cette trame narrative, il est tentant de s’interroger sur ce que Boccace, vraisemblablement l’auteur des dessins, a voulu « visualiser » dans le manuscrit Capponi. Pour ce faire, on peut s’appuyer sur la comparaison avec deux autres illustrations du Décaméron. 10 La plus récente est celle que l’on trouve dans le manuscrit Ceffini, illustré par un artiste florentin en 1427 (c’est-à-dire une dizaine d’années avant la traduction de la nouvelle par Bruni). 11 L’artiste a choisi une scène unique, montrant Ghismonda et Guiscardo sagement endormis, dans un lit qui occupe une grande partie de l’espace et qui attire l’œil du lecteur avec sa couverture rouge : Tancredi les observe, à moitié sorti de la tenture verte, une main posée sur la couverture et l’autre dans la direction des amants ; sur le côté, la porte de la chambre donne sur la grotte avec un arbre et la corde, symbole de l’attachement et des retrouvailles secrètes des amants. 10 Dans l’histoire des illustrations du Décaméron entre le XIV e et le XV e siècle, V. Branca distingue deux périodes : 1) une première phase des illustrations (Capponi, Hamilton, Ceffini) est caractérisée par la volonté manifeste de visualiser le texte, d’animer la représentation par le trait et par la couleur, du même esprit qui habitait la représentation par les sons ou l’écriture, bref, par la continuation de ce dialogue entre le mot et l’image qui serait le propre de Boccace ; 2) dans une deuxième phase contemporaine du crépuscule de la civilisation marchande et communale, le rapport entre mot et figure change : « de la visualisation du texte, on passe à l’inspiration figurative tirée du texte, de la narration on passe à l’ornementation et aux filigranes abstraits ou conventionnels. De livre de chevet et distraction bourgeoise, d’ouvrage lu et relu par les marchands, le Décaméron devient livre de bibliothèque princière, lecture courtisane, ouvrage de haute littérature, canonique et exemplaire » (Branca 2010, 35). 11 Il s’agit du Ms it. 63, de la BnF, réalisé en 1427 par Lodovico di Salvestro Ceffini. L’originalité de l’artiste fut de substituer « à des illustrations cycliques des scènes uniques, aussi révélatrices que caractéristiques », en s’attachant à rendre une « traduction visuelle immédiate du moment-clé des nouvelles » (Branca 2010, 35). <?page no="16"?> Laurence Bernard-Pradelle 8 L’illustration de 1427 commente un seul événement, celui de la découverte des amants par Tancredi, qui focalise toute l’attention, comme si la narration se concentrait sur le personnage particulier de Tancredi à un moment précis, celui de la révélation. L’interprétation de l’artiste semble assez fidèle à la scène littéraire, si ce n’est que, chez Boccace, Tancredi assiste aux ébats et non au sommeil des amants : la version de l’illustrateur est plus sage que celle de l’écrivain. En tous les cas, l’artiste ne cherche pas à raconter mais à fixer le moment décisif à ses yeux. Si l’on remonte quelques années en arrière, une autre illustration offre une lecture différente. Il s’agit du manuscrit du Maître de la Cité des Dames (ou ms Palatino Latino 1989), qui contient la première traduction française du Décaméron par Laurent de Premierfait vers 1414 et qui aurait été enluminé pour Jean sans Peur 12 . La miniature comprend deux scènes, bien distinctes, se déroulant dans deux lieux séparés : la première scène montre les ébats amoureux des deux amants, dans une petite maison à la porte bien close (protection fictive et enfermement réel), sur un lit écarlate. On y relève une anomalie par rapport au texte de Boccace : Guiscardo entre par la cheminée, tandis que les branchages sont censés symboliser la grotte cachée par les arbustes ; ce personnage pourrait tout aussi bien figurer un observateur dissimulé qui assisterait à ce qui se passe (pourquoi pas Tancredi ? ). Une seconde scène, dans une autre maison, montre Ghismonda étendue sur un lit à la couverture verte, dans une pose de désarroi, avec la coupe et le cœur de son amant, tandis que Tancredi se trouve devant elle, le père et la fille étant symboliquement séparés par la colonne de la double fenêtre. Dans cette miniature, l’illustrateur retient les temps 1 et 2 de l’historia, tout en multipliant un certain nombre de détails qui détournent le texte : dans le premier dessin, la porte close sur l’extérieur remplace la porte donnant sur la grotte ; le lieu où se trouve Guiscardo (ou Tancredi ? ) est invraisemblable (une cheminée pourvue d’arbustes) ; telle qu’elle est rendue, la présence de Tancredi au moment où meurt Ghismonda, est maladroite, car le spectateur a l’impression qu’il donne lui-même la coupe à sa fille pour qu’elle meure - ce qui est faux. Certes, plus que dans le manuscrit Ceffini, l’artiste cherche à présenter une ébauche d’enchaînement narratif avec les deux scènes qui se succèdent, mais l’attitude insolite et dénuée de naturel des personnages et des lieux suggère une démarche plus symbolique que réaliste, à l’origine de la seconde tradition évoquée par V. Branca. Ces deux illustrations contribuent à montrer, par contraste, toute l’originalité de celle du manuscrit Capponi : tout en étant la plus ancienne, elle est aussi celle qui opte pour une mise en page résolument narrative, le 12 Voir Branca 2010, 42. Selon Delcorno, cité par V. Branca, il s’agit d’une « nouvelle conception de l’image toujours appréhendée d’un point de vue précis, [d’]une composition fragmentaire qui sectionne objets et figures humaines ». <?page no="17"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 9 dessinateur cherchant à visualiser non pas un, ni deux, mais trois moments décisifs de l’action, eux-mêmes démultipliés. L’illustration se présente en effet comme un triptyque avec une construction complexe et tout à fait conforme à la narration : dans le premier petit tableau, Ghismonda, entourée de ses dames de compagnie, offre à Guiscardo le fameux roseau dans lequel elle a enchâssé le message qui contient les renseignements nécessaires pour un rendez-vous secret ; dans le deuxième tableau, deux scènes se trouvent représentées en une : Guiscardo escaladant la grotte à l’aide de la corde à nœuds et les deux amants enlacés à côté de la porte menant à la chambre de Ghismonda, le tout, et notamment la grotte, dans un style rappelant celui de Giotto ; dans le troisième tableau, le dessinateur condense deux scènes en une également : le valet apportant le cœur de Guiscardo à Ghismonda dans une coupe démesurée et centrale, et Ghismonda avalant le poison qu’elle a mis dans la coupe. Le dessin de Boccace est frappant à plusieurs titres : sur les trois illustrations, c’est la seule qui évacue totalement Tancredi, comme si la nouvelle ne portait pas sur le roi de Salerne ou sur son amour excessif pour sa fille ; en revanche, les objets (qui jouent un rôle dans les différentes étapes de l’historia) sont grossis de façon quasi caricaturale : le roseau démesuré et central de la première scène ; dans la deuxième scène, la roche qu’il faut escalader pour atteindre la grotte et la corde avec ses nœuds bien visibles, la porte et la lucarne noires donnant (par anticipation) sur la mort ; dans la troisième scène, les dimensions disproportionnées de la coupe et du cœur de Guiscardo. L’illustration cherche moins à mettre en valeur des momentsclés, qu’à dérouler un parcours narratif (que vient renforcer le dédoublement des scènes 2 et 3), voire un enchaînement narratif quasi irrépressible qui se déroule au gré du relai imposé par les objets. Le dessin raconte une histoire. On peut revenir à une idée importante soutenue par Vittore Branca, selon laquelle, dans ses dessins, Boccace ne veut pas d’une ornementation mais d’une interprétation visuelle - très proche d’un réalisme emprunté à Giotto - en défendant l’efficacité d’un quasi dialogue entre la parole et l’image, « comme si tour à tour la parole ou l’image pouvait capturer ce qui n’est pas toujours donné à l’autre de représenter par leur intégration respective ». 13 On constate que, dans ce cas, l’image peut aider à mettre en valeur, voire à révéler un sens plus ou moins implicite ou latent dans le texte. Il n’y a rien d’ornemental ni de symbolique dans ce recours à l’image, mais, sans aller jusqu’à parler de complémentarité compensatoire, davantage l’instauration d’un dialogue. On perçoit une grande fidélité au texte en même temps qu’une liberté tout aussi grande de l’illustrateur qui, par le biais du dessin, 13 Branca 2010, 34. Il écrit par ailleurs (ibid. 28) : « Par sa capacité à établir avec le texte un étroit rapport narratif, par le caractère organique du projet iconographique et par la nouveauté indéniable du rapport mot-image, l’illustrateur-auteur du manuscrit Capponi s’imposera comme un modèle. » <?page no="18"?> Laurence Bernard-Pradelle 10 donne une forme autre à ce qui est dit dans le texte, non pas pour le trahir mais pour en révéler certains aspects implicites, jugés essentiels aux yeux de Boccace. On pourrait qualifier cette démarche de transfiguratio du texte écrit par l’illustration, à savoir d’un au-delà de la représentation littéraire par la forme picturale. Si l’on en vient maintenant à la démarche de Leonardo Bruni, qui était fin connaisseur et grand admirateur de l’œuvre de Boccace, qui pouvait très bien avoir vu le manuscrit Capponi (puisque celui-ci appartenait à l’une des grandes familles florentines auxquelles il avait accès grâce à son poste de chancelier), qui, par ailleurs, suivait de très près ce qui se produisait en matière de théorie picturale à son époque, on peut se demander si ces dessins de Boccace n’ont pas eu une influence sur la réflexion très poussée qu’il menait encore à la fin de sa vie sur la traduction elle-même, et s’il ne chercha pas à rendre l’idée de transfiguratio dans sa traduction même. L’historia dans sa traduction latine On peut tenter de répondre à cette question par l’analyse de quelques passages traduits. 1 La lettre et le roseau (4, 1, 7-8) Pensò una nuova malizia (= un nuovo accorgimento). Essa scrisse una lettera, e in quella ciò che a fare (= quello che doveva fare) il dì seguente per esser con lei gli mostrò ; e poi quella messa in un bucciuolo di canna (= tratto di canna che sta tra nodo e nodo), sollazzando la diede a Guiscardo e dicendo : « Fara’ne questa sera un soffione alla tua servente, con quale ella raccenda il fuoco ». Guiscardo il prese, e avvisando costei non senza cagione dovergliele aver donato e così detto, partitosi se ne tornò alla sua casa : e guardando la canna e quella vedendo fessa, l’aperse e dentro trovata la lettera di lei […]. Talem demum viam excogitavit : iuveni scribit et quid facere illum velit per litteras monet : eas vero litteras vacuo arundinis baculo includit eamque arundinem quasi iocans iuveni dat, iubens ut eam ancillae suae tradat per [? ] commodum instrumentum ignis suscitandi. Guiscardus autem arundine suscepta cogitans non ab re sibi traditam fuisse domum abiit ; arundine patefacta, litteras reperit. (f. 2v) Outre le surprenant talem viam qui remplace « nuova malizia », sur le plan narratif, Bruni est beaucoup plus concis que Boccace : il omet de traduire « il dì seguente per esser con lei », « così detto », « partitosi », « guardando la canna e quella vedendo fessa » ; il n’interrompt pas la narration avec l’introduction du style direct, préférant la bienséance du tour indirect ut eam ancillae suae tradat per [? ] commodum instrumentum ignis suscitandi. En revanche, la traduction met en valeur d’autres détails : là où Boccace n’utilise qu’une seule fois le mot « lettera », Bruni le répète, à très peu de distance ; là où Boccace utilise deux fois le terme « canna », Bruni utilise quatre fois le <?page no="19"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 11 mot « arundo », lui donnant une visibilité beaucoup plus grande ; il recourt au présent de narration qui oblige le lecteur à prendre en compte ce moment du récit que Boccace avait laissé au passé simple. D’autre part, Guiscardo est nommé deux fois chez Boccace, une seule fois chez Bruni, mais relayé par deux iuveni, comme si l’important était moins le nom que la jeunesse du personnage. Ces choix de traduction, qui suppriment tous les détails descriptifs de moindre importance, pour mettre en valeur le roseau et la jeunesse vigoureuse de Guiscardo, permettent d’atténuer la verdeur du passage tout en alertant le lecteur sur sa dimension sexuelle très appuyée, aussi bien dans le texte de Boccace - par la phrase au discours direct : « Fara’ne questa sera un soffione alla tua servente, con quale ella raccenda il fuoco » - que dans le dessin - la connotation sexuelle étant rendue par la longueur démesurée du roseau (thème de la première vignette où Ghismonda offre le roseau à Guiscardo). Il ne traduit pas mot-à-mot, peut-être parce que la verdeur du passage n’est pas de mise sous la plume du chancelier, mais il opère, en quelque sorte, comme dans le dessin, c’est-à-dire en focalisant l’attention sur certains aspects qui mettent en valeur le sens du passage. 2 Les retrouvailles des amants (4, 1, 9) Le deuxième temps fort mis en évidence par le dessin de Boccace est le moment de la première rencontre des deux amants avec la description circonstanciée de la grotte dans la montagne qui mène à la chambre de Ghismonda : la traduction de Bruni reste très fidèle au texte tant qu’il s’agit des préparatifs (qui n’apparaissent que dans la version littéraire), mais pour le passage qui correspond précisément au dessin, sa traduction s’écarte du texte. La quale il seguente dì, faccendo sembianti di voler dormire, mandate via le sue damigelle e sola serratasi nella camera, aperto l’uscio nella grotta discese, dove, trovato Guiscardo, insieme meravigliosa festa si fecero. Mulier vero ubi dies eluxit (neque tempus arcessendi facultas aderat), fingens se quietis et somni indigentia ac eo praetextu comitibus ancillisque dimissis, ipsa intus hostium aperuit reptumque in antro iuvenem cupientissime in complexum recepit. (f. 4) Le dessin de Boccace met en valeur, de façon très condensée : la difficulté et les dangers de l’entreprise du fait de l’escalade d’une roche hostile ; la complexité narrative (évoquée plus haut), rendue par la contraction de deux scènes en une et par l’opposition nuit / jour, que souligne un clair-obscur accentuant l’ombre à gauche ainsi qu’une porte noire et blanche ; l’union absolue des deux amants en même temps que leur non moins absolue précarité, puisqu’ils donnent l’impression d’être à la fois protégés et emprisonnés par les lieux. Chez Bruni, ces trois informations importantes sont parfaitement rendues dans la traduction, mais non par le mot-à-mot, puisque le texte cible est <?page no="20"?> Laurence Bernard-Pradelle 12 assez éloigné du texte source : l’union totale et fatale des deux amants est perçue à la fois par la tournure de la phrase et l’emploi de certains termes (la phrase mulier [...] cupientissime in complexum recepit n’obéit pas à la construction boccacienne) et par la difficulté que rencontre Sigismunda pour se débarrasser de ses servantes (amplification du texte de Boccace par des ajouts - eo praetextu - redoublements qui soulignent ses efforts - quietis et somni, comitibus ancillisque) ; la superposition des temps de la narration est rendue par l’importance de la lumière (ajout de ubi dies eluxit), en contradiction avec l’envie irrépressible de dormir, et par l’intrusion insolite de la parenthèse (neque tempus arcessendi facultas aderat) qui n’existe pas chez Boccace ; la difficulté de l’entreprise est signifiée par l’irruption du mot reptum qui n’existe pas non plus dans le texte de Boccace, mais qui est visible dans son dessin. Tout se passe comme si Bruni avait volontairement introduit dans la traduction latine des éléments qui sont mis en valeur dans le dessin, et seulement implicites dans le texte originel. De la même manière que le dessin de Boccace implique une lecture décalée du texte littéraire lui-même, la traduction se permet une intrusion dans le non-dit du texte originel, par l’accentuation d’un détail fortement mis en évidence dans le dessin de l’auteur lui-même. 3 Tancredi surprend les amants (4, 1, 19) L’événement n’est pas représenté sur le dessin de Boccace. Poi prese partito di tacersi e di starsi nascoso, s’egli potesse, per potere più cautamente fare e con minor sua vergogna quello che già gli era caduto nell’animo di dover fare. I due amanti stettero per lungo spazio insieme, sì come usati erano, senza accorgersi di Tancredi. […] Della quale Tancredi, ancora che vecchio fosse, da una finestra di quella si calò nel giardino e senza essere da alcun veduto, dolente a morte alla sua camera si tornò. Postea illi melius visum est cum [? ] silentio latitare quo cautius ac magis tecto dedecore suo ut iam conceperat animo supplicium sumeret. At duo amantes securi protinus ac nullius insidiae gnari […]. Tancredus ea qua venerat solitudine cubiculo filie egressus incredibili dolore anxius in suum cubiculum abiit, missisque per noctem qui foramen illud per quod Guiscardus exiturus erat obsiderent egredientemque iuvenem excipiunt. (f. 5) Dans toute la scène où Tancredi découvre les deux amants, Bruni reste proche du texte sauf dans ce tout petit passage final : le traducteur ne nomme Tancrède qu’une fois (deux fois chez Boccace), mais préfère insister sur le supplicium déjà projeté (Boccace n’utilise pas un mot aussi fort mais une expression plus contournée qui mime les noirs desseins qu’il n’ose s’avouer à lui-même) et sur le fait que les deux amants se sentent securi, hors d’atteinte des dangers du monde grâce à leur amour. Dans ce passage, Bruni introduit subtilement ce qui se passe dans l’ensemble du dessin de Boccace : l’insistance sur ce qui lie les deux amants au-delà de l’historia racontée, le supplicium à venir (doublé de insidiae) et leur union sanctifiée jusque dans (et <?page no="21"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 13 par) la mort, tandis que peu à peu la personne de Tancredi disparaît : il omet de traduire le fait que ce dernier est très âgé, et qu’il est reparti par une fenêtre, sans être vu de quiconque ; en revanche, il le renvoie à sa solitude (qui n’est pas exprimée, dans le texte de Boccace). Le troisième temps de l’historia littéraire, celui de la confrontation entre le père et la fille, se trouve traité sous la forme de longs discours prononcés par l’un et l’autre. Cette partie discursive, peu propice à la visualisation picturale, est traduite de manière assez fidèle par Bruni, à quelques exceptions près. Sans entrer dans le détail, on peut remarquer que la Sigismunda de Bruni se montre plus vertueuse que la Ghismonda de Boccace, mais que, surtout, le texte s’achemine toujours vers plus de concision (4, 1, 35). Dans le long morceau de bravoure où la jeune femme fait ressortir la valeur de son amant et la piètre capacité de jugement de Tancredi (4, 1, 38-43), Bruni supprime le plus de détails possible et réduit considérablement le texte de Boccace, en visant à l’essentiel. Plus généralement, dans l’économie narrative générale, les discours de Ghismonda occupent une place beaucoup plus considérable chez Boccace que chez Bruni, comme si l’humaniste veillait à éliminer tout ce qui pouvait nuire à la rapidité du récit. On peut y lire une volonté de dramatisation, mais aussi un effet de sa conception personnelle du genre romanesque. Enfin, le quatrième temps de l’historia mériterait une analyse comparative complète, d’autant plus qu’il est traité sur le dessin. Qu’il suffise de retenir trois passages éclairants. 4 Le cœur de Guiscardo (4, 1, 46) Per che, da lei partitosi e da sé rimosso di volere in alcuna cosa nella persona di lei incrudelire, pensò con gli altrui danni raffredare il suo fervente amore, e comandò a’ due che Guiscardo guardavano che senza alcun rumore la seguente notte strangolassono ; e trattogli il cuore a lui il recassero. Li quali, così come loro era stato comandato, così operarono. Laonde, venuto il dì seguente, fattasi il prenze venire una grande e bella coppa d’oro e messo in quella il cuor di Guiscardo, per un suo segretissimo familiare il mandò alla figliuola e imposegli che quando gliele desse dicesse [...]. Itaque ab illa digressus, cum secum ipse statuisset nullo modo in filiam sevire, alieno sanguine cogitavit amoris incendium in ea restringere. Percepit ergo custodibus qui Guiscardum conservabant, ut per silentium noctis sine ullo tumultu iuvenem strangularent, corque illius detractum ad se deferrent. Id cum illi fecissent, Tancredus pathera aurea cor illud impositum deferri ad filiam iussit cum hiis verbis [...]. (f. 10) Ce passage, l’un des grands moments narratifs de la nouvelle si bien mis en valeur par le dessin, fait l’objet d’une traduction frappante de la part de Bruni. Comme à son habitude, l’humaniste élimine tout ce qui apparaît comme superflu pour pratiquer l’ellipse, présente sur le dessin mais pas dans le texte : Boccace s’appesantit sur la « grande e bella coppa », sur le fait que l’on y dépose le cœur et qu’un « segretissimo familiare » est chargé de <?page no="22"?> Laurence Bernard-Pradelle 14 présenter la coupe et de prononcer certaines paroles. Bruni oublie les adjectifs « grande e bella » (pourtant présente dans le dessin) ainsi que le serviteur (qui, lui aussi, apparaît sur le dessin) ; il supprime l’aspect temporel (« il di seguente »), néglige le fait que les gardiens font ce qui leur a été ordonné, etc. Ce faisant la scène s’épure, dans une fulgurance qui met à nu les actions clés plus que les relations et les vicissitudes des personnages, se montrant en en cela très proche du dessin : le lien filial (filia) est détruit par le sang (alieno sanguine remplaçant « gli altrui danni ») que verse Tancredi, à qui le titre de prince est refusé ; Guiscardo devient un iuvenis pour l’éternité. Bruni ne copie pas le dessin à la lettre mais s’en inspire pour accentuer le sens qu’il veut souligner. La fin du récit nous le confirme. 5 Ghismonda boit le poison « O molto amato cuore, ogni mio uficio verso te è fornito, né più altro mi resta a fare se non di venire con la mia anima a fare alla tua compagnia. » E questo fatto si fé dare l’orcioletto nel quale era l’acqua che il dì davanti aveva fatta, la quale mise nella coppa ove il cuore era da molte delle sue lagrime lavato ; e senza alcuna paura postavi la bocca, tutta la bevve e bevutala con la coppa in mano se ne salì sopra il suo letto […]. « O amantissimum mi cor », inquit, « persolvi equidem tibi officium meum, nec aliud restat iam nisi ut te comitem sequar. » Subindeque acceptum poculum illud mortiferum impavida hausit. Cum vero potasset lectum super ascendit […]. (f. 11 v ) Dans cet exemple, le dessein de Bruni est encore plus clair : le discours adressé au cœur de Guiscardo est traduit avec une grande fidélité ; mais lorsque Ghismonda absorbe le poison, la traduction se concentre uniquement sur l’acte même de boire à même la coupe, en supprimant tous les détails sur lesquels s’étend Boccace écrivain, à la différence de Boccace illustrateur : pour ce moment fatidique, la traduction est plus proche du dessin que du texte. 6 La mort de Ghismonda Laonde la giovane, a suo fine esser venuta sentendosi, strignendosi al petto il morto cuore, disse : « Rimanete con Dio, che io mi parto. » Sigismunda vero sentiens finem vite sue pervenire constringens ad se Guiscardi cor, velatis oculis, omnes valere iubens expiravit. (f. 12 v ) La mort de l’héroïne est beaucoup plus explicite en latin (grâce au verbe final expiravit qui prolonge finem vite sue et à la suppression du discours direct évoquant Dieu) qu’en italien : en revanche, comme cela se produit dans le dessin, elle met fortement en présence les deux amants (Sigismunda / Guiscardi cor), qui ne sont pas désignés par leur nom dans le texte italien (« la giovanne », « il morto cuore »). Le dialogue avec l’illustration ne semble guère douteux. <?page no="23"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 15 Ces quelques exemples peuvent aider à percevoir comment Bruni envisageait la traduction de ce texte : il ne s’agit pas tant d’offrir une interprétation différente (personnelle) du texte original en prenant des libertés (ce qui serait en désaccord avec ses propres conceptions) que d’en mettre en valeur certains passages. Même si cela comporte le risque de s’éloigner de la traduction littérale, le traducteur a pu estimer qu’il établissait avec l’œuvre de Boccace le même dialogue que ce dernier avait établi en illustrant ses nouvelles. Leonardo Bruni est sans doute l’un des humanistes qui a le plus médité sur les arrière-plans de la traduction. Lorsque dans les années 1420, il publie son De interpretatione recta, il est le premier à théoriser l’acte de traduire et à tenter de tracer les normes auxquelles doit s’astreindre un traducteur. Toutefois, malgré l’intensité de sa réflexion, on le sent arrêté dans les ultimes conséquences de sa recherche. 14 L’un des problèmes majeurs qu’il rencontre est le suivant : le traducteur se trouve écartelé entre l’exigence de fidélité absolue au texte source (« immedesimazione ») et le travail interprétatif d’auteur ; à ce paradoxe se greffe le problème de l’historicité des traductions, âprement défendue par Bruni lui-même. Il me semble que c’est par une voie indirecte que Leonardo Bruni a cherché à dépasser le paradoxe. Cette voie, ce fut celle qu’offraient les arts figuratifs. Non seulement la peinture vit une véritable révolution depuis Giotto, mais dans les années 1430, à Florence, Leon Battista Alberti publie avec son De pictura un traité théorique sur la peinture aux implications innombrables. L’une d’entre elles concerne la figure du peintre qui, tout en obéissant à des règles très strictes, rigoureuses, scientifiques, ne donne jamais qu’un « prélèvement » de la réalité en ne retenant qu’une coupe de celle-ci. 15 Or, dans les années qui suivent la parution du De pictura, on remarque chez Bruni une façon nouvelle d’aborder la traduction : après les « grandes » traductions de textes d’historiens et de philosophes, il fait paraître entre 1436 et 1439 trois « petites » traductions portant sur des extraits d’œuvres de théâtre, de poésie et de roman, la traduction de la nouvelle de Boccace en faisant partie. Ainsi donc, avec pour arrière-plan les théories albertiennes sur l’imitation du réel, il se pourrait qu’un humaniste tel que Leonardo Bruni se soit inspiré des avancées en matière picturale pour progresser dans sa réflexion sur la traduction. Il se pourrait que le dialogue texte-image tel qu’il est repérable dans le manuscrit Capponi l’ait amené à transposer en traduction l’idée de transfiguratio du texte littéraire par le dessin, élaborée par Boccace : dans son interprétation, dans son imitation, dans son expression, le 14 Que l’on me permette de renvoyer à Bernard-Pradelle (à paraître). 15 La peinture n’est jamais qu’une coupe dans le réel : « La peinture faite, ou historia, est donc un prélèvement et une composition anthologique de ce que la nature offre de façon dispersée. La nature ne change donc pas le point de vue (puisque les rayons visuels interceptés par un plan sont déjà naturellement une « peinture »), elle est une délimitation de champ et une concentration d’action. » (Schefer 1992, 11). <?page no="24"?> Laurence Bernard-Pradelle 16 traducteur est habilité à mettre en valeur sans trahir, à expliciter ce qui est implicite (ou l’inverse) sans se voir taxé d’infidélité, s’il n’obéit pas au mot-àmot. Comme le fait le dessin de Boccace, la traduction peut transfigurer le texte d’origine, c’est-à-dire le donner à voir sous un autre angle, pour en déployer un sens présent, mais plus ou moins perceptible. Il s’agit moins d’interprétation subjective (et donc toujours sujette à l’arbitraire qu’abhorrait Bruni) que de contribution au dévoilement progressif des richesses d’une œuvre. Ainsi s’expliquerait la teneur des ultimes traductions de Leonardo Bruni, que l’on pourrait définir comme des traductions expérimentales qui introduiraient l’idée de dialogue entre texte source et texte cible ; ainsi s’expliquerait-on mieux pourquoi une nouvelle, extraite d’un chef-d’œuvre italien de 1350, fit l’objet d’une traduction latine en 1439 et remporta un large succès. Bibliographie Bernard-Pradelle, Laurence, « La version latine du Ploutos d’Aristophane par Leonardo Bruni : une traduction expérimentale ? » (à paraître dans le recueil d’actes du colloque organisé par l’EA 4509 « La traduction: pratiques d’hier et d’aujourd’hui », Paris 2014). Bernier, Marc André (tr.), Erich Auerbach : Figura, Paris 1993 [1ère éd. 1944]. Branca, Vittore (éd.), Giovanni Boccaccio : Decameron, Milan 1985. Branca, Vittore, « Un ‘lusus’ del Bruni cancelliere : il rifacimento di una novella del Decameron (IV, 1) e la sua irradiazione europea », dans : Paolo Viti (éd.), Leonardo Bruni cancelliere della Repubblica di Firenze, Florence 1990, 207-226. Branca, Vittore (éd.), Le Décaméron, illustré par l’auteur et les peintres de son époque, Paris 2010 2 . Osty, Émile / Trinquet, Joseph (tr.), Le bible, Tours 1973. Schefer, Jean-Louis (tr.), Leon Battista Alberti : De la peinture, Paris 1992. <?page no="25"?> La « transfiguratio » latine d’une nouvelle de Boccace (IV, 1) par Leonardo Bruni 17 Boccace, dessin à la plume, vers 1365-1367. BnF, Parisien it. 482, fol. 82 <?page no="27"?> Hartmut Wulfram Der Bogen der Juno Vergilparodie und Zeitkritik in Leon Battista Albertis Momus Der italienische Humanist Leon Battista Alberti (1404-1472) führt die imposante Reihe frühneuzeitlicher Autoren an, die sich von dem rhetorischspöttischen ,Moralphilosophen‘ Lukian zu eigenen Schöpfungen inspirieren ließen, ob sie den kaiserzeitlichen Griechen nun im Original oder in Übersetzung lasen, paradoxe Enkomien verfassten, satirische Dialoge oder Schelmenromane. 1 Von der spezifischen Darstellungskunst eines Lucianus redivivus 2 zeugt neben anderen Schriften Albertis (Intercenales, Musca, Canis) die komplexe Götter- und Menschenburleske Momus, die man schon aufgrund ihres (jeden lukianischen Text weit übertreffenden) Umfangs als „the first Renaissance Latin novel“ 3 bezeichnen darf. Das vier Bücher umfassende Werk, das zwischen 1443 und 1455 datiert wird, greift die Welt des antiken Mythos (und der griechischen Philosophiegeschichte) auf. Es erweist sich als ein prämachiavellistischer Anti-Fürstenspiegel, der dem Leser - statt eines nachahmenswerten Vorbilds - lauter verwerfliche Figuren vor Augen führt. Was der Kirchenvater Laktanz über den antiken Impulsgeber sagt - neque diis pepercit neque hominibus („Lukian hat weder Götter noch Menschen verschont“; inst. 1, 9, 8) -, gilt erst recht für seinen kreativen Weiterentwickler aus der Renaissance. Neben dem mit diversen Schriften (Deorum Concilium, Iuppiter Tragoedus, De sacrificiis, Contemplantes etc.) nahezu allgegenwärtigen ,Sophisten‘ 4 fließen dem Momus noch weitere literarische Quellen zu. Während die Forschung die Metamorphoses des Apuleius, der auch für Albertis artifiziellen Sprachstil verantwortlich zeichnet, 5 eine äsopische Fabel (Collectio Augustana fab. 100 Perry) 6 oder sogar die Johannesapokalypse 7 hervorgehoben hat, wurde Vergils Aeneis bisher zu wenig berücksichtigt. Mein Beitrag möchte zeigen, dass das römische Nationalepos ein gewichtiger, ja entscheidender Prätext 1 Marsh 1998; Billerbeck / Zubler 2000; Baumbach 2002; von Koppenfels 2007. 2 Billerbeck / Zubler 2000, 49. 3 Marsh 1998, 123. 4 Marsh 1998, 114-129; Cardini 2005, 437-439 (Eugenia Antonucci). Da es wenig zu unserer Fragestellung beiträgt, verzichte ich im Folgenden darauf, die jeweiligen Lukian-Reminiszenzen nachzuweisen. 5 Marsh 2000, 408, 416-418. 6 Borghini 1987; Cassani 2011. 7 Smith 2004; Borsi 2009, 562-563. <?page no="28"?> Hartmut Wulfram 20 ist, der Licht auf die umstrittenen Intentionen der Prosasatire wirft. Ich konzentriere mich dabei auf eine herausragende Episode aus dem zweiten Buch des Momus (2, 100-101), 8 die Alberti von Beginn an sorgfältig vorbereitet und auch nach ihrem Erscheinen noch mehrfach evoziert: Junos einstürzenden Triumphbogen. Wenngleich „è […] difficile cercare di darne un riassunto“, 9 müssen wir die kaleidoskopartige Erzählung des Romans zunächst daraufhin fokussieren, wie Alberti dieses Missgeschick motiviert. Buch 1 beginnt damit, dass der freigeistige Gott Momus, die Personifikation des Tadels, 10 den von Jupiter erschaffenen Kosmos und die Zutaten der übrigen Götter zu kritisieren wagt. Als sich der Titelheld obendrein zu umstürzlerischen Aussagen hinreißen lässt, muss er vom Olymp fliehen und gelangt - durch ein Loch im Himmel stürzend - nach Italien (in solum Etruscum; 1, 26). Um sich zu rächen, diskreditiert Momus dort seine göttlichen Kollegen, indem er als Dichter von ihrem unmoralischen Tun berichtet und als Philosoph die Saat des Unglaubens unter die Menschen streut. Religiöse Opfer und Riten nehmen daraufhin dramatisch ab (1, 26-35). Erschrocken schicken die Olympier die Göttin Virtus zur Erde, damit sie den Störenfried besänftige. Theologisch macht der zwar nun eine Kehrtwende, doch nur, um neues Unheil zu stiften (1, 57-67): Momus verwandelt sich in die Schwester des Thersites, in der Ilias (2, 212-270) bekanntlich der körperlich (und charakterlich) hässlichste Grieche vor Troja. 11 Als die solchermaßen vorbelastete Dame plötzlich in großer Schönheit erstrahlt, macht sie ihren neidischen Freundinnen weis, ihre veränderte Gestalt sei ein Gottesgeschenk, das sie zum Dank für einen Blumenkranz - konkret wurde sie träumend in der Kunst des Schminkens unterwiesen - erhalten habe. Die Mädchen sollten es ihr in der offenbarten Kulturtechnik munter nachtun und nach dem Kaufmannsmotto do ut des die Götter mit jedweden Bitten bestürmen. Nach Huldigung dürstend, schlügen sie keinen Wunsch ab. Wieder allein lacht sich Momus gehörig darüber ins Fäustchen, was er gerade mit der Erfindung der Votive in Gang gesetzt hat: Die maßlosen Menschen werden den Unsterblichen das Leben zur Hölle machen. Mit himmlischer Muße und Eintracht ist es fortan vorbei. Stattdessen warten ständige Arbeit, Eifersucht und Streit. Die Erfindung der Kosmetik wird zudem die Neigung des obersten Gottes befeuern, Affären mit sterblichen Frauen einzugehen, und so dessen Gattin zur Weißglut bringen. Folgerichtig endet Momus’ innerer Monolog mit einem bösen Vale Juno! (1, 67). 8 Furlan / D’Alessandro 2007 (maßgebliche Edition mit Einleitung, italienischer Übersetzung und Erläuterungen); vgl. Consolo 1986 (lat.-ital.), Boenke 1993 (lat.-dt.) und Knight / Brown 2003 (lat.-engl.). 9 Grayson 1987, 462. 10 Berdozzo 2011, 96-97. 11 Zu seinem Fortwirken im Quattrocento Borsi 2009, 554. <?page no="29"?> Der Bogen der Juno 21 Die hier zu greifende Intimfeindschaft zur mächtigen Himmelskönigin 12 kommt in Buch 2 vollends zum Ausbruch. Nachdem dort die Götter zunächst mit Freuden festgestellt haben, dass die Menschen sie dank Momus’ Initiative wieder inständiger verehren, hebt Jupiter dessen Exil auf (de revocando Momo lex; 2, 3). Von Momus’ jüngster Schandtat - am Ende von Buch 1 hatte er Laus, die schöne Tochter der Virtus, vergewaltigt und mit ihr Fama gezeugt - wissen die Olympier noch nichts. Sie werden durch die Abarbeitung der vielen Votive völlig in Beschlag genommen, die entweder auf Albernheiten wie Schönheitsoperationen und verlorene Alltagsgegenstände abzielen oder aber die grausame Ermordung engster Familienangehöriger, ja ganzer Gemeinwesen bezwecken (2, 2; 19; 34-35). Mit einer Charmeoffensive, die das eigene Wesen verleugnet (2, 11-14), gelingt es Momus, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und als Hofnarr den himmlischen Herrscher und dessen Hofstaat zu unterhalten (risere atque re cognita indulsere; 2, 25). 13 Unversehens platzt Juno in die vergnügliche Runde und beschwert sich bei Jupiter über den Wiederaufstieg des notorischen Intriganten, der mit der Herabsetzung ihrer eigenen Person einhergehe. Durch Junos Tirade (2, 26- 31) erfahren wir, dass die irdischen Votive physisch in den Olymp gelangen. Jupiter habe das eheliche Heim, dessen Reinlichkeit Juno stets heilig gewesen sei, mit den widerwärtigsten Opfergaben ,zugemüllt‘ (nostras sedes […] replesti foedissimorum votorum obscenitate; 2, 28). Inzwischen weigerten sich selbst die Pferde des Phöbus in die verschmutzen und stinkenden Gemächer der Königin einzutreten (aulas uxoris ita foedari votorum illuvie patiatur [sc. deorum rex], ut vel iumenta Phoebi subisse respuant ac pro foetore horrescant; 2, 28) - kein Wunder, verströmen doch jene Votive, die Böses im Schilde führen, einen unangenehmen Geruch (2, 34). Junos Lamento continuo ist rhetorisch motiviert und peilt nur allzu Materielles an. Von dem genervten Gatten fordert sie, offenkundig nicht zum ersten Mal, dass er ihr jene Votivgaben überlassen möge, die aus Gold gefertigt sind, da sie sich aus diesem Stoff etwas Schönes erbauen möchte (nihilo enim plus rogabamus dari, quam ut ad aedium nostrarum ornamentum vota mortalium, quae essent aurea, commodares; 2, 30). Der harmonie- und amüsiersüchtige Souverän gibt endlich klein bei (sed vince, coniunx, habe tibi vota aurea, cape ab obstinato frustratore, quae imperas; 2, 32), doch wird ihn seine mangelnde Durchsetzungskraft noch teuer zu stehen kommen. Als Jupiter ein Festbankett im Hause seines Sohnes Herkules ausrichten lässt, vernimmt man plötzlich aus der Vorhalle des Himmels ein ohrenbetäubendes Getöse. Die neugierigen Gäste vergessen den Streit, lassen ihre Gläser stehen und eilen zum Ort des Geschehens. Zu ihrer großen 12 Bereits in Momus 1, 8 (vgl. 1, 23) spielt Momus mit dem gefährlichen Gedanken, seine untreue Geliebte Fraus könnte Juno aus ihrer Position verdrängen. 13 Dass Momus Jupiter und die Seinen unterhält und zumal zum Lachen bringt, wird auch sonst häufiger gesagt, z.B. Momus 2, 4; 59; 65-66; 70; 3, 73. <?page no="30"?> Hartmut Wulfram 22 Ver- oder besser: Bewunderung finden sie einen gigantischen Triumphbogen vor, der überaus dekorativ in allen erdenklichen Farben schimmert. Juno hat ihn in Rekordzeit errichtet und mit dem eingeschmolzenen Gold der Votive überzogen, auf das sie so erpicht war. Konstruktion und Ausschmückung sind von so erlesener Qualität, dass sich sogleich die besten Architekten, Maler und Bildhauer, die der Himmel zu bieten hat, geschlagen geben (2, 100): […] animos utrimque iam ad altercationem paratos occupavit atque avertit repens exauditus ad caeli vestibulum strepitus. Ad quem dinoscendum cum relictis poculis advolassent, evenit, ut in grandem inciderint admirationem conspecto e regione maximo atque omni colorum varietate ornatissimo arcu triumphali, quem quidem Iuno coaedificarat auroque votorum conflato operuerat, tanto et operis et ornamenti artificio insignem atque illustrem, ut caelicolarum optimi architecti fieri id negarint potuisse et pictores fictoresque omnes sua esse in eo expingendo atque expoliendo ingenia superata faterentur. Die bestaunte Pracht währt freilich nicht lange. Als sich von anderswoher eine aufgebrachte Götterschar nähert, gerät durch das verursachte Beben das ebenso gewaltige wie kostspielige Stück ins Wanken und stürzt unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Aufprall und Lärm erschüttern das eherne Himmelsgewölbe und verdoppeln so noch das Tohuwabohu durch ein lautstarkes Echo (Illud interea effecit, ut acrius moverentur [sc. Herculis hospites], quod vixdum eo appulerant [dei infesto gradu], cum illico Iunonis illud vastum et immane tantarum impensarum opus labans corruit, cuius fragore et sonitu subincussa caeli, uti sunt aenea, convexa maximum dedere sonitum; 2, 101). Dem in seiner Muße empfindlich gestörten Jupiter platzt daraufhin der Kragen (2, 102-109): Zuerst kanzelt er die profilneurotische Gattin ab, 14 dann die zänkischen Mitgötter, die jetzt vor ihm nichts Besseres zu tun hätten, als über Endlagerstätten für Bauschutt und Votivmüll zu streiten, und schließlich die undankbaren Menschen, die durch den unablässigen Zustrom ihrer schäbigen Votive das neueste Chaos erst ausgelöst hätten. Zu Momus’ großer Freude, der seinen Racheplan schönste Blüten treiben sieht, verkündet Jupiter den Beschluss, eine neue Welt erschaffen zu wollen (alius erit nobis coaedificandus mundus; 2, 109). Das dritte Buch zeigt sich - wie zu erwarten - von der Debatte bestimmt, ob man wirklich zur Zerstörung der existierenden Ordnung schreiten solle. Juno gehört zu jenen Göttern, die entschieden für den Status quo plädieren. Der ,kleine Betriebsunfall‘ mit dem Bogen hat ihrer Bauleidenschaft keinen Abbruch getan. Um ihr weiter frönen zu können, ist sie auf die menschlichen Votivgaben angewiesen (Namque Iuno, votorum affluentia facta aedificatrix, quidvis poterat perpeti magis quam hominum populos perire […] Iuno, quae aedificandi libidine insanibat, quam poterat maximam suarum partium vim et ma- 14 Zu misogynen Elementen in Albertis Œuvre Imesch 1999, zum Momus bes. 235, 240, 242, 272. <?page no="31"?> Der Bogen der Juno 23 num et bonis et malis artibus cogebat ad hominumque salutem tuendam instruebat; 3, 4; 3, 20). Der Halbgott Herkules dagegen versucht, seine ehemaligen ,Artgenossen‘ mit dem Argument zu retten, dass jede Neuschöpfung noch schlechter ausfallen würde als der gegenwärtige Zustand 15 - und erweist sich so als früher Kritiker moderner Architektur. Wie wenig die Baumeister von heute taugten, so das notorische Raubein, habe ja gerade eben seine alte Rivalin Juno demonstriert, deren ,Luftschloss‘ nach dem berechtigten Gespött der Leute zu keinem anderen Zweck errichtet worden sei, als halbfertig zu kollabieren (Quod si tandem novos iuvet architectos experiri, satis patere quidem, quid valeant, cum aliunde, tum in Iunonis arcu exaedificando, quandoquidem non iniuria vulgo dictitent non aliam ob rem structum fuisse ita, nisi ut inter struendum rueret; 3, 69). Die heterogene konservative Fraktion (3, 4) gewinnt erst die Oberhand, als die Menschen zu Ehren der Unsterblichen prächtige Festspiele geloben, eine durch Klimakatastrophen und Seuchen, den Vorboten des Weltuntergangs, verursachte Initiative, die einem kollektivem Großvotiv gleichkommt (3, 65-71). 16 Parallel dazu lässt Jupiter seinen eben noch hochgeschätzten Hofnarr mitleidlos fallen. Von der nachtragenden Juno im Tumult entmannt (3, 40-42), wird Momus - Züge eines aischyleischen Prometheus annehmend 17 - wegen Umtrieben gegen Götter und Menschen an eine einsame Insel gekettet (3, 71-75). Im vierten Buch revanchiert sich Momus für die erlittene Strafe, indem er die Olympier dazu verleitet, persönlich auf die Erde herabzusteigen, wo sie anstelle freudiger Ovationen ihre schmerzvolle „Götterdämmerung“ 18 (4, 73-78) erleben. Diese (zumal für Buch 4) nur sehr ausgewählten Striche mögen genügen, um die Scharnierfunktion zu illustrieren, die dem Bogen der Juno im verwickelten Handlungsgefüge des Romans zufällt. Die Episode selbst wird jedoch nicht bloß erzählt, Alberti knüpft daran einen gelehrten oder besser: pseudogelehrten Exkurs. Dessen erster Teil besagt: Im Anschluss an den gewaltigen Einsturzlärm hätten auf der Erde einige Musiker bemerkt, dass ihre Leiern davon widerhallen, und deshalb - zur Erinnerung für die Nachwelt - das zerbrechliche Werk der Juno Tinnis getauft (Quem [sc. sonitum] ab resonantis testudinis tinnitu exceptum musici notantes ad memoriae posteritatem Iunonis illud caducum fragileque opus „Tinnin“ nuncuparunt; 2, 101). Das inkommensurable Ereignis war also visuell und akustisch gleich auf zwei, normalerweise getrennten ,Etagen‘ vernehmbar. 19 Die Namensgebung der Musiker, die der dritten griechischen Deklination verpflichtet ist, beruht dabei - passend zu ihren feinen Ohren - auf Lautmalerei. Der zu erschlie- 15 Cassani 2010, 173-175. 16 In Ov. met. 1, 244-252 hält die Götter die beklemmende Perspektive, ohne Weihrauch auskommen zu müssen, von der Auslöschung der Menschheit ab. 17 Boschetto 1993, 34-52. 18 Von Koppenfels 2007, 91. 19 „Der Regenbogen wird in zahlreichen Mythologien und Religionen als Brücke zwischen der Menschen- und Götterwelt gedacht“ (Redling 2008, 292). Zur Gleichsetzung von Junos Triumphbogen mit dem Regenbogen siehe unten. <?page no="32"?> Hartmut Wulfram 24 ßende Nominativ bildet den Ausgangskrach ab, während der von Alberti gesetzte Akkusativ den sublimierten Klang des Instruments nachahmt. Mit anderen Worten: Nach dem Einsturz des Bogens antwortete auf ein schepperndes Tinnis mit stimmlosen s-Laut ein regelmäßig schwingendes Tinnin mit nasalierter Schlusssilbe. Zugleich leitet sich der Neologismus von dem angestammten lateinischen Verb tinnire, „klingeln“, ab, das Alberti explizit, in Form seines Verbalsubstantivs, der Leier zuschreibt (ab resonantis testudinis tinnitu). 20 Schließlich ergibt sich eine synästhetische Metonymie, hat sich doch der göttliche Architektur-Coup als ebenso kurzlebig erwiesen wie ein schnell verklingender Ton. 21 Der gelehrte Exkurs ist damit noch nicht zu Ende. In einem nachklappenden Adversativsatz (at postea corrupto vocabulo „Irim“ vulgo appellarunt; 2, 101) mutiert Alberti gänzlich zum grammaticus, indem er erläutert, dass später das Wort Tinnis im allgemeinen Sprachgebrauch - usus tyrannus möchte man hinzufügen - zu Iris verhunzt worden sei. 22 Dem Leser wird auf diese Weise eine geistreiche Aitiologie nahegelegt: Junos ephemeres Erzeugnis ist mit Iris, dem Regenbogen, gleichzusetzen. Bekanntlich pflegt ja auch dieser schlagartig und in den Spektralfarben leuchtend am Firmament zu erscheinen, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden. Bei alledem stellt sich die Frage, wie Alberti zu seiner kapriziösen Erfindung gelangt ist. Da Lukian keinen hinreichenden Ausgangspunkt bot, 23 fällt der Blick auf Vergils Aeneis, die Mitte des 15. Jahrhunderts das unangefochtene Muster einer mythologischen Großerzählung darstellte. 24 Unser Humanist durfte das vergilische Epos wie kaum einen zweiten antiken Text bei seinem gebildeten Publikum voraussetzen, wurde es doch in den zeitgenössischen Schulstuben nicht nur zur norma loquendi, sondern - dank allegorischer Auslegung - auch zur norma vivendi erhoben. 25 Wichtige Charakteris- 20 Die Vokabeln tinnitus, tinnire werden schon von spätantiken Grammatikern als onomatopoetisch gekennzeichnet (Maltby 1991, 613). 21 Tinnis, eine Vokabel, die aus akustischem Sinneseindruck erwächst, bezeichnet einen primär visuell wahrgenommenen Gegenstand, und die Wirkung („lärmendes Geklingel“) steht für die Ursache (den Bogen bzw. dessen Einsturz). 22 Dass Alberti für den mit corrupto vocabulo beschriebenen Prozess ein paläographischer Hintergrund vorschwebt, eine wie auch immer geartete Verschreibung von Tinn zu Ir, ist auszuschließen. 23 Die Göttin Iris kennt Lukian nur in De sacrificiis 30, 8 und Dialogi Marini 78, 9. In beiden Fällen spielt Juno keine Rolle. Der Regenbogen Iris dient in De domo 11 als Vergleichspunkt für die Federn des Pfaus (wieder ohne Bezug zu Juno). Mehr Interesse verdient Verae Historiae 2, 33, wo Lukian eine Stadtmauer hinsichtlich Größe und Buntheit mit dem Regenbogen vergleicht. Wie beim smaragdenen Regenbogen, der sich in Johannesapokalypse 4, 3 über Gottes Thronsaal erhebt (Smith 2004, 174), sind die Berührungen jedoch zu partiell. 24 Homer, oft in lateinischer Übersetzung gelesen, verfügte damals nicht über Vergils Prestige (Buck 1976, 159-166; Vogt-Spira 2002). 25 Wilson-Okamura 2010, 103; Buck 1976, 166-176; Grendler 1989, 235-250; Kallendorf 1989, 130, 138-142. <?page no="33"?> Der Bogen der Juno 25 tika des Momus haben wir daher als Elemente einer gezielten Aeneis- Rezeption zu veranschlagen. So knüpft an Vergil sicher Albertis Figur der Juno an, die hier wie dort dem Protagonisten als unerbittliche Kontrahentin entgegentritt. 26 Selbiges gilt für die auffallend prominenten Positionen, die den subalternen Gottheiten Fama und Aeolus (samt den ihm unterstehenden Winden und Neptun als ihrem Bändiger) im Geschehensverlauf des Momus zufallen. 27 Und selbst eine so fundamentale Kategorie wie der übergeordnete ,auktoriale Erzähler‘ folgt der Aeneis. 28 Doch konzentrieren wir uns auf Junos Bauwerk. Die gleichnamige Himmelsbotin Iris verdankt Vergil (neben kleineren Erwähnungen) drei große Auftritte in der Aeneis. 29 Am Ende des vierten Buches weilt sie im afrikanischen Karthago, um Dido von ihren Todesqualen zu erlösen (4, 693-705): Tum Juno omnipotens longum miserata dolorem 693 difficilisque obitus Irim demisit Olympo […]. ergo Iris croceis per caelum roscida pennis 700 mille trahens varios adverso sole colores devolat et supra caput astitit. „hunc ego Diti sacrum iussa fero teque isto corpore solvo“: sic ait et dextra crinem secat […]. Da hatte die allmächtige Juno Mitleid mit Didos langem, schmerzensreichem Sterben und sandte Iris vom Olymp […]. Von Tau benetzt flog sie durch den Himmel mit safrangelben Flügeln, vor der Sonne tausend verschiedene Farben nach sich ziehend, und kam über Didos Haupt zu stehen. Iris sagte „Wie befohlen, bringe ich dieses Weihgeschenk dem Dis und erlöse dich aus deinem Körper“ und schnitt mit der Rechten eine Locke ab. Im fünften Buch treffen wir Iris weiter nördlich auf Sizilien wieder, wo sie die Trojanerinnen zum Anstecken der eigenen Flotte verleitet (5, 605-658): Dum variis tumulo referunt sollemnia ludis, 605 Irim de caelo misit Saturnia Iuno Iliacam ad classem […]. illa viam celerans per mille coloribus arcum 609 nulli visa cito decurrit tramite virgo. […] 610 cum dea se paribus per caelum sustulit alis 657 ingentemque fuga secuit sub nubibus arcum. 26 Auftritte, Funktionen und Charakter der Juno in Vergils Aeneis beleuchtet Della Corte 1984. 27 Zu Fama Verg. Aen. 4, 173-197 bzw. Momus 1, 74-94; 2, 4-5; 2, 25; 4, 73 (fehlt in der Motivgeschichte von Hardie 2012); zur Aeolus-Sequenz Verg. Aen. 1, 50-156 bzw. Momus 1, 52; 2, 104; 4, 71-80; 4, 87-88 (vgl. Boschetto 1993, 26-27 mit Anm. 56). 28 Lukian bevorzugt ,homodiegetische‘ Ich-Erzähler (Whitmarsh 2004, 465). Einen Eindruck von den zahlreichen Aeneis-Reminiszenzen in Albertis Momus vermittelt die (unvollständige) Liste bei Cardini 2005, 453-454 (Eugenia Antonucci). 29 Fasce 1987; zur Göttin Iris allgemein Deissmann-Kossatz 1990, 741-742; Lücke / Lücke 1999, 491-495. <?page no="34"?> Hartmut Wulfram 26 Während Anchises’ Grab mit diversen Spielen feierliche Ehre zuteil wurde, schickte Saturns Tochter Juno Iris vom Himmel zur Flotte der Trojaner […]. Die Jungfrau eilte auf einem Bogen von tausend Farben herab und wurde bei ihrem schnellen Flug von niemandem gesehen. […] da schwang sich die Göttin mit beiden Flügeln gleichmäßig in den Himmel und zeichnete bei ihrer Flucht einen gigantischen Bogen unter die Wolken. Noch weiter nördlich, in Latium, drängt Iris schließlich zu Anfang des neunten Buches den Rutuler Turnus dazu, den Krieg gegen die trojanischen Invasoren zu beginnen (9, 1-24): Atque ea diversa penitus dum parte geruntur, 1 Irim de caelo misit Saturnia Iuno audacem ad Turnum […]. ad quem sic roseo Thaumantias ore locuta est: […] 5 dixit et in caelum paribus se sustulit alis 14 ingentemque fuga secuit sub nubibus arcum. agnovit iuvenis duplicisque ad sidera palmas sustulit ac tali fugientem est voce secutus: „Iri, decus caeli, quis te mihi nubibus actam detulit in terras? […]“ […] 19 multa deos orans oneravitque aethera votis. 24 Während sich dies ganz woanders ereignete, schickte Saturns Tochter Juno Iris vom Himmel zum kühnen Turnus […]. Mit rosigem Mund sagte Thaumantias zu ihm das Folgende: […] nach diesen Worten schwang sie sich mit beiden Flügeln gleichmäßig in den Himmel und zeichnete bei ihrer Flucht einen gigantischen Bogen unter die Wolken. Der Jüngling erkannte sie, hob beide Hände zu den Sternen und rief der Fliehenden nach: „Iris, Schmuck des Himmels, wer hat dich, von Wolken geleitet, zu mir auf die Erde gesandt? […]“ […] inständig betete er zu den Göttern und beschwerte den Äther mit Votiven. An allen drei Stellen agiert Iris exklusiv im Auftrage Junos, 30 die sie vom Himmel herab auf die Erde schickt, eine räumliche Überbrückung, die durch Ausdrücke wie demisit Olympo (4, 694) oder de caelo misit (5, 606; 9, 2) vergegenwärtigt wird. 31 Auf diese Weise kann jeweils, bevor Iris eindeutig in anthropomorpher Gestalt erscheint, die Vorstellung ihres gleichnamigen Natursymbols, eben des Regenbogens, koexistieren, der zugleich als Zeichen göttlicher Epiphanie fungiert (anschaulich das Nebeneinander in Abb. 1). 32 In zwei der drei Episoden wiederholt sich die Überlagerung in umgekehrter 30 Zugespitzt gesagt wurde Iris, in der Ilias noch bevorzugt Zeus zu Diensten (vgl. Verg. Aen. 9, 803-804), erst durch die Aeneis zu Junos ,Angestellter‘. Im Fahrwasser Vergils nennt sie Ovid nuntia Junonis (met. 1, 270). 31 Außerdem devolat (Verg. Aen. 4, 702) und decurrit (ebd. 5, 610). 32 Ähnliche mythische Doppelwesen, die zwischen empirisch-natürlicher und göttlichanthropomorpher Erscheinung changieren, sind Flüsse und Quellen, z.B. der Tiber in Verg. Aen. 8, 26-101 oder Arethusa und Alpheus in Ov. met. 5, 572-641. <?page no="35"?> Der Bogen der Juno 27 Richtung, wenn die Kurierin in den Äther hinaufsteigt, per/ in caelum se sustulit (5, 657; 9, 14; 9, 17) (in Abb. 1 dürfte der Doppelregenbogen, ein optisch bisweilen auftretendes Phänomen, darauf Bezug nehmen). Durch die sehr ähnliche, z.T. identische Wortwahl schweißt Vergil seine Iris-Trias eng zusammen und spiegelt die Mechanik des Naturvorgangs. Servius’ spätantiker Vergilkommentar, der auch in der Renaissance die Lektüre des Klassikers regelmäßig begleitete, 33 wägt einmal beide Aspekte der Iris gegeneinander ab: die Göttin und den von ihr zurückgelegten Weg, den sie - ähnlich den Kondensstreifen eines Düsenjets - kurzfristig markiert (Nulli visa ad ipsum retulit numen: nam arcus semper videtur: quem non Irim, sed viam Iridis dixit; Serv. Aen. 5, 610). Aufgrund der besonderen Bewandtnis, die es im Momus mit dem Regenbogen hat, verzichtet Alberti (in einem Werk, in dem es sonst nur so von überlieferten und hinzuerfundenen Gottheiten wimmelt) auf die homonyme Götterbotin. Dass ungeachtet dessen die albertinische Iris vor der Folie der drei vorgestellten Vergilpassagen zu lesen ist, 34 bestätigt eine Fülle an Korrespondenzen, die weit über die bloße Verbindung zu Juno hinausgehen. Da die Intertextualität zur dritten Episode, die die beiden früheren idealerweise voraussetzt, der Begegnung von Iris und Turnus (Aen. 9, 1-24), am dichtesten ist, soll sie im Zentrum unserer Analyse stehen. Erst jetzt, zu Anfang des neunten Buches (eine markante Platzierung! ), ist Italien das Ziel der Botin und damit zugleich der Endpunkt des von ihr geschlagenen Bogens, jenes Land also, das auch die irdischen Anteile der Momus-Geschichte primär beheimatet (Momus 1, 26). 35 Wenn Vergils Himmelskönigin ihre Iris herabsendet (Aen. 9, 2), so unterbricht dies die bisherige Aeneas-Handlung (9, 1), und sorgt für einen plötzlichen Schauplatzwechsel. Analoges ereignet sich bei Alberti, als der unvermutete Lärm, den Junos Bauarbeiten verursachen, Jupiters Tischgesellschaft aus Herkules’ Haus aufscheucht (Momus 2, 100). 36 In der Vorhalle des Himmels erstarren dann die Ausgeflogenen (zumal die Architekten, Maler und Bildhauer unter ihnen) in großer Bewunderung, (in grandem inciderint admirationem; ebd.). Dieser Affekt lässt sich ebenfalls aus Vergil ableiten, denn Iris wird in Aeneis 9, 5 mit dem Patronymikon Thaumantias bezeichnet, „die von Thaumas Abstammende“. Neben der genealogischen Etymologie liefert Servius eine weitere, die auf Wirkung beruht: Iris trage den Beinamen Thaumantias aufgrund der Bewunderung, griechisch , die ihre Farben beim Betrachter auslösten (thaumantias secundum poeticam Thaumantis filia. Ceterum ex admiratione hoc nomen accepit, 33 Wilson-Okamura 2010, 31-33; Wulfram 2010, 3-6. 34 Andere, ihrerseits auf der Aeneis fußende Stellen wie Ov. met. 11, 583-591; 11, 629-632 oder 14, 829-846 treten allenfalls sekundär hinzu. 35 Selbst wenn Jupiter die Platonische Akademie besucht (Momus 3, 12), denkt Alberti an Florenz (Kallendorf 1989, 130). 36 Das verstärkende repens in Momus 2, 100 korrespondiert mit celerans und cito in Verg. Aen. 5, 609-610. <?page no="36"?> Hartmut Wulfram 28 quae admiratio de eius coloribus nascitur; Serv. Aen. 9, 5). 37 Exakt die ,irisierende‘ Farbenpracht ist es denn auch, die Albertis Olympier an dem erblickten Wunderwerk begeistert (omni colorum varietate ornatissimo; Momus 2, 100). Vergil begnügt sich in Aeneis 9, 18 mit der ,Prädikation‘ decus caeli, „Schmuck des Himmels“, 38 weil bereits seine beiden früheren Irisepisoden „die tausend Farben des Regenbogens“ (mille varios colores; Aen. 4, 701; 5, 609) eingehend beschrieben hatten. Das zweite Element, das im Momus den Göttern Respekt abverlangt, die hypertrophen Ausmaße des Baus (maximo arcu triumphali; 2, 100), betont Vergil in Aeneis 9, 15. Abbildend verteilen sich das einschlägige Attribut ingentem, „gewaltig“, und das Bezugswort arcum auf die Versränder. Der Ausdruck fuga secuit deutet im selben Hexameter polysemantisch die flüchtige Natur der kühnen Statik an (vgl. fugientem in Aen. 9, 17; fuga secuit in 5, 658). Mit der Monumentalität des Bogens hängt bei Alberti der horrende Lärm zusammen, den Errichtung und Einsturz hervorrufen. Vergil kann mit seinem schwerelosen Gebilde aus Wassertropfen und Sonnenlicht 39 nichts Vergleichbares bieten, doch fehlt auch bei ihm das akustische Moment nicht völlig, da Iris in direkter Rede das Wort ergreift (Aen. 9, 6-13). 40 Die materielle Genese der junonischen Architektur scheint der Humanist gleichwohl aus der Aeneis herausgesponnen zu haben. Nach der Begegnung mit Iris betet Turnus nämlich inbrünstig zu den Göttern und verspricht ihnen dabei zahlreiche Opfergaben. Die von Vergil verwendete Junktur oneravit aethera votis bedeutet wörtlich verstanden so viel wie „er belastete den Himmel mit Votivgaben“ (9, 24). 41 Im Kern fassen wir damit Albertis Idee, dass die auf Erden dargebrachten Votive physisch bzw. metaphysisch in die Gefilde der Götter gelangen. Unter anderen Vorzeichen war ein ähnlicher Transfer bereits am Ende von Buch 4 erfolgt, wo Iris ankündigt, Dis, dem buchstäblich „reichen“ Herrn der Unterwelt, 42 eine Locke Didos überbringen zu wollen (Aen. 4, 702-703). Von Dis Hades führt ein direkter Weg zu Juno, seiner Schwester, denn als Göttin des Reichtums gewinnt sie in Giovanni Boccaccios Genealogia deorum gentilium Profil, einer mythologischen, nicht zuletzt Vergil und seine 37 Für Boccaccio (der uns noch beschäftigen wird) fallen beide Etymologien explizit in eins: Yris, quam Taumantis fuisse filiam voluere, id est admirationis, eo quod sit coloribus et apparitione mirabilis („Iris hielt man für die Tochter des Thaumas, d.h. der Bewunderung, weil sie durch ihre Farben und das plötzliche Erscheinen bewundernswert sei“; Genealogia deorum gentilium 9, 1, 14). 38 Albertis Juno legt gegenüber Jupiter dar, sie benötige die goldenen Votive ad aedium nostrarum ornamentum („zur Ausschmückung meines Hauses“; 2, 30). 39 Vgl. die physikalische Erläuterung in Serv. Aen. 4, 700-701. 40 Iris’ Stimme ,ertönt‘ auch in Verg. Aen. 4, 703-704 und 5, 623-640. 41 „‚And burdened the sky with vows‘, i.e. promises of weighty offerings contingent on success (or perhaps just ‚with prayers‘)“ (Hardie 1994, 73-74). 42 Hades wird bekanntlich auch im Griechischen mit Plutos, dem Gott des Reichtums, identifiziert (Lücke / Lücke 1999, 309-310, 312-314). Borsi 2007, 546 belegt Albertis Vertrautheit mit dieser Vorstellung. <?page no="37"?> Der Bogen der Juno 29 Exegeten (Servius, Fulgentius, Macrobius u.a.) ausschreibenden Enzyklopädie, die Alberti nachweislich im Momus verwertet hat. 43 Mit diesem Zuständigkeitsbereich 44 verknüpft Boccaccio auch Junos Vertraute Iris, die nun der Menschheit dank ihres Bogens die Vergänglichkeit aller irdischen Güter vor Augen führt (Gen. deor. 9, 1, 9; 9, 1, 15): 45 Reginam et deam regnorum atque divitiarum insuper dixere Iunonem […]. Hanc [sc. Yrim] enim Iunoni, divitiarum dee, ideo attribuunt, ut per eius picturatam variis coloribus curvaturam opum ornamenta designent, que quidem fulgore suo admiranda sunt, sic descendentia ut ascendunt, et uti hec tam pulchra repente dissolvitur, sic et divitum splendores in momento resolvuntur in nichilum. Juno nannten sie außerdem Königin und Göttin der Königreiche und Reichtümer […]. Iris ordneten sie deshalb Juno, der Göttin des Reichtums, zu, damit sie durch ihren mit verschiedenen Farben verzierten Bogen den Schmuck des Reichtums symbolisiert. Dieser erheischt durch sein Funkeln Bewunderung, auf absteigender wie auf aufsteigender Bahn. Doch wie der so schöne Regenbogen plötzlich verschwindet, so zerfällt auch der Glanz der Reichen in einem Augenblick zu Nichts. Im Momus verschieben sich die Verhältnisse insofern, als es dort die Himmelskönigin selbst ist, die sich durch die goldenen Votive der Menschen bereichert. Weil ihr Triumphbogen den erworbenen Besitz geltungssüchtig zur Schau stellt (tantarum impensarum opus; 2, 101), und so Anspruch auf ,Heiligkeit‘ 46 erhebt, bringt Juno nicht wenige ihrer Mitgötter vor und nach dessen Einsturz gegen sich auf (2, 100; 2, 102-103; 2, 105 etc.). Mit soziologischer Begrifflichkeit könnte man von ostentativem und zugleich provokantem Konsum sprechen. Konzeptionell liefert jedoch wieder Servius den Hintergrund, wenn er ad locos erläutert, dass Iris gleich bedeute, sprich „Streit“; niemals werde sie zur Versöhnung ausgeschickt, sondern immer nur um Zwietracht zu sähen („Irim“ Iris quasi dicta est: numquam enim ad conciliationem mittitur […], sed ad disturbationem; Serv. Aen. 9, 2; vgl. Serv. Aen. 5, 606). 47 Dass der Dichter selbst diesen aggressiven Charakterzug der Götterbotin gar nicht erwähnt, ist für Alberti nebensächlich, vermag Vergil doch aus rezeptionsästhetischer Perspektive mit der (faktisch nicht selten im selben Codex präsenten) Vergilphilologie zu verschmelzen. Da beide auf ihre Art zu antiquarischer Gelehrsamkeit neigen, darf offenbleiben, wen der 43 Padoan 1984, 514-516; Cardini 2005, 507-508 (Elisabetta Tortelli). Auf die Genealogia geht im Momus etwa die kuriose Aufspaltung von Pallas Minerva in zwei Gottheiten zurück (Knight / Brown 2003, 381 Anm. 3). 44 Lücke / Lücke 1999, 358-359. 45 Text nach Zaccaria 1998. 46 „Kolossalität ist, wie die Beispiele und Bestimmungen lehren, ein Mittel bei der optischen Konstruktion des ,Heiligen‘ […] ebenso […] Kostbarkeit“ (Cancik 2003, 238). 47 Boccaccio verschränkt über Servius hinausgehend Streit und Reichtum: Voluntque eam ,Yrim‘ dici, quasi ,erim‘, quod ,certamen‘ est, eo quod propter divitias multa oriantur certamina („man will, dass sie ,Iris‘, gewissermaßen ,eris‘ genannt wird, was ,Streit‘ bedeutet, weil wegen Reichtümern viele Streitigkeiten entstünden“; Gen. deor. 9, 1, 16). <?page no="38"?> Hartmut Wulfram 30 Satiriker mit seiner hanebüchenen Tinnis-Iris-Etymologie zuvorderst aufs Korn nimmt. 48 Zum Abschluss unserer Untersuchung gilt es noch einmal das ganze Werk in den Blick zu nehmen, d.h. die qualitative Sonderrolle herauszustreichen, die der Aeneis im intertextuellen Gefüge des Momus zufällt: Während die Prosaerzähler Lukian und Apuleius - und wohl auch Senecas Apocolocyntosis - als Vorbilder für die satirische Sprechhaltung dienten, verfügte allein der augusteische Epiker Vergil über die erhabene Stilhöhe, das poetologische Prestige, um wirkungsvoll demontiert werden zu können und als Gegenstand von Parodie für Heiterkeit zu sorgen. 49 Dass die Leser des Momus lachen sollten, schärft das umfangreiche Proömium mehrfach unmissverständlich ein, u.a. im vertrackten Schlusspassus (pr. 9): Ceterum cum nos per otium legeris et tibi inter legendum res ex desiderio meo, tua pro expectatione successerit, totiens congratulabimur, quotiens incideris, ut rideas. Et utinam tam saepe eveniat, ut sales et inventorum formas admireris, quam non interraro dabitur, ut rideas iocos et comitatem, quibus tota haec historia refertissima est. Ergo lege, vel maxime ut ipsum te recrees, proxime ut faveas et studiis et lucubrationibus nostris volens ac lubens. Wenn du mein Buch in deiner Freizeit liest und deine Lektüre gemäß meinem Wunsch und deiner Erwartung verläuft, darf ich mich beglückwünschen, sooft du in Lachen ausbrichst. Mögest du so oft Geist und Gestalt der Erfindungen bewundern, wie du über Spott und Witz lachen wirst, von denen diese ganze Geschichte voll ist. Lies also, in erster Linie zu deiner Unterhaltung, in zweiter, um meiner Nachtarbeit deine Sympathie zu bezeugen. Die pikareske Erzählung, zu deren vergnüglicher Lektüre eingeladen wird, entfaltet freilich häufig einen bitteren Humor, der - ähnlich wie bei Lukian - ein demokritisches Lachen auslöst, das einigen Lesern unserer Tage im Halse steckengeblieben ist. 50 Angesichts der komischen Wirkungsabsicht (und der Eigentümlichkeit dieser Komik) wüsste man gern den Namen des im Proömium direkt angesprochenen, anonym bleibenden Fürsten, dem Alberti das Werk gewidmet hat bzw. widmen wollte. Bei diesem impliziten humoristischen Gesinnungsgenossen hat man zurecht an Leonello d’Este gedacht, den humanistisch gebildeten, im Oktober 1450 überraschend verstorbenen 48 Alberti kannte vermutlich weitere Pseudoetymologien für Iris, z.B. […] („vom Verb ,irin‘, ,Reden‘, weil sie ein Botin war“; Plat. Krat. 408b) oder dicitur iris quasi aeris, id est quod per aera ad terras descendat („sie wird ,Iris‘ gewissermaßen ,der Luft [ zugehörig ] ‘ genannt, weil sie durch die Lüfte zur Erde herabsteigt“; Isid. orig. 13, 10, 1). „Alexandrian footnotes“ finden sich über die Aeneis verstreut, z.B. schon in Aen. 1, 109-110 (Hardie 2012, 4, 8, 110-111; Suerbaum 1999, 324-328). 49 „Der komische Effekt der Parodie ist umso stärker, je größer die Fallhöhe gegenüber der Vorlage ist“ (Weidhase / Kauffmann 2007). 50 „Momus is not funny. It is, perhaps, Alberti’s most desperately serious and deeply religious work“ (Smith 2004, 169); zum weiteren Humorbegriff Albertis Marsh 2000, 405, 418-419; Knight / Brown 2003, xix-xx; Geier 2006, 144-177; Richert 2009, 11-13, 41-43, 76-77, 135-136, 148-149. <?page no="39"?> Der Bogen der Juno 31 Markgrafen von Ferrara. 51 Leonello, gesicherter Adressat mehrerer anderer Werke Albertis, 52 kannte nicht nur Vergil sehr gut, durch seinen Lehrer Guarino Veronese dürfte er obendrein mit lukianischen Schriften, zumindest in Übersetzung, vertraut gewesen sein. 53 Besondere Beachtung verdient ein biographisches Detail: Während Alberti seinen Momus verfasste, hat er Leonello beim Bau eines Memorialbogens für dessen Vater Niccolò III. d’Este († 1441) beraten, den Arco del Cavallo, der noch heute vor dem Palazzo Municipale in Ferrara zu besichtigen ist (Abb. 2). 54 Da sich dieses Denkmal hinsichtlich Größe und Dekor vergleichsweise bescheiden ausnimmt, durfte der mutmaßliche Primäradressat doppelt lachen, wenn er von Junos einstürzendem Koloss erfuhr. Wie Albertis Proömium weiter einschärft, will der Momus - gemäß den horazischen Formeln prodesse et delectare (nach Hor. ars 333-334, 343) und ridentem dicere verum (sat. 1, 1, 24) - Unterhaltung mit Nutzen verbinden. Die auftretenden Götter seien weder theologisch gemeint noch schwebten sie im luftleeren Raum; das antike Pantheon stehe vielmehr ,anthropologisch‘ für die verschiedenen Antriebskräfte und Facetten, die das menschliche Dasein bestimmen - und ausbalanciert gehören (Nam veteres quidem scriptores ita philosophari solitos animadverti, ut deorum nominibus eas animi vires intelligi voluerint, quibus in hanc aut in alteram institutorum partem agamur; pr. 6). Aus der im Anschluss vom Erzähler vorzuführenden Negativfolie (quasi per ironiam; pr. 7), könne der Adressat lernen, wie ein idealer Fürst beschaffen zu sein habe und welche Ränke seine Höflinge schmiedeten (ut his quatuor libris, ni me laboris mei amor decipit, cum nonnulla comperias, quae ad optimum principem formandum spectent, tum etiam non paucissima sese offerant, quae ad dinoscendos mores pertinent eorum, qui principem sectantur; pr. 7). Albertis Satire Momus übt also erklärtermaßen (und auch darin grundsätzlich Lukian folgend) 55 eine allgemeine Gesellschaftskritik, die ohne direkte Bezüge auf zeitgenössische Individuen oder Begebenheiten auskommt, deren Dechiffrierung für das Verständnis notwendig wäre. Dennoch hat man vom Quattrocento an bis heute immer wieder neue Identifikationen nach dem Mechanismus von ,Schlüsselromanen‘ (romans à clef) vorgenommen. 56 So verlockend solche (Re-)Konstruktionen aus historischer Perspektive auch erscheinen mögen, sie scheitern allesamt daran, dass keine Glei- 51 Rinaldi 2002, 118-125; Marsh 1998, 127; zu Leonellos Persönlichkeit Brunelli 1993; Markmann 2000. 52 Philodoxeus (ca. 1424), Theogenius (1442), De equo animante (1445). Den Ludi matematici (1451) entnehmen wir, dass Leonello bei längerem Leben auch De re aedificatoria gewidmet worden wäre (Wulfram 2001, 13-15). 53 Marsh 1998, 7-8, 13-14, 16-17, 21-30; Wulfram 2012, 105, 107-113. 54 Syndikus 1996, 74-77; Fémelat 2010. 55 Von Möllendorff 2010, 60-66. 56 Knight / Brown 2003, vii, xxii-xxiii; Furlan / D’Alessandro 2007, xxix-xxxi. <?page no="40"?> Hartmut Wulfram 32 chung über Einzelaspekte hinaus aufgehen will. 57 Wir haben ein autonomes Kunstwerk vor uns, einen geistreichen jeu d’esprit, der seine hohe literarische Qualität nicht zuletzt aus dem virtuosen Umgang mit antiken Prätexten gewinnt. Auch der Bogen der Juno dürfte daher nicht ein bestimmtes Bauwerk karikieren, 58 sondern jedwede Form protziger Triumphalarchitektur, wie sie - allein zum weltlichen Ruhm des Herrschers, nicht zur Verherrlichung Gottes - in der überwiegend monokratischen Staatenwelt des damaligen Italiens um sich griff, ob für die Ewigkeit in Stein errichtet, aus temporären Materialien für Festumzüge oder nur gemalt. Doch selbst wenn die Statik Stand hielt, in den Augen eines Ästheten, wie ihn zeitgleich Albertis Architekturtraktat De re aedificatoria ausbildete, zerstob ein solcher Turm zu Babel in jedem Fall zu Staub. 59 Literatur Baumbach, Manuel, Lukian in Deutschland: Eine forschungs- und rezeptionsgeschichtliche Analyse vom Humanismus bis zur Gegenwart, München 2002. Berdozzo, Fabio, Götter, Mythen, Philosophen: Lukian und die paganen Göttervorstellungen seiner Zeit, Berlin / New York 2011. Billerbeck, Margarethe / Zubler, Christian, Das Lob der Fliege von Lukian bis L. B. 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Mich erfreut, was geistreiche Erfindung zu Schönheit und Anmut beiträgt“; De re aedificatoria 9, 4; zitiert nach Orlandi 1966, II, 803). Im Rahmen seiner rhetorischen ornamenta-Lehre, die über die gesellschaftliche Funktion der Gebäude und die Würde der Hausherren Auskunft gibt, gebührt der höchste Aufwand den öffentlichen Sakralbauten (Wulfram 2001, 266-295); zur „paradossale corrispondenza fra Momus e De re aedificatoria“ (Garin 1975, 153), die nicht überstrapaziert werden sollte, Cassani 2010. <?page no="41"?> Der Bogen der Juno 33 Boschetto, Luca, „Ricerche sul Theogenius e sul Momus di Leon Battista Alberti“, Rinascimento 33, 1993, 3-52. Brunelli, Giampiero, „Este Leonello (Lionello) d’“, in: Dizionario Biografico degli Italiani 43, 1993, 374-380. Buck, August, Die Rezeption der Antike in den romanischen Literaturen der Renaissance, Berlin 1976. 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CCCXIX v [i.e. CCCXXIX v] (Detail) Abb. 2: Ferrara, Palazzo Municipale, rechts das (ehemals frei- oder wenigstens alleinstehende) Reiterstandbild für Niccolò III. d’Este, Arco del Cavallo, 1443-1451 (Photo C. Syndikus) <?page no="45"?> Jacqueline Glomski Science Fiction in the Seventeenth Century The Neo-Latin Somnium and Its Relationship with the Vernacular The first two modern science fiction stories were written in Latin: Somnium seu opus ... de astronomia lunari of the celebrated astronomer Johannes Kepler originated as a dissertation that Kepler wrote as a student at Tübingen in 1593, 1 and Somnium sive peregrinatio caelestis of the Leuven philosopher Libert Froidmont was published as the result of an academic exercise in 1616. In between the appearance of these two works and that of the Itinerarium exstaticum of Athanasius Kircher (1656), the infant genre of science fiction crossed over, with Francis Godwin’s story The Man in the Moone (1638), into the vernacular; there, it developed at a rapid pace, at the pens of such authors as Cyrano de Bergerac and Gabriel Daniel. Works in the vernacular became more successful and more numerous, but certain literary elements, as found in the somnium satyricum and utopia, bound together the Latin and vernacular stories. So, even though no direct influence of a Neo-Latin work upon a vernacular can be proved, early modern science fiction was yet indebted to the classical tradition as interpreted through humanist, Latin conventions. 2 Without science there can be no science fiction, and it is precisely the element of scientific speculation that makes the somnia of Kepler and Froidmont, as well as the writings of their successors, modern, even though their seventeenth-century authors did not have a concept of the genre we now label ‘science fiction’. 3 In these stories, intellectuals attempted to interpret and publicize new findings and theories in an entertaining format for a wide but learned audience. Their writings were informed by the controversy over Copernicanism and by the philosophical and religious questions prompted 1 Nicolson 1948, 41; Lear / Frueh Kirkwood 1965, 19-21; Menzel 1975, 898; Guthke 2003, 180; Roberts 2006, 42. 2 I agree here with Nicolson 1948, 14. Cressy 2006, 963 mentions that early modern stories about trips to the Moon were ‘shaped by traditions of literary satire, from Lucian to Ariosto, by way of More’s Utopia’, but does not go into detail on the specific role of Neo-Latin literature in the development of science fiction. 3 Nicolson 1948, 21-22; Suvin 1979, viii; Bozzetto 1990, 370-71. Pierce 1987, 5-7 gives the accepted definition of science fiction as literature written in response to scientific and technical revolution and the sustained social change brought about by it, but he also comments that ‘the first speculative and imaginative works to appear during the Renaissance and Enlightenment don’t look much like science fiction’. <?page no="46"?> Jacqueline Glomski 38 by voyages of exploration and colonization. Narratives of trips into the cosmos served as a platform for their authors to discuss provocative issues in a way that allowed potentially dangerous suppositions or satire to be read as a fable. 4 These stories also demonstrate that fiction, by providing means of visualizing the physical world that were beyond the technological capabilities of Western civilization at the time, played an essential role in scientific speculation. 5 Still, as modern as this fiction might have been, it was influenced to a great extent by classical literature. The basis of the Neo-Latin science fiction of the seventeenth century lies in the crossing of the somnium, as exemplified by Cicero’s Somnium Scipionis, which tells the story of a cosmic vision within the framework of a dream, with the voyage extraordinaire, the model for which is found in Lucian’s Verae historiae, which narrates a trip to the Moon. The amalgamation of these two genres results in a story of an extraterrestrial journey within the frame of a dream. In the Neo-Latin cosmic somnium the figure of the guide is transformed into a fictional character (whereas Cicero used the historic figure of the Roman general and politician Scipio Africanus), portrayed as an adept who leads his naïve traveller on the journey, protecting him from physical harm in space, piquing his curiosity by calling his attention to the various cosmic bodies as they come into view, and answering his questions. The guide, just as he directs the course of the voyage, controls the conversation, allowing himself the liberty to drift off into philosophical/ speculative digressions. The humorous elements of the cosmic somnium are concerned with expressing ‘correct’ learning and lampooning ‘false’ learning - characteristic of classical satire - and derive from Lucian. Like Lucian’s works, the cosmic somnium relies on dialogue and admits digression. But whereas Lucian’s texts mock discursive knowledge and question the ability of philosophy to offer truth about the world, the cosmic somnium relates a voyage into space as a quest for knowledge in which the narrator actually gains true knowledge and ends his story in an enlightened state. Johannes Kepler’s Somnium seu opus ... de astronomia lunari began as a dissertation on lunar astronomy composed by Kepler while he was still a student at Tübingen; it was completed only in 1609, while he held the post of Imperial Mathematician at Prague. 6 Kepler enlarged the manuscript by adding footnotes in the early 1620s, but the work was not published until 1634, after his death. While at court, he had become involved in long conversations concerning his ideas regarding the patterns of light and shadows appearing on the lunar surface, and the Emperor’s ecclesiastical advisor, Johann Wacker, whose hobby was astronomy, encouraged him to publish his views. Kepler began to circulate the manuscript of his story, which eventual- 4 Cressy 2006, 967, 978. 5 Aït-Touati 2011, 8, 23, 72, 73. 6 For the Latin text of Somnium, see Bialas / Grössing 1993. <?page no="47"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 39 ly reached his home duchy of Württemberg. Because of his mother’s arrest and imprisonment for witchcraft on account of perceived autobiographical references in the book, Kepler wrote footnotes to explain the astronomy behind what he considered an amusing story and to defend himself against detractors. 7 Kepler’s story is a series of embedded narratives, a structure typical of the Baroque novel. 8 The outermost narrative shell relates the dream of an unnamed narrator, which has been provoked by his reading a story about the legendary Bohemian ruler Libussa and by his own observations of the Moon and stars. The dream centres on a book in which the second narrator, called Duracotus, relates his autobiography (his life being vaguely reminiscent of Kepler’s own). After spending time in Europe working with the famous Danish astronomer Tycho Brahe, Duracotus returns to his home country of Iceland, where he learns from his mother, a witch named Fiolxhilde, about Daemons that travel between the Earth and the Moon. The mother calls down one of these spirits, who, as the third narrator, begins a monologue addressed to her and her son, in which he details how a voyage to the Moon can be made during a solar eclipse, when the cone of the Moon’s shadow touches the Earth and serves as a path. The Daemon goes on to describe the geography of the Moon and its reptilian inhabitants: those living on the Privolvan side (turned away from the Earth) have no fixed abode but roam over that hemisphere, crawling into caves or submerging themselves underwater, while those on the Subvolvan side (turned towards the Earth) dwell in towns but need to shut themselves up in caves during the day to avoid the scorching sun. Kepler’s Somnium is thus a mixture of fact and fantasy, but mainly provides the details of lunar astronomy: a description of the surface of the Moon, the relations of the Moon to the Earth, the motion of the Moon through space, its revolution on its axis. 9 In the Somnium, Kepler wanted to demonstrate the correctness of Copernican theory, his point being that if a human being could stand on the Moon, he or she would see clearly that the Earth revolved around the Sun. 10 The role of fiction in the Somnium was to illustrate the ‘scientific paradigm’, creating a new method of perceiving what had been hitherto imperceptible. 11 So, through visualizing in fiction an experiment that could not be performed on Earth, Kepler turned a fable into a sort of thought-experiment: this was the novelty of his text. 12 7 The history of the development of Kepler’s text and its eventual printing is given by Lear / Frueh Kirkwood 1965, by Rosen 2003, and by Christianson 1976, 87. 8 Grande 2002, 102. 9 Bezzola Lambert 2002, 69-71; Roberts 2006, 42-44. 10 Kepler, Somnium, footnote 96. 11 Kepler, Somnium, footnotes 96, 105, 116, 135. Bozzetto 1990, 372. 12 Aït-Touati 2011, 27. See also Chen-Morris 2005, 225, 242. <?page no="48"?> Jacqueline Glomski 40 The fictional device that Kepler constructed to give himself the freedom ‘to invent even that which was never perceived’ was based on humanistic study. 13 In his footnotes Kepler mentioned his reading of Cicero’s Somnium Scipionis, of Lucian’s Verae historiae, and of Plutarch’s De facie in orbe lunae - he had translated Plutarch’s text from Greek into Latin and appended it to the Somnium - and the influence of these classical works on his own formulation of a ‘highly daring tale’ that nevertheless would offer ‘some intimations concerning the nature of the universe’. 14 Traditionally, Cicero’s dream had been the model of a fable that would communicate truth, but for Kepler, it may have been Plutarch’s De facie that made the link between the discussion of the physical world and fiction since in Plutarch’s text truth is ascertained through speculative myths that go beyond the normal means of sense perception. 15 In Kepler’s text, while the Daemon from Levania serves as the guide of Duracotus and Fiolxhilde, they themselves do not actually make the journey to the Moon. And since, after their initial request to relate how the voyage is made, they question the Daemon no further, a dialogue is only implied and digressions are formed mostly by Kepler’s footnotes. The humour of the story emerges in the allegorical evocations of magic that are used to disturb the perceptions of the ‘spectators who feel sure of themselves’. 16 To his mixing of classical sources, Kepler added reminiscences of medieval, northern European folk stories - the Voyage of St Brendan the Navigator and St Patrick’s Purgatory - which add colour to the narrative and corporality to the character of the hero. 17 Finally, Kepler enhanced his story with an allegorical dimension, again recalling medieval literary traditions: allegory was deemed characteristic of the genre of the somnium in the commentary of Macrobius to Cicero’s Somnium Scipionis. 18 The hero of the dream, Duracotus, represented science; Duracotus’s mother, the witch Fiolxhilde, symbolized the ignorance from which science could arise; his father was reason, which brings science out of ignorance; the Daemon that appeared to Duracotus and Fiolxhilde was to represent astronomy. 19 13 Kepler, Somnium, footnote 116. On Kepler as a humanist, see Grafton 1992. 14 For Kepler’s sources, see Somnium, footnote 2, where he describes Lucian’s story as audacissim[a] fabul[a], quae tamen aliquid de totius universi natura innuebat (‘a highly daring tale, which nevertheless offered some intimations concerning the nature of the entire universe’). For the English translation of Somnium, see Rosen 1967. 15 Ducos 1984, 12; Chen-Morris 2005, 225; Aït-Touati 2011, 22-23, 44. 16 Kepler, Somnium, footnote 56, and notes in Rosen 1967, 64; see also Kepler’s footnotes 38, 41, 47; on Kepler’s use of humour and of magic, see Pantin 2007, 118, 126-127 and Maus de Rolley 2011, 528-537. 17 The folklore came from a collection that Kepler had found bound together with Rollenhagen’s translation of Lucian into German. See Kepler, Somnium, footnote 2, and notes in Rosen 1967, 34-35. 18 Aït-Touati 2011, 21. See Macrobius 1. 3. 10-11. 19 The father remained unnamed in Kepler’s story because ignorance cannot know the identity of reason. Duracotus was not able to write his story until after his mother’s <?page no="49"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 41 At the same time as the early version of Kepler’s Somnium was circulating in manuscript, Libert Froidmont, a professor at the University of Leuven, published his own Somnium. Appearing in 1616, Froidmont’s Somnium was sympathetic to Copernican theory and revealed its author’s enthusiasm for observational science and recent astronomical discoveries. Three years later, though, in his De cometa, Froidmont would voice his support for the system of Tycho Brahe, which was essentially geocentric. By the time he published his Meteorologicum libri sex in 1627, he strongly opposed Copernicus. Froidmont then abandoned his scientific pursuits and took up theology, receiving a doctorate in this subject and becoming a disciple of Cornelius Jansen, the Leuven theologian who attempted to revive a particular, pietistic version of St Augustine’s teaching. Froidmont would have been all but forgotten, perhaps, except for his arguments over Copernicanism with the Dutch Protestant pastor Philipp Lansbergen and his medical doctor son Jacob. In his Anti-Aristarchus of 1631 and his Vesta of 1634, Froidmont denounced the heliocentric theory by uniting issues of natural philosophy and biblical exegesis into a single line of criticism. Galileo himself stated that, of all the opponents of Copernican theory, Froidmont seemed the most sensible and capable. 20 Froidmont published his Somnium, which he wrote as an entertainment for his students, as an appendix to a collection of short dissertations, entitled Saturnalitiae caenae, composed for an academic festival of disputation. 21 Although Froidmont was familiar with Kepler’s work, we can presume that he had not seen a manuscript copy of Kepler’s Somnium. His own somnium, as he states at the beginning of his story, was inspired by reading that of Petrus Nannius, another Leuven professor, who had composed a short story as a preface to his lectures on the second book of Lucretius in 1542 in order to persuade his students to continue their study of this difficult Roman author. 22 In Nannius’s somnium, the narrator falls into a dream while troubling over the lack of a good edition of Lucretius. His soul is released from his body and he is whirled into space. He meets up with Pegasus, the winged death because not until ignorance has been dispelled can science reveal the causes of natural things. The name daemon Kepler says was derived from the Greek verb daiein, ‘to know’. See Kepler, Somnium, footnotes 3, 4, 10, 14, and 34; and notes in Rosen 1967, 35, 50; Bezzola Lambert 2002, 81-85. 20 On Froidmont’s life and works, see Bernès 1988, 7-8; Redondi 1988, 87-91; Delsaerdt 1998, 27-44; Howell 2002, 147, 154-163. The source of Galileo’s remark is his letter to Elia Diodati as quoted by Redondi 1988, 96-97. 21 For the text of Froidmont’s Somnium, see Froidmont 1616. This would be reprinted at Leuven in 1665. Monchamp 1892, 35 states that this festival, the ‘Saturnalia’, was held near St Lucy’s day (13 December). Froidmont would have been presiding in December 1615. 22 Sacré 1994, 80, 83. Nannius’s somnium was first published in 1611, at Leuven, by Erycius Puteanus, who gave it the title Somnium. <?page no="50"?> Jacqueline Glomski 42 horse of classical mythology, who flies him to the mundus Apollonis Musagetae, one of the worlds of Democritus, where he finds Lucretius. In Froidmont’s somnium, the narrator falls asleep while reading Nannius, and like Nannius, meets up with Pegasus. Then, together with a spirit whom he calls genius, Froidmont, as the narrator, is carried on a voyage through the heavens. There is only a thin plot, based on the narrator’s desire to return safely to Earth at the end of the voyage, unscathed by the flames shooting out from stellar objects. The dialogue is interspersed with a meagre firstperson narration of the voyage and some description of what Froidmont sees in space. Aside from his expressions of wonder at the beauty of the cosmos, Froidmont’s conversation with the genius centres on contemporary issues in astronomy - the chemical make-up of the cosmos, the motion of heavenly bodies, and whether or not there is life on the Moon and the planets. Froidmont rejects the Aristotelian doctrine of the elements and mocks the Ptolemaic system of spheres and epicycles. He mentions the observations of Galileo and Kepler, and comments that the heliocentric doctrine of Copernicus is widely accepted. As for inhabitants on other planets, he suspects that they exist, citing the biblical example of Elijah and Enoch having been taken by God up into the heavens in just the way he has been able to travel now on Pegasus. 23 The story is one of a quest for knowledge of the cosmos, provoked, as Froidmont states in his preface, by his love of astronomy and by his marvelling at things observed by him and others through the telescope. 24 For example, Galileo has discovered Saturn to be triple-bodied and Kepler has claimed that the southern part of the Moon is covered with mountains from which water flows into the lakes of the north. 25 But Froidmont accompanied his desire for the promotion of the new astronomy with a sharp criticism of those who refused to accept these discoveries and taunted them in his preface for refusing to believe things seen with their own eyes; 26 likewise, in the text of the story, the tone of the genius is often mocking when he corrects the narrator’s erroneous beliefs. 27 23 See Monchamp 1892, 38-44 for a detailed analysis of the scientific concepts presented by Froidmont. 24 Froidmont 1616, a2 r . 25 Froidmont 1616, a2 r . Froidmont quotes from Kepler’s Dioptrice (1611) 12, 15-16, where Kepler states his conviction that the southern parts of the Moon are covered with mountains and the northern parts are full of lakes (Froidmont disagrees with Kepler as far as the northern regions are concerned); and Froidmont refers to Kepler’s (inaccurate) quotation of Galileo’s letter to Giuliano de’ Medici, where Galileo relates his surprise when he sees through his telescope that Saturn is not ‘one star’ but three together. 26 Froidmont 1616, a3 v . 27 See Monchamp 1892, 39. <?page no="51"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 43 Froidmont’s Somnium follows the tradition of the humanist somnium as practised at the University of Leuven. Like his model Nannius, 28 Froidmont favours a late-Latin vocabulary and exhibits a certain Lucianic humour; for example, at the end of the story, when the horse Pegasus feels the urge to urinate, there is a worry that he will extinguish a star. Furthermore, Froidmont’s Somnium exhibits traces of the somnium satyricum - a witty dream harangue popularized, according to Ingrid De Smet, by the Leuven scholar Justus Lipsius, who crossed the classical somnium with Menippean satire. 29 Froidmont exploits the dream-framework as a literary device, not just a form of entertainment but a ‘smoke screen’ that could protect the author who wished to vent his irritation with the ‘vices’ of his contemporaries. 30 Athanasius Kircher published his Itinerarium exstaticum at Rome, where he was attached to the Jesuit College, in 1656, when he was already well known for his encyclopaedic works. 31 Having denounced in print the theories of Copernicus and Kepler some fifteen years earlier (in his Magnes, 1641), Kircher had refused to write more on cosmology. It is not known exactly why he changed his mind, but the Itinerarium was dedicated to Queen Christina of Sweden, who had recently given up her throne and converted to Catholicism, and Kircher’s book can be seen as part of the Jesuit campaign to introduce her to the Roman intellectual scene and win her over. The book was ready, having passed through the Jesuit censors, just in time for Christina’s entry into the Vatican in November 1655. 32 In Kircher’s Itinerarium, the main character, Theodidactus, falls asleep after a rapturous evening concert at the Jesuit College and dreams that he is lying in a verdant meadow, where he is visited by an angel, Cosmiel, who offers to escort him through the secret recesses of the heavens. Theodidactus accepts and is taken up into the sky folded in the wings of the angel to begin a voyage to the Moon and to each of the planets, and then out to the stars. The account of the journey is told as a combination of formal dialogue, with 28 Nannius himself was influenced by the Somnium of Juan Luis Vives (1520-1521). Sacré 1994, 89-92; De Smet 1996, 98-100. 29 Lipsius, Satyra Menippaea: Somnium (Antwerp, 1581). Lipsius was following in the footsteps of Vives and Nannius. Shortly after Lipsius, Erycius Puteanus would publish his Comus: Somnium (Leuven, 1608). See De Smet 1996, 90, 100. De Smet 1996, 43 notes that Froidmont supplied a commentary for the third edition of Lipsius’s text of Seneca’s satire Apocolocyntosis (1632). At this point and further on, I rely on the definition of the somnium satyricum as given by De Smet 1996, 87-116. 30 De Smet 1996, 112, 115. See also Sacré 1994, 80-82. 31 For the text see Kircher 1656. Itinerarii exstatici dialogus II, which follows, leaves off the narrative and consists of an essay in dialogue form, considering such theoretical topics as the creation and magnitude of the universe, and the order, placement, and distance of the heavenly bodies. Kircher’s text was enlarged into a cosmological treatise by his disciple Kaspar Schott, who republished it as Iter extaticum coeleste in Würzburg in 1660 (reprinted in 1671). Somewhat similar to Kircher’s Itinerarium is Valentin Stansel’s Uranophilus (Ghent 1685), which is discussed by Ziller Camenietzki 2004, 311-328. 32 Rowland 2004, 192; Siebert 2006, 18-21, 39. <?page no="52"?> Jacqueline Glomski 44 explicit speaking parts for both characters (punctuated by digressions, with Cosmiel discussing Kircher’s cosmological theories and Theodidactus turning to ecstatic prayer and meditation), and first person narration and description from the point of view of Theodidactus. Kircher took as his starting point Tycho’s system of the universe that was the official Jesuit cosmology, 33 while he rejected blatantly the theories of the ancient philosophers in favour of the observations of contemporary astronomers. 34 In addition, he toyed with heresy by borrowing ideas from Giordano Bruno and Nicholas of Cusa so that Itinerarium exstaticum became blatantly anti-Aristotelian, and therefore anti-Thomist. 35 But, Kircher hesitated: as a Jesuit and subject to the censorship of the Order’s officials, Kircher could not support the Copernican system in his publications, even if he might have done so in private. 36 Kircher’s somnium is a completely Baroque work: his style is florid, his paragraphs laced with Counter-Reformation expressions of piety and mysticism. 37 His narrative, placed in the framework of a dream, blurs the perception of reality and reduces the author’s responsibility for the heterodoxy found in the text. In his preface to the reader, Kircher wrote that his book was an effort to address recent astronomical discoveries and that, citing Lucian as a model, he had composed it to be enjoyable. 38 Like Kepler, Kircher meant his work to be an allegory, and like Froidmont, he carped at philosophers who clung to Aristotelianism. The relationship between Theodidactus, the neophyte, and Cosmiel, his adept guide, is humorous; consequently, Itinerarium recalls the somnium satyricum through its biting humour and heterodox viewpoint. While the authors of the Neo-Latin somnia focussed on astronomical issues, the seventeenth-century authors of vernacular science fiction inserted philosophical and religious considerations into stories that peripherally 33 Kircher also relied on the work of Jesuit scientists, particularly the work of Christoph Scheiner and Giambattista Riccioli. Ziller Camenietzki 1995, 7; Siebert 2006, 17. 34 Kircher relied on Galileo’s discoveries of the Moon’s surface, the four Moons of Jupiter, the phases of Venus, and their orbit around the Sun, as well as the tri-bodied shape of Saturn, the rings of which had not yet been identified. The descriptions of moonscape were probably inspired by Hevelius’s maps of the Moon. Kircher also drew on Christoph Scheiner’s observations of sunspots. Siebert 2002, 187. 35 Ironically, when the Itinerarium was reviewed by the Jesuit censors, it was criticized for its proposition of an infinite universe, which was seen as stemming from Copernicanism. Rowland 2004, 191, 196-198; Ziller Camenietzki 1995, 10, 22; Ziller Camenietzki 2004, 318. 36 Rowland 2004, 191. 37 Rowland 2000, 77 notes that Cosmiel is addressed by Theodidactus in the tones of the Biblical Song of Songs. Rowland 2004, 193 states that Theodidactus’s descriptions of the heavens may have had their source in Loyola’s Spiritual Exercises. Kircher was also apparently inspired by mystical, Solomonic, and apocryphal literature: the works of Teresa of Ávila and John of the Cross; the Psalms, Ecclesiastes and Ecclesiasticus; and the Book of Enoch. 38 Kircher 1656, 5-6. <?page no="53"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 45 involved scientific and technological speculation. However, in spite of the shift in emphasis of ideas, the vernacular stories of trips into the cosmos can be connected to their Neo-Latin counterparts through the features of Cicero’s somnium and Lucian’s voyage extraordinaire that they interpret in a way similar to the Neo-Latin somnia - especially the figure of the guide, the accommodation of digression, and the use of humour. And, because of their emphasis on philosophical and religious issues, the vernacular stories, in their projections of ideal societies and criticism of contemporary ‘evils’, are related to the Neo-Latin genre of utopia. Often compared to Kepler’s Somnium, but actually relying little on the classical, humanist tradition, is Francis Godwin’s The Man in the Moone. 39 Like Kepler’s story, Godwin’s was rooted in the Lucianic tradition: Godwin’s voyage exhibits humour and contains philosophical digressions. Also like Kepler, Godwin inserted reminiscences of a medieval folktale - here, the two green children of Woolpit. 40 And, both Kepler and Godwin relate the adventures of a hero first, before launching into the episode of the voyage to the Moon. In The Man in the Moone, a nobleman from Seville, Domingo Gonsales, serves as a soldier, and, after a considerable number of adventures, ends up as a castaway on the island of St Helena, where he experiments with methods of signalling and sending messages by means of wild swans; he eventually yokes the birds together to have himself carried into the air. Ultimately, he finds himself on the Moon, a paradise of vegetation and the home of long-lived giants who are Christians and who dwell in harmony and peace. However, unlike Kepler, Godwin used no dream-framework; he produced, rather, a generic hybrid, with a nod toward the Spanish picaresque, but inspired mostly by contemporary international travel literature and by Robert Burton’s Anatomy of Melancholy (third edition, 1628). 41 In any case, Godwin could not have known Kepler’s Somnium, even in manuscript form. As bishop of Hereford he was domiciled on the Welsh border and had no contact with any of Kepler’s English correspondents; also, he died before Kepler’s Somnium came out in print. He composed his Man in the Moone sometime after 1628, but it was not published until 1638, five years after his death. 42 Godwin’s Man in the Moone, although expressing an interest in astronomy - accepting the diurnal motion of the Earth but not supporting heliocentrism - as well as expressing interests in the magnetic properties of the Earth 39 For the text, see Poole 2009. 40 As related in William of Newburgh’s twelfth-century chronicle and referred to by Wil- liam Camden, Godwin’s friend and fellow antiquary, in his Britannia. Poole 2005, 200. 41 Poole 2005, 189, 197. 42 Poole 2005, 191, 195-197, 202-203. Poole notes that Burton repeatedly cited Kepler’s Dissertatio cum Nuncio Sidereo (1610) throughout his editions, and so could have known Kepler’s theory second hand. Poole also gives a convincing argument for dating the composition of The Man in the Moone after 1628. See also McColley 1937, vii-xiv. <?page no="54"?> Jacqueline Glomski 46 and the technology of signalling, 43 has more of a utopian than a scientific slant. Godwin’s aim is different from Kepler’s: Kepler uses a visit to the Moon to demonstrate the truth of Copernicanism; Godwin uses the voyage to examine an ideal society. 44 On the whole, Godwin’s combination of scientific conjecture with the dogma of evangelical religion results in a utopian fantasy that is grounded in Christian morality and directed at the questions of sin and salvation. Godwin’s novel embraces the desire for longevity and for alleviation of the fear of death, for minimal necessity for labour, and for good government. It is presumed that Godwin knew Thomas More’s book; even if Godwin’s evangelical approach differed from the Catholic philosophy of More and even if Godwin did not produce a full-blown utopia (his text contains no proposal or programme for the reorganization of society), the marks of the Neo-Latin genre are present in The Man in the Moone. 45 Undoubtedly, though, Continental cosmic fiction parallels more closely the Neo-Latin. The popularity of the somnium satyricum as practised by Justus Lipsius and by other Neo-Latin authors in the Low Countries spread, early in the seventeenth century, to France, Spain, and Italy, where it influenced vernacular trends. Lipsius’s somnium, for example, inspired Francisco de Quevedo in the writing of his famous satirical Sueños. And, hints of the somnium satyricum can be found in the French genre of the histoire comique, especially in Sorel’s Histoire comique de Francion. 46 Two writers of French vernacular science fiction, Savinien Cyrano de Bergerac and Gabriel Daniel, although not employing the dream-framework per se, incorporated features reminiscent of those found in the somnium satyricum into their versions of the voyage extraordinaire. In Savinien Cyrano de Bergerac’s Histoire comique contenant les États et Empires de la lune, 47 the narrator, after a serious debate with his friends on the nature of the Moon and then a night spent reading Girolamo Cardano’s De subtilitate rerum, is in a feverish state and under the influence of dreams when he embarks on his adventures. 48 Having used a magic dew to raise himself into space, he lands first in Québec and, then, propelled by fireworks in a flying machine of his own design, on the Moon, where, after being ejected from the garden of paradise, he is quickly introduced to his guide, the ‘demon of Socrates’, an embodiment of the inner oracle that first appeared in Plato’s Apology. Cyrano’s novel becomes grotesquely humorous and satirical 43 Godwin, The Man in the Moone, 90-91. Poole 2009, 38-40, 43 summarizes the astronomical background to the story. 44 Hutton 2005, 4-5, 8. Hutton notes that the utopian element present in the lunar episode invites comparisons between the other societies which Gonsales visits. 45 Lawton 1931, 41; Dick 1980, 20-23; Roberts 2006, 30; Cressy 2006, 962-963, 965, 969, 973. 46 De Smet 1996, 90, 105-107, 115; Gómez Trueba 1999, 88, 267-268. 47 For the text, see Alcover 2004. The manuscript of the book was entitled: L’Autre Monde ou Les États et Empires de la Lune. Composed sometime before 1650, it did not appear in print until 1657, two years after Cyrano’s death. 48 De Smet 1996, 106-107; Darmon 2004, 181-182, 186. <?page no="55"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 47 of French society, as the narrator-hero comes across the lunar inhabitants, who are described as man-beasts reminiscent of satyrs (and who believe the narrator to be the female of the species of the queen’s pet animal, which turns out to be none other than Domingo Gonsales, the hero of Godwin’s novel). 49 Cyrano’s hero participates in various digressive, philosophical discussions, the coherence of which is sometimes difficult to follow, before he is at last returned to the Earth by the devil. 50 If Cyrano’s choice of the voyage extraordinaire originated in his reading of Lucian, 51 his use of the figure of the guide, who serves as the protagonist’s mentor, corresponds to that of the somnium satyricum: it lessens the liability of the satirist. 52 Moreover, the court case in États et Empires de la lune, where the protagonist is tried by the lunarians for being a threat to their official ideology (for the crime of daring to say that the world of the lunar inhabitants was merely the Moon of the world from which he came) resembles the mock-trials of the somnium satyricum; and his meeting with Elijah and Enoch echoes the conversations with figures from antiquity that occur in the somnium satyricum. 53 Additionally, États et Empires de la lune contains utopian elements, found in the author’s expression of his contempt for the habits of his contemporaries, especially in his harangues against authoritarianism and warfare, and in his radical theories and ideas, such as his materialism, atheism, and libertinism. 54 The end-of-century Voyage du monde de Descartes (1690), written by the French Jesuit Gabriel Daniel, known mainly for his monumental history of France (first edition, 1713), concerns a young scholar who is in search of knowledge of the theories of Descartes. 55 He meets an old, unnamed man who informs him that Descartes is not dead, that his soul has merely become separated from his body and that it has now settled out in the cosmos, in a place where Descartes is building a world based on his own principles. The old man assures the narrator that it is possible to visit Descartes and to witness the functioning of his world by means of inhaling the vapours of a tobacco mixture that will free one’s soul to travel into space. So, the young man sets off with his older guide, who invites the spirit of Father Marin 49 Scholars presume that Cyrano added the episode of the meeting with Gonsales after his own work was fairly fully formed. A translation of Godwin’s novel into French was published in 1648. See Lawton 1931, 46-50. 50 On generic instability, and the philosophical debates and scientific ideas found in États et Empires de la lune, see Moreau 2004 and Moreau 2007, 302-17. 51 Robinson 1979, 136; Bury 2004. 52 De Smet 1996, 109. 53 These two motifs are also found in Lucian’s works. Both Robinson 1979, 135-136 and Bury 2004, 238, 242 admit the difficulty in determining whether Cyrano’s adaptations of Lucian were direct or via a Renaissance source. 54 See Alcover 2004, clxix-ccii. 55 For the text, I rely on the more widely available Daniel 1691. Studies on Voyage du monde de Descartes are Heyndels 1976-1977 and Sabol 2002, 122-160. <?page no="56"?> Jacqueline Glomski 48 Mersenne, a mathematician and life-long friend of Descartes, to join them. On the way to the world of Descartes, the three men stop off on the Moon, where they meet Socrates, Plato, and Aristotle, as well as some contemporary anti-Cartesians. 56 Daniel’s novel, being a satire on the work of Descartes, and specifically a refutation of his vortex theory, is academic in nature and harks back not only to Lucian’s dialogues of the dead, especially as interpreted by Fontenelle and Boileau, but also to the somnia of Nannius and Lipsius, which feature a satire of intellectuals and intellectual procedures. 57 Like Cyrano’s novel, Daniel’s story is not constructed within a dream-framework per se, but the narrator, having breathed vapours to separate his soul from his body - in a fictional enactment of Cartesian theory 58 - travels in a dream-like state. Also in similar fashion to the somnium satyricum, the protagonist of Daniel’s Voyage is led by a guide, who here becomes unreliable since he is an advocate of the philosophy that Daniel wishes to debunk. While on the Moon, Daniel’s hero meets the philosophers of classical antiquity, and Daniel’s story abounds with dry, extended dialogues and monologues that degenerate into an uneventful conclusion. Although there is no court scene here, the theories of Descartes are held up for scrutiny by contemporary philosophers. Certainly, Daniel’s Voyage recalls Francis Godwin’s The Man in the Moone of the 1620s: Daniel’s preoccupation with exposing Cartesian ideas to the scrutiny of religious orthodoxy indicates that even at the end of the seventeenth century the religious anxieties engendered by Copernicus’s revolution still haunted scientific speculation. 59 Thus, the classical tradition as construed in Neo-Latin writing provided a structure for the early modern science fiction story. From the early sixteenth century, Neo-Latin writers at Leuven mixed classical satire with the dreamframework, with Lipsius inexorably linking the generic characteristics of Menippean satire to dream literature in his Somnium of 1581. 60 Kepler, Froidmont, and Kircher, prompted by the controversy over Copernicanism, gave the Neo-Latin somnium a cosmic setting. The availability of travellers’ tales - the result of voyages of exploration and colonization - and allied forms of imaginative literature, especially the utopia, increased the variety of literary elements and presented vernacular writers with a whole range of ideas that could contribute to the creation of an imaginary voyage into space. 61 56 Daniel (1691, 101-102) refers to Cyrano’s novel, calling it the product of a ‘corrupted imagination’. 57 Robinson 1979, 144-148. 58 Sabol 2002, 136-138. 59 Roberts 2006, 39, 60. 60 De Smet 1996, 91, 97. See above, notes 29 and 30. 61 I thank my audiences at the Renaissance Society of America Annual Meeting (2010), European History 1500-1800 Seminar (Institute of Historical Research, University of London, 2011), 14 th Freiburg Neo-Latin Symposium (2012), as well as Daniel Anders- <?page no="57"?> Science Fiction in the Seventeenth Century 49 References Aït-Touati, Frédérique, Fictions of the Cosmos: Science and Literature in the Seventeenth Century, Chicago 2011. Alcover, Madeleine (ed.), Cyrano de Bergerac: Les États et Empires de la Lune et du Soleil, Paris 2004. Bernès, Anne-Catherine (ed.), Libert Froidmont et les Resistances aux Revolutions Scientifiques, Haccourt 1988. Bezzola Lambert, Ladina, Imagining the Unimaginable: The Poetics of Early Modern Astronomy, Amsterdam 2002. Bialas, Volker / Grössing, Helmuth (eds.), Somnium seu opus posthumum de astronomia lunari, in: id. 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Endet ein satirischer Roman in der Tradition der petronischen Satyricon libri mit einem solchen panegyrischen Hymnus, so vermag dies zu erstaunen. 1 Auf Vorbilder kann hierbei der Autor, der in Frankreich geborene und aufgewachsene Schotte John Barclay, in seinem 1607 in zweiter Auflage erschienenen Werk, das gegenüber der Erstausgabe von 1605 um ein Buch erweitert wurde, im antiken Roman nicht zurückblicken. Nun war es in der Frühen Neuzeit nicht ungewöhnlich, dass Werke mit einem Herrscherlob versehen wurden, um die Patronage durch einen Fürsten zu erlangen. Man wird im Falle des in London ansässigen Barclay auch schnell an König Jakob I. denken, der sich als eifriger Förderer der Literatur inszenierte, und vermuten, Barclay habe an sein Werk lediglich lose ein politisch versöhnliches Ende angefügt, um damit das Wohlwollen der Obrigkeit zu gewinnen. Pragmatische Erwägungen dürften auch bei Barclay durchaus von Bedeutung gewesen sein, denn er konnte hiermit sein Bestreben unterstützen, unter den Schutz des englischen Königs zu gelangen, an dessen Hof er sich in diesen Jahren zu etablieren versuchte. 2 Derartige äußere Entstehungsbedingungen bedeuten jedoch für die inhaltliche Kohärenz eines literarischen Werkes, insbesondere wenn es darauf abzielt, gesellschaftliche und politische Missstände anzuprangern, eine ganz besondere Herausforderung. Die folgende Analyse des abschließenden Gedichts und seiner Einordnung in den Handlungsgang des Romans sollen aufzeigen, dass es sich hierbei um weit mehr als ein aufgesetztes, obligatorisches Herrscherlob handelt und dass Barclay es bestens geschafft hat, persönliches Streben um die Gunst des englischen Königs und literarischen Anspruch miteinander in Einklang zu bringen. 1 Unter dem Titel Satyrica entstand eine Vielzahl literarischer Werke (vgl. IJsewijn / Sacré 1990-1998, II, 74), dennoch dürfte die Herkunft des Begriffes von Petron stets im Bewusstsein von Autoren und Rezipienten geblieben sein (vgl. Becker 1903, 37; De Smet 1996, 64-65). Der Rückbezug auf dieses antike Werk zeigt sich in der frühneuzeitlichen Theoriebildung zur Menippeischen Satire beispielsweise bei Casaubon (vgl. De Smet 1996, 48). 2 Vgl. Walsh 1970, 239. Zur Literaturpatronage unter Jakob I. vgl. Parry 2002, 128-129. Für hilfreiche Hinweise danke ich Dr. John West, Exeter. <?page no="64"?> Jochen Schultheiß 56 Der Beginn der Romanhandlung Da Anfang und Schluss des Werkes in einer Fernbeziehung zueinander stehen und den Rahmen bilden, innerhalb dessen der Handlungsablauf des Romans motiviert wird, soll zunächst der Beginn des Werkes näher betrachtet werden. Der Roman wird mit einer Selbstpräsentation des Ich-Erzählers Euphormio eröffnet, in der er das als utopischen Idealstaat gezeichnete Lusinien als seine Heimat darstellt (1, 1; S. 4): 3 Si nomen a me quaeris, Euphormio sum; si patriam, Lusinia est: ubi nullae unquam nubes caelum asperant, nulla bruma segetes extinguit, nulli aestus adurunt: sed puro incorruptoque aëris tractu liquidi ac pellucidi fontes campos alluunt, patentesque hinc inde plagae, & amoena seu salubritate montium, seu planitierum aequabilitate regio, homines alit genio loci & fortuna sua dignos. Non illic in honore supellex curiosa, non gemmae, non imperium, non opes, non ea omnia quibus impotens hominum libido pretium fecit. Ut quisque ad virtutis studium maxime incensus est, ita promptissime veris suffragiis ad magistratum evectus, aemulos vitae omnes, neminem dignitatis accendit. Illinc ego devolutus in hunc terrarum orbem, o dolor! Wenn du mich nach meinem Namen fragst, ich bin Euphormio, wenn nach meinem Vaterland, so ist es Lusinien, wo keine Wolken jemals für einen rauen Himmel sorgen, keine Winterskälte die Saaten vernichtet, keine Sommerhitze sie versengt, sondern wo in einem reinen unverdorbenen Klima fließende und klare Quellen die Felder bespülen. Es dehnen sich hier und da die Flächen aus; es ist eine liebliche Gegend, sei es aufgrund der Heilsamkeit der Berge, sei es aufgrund der Gleichmäßigkeit der Ebenen. Sie nährt Menschen, die der besonderen Beschaffenheit des Ortes und ihres Glückes würdig sind. Dort stehen nicht raffiniert gearbeiteter Hausrat in Ehren, nicht Juwelen, nicht Herrschaft, nicht Reichtum, nicht all jene Dinge, denen die unbändige Lust der Menschen einen Wert gegeben hat. Je mehr jemand zum Streben nach Tugend entbrannt ist, desto schneller wird er durch wahrhaftige Abstimmungen zu einem Amt emporgehoben und treibt jeden zum Wetteifer in der Lebensführung, nicht in der Ehrenstellung an; von dort bin ich hinabgestürzt auf diesen Erdkreis - wie schmerzhaft! Hinter dem Namen Lusinia ist das griechische Wort vermutet worden. 4 Die dabei angenommene politische Bedeutung „Freiheit“ oder „Befreiung“ kann für den Terminus jedoch nicht belegt werden. 5 Bedenkt man den utopischen Charakter des Landes, erweist sich eine in der Forschungsliteratur bisher noch nicht vorgebrachte Rückführung auf die lateinische Wortfamilie 3 Der lateinische Text wird nach der Ausgabe von Fleming 1973 zitiert. Zu „Lusinia“ vgl. ebd. 370. IJsewijn (in IJsewijn / Sacré 1990-1998, I, 131) spricht von „a kind of reversed Utopia“, ohne jedoch diese zutreffende Deutung weiter auszuführen. Nähere Anhaltspunkte, Lusinien mit Schottland, dem Herkunftsland der Familie Barclay, zu identifizieren, wie dies in Entschlüsselungsversuchen des 17. Jahrhunderts und der älteren Forschungsliteratur geschah (vgl. Collignon 1900, 504), fehlen gänzlich. 4 Vgl. Fleming 1973, 370. 5 Vgl. LSJ s.v. , 1066-1067. <?page no="65"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 57 um lusus, ludere, die die Vorstellung eines „Spiels“ im Sinne eines Gedankenexperiments wachruft, als viel treffender. 6 Lusinien erscheint so als ein der Wirklichkeit enthobenes, imaginäres Land. Zunächst steht seine natürliche Beschaffenheit im Blickpunkt: Ein gemäßigtes Klima und förderliche geographische Bedingungen machen Lusinien zu einer fruchtbaren Region. Diese natürliche Gegebenheit ist Voraussetzung für den guten moralischen Zustand der Bevölkerung, der ein Streben nach äußerlichen Gütern wie Schmuck, übertriebenem Hausrat, Macht oder Reichtum fremd ist. Es gilt dort in den politischen Ämtern das Leistungs- und Auswahlprinzip. Wer vom „Streben nach Tüchtigkeit“ (virtutis studium) angetrieben wird, erlangt in „wahrhaftigen Abstimmungen“ (vera suffragia) sein Amt. Es herrscht Wetteifer in Hinblick auf die richtige „Lebensweise“ (vita), nicht auf die Erlangung einer äußeren „Ehrenstellung“ (dignitas). In dieser Beschreibung wird bereits ex negativo ein satirischer Angriff des Autors auf die Welt seiner Gegenwart deutlich, wobei im Kontrast ein Land vorschwebt, in dem gegenteilige Verhältnisse herrschen. Mit diesem utopischen Moment am Anfang des Romans stellt Barclay sein Werk in einen intertextuellen Bezug zu der Tradition der literarischen Utopie, die auf antike Vorläufer zurückgeht und in der Renaissance schließlich von Thomas Morus als Gattung ihre Bezeichnung erhält. 7 Der Gesprächsteilnehmer Raphael Hythlodaeus prangert im 1. Buch der Utopia Missstände der zeitgenössischen Gesellschaft Englands an. Zu diesen gehört der Ehrgeiz, der sich in rücksichtslosen Bestrebungen, eine Stellung am Hof zu erlangen, zeige (S. 56). 8 Ferner führt er „Verschwendungssucht“ (luxuries, S. 68) an, die sich in Kleidung und Lebensweise offenbare. In Utopia hingegen seien Schmuck und luxuriöse Kleidung verpönt (S. 68), 9 der Haushalt werde überall in einheitlicher Weise und ohne prunkvolle Ausstattung geführt (S. 150-152). Das Streben nach Profit zieht sich als Leitmotiv durch das gesamte Werk. 10 Das Privateigentum wird von Hythlodaeus als Ursache der gegenwärtigen politischen Misere angeprangert. In Utopia hingegen komme die Gesellschaft ohne Geld aus (pecunia non utantur; S. 150), denn dort sei „alles Gemeinbesitz“ (illic omnia sunt communia, S. 100). 11 Ämterkauf sei verboten, Privilegien und Hinweg- 6 Vgl. ThLL 7, 2 s.v. lusus 1890, 64: lusus fit loquendo, scribendo, cogitando. Dass die Assoziation mit der Bedeutung „Spiel“ sowohl auf der Freiburger Tagung als auch im Würzburger Forschungskolloquium in der Zuhörerschaft unabhängig voneinander und spontan hergestellt wurde, möchte ich als weitere Bestätigung dieser Bedeutung anführen. Die Geläufigkeit der Derivate von ludo mit dem Element lus- (lusor, lusito u.ä.) ruft beim Hörer eine solche Herleitung unmittelbar hervor. 7 Nur vage Vermutungen über einen Bezug zur Utopia des Thomas Morus bei Fleming 1973, XXIII. Zur neulateinischen Utopia-Literatur vgl. IJsewijn / Sacré 1990-1998, II, 253-254. 8 Seitenzahlen nach der Ausgabe Surtz / Hexter 1965. 9 Vgl. S. 126, 132-134, 166-170. 10 Vgl. Davis 2010, 36. 11 Vgl. S. 102-106, 218, 238, 240-242 zum Thema des Gemeinbesitzes. <?page no="66"?> Jochen Schultheiß 58 setzung über Gesetze würden unterdrückt (S. 104). Die Wahl des Fürsten erfolge in „geheimen Abstimmungen“ (suffragiis occultis) und nach dem Leistungsprinzip. 12 Ausschlaggebendes Kriterium bei der Einschätzung von Personen sei ihr Verdienst, nicht ihr Besitz (S. 156-158, 238-240). Einer falschen Hochschätzung äußerer Güter zur Sicherung eines guten Lebens stünden die an epikureischen und stoischen Vorstellungen orientierten moralphilosophischen Konzeptionen in Utopia entgegen (S. 160-162). Dieser kurze Überblick über wichtige Punkte der Utopia macht deutlich, dass Barclay seine Darstellung Lusiniens auf das Bild des utopischen Staats stützt, wie es von Thomas Morus gezeichnet wird. Mit dem Kontrast zwischen dem Herkunftsland Lusinien und der auf das zeitgenössische Europa verweisenden Welt des Romans begründet Euphormio gleich zu Beginn (1, 1; S. 4-6) seinen Erzählerstandpunkt: 13 Derjenige, der Schmerzhaftes erst spät in seinem Leben wahrnehme, werde sich dessen stärker bewusst als derjenige, der es von Geburt an kenne. Der Sprecher stellt hiermit seine Perspektive als die eines Außenseiters dar, der dadurch, dass er in die Missstände der Welt nicht hineingeboren sei, sondern aus einer fremden Welt kommend sie erst als Erwachsener kennengelernt habe, über einen sensibilisierten Blick verfüge. Mit dieser besonderen Situation des Erzählers ist seine Hoffnung verbunden, zu seinem Ursprung zurückzukehren oder einen zumindest gleichwertigen Ersatz zu finden. Diese Erwartung wird auch vom Leser in Hinblick auf das Ende des Romans geteilt. Der Erzähler fördert eine solche Haltung, indem er sich gleich zu Beginn im Rückblick gegen seine Herren wendet, denen gegenüber er erklärt, ihnen jetzt nicht mehr untergeben zu sein. Sein liberalis animus sei nun ad originis ingenuae decora zurückgekehrt (1, 1; S. 4). Mit einer solchen Außenseiterperspektive reiht sich Euphormionis Lusisini Satyricon in eine Traditionslinie des Romans ein, die mit dem Eselroman begründet und im spanischen Schelmenroman fortgesetzt wird. 14 12 Der gesamte Satz (S. 122): Quem maxime censent utilem suffragijs occultis renunciant principem. Vgl. ferner S. 226. 13 Vgl. Fleming 1973, XVII: „Both elements - his primal innocence and his bitter disillusionment - are important to keep in mind as the story continues.“ 14 Vgl. Becker 1903, 39-40. Es ist seit Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung darauf aufmerksam gemacht worden, dass Barclays Satyricon Gemeinsamkeiten mit dem spanischen Picaro-Roman aufweist (vgl. Becker 1903, 34). Gemeinsam ist beiden neben der episodenhaften Erzählung eben der Blick aus der Perspektive des Außenseiters. Dies sind jedoch auch schon Elemente des lateinischen Romans der Antike. Zudem ist zu Recht auch auf die Unterschiede hingewiesen worden, so etwa das niedrige soziale Milieu, in dem die Handlung der iberischen Schelmenromane angesiedelt ist. Das kann für den Euphormio höchstens für das 1. Buch reklamiert werden. Ganz anders nimmt sich hiergegen die Welt der Bildungsinstitutionen und politischen Eliten im 2. Buch aus. Ferner weisen Collignon 1901, 3-4 und Fleming 1973, XXIV auf eine größere Kohärenz in der Handlungsstruktur hin, die das Satyricon von den pikaresken Romanen unterscheide. Collignon und Fleming geben zudem zu bedenken, dass sich die Gattung des spanischen Schelmenromans in diesen Jahren gerade erst entwickelt und <?page no="67"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 59 Bevor jedoch dieses Ende einer näheren Betrachtung unterzogen wird, soll auf ein Motiv hingewiesen werden, das ebenfalls eine Verbindung von Anfang und Schluss herstellt: der Phaëthon-Mythos. Diese Geschichte erfreut sich in der Renaissance großer Beliebtheit und wird in ganz besonderem Maße zur Versinnbildlichung des Wagemuts und der großen Gefahr, die von einer Fehleinschätzung von Wunsch und Realität ausgehen kann, herangezogen. Die Figur des Phaëthon ist bereits in Ovids Metamorphosen (1, 751-779; 2, 1-400) ambivalent. Wird er einerseits für seine Hybris bestraft, so erfährt er in dem für ihn verfassten Epitaph doch auch eine Würdigung dafür, dass er „Großes gewagt“ (magna ausa; 2, 328) habe. Eine dementsprechend divergierende Rezeption erfährt die Phaëthon-Figur dann auch in Mittelalter und Renaissance. 15 Der Mythos von Phaëthon wird bereits am Anfang des 1. Buches evoziert, wenn Euphormio davon spricht, wie er „hinabgewirbelt worden sei“ (devolutus sum). Ovid verwendet mit dem verbum simplex ein Wort aus derselben Familie (2, 319-321): At Phaëthon rutilos flamma populante capillos volvitur in praeceps longoque per aëra tractu fertur […]. Aber Phaëthon, dessen Haar die verheerende Flamme rötet, wird kopfüber hinabgewirbelt und stürzt in weitem Bogen durch die Luft [...]. 16 Bedenkt man den im Satyricon unmittelbar darauf im anschließenden Kapitel erfolgenden Selbstvergleich des Erzählers mit Phaëthon, so wird man auch bei devolutus bereits an diesen denken dürfen. Die Ankunft aus Lusinien wird somit mit dem Himmelssturz der mythologischen Figur verglichen. 17 Euphormios erste schmerzhafte Erfahrung mit der Welt, in der er angekommen ist, tritt ein, als er entgegen der Sitte in Lusinien nun in einem Wirtshaus für die Verköstigung zahlen soll, aber nicht kann, da er von Geld Barclay höchstens zwei dieser Romane gekannt haben könnte, den anonymen Lazarillo de Tormes (1554) sowie Guzmán de Alfarache von Mateo Alemán (1599), die auch in französischer Übersetzung vorlagen. Deshalb sind die Gemeinsamkeiten mit dem spanischen Schelmenroman eher auf die zugrunde liegenden gemeinsamen antiken Prätexte zurückzuführen, als dass eine direkte Rezeption der iberischen Romane durch Barclay angenommen werden müsste. Zum Einfluss des antiken Romans auf den iberischen Picaro-Roman vgl. Futre Pinheiro 1996. 15 Vgl. Nelting / von Ehrlich 2008. 16 Übersetzung nach von Albrecht 1994. 17 Das Verb devolvi zeigt zunächst im primären Sinn die Bewegung einer Sache oder Person - ein Herabfallen - an. Betrachtet man die Belege in ThLL 5, 1 s.v. devolvo, 869- 872, so ist jedoch die in den Bereich des Moralischen oder Psychologischen übertragene Verwendung des Begriffs deutlich besser belegt als die primäre, so dass ein Mitschwingen dieser Bedeutung bedacht werden muss. Unter dem Gesichtspunkt de moribus, mente - Sitten, Geisteshaltung - bedeutet es ein Herabfallen „zu den Lastern, der Verkehrtheit“ (ad vitia, depravationem), auch „zu den Fehlern, Irrlehren“ (ad errores, haereses). <?page no="68"?> Jochen Schultheiß 60 nicht einmal einen Begriff hat. Euphormio führt in einer Rede als Entschuldigung den Hinweis auf die unterschiedlichen mores in verschiedenen Ländern an. Hierin ist eine ironisierende Bezugnahme auf den zeitgenössischen Diskurs über den Charakter unterschiedlicher Völker zu sehen, an dem Barclay insbesondere mit seinem Icon animorum teilhat (1, 1; S. 8): Quod hic religiosum est, alibi profanum esse nihil prohibet. Nempe quaelibet regio non magis suo aere aut terminis, quam suis moribus definitur; neque aliquid peccavi, nisi existimatis omnes homines sub eodem caelo nasci debere. Was hier heilig ist, das kann andernorts ohne weiteres für unheilig gelten. Es wird doch wohl eine jede Gegend nicht mehr durch ihr Klima oder ihre Grenzen als durch ihre Sitten bestimmt; und ich habe überhaupt keinen Fehler begangen, es sei denn, ihr denkt, alle Menschen müssten unter demselben Himmel geboren werden. Mit dieser Argumentation, die mit ihrer Infragestellung der Tatsache, dass alle Menschen unter demselben Himmel geboren werden, für seine Zuhörer in keiner Weise nachvollziehbar ist, kann Euphormio nur auf Unverständnis und Gelächter stoßen. Der Wirt nimmt ihm statt Geld sein Kleid ab und meint ironisch, Euphormio solle nicht mit überflüssigem Ballast in seine Heimat zurückkehren. Diese Erfahrung mit der Welt jagt Euphormio einen eiskalten Schrecken ein. 18 Das innere Erlebnis des Erkaltens wird in Versform mit dem Sturz und Ableben Phaëthons verglichen (1, 2; S. 10): Sic ubi terra parens, Clymenaeo torrida partu, In Phaëthontaeam mittebat vota ruinam: Aspiciens iuvenis nebulas ignescere, Olympumque Errantem sensisse diem; ceu saxea moles Haesit, & ignipedi permisit fraena iugali: Non magis heu vivus, quam cum pia turba cadentem Condidit Eridano, tumulumque cacumine texit. So war es auch, als Mutter Erde, versengt durch den Spross Clymenes, Bitten sandte, Phaëthon möge zugrunde gehen, und der junge Mann sah, dass die Wolken Feuer fingen, dass der Olymp spürte, wie der Tag in Unordnung geriet. Wie eine Steinmasse erstarrte er und ließ dem feuerfüßigen Gespann die Zügel schießen: Er war, ach weh, nicht lebendiger als zu dem Zeitpunkt, als die liebende Schar den Gefallenen im Eridanus bestattete und den Grabhügel mit einer Kuppel abschloss. Der Erzähler vergleicht sich hier mit Phaëthon, macht zugleich aber auch eine Distanzierung zu diesem deutlich: Die Befürchtungen der Erde erscheinen als berechtigt. Das Gedicht ist somit aus der Perspektive des Erzählers aus dem Nachhinein gesprochen, der mithilfe des Phaëthon-Mythos seine schmerzhafte Konfrontation mit der Realität zum Ausdruck bringt. Barclay 18 1, 2; S. 10: Cohorrui ad haec dicta; & Gallico gelu frigidior metus etiam intimum calorem tentavit („Ich erschauderte bei diesen Worten, und eine Furcht, die kälter war als gallisches Eis, berührte die Wärme tief in meinem Inneren“). <?page no="69"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 61 verhehlt dabei seinen wichtigsten Referenztext nicht: Durch wörtliche Entlehnung - wie in den Metamorphosen werden die Pferde als ignipedes beschrieben (2, 392) - gibt er den Bezug auf die ovidische Vorlage zu erkennen. Abschließend lässt sich für den Beginn des Romans festhalten, dass er die Exposition bildet, in der Handlungsbogen und Erzählerperspektive ihre Grundlegung erfahren. Der anschließende Verlust der Freiheit, die Flucht vor dem Sklavenstand und die schlussendliche Wiedererlangung der Freiheit bilden in groben Zügen den Handlungszusammenhang des 1. Buches. Zu Beginn des zweiten Buches wird infolge der Bekanntschaft mit dem Gelehrten Themistius ein neuer Zielpunkt gesetzt: Scolimorhodia als idealer Staat, in dem Euphormio am Ende des Werkes dann auch angelangen wird. Das panegyrische Schlussgedicht Das 2. Buch schließt mit einem Panegyrikus auf König Tessaranactus von Scolimorhodia, der in seinem euphorischen Ton ganz in dem Duktus gehalten ist, der in der Frühen Neuzeit für Lobgedichte auf Herrscher gebräuchlich war. 19 Mit der Erweiterung um ein Buch findet Barclay einen neuen Endpunkt der Handlung, die am Ende des 1. Buches lediglich zur Befreiung des Protagonisten aus dem Sklavenstand geführt hat, in den er unmittelbar nach der Ankunft aus Lusinien geraten war. Mit der Anfügung des 2. Buches verstärkt Barclay gegenüber dem eher von Handlung in kürzeren Episoden geprägten 1. Buch das Element der politischen Satire. 20 Im Zuge dieser Erweiterung wird nun auch im Gegensatz zum Abschluss des 1. Buches ein dezidiert politischer Endpunkt gefunden. Für eine affirmative Haltung des schottischen Katholiken gegenüber dem Stuart-König Jakob I. steht sein Carmen Gratulatorium, das Barclay zu dessen Besteigung des englischen Throns 1603 verfasst. 21 Als Sohn des Juristen William Barclay, der in seiner Schrift De regno die Unverletzlichkeit der Einzelherrscher verteidigt und sich kontrovers gegen die sogenannten Monarchomachen gewandt hat, 22 erlangt John Barclay in London um 1606 ein Hofamt. Ferner verfasst Barclay panegyrische Gedichte in seinen Sylvae (1606), die ebenfalls Jakob und seinem Umfeld gewidmet sind. 23 Eine weitere literarische Legitimation monarchischer Herrschaft wird Barclay schließ- 19 Eine vergleichbare Einschätzung bei Collignon 1900, 524. Den Eindruck des heutigen Lesers, weniger den zeitgenössischen Geschmack spiegelt die Beurteilung der Inhalte des Gedichts als „exaggerated adulation“ (Fleming 1973, XX) wider. 20 Zuzustimmen ist den Beobachtungen Flemings 1973, XVIII-XIX. Unzutreffend ist sicherlich eine biographistische Deutung, wie sie Collignon 1900 vorlegt, nach der das erste Buch die Erlebnisse des Vaters William Barclay wiedergebe, das zweite die des Autors John Barclay. 21 Vgl. Becker 1903, 36, 68-69; Fleming 1973, XI. 22 Vgl. Becker 1903, 36. 23 Vgl. Fleming 1973, XII. <?page no="70"?> Jochen Schultheiß 62 lich in seinem zweiten Romanwerk, der Argenis, leisten. 24 Auch in Euphormionis Lusinini Satyricon zeigt sich Barclay trotz aller politischen Satire gegen die Jesuiten, gegen die Habsburger und den französischen Hof dem englischen König gegenüber loyal. 25 Bereits das 1. Buch ist Jakob I. gewidmet. In diesem Teil wird dem König auch in der mit ihm wohl zu identifizierenden Figur des Neptunus geschmeichelt. In der Vorrede zum 2. Buch gibt Euphormio nach der Widmung eine Deutung seines Umherirrens. Der Erzähler verweist hierbei auf das Ende seines Berichts (2, 1; S. 180): ecce iam in Scolimorhodiam perveni, regionem felicissimam, meaque Lusinia meliorem („Und siehe da, bald kam ich nach Scolimorhodia, eine sehr glückliche Gegend, die besser ist als mein Lusinien“). Unter wörtlicher Anspielung auf Lucans Nerolob gibt Euphormio seinem durchgestandenen Leid einen nachträglichen Sinn: hac mercede calamitas placet („Bei diesem Lohn gefällt das Unheil“). Hier bezieht sich Barclay unter leichter Abwandlung des Wortlauts, jedoch unverkennbar, auf Lucan 1, 37-38: scelera ipsa nefasque / hac mercede placent („Selbst Verbrechen und Frevel gefallen bei diesem Lohn“). Die historischen Ereignisse bei Lucan werden von Barclay durch persönliche Erlebnisse des Erzählers ersetzt: Wo es bei Lucan um scelera und nefas geht, die eine Rechtfertigung durch den verehrten Herrscher erhalten, ist es bei Barclay persönliche calamitas, die durch die merces aufgewogen wird. Barclay stützt sein panegyrisches Gedicht somit auf ein Geschichtsbild, das den gegenwärtigen princeps als das telos der Verbrechen am Ende der Republik gutheißt. Diese Geschichtsdeutung entfremdet Barclay aus ihrem ursprünglichen Kontext und überträgt sie auf Euphormios Lebensdeutung. Der Bezug auf das „Nerolob“ macht deutlich, dass Barclay der Überzeugung ist, dass es bei Lucan ernst gemeint sei. Er teilt diese Deutung, wenngleich nicht die Abneigung, mit Julius Caesar Scaliger, der Lucan 1561 im 5. Buch seiner Poetices libri septem als einen „Überläufer von sich selbst“ (sui transfuga) bezeichnet, weil er zunächst „der gesamten Familie der Julier mit hispanischem und plebeischem Hass nachsetze“ (Iuliorum familiam universam Hispanico ac plebeio odio prosequeretur), dann aber dem monstrum Nero schmeichle (quibus numeris monstro illi [Neronem dico] potuit adulari). 26 Dieser Vorwurf eines abstoßenden Gesinnungswandels macht deutlich, dass Scaliger Lucans Lob auf den princeps als eine glaubwürdige Äußerung bewertet. Wenn Barclay eine vergleichbare Auffassung zu erkennen gibt, stellt seine Reminiszenz im Kontext des Enkomiums ein bedeutsames Dokument für die politische Dimension der frühneuzeitlichen Lucan-Rezeption dar. Der englisch schreibende Samuel Daniel eröffnet sein Epos über die Rosenkriege (The Civil Wars), erschienen in der ersten Auflage 1595, mit einem Lob auf den Frieden und den Wohlstand unter Elizabeth I. Er kontrastiert die Gräuel dieses englischen Bürgerkrieges mit dem Segen der elisabethanischen Zeit unter Bezugnahme 24 Vgl. Becker 1903, 99-100. 25 Vgl. Fleming 1973, XXXI-XXXII. 26 Text zitiert nach Vogt-Spira 1998, 727. <?page no="71"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 63 auf Lucan 1, 33-45 und stellt heraus, dass die Mühen und das Leid durch den erreichten Zustand unter der gegenwärtig herrschenden Monarchin einen nachträglichen Sinn erhielten. 27 Wie Daniel reiht sich Barclay mit seinem Lucanbild in die im Mittelalter gängige und in der Renaissance weit verbreitete monarchistische Lucan-Deutung ein 28 und steht somit noch vor einem Umschwung in der Auslegung des römischen Epikers vor dem Hintergrund eines monarchiekritischen, republikanischen Denkens in England im Laufe des 17. Jahrhunderts, das von einer ironischen Lesung der Panegyrik auf Nero gekennzeichnet ist. 29 Für die vorliegende Textstelle soll festgehalten werden: Der Lebensgeschichte wird zu Beginn des 2. Buches eine teleologische Deutung gegeben, die der Handlung eine Ausrichtung auf ein Ziel am Ende des Buches gibt. Der intertextuelle Verweis auf das Prooemium der Pharsalia lässt den Anfang des 2. Buches in eine Fernbeziehung zu dem das Werk abschließenden Gedicht treten, in dem Barclays Lucanbild ebenfalls zum Tragen kommen wird. Das Euphormionis Satyricon ist im Prosimetrum, der Form der Menippeischen Satire, verfasst. Dieser Gattung wurde auch das Werk Petrons von der frühneuzeitlichen Literaturkritik zugeordnet. 30 Das Prosimetrum erlaubt aber auch die Verknüpfung der Handlung mit einem panegyrischen Gedicht. Die subjektive Haltung des Erzählers findet hierdurch eine sprachlich sublime Ausdrucksform. Betrachten wir im Folgenden die Szenen am Hof des Tessaranactus (Jakob I. von England), 31 die den Roman beschließen und deren Ende das näher betrachtete Gedicht bildet. Selbst in Scolimorhodia (Britannien), das dem Ich-Erzähler seit der Bekanntschaft mit seinem von dort stammendem Adoptivvater Themistius - der wohl mit dem Vater des Autors, William Barclay, zu identifizieren ist - als ein Ersatz für seine Heimat Lusinien als Ziel vor Augen schwebt, stößt Euphormio auf die ihn abstoßenden „Streithändel der Menschen“ (contentiones mortalium), die, wie 27 Zur Lucan-Rezeption bei Samuel Daniel vgl. Hardie 2011, 493. 28 Vgl. Hardie 2011, 495-496. 29 Als ironisch war die Stelle zwar schon vereinzelt in Scholien und von Kommentatoren aus der Renaissance, wie etwa den italienischen Humanisten Sulpitius und Omnibonus, gedeutet worden, mit breiterer Wirkung kommt diese Auslegung jedoch seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts dann aber in der englischen Übersetzung von 1614 durch Arthur Gorges zum Tragen; vgl. Hardie 2011, 496. Zur Wechselwirkung von Lucan- Rezeption und aktuellem politischen Diskurs vgl. Walde 2010, 442 (allgemein), 455 (speziell zur ausgehenden Tudor- und beginnenden Stuartzeit). 30 Barclays eigenen Äußerungen am Beginn seiner Apologia, er wolle viele und verschiedene Verbrechen in einer angenehmen Geschichte zutage fördern, entspricht ganz der horazischen Definition der Satire (ridentem dicere verum). Trotz der Anknüpfung an die Tradition der Satire kann man die Euphormionis Lusinini Satyrica mit gutem Recht als Roman auffassen, da sie eine längere fiktionale Prosaerzählung mit durchgehender Handlung darstellen und die Geschichte von einem Ich-Erzähler berichtet wird, der die Ereignisse miterlebt, nicht von einem auktorialen Erzähler, wie ihn die römische Satire kennt (zu Petron vgl. Holzberg 2006, 81-82). 31 Vgl. Fleming 1973, 372 zu den einstimmigen historischen Entschlüsselungsversuchen. <?page no="72"?> Jochen Schultheiß 64 schon zuvor bei den Acigniani (Jesuiten), sich hier nun bei Catharinus (Puritaner) zeigen. Insgesamt wird das Land jedoch als ein idealer Staat gepriesen. Eine Beschreibung der Landesnatur leitet die abschließende Episode ein. Wie bei der Darstellung Lusiniens stellt die fruchtbare Natur des Landes die Grundlage für gute Sitten dar. Am Hofe des Königs als Zielpunkt der Handlung angelangt hebt der Ich-Erzähler zu dem abschließenden Enkomium (2, 32; S. 350-352) an, das er damit beginnt, dass er sich mit Phaëthon vergleicht: Quantus erat, magni peteret cum tecta parentis, 1 Quamque potens Phaëthon; tantum si visere currum, Non curru voluisset agi: penetralia tantus Nunc subeo, caelumque tuum, pulchrosque recessus, O proles genitorque deum, qui sceptra, tiaramque, 5 Ostrumque, & tanti decoras insignia regni. So groß, wie Phaëthon war, als er zum Haus des großen Vaters strebte, so mächtig, wie Phaëthon war - hätte er den Wagen doch nur betrachten, nicht sich darauf bewegen wollen -, so groß bin ich nun, wenn ich deine Gemächer von unten her betrete, deinen Himmel, die schönen Rückzugsorte, o du Spross und Vater von Göttern, der du Szepter, Krone, Purpur und Insignien eines so großen Reiches zierst. Das Gedicht ist aus der Erzählsituation heraus gesprochen, in der sich der Sprecher am Hofe des Königs befindet. Die Korrelativa quantus-tantus stellen den Vergleich von Euphormio mit Phaëthon her. Diese Verbindung zu der Figur aus dem Mythos geht einher mit einer Distanzierung. Das Wagnis des Heliossohns wird in einem irrealen Wunschsatz der Vergangenheit bewertet: Hätte Phaëthon sich doch damit begnügt, diesen Wagen nur zu betrachten, und sich nicht angemaßt, sich auf ihm auch selbst zu bewegen. Im Folgenden rückt der Vater ins Zentrum des Gedichts: Nec tu Sole minor; quo se genitore superbus Jactavit Phaëthon. Tu nobis Phoebus Apollo, Tu radiis Titan, tu messibus alter Osiris, Et Mitra, & Paean, & cunctis gentibus olim 10 Sol quodcunque fuit. Medius Sol temperat astra: Tu medius Reges, tu magni foedera Mundi Certo iure ligas, tu qua discesseris ora, Pallida surget hyems. Tecum ver protinus ibit In campos quoscunque voles. Lucebis Ibero? 15 Non erit Occiduo confinis Iberia Ponto. Eoa plus luce nitens. Si Gallia Solem Senserit, o Gallae quam frangent horrea messes. Und du bist nicht kleiner als Sol; damit, dass er diesen zum Vater habe, prahlte der hochmütige Phaëthon. Du bist für uns Phoebus Apollo; du für die Strahlen Titan, du für die Saaten ein zweiter Osiris und Mithras und Paean, und was auch immer Sol bei allen Völkern einst war. Sol in der Mitte lenkt die Sterne: Du in der Mitte lenkst die Könige; du knüpfst die Verträge <?page no="73"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 65 der großen Welt mit sicherem Recht; wenn du von einem Gestade weichst, wird sich der blasse Winter erheben. Mit dir wird der Frühling unverzüglich ziehen, in welche Felder auch immer du willst. Wirst du dem Iberer scheinen? Iberien wird nicht mehr am Meer der untergehenden Sonne liegen, sondern heller glänzen als das Morgenlicht. Wenn Gallien Sol verspürt hat, o, wie werden die Ernten Galliens die Scheunen zum Bersten bringen. Das Gedicht steht in der antiken Tradition panegyrischen Dichtens, insofern der Herrscher mit Sol verglichen wird. Wie in vielen antiken Quellen zur Herrscherverehrung ist die Grenze zwischen Vergleich von Herrscher und Gott und die Gleichsetzung von Herrscher und Gott auch in Barclays Gedicht fließend. Dieser Übergang findet etwa zwischen den Versen 7 und 8 statt: nec tu Sole minor wird gefolgt von tu nobis Phoebus Apollo. Der Schotte erweist sich somit auch in seinem Wissen um das Herrscherbild als ein geschulter Kenner der Antike. Der Vergleich des Herrschers des idealen Staates mit der Sonne begegnet seit dem Hellenismus und setzt in Rom mit Caesar ein. Als lateinischer Vertreter kann Horaz (Carm. 4, 2, 46-48) angeführt werden. In Senecas Apocolocyntosis (4, 1, 27-32) wird Nero, in Statius’ Silvae (4, 1, 3) Domitian mit der Sonne verglichen. Der Rückgriff auf kosmische Mythen war auch in der zeitgenössischen englischen Propaganda populär, wobei mit dem Ende der Herrschaft Elizabeths I. und dem Herrschaftsantritt Jakobs I. die mythologische Bildhaftigkeit der Propaganda geschlechtsspezifisch angepasst werden musste: Die Königin wurde als „Sternenjungfrau“ (Virgo astraea) dargestellt, als Dike / Iustitia, die nach dem Goldenen Zeitalter die Welt verlassen hat, mit deren Rückkunft nun aber auch die Rückkehr des Goldenen Zeitalters erwartet wurde. Barclay selbst bedient sich in seinem eigenen dichterischen Werk mehrfach der Identifikation des Herrschers mit Phoebus. 32 Im vorliegenden Gedicht lässt der Bezug auf Lucans „Nerolob“ am Beginn des 2. Buches gerade auf die Pharsalia, in der Nero nach seinem Tod eine Position als Sol prophezeit wird, als wichtigstes Modell schließen. Barclay bedient sich dieses lucanischen Bildes etwa ganz deutlich bei der Vorstellung, dass der Herrscher eine Position in der Mitte einnimmt. In Lucans Epos wird der princeps aufgefordert, „in der Mitte der Sphäre“ zu bleiben: orbe tene medio (1, 58). Diese Position nimmt Barclay auf. Wie die Sonne in der Mitte der Gestirne soll der König aus der Mitte die Welt lenken (Medius Sol temperat astra: / Tu medius Reges, 11-13). Bei Lucan ist für Nero keine Katastrophe wie bei dem mythischen Wagenlenker Phaëthon zu befürchten (1, 48-50): seu te flammigeros Phoebi conscendere currus telluremque nihil mutato sole timentem igne vago lustrare iuvet. 32 Vgl. Becker 1903, 79-82 zum Epigramm Ad Phoebum (Poematum libri duo, London 1615, II, 11), das vermutlich 1604 / 1605 entstanden ist, sowie zu weiteren Gedichten über den Herrscher als Sonnengott. <?page no="74"?> Jochen Schultheiß 66 sei es, dass es dich erfreut, die flammentragenden Wagen des Phoebus zu besteigen und die Erde, die sich in keiner Weise bei der Änderung der Sonne fürchten muss, mit umherschweifendem Licht zu durchziehen. Die Erde braucht die Veränderung der Sonne eben nicht zu fürchten. Man kann, nebenbei bemerkt, diese Reminiszenz an Lucan als eine implizite Stellungnahme Barclays in der auch in der englischen Renaissance leidenschaftlich diskutierten Frage lesen, ob Lucan eher als Dichter oder als Historiker aufzufassen sei: 33 Wenn Barclay, wie wir am Anfang des 2. Buches gesehen haben, zunächst auf das lucanische Nerolob inhaltlich rekurriert, dann aber den Römer auch im dichterischen Teil seines prosimetrischen Werkes rezipiert und sich somit in der Gestaltung seines panegyrischen Gedichts an dem Epiker der neronischen Zeit orientiert, dann bringt er seine Bewunderung sowohl für den Historiker als auch für den Dichter zum Ausdruck. 34 In Barclays Gedicht sind die geographischen Angaben mit Bedacht gewählt: Das Bild der Sonne erlaubt, den Anspruch auf die Vorherrschaft Englands gegenüber Spanien und Frankreich darzustellen. Nach diesem auf den Herrscher konzentrierten Mittelteil des Enkomiums tritt in der Schlusspartie wieder der Sprecher hervor und stellt sich in einen persönlichen Bezug zum König: Sed grates, Sol magne, tibi. Penetralia tandem Mortali patuere viro. Jam cernere coram 20 Ambrosiam, nectarque licet, mensasque deorum. Jam mihi non dubio venient oracula visu; Luxque oculis aeterna meis, aeternaque menti: O lux alma mihi, quam nullis obruet unquam Nox invecta rotis, nebulaque ingrata maligna. 25 Nec Superos majora precor, nec vota Tonanti Ulla fero; tantum, ne, dum bona cuncta severe Temperat, Aetherea me vivere malit in aula. Aber ich sage dir Dank, großer Sol. Endlich haben sich die Räumlichkeiten einem sterblichen Mann geöffnet. Schon ist es möglich, persönlich die Ambrosia, den Nektar und die Tische der Götter zu sehen. Bald werden sich mir die Orakel nicht mehr in zweideutiger Gestalt zeigen. Das Licht wird meinen Augen ewig scheinen, ewig meinem Verstand: O Licht, das mich nährt, das niemals die Nacht mit ihren Rädern überfahren wird, die nicht willkommen ist mit ihrem bösen Nebel. Und es gibt nichts Größeres, worum ich die Götter bitte, und ich trage keine Bitten an Jupiter heran; nur die eine, dass er, solange er alles streng lenkt, nicht lieber möge, dass ich am himmlischen Hof lebe. 33 Vgl. zu dieser Diskussion Hardie 2011, 497. 34 Die Beobachtungen von Burkard 2009, 298-299 zur Lucan-Rezeption bei den Jesuiten, die Lucan ausschließlich unter dem Aspekt der stilistischen imitatio gelesen und kommentiert haben, können somit nicht auf den Euphormio übertragen werden. Man wird eher zu der Feststellung gelangen, dass der Samen, den die Jesuiten gestreut haben, bei ihrem Zögling Barclay auf einen ganz anderen Boden gefallen ist, als beabsichtigt war. <?page no="75"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 67 Für die Deutung dieses abschließenden Gedichtes ist die Vorlage der Phaëthon-Episode aus Ovids Metamorphosen heranzuziehen. 35 Auch bei Ovid finden wir eine Beschreibung der Pracht des Palasts, der Regia Solis (2, 1-18). Wie bei Barclay zeichnet bei Ovid Sol seine Mittelstellung aus: Er sitzt auf einem Thron zwischen den verschiedenen Zeitabschnitten und Jahreszeiten (2, 31-32). Ferner verbindet beide Gedichte der Kontrast zwischen göttlicher Ewigkeit und menschlicher Sterblichkeit. Nachdem Phaëthon die Bitte vorgebracht hat, die der Vater nicht erfüllen kann, weist dieser den Sohn auf seine Sterblichkeit hin: Seine Forderung gehe über das ihm Zustehende hinaus (sors tua mortalis: non est mortale quod optas 2, 56). Diese Differenz macht auch Euphormio deutlich (penetralia tandem / mortali patuere viro). Schließlich ist es die kosmologische Hierarchie, die in beiden Gedichten zum Tragen kommt. Der ovidische Sol weist darauf hin, dass selbst Jupiter den Wagen nicht lenken könne, und dieser sei doch der höchste unter den Göttern (2, 62). Sol erinnert somit an die Hierarchie im Himmel mit Jupiter an deren Spitze. Tellus wendet sich an Jupiter um Hilfe, dem als dem höchsten Gott allein noch eine Lösung des Problems zugetraut werden kann (2, 279-300; 304-318). Als die Pferde unkontrolliert umherwüten, stoßen sie an die Sterne, die am hohen Himmel, als aether bezeichnet, befestigt sind (2, 204-205). Der aether ist somit über dem Bereich, in dem sich Sol bewegt, angesiedelt. Diese Hierarchisierung im Götterhimmel, die sich im ovidischen Modell abzeichnet, liegt auch in Barclays Gedicht zugrunde. Mit der Bitte Euphormios, nicht in die aetherea aula, in den Himmel im christlichen Sinne, versetzt zu werden, bringt der Erzähler zum Ausdruck, dass bei all der Pracht am Hof des irdischen Tessaranactus kein Wunsch mehr offen bleibt, außer dem, noch möglichst lange leben zu dürfen. Bei aller Göttlichkeit Sols erhält Jupiter eine höhere Gewalt, die der Entscheidung über Leben und Tod. Wenn sich Euphormio am Ende des Panegyrikus an Jupiter Tonans wendet, so kommt es aber auch zu einem prägnanten Kontrast zur ovidischen Vorlage, wobei der intertextuelle Bezug der Textstelle eine Pointe aufsetzt: Ist bei Ovid Jupiter derjenige, der Phaëthon vom Himmel herunterholt und somit auch dessen Tod verursacht, befindet sich Euphormio nun in der gänzlich entgegengesetzten Position gegenüber dem Göttervater: Er bittet darum, auf der Erde bleiben zu dürfen und nicht in den Himmel aufsteigen zu müssen. Wo Phaëthon hochmütig (superbus; 7) ist, zeigt sich Euphormio gerade als ehrfurchtsvoll. Barclay schöpft somit in seinem Roman die Ambivalenz, die in der Phaëthon-Figur angelegt ist, aus: Identifiziert sich Euphormio am Beginn des Werks mit Phaëthon, indem er den Verlust der utopischen Hei- 35 Zu den zahlreichen Ovid-Bezügen im Satyricon vgl. Fleming 1973, XXXIV, 381. Gründliche Ovid-Kenntnis konnte ein Autor in der Renaissance bei einem gebildeten Publikum voraussetzen. <?page no="76"?> Jochen Schultheiß 68 mat Lusinien mit dessen Sturz vergleicht, so stehen am Ende die beiden Figuren im Gegensatz zueinander. 36 Noch in einem anderen intertextuellen Verhältnis bildet der so gestaltete Abschluss einen markanten Unterschied: Statt wie im lucanischen Prooemium (1, 46) oder am Ende von Ovids Metamorphosen (15, 868-870) den Wunsch eines noch möglichst lange andauernden Verweilens auf Erden und eines möglichst späten Aufstiegs zum Himmel auf den Herrscher zu beziehen, äußert hier der Sprecher diese Hoffnung in Hinblick auf sich selbst. Am Ende des satirischen Romans steht somit ein zwar ernst gemeintes, jedoch dem Charakter des Werkes gemäß von Witz und Esprit geprägtes Herrscherlob. Handlungsaufbau des Romans Es hat sich gezeigt, dass Barclay mit Schluss und Beginn einen Rahmen schafft, von dem ein das Werk übergreifender Handlungsbogen gespannt wird. Mögen beide Bücher, wie verschiedentlich festgestellt wurde, letztlich aufgrund der nachträglichen Anfügung des 2. Buches zwei unterschiedliche Entstehungsstadien zu erkennen geben und sich das 1. Buch als stärker handlungsorientiert, das 2. sich eher satirisch-beschreibend erweisen, ergibt das Werk eine reibungslos zusammengefügte Einheit. Bereits mit der Wahl des Titels lässt John Barclay Petrons Satyricon Libri als das wichtigste literarische Modell seines Romans erkennen. 37 Aufgrund des fragmentarischen Zustandes der petronischen Satyrica gab es jedoch viele Punkte, bei denen der antike Autor Barclay keine Orientierung bieten konnte. So war der Römer insbesondere bei der Gestaltung von Anfang und Schluss nicht heranzuziehen. Trotzdem zeichnet sich auch in Hinblick auf die Entwicklung der Gesamthandlung im Euphormio ein Ablauf ab, der sich auch für den antiken Roman feststellen lässt. Als typisches Gattungselement des antiken Romans kann eine den Handlungszusammenhang herstellende Kette von Leiden gelten, die am Ende des Werkes durch Heimkehr und ein nun beginnendes glückliches Leben abgeschlossen wird. 38 Für einen Plot, der vom Verlust eines positiven Zustands über die Erlebnisse in einer feindlichen Welt hin zum Endpunkt in einer idealen Welt führt, konnte Barclay auf Vorbilder zurückgreifen. Auch Heliodors Aithiopika, die sich ab dem 16. Jahrhundert in 36 Zur Identifikation mit Phaëthon bei Petrarca bzw. Distanzierung bei Ronsard vgl. Nelting / von Ehrlich 2008, 574. Dem Dichter der Pléiade wird im Euphormio (1, 20; S. 106) eine verehrungsvolle Bewertung zuteil. 37 Vgl. Becker 1903, 37; Fleming 1973, XVI. Den Titel Satyricon / Satiricon tragen bereits die Handschriften (vgl. Holzberg 2006, 84). Neben den Belegen in den Codices findet sich auch eine Erwähnung des Titels in Marius Victorinus‘ Ars grammatica 4, 1 (vgl. Müller 1995, 1). 38 Vgl. Holzberg 2006, 21, 50-51, 99. <?page no="77"?> Romanform und Herrscherlob in Euphormionis Lusinini Satyricon 69 Frankreich und England größter Beliebtheit erfreuen, 39 enden in einem als Idealstaat unter einem idealen Herrscher gezeichneten Land. 40 Wie die Protagonisten dieses Romans oder Lucius in Apuleius’ Metamorphosen ist Euphormio von einer Verlusterfahrung geprägt, deren Aufhebung angestrebt und als Schlusspunkt des Romans erwartet wird. Mit ihr ist die Ausgangslage für das Motiv einer Suche gelegt, 41 das dem Werk eine Einheit in der Handlung gibt. Dieses Handlungsmuster wird mit einer spezifischen Erzählperspektive verbunden. Der Blick des Erzählers auf seine Welt ist davon bestimmt, dass er zu Beginn als Fremder aus seiner ursprünglichen Heimat Lusinien, einem utopischen Land, ankommt. Diese Herkunft bestimmt seine Wahrnehmung der erlebten Welt von einer auswärtigen Position. Auf den Verlust der Heimat erfolgt der der Freiheit, und die Flucht vor dem Besitzer motiviert die Abfolge der Episoden des 1. Buches. Mit der Erlangung der Freiheit am Ende des 1. Buches wird das Fluchtmotiv abgeschlossen, das am Beginn des zweiten Buches mit der Bekanntschaft zu Themistius und dessen Lob auf Scolimorhodia durch einen neuen Zielpunkt ersetzt wird. Barclay schafft so einen Handlungsaufbau, durch den die satirischen Skizzen verbunden werden. Diese Verknüpfung satirischer Episoden, in denen sich der Erzähler von den beklagten Missständen distanziert, wird durch ein Ende, das von Affirmation gekennzeichnet ist, zu einem Abschluss gebracht. Ergebnisse Das Herrscherlob ist somit eng mit der Werkstruktur verwoben. Insbesondere die antike Romanschriftstellerei bildet eine wichtige Vorlage, an der sich der Schotte orientiert. Aber auch Rückgriffe auf Prätexte aus anderen Gattungen der römischen Literatur dienen dazu, Fernbeziehungen innerhalb des Romans herzustellen, so dass eine zusammenhängende Handlungsstruktur entstehen kann. In Lucans Nerolob - Barclay nimmt es ernst - findet er ein Geschichtsbild, das vergangenes Leid dadurch rechtfertigt, dass es den aktuellen Herrscher hervorgebracht habe. Er entfremdet dieses aus seinem ursprünglichen Kontext und wandelt es in ein Gedankenmuster um, das als Maxime der Lebensdeutung dienen kann. Der Phaëthon der ovidi- 39 Zur großen Popularität und literarischen Nachwirkung von Heliodors Aithiopika in Frankreich und England im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert vgl. Sandy 1996. Bezeichnend das zeitgenössische Diktum John Halls (zitiert nach Sandy 1996, 735): „What Schole-Boy, what apprentice knows not Heliodorus? “ Zur Wirkmacht Heliodors vgl. ferner Holzberg 2006, 130. Mit deutlicheren Textbezügen ist Barclays Heliodor- Rezeption in seinem zweiten Roman Argenis zu fassen (vgl. Riley / Pritchard Huber 2004, 3, 11, 14 Anm. 28, 15, 26, 28, 29). 40 Vgl. Holzberg 2006, 135-136. 41 Fleming 1973, XXII spricht von einem „general quest pattern that gives some unity to the whole“. <?page no="78"?> Jochen Schultheiß 70 schen Metamorphosen bietet sich Barclay als mythologische Gestalt an, die als Spiegel-, aber auch als Kontrastbild zum Erzähler dient. Barclay sucht zudem die Auseinandersetzung mit der literarischen Utopie. Wenn nun Euphormio, wie er in dem panegyrischen Gedicht zu erkennen gibt, am Hof des Herrschers von Scolimorhodia den angestrebten Punkt der Ruhe findet, ist eine Rückkehr nach Lusinien obsolet geworden. Das Lob auf Britannien und König Jakob I. erhält dadurch seinen stärksten Ausdruck, dass Scolimorhodia und der Hof des Tessaranactus die Zustände des utopischen Lusiniens sogar überbieten. Ein angepasstes Werk ist aus dem Euphormionis Lusinini Satyricon trotz allem Herrscherlob bei weitem nicht geworden. So hat Barclay an anderer Stelle noch genügend Anstoß erregt, denn schon unmittelbar nach seinem Erscheinen 1607 unterlag das Werk aufgrund seiner bissigen Satire nicht nur gegen weltliche sondern auch geistige Herrscher und religiöse Institutionen der Zensur und wurde auf Betreiben eines päpstlichen Nuntius beschlagnahmt. Literatur Becker, P. August, „Johann Barclay 1582-1621“, Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte 15, 1903, 33-118. Burkard, Thorsten, „Stylus Lucani: Jesuitische Lucan-Rezeption im 17. Jahrhundert“, in: Christine Walde (Hg.), Lucans Bellum Civile: Studien zum Spektrum seiner Rezeption von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Trier 2009, 275-313. 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She is courted by three suitors—Poliarchus, King of France, Archombrotus, an African prince, and Radirobanes, King of Sardinia. Argenis and Poliarchus are clandestine lovers who have promised to marry but Poliarchus is forced to flee Sicily at the beginning of the novel and will not return to claim Argenis publicly as his bride until late in the story. Meanwhile in Sicily, Argenis must keep her unwanted suitors at bay like Penelope in Ithaca. How and if she will succeed are riveting questions that propel the romantic plot to its ultimately satisfying conclusion. The political theme in Argenis, as in More’s Utopia, investigates the nature of the ideal state. The polity that Barclay recommends is an absolute, if enlightened, monarchy, whose value he underscores in an important subplot that shows how Sicily suffers when Lycogenes, a disgruntled nobleman, attempts to dislodge Meleander from his throne. Barclay also makes the case for monarchy by inserting political dialogues at regular intervals in the narrative in which characters, otherwise involved in the fiction, argue on behalf of kings. Moreover, he presents his readers with several examples of kings who vary in their competence. Not surprisingly, Poliarchus, the ideal lover, is also the ideal king, and so the political and romantic themes are inextricably linked. 2 But as fundamental as these two themes are, there is a third, literary interest in Argenis that is equally important, although it has received little notice except from some of Barclay’s seventeenth-century imitators like Samuel Gott in Nova Solyma (1648/ 49) 3 and Johann Ludwig Prasch in Psyche Cretica (1685). 4 This literary theme is highlighted in the ‘Tale of Theocrine’ that Selenissa, Argenis’s governess, tells to Radirobanes in Book 3 of the novel. In 1 Susanna Elisabeth Prasch used the adjective ‘incomparable’ to describe Argenis in her important essay of 1684, Réflexions sur les Romans; see the reprint in Weber 1974, I, 183- 228, at 188 (= p. 19 in the 1684 edition). On Susanna Prasch and the role that she played in inspiring her husband Johann Ludwig Prasch to write his Neo-Latin novel, Psyche Cretica (1685), see Morrish 2009, 185-189 and 270-271. Cf. also the contributions of T. Gärtner and F. Schaffenrath in this volume. 2 On political thought in Argenis see Siegl-Mocavini 1999. 3 On Nova Solyma see Morrish 2003 and 2005b. 4 On the theme of caritas in Psyche Cretica see Morrish 2008. <?page no="82"?> Jennifer Morrish Tunberg 74 this paper, I have three objectives. First, I shall consider how Barclay depicts Selenissa and Radirobanes before they meet so that their interaction is exquisitely suited to their characters. Then I shall examine their interaction and the comedy that it generates. Thirdly, I shall suggest reasons why Barclay has lavished so much attention on Selenissa and the fabula anilis, the ‘old wives’ tale’, that she tells. 5 Like her prototype in Apuleius, who tells the story of Psyche and Cupid (Met. 4. 27-6. 25), Selenissa is depicted as an old woman, to whom the word anus is applied repeatedly. Meleander, for example, will tease her about becoming the caricature of an old woman who tells stories (3. 8; 304) 6 and she, herself, will mock her old age as she prepares to keep an appointment with Radirobanes (3. 11; 325). Her social status is inferior and powerless since she is a domestic servant, albeit in the royal household, where she has raised the motherless Argenis from infancy (1. 7; 42). Reliable characters in the novel esteem her. Poliarchus, for example, numbers her among his closest friends (2. 8; 176). And Argenis considers her a moral arbitrix (1. 7; 41), and a confidant to whom she has entrusted omnia secreta (‘all her secrets’; 1. 7; 39), including the secret of the love that she and Poliarchus share. For her part, Selenissa seems to show genuine concern for Argenis and for her relationship with Poliarchus whose secrecy she protects. In her opening scene in the novel, she tries to shield Argenis from hearing a rumour that Poliarchus has been killed in battle (1. 7; 39-40). Although the rumour is false, Argenis takes it to be true, and at the first opportunity, absents herself from her companions to commit suicide, since she cannot live without Poliarchus. Selenissa, who is a shrewd judge of human motivation, anticipates Argenis’s intention and prevents her death. Then, to ensure that she makes no more attempts on her life, Selenissa turns to rhetoric, a verbal art at which she excels, and provides arguments against suicide, based on such literary sources as the myth about Scylla. When Argenis remains intransigent, Selenissa demonstrates her ability to manipulate the response of others by telling the princess that she will call for help, should there be another suicide attempt (1. 7; 42). It is a canny ploy because, to do so, would betray the love affair whose secrecy Argenis defends so fiercely. And so, Argenis’s resolve starts to weaken, while Selenissa, pressing her advantage further, cites more literary evidence in the myth of Pyramus and Thisbe to show the folly of suicide and then uses graphic words to point out that they have no proof, apart from unreliable rumour, that Poliarchus is, indeed, dead: Quis cadaver 5 On the fabula anilis as a genre see Ziolkowski 2002. On Gott’s use of the genre see Morrish 2005a; on Prasch’s use of the genre see Morrish 2009, 198-200 and 273-274. 6 The text of Argenis is cited and quoted throughout this article from the 1659 edition by Gabriel Bugnot (Bugnot 1659); the references in parentheses in my text refer to book, chapter and page numbers in this edition; all English translations in this article are my own. A recent edition of Argenis is by Riley / Pritchard Huber 2004; see Riley’s web site (www.csus.edu/ indiv/ r/ rileymt/ ) for a list of errata in the Latin text; on the punctuation of the edition see Sacré 2008. <?page no="83"?> An Old Wife and the Tale that She Tells in Barclay’s Argenis 75 inspexit? , she asks avidly, quis maculatum sanguine ensem? (‘Who has seen the corpse? Who has seen the sword defiled with his blood? ’; 1. 7; 43). Such language, in another context, would surely qualify Selenissa to write murder mysteries! An old woman, a confidant, an enthusiast for myth, persuasive words, and colourful images, an astute psychologist, a formidable opponent in debate, Selenissa plays all these edifying roles and plays them well. And yet she is flawed by a moral ambiguity that Barclay establishes, subtly at first, but then assertively. For example, Selenissa is an inveterate liar. The very first words that she is reported as speaking in her opening scene are an egregious lie that she tells to prevent Argenis from hearing the rumour of Poliarchus’s death (1. 7; 39-40). Selenissa’s moral integrity is also compromised by a relentless concern for her own wellbeing. Although she wants to save Argenis from suicide, she is concerned non de Argenidis modò, sed & de suâ vice (‘not only about Argenis’s fate, but about her own, too’; 1. 7; 41), because as governess, she clearly does not want to be held accountable for the suicide of her charge. There is a third early clue that Selenissa is unreliable and that lies in her name which is reminiscent of Selene, the moon, whose changeable nature, ever waxing, ever waning, is clearly akin to Selenissa’s fluctuating morality. 7 Radirobanes has significant advantages that Selenissa lacks. He is a young man, a wealthy king, a powerful general equipped with a massive fleet and army. In war, he is fearless, and it is because of his military aid that Meleander is able to defeat Lycogenes. But Radirobanes, too, is flawed. He, too, is a liar. He comes in the guise of a guest-friend to help Meleander, but he comes unbidden, the friendship between Sardinia and Sicily is, at best, dubious, and he comes to claim Argenis in marriage because it is her inheritance of Sicily that he covets aggressively (2. 12; 215-217). The nefarious qualities of war define his behaviour both in and apart from battle. Unlike Meleander’s loyal soldiers, who risk their lives for their king, Radirobanes fights mainly for himself and the prize that he believes he deserves, namely Argenis (3. 1; 241-244). When Archombrotus kills Lycogenes, Radirobanes takes no joy in the Sicilian victory but is filled with corrosive jealousy because his allied soldier, rather than himself, has dispatched their common enemy (3. 3; 261). Even Radirobanes’s behaviour as a suitor is dictated, not by love, but by war. When the intelligence of spies, whom he has dispatched to watch Argenis, leads him to infer, wrongly, that she is in love with Archombrotus (3. 3; 264), Radirobanes decides that he must bribe someone close to Argenis to ensure that he wins her. After all, love is war, he muses, and in war, if fortifications prevent a city from being taken, then proditio, ‘treachery’, will deliver it (3. 5; 276). The proditio that he envisages is to bribe Selenissa, if she is willing, to become his accomplice. In keeping with his 7 Cf. IJsewijn 1983, 11; Siegl-Mocavini 1999, 310. <?page no="84"?> Jennifer Morrish Tunberg 76 warlike mentality, Radirobanes is rhetorically inept. His petition to Meleander for his daughter’s hand in marriage is a bombastic encomium, not of Argenis, but of himself - the territories that he governs, his opulent wealth, his descent from the very gods (3. 5; 274-275). But so obtuse is this miles gloriosus (‘boastful soldier’) to the subtleties of words that he fails to grasp a refusal in Meleander’s oblique reply. A dubious guest-friend, an avaricious king, an envious soldier, an underhanded suitor - Radirobanes answers all of these descriptions. But Barclay also endows him with a surprising quality that will play a conspicuous role when he meets Selenissa. He is imbued with a child’s enthusiasm for stories. Thus, when the bones of a Cyclops are found on the site where Meleander’s tent will be placed, Radirobanes is captivated with wonder that such creatures, known to him only in fabulis (‘in stories’; 2. 15; 231), actually existed. He peppers Meleander impensiùs (‘quite earnestly’) with questions about them, and as the old king answers, Radirobanes listens with rapt attention, the perfect audience for a storyteller. The humour generated by the interaction of Selenissa and Radirobanes turns on a question that is often asked in Roman comedy - where does power lie, with the influential but obtuse miles gloriosus, as played in Argenis by Radirobanes, or with the clever slave, as played by Selenissa, whose apparent lack of power seems to be confirmed by her status as an old woman. 8 As their interaction begins, Radirobanes is boldly confident when he makes contact with Selenissa to test her openness to bribery. His approach is laughable in its transparency. Conceiving of Selenissa as a muliercula (‘a little woman’; 3. 5; 279) defined by her relationship to children, he tells her how closely she resembles his own dear, departed mother, whose memory he happily barters when he sends Selenissa her picture, which, as the narrator wryly observes, shows a resemblance between the two women only in the generic wrinkles of the old age that they share (3. 5; 280). But Radirobanes has pointedly enclosed the picture in a jewel-encrusted box that Selenissa, ever sensitive to human motivation, recognizes instantly as a bribe. She also understands that she faces a moral crisis - to keep the box and lose faith with Argenis, whose loathing of Radirobanes she has hitherto shared, or to remain loyal to Argenis and forgo the box. But the box appeals to Selenissa’s characteristic selfishness and, in a very funny scene, we watch as her ‘ceasing to hate Radirobanes’ blossoms, with comic acceleration, into a positive endorsement of his utility to her. Adhuc quidem illi fida (‘She was still, indeed, 8 It is probable that Barclay was inspired in his characterization of Radirobanes by Pyrgopolynices in Plautus’s Miles Gloriosus. Pyrgopolynices carries off an unwilling Philocomasium, who is in love with Pleusicles; Radirobanes will try, unsuccessfully, to abduct Argenis, who is in love with Poliarchus (3. 15-19; 351-377). Roman comedy seems to have been an important influence on some Neo-Latin novelists in that it offered them stock characters and scenarios, whose features they could elaborate. The practice of calling characters and places by names (often based on Greek) that imply something about them is an early feature of Neo-Latin fiction, as we can see from More’s Utopia, and it may also owe something to Roman comedy. <?page no="85"?> An Old Wife and the Tale that She Tells in Barclay’s Argenis 77 faithful to her’), says the narrator of Selenissa and her loyalty to Argenis (3. 5; 280-281): sed jam desierat Radirobanem odisse. Tum versare animo coepit, quanto suo & Argenidis periculo Poliarchus amaretur. Nam quoties reprehensam à coepto moriendi Argenidem? aut quem spondere posse, non illam aliquando anteversuram furioso impetu vitae consilia? Denique sibi quemque debere consulere. Nam quid de me (inquiebat) meritus Poliarchus? Radirobanem post pauculos dies quàm limina haec attigit, utiliorem mihi sensi, quàm illum, plùs anno familiarem Argenidi. Quid si de se mentitus est ignotus ac externus? At istum priùs auxilio Sicilia Regem sensit, quàm alto nuptiarum & regio voto. Si propitiam Argenidem illi effecero, quantum mihi sperandum est; cùm jam praemia usurpem, quae penè ad praestitam operam satis essent? Abest denique Poliarchus; Num vivat incertum est; num si redeat, impetratura sit publicè hunc à patre virum Argenis; an verò clàm discessu dedecori me quoque frustratura. Radirobanem autem non dimittere possumus, nisi iratum; Neque parem conditionem (si ista abiverit) neglecta fortuna mihi & Argenidi curabit reducere. but she had already ceased to hate Radirobanes. Then she began to think how dangerous it was, both for her and for Argenis, that Poliarchus was the object of the girl’s love. For how many times had she pulled Argenis back from the brink of suicide? Or to whom could she give assurances that Argenis would not, one day, act with frenzied violence before she could counsel her to live? And really, everybody has to look out for his own interests. ‘What do I owe Poliarchus? ’ she asked herself. ‘Just a few days after Radirobanes had darkened our doorstep, I knew that he was of greater use to me than Poliarchus, who has been close to Argenis for more than a year. What if he lied about his identity? We don’t know a thing about him. And he’s not from here. But Sicily knew that Radirobanes was a king from his help before it knew so from his noble and royal wish for marriage. If I make Argenis amenable to him, how much should I hope for, since I already enjoy rewards that would almost pay enough for the enterprise at hand? And anyway, Poliarchus isn’t here. It’s not certain whether he’s alive. It’s not certain, if he returns, whether Argenis will openly ask her father for the man or whether she will shamelessly run away with him on the sly and leave me in the lurch. But we can’t send Radirobanes away without making him furious. And if she leaves, our good luck, once ignored, will never give Argenis and me such an opportunity again. And so Selenissa forsakes Argenis and Poliarchus for Radirobanes, and power, for the moment, seems to lie with him. In their next meeting, Selenissa uses delicate rhetoric to inform Radirobanes, her magnificus largitor (‘splendid benefactor’; 3. 7; 288-289), that she understands his bribe and is ready to co-operate. His soldier’s response is plain: Selenissa’s mission is to make Argenis accept him; he is eminently desirable; Argenis spurns him because someone has enchanted her veneficio (‘with sorcery’; 3. 7; 289); that someone is Archombrotus. Radirobanes’s mistaken impression that Argenis loves Archombrotus fills Selenissa with silent euphoria, for she sees immediately that it puts him in her power because she knows a secret that he does not. She tells him, enigmatically, that he is mis- <?page no="86"?> Jennifer Morrish Tunberg 78 taken. Radirobanes exerts pressure on her, in his warlike way, to explain what she means. And were Selenissa the muliercula, the mercenaria (‘hireling’; 3. 7; 290) that he thinks she is, she would do so. But Selenissa has no intention of squandering the power that has just come to her so fortuitously and besides, she is always on the lookout for a captive audience to whom she can tell a story, a purpose to which Radirobanes is sublimely well suited. And so Selenissa, true to form, lies. She tells Radirobanes that she cannot possibly clarify her meaning quickly or with his retainers at hand, that it would be preferable to seek privacy for discussing such sensitive issues. Praestabit descendere in hortum (‘It will be better to go down into the garden’), she tells him (3. 7; 290): tanquam obviam Argenidi eamus. Ego te per errores in spatia ducam, à quibus hanc abesse conjicio. as if we intend to meet Argenis. I shall lead you through pathways into places where, I suspect, she will not appear. And Radirobanes, confusus expectatione […] tantae rei (‘confused with anticipation […] at so great a matter’), capitulates without hesitation to the promise of her words. It is a scene that is rich with comic innuendo because it reads like an incipient erotic tryst - a client panting after the harlot he has hired, a seductress beckoning. But as Selenissa and Radirobanes descend hand in hand into the garden, a parody of lovers, it is Selenissa who has artfully cast an only too compliant Radirobanes in the passive role of listener, while she will play the powerful storyteller, who will use her thirty-four page tale of Theocrine to correct Radirobanes’s mistaken view of Archombrotus and to confound him. The tale of Theocrine is a brilliant, if dark, comedy that raises Argenis from merely good storytelling to a classic of European literature. It turns on the case of an unlikely impostor whom Selenissa is deliberately slow to unmask. But right from the beginning she challenges Radirobanes to solve the mystery of her story by feeding him ever more revealing clues, all of which he fails to grasp. The story, says Selenissa, begins with Lycogenes, who wanted to claim Argenis in marriage so that he could rule her kingdom (3. 7; 291). Meleander, hoping to protect Argenis from Lycogenes, encloses her, with her female household, in a citadel where no man, except himself, is allowed. Theocrine, a French maiden of high birth, in flight from her wicked uncle, is given asylum in Argenis’s citadel (3. 8; 295-299). She is an unusual girl. She is rather tall (3. 8; 293), has no training in the needle arts and spinning but excels at hunting, and, although she tells engaging stories, the verses that she writes are too masculi (‘masculine’; 3. 8; 302) to be accompanied by the lute. But her most extraordinary quality is revealed one night, imbribus foeda, & […] illunis’, (‘foul with rain and […] moonless’) when armed assassins from Lycogenes strike the royal fortress, breaking into the very bedroom that Argenis shares with Selenissa and Theocrine (3. 8; 304-305). In response to the attack, Argenis and Selenissa are reduced to womanish <?page no="87"?> An Old Wife and the Tale that She Tells in Barclay’s Argenis 79 screams, but Theocrine hurls herself against one of the assailants and, seizing his sword and shield, decapitates another, so that a river of blood flows from his corpse to Argenis’s feet. As Selenissa tells her gripping tale, Radirobanes listens with visceral enthusiasm, like Cnemon listening to Calasiris in Heliodorus’s Ethiopian Story (2. 21-5. 1). Identifying completely with Theocrine, Radirobanes grafts himself onto her story and, frequently interrupting Selenissa, gives his comically bumptious reaction to her narrative. By the time she has described Theocrine’s martial prowess, her words have made Radirobanes so enamoured of the wonderful warrior maiden that Argenis seems injucunda (‘displeasing’) to him, when she appears unexpectedly and interrupts the story (3. 9; 306). Selenissa reacts to Radirobanes’s running commentary by smiling at him inscrutably, by praising his regard for Theocrine, by hoping it will last (see, for example, 3. 8; 299-301). But as her story ends, she is uncompromising in declaring the devastating truth that Theocrine is Poliarchus who, captivated from afar by Argenis, took on a girl’s persona to enter the citadel of women and live there in chaste proximity to the princess. 9 And so it is Poliarchus who is Radirobanes’s rival, not Archombrotus, something that Selenissa could have told Radirobanes, in one short sentence, when she first perceived his error. With Selenissa’s disclosure, the comedy turns tragic. She will commit suicide when her perfidy is revealed (4. 2-3; 383-391) and Radirobanes, who will fail in his diabolical attempt to abduct Argenis (3. 19; 373-377), will return to Sardinia disgraced and brideless (4. 3; 392-395). 9 It has been suggested more than once that Sir Philip Sidney’s Arcadia was a source for material in Argenis as, for example, the scenario of the royal youth, disguised as a girl, who infiltrates the living quarters of the woman he loves (Riley / Pritchard Huber 2004, I, 23; cf. Brooke / Shaaber 1967, 477 n. 15). Sidney was indebted in his Old Arcadia (1577-1580 / 1581) for this scenario to the Spanish / Portuguese Amadis de Gaula that he evidently read in French translation (Robertson 1973, xxi-xxii); the Amadis de Gaula was a popular romance that Barclay could also have known (cf. Riley / Pritchard Huber 2004, I, 34). Sidney might have been influenced in combining political and romantic themes in the Old Arcadia by Xenophon’s Cyropaedia (Robertson 1973, xxv and n. 1), a text that Riley regards as an important source for Argenis (Riley / Pritchard Huber 2004, I, 26-30). It is likely, I think, that Barclay was familiar with vernacular texts but more research is needed before we can see for sure which ones influenced him. Which version(s) of the Arcadia Barclay might have known is also a good question because the transmission of the text is complicated. Sidney wrote both the Old Arcadia in five books and also the slightly later New Arcadia that he left unfinished at the time of his premature death in 1586. Surviving manuscripts of the Old Arcadia are listed by Ringler 1962, 525-529. The New Arcadia, which ends in the middle of a sentence in Book 3, was printed in 1590 (Ringler 1962, 531-533). A third version, printed in 1593 (Ringler 1962, 533- 535), contains the New Arcadia together with Books 3-5 of the Old Arcadia, although the two versions of the story differ. For editions and commentaries, see Robertson 1973 and Duncan-Jones 2008 (Old Arcadia) and Skretkowicz 1987 (New Arcadia). If Barclay did, in fact, borrow from Sidney, he would not be the only Neo-Latin novelist influenced by English sources; for Samuel Gott’s indebtedness to Edmund Spenser’s Faerie Queene in his fabula anilis in Nova Solyma see Morrish 2005a, 312-316 and 318-319. <?page no="88"?> Jennifer Morrish Tunberg 80 So far we have examined how Selenissa and Radirobanes are depicted and how they interact, which brings us, by way of conclusion, to the reasons why Barclay devoted so much attention to them and to the fabula anilis. First of all, the comedy resulting from their interaction provides an exhilarating change of pace in a story that has so far concentrated on the high adventure of Poliarchus’s escape from Sicily and on the tragic implications of Lycogenes’s rebellion. Secondly, the fabula anilis functions as a narrative fulcrum that provides salient background information about events in Books 1-2 and paves the way for Books 4-5. Thirdly, Selenissa’s technique of controlling the flow of information imparted to her audience, and also the extent to which her story is indebted to the Latin, Greek, and even (probably) the vernacular literary traditions, are features that are typical of Argenis as a whole, which suggests that the fabula anilis functions as Barclay’s demonstration in miniature of how a good piece of Neo-Latin fiction should be conceived stylistically. Fourthly and most importantly, the ability of Selenissa, an old woman of lowly rank, to manipulate Radirobanes, the warrior king, with the sheer magic of her rhetoric, offers a palpable sign of the power of words and of those who use them to record, to persuade, to immortalize. The same point is made elsewhere in Argenis as, for example, when Arsidas argues that kings should respect and support writers because writers confer prestige and immortality on royal courts (1. 10; 60-66), or when Nicopompus, Barclay’s alter ego in Argenis, 10 explains that he is writing an experimental fiction in which he will persuade readers of truths, that they might otherwise reject, by delighting them with his story (2. 8-9; 180-184). There is also another lesson that follows from Selenissa and her fabula and it is that writers have an obligation to be morally responsible and not harm their community with their words, as Selenissa did when she used her excellent story to betray Argenis. And so Barclay devotes so much attention to Selenissa, Radirobanes and the fabula anilis because, although Argenis is a political romance, it is also, quintessentially, a statement on writers - their value, their obligations, and the extraordinary power of the medium in which they work, that is to say, with Shakespeare’s Hamlet (2. 2), ‘Words, words, words’. 11 References Brooke, Tucker / Shaaber, Matthias A., The Renaissance (1500-1660), New York 1967 2 . Bugnot, Gabriel (ed.), Jo. Barclaii Argenis, nunc primum illustrata, Leiden 1659. Duncan-Jones, Katherine (ed.), Sir Philip Sidney: The Countess of Pembroke’s Arcadia (The Old Arcadia), Oxford 2008. 10 Similarly, the poet, ‘Ilpander’ in Psyche Cretica is Prasch’s alter ego. And Gott alludes to himself as a novelist, and to Nova Solyma as a novel, in the story that he tells in Nova Solyma; see Morrish 2003, 268-270 and n. 89. 11 This article is based on a longer, more detailed study of literary aspects of Argenis that I am currently writing. <?page no="89"?> An Old Wife and the Tale that She Tells in Barclay’s Argenis 81 IJsewijn, Jozef, ‘John Barclay and his Argenis: A Scottish Neo-Latin Novelist’, Humanistica Lovaniensia 32, 1983, 1-27. Morrish, Jennifer (Tunberg-), ‘Virtue and Genre in Samuel Gott’s Nova Solyma’, Humanistica Lovaniensia 52, 2003, 237-317. ___ ‘Fiction, Morality, and an Old Wives’ Tale in Samuel Gott’s Nova Solyma’, Humanistica Lovaniensia 54, 2005a, 285-320. ___ ‘A Lexicon of Medieval and Neo-Latin Vocabulary Used by Samuel Gott in Nova Solyma’, Neulateinisches Jahrbuch 7, 2005b, 197-238. ___ ‘Natural Law, Apuleius, and Topoi of Fiction in Psyche Cretica (Regensburg, 1685), a Neo-Latin Novel by Johannes Ludovicus Praschius’, Humanistica Lovaniensia 57, 2008, 263-299. ___ ‘Susanna Elisabeth Prasch, Neo-Latin Novels, and Female Characters in Psyche Cretica’, in: Kathryn Kerby-Fulton (ed.), Women and the Divine in Literature before 1700: Essays in Memory of Margot Louis, Victoria, British Columbia 2009, 185-201 and 270-274. Riley, Mark / Pritchard Huber, Dorothy (eds.), John Barclay: Argenis, 2 vols., Assen 2004. Ringler, William A., Jr. (ed.), The Poems of Sir Philip Sidney, Oxford 1962. 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Jahrhunderts den Roman auszuwählen, gab eine resignierte Bemerkung im Companion to Neo- Latin Studies über die mangelnde Beachtung, die diese Gattung bisher in der Forschung gefunden habe. 1 Die überwiegend sehr umfangreichen Romane dieser Epoche setzen daher zunächst ein umfangreiches Lesepensum voraus, bevor die Rezeption, die antike und neuzeitliche Romane - denn die mittelalterliche Prosafiktion hat auf diese Werke offenkundig nicht eingewirkt - darin gefunden haben, untersucht werden kann. Es erweist sich dabei, dass die Würdigungen, die diese Werke in Literaturgeschichten und Abhandlungen gefunden haben, korrekturbedürftig sind. Das hier vorzustellende Werk, das ohne Autor und Verlagsort, aber sicher in Frankreich im Jahre 1628 unter dem absichtlich rätselhaften und pseudo-gelehrt wirkenden Titel erschienene Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon, verdient mehr, als es die ganz wenigen bisherigen Untersuchungen erwarten ließen, das Interesse des historisch und literargeschichtlich interessierten Lesers. Das erste Wort des Titels ist aus / „Erde/ Welt“ und „tadeln, kritisieren“ zusammengesetzt, das zweite Wort lokalisiert die Herkunft das Autors aus dem Cantal, einer abgelegenen südfranzösischen Berglandschaft, sodass wir schon aus dem Titel Das Satyricon des Weltkritikers aus dem Cantal das sittenkritische Programm des Autors entnehmen können. Fast wäre das in der Erstausgabe 1628 mit 340 Seiten, in der letzten Ausgabe 1972 mit 144 Seiten nicht gerade unscheinbare Werk aus der Überlieferung verschwunden. Denn von der Erstausgabe blieben nur zwei Exemplare in zwei Pariser Bibliotheken erhalten. 2 Seitdem hat es nur zwei Herausgeber gefunden: Robert E. Pike betitelte es 1963 als „The strangest book in the world“. Juliette Desjardins veröffentlichte es 1972 in der Reihe Roma Aeterna. 3 1 IJsewijn / Sacré 1998, 241; eine Übersicht bei Hofmann 1999, 8-9. 2 Bibl. Nationale: Rés. p. Z. 1462; Bibl. Mazarine: Rés. 21.132. 3 Desjardins 1972a. <?page no="92"?> Jürgen Blänsdorf 84 Beide Herausgeber haben das Verdienst, fast alle Pseudonyme des Werkes als Namen historischer Persönlichkeiten entschlüsselt zu haben. Als Autor macht Desjardins den berühmten französischen Gräzisten François Guyet (1575-1655) wahrscheinlich. Das Satyricon des unbekannt bleiben wollenden Autors war also kein Erfolgsbuch wie sein ein Vierteljahrhundert früher erschienenes Vorbild, John Barclays sehr viel umfangreicherer Roman mit dem ebenfalls phantastisch klingenden Titel Euphormionis Lusinini Satyricon, das der erst einundzwanzigjährige Autor 1603 in London veröffentlichte - aber von dieser Auflage hat sich kein Exemplar erhalten - und 1605 in Paris, wo es Guyet sicher ohne Schwierigkeiten erreichen konnte. Von Barclay hat er nicht nur das Muster des pseudo-griechischen Titels übernommen, sondern, wie Desjardins nachweist, auch nicht wenige Personen und Ereignisse. Daher gibt sich die Herausgeberin, die beide Werke ediert, kommentiert und übersetzt hat 4 und mit ihren Eigenarten bestens vertraut ist, doch enttäuscht, was die Originalität des Werkes, seine literarische Qualität und den Unterhaltungswert angeht. Noch abschätziger urteilt der Rezensent dieser Ausgabe über Guyet als Romanautor, indem er in ihm den letzten, schon resignierenden Vertreter einer sterbenden altertumswissenschaftlichen Gelehrsamkeit erblickt. 5 Aber mir scheint, dass er den Roman nicht intensiv genug gelesen und erst recht nicht seine Besonderheit gegenüber dem Vorgänger John Barclay erkannt hat. Doch werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die literarischen Vorbilder, die direkt - der Philologe Guyet war ein sehr fleißiger Leser - oder nur über den Vorgänger John Barclay auf ihn gewirkt haben. Beide Werke weisen durch die im Titel enthaltene Gattungsbezeichnung „Satyricon“ unmissverständlich auf Petrons Schelmenroman hin - freilich kannten sie noch nicht die heute im Mittelpunkt des Leserinteresses stehende, aber erst 1664 in Padua erschienene Cena Trimalchionis; dieser Teil fehlt deshalb in den Imitationsspektren der Romane des 16. und 17. Jahrhunderts. 6 Von Petrons bis dahin bekannter Haupthandlung stammt aber nicht nur die episodische Struktur und die bei allem Humor, mit dem die Abenteuer der drei jungen Protagonisten erzählt werden, sittenkritische Tendenz des Werkes, sondern auch lange Exkurse über Literatur, Rhetorik, Dichtung und Bildung, die Beschreibung von Häusern, Gemälden u.a. Kunstwerken, die Schilderung vieler sozialer Schichten und der damit verbundene Realismus bis hin zu erotischen Abenteuern, die den idealistischen Liebesroman konterkarieren. 4 Vgl. Desjardins 1969; 1972 a; 1972 b. 5 Abel 1973, 434-437: „Der [...] Verfasser vertritt als einer der letzten Angehörigen der res publica litterata ein bestimmes humanistisches und gesellschaftliches Ideal, das entlang seiner Darstellung der Torheiten und Laster der Zeit (1610-1617) und Zeichnung von Verhaltensweisen und Einstellungen kirchlicher und rein politischer Parteiungen deutlich wird. [...] Der hier vorliegende Text ist eine esoterische Kompensation des an der Gesellschaft scheiternden Humanisten.“ 6 Zur Rezeption Petrons Berger 2002, 946-948; Carver 1999; Landolfi 2010. <?page no="93"?> Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628) 85 Auch die auf Varros Menippeische Satiren zurückgehende Mischung von Prosa und Vers übernahmen die neuzeitlichen Nachahmer aus Petron. Aber sie folgten nicht dessen zwischen Umgangssprache und rhetorischer Kunstsprache pendelndem Stil, sondern dem durchgängig asianischen Stil der Metamorphosen des Apuleius. 7 Dessen Vorbild verdanken sich auch die geographisch weitgespannte Handlung mit ihren zahlreichen Wanderungen und Fluchten, den immer nur mit knapper Not überstandenen Gefahren und den erniedrigenden Leiden des jungen Helden, der ausgezogen ist, die Welt kennenzulernen, außerdem die Vorliebe für Naturszenarien, für abenteuerliche und märchenhafte Vorkommnisse und der Spott über religiöse Sekten und ihre Heuchelei und Grausamkeit. Quellen für satirischen Spott waren außerdem Martials Epigramme und Juvenals Satiren. 8 Zu den antiken Vorbildern traten außerdem die - von ihnen selbst noch nicht beeinflussten - neuzeitlichen Romane, in erster Linie der Lazarillo de Tormes eines noch immer unbekannten Verfassers, 9 der 1554 gleichzeitig in Alcalá de Henares, Burgos, Medina de Campo und Antwerpen erschien, also sofort europaweit bekannt und in andere Sprachen übersetzt wurde. 10 Schon bald wurde das Werk auch ins Lateinische übersetzt. Das Buch war so beliebt, dass schon ein Jahr später ein unbekannter Verfasser eine Fortsetzung, 1620 Juan de Luna einen zweiten Teil verfasste. Der volle Werktitel La vida de Lazarillo de Tormes: y de sus fortunas y adversidades kündigt die unaufhörlichen Leiden eines jungen Menschen der untersten Gesellschaftsschicht an, der schon als Kind von seiner verarmten Mutter als Betreuer eines Blinden verkauft wurde, dessen Misshandlungen er trotz ständig quälenden Hungers mit Mühe überlebte. Besonders fällt die Entlarvung und Überlistung heuchlerischer Kleriker und Scharlatane auf, weswegen das Buch schon 1559 auf den Index librorum prohibitorum gesetzt wurde. 11 Aber dank der skrupellosen Gewitztheit, mit der sich der ‚arme kleine Lazarus‘ wehrte, entkam er seinem ersten und den weiteren sechs ebenso unmenschlichen Dienstherren - ein wahrer pícaro („Schelm“), dem die Literaturgeschichte die sofort und auf lange Zeit sehr fruchtbare Romangattung des Pícaro- oder Schelmenromans verdankt. Auch in die neulateinischen Romane sind zahlreiche Züge des Pícaro eingegangen. Lassen wir nun die dem Lazarillo de Tormes folgenden Romane in spanischer 12 und englischer Sprache 13 beiseite, die insgesamt einen stärker realisti- 7 Zur Rezeption des Apuleius Berger 2002, 947-948; Carver / Schaaf 2010, bes. 45-62. 8 Quellennachweise in den Fußnoten der Ausgabe von Desjardins. 9 König 1995, 30-46. Der Text ist bequem erreichbar in der Ausgabe von Köhler 2006. 10 Übersetzungen: ins Französische 1560; ins Englische 1576; ins Niederländische 1579. 11 Lazarillo dient einem Blinden (Kap. 1), einem Kleriker (Kap. 2), einem armen Ritter (Kap. 3), einem Mönch (Kap. 4), einem Ablassverkäufer (Kap. 5), einem Trommelbemaler und einem Kaplan (Kap. 6), wird schließlich Hilfspolizist und Ausrufer und heiratet die Konkubine eines Priesters (Kap. 7). 12 Mateo Alemán y de Enero (1547-1614), Vida del pícaro Guzmán de Alfarache, I, 1599; II, 1604; Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616), Don Quijote, I, 1605; II, 1615; Don <?page no="94"?> Jürgen Blänsdorf 86 schen Zug in die bisher von idealisierenden Ritter- und Liebesgeschichten beherrschte Romanliteratur hineinbrachten, teils aber auch das satirische Element weiterentwickelten - im Drama verläuft die Entwicklung entsprechend. 14 Der Schotte John Barclay verspricht in seiner an König Jakob I. von England gerichteten Widmungsepistel ein sittenkritisches Werk (terrarum scelus libello hoc acerbe ultus sum) und lässt seinen Icherzähler Euphormio aus dem utopischen Lusinia, das nicht seine Heimat Schottland ist, sondern auf den Inseln der Seligen zu liegen scheint, aber keinen Luxus kennt und den altererbten guten Sitten folgt, in fremde Länder aufbrechen, um andere Menschen und Sitten kennenzulernen. Aber der unerfahrene Jüngling gerät bald in die Fänge eines Betrügers, erkennt, dass die Welt von Lastern erfüllt ist, und wird an einen adligen Parvenu verkauft, in dessen Diensten er vielen Demütigungen und Leiden ausgesetzt ist. Doch wie Lazarillo de Tormes gelingt es ihm immer, den Gefahren, der Leibesstrafe, sogar der drohenden Hinrichtung zu entrinnen. Am Ende jedes der zahllosen Abenteuer steht das befreiende Gelächter. Kritisiert er auch weiterhin die Laster der Menschen, denen er auf seinen Wanderungen, Reisen und oft genug auch auf seiner Flucht begegnet, und schildert er in satirischer Weise eine hochgelehrte, aber völlig wirklichkeitsfremde Vorlesung über das römische Recht und hört ausführliche Vorträge über den Niedergang von Rhetorik, Kunst und Wissenschaft - einschließlich Medizin und Alchymie - und lässt sich besonders gehässig über die Jesuiten aus, die er mit dem Anagramm des Namens ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola als Acignius bezeichnet, und spottet er über ihre geheuchelte Frömmigkeit, so drängen doch mehr und mehr die Abenteuer in geheimnisvollen Palastsuiten, in Höhlen und Sumpfgegenden hervor. Wir hören von Hexen und Gespenstern und ihrer blamablen Entlarvung. Das Werk wirkt durch den ständigen Wechsel zwischen spannenden, heiteren und ernsthaften Themen. Die offenkundige Absicht des Verfassers ist weniger die moralische Belehrung des Lesers als seine Unterhaltung. Die Personen der Handlung sind zwar durch Pseudonyme verkappte historische Persönlichkeiten, aber sie stehen nicht in historischen Zusammenhängen, sondern dienen der Beglaubigung der Ereignisse, um das Leserinteresse an der scheinbaren Aktualität zu wecken. Wenn dann Guyet ein gutes Vierteljahrhundert später seinen Gaeomemphio nach dem Muster des Euphormio gestaltete, konnte er kaum damit rechnen, dass jenes beim Erscheinen so erfolgreiche Buch schon vergessen war, sondern er wird sich bewusst auf den Prätext bezogen haben, um sein eige- Francisco Gómez de Quevedo y Santibáñez Villegas (1580-1645), La historia de la vida del Buscón = Historia del Gran Tacaño, 1626. 13 Robert Greene (1560-1592), Greene’s Never Too Late, 1590; Greene’s Groatsworth Wit Bought with a Million of Repentance, 1592; The Blacke Bookes Messenger, 1592; Thomas Nash (1567-1601), The Unfortunate Traveller, or the Life of Jack Wilton, 1594. 14 Ben Jonson (1573-1637), Every Man in His Humour, 1598; Every Man out of His Humour, 1599; Volpone, or the Fox, 1605; The Alchemist, 1610; Thomas Middleton (1570-1627), z.B. A Mad World, 1608. <?page no="95"?> Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628) 87 nes Konzept von ihm abzuheben. Schon der Ersatz des utopisch-idealen Lusinia der Vorlage durch die mittelfranzösische Berglandschaft Cantal und der Bezug auf zwar durch Pseudonyme verkappte, aber leicht entschlüsselbare Städte Frankreichs - Comhydoria („am Rand des Wassers“, wobei Comungedeutet bleibt) ist die volksetymologische Übersetzung von Bordeaux, Astycrium („herrschende Stadt”) ist Toulouse, Argyroploeum („Geldschiff”) ist Paris - macht deutlich, dass sein Roman im eigenen Lande spielt. Auch die Personen, deren meistens aus griechischen Wörtern gebildete Pseudonyme zur Entstehungszeit des Werkes sicher leichter zu entschlüsseln waren als im 20. Jahrhundert, gehören dem politischen Leben einer genau definierten Zeit und historischen Zusammenhängen an. Der Terminus post quem ist der Tod König Heinrichs IV. und die Krönung Ludwigs XIII. im Jahr 1610, der Terminus ante quem der Tod der Margarete von Valois („La reine Margot“) 1615 oder spätestens der Tod Concinis, des Ministers Ludwigs XIII., im Jahr 1617. Frankreich ist durch den Machtkampf zwischen Heinrich II. von Bourbon, Fürst von Condé („Protarchon”), und König Ludwig XIII. („Neoptolemus”) gespalten, der, weil noch nicht volljährig, unter der Regentschaft seiner Mutter, Maria von Medici („Dea Felicitas”), steht. Über diese politische Situation berichtet im Roman sehr ausführlich Thalassio, der Historiker Jean-Auguste de Thou, der unserem Helden kurz vor seiner Ankunft in Paris begegnet. Er ist die einzige Person des Romans, die uneingeschränkt als ernsthafter, standfester Charakter geschildert wird. Als Berater des französischen Königs ist er um die Wiederherstellung des Friedens bemüht. Aber der Auftritt seines Gegners Protarchon zusammen mit Heinrich von Bouillon, im Roman „Pyrgus“ genannt, und César von Bourbon, Herzog von Vendôme, im Roman „Anaktonothus“ („der falsche Herr“), an der Spitze ihrer aufständischen Truppen zeigt, dass de Thous Bemühungen vergeblich sind. Der Historiker klärt den jungen, noch politisch naiven Gaeomemphio über den französischen Machtkampf (Kap. 183- 186) auf, er schildert ihm auch Italien, die Entartung des Papsttums durch Macht und Reichtum und die vergeblichen Reformversuche, die alles nur noch verschlimmert haben (Kap. 191-195), und endet mit einem rhetorisch brillanten Pamphlet gegen die Heuchelei der amoralischen Kardinäle (Kap. 196-201). Gerade in diesen Abschnitten verspüren wir keine Absicht des Autors, seine Leser bloß zu unterhalten. Selbst als Satire könnte man seinen Roman angesichts der direkten Analysen der politischen Lage kaum bezeichnen: Es handelt sich um eine durch die Pseudonyme kaum verhüllte politische Stellungnahme, die in dem Roman Barclays kein Vorbild findet. Es ist ein durch die lateinische Sprache verhülltes, aber in der Aussage scharf kritisches politisches Manifest. Der andere originale Aspekt dieses Romans ist die Schilderung der Charaktere und ihres sich immer zum Schlechten neigenden Wandels. Dies zu <?page no="96"?> Jürgen Blänsdorf 88 entdecken bedarf es der Analyse der weitgespannten Erzählstruktur, die der episodischen Struktur der Vorlagen überlegen ist. Denn Guyet verzahnt die Ereignisse um die zahlreichen Personen so, dass er ihre Schilderung erst nach längeren Erzählstrecken wieder aufnimmt, um dann zu enthüllen, dass das zuerst entworfene Charakterbild nur eine Durchgangsstufe zum Schlechteren darstellte. Gaeomemphio, geboren in Cantal, dem hinterwäldlerischen, aber noch moralisch integren Bergland der Auvergne, hat eine vorzügliche humanistische Bildung genossen und will nun in die Fremde ziehen, um als Lehrer seine Bildung weiter zu verbreiten. Nachdem er wie sein Vorgänger Euphormio von einem Reisegefährten zwar über einiges aufgeklärt wurde, was ihn in der Welt erwartet, aber auch von ihm bestohlen wurde, gerät er in Bordeaux als erstes an „Alopecius“, in Wirklichkeit Johann Ludwig von Nogaret, Herzog von Épernon (1554-1642), dessen redendes Pseudonym seine füchsische Schläue verrät: Aus armen Verhältnissen stammend, hat er dank Tüchtigkeit sein Glück als General gemacht und versucht nun, durch rücksichtslose Eroberungen reich zu werden und seine niedere Herkunft vergessen zu machen. Dieser Parvenu nimmt zwar Gaeomemphio als Lehrer seines Sohnes auf, aber als dieser Sohn, schon moralisch verdorben, sich bei seinem Vater über die strengen Erziehungsmethoden seines neuen Lehrers beschwert, wird Gaeomemphio verprügelt. Er flieht und entkommt nur durch eine üppige Bestechung des Offiziers, der ihn im Auftrage seines erbosten Dienstherren verfolgte. Alle Beteiligten haben ihren wahren Charakter verraten, und Geld, nicht Moral und Bildung regieren die Welt, ist Gaeomemphios bittere Erkenntnis. Der zweite Fall ist der seines Landsmannes Automolus, der wahrscheinlich keine historische Persönlichkeit ist, sondern das Gegenbild des Gaeomemphio. Sein redender Name „Automolus“ („Überläufer, Flüchtling“) charakterisiert seinen sich über den gesamten Roman erstreckenden Werdegang. Er ist seinen Eltern entflohen, um einen geistlichen Beruf zu ergreifen (Kap. 60-61). Mit Demut und einem tüchtigen Einstandskapital gelingt es ihm in der Tat, in den Jesuitenorden aufgenommen zu werden. Für das Zögern seines Freundes Gaeomemphio, der von dem Orden ebenfalls begeistert ist, aber zunächst noch die Freuden des Stadtlebens von Astycrium = Toulouse genießen will, hat er nur Verachtung übrig (Kap. 70-73). Aber gegen Ende des Romans (Kap. 226-229) hören wir von seinem völligen Gesinnungswandel. Er ist aus dem Jesuitenorden, dessen Heuchelei er bald durchschaut hatte und dessen Luxusleben er verachtet, ausgetreten und zunächst in seine Heimat Cantal zurückgekehrt, um zur Freude seiner Eltern das frühere brave Leben wiederaufzunehmen, dann aber war er plötzlich des Landlebens überdrüssig geworden und suchte sein Glück in der großen Politik. Mit Hilfe mächtiger Freunde gelangte er bis an den Hof König Ludwigs XIII. Nun zieht er 1615 anlässlich der Hochzeit des Königs mit Anna <?page no="97"?> Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628) 89 von Österreich, der spanischen Königstochter, in Paris ein. 15 Er lebt jetzt also im Umkreis der höchsten Staatsmacht, lehnt es aber ab, seinem immer noch armen und in höchster Gefahr schwebenden Landsmann Gaeomemphio zu helfen. In seinen Ausreden, das Leben bei Hofe sei demütigend und höchst riskant, viel besser sei das schlichte Glück des Landlebens, das er selbst gerade hinter sich gelassen hatte, wirft er ein schlechtes Licht auch auf Ludwig XIII., den Gaeomemphio eigentlich verehrt und dem er sein Werk widmet (Kap. 230-233). Solche romanhaft wirkenden und sogar mehrfach vollzogenen Gesinnungswechsel, hier an dem sicher fiktiven Automolus veranschaulicht, sind für diese Zeit mehrfach historisch belegt, und der Verfasser hat mehrere solcher Personen unter leicht durchschaubaren Pseudonymen in seinem Roman auftreten lassen. Hinter „Hilario“, dem „Vergnügten”, verbirgt sich der Herzog von Joyeuse, ein Mann adliger Abkunft, aber ohne höhere Bildung, der eine erfolgreiche militärische Karriere gemacht, sich aber nach dem frühzeitigen Tod seiner geliebten Frau Catherine von Nogaret ins Kapuzinerkloster zurückgezogen hat (im Roman werden die Kapuziner Poenioduli genannt). Nach zwei Jahren war er jedoch der Buße überdrüssig und warf sich ganz den weltlichen Vergnügungen in die Arme (Kap. 136-138). Gaeomemphio begegnet ihm in seiner Absteige als Symposiarchen einer Runde wüster Saufbrüder (Kap. 75; 92-99). Als Gaeomemphio durch eine Anklage wegen Körperverletzung in höchste Bedrängnis gerät, befreit ihn Hilario zwar durch einen offenkundig manipulierten Prozess, lässt ihn dafür aber mit niedrigsten Diensten büßen (Kap. 151-155). Hieran schließt sich mühelos das vierte, am raffiniertesten erzählte Exempel der Charakterstudien an. Denn als Gaeomemphio dem Dienst bei Hilario entkommen will, versucht er sich in den Jesuitenorden zu flüchten. Das Pseudonym des Abtes ist „Ganicius“, ein weiteres Anagramm des Namens des Ordensgründers Ignatius von Loyola wie der „Acignius“, dem wir bei John Barclay begegneten. Bei Guyet ist Ganicius ein Jesuit aus Paris, der wegen seiner allgemein bewunderten Frömmigkeit zur moralischen Autorität aufgestiegen ist. Aber als er im Bewusstsein dieser Anerkennung alle Menschen rigoros kritisierte, wurde er aus dem Amt gejagt und musste Paris verlassen. Doch wegen des daraufhin erfolgenden Niederganges von Glaube, Moral und Kultur wurde er bald wieder zurückgerufen und wirkt nun in Astycrium = Toulouse (Kap. 42-46). Der schon erwähnte Automolus, der sein Schüler werden will, rühmt dessen universale Gelehrsamkeit und seine theologischen, moralischen und philosophischen Werke, die zwar mehr wegen ihres Stils als wegen ihres Inhalts gelesen würden, aber doch der nutzlosen Quisquilien-Gelehrsamkeit der Zeitgenossen bei weitem überlegen seien. Aber auch gedichtet habe er und sogar über Ackerbau gehandelt - ein wahrhaft universaler Geist! Weil Gaeomemphio in ihm einen Geistes- 15 Hieraus lässt sich das fiktive Datum der Pariser Ereignisse dieses Romans berechnen: Noch lebt die im gleichen Jahr 1615 verstorbene Margarete von Valois. <?page no="98"?> Jürgen Blänsdorf 90 verwandten gefunden zu haben glaubt, will auch er sofort sein Schüler werden und ergeht sich zusammen mit Automolus in einer Kritik der falschen Moral und der Sinnlosigkeit der zeitgenössischen Erziehung und insbesondere des Jurastudiums (Kap. 49-55). Das Lob des Ganicius ist so übertrieben, dass der Leser misstrauisch werden müsste - freilich noch nicht seine Protagonisten. Das erste Signal für die Entlarvung des Ganicius ist die Beschreibung seines riesigen und luxuriösen Palastes (Kap. 86-87). Als nun um einiges später Gaeomemphio in höchster Not zum Jesuitenpalast flieht, wird er trotz seines Hinweises, nach Herkunft, Bildung, Moral und Schicksal sei er ein Ebenbild des Ganicius, von diesem mit höhnischen Worten als einer der vielen Bettelstudenten abgewiesen (Kap. 155). Nach den ersten drei in tiefer Verzweiflung verbrachten Nächten erkennt er die Heuchelei des Ganicius und ergreift freudig die Gelegenheit, als Lehrer in einer anderen, durch die Konkurrenz des Ganicius ruinierten Schule zu wirken und ein gepfeffertes Pamphlet gegen jenen zu verfassen (Kap. 172-177). Ganicius reagiert darauf zunächst freundlich, ja schmeichelhaft, aber nur, um Gaeomemphio in aller Ruhe vor Gericht zu bringen und ihn des Landes verweisen zu lassen (Kap. 178). Der am Anfang des Romans hochgerühmte Jesuit ist in seiner ganzen Heuchelei entlarvt. Aber der Erzähler hat den Leser auf diesen Umschwung lange warten lassen, ein Indiz für seine Fähigkeit zu weitreichenden Spannungsbögen. Unser letztes, für Gaeomemphio endgültig schicksalhaftes Exempel des Charakterwandels bzw. der Entlarvung ist Margarete von Valois, die erste Frau des Königs Heinrich IV., die ihm in der Nähe des Königspalastes als geheimnisvolle Schöne begegnet, als er um einen Empfang bei der Dea Felicitas nachsucht, hinter deren Pseudonym sich Maria von Medici, die zweite Frau Heinrichs IV., verbirgt, die seit dem Tode des Königs 1610 die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Ludwig XIII., im Roman Neoptolemus genannt, führte. Hier ist die tatsächliche Situation der Jahre zwischen 1610 und 1615 eingefangen: Die beiden Königinnen hatten sich arrangiert, denn die machtbewusste Maria von Medici führte die Regentschaft, Margarete von Valois gab sich trotz bereits fortgeschrittenen Alters ihren zahlreichen Liebesaffären hin, führte aber nach außen hin das Leben einer frommen Frau. Gaeomemphio erhält bald nach der ersten flüchtigen Begegnung von ihr einen leidenschaftlichen Liebesbrief und glaubt, beglückt durch diese seine erste Liebe, nun endlich aus der ewigen malitia fortunae („Bosheit des Schicksals“) befreit zu sein. Das Liebesglück währt jedoch nur kurz, denn während die von ihm geliebte Frau wieder einmal den Gottesdienst besucht, warnt ihn ein alter Mann vor seinem sicheren Unglück. Denn sobald Margarete seiner Liebe überdrüssig sei, werde sie ihn ebenso wie ihre vielen früheren Liebhaber ermorden lassen (Kap. 211-243). Gaeomemphio flieht und sucht seine Rettung bei „Melanius“, womit Concino Concini, Marschall von Ancre, der mächtige Minister der Maria von Medici gemeint ist. Aus dieser Episode möchte ich eine kleine Stilprobe <?page no="99"?> Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628) 91 zitieren, aus der die Eigenarten des asianischen Romanstils deutlich werden: die Suche nach dem gewählten Ausdruck und der Nominalstil mit der Häufung substantivischer und adjektivischer Attribute, insbesondere von Superlativen. Die Quellen sind praktisch die gesamte antike Latinität einschließlich abgelegener Autoren. Leider enthält der Abschnitt keine der sonst nicht seltenen Anspielungen auf die antike Geschichte und Mythologie. Die Zahl vorangestellter, eingeschobener und nachgestellter Nebensätze ist sehr beträchtlich; hinzu kommen die meistens durch Erweiterungen aufgeschwemmten konjunkten und absoluten Partizipialkonstruktionen. Charakteristisch sind auch die fast regelmäßige, oft weite Sperrungsstellung von Attribut und Bezugswort und die Stellung des Genitivattributs vor dem Bezugswort. Geht schon ein Substantiv voran, wie es in diesem Nominalstil, so auch hier gleich am Anfang des Abschnitts, häufig ist, so ist der Leser ständig gehalten, nur aufgrund des Inhalts zwischen zwei grammatisch möglichen Bezügen zu entscheiden (Kap. 243, 3-5): Cum igitur mentem meam et consilia praesentis calamitatis horror obruisset, nihil commodius videre potui quam ut a flagitiosissimae mulieris spoliario abstinerem. Itaque adorata ut oportuit mitissimi senis humanitate, in diversorium meum me citissime recepi, ubi eam vesperam inter varia argumenta cogitationesque consumpsi. Ac cum deinde tota nocte flagitium meum et libidinosae mulieris turpitudinem severissimis rationibus obiurgassem, omnino constitui repetere Melanii domum, ut, illius muneribus potens, scelestissimae Matronae, si quid tristius moliri vellet, obsisterem, aut in tutiorem regionem quamprimum discederem. Als daher mein Denken und meine Pläne der Schrecken über das bevorstehende Unglück überwältigt hatte, konnte ich nichts Geeigneteres sehen, als mich von der Mördergrube der allerverwerflichsten Frau fernzuhalten. Ich machte daher, wie es sich geziemte, der Freundlichkeit des so gütigen alten Mannes meine Komplimente und begab mich in höchster Eile in mein Quartier zurück, wo ich diesen Abend unter verschiedenen Überlegungen und Gedanken verbrachte. Und als ich dann die ganze Nacht meine Schandtat und die Schändlichkeit der wollüstigen Frau mit den ernstesten Gründen gescholten hatte, beschloss ich vollends, zum Haus des Melanius zurückzukehren, um, im Besitz seiner Vergünstigungen, der verbrecherischen Matrone Widerstand zu leisten, falls sie etwas Finstereres planen wollte, oder mich so bald wie möglich in eine sicherere Gegend zu entfernen. Als Melanius, der als äußerst vulgärer Parvenu geschildert wird, ihn hat hinauswerfen lassen, sodass er nun ohne jeden Freund und Helfer dasteht, erkennt er endgültig die Verworfenheit aller Menschen und kehrt fluchtartig in seine moralisch integre Heimat, das Cantal, zurück, wo er dann diesen Roman als Warnung für seine Landsleute und die Nachwelt schreibt (Kap. 246-247 und vgl. Einleitung des Romans). Alle Personen des Werkes, ob von hoher oder niederer Abkunft - mit Ausnahme des Thalassio, des Historikers Jean-Auguste de Thou - sind zwar nicht von Anfang an als lasterhaft geschildert. Aber getrieben von Ehrgeiz und beherrscht vom Bewusstsein ihrer <?page no="100"?> Jürgen Blänsdorf 92 Macht, verwandeln sie sich unter den Augen des Lesers in Scheusale. Nicht das Versagen eines humanistischen Bildungsideals ist das Thema des Werkes, sondern diese - wiederum in John Barclays episodischer Erzähltechnik nicht zu beobachtende - sukzessive Entlarvung oder Verwandlung der Charaktere, die der Romanheld leidvoll erlebt und mit genauer Not übersteht. Denn immer wieder bricht er angesichts der fortgesetzten malitia fortunae und seiner eigenen Hilflosigkeit in Tränen aus und überwindet mehr als einmal den Gedanken an Selbstmord nur durch den Willen zur Standhaftigkeit. Aber niemals endet eines seiner gefährlichen Abenteuer oder erniedrigenden Dienste im Gelächter wie bei John Barclay. Die einzige wirklich heitere Szene des Werkes ist die Schilderung, wie Gaeomemphio seinen neuen Gefährten Automolus mühsam weckt (Kap. 37, 9-13). François Guyet nimmt seinen Plan einer Satire ganz ernst - bei ihm gibt es buchstäblich nichts zu lachen. Die schlechte Rezeption seines Werkes war die - eigentlich doch unverdiente - Quittung dafür. Literatur Abel, Günter, Rezension von Desjardins 1972a, Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 35, 1973, 434-437. Berger, Günter, „Roman“, in: Der Neue Pauly 15.2, 2002, 943-948. Carver, Robert H. F., „The Rediscovery of the Latin Novels“, in: Hofmann 1999, 253- 268. Carver, Robert H. F. / Schaaf, Ingo, „Apuleius von Madaura“, in: Walde 2010, 45-67. Desjardins, Juliette (Hg.), John Barclay: Euphormionis Lusinini Satyricon (Eclogae), Avignon 1969. ___ (Hg.), Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628), Leiden 1972a. ___ (Üs.), Le roman satirique de Gaeomemphion du Cantal, Genf 1972b. Hofmann, Heinz (Hg.), Latin Fiction: The Latin Novel in Context, London 1999. IJsewijn, Jozef / Sacré, Dirk, Companion to Neo-Latin Studies, II, Löwen 1998. Köhler, Hartmut (Hg.), Lazarillo de Tormes: Klein Lazarus vom Tormes, Stuttgart 2006. König, Bernhard, „La vida de Lazarillo de Tormes, y de sus fortunas y adersidades“, in: Volker Roloff / Harald Wentzlaff-Eggebert (Hgg.), Der spanische Roman, Stuttgart 1995 2 , 30-46. Landolfi, Luciano, „Petron (Petronius Niger, Arbiter), Satyrica“, in: Walde 2010, 609- 634. Pike, Robert E. (Hg.), The Strangest Book in the World, being a careful translation of the only known copy of the Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon at the National Library in Paris, o. O. 1963. Walde, Christine (Hg.), Die Rezeption der antiken Literatur: Kulturhistorisches Werklexikon, Stuttgart / Weimar 2010. <?page no="101"?> Hermann Wiegand Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus Die Geschichte des lydischen Hirten Gyges, der durch ein Bündnis mit der Königin seinen Vorgänger ermordet, die Königin ehelicht und selbst König wird, ist in der Antike im Wesentlichen in zwei unterschiedlichen Berichten überliefert, von denen jener Platons in Politeia 359c6-360b2 schon dadurch wirkmächtig wurde, dass Cicero ihn in De officiis 3, 38 in lateinischer Fassung überlieferte. Bei Platon wie bei Cicero findet der Hirte Gyges in einer durch ein Unwetter entstandenen Erdspalte den Leichnam eines Mannes, der mit einem Ring geschmückt ist. Gyges findet heraus, dass der Ring unsichtbar macht. Als Bote zum lydischen Königshof gesandt, verführt er die Königin, tötet im Einvernehmen mit ihr den König und wird Herrscher über Lydien. 1 Neben der anders gearteten herodoteischen Version erfuhr gerade auch die platonisch-ciceronische Version eine vielfältige Rezeption. Am bekanntesten dürfte wohl Friedrich Hebbels Trauerspiel Gyges und sein Ring sein, das erstmals 1855 in Wien erschien. 2 Die neuzeitliche Rezeption der Fassungen der Gyges-Geschichte wurde von Regina Pichler im Rahmen einer Münchner Dissertation 1986 untersucht. Entgangen ist ihr offensichtlich ein umfangreicher, romanhafter Text, der zuerst mit dem Titel Gyges Gallus unter dem Verfassernamen Petrus Firmianus 1658 in Paris erschien und - z.T. mit anderen Werken des gleichen Verfassers, nämlich den Satiren Saeculi Genius und Somnia Sapientis - bis in das 18. Jahrhundert oft wieder gedruckt wurde. 3 Hinter dem Pseudonym Petrus Firmianus verbirgt sich der Kapuzinerpater Zacharie de Lisieux (1596- 1661), der - aus einem alten normannischen Adelsgeschlecht stammend - als Ange Lambert in Lisieux geboren wurde. Fragezeichen in Lexika zu diesem Geburtsnamen sind überflüssig. 4 Er trat in Rouen am 26. Juni 1612 in das Noviziat der Kapuziner ein. Der sehr begabte Prediger unterhielt Beziehungen zu Condé, Turenne und zum Duc de Bouillon, sowie zu Henriette de France, der Gemahlin Karls I. von England. Selbst Kaiser Leopold I. wollte den bescheidenen Mann - erfolglos - als Hofprediger gewinnen. Unter seinen nicht wenigen französischen und lateinischen Werken dürfte neben dem 1 Zu den antiken Gyges-Versionen und ihrer neuzeitlichen Rezeption vgl. Pichler 1986. 2 Vgl. dazu Pichler 1986, 117-134. 3 Zur Bibliographie Guéry 1911, 58-59. Die Bibliographie ist nicht vollständig. Beispielsweise kennt Guéry nicht eine 1743 in Tyrnau erschienene Auflage. Die tatsächliche Zahl der Auflagen liegt deutlich höher, als er vermerkt. 4 Vgl. zur Biographie Guéry 1911, 4-11 mit Angabe weiterer Werke. <?page no="102"?> Hermann Wiegand 94 Gyges Gallus eine scharfe Auseinandersetzung mit den Jansenisten unter dem Titel Relation du pays de Iansénie, où il est traitté des singularitez qui s’y trouvent, des coustumes, mœurs et religion, des ses habitans den höchsten Bekanntheitsgrad erlangt haben. Er publizierte diese Schrift wieder unter einem Pseudonym mit dem Verfassernamen Louys Fontaines, zuerst 1660 in Paris. Eine späte Ausgabe des Gyges Gallus erschien 1736 in Regensburg, herausgegeben von dem Weihenstephaner Benediktiner Gabriel Liebheit, zu dieser Zeit Professor Rhetorices am Lyzeum in Freising. 5 Diese Ausgabe enthält zahlreiche Noten, die vor allem (für Studenten? ) den nicht immer leicht zu verstehenden Text erläutern, aber auch an wenigen Stellen Hinweise auf sprachliche Parallelen und Quellen geben. So verweist Gabriel Liebheit etwa auf Parallelen zu John Barclay, dessen Kenntnis bei unserem Autor freilich ohnehin vorauszusetzen ist. Der Text wurde nicht nur 1663 und 1665 ins Französische übersetzt, sondern auch von Johann Georg Rinck seit 1684 (erneut 1697) unter variierenden Titeln ins Deutsche. Benutzt ist hier die Ausgabe von 1698, die unter dem Titel Neu entdeckte Frantzösische Staats- Larve die Gesellschaftskritik, die der patriotische französische Autor an den Zuständen der eigenen Gesellschaft übt, sicher ganz gegen dessen Willen instrumentalisiert, um das Frankreich Ludwigs XIV. als verderbt zu denunzieren. 6 Wenden wir uns dem Werk zu: Nach einer Widmungsvorrede an René de Longueil, Seigneur de Maisons, finden wir eine Icon Authoris, die die normannische Abkunft des Autors betont: Aus der Normandie stammten die Könige Großbritanniens und der Name ihrer Heroes, deren bloße Namensnennung einst schon den Feinden Furcht eingejagt habe. Der Autor gibt sich als heimatliebender Mönch zu erkennen, der seine Aufgabe darin sehe, der Welt von Nutzen zu sein. Eine weitere Vorrede an den Leser lässt durchblicken, dass der Held des Romans, Charmion bzw. Gyges, eine fiktive Persönlichkeit ist. Die Formtradition der menippeischen Satire, die zumindest in der lateinischen Literatur sich zumeist als Prosimetrum darstellt, ist wenigstens dadurch gewahrt, dass kurze Textzitate aus der römischen Dichtung, besonders Vergil, immer wieder inseriert werden, freilich bei weitem nicht in dem Umfang wie etwa im Euphormio John Barclays. Auch der ironisierende Ton, der bei Barclay immer wieder durchscheint, fehlt im Gyges Gallus weitgehend - außer dass gelegentlich die vermeintliche Tapferkeit des Adels ironisiert wird. Die Satire des Gyges Gallus ist von bitterer Schärfe und erinnert weit eher an Juvenal. Wie seit Barclays Euphormio, in dessen Tradition im Gefolge von Petrons Satyrica nach Auffassung etwa eines Schweizer Lexikons aus dem 18. Jahr- 5 Liebheit 1736 (im Folgenden zitiert als GG 1736). Außer dieser Ausgabe ist im Folgenden auch Firmianus 1665 benutzt. 6 Rinck 1698. <?page no="103"?> Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus 95 hundert der Gyges Gallus zu sehen ist, 7 üblich, wird der Leser in eine frühere Zeit versetzt (Ad proavos iter facio), in der in Gallien noch zahlreiche Druydarum […] monumenta („Monumente der Druiden“) zu finden waren. Unter diesen Monumenten entdeckt Charmion eines, das sich durch kundige astronomische Zeichnungen als das Grabmal des Fürsten der Druiden zu erkennen gibt. In diesem Grabmal findet Charmion den annulus, der ihn unsichtbar machen wird. Charmion beschließt nun, mit Hilfe dieses Ringes die Häuser der Franzosen - ohne gesehen werden zu können - aufzusuchen. Im Unterschied zum antiken Gyges geht es dem neuen französischen Gyges aber nicht darum, für sich selbst Vorteile aus seiner Unsichtbarkeit zu ziehen, er möchte vielmehr als Vir Religiosus („frommer Mann“; S. 13) die stolidi, aut etiam scelesti mores („dumme oder sogar verbrecherische Sitten“; S. 10) kennenlernen, um ihre Fehler besser bekämpfen zu können (commodior mihi ad vitiorum insectationem pateat via; S. 10). In den folgenden 28 Kapiteln geht es nun darum, verschiedene Laster zu beobachten und aufzuzeigen. Der durchgängige Erzählfaden besteht darin, dass Charmion-Gyges immer neue Häuser aufsucht, eben um verschiedenartige Laster zu beobachten. Dabei wird die Fiktion, er bewege sich in einer fernen Zeit am Beginn der französischen Geschichte, schnell aufgegeben. Schon in den ersten Kapiteln wird deutlich, dass sich Charmion-Gyges im zeitgenössischen Frankreich des 17. Jahrhunderts befindet, genannt wird etwa der Name Ludwigs XIII. In einer Zusammenfassung am Ende des Werkes, als Charmion-Gyges sein Ende nahe fühlt, resümiert er voll ironischer Bitterkeit, was ihm mit Hilfe seines Ringes zu sehen möglich war und was zugleich den Gang des Buches konstituierte: 8 Puto, beatus sum, quòd immanes aras vidi; coelos pauperes; turpiter pios, Christianos absque DEO, latentem haeresim; insana convivia; tormenta Magnatum; judicum artes et crimina; ventres male pastos, ut vestis ac suppellex fulgeat; infausta conjugia; recentis fortunae barbaros mores; literatam insaniam; oppressos ab 9 ingenuis rusticos; violatam ab helluonibus abstinentiam; nobiles vino mersos; laesum numen a blasphemis; aulicae vitae tempestates; senum ineptias; assentationem in Principes; impotentis invidiae multiplices dolos; castitatem inter tripudii faces peremptam; theatrorum spurcitias; fictas aegritudines; picturae delicta; enervos viros; figmenta aetatis: an haec qui non videt miser est? Ich glaube, ich bin glücklich, weil ich ungeheuerliche Altäre zu sehen bekam, und ärmliche Himmel, auf schändliche Weise Fromme; Christen ohne GOTT, verborgene Ketzerei, maßlose Gastmähler, Streitigkeiten unter den Fürsten, Kniffe und Verbrechen der Richter, Mägen, die schlecht gefüllt wurden, damit Kleidung und Hausrat glänze; unselige Heiratsverbindungen, ungehobelte Sitten schnell reich Gewordener; Wahnsinn der Gelehrten, Bauern, die 7 Vgl. Beck / Buxtorff 1742-1744, II, 330. Der anonyme Verfasser stellt Zacharie de Lisieux weit über Barclay. 8 GG 1736, 455. 9 So richtig Firmianus 1665, 338. GG 1736 bietet fälschlich ob. <?page no="104"?> Hermann Wiegand 96 von Adligen niedergedrückt werden, von Gierschlunden verletzte Enthaltsamkeit, Adlige, die im Wein ertrunken sind, die Gottheit beleidigt von Schmähsüchtigen, die Unwetter des höfischen Lebens, die Torheiten alter Leute, Schmeichelei gegenüber den Fürsten; zahllose Fallstricke eines maßlosen Neides, Keuschheit, die bei schamlosen Tänzen verloren ging, schmutzige Szenen im Theater, vorgetäuschte Erkrankungen, Schamlosigkeiten in der Malerei, weibische Männer, vorgetäuschte Lebensalter: Oder ist etwa der, der das nicht zu sehen bekam, elend? Deutlich wird in dieser Rückschau, dass sich im Gyges Gallus Klagen über konkrete gesellschaftliche Missstände wie etwa die streng verurteilte Bestechlichkeit der Richter oder die Verlogenheit der Höflinge, die statt dem König die Wahrheit zu sagen, ihm nur schmeicheln, mit ebenso scharfen Angriffen auf religiöse Abweichler wie die Jansenisten verbinden, die sich angeblich - wie Cornelius Jansen - in ihrer Ablehnung der Willensfreiheit auf Augustinus berufen, in Wirklichkeit aber den Häretiker Johannes Calvin als ihren Abgott verehren oder die Libertins, die angeblich gute Katholiken sind, in Wirklichkeit aber in atheistischer Verblendung der Göttin Natur Altäre bauen. Firmianus macht - etwa in dem Kapitel Religio vindicata 10 - keinen Hehl daraus, dass Blasphemiker, gerade auch wenn sie von Adel sind, ohne weiteres mit dem Feuertod zu bestrafen seien. Dabei wird an einem Fallbeispiel deutlich, dass Firmianus-Lisieux das einfache Volk in seiner Haltung durchaus auf seiner Seite weiß. Häretische Bücher will er ebenso wenig in Bibliotheken dulden, auch wenn ihre Besitzer zugleich rechtgläubige Bücher besitzen, wie er auch konsequent für eine rigide Zensur eintritt. Unter den vermeintlich Gelehrten nimmt er Astrologen ebenso aufs Korn wie Alchemisten und - eine etwas merkwürdige Zusammenstellung - Rezensenten, die zwar selbst keine Bücher zu Stande bringen, umso unnachsichtiger aber die Fehler in denen von anderen aufspießen. In dem Abschnitt über die Astrologen in dem Kapitel Bibliotheca divitis 11 findet sich übrigens eine hübsch erzählte antikisierende Fabel: Als die Astrologen in die Enge getrieben werden, beschuldigen sie die olympischen Götter, Urheber ihres Geschäftes zu sein. Die beschuldigten Götter weisen mit ihrem Sprecher Merkur diese Vorwürfe weit von sich und verprügeln die Astrologen nach Strich und Faden. 12 Die deutsche Kritik an der „Französelei“ des Alamodewesens kehrt Firmianus in dem Kapitel Dionysia um, 13 in dem er den Franzosen vorwirft, Germani zu werden, weil sie deren Trunksucht, bekanntlich das deutsche Nationallaster, übernähmen. Ein sehr heikles Problem geht das Kapitel Androgyni an. 14 Es geht um Männer, die sich in Habitus, Schminke und Kleidung effeminieren. Ohne dass Firmianus es ganz offen aus- 10 GG 1736, 312-325. 11 GG 1736, 222-258. 12 GG 1736, 243. 13 GG 1736, 299-312. 14 GG 1736, 439-446. <?page no="105"?> Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus 97 spricht, ist hier die Neigung in weiten Kreisen des Hochadels angeprangert, homosexuelle Praktiken „nach italienischer Manier“ zu pflegen und sich Mignons zu halten. Philipp, der Bruder Ludwigs XIV. und in zweiter Ehe Gemahl der Liselotte von der Pfalz, spielte dabei eine prominente Rolle. Man hat sogar von einer regelrechten „Schwulenbewegung“ am französischen Königshof seit Ludwig XIII. gesprochen, die unbehelligt blieb, während an bürgerlichen Homosexuellen die Todesstrafe vollzogen wurde. 15 Obwohl davon auch kirchliche Kreise nicht unberührt blieben, wendet sich der Kapuziner Zacharie de Lisieux entschieden gegen einschlägige Praktiken, wie er auch in dem Kapitel Juvenis anus 16 alte Damen scharf verurteilt, die sich jugendlich gebärden. Hier wird der unsichtbare „andere“ Blick dessen evoziert, der gehofft hat, die Menschen seiner Zeit in seinem orthodox-katholischen Sinn bessern zu können. Werner von Koppenfels hat in seiner Monographie Der andere Blick, einer Analyse der menippeischen Tradition in der europäischen Literatur, 17 innerhalb dieser Tradition zwar den Kataskopos analysiert, den Blick des menippeischen Satirikers von oben, etwa Luis Vélez de Guevaras „Der hinkende Teufel“ (El diablo cojuelo, 1641), der in Alain René Lesages Le diable boiteux 1707 einen erfolgreichen Nachfolger finden sollte; 18 der Blick des unsichtbaren Charmion-Gyges scheint ihm indessen entgangen zu sein. Aus der Unsichtbarkeit gewinnt der Autor des Gyges Gallus gegenüber dem bloßen Zuschauer wie bei Guevara und seinem Nachahmer Lesage neue Spielräume, die seiner Absicht, Sitten bessern zu wollen, entgegenkommen: Er kann in das Geschehen eingreifen, ohne selbst wahrgenommen zu werden. Nehmen wir dafür zwei Beispiele, die zugleich für die Stoßrichtung der Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus signifikant sind: Im Kapitel Conjux aureus, 19 der im Wortsinn „goldene Ehegatte“, beobachtet Charmion- Gyges die Anbahnung einer ungleichen Heirat zwischen einer jungen Dame aus altadligem Geblüt und einem sehr reichen Emporkömmling (infirma stirpe editus; S. 190). Zu der Abkunft des Bräutigams „aus der Hefe des Volkes“ kommt noch hinzu, dass er von sehr beschränktem Verstand ist. Der höchst unglücklichen Braut, die sich der Heirat unbedingt verweigern will, da sie sich durch sie gegenüber den Ahnen versündigen würde (tanquam peccatura in avos), erscheint der Bräutigam als strohdumme bestia, ihrem in äußerster Geldnot befindlichen Vater als vitulus aureus („goldenes Kalb“). Der Vater argumentiert gegenüber seiner widerspenstigen Tochter, eine consuetudo sapientior („weiseres Verfahren“) habe in der Jetztzeit dafür gesorgt, dass auf vornehme Geburt kein Wert mehr gelegt werden müsse, und beruft sich dafür auf ein prominentes Beispiel, wo ein Vater seine Tochter 15 Vgl. dazu Van der Cruysse 1990, 153-202. 16 GG 1736, 446-452. 17 Vgl. von Koppenfels 2007. 18 Vgl. von Koppenfels 2007, 35. 19 GG 1736, 187-212. <?page no="106"?> Hermann Wiegand 98 trotz vorhandener adliger Freier an einen nichtadligen Reichen verheiratet habe. In der Tat reflektiert diese Konstellation den Konflikt des oft verarmten Adels von Geblüt mit der aufsteigenden städtischen Bourgeoisie, die durch die Verbindung mit dem alten Adel nobilitiert werden will und damit erheblich an sozialem Prestige gewinnt. Ein Freund des Vaters führt sogar das antike mythologische Beispiel des gamos zwischen Uranos und Gaia an, 20 um die Berechtigung solcher Mesalliancen zu unterstreichen. Als der Vater, dem auch die Tochter nicht das Recht abspricht, ihr einen Gatten zu bestimmen, auf seinem väterlichen Recht beharrt, wird die Tochter immer verzweifelter. Charmion-Gyges pflichtet ihr im Selbstgespräch bei. Schließlich kommt es dazu, dass die Tochter entweder aus Gram oder durch ein pharmacon („Gift“) zu Tode kommt. Bei den Exequien tritt nun der unsichtbare Charmion-Gyges auf den Plan, indem er eine schon in der Jugend erprobte Fähigkeit einsetzt. Er verändert seine Stimme so, dass die aufgebahrte Tote ihren Vater beschuldigt, an ihrem Tod schuld zu sein. Als die Verwandten wegen einer im Volk entstandenen Unruhe den Vater nötigen, an der Bahre die Tochter um Vergebung zu bitten, wendet der unsichtbare Gyges ihren Kopf ab, so dass es scheint, als verzeihe die Tote dem Vater nicht, und die Bestattung wird pavore [...] ac tumultu 21 („in Angst und Aufruhr“) mit Mühe zu Ende geführt. Damit ist das Kapitel von der ungleichen Ehe aber noch nicht beendet. Der Autor fügt eine weitere Facette an, indem er gegen eine konfessionsverschiedene Ehe zwischen einer Katholikin und einem Häretiker, also wohl einem Calvinisten, wettert. Eine solche Ehe vergleicht Petrus Firmianus mit der zwischen einer candida uxor („weiße Frau“) und einem vir aethiops („schwarzer Mann“), deren Kinder die Eltern nicht verleugnen könnten. 22 Obwohl auf beiden Seiten die Verwandten bereits den Ehekontrakt vorbereitet haben (und die Braut diesmal zustimmt), tritt wieder der unsichtbare Charmion-Gyges auf den Plan: Erst entwendet er die Federn, die zum Unterzeichnen bereit liegen, und schließlich den Kontrakt selbst, sodass beim katholischen Teil die Einsicht reift, diese Ehe widerspreche Gottes Willen und dürfe nicht zustande kommen. Firmianus nennt diesen nicht ohne unfreiwillige Komik inszenierten Diebstahl übrigens ein aequissimum furtum („völlig gerechtfertigter Diebstahl“). 23 Die Braut wird damit getröstet, dass ihre Heirat mit einem Häretiker wenig glücklich sein könne, verfalle er doch der ewigen Verdammnis, während sie in Christus leben dürfe. Das unsichtbare Eingreifen von Charmion-Gyges hat in beiden Fällen die Funktion, die rechte Ordnung der Dinge wieder ins Lot zu bringen. In diesem Kapitel zeigt sich eine nicht nur religiös motivierte konservative Haltung des Kapuziners: Selbst aus altem Adel stammend, verficht der 20 GG 1736, 192-193. 21 GG 1736, 207. 22 GG 1736, 209. 23 GG 1736, 210. <?page no="107"?> Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus 99 persönlich als bescheiden und demütig charakterisierte Mönch entschieden die althergebrachte Ständeordnung. Mesalliancen zwischen der aufstrebenden Bourgeoisie und dem alten Adel erteilt er eine ebenso entschiedene Absage wie Mischehen zwischen Katholiken und Häretikern. Er teilt diese eher konservative Einstellung mit vielen Satirikern der Barockzeit, nicht zuletzt aus dem deutschen Sprachraum. 24 Dieselbe Einstellung zeigt sich etwa auch in dem Kapitel Fortunae immemor, 25 in dem er am Scheitern des Sohnes eines porcarius („Schweinehirt“) demonstriert, dass der unkontrollierte soziale Aufstieg zum Scheitern führen muss. Auch hier übernimmt Charmion-Gyges die Rolle, den zu einer hohen Ehrenstellung im Dienst des Königs gelangten Sohn des Schweinehirten, der sich übrigens Bittstellern gegenüber äußerst hartherzig zeigt, an seine höchst bescheidene soziale Herkunft zu erinnern, indem er - selbst unsichtbar - vor seinen Sessel hölzerne Pantoffel platziert, die den Beamten an seine Herkunft erinnern. Als der darüber Erzürnte den Täter nicht ermitteln kann, zieht er sich in Begleitung des unsichtbaren Charmion-Gyges in sein Gemach zurück und hadert mit seinem Schicksal, ohne dem allgemeinen Gespött entrinnen zu können, da er nun als Emporkömmling entlarvt ist. Werden hier deutlich entschieden sozialkonservative Züge im Gyges Gallus sichtbar, heißt dies gleichwohl keinesfalls, dass Petrus Firmianus bzw. Zacharie de Lisieux seinem eigenen Stand unkritisch gegenüber stünde. Im Gegenteil: Immer wieder geißelt er das Verhalten des Adels besonders den Bauern gegenüber. Am nachdrücklichsten tut er dies in dem Kapitel Reguli, das von Landadligen und ihrem Verhältnis zu den Bauern handelt. 26 Die Rede ist zunächst von der Konskription von Militär im Kriegsfall, der an den Grenzen Frankreichs droht. Während einige Adlige aus patriae charitas („Vaterlandsliebe“) sich sofort zur Verfügung stellen, bleiben viele aus probrosus nobilitati timor („für den Adelsstand schändliche Furcht“) auf ihren Gütern. 27 Die ursprüngliche, ihn eigentlich legitimierende Funktion des Adels als Kriegerstand wird hier sehr deutlich und von Firmianus auch angesprochen. 28 Wieder greift Gyges zu seinem Ring, um ein Gespräch zu belau- 24 Vgl. etwa Freund 1972. 25 GG 1736, 212-222. 26 GG 1736, 259-283. 27 GG 1736, 260. 28 GG 1736, 262: Quam turpe ad tubam non moveri istos nobiles, qui ideò caeteros dignitate antecedent, ut ex ipso honore, ubi respublica periclitatur, & Rex hominibus indigent, invitentur ad obsequium! Plebis est, torpor iste, quae non nisi coacta, aut receptis intra viscera hostibus, commodat manus; & solùm praesto est, cum aut à Principe imperium instat, aut ab armis jam penè circa focos rutilantibus, periculum („Wie schändlich, dass diese Adligen dem Schlachtruf nicht folgen! Sie stehen ja gerade deshalb in höheren Würden als andere, damit sie - wenn der Staat in Gefahr ist und der König Leute braucht - aufgrund ihrer Titel zur Gefolgschaft gehalten werden können. Pöbelhaft ist diese Regungslosigkeit, die nur unter Zwang oder wenn der Feind schon tief ins Innere eingedrungen ist, einen Finger rührt; die nur dann zur Stelle ist, wenn entweder ein Machtwort des Fürsten droht, oder die Gefahr von den Waffen, die beinahe schon um die Herde blitzen“). <?page no="108"?> Hermann Wiegand 100 schen. Als die Maulhelden über die Belagerung von Städten diskutieren, schwillt Gyges der Kamm: 29 Proh dedecus! Isti magna ex parte ensem gerunt, ut nihil pro patria agant, nihil audeant, & fortitudinis imagine obvelent segnitiem suam. In ipsis Galliae finibus minatur hostis; jam propè munimentis quibus tegimur, admovet ignes; diu ac valide in nos paratus, despicit tumultuaria arma; seros milites, tyronesque, quos exercitatis subito consilio objicimus; vocat honor ad partium auxilium; Rex ipse in castris est, & quiescunt! Oh Schande! Diese Kerle tragen das Schwert großenteils, um nichts für das Vaterland zu tun, nichts zu wagen und mit dem Anschein von Tapferkeit ihre Trägheit zu bemänteln. Mitten in Frankreich droht der Feind; schon legt er beinahe Feuer an die Festungen, von denen wir geschützt werden. Lange schon und stark gegen uns gerüstet, verachtet er zusammengewürfelte Haufen. Die Ehre ruft erst spät Soldaten, unserer Seite zu helfen, und Rekruten, die wir in raschem Entschluss ausgebildeten Truppen entgegenwerfen. Der König steht selbst im Feldlager, und sie liegen ruhig herum! In der Folge beobachtet Gyges im Schutz seines Ringes eine Szene, die einerseits zurückweist auf das besprochene Kapitel Coniux aureus, andererseits einen völlig neuen Aspekt bietet: Während sich die Adligen über Kriegsgeschehen unterhalten, erscheint plötzlich ein ganz übel zugerichteter Bauer, der über den Sohn des Hausherren bittere Klage führt. Dieser habe ihm, einer miserabilis hostia („beklagenswertes Schlachtopfer“) des adligen Sohnes, eine Nichte, die er nach dem Tod seines Bruders zu sich genommen habe, um sie zu gegebener Zeit dem Wunsch des Vaters gemäß zu verheiraten, geraubt, um sie einem seiner cubicularii zur Frau zu geben. Das impar conjugium („ungleiche Heirat“) erscheint jetzt aus der Sicht des Bauern als Unrecht. Als er, der Bauer, sie zurückgefordert habe, sei er jämmerlich misshandelt worden. Ein den Bauern begleitender Priester bestätigt dessen Aussage. Jetzt passiert etwas Merkwürdiges: Hatten die Adligen anfänglich mit dem geschundenen Bauern Mitleid, kippt nun ihre Stimmung völlig ins Gegenteil: Sie behaupten jetzt, der Bauer sei zu Recht bestraft worden, da er sich dem legitimen Wunsch seines Herrn, dem er Gehorsam schulde, widersetzt habe. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass ein Brief des Sohnes eintrifft, in dem er die Bauern schlimmer Widersetzlichkeit beschuldigt, weil sie eine Allmende, die der Herr mit Billigung des Königs als sein Gut eingezogen habe, aus incondita temeritas („chaotische Verwegenheit“) gewaltsam besetzt hätten. 30 Wieder sind die Adligen sofort bereit, mit brutaler Gewalt gegen die unbotmäßigen Bauern vorzugehen. Die Stellungnahme des Charmion-Gyges zu diesem Verhalten ist unmissverständlich: 31 29 GG 1736, 261. 30 GG 1736, 268. 31 GG 1736, 270. <?page no="109"?> Stände- und Gesellschaftskritik im Gyges Gallus des Petrus Firmianus 101 O Regulos! ait apud se, quàm insolenter concessis titulis abutimini! Ad hoc ergo stirpis honor ut agrestes pro mancipiis haberetis? Oh ihr Adligen, sagte er bei sich, wie schamlos missbraucht ihr die euch übertragenen Rechte! Besteht also darin die Ehre eurer Abstammung, dass ihr die Bauern als Sklaven haltet? Auch den Bauern müsse das Recht unbestritten bleiben, ihre Töchter nach ihrem Willen zu verheiraten. Die Aneignung der Allmenden emendicato diplomate 32 („mit einer erschlichenen Urkunde“) sei vollends ein schreiendes Unrecht. Charmion-Gyges sieht sich in seiner kritischen Haltung gegenüber dem Landadel wenige Monate später entschieden bestätigt, als er wieder im Schutz seines Ringes bei einem Fest eine Bauernversammlung belauscht, bei der ein Sprecher der Bauern verlangt, die Adligen müssten zur modestia („Mäßigung“) gebracht werden. Der Herr des Landes, dem sie untertänig seien, habe den König betrogen, indem er Geld, das der König für die Konskription von Soldaten bereitgestellt hätte, zu seinem eigenen Vorteil beiseitegeschafft habe. Man müsse dem König von diesem schändlichen Verhalten unverzüglich Mitteilung machen - am besten durch einen Brief. Freilich brauche man zur Übermittlung des Briefes einen in den höfischen Sitten geschulten Mann. Als die Bauern ratlos sind, wer ein solcher Überbringer sein könne, nimmt Charmion-Gyges heimlich den Brief an sich, um ihn selbst mit einem anonymen Begleitschreiben dem König im Schutz seiner Unsichtbarkeit zuzustellen. Seine drastische Darstellung der Lage der Bauern erinnert lebhaft an die Cahiers de Doléances im Vorfeld der Französischen Revolution: 33 Illorum [sc. rusticorum] verò sortem maximè deflebat, quod in pagis tot regulorum dominatu ita premerentur, uti si ex jugo & labore aestimanda sit natura, pecudes potiùs quam homines censueris. Nulli datur agello suo tutè frui: si ad latiorem Domini habitationem, vel ad serendas arbores, quae longo ordine ad illius fores adventantem quemque ambitiosè deducant, videtur commodum, deserenda est miseris paterna haereditas. Das Los der Bauern aber beweinte er sehr, weil sie auf dem Land unter der Willkürherrschaft so vieler Adliger derart bedrückt würden, dass - wenn man die Natur eines Lebewesens nach Last und Mühe beurteilen sollte - man sie eher für Vieh als für Menschen halten sollte. Keinem ist es vergönnt, sein kleines Gut ungefährdet zu genießen. Wenn es zur Vergrößerung des Gutes seines Herrn vorteilhaft scheint, oder um eine Baumallee zu pflanzen, die in langer Reihe jeden, der an dessen Toren ankommt, prunkvoll geleiten soll, müssen die Armen ihr väterliches Erbe verlassen. Wie zu sehen ist, steht Charmion-Gyges (und mit ihm der Verfasser) hier ganz auf der Seite der unterdrückten Bauern - auch dies fraglos im Blick auf 32 GG 1736, 271. 33 GG 1736, 278. <?page no="110"?> Hermann Wiegand 102 eine konservative Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Vom König wird erwartet, dass er die Bauern, die - wie Charmion-Gyges ebenfalls feststellt - die große Majorität der Bevölkerung darstellen und die übrigen Stände ernähren, in ihren Rechten schirmt. Diese Erwartung des Gyges geht zumindest in der Fiktion des Romans auch in Erfüllung. Der Brief gelangt mit Hilfe der Unsichtbarkeit des Charmion in die Hände des Königs. Dieser ist zwar über die anonyme Zustellung verwundert, lässt aber sofort eine Untersuchung anstellen und die schuldigen Adligen bestrafen. Überhaupt lässt sich feststellen, dass für Charmion-Gyges der König die Persönlichkeit ist, welche die Mittel zur Heilung der im Gyges Gallus angesprochenen sozialen Schäden in der Hand hat. Der bon roi des Selbstverständnisses des französischen Königtums ist der Maßstab, den Zacharie de Lisieux an die Heilung der Schäden anlegt. Im Rahmen der Tradition des neulateinischen Romans ist der Gyges Gallus ein recht singulärer Text: Ohne dass von einem bloßen Schlüsselroman gesprochen werden sollte - auch wenn einzelne ‚Täter‘ von Lisieux‘ Biographen Guéry namhaft gemacht wurden -, bietet er ein mit bitterer Schärfe gezeichnetes Bild der französischen Gesellschaft um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Man ist fast erstaunt, feststellen zu müssen, dass ihm bislang wenig Aufmerksamkeit in der neueren Forschung zuteil wurde. Dass dies nicht ganz gerechtfertigt ist, sollte mit diesem Beitrag gezeigt werden. Literatur Beck, Jakob C. / Buxtorff, August J. (Hgg.), Supplement zu dem Baselischen allgemeinen historischen Lexico, 2 Bde., Basel 1742-1744. Firmianus, Petrus (=Zacharie de Lisieux), Gyges Gallus, Paris 1665. Freund, Winfried, Die deutsche Verssatire im Zeitalter des Barock, Düsseldorf 1972. Guéry, Charles, Les œuvres satiriques de P. Zacharie de Lisieux, Évreux 1911. Liebheit, Gabriel (Hg.), Gyges Gallus sive Petri Firmiani ingeniosa in mores suae gentis quaestio, & animadversio, opus politicis, comicis, sacris et profanis oratoribus utilissimum, omnibus eruditis jucundissimum, Regensburg 1736. [= GG 1736] Pichler, Regina, Die Gygesgeschichte in der griechischen Literatur und ihre neuzeitliche Rezeption, Diss. München 1986. Rinck, Johann Georg (Üs.), Neu entdeckte Frantzösische Staats-Larve, bestehend in allerhand schönen Reden, sinnreichen Sprüchen und curiösen Historien; ehemals von dem vortrefflichen Petro Firmiano aus Franckreich dargestellet, hernach mit unterschiedenen Anmerckungen vermehrt, Leipzig 1698. Van der Cruysse, Dirk, „Madame sein ist ein ellendes Handwerck“: Liselotte von der Pfalz - eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs, München 1990. Von Koppenfels, Werner, Der Andere Blick oder Das Vermächtnis des Menippos: Paradoxe Perspektiven in der europäischen Literatur, München 2007. <?page no="111"?> Heiliges Römisches Reich und habsburgische Länder <?page no="113"?> Péter Kasza Parergi Philosophici Speculum Henricus Nollius’ hermetisch-rosenkreuzerischer Roman Am 28. Januar 1623 erschienen abends in der Privatwohnung des damaligen Universitätsrektors Helfricus Hunnius als Vertreter der theologischen Fakultät der Professor Justus Feuerborn und der Johannes Steuber und beschwerten sich, dass in Gießen zwei Schwärmer aufgetreten seien und unter den Professoren, Präceptoren, Studenten, Bürgern, überhaupt dem „gemeinen Manne“ Verwirrung stifteten. Es handele sich um einen gewissen Homagius und einen Dr. Heinrich Nollius […]. Von Nollius sei jetzt ein Traktat voller lästerlicher Sentenzen unter dem Titel Parergi philosophici speculum erschienen. Die theologische Fakultät bitte den rector magnificus kraft seines Amtes einzuschreiten, besonders das ärgerliche speculum des Nollius zu beschlagnahmen, damit es nicht weiter Unruhe stifte. 1 Mit diesem Auftakt beginnt Heinrich Klenk in seinem Artikel die Darstellung des Prozesses, dessen Protagonist Henricus Nollius, besser gesagt sein im Januar 1623 in Gießen unter dem Titel Parergi philosophici speculum (im weiterem: Speculum) erschienener Roman war. Im ersten Teil dieses Beitrags möchte ich kurz den Mann und das Werk vorstellen, die in einer stillen Universitätsstadt so große Empörung hervorriefen, dass angesehene Theologen einige Tage nach dem Erscheinen des Werks den Rektor aufsuchten, um seine sofortige Konfiszierung vorzuschlagen. Im zweiten Teil versuche ich die Frage zu beantworten, ob Nollius’ Werk als Roman angesehen werden kann, und wenn ja, um welchen Typ es sich handelt. Zum Schluss versuche ich, dieses Werk in eine umfangreichere Tradition einzugliedern. Wenden wir uns also am Anfang dem Verfasser zu. Es genügt, nur einen Blick auf Nollius’ Lebenslauf zu werfen, um zu sehen, dass er ein abwechslungsreiches, aber auch unruhiges Leben führte. Er wurde in Ziegenhain in Hessen um 1583 geboren 2 (und nicht um 1590, wie es in der früheren Literatur zu lesen ist - 1599 hat er nämlich schon sein Studium der Theologie in Marburg begonnen). Nach der calvinistischen Wende in Marburg (1604) folgte Nollius seinem Professor Johannes Winckelmann nach Jena, später, 1606, nach Gießen, wo er begann, Philosophie zu unterrichten. 1616 ging er als Professor für Mathematik und Medizin an das Steinfurter Gymnasium. 1 Klenk 1965, 45. 2 Meier-Oeser 2009, 173-174. <?page no="114"?> Péter Kasza 106 Dort wurde er aber wegen seiner Verbindungen zu den Rosenkreuzern 1620 entlassen. Inzwischen erwarb er dennoch den medizinischen Doktortitel 1618 an der Universität Marburg, die damals unter der Oberhoheit von Moritz von Hessen-Kassel, eines großzügigen Patrons der hermetischen Lehren, stand. Nach der Entlassung in Steinfurt fand er sich in Hamburg ein, wo er auf einen Prominenten der rosenkreuzerischen Bewegung, Joachim Morsius, traf. Im Dezember 1622 tauchte er wieder in Gießen auf, wo sein Roman veröffentlicht wurde, verbrachte hier aber bloß einige Wochen. Deswegen kann jene frühere Ansicht der Literatur wohl ausgeschlossen werden, dass Nollius damals zu den Professoren der Universität gehört hatte. Wegen des durch seinen Roman verursachten Skandals floh er nach Weilburg, wo er die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte. Nollius starb im Januar 1626. 3 Neben seinem Roman verfasste Nollius mehrere sich mit Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin beschäftigende Werke, ausschließlich auf Lateinisch und überwiegend im Geist der Pansophie und Hermetik. Die wichtigsten sind: Systema hermeticae medicinae (Frankfurt 1613), Physica Hermetica (Frankfurt 1619) und Via sapientiae triuna (Hamburg 1620). 4 Hier ist nicht der Ort, diese wissenschaftlichen Tätigkeiten von Nollius ausführlicher zu diskutieren, und interessierte Leser seien auf Stephan Meier-Oesers hervorragende einschlägige Analyse verwiesen. Ich möchte hier nur betonen, dass Nollius kein homo unius libri ist. Im Weiteren aber konzentriere ich mich auf seinen Roman. Nur wenige Exemplare dieses Romans sind erhalten, was vielleicht mit dem Skandal zusammenhängt, den sein Erscheinen verursachte. Nach den Angaben des Karlsruher Virtuellen Katalogs haben wir nur noch drei Exemplare, eines in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, eines in der Landesbibliothek Wiesbaden und eines in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen, Halle a. d. Saale. Die erste Auflage, 1623, blieb die einzige. Es gibt keine Übersetzungen außer der von mir publizierten ungarischen. 5 Man kann also mit Recht annehmen, dass das Werk und sein Inhalt den meisten Lesern unbekannt ist. Deswegen dürfte es sich lohnen, es auf den nächsten Seiten ganz elementar darzustellen und seinen Inhalt kurz zusammenzufassen. Der Roman, den ich selbst nur in Fotokopie gesehen habe, ist nicht allzu lang: Er umfasst insgesamt 141 Seiten und beinhaltet keine Abbildungen. Das Titelblatt bietet den Titel des Romans, Parergi Philosophici Speculum („Spiegel des philosophischen Beiwerks 6 “), den Untertitel, in quo ars et difficultas 3 Meier-Oeser 2009, 174-175. 4 Siehe Meier-Oeser 2009, 191-192 für eine ausführlichere, aber dennoch bloß provisorische Bibliographie von Nollius’ Werken. 5 Kasza 2003. 6 Den Rosenkreuzern galt die Alchemie bzw. die Produktion des Steins der Weisen als „Beiwerk“ (parergon), im Unterschied zum eigentlichen Werk (ergon) der Vervollkommnung der Seele. <?page no="115"?> Parergi Philosophici Speculum 107 conficiendi lapidem Philosophorum toti orbi consideranda exhibetur („in dem die Kunst und Schwierigkeit der Anfertigung des Steins der Weisen der ganzen Welt dargestellt wird“), den Namen des Verfassers (Henricus Nollius) und des Buchdruckers (Caspar Chemlin). Das Werk beginnt mit einer Widmung an die unreine Welt (mundo immundo). Darauf folgt ein Vorwort, die kurze Zusammenfassung der einzelnen Kapitel beinhaltend. Nach dem Vorwort fängt der aus 20 Kapiteln bestehenden Roman an, und zum Schluss ist ein mit erklärender Absicht geschriebenes Nachwort zu lesen. Der Protagonist des Romans ist ein zwanzigjähriger Jüngling namens Philaretus („der die Tugend liebt“ oder „Tugendfreund“). Am Anfang wird Philaretus benachrichtigt, dass irgendwo im Morgenland ein Schloss existiere, das „Schloss der Fortuna oder der Weisheit“ (arx Fortunae seu Sapientiae) genannt wird. Er entscheidet sich, zu diesem Schloss zu reisen und sich das dort aufbewahrte Wissen anzueignen. Während er einen passenden Wegweiser sucht, trifft er Aristoteles, Julius Caesar Scaliger und den Arzt Galen, aber einerseits kommt er mit ihrer Hilfe auf der Straße der Weisheit nicht weiter, andererseits begegnet er Paracelsus, der ihn warnt, dass die anderen drei Gelehrten einem Irrweg folgen. Leider hat aber Paracelsus keine Zeit, sich um Philaretus’ Probleme zu kümmern. Der junge Mann geht enttäuscht nach Hause. Er wendet sich an Gott und ruft ihn um Hilfe an. Gott erhört Philaretus und sendet ihm den Erzengel Gabriel, der Philaretus vorschlägt, den ägyptischen Weisen Hermes Trismegistos zu besuchen. Philaretus akzeptiert den Vorschlag, wird von Hermes beraten und auf den Weg zum Schloss der Fortuna gewiesen. Am nächsten Morgen rüstet sich Philaretus für den Weg, vergisst aber, zu Gott zu beten, und gerät aus diesem Grund in ein Labyrinth, wo er verschiedene Personen trifft, die eben wie er den Weg zum Schloss der Weisheit suchen und hoffen, den Stein der Weisen dort zu finden. Die erste dieser Personen ist der legendenhafte orientalische Priesterkönig Johannes, die zweite ein Alchemist namens Oviperda („der die Eier zerstört“), und die dritte ein Arzt namens Quercetanus. Aber bald wird klar, dass die Richtungen und Methoden dieser Autoritäten alle falsch sind. Schließlich erkennt Philaretus seinen Irrtum. Er betet wieder zu Gott, der ihm erneut einen Erzengel, diesmal Raphael, sendet, mit dessen Hilfe er aus dem Labyrinth herausfindet. Auf dem endlich gefundenen richtigen Weg fortschreitend, begegnet Philaretus verschiedenen hinterhältigen Gestalten wie Mammon, Baldus, einem Kurier, Proteus und zum Schluss Thomas Erastus, die ihn alle in Versuchung führen und von seiner Absicht abbringen wollen. Philaretus aber kann mit Hilfe der Frömmigkeit oder (im Fall von Proteus) mit Hilfe des dritten Erzengels, Michael, allen Versuchungen widerstehen. Zum Schluss kommt er zu einem Felsen, der zerbricht, als Philaretus mit Moses’ Stab dagegen schlägt. Aus dem Felsen springen zwei Drachen hervor, die einander letztlich wegen des günstigen Windes vernichten. Hinter dem Felsen findet Philaretus eine Höhle mit einem Tisch aus Smaragd, auf dem zwei Schlüssel liegen. Die Schlüssel öffnen das Schloss der <?page no="116"?> Péter Kasza 108 Fortuna. Philaretus öffnet das Tor und findet im Schloss eine Gemeinschaft von Weisen. Diese nehmen ihn in ihren Kreis auf. Im letzten Kapitel nimmt Philaretus als neues Mitglied der Gesellschaft an einer Tagung teil, auf der die Weisen über die Reformierung ihrer gelehrten Gesellschaft reden. Mit diesem Bild der Tagung endet der Roman. Die Entstehungsgeschichte des Romans ist weitgehend unbekannt. Früher wurde angenommen, dass Nollius ihn in Gießen geschrieben habe, während er dort an der Universität tätig gewesen sei. Das ist aber sicher falsch. Heinrich Klenk konnte aufgrund der Prozessakten überzeugend nachweisen, dass Nollius erst um Weihnachten 1622 in der Stadt angekommen war, und weil das Buch schon vor Ende Januar 1623 herausgegeben wurde, ist es höchst wahrscheinlich, dass Nollius den Roman schon mehr oder weniger fertig mitgebracht hatte. 7 Dem kann man noch hinzufügen, dass die Widmung an „die unreine Welt“ mit dem 4. Januar 1623 datiert ist. Der Text muss also Anfang Januar 1623 schon fertig gewesen sein. Wir wissen allerdings nicht, seit wann Nollius an dem Roman gearbeitet hatte. Einen gewissen Anhaltspunkt bieten zwei Briefe, die im zwölften Kapitel enthalten sind: Den ersten richtet Philaretus an seine Freunde, der zweite ist eine Antwort von diesen an Philaretus. Diese Briefe sind merkwürdigerweise datiert. Unter dem ersten befindet sich das Datum 26. Juni 1621, unter dem zweiten jenes vom 22. November 1621. 8 Es ist vorstellbar, dass diese Daten rein fiktiv sind. Sie könnten aber auch darauf hinweisen, dass sich Nollius bereits 1621 mit dem Roman beschäftigte. Das Buch selbst wurde mit Genehmigung der medizinischen Fakultät vom Universitätsdrucker Caspar Chemlin in 800 Exemplaren gedruckt. Sein Plan war, den Roman im Rahmen der Frankfurter Messe zu verbreiten. Dieser Plan wurde aber durch die spätere Beschlagnahmung des Romans verhindert. 9 Ist aber Nollius’ Werk tatsächlich ein Roman, und wenn ja, was für eine Art von Roman? Wenn wir von der antiken Romantradition (z.B. Longos, Heliodor, Apuleius, Petron) ausgehen oder auch die zeitgenössischen lateinischen (z.B. Argenis, Euphormio, Gaeomemphio) oder nationalsprachlichen (z.B. Don Quijote, Der Abentheuerliche Simplicissimus) Romane in Betracht ziehen, dann ist ein Roman ein prosaischer Text mit fiktiver Handlung, die keineswegs einheitlich sein muss. Sie hat aber zumindest einen Protagonisten, der die Ereignisse des Romans erlebt und deswegen die Handlung zusammenhält. Akzeptieren wir diese elementare Romandefinition, müssen wir Nollius’ Werk als Roman behandeln: Es hat einen Protagonisten, Philaretus; eine vergleichsweise kohärente Handlung, die Wanderung und Abenteuer des Philaretus; und einen fiktiven Plot, der eine fiktive Reise erzählt - die Reise ist überdies ein typisches Romanmotiv. 7 Klenk 1965, 47-48. 8 Nollius 1623, 89-91. 9 Klenk 1965, 48. <?page no="117"?> Parergi Philosophici Speculum 109 Aber was für ein Roman ist das Speculum? Vergleichen wir es mit anderen neulateinischen Romanen, fällt zunächst eine Reihe von Unterschieden auf. Von der Form her ist es eine Eigenheit, dass der Text mit der aus der Menippeischen Satire stammenden prosimetrischen Tradition bricht und ausschließlich in Prosa geschrieben ist. Vom Inhalt her muss betont werden, dass Liebe und Erotik überhaupt keine Rolle spielen und dass es keine einzige weibliche Gestalt im Roman gibt. Auch politische und satirische Elemente fehlen - insofern ist das Werk ganz anders gelagert als z.B. die berühmten neulateinischen Romane John Barclays. Es lohnt sich weiterhin zu bemerken, dass zwar eine Reise das zentrale Element der Handlung darstellt, doch der Reisende nicht wie in den Utopien in eine ideale Welt kommt. Außerdem gibt hier nicht ein Traum den Rahmen der Handlung vor, wie in den einschlägigen somnia von Kepler, Froidmont oder Athanasius Kircher. 10 In die von IJsewijn und Sacré gegebenen Kategorien für „fictional prose“ 11 lässt sich das Werk also nur schwer einordnen. Lässt sich aber das Werk nicht einem der oben erwähnten Typen zuordnen, mit was für einer Art Roman haben wir es dann zu tun? Heinrich Klenk hat geschrieben, dass Philaretus in gewisser Weise ein Vorfahr des Tamino aus der Zauberflöte sei und dass das Speculum uns Heutigen als ein harmloser Märchenmythos erscheine. 12 Ich denke jedoch, dass dieser Roman wesentlich vielschichtiger ist, als es die Rede von einem Märchen suggerieren könnte. Er ist auf mehreren Ebenen zu lesen und zu interpretieren. Ein oberflächlicher Leser kann den Text natürlich als einen einfachen Abenteuerroman ansehen. Als solcher wurzelt das Werk von Nollius tief in der antiken Romantradition: Die Handlung rankt sich um die Wanderung eines Helden, hat also eine gewisse Verwandtschaft mit einem Schelmenroman in der Art von Petrons Satyrica. Andererseits sucht Philaretus die Weisheit, die er am Ende des Romans auch erwerben kann - dementsprechend kann man den Text auch als einen Erziehungsroman lesen. Ebenso wie Lucius, der Held der apuleianischen Metamorphosen, wird Philaretus am Ende des Romans in ein Geheimnis eingeweiht, also können wir den Roman auch als einen Einweihungsroman lesen. Es ist aber klar, dass Nollius wegen eines Abenteuer-, Schelmen-, Bildungs- oder Einweihungsromans im Stil von Apuleius nicht angeklagt worden wäre. Seine Zeitgenossen lasen darin etwas Tieferes und Gefährlicheres. Ich denke, wenn wir Nollius’ Roman vor diesem Hintergrund kategorisieren wollen, müssen wir von einem Thesen- oder Lehrroman sprechen. Es scheint nämlich die wichtigste Intention des Schriftstellers gewesen zu sein, dass er, auf Elemente der Romantradition zurückgreifend, ein belletristisches Werk zur Popularisierung seiner wissenschaftlichen bzw. weltanschaulichen Theorien in einem breiteren Leserkreis verfasste. Konkret handelt es sich bei 10 Vgl. den Beitrag von J. Glomski in diesem Band. 11 Vgl. IJsewijn / Sacré 1998, 241-257. 12 Klenk 1965, 48. <?page no="118"?> Péter Kasza 110 diesen Theorien um die Ablehnung des traditionellen akademischen Wissenschaftssystem und die Propagierung der hermetischen Philosophie und Epistemologie. Wie tauchen diese Ideen im Werk auf? Nollius stellt schon im Vorwort des Romans fest, dass (seiner Meinung nach) zwei Fragen seine Zeitgenossen erregten, nämlich ob die seit Jahren im Gerede stehende Gesellschaft (Fraternitas) der Rosenkreuzer existiert und wenn ja, ob sie das parergon der Philosophen, den Stein der Weisen, der die Vollständigkeit des Wissens garantiert, besitzen. 13 Der Leser scheint also einen Roman über die Rosenkreuzer in die Hand genommen zu haben. Nollius beantwortet die Fragen aber gleich selbst, um das Missverständnis zu beseitigen. Er sagt nämlich, falls jemand bei den Rosenkreuzern an Weise denke, die ihr Wissen über die Natur sowie das Übernatürliche Gott verdanken, so existierten diese Weisen ohne Zweifel. 14 Der Autor macht also bereits im Vorwort klar, dass er im Roman nicht im eigentlichen Sinn die Gesellschaft der Rosenkreuzer verteidigen oder ihre Existenz beweisen möchte, sondern dass jene Prinzipien, die die Rosenkreuzer vertreten, tatsächlich gültig sind. Daran anschließend demonstriert der Roman den Weg, wie jemand die von Gott stammende richtige Weisheit erwerben kann. Wie schon erwähnt, hat der Protagonist Philaretus einen sprechenden Namen. Dies gilt sogar in zweierlei Hinsicht: „Philaretus“ bedeutet einerseits „Tugendfreund” und kündigt damit schon die Hauptmotivation des Protagonisten an; anderseits ist dieser Name wahrscheinlich auch eine Anspielung auf einen Geistesverwandten von Nollius, Joachim Morsius, der Nollius’ Werk Via sapientiae triuna in Hamburg 1620 herausgegeben und als Schriftsteller den Decknamen Philarethes benutzt hat. Für jene Leser, die mit der hermetischen Literatur vertraut waren, war diese Anspielung wohl auf den ersten Blick klar. Der hermetischen Philosophie zufolge hat die Erkenntnis drei Quellen, wie es in Nollius’ Werk über den dreifaltigen Weg der Weisheit (Via sapientiae triuna) zu lesen ist. Diese Quellen sind wie „Bücher“, welche Gott schrieb, damit die Weisen seine Intentionen erkennen können. Das erste Buch ist die Heilige Schrift; das zweite ist die Welt, der Makrokosmos; und das dritte ist der Mensch, der Mikrokosmos. Wer diese Werke Gottes ausdauernd und sorgfältig erforscht, kann die Weisheit erwerben. Die Zahl „Drei“ hat von daher auch eine Bedeutung in der hermetischen Philosophie. Es ist vor diesem Hintergrund nicht überraschend, dass die Abenteuer des Philaretus in drei größere Teile gegliedert sind. 13 Nollius 1623, 5-6: Duo sunt, quae hoc tempore ingenia hominum maxime exercent. 1. Num Fraternitas R. C. multis abhinc annis decantata in rerum sit natura. 2. Num etiam parergon philosophorum unquam datum fuerit, seu num fuerint vel adhuc sint homines, qui artem conficiendi lapidem Philosophorum sciverint sciantve. 14 Nollius 1623, 6: Si Fratres R. C. sunt sapientes, qui naturalium et Divinarum rerum cognitionem ex singulari Dei gratia et benedictione habeant, tincturamque Philosophicam possideant, tales olim fuisse, iam esse [...] nullus dubito. <?page no="119"?> Parergi Philosophici Speculum 111 Der erste Teil handelt von der Suche nach dem Weg zur Weisheit. Unser Held ist ratlos, welche Disziplin er wählen soll, um echte Weisheit zu erlangen: Er denkt an Philosophie, Medizin, Rechtswissenschaft und Theologie; als Alternative erwägt er auch die hermetischen Wissenschaften. Die Hermetik ist hier eine den traditionellen Wissenschaftszweigen gleichrangige Disziplin. In den ersten zwei Kapiteln begegnet der ratlose Philaretus verschiedenen Weisen der Geschichte: zuerst Aristoteles und seinem Anhänger, Julius Caesar Scaliger, dann dem Arzt Galen. Sie schlagen ihm die herkömmlichen Disziplinen und Erkenntnismethoden vor, aber diese Wissenschaften erweisen sich bald als falsch. Dieser Abschnitt zeigt, auf welchen Wegen die Menschen versuchen, in die Nähe der Weisheit zu kommen. Weil aber die Überlegungen der Philosophen, Juristen, Ärzte und Theologen bloß Erfindungen des menschlichen Geistes sind, können sie nicht zur richtigen Erkenntnis führen. Nollius demonstriert in diesem Abschnitt, dass die wahre Weisheit mit Hilfe der akademischen Wissenschaften nicht zu erwerben ist. Am Ende des zweiten Kapitels taucht plötzlich Paracelsus auf, der Philaretus erklärt, dass die Lehren der Philosophen, denen er bisher begegnet ist, völlig nutzlos seien. Paracelsus hat aber keine Zeit, Philaretus selbst zu belehren und ihm den richtigen Weg zu zeigen. Deswegen vertraut sich unser Held Gott an, der ihm den richtigen Weg zeigen möge. Mit dieser Szene endet der erste Teil. Die nächsten zwei Kapitel, das dritte und das vierte, können als das erste Zwischenspiel interpretiert werden. Philaretus kehrt verzweifelt heim und beginnt zu beten. Das Beten und die Frömmigkeit haben große Bedeutung in Nollius’ System. Philaretus befindet sich auf einem Irrweg, solange er hofft, von den Menschen jene Richtlinie zu bekommen, die nur Gott geben kann. Paracelsus ist da keine Ausnahme. Gerade deswegen versucht er ja nicht, Philaretus einzuweihen. Gott aber erhört das Beten des jungen Mannes und schickt ihm den Erzengel Gabriel, der Philaretus anweist, Hermes Trismegistos zu besuchen. Philaretus erfährt von Hermes: „Die wahre Weisheit liegt nicht in der Kenntnis von Meinungen, sondern in der Erfassung der von Gott und der Natur stammenden Dinge […]. Wenn wahre Bücher etwas über die Weisheit sagen, dann schöpften dies deren Verfasser aus Gott und der Natur.“ 15 Wie schon erwähnt, sind das die Grundprinzipien der Hermetik: Die Erkenntnis stammt von Gott, und man kann sie nur aus den von Gott geschaffenen ‚Büchern’ schöpfen. Die Natur, der Makrokosmos, ist eines dieser Bücher Gottes. Um die von Hermes beschriebene wahre Weisheit zu erwerben, muss Philaretus gen Osten zum Schloss der Fortuna reisen. Der Weg ist lang, anstrengend und gefährlich. Wenn aber Philaretus beharrlich ist und auf Gott vertraut, kann er das Schloss erreichen. 15 Nollius 1623, 38: Sapientia vera non in opinionum cognitione, sed in rerum ex Deo et natura apprehensione consistit. [...] Veri libri, si quid sapientiae dicunt, id auctores eorum ex Deo et natura hauserunt. <?page no="120"?> Péter Kasza 112 Es ist wichtig, die Funktion von Hermes als Mittler zu betonen. Er zeigt Philaretus zwar den Weg zur wahren Weisheit, ist aber selbst nicht die Quelle des Wissens, sondern nur ein Psychopompos („Seelenführer“), der als Beauftragter Gottes die Erwählten in ein Geheimnis einweiht. Bevor sich Philaretus aber auf den Weg zum Schloss der Fortuna macht, organisiert er für seine Freunde noch ein Festmahl und teilt ihnen seine Pläne mit. Das Festmahl gibt Nollius die Möglichkeit, durch die Meinungen der Freunde das allgemeine Misstrauen gegen die Hermetik darzustellen. Seine Freunde warnen Philaretus vor Hermes’ Weg, weil dessen Anhänger nur das Geheimnis der Goldherstellung suchten, und dieser Weg nicht zur Weisheit, sondern ins Elend führe. Nollius gibt hier der weit verbreiteten Ansicht Ausdruck, dass die Hermetik mit der klassischen, die Herstellung von Gold beabsichtigenden, Alchemie gleichzusetzen sei. Dass dies ein Irrtum ist, geht schon daraus hervor, dass weder Hermes noch Philaretus die Herstellung von Gold erwähnten. Für die echten Weisen bedeutet diese Fähigkeit - deren Besitz im Text andererseits auch nicht ausgeschlossen wird - nur etwas Beiläufiges. Tatsächlich bietet die Hermetik viel mehr. Philaretus lehnt die Einwände seiner Freunde mit dem Argument ab, dass die Hermetik nur für gierige Menschen wie den König Midas gefährlich, aber für die Rechtschaffenen der einzig wahre Weg sei. Hier legt Nollius seinem Philaretus eine merkwürdige Reihe von Namen in den Mund. Laut Philaretus waren seine Vorgänger auf diesem Weg nämlich Forscher wie Geber, Morsenus, Bernhard Graf von Treviso, Dionysius Zacharias, Arnoldus de Villanova, Raimundus Lullus, Basilius Valentinus und Michael Sendivogius; also fast ausschließlich Gelehrte, die irgendwie mit der Alchemie in Zusammenhang stehen. Dass Nollius sie als wahre Weisen darstellt, lässt vermuten, dass er die ältere alchemistische Tradition mit der Hermetik verbinden will. In diesem System wäre die Hermetik das größere Aggregat, in dem die Alchemie bzw. die Fähigkeit der Herstellung von Gold eine zweifellos spektakuläre, aber nicht die einzige und auch nicht die wichtigste Komponente ist. Kehren wir aber zum Roman zurück. Die Festmahlszene beendet das erste Zwischenspiel und führt uns zum zweiten Hauptteil des Werkes, zur Labyrinthepisode. Philaretus kennt zwar bereits den rechten Weg, scheint seelisch aber noch nicht beharrlich genug zu sein. Beim Festmahl trinkt er nämlich zu viel Wein. Deswegen erwacht er am Morgen mit einem schrecklichen Kater und vergisst vor der Abreise, zu beten und Gott um Hilfe zu bitten. Das ist ein ernsthafter Fehler. Hermes’ wichtigste Lehre war, dass niemand ohne Mitwirkung Gottes das Schloss der Fortuna erreichen kann. Auch ein Kompass nützt Philaretus hier nichts mehr. Weil er Gott erbost hat, versagt der Kompass seinen Dienst. Philaretus verfehlt den richtigen Weg und gerät in ein Labyrinth. <?page no="121"?> Parergi Philosophici Speculum 113 Das Labyrinth ist in gewisser Weise auch ein typisches Element der literarischen Tradition. Es möge genügen, hier an das Werk eines Zeitgenossen von Nollius, Johann Amos Comenius’ „Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens“ (Labyrint sv ta a ráj srdce, 1623) zu erinnern. Der Held dieses Werks ist ein Wanderer, der nach Glückseligkeit sucht und ebenfalls in ein Labyrinth gerät - dieses symbolisiert bei Comenius die weltlichen Irrungen. Später aber, mit Gottes Hilfe, findet der Wanderer den rechten Weg in das Paradies seines eigenen Herzens. Nollius’ Held ist in einer ähnlichen Situation. Am Ende der ersten Phase seiner Suche nach dem rechten Weg erkennt er die Unbegehbarkeit der von den Menschen geschafften Wege. Da aber seine Frömmigkeit noch nicht beharrlich genug ist, kann er den richtigen Weg noch nicht treffen. Die Labyrinthepisode ist mit 18 Seiten das längste und in gewisser Hinsicht auch das interessanteste Kapitel des Romans. Wie in der Zusammenfassung des Inhalts bereits erwähnt, trifft Philaretus unterwegs drei Figuren, den Priesterkönig Johannes, Oviperda und Quercetanus. Während König Johannes eine mythische und Oviperda eine imaginäre Figur mit einem sprechenden Namen ist, handelt es sich bei Quercetanus (Joseph Duchesne, 1544-1609) um eine historische Person. Was diese Figuren verbindet, ist ihre Suche nach dem Schloss der Fortuna und ihre Überzeugung, dass der Stein der Weisen ihnen die Richtung dorthin weisen wird. Die Labyrinthepisode ist jenes Kapitel des Romans, in dem Nollius, auf die Begriffe der klassischen Alchemie rekurrierend, verschiedene Methoden darstellt, mit deren Hilfe man hoffte, den Stein der Weisen herstellen zu können. Diese Episode ist der klarste Beweis dafür, dass Nollius die Alchemie für sinnlosen Hokuspokus hält, für eine Wissenschaft von niedrigem Niveau, die nur jene verwenden, die wegen falscher Ziele auf einen Irrweg geraten sind. König Johannes will das Schloss der Fortuna erreichen, weil er sich damit das Geld verspricht, mit dem er seinen Thron behalten könnte. Sein Ziel ist also die Macht. Oviperda verkörpert den traditionellen Alchemisten, der versucht, den Stein der Weisen aus Eiern herzustellen, und sich so Gold zu verschaffen. Sein Ziel ist also Reichtum. Quercetanus schließlich, ein Arzt und Anhänger der hermetischen Tradition, versucht den Stein der Weisen aus Pflanzen, ganz konkret aus Trauben, herzustellen und daraus ein Elixier zu gewinnen, das alle Krankheiten heilen kann. Seine Bestrebungen müssen in einem Fiasko enden, weil sein Ziel ein weltliches ist: Er will den Tod überwinden, was aber die Grenzen des Menschen überschreitet. Philaretus verschwendet seine Zeit mit diesen Figuren. Am Ende der König Johannes-Episode erscheint ihm Raimundus Lullus in einem Traum und klärt ihn auf, dass „Gott niemandem das Geheimnis der hermetischen Wissenschaft anvertraue, der sie aus Streben nach Luxus und despotischer Machtgier sucht.“ 16 Vor Oviperda wird Philaretus durch Johannes Isaacus Hollandus gerettet, der ihm wie Lullus in einem Traum erscheint und ihn 16 Nollius 1623, 53-54: Deus nulli dat arcanum Hermeticae sapientiae, qui propter luxum et tyrannidem illud quaerit. <?page no="122"?> Péter Kasza 114 mahnt, dass „es nicht nur der Vernunft, sondern auch der Natur widerspricht, dass man aus einem anderen Material, z.B. aus Blut, Haar, Ei oder Schnecken Metall herstellen kann.“ 17 Die zwei Traumbilder, Lullus und Hollandus, waren historische Personen, die durchaus auch mit der Alchemie verbunden werden können. Nollius behandelt sie aber trotzdem als wahre Weise, weil sie die vordergründigen Ziele der Alchemie hinter sich gelassen haben. Mit Quercetanus geht Nollius schonungslos um: Der Tod des Arztes macht Philaretus klar, dass der von Quercetanus vorgeschlagene Weg ungangbar ist. Der zweite Teil des Romans endet mit dem Tod des Arztes. Die Lehre dieser Erzählung ist, dass es nicht genügt, die Existenz des rechten Weges zu erkennen, um ihn auch zu beschreiten. Dies ist nur mit der Hilfe Gottes und aus einer hehren Motivation heraus möglich. Weder die Hab- und Machtgier noch die menschliche Wissensgier sind edel genug, um sich das Schloss der Fortuna zu verdienen. Ferner zeigt die Labyrinthepisode, dass die echte Hermetik und die oberflächlich verstandene Alchemie voneinander zu trennen sind. Nach der Labyrinthepisode kommt das zweite Zwischenspiel. Philaretus erkennt seinen Fehler und betet wieder zu Gott. Dieser schickt ihm den Erzengel Raphael mit dem Auftrag, Philaretus’ Kompass zu reparieren. Philaretus bekommt also durch die Kraft des Glaubens und des Betens eine neue Chance, den rechten Weg zu finden. Wie Raphael sagt: „Niemand erreichte bisher und niemand wird in Zukunft das Schloss der Fortuna ohne die Hilfe und Führung Gottes erreichen.“ 18 Im zweiten Kapitel dieses Zwischenspiels begegnet Philaretus zuerst Vulkan und dann Neptun. Der Letztere gibt ihm den Stab des Moses, damit er den Felsen, den er unterwegs gefunden hat, zersprengen kann. Unser Held kehrt danach zum Felsen zurück. Damit endet das zweite Zwischenspiel. Im dritten Teil ist Philaretus nicht nur mit Wissen, sondern auch mit starkem Glauben ausgestattet. Die letzte Probe sind weltliche Versuchungen und Hindernisse. Auf der letzten Strecke seines Weges trifft unser junger Held verschiedene, teilweise allegorische Figuren. Zuerst führt ihn der Reichtum in Gestalt von Mammon in Versuchung. Darauf begegnet er dem Juristen Baldus, der Philaretus mit der Versprechung von irdischem Einfluss lockt. An dritter Stelle tritt ihm der „Kurier“ gegenüber, der die Eile und Hetze symbolisiert und versucht, Philaretus vom rechten Weg abzubringen. Unser Held widersteht aber allen drei Versuchungen. Den Kurier tötet er sogar. Der vierte Versucher ist Proteus, das Symbol der Unbeständigkeit. Schließlich trifft Philaretus einen weiteren Juristen, diesmal Thomas Erastus, der ihn im Namen der rationalen Wissenschaft von seiner Überzeugung 17 Nollius 1623, 60: Rationi omni atque adeo naturae repugnat, quod ex ullis speciebus peregrinis, cruore, pilis, ovis aut cochleis metallum fieri possit. 18 Nollius 1623, 65: Nullus ad arcem Fortunae hactenus pervenit aut perventurus est in posterum, nisi Deo promovente et ducente. <?page no="123"?> Parergi Philosophici Speculum 115 abbringen will. Aber mit Hilfe seiner Beharrlichkeit, Frömmigkeit und Entschlossenheit bewältigt Philaretus alle Hindernisse. Es bleibt noch eine letzte, bittere Lektion übrig. Als Philaretus den Felsen findet, geht ihm das Geld aus. Deswegen schreibt er seinen Freunden, die ihm schon einmal ausgeholfen hatten. Diesmal aber versagen sie ihm ihre Unterstützung, weil sie nicht mehr an Philaretus’ Erfolg glauben. Sie klagen darüber, dass er schon seit Jahren ohne irgendwelche Resultate auf Wanderschaft sei. Die Moral dieser Episode ist also, dass der echte Weisheitssucher nur mit der Hilfe Gottes rechnen kann, weil die Menschen, auch wenn sie anfangs an ihn glaubten und ihn förderten, ihn früher oder später im Stich lassen werden. Um diese Wahrheit zu demonstrieren, greift Nollius auch noch auf ein biblisches Beispiel zurück. Während Philaretus mit dem Felsen ringt, wächst eine Linde in der Nähe, um ihm Schatten zu spenden, ganz wie der Rizinusstrauch dem Propheten Jona (Jona 4). Wie aber Gott den Rizinusstrauch zerstörte, wird Philaretus durch die Linde getäuscht: Aus ihren Wurzeln kommen Vipern und Wespen hervor, die den Helden mit ihrem Gift und ihren Stacheln quälen. Nollius gibt selbst den Schlüssel zur Allegorie: Die Vipern und Wespen symbolisieren die gegen Philaretus verbreiteten Anklagen und Verleumdungen der Menschen, die nicht an die Reinheit seiner Ziele glaubten. Schließlich überwindet Philaretus alle Versuchungen und Hindernisse, und es gelingt ihm, mit dem Mosesstab den Felsen zu zerbrechen. Hinter dem Felsen findet er eine Höhle mit einem Tisch aus Smaragd, worauf die aus Gold und Silber gefertigten Schlüssel zum Schloss der Fortuna liegen. Die Symbolik des Tisches spielt auf die hermetische Tabula Smaragdina an; die Schlüssel auf die Komplementarität von Sonne und Mond, Mann und Frau und jede Einheit von Gegensätzen in der alchemistisch-hermetischen Tradition. Das Schloss der Fortuna oder der Weisheit kann also nur ein Mensch öffnen, der völlig im Besitz des hermetischen Wissens ist. Meiner Meinung nach lautet Nollius’ These zusammenfassend wie folgt: Will jemand wahre Weisheit erwerben, muss er als erstes erkennen, dass die von Menschen geschaffenen Wissenschaften wie Medizin, Juristerei, Theologie und Philosophie nutzlos sind. Es genügt aber auch nicht, den rechten Weg zu erkennen, denn der Mensch kann ihn aus eigener Kraft nicht durchlaufen. Man braucht dazu die Hilfe und Mitwirkung Gottes. Man muss sich bewusst sein, dass der Weg lang und anstrengend ist, und dass man bis zu seinem Ende vielen Versuchungen widerstehen muss: der Gier (Mammon), den Verführungen weltlicher Macht (Baldus), der Hetze und dem Strebertum (Kurier) sowie der Unbeständigkeit (Proteus). Daneben muss auch klar sein, dass man weder auf Familie noch Freunde bauen darf, weil die menschliche Hilfsbereitschaft endlich ist und nicht bis zum Ende des Weges reicht (Philaretus wird von seinen Freunden im Stich gelassen). Man muss sogar mit diversen Anklagen und Verleumdungen rechnen (Wespen und <?page no="124"?> Péter Kasza 116 Vipern). Dennoch sind alle Hindernisse durch die Waffen der Frömmigkeit und des Gebets zu bewältigen. Bis zu diesem Punkt könnte der Roman auch eine mystische Lesart erlauben, der zufolge die Wanderung des Philaretus - wieder ähnlich dem Weg von Comenius’ Wanderer - für eine innere Reise steht: Philaretus ist der Mensch, der das richtige Ziel im Leben sucht und es durch Frömmigkeit erreicht, nachdem er alle weltlichen Versuchungen und Ziele hinter sich gelassen hat. Angesichts dieser Möglichkeit ist das Schlusskapitel des Romans allerdings überraschend. Was findet Philaretus nämlich im Schloss der Fortuna? Nicht den Stein der Weisen, nicht ein wunderbares Elixier, sondern eine Gelehrtengemeinschaft. Philaretus legt - wie Lucius in den apuleianischen Metamorphosen - ein Schweigegelübde ab und wird darauf in diese Gesellschaft aufgenommen. Er erwirbt sich damit das Recht, an der nächsten Tagung der Gelehrten teilzunehmen. Die auf dieser Tagung diskutierten Ideen über die Neuorganisation der Wissenschaft und hauptsächlich über die Umgestaltung des Schulunterrichts sind weit von der Mystik entfernt. So heißt es z.B., dass ein Landesherr für die Förderung des Planes zu gewinnen sei, weil er sich dieser ohne die Unterstützung von jenem nicht verwirklichen lasse; dass der Unterricht in der Muttersprache obligatorisch sein sollte und Fremdsprachen außer Latein, Griechisch und Hebräisch überflüssig seien; dass die Studenten wie in den Jesuitengymnasien streng diszipliniert werden sollten; und schließlich dass sie sich nicht die Lehren des Aristoteles, Galen oder Ramus, sondern die echten Gesetze der Natur aneignen sollten. Ein solcher wissenschaftsdidaktischer Ausklang ist in Nollius’ Epoche freilich nicht ungewöhnlich. Der seltsame utopische Roman von Johann Valentin Andreae, Christianopolis (1619), ist ebenfalls pädagogisch geprägt. Francis Bacon regte in seiner Utopie New Atlantis (1624) die Gründung wissenschaftlicher Akademien nach seinen Vorstellungen an. Bacon beschäftigte sich mit demselben Thema auch in seinem Novum Organum (1620). Im Nachwort sagt Nollius, dass er in Wirklichkeit keine derartige Gelehrtengesellschaft kennt. Er habe nur versucht, eine Vorstellung der bestmöglichen solchen Gesellschaft zu vermitteln. Warum? Aufgrund des letzten Kapitels sowie des Nachwortes wird klar, dass sein übergeordnetes Ziel in einem Gegenentwurf zu den herkömmlichen und seiner Ansicht nach unzeitgemäßen Methoden der Wissenschaft besteht. Wir müssen hier bedenken, dass Nollius bereits 1617 eine ähnliche Gelehrtengemeinschaft zu gründen versuchte. Deren Ziel wäre es gewesen, nicht mehr auf die Ankunft der Rosenkreuzer zu warten, sondern ihre Bestrebungen gleich zu verwirklichen. Nollius’ Ziel hat sich also im Jahr 1623 nicht verändert, bloß befindet sich der Aufruf diesmal nicht im Vorwort eines wissenschaftlichen Textes (Theoria philosophiae hermeticae, Hanau 1617), sondern im letzten Kapitel eines Romans. <?page no="125"?> Parergi Philosophici Speculum 117 Die Anklage gegen Nollius wurde von den Professoren der theologischen Fakultät erhoben, die auch die Unterstützung des Rektors genossen. Die Professoren der übrigen (also nicht-theologischen) Fakultäten - wie z.B. der Professor der Medizin Samuel Stephani oder der Jurist Heinrich Nebelkrä und andere - verteidigten Nollius. Als aber im Februar klar wurde, dass Nollius eine Mehrheit auf seiner Seite hatte und die Beschlagnahmung seines Speculum aufgehoben wurde, war der Verfasser schon nicht mehr in der Gießen. Wie oben erwähnt, ist er mit seiner Familie und mit einigen Exemplaren des Romans nach Weilburg geflohen. Inzwischen hatte nämlich Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt, der um den Ruhm und die Autorität der Universität Gießen besorgt war, selbst eingegriffen und angeordnet, den anstößigen Roman zu beschlagnahmen. Einer Arrestierung konnte sich der Autor durch die Flucht nach Weilburg, ins Territorium des Grafen von Nassau, entziehen. Dieser Feldzug gegen die vorgebliche Skandalschrift hat wohl wesentlich dazu beigetragen, dass Nollius’ interessanter und vielschichtig interpretierbarer Roman fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Literatur IJsewijn, Jozef / Sacré, Dirk, Companion to Neo-Latin Studies, II, Leuven 1998. Kasza, Péter (Üs.), A filozófiai parergon tüköre: Henricus Nollius hermetikusrózsakeresztes regénye, Szeged 2003. Klenk, Heinrich, „Ein sogenannter Inquisitionsprozeß in Gießen anno 1623“, Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins 49 / 50, 1965, 39-60. Meier-Oeser, Stephan, „Henricus Nollius (c. 1583-1626): Aristotelische Metaphysik und hermetische Naturphilosophie im frühen 17. Jahrhundert“, in: Martin Mulsow (Hg.), Spätrenaissance-Philosophie in Deutschland 1570-1650: Entwürfe zwischen Humanismus und Konfessionalisierung, okkulten Traditionen und Schulmetaphysik, Tübingen 2009, 173-192. Nollius, Henricus, Parergi Philosophici Speculum, Gießen 1623. <?page no="127"?> Katharina Kagerer Eine Gratulationsschrift in Romanform Die Palma Boica des Johannes Bisselius SJ (1636) Ingolstadt, im November 1636: Ein junger, bislang literarisch noch wenig in Erscheinung getretener Jesuit namens Johannes Bisselius, 1 Universitätsprofessor für Ethik, erhält plötzlich von seinem Jesuitenkolleg den Auftrag, möglichst rasch eine Gratulationsschrift für den bayerischen Kurfürsten zu liefern. Worum ging es? Kurfürst Maximilian I., inzwischen 63 Jahre alt, hat endlich, von seiner zweiten Ehefrau, der jungen Habsburgerin Maria Anna, einen Thronerben bekommen. Ein lange gehegter Wunsch ging in Erfüllung, und das Fortleben der bayerischen Linie der Wittelsbacher-Dynastie war gesichert. Dies war für Maximilian umso bedeutsamer, als er soeben erst der Pfälzer Linie die wittelsbachische Kurwürde entrungen hatte: Er hatte sie von Kaiser Ferdinand II. zur Belohnung für seinen Einsatz im Böhmischpfälzischen Krieg erhalten, nachdem er in der Schlacht am Weißen Berg 1620 den ‚Winterkönig‘ Friedrich V. von der Pfalz vernichtend geschlagen und der katholischen Partei im Reich zum Sieg verholfen hatte. Was sollte Bisselius also tun? Er schreibt keine Preis-Ode im Stil des Horaz oder einen Hexameter-Panegyrikus nach dem Vorbild Claudians, sondern tut etwas, was er schon sieben Jahre zuvor erprobt hatte, als er eine Gratulationsschrift für den Konstanzer Bischof Johann Truchsess von Waldburg-Wolfegg zu verfassen hatte: Er denkt sich einen Reiseroman 2 aus. Damals hatte er aus der historischen Überlieferung einen Vorfahren des Widmungsempfängers herausgegriffen, um daraus einen Ritterroman zu spin- 1 Zu Bisselius: Mederer 1782, 275; Westermayer 1875; Kratz 1916; Duhr 1921, 566-567; Wiegand 1988; Kühlmann 1988; Pörnbacher 1989; Engleitner 1998; Wiegand 1997; Sieveke 2008; Wiegand 2009; Kühlmann 2011; Weiß / Winkler 2012. - Für Bisselius’ Nachnamen kursieren verschiedene Varianten. Als historisch gilt die Form „Bislin“ (Wiegand 1988, 385; Kühlmann 2011, 537-538 mit Anm. 3); vgl. Wiegand 1997, 131: „[...] die in der Literatur durchgängig zu findende Namensform Bissel ist irrtümlich aus dem Lateinischen ‚Bisselius‘ rückerschlossen“. Allerdings ist im Diarium des Münchner Jesuitengymnasiums (Bayerische Staatsbibliothek, Clm 1550, fol. 79 v zum Oktober 1622) die Form „Pissl“ zu finden, möglicherweise eine Bavarisierung hinsichtlich der Wortendung. 2 Bisselius’ Affinität zur Gattung der Reiseerzählung ist in weiteren seiner Werke erkennbar, insbesondere der Icaria (1637), in der in verschlüsselter Form eine Reise von Regensburg in die Oberpfalz beschrieben wird; dazu Pörnbacher 1989 und Wiegand 1997. 1647 veröffentlichte Bisselius das Argonauticon Americanorum, eine lateinische Bearbeitung eines ursprünglich spanischen Werks des Jesuiten Pedro Gobeo de Victoria, das eine Reise nach Peru zum Thema hat (Naufragio y peregrinación en la costa del Perú, 1610); dazu Hill 1970 und Manchón Gómez 2008. <?page no="128"?> Katharina Kagerer 120 nen, Eques aureus sive Didacus Sylvicastrius betitelt. 3 Gemeint ist damit Jakob Truchsess von Waldburg, der einer Familiengenealogie zufolge als Kreuzritter ins Heilige Land zog. Diese Notiz nimmt Bisselius zum Anlass, allerlei Abenteuer des Helden in Ägypten während der Rückreise zu erfinden. Im Fall des bayerischen Thronfolgers wählt Bisselius ein raffinierteres Vorgehen: Er geht vom Geburtsdatum des jungen Prinzen Ferdinand Maria Franz Ignaz Wolfgang aus, dem 31. Oktober 1636, zugleich Namenstag des hl. Wolfgang, und erfindet als Rahmenhandlung eine Pilgerfahrt nach St. Wolfgang am Wolfgangsee an ebendiesem Datum. Auf die Geburt wird in verschiedenen Prodigien verwiesen. Das Werk mit dem Titel Palma Boica autumno vernans („Die bayerische Palme, die im Herbst grünt“) konnte bereits im Dezember 1636 erscheinen; 1637 kam es sogar zu einer zweiten Auflage in neuem Drucksatz im Duodezformat, für die Bisselius kleinere sprachliche Änderungen vorgenommen, eine Episode aber auch erweitert hat. 4 Die in der Forschung bislang unbeachtet gebliebene Palma Boica erschien ohne Autorangabe im Namen des Ingolstädter Jesuitenkollegs. Bisselius’ Autorschaft für Sylvicastrius und Palma Boica ergibt sich u.a. aus einer handschriftlichen Werkliste (heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv). 5 Unter einer Rubrik „anonym veröffentlichter Werke“ finden sich auch Einträge zu Sylvicastrius und Palma Boica. Für beide Werke ist angegeben, sie seien stylo […] et argumento historico („mit historischem Stil und Inhalt“) geschrieben, ferner die Notiz, dass Verspartien eingestreut sind (versibus subinde interspersis), so dass es sich formal um eine menippeische Satire handelt. Kann man also bei der Palma Boica von einem Roman sprechen? Ihr Umfang ist überschaubar, die Erstauflage im Oktavformat umfasst nur 82 Seiten, was auch schlichtweg an der Eile gelegen haben dürfte, in der Bisselius den Text verfasste. Als zentrales Kriterium ist festzuhalten, dass eine fiktionale Handlung in Prosa dargestellt wird. Dass trotzdem in Bisselius’ Werkliste von einem stylus historicus die Rede ist, dürfte daran liegen, dass die Erzählung für das historische Geschehen durchlässig ist, vor allem in Form von allegorischen Traumerzählungen und Prodigien, so dass es zu einer eigenwilligen Verquickung von Fiktion und Wirklichkeit kommt. 6 Bisselius spricht in der Leservorrede von eingestreuten Erzählungen, die zum Teil wahr seien, zum Teil vorgäben, wahr zu sein (interpositis passim Narrationibus, nunc Veris, nunc Veritatem simulantibus), und die er zur Unterhaltung zugleich der fikti- 3 Es handelt sich um einen Schlüsselroman; eine Aufschlüsselung findet sich im Anhang des Drucks. 4 Siehe unten Anm. 30. In der zweiten Auflage wurden ferner zusätzliche Marginalien eingefügt. Ich beziehe mich in diesem Beitrag auf die Fassung von 1637 (Kürzel PB), gebe aber die Seitenzahlen der Erstausgabe jeweils in Klammern mit an. 5 BayHStA, Jes. 708 (die Autorschaft der Liste ist unklar). - Der Sylvicastrius ist auch bereits in Alegambe 1643 aufgeführt, nicht aber die Palma Boica. Vgl. aber Sotwell 1676: zur Palma Boica dort S. 422. 6 Die chronologische Tabelle im Anhang dieses Beitrags soll dies verdeutlichen. <?page no="129"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 121 ven Wallfahrer und des Lesers eingefügt habe (quas miscendas putavimus, ut viarum simul, et Lectionis taedium levaremus). 7 Inhalt des Textes ist also eine Wallfahrt zum Wolfgangsee. Obwohl der Heilige in Regensburg, dem Ort seines Wirkens als Bischof im 10. Jahrhundert, bestattet ist, wurde er insbesondere am Wolfgangsee verehrt, an dem er der Legende zufolge zeitweise ein Leben als Einsiedlermönch führte. In Spätmittelalter und Früher Neuzeit war St. Wolfgang einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte in Europa, 8 und der Heilige war damals überaus populär; in süddeutschen Adelshäusern wurden häufig nachgeborene Söhne auf diesen Namen getauft. 9 Maximilian I. hatte 1613 zudem eine Reliquie des Heiligen erworben. 10 Die Handlung der Palma Boica setzt mit einem Unwetter in der Nacht auf den 31. Oktober ein. 11 Tags zuvor hat sich eine bayerisch-schwäbische Pilgergruppe zusammengefunden, als deren Anführer sich ein Geistlicher aus Augsburg namens Alexander profiliert. Eine gewisse Nebenrolle spielt Benno aus München; 12 die übrigen Pilger, der „Raeter“ Leopold, Gottschalk aus Freising, Meingold aus Österreich sowie Engelmar und Martius aus Ingolstadt (PB 7 [4]) bleiben blasser. Es stößt noch ein gewisser Simplicianus dazu, der als Einfaltspinsel beschrieben wird (PB 6 [4]) und der immer wieder Belehrungen über sich ergehen lassen muss. Als ihn jedoch Martius verspottet, weil er sich von verschiedenen Schatten- und Gespenstererscheinungen hat schrecken lassen, weist Alexander Martius zurecht und mahnt alle zum Gebet (PB 10-12 [6-7]), wie im Folgenden noch öfter. Alexander wird dann von seinen Mitreisenden nach dem Grund seiner Pilgerfahrt gefragt. Es folgt eine ausführliche Erzählung Alexanders, 13 in die zwei Traumschilderungen eingeschaltet sind, die vor allem das historische Geschehen reflektieren. Ein solches Nachreichen der Vorgeschichte in Form einer Erzählung des Protagonisten ist an die Globalstruktur von Vergils Aeneis angelehnt. 14 Alexander ist vor fünf Jahren vor den Schweden unter Gustav Adolf aus seiner Heimat in die Steiermark geflohen. Bei der Gelegenheit wird ausgiebig der Liebreiz der bayerischen Landschaft, durch die 7 PB, Leservorrede (unpaginiert). 8 Herbers 1998. 9 Fuchs 2007, 23. 10 Albrecht 1998, 291. 11 Wiegand zufolge ist die „Gefährdung des frühneuzeitlichen Reisenden durch Unwetter, wilde Tiere […] oder Räuber“ topisch für Reisedichtung (Wiegand 1989, 122). Dass gerade auch die Alpen als bedrohlich wahrgenommen wurden, nimmt nicht wunder (vgl. Wiegand 1989, 127, 134). 12 Der Name ist sprechend; der hl. Benno von Meißen wurde seit der Translation seiner Gebeine nach München im Jahr 1576 als Münchner Stadtpatron propagiert; seit 1580 befinden sich die Reliquien in der Münchner Frauenkirche (Albrecht 1998, 290). Maximilian I. ließ dort 1604 zur Förderung des Benno-Kultes den sog. Bennobogen errichten (im 19. Jh. abgebrochen). 13 Mit Unterbrechungen von S. 14-53 (8-28). 14 Vgl. Verg. Aen. 1, 753-756: Dido bittet Aeneas um einen Bericht seiner Irrfahrten. <?page no="130"?> Katharina Kagerer 122 er zieht, beschrieben (PB 16 [9]). Als sich Alexander damals in einem Tal schlafen gelegt hatte, erlebte er einen Traum, 15 in dem nun die titelgebende Palma Boica eine zentrale Rolle spielt. In dem von Feuersbrünsten heimgesuchten Bayern bleibt als einziger Baum diese Palme übrig, vor allem natürlich ein Siegessymbol, hier aber auch Symbol für patientia und fertilitas (PB 21 [12]). Alexander erkennt, dass die Palme, an der er Weihegeschenke aufgehängt findet - unter anderem eine goldene Kette, die ihn an den Orden vom Goldenen Vlies erinnert (Maximilian I. war dieser Orden im Jahr 1600 verliehen worden) -, das Schicksal des Wittelsbacherhauses symbolisiert und insbesondere den Tod von Maximilians I. erster Ehefrau Elisabeth Renata von Lothringen prophezeit. Bereits eine Inschriftentafel enthält eine noch undeutliche Prophezeiung in Phalaeceen (PB 23 [13]): Sed luctu omnia tristiore perdet [sc. palma], / Plusquam Barbaricô recisa ferrô („Aber die Palme wird unter allzu betrüblicher Trauer alles verlieren, wenn sie mit einem mehr als barbarischen Schwert niedergehauen wird“). Auf beiden Seiten des Baums finden sich Inschriften (PB 25 und 28 [14 und 16]): SPES POSTERITATIS, E MAXIMILIANO („Die Hoffnung auf Nachkommenschaft von Maximilian“) und SPES POSTERITATIS, EX ELISABETHA („Die Hoffnung auf Nachkommenschaft von Elisabeth“). Während Alexander die erste Inschrift studiert, treten drei Giganten auf, um die Palme zu bedrohen. Alexander wendet sich im Gebet an den hl. Wolfgang und tut ein Gelübde: Wenn er, Alexander, dem Angriff der Feinde entkommt, will er eine Dankwallfahrt nach St. Wolfgang unternehmen (PB 27 [15]). Unterdessen stürmt der erste der Giganten, der für den Schwedenkönig Gustav Adolf steht, herbei, stirbt aber nach einem Sturz vom Pferd (PB 28 [16]). Gemeint sein dürfte Gustav Adolfs Tod in der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632. Der zweite Feind, der nicht namentlich genannt wird (wahrscheinlich ist Bernhard von Weimar gemeint), stürzt in seine eigene Lanze. 16 Alexander führt den bis- 15 Dabei ist er sich unsicher, ob er wacht oder träumt (PB 21-22 [12]): Scitis, et praemonui, Incertum esse, Vigilarimne, an in Ecstasi somnove, tam exotica conspexerim? Putate nihilominus me extra meipsum non solùm tunc fuisse, sed et nunc esse, dum ostenta recenseo. Videte tamen, an eventis signa responderint? („Ihr wisst es, und ich habe es warnend vorausgeschickt, dass es ungewiss ist, ob ich gewacht habe oder ob ich in Entrückung oder im Traum derart Seltsames erlebt habe. Glaubt trotzdem, dass ich nicht nur damals außer mir war, sondern es auch jetzt bin, während ich von den Erscheinungen berichte. Schaut aber, ob die Vorzeichen mit den Ereignissen übereinstimmen.“). Der Traum reicht bis S. 32 (18). 16 Über ihn heißt es (PB 26 [14]): Alterum occultis nictuum ambagibus instigabat [sc. Gustav Adolf], ut Hastâ, quam vibrabat, pretiosam Radicem exscinderet („Den zweiten stachelte er über den Umweg geheimer Winke an, mit der Lanze, die er schleuderte, die wertvolle Wurzel auszurotten“). Mit dem Ausreißen der Wurzel der Palma Boica ist hier auf der Bedeutungsebene ganz allgemein das Führen eines Kriegs gegen Bayern gemeint. Alexander ist entschlossen, die Identität des zweiten Feindes nicht preiszugeben, selbst wenn die Freunde noch so sehr drängen sollten (PB 31 [17]). Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass Bernhard von Weimar 1636 noch am Leben war, auf S. 29 (16) aber sein Tod heraufbeschworen wird: in Hastam, Principi Radici destinatam, improvidus irruit: <?page no="131"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 123 lang glücklichen Ausgang des Geschehens auf das persönliche Eingreifen des hl. Wolfgang zurück. Dann zerstört jedoch der dritte Feind, der Tod, die Hälfte der Palme, die die Inschrift Spes Posteritatis ex Elisabetha getragen hatte. Elisabeth von Lothringen starb am 4. Januar 1635, und zwar kinderlos. Hiermit endet der erste Traum Alexanders. Alexander berichtet weiter, dass er mittlerweile seit drei Jahren in der Steiermark im Exil gelebt habe (PB 33 [18-19]). An einem Tag Anfang Juli 1635 habe er ein Rachegedicht in jambischen Versen gegen die Schweden geschrieben (PB 34-36 [19-20]). In der folgenden Nacht träumt er erneut. Als Erklärung verweist er, ähnlich wie Cicero im Somnium Scipionis (de rep. 6, 10), auf das, was wir heute nach der Terminologie Freuds als Tagesreste bezeichnen. 17 Der neue Traum setzt in der Münchner Michaelskirche in der Fürstengruft ein. Kaiser Heinrich II., bei dem Bischof Wolfgang im 10. Jahrhundert Hauslehrer war, und seine Frau Kunigunde treten auf; sie möchten Bayern wieder zu altem Glanz verhelfen und dem Kurfürsten einen Thronerben verschaffen, besonders auch, um die Glaubensfeinde zu ärgern (PB 39 [21]: quodque Religionum hostibus dolori futurum esset). Heinrich II. berührt das Grab der Elisabeth Renata von Lothringen, die daraufhin als Palme ihrem Grab entsteigt, quasi als „Renata“. Die Palme spaziert durch München, springt in die Isar und verwandelt sich in ein Schiff. Kaiser Heinrich samt seinem Gefolge sowie Kurfürst Maximilian besteigen dieses Schiff und fahren damit nach Wien, wo Maximilian die habsburgische Kaisertochter Maria Anna heiratet; Heinrich und Kunigunde fungieren als Trauzeugen (PB 41 [23]). Das Schiff verwandelt sich jetzt in eine Hochzeitsfackel, die schließlich zu grünen beginnt und wieder zur Palme wird. Sinn der Partie ist vermutlich auch, der raschen Wiederheirat Kurfürst Maximilians I. nach dem Tod seiner ersten Frau ihre Anstößigkeit zu nehmen, denn ein Mitwirken Elisabeths an der Hochzeitszeremonie impliziert ihr Einverständnis. Bei der Hochzeit tritt auch der hl. Wolfgang auf, der unter Verwendung eines Zitats et in Rei P VNCTO defecit. („Er stürzte unvorsichtig in die Lanze, die der fürstlichen Wurzel zugedacht war, und starb auf der Stelle [? ].“) Möglicherweise soll aber mit seinem Sturz in die eigene Lanze auch lediglich metaphorisch auf seine Niederlage in der Schlacht bei Nördlingen 1634 angespielt werden. Bernhard von Weimar stand im Dienst Gustav Adolfs; nach dessen Tod übernahm er in der Schlacht von Lützen auch das Kommando. Er führte in den folgenden Jahren Feldzüge in Süddeutschland; die bei Bisselius geschilderten Angriffe dreier Giganten hintereinander würden chronologisch also dem historischen Geschehen entsprechen. 17 PB 36-37 (20): Scitis, arbitror, vel ipsi quoque multis experimentis edocti, quae Somniantibus imagines plerumque vel illudant, vel gratificentur: eorum utique negotiorum ac rerum, quae diurna cogitatio tenaciùs impressit. De P ALMA B OICÂ , mutilataque P OSTERITATIS spe, de Fatis E LISABETHAE commentatus eram. („Ich denke, ihr wisst auch selbst aus reicher Erfahrung, welche Bilder die Träumenden am häufigsten foppen oder ihnen gefällig sind: sicherlich Bilder von den Tätigkeiten und Dingen, die sich uns tagsüber in unseren Gedanken tiefer eingeprägt haben. Ich hatte über die bayerische Palme und die verstümmelte Hoffnung auf Nachkommenschaft und den Tod der Elisabeth nachgedacht“). <?page no="132"?> Katharina Kagerer 124 aus dem Buch Hiob 18 weissagt, dass für das Fortleben der Wittelsbacherdynastie die Intaktheit des bereits gealterten Wurzelstocks der Palme entscheidend sei. Hierin liegt zugleich ein dezenter Hinweis auf das schon fortgeschrittene Alter des Kurfürsten, der sich damals wahrscheinlich durchaus Spott gefallen lassen musste, weil er sich mit über 60 Jahren noch einen Nachkommen erhoffte. 19 Alexander führt zur Bestätigung der Prophezeiung, dass die bayerische Palme erneut grünen werde, eine Wundererzählung über den hl. Hartwig von Salzburg an: Er soll im Winter einen vertrockneten Zweig berührt haben, der anschließend zu grünen begann. Maximilians zweite Heirat erhält durch diese Prophezeiungen und Vergleiche letztlich göttliche Legitimation; dass er einen Thronfolger bekommt, wird in die Sphäre eines von Gott gewirkten Wunders gerückt. 20 Eine weitere Prophezeiung kommt wiederum vom hl. Wolfgang: Maria Anna werde ein ihr ähnliches Kind und die Hälfte ihrer selbst gebären (PB 44 [24]): M ARIAM -A NNAM sibi Similem, et, sui dimidium, parituram. Die Auflösung des rätselhaften sui dimidium erfolgt erst kurz vor Schluss des Textes. Bisselius gelingt es hiermit, innerhalb seines buntscheckigen Erzählablaufs einen Spannungsbogen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Alexanders Traum, der im Text explizit auf Anfang Juli (1635) datiert wird (PB 33 [19]), bewahrheitet sich noch im selben Monat, als Maximilian I. am 15. Juli Maria Anna heiratet. Alexander macht sich vor dem Hintergrund der soeben gegebenen Prophezeiung lediglich Sorgen, das Kind, das Maria Anna bald darauf erwartet, könnte ein Mädchen werden statt des erhofften Thronfolgers. Er findet sich aber dann mit dem Gedanken, Bayern könnte eine „Maria“ bekommen, ab; selbst wenn hierbei ein Irrtum hinsichtlich des Namens vorliege, solle doch zumindest die Gottesmutter Maria, die nun in einem Gebet als Helferin im Krieg angerufen wird (PB 46-51 [25-28]), vom Himmel herabsteigen. Am Ende des hexametrischen Gedichts wird auf ihre Rolle als Schutzpatronin des bayerischen Heeres angespielt, das mit dem Schlachtruf „Sancta Maria“ in die Schlacht am Weißen Berg gezogen war: 21 Tantùm in Vota veni! Et Boiis vel dulcia redde Otia, vel, si actum est, Dominam da in Praelia Palmam! Victor erit, quisquis M ARIANO nomine Ductor. Erhöre nur unsere Wünsche! Und gib den Bayern entweder ihre liebe Ruhe zurück, oder, wenn es um sie geschehen ist, gib ihnen die Palme als Herrin 18 Lignum habet spem; si praecisum fuerit, rursum virescit et rami eius pullulant, si senuerit in terra radix eius (Vulg. Iob 14, 7-8; vgl. PB 42 [23]). 19 Vgl. Albrecht 1998, 936. 20 Alexander vergleicht Maximilian I. auch mit Abraham, der hochbetagt noch Nachwuchs bekam (PB 45 [24-25]): scio etenim, Abrahae quoque, Credentium Patri, Prolem contigisse. 21 PB 51 (28). Zum Schlachtruf Albrecht 1998, 531. <?page no="133"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 125 für die Schlachten! Jeder, der im Namen Mariens Anführer ist, wird Sieger sein. Alexander erklärt schließlich noch, warum er ein so treuer Anhänger Kurfürst Maximilians I. ist: Dieser habe Alexanders Bruder aus schwedischer Gefangenschaft befreit (PB 51 [28]). Nach Alexanders Traumerzählung zieht erneut ein Gewitter herauf. Die Reisenden meinen, die drei Giganten zu sehen, von denen Alexander berichtet hat (später erweisen sie sich als drei hölzerne, aus dem Wasser ragende Pfosten); 22 eine geheimnisvolle umbra gesellt sich später noch hinzu. 23 Der naive Simplicianus rät dazu, Zuflucht unter den Mänteln zu suchen, was Alexander mit einer ironischen Bemerkung über die Schutzwirkung dieser Kleidung quittiert; er dagegen schlägt vor, sich durch Beten der lauretanischen Litanei gegen die Gespenster zu wappnen (PB 55 [30]), und lässt sich auch dann nicht aus der Ruhe bringen, als sich Simplicianus und Gottschalk durch geheimnisvolle Stimmen, die zur Flucht mahnen (tags darauf stellt sich heraus, dass der durch Schilfrohr und Felsritzen blasende Wind die Töne hervorgerufen hat; PB 73-74 [39-40]), schrecken lassen und davonlaufen möchten. In den Text werden nun auch Legenden, die sich um den Wolfgangsee ranken, verwoben und aktualisiert. Zum Beispiel erscheint in einer Vision Wolfgang selbst, um die umbra und die drei Giganten zu vertreiben (PB 59- 60 [32]). Das rettende Eingreifen des Heiligen, den Bisselius mit seinen typischen ikonographischen Attributen, Beil und Kirchlein, 24 auftreten lässt, dient Alexander zum Beweis für die hilfreiche Wirkung des Gebets (PB 60 [33]). Allerdings trübt sich im Folgenden das Bild des sonst überlegenen Alexander ein wenig, 25 als er die wirklichen Hilferufe eines Bauern falsch deutet, der zusammen mit einem Rind, das er zum Markt bringen wollte, in einen Sumpf gefallen war. Auch hierbei handelt es sich um eine alte Sage, die Bisselius etwas verändert in seinen Text einbaut. 26 Demnach soll ein Bauer (oder Metzger) mitsamt seinem Ochsen vom Weg abgekommen sein und sich schließlich auf eine kleine Insel im See gerettet haben. 27 In Bisselius’ Text eingefügt ist ein Gebet in Phalaeceen, mit dem sich der Bauer in seiner Notlage an den hl. Wolfgang wendet (PB 69-71 [37-38]). Der folgende Abschnitt bietet vor allem geographische Informationen, die Alexander in der Art eines Reiseführers gibt (PB 75-83 [40-45]). Das 22 PB 54 (29-30); die Auflösung erfolgt auf S. 74-75 (40). 23 PB 59 (32). Aus einem Abschnitt, in dem Alexander unter Berufung auf Petrus Bertius geographische Erläuterungen gibt, wird deutlich, dass der Schatten vom Falkenstein, einem Berg an der Nordseite des Wolfgangsees, herrührt (PB 63-64 [34-35]). 24 Böhm 1976, 627. 25 Der Erzählerkommentar dazu lautet (PB 67 [36]): sed planè quiddam humanum passus, et cum errore („Aber ihm ist etwas ganz Menschliches widerfahren, und er hat geirrt.“). 26 Leider gibt Bisselius hier keine konkrete Quelle an. 27 Auf der Insel steht heute das sog. „Ochsenkreuz“, das allerdings erst im Jahr 1667 errichtet worden sein soll (Brettenthaler / Laireiter 1969, 152). <?page no="134"?> Katharina Kagerer 126 Hauptgewicht liegt auch hier auf Religiösem: In St. Gilgen wird die Kirche des hl. Ägidius besichtigt. Eingeschaltet ist ein Epigramm über die Hirschkuh, die mit ihrer Milch Ägidius genährt haben soll. Schließlich fährt die Pilgergruppe zu Schiff über den Wolfgangsee und erfährt von der Schiffsbesatzung, dass es in Wirklichkeit in der vergangenen Nacht kein Unwetter gegeben habe; Erscheinungen, wie sie den Pilgern widerfahren seien, stellten sich aber häufiger bei Verehrern des hl. Wolfgang ein; auch die Tochter des Kapitäns habe eine Erscheinung des hl. Wolfgang erlebt, als sie für eine glückliche Geburt des bayerischen Thronfolgers gebetet habe; dem Kapitän selbst sei ebenso wie Alexander die Palma Boica erschienen. Die Vorhersage auf die Geburt des Thronfolgers wird zeitlich präzisiert durch ein steinernes Kreuz im See, das eine bildliche Darstellung einer Palme sowie eine (anagrammatisch deutbare) Inschrift enthält (PB 91 [49]): O CTOBRI . M ENSE . P ALMAI . R ADIX . V IRET . E X . T VMVLO („Im Monat Oktober wird die Wurzel der Palme aus dem Grab grünen“). Die von Bisselius mit großer Virtuosität konstruierte Inschrift ergibt in anagrammatischer Umstellung (PB 92 [49]): M AXIMILIANVS . D VX . B OIORVM . E LECTOR . E T . P ATER („Maximilian, Herzog der Bayern, Kurfürst und Vater“). Die Prophezeiung wird aber durchaus Gegenstand des Spottes, ist doch der Oktober, in dem der Thronfolger angeblich geboren werden müsste, schon fast vorüber. Sowohl Benno als auch der Kapitän glauben nicht mehr daran (PB 93-94 [50]); der Leser soll umso neugieriger werden, ob sie sich noch erfüllen wird. Nachdem die Pilger wieder an Land gegangen sind, will Meingold einem Armen ein Almosen geben - der Text versucht auch in solchen Alltagsdingen vorbildliches christliches Verhalten vorzuführen und einzuüben - und wird dabei auf eine alte Münze in seiner Geldbörse aufmerksam, die er zufällig beim Geldwechseln erhalten hat (PB 94 [50-51]). Auch auf dieser Münze findet sich das Bild einer Palme, darunter ein Kind; die ebenfalls anagrammatisch umstellbare Inschrift weist nun konkret auf den 31. Oktober als Geburtsdatum hin. 28 Schließlich kommen die Pilger bei der Kirche von St. Wolfgang an, wo sie ihre Votivgaben überreichen. Ein Soldat bringt ein kroatisches Schwert, das wiederum das Bild einer Palme und ein unvollständiges elegisches Distichon enthält: P OST T EMPESTATEM , Q VAMVIS C ONVVLSA P ROCELLIS , / N ON E VVLSA T AMEN B*** P*** V***, was sogleich von Benno als B OICA P ALMA V I- RET 29 aufgelöst wird. Benno erscheint hier als gelehriger Schüler Alexan- 28 PB 97 (52): M AXAEMILIANVS . B OIORVM . D VX . R.I. E LECTOR . E T . P ATER („Maximilian, Herzog der Bayern, Kurfürst des Römischen Reichs und Vater“). In anagrammatischer Umstellung: O CTOBRIS V LTIMO . V ERNA . P ALMAE . R ADIX . E X . M E . V IRET („Am letzten Tag des Oktober grünt die frühlingshafte Wurzel der Palme aus mir“). 29 PB 102 (zur Erstauflage vgl. die folgende Anm.): „Nach dem Unwetter grünt die bayerische Palme; auch wenn sie von den Stürmen noch so sehr gebeutelt wurde, wurde sie dennoch nicht ausgerissen.“ <?page no="135"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 127 ders. 30 Eine Darstellung der biblischen Erzählung vom Propheten Jona auf dem Schwertgriff wird ebenfalls mit den Geschicken Bayerns in Verbindung gebracht: Quasi typologisch wird die Dreitagesfrist, die Jona im Bauch des Walfisches zugebracht hat, auf den Dreijahreszeitraum gedeutet, in dem Bayern unter den Schweden litt. Alexander überreicht als Votivgabe ein Bild, das den Dank an die Gottesmutter Maria für ihre Hilfe im Kampf gegen Ketzerei und in der Schlacht am Weißen Berg zum Ausdruck bringt (PB 107-108 [57]). Dazu hat Alexander ein 80 Verse umfassendes episches Stück über die Schlacht gedichtet, beginnend mit den an Vergil anklingenden Worten Arma cano. 31 Maria wird hier zur Feldherrin stilisiert, die die Schlachtreihen ordnet. Der Schlachtbericht endet mit der Bitte an die Gottesmutter, sie solle Maximilian zum Lohn für seine Leistungen einen Nachkommen schenken (PB 114-115 [60]). Während des Mittagessens schließlich erscheint auf der Wasseroberfläche des Sees ein Prodigium aus weißblauen Rauten, dem Wappensymbol Bayerns. Hinzu kommt die Erscheinung eines Knäbleins im Wasser. Auch für diese beiden Prodigien werden rationale Erklärungen gegeben: Das Rautenmuster auf dem See komme dadurch zustande, dass die Sonne durch Bäume mit rautenförmigen Blättern hindurch auf die Wasseroberfläche fällt, die ein rautenförmiges Schattenmuster hervorrufen. Bei dem Knäblein handle es sich um eine zufällig ins Wasser gefallene Jesuskind-Figur, die die Weltkugel in der Hand hält, was sich leicht als Reichsapfel umdeuten lässt. Bisselius kommentiert dieses in der Tat etwas albern wirkende Vorkommnis auch entsprechend (PB 122 [64]): In altero verò Phasmate iocosior error („In der anderen Erscheinung war der Irrtum lustiger“), und folgert (PB 123 [65]): Ex quo manifestum sit, ‚Faciliùs prodigia fingi, quàm defendi‘ („Wodurch offenkundig sein dürfte, dass man sich leichter ein Wunderzeichen erdichten als es verteidigen kann“). 32 Alexander ist sich aber inzwischen sicher, dass sich alle Prophezeiungen erfüllt haben und Ferdinand Maria zur Welt gekommen sein muss. Ungelöst bleibt aber immer noch die Prophezeiung, wonach Maria Anna die Hälfte ihrer selbst geboren habe. Es ergibt sich aber nun ein merkwürdiger Bruch innerhalb der Erzählung. Mit dem Hinweis, dass tatsächlich an jenem Tag gegen Mittag der Thronfolger zur Welt gekommen sei, bricht der Erzähler den Bericht über 30 PB 101-103. Diese Episode hat Bisselius in der zweiten Auflage breiter ausgestaltet. In der Erstausgabe (54) hatte das Schwert sogleich die vollständige Inschrift enthalten. 31 PB 108-115 (57-60). Es handelt sich um das längste der eingelegten Gedichte. - Vgl. Verg. Aen. 1, 1. 32 Fingi ist hier wohl so zu verstehen, dass jemand hinter einem wirklichen Vorgang eine verborgene, tiefere Bedeutung argwöhnt. Die Worte Faciliùs prodigia fingi, quàm defendi sind in der Ausgabe von 1637 durch Kursivdruck hervorgehoben, womit Bisselius sentenzenhafte Aussagen kenntlich macht. - Weiter unten heißt es dazu, die Pilger hätten sich nicht in Re, sondern in rei symbolo geirrt (PB 124 [65; dort in symbolo rei]), d.h. das vermeintliche Vorzeichen („symbolum“) für das Ereignis war in Wirklichkeit gar keines, auch wenn es der Sache nach den Kern trifft. <?page no="136"?> Katharina Kagerer 128 die Pilgergruppe abrupt ab und schwenkt zu einer ausführlichen Beschreibung einer sicherlich fiktiven 33 Wiege Ferdinand Marias. Vieles an der Wiege, deren Beschreibung im Einzelnen wiederzugeben hier zu weit führen würde, ist eminent politisch, etwa die Wappen der bayerischen Residenzstädte. Auf dem seidenen Kopfkissen ruht das Haupt des Prinzen zwischen den weit aufgesperrten Schlünden von Löwen, den bayerischen Wappentieren, die ihm als Bewacher dienen sollen. Die Decke enthält Landkarten Ober- und Niederbayerns, aber auch der Rheinpfalz, so dass gewissermaßen Gebietsansprüche untermauert werden. An der Außenseite der Wiege sind alle Namenspatrone des Kindes dargestellt. Bisselius erläutert zunächst, warum der Prinz mit Zweitnamen Maria hieß, eine Namensgebung, die für Männer damals im deutschsprachigen Raum noch unüblich war. Patronin ist Maria de Victoria, deren Fürsprache der Sieg in der Schlacht von Lepanto gegen die Türken 1571 zugeschrieben wurde. Ein episches Stück über diese Schlacht in Form einer Schildbeschreibung soll Ferdinand Maria dazu mahnen, ebenso wie sein Vater auch im Kriegsfall auf Marias Schutz zu vertrauen (PB 133-134 [70, mit z.T. anderer Wortstellung]): Hoc armata Clypeô Victrix M ARIA modò Vitam inchoanti P RINCIPI Triumphos de Coelo, sequens in aevum, pollicebatur; si tamen, Paternae Pietatis aemulatione, M A- RIANA Vexilla semper ante Castra collocaret. Nam M ARIAE Praesidio, semper res Boica sibi constitit. Die siegreiche Maria versprach, bewaffnet mit diesem Schild, dem Prinzen, der soeben sein Leben begann, für die Zukunft vom Himmel gegebene Triumphe, wenn er jedenfalls, wetteifernd mit der Frömmigkeit seines Vaters, immer Marienfahnen vor dem Lager aufstellen würde. Denn die bayerische Sache hatte immer Bestand durch Marias Schutz. 34 Eines solchen literarischen Vorgehens, also Erwähnung der Verdienste der Vorfahren und Aussicht auf künftige Leistungen des Kindes, bedient sich auch Claudian in seinen Panegyriken (7 und 8) auf das dritte und vierte Konsulat des Honorius. Die Mahnungen der anderen Namenspatrone an das Neugeborene gibt Bisselius in direkten Reden in Prosa. Franziskus und Ignatius von Loyola halten gemeinsam eine kurze Rede (PB 134-135 [70-71]). Überraschend ist, dass der Gründer der Societas Jesu nicht ausführlicher zu Wort kommt. Bisselius hebt aber hervor, dass er dem Ohr des Thronfolgers näher sei als Franziskus, um damit selbstbewusst die Stellung der Jesuiten am bayerischen Fürstenhof hervorzuheben; nur kurz wird noch referiert, dass Ignatius 33 Nach brieflicher Auskunft von Herrn Dr. Christoph von Pfeil (Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung) ist keine Wiege aus der Münchner Residenz erhalten. - Der Erzähler gibt scherzhaft an, er glaube, der hl. Wolfgang selbst habe die (u.a. aus Palmenholz gefertigte) Wiege mit seiner Axt gezimmert (PB 126 [66]); zur Axt als Attribut Wolfgangs vgl. Böhm 1976, 627. 34 Die Verehrung Marias als Patrona Bavariae wurde vor allem durch Maximilian I. propagiert (Albrecht 1998, 294-297). <?page no="137"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 129 große Dankbarkeit zeige gegenüber Kurfürst Maximilian I. und dessen Vorfahren, die den Orden ja entschieden gefördert und die Gründung von Jesuitenkollegien in Bayern veranlasst hatten. 35 Anschließend gibt der hl. Ferdinand eine Art Fürstenspiegel in nuce; dies ist insofern passend, als es sich bei dem Heiligen selbst um einen Herrscher handelte. 36 Die Rede beginnt mit einem Hinweis auf die bedeutende Aufgabe, die dem Prinzen im theatrum mundi bevorstehe (PB 136-137 [71]): Non uni P ALATIO , non uni B OICAE , sed T ERRARVM O RBI natus es: nec tam in Lucem, quàm in Theatrum es egressus. Personam, etiam in parvulis adhuc humeris, Maximam suscepisti, M AXIMILIANVM inquam P ATREM ; Avum Maternum, Caesarem: paternum, G VLIELMVM : proavum A LBERTVM ; Nomina, degenerem non passura. Diutiùs Optatus es, quàm Natus. Vide, ne Votîs sic, ut Annîs Inferiorem te praestes: ut exspectationem, magnam gravemque adversariam, ante omnes Hostes Vincas. Du bist nicht für einen einzigen Palast, nicht für das eine Bayern, sondern für den Erdkreis geboren, und bist weniger ans Licht gekommen, als vielmehr in ein Theater. Du hast, trotz deiner noch zarten Schultern, eine sehr bedeutende Rolle eingenommen, nämlich die deines Vaters Maximilian, die deines Großvaters mütterlicherseits, des Kaisers, die deines Großvaters väterlicherseits, Wilhelms V., und die deines Urgroßvaters, Albrechts V.: Namen, die es nicht dulden werden, wenn du aus der Art schlägst. Du bist länger herbeigewünscht worden, als du geboren bist. Sieh zu, dass du nicht hinter diesen Wünschen, wie nach deinen Jahren, zurück bleibst, damit du vor allen Feinden der großen, mächtigen Erwartung, die dir entgegensteht, siegreich Herr wirst. Als Quintessenz der Rede ergibt sich die Mahnung zu den Herrschertugenden der Gottesfurcht und Selbstbeherrschung (PB 138 (72]): primumque Tibi, deinde Tuis, impera („Herrsche zuerst über dich selbst, dann über die Deinen“) 37 und: Si vis Timeri, time. Tu Numen, Te Homines („Wenn du gefürchtet werden willst, so fürchte: Du sollst Gott fürchten, dich die Menschen“). Am Ende steht die Rede des hl. Wolfgang, der die Gestalt des Freisinger Fürstbischofs Veit Adam angenommen hat (PB 139 [72]). Er sieht in Ferdinand Maria vor allem einen Bewahrer des katholischen Glaubens in Bayern; 35 PB 135 (71): Divus praecipuè L OYOLA , dormitantis P ARVVLI auribus vicinior, videbatur, C OLLEGIORVM , à Patre, Avo, Proavoque Serenissimis stantium, Gratulationes et Vota succinere; et I NGOLSTADIANVM , tanquam B ENIAMINVM suum (quia Coetum istum paene iam moriens, ultimum in Terris erexerat) impensè commendare („Vor allem der heilige Ignatius von Loyola, der den Ohren des schlafenden Kindes näher war, schien die Gratulationen und Glückwünsche der Jesuitenkollegien vorzutragen, die auf der Seite des Vaters, Großvaters und Urgroßvaters standen; und er schien das Kolleg von Ingolstadt, gewissermaßen seinen Benjamin - weil er dieses Kolleg schon fast sterbend als letztes auf Erden errichtet hatte -, besonders zu empfehlen“). 36 König Ferdinand III. von León und Kastilien († 1252); kanonisiert wurde er allerdings erst 1671. 37 Vgl. Claud. 8, 261-262: tunc omnia iure tenebis, / cum poteris rex esse tui („Du wirst dann alles rechtmäßig beherrschen, wenn du König über dich selbst sein kannst“). <?page no="138"?> Katharina Kagerer 130 eine gegenreformatorische Stoßrichtung ist erkennbar, hält es der Heilige doch für weniger schlimm, wenn die Kirchen durch Feuer und Schwert verwüstet werden, als durch Ketzerei oder Vernachlässigung (PB 140-141 [73]: Ferro, flammisque vastari Templa, satius est; quàm haeresi, vel foedo neglectu). 38 In die Rede des hl. Wolfgang ist eine Verspartie über den römischen Feldherrn Pompeius eingeschaltet. Während sein Ruhm und seine Leistungen zunächst in positivem Licht erstrahlen, wird in der zweiten Texthälfte sein Niedergang und Tod nachgezeichnet, der ursächlich mit der Schändung des Tempels von Jerusalem 39 in Verbindung gebracht wird. Die Erzählung soll beispielhaft die Warnung vor einer Vernachlässigung der Religion vor Augen führen. Der hl. Wolfgang (unter fremder Gestalt, also sicherlich der des Freisinger Bischofs) nimmt anschließend auch die Taufe Ferdinand Marias vor. Als Behältnis für das Taufwasser dient der Reichsapfel, so dass der Knabe durch die Taufe gleichzeitig zum Christen und zum Kurfürsten wird (PB 150 [77, mit geringfügig anderer Wortstellung]: Sic unô eodemque Munere, P VER , dum expiatur, et E LECTOR esse iussus est, et C HRISTIANVS ). Hierin liegt gewissermaßen die Essenz des gesamten Textes, der immer wieder versucht, eine untrennbare Verknüpfung von Religion und Politik herzustellen. Der Palma Boica zugrunde liegt der Gedanke, dass der katholische Glaube auf den Schutz durch die bayerischen Herzöge angewiesen ist, und diese umgekehrt auf den durch ihre Katholizität gewährleisteten göttlichen Beistand. Nach diesem langen Zwischenstück schwenkt Bisselius wieder zurück zur Pilgergruppe. Während ihrer Rückreise haben sie vier Tage nach der Geburt von diesem Ereignis erfahren; alle Prophezeiungen haben sich also erfüllt. Alexander löst nun, erst kurz vor Schluss, das Rätsel auf, weshalb Maria Anna die Hälfte ihrer selbst geboren habe, und erklärt dies mit dem Namen „Maria“, dem Zweitnamen des Thronfolgers (PB 152 [78]). Die Pilger kehren in ihre jeweilige Heimat zurück. Benno und Alexander kommen am 9. November in München an, rechtzeitig zur Gedenkfeier für Maximilians Sieg in der Schlacht am Weißen Berg. 40 Schließlich wird, wie in Festbeschreibungen, 41 eine Nachbildung des Weißen Bergs aus Teig und Zuckerwerk beschrieben. Auf dem Berg sitzt ein als Orpheus stilisierter Orlando di Lasso, um ihn herum die Tiere und Bäume, die sich von Orpheus’ Gesang rühren lassen (PB 154-155 [79-80]). Durch einen verborgenen Mechanismus strömt Rotwein aus dem Berg, und Allegorien von Pax und Victoria treten auf (PB 156-157 [80]). Der Text endet mit dem Auftritt eines echten Sängers, der ein episches Stück zum Preis des neugeborenen Thronfolgers und nicht 38 Die Bezeichnung des Protestantismus als haeresis bzw. der Protestanten als haeretici war damals bei katholischen Autoren üblich. 39 PB 146 (75); im Jahr 63 v. Chr. hatte sich Pompeius am Tempelschatz vergriffen. 40 Des Ereignisses wurde in München alljährlich durch die sog. „Prager Prozession“ gedacht (Stroh 2004, 193). 41 Vgl. z.B. den Bericht von Massimo Troiano über die Hochzeit Wilhelms V. von Bayern mit Renata von Lothringen 1568 (Leuchtmann 1980, bes. 67-72). <?page no="139"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 131 zuletzt auch seines Vaters, Maximilians I., vorträgt. Es mündet in den Wunsch, die bayerische Palme möge grünen und gedeihen (PB 162 [82]). Als Leser hat man den Eindruck, dass in diesem Text, der zunächst relativ stringent als Reiseerzählung beginnt, schließlich ein Sammelsurium all dessen ausgebreitet wird, was damals das wittelsbachisch-bayerische Selbstbewusstsein ausmachte. Dennoch lassen sich einzelne Dimensionen des Textes unterscheiden: Zunächst nimmt aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Gratulationsschrift für ein Fürstenhaus handelt, politische Panegyrik einen gewissen Raum ein. Dies beginnt mit der titelgebenden Rolle der Palme als Siegessymbol. Im Jahr 1636 befinden wir uns in einer Phase des Dreißigjährigen Kriegs, in der Bayern die Schwedengefahr zunächst abgewehrt hatte, nicht unmittelbar bedroht war und selbstbewusst auftreten konnte. Zur Bayern-Panegyrik tragen kleinere Einzelelemente bei, etwa die Beschreibung der landschaftlichen Schönheit. Zentral ist aber der Sieg der katholischen Liga über den konfessionellen Gegner in der Schlacht am Weißen Berg 1620 und die in der Folge erlangte Kurwürde für Maximilian I. Die Einbindung des historischen Geschehens in seine Romanhandlung gelingt Bisselius, indem er mit Alexander einen persönlich betroffenen Protagonisten schafft. Das historische Geschehen wird aber nicht direkt berichtet, sondern in der verfremdeten Gestalt einer zum Teil recht fantastisch anmutenden Traumallegorie oder auch in den eingeschalteten Verspartien. Die eingangs erwähnte Charakterisierung als stylus historicus in Bisselius’ Werkliste trifft also nur bedingt zu. Dadurch, dass Alexander aber zugleich Geistlicher ist, ergibt sich eine Verknüpfung zur zweiten, religiösen Dimension des Textes, der streckenweise sehr erbaulichen Charakter hat und eine didaktische Funktion erfüllt. ‚Lernziel‘ ist ein vorbildliches Verhalten des christlichen Herrschers; auf dieses Ideal soll Ferdinand Maria einerseits durch die Reden seiner Namenspatrone in der zweiten Texthälfte eingeschworen werden, andererseits durch das vorbildhafte Verhalten der Pilgergruppe unter Alexanders Leitung. Der Text dürfte unter anderem als Lektüre für den heranwachsenden Erbprinzen konzipiert sein. Die Jesuiten und besonders das Ingolstädter Kolleg, an dem bereits Maximilian I. ausgebildet worden war, empfehlen sich damit als Prinzenerzieher. Dass hierzu besonders auch die religiöse Erziehung gehört, ist, zumal bei der tiefen Frömmigkeit Maximilians I., 42 nicht verwunderlich. Dieser schrieb seinen Sieg in der Schlacht am Weißen Berg der Gottesmutter zu, und entsprechend wird in der Palma Boica bei der Erwähnung dieser Schlacht immer wieder der Einfluss Marias hervorgehoben. Der katholische Glaube ist im konfessionellen Zeitalter untrennbar verknüpft mit dem Wittelsbacherhaus; Maximilian war durch seinen Einsatz im böhmisch-pfälzischen Krieg zum Vorkämpfer der katholischen Sache im 42 Dazu Albrecht 1998, 285-337. <?page no="140"?> Katharina Kagerer 132 Reich schlechthin geworden. Mit seiner Palma Boica leistet Bisselius einen Beitrag zur Selbstvergewisserung des bayerischen Katholizismus. Als motivische Klammer, die das Romangeschehen zusammenhält, wählt Bisselius hier den hl. Wolfgang, der in beiden Teilen des Romans eine zentrale Rolle spielt und unter dessen Patronage die Geburt des Thronfolgers steht. Dadurch, dass auf die Geburt durch verschiedene Prodigien verwiesen wird, erhält sie eine tiefere Bedeutung und wird zum gottgewollten Ereignis, das den Erhalt der Dynastie sichert. Dabei werden die Prodigien immer deutlicher und führen zu einer wissensmäßigen Annäherung an das Ereignis, die einhergeht mit einer zeitlichen Annäherung an die Geburt und gleichzeitig einer räumlichen Annäherung ans Ziel der Wallfahrt. Die Konkretisierung eines Ereignisses anhand immer deutlicher werdender Prodigien dürfte letztlich aus Vergils Aeneis inspiriert sein. Das Rätselraten um die richtige Deutung etwa der anagrammatischen Inschriften soll dabei auch unterhalten, ebenso wie die Lösung der Frage, welche der fantastischen Elemente ernst zu nehmen sind und welche sich hinterher, zum Amüsement des Lesers, als Täuschung entpuppen. Vermeintlichen Gespenstererscheinungen wird durch rationale Erklärungen ein tieferer Sinn abgesprochen. Unangetastet von rationaler Erklärung bleiben dagegen religiöse Wundererscheinungen. Es scheint, dass Bisselius letztlich auch davor warnen will, ungeprüft alle merkwürdigen Vorgänge für das Wirken höherer Mächte zu halten. Der dritten, unterhaltenden Funktion des Textes - der Anlass der Schrift ist schließlich ein fröhlicher - kommt vor allem die Wahl der Romanform zugute. Dass etwa auch die sonst vielleicht etwas lehrerhaft daherkommenden Mahnreden der Namenspatrone in die Ekphrasis einer Wiege eingebettet werden, gibt der ganzen Szene eine heitere Grundstimmung. Indem Bisselius seine Gratulationsschrift in die Form einer Reiseerzählung gießt, vermag er es, Panegyrik, Erbauung 43 und Unterhaltung auf originelle Weise zu verbinden, und aus der Idee, den Namenstag des hl. Wolfgang als Ausgangspunkt zu nehmen, kann sich durch ein kunstvolles Geflecht von Bezügen ein tragfähiger Plot entwickeln. 44 Literatur Albrecht, Dieter, Maximilian I. von Bayern 1573-1651, München 1998. Alegambe, Philippe, Bibliotheca Scriptorum Societatis Jesu, Antwerpen 1643. [Bisselius, Johannes], Eques Aureus sive Didacus Sylvicastrius, Konstanz 1629. 43 Wiegand konstatierte auch bereits für die Reisedichtung des 16. Jahrhunderts, dass „andere Gattungen wie Panegyrik und Lehrdichtung integriert“ werden können (Wiegand 1989, 121). 44 Mein besonderer Dank gilt Philipp Weiß und Alexander Winkler für die Zurverfügungstellung ihrer Forschungsergebnisse zu Bisselius’ Biographie und Wilfried Stroh für kritische Lektüre des Manuskripts. <?page no="141"?> Eine Gratulationsschrift in Romanform 133 [Bisselius, Johannes], Palma Boica sive Gratulatio Natalitia, [Ingolstadt] 1636; 1637 2 . [= PB] Böhm, Barbara, „Wolfgang von Regensburg“, Lexikon der christlichen Ikonographie 8, 1976, 626-629. Brettenthaler, Josef / Laireiter, Matthias, Das Salzburger Sagenbuch, Salzburg 1969. Duhr, Bernhard, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge in der zweiten Hälfte des XVII. 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Traum Alexanders: Zerstörung eines Teils der Palma Boica (= Tod der Kurfürstin) Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen 16.11.1632 Tod der Elisabeth von Lothringen, der ersten Ehefrau Kf. Maximilians I. von Bayern 4.1.1635 Anfang Juli 1635 2. Traum Alexanders: Hochzeit Kf. Maximilians mit Maria Anna Hochzeit Kf. Maximilians I. mit der Kaisertochter Maria Anna 15.7.1635 Geburt Ferdinand Marias 31.10.1636 Wallfahrt der Pilgergruppe um Alexander nach St. Wolfgang 9.11.1636 Gedenkfeier in München für die Schlacht am Weißen Berg <?page no="143"?> Thomas Gärtner Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685) Eine christliche Apuleius-Adaptation Der in der protestantischen Reichsstadt Regensburg wirkende Lutheraner Johann Ludwig Prasch (1637-1690) war ein höchst aktiver Polyhistor. Der Aufriss seiner Werke und sein geistiges Umfeld sind vergleichsweise gut erschlossen durch eine Münchener Dissertation aus dem Jahre 1956 von Karl Dachs. Das Werk Praschs umfasst nach der bei Dachs gegebenen Werkliste 1 nicht weniger als 99 Monographien; es enthält neben Dichtungen (auch dramatischer Art) sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache Werke poetologischen, sprachtheoretischen und sprachdidaktischen Inhalts sowie theologische und juristische Arbeiten. Ziemlich vereinzelt in diesem gewaltigen Werk steht die allgemein als Roman angesehene Psyche Cretica (gedruckt in Regensburg 1685). 2 Dass das Werk in seiner Zeit nicht ohne Resonanz geblieben ist, zeigen eine deutsche Übersetzung von Johann Christoph Eibelhuber (1705) 3 sowie eine sehr freie dramatische Umsetzung durch Schüler des Regensburger Gymnasium Poeticum (der Heimatschule Praschs selbst) aus dem Jahre 1731, von der sich eine deutsche Inhaltsangabe erhalten hat. 4 Der Stoff der Psyche Cretica lässt sich in drei Teile zerlegen; der Einfluss des „Märchens“ von Amor und Psyche in den Metamorphosen des Apuleius ist im ersten dieser drei Teile am deutlichsten. 1. Teil: Psyche ist dem Amor in seinem geheimnisvollen Palast als Gattin gegeben; sie verkehrt mit ihrem Ehemann jedoch nur nachts und kann ihn niemals sehen. Von ihrer boshaften Schwester wird sie überredet, sich nachts mit einer Lampe und einem Dolch seinem Bett zu nähern. Ganz wie bei Apuleius verletzt sie ihn durch einen Öltropfen, worauf er emporfliegt und Psyche verlässt. 2. Teil: Psyche will sich in ihrer Trauer in die Einsamkeit der Wälder zurückziehen. Doch ihr wird nachgestellt von einem jungen Mann namens Cosmus, der deutlich seine Eheabsichten ausspricht, mehrere Überfälle auf Psyche ausübt und dabei auch vor schwarzer Magie nicht zurückschreckt. 1 Dachs 1957, 199-208. 2 Edition von Desmet-Goethals 1968. Es handelt sich um Nr. 34 in Dachsens Werkverzeichnis. 3 Eibelhuber 1705. 4 J. L. Praschii Psyche Cretica 1731. <?page no="144"?> Thomas Gärtner 136 Zunächst entgeht sie diesen Anschlägen mit Glück und Geschick; schließlich aber (sie hat inzwischen ihre Heimat Kreta verlassen und befindet sich in der Nähe von Athen) scheint sie keine Chance mehr zu haben und ist im Begriff, von Cosmus mit einem Dolch erstochen zu werden. In dieser Krisis kommt ihr der zufällig auf einer Jagd befindliche Athener Theophrast zu Hilfe: Er rettet Psyche und vertreibt Cosmus. 3. Teil: Obwohl sich Psyche nunmehr in der Obhut Theophrasts befindet, lässt Cosmus nicht von ihr ab und unternimmt weitere Anschläge. Schließlich gelingt es ihm, Psyche mit Hilfe der Mächte der Unterwelt zu ihm entführen zu lassen. Doch das Gelingen dieser Entführung wird nur durch eine List Amors und seiner Mutter Venus ermöglicht. Als sich Cosmus am Ziel seiner Wünsche glaubt, wird er von Amor durch einen Pfeilschuss getötet. Psyche führt ihr Leben weiter im dankbaren Bewusstsein ihrer Errettung durch Amor, bis sie schließlich - wieder in ihrer Heimat Kreta - am Strand ein Paar Flügel vorfindet, mit deren Hilfe sie endlich zu Amor in den Himmel auffliegen darf. Es ist klar, dass diese Handlung einer durchgängigen allegorischtheologischen Deutung wesentlich leichter zugänglich ist als das Märchen des Apuleius. Mit aller gebotenen Vorsicht lassen sich die drei Teile folgendermaßen erklären (wobei im Vergleich zu Dachsens Analyse die lutherisch-orthodoxe Begrifflichkeit etwas zurückgedrängt wird): Teil 1: Die prinzipiell Gott affine menschliche Seele entfernt sich völlig von diesem. Teil 2: Sie wird von der Welt (Cosmus) angefochten und kann in höchster Not erst im letzten Augenblick mit geistlicher Hilfe (Theophrast = „Gottesweiser“) gerettet werden. Teil 3: Sie ist jedoch noch nicht endgültig sicher, was erst durch eine finale Erlösungstat Gottes gewährleistet ist, mit welcher die ihr feindlichen weltlichen Einflüsse endgültig ausgeschaltet werden. Erst dann befindet sich die erlöste Seele in völliger Eintracht mit Gott und kehrt schließlich zu diesem zurück. In Teil 1 lässt sich eine durch die allegorisch-theologische Aussageintention bedingte Abwandlung der Apuleius-Version beobachten: Bei Apuleius weiß Psyche bis zu der verhängnisvollen Nacht noch nicht, dass ihr geheimnisvoller Gatte in Wirklichkeit Amor ist. Das Orakel, welches ihren Eltern gegeben wurde, stellte den zukünftigen Ehemann Psyches als ein schlangenhaftes Unwesen dar, verrätselte also seine Identität. 5 Dagegen weiß Psyche bei Prasch bereits durch das Orakel, dass sie einen Gott ehelichen wird, und Amor hat sich ihr längst durch Träume und einen mit Eros Psychae überschriebenen Liebesbrief geoffenbart. Die bösen Schwestern bei Apuleius haben also durchaus objektiven Grund zu ihrem Misstrauen, während die böse Schwester bei Prasch sich gegen einen als solchen geoffenbarten Gott 5 Apul. met. 4, 33. <?page no="145"?> Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685) 137 wendet. Diese Schwester (sie trägt bezeichnenderweise den Namen des Fleisches, Sarce) hat also ausgesprochen gottesfeindliche Züge, und sie richtet sich in ihren Einflüsterungen an Psyche auch ausdrücklich gegen die Götterwelt im Allgemeinen. Worin ist nun das speziell Protestantische in Praschs Erzählung zu sehen? Die Errettung Psyches wird ganz als persönliches Erlebnis der Einzelseele im Umgang mit ihrem Gott geschildert, worin Karl Dachs bereits eine Andeutung der späteren „Seelenhaftigkeit des Pietismus“ 6 sieht. Ein Katholik hätte in der Braut Christi wohl weniger die menschliche Einzelseele als die Kirche als Ganzes gesehen - gemäß der geläufigen Vorstellung von der Hochzeit zwischen Christus und seiner Kirche. Doch andererseits gibt es auch Gegeninstanzen zu einer solchen pietistisch-individuellen Deutung der Psyche Cretica. Denn nach der endgültigen Ausschaltung des Cosmus durch Amor sieht sich Psyche verpflichtet, ihre Dankbarkeit zu Amor öffentlich durch eine bildliche Darstellung der Wohltaten Amors und einen inschriftlich festgehaltenen Bericht der Verdienste Amors um sie zu bekunden. Dieses Motiv (welches wohl allegorisch auf die schriftliche Fixierung des Heilswirkens Christi in der Bibel bzw. im Neuen Testament zu beziehen ist) zeigt, dass Psyche auch eine Art von „Verkündigungsauftrag in der Welt“ hat: Ausdrücklich wird im Text auch auf die diversen Reaktionen der Menschen auf die Inschrift Psyches eingegangen. Eine solche ‚apostolische‘ Färbung von Psyches Rolle im Roman lässt sich auch in einer anderen Episode beobachten: Nachdem sie durch Amor endgültig gerettet ist und in ihre Heimat Kreta zurückkehren will, wird sie auf der Reise von einem in der Gestalt Merkurs verborgenen Amor über die Geheimnisse des Himmels aufgeklärt - wie zwei Jünger Christi nach der Auferstehung bei ihrem Gang nach Emmaus von dem in der Gestalt eines Fremden auftretenden und zunächst nicht erkannten Christus belehrt werden. Die konfessionelle Auseinandersetzung in der Gegenwart des Dichters findet aber auch ihren unmittelbaren Niederschlag in der Psyche Cretica: Während eines Besuchs im Piräus unterhält sich Theophrast mit Psyche über den Streit athenischer Philosophenschulen. Als deren Häupter werden Iaetius, Elurthus und Lucianus genannt. Hierbei handelt es sich um leicht zu entschlüsselnde Anagramme für Jesuita, Lutherus und Calvinus. Theophrast und Psyche bekennen sich zu Elurthus. Theophrast gibt einige schematisierende Ausführungen über die Lehren der einzelnen Schulen, bei denen Elurthus und Lucianus nicht etwa - wie man es aus heutiger Sicht erwarten möchte - als Protestanten zusammengefasst werden, sondern vielmehr eine Dreiheit antagonistischer Lehren angenommen wird. So wird etwa die Haltung des Elurthus gegenüber dem Heiligen Gesetz (also der Bibel) als die eines deutenden iurisconsultus charakterisiert, während sich Iaetius und 6 Dachs 1957, 184. <?page no="146"?> Thomas Gärtner 138 Lucianus mit der Willkür von legislatores gerieren, Iaetius freilich nach dem Prinzip der auctoritas, Lucianus dagegen nach dem Prinzip der ratio. Noch weniger sachlich ist eine von Theophrast entwickelte typologische Entsprechung zwischen Iaetius bzw. Lucianus und den beiden bösen Schwestern der Psyche. Doch im Ganzen liegt das Schwergewicht der Ausführungen über die Philosophenschulen eher auf dem Bedauern, dass es überhaupt zu solchen Entzweiungen kommen konnte (Dachs spricht in diesem Zusammenhang mehrfach von einem „irenischen“ Standpunkt Praschs; Jennifer Tunberg- Morrish leitet diese Haltung von einer naturrechtlichen Auffassung zwischenmenschlicher caritas ab). Psyche vermag solche Streitigkeiten nur durch eine allgemeine Entfremdung von Amor zu erklären, der solche Auseinandersetzungen eigentlich nicht zulassen sollte, und möchte eine Verehrung Amors abseits solcher Divergenzen betreiben. Theophrast modifiziert diesen „irenischen“ Standpunkt jedoch durch die Bemerkung, dass sich gerade in den erbitterten Auseinandersetzungen auch der Wert der umstrittenen Wahrheit bekunde: Wenn Gott solche Zwistigkeiten hätte vermeiden wollen, hätte er einen Menschen ohne Verirrungen schaffen können. Doch verlassen wir an diesem Punkt die theologischen Aspekte und wenden wir uns den literarischen Qualitäten von Praschs Psyche Cretica zu. Ist es überhaupt berechtigt, dieses Werk als Roman anzusehen? Carl Werner Müller hat gezeigt, dass die antiken Reflexionen über die Gattungserscheinung Roman recht begrenzt sind. In der Gattung des antiken Romans (worunter man ja primär den „idealistischen Liebesroman“ versteht) steht der „Eselsroman“ des Apuleius (in dem es ja in erster Linie um Magie und nicht um Liebe geht) eher am Rande, und innerhalb der Metamorphosen hat die Binnenerzählung über Amor und Psyche wiederum eine Randfunktion. 7 Hat sich also Prasch als neulateinischer Autor der Barockzeit mit seiner an Apuleius anknüpfenden Psyche Cretica überhaupt noch innerhalb einer aus der Antike hergeleiteten Gattung „Roman“ gesehen? Gewichtige Indizien zur Bejahung dieser Frage lassen sich aus zwei Tatsachen ableiten: 1. Die Ehefrau des Autors der Psyche Cretica, Susanna Elisabeth Prasch, publizierte ein Jahr vor dem Erscheinen der Psyche Cretica, also 1684, eine ihrem Mann gewidmete französische Abhandlung über den Roman im Allgemeinen, 8 in welcher sie eine moralisierend-christliche Neuausrichtung dieser Gattung forderte. Christiane Holm hat die Psyche Cretica wohl nicht 7 Ein Versuch, die Erzählung über Amor und Psyche als Rekurs auf die (in den Metamorphosen des Apuleius variierte) Gattungssubstanz des idealistischen Liebesromans zu verstehen: Gärtner 2011. Die moderne Forschung zu der Amor-und-Psyche- Geschichte ist indes sehr kontroverse Wege gegangen, vgl. Schlam / Finkelpearl 2000, 108-112 und 135-151. 8 Prasch 1684. Zu den Réflexions sur les romans vgl. auch den Beitrag von F. Schaffenrath in diesem Band. <?page no="147"?> Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685) 139 zu Unrecht als einen (und auch den einzigen) „Musterroman“ dieser neuen Ausrichtung bezeichnet bzw. von einem gemeinsamen „Romanprojekt“ der Eheleute gesprochen. Holms Charakterisierung der Romantheorie von Susanna Elisabeth Prasch passt exakt auf die Psyche Cretica: „Sie nimmt […] eine Re-Allegorisierung vor, indem sie eben dieses Zentralthema [sc. die Liebesgeschichte] aus der Perspektive christlicher Erbauung versteht.“ 9 2. Die Psyche Cretica selbst enthält einen poetologischen Abschnitt, nämlich ein Gelagegespräch bei einem Gastmahl nach der vorläufigen Rettung der Psyche. Hier beklagt sich ein Dichter namens Ilpander (er trägt vor dem griechischen Nominalstamm für „Mann“ mit den Buchstaben ILP die Initialen von Johann Ludwig Prasch) über die mangelnde Wertschätzung der Dichtung; hierauf wird Ilpander jedoch von Theophrast ermahnt, dass dies die eigene Schuld der Dichter wäre, welche sich heiligen Stoffen verschlössen. Der Dichter bekundet, er arbeite in Anbetracht der Geringschätzung der Dichtung gerade an einem nur formal-vorgeblich prosaischen, in Wirklichkeit aber poetischen Werk, womit wohl ebenfalls auf die Gattung Roman angespielt wird. Doch abgesehen von solchen außerhalb und innerhalb des Textes der Psyche Cretica nachzuweisenden Indizien lässt sich auch in der Erzählung selbst der Einfluss des antiken Romans, und speziell des idealistischen Liebesromans, nachweisen. Hier soll nur auf drei Punkte eingegangen werden: 1. Die pseudo-historische Einkleidung: Prasch positioniert seine Psyche Cretica im klassischen Griechenland, welches von den Barbaren frei und auch noch unberührt von der römischen Herrschaft war 10 (zu Unrecht bezieht Dachs 11 den Einleitungssatz des Werkes auf die Spätantike). 12 Man fühlt sich beispielsweise an Chariton erinnert, der seinen Roman in die Epoche des Peloponnesischen Kriegs unter Hermokrates in Sizilien datiert. 13 2. Die Plotgestaltung: Psyche zeichnet sich durch ihre Standhaftigkeit gegenüber den vielfachen Werbungsversuchen des Cosmus und durch die Festigkeit ihrer inneren Bindung an Amor aus. Diesen Aspekt heben sowohl Theophrast nach ihrer Erzählung als auch Amor nach der endgültigen Rettung Psyches lobend hervor. Dass die Geliebte auf ihren Irrfahrten (die Psyche Praschs kommt immerhin von Kreta nach Athen und wieder zurück) diversen sexuellen Belästigungen ausgesetzt ist und diesen zugunsten ihres verlorenen Geliebten widersteht, ist ein typisches Merkmal des idealisti- 9 Holm 2001, 63. 10 Quo tempore Graecia, a barbaris incolumis et Romani quoque expers iugi, virtutum artiumque exemplis felicissime florebat [...]. 11 Dachs 1957, 178. 12 Charakteristischerweise beginnt auch Barclays Argenis (Hinweis von Florian Schaffenrath) mit dem Noch-Nicht-Bestehen eines Unterwerfungszustands, nämlich der römischen Weltherrschaft, wodurch die oben gegebene Deutung des Auftakts der Psyche Cretica bestätigt wird. 13 Allerdings hat Prasch den Roman Charitons sicher nicht direkt gekannt, da dieser erst 1750 erstmals ediert wurde (Hinweis von S. Tilg). <?page no="148"?> Thomas Gärtner 140 schen Liebesromans, welches jedoch der Amor-und-Psyche-Erzählung des Apuleius völlig fehlt: Dort hat Psyche zwar am Anfang viele Freier (wie auch die Psyche Praschs), aber nach dem Zerwürfnis mit Amor ist sie auf ihren Irrfahrten keiner sexuellen Verführung mehr ausgesetzt. Prasch restituiert also in den Amor-und-Psyche-Stoff ein wichtiges konstituentes Motiv des idealistischen Liebesromans, welches sich exemplarisch dazu eignet, die Gottergebenheit der Hauptperson in dem von Susanna Elisabeth Prasch theoretisch fundierten neuen christlichen Roman herauszuarbeiten. 3. (und am komplexesten) Die Erzählweise bzw. der ordo artificialis: Die Zusammenfassung der drei Teile der Psyche Cretica am Anfang dieses Beitrags war insofern irreführend, als diese drei Teile keineswegs der Einteilung der Psyche Cretica Praschs in drei Einzelbücher entsprechen. Die Handlung der Psyche Cretica setzt mit einer Jagdunternehmung Theophrasts ein, bei der er zufällig (oder auch nicht zufällig) während der Verfolgung eines Hirsches zu einem Mädchen geführt wird, welches von einem jungen Mann mit einem Dolch bedroht, aber von Theophrast gerettet wird. Dieses Mädchen, welches in der Folge bei Theophrast gastlich aufgenommen und bewirtet wird, nennt erst später seinen Namen (wie auch denjenigen des Cosmus) und berichtet Theophrast über seine bisherigen Erlebnisse - zunächst natürlicherweise, wie es zu der Bedrohungssituation im Wald kam. Psyches erste Binnenerzählung gilt also den Verwicklungen mit Cosmus. Erst später, als sich während des Aufenthalts der Psyche bei Theophrast ihre Devotion gegenüber der Gottheit Amor herausgestellt hat, fragt Theophrast nach dem Hintergrund dieser Bindung, woraufhin Psyche in einer zweiten Binnenerzählung über ihre Ehe mit Amor und das Zerwürfnis berichtet. Diese beiden Binnenerzählungen beschließen strukturell die ersten beiden Bücher der Psyche Cretica. Im dritten Buch folgt dann der Besuch Theophrasts mit Psyche im Piräus, das Gespräch über die Philosophenschulen, die neuen Anschläge des Cosmus auf Psyche, die Tötung des Cosmus durch Amor, Psyches Rückkehr nach Kreta, ihr weiteres Leben und ihr schließliches Auffliegen in den Himmel. Die Ersetzung des ordo naturalis durch einen ordo artificialis mit zwei langen, strukturbestimmenden Binnenerzählungen hat keine Parallele in der linearen Amor-und-Psyche-Erzählung des Apuleius. Sie lässt sich auch nicht restlos auf die von Jozef IJsewijn thematisierte Vergil-Imitation in der Psyche Cretica zurückführen. 14 Denn Vergil geht zwar ebenfalls mit dem Seesturm medias in res und lässt seinen Helden Aeneas vor Dido das zuvor Erlebte in einer ausführlichen Binnenerzählung nachholen. Aber in der Aeneis ist anders als in der Psyche Cretica zu keiner Zeit die Identität der Hauptperson oder der Hintergrund des Geschehens fraglich: Jeder antike Erstleser der 14 IJsewijn 1982, 27. <?page no="149"?> Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685) 141 Aeneis mit halbwegs ausreichendem literarisch-mythologischem Hintergrund weiß, wer Aeneas ist und was er will bzw. woran er durch den Seesturm gehindert wird. Der Erstleser von Praschs Psyche Cretica sieht sich dagegen mit einem unbekannten Mädchen konfrontiert, welches aus unbekannten Gründen von einem unbekannten jungen Mann mit einem Dolch bedroht wird. Ein solcher, zunächst rätselhafter Werkeinstieg, der nur im Bereich der in der Antike verhältnismäßig seltenen fiktionalen Literatur möglich ist, findet eine vollkommene Parallele wohl nur am Anfang der Aithiopika Heliodors, wo sich der Leser einer zunächst ähnlich rätselhaften, erst viel später geklärten Situation (ein gestrandetes Schiff und ein verwundeter junger Mann mit einem Mädchen) gegenübersieht. Prasch hat also auch die spezifische Erzählweise eines idealistischen Liebesromans in die (bei Apuleius völlig linear gestaltete) Amor-und-Psyche-Erzählung integriert. Bemerkenswert ist bei Prasch die Staffelung der beiden Binnenerzählungen Psyches und die Forcierung dieser Staffelung durch die Buchgliederung: Psyche berichtet zuerst (in Buch I) über die Verwicklungen mit Cosmus, dann (in Buch II) über ihre Ehe mit Amor. Dieser ordo artificialis der beiden Binnenerzählungen stellt die chronologische Reihenfolge der Ereignisse auf den Kopf, dient aber zugleich einem geradezu als anagogisch zu bezeichnenden Zweck: Die Staffelung der Binnenerzählungen führt den Leser von der weltlichen Ebene (Cosmus) höher auf die göttliche (Amor). Schließlich wird in Buch III unmittelbar (d.h. ohne Binnenerzählung) die finale Konfrontation zwischen Cosmus und Amor geschildert. Die Drei-Bücher- Gliederung der Psyche Cretica ist also in den Dienst einer geradezu dialektischen Anagogie gestellt und wesentlich sinnhafter als die Buchgliederung bei Apuleius (wo sich die Amor-und-Psyche-Geschichte als Binnenerzählung auf ebenfalls drei Bücher erstreckt, davon aber nur das mittlere vollständig abdeckt). Im Einzelnen gibt es in der Psyche Cretica natürlich einiges an literarischen Reminiszenzen aufzuspüren. Hier soll nur abschließend noch kurz auf den Anfang und das Ende des Werkes eingegangen werden. Die Psyche Cretica beginnt mit der Jagd des Atheners Theophrast, bei welcher er durch die Verfolgung eines Hirsches zu der bedrohten Psyche geführt wird. IJsewijn betont hier vergilische Elemente sowohl in der Jagdschilderung als auch bezüglich des Hirsches, den er aus dem berühmten Gleichnis für die rasende Leidenschaft Didos herleitet; 15 doch scheint das Motiv, dass ein Jäger durch einen Hirsch, den er, alle Gefährten zurücklassend, in scheinbar blindem Jagdeifer verfolgt, auf ein geistliches Erlebnis geführt wird, vor allem der Eustachius-Legende verpflichtet, wo Placidus durch den Hirsch, zwischen dessen Hörnern ihm ein Kreuz oder sogar Christus selbst erscheint, geradewegs zu seiner eigenen Konversion geführt 15 IJsewijn 1982, 24 mit Verweis auf Verg. Aen. 4, 68-73. <?page no="150"?> Thomas Gärtner 142 wird. In allegorischer Entfremdung war dieses hagiographische Motiv für den Lutheraner Prasch wohl unverfänglich, und die Gemeinsamkeit zeigt sich gerade darin, dass das Motiv der Hirschjagd in beiden Fällen eine komplexe Erzählung in Gang setzt. Mögen hier auch gewisse Zweifel zurückbleiben, so ist die Schlussreminiszenz der Psyche Cretica sicher: Ausgestattet mit den Flügeln Amors erhebt sich Psyche gleich einer Taube, die nach ihrem Partner sucht, in den Himmel, „und als eine beredte Zeugin lehrte sie, dass es dort, wo sie fliegt, Götter gibt“: et deos esse, qua veheretur, testis luculenta docuit. Als Medea am Ende des senecanischen Stückes nach der Ermordung ihrer Kinder mit dem Drachenwagen in den Himmel auffährt, ruft der zurückbleibende Jason ihr zu: „Flieg nur und bezeuge, dass es dort, wo du fliegst, keine Götter gibt“: Testare nullos esse, qua veheris, deos. Psyche bezeugt also durch ihre Himmelfahrt, dass ihre böse Schwester Sarce, welche die Existenz von Göttern im Allgemeinen bestritt, Unrecht hatte. Die Kontrastimitation weist auf eine fundamentale Kontraposition zwischen der (zum glücklichen Ende führenden) geistlichen Liebe der Psyche Cretica und der (katastrophal endenden) herkömmlichen Liebe der senecanischen Medea. Diese Kontraposition zeigt, dass das, was die Dichter gemäß dem poetologischen Gelagegespräch unterlassen, nämlich sich christlichen Stoffen zuzuwenden, durchaus möglich ist, und unterstreicht damit das durch Praschs Ehefrau theoretisch fundierte Programm eines neuen geistlich-christlichen Romans. Literatur Dachs, Karl, „Leben und Dichtung des Johann Ludwig Prasch (1637-1690)“, Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 98, 1957, 5-219. Desmet-Goethals, Marie-José (Hg.), „Iohannis Ludovici Praschii Ratisponensis Psyche Cretica“, Humanistica Lovaniensia 17, 1968, 117-168. Eibelhuber, Johann C., Ihro Magnificentz Hr. Joh. Lud. Praschii nunmehro seel. Psyche Cretica oder geistlicher Roman von der menschlichen Seelen, Leipzig 1705. Gärtner, Thomas, „Ein gattungsinternes Vorbild der Erzählung über Amor und Psyche“, Quaderni Urbinati di Cultura Classica 126, 2011, 103-125. Holm, Christinae, „Die verliebte Psyche und ihr galanter Bräutigam: Das Roman- Projekt von Susanna Elisabeth und Johann Ludwig Prasch“, in: Thomas Borgstedt / Andreas Solbach (Hgg.), Der galante Diskurs: Kommunikationsideal und Epochenschwelle, Dresden 2001, 53-86. IJsewijn, Jozef, „Vergilio quomodo usus sit Iohannes Ludovicus Praschius in fabula poetica quae Psyche Cretica (1685) inscribitur“, Academiae Latinitati fovendae commentarii 5, 1982, 21-29. J. L. Praschii Psyche Cretica, in formam dramatis redacta, choris et intersceniis peculiaribus aucta, Regensburg 1731. Müller, Carl W., „Chariton von Aphrodisias und die Theorie des Romans in der Antike“, Antike und Abendland 22, 1976, 115-136. Prasch, Susanna E., Réflexions sur les romans, Regensburg 1684. <?page no="151"?> Die Psyche Cretica des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (1685) 143 Schlam, Carl C. / Finkelpearl, Ellen, „A Review of Scholarship on Apuleius’ Metamorphoses“, Lustrum 42, 2000, 7-230. Tunberg-Morrish, Jennifer, „Natural Law, Apuleius, and Topoi of Fiction in Psyche Cretica (Regensburg, 1685), a Neo-Latin Novel by Johannes Ludovicus Praschius“, Humanistica Lovaniensia 57, 2008, 263-299. <?page no="153"?> Florian Schaffenrath Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie In den wenigen Überblicksskizzen 1 zum neulateinischen Roman im Habsburgerreich werden üblicherweise vier Texte genannt: Zwei dieser Texte, Anton Wilhelm Ertls Austriana Regina Arabiae (Augsburg 1687) 2 und András Dugonics’ Argonauticorum sive de vellere aureo libri XXIV (Pressburg / Kaschau 1778), 3 sind in dieser Zuschreibung eindeutig, während die beiden Bände Minos sive de rebus Friderici II apud inferos gestis (Leipzig 1797-1799) von Christoph Friedrich Sangerhausen als Helden Friedrich den Großen (1712-1786) auftreten lassen und somit eindeutig dem preußischen, nicht dem habsburgischen Kulturkreis zugeschrieben werden können. Der letzte Text mit dem Kurztitel Aeneas Habspurgus (Tyrnau 1695; zum ausführlichen Titel siehe unten) behandelt die Geschichte von Rudolf I. von Habsburg (1218-1291), zeigt aber im Vergleich mit den erstgenannten Romanen eine Reihe von Auffälligkeiten, 4 die es im Folgenden vorzustellen gilt. Der Text, der in der Forschung noch keine weiterführende Behandlung erfahren hat, soll in diesem Beitrag generell vorgestellt werden. Nach Ausführungen zum Titel und zur Verfasserfrage, zu Struktur und Inhalt und zu seinem Sitz im Leben soll er hier vor die Folie zeitgenössischer und moderner Romandefinitionen gehalten werden, die es erlauben, bestimmte Wesensmerkmale dieses Textes klarer herauszustreichen. 1 Titel und Verfasserfrage Beim Tyrnauer Universitätsdrucker Johann Andreas Hörmann 5 erschien 1695 der 32 Seiten umfassende Druck Aeneas Habspurgus per laureatum Religionis et Fortitudinis Septennium Illatis in Novum Latium Penatibus Austriaci Imperii Author („Der Habsburgische Aeneas, der über sieben ausgezeichnete Jahre 6 der 1 IJsewijn / Sacré 1998, 255-256; davon abhängig ist Hofmann 1999, 11. 2 Vgl. den Beitrag von I. Walser in diesem Band. Frau Walser bereitet eine kommentierte Ausgabe mit deutscher Übersetzung dieses Romans vor. 3 Vgl. den Beitrag von S. Tilg in diesem Band; vgl. auch Szörényi 2006. 4 Der Aeneas Habspurgus wurde nicht immer als neulateinischer Roman wahrgenommen. Schmit 1858, 43 findet knappe und klare Worte für den Text: „Lobrede ohne Wert“. 5 Zur Stellung dieses deutschen Druckers in Tyrnau vgl. Borsa 1980, 71. 6 Ein septennium (Zeitraum von sieben Jahren) brauchte Aeneas, um von Troja nach Latium zu kommen, wie im argumentum des Aeneas Habspurgus ausgeführt wird. Die kritische Zeit für Rudolf I. von Habsburg, die mit seiner Wahl zum römisch-deutschen <?page no="154"?> Florian Schaffenrath 146 Frömmigkeit und Tapferkeit zum Stammvater der österreichischen Herrschaft wurde, nachdem er die Hausgötter nach Neu-Latium gebracht hatte“). Anlass für das Werk war die Verleihung des Magistertitels an Studenten der philosophischen Fakultät in der Aula der erzbischöflichen Universität am 22. August 1695. Am Ende des Bandes findet sich eine Liste von sieben adeligen Mitgliedern der darreichenden Fakultät, die als Spender (obtulerunt) der Schrift auftreten. Das Titelblatt nennt als einzigen Eigennamen den Jesuiten Ferenc Székely, der die Verleihungszeremonie leitete und den biographische Quellen (siehe unten) als Verfasser des Aeneas Habspurgus ansehen. Die Biographie von Ferenc Székely ist anhand der in den großen Lexika zur Gesellschaft Jesu gesammelten Daten schnell erzählt: 7 Er wurde am 14. Mai 1658 in Gyarmat geboren und trat im Alter von 16 Jahren in die Gesellschaft Jesu ein. Er erwarb ein Doktorat der Philosophie und der Theologie und lehrte in Tyrnau Rhetorik, in Kaschau Philosophie, wiederum in Tyrnau und Erlau (Heves) Moraltheologie. Auch als Volksprediger wurde er eingesetzt. Er leitete das Jesuitenkolleg in Güns (K szeg) und mehrere andere Häuser. Er starb am 22. September 1715 in Ungwar (Ungvár). Ein Verzeichnis der gedruckten Werke Székelys 8 zeigt die Bandbreite, die er als Schriftsteller abzudecken wusste: Es finden sich darunter sowohl ein Kurzepos 9 als auch ein Drama, 10 ein philosophischer Traktat 11 sowie ein Werk zur Mathematik. 12 Auch der uns hier interessierende Aeneas Habspurgus ist in dieser Liste aufgeführt, wenn auch die Angaben auf dem Titelblatt an der Verfasserschaft Székelys Zweifel aufkommen lassen könnten: 13 Magnificis, reverendis, praenobilibus, nobilibus, excellentibus ac doctissimis dominis artium liberalium et philosophiae neo-magistris, dum per reverendum patrem Fran- König endete, wird ebenfalls mit sieben Jahren beziffert, um die Parallelen zwischen den beiden Helden noch deutlicher werden zu lassen. 7 Biographische Informationen zu Ferenc Székely bieten Stoeger 1856, 349 und Sommervogel 1896, 1756-1758; speziell zu seinem Wirken an der Universität Tyrnau vgl. Fejér 1835, 22, 34. 8 Stoeger 1856, 349. 9 Das Kurzepos Gloriosa Belgradi libertas (Tyrnau 1689) umfasst 451 Hexameter und behandelt die Rückeroberung des von den Türken besetzten Belgrad durch Maximilian II. Emanuel im Jahr 1688 (vgl. Hüttl 1976, 183-186). 10 Die Geschichte der Machtergreifung von Kaiser Anastasios I. (reg. 491-518) behandelt das Stück Inflicta a divina Nemesi vindicta in scelerato Anastasii capite adumbrata (Tyrnau 1689). 11 In dem Werk Tacitus philosophicus seu vita Aristotelis discursibus politicis illustrata (Tyrnau 1695) werden ausgehend von einzelnen Aussagen über die Biographie des Aristoteles allgemeine philosophische Themen erörtert. Der Titel ("philosophischer Tacitus") wird im Werk selbst nicht erklärt, könnte aber eine Anspielung auf den römischen Historiker Tacitus sein, der eine Biographie seines Schwiegervaters Agricola geschrieben hat, die Székely hier als Gattungsvorbild dient. 12 Vgl. etwa Canon sinuum, tangentium et sectantium (Tyrnau 1694). 13 Sommervogel 1896, 1757 schreibt das Werk der Zeit zu, in der Székely als Rhetorikprofessor in Tyrnau lehrte: „Cette pièce est du professeur de Rhétorique.“ <?page no="155"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 147 ciscum Székely e Societate Iesu artium liberalium et philosophiae doctorem eiusdemque olim in Cassoviensi, nunc in Tyrnaviensi universitate professorem emeritum et per tempus (? ) 14 seniorem, in aula academica almae archi-episcopalis universitatis Tyrnaviensis suprema philosophiae laurea solenni ritu condecorarentur, ab illustrissima oratoria facultate Tyrnaviensi oblatus. 15 Dargebracht den erlauchten, verehrten, hochadeligen, adeligen, herausragenden und gelehrtesten Herrn Neo-Magistri der Freien Künste und der Philosophie, als sie durch den verehrten Pater Ferenc Székely SJ, Doktor der Freien Künste und der Philosophie, emeritierter Professor einst an der Universität Kaschau, nun an der Universität Tyrnau, seit geraumer Zeit (? ) im Ruhestand, in der akademischen Aula der ehrwürdigen erzbischöflichen Universität von Tyrnau mit dem höchsten Kranz der Philosophie in feierlichem Ritus gekrönt wurden, von der berühmtesten oratorischen Fakultät. Es entspricht den Gepflogenheiten von Universitätsdrucken des späten 17. Jahrhunderts, dass das Titelblatt einerseits eine Menge an Informationen zum ‚Sitz im Leben‘ des folgenden Textes enthält, andererseits aber nicht explizit angibt, was den späteren Literaturwissenschaftler interessieren würde, nämlich z.B. wer denn nun tatsächlich den folgenden Text verfasst hat. Bei Dissertationsschriften ist oft davon auszugehen, dass der am Titelblatt genannte Professor, der den Vorsitz bei der defensio führte, der Autor des Textes ist, während es die Aufgabe des Kandidaten war, die meist am Ende abgedruckten Thesen mündlich zu verteidigen. Mutatis mutandis kann man auch in unserem Fall davon ausgehen, dass Ferenc Székely den Aeneas Habspurgus verfasst hat. 2 Struktur und Inhalt Der Aeneas Habspurgus gliedert sich nach einem jeweils eine Seite umfassenden argumentum und einer clavis 16 in drei Teile. Die Handlung des ersten Teiles (Bl. A[1] r -B3 r ) beginnt in einem Feldlager, wo Aeneas (Rudolf) die Nachricht ereilt, dass Rifricudes (Kaiser Friedrich II.) verstorben ist. Sofort tritt er die Heimreise nach Novum Latium (Deutschland) an und besucht unterwegs die Tempel der Fortuna und der Virtus. Als Aeneas erfährt, dass ihm zu Hause ein Sohn geboren wurde, begibt er sich in die Heimat zu seiner Frau. Dort betritt er während einer Jagdpartie den Tempel Jupiters, später auch den der Vesta, die ihm eine glorreiche Zukunft prophezeit. Aeneas 14 Die Auflösung der Abkürzung „p. t.“ vor seniorem als „per tempus“ ist nicht sicher. Ich danke Clemens Brodkorb vom Archiv der deutschen Provinz der Jesuiten für seine Hilfe. 15 Das Partizip oblatus bezieht sich auf den Beginn des Titelblattes (Aeneas Habspurgus); die Groß- und Kleinschreibung wurde ebenso wie die Zeichensetzung normiert. 16 Von dieser clavis werden nicht alle allegorischen Namensverschlüsselungen des Textes aufgelöst, denn sie umfasst nur 35 Einträge im Stil Aeneas - Rudolphus. Zur Bedeutung dieser clavis siehe unten. <?page no="156"?> Florian Schaffenrath 148 begibt sich nach Drymosemia (Böhmen) und tritt in die Dienste des Urocotta (König Ottokar II.), der ihm den Oberbefehl in einem Feldzug gegen die Hulmigeri (Preußen) überträgt. Aeneas trägt einen glorreichen Sieg davon und wird trotz einiger gegen ihn inszenierter Hofintrigen gegen Belagar (König Bela IV. von Ungarn) ins Feld geschickt. Hier lernt er Tingunomus (Werner von Eppstein, Erzbischof von Mainz) kennen und schätzen und kehrt nach dem Sieg über Belagar nicht mehr zu Urocotta zurück. Der Schauplatz des zweiten Teiles (Bl. B3 r -C2 v ) ist Erymella (Kastilien), wo Unterhändler aus Novum Latium König Sonalphus (König Alfons X.) dazu auffordern, die Königswürde anzunehmen. Sonalphus ist gerade damit beschäftigt, einen Krieg gegen die Afri (Mauren) zu beenden, und bittet die Unterhändler um Geduld. Der gefangene afrische Feldherr Primonides unternimmt einen Fluchtversuch, wird aber wieder gefasst. Als Apistophanes, der König der Afri, erfährt, dass Sonalphus nach Novum Latium reisen werde, will er die Gelegenheit für einen Aufstand nutzen und wirbt erfolgreich um Verbündete. Primonides kann schließlich doch befreit werden, erleidet in einem Seesturm Schiffbruch und gerät unter die Piraten. Nach einigen Abenteuern stößt er schließlich zum Heer der Afri. Die Gesandten aus Novum Latium müssen erkennen, dass Sonalphus noch lange in Erymella gebunden sein wird, und verlassen unverrichteter Dinge das Land. - Auch Darrichius (Richard von Cornwall) aus Albion (England) bewirbt sich um die Königskrone, doch seine eigenen Leute können seine Verschwendungssucht nicht mehr ertragen und stürzen ihn. Zu Beginn des dritten Teiles (Bl. C3 r -[D2] r ) wird Aeneas von Tingunomus feierlich empfangen, ehe er überstürzt in seine Heimatstadt ziehen muss, weil diese bedroht wird. Er belagert die Stadt Utlemberga (Zürich? ) und nimmt sie schließlich ein. Den mit Utlemberga verbündeten Sibaleenses (Basel) ist es gelungen, Aeneas‘ Freund Anaxagoras gefangen zu nehmen und Urocotta zu übergeben. In Abwesenheit wurde Aeneas von den Kurfürsten zum König gewählt, zieht nach Granopolis (Aachen) und nimmt die Huldigungen entgegen. Urocotta, der nun Turnus genannt wird, greift - angestachelt von seiner Frau - gegen Aeneas zu den Waffen und fällt in derselben Schlacht, in der sich Anaxagoras selbst befreien konnte. Das Werk endet mit der Ekphrasis eines Triumphbogens für Aeneas (abgebildet im Frontispiz des Druckes). 3 Anlass Der ‚Sitz im Leben‘ des Aeneas Habspurgus ist als akademische Gratulationsschrift sehr klar zu fassen. Andere neulateinische Romane, wie beispielsweise John Barclays Argenis oder Ludvig Holbergs Nicolai Klimii iter subterraneum, sind von ihrem Entstehungskontext her freier und weniger vordefiniert. Mit dem Wesen als Gratulationsschrift sind einige Einschränkungen verbunden: Gänzlich unpassend wären hier etwa gesellschafts- und v.a. univer- <?page no="157"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 149 sitätskritische Töne, wie wir sie z.B. in Barclays Satyricon (z.B. 1, 20) 17 oder im anonymen Gaeomemphio (z.B. 47) 18 finden. 19 Ähnliches gilt für Kritik an den herrschenden politischen Gegebenheiten: Die Universität Tyrnau war sowohl dem Kaiserhaus in Wien als auch (als erzbischöfliche Institution) der kirchlichen Autorität verpflichtet. 20 Eine oberflächlich-technische Auswirkung des Wesens als akademische Gratulationsschrift ist die Länge des Textes: Der Text ist für eine „long novel“ 21 verhältnismäßig kurz und umfasst nach jeweils einer Seite argumentum und clavis nur 27 Seiten, allerdings in engstem Druck und kleinster Schrift. Nun hätte es durchaus kurze Formen fiktiver lateinischer Prosa gegeben, die man im Rahmen einer vom Umfang her mehr oder weniger strikt begrenzten Textgattung gut hätte einsetzen können (z.B. facetiae oder Kurzgeschichten), 22 aber Székely entschied sich doch für die größere Form. Dies führt an bestimmten Stellen des Textes zu einer extrem gedrängten Darstellung, sodass der Leser beinahe den Eindruck gewinnt, es handle sich um eine Epitome. Als Beispiel diene eine Passage aus dem dritten Teil: Turnus (Ottokar) greift gegen Aeneas (Rudolf) zu den Waffen, wird besiegt, schließt Frieden, lässt sich dann aber erneut zu Kampfhandlungen hinreißen (Bl. [D1] v ): Corripuerat arma Turnus, ubi primum Heptavirorum consilia inaudierat, nihilque neglexerat, quo vel excita in opem Styge inclinatam in aemulum fortunam averteret, iamque aperto Marte a Caesare victus et ad pacis leges coactus Germanocordiam cum Aemonia, Trileonina et Sitrocylia victori cesserat, sed ab impotentis superbiae foemina nova moliri propemodum adigebatur. Turnus hatte zu den Waffen gegriffen, sobald er von den Beschlüssen der Heptaviri gehört hatte, nichts unversucht gelassen, um sogar mit Hilfe höllischer Mächte das Glück, das sich seinem Widersacher zuneigte, abspenstig zu machen, war in offener Feldschlacht vom Kaiser besiegt, musste laut Friedensbedingungen Germanocordien mit Aemonien, Trileonina und Sitrocylien an den Sieger abtreten und ließ sich von seiner ungezügelt stolzen Frau gleich wieder zu neuen Machenschaften hinreißen. Hier ist in nur einem Satz zusammengefasst, wie Turnus vom Beschluss der Kurfürsten erfährt, Aeneas zum König zu machen, die Mächte der Hölle um Beistand anfleht, sich mit Aeneas eine offene Feldschlacht liefert, Friedensverhandlungen bestreitet und den Verlust von Germanocordia (Österreich), 17 Barclays vor der Argenis entstandener Roman Satyricon ist herausgegeben und mit englischer Übersetzung versehen von Fleming 1973. 18 Edition mit französischer Übersetzung von Desjardins 1972. 19 Ähnlich universitätskritisch ist auch die Passage in Holbergs Iter subterraneum (1, 1, 14), in der Klimius im Orbit des unterirdischen Planeten kreist und beim Angriff eines Greifen stolz sein (in dieser Situation völlig nutzloses) Universitätsdiplom vorweist. 20 Zur Geschichte der Universität Tyrnau vgl. Fejér 1835, 7-121. 21 Vgl. sew n / Sacré 1998, 255. 22 Zu Kurzgeschichten, facetiae und exempla vgl. IJsewijn / Sacré 1998, 247-250. <?page no="158"?> Florian Schaffenrath 150 Aemonia (Krain), Trileonina (Kärnten) und Sitrocylia (Steiermark) akzeptiert. Dem nicht genug: Auch die Schliche seiner stolzen Frau Kunigunde von Ungarn, die ihn zu neuerlichem Kampf antreibt, finden in diesem Satz noch Platz. 23 Gerade Motive wie „der Feind des Helden bittet die Hölle um Hilfe“ oder „offene Feldschlacht zwischen Held und schlimmstem Widersacher“ wären prädestiniert für eine ausführlichere Schilderung im Kontext eines Romans, aber Székely musste sich dies wohl aus Platzgründen versagen. 4 Hintergrund: zeitgenössische Romandefinitionen Das Ende des 17. Jahrhunderts war im Habsburgerreich eine Zeit, in der viele Romane geschrieben wurde: Im gesamten deutschsprachigen Raum erschienen (inklusive Übersetzungen) sechs bis acht Romane pro Jahr, 24 d.h. die gewaltige Produktion, die ab etwa 1740 einsetzte, war zwar noch nicht erreicht, wohl aber ein solider Grundstock, der für die zunehmende Beliebtheit der Gattung spricht. Dieses Interesse fand auch in theoretischen Texten zum Roman seinen Niederschlag. Drängende Fragen dieser Zeit waren v.a. die Verortung des Romans im Gattungssystem der Poetik (hier bestand die Lösung in einer starken Orientierung am Epos) und die Legitimation einer Gattung, die im humanistischen Gattungskanon keine Rolle spielte und (mit Blick auf Petron und Apuleius) sogar im Verdacht stand, moralisch anrüchig zu sein. 1670 verfasste Pierre Daniel Huet seinen Traitté de l’origine des romans, der 1682 auch in deutscher Übersetzung 25 vorlag. Obwohl der Titel nahelegen könnte, dass es in diesem Werk nur um die Geschichte des Romans geht, behandelt Huet auch eine Menge an poetologischen und apologetischen Fragen und beginnt mit folgender Definition des Romans (S. 4-5; zitiert nach Weber 1974): Ce que l’on appelle proprement Romans sont des fictions d’aventures amoureuses, écrites en Prose avec art, pour le plaisir et l’instruction des Lecteurs. [...] l’amour doit estre le principal sujet du Roman. Il faut qu’elles soient écrites en Prose, pour estre conformes à l’usage de ce siecle. Es ist auffällig, dass Huet hier eine sehr enge Romandefinition vorlegt, die eine große Anzahl an Texten ausschließt: Inhaltlich findet sich der sogenann- 23 Besonders dramatisch ist die Geschichte von Kunigunde, die Ottokar zum neuerlichen Kampf anstachelt, bei Cuspinian (1540, 535) geschildert; sie wirft ihrem Mann vor, dass er sich von einem ehemaligen Sklaven (servo olim tuo) ausspielen lasse (dazu unten mehr). 24 Der reformierte Romanfeind Gotthard Heidegger spricht in seiner Mythoscopia Romantica (1698) sogar von einem „ohnendlich Meer“ von Romanen, vgl. Meid 2009, 530. 25 Abgedruckt als Anhang in Eberhard Werner Happels Roman Der Insulanische Mandorell, vgl. die neue Ausgabe von Stockhorst 2007. <?page no="159"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 151 te galante Roman 26 recht gut in der Definition wieder, während der höfischhistorische Roman 27 gewisse Probleme hat. Vollkommen unbeachtet bleiben niedere Romanformen, wie z.B. der Pikaro-Roman. 28 Formal ist die Beschränkung auf die Prosa problematisch. Denn die Menippeische Satire, d.h. die Verbindung von längeren Prosapartien mit (meist kürzeren) Verspartien, gilt als einer der wesentlichen Vorläufer des neulateinischen Romans; man könnte mit De Smet 1996 sogar so weit gehen, einen großen Teil der neulateinischen Romane selbst als Menippeische Satire zu sehen. Nur am Rande erwähnt sei, dass bereits für die antike Literatur eine große Unsicherheit für das Verhältnis zwischen Romanen und menippeischen Satiren besteht. 29 Betrachtet man vor dieser Definition Huets den Aeneas Habspurgus, müsste man zum Schluss kommen, dass es sich um keinen Roman handelt: Denn erstens ist der Aeneas Habspurgus ein Prosimetrum; die Prosateile überwiegen zwar überproportional, aber immerhin zwölf Verspartien sind eingeschoben, die zusammen 165 Verse umfassen. 30 Die benutzten Versmaße sind unterschiedlich und entsprechen der Verteilung, die aus anderen Romanen bekannt ist; im Aeneas Habspurgus finden sich Hexameter, elegisches Distichon, Iamben, alkäische Strophe, Asklepiadeen und Epodenmaße. Das mit 51 Versen längste Gedicht auf Bl. [A3] v -[A4] r ist ein Genethliacon auf Julus, den Sohn des Aeneas, und auf den mit ihm verbundenen nie enden wollenden Ruhm des Hauses Habsburg. Während man mit Blick auf Huets Romandefinition über diese zwölf Verspartien vielleicht noch hinwegsehen könnte, ergibt sich ein zweites Problem durch die Forderung, dass die Liebe das Hauptthema eines Romans sein muss. Denn Liebe spielt im Aeneas Habspurgus nicht nur keine Rolle, sondern sie wird in auffälliger Weise ausgespart, selbst wo sich eine Behandlung angeboten hätte, was ein Beispiel aus dem ersten Teil zeigt: Aeneas wurde soeben durch seinen alten Freund Anaximander die Botschaft von der Geburt seines Sohnes überbracht. Er beschließt, nach Hause zurückzukehren, um den neuen Erdenbürger zu begrüßen (Bl. A3 r ): Aeneas filii visendi cupidine flagrans cum Runeste et Anaximandro in individuum vitae comitem adlecto iter ad coniugem instituit, quo postquam biduo pervenisset, brevi hac dictione ab Oratorum non indiserto exceptus est. Aeneas brannte vor Verlangen, seinen Sohn zu sehen und brach zusammen mit Runestes und Anaximander, den er sich zum unabkömmlichen Begleiter in seinem Leben erkoren hatte, zu seiner Frau auf. Zwei Tage später kam er 26 Zum galanten Roman vgl. Singer 1966. 27 Zum höfischen Roman vgl. Meid 2000. 28 Vgl. z.B. Castillo Durante 1994. 29 Vgl. etwa Adamietz 1987. 30 Die zwölf Verspartien sind unterschiedlich lang: 1: 14 Verse, 2: 51, 3: 12, 4: 4; 5: 4, 6: 4, 7: 5, 8: 5, 9: 10, 10: 14, 11: 26, 12: 16. In Summe gibt es also 165 Verse, eine Verspartie umfasst im Durchschnitt ca. 14 Verse. <?page no="160"?> Florian Schaffenrath 152 dort an und wurde von einem nicht ganz unbegabten Redner mit folgenden Ausführungen willkommen geheißen. Es folgt eine sehr lange Rede dieses begabten Redners, dann wird der Auftritt eines Dichters durch die Ankunft einer offiziellen Gesandtschaft vereitelt, um die sich Aeneas persönlich kümmern muss. Es muss sofort eine Beratung stattfinden, aber immerhin überlässt es Aeneas danach Anaximander, das Ergebnis dieser Beratung offiziell zu verkünden, dum Aeneas salutandae coniugi prolique visendae indulgeret („während Aeneas damit beschäftigt war, seine Frau zu begrüßen und seinen Sohn zu sehen“; Bl. [A4] r ). Gleich im folgenden Satz erfahren wir, dass Aeneas am nächsten Tag auf die Jagd ging - kein Wort mehr über die geplante Begegnung mit seiner Frau. Dies ist kein willkürlich herausgegriffenes Einzelbeispiel, sondern es handelt sich (neben der bereits erwähnten kriegstreibenden Gattin Urocottas) tatsächlich um die einzige Stelle im Roman, an der eine Frau überhaupt vorkommt; ansonsten ist die weibliche Welt vollständig ausgeblendet. Eine Liebeshandlung gibt es folglich nicht. Nach der Definition Huets dürften wir beim Aeneas Habspurgus demnach also nicht von einem Roman sprechen, v.a. nicht, wenn man die pointierte Formulierung bedenkt, mit der Huet seine diesbezüglichen Ausführungen beendet: les Poemes [ gemeint sind epische Dichtungen ] ont pour sujet une action militaire ou politique, et ne traittent l’amour que par occasion; les Romans au contraire ont l’amour pour sujet principal et ne traittent la politique et la guerre que par incident (S. 7, zitiert nach Weber 1974). In der Nachfolge Pierre Daniel Huets schreibt Susanna Elisabeth Prasch (1661-ca. 1718) aus Ortenburg eine Abhandlung über das Wesen des Romans: Ihre Réflexions sur les romans erschienen 1684; sie war nicht nur eine der ersten Frauen, die sich mit Romantheorie beschäftigten, sie war auch die erste Deutsche, die dieses Thema in französischer Sprache behandelte. Ihr Mann, der Regensburger Ratsherr Johann Ludwig Prasch, ist durch seinen neulateinischen Roman Psyche Cretica (1685) bekannt geworden. 31 Mit seiner starken christlich-erzieherischen Tendenz ist Johann Ludwig Prasch wohl der Einzige, der diesen Aspekt der theoretischen Forderungen seiner Frau für einen guten Roman in die Tat umgesetzt hat. Wir wollen uns aber weniger mit den ethischen Forderungen für Romane als vielmehr mit der Stoffgebung beschäftigen, auf die Susanna Prasch in ihrer zweiten Reflexion zu sprechen kommt, die den Titel Si les Romans doivent contenir des choses feintes, ou veritables, et avec quelle limitation trägt. Dort heißt es (S. 18-19, zitiert nach Weber 1974): Un ancien autheur dit: Argumentum (species Narrationis) est res ficta, quae tamen fieri potuit, velut argumenta Comoediarum. C’est icy, où l’on doit ranger les Romans. Encore donc qu’ils ayent pour objet et desirent des choses, qui sont 31 Vgl. den Beitrag von T. Gärtner in diesem Band. <?page no="161"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 153 tout à fait nouvelles et inventées, mais pourtant vray-semblables, comme nous en sommes informez par des vieux et bons examples. Wir sehen hier bei Susanna Prasch, wie sie über ein Zitat aus der Rhetorik an Herennius (1, 8, 13) 32 eine bekannte Stelle aus der Poetik des Aristoteles fruchtbar macht, um den Roman in das allgemeine Gattungsgefüge ihrer Zeit einzupassen: Im vielzitierten neunten Kapitel seiner Poetik definiert Aristoteles den Unterschied zwischen dem Geschichtsschreiber und dem Dichter so, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere aber, was geschehen könnte. Das bedeutet, dass Dichter nach Aristoteles das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche darstellen (poet. 1451a-b), während Historiker durch den tatsächlichen Geschehensverlauf in ihrer Kunst stark eingeschränkt werden. 33 Dasselbe Phänomen spricht auch der eben genannte Huet an: Ces ouvrages [sc. Geschichtswerke wie z.B. die Historien Herodots] sont veritables gros, et faux seulement dans quelques parties; les Romans au contraire sont veritables dans quelques parties et faux dans le gros (S. 8, zitiert nach Weber 1974). Auch vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf den Aeneas Habspurgus: Der Inhalt des Romans ist in den Teilen eins und drei die durch die Namensverschlüsselung nur leicht kaschierte Biographie Rudolfs I. von Habsburg rund um die Zeit seiner Wahl zum römisch-deutschen König im Jahr 1273. 34 Der zweite Teil erzählt von den Versuchen, den Königen von Spanien und England die römisch-deutsche Königswürde zu übertragen. Die Geschichte ist also insgesamt historisch-biographisch. Es gibt zwar eingelegte wundersame Erzählungen, wie z.B. den im ersten Teil geschilderten Besuch im Tempel der Virtus (Bl. [A4] v ), wo die Priesterin Aeneas eine große und bedeutende Zukunft verkündet (summum et supremum in terris honorem); im zweiten Teil findet sich beispielsweise die Episode, in der der hervorragende castuhimenische (sarazenische) Kämpfer Primonides nach einem Seesturm vermeintlich in die Hände von Piraten gerät, jedoch bald merkt, dass das Schiff von seinem Freund Gorymestes kommandiert wird. 35 Aber auch wenn Geschichten, wie die eben angesprochene, sehr unterhaltsam und attraktiv sind, können sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Székely in seinem Roman in der Hauptsache die historischen Ereignisse rund um das Jahr 1273 vorführt und somit eher einem Geschichtsschreiber als einem Romanschreiber in der Definition Huets und Praschs ähnelt. 32 Vgl. auch Cic. inv. 1, 19, 27. 33 Zur Bedeutung der Poetik des Aristoteles in der Literaturtheorie der Frühen Neuzeit vgl. Kappl 2006, v.a. 72-169 zum Verhältnis von Dichtung und Realität. 34 Ein vergleichbares Werk schrieb Andreas Heinrich Bucholtz 1659 / 1660. In seinem Roman Herkules wird die Idee des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation in die Vergangenheit projiziert. 35 Solche Piratengeschichten sind im neulateinischen Roman sehr beliebte Motive; erinnert sei an Ruahuanacus im Kap. 3, 7-8 der Peruviana Claude Morisots oder auch an Poliarchus in Barclays Argenis 2, 9. <?page no="162"?> Florian Schaffenrath 154 Viele Elemente der Handlung müssen modernen Lesern aufgrund ihres heutigen Wissens über Rudolf I. von Habsburg 36 freilich als unhistorisch oder fabulös erscheinen. Sie sind jedoch vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Historiographie über die Anfänge des Hauses Habsburg zu sehen, die noch viel legendenhaftes Material beinhaltete. Ein Beispiel hierfür ist die Nachricht, dass Rudolf vor seiner Wahl zum König in den Diensten Ottokars von Böhmen stand, was heute als unhistorisch gilt. 37 In Johannes Cuspinians De Caesaribus (1540, 532, 534) liest man hierüber: Fuit [ sc. Rudolphus ] insuper magister curiae Ottocari Regis Boemiae, qui hanc electionem summis viribus impedire nitebatur. [ ... ] Erat enim superbissimus [ sc. Ottocarus ] et verebatur poplite flexo illum adorare, qui olim ei servierat ut magister curiae suae. Rudolf war zudem Hofmeister König Ottokars von Böhmen, der seine Wahl mit allen Kräften verhindern wollte. [ ... ] Ottokar war nämlich äußerst stolz und fürchtete, auf Knien den Mann anflehen zu müssen, der ihm einst als Hofmeister gedient hatte. Bereits in der Geschichtsschreibung des frühen 16. Jahrhunderts finden sich also knappe Hinweise auf diese Legende, Rudolf habe in den Diensten Ottokars gestanden; was dort als Hofmeister (magister curiae) seine genauen Aufgaben waren, d.h. welche Kriege er zu führen hatte, erwähnt Cuspinian nicht. Ein Jahrhundert später wissen Johann Jakob Fugger und Sigmund von Birken in ihrem Spiegel der Ehren des Hoechstloeblichsten Kayser- und Koeniglichen Erzhauses Oesterreich (1668, 56-57) Genaueres über die frühe Beziehung zwischen Rudolf und Ottokar zu berichten: Nachdem auch K. Conradus [ ... ] mit Tod abgangen / hat Rudolphus, weil seine Tugend eines Schauplatzes vonnöten hatte / nach einem andern Hof sich umgesehen. Zur selbigen Zeit ware in sonderbarem ansehen / und wurde im Reich vor den gewaltigsten Fürsten gehalten / Ottocarus oder Ottger / König in Böheim / welcher offt und viel / und zwar glücklich / kriegete: dannenhero sein Hof / eine rechte Kriegsschul vor junge Fürsten / und ein Sammelplatz der bästen Ritter / gewesen. Diesem König / ist unser Rudolphus A. 1255 auch zu Hof geritten / von dem er / (als allbereit im gantzen Reich vor den erkandt / der er ware) mit sonderbarer Freude über seiner Ankunft / aufgenommen / auch sobald allem seinem Adel vorgesetzt / und zum Hofmarschalk verordnet worden. [ ... ] Rudolphus fand in diesem Krieg Ritter-übung / die er gesuchet. Die Preussen / waren unlangst / beym Einfall der Tartarn / vom Christlichen zum heidnischen Glauben wieder abgefallen. Wider diese zoge / auf anmahnung des Papsts / K. Ottocar [ ... ] In diesem Krieg hat sich unser Rudolphus [ ... ] dermassen dapfer verhalten / daß er vor allen andern groß Lob davon getragen. Wie lang Rudolphus an K. Ottocars Hof gewesen / ist nicht aufgezeichnet. Soviel weiß man / daß er A. 36 Nach wie vor gilt Redlich 1903 als Standardwerk zur Biographie Rudolfs. 37 Zur Entstehung dieses Gerüchts vgl. Lhotsky 1944, 179. <?page no="163"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 155 1260 / einem andern Kriegszug desselben / wider K. Bela IV in Hungarn beygewohnet / und abermals soviel proben seiner Dapferkeit sehen lassen / daß ihn Ottocar in der wiederheimkunft / mit einem königlichen Kriegsgürtel verehret und zum Ritter geschlagen. Diese Darstellung der Ereignisse aus dem Jahr 1668, die zeitlich schon viel näher am 1695 veröffentlichen Aeneas Habspurgus liegt, weiß sehr viel mehr über den frühen Dienst Rudolfs am Hof Ottokars zu berichten, v.a. auch über die beiden Kriegszüge gegen die Preußen und die Ungarn, die im Roman auch erwähnt werden. Mehrere historische Darstellungen des Lebens Rudolfs I. aus dem 17. Jahrhundert könnten noch angeführt werden, in denen eine Vielzahl von Legenden und wundersamen Erzählungen mehr oder weniger phantasievoll ausgestaltet wird. 38 Hier soll das Ausgeführte als Beweis dafür genügen, dass Székely seiner Handlung in der Hauptsache historisch verstandenes Material zugrunde legte. Ein auffälliger Unterschied zu Geschichtswerken der Zeit besteht freilich in der Namensverschlüsselung, die zu einer gewissen Verfremdung führt und den Eindruck von Fiktion bestärken soll. Sie ist jedoch im Aeneas Habspurgus stark zu hinterfragen: 39 Während bei Klassikern der Schlüsselliteratur, wie in Barclays Satyricon oder Argenis, die Schlüssel (claves) nie Teil der ursprünglichen Publikation waren und (wenn überhaupt) meist von Freunden oder Herausgebern in späteren Editionen ergänzt wurden, ist die clavis in unserem Fall dem Werk sehr prominent vorangestellt. Der Reiz dieser Verschlüsselung und der Grad der Verfremdung wird dadurch verringert. 5 Moderne Einordnungen Um den Aeneas Habspurgus als Roman zu erfassen, ist es notwendig, moderne Romandefinitionen zu bemühen. Sowohl Jozef sew n und Dirk Sacré 40 als auch Heinz Hofmann 41 erwähnen den Aeneas Habspurgus in ihren großen Überblicken zum neulateinischen Roman. Sie machen das klugerweise jeweils nicht, indem sie zunächst Kriterien aufstellen, die für alle Texte, die sie unter „novels“ verstehen wollen, gelten müssen, und dann Text für Text vorgehen; vielmehr gehen sie von einer Gruppe antiker Texte aus und untersuchen, was im Laufe der Rezeptionsgeschichte aus diesen Texten geworden ist. Im Kern sind dies: Petrons Satyrica und Apuleius‘ Metamorphoses (sowie aus der Spätantike die Historia Apollonii regis Tyri). Vergleicht man nun den Aeneas Habspurgus mit diesen Kerntexten des antiken lateinischen Romans, drängen sich wieder eher die Unterschiede als 38 Vgl. Lhotsky 1944, 179 Anm. 30. 39 Zum Verhältnis von Fiktionalität und Historizität in der Schlüsselliteratur vgl. Rösch 2004. 40 IJsewijn / Sacré 1998, 255. 41 Hofmann 1999, 11. <?page no="164"?> Florian Schaffenrath 156 die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund: Anders als dort ist der Protagonist von hohem, schließlich sogar höchstem adeligen Rang. Es gibt keine Liebeshandlung. Weder Erotik noch Magie spielen eine Rolle. Die Welt, in der die Handlung spielt, ist der Hof und das Schlachtfeld. Das Hauptthema ist Politik. Das antike Hauptvorbild des Aeneas Habspurgus ist vielmehr ein anderer Text: Vergils Aeneis, auf die auch im argumentum explizit Bezug genommen wird. 42 So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich eine große Zahl an strukturellen Parallelen ausmachen lässt, von denen hier nur ein paar genannt seien: Im Zentrum beider Texte steht eine Figur namens Aeneas; dieser befindet sich im ersten Teil beider Werke auf dem Weg nach (Novum) Latium und muss, im zweiten Teil dort angekommen, eine Reihe von Kämpfen bestehen. Beide Werke sind von stark teleologischem Grundcharakter, der in einer Reihe von Vorverweisen auf Aeneas‘ künftige Herrschaft seinen Ausdruck findet. In beiden Werken gibt es eine längere Erzählpassage, in der Aeneas abwesend ist (Aen. 9 und teilweise 10; Teil 2 des Aeneas Habspurgus) und in der seine künftige Herrschaft in Gefahr ist. Schließlich steht am Ende beider Werke der Tod des Turnus durch Aeneas, wobei mehr oder weniger klar gestellt wird, dass Turnus selbst Schuld an seiner Ermordung ist. Damit dürfte klar sein, dass nicht Petrons Satyrica und die anderen antiken lateinischen Romane als unmittelbare Vorbilder für den Aeneas Habspurgus anzusehen sind, sondern vielmehr Vergils Aeneis. Es wäre aber verfehlt, hier stehen zu bleiben, die Parallelen zur Aeneis genauer herauszuarbeiten und zu glauben, dem Aeneas Habspurgus damit zu genügen: Auch der zeitgenössische Kontext will beachtet sein: Gerade dieser Kontext des 17. Jahrhunderts ist es, der sew n / Sacré und Hofmann wohl dazu bewogen hat, den Text unter die long novels bzw. Latin fiction einzuordnen, hat er doch eine große Reihe von Gemeinsamkeiten mit den neulateinischen Klassikern des Romans aus dem 17. Jahrhundert, von denen in der Folge exemplarisch zwei herausgegriffen werden sollen: Beschreibung des Fortunatempels und Namensallegorie. In vielen neulateinischen Romanen findet sich eine Beschreibung des Tempels der Glücksgöttin, in dem sich wichtige Ereignisse für die innere Entwicklung des Protagonisten abspielen. In Barclays Satyricon (2, 7-8) kommt der Held Euphormio in die Stadt Ilium (Paris), in der die Göttin Fortuna besonders verehrt wird. Euphormio versucht, mit dem obersten Priester der Fortuna, einem gewissen Doromisus in Kontakt zu kommen, und begibt sich zu diesem Zweck in das templum Fortunae. Dort begegnet 42 Das argumentum beginnt mit einer kurzen Nacherzählung der sieben Jahre dauernden Abenteuer des Aeneas und führt dann weiter aus: Sub huius schemate Rudolphum Habspurgum adducimus, qui paribus gestis idem nomen sibi vendicat („Unter seiner allegorischen Verkleidung schildern wir nun Rudolf von Habsburg, der sich durch gleiche Heldentaten denselben großen Namen verdient hat“). <?page no="165"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 157 ihm eine Frau, in die er sich prompt verliebt, von der sich aber später herausstellt, dass sie eigentlich unerreichbar wäre; Euphormio gelingt es dennoch, mit ihr zu schlafen. Die amourösen Verwicklungen haben hier im Tempel der Fortuna begonnen. - Im Gaeomemphio ist es nicht Fortuna, sondern Felicitas, deren Tempel eine große Rolle im Fortgang der Geschichte spielt. In der Stadt Argyroploeum (Paris), an deren Tor bereits eine Statue der Felicitas steht (204), will Gaeomemphio den Tempel der Göttin betreten, doch schon am Eingang kommt ihm eine schöne Frau entgegen, in die er sich unsterblich verliebt (209-217). Auch hier entspinnen sich wieder einige Liebesabenteuer zwischen den beiden. Eine deutliche Anspielung auf dieses templum Fortunae-Motiv seiner Vorgänger findet sich im ersten Teil des Aeneas Habspurgus: Nach dem Tod von Rifricudes (Kaiser Friedrich) befindet sich Aeneas auf der Reise nach Latium. An der Grenze kommt er an das fanum Fortunae, das ausführlich beschrieben wird (Bl. A2 r-v ). Im Gegensatz zu den eben genannten Beispielen lässt sich Aeneas aber nicht von den Verlockungen der Glücksgöttin verführen, sondern widersteht ihr. Vielmehr zeigt sich ihm gleich im Anschluss an diese Episode der Tempel der Virtus, in dem ihm eine glänzende Zukunft prophezeit wird. Auch hier spielt das Heiligtum der Fortuna also eine essentielle Rolle im Verlauf der Handlung. Denn der Weg, den der Protagonist hier einschlägt, wird ausschlaggebend sein für den Fortgang der Ereignisse. Aeneas entscheidet sich nicht wie Euphormio oder Gaeomemphio für die Reize der Göttin, sondern entsagt ihr, strebt vielmehr nach virtus. Ein weiteres Element, das der Aeneas Habspurgus nicht mit den antiken Romanen, wohl aber mit den neulateinischen Romanen in der Nachfolge Barclays gemeinsam hat, betrifft die allegorische Namensverschlüsselung: Bekanntlich gehört es zu den Charakteristika dieser Texte, dass die meisten Namen in verschlüsselter Form Anspielungen an bestimmte Länder, Städte oder Personen sind. Barclay hat in seiner Argenis zwei verschiedene Gruppen von verschlüsselten Figurennamen eingeführt: Hinter manchen Figuren verbergen sich konkrete historische Personen (hinter Lycogenes verbirgt sich beispielsweise der Duc de Guise, der Anführer der Katholischen Liga und Gegner Heinrichs III.) Hinter anderen Figuren des Romans verbergen sich jedoch allgemeine Dinge wie Tugenden oder Laster. Dasselbe Prinzip findet sich im Aeneas Habspurgus: Einige Figuren stehen für bestimmte historische Persönlichkeiten (z.B. Aeneas für Rudolf von Habsburg), andere Figuren stehen für Tugenden (z.B. Aretius für die Tugend, abgeleitet vom gr. areté). Eine weitere Gemeinsamkeit betrifft die Entdeckung der allegorischen Lesart: In vielen neulateinischen Romanen finden sich Passagen, in denen die Technik, wie die allegorische Lesart entschlüsselt werden soll, erklärt wird. Es gibt somit innerhalb des Textes Schlüssel zum Verständnis des Gesamtwerkes: In Anton Wilhelm Ertls Austriana regina Arabiae verkleidet sich der ins Exil vertriebene Held Aurindus im zweiten Buch als Maler und zeichnet ein Bild von einem Gewittersturm in einem Garten, dessen einzelne <?page no="166"?> Florian Schaffenrath 158 Teile auf die Handlung des Romans hin gedeutet werden (z.B. Garten = Arabien, von Wolken verborgene Sonne = Aurindus usw.). Der Künstler selbst führt hier also die Technik vor, wie man mithilfe einer clavis in einem Kunstwerk Aktualisierungen feststellen kann. 43 Ähnliches findet sich bei Barclay (Satyricon 2, 22) und in anderen Romanen. Im Aeneas Habspurgus wird zu Beginn des zweiten Teiles am Hof des Sonalphus ein Theaterstück aufgeführt, das den Kampf der Olympier gegen die Titanen zum Inhalt hat. Hier ist es nun Sonalphus selbst, der Gesandten gegenüber den Zeitbezug des Stückes herausstellt (Bl. [B3] r-v ): Scenae argumentum erat Titanum progenies a Jove tumulata. Stupebant Latini inducta artifice manu ad theatrum Acroceraunia, quibus homines hominibus maiores superis minari audebant, et fulmina, quibus mole quisque sua obruebatur, a Jove mutuata credebant. Excepit confictos coeli fragores communis omnium applausus, quo Sonalpho Erymellano Jovi gloria, felicitas advovebatur. In digressu Legatis Sonalphus ita fabulam breviter evolvit: Quos comico supplicio dissipatos vidistis, Hospites, eorum pars cruenta clade sensit seria fulmina, pars ab Imperii, ad quod properabo, viribus validiora itidem experietur. Thema des Stückes war die Nachkommenschaft der Titanen, die von Jupiter begraben wurde. Die latinischen Gesandten bestaunten die künstlichen Donnerkeile auf dem Theater, mit denen die übermenschlichen Menschen den Göttern zu trotzen wagten, und hielten die Blitze, durch die jeder unter seiner Last zusammenbrach, für umgewandelte echte Blitze. Den falschen Himmelsdonner nahm dann allgemeiner Applaus auf; so wurde Sonalphus, diesem Erymellanischen Jupiter, Ruhm und Glück verheißen. Beim Weggehen legte Sonalphus den Gesandten das Stück kurz so aus: „Die Titanen, die ihr auf der Bühne bestraft und vernichtet saht, ihr Gäste, von denen spürte ein Teil im blutigen Kampf echte Blitze, ein Teil aber wird noch stärkere von den Mächten des Reiches, zu dem ich mich begeben werde, zu spüren bekommen.“ Auch im Aeneas Habspurgus wird also ein Kunstwerk beschrieben, in diesem Fall eine Theateraufführung. Dieses Kunstwerk wird dann von einer Figur des Romans allegorisch gedeutet und für die aktuelle Lage fruchtbar gemacht; hier bezieht es Sonalphus auf seinen bevorstehenden Machtzuwachs, den er zur endgültigen Vernichtung der Afri (Mauren) einsetzen will. 6 Resümee Es handelt sich beim Aeneas Habspurgus um fiktionale lateinische Prosa mit eingestreuten Verspartien, die das Werk in die Tradition der Menippeischen Satire stellen. Der Inhalt ist historisch-biographisch, denn das Werk folgt den Ereignissen rund um die Wahl Rudolfs von Habsburg zum römisch- 43 In der Ausgabe der Austriana regina Arabiae von 1717 findet sich die Passage auf S. 100- 103. <?page no="167"?> Aeneas Habspurgus vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Romantheorie 159 deutschen König im Jahr 1273. Strukturell lassen sich starke Bezüge zu Vergils Aeneis beobachten. Durch bestimmte literarische Techniken steht das Werk auch in enger Beziehung mit den auf John Barclay zurückgehenden neulateinischen Romanen. Die auffallende Kürze kann mit dem Wesen als akademische Gratulationsschrift erklärt werden. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Romandefinitionen, wie sie beispielsweise Pierre Daniel Huet oder Susanna Prasch geben, dürfte der Aeneas Habspurgus nicht als Roman betrachtet werden; diese Zuordnung gelang erst durch modernere Zugriffe auf die Textsorte. 44 Literatur Adamietz, Joachim, „Zum literarischen Charakter von Petrons Satyrica“, Rheinisches Museum 130, 1987, 329-346. Borsa, Gedeon, „Deutsche Buchdrucker des 17. Jahrhunderts in Ungarn“, in: Paul Raabe (Hg.), Bücher und Bibliotheken im 17. Jahrhundert in Deutschland, Hamburg 1980, 67-77. Castillo Durante, Daniel, Roman picaresque et littératures nationales, Québec 1994. Cuspinian, Johannes, De Caesaribus atque imperatoribus Romanis opus insigne, Straßburg 1540. De Smet, Ingrid, Menippean Satire and the Republic of Letters: 1581-1655, Genf 1996. Desjardins, Juliette (Hg.), Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon (1628), Leiden 1972. Ertl, Anton Wilhelm, Austriana regina Arabiae, Salzburg 1717 2 . 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There are a number of reasons why this novel, which is just as complex as extensive, has escaped Neo-Latin scholarship (except to some extent that of Hungary) for so long. One reason may be that the Argonautica does not meet the expectations many readers bring to an ‘18th century novel’, which in a certain emphatic, if misguided, sense implies the Enlightenment and enlightened ideas as expressed, for instance, in Holberg’s aforementioned Niels Klim. Another, more elementary and probably more important, reason is that the circulation of the Argonautica was limited. It did not see further editions and can now be found only in a handful of libraries. A reprint of the work was published at the occasion of the 13th International Congress of Neo-Latin Studies in Budapest 2006, but in fact this reprint seems to be even rarer than the original itself and is impossible to obtain on the book market. Fortunately, this material obstacle has been removed in the meantime since Google digitized the copy of the Argonautica held by the Bavarian State Library: the work is now freely available in the digital collections of the Bavarian State Library as well as on Google Books. 2 Considering the lack of studies on the Argonautica so far, this paper can only provide some first approaches. On the one hand, I shall give a brief general introduction to a long work which could of course be examined in many more aspects and in much greater detail; on the other hand, I attempt to understand some issues regarding the contemporaneous literary and political significance of the Argonautica. 1 Cf. the contributions of K. Skovgaard-Petersen and S. Galson in this volume. 2 Cf. http: / / reader.digitale-sammlungen.de/ resolve/ display/ bsb10609679.html (Bavarian State Library) and http: / / books.google.com/ books? id=p2ZEAAAAcAAJ (Google Books). <?page no="170"?> Stefan Tilg 162 2 The Argonautica and its context in Dugonics’ early works The Argonautica is Dugonics’ second published work and falls in an early period of his literary career, before he went on to become Hungary’s most popular author. 3 The idea for this novel dates back to the late 1760s, when Dugonics was a teacher in a Piarist school in Transylvania - a native of Szeged, Dugonics entered the order of the Piarists in 1756 and, as usual, was assigned teaching jobs in a number of schools of the order. Later, from 1774 to his retirement, he was professor of mathematics at the University of Nagyszombat (today Trnava in Slovakia). As it appears from a manuscript containing a mythographical treatise that deals with the characters of the Argonauts, 4 his plans for a novel developed out of his critical work on the text of Hyginus’ fable 14, which lists the names of the Argonauts. In a preface 5 to this mythographical treatise, Dugonics identifies the narrative models which inspired him to create a novel from this material: for one thing, he refers to his classes on Virgil’s Aeneid and Homer’s Odyssey, for another, to his private reading of Barclay’s Argenis, 6 Fénelon’s Télémaque (which he read in Latin translation) and a free verse adaptation of Heliodorus’ Aethiopica by the best known Hungarian writer of the 17th century, István Gyöngyösi. 7 As far as earlier narrative versions of the subject matter are concerned, Dugonics remains silent, but it is clear that he looked to Apollonius Rhodius and especially Valerius Flaccus, whose Argonautica epic was the most popular version of the story in the early modern period. The mix of epic poets and novelists in Dugonics’ models suggests that, to him, epic and novel were related genres. He thereby follows a long tradition of early modern poetics, which starts at the latest with Scaliger’s inclusion of Heliodorus in his account of epic poetry. 8 In fact, the Argonautica may be the most epic of all Latin novels, which shows even in its division into 24 books, just as the Iliad and the Odyssey. A few significant further examples of Du- 3 For Dugonics’ life cf. Szörényi 1996, 108-40 with references to older scholarship; for a brief survey in English e.g. Tezla 1970, 132-135. 4 National Széchényi Library, Budapest (abbreviated OSZK after the Hungarian name of the library, Országos Széchényi Könyvtár), shelfmarks Fol. Lat. 80 and Fol. Lat. 81. 5 Ad amicum lectorem praefatio (OSZK, Fol. Lat. 81 fol. 4 r-v ; printed as Appendix I in the reprint of the Argonautica 2006, 31-33). 6 Cf. the contribution of J. Tunberg in this volume. 7 Dugonics’ preface to the manuscript version of the Argonautica, dated 1776 and preserved in OSZK Fol. Lat. 83 (printed as Appendix II in the reprint of the Argonautica 2006, 34-38), provides a brief literary assessment of each of these model authors. On this assessment and its context in Hungarian literature cf. esp. Szörényi 2006. Later, Dugonics himself made a more faithful and complete prose translation of Heliodorus (Dugonics 1798). 8 Dugonics knew Scaliger’s poetics and explicitly refers to it when defending Virgil against Homer in a discussion of his models (OSZK Fol. Lat. 83, fols. 2-3; p. 36 in the reprint of the Argonautica 2006). <?page no="171"?> The Neo-Latin Novel’s Last Stand 163 gonics’ epic structure may suffice. The Argonautica begins with an invocation of the gods, as is usual in epic poetry (p. 2): Agite nunc Dii, benevola quondam Argonautis Numina! Tuque in primis, Deum Regina, et triformis Dea; dein Neptune Pater, et Nymphae Nereides […]. Vos, et scitis facinora illa omnia, et, si rite culti atque invocati fueritis, etiam memorare potestis. 9 Come now, Gods, powers once favouring the Argonauts! And you above all, Queen of the Gods, and you, goddess in three forms; 10 you then, father Neptune, and you nymphs, the Nereids [...]. You know all those deeds, and, when you are worshipped properly and invoked, you can also bring them to mind. A ‘proem in the middle’, here in book 12, the beginning of the second half of the work, promises even larger things to come, just as in the second half of Virgil’s Aeneid (p. 321): 11 Nunc agite Dii! Quis Colchidis status, quae res apud Aeaetam actae, expediam. Maior mihi nunc rerum ordo, maior narrationis difficultas nascitur. Dicam res intricatas et longe a memoria nostra remotas. At Dii et scitis illas, et invocati memorare potestis. Now come, Gods! I shall disclose the circumstances in Colchis and what was done at the house of Aeetes. Now a larger scheme of things, a greater difficulty of narrating arises. I shall say entangled things, which are far from our memory. But you, Gods, know even these, and you can bring them to mind when you are invoked. Finally, at the end of his work the author adds, just as Ovid at the end of the Metamorphoses, a sphragis in which he points out his achievement and hopes for fame after his death (p. 754): 12 Iamque opus exegi, quod longum ut duret in aevum Mandavi aeternis foliis […]. Now I have completed a great work, which I entrust to perennial leaves so it may last forever […]. Apart from Dugonics’ dedicatory ode, this sphragis is also the only part of the Argonautica which is in verse. This is remarkable considering both the prosimetric tradition of the Neo-Latin novel and the strong influence of epic models on the Argonautica. On the other hand, it seems as though Dugonics regarded prose a worthy successor of epic verse and therefore did not feel a need to include further hexameter passages. Many more epic elements could 9 Cf. Verg. Aen. 7. 645 et meministis enim, divae, et memorare potestis. 10 Juno (the ‘Queen of the Gods’) appears prominently in Valerius Flaccus’ epic; Diana (the ‘goddess in three forms’) plays a major part in the plot of the Argonautica. 11 Cf. Verg. Aen. 7. 37-45 Nunc age, qui reges, Erato […] rerum quis Latio antiquo fuerit status […] expediam […] dicam […] maior rerum mihi nascitur ordo, maius opus moveo. 12 Cf. Ov. Met. 15. 871-872 Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignis / nec poterit ferrum nec edax abolere vetustas. <?page no="172"?> Stefan Tilg 164 be identified, among them, for instance, a catalogue of the Argonauts (book 3, p. 73-78) or epic similes (for instance book 10, p. 275, comparing the death of children to the death of flowers under the plough). As regards the arrangement of the plot, Dugonics abandons the more or less linear storytelling of Apollonius and Valerius Flaccus and constructs a sophisticated narrative with the help of both epic and novelistic devices: he starts in medias res, in the 6th year of the voyage of the Argonauts, when they come to the Bithynian Mariandyni and their king Lycus. Dugonics makes ample use of his poetic licence inventing a large number of new episodes and characters, as when the Argonauts, after they go ashore in Bithynia, first come to a dilapidated temple of Diana where the goddess appears to them and prophesies eventual success; after that, they meet a certain shepherd, Eutelus, who turns out to be the former priest of the temple and who - although not a part of any myth of the Argonauts before - will become a key figure throughout the narrative. 13 The novel contains countless subplots and flashbacks, the most notable perhaps being Jason’s apologoi at the court of Lycus, which take up 4 books (books 5-8; the same number of books as in Odyssey 9-12 and in Cnemon’s ego-narrative in Aethiopica 2-5). The whole second half of the novel is set in Colchis, where, due to love and war, but also crime and intrigue, things are much more complicated than one would ever think from reading Apollonius or Valerius Flaccus. The story ends with a string of unexpected anagnoriseis and Jason’s taking possession of the Golden Fleece, while Colchis is in turmoil. The return of the Argonauts and the tragic end of the story of Jason and Medea is left out. In his mythographical treatise, Dugonics argues that the return of the Argonauts belongs to a completely different tradition. Another, not mutually exclusive, reason for the omission could be that he aimed at something different with the character of Medea. I shall return to this below. For the immediate context of the work it is interesting that it takes the middle spot in a series of three adaptations of the classical epic tradition. Before the Argonautica, Dugonics published a work called ‘Peril of Troy’ (Trója’ veszedelme, 1774). At the centre of this work is a narrative poem about the Trojan war, which is based on Virgil’s Aeneid but also draws on a num- 13 Eutelus’ role might have reminded readers of the priest, Calasiris, in Heliodorus’ Aethiopica, but to some extent he could also be an alter ego of the author, Dugonics, who was a Piarist cleric. The story of the temple itself may have an autobiographical background: in 1756 Dugonics made a pilgrimage to the Virgin of Radna (Maria Radna in today’s Romania). As in the novel, the chapel there was destroyed (in 1695 by the Ottomans) and later restored, and as in the novel, the centre of the chapel was a miraculous picture of the goddess. Dugonics recounts the story of the Virgin of Radna in a manuscript edited only much later (Grünn 1810). It may be significant that the Piarists particularly worshipped the Virgin Mary (the full name of the order identifies them as ‘Poor Clerics Regular of the Mother of God’; their coat of arms contains the stylized phrase ‘Maria ’) and that the temple in the novel is found in the land of the M a r i a ndyni (spelled ‘Mariandini’ in the novel). <?page no="173"?> The Neo-Latin Novel’s Last Stand 165 ber of further authors. This centrepiece was accompanied by an extensive mythographical apparatus consisting of prosopography and commentary. If we consider that the Argonautica, too, was supplemented by an - if unpublished - mythographical treatise we can see that both works share a certain learned, mythographical concept. After the Argonautica, in 1780, Dugonics published his Ulysses, 14 a free adaptation of Homer’s Odyssey in 20 chants. 15 Against this background it is clear that the Argonautica was, on one level, part of a larger project of adapting classical literature and mythology, especially the most prominent epic subjects handed down from antiquity. However, there are also other levels of significance which relate to contemporary literature and politics. For the remainder of this paper, I would like to focus on these issues. 3 Significance in its time For the sake of a clearer analysis I shall split up my discussion of literature and politics, although there are of course shared concerns. I start with literature. 3.1 Literature Dugonics’ œuvre comprises plays, narrative poems and novels as well as more scholarly works concerning mathematics, historiography and proverbs. From his first publication onwards, all his works except the Argonautica were in Hungarian. The promotion and development of Hungarian language and literature were one of his major goals. Against this background the question arises why Dugonics wrote the Argonautica in Latin. To understand this fact, we have to consider that there was a lack of Hungarian novels at the time and the genre was only slowly developed on foreign models, mostly from Germany, France, or Graeco-Roman antiquity. This can be illustrated by the Poesis narrativa, a poetics of narrative published in 1784 by Dugonics’ contemporary, György Alajos Szerdahelyi. In his chapter on the novel (Poesis Romanensis), Szerdahelyi also provides practical examples of novel writing country by country. After dealing at greater length with ancient Greece and Rome, France, Spain, England, Italy, and Germany, he adds a fairly short section on Hungary. 16 The first example of prose fiction (as opposed to poetic forerunners) in this section is Ignác Mészáros’ Kártigám of 1772, a Hungarian translation of the German novel by David Christian Walther of 1723, Der unvergleichlich-schönen Türckin wundersame Lebens- und Liebes-Geschichte. The second example is Dugonics’ Argonautica of 1778, the 14 Dugonics 1780. 15 Both the Troy poem and the Ulysses were written in the popular Zrinyi stanzas, consisting of 4 lines of 12 syllables, with all 4 lines having the same rhyme. 16 Cf. Szerdahelyi 1784, 81-82. <?page no="174"?> Stefan Tilg 166 third Sándor Báróczy’s Kassándra of 1774, a translation of La Calprenèdes Cassandre, originally published in 10 volumes from 1642-1650. Szerdahelyi concludes by expressing his hope for more Hungarian novelists and a further refinement of the genre in the future. Neither of the two other novels referred to by Szerdahelyi had appeared when Dugonics started to work on the Argonautica in the late 1760s, and it seems fair to say that he did not have any Hungarian models for the genre at hand, none at least which satisfied literary critics. In this situation, Latin, the language of his narrative models Virgil, Barclay and also Fénelon (in translation), must have been a natural choice. Moreover, at this time it was still possible to write a truly Hungarian work in Latin, something which was about to change when Hungarian nationalism was strongly Magyarized, as it were, from the mid-1780s onwards. As another testimony to contemporaneous Latin Hungarian patriotism one could adduce, for instance, a congratulatory ode to Dugonics by his fellow Piarist János Krizosztom Hannulik (1745-1816), often dubbed the ‘Hungarian Horace’. In Lyrica 3. 36, 17 written after the publication of the Troy poem and the Argonautica, Hannulik heaps effusive praise on both works regardless of their language and stresses their national significance: in a poetic vision he claims to see Valerius Flaccus applauding Dugonics in the Hungarian heaven; Dugonics should lead the new patriotic poets on their way towards the late honour of the fatherland, so that the Danube might raise a ‘Hunnish roar’ (murmur Hunnicum). 18 Just a few years later, when the Emperor Joseph II tried to introduce German as the language of administration in Hungary and the following intensive language debates resulted in a growing sense among the Hungarian nobility that a Hungarian nation should be defined by the Hungarian language, 19 the Latin Argonautica could no longer stand for itself. Dugonics adapted some material of it for his breakthrough novel Etelka in 1788, 20 and he published a Hungarian adaptation of the Argonautica, called A Gyapjas Vitézek (‘Knights of the Fleece’), in 1794. 21 3.2 Politics Finally, some thoughts about the political dimension of the Argonautica - with my last remarks I have already touched upon this issue. Following in the footsteps of Barclay’s seminal works, many Neo-Latin novels are politi- 17 Hannulik 1781, 128-132. 18 The equation Huns=Hungarians has been known since the mediaeval period and was frequently drawn upon in the Hungarian national movement of the 18th and 19th centuries. Cf. for this idea in Hungarian historiography e.g. Ábrahám 2012. Also note the example of László Répszeli’s Hunnias (1731), the first Hungarian ‘national’ epic, which depicts Attila as perfect hero and the Huns as ancestors of the Hungarians. 19 For these issues cf. e.g. the survey of Evans 2007, esp. 209-15, with further literature. 20 Cf. Berényi-Révész 1962, 103. For a modern critical edition see Penke 2002. 21 Dugonics 1794. <?page no="175"?> The Neo-Latin Novel’s Last Stand 167 cal in one way or another. With Barclay himself and Fénelon, Dugonics even counts two eminently political novelists among his models. Readers of these authors usually expected at least two basic devices: on the one hand explicit discourses about political, mostly monarchic leadership, given to characters in the stories; on the other hand a roman-à-clef procedure in which fictional characters of the stories (partially) represent historical contemporary leaders or their countries or nations. Both devices can also be found, to different degrees, in the Argonautica. As for inserted political discourses, there are a number of them throughout the story: in book 1 (p. 16-18; 30), for example, the priest, Eutelus, compares three generations of kings of the Mariandyni and contrasts a good first king, who was par inter pares, with a second bad one and the present third one, who is good again but too susceptible to flattery; in book 13 (p. 358- 365), Eutelus’ servant, Bromius, criticizes his master for his role as éminence grise behind king Aeetes, for his de facto rule over Colchis and for installing loyal but young and inexperienced advisors at court; in book 19 (p. 549-550), Jason’s former lover, Hypsipyle, appears to him in a dream, assures him of divine assistance in his mission and gives advice on his future just rulership for the common good. 22 Such inserted discourses are not as frequent and lengthy as in the Argenis and similar novels, but they are there and clearly recommend the Argonautica as a general, entertaining mirror for princes to the political élite of monarchic Europe. However, the political dimension becomes more interesting when it materializes in more specific allusions according to the roman-à-clef procedure referred to above. More interesting, but also more speculative: for contrary to the Argenis, where editors soon appended a table of correspondences between fictional and historical characters, we do not have such a ‘key’ for the Argonautica. Moreover, it seems unlikely that Dugonics, during his drawn-out and interrupted work on the novel, ‘keyed’ it in a very consistent way: too tight were the constraints of the mythological plot; too weak are the clues for easy identifications. But clues there are, and it is worth following them up at least tentatively. I start from the dedication of the work. The Argonautica is dedicated to Ferenc Esterházy (1715-1785), who then headed the Hungarian Chancellery in Vienna - his office in the Habsburg monarchy could be paraphrased as minister of the interior for Hungary. 23 Today he is best remembered for the requiem which his fellow Freemason, Wolfgang Amadeus Mozart, composed at his death (Maurerische Trauermus- 22 Perhaps something more specific is meant when Hypsipyle advices Jason to found ‘colonies’ (coloniae) w i t h i n his territories and fill cities with people. Contemporary readers may have been reminded of the deportation of Protestant Landler from Austria to Transylvania from 1734 to 1776 (cf. generally on the Landler e.g. Bottesch / Grieshofer / Schabus 2002). Dugonics must have witnessed these events when he was a teacher in Transylvanian Media (where he also started to work on the Argonautica). 23 Cf. on Esterházy e.g. Evans 2006, 19. <?page no="176"?> Stefan Tilg 168 ik, KV 477). Esterházy’s patronage of the arts and his reputation as a book collector made him no doubt an attractive choice for a dedicatee. But more immediately relevant for the dedication of the Argonautica was that, since 1771, he had been a member of the Order of the Golden Fleece, the most prestigious distinction in the Habsburg dynasty. Members of this Order were knighted and awarded an honorary chain with a pendant in the form of the Golden Fleece. This honour is explicitly referred to in the dedication which calls Esterházy aurei velleris eques, ‘Knight of the Golden Fleece’. The following dedicatory ode argues that, today, Esterházy is worthier of the Golden Fleece than the Greeks because the latter now serve the Turks; the military virtues and sacrifices of the Esterházys in their past battles against the Turks are praised and a golden age of the Muses under Ferenc Esterházy’s tutelage is pictured. He is the man to wake up the sleeping grandchildren of the Huns and to be their Janus ushering in a new period. On the face of it, then, it would seem as if the Argonautica revived the idea of crusade bound up with the foundation of the Order of the Golden Fleece in 15th century Burgundy, when the Fleece symbolized Jerusalem; 24 it would seem as if Dugonics’ story was a veiled account of the historical expedition of Hungarian leaders against the Turks, with the Fleece symbolizing a once lost, then recuperated Hungary. As far as the Fleece is concerned, this idea is not far-fetched. Ever since Valerius Flaccus, the Fleece could be read as an emblem of political power - witness its choice for the establishment of the Order of the Golden Fleece itself. In a Jesuit drama called Jason Christianus and performed in 1684, the year after the Battle of Vienna, the victorious general Charles V, Duke of Lorraine, was explicitly celebrated as the new Jason who returned Hungary to Habsburg rule just as the ancient Jason did with the Golden Fleece. 25 As far as the Turks are concerned, however, this reading is unconvincing in the case of the Argonautica: for one thing, the Turkish occupation of Hungary was a matter of the past in the 18th century; for another thing, there is simply no good fictional equivalent for the Turks in the novel. Following the logic of crusading for the Golden Fleece, the only possible correspondence would be the Colchians under king Aeetes. But this conflicts with their, on the whole, civil and diplomatic society as well as with the strong interest of the narrator in affairs of the court and the best form of rulership in Colchis (I have referred to the issue of the éminence grise and the inexperienced advisors above). I think that, if Colchis stands for anything, it stands for the centre of Habsburg imperial power and the Order of the Golden Fleece, Vienna, which was also the centre of the administration of Hungary (in fact, in one of the stanzas of the dedicatory ode Dugonics sends the Golden Fleece precisely to Vienna, the residence of Ferenc Esterházy). This would also mesh with 24 Cf. e.g. Malatrait 2008, 360 with references. 25 The play (no. 2742 in the repertory of Valentin 1983-1984) was staged in Innsbruck, where Charles V resided as Gubernator of the Tyrol. <?page no="177"?> The Neo-Latin Novel’s Last Stand 169 the various conflicts and relations of Colchis with neighbouring Scythia, which seems to stand for Hungary: 26 significantly, the name of the Scythian king, Almus, is strongly reminiscent of Álmos, the first Grand Prince of the Magyars (after 854-c. 895), who unified the Magyar tribes and founded the Árpád dynasty ruling Hungary until the late Middle Ages. Various hostilities between the Scythians and the Colchians as well as Almus’ attempt to steal the Golden Fleece himself may point to the smouldering tensions between parts of the Hungarian nobility and Habsburg rule during the 18th century. In the end, however, it turns out that Almus not only has a love affair with Chalciope, Medea’s sister; he is even recognized as Medea’s uncle. The two nations are related after all, an idea which seems to be epitomized in the half Colchian, half Scythian Medea. In this constellation, Jason may be read as the ideal ruler, worthy of Medea and, with that, the Golden Fleece. The link with the present time is obvious since Medea not only helps Jason to win the Golden Fleece but, before that, also bestows on him a chain with a golden lamb pendant clearly evoking the Order of the Golden Fleece (p. 614): 27 ‘Te, ut civem nobilem, agno hoc aureo, e ligula ista pendulo, ob Colchidem consilio adiutam, quod felix, faustum fortunatumque sit, decoro.’ Hoc dicto ligulam collo imposuit, et circumeundo aptavit. Incredibile dictu est, quam hoc donum Iasonem ornaverit […]. ‘I decorate you as a noble citizen with the golden lamb hanging from that chain, in recognition of the advice and help you gave to Colchis - may it be happy, auspicious and fortunate! ’ The moment she said this she put the chain around his neck. It is beyond belief how this present adorned Jason [...]. It is true that this allegorical reading cannot be pushed too hard and it would be easy to point out countless inconsistencies - but that is not unusual in romans-à-clef and both authors and readers of the 17th and 18th century were normally ready to pay the price of ‘semantic partiality’ (to use but one term applied in such contexts) 28 in order to profit from the fun of mapping fiction on to history. If my key is right in its basic elements, Dugonics 26 In Dugonics’ later Hungarian adaptation of the Argonautica (Dugonics 1794), the Magyar-Scythian correspondences are even more pronounced (in names of characters and places). His historiographical-ethnographical account of Hungarian prehistory, titled ‘Scythian stories’ (Dugonics 1806-1808), explicitly makes a case for the Scythian descent of the Magyars. 27 Cf. pp. 511-512 reporting the production of the golden lamb pendant at Medea’s behest. There and more often (e.g. p. 592) it is also said that Medea originally intended this pendant for another wooer, the son of the Armenian king. At the end of the novel, when Jason takes hold of the real Fleece and Colchis is in disarray, we hear that this son, meanwhile king himself, is approaching with his armies. The story is not carried further here and the meaning of the Armenian prince and his deployment remains unclear. 28 Cf. e.g. Borgstedt 1992, 182-214. Cf. generally on the romans-à-clef technique Rösch 2004. <?page no="178"?> Stefan Tilg 170 would have written both a novel about the ideal ruler and how he could be accepted by Hungary. He would have alluded to the uneasy relationship between Habsburg and Hungarian nobility, but concluded with the hope for mutual respect and just rule. 29 With that, the Argonautica may be the last literary vision of a reconciliation between Hungary and Austria before the two parties drifted apart as a consequence of Joseph II’s reforms. 30 After that, Dugonics turned into a champion of the national movement in Hungarian literature, which celebrated Magyar race and history, often with strong anti- German and anti-Habsburg feelings. But this is a different story, to be told on another occasion. References Ábrahám, Ádám, ‘The Image of Attila in Hungarian Historiography of the 17th and 18th Centuries’, in: Astrid Steiner-Weber (ed.), Acta conventus Neo-Latini Upsaliensis: Proceedings of the Fourteenth International Congress of Neo-Latin Studies (Uppsala 2009), Leiden 2012, 161-166. Berényi-Révész, Maria, ‘Humanistische Anregungen bei den Anfängen des ungarischen Romans’, in: Johannes Irmscher (ed.), Renaissance und Humanismus in Mittel- und Osteuropa: Eine Sammlung von Materialien, Berlin 1962, II, 95-103. Borgstedt, Thomas, Reichsidee und Liebesethik: Eine Rekonstruktion des Lohensteinschen Arminiusromans, Tübingen 1992. Bottesch, Martin / Grieshofer, Franz / Schabus, Wilfried (eds.), Die Siebenbürgischen Landler: Eine Spurensicherung, Cologne 2002. Dugonics, András, Trója’ veszedelme [‘Peril of Troy’], Bratislava 1774. 29 The open end, however, with the turmoil in Colchis and a number of characters (like the Armenian king) approaching the city leaves room for interpretation. 30 For a more straightforward Habsburg-friendly interpretation of the Argonautica cf. Berényi-Révész 1962, 97 who quotes from a petition of 1792 by András Dugonics’ brother, Ádám (Berényi-Révész seems to think that the petition is by András himself), at the court in Vienna (printed in Szinnyei 1883, 93-106). In this petition, Ádám Dugonics asks to be elevated to the Hungarian peerage. To point out the worthiness of his family, he describes the merits of his father, of himself, and of his brother. Among other things, Ádám argues that the Argonautica was written against the background of Maria Theresa’s territorial gains after the first partition of Poland in 1772 (cf. Szinnyei 1883, 103: Opus istud immortalis memoriae augustissimae imperatricis et reginae apostolicae Mariae Theresiae honoribus sacratum est, dum recuperata Galicia et Lodomeria, tredecim praeterea in Scepusio civitatibus, novo velut aureo vellere Hungariam beavit, et thesaurum illum, velut e Colchorum manibus ereptum, postlimini<o> ditionibus suis, et fortassis Hungariae etiam adiecit. ‘This work is dedicated to the honour of the illustrious empress and apostolic queen, Maria Theresa, who will always be remembered. By winning back Galicia and Lodomeria, furthermore the thirteen communities in Szepes County, she blessed Hungary with a kind of new Golden Fleece, and she added this treasure, as if snatched from the hands of the Colchians, by the right of return to her properties and perhaps also to Hungary’). But this account is unlikely, first because of its ingratiating nature (later in the petition even the clearly anti-Habsburg Etelka is praised for its literary achievement), and then because Dugonics started to work on the Argonautica as early as the late 1760s. <?page no="179"?> The Neo-Latin Novel’s Last Stand 171 ___ Argonauticorum, sive de vellere aureo libri XXIV., Bratislava / Ko ice 1778. [repr. Budapest 2006] ___ Ulissesnek, ama’ híres, és nevezetes görög királynak csudálatos történetei [‘The celebrated and amazing stories of Odysseus, the famous Greek king’], Pest 1780. ___ A Gyapjas Vitézek [‘Knights of the Fleece’], 2 vols., Bratislava / Pest 1794. ___ A Szerecsenek [‘The Ethiopians’], 2 vols., Bratislava / Pest 1798. ___ Szittyiai történetek [‘Scythian Stories’], 2 vols., Bratislava / Pest 1806-1808. Evans, Robert J. 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A Narratological and Culture-Historical Interpretation of Laurence Sterne’s Slawkenbergii fabella After reading the Latin Slawkenbergii fabella in the fourth volume of Laurence Sterne’s novel The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman (1759- 1767), the anonymous T. B. had been searching for days, weeks, months, perhaps even years for an original copy of Hafen Slawkenbergius’s De Nasis (On Noses), before he finally uttered his cry for help to the readers of the Irish periodical Anthologia Hibernica: ‘T. B. would be obliged to any of our readers who could inform him if there really exists such a work as Hafen Slawkenbergius de Nasis, as quoted by Sterne; and if so, where it may be found’, the editors of the journal posted under the heading ‘To Correspondents’. 1 Unfortunately, T. B. had been searching in vain, for there never existed a Hafen Slawkenbergius. In fact, Sterne wrote Slawkenbergius’s Tale himself in English and translated it partially into Latin afterwards, after which he inserted it in his famous novel. But what is its function in the novel? And why would Sterne have taken the trouble of inventing a Latin ‘original’? This paper aims to solve both these questions by interpreting the Slawkenbergii fabella within the context of the novel and eighteenth century attitudes towards Latin more generally. 1 A Labyrinth of Digressions Laurence Sterne (1713-1768) was well over forty, when he discovered that he had a gift for writing prose fiction. After the publication of the first two volumes of his novel The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman in 1759, it became an instant hit and a commercial success. Of course, not everyone valued it. Samuel Johnson, for instance, the famous literary critic and a Neo-Latin poet, scorned it. Well known is his quote: ‘Nothing odd will do long. Tristram Shandy did not last.’ 2 History proved him wrong. But he was not wrong concerning its oddity. Judging by its title, the book appears to be a typical eighteenth-century biographical novel in which the reader comes to know memorable facts 1 Anthologia Hibernica 4, 1794, 80. 2 Boswell, II, 27. <?page no="184"?> Mon Torfs 176 about the life of the hero and his thoughts on different matters. Tristram Shandy, the first person narrator, does promise to tell his autobiography and considers himself a historiographer (1. 14; 4. 27). 3 But in fact, Tristram relates as few particulars as possible of his own life and opinions. Several times he interrupts and delays his account with digressions, lacunas, embedded stories, a black page (1. 12), etc. as the following example on a micro level shows (1. 21): I think, replied my uncle Toby, taking his pipe from his mouth, and striking the head of it two or three times upon the nail of his left thumb, as he began his sentence, -- I think, says he: -- But to enter rightly into my uncle Toby's sentiments upon this matter, you must be made to enter first a little into his character, the out-lines of which I shall just give you, and then the dialogue between him and my father will go on as well again. Sometimes those interruptions themselves are being interrupted, e.g. when one of the characters delivers a sermon (2. 17). After just a few words, the audience cuts the lecture short in order to criticize the speaker’s style and manner. All this bearing in mind, one should not be surprised to see that Tristram reaches the moment of his birth only in 3. 27. In addition, the narrator, on a metafictional level, is aware of his inability to tell the reader something about himself: ‘Time presses upon me, - my reader is impatient - I must get forwards’ (5. 35) or ‘Digressions, incontestably, are the sun-shine; - they are the life, the soul of reading; --- take them out of this book, for instance, - you might as well take the book along with them’ (1. 22). He often promises to finally engage upon the proper objective: ‘and here am I standing with my bridle in one hand, and with my cap in the other, to tell my story. - And what is it? You shall hear in the next chapter’ (4. 20). Which, of course, he never does. Even he admits to have lost the thread of the story now and then, addresses himself to the reader, saying that he will begin the chapter over again and does that very thing (6. 33). At times, his interventions are simply hilarious: ‘Now there is nothing in this world I abominate worse, than to be interrupted in a story’ (7. 1). In conclusion, The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman is a biographical novel in appearance, but an anti-biographical novel in fact. For the last thing Tristram will do is tell us anything about his life and opinions. Wolfgang Iser put it aptly as follows: The wild proliferation of digressions are Sterne’s challenging response to the biographical form of the eighteenth-century novel, which eclipsed everything not intrinsically relevant to the hero’s pursuit of self-perfection. 4 3 For all references to and citations from the novel see New / New 1978. 4 Iser 1988, 73. <?page no="185"?> A Man on a Mule or a Cock and a Bull? 177 2 The Tales of Hafen Slawkenbergius One of those digressions / interruptions is the Slawkenbergii fabella. The immediate cause for this tale is the outline of the character of Tristram’s father, Walter Shandy. He is fond of early modern scholarship. He enjoys the writings of Erasmus (3. 36), both Scaligeri (5. 42 and 6. 2), Grotius (6. 2), Daniel Heinsius (6. 2), Politianus (6. 2), Lipsius (6. 2), Budaeus (6. 19), Salmasius (6. 19), Casaubon (6. 19), etc. Nose literature in particular fascinates him. Among those who have extensively written about it, the seventeenthcentury German Hafen Slawkenbergius, according to Walter Shandy, is the nec plus ultra. The second book of his De Nasis contains one hundred tales ‘and, considering he was a German, many of them told not without fancy’ (3. 42). The fourth volume of The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman opens with the second to last tale of that collection: Slawkenbergii fabella (Slawkenbergius’s Tale). The narrator offers a few pages of the so-called Latin Urtext on the left page - and passes it off as an original - accompanied with an English translation of the complete tale on the facing page. Of course, Sterne wrote the English tale himself, and translated it into Latin afterwards, the knowledge of which he had acquired through his education. 5 He had received Latin training at Grammar School in Halifax - some of his Latin schoolbooks are preserved - and had obtained a degree at Jesus College, Cambridge, where he had read the classics in the original language. 6 Sterne as a ghostwriter had also composed a now lost Concio ad clerum for John Fountayne, Dean of York, with which Fountayne obtained the Doctor of Divinity degree at Cambridge. 7 ‘It seems evident that Sterne was a competent Latinist’, Melvyn New remarks in his notes to the fourth volume of the novel. 8 But looking closely at the specimina of Sterne’s Latin, a different view emerges (see part 4 of this paper). Slawkenbergius’s Tale begins in medias res in August 1681. A stranger - only at the end the reader is informed of his name, Diego - with an enormous nose enters the Free Imperial City of Strasbourg on a mule, on his way to Crim-Tartary. While riding towards a local inn, the stranger and his nose are the talk of the town. Some of the bystanders are convinced that it is a real nose, others consider it a false one. Several locals long to touch it in order to prove that they are right. The stranger therefore decides not to spend the night in Strasbourg and sets out for Frankfurt, only to return in a month’s time (here the Latin text ends). At night, the sight of his giant nose sends the nuns of the town into a restless frenzy. During the days and weeks that follow, the inhabitants are all under the spell of the stranger and his nose. At 5 Other arguments regarding the authorship of the Slawkenbergii fabella are not the concern of this paper. 6 Cash 1975, 34-35, 50. 7 Cash 1986, 100, 119. 8 New / Davies / Day 1984, 279. <?page no="186"?> Mon Torfs 178 the moment when the stranger returns to Strasbourg, the narrator shifts his focus to another traveller, on horseback this time, called Fernandez. The following morning, while almost everyone is standing at the gate, anxiously awaiting the arrival of the stranger, who, in fact, arrived the evening before, Fernandez gives the stranger a letter from his own sister Julia, who begs Diego, her lover, to forget their quarrel and to return to Valladolid. Immediately, Diego and Fernandez themselves hurry to Spain. The citizens, waiting in vain for the arrival of the stranger and his big nose, are then suddenly overrun by French soldiers, who invaded the city through another gate. 3 A Man on a Mule: The Metafictional Connection between Inserted Narrative and Frame Story In narrative theory, one speaks of mise en abyme when frame text and inserted narrative are connected, in the sense that the latter is riddled with double entendre vis-à-vis the former or vice versa. The narrative on the intradiegetic level can thus be used to illuminate some aspects of the story on the extradiegetic level. 9 In the novel, the first person narrator Tristram Shandy seems to hint at that idea in the following passage (1. 22): For in this long digression which I was accidentally led into, as in all my digressions […] there is a master-stroke of digressive skill, the merit of which has all along, I fear, been overlooked by my reader, - not for want of penetration in him, - but because ’tis an excellence seldom looked for, or expected indeed, in a digression; - and it is this: That tho’ my digressions are all fair, […] yet I constantly take care to order affairs so that my main business does not stand still in my absence. […] In a word, my work is digressive, and it is progressive too. In other words, the digressions do not blur the message which the narrator intends to get across. On the contrary, they support and illustrate the matter at hand. Indeed, numerous details in Slawkenbergii fabella wink as it were at the frame story. Two of them are worth mentioning in particular. a) Out of fear of being besieged by the locals who are eager to touch his nose, the stranger in Slawkenbergii fabella asks Saint Nicholas for protection. Melvyn New elucidates this, asserting that Saint Nicholas is the patron saint of Russia, and that he is regarded as the protector of travellers in general. 10 But it probably is a reference to the frame story as well. Tristram’s uncle Toby, for instance, had received a near-fatal wound to the groin at the Siege of Namur (1695) in the Nine Years’ War. That occurred at Saint Nicholas gate. In literature, the ancient connection between the nose and the male 9 Meyer-Minneman / Schlickers, 2010, 91-108. 10 New / Davies / Day, 1984, 279. <?page no="187"?> A Man on a Mule or a Cock and a Bull? 179 reproductive organ is well known. Tristram knows this all too well indeed when he claims the following (3. 31): For by the word Nose, throughout all this long chapter of noses, and in every other part of my work, where the word Nose occurs, - I declare, by that word I mean a Nose, and nothing more, or less. Quite the reverse, nose or groin injuries form a leitmotiv throughout the novel. Uncle Toby’s wound setting aside, Dr. Slop crushes Tristram’s nose during birth with a forceps (3. 27). An important part of Tristram’s body gets guillotined by a sash-window while he is peeing out of it (5. 17; 5. 26). One of the participants of the visitation dinner receives a hot chestnut in his lap (4. 27): it fell perpendicularly into that particular aperture of Phutatorius’ breeches, for which, to the shame and indelicacy of our language be it spoke, there is no chaste word throughout all Johnson’s dictionary - let it suffice to say - it was that particular aperture which in all good societies, the laws of decorum do strictly require, like the temple of Janus (in peace at least) to be universally shut up. b) Another important connection is situated at the metafictional level. More than once, Tristram reflects upon his narrative style. He compares the narrator to a muleteer, travelling on his mule (1. 14): Could a historiographer drive on his history, as a muleteer drives on his mule, - straight forward; […] without ever once turning his head aside either to the right hand or to the left […] but the thing is, morally speaking, impossible: For, if he is a man of the least spirit, he will have fifty deviations from a straight line to make with this or that party as he goes along, which he can no ways avoid. […] he will moreover have various accounts to reconcile, anecdotes to pick up, inscriptions to make out, stories to weave in. In Slawkenbergius’s Tale, the stranger enters Strasbourg on a mule. He is travelling to Crim-Tartary via Strasbourg and Frankfurt. Emphasis lies on the slow pace of the mule. The stranger takes his time to turn his head and listen to the conversations that are going on about his nose. The stranger embodies in fact the slowly progressing frame story and its narrator. He was ‘talking all the way he rode in broken sentences’, which mirrors the lacunas and interruptions of the frame story. Slawkenbergius interrupts his tale - so does Tristram - to discuss, on a metafictional level, theories of narrativity. 11 The name of the hero, Diego, is perhaps a reworking of the Greek diegesis (‘narrative’). Slawkenbergius’s Tale is Tristram’s (or is it Sterne’s? ) view on narrativity put into practice, it is a reaction against the typical eighteenth-century biographical novel. According to Tristram, one should not recount the life of 11 Slawkenbergius’s Tale contains a brief passage about Aristotle’s dramatic theory, pointing out the importance of a structure according to certain narrative parts: protasis, epitasis, catastasis, catastrophe, peripeteia. See also Nugel 2002, 167-184. <?page no="188"?> Mon Torfs 180 the protagonist chronologically. On the contrary, one should keep the reader in suspense by starting off in medias res, fooling him with a digression or two and thus leading him by the nose. At first, Slawkenbergius’s Tale seems a story about a man with a big nose. Near the end, the reader realizes that it actually is a love story, which explains how Louis XIV of France took control over Strasbourg in 1681. Slawkenbergius’s Tale is Sterne’s visiting card illustrating how the narrator can grasp the attention of the reader and hold it until the end. 4 In nomino patriae et filia et spiritum sanctos: Mocking Latin? In the second half of the eighteenth century, the field of Latin prose writing had become the prerogative of Jesuits, professors, physicians, botanists, philosophers, natural scientists, philologists and Germans. Tristram Shandy aims at the last category in his autobiography, especially at their academic research (3. 34; 3. 38). But above all he targets their use of Latin as a means of communication. It is a language understood by no one which has to be deciphered. ‘’Tis a pity […] that truth […] should shut herself up in such impregnable fastnesses, and be so obstinate as not to surrender herself sometimes up upon the closest siege’, Walter Shandy remarks (3. 41). No wonder then that priests ‘through ignorance of the Latin tongue, baptized a child […] in nomino patriae & filia & spiritum sanctos’ (4. 29). It is clear that this novel was written in the Age of Enlightenment, when the golden age of Neo- Latin, in England and France at least, was on the wane and French had begun to take over its role of lingua franca. 12 Current expressions set aside, every piece of Latin text has been translated by Sterne in the novel. French texts (sometimes a few pages long), on the other hand, are not at all translated (1. 20; 4. 10; 6. 2), because the narrator assumes that the reader’s knowledge of French surpasses that of Latin. Worse still, the novel bears ill will towards Latin. Characters who have had their names Latinized, bear marks of bawdy references. ‘Kysarcius’ originated from ‘kiss arse’ - they came from the Low Countries, Tristram adds (4. 26). The name ‘Hafen Slawkenbergius’s is based on the colloquial German words for chamber pot (Hafen) and pile of manure / excrement (Schlackenberg). They wrote books with such titles as De concubinis retinendis (4. 27). Furthermore, a nonsensical footnote, interlarded with abbreviations, for which Rabelais probably was his inspiration (Pantagruel, 39-42), completes the mockery (note 4 in Slawkenbergius’s Tale): *Nonnulli ex nostratibus eadem loquendi formulâ utun. Quinimo & Legistae & Canonistae—Vid. Parce Bar & Jas in d. L. Provincial. Constitut. de conjec. vid. Vol. Lib. 4. Titul. I. N. 7 quà etiam in re conspir. Om de Promontorio 12 For bibliographical statistics regarding the decline of Latin publications, see Waquet 2001, 81-82. <?page no="189"?> A Man on a Mule or a Cock and a Bull? 181 Nas. Tichmak. ff. d. tit. 3. fol. 189. passim. Vid. Glos. de contrahend. empt. &c. nec non J. Scrudr. in cap. § refut. ff. per totum. cum his cons. Rever. J. Tubal, Sentent. & Prov. cap. 9. ff. 11, 12. obiter. V. & Librum, cui Tit. de Terris & Phras. Belg. ad finem, cum comment. N. Bardy Belg. Vid. Scrip. Argentoratens. de Antiq. Ecc. in Episc. Archiv. fid. coll. per Von Jacobum Koinshoven Folio Argent. 1583, praecip. ad finem. Quibus add. Rebuff in L. obvenire de Signif. Nom. ff. fol. & de Jure, Gent. & Civil. de prohib. aliena feud. per federa, test. Joha. Luxius in prolegom. quem velim videas, de Analy. Cap. 1, 2, 3. Vid. Idea. Despite this animosity, Slawkenbergius’s Tale was originally written in Latin. At least, that is what Sterne wants us to believe. In the Latin version, it is branded as a fabella. This is no coincidence: Petronius (Satyricon 113), Apuleius (Metamorphoses 4. 27) and Barclay (passim) - all label (their) embedded stories as fabulae. But of these three, only Apuleius uses the diminutive fabella, for the tale of Amor and Psyche (6. 25). A connection to the Neo-Latin tradition lies in the name of the author, ‘Slawkenbergius’s. It probably is a reference to Schlauchberga, one of the cities of Crapulia in the dystopian novel / Menippean satire Mundus alter et idem (1. Yvronia. 7) by Joseph Hall (1574-1656), whose sermons were the most important source for Sterne’s own orations. 13 Apart from Rabelais and Cervantes - a Diego of Valladolid is mentioned in Don Quijote 1. 29 - inspiration for the story and for the Latin style is to be found in one of the Colloquia of Erasmus, De captandis sacerdotiis (In Pursuit of Benefices), in which Cocles laughs at Pamphagus’ nose. Especially in the dialogues, the colloquial expressions of Slawkenbergius’s Tale, with a bit of Plautus (anime mi) on the side, speak for themselves: Dolus inest, anime mi, ait hospes—nasus est falsus.— Verus est, respondit uxor.— Ex abiete factus est, ait ille, terebinthinum olet—— Carbunculus inest, ait uxor. Mortuus est nasus, respondit hospes. Vivus est ait illa,——& si ipsa vivam tangam. ’Tis an imposture, my dear, said the master of the inn—’tis a false nose.— ’Tis a true nose, said his wife.— ’Tis made of fir-tree, said he, —I smell the turpentine.— There’s a pimple on it, said she. ’Tis a dead nose, replied the inn-keeper. ’Tis a live nose, and if I am alive myself, said the inn-keeper’s wife, I will touch it. or also: Miles peregrini in faciem suspexit—Di boni, nova forma nasi! The sentinel looked up into the stranger’s face—never saw such a nose in his life! 13 Gottlieb 1986, 79-80. <?page no="190"?> Mon Torfs 182 Nevertheless, a number of errors (idiomatic, morphologic and syntactic in nature) besmirch the Latin text. A few examples may illustrate this. For the analytic quod cum indicativo rather than the synthetic accusativus cum infinitivo, the colloquial nature is perhaps to blame (1). But others are plain wrong. The dativ acinaci (from acinaces, ‘scimitar’) is out of place (2) and templi ex adverso (instead of adversum) would have been more appropriate to express that the inn was situated across the church (3). (1) Rursum affirmo, ait tubicen, quod aeneus est. (1) I tell thee again, said the trumpeter, ’tis a brazen nose. (2) statimque, acinaci in manu, ad forum deambulavit. (2) and forthwith with his short scymetar in his hand, walked out to the grand parade. (3) lento gradu processit per plateam Argentorati latam quae ad diversorium templo ex adversum ducit. (3) he rode on as slowly as one foot of the mule could follow another thro’ the principal streets of Strasburg, till chance brought him to the great inn in the market-place over-against the church. However, these faults are not to be considered as an attack on Latin as such. Firstly, the Latin version is intelligible, even without the English ‘translation’, whereas e.g. the nonsensical Rabelaisian footnote was not. Secondly, if one reads the dog Latin letter which Laurence Sterne wrote to his most intimate friend John Hall-Stevenson, one will easily conclude that Sterne seems not to have been a very competent Latinist. 14 The following line from that letter, for example, is a ruthlessly literal translation of the English: sed sum fatigatus et aegrotus de mea uxore plus quam unquam—et sum possessus cum diabolo but I am sick and tired of my wife more than ever - and I am possessed by the devil All things considered, it is safe to assume that the errors against Latin in Slawkenbergii fabella are indeed Sterne’s and not the printer’s or publisher’s. 15 More important, these flaws are to be perceived as a result of the limited capabilities of the author. On the other hand, the text shows some degree of polish as well. Particularly two intertextual references are worth mentioning. In the first of the examples given below, only a person of wide Latin reading realizes that what Aeneas said to Dido - he would cherish her memory as long as he would live - suggests the fact that Slawkenbergius’s Tale has a romantic setting and thus adds another dimension to the story (1). This information escapes the reader of the English tale. With the words longa via est (2), Ovid spurred on his poems towards Rome. Again, the Latin words are 14 See letter 92 in Sterne 1776, 199-201. 15 Since an autograph of volume 4 of the novel is not preserved, this cannot be verified with certainty. <?page no="191"?> A Man on a Mule or a Cock and a Bull? 183 complementary to the English narrative: like Ovid, Diego is banished, but in Slawkenbergius’s Tale the reason for his exile is a quarrel with his beloved. (1) meus nasus nunquam tangetur, d u m s p i r i t u s h o s r e g e t a r t u s (Virgil, Aeneis 4. 336) (1) my nose shall never be touched whilst heaven gives me strength (2) L o n g a v i a e s t ! respondit hospes (Ovid, Tristia 1. 1. 127) (2) —’Tis a long journey, Sir, replied the master of the inn 5 Conclusion With respect to narrative style, Slawkenbergius’s Tale is in line with the novel. While the frame story mocks linear narrative and the biographical form of the contemporary novel, the inserted narrative hints at the extradiegetic metafictional interludes by the narrator and even reveals an alternative. But on the other hand, they are each other’s enemy concerning the use of Latin. The novel itself is quite hostile towards the dead language: people who write in it, are fools. They waste their time building impregnable fastnesses. They are Slawkenbergii. Nevertheless, the novel contains a droll, colloquial, albeit strange piece of Latin prose fiction, which is deliberately placed in the Neo-Latin tradition and equipped with well chosen references to Ovid and Virgil. Admittedly, the level of Latinity is far from excellent, but it does not fit the picture of a charge against Latin. Indeed, Laurence Sterne wrote Latin occasionally and enjoyed it. Similar nonsensical inconsistencies proliferate throughout The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. One of the major difficulties of interpreting a satirical novel is to distinguish irony from sincerity, narrator from author, intent and accident. A definite conclusion whether Sterne or Tristram was friend or foe of Neo-Latin is, in consequence, impossible to make. Perhaps Parson Yorick’s (one of the characters in the story) judgement at the very end of the novel sums it up correctly (9. 23): L—d! said my mother, what is all this story about? — A COCK and a BULL, said Yorick——And one of the best of its kind, I ever heard. References Boswell, James, The Life of Samuel Johnson, LL. D., 2 vols., London 1791. Cash, Arthur H., Laurence Sterne: The Early and Middle Years, London 1975. ___ Laurence Sterne: The Later Years, London 1986. Gottlieb, Sidney, ‘Sterne’s Slawkenbergius and Joseph Hall’, Cahiers Élisabéthains 30, 1986, 79-80. Iser, Wolfgang, Laurence Sterne: Tristram Shandy, Cambridge 1988. Meyer-Minneman, Klaus / Schlickers, Sabine, ‘La mise en abyme en narratologie’, in: John Pier / Francis Berthelot (eds.), Narratologies Contemporaines, Paris 2010, 91- 108. <?page no="192"?> Mon Torfs 184 New, Melvyn / New, Joan (eds.), Laurence Sterne: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman - The Text, 2 vols., Florida 1978. New, Melvyn / Davies Richard A. / Day W. G., Laurence Sterne: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman - The Notes, Florida 1984. Nugel, Bernfied, ‘Dramatic Theory in Tristram Shandy: Slawkenbergius Reconsulted’, in: Kevin L. Cope / Rüdiger Ahrens (eds.), Talking Forward, Talking Back, New York 2002, 167-184. Sterne, Laurence, Letters of the Late Rev. Mr. Laurence Sterne to his Most Intimate Friends, Written by Himself and Published by his Daughter, Mrs. Medalle, 3 vols., Altenburgh 1776. Waquet, Françoise, Latin or the Empire of a Sign, London 2001. <?page no="193"?> Karen Skovgaard-Petersen The Interplay with Roman Literature in Ludvig Holberg’s Iter Subterraneum In 1741, the prolific and multi-faceted Danish-Norwegian author, Ludvig Holberg, published in Leipzig a utopian Latin novel, the Nicolai Klimii Iter Subterraneum (Nicolaus Klimius’ Subterranean Travels). A societal satire, it became an instant success and was soon translated into several European languages. It is a story of a young theologian, just graduated from the university of Copenhagen, Nicolaus Klimius (in Danish: Niels Klim), who returns to his native town of Bergen in Western Norway and sets out to explore a mysterious cave in one of the local mountains (Fløjfjeldet). He falls into a cavernous hole and eventually lands on another planet deep inside the Earth. There, he becomes acquainted with a number of different countries inhabited by strange and surprising creatures - first and foremost the slow but sensible trees in the land of Potu, then the swift and restless monkeys in the land of Martinia, the cultivated tigers of Tanachi, the crude and uncivilized Quamites and many others. Nicolaus Klimius spends twelve years inside the Earth before he finally returns to Bergen. During this period, he is time and again forced to consider that the institutions and customs he is used to in Europe are not necessarily the only ones possible and that other societies may establish institutions and ways of living that do not only differ from the European ones, but are also more sensible and appropriate. However, just as often it turns out that Nicolaus all too easily forgets his newly acquired humility on behalf of European civilization. The text is told in the first person singular as Nicolaus’ recollections of his adventures after his return to Bergen, and although he seldom understands the implications of his own story, the reader is not left in doubt. This is a text rich in contemporary religious, social, political, and moral themes, wittily presented in a series of highly imaginative episodes. My focus in this paper is more limited. I want to discuss aspects of Holberg’s relationship to classical literature as it appears in the novel. This will also open up some perspectives on the relevance of the Iter Subterraneum for its own time. Ludvig Holberg was first and foremost a Danish-writing author. His use of Latin for the Iter Subterraneum is at first glance surprising, not only in view of his own attempts to create a literary Danish language in a variety of genres, but also considering the fact that most novels in Enlightenment Europe were written in the vernacular. Latin was losing ground. Still, in his <?page no="194"?> Karen Skovgaard-Petersen 186 choice of Latin Holberg was probably motivated by a wish to reach a European audience, not only through the Latin version itself but also through the many translations into vernacular languages that soon followed. In effect, the Latin version paved the way to a European vernacular readership. But once this choice of Latin was made, it had profound implications for the whole fabric of the novel, its rhetoric, style, and the literary devices employed to convey its messages. This is a very Latin text, deeply influenced by classical literature. 1 At the same time, paradoxically, Holberg also questions the prevailing dominance of classical, Graeco-Roman culture in his own day throughout the novel. I shall return to this paradox towards the end. First, I would like to try to convey an impression of the ways in which Roman literature, and classical culture in general, is present in the novel. For analytical purposes, I have found it useful to distinguish between three types of classical presence. a) The Iter Subterraneum abounds in quotations from Petronius’ Satyricon, which are hidden to a greater or lesser extent. 2 This important Roman novel, written presumably in the time of Nero (who ruled AD 54-68), had only been known in scattered fragments until 1664, when they were supplemented by the famous Cena Trimalchionis (Dinner of Trimalchio). This was the version that Holberg knew (and obviously loved, as he reveals to us in his memoirs): 3 a narrative of a hundred pages or so, in which the first-person narrator informs the reader of his racy adventures on a journey through Southern Italy. The intertextual references to the Satyricon often add ironic notes to the narrative, as in chapter 10, where a ridiculous doctor’s promotion in Martinia (the land of the swift and superficial monkeys) is further characterized by references to the absurdities of the Dinner of Trimalchio in Petronius. Here, I shall confine myself to suggesting that the many references to Petronius are a sign that the Satyricon should be seen as the overall genre-model for the Iter Subterraneum, not only for the prosimetric form but also for the general idea of a full-scale book of satirical narrative fiction describing a journey, told in the first person by the main character. b) Virgil’s Aeneid is another Roman text with a strong presence in Holberg’s novel - but in a different way. The allusions are all found in the last third of the text, where the narrative strikes a gloomy note. With his rise to power among the Quamites and the ensuing conquests among the neighbouring peoples, Nicolaus Klimius sees himself in the tradition of rulers of world monarchies. He declares himself to be the founder of the fifth world monarchy. Hereby, he places his conquests in the traditional Christian pattern of world history: according to this pattern, God has shaped the history 1 In his commentary on the Iter Subterraneum, Kragelund 1970 presents a comprehensive survey of classical quotations and allusions in the novel. In her analysis of Iter Subterraneum as a Menippean Satire, Peters 1987 also builds on Kragelund’s apparatus. 2 Kragelund 1977. 3 Holberg 1743, 31. <?page no="195"?> The Interplay with Roman Literature in Ludvig Holberg’s Iter Subterraneum 187 of the world according to four successive monarchies, each dominating at one period of time: first the Assyrians, then the Persians, then the Greeks (or Macedonians), and finally the Romans (continued, after the fall of ancient Rome, by the Holy Roman empire). Nicolaus Klimius sees himself as a new Alexander the Great, the ruler of the third (Greek or Macedonian) world monarchy. This world history megalomania on Klimius’ part is also expressed through a number of allusions to Virgil’s Aeneid, the classic Roman epic written in honour of the Roman emperor Augustus in the 20s BC, which celebrates Rome as the supreme ruler, mild and just, over other nations. Through these allusions, Holberg draws a parallel between the Roman Empire, the last of the four traditional world monarchies, and the new Quamite Empire founded by Nicolaus Klimius, which in his (Klimius’) eyes should now be recognized as the fifth world monarchy. Ever since antiquity, the Aeneid had enjoyed a status as ‘master poem’ not only in terms of literary merits but also as an authoritative celebration of sovereign rule. Innumerable poems celebrating medieval and early modern rulers were written in varying degrees of adherence to the tradition of the Aeneid. Holberg’s text also echoes Virgil’s poem as a representation of imperial power - but primarily in order to ridicule this fundamental message of the poem. The quotations and allusions to the Aeneid become a recurrent feature in this last part of the book. Virgil’s heroic tale of imperial power is the undercurrent beneath Nicolaus Klimius’ conquests. But in Holberg’s version it is a story of megalomania leading to defeat and catastrophe. However, one of the fascinating features of the Aeneid is its ability to combine imperial celebration with sympathy for the innocent victims of the rise of Roman power, those who had to sacrifice their lives in order for the design of the gods, the empire of Rome, to be realized. And interestingly, Holberg has an eye for this aspect of the Aeneid. He uses quotations from the Aeneid to highlight the sufferings of Klimius’ opponents subject to the brutality of Klimius and his Quamites. These Aeneid quotations function here to emphasize the criticism of ruthless conquest that is central to this part of Holberg’s novel. To give an example: after a long and valiant fight it is clear that the Mezendorians (a society of diverse animals) cannot resist the artillery, especially cannons, used by the Quamites. Their emperor now summons his people and persuades them to surrender, in words borrowed from the Aeneid (IS 14. 21; ~ Aeneid 11. 305-307 and 335): 4 Bellum importunum, cives! cum gente Deorum Inuictisque viris gerimus, quos nulla fatigant Praelia, nec victi possunt absistere ferro: Consulite in medium, et rebus succurrite nostris [Aeneid: fessis]. 4 References to the Iter Subterraneum are given as IS, followed by the chapter and section numbers in Kragelund 1970. Translations of the Aeneid are from the old Loeb edition of Theodore C. Williams (with minor adaptations). <?page no="196"?> Karen Skovgaard-Petersen 188 Ill-omened war is ours against a race of gods, my countrymen, invincible, unwearied in the fray, and who, though lost and fallen, clutch the sword: freely let this council speak; give aid to our exhausted cause. Then they all answer (IS 14. 22 = Aeneid 11. 362 [Drances’ speech]): Nulla salus bello, pacem te poscimus omnes. War will not save us. We all ask you for peace. In the Aeneid, King Latinus, attacked by Aeneas’ Trojans, realizes that opposition is futile, and so does, in Holberg’s text, Nicolaus Klimius’ opponent, the Mezendorian leader. A parallel is established between the defeated opponents of Aeneas and the defeated opponents of Nicolaus Klimius. The reader’s sympathy is on their side. This parallel has a further aspect: it is futile, King Latinus declares in the Aeneid, to try to resist an enemy who is the son of a goddess (Aeneas’ mother was the goddess of love, Venus). Also, the Mezendorian leader proclaims that they are fighting an impossible battle against an enemy who is related to the gods. By this he refers to Nicolaus Klimius who, in order to gain favour among the Quamites, has claimed to be the special envoy of the Sun itself. In his attempt to strengthen the Quamites’ military power, Nicolaus Klimius has introduced the use of gunpowder and artillery to the Quamite society. This makes it tempting to suggest another parallel - namely between Nicolaus Klimius’ army of Quamites armed with guns and gunpowder and modern Europeans likewise using guns and gunpowder in their confrontations with peoples inhabiting other parts of the world. This was a subject Holberg had discussed a few years earlier in his Heltehistorier, a collection of biographies of great men written in Danish and published in 1739. Holberg had here emphasized that it was only because of their artillery that the Spaniards were able to defeat the American Indians under the leadership of Atahualpa and Montezuma in the early 16th century. The two Indian leaders and their armies fought bravely, he says, but faced with guns and cannons, the Americans regarded every Spaniard as ‘a Jupiter who could move Heaven and Earth at his will, a ruler of thunder and lightning - a wonderful gift which, in their view, only the gods possessed’. 5 Against this background, it 5 Holberg 1739, II, 575: ‘Det er derfor ikke at tilskrive enten Spaniernes Tapperhed eller Americanernes Feighed, at 2 store Monarchier i saa kort Tiid bleve bragte under Fødder, men alleene en ubekiendt Armature: sær Kugler og Krud, hvorom Americanerne tilforn ingen Idée havde haft, og derfor ansaae en hver Spanier som en Jupiter, der kunde bevæge Himmel og Jord efter Behag, og var Mester over Torden og Liunild, en Herlighed, som som de meenede Guder alleene tilkom.’ (‘For this reason it cannot be ascribed neither to Spanish bravery nor to American cowardliness that two great monarchies were subdued in such short time. It was due solely to an unknown kind of weaponry, in particular bullets and gunpowder about which the Americans had until then had no idea. Consequently they regarded every Spaniard as a Jupiter who was <?page no="197"?> The Interplay with Roman Literature in Ludvig Holberg’s Iter Subterraneum 189 is not too much of a stress to suggest reading Nicolaus Klimius’ and his Quamites’ use of gunpowder against peoples who have never heard of it before as a conscious allusion to European conquests in the New World. And in close proximity to that is Virgil’s classic heroic description of empire building. King Latinus in the Aeneid, the Mezendorian Emperor in the Iter Subterraneum, and the American Indians in the early modern era: they all ascribe divine powers to their attacking enemies and resign themselves to defeat. I suggest, therefore, that Holberg uses Virgil’s phrasing to evoke sympathy for the victims of the European conquests. This perspective is also definitely present when, later, Nicolaus Klimius succeeds in conquering the Martinians. Upon entering their empty capital (IS 14. 32), Nicolaus Klimius’ army perceive the atmosphere of desolation and despair in the words of the Roman historian Livy (59 BC-AD 17), describing the desolation of Alba Longa in the first book of his History of Rome (1. 29. 2-3) - another famous, classical passage about the pain inflicted upon those who suffer defeat to the Romans. To sum up so far: While Petronius provides a formal model - the prosimetrum, the satirical journey told in the first person by the protagonist -, the allusions to Virgil (and on a lesser scale, to Livy) serve to add further meaning and perspective to the text, a comment on contemporary issues by means of classical allusions. This is a humanist way of establishing intertextuality, very much the same kind of textual interplay as we find in Renaissance writers two centuries before. c) This leads me to my third area of classical allusion in Holberg’s novel, moral philosophical teaching. For example, when Nicolaus Klimius applies for a higher position among the wise trees in Potu, he is politely rejected by the prince in words borrowed partly from Horace, partly from Juvenal, an exhortation to ‘know oneself’ and to know one’s place in society. 6 Repeating his application a little later, Nicolaus Klimius is once again admonished by the prince for not taking his own talents into account: ‘You should not pursue what you cannot reach lest by imitating the nature of others, you abandon your own.’ To articulate this insight, here too Holberg has the prince borrow his words from a classical text, this time Cicero’s De officiis. 7 capable of moving Heaven and Earth at his will and was a master of Thunder and Lightning, a wonder which they considered worthy of gods alone’). 6 IS 9. 1 Metiri se quemque suo modulo ac pede fas est. / E coelo magnum descendit , / Figendum ac memori tractandum pectore. Cf. Horace, Epistles 1. 7. 98 metiri se quemque suo modulo ac pede verum est (‘Every man should measure himself by his own standard’) and Juvenal 4. 11. 27-28 e caelo descendit / figendum et memori tractandum pectore (‘The saying “know yourself” comes from heaven: it should be fixed and revolved in a mindful heart’). 7 IS 9. 107 Sequi non debes quae assequi nequeas, ne aliorum naturam imitaturus omittas tuam. Cf. Cicero, De Officiis 1. 31. 110-111 Neque enim attinet repugnare naturae, nec quidquam sequi, quod assequi non queas [...]. Omnino si quidquam est decorum, nihil est profecto magis, quam aequabilitas universae vitae […] quam conservare non possis, si aliorum naturam imi- <?page no="198"?> Karen Skovgaard-Petersen 190 The ‘know thyself’ ( ) is a central insight of the novel. The Potuan society is ordered in accordance with this principle. Nicolaus Klimius has previously, but only momentarily, understood its wisdom. In his thorough description of the Potuan society, he underlines how everybody occupies a position in accordance with his abilities, each individual realizing where he or she is able to benefit the common weal. Nicolaus Klimius has even, he tells us, heard the great Potuan philosopher Rakbasi formulate this fundamental principle in these words: ‘Let each of us, then, know his own capacities and proclivities, and show himself a discriminating judge of his own excellences and defects, lest performers on the stage may evince more discretion than we do. For they choose, not the best plays, but those the best adapted to their respective abilities - an actor, then, will look to this fitness on the stage; shall not the wise man have equal regard to it in life? ’ 8 Also here the wise Potuans formulate the moral principle underlying their society in the words of Cicero’s De Officiis, and in this latter instance the passage carries particular authority as being the very words of the great Potuan philosopher. 9 This is an important function of classical texts in Holberg’s novel. Cicero - as also Horace and Juvenal - merges with philosophers and statesmen of Potu articulating timeless wisdom. They become utopian voices, providers of expressions of eternal moral insights, valid in the no-where world of Potu as well as in Holberg’s Europe. Classical literature, then, is very much present, on different levels, in the novel, providing the genre framework, adding extra meaning by associative imitation, and channelling moral statements. At the same time, however, the classical dominance in European education is questioned in the novel. Nicolaus Klimius is exposed as a product of the dusty and narrow antiquarian classical studies that Holberg - and many others in his day - so often ridiculed. Falling down from the cave in the beginning he is persecuted by a flying animal (gryphius) and takes out from his pocket his testimonium academicum, stupidly trusting in the universal recognition of his academic merits. Having arrived in Potu, he proudly tells the Potuans that the subject of his dissertation at the University of Copenhagen was the use of slippers among the Greeks and Romans. His pride is severely hurt when this is met with hearty laughter in Potu. In the sensible Potu, by contrast, useful tans omittas tuam (‘For it is of no avail to resist nature, or to pursue anything which we cannot reach […]. In truth, if anything is becoming, nothing surely is more so than uniform consistency in the whole course of life […] which you cannot preserve if, imitating the nature of others, you abandon your own’; transl. Andrew P. Peabody). 8 IS 5. 7 Suum quisque noscat ingenium, acremque se et vitiorum et bonorum suorum iudicem praebeat, ne scenici plus, quam nos, videantur habere prudentiae; illi enim non optimas, sed sibi accommodatissimas fabulas eligunt. An histrio hoc videbit in scena, quod sapiens non videbit in vita? 9 Cf. Cicero, De officiis 1. 31. 114 differing only insignificantly from IS 5. 7 (quoted above in n. 8). <?page no="199"?> The Interplay with Roman Literature in Ludvig Holberg’s Iter Subterraneum 191 subjects as economy, history, law and mathematics are cultivated. Still, it comes as a surprise to Klimius, when later he attempts to civilize the primitive Quamites, that he cannot depend on his skill in the classical languages: ‘What I myself had learned in Europe’, he says, ‘that is, the Latin language and some phrases in Greek, was of no use here.’ 10 A little later, an account of a trip to Europe undertaken by one of the sub-terrestrial inhabitants is read aloud to Nicolaus Klimius. The author of the account notes with disapproving astonishment that students and professors at European universities are seriously occupied with detailed studies of two ancient peoples, even their slippers. The reader has, as we have seen, learned before that this was the subject of Nicolaus Klimius’ own dissertation, of which he was proud. In short, the protagonist’s antiquarian and useless studies are time and again ridiculed. This acquires, however, a dangerous dimension when Nicolaus Klimius’ greed for power is articulated in terms of classical concepts. We have already encountered this phenomenon in the parallel between Rome and Nicolaus Klimius’ Quama, where his ruthless conquests as Quamitian emperor are described as parallel to Rome’s expansion, and where also the imperial message of the Aeneid, as the literary exponent of Roman power, is questioned. This critique is further developed when Nicolaus Klimius in his tyrannical megalomania compares his celebrations of his victories to Roman triumphs and identifies himself with Alexander the Great. In his own eyes he is, even more than Alexander, entitled to the surname ‘the Great’ (IS 15. 3). Thereby, Nicolaus reveals that he remembers nothing of what the sensible Potuans had taught him about true greatness. Earlier in the novel (IS 7. 19), during his stay in Potu, he noted the tombstone of a farmer (rusticus) who was given the surname ‘the Great’. His greatness consisted in his qualities as a family father, his ability to produce many children and to raise them to be moral and responsible beings. This is the Potuans’ concept of a hero, of true greatness, Nicolaus Klimius explains, and in this context he reflects while staying in Potu: ‘How different from us [sc. Europeans], who give the surname “the Great” to those who destroy the human race. It is not difficult to guess what the Potuans would have thought of Alexander the Great or Julius Caesar, who both died without children and both had sent thousands of people to death.’ 11 In other words, Nicolaus Klimius here, early in the novel, realizes the wisdom of the peaceful Potuans and questions the traditional concept of heroism personified by the classical generals, Alexander and Caesar. But this insight does not last long. Once Nicolaus, fickle and inconstant as he is, has found the opportunity to seize 10 IS 13. 14 nam, quod ego ipse in Europa didiceram, nempe linguam latinam, et centones quosdam linguae graecae, nullius hic vsus esset. 11 Nicolaus Klimius’ reflections form part of a passage in which he considers the Potuans’ concept of heroism (IS 7. 19): Longe aliter ac apud nos, vbi Magni dicuntur humani generis euersores. Hinc facile est coniicere, quid de Alexandro Magno aut Iulio Caesare statuerent subterranei, cum vterque sine prole mortuus aliquot hominum myriades neci dederit. <?page no="200"?> Karen Skovgaard-Petersen 192 power, he proudly places himself in the classical European tradition of cruel and destructive generals and rulers of world monarchies. Nicolaus Klimius sees and formulates power and rulership in classical terms, with reference to classical figures. It would perhaps seem that his tyrannical megalomania - with its address to European colonialism in Holberg’s day - is associated with his blind and uncritical acceptance of classical culture. But I think this is the wrong way to see it. Rather this is yet another instance, and a gloomy one, of Nicolaus Klimius’ narrow-minded and uncriticial Euro-centrism. ‘Uncritical’ is the key concept. Holberg insisted throughout his writings that students should be taught relevant matters, not antiquarian tradition, and that we should all learn to question established opinions. It is the automatic, unquestioning, narrow-minded acceptance of the European tradition of learning, a tradition in which classical learning had a substantial part, that Holberg portrays and ridicules in the character of Nicolaus Klimius. Holberg’s target is not classical literature and learning as such. On the contrary, as we have seen, in Holberg’s Latin prose the classical world is constantly present as an ever-sounding echo, a frame of reference, a rhetorical reservoir, and a reservoir of valid moral insights. 12 References Holberg, Ludvig, Adskillige store Heltes og berømmelige Mænds, sær Orientalske og Indianske sammenlignede Historier og Bedrifter efter Plutarchi Maade, Copenhagen 1739. ___ Epistola tertia ad virum perillustrem, in: Lud. Holbergii Opusculorum Latinorum pars altera, s.l. 1743, 1-192. Kragelund, Aage (ed. / tr.), Ludvig Holberg: Niels Klims underjordiske Rejse, 1741-1745, 3 vols., Copenhagen 1970. [= IS] ___ Holberg og Petronius’ Satyrica, Odense 1977. Peters, Sigrid, Ludvig Holbergs Menippeische Satire: Das Iter subterraneum und seine Beziehungen zur antiken Literatur, Frankfurt 1987. 12 This article is an offspring of my participation in the Danish-Norwegian editorial project Ludvig Holbergs Skrifter (Ludvig Holberg’s Writings) launched by the Society for Danish Language and Literature and the University of Bergen in 2009 (www.holbergsskrifter.dk and www.holbergsskrifter.no). I am particularly indebted to my colleague Peter Zeeberg for many discussions of the Iter Subterraneum. <?page no="201"?> Samuel Galson A Missive from the Mole Holberg on How to Read the Iter Subterraneum Nature between satire and science Ludvig Holberg’s ‘Subterranean Journey of Niels Klim’ (Nicolai Klimii Iter Subterraneum, 1741) is a wonder-work of eighteenth century wit that deserves wider appreciation. 1 The novel, presented in the form of a memoir by Niels Klim, relates how, as a graduate from Copenhagen university, Klim returns to his home town of Bergen impoverished and desperate to make his name in natural philosophy. When he is exploring a cave in the nearby mountains, his rope breaks and sends him plummeting through the crust into the Earth’s interior, which is hollow and contains an inner planet lit by its own Sun. This planet is populated by various kinds of mobile, talking trees. After describing the quasi-utopian civilisation of the country in which he arrives (Potu), Klim travels the inner planet, analyzing the different customs he encounters. On his return to Potu, he causes himself to be banished and is projected back onto the underside of the Earth’s crust, which is inhabited by a panoply of diverse and monstrous creatures. After further travels, Klim finds a race of underdeveloped humans over whom he establishes himself as king. While extending his empire over the other inhabitants of the crust, he falls into a cave and with great disappointment finds himself back in Bergen. The appreciation of this complex work has been limited to some extent, especially in non-Scandinavian scholarship, by a tradition of criticism that sets its fantastical inventions at odds with its serious utopian and satirical aspects. Many, if not all, of the creatures encountered by Klim appear to be allegorical and yet many—particularly in the book’s second half—tend to frustrate interpretation. Trousson (1975, 123), for example, finds that Holberg’s ‘critique‘ is ‘drowned in the outpourings of the imagination‘. Similar sentiments have been expressed by Bleiler (1990, 368), Kristeva (2008 [2004], 9), Fitting (1996, 105) and Sejersted (2005, 278). 2 This tradition has a double effect, over-emphasizing the utopian aspects of Potu (which also has dystopian elements), 3 and downplaying the critical aspects of the later adventures. 1 References to the Iter Subterraneum are given as IS, followed by the chapter and section numbers in the modern edition (Kragelund 1970). Translations are my own. 2 Dalgaard 1998, 79 had argued that the first half was serious, the second ‘parodical‘: Sejersted contends the entire work is a parody of ‘serious’ satire (of which his example is Gulliver’s Travels). 3 Dystopian elements are noted by Gundersen 1987, 70-71. <?page no="202"?> Samuel Galson 194 We need to develop a framework for approaching this novel that takes account of the function of fantasy within satire. 4 While it is true that the element of fantasy sometimes seems to interrupt the interpretation of a moral allegory, that interruption is not without purpose. I suggest that the interruption registers the conflict of two ways of interpreting nature: one scientific, the other satirical or moral. By the eighteenth century, the identification of an entity’s nature with its internal moral disposition (ingenium) must compete with the scientific definition of nature as a composite of externalized characteristics that localize an entity within a system of classification. Scientific classification is deliberately constructed to be coherent. From its perspective, any internal characteristics, such as the shape of internal organs, must be capable of being apprehended externally if they are to count towards the definition of a nature: hence the equation of nature and species (‘appearances’). From the moral perspective, however, the moral or spiritual qualities that may bear no relation to a creature’s externalized form are the essential components of its nature. That the scientific and moral perspectives are in conflict, and not simply separate systems, means that they are vitally connected. Neither is felt to be sufficient by itself. On one hand, the scientist is confronted with the impossibility of fully externalizing his own characteristics to himself, which warns that the moral dimension can never be fully eradicated from the classificatory system. The appearances of nature must always hold something back precisely because they depend on the subjectivity of their interpreter. On the other hand, the internal moral state of a creature cannot be evaluated without reference to its external form. Kragelund (1970, xix) has observed that the ‘grounding-idea’ of the Iter is the doctrine that moral goodness consists in fidelity to one’s individual nature—what he calls the ‘sui-similis’ doctrine. Moral duty is to be assessed ‘according to the measure of nature and talent’ (pro naturae ac ingenii modulo, IS 11. 25) of each creature. But, as implied by the stipulation of ‘measure’, what befits the internal state of a creature must depend on its external form, and vice-versa. 5 4 Outside Scandinavian scholarship, the best account of the Iter is Peters 1987, whose main aim is to pin the genre to Menippean satire. Miebach 2010 offers further observations on Holberg’s literary influences. In English, see Jordheim 2008 for an overview of the Iter’s circumstances of publication, its immediate reception and its relation to utopian literature. Jones 1980 and Fitting 1996 also focus on the utopian aspects and Fara 2007 treats the relations of the work to contemporary science. Shorter discussions can be found in Welcher / Bush 1970-1999, vols. 4, xii-xviii and 7, 169-185, McNelis 2004, xxiii-xlvii and many science fiction surveys. For a general study of Holberg’s life and œuvre, the most recent work is Rossel 1994, but see also Billeskov Jansen 1974. 5 For the conflict of moral fable and science as rival generic codes in the Iter, see Dalgaard 1998: I consider this conflict much more pervasive than Dalgaard allows. The problem of combining moral and scientific nature arises from Holberg’s early work in the tradition of natural law, certainly ‘the key to Holberg’s entire œuvre’ (Kalleberg 2008, 98; cf. Linneberg 2004). This work is the subject of another paper, however. <?page no="203"?> A Missive from the Mole 195 The fantastical nature of Holberg’s creatures confers a particular ambiguity on their scientific status: none are completely inhuman, nor are any completely human. This ambiguity in turn poses a problem for their moral interpretation, bringing the conflict of moral and scientific interpretations into focus. Thus, if the nature of the Potuans is classed alongside that of trees, it may be inappropriate to apply their moral values directly to men. Klim remarks (IS 2. 40): dubitabam tamen, comparari posse cum hominibus. I was unsure, however, whether [they] could be compared with men. On the other hand, to class the Potuans alongside humans is to effect a possibly reductive interpretation of their nature that has clearly been influenced by the perspective of the species making the interpretation. The specifically human hybridity of these creatures ties their ambiguity to the ambiguity of Klim’s own nature, which is perceived differently by different species in the novel. A paradox is thus established: the reduction of the ambiguity of a Potuan to a tree or a man for the purposes of moral interpretation (by Klim or the reader) invites a correspondingly reductive interpretation of the interpreter’s own nature that undercuts his or her reliability as a source of interpretation. The examination of the other calls the self into question, and under question, this self questions its examination of others. This paradox applies pre-eminently to the scientist, as Klim discovers in a subterranean ethnography of the superterranean realm (IS 13. 66): Physicus est qui viscera terrae, naturam bipedum, quadrupedum, reptilium ac insectorum scrutatur, quique omnia novit praeter se ipsum. A scientist is someone who examines the innards of the Earth, the nature of bipeds, quadrupeds, reptiles and insects, and who knows all things apart from himself. 6 Klim is of course just such a physicus. Thus, the fantastical element of Holberg’s moral allegories serves the general purpose of mediating the conflict of science and satire, and hence turning the interpreting subject into the central satirical target of the novel. 7 I cannot provide here the detailed reading of the work that would be necessary to fully support this claim. Instead, I offer only a gesture in that 6 The importance of this ethnography has been highlighted by Kjældgaard 2002. 7 Several Scandinavian scholars have argued that Klim’s character is the main subject of the novel, but they differ as to the result. Hansen 1982 finds that Klim’s tyrannical imperialism displays a marked failure to learn from his earlier experiences, whereas Fløistad 1987 sees a positive acquisition of self-knowledge, and so, finally, does Kragelund 1970, xxvii. I would position myself between these poles. Perhaps most congenial to my reading of Klim is Kjældgaard 2004, who notes the satire of Klim, but construes it in a positive light as expressing the problematics of the Enlightenment doctrine of tolerance, particularly the ‘performative self-contradiction’ (p. 74) involved in the attempt to preserve a relationship to the other that avoids both reductive assimilation to the self and alienation or rejection. <?page no="204"?> Samuel Galson 196 direction in the form of an analysis of Holberg’s autobiographical ‘Letters to a Distinguished Gentleman’ (Epistolae ad Virum Perillustrem), the third and final of which offers a detailed discussion of the novel. 8 Here, Holberg presents himself as stripping away all fantastical accoutrements and fully externalizing the satirical aims of the novel. This presentation is often taken at face value by scholars of the Iter keen to support the idea that the novel’s fantastical elements are separable from its satirical project. We shall see, however, that Holberg’s discussion is at least as fantastical as the novel he purports to explain. Furthermore, we shall see that Holberg has constructed the Iter so as to relate to the Epistolae as a whole in a way pointed by the novel’s analysis in the third. The Iter and the Epistolae: initial comparison Prima facie, the Iter and the Epistolae are oriented towards different sorts of truth: the Iter presents a fantastical image, scientifically absurd, but morally penetrating, while the Epistolae is a scientifically acceptable depiction of a ‘real’ self, whose value as moral education (on Holberg’s own admission) 9 is questionable. We shall see that both works have a trajectory, however, which consists initially in a movement from their prima facie orientation towards a secondary subtextual orientation, corresponding to the overt orientation of the other work. As previously observed, the fantastical forms of the Iter tend to disrupt the moral allegory by forcing a confrontation with the scientific perspective; conversely, the consistency of Holberg’s persona in the Epistolae is undermined by self-contradictions that reveal its moral depths. 10 This movement relies partly on the presence in each work of tropes drawn from both perspectives. For example, although the fantasy is dominant, the Iter also contains tropes designed to mimic a scientific narrative. 11 We shall refer to these as ‘reality effects’. In the context of a fantastical narrative, these reality effects are prima facie ironic, but moments at which the dominant framework is interrupted allow them to manifest a hidden seriousness. Conversely, the letters contain tropes drawn from the realm of fantastical literature - call them ‘unreality effects’. These are prima facie 8 The Epistolae are dated 1728, 1737 and 1743. References will be given as EVP, followed by the page number in the modern edition (Kragelund 1965). Translations are my own. 9 At the start of the first letter, Holberg worries that he has told a story devoid of all interest, with ‘sterility in style as in content’ (tam styli quam argumenti sterilitate, EVP 6). 10 Rossel 1994, 57 describes the letters as ‘somewhere between fiction and truth’. Their fickleness has been explained by Hjort 1993 as a form of deliberate self-deception. Olsvig 1905 was the first to explore the implications of the prominent self-satire in the letters (focusing on the first): he lists several examples of self-contradiction, and notes that Holberg aligns himself with the butt of his first major satire, Peder Paars (see esp. 528-552). 11 See Dalgaard 1998, 74. <?page no="205"?> A Missive from the Mole 197 ironic in the context of the letters, but are similarly capable of manifesting a hidden seriousness as indicators of fictionality. The internal movement in both works is aided by their interplay with each other. Many tropes in both texts bear striking resemblances. Thus, the seriousness of the reality effects in one text is able to undermine the irony of the reality effects in the other, and vice-versa. The same goes for the irony or seriousness of the unreality effects. Precisely because of this interplay, however, no alteration to the tenor of either work can be definitive: if the irony of the tropes in one work is reversed, then it will also reverse the way in which it interacts with the tropes in the other, provoking a contrary motion. Thus, on repeated re-reading, it becomes impossible to determine which tropes, the scientific or the moral, appear ironic in each text at any particular moment. Like two planets orbiting a shared centre, the Iter and the Epistolae cannot be arrested or isolated in their movement. They attract only to fall back in opposite directions. 12 The ‘centre’ around which the relationship of the two texts is formed is Holberg’s discussion of the Iter in the third letter. Here, the parallelisms in the tropes and motion of both texts, which may otherwise have remained separate, are forcibly brought into relation as Holberg attempts, paradoxically, a scientific discussion of his morality. I argue that the point of this discussion is to construct, through the movement excited by this relation, a performative metaphor for the way in which scientific and moral interpretation interact in the Iter, the one calling forth the other as both its aid and destroyer. The works will be found to allegorize each other in precisely the manner that a talking tree turns out to be a problematic - but therefore useful - allegory of a human. The Iter: from satire to science An example of an unreality effect shared by both the letters and the Iter is the evocation of Ovidian metamorphosis. Klim describes his life story thus (IS 16. 1): mira ista metamorphosis, qua brevi me e fundatore quintae Monarchiae in pauperem et famelicum Baccalaureum transformatum videbam. 13 12 The mobility of the text invites us to recall the post the Potuans had adjudged appropriate to Klim’s nature: that of letter-bearer. In this post, Klim had remarked, ‘I was in perpetual motion’ (perpetuumque eram mobile, IS 4. 22)—subtly satirizing Kircher’s notion that perpetual motion might be possible in the centre of the Earth, and prefiguring postmodern theories about the inherent mobility of the letter qua text (which, in his work on—naturally—Alice’s Adventures Under Ground, Deleuze (2004 [1969], 78) names a perpetuum mobile). 13 The Ovidianism of this metamorphosis is implied by an evocation of Ovid’s lines announcing the tale of Actaeon (IS 15. 4, reworking Ov. Met. 3. 131-137). <?page no="206"?> Samuel Galson 198 that marvellous metamorphosis by which, from founder of the fifth monarchy, I saw myself rapidly transformed into a poor and hungry Bachelor. Klim’s transformation in the Iter is overtly marvellous. But in the first letter (and again in the third), Holberg speaks of his life story—the rise of a lowly soldier’s son to become the father of Danish literature—in similar terms (EVP 12; cf. EVP 394): e praefecto manipuli transformari in Professorem Philosophiae et e Corporali adeo spiritualem fieri est mira et prope modum Ovidiana Metamorphosis. from being a prefect of a company to be transformed into a professor of Philosophy—and from being ‘Corporal’ to become so spiritual—is a marvellous and more or less Ovidian metamorphosis. We could read the seriousness of the unreality effect in the Iter as undermining its frivolousness in the letters, in order to highlight their subtextual fictionality. Holberg’s metamorphosis is, indeed, accomplished only by the learning and wit of which the Epistolae themselves are a demonstration; thus, in a sense, they are a fiction that only they make real. Conversely, however, we may decide that the overt irony of the unreality effects of the letters renders ironic the supposedly serious unreality effects in the Iter, so that the overtly supernatural nature of Klim’s story retreats from view. It is this latter possibility on which I focus here. As noted, the necessary contribution of the scientific perspective to moral determination makes the dismissal of the outward forms of Holberg’s fantasies inherently problematic. The problem is intensified within the Iter by the pitching of aspects of the fantasy somewhere between science and science fiction. In the context of the scientific revolution, the distinction between a monstrous fictional world, and the astounding variety revealed within the real world, has become labile. As Fara 2007 has discussed, the marvellous ‘fiction’ of subterranean life was in fact a plausible scientific conjecture, most famously articulated by Halley. Abeline, Klim’s friend, likens disbelief in the narrative to the scepticism presented by the clergy towards the Copernican hypothesis (IS 16. 17-18). The Ovidianism behind many of the fantastical creatures of the Iter (as well as the unreality tropes in the letters) 14 contributes to the positioning of the fable between science and fiction, for Ovid had undergone extensive natural philosophical, as well as moral allegorization. 14 These frequently recall the talking plants and animals from Holberg’s earlier poem ‘Metamorphosis, or Transformations’ (Metamorphosis eller Forvandlinger, 1726), as Klim implies in Mezendoria: ‘Whatever the poets have sung about societies of animals, plants and trees, here I found to exist in reality’ (quicquid de societatibus animalium, arborum, ac plantarum cecinerunt Poëtae, hic re vera existere deprehendimus, IS 11. 24). Metamorphosis is concerned with the same equivocation over nature central to the Iter. It tells of the transgressions and metamorphoses of various talking plants and animals as both pseudo-scientific anthropogony and moral satire. The relationship of the two works will be treated in detail as part of a broader project on Ovidian reception on which I am currently engaged. <?page no="207"?> A Missive from the Mole 199 It is no coincidence that the tradition of natural philosophical allegory was primarily geological: Hooke’s allegorical reading of Ovid’s Metamorphoses, in which he found support for his theory of earthquakes, had in fact laid the groundwork for Halley’s hollow-earth theory. 15 This potential irony in the unreality of the Iter is reinforced by Holberg’s (Ovid-infused) tale in the first letter of how he learnt the value of scepticism as a child. A boy creeps unbeknownst to the young Ludvig onto the foot of his bed, and accidentally kicks him. While Ludvig rouses his friends and convinces them that they are under siege from ghosts and spirits, the adult Holberg quotes from the story of Narcissus (EVP 16, quoting Ov. Met. 3. 464): flammas moveoque feroque. I stir the flames and suffer them myself. The boys spend the whole night awake, afraid to make a noise, until finally the intruder himself cries out that he is being attacked by ghosts and the illusion is broken. Holberg tells us of this experience (EVP 18): Hinc comperto errore negabam diu contumaciter existentiam spirituum, credebam omnia, quae de spectris vulgo narrantur, aut meras esse sententias ad aniles fabulas relegandas, aut vanas mentis imagines. When I had discovered my error I vehemently denied for a long time the existence of spirits, believing everything vulgarly said about spectres to be merely opinions deserving to be relegated to old wives’ tales, or vain images of the mind. The use of the past tense is curious. Certainly, Holberg will never openly profess to have regained belief in such spectres. Yet he takes the opportunity here to inveigh against scepticism as well as credulity (ibid.): Et forsitan eiusmodi casus a superstitione in non paucos praecipitarunt. Omne vitium in praecipiti stat, aut peccant homines in excessu, aut in defectu, aut nihil aut nimium creditur. 16 And perhaps events of this kind have thrown many from superstitition into scepticism. Every vice stands on a precipice: either men sin by excess, or by defect, believing either too little or too much. Perhaps the all-too-real nightmares that Holberg experienced as a young adult mark the abandonment of his childhood scepticism. Describing these nightmares only a few paragraphs later, he says that they were attributed by the ancients to the visitations of fauns and satyrs (faunos et sylvanos, EVP 24); far from dismissing such explanations, he describes having attempted vari- 15 Cf. Hooke’s Discourse of Earthquakes and Subterraneous Eruptions (1667 / 1668), edited in Drake 1996, 159-366. 16 Cf. Iuv. 1. 149 omne in praecipiti vitium stetit. Kondrup 1982, 129-130 describes the pattern by which virtue produces vice, and vice-versa as a ‘pet-idea’ of Holberg, observing that such an alternation even structures the sequence of his biographical events. <?page no="208"?> Samuel Galson 200 ous superstitious remedies (placing his shoes upside-down, putting iron under his pillow, reciting a spell). He hoped that a change of locale would alleviate the complaint, and notes an example of such a belief in Ovid (EVP 26; Ov. Met. 4. 565). When Holberg comes to discuss the Iter in the third letter he is primarily invested in the quasi-scientific surfacing of its hidden moral truths at the expense of their outward form as allegories. The whole ‘story’ is ‘merely a vehicle for precepts and moral meditations’ (tantum vehiculum sit praeceptorum ac meditationum moralium, EVP 410) and the many ‘strange forms of creatures’ (mirae creaturum formae, ibid.) of the underworld are ‘trifles’ (nugacia, ibid.). They are, on the face of it, scientifically ridiculous. Thus, we are told that the figure of Klim is intended to mock those who believe in ‘fauns and ghosts’ (faunis ac lemuribus, EVP 407). Yet, as we have seen, fauns and ghosts are precisely what Holberg could not fully dismiss in the first letter. Thus, the pressure of the scientific perspective within the Iter is reinforced by the inability of Holberg’s moral exposition to fully dispense with the outward form of the fantasy. This inability is highlighted by Holberg’s decision to defend himself against, specifically, the criticism of lacking ‘verisimilitude’ (verisimilitudinem, EVP 418). Holberg begins this defence as if arguing for his work’s ‘moral verisimilitude’, reiterating what he had earlier said about the mockery of Klim. Here, however, the emphasis is subtly shifted from those who believe in fauns and satyrs to those who believe in scientific marvels, those ‘who in their descriptions of remote regions have thrust on us so many monsters’ (qui in descriptionibus remotiorum regionum tot monstra nobis obtruserunt, EVP 420). Indeed, ‘verisimilitude’ seems particularly evocative of a more scientific attitude to nature, and to defend it seems partly to defend that nature; such appears from what follows, where Holberg is at pains to point out the world of the Iter is a physically possible world (ibid.): Porro, cum alium nobis orbem fingamus, nihil incredibile videri debet [...]. Si quis forte in Saturnum, Iovem, Lunam seu alium planetam abreptus nostrum orbem describeret, idem procul dubio iudicium ferrent librorum in iisdem planetis censores; dicerent, nulla verisimilitudinis ratione habita, monstra a natura abhorrentia fingere auctorem. Further, when we imagine another world, nothing ought to seem incredible [...]. If anyone, abducted to Saturn, to Jupiter, the Moon, or another planet, should describe our world, there is no doubt what judgement the censors of books on those planets would issue: that with no considerations for verisimilitude the author had invented monsters abhorrent to nature. According to the letters’ primary orientation, this statement could simply mean that fiction is ‘another world’ in which scientific laws need not apply. But in the context of the foregoing discussion, it is more apt to suggest the possibility of interpreting Holberg’s allegories scientifically. Their outward <?page no="209"?> A Missive from the Mole 201 form thus becomes an essential part of their nature, rather than something which must be discarded to obtain their moral significance. The Epistolae: from science to satire The Epistolae are replete with reality effects. For example, the frankness of the text is implied by its supposedly private nature - the ‘distinguished gentleman’ claims in the preface to the first edition (EVP 2) to have published it without the author’s knowledge. 17 Holberg repeatedly refers to his honesty, as when, after a dramatic episode about a run-in with pirates, he disclaims ‘sweet lies’ (iucunda mendacia, EVP 166) in favour of ‘sterile truth’ (sterili veritati, ibid.). Although some seek undermeanings in his work, he argues that his literary and physical expression is completely transparent (EVP 226): duplicem quaerunt verborum sensum, literalem et mysticum, cum tamen ingenio meo nil apertius [...] nulla neque vi, neque arte impetum affectuum sufflaminare ac vultum in simulationem componere possim. they seek a double sense in my words, a literal and a mystical one, when, however, nothing is more open than my character [...] with no force or art am I able to hold back the impulse of my emotions and compose an artificial face. The Iter has ironic versions of some of these tropes. As his stories get more fantastical, Klim likewise disclaims ‘splendid lies’ (splendida mendacia, IS 9. 8). His narrative is also published (and translated) by a third party, his friend Abeline, as well as preceded by an ‘apologetic preface’ in which several fictional notables testify to the truth of the tale. The similarity of the reality effects in both works is underlined by biographical correspondences between Klim and Holberg: both are born in Bergen, are overly proud of their learning, encounter ‘financial restrictions’ in their youth, and travel extensively. 18 The shared tropes could potentially be used to highlight the serious aspects of the reality effects of the Iter, as in the previous section. I focus here, however, on the way in which the reality effects of the letters are rendered ironic by those of the Iter. The impact of the Iter in this regard reinforces a deconstruction which takes place internally. The vir perillustris is exposed as a literary construction, 19 the pirate story is told through a sequence of quota- 17 This preface was removed from subsequent editions, which, however, maintained the emphasis on the will of the addressee as the reason for writing: ‘You enjoin [...] you order [...] you demand [...] you insist’ (iniungis [...] iubes [...] deposcis [...] efflagitas, EVP 4). 18 Klim speaks of rerum domesticarum angustiae (IS 1. 4), Holberg of res angusta domi (EVP 66; cf. 506). The biographical parallels have been observed by Kragelund (1970, xxxiixxxv), who suggests that Klim’s career plays out Holberg’s personal fantasies about a possible life in politics that he had rejected as a youth. 19 Olsvig 1905, 502-516. <?page no="210"?> Samuel Galson 202 tions from classical and modern authors 20 and the pretension of a transparent visage is undermined by a later warning that it would be naive to judge the author by his appearance (EVP 354): virtutes vero vitiorum etiam speciem habent [...] valde dubia redderetur existimatio mea apud eos, qui e sola, uti aiunt, barba philosophum metiuntur. indeed, my virtues have even the appearance of vices [...] my worth would seem very doubtful to those who, as they say, measure a philosopher only by his beard. Holberg’s pretension to present himself scientifically is at its most extreme when he goes on to reduce the entirety of his mental activity to the effect of humours. These humours are given ontological priority over his moral judgement. They are even responsible for his satirical poems. And yet, just as it seems to achieve dominance over the moral, the scientific perspective reveals its limitations. It is precisely when Holberg has reduced his nature to an entirely physical plane that he observes, ‘[I am] very unlike myself’ (valdeque mei dissimilis, EVP 344). The scientific description aimed to bring moral depths to the surface as physical fluids, but instead revealed that those depths perpetually withdraw. Holberg goes on to describe his humoral imbalance in Ovidian terms, as if he were one of the hybrid monsters of the Iter (ibid.; cf. Ov. Met. 8. 889-892): 21 lubricum ac Acheloi instar varias induentem formas. [it is] slippery and, like Achelous, putting on a variety of forms. The supplementation of the scientific perspective by the moral thus occurs in the Epistolae as an evocation of the kind of unreality effect that dominates the Iter. Holberg’s explicit discussion of the novel in the third letter has precisely this form. It is presented as an attempt to bring to the surface the moral truths that circulate through the Iter in mysterious forms. The phrase literalem et mysticum deployed in Holberg’s insistence on the transparency of his character is recalled when those who misunderstand the novel’s morals are described as a ‘mystic race’ (mysticae [...] genti, EVP 406). Against this mysticism, the present discussion ‘will provide candidly the keys to the work’ (claves operis candide hic dabo, ibid.). Because it is precisely moral allegories which Holberg sets out to unveil, however, the scientific approach will reveal its limitations. The first key we are given is the information that Klim represents the stupidity of those who believe in subterranean encounters with ‘fauns and ghosts’ (EVP 407). Since Klim acts throughout as the guide to the interpreta- 20 Kondrup 1982, 138. 21 Gimnes 1998, 236 argues - unconvincingly, in my view - that Holberg wishes to portray his self-conflict as mere appearance. In fact, the ambiguity of appearance and essence is part of the conflict. <?page no="211"?> A Missive from the Mole 203 tion of the allegories he encounters (which Holberg notes at EVP 412), this key in fact strips away at our ability to interpret the allegories in a nonmystical way. It does highlight the scientific status of the fantasy and the behaviour of its interpreter as central concerns of the novel, but it remains unclear how those concerns relate to the specific contents of the allegories. In what follows, the limitations of a candid explanation are further revealed. Holberg declares that the allegories are ‘so many and so various’ (tot sunt ac tam varii, EVP 408) as to make explanation impractical: ‘You would need to be given as many keys as there are pages’ (quot paginae sunt, tot claves dandae, ibid.). That is because his ‘missiles are aimed, indiscriminately, at the whole of humanity’ (tela promiscue in totum genus humanum torquentur, ibid.). Here, the implication is that the ‘totality’ targeted by the satire is treated as a mere aggregate of distinct individuals. In what follows, however, Holberg slips into an assessment of that totality in terms of its universality: ‘The characters which are exhibited are those which can be fitted to every race’ (characteres qui exhibentur, ii sunt, qui unicuique genti aptari possunt, ibid.). Each individual in fact represents the whole. Thus, far from an impractical number of keys, we in fact ‘need no key at all, since the door stands open’ (nulla igitur opus est clave, ubi porta stat aperta, EVP 408-409). The full force of this slippage must be carefully digested. If every race is susceptible to every kind of allegorization, then either the moral qualities represented by the allegories are all identical, or they are not grounded in nature. Thus, instead of actually giving us a set of keys, Holberg equivocates as to whether such a gift would be useful. Because of the dominant orientation of the letters, however, he cannot state outright that the moral truth is impervious to scientific exposition. Shortly after declaring that ‘the door stands open’, he sets out once more at length to ‘explain the whole affair’ (totam rem explicatam dabo, EVP 410). But, after a digression on the necessity of sweetening moral instruction with delightful fiction, the argument once more becomes exceedingly tangled (EVP 412): 22 characteres, qui sparsim disseminantur, maximam partem paradoxi sunt; virtutes ac vitia ea sunt, quorum specie saepe decepti, pro Junonem nube amplectimur. the characters, which are disseminated throughout, are mostly paradoxes; virtues and vices are things in whose appearance we are often deceived, and embrace Juno instead of a cloud. There are two propositions here, one referring to the form of the allegory, and one to the content: the characters are paradoxes; and vices and virtues are things whose appearance deceives. To complicate matters further, there is a textual problem: ‘to embrace a cloud instead of Juno’ is a phrase commonly used by Holberg to mean mistaking an appearance for a true nature. 22 This digression is itself richly ironic: the sowing of morality in fable is compared to the way Trimalchio placed his epitaph on a sundial in order to force others to remember it. But did that underline his immortality or his transience? <?page no="212"?> Samuel Galson 204 Is the accepted text (‘Juno instead of a cloud’) merely a slip of the pen, or did Holberg mean something by the reversal? Holberg pretends to clarify these propositions with an example, claiming that the slow-thinking Potuans are intended to satirize those whose judgements seem sharp but are in fact shallow. They show that what appears to be mental sluggishness may in fact be a kind of patient penetration. This inversion is consistent with the second proposition. But, continues Holberg, Klim also seems shallow to the Martinians, simians whose snappy judgement outpaces his own. Among the Martinians, slow, penetrating judgement is a vice, for it ignores the importance of the surface of things. Because what is a virtue in one species may be a vice in another, it will be impossible to distinguish a virtue inverted in itself from a virtue inverted by its appearance in another species. This deeper paradox is what the first proposition entails in light of the second. While the general thrust of the passage is that some misapprehension (either as to the scientific or moral nature of the creature) must be stripped away to arrive at its true form, together the two propositions imply that each character is not simply a form concealing a vice or virtue, but a form concealing a vice or virtue that itself conceals its inverse. Scientific and moral interpretations must therefore somehow take place simultaneously. The hybridity of the various fantastical creatures will always present us with a choice as to which nature to assign which polarity of the virtue or vice. Holberg does not state this undecidability outright, but persists with the illusion of bringing obscurities to the surface. As he persists, we observe the irony by which the general problem of penetrating his allegory ‘surfaces’ in an example that indicates precisely the ambiguity of the moral value of penetration. Holberg’s inversion of Juno and the cloud could be intended to draw attention to this ambiguity, or it could be a (nonetheless significant) slip. Conclusion In the first section of this paper, I remarked that the conflict of satire and science turns the interpreting subject into the central satirical target of the novel. Because the two aspects of nature mutually undermine as well as require each other, any interpretation which claims to have attained a purely moral or purely scientific truth must have exposed the limitations of its interpreter. A review of his work that Holberg singles out for particular disdain in his commentary on the Iter had levelled the familiar criticism that the fantastical elements had derailed the satirical project (EVP 418). 23 While he condemns it, Holberg tellingly refuses to defend himself against this criticism. 23 The review maintained: ‘[…] woran aber eine ausschweifende Einbildungskraft mehr Theil, als die Kraft zu urtheilen genommen hat’ (Scheidt 1741, 399). <?page no="213"?> A Missive from the Mole 205 Whether he defends the fantasy at the expense of the satire, or vice-versa, he will draw himself under his own fire: you cannot answer this kind of criticism without ‘becoming similar and equal to those whom you attack’ (similis et compar eorum fias, ibid.). Holberg thus confesses that the only critics he can ‘forgive’ (ignosco, EVP 424) are those who, he says, ‘attack me with my own arrows’ (qui propriis me sagitiis impetunt, ibid.), claiming (ibid.): vitia corripit, quibus ipse deditus est. he rebukes the vices to which he himself is dedicated. These critics at least have the insight that Holberg’s morality relies on its own deconstruction. The first letter, in fact, opens with an admission of such self-contradiction (EVP 6): Vereor, ne tela, quae in alios torsi, in me eodem iure retorqueantur. I am afraid that the missiles I have hurled at others will - by the same law - be hurled back at me. Nonetheless, Holberg refuses to state explicitly in the letters that it is precisely the interruption of the satire by the fantasy (and vice-versa) that gives the Iter its artistic and intellectual coherence as an exploration of the contradictions inherent in the Enlightenment relation to nature. If Holberg had explicitly interpreted the Iter as a satire of interpretation, then qua interpreter he would have become himself a figure for Klim, and thus the butt of his own satire. 24 Instead, Holberg says of his interpretations (EVP 414): non de opere me, sed de scopo tantum operis loqui. I speak not of my work - I speak only of the aim of my work. He does not claim to speak directly; he can only indicate his point performatively, as by the way in which he implies relations between the two texts. What we see in this performance depends, of course, on our own nature, which is itself uncertain. It is with this thought in mind that Holberg finishes and crowns his apparently scientific discussion of the Iter with a further fable - the explanation becomes, in fine, a fable about fables. Holberg remarks that he had delayed the Danish edition of the work for fear that the masses would be unable to interpret it. Many struggle to see with aids what others read easily: a mole, says Holberg, on hearing that men improve their sight with spectacles, asked his mother for a pair. She responded (EVP 430): Desine [...] ambire ea quae naturae tuae adversantur; nam conspicilla quae hominibus usui sunt, nil prosunt talpis. Cease [...] to seek after what is contrary to your nature; for spectacles, which are useful for humans, do nothing for moles. 24 Holberg’s self-positioning among the ‘Socratic philosophers’ (Socraticorum philosophorum, EVP 422), those for whom inability to know the self throws all else in doubt, reinforces this implication. Kondrup 1982 notes that Holberg ironically traces the genesis of his satirical impulse to the odiousness of satire: ‘By inveighing against satires I myself became a satirist’ (ego contra satyras stringendo ipse Satyricus factus, EVP 216). <?page no="214"?> Samuel Galson 206 If we examine this fable without our spectacles, it may look like a lesson in the superiority of human vision. But on closer inspection, it is a fable about what suits moles, not humans. Its moral - whatever it may be - could only be learned by going underground. 25 References Billeskov Jansen, Frederik J., Ludvig Holberg, New York 1974. Bleiler, Everett F., Science-Fiction: The Early Years, Kent, O. 1990. Dahlberg, Gunilla / Teilmann, Peter C. / Thorsen, Frode (eds.), Holberg i Norden: Om Ludvig Holbergs författarskap och dess kulturhistoriska betydelse, Gothenburg 2004. 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Dies lässt sich nicht zuletzt auch an seinem Publikum festmachen, für das er konzipiert war: Als der neulateinische Roman im Barock aufkam, wurde er vielfach vom Adel und der bürgerlichen Oberschicht gelesen und getragen, 2 mit dem Erstarken des Bürgertums ab 1800 wurde er schließlich auch zunehmend vom Bildungsbürgertum konsumiert. 3 Über diese beiden Hauptrezipientenkreise sicherte er sich ein breites und tendenziell einflussreiches Publikum. Aus diesem Grund wurde der ‚politische‘ Roman auch mit Vorliebe auf Lateinisch verfasst, da eine sowohl möglichst große als auch möglichst gebildete Leserschaft am besten über die lingua franca der Frühen Neuzeit, d.h. Neulatein, erreicht werden konnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Roman sich in seiner „hohen“ (höfischen) oder „niederen“ (satirischen) Gestalt präsentierte bzw. welchem Subgenre er angehörte. In seiner Grundhaltung monarchomachisch, absolutistisch oder aufklärerisch orientiert, diente er stets als politisches Medium, um auf die eine oder andere Weise aktuelle politische Auffassungen zu verbreiten, ein Staatsideal oder eine Staatsutopie zu entwerfen oder das Bild des idealen Fürsten zu propagieren (man könnte hierbei vom ‚Sitz im Leben‘ des Romans sprechen). Der Erfolg stellte sich prompt ein, kam staatspolitischen Lehren dieser Art in einem Europa, in dem sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Großmächten ständig zu verschieben drohten und das ständig im Begriff war, sich mentalitätsgeschichtlich wie geistesgeschichtlich neu zu formieren, doch eine besonders große Bedeutung zu. 1 Vgl. IJsewijn / Sacré 1998, 241. 2 Die politische Auseinandersetzung des privilegierten Standes bei der Romanlektüre ist genau das, was Huet u.a. mit den Worten „diese willkommene Unterhaltung ehrbarer Müßiggänger“ („cet agréable amusement des honnêtes paresseux“, S. 2) andeutet. Die Zitate aus Huets Romanpoetik folgen Desessarts 1799. 3 Vgl. Biesterfeld 1993, 39 und Mühleisen / Stammen / Philipp 1997, 16. <?page no="220"?> Isabella Walser 212 Daher scheint es nur angemessen, den politischen Gehalt des Romans und die damit zusammenhängenden moralisch-ethischen sowie gesellschaftlichen Aspekte in diesem Beitrag erstmals in einer umfassenden Darstellung aufzuarbeiten und anhand ausgewählter Belegstellen exemplarisch zu veranschaulichen. 1 Politisierung in fiktionaler Prosa Dass der Vater der modernen Staatswissenschaft, Robert von Mohl (1799- 1875), den Roman kategorisch aus dem Kanon staatswissenschaftlicher Abhandlungen ausschloss, 4 wirkt etwas befremdlich angesichts seiner Definition von Staatsromanen als „Lehre[n] im Gewande der Erzählung [...] welche es unternehmen, die Frage, wie ein Staat am gerechtesten und zweckmäßigsten einzurichten, die ganze bürgerliche Gesellschaft auf menschlichzuträgliche Weise zu ordnen sei, durch die Schilderung eines erdichteten Ideales zu beantworten“. 5 Doch von Mohl war in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch zu sehr geprägt von den frühen Romandefinitionen, denen zufolge es sich beim Roman ausschließlich um eine phantastische Liebelei verwoben mit dramatischen Abenteuern handle. Eine eingehende Vorstellung von Fiktion im Dienst eines staatstheoretischen Diskurses blieb für ihn noch völlig unverständlich. 6 Spätestens heute wissen wir allerdings, dass die neulateinischen Romane mehr bieten als nur eine anspruchslose Liebesgeschichte, und dass sie sehr wohl jenes politische Momentum enthalten, das von Mohl ihnen abspricht. Praktisch ohne Ausnahmen reflektieren sie alle in einem bestimmten Ausmaß zeitgenössische Umstände in Politik und Gesellschaft bzw. entstehen sogar aus dem Kontext politischer Wirren und Verwicklungen heraus. Als bekannte Beispiele seien nur etwa John Barclays Euphormio (1605) genannt, der auf den über Europa hängenden Konflikt zwischen Frankreich und den Niederlanden eingeht, seine Argenis (1621), die auf die Konfessionskriege im Frankreich des beginnenden 17. Jahrhunderts anspielt, Anton Wilhelm Ertls Austriana Regina Arabiae (1687), 7 die die zweite Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1683 mitsamt ihrer brisanten Vorgeschichte allegorisch verarbeitet, Ludvig Holbergs Iter subterraneum (1741), das auf die bedrückenden Verhältnisse Dänemarks unter dem neuen König Christian VI. reagiert, oder András Dugonics’ Argonautica (1778), die ihren Ausgang bei den aktuellen ungarischen Nationalbestrebungen innerhalb des Habsburgerreiches nehmen. 4 Siehe von Mohl 1845, 27. 5 Von Mohl, 1845, 24. 6 Vgl. Kuon 1986, 7. 7 Eine Edition dieses Romans wird im Rahmen des Forschungsprogramms des Ludwig Boltzmann Instituts für Neulateinische Studien gerade von mir vorbereitet. <?page no="221"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 213 Doch die politische Dimension der neulateinischen Romane ergibt sich nicht nur aus ihrem politischen Entstehungshintergrund, sondern wird auch anhand ihrer Konzeption ersichtlich. So zeichnen sie ein panegyrischheroisches Heldenporträt (Ferenc Székely, Aeneas Habspurgus, 1695), propagieren politische Zugehörigkeiten und nationale Strukturen (Ertls Austriana; Dugonics’ Argonautica), diskutieren in einem dramaturgisch durchlaufenden Fürstenspiegel die beste Form des Regierens und den idealen König (Barclays Argenis), entwerfen utopische Idealstaaten in Auseinandersetzung mit der kläglichen Realität (Barclays Euphormio; Holbergs Iter subterraneum), erörtern politisch-konfessionelle Fragestellungen (Johann Valentin Andreae, Christianopolis, 1619; Samuel Gott, Nova Solyma, 1648; Johann Ludwig Prasch, Psyche Cretica, 1674), brechen satirisch das zeitgenössische höfische und klerikale Leben sowie das daran orientierte Gesellschaftsleben (Leon Battista Alberti, Momus, 1443-1450; François Guyet, Gaeomemphionis Cantaliensis Satyricon, 1628; Nicius Erythraeus, Eudemia, 1637) oder kritisieren die gesellschaftlichen Zustände in einem weiteren politischen Sinne (Jakob Bidermann, Utopia, 1640; Petrus Firmianus, Gyges Gallicus, 1659) - um nur die bekanntesten Beispiele neulateinischer Romanprosa zu nennen. Ihnen allen gemein ist ihr Bestreben nach Einflussnahme auf das politische und gesellschaftliche Leben durch das Gegenüberstellen von dargestelltem Wunschbild (ficta) und tatsächlicher Realität (facta). Arnold Hirsch beschreibt diese intentionale und appellative Funktion des neulateinischen Romans folgendermaßen: Der politische Roman ist optimistisch, er behält die Glückseligkeit nicht dem Jenseits vor, sondern lehrt, wie man sich durch Erfahrung und Orientierung in der Welt Maßstäbe aneignet, die ein glückliches und tüchtiges Leben in der Welt ermöglichen. 8 Hirsch sieht die Aufgabe des Romans darin, dem Einzelnen als Teil des gesamten Staatsgebildes Hilfe und Richtung für ein pflichterfülltes und auf den Staat bezogen sinnvolles Leben zu geben. Aus dieser lenkenden Rolle heraus lässt sich letztlich auch der enorme Erfolg des neulateinischen Romans erklären. Denn als jene Gattung, die allein von ihrer Form her dem modernen Menschen am nächsten steht, weil sie einerseits die ungebundene Alltagssprache der Realität einsetzt, andererseits aufgrund der im Vergleich beispielsweise zum Epos schneller zu lesenden Prosaform dem expandierenden Buchmarkt in die Hände spielt, erwartet der Leser, sich selbst im Text wiederzufinden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn er im groben Kontext des Romans die ihn selbst umgebende Welt mit all ihren Problemen und Krisen identifizieren kann und die auftretenden Personen in einer irgendwie erkennbaren Welt agieren. Deswegen weist der neulateinische Roman für gewöhnlich auch zwei unterschiedliche Ebenen auf, nämlich die nicht-referentielle, innertextliche Ebene sowie die referentielle, außertextli- 8 Hirsch 1957, 44-45. <?page no="222"?> Isabella Walser 214 che Realität, die einander gegenüberstehen und durch unterschiedliche Techniken (u.a. die Allegorisierung) miteinander verbunden sind. In diesem Zusammenspiel von Romanhandlung und unmittelbarer Realitätswahrnehmung begleitet der politische Roman den Leser durch die Zerwürfnisse seiner Zeit. Er holt die Menschen dort ab, wo sie stehen und „reflektiert und thematisiert und reagiert auf die neuen Freiheiten, Möglichkeiten, Risiken und Abgründe“. 9 Daraus erklären sich auch die strukturelle Komplexität von Hauptplot und den davon abhängigen Subplots, das breite Spektrum der Charaktere (vom Sklaven bis zum Fürsten tritt sowohl in der höfischen als auch in der pikaresken Variante eine Vielzahl ständisch unterschiedlicher Personen auf) 10 oder die oft trivial wirkenden Sprünge, Wendungen und Zufälle im Schicksal der Protagonisten. Bei diesen Merkmalen des neulateinischen Romans handelt es sich nicht nur um Relikte aus der Tradition des antiken Romans, sondern sie erhalten gewissermaßen eine unmittelbare ‚frühneuzeitliche‘ Bedeutung: Je verwickelter sich die Handlung präsentiert, je mehr Unglück und Probleme die Charaktere herumtreibt, desto aufgehobener fühlt sich der Leser, den beständig politische Unsicherheit, gesellschaftliche Umbrüche, Neues und Ungewisses umgeben. Unbewusst erlernt er anhand der agierenden Personen, die entweder aufgrund ihrer falschen Prinzipien scheitern oder aufgrund ihrer Tugendhaftigkeit heldenhaft aus der Geschichte hervorgehen, den idealen Umgang mit der politischgesellschaftlichen Realität. In diesem Sinne verkörpern die neulateinischen Romane auch keine eskapistische Literatur, sondern stellen einen bewusst politischen und gesellschaftlichen Diskurs dar. 11 Der politische Gehalt des neulateinischen Romans darf darüber hinaus durchaus auch als Legitimationsstrategie seinen kritischen Gegnern gegenüber gewertet werden: Indem der Roman etwa die bloße Abenteuer- und Liebesgeschichte um den Faktor Politik erweiterte (der antike Roman vernachlässigte die politische Komponente zur Gänze), konnte er sein Prestige erhöhen. Dabei nahm er sich vor allem die Gattung des heroischen Epos 9 Bode 2011, 46. 10 Das Figurenspektrum im Roman ist schon politisch per se. Scaliger, der in seiner Poetik den Roman gemeinsam mit dem Epos abhandelt, empfiehlt als dramatis personae nicht nur Götter, Heroen, Fürsten und militärische Führer einzusetzen, sondern daneben auch unbedeutenderes Personal wie Seeleute und Piraten, Handwerker, Händler und Sklaven. Dadurch soll der gesamte Körper des Staates mit seinen einzelnen Gliedern repräsentiert werden (Deitz 1995, 322 [cap. 2, p. 183b-184a]): Personae graves sunt dii, heroes, reges, duces, civitates. Quod si aliae quoque inferiores admiscentur ut nautae, fabri, mercatores, aurigae, id propterea fit, quod hominum conventu societas instituta quoddam quasi corpus est, cuius membra pro natura fineque officiorum et naturam sortiuntur et condicionem). 11 Siehe auch Huet (ed. Desessarts 1799), 4: „La [sc. fin] principale [...] est l’instruction“; der Herausgeber der Huet-Ausgabe von 1799, Desessarts, vermerkt in seinem Vorwort (v): „[...] les Nations [...] ont besoin des Romans, comme les malades ont besoin de remèdes“; Müller 1929 spricht in seinem Beitrag zur höfischen Kultur der Barockzeit vom Roman als im Dienst der Herrschaft stehendes Genre bzw. als „Mittel handelnder Wirklichkeitsbewältigung“ (136). <?page no="223"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 215 zum Vorbild, das einfache dramaturgische Begebenheiten (Kampf, Liebe, Abenteuer) in einen politischen Rahmen einschließt. So kommt es auch nicht von ungefähr, dass man in vielen neulateinischen Romanen nicht nur panegyrisch-politische, sondern auch strukturelle, motivische und inhaltliche Anklänge an Vergil und die Epiker findet. Dass die neulateinischen Romane auch von ihren Zeitgenossen als politische Schriften wahrgenommen wurden, äußert sich nicht zuletzt auch in ihrer Kurzlebigkeit. Die meisten von ihnen (Beispiele vom Format der Argenis oder des Iter subterraneum seien hierbei ausgenommen) erfuhren zwar eine intensive, jedoch nur kurze Rezeptionsdauer bzw. wenige Auflagen und Übersetzungen, da ihre enge Verstrickung mit der zeitgenössischen Politik sie relativ schnell bedeutungslos werden ließ. Außerdem: Wären die neulateinischen Romane bloß Unterhaltung und literarisches Spiel, wären sie nicht politisch im weitesten Sinne, wozu dann all das Aufsehen um eine ausgeklügelte Allegorie, hinter der sich zumeist politische und gesellschaftliche Anspielungen verbergen? Wozu all die Mühe um komplexe Struktur, politisch-deiktische Namensgebung in Anagrammen, wozu der Motivreichtum aus dem politischen Epos? Wozu dann die zum Teil unmäßige Länge mancher Romane, wo einfache Lektüre ohne Lehre doch das Simple und Kurze bevorzugt? Wenn nun bereits vielfach vom politischen Charakter der neulateinischen Romane gesprochen wurde, so bezieht sich dies vornehmlich auf die literarische Wirkungsweise der Utopie und des Fürstenspiegels, da diese beiden gattungsunabhängigen literarischen Formen gewissermaßen die Schnittstelle sämtlicher politischer Auseinandersetzungen in den Romanen bilden. Beide haben den Staat und seine Mitglieder zum Thema und setzen „gegen eine als verbesserungswürdig gesehene Realität das Ideal bzw. den Reformvorschlag“. 12 Da sich in der folgenden Zusammenschau die Romanfiktion allerdings nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigen lässt, seien nur die bekanntesten Beispiele der neulateinischen Literatur angeführt, die einer paradigmatischen Veranschaulichung dienen und zu einer entsprechenden Analyse der übrigen neulateinischen Romane anregen sollen. Unter die präsentierten Beispiele fallen: Barclays Euphormio, weil es sich dabei um die erste neulateinische Satire im großen Stil handelt, die somit richtungsweisend wurde für alle Satiren, die nach ihr kommen sollten; Barclays Argenis, weil man sie in einem Überblick zum Roman als das wohl unübertroffene Stück fiktionaler lateinischer Prosa der Frühen Neuzeit nicht übergehen kann; Ertls Austriana, da sie der wohl einflussreichste politische Roman aus dem Umfeld der Habsburgermonarchie war; und Holbergs Iter subterraneum, da kein anderer Roman der Frühen Neuzeit - abgesehen von Barclays Werken - so viele Editionen und Übersetzungen aufweist, und da gerade dieser Roman einen enormen Einfluss auf die volkssprachliche Literatur nahm. 12 Biesterfeld 1993, 40. <?page no="224"?> Isabella Walser 216 2 Europas Utopien Die Utopie ist weder beschränkt auf nicht-fiktionale theoretische Abhandlungen, noch stellt sie ein Subgenre des Romans per definitionem dar. Vielmehr ist sie gattungsübergreifend und unabhängig von einem bestimmten Genre einsetzbar, wo immer eine staatswissenschaftliche Diskussion ansteht. 13 Die Probleme des Utopie-Begriffes an sich werden im Folgenden nicht weiter thematisiert, der Fokus liegt ausschließlich auf der intentionalen und funktionalen Vermittlung von utopischem Stoff in den in Romanen repräsentierten politisch-sozialen Organisationen. Wie und mit welchen Motiven die Darstellung dieser politisch-sozialen Organisationen zustande kommt (die klassischen wunderbaren Elemente wie Schiffbruch und Irrfahrt sind nicht verbindlich) und in welcher romanhaften Ausprägung (höfischhistorisch oder pikaresk), spielt dabei keine Rolle. Als utopisch gilt, was die Darstellung einer idealen Staatslehre in den seit Thomas More konstitutiven Bereichen Rechtsprechung und Gesetzgebung, Verwaltung, Regierungsform, Religion sowie Bildung und Erziehung anbelangt (nicht alle müssen allerdings systematisch abgehandelt werden; theoretisch kann auch nur ein Bereich im Vordergrund stehen). Dabei wollen die neulateinischen Romanautoren die perfekte Welt nicht nur abbilden, sondern auch einen Bezug zur eigenen Realität herstellen und diese entsprechend dem Ideal verändern. Ohne diese Voraussetzung wäre die Utopie irrelevant, „wäre jeder utopische Entwurf beliebig interpretierbar, d.h. er bliebe unverstanden“. 14 Gerade das Thema Religion war in der Frühen Neuzeit noch weitgehend politisch, weshalb die jeweiligen zeitgenössischen Konflikte auch in den meisten Romanen kritisch angesprochen werden. Barclay etwa sind in seinem Euphormio, der die Utopie aus dem Gegensatz des negativ Dargestellten heraus konstruiert, insbesondere die Jesuiten und die Puritaner ein Dorn im Auge. Als überzeugter Katholik, der in seiner religiösen Einstellung eher konservativ geprägt ist, empfindet er angesichts ihrer fanatischen und selbstgefälligen Auffassungen nur Abscheu. Auf seinen Reisen durch das verdorbene Europa vom idyllischen Land Lusinia aus deckt Euphormio die korrupten Machenschaften und die Herrschsucht der Kleriker schonungslos auf. Er will die Leser seiner Geschichte davor warnen, sich jesuitischen oder puritanischen Gruppierungen anzuschließen, da sich seiner Erfahrung nach die Menschen oft aus irrationalen Impulsen heraus zu diesen hingezogen fühlten. 15 Wahre Religiosität würde Dankbarkeit und Gnade, Zurückgenommenheit und Sorge um das Gesamtwohl des Staates bedeuten - ideale Tugenden, die weder die Jesuiten noch die Puritaner erfüllen würden, die von ihren geistigen Wurzeln mit jedem Tag noch weiter abkämen. Die Dop- 13 Vgl. Reichert 1965, 264-265 und Meid 1974, 91. Kuon 1986, 9 spricht vom Utopischen als „gattungsunabhängige Bewusstseinsform“. 14 Kuon 1986, 3. 15 Vgl. Fleming 1968, 90. <?page no="225"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 217 pelmoral der Puritaner verdeutlicht Barclay anhand der Person des Catharinus (von gr. katharós, „rein“), den er in Scolimorrhodia (ein allegorischer Deckname für England) antrifft. Catharinus und seine Heuchelei werden charakterisiert durch die weißen Gewänder, die die Puritaner tragen, das Sing- und Spazierverbot am Sabbath, das Verdammen der anderen Christen und das ausgeprägte körperliche Verlangen nach seiner hübschen Frau. 16 Für die Demontage der Jesuiten legt sich Barclay besonders ins Zeug. Waren sie Anfang des 17. Jahrhunderts ohnehin ein skandalumwittertes Thema - man denke an die kontroverse Wiederzulassung in Frankreich, den Gunpowder Plot in England oder ihren Abzug aus Venedig (ihre dortige Abwesenheit zieht Euphormio zu Beginn des zweiten Buches sogar an) -, leiten Barclay in ihrer negativen Darstellung wohl auch private Gründe. 17 Die Doppelmoral, in der die Jesuiten lebten, ist in seinen Augen gerade deshalb so bedenklich, weil sie - und damit schneidet Barclay auch den Bereich der Bildung und Erziehung an - das Bildungsmonopol in praktisch allen westeuropäischen Staaten innehaben. Doch anstatt die Jugend so zu erziehen, dass aus ihnen tüchtige Bürger würden, die den Staat gut und sinnvoll tragen können, ließen sie diesen mit ihren skrupellosen Lehrmethoden, ihren eitlen Prinzipien und ihrem elitären Stolz bereits an der Wurzel verkommen. 18 Der Rest der religiösen Kontroverse im Euphormio bezieht sich auf die römisch-katholische Kirche im Allgemeinen. Hauptargument ist dabei die Einschränkung der päpstlichen Macht zugunsten des weltlich-absolutistischen Herrschaftsanspruchs, ein Thema, das auch in der Argenis des Langen und Breiten behandelt wird. 19 Die Diskussion um den Suprematsanspruch des Papstes war in England seit der Exkommunikation von Elisabeth I. durch Pius V. immer wieder Thema und blieb es auch unter Jakob I., genauso wie in Frankreich, wo noch bis ins späte 17. Jahrhundert hinein die Gallikanische Kirche und die Ultramontanisten miteinander um den Vorrang in Sachen königlicher bzw. päpstlicher Souveränität stritten. Abgesehen von dieser anti-päpstlichen Haltung in Bezug auf die Religion entwirft die Argenis auch ein Idealbild staatlicher Religion vor dem Hintergrund der Hugenottenkriege zwischen der Bartholomäusnacht (1572) und der Ermordung 16 Vgl. Fleming 1968, 91. 17 Sein Vater William Barclay überließ während seiner Zeit in Pont-à-Mousson die Ausbildung seines Sohnes den Jesuiten. Als es zu einem Eklat in der Frage um die Besetzung des Rektorpostens der juristischen Fakultät kam, brach William mit ihnen. Seinen Hass auf die Jesuiten hat er an seinen Sohn weitergegeben, der diesem im Euphormio Ausruck verleiht (Fleming 1973, x). 18 Siehe z.B. 1, 12; S. 56. 19 Vgl. Fleming 1968, 91 und Siegl-Mocavini 1999, 10. In allem, was Barclay im Euphormio und in der Argenis zur päpstlichen Autorität vorbringt, folgt er im Wesentlichen den Ansichten William Barclays in dessen Traktat De potestate papae, den John nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1609 herausgab. Kurz darauf wurde die Schrift zusammen mit dem Euphormio auf den Index gesetzt. <?page no="226"?> Isabella Walser 218 Heinrichs IV. (1610). So beschäftigen sich die Figuren Ibburanes und Archombrotus das gesamte fünfte Kapitel des zweiten Buches hindurch mit der Frage, wie man am besten mit den Hyperephanii (Hugenotten) verfahren sollte. Barclays Interesse richtet sich dabei eindeutig auf eine einheitliche katholische Staatsreligion, die die politische Einheit des Staates stärken soll, weshalb er Ibburanes die Hugenotten auch als eine „den Fürsten gefährliche Sekte“ (2, 5, 1 factio regnantibus gravis) bezeichnen lässt, die einen gesunden Staat unnötig in Gefahr bringe (2, 5, 5 hanc sectam invalescere publicis malis interque bella et clades saginari). Das Edikt von Nantes (1598), das den Hugenotten das Privileg eines autonomen Staates im Staat sicherte, solle am besten aufgehoben und die Sektierer mit sanftem Zwang in den restlichen Staat eingegliedert und zurückkonvertiert werden. 20 Aus einem unbefriedigenden politischen Umfeld heraus ergibt sich auch Ludvig Holbergs ideale Auffassung von einer Staatsreligion, die er anhand des aufgeklärten Deismus des Unterweltsplaneten Potu (ein verkürztes Anagramm zu Utop-ia) propagiert. Das Iter subterraneum entstand im Jahre 1741 zur Zeit der absolutistischen Regierung Christians VI. (1730-1746). Holberg wendet sich bewusst gegen dessen tyrannischen Pietismus, der offiziellen Druck auf die Meinungs- und Religionsfreiheit ausübte. 21 So ist es den Prinzipien des Holberg’schen Deismus entsprechend etwa per Strafe der Verbannung ans Firmament verboten, die heiligen Schriften auszulegen, da die Kraft des Verstandes die göttliche Macht ohnehin nicht zu erfassen imstande sei (6, 1 Prohibitum hic est, sub poena relegationis ad firmamentum, in libros sacros commentari. [...] Nam stultum aiunt ea describere ac definire velle, a qua caligat mens nostra […]). Darüber hinaus herrscht ein streng physikotheologisches Weltverständnis vor (6, 2-6, 10), das u.a. konfessionelle Toleranz und freie Religionsausübung berücksichtigt (6, 2). Wie am Beispiel des Euphormio und der Argenis bereits aufgezeigt wurde, so ist auch bei Holberg der religiöse Aspekt aufs Engste mit dem staatstheoretischen Kontext verbunden. Die Religion existiert nicht nur für sich selbst, sondern arbeitet dem staatlichen Gemeinwohl ebenso zu, wie die Regierung, die Verwaltung, die Rechtsprechung oder die jeweiligen Möglichkeiten des Einzelnen (6, 12): Publicae precationum formulae ita conceptae sunt, ut non ipsos precantes, sed solum Principem ac reipublicae salutem spectent. Hinc nemo preces pro se ipso publice effundit. Scopus instituti est, ut credant Potuani, salutem singulorum cum salute reipublicae adeo arcte esse coniunctam, ut separari nequeat. Die öffentlichen Gebetsformeln sehen so aus, dass diejenigen, die sie aufsagen, nicht für sich selbst, sondern ausschließlich für den Fürst und das Wohl des gesamten Staates beten. Daher gibt niemand öffentlich in seinem eigenen Namen Gebete von sich. Der Hintergedanke dieses Grundsatzes ist, dass, wie die Potuaner glauben, das Wohl des Einzelnen so eng mit dem Staat verbunden ist, dass man die beiden nicht voneinander trennen könne. 20 Vgl. Riley / Pritchard Huber 2004, 18. 21 Vgl. Jansen 1974, 98-99. <?page no="227"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 219 Im Bereich der Justiz bietet Holberg ein Beispiel klassischer Utopietopik. Die Rechtsausübung konzentriert sich nämlich nicht auf die vorübergehende Stabilisierung der Rechtsordnung durch Bestrafung des Täters, sondern zielt vielmehr auf dessen langfristige Unbescholtenheit ab. 22 Dies muss der Protagonist Niels Klim am eigenen Leib erfahren, als er wegen sexueller Belästigung verhaftet wird (2, 21). Die Advokaten sind ehrlich und aufrichtig (verkörpern also das komplette Gegenteil von Barclays anti-utopischer Rechtsdarstellung im Euphormio) 23 und tragen Schafsfelle, um des Prinzips der Unschuld stets eingedenk zu sein. Weiters vollziehen sie bei jedem Verbrecher einen Aderlass, um anhand der Farbe des Blutes auszumachen, ob er gebessert und wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden könne oder ob er als des Staatswesens unwürdig verbannt werden müsse (2, 16). Neue Gesetze werden nur äußerst selten erlassen, unnütze Neuerer werden ebenfalls verbannt. Denn den Potuanern zufolge müsse man unnachgiebig über die alten Gesetzen wachen, die sich bislang als löblich erwiesen hätten. Eine Republik könne unmöglich Bestand haben, wenn es einem jeden erlaubt wäre, nach Lust und Laune Gesetze zu ändern oder abzuschaffen. Die Realität in Europa ist freilich eine ganz andere, was Holberg auch pointiert zum Ausdruck bringt (4, 3): Hei! quid de novatoribus nostri orbis hic fieret, qui sub specie publicae utilitatis quotidie novas meditantur leges, non statui publico, sed privatis quaestibus ancillantes? Ei, wie würde es den Neuerern unserer Erde hier ergehen, die unter dem Anschein des Gemeinwohls sich täglich neue Gesetze ausdenken, die allerdings nicht dem Staat, sondern einzig ihrem eigenen Vorteil dienlich sind? Um den Staatsapparat durch bessere Verwaltung und loyalere Untertanen effizienter zu gestalten, spricht auch Barclay im dritten Buch seiner Argenis die dürftige Situation der aktuellen Rechtsprechung in Frankreich an, wo Korruption und aufgeschobene Prozesse ungestraft auf der Tagesordnung stehen. Ibburanes fordert eine maximale Prozesslaufzeit von einem Jahr, die bei Überschreitung Sanktionen für die Anwälte und Richter mit sich bringen soll (3, 22). 24 Mit dieser Forderung einher geht der implizite Wunsch nach einer allgemeinen Verbesserung des Verwaltungsapparates, 25 der zumindest für den Hofstaat detaillierter ausgeführt wird (1, 13). Man müsse, so Arsidas, die Bediensteten und Minister zu Hofe ihren jeweiligen natürlichen 22 Vgl. Peters 1987, 15. 23 Im zweiten Teil des Euphormio klagt der Protagonist in einer Declamatio den schlechten Zustand der europäischen Judikative an. Als für den Staat eigentlich wichtigste Wissenschaft liege sie von Korruption und Dummheit gebrochen darnieder. Siehe dazu Fleming 1968, 103-104. 24 Vgl. Riley / Pritchard Huber 2004, 20. 25 In diesem Zusammenhang spielt auch der Staatshaushalt eine bedeutende Rolle, der an dieser Stelle nicht im Einzelnen behandelt werden kann. Es sei lediglich auf die Unterhaltung zur Frage der Steuererhebung zwischen Königin Hyanisbe und Poliarchus in 4, 18 verwiesen. <?page no="228"?> Isabella Walser 220 Fähigkeiten entsprechend auswählen, um den König so bei der der Ausbildung und Aufrechterhaltung einer perfekt funktionierenden Staatsmaschinerie bestmöglich zu unterstützen (1, 13, 4): Domitandis alius equis, alius pugilatu sit nobilis. Pingendo aut canendo sibi nomen hi fecerint. Ille aedium moliendarum celebretur peritia aut derivandis in simulacra fontium aquis. [...] Quidam in illis publicae prudentiae sunt apti, [...] ceteri [...] solis libris nati sunt [...]. Der eine ist hervorragend beschlagen in der Reitkunst, der andere im Kampf. Wieder andere machen sich mit der Mal- und Singkunst einen Namen. Dieser wird aufgrund seiner Kenntnis von Architektur gefeiert, jener in der Wasserversorgung. [...] Einige bestimmte sind geeignet für öffentliche Geschäfte, [...] die übrigen [...] sind einzig für die Wissenschaft geboren. In Holbergs Idealstaat Potu herrscht exakt diese Verwaltungsstruktur vor, die ein Ergebnis „gezielter materieller und ideeller Förderung“ 26 des Einzelnen durch den Staat darstellt. Das Hauptaugenmerk der Erziehung und Bildung gilt - ohne Berücksichtigung des sozialen Hintergrundes - der Einordnung der jungen Generation in Beschäftigungsfelder, denen sie aufgrund ihrer Neigungen am besten entsprechen (2, 18): Ut rite de uniuscuiusque profectu ac dotibus animi iudicetur, instituta sunt seminaria, quorum ephori sive directores dicebantur „Karatti“ (vox ista proprie denotat examinatores sive scrutatores). Eorum officium erat profectum et vires uniuscuiusque examinare, indolem iuventutis penitius inspicere habitoque examine Principi quotannis exhibere indicem eorum, qui ad munera publica essent admittendi, simulque ostendere, qua in re unusquisque patriae maxime usui esse posset. Damit über die Fähigkeiten und den Charakter eines jeden richtig geurteilt wird, gibt es Seminare, deren Vorsteher beziehungsweise Leiter „Karatti“ genannt werden (dieses Wort bedeutet „Untersucher“ oder „Forscher“). Ihre Aufgabe ist es, den Nutzen, die Anlagen und die natürlichen Begabungen von jedem genau zu prüfen und nach Vollendung dieser Untersuchung dem Fürsten alljährlich ein Verzeichnis jener vorzulegen, die zu öffentlichen Ämtern zugelassen werden sollen, und zu beschreiben, worin jeder dem Staat am besten von Nutzen sei. Einen letzten großen Themenbereich utopischer Literatur repräsentiert neben den bereits besprochenen Kategorien Religion, Bildung, Justiz und Verwaltung jener der besten Regierungsform. Zur Illustration seiner Bedeutung als markanter Bestandteil der neulateinischen politischen Romankultur seien noch einmal Barclay und Holberg als Beispiele herangezogen. Im berühmten achtzehnten Kapitel des ersten Buches der Argenis - deren Titel (ein Anagramm von regina + gräzisierendes und episierendes -is) 27 die Idee des (richtigen) Regierens schon vorwegnimmt - wird der Leser Zeuge eines hitzigen Tischgesprächs am Hofe König Meleanders. Die monarchomachische Seite 26 Vgl. Peters 1987, 17. 27 Vgl. IJsewijn 1983, 7-8. <?page no="229"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 221 wird dabei vertreten von Anaximander und seinem Onkel Lycogenes, die absolutistische von Nicopompus, Barclays Alter Ego, und Dunalbius. Während in einem ersten Schritt die Staatsformen Demokratie, Aristokratie und Monarchie eher neutral abgehandelt werden, spitzt sich in einem zweiten Schritt das Gespräch auf die alles entscheidende Frage zu, ob eine Wahl- oder eine Erbmonarchie die bessere Regierungsform sei. Nicopompus fasst den Staat als eine moralische Institution auf, die zur Not auch auf gewaltsame Art Frieden schaffen müsse, wenn die Rechtschaffenheit der Bürger versage. 28 In diesem Fall müsse der ideale Anführer einer solchen moralischen Institution auch gewählt werden, da das königliche Erbrecht niemals die Umsicht eines Königs sichern könne. Dunalbius hält ihm die chaotische Situation in Deutschland entgegen, die die Königswahl heraufbeschworen habe. Ebenso stellten Abtrünnige und Aufständische einen großen Unsicherheitsfaktor bei der Entscheidung um die Einsetzung eines Königs dar, da sich dieserart nur allzu leicht auch ein Hugenotte auf dem Thron einfinden könnte. 29 Eine Einigung wird in dieser Diskussion nicht mehr erreicht, die Gesprächsteilnehmer finden einzig im absolutistischen Machtanspruch des Fürsten einen Konsens. Im utopischen Potu Holbergs hat sich eine derartige Debatte schon lange erübrigt. Der König herrscht über seine Untertanen ganz im Sinne des aufgeklärten Absolutismus. Er selbst versteht sich nicht mehr als eingesetzt von Gottes Gnaden und souverän über den Gesetzen stehend. Vielmehr fungiert er als oberster Repräsentant einer vernünftigen Staatsordnung, der in einem unkündbaren Gesellschaftsvertrag als erster Diener des Staates dessen Allgemeinwohl verpflichtet ist. Seine Untertanen genießen allesamt dieselbe Rechtsstellung, der Ständestaat ist abgeschafft. Erbrechtliche Privilegien unter den Bürgern existieren ebenfalls nicht mehr, einzig der König vertritt die Form der Erbmonarchie, nachdem alle anderen Regierungsformen sich nach eingehender Erprobung als untauglich erwiesen haben. 30 Um dennoch eine dauerhaft umsichtige Regierung garantieren zu können, wird die Erziehung des Prinzen besonders sorgsam erledigt 31 - eine Aufgabe, die uns thematisch direkt zum nächsten Abschnitt bringt. 28 Vgl. Siegl-Mocavini 1999, 312. 29 Für eine detailliertere Darstellung des Streitgesprächs siehe Siegl-Mocavini 1999, 311- 333. 30 Siehe Peters 1987, 18-20. 31 Dieser Gedanke geht auf Erasmus’ Institutio principis Christiani (1516) zurück. Dort hält er im Kapitel De nativitate et educatione principis Christiani nachdrücklich fest, dass in einer Erbmonarchie, wo der Herrscher nicht nach bestimmten Kriterien ausgesucht und gewählt werde, eine gute Herrschaft vornehmlich auf der richtigen Erziehung (recta institutio) beruhe (Welzig 1968, 114). <?page no="230"?> Isabella Walser 222 3 Der Traum vom idealen Fürsten Bei Fürstenspiegeln handelt es sich um Texte, die Unterweisung im höchsten Amt des Staates geben. Da sie dabei häufig dieselben Themenbereiche (Verwaltung, Justiz, Regierungsform, idealer König) zum Gegenstand haben wie die Satire, überschneiden sie sich nicht selten mit ihr. Die Unterweisung im Staatsdienst reicht von der bloßen Aufzählung von Tugenden, Pflichten, Eigenschaften und Verhaltensregeln über die Abhandlung der besten Regierungsform bis hin zu Herrscherlob und Herrschaftslegitimation. 32 Die Anleitung kann dabei auf direktem (eine Figur trägt die Belehrung vor) oder indirektem Weg (die Fürsten der Romanhandlung fungieren als Exempla, deren Verhalten es entweder nachzueifern oder abzulehnen gilt) erfolgen. Wie die Satire so will auch der Fürstenspiegel das aktuelle politische Geschehen appellativ steuern. Bisweilen wird ihm sogar das Potential zugeschrieben, das Aufkommen bestimmter Zeitalter und politischer Formen begünstigt bzw. begründet zu haben. 33 Da der Fürstenspiegel an kein bestimmtes literarisches Genus gebunden ist, tritt er üblicherweise in den verschiedensten fiktionalen 34 wie nichtfiktionalen Formen auf (Biographie, Didaktische Abhandlung, Elogium, Roman etc.). 35 Dabei machte sich der Fürstenspiegel in der Frühen Neuzeit 36 insbesondere die Popularität des Romans pädagogisch zunutze, um normative politische Auffassungen der allgemeinen Bevölkerung zugänglich zu machen. Er bildete also nicht nur den jeweiligen Fürsten, sondern auch seine Untertanen. „Unzweifelhaft haben diese Schriften viel zur Hebung des politischen Selbstbewusstseins [...] in allen Klassen und Ständen und zur Besserung im Hof- und Staatsleben beigetragen“, 37 konstatiert Karl von Kaltenborn diesbezüglich im Deutschen Staatswörterbuch. Ein Beweis für die Beliebtheit der fiktionalen Fürstenspiegel stellt etwa auch ihre zum Teil bemerkenswerte Auflagenhöhe dar. 38 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang wohl auch die Tatsache, dass der im Laufe der Frühen Neuzeit immer wieder gering bewertete Roman sich in der Auseinandersetzung mit fürstlichstem Inhalt gewissermaßen durch seinen Gegenstand adelte. 39 Im Sinne der mit dem Fürstenspiegel eng verwobenen Herrschaftslegitimation tauchen in den neulateinischen Romanen immer wieder dieselben 32 Vgl. Biesterfeld 1993, 39. 33 Vgl. Mühleisen / Stammen / Philipp 1997, 18. 34 Als berühmte Beispiele für die fiktionale Vermittlung von Fürstenspiegeln gelten etwa Shakespeares Richard II (1597), Richard III (1597) und Henry V (1600), genauso wie Christoph Martin Wielands Eposfragment Cyrus (1759) und Der goldene Spiegel (1772). 35 Siehe Hadot 1972, 556. 36 Biesterfeld 1993 liegt falsch, wenn er die Fürstenspiegelliteratur ausschließlich auf die Zeit des 18. Jahrhunderts eingrenzt. 37 Kaltenborn 1862, 22. 38 Vgl. Mühleisen / Stammen / Philipp 1997, 16. 39 Vgl. Biesterfeld 1993, 52. <?page no="231"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 223 Topoi und Motive der klassischen Fürstenspiegel à la Xenophon oder Machiavelli auf. 40 Nehmen wir das Beispiel der dem jungen Joseph I. gewidmeten Austriana Regina Arabiae. Hier begegnen etwa die Symbolik von Herrscher und Hirt (Buch 2-3: Austriana fristet nach ihrer Rückkehr aus dem Exil ein Leben als Schäferin an der arabischen Küste, bevor sie als Sklavin und schließlich als Königin nach Arabien zurückkehrt), das Jagdabenteuer des Herrschers (Buch 2, S. 54-55: Austrianas Gatte, Aurindus, erringt im Exil seine Freiheit durch das Töten einer Riesenschlange), die glorreiche genealogische Abstammung des Fürsten (im ersten Buch erfolgt eine Nacherzählung der Herkunft und Vergangenheit Austrianas durch ihre treue Dienerin Floresina, die sie als Tochter des großen syrischen Helden Pholdurus ausweist: Buch 1, S. 14) oder die Rückkehr des Goldenen Zeitalters unter der Herrschaft des idealen Königs (Buch 4, S. 274 Crederes aurea Saturni saecula in orbem inducta). Darüber hinaus setzt der Fürstenspiegel mit Vorliebe Tiermetaphorik ein, um dem Fürsten jene Eigenschaften zuzuschreiben, die die jeweiligen Tiere symbolisieren. 41 Diese Attribuierung spielt der ausgedehnten Allegorie der Austriana in die Hände und erfährt vor allem Geltung in der allegorischen Weissagung von der glorreichen Zukunft Austrianas und ihres Reiches. Darin werden alle in die Belagerung Wiens (dem politischen Hauptthema des Romans) verwickelten Fürsten anhand von Tieren dargestellt (Buch 1, S. 49-53). In Barclays Euphormio präsentiert sich der Fürstenspiegel als Anti- Fürstenspiegel anhand des Beispiels der Fürsten der europäischen Höfe, die Euphormio auf seiner Reise besucht. Gewidmet ist er - wie überhaupt der gesamte erste Teil des Romans - König Jakob I. von England, für den Barclay zur Zeit der Abfassung des Euphormio als Berater und Hofkorrespondent tätig war. 42 Barclay will Jakob helfen, England von den Widersprüchen seiner Zeit zu befreien (Katholiken vs. Protestanten, Schottland vs. England, Parlament vs. gottgegebenes Königtum), indem er ihm den Weg weist, zum besten König zu werden. Zu diesem Zweck übt er harte Kritik am zeitgenössischen Adel, der sich nicht länger durch Tugend auszeichne, sondern nur mehr durch Reichtum und erkaufte Ehren, was sich negativ auf die immer ehrgeizigeren Regierungsgeschäfte auswirke. 43 Diese Erfahrung macht Euphormio bei seinen Besuchen der größten Fürstenhöfe Europas, 44 40 Die Auswahl der folgenden Motive stammt aus Biesterfeld 1993, 41. 41 Vgl. Mühleisen / Stammen / Philipp 1997, 5. 42 Jakob I. ist innerhalb der Handlung eindeutig identifizierbar. So hat er im ersten Teil des Werkes etwa die Rolle des Neptun inne, von dem es heißt, er habe die Leier, den Löwen und den Leopard (d.h. Irland, Schottland und England) vereint (vgl. Fleming 1973, xxvii). Im zweiten Teil stellt er den Großkönig Tessaranactus von Scolimorrhodia vor (die Distel [griech. skólymos] und die Rose [griech. rhódon] stehen für England). Vgl. Riley / Pritchard Huber 2004, 5. 43 Vgl. Fleming 1968, 105. 44 Für eine detaillierte Darstellung inklusive anschaulicher Belegstellen siehe Fleming 1968, 107. <?page no="232"?> Isabella Walser 224 etwa gleich zu Beginn seiner Reise als Sklave am Hof des Callion (Karl III. von Lothringen) oder beim Festmahl am Hof des Labetrus (Erzherzog Albert von Österreich, damals Verwalter der Spanischen Niederlande). Dieser Hof repräsentiert nach außen hin zwar Reichtum und militärische Stärke, in Wahrheit aber ist er degeneriert und machtlos: Die Räume sind geschmückt mit Butterstatuen für Zwischenmahlzeiten, es gibt heimliche Liebesaffären und ein sich in eine Orgie wandelndes Gastmahl. Auch am Hof seines Bruders Aquilius (Rudolf II.) findet Euphormio einen König vor, der alles andere als einen guten Staatsmann verkörpert. Er neigt zu Einsamkeit, Okkultismus und Wollust, weshalb sein Gemach auch mit pornographischen Bildern ausgestaltet ist. Während der Abwesenheit des Herrschers sieht sich Euphormio im Raum um und bemerkt ein offensichtliches Desinteresse an der Kunst des Regierens. Rudolf beschäftigt sich lieber mit obskuren Wissenschaften wie der Alchemie, und als ihm dabei einmal eine Ampulle zerbricht, stirbt er beinahe aus Verdruss. Das nächste Gegenbild zum guten Herrscher findet Euphormio am Hof Protagons (Heinrich IV. von Frankreich), tritt dieser doch nie persönlich in Erscheinung. Und auch sein korrupter Minister Doromisus (Duc de Sully) weiß von ihm nur zu berichten, dass er „irgendetwas“ mache und somit „irgendwie“ regiere (2, 7; S. 216). Das komplette Gegenbild dieser dramatischen Zustände herrscht schließlich in Scolimorrhodia, wo Tessaranctus mit Umsicht, Mäßigkeit und moralischer Redlichkeit herrscht. Bei all dieser Panegyrik auf Jakob I. ist sich Barclay jedoch sehr wohl bewusst, dass der von ihm gepriesene Ideal-Zustand noch nicht eingetreten, das von ihm gezeichnete Land Scolimorrhodia erst ein utopischer Entwurf des zeitgenössischen Englands ist. Der Zweck dieses Entwurfs liegt in seiner appellativen Haltung: Für Barclay ist England als einzige Macht stark genug, den schon viel zu lange anhaltenden und bedrohlich über Europa schwebenden Konflikt zwischen Spanien und den Niederlanden zu beenden. In der Argenis, von der Louis Gabriel Bugnot in der von ihm erstellten Barclay-Vita behauptet, Richelieu hätte sie beständig als politischen Leitfaden benutzt und so Frankreich erst den Status einer Großmacht verschafft, 45 tritt etwa am Beispiel König Meleanders ein negativer Fürstenspiegel hervor. In 1, 2, 3-6 und 3, 4 bringen Poliarchus, Archombrotus und Cleobulus es auf den Punkt: Meleander sei als König zu milde und nachsichtig, sein Wesen zu sanft. Dadurch löse er zahlreiche Angriffe auf seinen Thron aus (Lycogenes, Radirobanes, Poliarchus, Archombrotus). Tatsächlich bräuchte ein starker und sicherer Staat jedoch einen unnachgiebigen, intelligenten und be- 45 Bugnot 1664, 2 v : Ad immortalitatem Barclaii una sufficiet illius Argenis, quam Richelaeus aevi nostri miraculum assiduis, ut ajunt, versabat manibus, habebatque quasi praeceptricem ac directricem illius regiminis, quo deinceps Galliam venerabilem juxta terribilemque gentibus caeteris fecit. Ab der in Leiden und Rotterdam gedruckten Ausgabe von 1664 wurde diese Vita vielen Argenis-Editionen vorangestellt. <?page no="233"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 225 stimmten Fürsten vom Wesen des aufständischen Lycogenes. 46 Barclay versichert Ludwig XIII., dem der Roman gewidmet ist, also der unabdingbaren Regierungsform des Absolutismus, für den es keine geeignete Alternative gibt. In der Austriana finden sich zwei Anti-Fürstenspiegel für Joseph I., den zukünftigen österreichischen Herrscher. Beim ersten handelt es sich um eine in sich geschlossene Binnenerzählung vom Leben und Sterben der personifizierten Wahrheit, auf die Austriana in ihrem Exil trifft (Buch 1, S. 42-49): Die Wahrheit war einst an zwei Höfen aufgenommen worden, an denen Laster und List über Tugend und Aufrichtigkeit standen. Weil sie jedoch entsprechend ihrer natürlichen Gesinnung gegen diese höfische Verdorbenheit rebellierte, wurde sie verstoßen und musste ihre Abneigung mit dem Tod bezahlen. Wolle Austriana allerdings eine gute Herrscherin sein, so dürfe sie sich keineswegs von den Prinzipien jener leiten lassen, die den Tod der Wahrheit verschuldet haben. Zu diesen falschen Prinzipien zähle die Schmeichelei zugunsten von persönlichen Vorteilen, die Verachtung von Leuten, die keinen Profit bringen, der Missbrauch von nützlichen Menschen, die Behandlung von Freunden mit Gleichmut, damit es nicht schmerze, wenn sie einst zu Feinden würden, sowie Meineid und Betrügerei, um Rivalen zu stürzen. Eine ähnliche Darstellung des „schlechten Fürsten“ erhält Joseph zu Beginn des dritten Buches in der Beschreibung der babylonischen Usurpatorin Altomira als tyrannische Regentin Arabiens (Buch 3, S. 85-88). Holberg stellt ebenfalls einen exemplarischen Anti-Fürstenspiegel vor, indem er seinen Protagonisten Niels Klim im zwölften Kapitel nach einem Schiffbruch im Land Quama zum Fürsten der Quamiten avancieren lässt. Doch berauscht vom Gefühl der Macht verkommt Klim schließlich zu einem Despoten, der imperialistische Machtpolitik und Selbstverherrlichung betreibt, Folter einsetzt und Aufstände gewaltsam niederschlägt, bis ihm nur noch die Flucht als letzter Ausweg bleibt. Dabei müsste er es eigentlich besser wissen, empfand er kurz zuvor in Potu doch noch Ehrfurcht vor dessen weisem und maßvollem Idealfürsten. Der potuanische Hof kennt nämlich keinerlei Prunk, sondern ist gekennzeichnet durch Mäßigung, was sich auch in der geringen Anzahl der Höflinge (4, 7 Paucos tantum conspicabar aulicos sive apparitores) und den bescheidenen Gastmählern niederschlägt (4, 14 Prandium frugi erat, sed simul nitidum). Der Fürst selbst zeichnet sich durch Milde (clementia), Weisheit (gravitas), staatsmännische Beständigkeit (constantia) und ein positives Wesen (serenitas) aus (4, 9). Sein Regierungsamt führt er eher väterlich als tyrannisch, so dass Freiheit und Herrschaft innerhalb des Staates nebeneinander existieren können (7, 8). Dies garantiert unter anderem eine Art schriftlicher Fürstenspiegel, ein Regierungshandbuch mit dem Titel Clavus reipublicae (Steuerruder des Staates), aus dem Klim zwanzig Prinzipien zitiert (7, 27-39). Diese betreffen die klassischen Anleitungen 46 Vgl. Riley / Pritchard Huber 2004, 17 und 19. <?page no="234"?> Isabella Walser 226 eines Fürsten zu den Pflichten, Tugenden, der eigenen Lebensführung, der Verwaltung, der Auswahl von Ministern und Bediensteten, der Behandlung der Untertanen und vieles andere. Positive Belehrungen dieser Art finden sich in extenso in der Argenis, 47 ein letztes Beispiel soll allerdings noch aus der Austriana herangezogen werden. Dort unterweist Aurindus’ Berater Themistocles (dessen Name an den berühmten griechischen Heerführer gemahnen soll) zu Beginn des alles entscheidenden vierten Buches seinen Herrn in militärischer Strategieführung, wobei er in Katalogform systematisch Punkt für Punkt abhandelt (Buch 4, S. 121-129): Als zentrale Punkte für einen günstigen Kriegsausgang hebt Themistocles Geld und Verpflegung hervor. Bekommt der Soldat keinen Sold, verleitet ihn das dazu, nach der Beute seiner Freunde zu trachten; bekommt er keinen Proviant, wird er dürr und zum Kämpfen untauglich. Deshalb sei es auch immer eine kluge Taktik, den Feind vom Lebensmittelnachschub abzuschneiden, da man die gegnerischen Schlachtreihen am besten durch Hunger zerstreuen könne. Außerdem müsse ein guter Feldherr immer auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, ein klares Zeitkalkül vor Augen haben (da oft nur ein minimaler Zeitpunkt über Sieg oder Niederlage entscheide), die Orts- und Bodenbeschaffenheit sowie die Anzahl der Feinde kennen. Niederlagen müsse man sowohl vor dem Feind als auch vor der eigenen Mannschaft geheim halten, Klugheit und eine innovative Strategie sicherten einen jeden Sieg, da sich der Feind somit nie auf den Schlag vorbereiten könne. 4 Resümee Wie anhand von vier bedeutenden Werken der neulateinischen Romanliteratur paradigmatisch veranschaulicht, wurde der neulateinische Roman durch die gesamte Frühe Neuzeit hindurch als politisches Medium instrumentalisiert, um den Fürsten und das Volk zu belehren. Am häufigsten in Form einer Staatsutopie oder eines Fürstenspiegels verbreitet er zeitgenössische politische Ideale und Ansichten bzw. legt exemplarisch dar, wie die jeweiligen Staaten Europas beschaffen sein könnten und sollten. Die enge Verstrickung mit dem zeitgenössischen politischen Geschehen wertete ihn dabei auf und begründete u.a. seinen Status als beliebte Großgattung der neulateinischen Literatur. Literatur Bugnot, Louis G. (Hg.), Jo. Barclaii Argenis, Leiden / Rotterdam 1664. Biesterfeld, Wolfgang, Die literarische Utopie, Stuttgart 1974. 47 Siehe z.B. 1, 6 zu den Höflingen und Günstlingen des Fürsten, 3, 6 zur Behandlung von Adligen und Statthaltern, 3, 14 zur Mäßigung im Fürstenpreis, 4, 4 zum Problem eines stehenden Heeres, 4, 18 zur Steuererhebung oder 5, 3 zur Thematik loyaler Gesandter. <?page no="235"?> Im Namen des Fürsten und des Volkes 227 ___ „Von der Prinzenerziehung zur Emanzipation des Bürgers: Der Fürstenspiegel als Roman im Zeitalter der Aufklärung“, in: Wolfgang Biesterfeld (Hg.), Aufklärung und Utopie: Gesammelte Aufsätze und Vorträge zur Literaturgeschichte, Hamburg 1993, 39-58. Bode, Christoph, Der Roman, Tübingen u.a. 2011 2 . Desessarts, Nicolas L. 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Jahrhundert Karl Fleschs Ferocia Latina (1942) und die Münchener Societas Latina Der kurze Roman Ferocia Latina des Reichenauer Arztes und Schriftstellers Karl Flesch (1874-1945), der sich latinisiert gewöhnlich Flescarolus nannte, ist als ein heiteres Seitenstück der Tradition des neulateinischen Romans zu betrachten, die in den übrigen Beiträgen dieses Bandes behandelt wird. 1 Doch auch wenn jene Confabulatio romanensis moderna, wie ihr Autor sie bezeichnet hat, weitestgehend außerhalb des Beziehungsgeflechts der übrigen Gattungsvertreter zu verorten ist, so bietet die Untersuchung gerade dieses Textes und seiner geistigen Umgebung doch Anlass, ein weniger beachtetes Kapitel lateinischen Sprachgebrauchs im 20. Jahrhundert eingehender vorzustellen. Zusammen mit dem Text, der im Deutschland der 1940er Jahre entstanden ist, sollen auch die Spracharbeit und die Verdienste der Münchener Sprachgesellschaft Societas Latina in den Blick genommen werden, mit deren Programm Fleschs Schaffen eng verknüpft ist, und der es selbst in den Zeiten schwierigster politischer Verhältnisse bisweilen gelang, für eine begrenzte Öffentlichkeit intellektuelle Freiräume zu schaffen. 1 Die Münchener Societas Latina und ihr Programm Am 4. Mai 1932 gründete sich in München der Verein Societas Latina. 2 Die gleichnamige Vereinszeitschrift erschien regelmäßig in drei bis vier Faszikeln pro Jahr über den gesamten Zeitraum des Vereinsbestehens, nur kurz unterbrochen in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Den Mitgliederstamm, der sich auf alle Regionen Deutschlands verteilte, bildeten vor allem Geistliche, Gymnasialprofessoren, Juristen sowie Mediziner. Die genaue Mitgliederzahl lässt sich kaum beziffern, jedoch waren schon allein in den fünf Monaten, die zwischen der Gründungsversammlung und dem Erscheinen des ersten Heftes der Zeitschrift im Oktober 1932 lagen, über 600 Beitritte zu verzeichnen. 3 Den ersten Vorsitz hatte ununterbrochen der Tübinger Indo- 1 Für ausführliche biographische Informationen und bibliographische Nachweise auch der nachfolgend genannten Werke Fleschs vgl. Lather 2012. 2 Eine kurze Würdigung der Societas Latina im Kontext gleichartiger Vereine findet sich bei Sacré 1988, 101. 3 Vgl. Lurz 1932a, 2. Das erste Nachkriegsheft erschien im April 1947 in einer Auflage von 1000 Exemplaren, was einen ungefähren Rückschluss auf die Entwicklung der <?page no="238"?> Ralph Lather 230 loge und lateinische Dichter Hermann Weller inne, der auf das Programm und die Redaktion der Zeitschrift entscheidenden Einfluss nahm. 4 Die Societas Latina bestand bis 1955; ihre Arbeit wurde ab 1965 vom bis heute aktiven Saarbrücker Verein gleichen Namens fortgesetzt. Bezugnehmend auf den Genfer Kongress des Völkerbundes von 1922 war es das erklärte Ziel des Vereins, einen Beitrag zur Lösung des dort verhandelten Weltsprachenproblems zu leisten, indem man das Lateinische als Weltverständigungssprache zu etablieren versuchte und seine grundsätzliche Eignung und Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse der Zeit zu erweisen bemüht war. 5 Diese Sprachpflegearbeit erfolgte naturgemäß mit ständigem Blick auf die Lateinbewegungen in Frankreich, Spanien und Italien, den osteuropäischen Staaten - der Warschauer Philologe Tadeusz Zieli ski etwa hatte im Jahr nach der Münchener Gründung eine Societas linguae Latinae usui internationali adaptandae ins Leben gerufen -, den USA oder Argentinien. Ein ab 1935 regelmäßig erscheinender Periodicorum conspectus bot zur weiteren Orientierung Inhaltsangaben ähnlicher Vereinsorgane wie der vatikanischen Alma Roma oder des amerikanischen Auxilium Latinum. Diskutiert wurden in den Beiträgen grundsätzliche Fragen zur Gestalt des Weltlateins, 6 Wortbildungsregeln und Aussprache 7 sowie die Vorzüge des Lateinischen im Vergleich zu konkurrierenden Plansprachen wie Esperanto, Ido oder Basic English. 8 Auch ganz praktische Handreichungen nahmen großen Raum ein, etwa ein umfangreiches Wortverzeichnis zu Alltagsbegriffen, dessen Vorschläge lebhaft diskutiert wurden, 9 oder Sammlungen von Spezialvokabular zu einzelnen Wissensgebieten; 10 ein Wörterbuch des neuzeitlichen Lateins als letztes Ziel der Vereinsarbeit war schon von Anfang an in Aussicht gestellt worden. Konsens konnte in diesem gleichberechtigten Dialog über viele Fragen häufig nicht hergestellt werden, die eingeschlagene Richtung jedoch war von Anfang an deutlich: Orientieren wollte man sich an der goldenen und silbernen Latinität, wobei der überlieferte Formenbestand nicht angetastet werden durfte und Bedeutungserweiterungen oder Neuschöpfungen überhaupt nur angängig waren, solange sie dem Tradierten nicht grundsätzlich zuwiderliefen. Ein Latino sine flexione, also ein verein- Mitgliederzahl zulässt, da die Zeitschrift wohl vor allem als Vereinsorgan an die Mitglieder versandt wurde. 4 Zu Leben und Werk Wellers vgl. Brückner / Dubielzig / Plieninger 2006. Sehr wertvoll ist dabei die von Dubielzig zusammengestellte Bibliographie zu Wellers lateinischen Dichtungen (94-104). 5 Dieses Ziel verfolgen einige wenige Zeitschriften noch bis heute; vgl. Sacré 1994 und Stroh 2001. 6 Vgl. etwa Weller 1935. 7 Zur Aussprachefrage z.B. Dutoit 1938. 8 Vgl. z.B. Lurz 1932b. 9 Teil 1 (Abbau - Krankenhaus) in Societas Latina 1, 1933, 57-68, Teil 2 (Krankenschwester - Zweidecker) in Societas Latina 2, 1933, 1-15. 10 So zum Bereich des Sports Holzer 1938; für Begriffe aus Physik und Mathematik vgl. Würschmidt 1941. <?page no="239"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 231 fachtes und seiner differenzierenden Morphologie weitgehend entledigtes Latein, wurde strikt abgelehnt. Stattdessen sollte das neue Latein so klassisch, aber gleichzeitig auch so praktisch wie möglich sein, weswegen Neuschöpfungen, die ja unumgänglich waren, wenn man sich in einer lebenden Sprache nicht mit umständlichen Begriffsumschreibungen begnügen wollte, mithilfe differenzierender Suffixe oder spezifizierender Attribute vom überlieferten Wortbestand abgeleitet werden sollten. Auch griechische Lehnwörter galten in gewissen Grenzen als akzeptabel. Im Vergleich zu anderen Programmen kann für die Münchener Societas Latina also von einem gemäßigten Ciceronianismus gesprochen werden, der die Notwendigkeiten, denen sich eine Zwecksprache zu stellen hat, klug abwog gegen eine damit kaum zu vereinbarende allzu strenge Sprachnormierung aus klassizistischen Beweggründen heraus. 11 Im Gründungsjahr der Societas Latina ist Karl Flesch zum ersten Mal als Flescarolus mit der hexametrischen Dichtung In Walahfridi decessum carmen lugubre in Erscheinung getreten; 1934 folgte der Gelegenheitsdruck Hora Latina. Beide Werke dokumentieren Fleschs Begeisterung für klassisches und vor allem lebendiges Latein aufs Deutlichste. Offenbar ist man rasch aufeinander aufmerksam geworden: Schon 1934 liest man in Societas Latina wohlwollende Besprechungen dieser beiden Arbeiten, und auch die weiteren Veröffentlichungen Fleschs wurden in der Zeitschrift durch Vorankündigungen, Rezensionen und Abdrucke von teilweise umfangreichen Textpartien breit rezipiert. Zudem veröffentlichte er hier verschiedentlich Übertragungen deutscher Klassikergedichte ins Lateinische. Ab spätestens 1937 war er selbst Mitglied des Vereins, übernahm jedoch nie administrative Funktionen. 2 Der Roman Ferocia Latina im Kontext In welcher Weise Flesch auf die Sprachpflege-Arbeit der Societas Latina Bezug genommen hat, soll nun am Beispiel seines Romans Ferocia Latina in den Blick genommen werden, der wie sonst keiner seiner Texte den mündlichen Gebrauch des Lateinischen zu Themen des Alltags thematisiert und reflektiert - und zwar derart vordergründig, dass Julius Dutoit, der Rezensent der Zeitschrift, nicht zögert, die eigentliche Romanhandlung als eine quasi marginalis oratio, in qua hic auctor pro suo amore et studio latinae linguae explicat, quid censeat de usu latini sermonis in exprimendis nostrae aetatis vocabulis („gewissermaßen ein bloßer Erzählrahmen, in dem der Autor zugunsten seiner Liebe und seinem Bemühen um die lateinische Sprache darlegt, was seine Ansichten sind über den Gebrauch des Lateinischen in der Frage der Wiedergabe von Begriffen unserer Zeit“) in den Hintergrund zu rücken. 12 11 Für eine Diskussion einzelner Positionen vgl. Lurz 1935. 12 Dutoit 1943, 19. <?page no="240"?> Ralph Lather 232 Die Handlung des Romans ist im Deutschland der 1940er Jahre in der Gegend von Konstanz angesiedelt. Flesch führt die beiden Protagonisten Ernestus und Sina ein, die glücklich verlobt sind und bald zu heiraten beabsichtigen. Dies jedoch wird gehemmt durch eine Art Erweckungserlebnis: Ernestus bekommt eine lateinische Grammatik geschenkt und ist diesem Buch, mit dessen Hilfe er sich endlich seinen schon lange gehegten Wunsch des Lateinlernens erfüllen kann, bald enthusiastisch verfallen; er entwickelt allerdings einen derartigen Bildungsdünkel, dass er schließlich Sina bekannt geben muss, er könne wahrhaftig niemanden heiraten, der das Lateinische nicht beherrsche (S. 8-9). Verärgert beschließt Sina daraufhin, selbst heimlich Latein zu lernen, und bringt es schon binnen kurzer Zeit auf einem ganz anderen Lernweg darin zu großer Meisterschaft, nämlich u.a. mithilfe der damals vielbenutzten modernen Phraseologie Sprechen Sie Lateinisch? des Georg Capellanus. 13 Als sich Sina und Ernestus schließlich wiedertreffen, ist sie bereits in der Lage, ihren Verlobten in tadellosen lateinischen Jamben zu beschimpfen, während er voller Verblüffung über die plötzliche Wendung der Gegebenheiten nur Anakoluthe aus den Bestandteilen seiner sorgsam präparierten Übungssätze produzieren kann, für die Sina ihn schmählich auslacht (S. 29). Von nun an ist sie es denn auch, die die Bedingungen für die Hochzeit stellen kann. Sie räumt ihm eine Art Bewährungszeit ein, in der die beiden untereinander nur Latein reden und schreiben sollen, und in der Ernestus sich redlich bemühen soll, durch eingehende Lektüre, besonders aber durch mündliche Konversation zu Themen des täglichen Lebens seine Fähigkeiten zu verbessern; am Ende dieser Zeit werde, wenn ihr Verlobter dann ein akzeptables Niveau erreicht haben sollte, die Hochzeit der beiden dann endlich stattfinden können (S. 30-33). In der Folge unternimmt das Pärchen verschiedene Ausflüge und trifft auf unterschiedliche Gesprächspartner; der wichtigste ist Severax, ein Professor der Klassischen Philologie, dessen Auftritt wohl als das Herzstück des Romans gelten darf. 14 Dieser absurd überzeichnete Charakter zeigt sich derartig klassizistisch, dass er nicht Zizero, nicht Kikero, sondern Quiquero sagt. Die Werke von Autoren wie Jakob Wimpfeling, Sixt Birck oder auch Thomas Morus, die Flesch Sina ihm empfehlen lässt, tut er als futilitates, „Nichtigkeiten“, ab und zeigt sich empört von der Idee, das Latein könne sich sogar noch bis zum heutigen Tag verändern; als Sina in diesem Zusammenhang an eine bekannte These Eduard Nordens (contemporaneus Berolinensis scitissimus, „ein hochgelehrter Berliner Zeitgenosse“) erinnert, das Lateinische sei erst von den konservativen Humanisten zu einer toten Sprache gemacht worden, wogegen es noch im Mittelalter veränderlich und daher lebendig gewesen sei, 15 erklärt er um- 13 Capellanus 1890; das Buch erschien in zahlreichen weiteren Auflagen, zuletzt 1999 in der siebzehnten. 14 Flesch 1942, 39-48; die Passage ist ebenfalls als Auszug abgedruckt in Societas Latina 11, 1943, 32-35. 15 Norden 1909, II, 767. <?page no="241"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 233 standslos: Iste delirat. Am Ende dieses weit ausgreifenden Plädoyers für ein lebendiges und buntes Latein statt einer strikt auf die Klassiker fixierten und darin erstarrten Wissenschaft muss auch der gestrenge Severax schließlich einlenken. Bezeichnenderweise - denn man ist inzwischen zu allgemeineren Fragen der Kulturentwicklung fortgeschritten - sind es ausgerechnet die Vorteile der modernen Weinindustrie, etwa die Annehmlichkeit, dass der Wein nicht mehr in einem stinkenden Ledersack geliefert wird, die für den Professor den letzten Ausschlag zur Zustimmung geben; ironisch lässt Flesch ihn das Pärchen mit dem beispiellos unlateinischen Valete belle, herilitates, „Gehabt euch wohl, Herrschaften“, verabschieden. Schließlich, nach der erfolgreichen Hebung eines Goldschatzes, dessen Versteck die beiden aus einem lateinischen Manuskript des Urgroßonkels von Ernestus entnehmen, und der sie in die Lage versetzt, ein Haus und ein Auto zu kaufen, spricht Sina die erlösenden Worte Nunc es vere Latinus, „Jetzt bist du wahrlich ein Lateiner“ (S. 66), worauf die Erzählung erwartungsgemäß mit der Heirat schließt. Die Sprache des Romans ist ein meistenteils grammatisch richtiges, allerdings oft wenig elegantes Latein, dessen ausschweifende Verwendung von Partizipialkonstruktionen zuweilen auf Kosten der Verständlichkeit geht, und das unbekümmert um den klassischen Sprachgebrauch, manchmal mit scherzhaft gewagten Wortspielen (wie etwa S. 30: Ajo ajissume! ), auch dort von den Normen abweicht, wo stilistisch Angemesseneres ohne weiteres zu Gebote gestanden hätte. Man möchte Julius Dutoit und seiner oben zitierten Besprechung des Büchleins durchaus beipflichten, wenn er die literarische Einkleidung, deren Anspruch mitunter eher dürftig zu nennen ist, über weite Strecken als bloßes Vehikel betrachtet. Einige Merkmale der Romangattung lassen sich bis hierher dennoch festhalten: Der Text, meist erzählt durch die Hauptperson Ernestus, bietet eine klar teleologisch verlaufende Handlung und integriert, etwa mit dem Auftritt von Typen wie Professor Severax, auch satirische Elemente, ebenso wie ihn die zahlreich eingelegten Verspartien zu einem prosimetrischen Text machen. 16 Die Handlungsmotivation freilich lässt manches zu wünschen übrig, wogegen Flesch seiner Lust am Fabulieren recht häufig die Zügel schießen lässt: Fortwährend werden Erzählanlässe - etwa für lange Reihen von Neologismen - geschaffen, für die Flesch der in Societas Latina erschienenen Wortliste vieles zu verdanken hat, außerdem für die lateinische Beschreibung von Details des täglichen Lebens, auch wenn sie für den Fortgang der Handlung tatsächlich nicht das Geringste beitragen: sei es, dass Sina abends an ihrem Radio einen Münchener Sender (emissor Monacensis) einstellt (S. 13; dieser spielt übrigens Bona luna, lenta vadis „Guter Mond, du gehst so stille“) oder dass über die Vorzüge der zur damaligen Zeit gerade in allgemeineren Gebrauch gekommenen Automobile berichtet wird (S. 64). Programmatischer Natur ist dagegen eine Dialogszene zwi- 16 Hierbei handelt es sich meist um Übersetzungen von Texten populärer Musikstücke (13, 32, 67-68) oder Zitate aus antiken (50, 59) und neulateinischen (29) Autoren. <?page no="242"?> Ralph Lather 234 schen Sina und Ernestus, in der ausführlich Grundregeln eines heutigen Alltagslateins verhandelt werden (S. 30-32): Wo ein Wort für einen heutigen Gegenstand fehle - ein ja recht häufig auftretendes Problem -, solle man unbekümmert eines erfinden oder ableiten; hilfreich hierzu seien Suffixe: -inus für jemanden, der eine Tätigkeit ausführt, -arius für denjenigen, der Tätigkeiten anderer beaufsichtigt (so könne man postinus für „Postbote“ bilden, postarius dagegen für „Verwaltungsangestellter“), technisches Gerät und Maschinen sollten mit der Nachsilbe -ica gekennzeichnet werden; so sei ein möglicher Ausdruck für „Flugzeug“ das Kunstwort volica. Falls bei Neubildungen unklar sei, welches Genus man zu benutzen habe, so solle man der Einfachheit halber vom Maskulinum als Regelfall ausgehen. Überhaupt erhält die lebendig benutzte Sprache klar den Vorzug vor trockenem Bücherwissen; Sina empfiehlt, die Grammatik nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel zu benutzen: Wer sich allein auf das überlieferte Regelwerk verlasse, erreiche höchstens einen harten und unbeholfenen Stil, der vergleichbar sei mit einem knochigen Körper, dem es an Fleisch fehle. Natürlich müsse man daher mit Fehlern auch höchst nachsichtig umgehen. Im Gespräch mit Severax, dem Vertreter der konservativen Fachwissenschaft, wird dann die Gegenposition dazu, der übersteigerte Klassizismus des Professors, der Lächerlichkeit preisgegeben; humanistische Autoren wie Scaliger und Erasmus werden den antiken Klassikern höchst selbstbewusst gegenübergestellt, bisweilen sogar vorgezogen. Doch auch Severax wirkt mit seinen knappen und häufig substanzlosen Redeanteilen insgesamt eher wie ein bloßer Impulsgeber für die Ansichten, die Flesch seine Hauptfiguren referieren lässt. Inhaltlich kommt hier noch ein zweiter Aspekt hinzu: Die schon vorher (S. 33) von Sina geäußerte Ansicht, dass Fachgelehrte für ihr Alltagslatein nicht mehr als ein Kopfschütteln übrig haben dürften (Capite vacillabunt), wird von Severax (S. 47) noch einmal bestätigt: Tamen nolite credere unquam adhiberi vos ad consilia et convivia prominentiorum, „Glaubt aber nicht, dass ihr jemals zu Versammlungen und Treffen der Hervorragenden zugelassen werdet.“ Manches deutet darauf hin, dass sich auch die Societas Latina mit ähnlichen Vorbehalten der klassischen Philologen konfrontiert sah; ein Indiz für diese Annahme ist der Eindruck, den man bei der Durchsicht der Todesnachrichten der Vereinsmitglieder gewinnt, die in der Zeitschrift regelmäßig erschienen: Nur ganz vereinzelt finden sich hier Namen von Wissenschaftlern, die das Fach an Universitäten vertraten. 17 17 Die Gründe für diesen auf den ersten Blick merkwürdig scheinenden Gegensatz von lebendigem Latein und Fachwissenschaft hat Sacré 1988, 96 reflektiert: „Le nombre considérable des mots nouveaux, l’importance accordée à des domaines qui rencontrent assez peu les intérêts des amis du latin classique ou humaniste, la négligence de l’interprétation des textes latins classiques, l’insistance sur le rêve plutôt utopique du latin comme langue universelle et la défence acharnée de ce rêve, la prédilection pour un style qui se veut dicendi genus tenue mais qui comporte le risque réel de s’éloigner des idiomes latins, ne sont-ce pas là des facteurs de nature à rebuter les philologues et à tourner en ridicule ce latin vivant, pourtant si respectable en lui-même? “ <?page no="243"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 235 Auch wenn Dutoit sichtlich bemüht ist, einen grundsätzlichen Konsens zwischen den Positionen Fleschs und denen der Societas Latina zu betonen, so ist dennoch zu bemerken, dass den bildungsgeschichtlich aufwändigen Begründungen für ein Weltlatein, die von der Societas Latina vertreten wurden, in Fleschs Text im Grunde kaum mehr Relevanz zukommt. Die Motivation für den Spracherwerb ist für seine Figuren vor allem eine ganz unverstellte und letztlich auf keinen bestimmten Nutzen hin gepflegte Liebe zum Lateinischen. So bekennt Sina gegenüber Severax: [...] nobis in Latinitate versari ludus est laetus, elegans, nobilis et dilectus pretiosus („das Lateinsprechen ist für uns ein frohes, gebildetes, edles Spiel und eine kostbare Freude“) und äußert sogar stärkste Zweifel am letzten Ziel der Societas Latina, ein Weltlatein als Sprache der Gebildeten zu etablieren: Numquam ad eam [sc. consuetudinem] tempus revolvitur, „Niemals lässt sich die Zeit zu diesem Sprachgebrauch zurückdrehen.“ Jedoch müsse es immer einige wenige Glückliche geben, die das Sprachwissen für die Kommenden bewahren - an die Stelle des Weltlateins als Hilfssprache für Gelehrte ist damit eine private und exklusive delectatio am selten gewordenen Bildungsgut gerückt, das seinen Wert weitestgehend aus sich selbst erhält. Man wird Flesch diese Resignation 1942 nicht verdenken können - kaum etwas hätte zu diesem Zeitpunkt utopischer scheinen können als die Verwirklichung einer auf Internationalisierung abzielenden Idee, und vielleicht nichts verlockender als ein Rückzug ins unpolitische Bildungsidyll; so jedenfalls ist aber sicherlich auch die spürbare Zurückhaltung zu erklären, mit der Julius Dutoit seine Besprechung formuliert hat. 3 Die Societas Latina und Flescarolus in ihrer Zeit Die nahe liegende Frage, ob und wie Flesch als ein Schriftsteller aus dem Deutschland der 30er und 40er Jahre auf das politische Geschehen Bezug genommen hat, kann hier nicht übergangen werden. Was zunächst die Societas Latina betrifft, so ist ihr ganz entschieden eine politische Dimension zuzuschreiben, deren mutige Ambivalenz bisher allerdings noch zu wenig wahrgenommen wurde. Die Spracharbeit des Vereins kann als von ihren Anlagen und Voraussetzungen her als denkbar un-nationalsozialistisch bezeichnet werden. Die Hartnäckigkeit, mit der man das utopische Ziel des Lateins als Universalsprache verfolgte und verteidigte, ist umso imponierender, je mehr man in Rechnung stellt, wie wenig Platz eine solche Position in der Ideologie des Nationalsozialismus eigentlich haben musste: Welchen Grad des Interesses oder gar Verständnisses hatte man nach der Machtübernahme und dem sofortigen Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund für eine Sprachgesellschaft erwarten können, deren ausdrückliches Programm darin bestand, im Glauben an die einende Kraft der lateinischen Sprache Bedingungen für eine internationale Völkerverständigung zu schaffen? Dieses drängenden Prob- <?page no="244"?> Ralph Lather 236 lems der Rechtfertigung nahm man sich schon im Septemberheft des Jahres 1933 an, allerdings mit einem eher halbherzigen Argument: Schließlich sei noch eine Bemerkung erlaubt zu dem Vorwurf, die Bemühungen um eine internationale Verständigungssprache schädigten die Weltgeltung der Muttersprache, die Soc. Latina sei deshalb unter die antinationalen Organisationen zu rechnen! Eine eingehende Erörterung dieser kurzsichtigen Behauptung bleibt für ein späteres Heft der Soc. Lat. vorbehalten; hier sei nur soviel gesagt, daß die Soc. Lat. die deutsche Muttersprache keineswegs schädigt, im Gegenteil ihr wertvolle Dienste leisten kann, namentlich bei der Ausmerzung überflüssiger Fremdwörter. 18 Die hier versprochene weitere Verfolgung dieser heiklen Frage unterblieb, wie man sich auch über den gesamten Zeitraum der Nazi-Herrschaft zu einer näheren Einordnung des Vereinsprogramms in die Ideologie der Nationalsozialisten nicht verstehen konnte. Dennoch kann es nicht überraschen, dass sich in den Faszikeln der Zeitschrift ab 1933 zahlreiche inhaltliche Bezugnahmen und sprachliche Anpassungen an den Zeitgeist finden lassen. In vielen der eingesandten Gedichte, die regelmäßig in der Rubrik Carmina abgedruckt wurden, ist diese Tendenz vielleicht am greifbarsten; dem Leser wird darüber hinaus das scheinbar bruchlose Nebeneinander geistreicher Übertragungen oder Eigenkompositionen und grell propagandistischer Dichtung ins Auge fallen. Exemplarisch für diesen Kontrast mögen die drei Gedichte des Februarhefts von 1942 (S. 21-22) stehen: Auf ein Preislied für Oswald Boelcke, einen Jagdflieger des 1. Weltkrieges, folgt zunächst Ad orientem versus, eine lateinische Übersetzung des von Propagandaminister Goebbels für den Russlandfeldzug in Auftrag gegebenen Russlandlieds. 19 Das dritte Gedicht schlägt gänzlich aus der Art: Es handelt sich um eine Übertragung von Wilhelm Buschs Es sitzt ein Vogel 18 [Anon.] 1933, 56. 19 Verfasser des Gedichts In mortem Boelckei war der Landauer Gymnasiallehrer Friedrich Holler, der schon 1917 seine Sammlung Lateinische Gedichte zum Weltkrieg veröffentlicht hatte; diese wurde 1935 in der Sammlung Neudeutscher Humanismus wieder aufgelegt (Holler 1935). Holler publizierte zahlreiche Gedichte in der Zeitschrift. Das Russlandlied wurde übersetzt vom Leipziger Pädagogen Theo Herrle; dieser brachte es in Societas Latina außerdem noch auf das in Anlass und Thema eng verwandte Canticum nautarum von 1940, eine Übertragung des Matrosenlieds oder Engelandlieds von Hermann Löns. Die Bemühungen Herrles um eine rassenideologisch akzentuierte Kulturkunde im Lateinunterricht hat Bayer 2010 (vgl. besonders 24-25) dokumentiert. Malitz 1998 hingegen hat Herrle u.a. wegen einer Sammelrezension (Herrle 1937) unter diejenigen Autoren gerechnet, „deren mutige Distanz zum Regime selbst in ihren Publikationen faßbar ist“ (519 mit n. 4). Von Distanz kann hier m. E. jedoch nur insofern gesprochen werden, als Herrle in diesem Beitrag schnelle Lösungen zur Klärung des Verhältnisses der NS- Ideologie zur Antike ablehnt und stattdessen wissenschaftlich fundierte Einzeluntersuchungen fordert bzw. würdigt. Bereits 1947 wird er „die erbärmliche Würdelosigkeit vieler Vertreter der Altertumswissenschaft“ (Herrle 1947, 29) in der Zeit der Diktatur kritisieren. Vgl. noch den biographischen Beitrag zu Herrle von Heuss 1995. <?page no="245"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 237 auf dem Leim; der Verfasser, Julius Stern, war ein deutscher Jude. 20 Es lässt sich denken, dass dieses vordergründig heitere Carmen Buschianum nicht zufällig ausgewählt worden ist. Stern dürfte sich, nachdem die systematischen Judendeportationen einige Monate vor der Veröffentlichung eingesetzt hatten - in Baden, der Heimat Sterns, war sogar schon 1940 damit begonnen worden 21 -, keinerlei Illusionen über das ihm bevorstehende Schicksal gemacht haben. Umso tiefer trifft den heutigen Leser die abgründige Selbstironie des Stücks, die diesem im Kontext der letzten Lebensmonate seines Autors zuwächst. Stern konnte sich seinem drohenden Abtransport im selben Jahr nur noch durch Selbstmord (17. 8. 1942) entziehen. Bemerkenswert ist die Reaktion der Zeitschrift auf Sterns Tod: Ihm wird ein ehrender Nachruf zuteil, nicht ohne eine leise Andeutung über sein Schicksal: Unsere Societas Latina hat das in letzter Zeit erfolgte Hinscheiden zweier verdienter Mitarbeiter zu beklagen: [...] Professor 22 Julius Stern in Baden- Baden hat öfters formvollendete Übertragungen deutscher Gedichte und auch eigene lateinische Dichtungen in unsern Blättern veröffentlicht. Noch kurz vor seinem Tode, den er schon vorausahnte, - er starb im Alter von 77 Jahren - am 16. August 1942 beendete er die Niederschrift seiner letzten Arbeit, der Schilderung des Todes von Petrarca und Erasmus von Rotterdam, die sich dem im letzten Heft veröffentlichten „Epicurus moriturus“ anreiht. Wir werden sie in der nächsten Nummer bringen. Die Societas Latina wird diesen beiden treuen und eifrigen Mitarbeitern ein dauerndes Andenken bewahren. 23 Die Veröffentlichung der hier angekündigten Todesgedichte Sterns wird im folgenden Faszikel mit namentlicher Nennung des Autors fortgesetzt. 24 Vor dem Hintergrund der strikten nationalsozialistischen Kulturpolitik, durch die schon seit 1933 im Rahmen u.a. des Reichskulturkammergesetzes jüdische Autoren praktisch mit einem Berufsverbot belegt worden waren, und 20 Stern wurde am 28. 10. 1865 im badischen Wollenberg geboren; er unterrichtete Latein und Deutsch und war u.a. Gymnasialprofessor in Baden-Baden; vgl. den Namenseintrag „Stern, Julius“ im online abrufbaren Gedenkbuch „Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945“ des Bundesarchivs. Eine kurze Erinnerung eines Zeitgenossen an Stern ist zitiert bei Ruch 2011, 104. 21 In der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion waren im Oktober 1940 Tausende badischer Juden ins französische Gurs verschleppt worden. 22 Die Nennung von Sterns Professorentitel entsprach 1942 durchaus nicht mehr den Gepflogenheiten. Bereits ab 1936 war jüdischen Professoren das Führen des Titels untersagt; ab 1942 war die Nennung eines früheren Titels im Schriftverkehr mit Behörden unerwünscht (Gesetze zitiert bei Walk 1981, 155 und 383). 23 [Anon.] 1942, 53. 24 Epicurus moriturus war bereits postum in Societas Latina 10, 1942, 44-46 erschienen. In Societas Latina 11, 1943, 12-15 folgten, unter dem gemeinsamen Titel Morituri, die Gedichte Petrarca und Erasmus. <?page no="246"?> Ralph Lather 238 deren Bestimmungen sich in den Kriegsjahren weiter verschärften, verdient dieser mutige Schritt eine Würdigung. 25 Ein Beleg für dezidiert kritische Töne im Umfeld der Societas Latina ist die Elegie Y des Vereinsvorsitzenden Hermann Weller, der diese aus heutiger Sicht erstaunlich deutliche Allegorie auf religiös und politisch motivierte Verfolgungen in Nazideutschland 1938 in den Niederlanden veröffentlichte. Ähnlich wie Stern bemäntelt auch Weller sein Gedicht zunächst mit dem Anschein der Heiterkeit und siedelt es noch dazu im Ungefähr einer Traumerzählung an. Der Träumer sieht sich in einen chaotischen Kampf aller gegen alle versetzt, der unter den Buchstaben des Alphabets ausgebrochen ist; der ductor A ist es schließlich, der die Gewalt mit der Aufforderung kanalisiert, sich nicht an den Volksgenossen, sondern lieber am Blut der Fremdrassigen schadlos zu halten. Scheinbar wie von selbst richtet sich die Aggression gegen das fremdartige Y; ihm wird, unter dem Vorsitz des A, der Prozess gemacht, der mit der Festsetzung der Todesstrafe endet. Das Y kann fliehen, wird aber weiter verfolgt. Die Haltung des Träumers wird als zwiespältig reflektiert: Hatte er es zunächst aus Feigheit und Trägheit nicht gewagt, dem Y zu Hilfe zu kommen, bittet er nun voller Scham um dessen Rückkehr. Jupiter, der auf seinen Anruf hin interveniert, löst die Situation und gleichzeitig den Traum schließlich auf. Mit welcher Präzision und Schärfe Weller hier Begriffe der antisemitischen Propaganda ins Lateinische überträgt und die historische Situation analysiert, hat Uwe Dubielzig in zwei überzeugenden Interpretationen aufgezeigt. 26 Ein erneuter Abdruck der Elegie in Wellers eigener Gedichtsammlung Carmina Latina war sogar für 1939 vom Autor erwogen worden und kam nur deshalb bis zur Neuauflage 1946 nicht zustande, weil die niederländische Hoeufft-Stiftung, bei deren traditionsreichem Certamen Hoeufftianum das Gedicht ausgezeichnet worden war, sich das Erstveröffentlichungsrecht vorbehalten hatte. 27 Wenn Dubielzig Recht hat mit seiner Annahme, dass die Elegie Deutschland dennoch erreicht hat, 28 ist es aus heutiger Sicht ein großer Glücksfall, dass Weller nach dieser Veröffentlichung unbehelligt geblieben ist. 29 Denn auch wenn das Latein als Bildungs- 25 Dies haben bereits IJsewijn 1990, 185-186 und Dubielzig 2003, 865-866 getan. Zu den gesetzlichen Grundlagen und der praktischen Umsetzung der Schrifttumsindizierung vgl. Dahm 1993, besonders 161-198. 26 Vgl. den Beitrag von Dubielzig 2003, wo auch der Text von Wellers Y bequem zugänglich ist (873-878), und sein Kapitel „Hermann Wellers lateinische Dichtung“ in Brückner / Dubielzig / Plieninger 2006, 58-107 (zur Elegie Y vgl. dort 75-76 und 91-93). 27 Über die näheren Umstände der Veröffentlichung berichtet ausführlicher Brückner / Dubielzig / Plieninger 2006, 93. 28 Ebd. 29 Bemerkenswert ist hierzu auch der „Glückwunsch“ zur Preisverleihung, den Georg Lurz in der Zeitschrift ausspricht, ohne freilich den Namen des Preisgedichts zu nennen, wobei er an eine frühere Äußerung erinnert, die Auszeichnung Wellers sei auch „eine höchst ehrenvolle Anerkennung deutscher Kulturleistung durch das Ausland“ (Lurz 1938, 17). <?page no="247"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 239 barriere sicher eine recht effiziente Schutzfunktion erfüllte und die generelle Randständigkeit neulateinischer Dichtung wohl noch ihr Übriges tat, dürfte das Risiko kein geringes gewesen sein: Schon allein unter den Mitgliedern der Societas Latina lassen sich mühelos Personen finden, die der NS- Ideologie nahe standen und sicher genug Latein verstanden haben, um den kritischen Gehalt der Elegie erkennen zu können. Weller veröffentlichte das Gedicht dennoch unter seinem Klarnamen, in dem vollen Bewusstsein, dass der Texte noch über Jahre hinweg verfügbar und völlig mühelos auf ihn selbst zurückzuführen sein würde. 30 Gegen diese mutige Publikation nimmt sich Fleschs eigenes Werk sicher vergleichsweise harmlos aus; jedoch fehlt es auch nicht völlig an zeitkritischen Positionen. In Ferocia Latina, das freilich mögliche Berührungspunkte mit dem System meist umgeht, hat die Staatsmacht dennoch einen kurzen Auftritt, der bei aller Vorsicht in der Formulierung stärkste Vorbehalte hören lässt (S. 52-53): Auf der Heimfahrt von einem Ausflug begegnen die Protagonisten nämlich einem marschierenden Trupp mit Hakenkreuzarmbinden (parva turba gerens ad brachium fasciam rubri coloris cum cruce hamata). Schon hier lässt das deutlich pejorative turba „ungezügelter Haufen“ aufhorchen. Die beiden fürchten offenbar Unannehmlichkeiten; Ernestus sagt etwas vage Profecto hi sunt venturi, „Die werden sicher gleich kommen.“ Das Paar kann aber der turba, ohne selbst gesehen zu werden, gerade noch ausweichen und so die Reise sine infelicitate accepta, „ohne dass ein Unglück zugestoßen wäre“, zu Ende bringen. Mutiger zeigt sich Flesch nur noch in seinem 1936 erschienenen Dialog Phileirenos sive Pax aequalis, der Züge historischer Camouflage trägt. 31 Der Untertitel - Colloquium Erasmicum propter paucitatem anno 1526 ineditum, nunc ad lucem protractum a quodam Latinante - gibt die kurze Schrift aus als einen bislang unveröffentlichten Teil der Colloquia des Erasmus von Rotterdam. Diese Illusion wird schon auf der ersten Seite wieder fallengelassen, indem auf Geschehnisse aus Fleschs Gegenwart referiert wird. Der Text behandelt die Voraussetzungen menschlichen Friedens, und es liegt auf der Hand, dass Flesch diese Ausführungen mit Blick auf den Versailler Vertrag geschrieben hat, ohne dass er die Dinge freilich beim Namen genannt hätte. Sicher wird er, wie auch viele andere seiner Zeitgenossen, die dort festgesetzten Friedensbedingungen als ungerecht und einem dauernden Frieden unzuträglich empfunden haben; dieser Gedanke scheint einem Wortwechsel 30 Dieses Verdienst wird nicht geschmälert durch Balzerts durchaus bedenklich stimmende Interpretation eines Festgedichts Wellers zum 250-jährigen Jubiläum des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums 1936 (auch abgedruckt in Societas Latina 4, 1936, 43-44), in dem sie eine „auffallende Konformität mit ‚nationalpolitischen‘ Elementen“ sieht und „Wellers Opportunismus betrüblich“ (Balzert 2003, 917) findet. Für die zwei Jahre später verfasste Elegie Y jedenfalls kann davon keine Rede mehr sein. 31 Zu diesem Begriff vgl. Schnell 1998, 123. <?page no="248"?> Ralph Lather 240 der Dialogpartner Eduardus und Albertus am Ende der Schrift zugrunde zu liegen: Alb[ertus]: Proinde mihi certum est paces adhuc infirmas esse e neglecta aequitate. Ed[uardus]: Quomodo invenies aequitatem, cum eorum, qui vicerunt, inflati tumeant animi superbia, et illorum, qui victi sunt mentes odio et pudore suscensentes opprimantur? 32 Al[bertus]: Daher bin ich überzeugt, dass Friedensschlüsse noch unsicher sind, wenn die Billigkeit keine Anwendung findet. Ed[uardus]: Wie soll man auch Billigkeit finden, wenn der Geist der Sieger aufgeblasen strotzt von Hochmut, und der Verstand der Besiegten, aufgebracht durch Hass und Schamgefühl, niedergehalten wird? Wenn in der Folge die Begriffstrias aus veritas, iustitia und aequitas als Bedingungen für einen dauerhaften und sogar ewigen Frieden postuliert werden, so steht daneben auch niemals in Zweifel, dass ein Angriffskrieg als Mittel der Durchsetzung nicht in Betracht kommen darf. Bedenkt man nun die schon im Titel des Dialogs ausdrücklich angelegten und im Text fortgesetzten Bezugnahmen auf das Werk des Erasmus, scheint eine noch weitergehende Interpretation möglich zu sein: Pax aequalis „billiger Friede“, lässt das bekannte Wort aus der Querela pacis anklingen, das gerade mit dem entgegengesetzten Begriff operiert: Vix vlla tam iniqua pax, quin bello vel aequissimo sit potior 33 („Kein Frieden kann so ungünstig sein, dass er nicht einem Krieg, und sei dieser auch noch so angemessen, vorzuziehen sei“). Dass solche Worte 1936 durchaus nicht dem Geist der Zeit entsprachen - immerhin war gerade im März, gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags, das Rheinland wieder militärisch besetzt worden -, kann man schon daraus ersehen, dass der Phileirenos, „Friedensfreund“, ohne klare Verfasserangabe erschien: Der Untertitel verrät nur, dass die Schrift „von einem Lateiner“ (a quodam Latinante) stammt, und Fleschs Autorschaft ist nur einer Sphragis (S. 24) zu entnehmen: Eduardus verabschiedet sich mit den Worten Et tu vale et valere iubeo nostrum amicum Flescarolum! , „Gehab auch du dich wohl, und das wünsche ich auch für unseren Freund Flescarolus.“ Auch stimmt es nachdenklich, dass gerade der Phileirenos in Societas Latina nicht mit einer Rezension bedacht, ja nicht einmal erwähnt wurde, wogegen alle seiner übrigen Werke dort ja ausführlich besprochen, manchmal sogar auszugsweise abgedruckt und teilweise schon vor dem Erscheinen angekündigt worden sind. Dieses Schweigen ist umso aufschlussreicher, als der Nachruf auf Flescarolus, der verspätet erst 1948 erschien, die Schrift sehr wohl erwähnt, und zwar als erstes und, wie es scheinen will, wichtigstes seiner Werke. 34 Es ist 32 Flesch 1936, 23. 33 Ed. Herding 1977, Zeile 581-582; die Formulierung nach Cic. fam. 6, 6, 5 cum vel iniquissimam pacem iustissimo bello anteferrem? Den Stellenwert des Pazifismus im Werk des Erasmus, besonders in der Querela pacis, hat z.B. Herding 1988 herausgearbeitet. 34 Holzer 1948, 22: Inde nec mirum est, quod magna imitatus exempla ipse Latinitatis specimina edidit. Profero librum, quo memoriam Erasmi in dialogo celebravit - sive Pax <?page no="249"?> Latein als Weltsprache im 20. Jahrhundert 241 also sehr unwahrscheinlich, dass die Redaktion den Phileirenos einfach nicht gekannt hat; näher liegt wohl die Annahme, dass er absichtsvoll verschwiegen wurde und erst nach dem Ende der Diktatur - und Flesch selbst war ja bereits 1945 verstorben - ohne Risiko für seinen Verfasser erwähnt werden konnte. Die Nazi-Obrigkeit ist scheinbar zu keinem Zeitpunkt auf ihn aufmerksam geworden: In einem Gutachten, das der Bürgermeister der Reichenau über Flesch, offenbar im Zusammenhang mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an ihn, noch 1944 verfasst hat, zeigt sich der nicht namentlich bezeichnete Beamte nur ganz ungefähr unterrichtet über, wie er schreibt, „seine Studien und seine Arbeiten in lateinischer Schrift und Sprache“ und weiß lediglich zu berichten: „Vor 2 Jahren erschien von ihm eine Übersetzung eines Buches vollkommen in Latein […].“ Er schließt mit der Feststellung: „Politisch ist mir nichts Nachteiliges bekannt.“ 35 Literaturverzeichnis [Anon.], „Vorschläge für ein neues lateinisches Wörterbuch“, Societas Latina 1, 1933, 53-56. [Anon.], „Nachruf auf Augustin Potu ek und Julius Stern“, Societas Latina 10, 1942, 53. Balzert, Monika, „Nicht nur für den Tag: Joseph Eberles Triumph der Memoria“, in: Keßler / Kuhn 2003, II, 889-931. 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Flesch, Karl, Ferocia Latina: Confabulatio Romanensis moderna Flescarolo auctore, Freiburg 1942. ___ Phileirenos sive Pax aequalis: Colloquium Erasmicum propter paucitatem anno 1526 ineditum, nunc ad lucem protractum a quodam Latinante, Überlingen 1936. aequalis inscribitur. - Commemoro Ferociam Latinam. Huc quoque spectat Hora Latina, libellus lepidis imaginibus ornatus („Es ist also nicht verwunderlich, dass er, großen Beispielen folgend, auch selbst lateinische Werke hervorgebracht hat. Ich führe das Buch an, in dem er das Gedächtnis des Erasmus in einem Dialog feiert - es ist Phileirenos oder billiger Friede betitelt. - Ich gedenke der Ferocia Latina. Hierher gehört auch die Hora Latina, ein mit hübschen Bildern geschmücktes Büchlein“). 35 Das Gutachten, das sich zusammen mit dem Nachlass Fleschs im Reichenauer Gemeindearchiv befindet, hat mir Karl Wehrle vom Verkehrsverein Reichenau e.V. freundlicherweise zur Verfügung gestellt. <?page no="250"?> Ralph Lather 242 Herding, Otto (Hg.) „Querela pacis“, in: Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami IV, 2, Amsterdam / Oxford 1977, 1-100. Herding, Otto, „Erasmus - Krieg und Frieden“, in: August Buck (Hg.), Erasmus und Europa: Vorträge gehalten anlässlich eines internationalen Arbeitsgesprächs des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung, Wolfenbüttel 1988, 13-32. Herrle, Theo, „Gegenwartsfragen des altsprachlichen Unterrichts“, Die Erziehung 12, 1937, 474-479. Herrle, Theo, „Nationalsozialismus und Altertumswissenschaft“, Aufbau 7, 1947, 29- 32. Heuss, Alfred, „Zum 75. Geburtstag von Theo Herrle“, in: Gesammelte Schriften in 3 Bänden, I, Stuttgart 1995, 732-734. 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Aachen 148 Abelinus, Beatus 198, 201 Abenteuerroman 109 Abraham 124 Acheloos 202 Acignius 64, 86, 89 Adam, Veit 129 Adaptation 47, 135, 162, 164- 166, 169, 187 Aemonia 149-150 Aeneas 27, 121, 140-141, 145, 147-149, 151-153, 156-157, 182, 188 Aeolus 25 Ägidius, Hl. 126 Agnolo Capponi, Giovanni d’ 4, 7-10, 15 Agricola 146 Ägypten 120 Aietes 163, 167-168 Aischylos 23 Aktaion 197 Alba Longa 189 Alberti, Leon Battista 15, 19- 20, 22-25, 27-32, 213 Albertus 240 Albion 148 Albrecht V., Herzog von Bayern 129 Albrecht VII. , Erzherzog von Österreich 224 Alemán, Mateo y de Enero 59, 85 Alexander 121-127, 130-131, 134 Alexander der Große 187, 191 Alfons X., römisch-deutscher König 148 Allegorie 24, 40, 44, 114-115, 120, 130-131, 136-137, 139, 142, 147, 156-158, 169, 193- 200, 202-204, 212, 214-215, 217, 223, 238 Álmos 169 Almus 169 Alopecius 88 Alpheus 26 Altomira 225 Ambrosia 66 Amor 74, 135-142, 181 Anagramm 86, 89, 126, 132, 137, 215, 218, 220 Anaktonothus 87 <?page no="252"?> 244 Anastasios I., oströmischer Kaiser 146 Anastasius Philarethes Cosmopolita s. Morsius, Joachim Anaxagoras 148 Anaximander 151-152, 221 Anchises 26 Andreae, Johann Valentin 116, 213 Anna von Österreich 88-89 Anti-Aristarchus 41 Anti-Fürstenspiegel s. Fürstenspiegel Antike 3-4, 7, 19, 24, 27, 31- 32, 44, 47-48, 55, 57-59, 65, 68-69, 83, 85, 91, 93, 95-96, 98, 108-109, 138-141, 151- 152, 155-157, 165, 168, 178, 187, 191, 199, 211, 214, 233- 234, 236 Apistophanes 148 Apollonios Rhodios 162, 164 Apuleius 19, 30, 69, 74, 85, 108-109, 116, 135-136, 138, 140-141, 150, 155, 181 Aquilius 224 Arabien 158, 223, 225 Archombrotus 73, 75, 77-79, 218, 224 Arethusa 26 Aretius 157 Argenis 73-80 Argentinien 230 Argyroploeum 87, 157 Ariosto, Ludovico 37 Aristoteles 42, 44, 48, 107, 111, 116, 146, 153, 179 Árpád 169 Arsidas 80, 219 Äsop 19 Astycrium 87-89 Atahualpa 188 Athen 136, 139 Attila 166 Aufklärung 37-38, 73, 161, 180, 185, 195, 205 Augsburg 121 Augustinus, Hl. 41, 96 Augustus 187 Aurindus 157-158, 223, 226 Austriana 223, 225 Autobiographie 31, 39, 61, 93, 102, 132, 146, 153-154, 158, 164, 175-176, 179-180, 183, 188, 196, 199, 201, 222, 229, 236 Automolus 88-90, 92 Auvergne 88 Bacon, Francis 116 Baden 237 Baden-Baden 237 Baldus 107, 114-115 Barclay, John 55-63, 65-70, 73-76, 79-80, 84, 86-87, 89, 92, 94-95, 109, 139, 148-149, 153, 155-159, 162, 166-167, 181, 212-213, 215-221, 223- 225 Barclay, William 61, 63, 217 Bardi, Familie 4 Barock 39, 44, 99, 138, 211, 214 Báróczy, Sándor 166 Basel 148 Bayern 122-124, 127-129, 131, 134 Bela IV., König von Ungarn 148, 155 Belagar 148 Belgrad 146, 148 Belletristik s. Kanon Benjamin 129 Benno 121, 126, 130 Benno, Hl. 121 Bergen 185, 193, 201 <?page no="253"?> 245 Bergerac, Savinien Cyrano de 37, 46-48 Bernhardus Trevisanus 112 Bernhard von Sachsen- Weimar 122-123 Bertius, Petrus 125 Béthune, Maximilien de, Herzog von Sully 224 Bidermann, Jakob 213 Biographie s. Autobiographie Birck, Sixtus 232 Birken, Sigmund von 154 Bisselius, Johannes 119-120, 123-128, 130-132 Bithynien 164 Boccaccio, Giovanni 3-17, 28-29 Boelcke, Oswald 236 Böhmen 148 Boileau, Nicolas 48 Bondone, Giotto di 9, 14 Bordeaux 87-88 Bouillon, Herzog von 93 Brahe, Tycho 39, 41, 44 Brendan der Reisende, Hl. 40 Bruni, Leonardo 3-5, 7, 10-16 Bruno, Giordano 44 Bucholtz, Andreas Heinrich 153 Budé, Guillaume 177 Bugnot, Gabriel Louis 74, 224 Burgund 168 Burleske s. Satire Burton, Robert 45 Busch, Wilhelm 236-237 Callion 224 Calvin, Johannes 96, 98, 105, 137 Cambridge 177 Cantal 83, 87-88, 91, 213 Capellanus, Georg 232 Cardano, Girolamo 46 Casaubon, Isaac 55, 177 Catharinus 64, 217 Ceffini, Lodovico di Salvestro 7-8 Cervantes Saavedra, Miguel de 85, 181 César von Bourbon, Herzog von Vendôme 87 Chalkiope 169 Chariton 139 Charmion s. Gyges Chemlin, Caspar 107-108 Christian VI., König von Dänemark und Norwegen 212, 218 Christina von Schweden 43 Cicero 38, 40, 45, 93, 123, 153, 189-190, 231-232, 240 Claudian 119, 128-129 Claudius Ptolemäus 42 Clavis s. Schlüssel Cleobulus 224 Clymene 60 Cocles 181 Comenius, Johann Amos 113, 116 Comhydoria 87 Concini, Concino, Marschall von Ancre 87, 90 Concio ad clerum 177 Condé s. Heinrich II. 87, 93 Cosmiel 43-44 Cosmus 135-137, 139-141 Costes de La Calprenède, Gautier de 166 Crapulia 181 Cupido s. Amor Cusanus, Nicolaus 44 Cuspinian, Johannes 150, 154 Dänemark 212 Daniel, Gabriel 37, 46-48 Daniel, Samuel 62-63 Darrichius 148 <?page no="254"?> 246 Dechiffrierung s. Schlüssel Demokrit 30, 42 Descartes, René 47-48 Desessarts, Nicolas-Toussaint Lemoyne 211, 214 De subtilitate rerum 46 Deutschland 123, 134, 147, 165, 221, 229, 232, 235, 237- 238 Diana 163-164 Dido 25, 28, 121, 140-141, 182 Diego 177-179, 181, 183 Diego von Valladolid 181 Dike s. Iustitia Diodati, Elias 41 Dis 25, 28 Domitian 65 Donau 166 Doromisus 156, 224 Drama 3, 13, 86, 135, 146, 168, 179, 214 Drankes 188 Dr. Slop 179 Drymosemia 148 Duchesne, Joseph 113 Dugonics, Ádám 170 Dugonics, András 145, 161- 170, 212-213 Dunalbius 221 Duracotus 39-40 Dutoit, Julius 230-233, 235 Dystopie 181, 193 Eduardus 240 Eibelhuber, Johann Christoph 135 Einweihungsroman 109 Elias 42, 47 Elisabeth I., Königin von England 62, 217 Elisabeth Renata von Lothringen 122-123 Elurthus 137 Emmaus 137 Engelmar 121 England 57, 63, 66, 69, 148, 153, 165, 180, 217, 224 Enkomium s. Panegyrik Epik s. Epos Epikur 58 Epos 19, 24, 30, 62-63, 65-66, 127-128, 130, 146, 150, 152, 162-166, 187, 213-215, 222 Eppstein, Werner von 148 Erasmus 177, 181, 221, 234, 237, 239-241 Erastus, Thomas 107, 114 Eridanus 60 Eris 29 Erlau 146 Ernestus 232-234, 239 Eros s. Amor Ertl, Anton Wilhelm 145, 157, 212-213, 215 Erymella 148, 158 Erythraeus, Janus Nicius 213 Erzählstruktur 4-12, 20, 24, 30, 37, 39-40, 42-44, 55-56, 58, 61, 63-64, 68-69, 79-80, 84-85, 88, 92, 95, 108-109, 114, 119-121, 124, 127, 130- 132, 137-142, 152-156, 158, 162-165, 167, 175, 178-179, 183, 186, 196, 198, 212, 214- 215, 222, 231-233, 238 Erzählung s. Erzählstruktur Erziehungsroman 109 Eselsroman s. Schelmenroman Este, Niccolò III. d’, Markgraf von Ferrara 31, 35 Esterházy, Ferenc 167-168 Eudemia 213 Euphormio 56, 58-64, 67, 69- 70, 86, 88, 156-157, 216-217, 223-224 <?page no="255"?> 247 Europa 39, 58, 85, 121, 167, 190-191, 211-212, 216, 219, 224, 226 Eustachius 141 Eutelus 164, 167 Fabellae s. fabulae Fabula anilis 74, 79-80 Fabulae 162, 181 Facetiae 149 Fama 21, 25 Fantasy 39, 46, 131-132, 193- 196, 198, 200-201, 203-205 Felicitas 87, 90, 157 Fénelon, François 162, 166- 167 Ferdinand II., römischdeutscher Kaiser 119 Ferdinand III., König von Kastilien und León 129 Ferdinand, Hl. s. Ferdinand III. Ferdinand Maria von Bayern 120, 127-131, 135 Fernandez 178 Ferrara 31, 35 Feuerborn, Justus 105 Fiammetta 5 Fiktion 8, 38-40, 46, 48, 63, 73, 76, 80, 83, 89, 94-95, 102, 108-109, 120-121, 128, 141, 149, 155, 158, 165, 167-169, 175-176, 178-179, 183, 186, 196-198, 201, 212, 215-216, 222 Fiktionalität s. Fiktion Fiolxhilde 39-40 Firmianus, Petrus 93-99, 102, 213 Flescarolus s. Flesch Flesch, Karl 229, 231-235, 239-241 Fløjfjeldet 185 Florenz 3, 15, 27 Floresina 223 Fontaines, Louys s. Firmianus, Petrus Fontenelle, Bernard le Bovier de 48 Fortuna 6, 56, 90, 92, 99, 107- 108, 111-116, 147, 149, 156- 157 Fountayne, John 177 Frankfurt 177, 179 Frankreich 46-47, 55, 64-66, 69, 73, 83, 87, 94-95, 99-100, 165, 180, 212, 217, 219, 224, 230 Franziskus, Hl. 128 Freising 94, 121 Freud, Sigmund 123 Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser 147, 157 Friedrich II., König von Preußen 145 Friedrich V. von der Pfalz 119, 134 Froidmont, Libert 37, 41-44, 48, 109 Frühe Neuzeit 19, 37, 48, 55, 61-63, 83, 85, 93, 121, 153, 162, 177, 187, 189, 211, 214- 216, 222, 226 Fugger, Johann Jakob 154 Fulgentius 29 Fürstenspiegel 19, 129, 167, 213, 215, 222-226 Gabriel 107, 111 Gaeomemphio 87-90, 92, 157 Gaia 98 Galanter Roman 151 Galen 107, 111, 116 Galilei, Galileo 41-42, 44 Galizien 170 Gallien s. Frankreich Ganicius 89-90 Geber 112 <?page no="256"?> 248 Gedicht s. Dichtung Germanocordia 149 Geschichtsschreibung s. Historiographie Ghismonda s. Sigismunda Gießen 105-106, 108, 117 Godwin, Francis 37, 45-48 Goebbels, Joseph 236 Gonsales, Domingo 45-47 Gorges, Arthur 63 Gorymestes 153 Gott 14, 24, 32, 42, 65, 95, 98, 107, 110-115, 124, 129, 132, 136-138, 140, 164, 186 Gott, Samuel 73-74, 79-80, 213 Gottschalk 121, 125 Granopolis 148 Greene, Robert 86 Griechenland 139, 165 Großbritannien 45, 63, 70, 94 Grotius, Hugo 177 Guevara, Luis Vélez de 97 Guiscardo 5-14 Güns 146 Gustav II. Adolf, König von Schweden 121-123, 135 Guyet, François 84, 86, 88-89, 92, 213 Gyarmat 146 Gyges, Charmion 93-95, 97- 102 Gyöngyösi, István 162 Habsburg, Haus von 62, 119, 123, 145, 150-151, 153-154, 156-158, 167-170, 212, 215 Hades s. Dis Hafen, Slawkenbergius 175, 177, 179-181 Halifax 177 Hall, John 69 Hall, Joseph 181 Hall-Stevenson, John 182 Halley, Edmond 198-199 Hamburg 106 Hamlet 80 Handlungsgang s. Erzählstruktur Hannulik, János Krizosztom 166 Happel, Eberhard Werner 150 Hartwig, Hl. 124 Heidegger, Gotthard 150 Heinrich I., Herzog von Guise 157 Heinrich II., römisch-deutscher Kaiser 123 Heinrich II., Fürst von Condé 87 Heinrich III., König von Frankreich 157 Heinrich IV., König von Frankreich 87, 90, 218, 224 Heinrich von Bouillon 87 Heinsius, Daniel 177 Heliodor 68-69, 79, 108, 141, 162, 164 Helios s. Sol Henoch 42, 47 Henri de Joyeuse 89 Henrietta Maria von Frankreich 93 Hereford 45 Herkules 21-23, 27 Hermes Trismegistos 107, 111-112 Hermokrates 139 Herodot 93, 153 Herrle, Theo 236 Herrscherlob s. Panegyrik Hessen 105 Hevelius, Johannes 44 Hilario 89 Hiob 124 Historiographie 153-154, 165-166, 169, 176, 179 <?page no="257"?> 249 Höfisch-historischer Roman 151, 211, 214, 216 Holberg, Ludvig 148-149, 161, 185-190, 192-205, 212- 213, 215, 218-221, 225 Hollandus, Johannes Isaacus 113-114 Holler, Friedrich 236 Homer 24, 162, 165 Honorius 128 Hooke, Robert 199 Horaz 31, 63, 65, 119, 166, 189-190 Hörmann, Johann Andreas 145 Huet, Pierre Daniel 150-153, 159, 211, 214 Hunnius, Helfricus 105 Hyanisbe 219 Hyginus Mythographus 162 Hypsipyle 167 Hythlodaeus, Raphael 57 Iaetius 137-138 Ibburanes 218-219 Iberien s. Spanien Idealstaat s. Utopie Idealwelt s. Utopie Ilpander 80, 139 Imitation 15, 66, 84, 140, 142, 190 Index librorum prohibitorum s. Zensur Ingolstadt 119, 121, 129 In mortem Boelckei 236 Innsbruck 168 Intertextualität 27, 30, 57, 61, 63, 67-68, 180-183, 185-186, 189, 192, 197 Iris 24-30 Irland 223 Isar 123 Isidor von Sevilla 30 Island 39 Italien 20, 27, 32, 46, 87, 165, 186, 230 Ithaka 73 Iuppiter 19 Iustitia 65 Jakob I., König von England 55, 61-63, 70, 86, 217, 223- 224 Jakob I., Truchsess von Waldburg 120 Jansen, Cornelius 41, 94, 96 Janus 168, 179 Jason 142, 164, 167-169 Jena 105 Jerusalem 130, 168 Jesus Christus 3, 98, 127, 137, 141 Johann I., Truchsess von Waldburg-Wolfegg 119 Johannes der Presbyter 107, 113 Johannes vom Kreuz 44 Johnson, Samuel 175 Jona 115, 127 Jonson, Ben 86 Joseph I., römisch-deutscher Kaiser 223, 225 Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 166, 170 Juan de Luna 85 Julia 178 Julier 62 Julius Caesar 65, 191 Julus 151 Juno 19-29, 31-32, 163, 203- 204 Jupiter 20-23, 27-28, 32, 44 , 66-67, 147, 158, 188, 200, 238 Juvenal 85, 94, 189-190, 199 Kalasiris 79, 164 Kaltenborn, Karl von 222 <?page no="258"?> 250 Kanon 7, 109, 150, 212 Karl I., König von England 93 Karl III., Herzog von Lothringen und Mercœur 224 Karl V. Leopld, Herzog von Lothringen 168 Kärnten 150 Karthago 25 Kaschau 146-147 Kastilien 148 Kepler, Johannes 37-46, 48, 109 Kircher, Athanasius 37, 43- 44, 48, 109, 197 Klim, Niels s. Klimius, Nicolaus Klimius, Nicolaus 149, 185- 193, 195, 197-198, 200-202, 204-205, 219, 225 Knemon 79, 164 Kolchis 163-164, 168-170 Komödie 74, 76, 78-80 Konfiszierung s. Zensur Konradin 154 Konstanz 232 Kopenhagen 185, 190, 193 Kopernikus, Nikolaus 37, 39, 41-44, 46, 48, 198 Krain 150 Kratylos 30 Kreta 136-137, 139-140 Krim-Tatar 177, 179 Kunigunde 123 Kunigunde von Ungarn 150 Kurzgeschichte 41, 149 Kysarcius 180 Labetrus 224 Laktanz 19 Lambert, Ange s. Firmianus, Petrus Lansbergen, Jacob 41 Lansbergen, Philipp 41 Lasso, Orlando di 130 Latinus 188 Latium 26, 145-146, 156-157 La Tour d’Auvergne, Henri de 93 Laus 21 Lazarillo 85-86 Lehrroman s. Thesenroman Leonello d’Este 30 Leonicenus, Omnibonus 63 Leopold 121 Leopold I., römisch-deutscher Kaiser 93 Lepanto 128 Lesage, Alain René 97 Levania 40 Libussa 39 Liebesroman 73, 79-80, 84, 138-141 Liebheit, Gabriel 94 Lipsius, Justus 43, 46, 48, 177 Liselotte von der Pfalz 97 Lisieux 93 Literatur(geschichte) 5, 83, 85 Livius 189 Lodomeria 170 London 55, 61 Longos 108 Longueil, René de, Marquis von Maisons 94 Löns, Hermann 236 Löwen 37, 41-43, 48 Loyola, Ignatius von 44, 86, 89, 128-129 Lucianus 137-138 Lucia von Syrakus, Hl. 41 Lucius 69, 109 Ludwig II. von Bourbon 93 Ludwig V. von Hessen- Darmstadt 117 Ludwig XIII., König von Frankreich und Navarra 83, 87-90, 95, 97, 225 <?page no="259"?> 251 Ludwig XIV., König von Frankreich und Navarra 94, 97, 180 Lukan 62-63, 65-66, 68-69 Lukian 19, 24-25, 30-31, 37- 38, 40, 43-45, 47-48 Lukrez 41-42 Lullus, Raimundus 112-114 Luna s. Selene Lurz, Georg 229-231, 238 Lusinia 56-59, 61-64, 68-70, 86-87, 216 Luther, Martin 135-137, 142 Lützen 122-123, 135 Lycogenes 73, 75, 78, 80, 157, 221, 224-225 Lycus 164 Lydien 93 Machiavelli, Niccolò 19, 223 Macrobius 29, 40 Mainz 148 Maître de la Cité des Dames 8 Mammon 107, 114-115 Marburg 105-106 Märchen 109, 135 Margarete von Valois 87, 89- 90 Maria 124-125, 127-128, 131, 164 Maria Anna von Österreich 119, 123-124, 127, 130, 135 Maria Radna 164 Maria Theresia von Österreich 170 Marius Victorinus 68 Martial 85 Martinia 185-186 Martius 121 Maximilian I., Herzog von Bayern 119, 121-131, 134- 135 Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern 146 Medea 142, 164, 169 167 Medici, Giuliano de 42 Medici, Maria de 87, 90 Meingold 121, 126 Meißen 121 Melanius 90-91 Meleander 73-76, 78, 220, 224 Menippeische Satire s. Satire Merkur 96, 137 Mersenne, Marin 47-48 Mészáros, Ignác 165 Mezendoria 198 Michael 107 Midas 112 Middleton, Thomas 86 Minerva 29 Minos 145 Mitra 64 Mittelalter 3, 40, 45, 59, 63, 83, 121, 169, 187, 232 Moctezuma II. 188 Modell s. Prätext Mohl, Robert von 212 Momus 20-23 More, Thomas 37, 46, 57-58, 73, 76, 216, 232 Morgenland 107 Morisot, Claude 153 Moritz von Hessen-Kassel 106 Morsenus 112 Morsius, Joachim 106, 110 Moses 107, 114-115 Mozart, Wolfgang Amadeus 167 München 121, 123, 130-131, 135, 229 Nagyszombat s. Tyrnau Namur 178 Nannius, Petrus 41-43, 48 <?page no="260"?> 252 Nantes 218 Narration s. Erzählstruktur Narziss 199 Nash, Thomas 86 Nassau 117 Nebelkrä, Heinrich 117 Neoptolemus 87, 90 Neptun 25, 62, 114, 163, 223 Nereïde 163 Nero 62-63, 65-66, 69, 186 Nicopompus 80, 221 Niederlande 212, 224, 238 Nikolaus V. 32 Nikolaus, Hl. 178 Nogaret de la Vallette, Cathérine de 89 Nogaret, Jean Louis de, Herzog von Épernon 88 Nollius, Henricus 105-117 Norden, Eduard 232 Nördlingen 123 Normandie 94 Norwegen 185 Novelle 3-7, 9, 13, 15 Novum Latium 147-148, 156 Oberpfalz 119 Ohnefurcht, Johann 8 Olymp 20-21, 25, 27, 60 Orpheus 130 Ortenburg 152 Osiris 64 Österreich 88-89, 121, 149, 167, 170, 224 Ottokar II. von Böhmen 148- 150, 154-155 Ovid 3, 23, 26-27, 59, 61, 67- 70, 163, 182-183, 197-200, 202 Oviperda 107, 113 Paian 64 Pallas 29 Pamphagus 181 Panegyrik 19, 55, 61-70, 119, 128, 131-132, 213, 215, 224 Paracelsus 107, 111 Paris 87, 89, 156-157 Parodie s. Satire Pax 130 Pegasus 41, 43 Penelope 73 Peru 119 Petrarca, Francesco 68, 237 Petron 55, 63, 68, 84-85, 94, 108-109, 150, 155-156, 181, 186, 189 Phaëthon 59-60, 64-65, 67-69 Philaretus 107-116 Philipp I., Herzog von Orléans 97 Phoebus (Apollo) 21, 64-65 Pholdurus 223 Phutatorius 179 Píkaroroman s. Schelmenroman Piräus 137, 140 Pius V. 217 Placidus 141 Platon 27, 30, 46, 48, 93 Plautus 76, 181 Plessis, Armand-Jean du 224 Pleusikles 76 Plot s. Erzählstruktur Plutarch 40 Pluto s. Dis Poeniodulus 89 Poetik 30, 135, 139, 142, 145, 150, 152-153, 162, 165, 211, 214 Polen 170 Poliarchus 73-77, 79-80, 153, 219, 224 Politik 55-58, 61-63, 73, 79- 80, 84, 87-88, 109, 128, 130- 131, 146, 149, 152, 156, 161, 165-168, 185, 201, 211-216, <?page no="261"?> 253 218, 220, 222-226, 229, 235, 237-239, 241 Poliziano, Angelo 177 Pompeius 130 Pont-à-Mousson 217 Potu 185, 189-191, 193, 218, 220-221, 225 Prag 38 Prasch, Johann Ludwig 73- 74, 80, 135-142, 152, 213 Prasch, Susanna Elisabeth 73, 138-140, 152-153, 159 Prätext 5, 12, 15-16, 19, 32, 40-41, 44, 47, 59, 65, 67-69, 74, 84-88, 94, 110, 125, 156, 162-163, 165-167, 186, 189 Premierfait, Laurent de 8 Preußen 155 Primonides 148, 153 Prometheus 23 Prosa 20, 30, 63, 83, 85, 108- 109, 120, 128, 139, 149, 150- 151, 158, 162-163, 165, 175, 180, 183, 192, 212-213, 215 Prosimetrum s. Satire Protagon, Protarchon 87, 224 Protarchon s. Protagon Proteus 107, 114-115 Pseudonym 84, 86-90, 93-94 Psyche 74, 135-142, 181 Puteanus, Erycius 41, 43 Pyramus 74 Pyrgopolynikes 76 Pyrgus 87 Quama 191, 225 Québec 46 Quelle s. Prätext Quercetanus 107, 113-114 Quevedo y Santibáñes Villegas, Francisco Gómez de 46, 85-86 Rabelais, François 180-182 Radirobanes 73-80, 224 Rakbasi 190 Ramus, Petrus 116 Raphael 107, 114 Referenz s. Intertextualität Regensburg 119, 121, 135 Reichenau 241 Reiseroman 119 Renaissance 19, 27, 37, 47, 57, 59, 63, 66-67, 189 Renata von Lothringen 130 Répszeli, László 166 Rezeption 25, 29, 59, 62-63, 66, 69, 83-85, 92-93, 155, 194, 198, 211, 215 Rheinland 240 Rheinpfalz 128 Rhetorica ad Herennium 153 Ricasoli, Bindacio 3 Riccioli, Giambattista 44 Richard von Cornwall 148 Richelieu s. Plessis, Armand- Jean du Rifricudes 147, 157 Rinck, Johann Georg 94 Ritterroman 119 Rollenhagen, Gabriel 40 Rom 65, 165, 182, 187, 191 Roman 13, 15, 20, 23, 39, 46- 48, 55-59, 61-63, 67-69, 73- 74, 76, 79-80, 83-94, 102, 105-110, 112-114, 116-117, 119-120, 131-132, 135, 137- 140, 142, 145, 148-153, 155- 159, 161-167, 169-170, 175- 181, 182-183, 185-187, 189- 191, 193-196, 202-204, 211- 216, 220, 222-223, 225-226, 229, 231-233 Roman à clef s. Schlüsselroman Romanform s. Roman Romangattung s. Roman Romantheorie s. Poetik <?page no="262"?> 254 Rouen 93 Ruahuanacus 153 Rudolf I., römisch-deutscher Kaiser 145, 147, 149, 153- 158 Rudolf II. (HRR) 224 Rumänien 164 Runestes 151 Russland 178, 236 Salerno 9 Salmasius, Claudius 177 Salvestro Ceffini, Lodovico di 7-8 Salzburg 124 Sangerhausen, Christoph Friedrich 145 Sapientia 107 Sarce 137, 142 Sardinien 73, 75, 79 Satire 19-20, 30-31, 37-38, 43, 46-48, 55, 57, 61-63, 68-70, 85-87, 92-94, 97, 99, 109, 120, 151, 158, 163, 181, 183, 185- 186, 189, 193-198, 201-205, 211, 213, 215, 222, 233 Saturn 25-26, 42, 44, 200 Scaliger, Joseph Justus 177 Scaliger, Julius Caesar 62, 107, 111, 177, 214, 234 Scheiner, Christoph 44 Schelmenroman 19, 30, 45, 58-59, 84-85, 109, 138, 151, 214, 216 Schlauchberga 181 Schlüssel 31, 56, 63, 84, 87, 115, 119-120, 137, 147, 149, 153, 155, 157-158, 167, 169, 194, 202-203 Schlüsselroman 31, 83, 102, 120, 167, 169 Schott, Kaspar 43 Schottland 56, 86, 223 Science-Fiction 37-38, 44, 48, 194, 198 Scipio Africanus 38 Scolimorrhodia 55, 61-63, 69- 70, 217, 223-224 Selene 75, 200 Selenissa 73-80 Sendivogius, Michael 112 Seneca 3, 30, 43, 65, 142 Servius 27-29 Severax 232-235 Sevilla 45 Shakespeare, William 80, 222 Shandy, Tristram 176-180, 183 Shandy, Walter 177, 180 Sibaleenses 148 Sidney, Philip 79 Sigismunda 3, 5-9, 11-14 Simplicianus 121, 125 Sina 232-235 Sitrocylia 149-150 Sizilien 25, 73, 75, 77, 80, 139 Skylla 74 Skythien 169 Slowakei 162 Sokrates 46, 48, 205 Sol 64-67 Somnium 37-38, 40-44, 46, 48, 109 Sonalphus 148, 158 Sorel, Charles 46 Spanien, Iberien 46, 65-66, 153, 165, 178, 224, 230 Spätantike s. Antike Spenser, Edmund 79 Staatsroman 212 Stansel, Valentin 43 Statius 65 Steiermark 121, 123, 135, 150 Steinfurt 105-106 Stephani, Samuel 117 Stern, Julius 237-238 <?page no="263"?> 255 Sterne, Laurence 175-177, 179-183 Steuber, Johannes 105 St. Gilgen 126 St. Helena 45 Stoa 58 Straßburg 177-180, 182 Stuart, Haus von 61 St. Wolfgang 120-122, 135 Sueños 46 Sulpitius 63 Szeged 162 Székely, Ferenc 146-147, 149- 150, 153, 155, 213 Szerdahelyi, György Alajos 165-166 Tacitus 146 Tamino 109 Tanachi 185 Tancredi 5-9, 12-14 Tellus 67 Teresa von Ávila 44 Tessaranactus 55, 61, 63, 67, 70, 223 Thalassio 87, 91 Thaumantias 26-28 Thaumas 27-28 Themistius 61, 63, 69 Themistocles 226 Theocrine 73, 78-79 Theodidactus 43-44 Theogenius 31 Theophrast 136-141 Thersites 20 Thesenroman 109 Thisbe 74 Thou, Jean-Auguste de 87, 91 Tiber 26 Tingunomus 148 Tirol 168 Titan 64 Toby 176, 178-179 Toulouse 87-89 Tragödie 3, 79 Transsilvanien 162, 167 Trileonina 149-150 Trimalchio 203 Troiano, Massimo 130 Troja 20, 145, 166 Tübingen 37-38 Tudor, Haus von 63 Turenne s. Henri de La Tour d’Auvergne Turnus 26-28, 35, 148-149, 156 Tyrnau 145-147, 149, 162 Ungarn 148, 150, 155, 161- 162, 165-170 Ungwar 146 Unterhaltung 30-31, 37, 41, 43, 84, 86-87, 120, 132, 150, 153, 167, 211, 215 Uranos 98 Urocotta 148, 152 USA 230 Utlemberga 148 Utopia 56-58 Utopie 37, 45-48, 56-58, 61, 64-65, 67, 68-70, 73, 86-87, 109, 116, 185, 190, 193-194, 211, 213, 215-216, 219-221, 224, 226, 235 Valentinus, Basilius 112 Valerius Flaccus 162-164, 166, 168 Valladolid 178, 181 Varro 85 Vatikan 43 Venedig 217 Venus 136, 188 Vergil 3, 19, 24-31, 35, 94, 121, 127, 132, 140-141, 156, 159, 162-164, 166, 183, 186- 187, 189, 215 Veronese, Guarino 31 <?page no="264"?> 256 Vesta 147 Victoria 130 Victoria, Maria de 128 Victoria, Pedro Gobeo de 119 Villanova, Arnoldus de 112 Virtus 20-21, 147, 153, 157 Vives, Juan Luis 43 Vorbild s. Prätext Vorlage s. Prätext Vulkan 114 Wacker, Johann 38 Walther, David Christian 165 Weilburg 106, 117 Weller, Hermann 230, 238- 239 Wieland, Christoph Martin 222 Wien 123, 149, 167-168, 170, 212 Wilhelm V., Herzog von Bayern 129-130 William von Newburgh 45 Wimpfeling, Jakob 232 Winckelmann, Johannes 105 Wittelsbach, Haus von 119, 122, 124, 131, 134 Wolfgang, Hl. 120, 122-126, 128-130, 132 Wolfgangsee 120-121, 125- 126 Württemberg 39 Xenophon 223 Xenophon von Ephesos 79 Yorick, Parson 183 York 177 Yvronia 181 Zacharias, Dionysius 112 Zacharie de Lisieux s. Firmianus, Petrus Zensur 70, 85, 96, 105, 117, 217 Zeus s. Jupiter Ziegenhain 105 Zieli ski, Tadeusz Stefan 230 Zips 170 Zürich 148 <?page no="265"?> Stellenindex Der Stellenindex enthält Einträge zu sämtlichen in diesem Band vorkommenden antiken-, mittel- und neulateinischen Autoren. Volkssprachliche Texte werden nicht erfasst. Wo es noch keine gebräuchliche Zitierweise gibt, wird nur die Seitenzahl im Haupttext angegeben. Für die jeweils verwendeten Ausgaben der neulateinischen Romane sei auf die einzelnen Kapitel verwiesen. Alberti, Leon Battista De re aedificatoria 9, 4 32 Momus pr. 6 31 pr. 7 31 pr. 9 30 1, 8 21 1, 23 21 1, 26 20, 27 1, 26-35 20 1, 52 25 1, 57-67 20 1, 67 20 1, 74-94 25 2, 2 21 2, 3 21 2, 4 21 2, 4-5 25 2, 11-14 21 2, 19 21 2, 25 21, 25 2, 26-31 21 2, 28 21 2, 30 21, 28 2, 32 21 2, 34 21 2, 34-35 21 2, 59 21 2, 65-66 21 2, 70 21 2, 100 22, 27-29 2, 100-101 20 2, 101 22-24, 29 2, 102-103 29 2, 102-109 22 2, 104 25 2, 105 29 2, 109 22 3, 4 22-23 3, 12 27 3, 20 22-23 3, 40-42 23 3, 65-71 23 3, 69 23 3, 71-75 23 3, 73 21 4, 71-80 25 4, 73 25 4, 73-78 23 4, 87-88 25 Apuleius Metamorphosen 4, 23-26 74 4, 25 74 4, 27 181 4, 33 136 6, 25 181 <?page no="266"?> 258 Aristoteles Poetik 1451a-b 153 Auctor ad Herennium Rhetorik 1, 8, 13 153 Barclay, John Apologia 1, 1 63 Argenis 1, 2 224 1, 6 226 1, 7 74-75 1, 10 80 1, 13 219-220 1, 18 220-221 2, 5 218 2, 8 74 2, 8-9 80 2, 9 153 2, 12 75 2, 15 76 3, 1 75 3, 3 75 3, 4 224 3, 5 75-77 3, 6 226 3, 7 77-78 3, 8 74, 78-79 3, 9 79 3, 11 74 3, 14 226 3, 15-19 76 3, 19 80 3, 22 219 4, 2-3 79 4, 3 80 4, 4 226 4, 18 219, 226 5, 3 226 Icon animorum 1, 1 60 Gedichte 2, 11 65 Euphormio pr. 86 1, 1 56, 58 1, 2 60 1, 20 68, 149 2, 1 62 2, 7 224 2, 7-8 156 2, 22 158 2, 32 64-67 Bibel Hiob 14, 7-8 124 Johannes 1, 14 3 Jona 4, 5-7 115 Lukas 9, 28-36 3 Markus 9, 2-10 3 Matthäus 17, 1-9 3 Offenbarung 4, 3 24 Bisselius, Johannes Palma Boica 120-131 Boccaccio, Giovanni Genealogia deorum 9, 1, 9 29 9, 1, 14 28 9, 1, 15 29 9, 1, 16 29 Bruni, Leonardo De Guiscardo et Sigismunda 3, 5, 10-14 Cicero Ad familiares 6, 6, 5 240 De re publica 6, 10 123 <?page no="267"?> 259 De inventione 1, 19, 27 153 De officiis 1, 31 189-190 3, 38 93 Claudian Panegyrici 7-8 128 8, 261-262 129 Cuspinian, Johannes De caesaribus 532 154 534 154 535 150 Dugonics, András Argonautica 162-164, 167, 169 Erasmus von Rotterdam Institutio principis Christiani 221 Querela pacis 240 Ertl, Anton Wilhelm Austriana 157-158, 223, 225- 226 Firmianus, Petrus Gyges Gallus 95-101, 149 Flesch, Karl Ferocia Latina 232-235, 239 Phileirenos 240 Froidmont, Libert Somnium 42 Guyet, François Gaeomemphio 87-92 Hall, Joseph Mundus alter et idem 1, 7 181 Hannulik, János Krizosztom Lyrica 3, 36 166 Heliodor Aithiopika 2, 21-5, 1 79, 164 Holberg, Ludvig Episteln 186, 196, 198-205 Iter subterraneum 1, 1, 14 149 1, 4 201 2, 16 219 2, 18 220 2, 21 219 2, 40 195 4, 3 219 4, 7 225 4, 9 225 4, 14 225 4, 22 197 5, 7 190 6, 1 218 6, 2 218 6, 2-10 218 6, 12 218 7, 8 225 7, 19 191 7, 27-39 225 9, 1 189 9, 8 201 11, 24 198 11, 25 194 13, 14 191 13, 66 195 14, 21 187-188 14, 22 188 14, 32 189 15, 3 191 15, 4 197 16, 1 197-198 16, 17-18 198 Holzer, Joseph In memoriam Caroli Flesch 240-241 Homer Ilias 2, 212-270 20 <?page no="268"?> 260 Odyssee 9-12 164 Horaz Episteln 1, 7, 98 189 Oden 4, 2, 46-48 65 Poetik 333-334 31 343 31 Satiren 1, 1, 24 31 Hyginus Mythographus Fabeln 14 162 Isidor von Sevilla Origines 13, 10, 1 30 Juvenal Satiren 1, 1, 149 199 4, 11, 27-28 189 Kepler, Johannes Dioptrice 42 Somnium 39-41 Kircher, Athanasius Itinerarium 44 Laktanz Institutiones 1, 9, 8 19 Livius Historien 1, 29, 2-3 189 Lukan Pharsalia 1, 33-45 63 1, 46 68 1, 48-50 65-66 1, 58 65 Lukian von Samosata Dialogi Marini 78, 9 24 De domo 11 24 De sacrificiis 30, 8 24 Verae Historiae 2, 33 24 Macrobius Kommentar (Somnium Scipionis) 1, 3, 10-11 40 Marius Victorinus Grammatik 4, 1 68 More, Thomas Utopia 57-58 Morisot, Claude Peruviana 3, 7-8 153 Nollius, Henricus Speculum 107-108, 110-114, 116 Ovid Metamorphosen 1, 244-252 23 1, 270 26 1, 751-779 59 2, 1-18 67 2, 1-400 59 2, 31-32 67 2, 56 67 2, 62 67 2, 204-205 67 2, 279-300 67 2, 304-318 67 2, 319-321 59 2, 328 59 2, 392 61 3, 131-137 197 <?page no="269"?> 261 3, 464 199 4, 565 200 5, 572-641 26 8, 889-892 202 11, 583-591 27 11, 629-632 27 14, 829-846 27 15, 868-870 68 15, 871-872 163 Tristien 1, 1, 127 182-183 Petron Satyrica 113 181 Platon Kratylos 408b 30 Politeia 359c6-360b2 93 Prasch, Johann Ludwig Psyche Cretica 136, 139, 141- 142 Scaliger, Julius Caesar Poetik 4, 2 214 5, 17 62 Seneca Apocolocyntosis 4, 1, 27-32 65 Medea 1027 142 Servius Kommentar (Aeneis) 4, 700-701 28 5, 606 29 5, 610 27 9, 2 29 9, 5 27-28 Statius Silven 4, 1, 3 65 Sterne, Laurence Slawkenbergii fabella 180- 183 Székely, Ferenc Aeneas Habspurgus 145-149, 151-153, 156-158 Vergil Aeneis 1, 1 127 1, 50-156 25 1, 109-110 30 1, 753-756 121 4, 68-73 142 4, 173-197 25 4, 336 183 4, 693-705 25 4, 694 26 4, 701 28 4, 702-703 28 4, 703-704 28 5, 605-658 25-26 5, 606 26 5, 609 28 5, 609-610 28 5, 610 27 5, 623-640 28 5, 657 27 5, 658 28 7, 37-45 163 7, 645 163 8, 26-101 26 9 156 9, 1 27 9, 1-24 26-27 9, 2 27 9, 5 27 9, 6-13 28 9, 14 27 9, 15 28 9, 17 27-28 9, 18 28 9, 803-804 26 10 156 <?page no="270"?> 262 11, 305-307 187-188 11, 335 187-188 11, 362 188 <?page no="271"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BESTELLEN! Eckart Schäfer (Hrsg.) Conrad Celtis Oden/ Epoden/ Jahrhundertlied Libri Odarum quattuor, cum Epodo et Saeculari Carmine (1513) NeoLatina, Band 162 2., überarbeitete Auflage 2012 394 Seiten, geb. €[D] 98,00/ SFr 137,00 ISBN 978-3-8233-6635-5 Conrad Celtis (1459-1508), gern der „deutsche Erzhumanist“ genannt, sah sich dazu berufen, lateinische Literatur nach Art der Antike und italienischen Renaissance im schlichten Norden erblühen zu lassen. Auf weiten Wanderungen erkundete er Deutschland in Europa und im Kosmos und bedichtete seine Landschaften und Menschen aus der Perspektive seines humanistischen Ichs. Von seinen großen Werken erscheint hier das Oden-Buch von 1513 erstmals als zweisprachige Ausgabe mit Erläuterungen. <?page no="272"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BESTELLEN! Eckard Lefèvre / Eckart Schäfer (Hrsg.) Beiträge zu den Sylvae des neulateinischen Barockdichters Jakob Balde NeoLatina, Band 18 2010, 351 Seiten, 4 Abb., geb. €[D] 98.00/ SFr 137.00 ISBN 978-3-8233-6614-0 Jakob Balde (1604-1668) ist der bedeutendste neulateinische Dichter Deutschlands. Europäischen Ruhm erlangte er mit den Lyrica sowie vor allem mit den Sylvae (poetische ‚Wälder‘), weltlichen und geistlichen Gedichtzyklen mit biographischen und politischen Bezügen unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Kriegs. Viele Gedichte erscheinen hier zum ersten Mal in Übersetzung und eingehender Interpretation. <?page no="273"?> herausgegeben von Stefan Tilg und Isabella Walser Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit The Neo-Latin Novel in its Time Neo L atina Tilg / Walser (Hrsg.) Der neulateinische Roman als Medium seiner Zeit Der neulateinische Roman ist ein bisher nicht einmal in seinen Umrissen bekanntes Forschungsfeld von großem literatur- und kulturgeschichtlichem Interesse. Das 14. Freiburger Neulateinische Symposion, die erste internationale Konferenz zu diesem Thema, hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Forschungsfeld in seiner zeitlichen und inhaltlichen Dimension auszuloten und damit künftiger Beschäftigung mit der lateinischen Erzählliteratur der Frühen Neuzeit einen Impuls zu geben. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Relevanz der neulateinischen Romane als Medium ihrer eigenen Zeit. Die Ergebnisse sind im vorliegenden Konferenzband gesammelt. Neo L atina