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Englisch als Lingua Franca und Dolmetschen

Ein Vergleich zweier Kommunikationsmodi unter dem Aspekt der Wirkungsäquivalenz

1211
2013
978-3-8233-7795-5
978-3-8233-6795-6
Gunter Narr Verlag 
Dr. Karin Reithofer

Der Aufstieg von Englisch als Lingua Franca gehört derzeit zweifellos zu den größtenHerausforderungen für DolmetscherInnen.Gründe dafür sind einerseits real erschwerte Arbeitsbedingungen, andererseits aber auch die Tatsache, dass Englisch das Dolmetschen in multilingualen Kommunikationssituationen immer öfter verdrängt. Dies wird oft damit gerechtfertigt, dass ExpertInnen einander auch in nicht der muttersprachlichen Norm entsprechendem Englisch gut verstehen, da sie Unklarheiten über ihr gemeinsames Hintergrundwissen ausräumen können. In dieser Arbeit wird anhand einer experimentellen Studie geprüft, ob ELF und Dolmetschen tatsächlich eine vergleichbare Wirkung in einem Fachpublikum erzielen können.

<?page no="0"?> Karin Reithofer Englisch als Lingua Franca und Dolmetschen Translationswissenschaft 9 <?page no="1"?> herausgegeben von Klaus Kaindl und Franz Pöchhacker (Universität Wien) Band 9 Wissenschaftlicher Beirat Gyde Hansen (Kopenhagen) Christiane Nord (Magdeburg) Erich Pruncˇ (Graz) Hanna Risku (Graz) Christina Schäffner (Birmingham) Robin Setton (Genf) Translationswissenschaft <?page no="2"?> Karin Reithofer Englisch als Lingua Franca und Dolmetschen Ein Vergleich zweier Kommunikationsmodi unter dem Aspekt der Wirkungsäquivalenz <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Dies ist eine überarbeitete Version der Arbeit, die 2011 als Dissertation an der Universität Wien angenommen wurde. Gedruckt mit Unterstützung durch die Österreichische Forschungsgemeinschaft. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1614-5909 ISBN 978-3-8233-6795-6 <?page no="4"?> E NGLISCH ALS L INGUA F RANCA UND D OLMETSCHEN E IN V ERGLEICH ZWEIER K OMMUNIKATIONSMODI UNTER DEM A SPEKT DER W IRKUNGSÄQUIVALENZ Karin Reithofer <?page no="5"?> 5 Vorwort Den Anstoß, mich mit den Auswirkungen des Aufstiegs von Englisch als Lingua Franca auf das Dolmetschen zu befassen, gab eine Diskussion mit einem sehr erfahrenen Dolmetschkollegen vor einigen Jahren, der unzählige ähnliche Gespräche mit KollegInnen und gemeinsames Jammern über schwer verständliche nichtmuttersprachliche AusgangsrednerInnen vorausgegangen waren. Zu diesem Zeitpunkt betrachtete auch ich noch die meisten NichtmuttersprachlerInnen überspitzt formuliert als regelrechte Geißel unseres Berufsstandes und mich selbst als bemitleidenswertes Opfer. Diese Sichtweise hat sich im Laufe dieser Arbeit sehr gewandelt und ist durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema um unzählige Facetten ergänzt worden, wodurch ich einmal mehr Wissenschaft und Praxis nicht als Gegensatz, sondern als gegenseitige Bereicherung erleben durfte. Für die zahlreichen dabei gewonnenen Erkenntnisse schulde ich auch mehreren Personen Dankbarkeit, die mir Orientierungshilfen auf diesem Weg waren. Mein größter Dank gilt Ao. Univ.-Prof. Dr. Franz Pöchhacker, der meiner Arbeit von Anfang großen Enthusiasmus und ungewohnte Offenheit entgegenbrachte. Besonders die Tatsache, dass er Diskussionen mit mir stets auf Augenhöhe führte, hat mich sehr beeindruckt und geprägt. Seine motivierenden Worte und seine Begeisterungsfähigkeit konnten mehrere meiner Schreib- und Forschungsblockaden in Tatendrang umwandeln. Für mich war es außerdem ein großes Privileg, dem QuaSI-Forschungsteam anzugehören. Eine ehemals überzeugte Einzelkämpferin lernte während der zweijährigen Projektlaufzeit, wie viele Synergien bei einer Teamarbeit entstehen können, wenn nur die „Richtigen“ aufeinander treffen. Der rege Austausch, die Unterstützung und auch die persönliche Freundschaft mit Elisabeth Holub, Sylvi Rennert und Cornelia Zwischenberger haben bedeutend zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen. Besonderer Dank gilt dabei Cornelia, die alle meine Kapitel und Artikel mit stets kritischem Auge gelesen und kommentiert und mir zudem bei der Implementierung meines webgestützten Ratings sehr geholfen hat. Diese Zusammenarbeit war für mich äußerst inspirierend und hilfreich. Ein äußerst kritischer Punkt im empirischen Teil dieser Arbeit ist der im Versuch eingesetzte Redner. Univ.-Prof. Dr. Martin Schreier ermöglichte mir die Kontaktaufnahme mit Lehrenden an der Bocconi-Universität, die mich in Mailand mit herzlicher Selbstverständlichkeit aufgenommen haben. Um die Anonymität des Redners zu gewährleisten, sollen die Vortragenden ungenannt bleiben. Grazie di cuore, comunque! Zu großem Dank verpflichtet bin ich auch Univ.-Prof. Dr. Barbara Seidlhofer und den Mitgliedern des Voice-Teams sowie den anden ELFen, <?page no="6"?> 6 die meinen Horizont in Bezug auf ihr Fachgebiet ungemein erweitert und mich in ihrem Kolloquium als einzige Nicht-Anglistin sehr freundlich aufgenommen haben. Dank gebührt auch den ExpertInnen, die mich freiwillig und mit großem Interesse beim Akzentrating und beim kognitiven Pretest unterstützt haben, sowie Gilbert Valeriano vom Medienteam des Zentrums für Translationswissenschaft, ohne dessen stets geduldige Erklärungen alle technischen Herausforderungen sicher nicht so einfach bewältigt werden hätten können. Herzlich danken möchte ich auch Univ.-Prof. Mag. Dr. Mira Kadrić- Schreiber, von deren Unterstützung und Zuspruch in unterschiedlichen Belangen ich persönlich sehr viel gelernt habe. Es freut mich ganz besonders, dass diese Arbeit in der Reihe Translationswissenschaft erscheinen kann. Dafür möchte ich mich bei den Herausgebern herzlich bedanken. Da das Entstehen einer solchen Arbeit auch viel Energie verschlingt, danke ich all meinen Lieben dafür, dass sie mich immer wieder ermutigt haben, mir dabei geholfen haben, meine Batterien aufzuladen, und für mich da waren; insbesondere Thomas, der mich auch beim Korrekturlesen unterstützte, und die kleine Hummel Clara, die die Überarbeitung zwar in die Länge gezogen, aber auch versüßt hat. Entsprechend den ersten Zeilen hoffe ich, dass Lektüre die Sichtweise der LeserInnen ebenso verändern kann, wie es bei mir selbst der Fall war. <?page no="7"?> 7 I NHALT 1 Einleitung .............................................................................15 2 Qualität als Wirkungsäquivalenz ....................................19 2.1 Der Qualitätsbegriff allgemein und in der Dolmetschwissenschaft .................................................. 19 2.2 Qualitätsforschungsansätze in der Dolmetschwissenschaft .................................................. 21 2.2.1 Qualitätserwartungen an Dolmetschleistungen ...................22 2.2.2 Beurteilungen von Dolmetschleistungen...............................23 2.2.3 Wirkung von Dolmetschleistungen bei den ZuhörerInnen 27 3 Englisch als Lingua Franca (ELF) .....................................41 3.1 Begriffsdefinition .................................................................. 41 3.2 Zahlen und Fakten ............................................................... 43 3.3 Gründe für den Aufstieg von ELF ..................................... 44 3.4 ELF in verschiedenen Bereichen......................................... 45 3.4.1 Wirtschaft...................................................................................45 3.4.2 Wissenschaft und Bildung .......................................................46 3.4.3 EU................................................................................................48 3.5 Reaktionen auf die Entwicklung von ELF ........................ 55 3.5.1 Kritik und Ablehnung einerseits ............................................55 3.5.2 Die andere Seite.........................................................................58 3.5.3 Zukünftige Entwicklungen......................................................60 3.6 ELF aus dem Blickwinkel der DolmetscherInnen und der Dolmetschwissenschaft .................................................. 62 3.6.1 Auswirkungen von ELF auf den Dolmetschberuf und Reaktionen der DolmetscherInnen .........................................62 3.6.2 Höhere Qualität im Zieltext dank DolmetscherInnen .........68 3.6.3 Dolmetschwissenschaftliche Arbeiten mit Fokus auf nichtmuttersprachlichem Akzent ...........................................70 4 Nichtmuttersprachliche RednerInnen und Verständlichkeit ..................................................................78 4.1 Sprachliche Merkmale von NichtmuttersprachlerInnen 78 4.1.1 Interlanguage und Interimsprache .........................................79 4.1.2 Nichtmuttersprachlicher Akzent ............................................82 <?page no="8"?> 8 4.2 Sprachliche NNS-Merkmale und Verständlichkeit ......... 85 4.2.1 Begriffsdefinition - Verständlichkeit......................................85 4.2.2 Englisch ......................................................................................87 4.2.3 Andere Sprachen.......................................................................88 4.2.4 Andere Untersuchungsansätze ...............................................88 4.3 Weitere Einflussgrößen für das Verständnis und die Verständlichkeit von NNS ............................................. 89 4.3.1 Erstsprache von RednerInnen und ZuhörerInnen ...............90 4.3.2 Vertrautheit mit Akzenten.......................................................94 4.3.3 Vorwissen zum Thema - Hintergrundwissen .......................95 4.3.4 Sprechgeschwindigkeit ............................................................98 4.3.5 Kontext .....................................................................................104 4.3.6 Texttyp - Redundanz ..............................................................104 4.4 Zusammenfassung ............................................................. 107 5 Versuch ...............................................................................108 5.1 Versuchsdesign ................................................................... 108 5.2 Forschungsfragen ............................................................... 109 5.3 Ausgangstext....................................................................... 111 5.3.1 Vorüberlegungen für die Auswahl eines Redners/ einer Rednerin ...................................................................................111 5.3.2 ExpertInnenbefragung ...........................................................113 5.3.3 Beschreibung des Redners .....................................................122 5.4 Zieltext ................................................................................. 128 5.4.1 Dolmetscherin .........................................................................128 5.4.2 Verdolmetschung....................................................................129 5.5 Fragebogen .......................................................................... 130 5.5.1 Design und Formulierung .....................................................130 5.5.2 Einleitung.................................................................................132 5.5.3 Teil A - Hörverständnistest...................................................133 5.5.4 Teil B .........................................................................................145 5.5.5 Testen des Fragebogens .........................................................149 5.5.6 Kodierung der Antworten .....................................................155 5.6 Pilotstudie............................................................................ 157 5.6.1 Versuchspersonen...................................................................157 5.6.2 Ablauf .......................................................................................161 5.6.3 Auswertung .............................................................................162 5.6.4 Zusammenfassung - Pilotstudie...........................................177 5.7 Hauptstudie - FH1 ............................................................. 179 5.7.1 Auswahl der Versuchspersonen ...........................................179 <?page no="9"?> 9 5.7.2 Beschreibung der Versuchspersonen ...................................180 5.7.3 Ablauf .......................................................................................185 5.7.4 Auswertung .............................................................................187 5.7.5 Zusammenfassung - FH1 ......................................................211 5.8 Zweitstudie - FH2 .............................................................. 215 5.8.1 Versuchspersonen...................................................................215 5.8.2 Ablauf .......................................................................................219 5.8.3 Auswertung - FH2..................................................................220 5.8.4 Zusammenfassung - FH2 ......................................................237 6 Zusammenfassung und Diskussion..............................241 6.1 Englisch als Lingua Franca (ELF) und seine Auswirkungen auf das Dolmetschen ......................... 241 6.1.1 ELF und Dolmetschen als komplementäre Kommunikationsmodi ...........................................................242 6.1.2 ELF und Dolmetschen im Wettbewerb................................244 6.2 Ausgangspunkt für die empirische Studie ..................... 245 6.2.1 Kritische Fragen zum Versuchsdesign.................................246 6.3 Hauptfragestellungen und Antworten............................ 248 6.3.1 ELF und Verstehen .................................................................253 6.4 Schlussfolgerungen ............................................................ 258 6.4.1 Spannungsfeld ELF und Dolmetschen.................................258 6.4.2 Dolmetschdidaktik .................................................................259 6.4.3 Professionelle DolmetscherInnen .........................................260 6.4.4 Dolmetschwissenschaft ..........................................................260 Bibliografie .............................................................................263 Anhang.....................................................................................279 <?page no="10"?> 10 A BBILDUNGEN Abbildung 1 - Entwicklung der Anzahl von Sprachen weltweit ..................57 Abbildung 2 - Skala der Akzentbewertung ...................................................115 Abbildung 3 - Geschlecht der VP - Pilotstudie ..............................................158 Abbildung 4 - Kontakt mit ELF in % - Pilotstudie ........................................159 Abbildung 5 - Kontakt mit IT-NNS in % - Pilotstudie..................................160 Abbildung 6 - Dolmetscherfahrung in % - Pilotstudie .................................161 Abbildung 7 - Testscore nach Versuchsgruppe - Pilotstudie ......................163 Abbildung 8 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - Pilotstudie...............164 Abbildung 9 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - Pilotstudie .....165 Abbildung 10 - Geschlecht der VP - FH1 .......................................................182 Abbildung 11 - Kontakt mit ELF in % - FH1..................................................183 Abbildung 12 - Kontakt mit IT-NNS in % - FH1 ...........................................184 Abbildung 13 - Dolmetscherfahrung in % - FH1...........................................185 Abbildung 14 - Testscore nach Versuchsgruppe - FH1 ................................188 Abbildung 15 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - FH1 ........................189 Abbildung 16 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - FH1 ..............190 Abbildung 17 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1.......................................207 Abbildung 18 - Geschlecht der VP - FH2 .......................................................217 Abbildung 19 - Kontakt mit ELF in %- FH2...................................................218 Abbildung 20 - Kontakt mit IT NNS in % - FH2 ...........................................218 Abbildung 21 - Testscore nach Versuchsgruppe - FH2 ................................221 Abbildung 22 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - FH2 ........................222 Abbildung 23 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - FH2 ..............223 <?page no="11"?> 11 T ABELLEN Tabelle 1 - Durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit britischer Redner- Innen......................................................................................................................99 Tabelle 2 - Grunddaten Expertenrating ..........................................................115 Tabelle 3 - Häufigkeiten bei der Bewertung gesamt.....................................116 Tabelle 4 - Messwerte beim Akzentrating durch ELF und DO ...................117 Tabelle 5 - Häufigkeiten beim Akzentrating durch ELF und DO ...............117 Tabelle 6 - Bewertung nach L1 der RaterInnen .............................................119 Tabelle 7 - Position der richtigen Antworten bei MC-Items ........................138 Tabelle 8 - Itemschwierigkeit - FH1 ................................................................141 Tabelle 9 - Itemschwierigkeit - FH2 ................................................................141 Tabelle 10 - Itemschwierigkeit - Pilotstudie ...................................................142 Tabelle 11 - Reihung der Items nach Schwierigkeit - FH1-FH2-Pilot .........142 Tabelle 12 - Trennschärfe der Items nach Versuchsgruppe .........................144 Tabelle 13 - Alter der VP - Pilotstudie ............................................................158 Tabelle 14 - Englisch Hörverständnis VP - Pilotstudie .................................159 Tabelle 15 - Basisdaten Score - Pilotstudie .....................................................163 Tabelle 16 - Basisdaten MC-Score - Pilotstudie .............................................165 Tabelle 17 - Basisdaten Score halboffen - Pilotstudie....................................166 Tabelle 18 - Verstehen Selbsteinschätzung - Pilotstudie ..............................166 Tabelle 19 - Korrelationen Verstehen-Score - Pilotstudie.............................167 Tabelle 20 - Akzentbewertung - Pilotstudie...................................................168 Tabelle 21 - Bewertung der Dolmetschleistung - Pilotstudie.......................169 Tabelle 22 - Dolmetschbewertung nach Dolmetscherfahrung - Pilot.........170 Tabelle 23 - Bekanntheit des Themas - Pilotstudie........................................171 Tabelle 24 - Score nach ELF-Erfahrung - Pilotstudie ....................................172 Tabelle 25 - Score nach ELF-Erfahrung II - Pilotstudie.................................173 Tabelle 26 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung - Pilot .......173 Tabelle 27 - Score nach IT-NNS-Kontakt - Pilotstudie..................................174 Tabelle 28 - Akzentbewertung nach IT-NNS-Kontakt - Pilotstudie ...........174 Tabelle 29 - Score nach Geschlecht - Pilotstudie............................................175 Tabelle 30 - Score nach L1 in Gruppe A - Pilotstudie ...................................176 Tabelle 31 - Score nach L1 in Gruppe B - Pilotstudie ....................................176 Tabelle 32 - Alter der VP - FH1 ........................................................................182 Tabelle 33 - Englisch Hörverständnis VP - FH1 und Pilot ...........................183 Tabelle 34 - Basisdaten Score - FH1.................................................................188 Tabelle 35 - Basisdaten MC-Score - FH1 .........................................................189 Tabelle 36 - Basisdaten Score halboffen - FH1 ...............................................190 Tabelle 37 - Itemschwierigkeit - FH1 und Pilot .............................................192 Tabelle 38 - Vergleich der halboffenen Fragen nach Gruppen ....................194 Tabelle 39 - Verstehen Selbsteinschätzung - FH1..........................................195 Tabelle 40 - Korrelationen Verstehen-Score - FH1 ........................................196 Tabelle 41 - Akzentbewertung FH1, ExpertInnen und Pilot........................197 <?page no="12"?> 12 Tabelle 42 - Bewertung der Dolmetschleistung - FH1 und Pilot.................198 Tabelle 43 - Dolmetschbewertung nach Dolmetscherfahrung - FH1 .........200 Tabelle 44 - Bekanntheit des Themas - FH1 und Pilot ..................................200 Tabelle 45 - Score - FH1 und Pilot ...................................................................201 Tabelle 46 - Score Gruppe A - FH1 und Pilot.................................................201 Tabelle 47 - Bekanntheit des Themas nach Versuchsgruppe - FH1 ............202 Tabelle 48 - Englischkenntnisse-Scores...........................................................203 Tabelle 49 - Score nach ELF-Erfahrung - FH1 ................................................203 Tabelle 50 - Score nach ELF-Erfahrung II - FH1 ............................................204 Tabelle 51 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung - FH1........205 Tabelle 52 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung II - FH1 ....205 Tabelle 53 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 .............................................206 Tabelle 54 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 .............................................207 Tabelle 55 - Akzentbewertung nach IT-NNS-Kontakt - FH1.......................208 Tabelle 56 - Score nach Geschlecht - FH1 .......................................................208 Tabelle 57 - Score nach Geschlecht und Versuchsgruppe - FH1 .................209 Tabelle 58 - Score bilingual - deutsch - FH1 ..................................................210 Tabelle 59 - Score Gruppe A bilingual deutsch ...........................................210 Tabelle 60 - Alter der VP - FH2 ........................................................................216 Tabelle 61 - Englisch Hörverständnis VP - FHs und Pilot ...........................217 Tabelle 62 - Score - FHs und Pilot....................................................................220 Tabelle 63 - Basisdaten Score - FH2 und FH1 ................................................221 Tabelle 64 - Basisdaten MC-Score - FH2 .........................................................222 Tabelle 65 - Basisdaten Score halboffen - FH2 ...............................................223 Tabelle 66 - Itemschwierigkeit - FH2 und FH1 .............................................224 Tabelle 67 - Resultate einfache MC-Items nach Versuchsgruppe - FH2 ....225 Tabelle 68 - Resultate Frage 1 - FH2 ................................................................226 Tabelle 69 - Resultate Frage 6 - FH2 ................................................................227 Tabelle 70 - Vergleich der halboffenen Fragen - FH2 ...................................228 Tabelle 71 - Vergleich der halboffenen Fragen nach Gruppen - FH2 .........228 Tabelle 72 - Verstehen Selbsteinschätzung - FH2 und FH1 .........................229 Tabelle 73 - Akzentbewertung - FHs, ExpertInnen und Pilot .....................230 Tabelle 74 - Bewertung der Dolmetschleistung - FHs und Pilot ................230 Tabelle 75 - Anmerkungen zur Dolmetschleistung - FH2............................231 Tabelle 76 - Bekanntheit Thema - FHs und Pilot ...........................................232 Tabelle 77 - Bekanntheit des Themas nach Versuchsgruppe - FH2 ............232 Tabelle 78 - Score nach ELF-Erfahrung - FH2 ................................................233 Tabelle 79 - Score nach ELF-Erfahrung II - FH2 ............................................234 Tabelle 80 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH2 .............................................234 Tabelle 81 - Score nach Geschlecht - FH2 .......................................................235 Tabelle 82 - Score nach Geschlecht und Versuchsgruppe - FH2 .................235 Tabelle 83 - Bekanntheit des Themas Teilzeit - Vollzeit - FH2....................236 Tabelle 84 - Score Teilzeit - Vollzeit - FH2......................................................236 <?page no="13"?> 13 Tabelle 85 - Score Teilzeit - Vollzeit nach A und B - FH2.............................237 Tabelle 86 - Vergleich Score FH1, FH2 und Pilot ..........................................249 Tabelle 87 - Score nach Geschlecht - FH1 und FH2.......................................252 Tabelle 88 - Score Gruppe A alle Versuche ..................................................254 Tabelle 89 - Gesamtscore und Vorwissen alle Versuche ............................254 Tabelle 90 - Itemschwierigkeit FH1.................................................................299 Tabelle 91 - Itemschwierigkeit Gruppe A und B - FH1 ................................299 Tabelle 92 - Resultate einfache MC-Items nach Versuchsgruppe - FH1 ....300 Tabelle 93 - Resultate Frage 1 - FH1 ................................................................300 Tabelle 94 - Resultate Frage 11 - FH1 ..............................................................300 Tabelle 95 - Resultate Frage 6 - FH1 ................................................................301 Tabelle 96 - Resultate Frage 7 - FH1 ................................................................301 Tabelle 97 - Resultate Frage 9 - FH1 ................................................................301 Tabelle 98 - Korrelation Verstehen-Score halboffen - FH1 ...........................302 Tabelle 99 - Korrelation Verstehen-MC-Score - FH1.....................................302 Tabelle 100 - Score nach ELF-Erfahrung II - MC-Items und halboffen .....302 Tabelle 101 - Score halboffen nach IT-NNS-Kontakt - FH1 .........................302 Tabelle 102 - MC-Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 ...................................302 Tabelle 103 - Itemschwierigkeit - FH2 ............................................................303 Tabelle 104 - Resultate einfache MC-Items - FH2..........................................303 Tabelle 105 - Resultate Frage 11 - FH2 ............................................................303 Tabelle 106 - Resultate Frage 7 - FH2 ..............................................................304 Tabelle 107 - Resultate Frage 9 - FH2 ..............................................................304 <?page no="14"?> 14 Abkürzungen AOA age of arrival AOL age of learning AT Ausgangstext BSL Britische Gebärdensprache DO DolmetscherInnen ELF Englisch als Lingua Franca EN Englisch FH Fachhochschule IL Interlanguage IT Italienisch Ka Kantonesisch L1 Muttersprache/ Erstsprache L2 Fremdsprache LBG Lautsprachbegleitendes Gebärden LOR length of residence Ma Mandarin MC Multiple Choice ms Millisekunde(n) NNS non-native speaker(s) NS native speaker(s) QuaSI Projekt Qualität beim Simultandolmetschen spm Silben pro Minute sps Silben pro Sekunde VP Versuchsperson(en) wpm Wörter pro Minute ZT Zieltext ZTW Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien <?page no="15"?> 15 1 Einleitung Nichtmuttersprachliche RednerInnen und Englisch als Lingua Franca sind derzeit ein vieldiskutiertes Thema unter praktizierenden DolmetscherInnen. Als BSE - Bad simple English - bezeichnen manche das Englisch, das von NichtmuttersprachlerInnen gesprochen wird, und ziehen damit eine wohl nicht unbeabsichtigte Parallele zum Rinderwahn. Meiner persönlichen Erfahrung als Konferenzdolmetscherin nach beziehen sich in den letzten Jahren ein Großteil der Beschwerden von DolmetschkollegInnen an ihren Arbeitsbedingungen darauf, dass sie schwer verständliche, nichtmuttersprachliche RednerInnen dolmetschen müssen, die das Dolmetschen angeblich des Öfteren zur Qual werden lassen. Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Arbeit mit dem Thema des Englischen als Lingua Franca (ELF) und dessen Zusammenspiel oder Konkurrenzkampf mit dem Dolmetschen befassen. Dieses Forschungsvorhaben wurde als Teil des Projekts „Qualität beim Simultandolmetschen (QuaSI)“ 1 unter der Leitung von A.o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Pöchhacker am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien durchgeführt. Dabei ist einerseits die Herangehensweise an das Thema ELF und Dolmetschen vom Blickpunkt der ZuhörerInnen als innovativ zu bezeichnen, da bisher in dolmetschwissenschaftlichen Studien meist die Sichtweise der DolmetscherInnen präsentiert wurde, oder die Auswirkungen von nichtmuttersprachlichen Ausgangstexten auf Dolmetschleistungen Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen waren. Andererseits wurde auch die hier eingesetzte Methodik zum Testen der Qualität beim Simultandolmetschen bisher eher vernachlässigt, was überrascht, da dieser Forschungsansatz auf die Sichtweise von Qualität als Wirkungsäquivalenz von Ausgangs- und Zieltext (AT/ ZT) basiert. Das Prüfen der tatsächlichen Äquivalenz dieser Wirkung im AT- und ZT-Publikum unter Zuhilfenahme von Hörverständnistests ist als konsequente Folge der immer wieder gestellten Forderung nach gleicher Wirkung zu betrachten. In dieser Arbeit wird der diesem Ansatz zu Grunde liegenden Norm der gleichen Wirkung von Ausgangs- und Zieltext Rechnung getragen, die als einer der Grundsätze der Disziplin bezeichnet werden kann, der sich beinahe universeller Zustimmung erfreut. Auf diese Perspektive von Qualität als Wirkungsäquivalenz und die damit zusammenhängenden Normen wird in Kapitel 2 Bezug genommen. Zuvor werden auch andere dolmetschwissenschaftliche Qualitätsforschungsansätze besprochen, wie jener der Qualitätserwartungen und jener der Qualitätsbeurteilungen, die sich beide großer Beliebtheit erfreuen. 1 Siehe http: / / quasi.univie.ac.at/ <?page no="16"?> 16 In Kapitel 3 erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Forschungsfeld von Englisch als Lingua Franca, wobei nach einer Begriffsdefinition Daten über die Ausbreitung von ELF vorgelegt werden und die geschichtliche Entwicklung skizziert wird. Im Anschluss werden exemplarisch für den Aufstieg von ELF die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Politik genauer unter die Lupe genommen, in denen ELF häufig zum Einsatz kommt. Im Abschnitt zur Politik wird vor allem auf die Europäische Union und das dort stattfindende Zusammenspiel von ELF und anderen Kommunikationsmodi Bezug genommen. Unter 3.5 werden die kontroversen Standpunkte zu dieser einzigartigen sprachlichen Entwicklung thematisiert. Die Reaktionen und Sichtweisen verschiedener AkteurInnen zu ELF werden analysiert und kritisch beleuchtet, um danach Überlegungen zur weiteren Entwicklung in diesem Bereich anzustellen. Nach diesem Überblick wird unter 3.6 der für diese Arbeit essentielle Zusammenhang von ELF mit Dolmetschen und DolmetscherInnen aufgegriffen. Dabei werden die gängigen Stereotypen und Vorurteile kritisch hinterfragt und alternative Sichtweisen präsentiert. Es wird aber auch nach den Ursachen der vornehmlich negativen Einstellung des Berufsstandes zu ELF gesucht, die als Kombination aus arbeitsbezogenen, psychosozialen und wirtschaftlichen Faktoren identifiziert werden. Im Anschluss werden mehrere dolmetschwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Akzent und ELF vorgestellt. In den meisten geht es um die Beeinträchtigung von Dolmetschleistungen aufgrund eines nichtmuttersprachlichen Ausgangstexts. Die Perspektive dabei ist die der DolmetscherInnen oder des Dolmetschprodukts und somit eine andere als im geplanten Versuch, bei dem vor allem die ZuhörerInnen und deren Verständnis von ELF-Vorträgen oder Verdolmetschungen im Fokus stehen. Gemeinsamkeiten im Sprachgebrauch von nichtmuttersprachlichen RednerInnen (NNS) wurden in zahlreichen linguistischen Studien - vor allem zur Spracherwerbsforschung - vom wissenschaftlichen Standpunkt aus untersucht. Ein Überblick über die zahlreichen, breit gefächerten Ergebnisse soll in Kapitel 4 gegeben werden. Als Basis dafür dienen grundlegende Überlegungen zu allgemeinen sprachlichen Merkmalen von NichtmuttersprachlerInnen und eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Verständlichkeit. Danach wird besprochen, wie diese unterschiedlichen Merkmale die Verständlichkeit von NNS beeinflussen und welche der Abweichungen das Verstehen am meisten beeinträchtigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Englischen; es werden jedoch auch Studien zu anderen Sprachen kurz angerissen. Des Weiteren wird die Frage untersucht, welche nicht-semantischen, extralinguistischen und kontextuellen Faktoren eines Redebeitrags - wie Sprechtempo oder Hintergrundwissen - sich positiv oder negativ auf das Verständnis von NNS-ZuhörerInnen und die Verständlichkeit von NNS-RednerInnen auswirken können. Dazu wird eine <?page no="17"?> 17 Fülle von Experimenten mit unterschiedlichster Methodik präsentiert, die sich diesen verschiedenen Faktoren gewidmet und zu teils widersprüchlichen Resultaten geführt haben. In Kapitel 5 wird schließlich der empirische Teil der Arbeit präsentiert. Bei der Darlegung der Hauptforschungsfragen, die mit Hilfe dieses Versuchs beantwortet werden sollen, wird immer wieder eine Brücke zu bestehenden Erkenntnissen aus Studien geschlagen, die in den vorangegangenen Kapiteln besprochen wurden. Da die im Versuch angewandte Methode des Hörverständnistests zur Überprüfung der kognitiven Wirkung von Originalvortrag bzw. Verdolmetschung sehr innovativ ist und daher wenig Erfahrungswerte aus bereits durchgeführten Experimenten zur Verfügung stehen, wurden das Versuchsdesign, die Auswahl des Ausgangstexts und -redners, die Verdolmetschung und vor allem auch der verwendete Fragebogen besonders sorgfältig ausgearbeitet und geprüft. Alle Planungs- und Prüfungsschritte wurden in den Unterkapiteln genau dokumentiert. Dabei wurde vor allem der Auswahl des Ausgangsredners sehr große Aufmerksamkeit gewidmet, da dieser möglichst repräsentativ für nichtmuttersprachliche KonferenzrednerInnen mit seiner Erstsprache und keine Karikatur eines NNS sein sollte. Aus diesem Grund wurde nach einer Vorauswahl eines Redners aus dem Bereich Wirtschaft eine ExpertInnenbefragung zu dessen Akzent durchgeführt, die unter 5.3.2 detailliert beschrieben wird. Aber auch das Fragebogendesign wurde nach einer langen Planungsphase einer weiteren Tauglichkeitsprüfung in Form eines kognitiven Pretests unterzogen, der ebenfalls eine Methode darstellt, die bei Fragebogenstudien in der Dolmetschwissenschaft bisher nicht zum Einsatz gekommen ist, aber mittels derer der Fragebogen deutlich verbessert werden konnte, was unter 5.5 genau nachvollzogen werden kann. Im Anschluss wird zuerst die Pilotstudie, die mit 50 Studierenden des Zentrums für Translationswissenschaft durchgeführt wurde, eingehend präsentiert (5.6). Damit waren die Versuchspersonen Nicht-ExpertInnen für das wirtschaftswissenschaftliche Thema, das im Vortrag behandelt wird. Einerseits bestätigte dieser Probedurchgang das Funktionieren des lange geplanten Designs, zeigte aber auch Verbesserungsmöglichkeiten auf. Andererseits gewährten die dabei gewonnenen Ergebnisse auch interessante Einblicke bezüglich der Frage der kognitiven Wirkung für eine Gruppe von Nicht-Fachleuten auf dem Gebiet des Redners. In den Schlussfolgerungen werden die Resultate daher auch kontrastiv mit jenen der ExpertInnen dargestellt. Unter 5.7 wird schließlich die Hauptstudie präsentiert, die mit 58 Versuchspersonen einer Fachhochschule durchgeführt wurde, die als ExpertInnen im Fachgebiet des Redners bezeichnet werden können. Dabei werden neben den grundsätzlichen Fragen nach der Wirkung von Ausgangs- <?page no="18"?> 18 und Zieltext, die mittels des Hörverständnistests überprüft wurde, auch mögliche Beziehungen zwischen Testscore und Variablen wie Englischkenntnisse der ProbandInnen, Erfahrung mit NNS und Akzenten, Alter, Geschlecht untersucht. Im darauffolgenden Abschnitt 5.8 wird ein weiterer Versuchsdurchgang mit einer anderen Fachhochschule getrennt präsentiert, aber auch kontrastiv mit den Ergebnissen aus Pilot- und Hauptstudie beleuchtet. Es wird beschrieben, welche Umstände dazu geführt haben, dass die Ergebnisse dieses Versuchsdurchgangs nicht mit dem ersten zusammen gelegt wurden, obwohl es sich um vergleichbare Versuchspersonen handelte. Insgesamt nahmen nur 31 Studierende der zweiten Fachhochschule an dem Versuch teil. Interessant ist bei dieser Gruppe, dass sie sowohl aus Vollzeitals auch aus Teilzeitstudierenden bestand, was es erlaubte, Versuchspersonen mit mehr Arbeitserfahrung jenen mit weniger Expertise gegenüberzustellen. In Kapitel 6 werden zuerst die wichtigsten theoretischen Eckpunkte der Arbeit zusammenfassend betrachtet, die auch die Basis für die empirische Untersuchung darstellten. Dabei werden auch kritische Fragen an das neue Versuchsdesign gestellt. Im Anschluss werden schließlich die unterschiedlichen Ergebnisse zusammengefasst, kontrastiv beleuchtet und mit den Daten aus den theoretischen Kapiteln in Kontext gesetzt. Dabei wird auch das Thema „ELF und Verstehen“ im Lichte der Ergebnisse diskutiert. Abschließend werden die sich aus dieser Arbeit ergebenden Implikationen für die Bereiche Dolmetschdidaktik, professionelle DolmetscherInnen und Dolmetschwissenschaft besprochen. Auch das Thema der Prüfung der kognitiven Wirkung wird vor dem Hintergrund wünschenswerter zukünftiger Forschungsvorhaben betrachtet. Insgesamt besteht das Hauptanliegen dieser Arbeit darin, die beiden immer wieder als konkurrierend dargestellten Kommunikationsmodalitäten ELF und Dolmetschen einander erstmals konkret gegenüberzustellen. Nachdem ELF immer öfter als Ersatz für Dolmetschen eingesetzt wird, ist es an der Zeit, zu prüfen, ob diese Interaktionsmodi dieselbe Wirkung erzielen können und auch tatsächlich austauschbar sind. <?page no="19"?> 19 2 Qualität als Wirkungsäquivalenz Ausgangspunkt und Basis für diese empirische Arbeit bilden Überlegungen zum Konzept der Qualität beim Simultandolmetschen. Die Hauptforschungsfrage der vorliegenden Arbeit, auf die in der Folge noch genauer eingegangen wird, ist, ob eine Simultanverdolmetschung für ein Fachpublikum dieselbe Wirkung haben kann wie ein Vortrag in Englisch als Lingua Franca (ELF), was implizit auch die Frage der Qualität der Simultanverdolmetschung aufwirft. Bei diesem Ansatz meint Qualität Wirkungsäquivalenz: Ausgangstext (AT) und Zieltext (ZT) sollten demnach die gleiche kogntive Wirkung (also dieselbe Veränderung des Wissenstandes siehe 2.2.3.1) beim jeweiligen Publikum erzielen. Um diese Definition weiter zu vertiefen und in einen Kontext stellen zu können, sollen zuerst Qualität und Qualitätsforschung allgemein beschrieben werden. Im Anschluss wird ein Überblick über verschiedene Ansätze zur Bewertung von Qualität in der Dolmetschwissenschaft geboten, bei dem vor allem jener der Verständnisüberprüfung bei den ZuhörerInnen, der auf Wirkungsäquivalenz abzielt, besonders detailliert untersucht wird, da ebendieser in der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten experimentellen Studie zum Einsatz kommen soll. 2.1 Der Qualitätsbegriff allgemein und in der Dolmetschwissenschaft Qualität ist derzeit ein beliebtes Schlagwort in den unterschiedlichsten Bereichen des menschlichen Lebens und wird oft als oberstes Ziel von Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen postuliert. Während man unter Qualität allgemeinsprachlich die Beschaffenheit, die Güte oder den Wert eines Objektes versteht, so ist das Verständnis von Qualität in Bezug auf Sach- und Dienstleistungen immer noch in höchstem Maße heterogen und diffus, was dazu führt, dass es bis heute - auch im Bereich des Qualitätsmanagements - keine vollständig akzeptierte, überall anwendbare Qualitätsdefinition gibt (vgl. Bruhn 2004: 29). Allerdings ist der Begriff in der internationalen Fachsprache zum Qualitätsmanagement seit mehr als drei Jahrzehnten von verschiedenen Normierungsgremien (ISO, DIN 2 etc.) standardisiert (vgl. Zollondz 2006: 162). Eine Kurzfassung dieser Normen definiert Qualität als die „realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich Qualitätsanforderungen an diese“ (S. 166). 2 ISO - International Organization for Standardization DIN - Deutsches Institut für Normung <?page no="20"?> 20 Auch im Bereich des Dolmetschens wurde der Begriff Qualität oft besprochen und thematisiert, was zu einer Fülle an Beiträgen zu diesem Thema führte. Aus diesem Grund sollen in der Folge nur einige Ansätze exemplarisch besprochen werden. Nach wie vo€r fehlt es jedoch an einer allgemein anerkannten Definition dessen, was Qualität im Dolmetschbereich bedeutet, was auch anhand des folgenden Zitats von Kahane (2000) ersichtlich wird: The amazing thing is that there is no such consensus. Granted, users and interpreters agree on certain quality criteria, but significant differences remain as to nuances, and especially as to the very essence of the elusive concept of quality; quality for whom, assessed in what manner? (Kahane 2000: 1) Auch Grbić (2008) weist darauf hin, dass in der Qualitätsliteratur zum Dolmetschen Qualität selten als Konzept definiert wird, und die verschiedenen theoretischen Folgen der verschiedenen Qualitätsbegriffe selten systematisch untersucht werden. Viezzi (1999: 141) sieht einen Grund für diesen Mangel unter anderem darin, dass Dolmetschen eine Tätigkeit ist, die in verschiedensten Situationen und unter verschiedensten Umständen sowie auf unterschiedliche Arten ausgeübt werden kann. Qualität definiert er als das Erreichen von vier Zielen: Äquivalenz, Präzision, Angemessenheit und Verwertbarkeit (S. 146ff.). Pöchhacker (1994a: 242) plädiert für eine umfassende Qualitätssicherung beim Simultandolmetschen und spricht sich für eine Evaluierung der „quality under the circumstances” aus. Moser-Mercer (1996) prägte für den Bereich des Konferenzdolmetschens den Begriff der „optimum quality“: Optimum quality in professional interpreting implies that an interpreter provides a complete and accurate rendition of the original that does not distort the original message and tries to capture any and all extralinguistic information that the speaker might have provided subject to the constraints imposed by certain external conditions. (Moser-Mercer 1996: 44) Der Verweis auf external conditions erlaubt die Miteinbeziehung der Umstände, unter denen eine Verdolmetschung zustande kommt. Einige der Begriffe der obigen Definition sind jedoch nicht klar festzumachen. So kann eine Einschätzung darüber, was eine complete and accurate rendition ist, wohl schwer auf objektive und eindeutige Art und Weise getroffen werden. Kalina (2005: 772) ist der Meinung, dass Qualität beim Dolmetschen keine absolute Norm sei, die jederzeit erfüllt werden könne. Sie ist der Meinung, dass es ein Hochseilakt sei, bei dem man oft zwischen zwei Zielen abwägen müsse: z.B. Treue zum Original und Verständlichkeit für die ZuhörerInnen. Somit ist ihrer Meinung nach auch der Redner/ die Redne- <?page no="21"?> 21 rin für die Qualität verantwortlich, da er/ sie diese durch Faktoren wie Geschwindigkeit, Intonation oder Akzent beeinflussen kann. Eine sehr ausführliche und umfassende Klassifizierung von verschiedenen - meist impliziten - Qualitätskonzepten im Dolmetschbereich gibt Zwischenberger (2013: 17ff.). Sie stützt ihre Überlegungen unter anderem auch auf sich ändernde Normen, die zur Definition von Qualität führen, was bedeutet, dass Qualität immer nur in einem bestimmten sozialen und kulturellen Kontext zu einer bestimmten Zeit als solche definiert werden kann (vgl. dazu auch Garzone 2002). Trotz dieses offensichtlichen Mangels einer einheitlichen Qualitätsdefinition gab es verschiedenste Versuche, Qualität beim Dolmetschen zu untersuchen. Diese sollen im Folgenden kategorisiert und beschrieben werden. 2.2 Qualitätsforschungsansätze in der Dolmetschwissenschaft Wenngleich auch keine eindeutige Definition dessen, was eine qualitativ hochwertige Verdolmetschung ausmacht, existiert, gibt es doch eine Reihe von Studien, die sich mit der Untersuchung von Qualität befassten. Dabei wurden mehrere unterschiedliche Ansätze verfolgt. In dieser Hinsicht kann grob zwischen drei Arten der wissenschaftlichen Herangehensweise unterschieden werden: - die Untersuchung der Erwartungen von verschiedenen Personengruppen an eine Verdolmetschung - die Beurteilung tatsächlich erfolgter Verdolmetschungen durch verschiedene Betroffene - die Untersuchung der kognitiven Wirkung/ des kognitiven Endergebnisses einer Dolmetschleistung beim Publikum Die klare Unterscheidung zwischen den beiden ersten Ansätzen (Erwartung/ Beurteilung) wird z.B. von Pöchhacker (2001: 417) gefordert. Vor allem bei diesen beiden Herangehensweisen stellte sich immer wieder die Frage, von welcher Personengruppe die Erwartungen und Beurteilungen stammen sollten. Darauf soll in den folgenden Unterkapiteln noch genauer eingegangen werden. Auch im Fachbereich des Qualitätsmanagements unterscheidet man zwischen mehreren Qualitätsbegriffen, die auf den Perspektiven unterschiedlicher Personengruppen fußen. Neben der absoluten Qualität, die die höchstmögliche Vortrefflichkeit oder absolute Güte eines Produktes oder einer Dienstleistung beschreibt, und dem wertorientierten Qualitätsbegriff, bei dem Qualität aufgrund des Preis- Leistungs-Verhältnisses beurteilt wird (vgl. Zollondz 2006: 159f.), sind für unseren Zweck vor allem zwei Konzepte diesbezüglich hilfreich: <?page no="22"?> 22 - der produktbezogene Qualitätsbegriff, bei dem die Qualität von Dienstleistungen als Summe oder Niveau der vorhandenen Eigenschaften verstanden wird, und - der kundenbezogene Qualitätsbegriff, bei dem man sich auf die Wahrnehmung der Leistungen durch die KundInnen konzentriert. Für Unternehmen entstehen vor allem dann Probleme, wenn sich die Qualität aus unternehmensseitiger und kundenseitiger Perspektive stark unterscheidet (vgl. Bruhn 2004: 30f.). Obwohl die KundInnenperspektive als sehr bedeutend erachtet wird, sollten sich die Anforderungen an die Qualität von Dienstleistungen jedoch keinesfalls nur eindimensional an der Kundensicht orientieren. Sie stehen vielmehr in einem Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der KundInnen, der WettbewerberInnen und des Unternehmens selbst (S. 32). Dabei sollte auch nicht vergessen werden, dass diese Erwartungen auch sehr individuelle und situationsbezogene Ansprüche an die Dienstleistung sein können (S. 33). All diese Überlegungen können - wie im folgenden Abschnitt genauer beschrieben werden soll - auch auf den Bereich des Dolmetschens übertragen werden. 2.2.1 Qualitätserwartungen an Dolmetschleistungen In zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten - meist Fragebogenstudien - wurde versucht, zu ermitteln, was verschiedene Personengruppen unter Qualität beim Dolmetschen verstehen. Die Personengruppen, die für eine solche Einschätzung als geeignet erachtet wurden und werden, umfassen DolmetscherInnen und deren Berufsverbände, NutzerInnen von Verdolmetschungen, AuftraggeberInnen, AusbilderInnen oder aber auch ForscherInnen. Im Großteil der bisher durchgeführten Studien - inklusive der Pionierstudie in diesem Bereich von Bühler aus dem Jahr 1986 - wurden vor allem zwei Gruppen befragt: - DolmetscherInnen (z.B. Altman 1990, Feldweg 1996, Chiaro/ Nocella 2004, Zwischenberger/ Pöchhacker 2010 bzw. Zwischenberger 2013) und - NutzerInnen von Dolmetschleistungen (z.B. Kurz 1989, 1993, 1994, 1996, Meak 1990, Marrone 1993, Kopczyński 1994, Moser 1995, 1996, Mack/ Cattaruzza 1995, Mesa 1997 bzw. 2000, Andres 2000, Kadrić 2000). Dabei zeigten sich einerseits Unterschiede zwischen den Erwartungen und Anforderungen von DolmetscherInnen und jenen von NutzerInnen; andererseits wurde deutlich, dass auch verschiedene NutzerInnengruppen sehr unterschiedliche Erwartungen an Dolmetschleistungen stellen. Dies ist vor allem problematisch, wenn man als Ziel des Dolmetschens die Befriedigung der Anforderungen von sowohl RednerInnen als auch ZuhörerInnen <?page no="23"?> 23 definiert (vgl. Shlesinger 1997: 127). Es kommt zu dem im vorigen Abschnitt angesprochenen Spannungsfeld. Ein Hauptproblem bei der Gegenüberstellung dieser Studien stellen die Unterschiede im Versuchsdesign dar, die einen wissenschaftlich soliden Vergleich der Ergebnisse unmöglich machen. Ein allgemein gültiges Konzept davon, was unter einer qualitativ hochwertigen Verdolmetschung zu verstehen ist, kann aus den Ergebnissen somit nicht kumulativ abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang gibt es Stimmen, die einen einheitlichen Standard für Fragebögen und überhaupt klarere Richtlinien für die Umfragemethodik fordern (vgl. z.B. Moser-Mercer 2008: 144). Eine weitere Einschränkung dieser Umfragestudien sieht z.B. Garzone (2002: 117) darin, dass die Befragten dabei abstrakte Erwartungen an Qualität abgeben müssen und nicht sicher ist, ob sie bei einer Beurteilung einer echten Verdolmetschung dieselben Einschätzungen abgeben würden. Aus diesem Grund sollten aus den Ergebnissen solcher Umfragen allein auch keine Qualitätskonzepte abgeleitet werden. Garzone selbst und andere WissenschafterInnen konnten auch tatsächlich belegen, dass Erwartungen und Beurteilungen oft weit auseinanderklaffen. Dies wird im nächsten Abschnitt genauer besprochen werden. 2.2.2 Beurteilungen von Dolmetschleistungen Nicht um abstrakte Einschätzungen, sondern um konkrete Bewertungen von gehörten Dolmetschleistungen geht es in diesem Abschnitt. Auch diese Beurteilungen können von verschiedenen Personengruppen getätigt werden. Dafür in Frage kommen abermals KollegInnen, NutzerInnen, ForscherInnen und AusbilderInnen, wobei letztere eine solche Beurteilung wohl am öftesten vornehmen, da diese fixer Bestandteil des Dolmetschunterrichts sind. 2.2.2.1 Beurteilung durch NutzerInnen In wissenschaftlichen Studien wurden oft BenutzerInnen als BeurteilerInnen eingesetzt (z.B. Gile 1990, Ng 1992, Marrone 1993, Vuorikoski 1993 (kons), 1998 (sim), Mack/ Cattaruzza 1995, Collados Aís 1998, SCIC 2007, 2010). Dies entspräche einem Qualitätsansatz, der nach Pöchhacker (2002: 96) als ZuhörerInnenorientierung bezeichnet werden könnte. Seleskovitch (1986: 236) ist der Meinung, dass dieser Ansatz sehr sinnvoll ist, da Dolmetschen kein Selbstzweck sei, und die Kommunikationskette nicht in der Dolmetschkabine ende. Obwohl sich die meisten WissenschafterInnen dem anschließen und wie z.B. Kurz (2001: 398) die ZuhörerInnen als essentielles Element im (Dolmetsch-)Prozess sehen, stellten viele die Frage, inwieweit UserInnen tatsächlich in der Lage seien, eine gehörte Dolmetschleistung zu beurteilen. <?page no="24"?> 24 Diesbezüglich ist Seleskovitch (1986) der Ansicht, dass NutzerInnen gute BeurteilerInnen sein können - jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: The end-user can also be a good judge, provided he is never specifically asked in advance to do so. Delegates who are asked to listen to an interpreter in order to give an opinion on the quality of an interpretation are likely to start checking whether words tally or whether the grammar is correct rather than using the interpretation services as they normally would, i.e., in order to get the sense of what is being said. Delegates should be asked for their comments only after a meeting has ended. (Seleskovitch 1986: 236) Andere WissenschafterInnen wie beispielsweise Kalina (2002a: 39) bezweifeln jedoch, dass Qualität mit der Erfüllung der Erwartungen der ZuhörerInnen gleichzusetzen ist. Shlesinger stellt die Frage, ob die BenutzerInnen wirklich wissen, was eine „ideale“ Verdolmetschung für sie ist, und fragt pointiert: „Do our clients know what’s good for them? “ (Shlesinger 1997: 126). ZuhörerInnen verstehen meist den Ausgangstext nicht und dürften daher als alleinige BeurteilerInnen nicht in Frage kommen, da z.B. viele von einer flüssigen Wiedergabe auf eine hohe Qualität schließen könnten, auch wenn diese in Bezug auf Treue zum Original nicht gegeben ist, oder umgekehrt (S. 127). Kalina (1994: 229) zeigte jedoch bei einem ihrer eigenen Projekte, dass auch professionelle DolmetscherInnen und WissenschafterInnen vor einer solchen oberflächlichen Fehleinschätzung nicht gefeit sind. Dies gilt auch für Einschätzungen über die eigene Dolmetschleistung (vgl. Moser-Mercer 1996: 45f.). Fest steht, dass sich NutzerInnen aufgrund dessen, dass sie den AT nicht verstehen, bei der Beurteilung großteils auf Kriterien wie logischen Zusammenhang oder Plausibilität der Verdolmetschung verlassen müssen. Aus den Erwartungsbefragungen dieser Personengruppe ging oft hervor, dass ihnen der Inhalt einer Verdolmetschung wichtiger ist als die Form (vgl. Kalina 2002b: 123). Eben die sinngemäße Wiedergabe des Inhalts - den für sie wichtigsten Parameter - können sie aber im Normalfall nicht beurteilen, da ihnen der sprachliche Zugang fehlt. Außerdem kann angenommen werden, dass manche NutzerInnen Verdolmetschungen an Maßstäben der monolingualen Kommunikation messen (vgl. Kalina 2005: 775) und die dolmetschspezifischen Komponenten nicht miteinbeziehen. Daher sind BenutzerInnen-Befragungen zur Feststellung von Dolmetschqualität nicht ausreichend (S. 776). Grbić (2008: 237) weist des Weiteren darauf hin, dass subjektive Beurteilungen - wie z.B. durch KundInnen - oft von ersten Eindrücken, Vorurteilen oder Gefühlen - also Stereotypen und Emotionen - beeinflusst werden. Dies wurde in einer Studie von García Becerra (2008) empirisch bestätigt, <?page no="25"?> 25 bei der sich zeigte, dass vor allem non-verbale Parameter den ersten Eindruck einer Verdolmetschung prägen. Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits angesprochen, dass die Angaben über Erwartungen an Dolmetschleistungen und die tatsächliche Bewertung solcher oft weit auseinanderklaffen können. Erstmals wissenschaftlich belegt wurde dies von Collados Aís (1998). In ihrer Versuchsreihe zeigte sich, dass Parameter, die NutzerInnen in der abstrakten Erwartungseinschätzung als wenig bedeutend eingestuft hatten, die Beurteilung von tatsächlichen Leistungen stark beeinflussten. Dieser Ansatz wurde auch von Garzone (2003) und Cheung (2003) sowie von anderen Mitgliedern von Collados‘ Forschungsteam an der Universität Granada (vgl. Collados Aís et al. 2007, 2011) in Bezug auf weitere Qualitätsparameter verfolgt und lieferte ähnliche Ergebnisse. Untersuchte Qualitätsparameter waren z.B. Intonation, Stimme (Iglesias Fernández 2007, 2011), Akzent (Stéveaux 2007, 2011) oder Flüssigkeit (Pradas Macías 2007, 2011). 2.2.2.2 Beurteilung durch KollegInnen/ Berufsverbände Eine Beurteilung von Dolmetschleistungen erfolgt oftmals auch durch KollegInnen. Dabei handelt es sich meist nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung von Qualität, sondern vielmehr um eine Art von Gate- Keeping in mehreren Tätigkeitsbereichen von DolmetscherInnen. So ist etwa die Mitgliedschaft in Berufsverbänden oft erst möglich, wenn KollegInnen für die Qualität eines Bewerbers/ einer Bewerberin bürgen. Dies ist beispielsweise beim internationalen Konferenzdolmetscherverband AIIC der Fall, bei dem BewerberInnen neben 150 Arbeitstagen auch mindestens drei BürgInnen angeben müssen, die ihre Qualität „attestieren“. Diese müssen selbst AIIC-Mitglieder sein, mit den BewerberInnen gearbeitet und ihnen zugehört haben (vgl. AIIC 2009). Kalina (2009: 174) weist darauf hin, dass eine solche Erfassung der Qualität mittels Beurteilung oder Einschätzung durch KollegInnen eher intuitiv erfolgt. Eine Beurteilung durch KollegInnen mit ebenfalls weitreichenden Folgen für die DolmetscherInnen erfolgt bei Akkreditierungstests für internationale Organisationen, wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union. Bei der EU wird zum Beispiel anhand je einer erbrachten Dolmetschleistung pro Sprache und Dolmetschmodus (konsekutiv und simultan) von einer Jury beurteilt, ob ein/ e KandidatIn den Anforderungen entspricht oder nicht. Dabei verlassen sich die Jurymitglieder auf ihren persönlichen Eindruck und den während der Verdolmetschung getätigten einmaligen Vergleich zwischen mündlichem Ausgangs- und mündlichem Zieltext. Auch bei Beurteilungen im didaktischen Bereich stützt man sich meist auf einen solchen, rein auditiven Vergleich, der ebenfalls oft intuitiver Art ist (vgl. Kalina 2007: 155). Während Seleskovitch (1988: 122) der Meinung <?page no="26"?> 26 ist, dass DolmetscherInnen diese Art von Beurteilung leicht falle, weist Mack (2002) darauf hin, dass eine solche auditive Gegenüberstellung nicht einfach und auch nicht unumstritten ist: Ein Vergleich [der Verdolmetschung, Anm. d. Autorin] mit dem fast zeitgleich artikulierten Ausgangstext erfordert zwar eine beträchtliche kognitive Anstrengung, ist ihnen [den BeurteilerInnen, Anm. d. Autorin] aber immerhin möglich. Wie unsicher und oft widersprüchlich solche Ergebnisse trotzdem sein können, zeigt sich schnell, wenn mehrere Personen unabhängig voneinander konkrete Verdolmetschungen beurteilen und ihre Kriterien explizit machen sollen. (Mack 2002: 111) Die Schwierigkeit solcher Beurteilungen ergibt sich vor allem aus der Flüchtigkeit von Dolmetschleistungen, die per definitionem nicht statisch oder beliebig oft wiederholbar sind (vgl. z.B. Garzone 2002: 107). Diese Flüchtigkeit zu überwinden versuchte man bei der im nächsten Abschnitt beschriebenen Herangehensweise. 2.2.2.3 Produktorientierte Beurteilungen Eine Beurteilung von erbrachten Dolmetschleistungen wurde auch des Öfteren durch WissenschafterInnen vorgenommen, die diese vor allem als „Produkt“ untersuchten. In ersten Arbeiten wurden vor allem transkribierte Dolmetschleistungen im Vergleich zu ebenfalls transkribierten Ausgangsreden untersucht, womit man die „Volatilität“ der Verdolmetschung zu überwinden suchte. Man konzentrierte sich auf rein linguistische Textanalysen mit oft kritisierten Fehlerkategorien (vgl. Barik 1971, Gerver [1969]/ 2002) 3 . Dabei wurden jedoch bedeutende Parameter wie die Textfunktion oder die Präsentation weitgehend ausgeblendet (vgl. Kalina 2009: 169), was aber auch Barik selbst anerkannte. Er beschrieb sein Kodierungssystem als subjektiv und merkte an, dass Qualität nicht dadurch allein überprüft werden könne (vgl. Barik 1971: 207). Um diese Einschränkungen zu überwinden, schlägt Pöchhacker (1994b) eine deskriptive Transkription und Analyse vor, die über die linguistischen Komponenten hinaus auch den Hypertext und die Situation, in der eine Dolmetschleistung erbracht wurde, berücksichtigt. Einer solchen Beurteilung entsprechen die von ihm als „corpus-based observation” beschriebenen Studien (Pöchhacker 2001: 419), zu denen man Arbeiten von Cokely (1992), Pöchhacker (1994b), Kalina (1998) oder Vuorikoski (2004) zählen kann. Zahlreiche weitere Arbeiten bedienten sich ebenfalls textuell orientierter Evaluierungsschemata. Hier seien nur zwei erwähnt, um exemplarisch darzustellen, welche anderen Ansätze zum Einsatz kamen: Tommola/ Lindholm (1995) zerlegten AT und ZT auf der Basis von kognitionspsy- 3 Siehe dazu auch Pöchhacker (2004: 142f.) <?page no="27"?> 27 chologischen Modellen in Propositionen und prüften dann den Grad an Übereinstimmung; und Proffitt (1997) wendete Carroll-Skalen an, anhand derer BeurteilerInnen Sätze des AT und ZT nach Verständlichkeit und Informationsgehalt bewerteten 4 . Andere ForscherInnen versuchten beim Vergleich zwischen AT und ZT deskriptiver vorzugehen und auf Qualitätseinschätzungen weitgehend zu verzichten (vgl. z.B. Hatim/ Mason [1997]/ 2002 oder Dam [1998]/ 2002). 2.2.2.4 Fallstudien über Dolmetschleistungen Um Qualität beim Dolmetschen tatsächlich holistisch betrachten zu können, schlägt Pöchhacker (2002: 105) vor, die zuvor angesprochenen Korpusanalysen auch noch mit Interviews, Beobachtung der TeilnehmerInnen und einer Analyse verfügbarer Dokumente zu verbinden. Eine Arbeit, die diesen hohen Ansprüchen genügt, stammt von Wadensjö (1998), die neben einer Analyse eines Corpus von zwanzig authentischen Interaktionen mit Verdolmetschung im medizinischen und behördlichen Bereich an den gedolmetschten Interaktionen auch als Beobachterin teilnahm und Interviews mit den Bedolmetschten und den eingesetzten DolmetscherInnen durchführte. Ebenfalls dieser Kategorie zuordnen könnte man die Arbeit von Diriker (2004), die eine gesamte Konferenz mit Verdolmetschung aufnahm, die Aufnahmen transkribierte sowie Beobachtungen vor Ort anstellte und Interviews mit den RednerInnen, den TeilnehmerInnen und DolmetscherInnen führte. Dabei legte sie besonderes Augenmerk auf die Rolle der DolmetscherInnen, die ihre Beziehung zu den RednerInnen und ZuhörerInnen ständig neu ausverhandeln. Bei einer solchen Analyse können auch die von Kalina als „periperformatorischen Bedingungen“ (Kalina 2007: 166) betitelten Umstände einer Verdolmetschung berücksichtigt werden, zu denen sie Faktoren wie die Verfügbarkeit von Dokumenten, die Arbeitsbedingungen und andere Merkmale einer spezifischen Konferenzsituation zählt. 2.2.3 Wirkung von Dolmetschleistungen bei den ZuhörerInnen Qualität oder Güte zu definieren, bedeutet auch eine wertende Aussage über ein Produkt oder eine Dienstleistung zu tätigen, die sich auf einen zu erfüllenden Zweck bezieht. Das bedeutet, dass man indirekt eine Zielsetzung vor Augen hat und überprüft, ob die sogenannte fitness for use eines Produkts oder einer Dienstleistung gegeben ist (vgl. Zollondz 2004: 158). Um diese fitness for use für eine Dolmetschleistung überprüfen zu können, muss 4 Eine Diskussion darüber bietet auch Pöchhacker (2004: 141f.) <?page no="28"?> 28 jedoch erst die Frage beantwortet werden, was denn der Zweck einer Verdolmetschung ist. Schon einer der Pioniere des Berufsstandes, Jean Herbert, war der Ansicht, dass DolmetscherInnen die Aufgabe haben, dem Publikum den vom Redner gemeinten Sinn und den gewünschten Eindruck zu vermitteln (vgl. Herbert 1952: 23). Seleskovitch (1988: 101) ist ähnlicher Auffassung und denkt, dass eine Verdolmetschung ebenso gut verständlich sein soll wie der Ausgangstext: Ziel des Dolmetschers ist es, seinen Zuhörern die Aussage absolut getreulich weiterzuvermitteln, das heisst, sie ihnen ebenso gut verständlich zu machen, wie sie von denen verstanden worden ist, die sich den Redner im Original anhören.(Seleskovitch 1988: 101) Auch Déjean Le Féal (1990) schlägt in dieselbe Kerbe und meint, dass eine Verdolmetschung denselben kognitiven Inhalt und dieselbe Wirkung auf die ZuhörerInnen haben sollte wie ein Originalvortrag: What our listeners receive through their earphones should produce the same effect on them as the original speech does on the speaker’s audience. It should have the same cognitive content and be presented with equal clarity and precision in the same type of language. Its language and oratory quality should be at least on the same level as that of the original speech, if not better, given that we are professional communicators, while many speakers are not, and sometimes even have to express themselves in languages other than their own. (Déjean Le Féal 1990: 155) Viezzi (1999: 143) betrachtet die Dienstleistung Dolmetschen vor allem als Bedürfnisbefriedigung. Qualität meint in diesem Ansatz eigentlich eine gelungene Kommunikation zwischen den interagierenden Parteien in einem bestimmten Interaktionskontext (vgl. Pöchhacker 2002: 97). Mack (2002: 116) siedelt diese Qualität auf einer sprachpragmatischen Makroebene an und misst sie am Grad, zu dem es DolmetscherInnen gelingt, das zu erreichen, was die RednerInnen wollen. Auch Vuorikoski (2004: 71) glaubt, dass die Bedolmetschten denselben Eindruck einer Rede bekommen sollten wie die ZuhörerInnen, die die Rede im Original gehört haben. Dies würde also bedeuten, dass eine Verdolmetschung den Zweck hat, eine Botschaft in einer Ausgangssprache mit demselben Inhalt, in derselben Klarheit und mit derselben Wirkung in einer anderen Sprache wiederzugeben, was ein Verstehen und Erreichen der Absichten der AusgangsrednerInnen über die Sprachgrenzen hinweg ermöglicht. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie überprüft werden kann, ob diese Ziele tatsächlich erreicht wurden. Kalina (2005: 772) meint beispielsweise, diese Frage sei (bisher) ungelöst. <?page no="29"?> 29 Laut Vermeers (1978: 101) Kohärenzregel ist eine Translation geglückt, wenn von den EmpfängerInnen kein Protest eingelegt wird, was jedoch in Wirklichkeit wohl eher in Ausnahmesituationen geschieht. Meist ist die erfolgreiche oder -lose Zielerreichung für die RezipientInnen auch gar nicht nachvollziehbar. In Konferenzen mit Diskussionscharakter kann das Funktionieren der Kommunikation zwischen den TeilnehmerInnen ein Hinweis darauf sein (vgl. Déjean Le Féal 1990: 156). Dieser Konferenztypus ist jedoch eher selten anzutreffen bzw. ist der Diskussionscharakter bei Konferenzen meist nur in den Frage-Antwort- Runden nach Vorträgen gegeben. Déjean Le Féal bringt dieses Messen der Zielerreichung auch in Zusammenhang mit Englisch als Lingua Franca. Sie ist der Meinung, dass eine Dolmetschleistung zumindest verständlich sein sollte, wenn die Dolmetsch-Community verhindern will, dass Englisch als einzige Arbeitssprache zum Einsatz kommt und auf Verdolmetschungen gänzlich verzichtet wird (vgl. auch Kalina 2005: 782). Um dies feststellen zu können, sei es nötig, das Verständnis eines Benutzers/ einer Benutzerin der Verdolmetschung jenem von vergleichbaren ZuhörerInnen, die den Vortrag im Original hören, gegenüberzustellen (S. 159). Eine solche Gegenüberstellung von AT- und ZT-Wirkung fordert auch Kalina, um den Erfolg der ZT- Wirkung zu überprüfen (2009: 170). Déjean Le Féal merkt jedoch an, dass es sehr schwierig wäre, das in einem Versuch durchzuführen. Auch Pöchhacker plädiert für eine Qualitätsbeurteilung auf der Basis der Untersuchung des kognitiven Endergebnisses, d.h. dessen, wie gut die ZuhörerInnen die gedolmetschte Botschaft verstanden haben (vgl. Shlesinger 1997: 130). Er ist der Meinung, dass rein linguistische Analysen einer Verdolmetschung zu kurz greifen: [...] the concept of quality cannot be pinned down to some linguistic substrate but must be viewed also at the level of its communicative effect and impact on the interaction within particular situational and institutional constraints. (Pöchhacker 2001: 421) Auch er ist der Ansicht, dass das Dolmetschen zwischen Personen mit unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen eine Dienstleistung sei, die vor allem ein Bedürfnis befriedigen solle (S. 421). Kalina (2005: 774) stellt diesbezüglich die berechtigte Frage, ob die Wirkung einer Verdolmetschung auf das Publikum nicht auch aufgrund anderer Faktoren - also nicht der Verdolmetschung - von der auf die OriginalzuhörerInnen abweichen könnte, z.B. aufgrund kultureller Unterschiede. Außerdem ist es allgemein schwierig, die Äquivalenz einer Wirkung bei verschiedenen Personen auszumachen. Ein Vortrag könnte auch innerhalb eines Publikums mit derselben Sprache unterschiedliche Wirkungen auslösen. Die Bereitschaft, etwas zu verstehen, die Ziele beim Verstehen und die <?page no="30"?> 30 Kapazitäten beim Verstehen können sehr unterschiedlich sein (vgl. Kalina 2009: 170). Diese Einflussgrößen hängen stark von Faktoren wie persönlichem Interesse, Motivation etc. ab. Damit hinterfragt Kalina kritisch die Forderung nach absoluter Äquivalenz zwischen AT und ZT, was in der Übersetzungswissenschaft schon oft getan wurde (vgl. Nord 1999: 141ff.). Die Äquivalenzforderung - auch was die gleiche Wirkung von AT und ZT betrifft - wurde in der Übersetzungswissenschaft schon früh postuliert und im Anschluss auch kritisch betrachtet und diskutiert. 5 In der Dolmetschwissenschaft - und vor allem im Bereich des Konferenzdolmetschens - wurde die Wirkungsäquivalenz jedoch bisher selten wirklich in Frage gestellt. Auch aus Studien zur Erwartungshaltung von sowohl DolmetscherInnen als auch NutzerInnen geht immer wieder hervor, dass das Kriterium sense consistency with the original durchgehend an der Spitze der Forderungen an eine Dolmetschleistung steht. Wenn Sinnübereinstimmung beansprucht wird, so kann das als Forderung nach Aktivierung des gleichen kognitiven Inhalts bei AT- und ZT- Publikum verstanden werden. Eine rezente Umfrage unter Mitgliedern der AIIC und des deutschen DolmetscherInnen-Berufsverbandes VKD (Zwischenberger 2013: 319f.) geht über die Sinnübereinstimmung hinaus und zeigt, dass die Norm der „gleichen Wirkung von AT und ZT“ eine der höchsten Maximen unter KonferenzdolmetscherInnen darstellt. Wenngleich es auch im Konferenzdolmetschbereich Ansätze gibt, denen zufolge der ZT ein eigenständiger Text ist, der vor allem die Funktion der Verständlichkeit zu erfüllen hat (vgl. Pöchhacker 1994b), so wird bei den meisten Beurteilungsmodellen doch Äquivalenz als Ziel meist implizit vorausgesetzt (vgl. Pöchhacker 2004: 52). Selbst wenn in neueren Modellen auch Kontext, Situation etc. einer Dolmetschleistung miteinbezogen werden, so werden doch meist AT und ZT - unter den vorherrschenden Bedingungen - gegenüber gestellt. Die Frage danach, wie die gleiche Wirkung von AT und ZT zu messen sei, bleibt jedoch offen (vgl. Salevsky 1998: 57), ebenso wie die Frage, was die gleiche Wirkung ausmacht. 2.2.3.1 Exkurs - Kommunikation und Wirkung Bevor dieses Thema eingehender diskutiert wird, sollte zuerst noch der Begriff der kommunikativen Wirkung genauer besprochen werden. Betrachtet man die menschliche Kommunikation als soziales Handeln, so haben alle KommunikatorInnen theoretisch zumindest eine allgemeine Intention, nämlich Verständigung zwischen sich und ihren KommunikationspartnerInnen herzustellen. Diese Verständigung wird dann erreicht, 5 Einen ausführlichen Überblick über die Äquivalenzdiskussion in der Übersetzungswissenschaft bietet Prunč (2002: 33ff.) <?page no="31"?> 31 wenn die InteraktantInnen die jeweils gemeinten Bedeutungen tatsächlich miteinander teilen (vgl. Burkart 2002: 25f.). Die Kommunikation ist somit ein implizit reziproker Prozess (S. 67), bei dem alle Beteiligten auch die Intention haben müssen, kommunizieren bzw. verstehen zu wollen. Im Falle einer gemittelten Kommunikation wie beim Dolmetschen sollten also die AT-RednerInnen und AT-EmpfängerInnen sowie die ZT-RednerInnen (also die DolmetscherInnen) und die ZT-EmpfängerInnen die gemeinte Bedeutung teilen. Eine solche Situation ist jedoch ein Idealzustand, „an den man sich bestenfalls annähern, den man aber (wahrscheinlich) niemals wirklich erreichen kann“ (Burkart 2002: 26). Ein Grund dafür ist, dass Bedeutungsinhalte über Zeichen vermittelt werden. Diese Zeichen werden oft stellvertretend für etwas Gemeintes eingesetzt - als Symbole (vgl. Burkart 2002: 62f.). Diesen Symbolen können jedoch von den KommunikationspartnerInnen unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden, die auf Unterschiede im persönlichen Erfahrungsbereich zurückzuführen sind und die bei fehlender Deckungsgleichheit Missverstehen verursachen können (S. 112). Ebenso kann aber auch der pragmatische Verwendungssinn einer sprachlichen Aussage von KommunikatorIn und RezipientIn unterschiedlich interpretiert und somit die sprachliche Handlung missverstanden werden. Dies tritt ein, wenn die KommunikationspartnerInnen die Kommunikationssituation und das wechselseitige Verhältnis zueinander unterschiedlich deuten und somit voneinander abweichende Verhaltenserwartungen haben. Es kommt zu Missverständnissen auf der intersubjektiven Ebene (S. 116ff.). Die „unterschiedliche Wirkung“ eines Vortrags, die unter Verweis auf Kalina im vorigen Abschnitt angesprochen wurde, könnte somit darauf basieren, dass Symbole oder sprachliche Handlungen unterschiedlich verstanden oder interpretiert werden. Die Information und die Bedeutung, die die RednerInnen weitergeben wollen, werden somit nicht einfach nur übertragen, sondern werden von den KommunikationspartnerInnen individuell konstruiert (vgl. Beck 2007: 27). Menschen reagieren auf dieselben Reize individuell, soziokulturell und situativ unterschiedlich, was bedeutet, dass dieselbe Aussage in zwei verschiedenen Kontexten unterschiedlich verarbeitet werden kann, oder von zwei Individuen in derselben Situation völlig verschieden gedeutet werden kann (S. 47). Dabei spielt jedoch auch der/ die SenderIn eine bedeutende Rolle. Die Intention der Verstehenshandlung der RezipientInnen richtet sich nämlich auch darauf, was das Zeichen/ Wort für den/ die SenderIn bedeutet, auf den subjektiven Sinn. Das impliziert jedoch gleichzeitig, dass Fremdverstehen immer eine Interpretation bleiben muss und nie vollständig sein kann (S. 36). Somit dürfte es höchst unwahrscheinlich sein, dass völlige Wirkungsäquivalenz jemals gegeben ist, auch wenn es sich um ein rein einsprachiges Publikum handelt. <?page no="32"?> 32 Zum Begriff der Wirkung: Beck (2007) beschreibt Wirkung als „Veränderung eines Zustands aufgrund einer Ursache“ (S. 191). Dabei gibt er drei Bereiche an, in denen die Wirkung Veränderungen hervorrufen kann: Wissen, Einstellung, Verhalten. Devito (1997: 12) spricht dementsprechend von kognitiver Wirkung (Änderung in Bezug auf Wissen), affektiver Wirkung (Änderung von Einstellungen, Überzeugnungen und Gefühlen) und psychomotorischer Wirkung (Änderung von Verhalten). Dem könnte man Bühlers Organon-Modell ([1934]/ 1999) gegenüberstellen, bei dem drei Dimensionen beschrieben werden, die jedem sprachlichen Zeichen innewohnen: die Darstellungsfunktion, mit der Aussagen über die Welt und über Sachverhalte getroffen werden - eventuell vergleichbar mit der Wirkungsart Wissen; die Appellfunktion, mit der bestimmte Reaktionen bei den ZuhörerInnen ausgelöst werden sollen - vergleichbar mit der Wirkungsart Verhalten; die Ausdrucksfunktion zum Mitteilen von Gefühlen und Einstellungen der SprecherInnen - vergleichbar mit der Wirkungsart Einstellung. Im Falle des Dolmetschens verhielte es sich so: die Wirkung einer Verdolmetschung wäre die Veränderung der Einstellung/ des Wissens/ des Verhaltens der ZuhörerInnen aufgrund des Aufnehmens und Verarbeitens einer gemittelten Botschaft. Welche Wirkungsart eintritt, wird wohl großteils davon abhängen, um welche Art von kommunikativem Setting es sich handelt. Bei einer Fachkonferenz wird am ehesten eine Veränderung des Wissens im Vordergrund stehen und somit auf eine kognitive Wirkung abgestellt werden, während bei einer politischen Veranstaltung vielmehr eine Veränderung der Einstellung und sogar des Verhaltens erwünscht sein wird. Diese Übergänge sind jedoch fließend, da es durchaus auch bei einem Fachkongress RednerInnen geben kann, die die Einstellung des Publikums durch ihren Vortrag verändern oder sogar ihr Verhalten beeinflussen möchten. Angesichts dieser Überlegungen kann man somit keinesfalls davon ausgehen, dass eine Rede und deren Verdolmetschung tatsächlich exakt dieselbe Wirkung bei auch nur zwei RezipientInnen haben könnte. Trotzdem ist anzunehmen, dass der Zeichenvorrat bei Personen, die einer Gruppe angehören, durch Tradition, Sozialisation und Konvention ähnlich sein kann (vgl. Beck 2007: 26). Wenngleich nicht alles völlig identisch verstanden und ausgelegt wird, so werden doch viele Parallelen in der konstruierten Information bestehen. Ansonsten wäre die menschliche Kommunikation in ihrer Gesamtheit zum Scheitern verurteilt. Offen bleibt die Frage, wie überprüft werden kann, ob AT und ZT einen zumindest ähnlichen kognitiven Effekt beim Publikum des AT bzw. ZT ausgelöst haben und ob das kognitive Endergebnis - also die Veränderung des Wissensstandes - in beiden Gruppen vergleichbar ist. Schon mehrere <?page no="33"?> 33 Jahrzehnte vor den Überlegungen zu Qualität als Wirkungsäquivalenz in der Dolmetschwissenschaft befasste sich David Gerver damit, wie die kognitive Wirkung bei ZuhörerInnen von Verdolmetschungen gemessen werden könnte, was im nächsten Abschnitt genauer beschrieben werden soll. 2.2.3.2 Prüfung der kognitiven Wirkung durch Hörverständnistests Angesichts der vielen oben genannten Bezugnahmen auf die Wirkung von Originalvorträgen vs. Verdolmetschungen ist es tatsächlich überraschend, dass bisher nur wenige empirische Arbeiten in diesem Bereich vorliegen. Diese stammen des Weiteren bis auf die ersten drei beschriebenen allesamt aus dem Bereich des Gebärdensprachdolmetschens. Als Pionier in Bezug auf das Messen von Verständnis bei ZuhörerInnen von Dolmetschleistungen kann David Gerver bezeichnet werden (vgl. Pöchhacker 2004: 145). Gerver (1972, 1976) versuchte jedoch nicht das Verständnis bei den ZuhörerInnen des Originalvortrags vs. der Verdolmetschung zu vergleichen, sondern stellte die kognitive Wirkung von Konsekutivdolmetschungen denen von Simultandolmetschungen gegenüber. Dabei waren die Konsekutivdolmetschungen ohne Nebengeräusche zu hören und die Simultandolmetschungen mit der üblichen Lärmbelästigung für ZuhörerInnen in einem Konferenzsaal, wo man trotz Kopfhörern auch den Originalvortrag hören kann. Jeweils 15 Versuchspersonen hörten die Konsekutivbzw. die Simultanversion der Verdolmetschung und beantworteten anschließend zehn Verständnisfragen zum Vortrag. Bei der Analyse der Ergebnisse dieses Hörverständnistests wurden keine Unterschiede beim Verständnis zwischen den beiden Gruppen festgestellt. Bei einer Replikation dieses Versuchs mit zwei Arten von zusätzlichen Störgeräuschen zeigte sich, dass die Ergebnisse für das Konsekutivdolmetschen - wenn auch nicht signifikant - besser waren als jene für das Simultandolmetschen und dass sich die Nebengeräusche in den Kopfhörern beim Simultandolmetschen negativer auf das Verständnis auswirkten als beim Konsekutivdolmetschen (vgl. Gerver 1976: 176f.). Bedauerlicherweise wurden weder die Verständnisfragen noch der Fragentypus, die zum Einsatz kamen, ausführlicher beschrieben. Aus dem Forschungsbericht (Gerver 1972) geht lediglich hervor, dass die Fragen einen bis vier „Punkte“ aus jedem Abschnitt des Vortrags abdeckten. Außerdem wurde festgehalten, dass die ZuhörerInnen jeweils 45 Sekunden Zeit zum Beantworten jeder Frage hatten und ihnen die Fragen auf separaten Kärtchen in unterschiedlicher Reihenfolge präsentiert wurden. Die Tatsache, dass den Versuchspersonen die Fragen in unterschiedlicher Abfolge vorgelegt wurden, könnte die Testergebnisse beeinflusst haben. Eine Reihenfolge, die zufälligerweise der Chronologie des Vortrags eher entsprach, wäre wahrscheinlich leichter zu beantworten als völlig durcheinander gewürfelte Fragen. Einen weiteren Einflussfaktor auf die Ergebnisse könnte auch die Tatsache darstellen, <?page no="34"?> 34 dass der Dolmetscher vor der Aufnahme der Simultan- und Konsekutivdolmetschung mit dem Vortrag üben durfte. Es wäre gut möglich, dass diese Übung einen größeren positiven Effekt auf die Konsekutivals auf die Simultanleistung hatte, da bei der Konsekutiven somit eigentlich nur ein bekannter Vortrag mit Notizen reproduziert werden musste, während anzunehmen ist, dass beim Simultandolmetschen - allein durch die zeitliche Abhängigkeit vom Original - der kognitive Aufwand des Dolmetschers trotz Übens immer noch höher war. Ein weiterer das Versuchsdesign betreffender, anzusprechender Punkt ist, dass die Konsekutivdolmetschung den Versuchspersonen über Kopfhörer eingespielt wurde. Dies entspricht nicht der üblichen Hörsituation beim Konsekutivdolmetschen, bei der die ZuhörerInnen immer Nebengeräuschen im Saal - wie Flüstern im Publikum, Rücken von Sesseln etc. - ausgesetzt sind, und kann somit keine Repräsentativität für das Konsekutivdolmetschen beanspruchen. Des Weiteren wurde angegeben, dass die Versuchspersonen wenig oder gar keine Französischkenntnisse hatten. Die Versuchspersonen in der Konsekutivgruppe hörten jedoch wie in einem echten Konferenzsetting den französischen Vortrag vor der Konsekutivdolmetschung. Jene mit geringen Französischkenntnissen könnten manche Redeteile schon im Original verstanden haben, was ihnen einen Vorteil gegenüber der Simultangruppe verschafft hätte. Trotz all dieser methodischen Einschränkungen stellen Gervers Versuche eine Pionierleistung und einen bedeutenden ersten Schritt im Bereich der Analyse der kognitiven Wirkung von Dolmetschleistungen dar. Eine weitere Studie, die sich mit dem kognitiven Endergebnis von Dolmetsch-leistungen beschäftigte, stammt von Shlesinger (1994). Auch dabei ging es nicht um einen Vergleich zwischen dem Verständnis von Original und Verdolmetschung, sondern um eine Gegenüberstellung von zwei Versionen einer Verdolmetschung. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Intonation, die bei Verdolmetschungen oft vom üblichen Betonungsmuster gesprochener Sprache abweicht, was von der Autorin als „interpretational intonation” bezeichnet wird. Es sollte untersucht werden, ob diese dolmetschtypische Intonation Auswirkungen auf das Verständnis der ZuhörerInnen haben würde. Dafür wurden drei Passagen aus echten Verdolmetschungen in tatsächlichen Konferenzsituationen ausgewählt. Diese wurden transkribiert und von den DolmetscherInnen, die sie ursprünglich gedolmetscht hatten, vom Transkript verlesen, wobei sie ebenfalls aufgenommen wurden. Jede der Versionen wurde jeweils einer Gruppe von ZuhörerInnen vorgespielt, die im Anschluss daran jeweils drei Verständnisfragen pro Passage beantworten sollten. Die Antworten waren laut Autorin nicht inferenzierbar, was den Test zu einem reinen Erinnerungs- und Verständnistest machte. Die Analyse zeigte, dass die Gruppe, die das verlesene Transkript gehört hatte, einen fast doppelt so hohen <?page no="35"?> 35 Score wie die Gruppe erzielen konnte, die die Originalverdolmetschung gehört hatte. Die Autorin relativiert diese Zahl jedoch, indem sie angibt, dass die Versuchspersonen keine Information zum Kontext und Setting der jeweiligen Passagen erhalten hatten. Sie geht davon aus, dass echte KonferenzteilnehmerInnen, die sich mitten im Konferenzsetting befinden und über ein höheres Hintergrundwissen verfügen, ein besseres Resultat erzielt hätten. Die Passagen, die zum Einsatz kamen, waren des Weiteren sehr kurz und dadurch nicht mit einem authentischen Konferenzvortrag zu vergleichen. Die mir vorliegenden Fragen hatten ein offenes Antwortformat 6 . Das könnte bedeuten, dass sie eher das Erinnerungsvermögen der Versuchspersonen als das kognitive Endergebnis im Publikum und damit die kognitive Wirkung der Verdolmetschung untersuchten (vgl. 5.5 und v.a. 5.5.3.2). Des Weiteren war auch die Gruppengröße mit acht bzw. sieben ProbandInnen pro Gruppe sehr gering. Eine rezente Studie, die diesen Ansatz verfolgt, ist die Masterarbeit von Grübl (2010), deren Fokus im Grunde vor allem auf der Auswirkung der Stimmlage bei einer Verdolmetschung auf das Verständnis im Publikum lag. Nur als Nebenfrage wurde auch ein wegweisender Schritt gesetzt: es wurde nämlich untersucht, ob die Verdolmetschung(en) gleich gut verstanden wurde(n) wie das Original. Für den Versuch wurden 97 ProbandInnen (Dolmetschstudierende) in drei Gruppen geteilt: eine Gruppe mit Studierenden mit Englisch als erster Arbeitssprache hörte das englische Original eines Vortrags zum Thema Work-Life-Balance; die restlichen Studierenden wurden danach, ob sie Deutsch als Erstsprache sprachen, parallelisiert und randomisiert zwei Gruppen zugeteilt. Eine davon hörte die professionelle Verdolmetschung des englischen Vortrags ins Deutsche, die andere Gruppe hörte eine im Tonstudio veränderte Version derselben Verdolmetschung, bei der die Stimmlage künstlich nach oben verschoben worden war und die in einem Vorversuch (vgl. Michalek-Kurucz 2007) von den ZuhörerInnen schlechter beurteilt worden war als die unveränderte Version. Im Anschluss wurden die ZuhörerInnen gebeten, acht Inhaltsfragen zum Gehörten und vier Fragen zur Vortragsweise zu beantworten. Aus dem Testscore sollte vor allem ersichtlich werden, ob sich die Veränderung der Stimmlage auf die Verständlichkeit der Verdolmetschung ausgewirkt hatte, was nicht der Fall war. Viel bedeutender ist das Ergebnis der nur nebenbei behandelten Frage zum Verständnis von Original und Verdolmetschungen. Dabei zeigte sich nämlich, dass die englische Originalrede signifikant besser verstanden worden war als die Verdolmetschung, und das, obwohl die Versuchspersonen nicht Englisch- MuttersprachlerInnen waren. Es ist jedoch auf einige Einschränkungen im 6 Einige der unveröffentlichten Originalfragen wurden mir freundlicherweise von Miriam Shlesinger zu Verfügung gestellt. <?page no="36"?> 36 Versuchsdesign hinzuweisen, die auch die Autorin selbst anspricht. So waren die ProbandInnen Studierende und damit kein repräsentatives Fachpublikum, wie es auf einer Konferenz der Fall wäre. Auch der Fragebogen wies einige kleine methodische Schwächen auf. So wurden darin verwendete Begriffe möglichweise unzureichend definiert. Trotz allem sollte dieses für den Berufsstand der DolmetscherInnen negative Ergebnis zumindest dazu anregen, diese Studie zu replizieren oder Versuche mit einer ähnlichen Fragestellung durchzuführen. Eine der Hauptfragen unseres Berufsstandes, nämlich die, ob eine Verdolmetschung tatsächlich eine vergleichbare kognitive Wirkung/ ein vergleichbares kognitives Endergebnis bei den ZuhörerInnen erzielen kann wie eine Originalrede, sollte doch endlich genauer untersucht werden. Alle weiteren Studien zum Thema Verständlichkeit kommen aus dem Bereich des Gebärdensprachdolmetschens, wo diesem Gegenstand schon seit den 1970er Jahren viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Frage, ob und wie gut Gehörlose ihre DolmetscherInnen auch verstehen, war und ist ein viel untersuchtes Thema (vgl. Frishberg 1990: 41). Murphy/ Fleischer (1977) untersuchten, ob Gehörlose Gebärdensprachdolmetschen oder eine Transliteration, also lautsprachbegleitendes Gebärden (LBG) 7 , von lautsprachlichen Texten besser verstanden. Dafür benutzten sie einen Multiple-Choice-Test, anhand dessen sie den Grad des Verstehens nach Wiedergabemodus testeten. Dabei zeigte sich, dass die Versuchspersonen (VP) - unabhängig von ihrer Präferenz für eine der beiden Wiedergabearten - beide Modi gleich gut verstanden. Dieser innovative Untersuchungsansatz wurde jedoch kritisiert, da der Verständnistest schriftlich auszufüllen war, was für die Gehörlosen möglicherweise eine zusätzliche Hürde dargestellt und so das Testergebnis verfälscht hatte. Llewellyn-Jones (1981) kontrollierte diese Variable in seinem ähnlich angelegten Experiment: die Fragen in seinem Multiple-Choice-Test wurden für die gehörlosen Versuchspersonen gebärdet. Anhand der Ergebnisse dieses Verständnistests stellte er fest, dass Gehörlose muttersprachliche GebärdensprachdolmetscherInnen besser verstanden als nichtmuttersprachliche. Eine Erklärung dafür ist möglicherweise, dass erstere den Zieltext stark umstrukturiert und vereinfacht hatten, sich also stärker von den lautsprachlichen Strukturen gelöst hatten als die nichtmuttersprachlichen DolmetscherInnen. 7 LBG (Lautsprachbegleitendes Gebärden) ist ein auf der Struktur der jeweiligen Lautsprache basierendes Hilfsmittel, das dazu dient, die grammatikalischen Eigenheiten der Lautsprache - und somit Zweitsprache der Gehörlosen - mittels einzelner Gebärden zu visualisieren. LBG ersetzt nicht die Gebärdensprache als vollwertige, natürliche Sprache und ermöglicht lediglich eine eingeschränkte Kommunikation (vgl. Krausneker/ Schalber 2007: 18f.). <?page no="37"?> 37 Cokely (1990) ging der Frage nach, welche Vortragsform bei universitären Vorlesungen für Gehörlose am effektivsten sei: die sogenannte simultane Kommunikation („sim-com“), bei der sowohl gebärdet als auch zugleich das lautliche Mundbild zum Lippenlesen vermittelt wird, Gebärden ohne zu sprechen oder ein lautsprachlicher Vortrag mit Gebärdensprachdolmetschung. Insgesamt 38 gehörlose Studierende nahmen an dem Versuch teil, bei dem sechs Lehrende jeweils denselben Vortrag an unterschiedlichen Terminen in den drei verschiedenen Vortragsmodi präsentierten. Jede/ r der ProbandInnen hörte drei Vorträge - einen in jedem Modus und zu einem unterschiedlichen Thema. Dabei durften sie nach Wunsch Notizen machen, die in der Studie ebenfalls untersucht wurden. Am Ende des Vortrags wurden sie gebeten, einen Verständnistest zur Vorlesung auszufüllen, der aus 25 Multiple- Choice Cloze-Items bestand. Die Ergebnisse waren insgesamt statistisch nicht signifikant, wiesen jedoch darauf hin, dass der gebärdete Vortrag am besten und der Vortrag in „sim-com“ am schlechtesten verstanden wurde. Das Gebärdensprach-dolmetschen lag in der Mitte. Die einzige Reihung der drei Modi, die statistisch signifikant war, war jene für den Vortrag zu einem Literaturthema. Dabei wurden bei der gedolmetschten Vorlesung die besten Testscores erreicht, gefolgt von der nur gebärdeten Vorlesung und jener in „sim-com“. Livingston et al. (1994) untersuchten in ihrer Studie, ob Gehörlose Gebärdensprachdolmetschen oder Übertragungen in lautsprachbegleitende Gebärden besser verstehen. Dafür wurden 43 gehörlosen US-Studierenden zwei Videos mit Präsentationen in den beiden Gebärdenmodi vorgespielt. Im Anschluss sollten sie je sechs Fragen - drei zu spezifischer Information aus den Präsentationen und drei analytische Fragen, bei denen sie Antworten aus dem Text inferenzieren sollten - beantworten. Die Testergebnisse zeigten klar, dass alle Versuchspersonen - auch jene, die angegeben hatten, dass sie LBG bevorzugten - die Präsentationen in amerikanischer Gebärdensprache, also die Verdolmetschung, besser verstanden hatten. Steiner (1998) beschäftigte sich in seiner Studie mit dem Verstehen von Nachrichten für Gehörlose im Fernsehen. Dabei gab es vier Arten von Ausgangsmaterial: geskriptete Lautsprache-Nachrichten, die von hörenden DolmetscherInnen gedolmetscht wurden; Nachrichten, die in BSL (britischer Gebärdensprache) vorbereitet und von Gehörlosen präsentiert wurden; spontanere Nachrichten, die in BSL ohne Teleprompter 8 präsentiert wurden; Interviews mit Gehörlosen in Gebärdensprache. Die Versuchspersonen wurden in drei Gruppen eingeteilt: Gehörlose, die vor allem in BSL kommunizierten; Gehörlose, deren BSL stark vom Englischen beeinflusst 8 Auch: Autocue. Ein technisches Hilfsmittel v.a. für Fernsehproduktionen, mit dem ModeratorInnen einen Text vom Objektiv der Kamera, in die sie blicken, ablesen können. So entsteht der Eindruck des freien Sprechens. <?page no="38"?> 38 war (mehr Lippenlesen) und Hörende. Alle ProbandInnen sahen/ hörten jeweils drei verschiedene Nachrichteneinheiten pro Ausgangsmaterial- Kategorie, zu denen jeweils direkt im Anschluss offene Fragen gestellt wurden. Bei Nichtbeantwortung gab es Stichworte als Gedächtnisimpuls. Außerdem wurden den Versuchspersonen auch bestimmte Stellen noch einmal vorgespielt, wofür es jedoch Punktabzüge beim Verständnisscore gab. Die Antworten wurden nach Inhalt und Relevanz beurteilt. Außerdem wurden die ProbandInnen gefragt, welche der Nachrichtenformen für sie am angenehmsten gewesen war. Insgesamt zeigte sich, dass über alle Versuchsgruppen hinweg die DolmetscherInnen am schlechtesten verstanden worden waren und die vorbereiteten, von Gehörlosen präsentierten Nachrichten am besten. Im Gruppenvergleich erzielte die hörende Gruppe den höchsten Score, die BSL-dominante den niedrigsten. Das bedeutet, dass keine kognitive Wirkungsäquivalenz zwischen AT-RezipientInnen und ZT- RezipientInnen gegeben war. Interessant sind teils erhebliche Unterschiede zwischen den Präferenzen der Versuchspersonen für eine Art der Kommunikation und dem tatsächlichen Verständnis. Insgesamt wurde festgestellt, dass das Thema äußerst komplex ist und stark von persönlichen Einstellungen und Vorlieben geprägt ist. In der Studie von Marschark et al. (2004) sollte überprüft werden, ob gehörlose Studierende, für die Vorlesungen in Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden gedolmetscht werden, die Inhalte gleich gut verstehen wie hörende Studierende. Es wurde somit wiederum ein Vergleich zwischen AT- und ZT-Rezeption angestellt. Dafür wurden drei Experimente mit ähnlichem Design durchgeführt, die jedoch von Mal zu Mal methodisch verbessert wurden. Beim ersten Experiment wurde eine fünfminütige Präsentation in Lautsprache sowie deren Verdolmetschungen in Gebärdensprache und LBG auf Video aufgezeichnet. Die Dolmetsch- Videos wurden zwei Gruppen von Gehörlosen vorgespielt, von denen eine Gruppe die Gebärdensprachversion und die andere die Version in gebärdetem Englisch sah. Das Video mit der Präsentation in Lautsprache wurde einer Gruppe von hörenden Studierenden vorgespielt. Im Anschluss sollten alle Versuchspersonen zehn Multiple-Choice-Fragen zum Inhalt der Präsentation in einem schriftlichen Fragebogen beantworten. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Verständnis zwischen den gehörlosen Gruppen, wohl aber zwischen der hörenden und den gehörlosen Gruppen, wobei erstere einen signifikant höheren Score erzielen konnten. Im zweiten Experiment wurden die zu beantwortenden Fragen für die Gehörlosen zusätzlich zum Fragebogen gedolmetscht und lagen nicht mehr nur schriftlich vor. Die Ergebnisse entsprachen trotz dieser methodischen Verbesserung denen aus dem ersten Experiment. <?page no="39"?> 39 Im dritten Experiment wurde eine andere Präsentation, die dem Fachgebiet der Studierenden entsprach, eingesetzt, um zu gewährleisten, dass das Hintergrundwissen zum Thema bei den Versuchspersonen ähnlich sein würde. Diesmal sollten die ProbandInnen sechs Fragen zum Vorwissen über das Thema und zwölf Multiple-Choice-Verständnisfragen beantworten. Abermals gab es zwischen der Gruppe der Gehörlosen, die den Vortrag in Gebärdensprache sahen, und jener, die dem Vortrag in LBG folgten, keine bedeutenden Unterschiede. Insgesamt konnten die Gehörlosen bei diesem Versuch jedoch einen höheren Testscore erzielen. Allerdings lag dieser immer noch deutlich unter dem der hörenden Studierenden, die den Originalvortrag in Lautsprache gehört hatten. Dies zeigte, dass die Annahme, dass gehörlose Studierende dem Unterricht gleich gut folgen können wie hörende, nicht unbedingt zutreffend ist. Auch Napier/ Spencer (2008) wollten in ihrer Untersuchung feststellen, ob das Verständnis zwischen Hörenden, die einer Präsentation in Lautsprache folgen, und Gehörlosen, für die dieselbe Präsentation verdolmetscht wird, vergleichbar ist. In diesem Fall ging es jedoch um das kognitive Endergebnis bei Geschworenen bei Gericht. Diese Studie sollte Klarheit darüber schaffen, ob Gehörlose über eine Gebärdensprachverdolmetschung vollen Zugang zu den Verhandlungen haben und somit eine Funktion als Geschworene vor Gericht ausüben können. Dafür wurden sechs gehörlose und sechs hörende Versuchspersonen als Geschworene eingesetzt, die nach einem Briefing Videos mit gestellten Ausschnitten aus einem Prozess sahen. Dabei verlas ein Forscher in der Rolle des Richters zwei Auszüge aus einem echten Verfahren und wurde dabei in australische Gebärdensprache gedolmetscht. Diese Textabschnitte enthielten zahlreiche Rechtstermini und wichtige Informationen über den behandelten Fall. Die gehörlosen Versuchspersonen sahen das Video mit der Verdolmetschung der Präsentation des Richters, die hörenden das Video mit dem Richter. Beide Gruppen sahen (und hörten) auch die Instruktionen für den auf das Video folgenden Verständnistest und die darin enthaltenen Fragen als Video in Gebärdenbzw. Lautsprache. Der Fragebogen mit insgesamt zwölf Verständnisfragen (4 richtig/ falsch, 4 Multiple-Choice, 4 offene) wurde den ProbandInnen zusätzlich auch schriftlich vorgelegt. Bei der Auswertung der Testergebnisse zeigte sich kein signifikanter Unterschied bei den Scores der hörenden und gehörlosen Versuchspersonen. Dies bedeutet, dass die Gehörlosen gleich viel verstanden hatten wie die Hörenden. Die Verdolmetschung hatte in diesem Fall dem Anspruch genügt, eine vergleichbare kognitive Wirkung wie das Original zu haben. Dieser Überblick zeigt, dass Hörverständnistests zur Evaluierung der Qualität von Verdolmetschungen also - vor allem im Bereich des Gebärdensprachdolmetschens - schon des Öfteren eingesetzt wurden, um <?page no="40"?> 40 zu überprüfen, ob das kognitive Endergebnis im Publikum des/ der OriginalrednerIn mit jenem im Publikum des/ der DolmetscherIn vergleichbar ist. Dies kann als ein möglicher Ansatz beim Versuch der Bewertung der Qualität einer Verdolmetschung gesehen werden, wenn man davon ausgeht, dass es das Ziel des Dolmetschens ist, bei AT- und ZT- Publikum eine vergleichbare kognitive Wirkung/ ein vergleichbares kognitives Endergebnis zu erhalten. Die Frage, inwiefern solche Hörverständnistests tatsächlich Aufschluss über die kognitive Wirkung der RednerInnen/ DolmetscherInnen geben und nicht über die Verstehens- oder Erinnerungskapazität der RezipientInnen, soll in Abschnitt 5.5 zum Fragebogen noch näher besprochen werden. Betrachtet man die unterschiedlichen Ansätze, die bisher zur Bewertung der Qualität von Dolmetschleistungen eingesetzt wurden, erkennt man, dass alle Stärken und Schwächen aufweisen. Will man eine umfassende Evaluierung vornehmen, scheint es somit opportun, möglichst viele methodische Ansätze zu vereinen, um die Validität der getroffenen Qualitätsaussage zu erhöhen. Ein Beispiel für eine solche Verknüpfung mehrerer Methoden ist die von der Granada-Gruppe eingeführte kontrastive Analyse von Erwartungen und Beurteilungen, die bereits überraschende Ergebnisse lieferte (vgl. 2.2.2.1). Weitere holistische Untersuchungen wie jene von Wadensjö (1998) wären wünschenswert, sind aber in echten Konferenzsituationen oft schwer umsetzbar, da alle beteiligten Personengruppen - von den VeranstalterInnen über die NutzerInnen bis hin zu den DolmetscherInnen - ihr Einverständnis geben müssen. Eine weitere Möglichkeit des Methodenmix wäre eine Kombination aus subjektiver Beurteilung einer Dolmetschleistung durch ZuhörerInnen und Effektivitätsüberprüfung einer Verdolmetschung mittels Hörverständnistest. Diese soll in der vorliegenden Arbeit zum Einsatz kommen. Ein Faktor, der bei der Auswahl der Methode(n) berücksichtigt werden sollte, ist wohl vor allem der eigentliche Zweck der Untersuchung, der wiederum die Angemessenheit eines bestimmten Instruments beeinflussen könnte (vgl. auch Moser-Mercer 1996: 46). Festzustehen scheint, dass es unabhängig von der Methode nicht möglich ist, die Qualität beim Dolmetschen festzustellen, sondern dass nur die bestmögliche Leistung unter gewissen Umständen aus einer bestimmten Perspektive definiert und evaluiert werden kann. <?page no="41"?> 41 3 Englisch als Lingua Franca (ELF) Schon im vorhergegangenen Kapitel zur Qualität beim Simultandolmetschen wurde kurz angesprochen, dass Englisch als Lingua Franca immer öfter im Wettbewerb zum Simultandolmetschen steht und sich unser Berufsstand daher immer mehr durch hohe Qualität auszeichnen muss (vgl. 2.2.3). In diesem Kapitel sollen nun ELF und Reaktionen auf dessen Ausbreitung - vor allem im Zusammenhang mit dem Dolmetschen - genauer beleuchtet werden. 3.1 Begriffsdefinition Unter Lingua Franca versteht man eine Verkehrssprache, die zur Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen Erstsprachen verwendet wird. Crystal (1992) spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Hilfssprache zur internationalen Kommunikation, die er wie folgt beschreibt: „A language which has been adopted by a speech community for such purposes as international communication, trade, or education, though only a minority of the community may use it as a mother tongue.“ (Crystal 1992: 35). Die Bezeichnung Lingua Franca kommt aus dem Italienischen und bedeutet fränkische Sprache. Ursprünglich war es die Bezeichnung für eine im Mittelmeerraum gebräuchliche romanische Verkehrssprache der Kreuzritter mit arabischen, griechischen und anderen Einflüssen, die später ausstarb, deren Name jedoch als Bezeichnung für Verkehrssprachen weiter verwendet wurde und wird (vgl. Asher 1994: 2211). Seit dem 6. Jahrhundert kam Latein diese Aufgabe zu, das trotz der Auflösung des römischen Reiches als Sprache ohne MuttersprachlerInnen weiter an Bedeutung gewann. Es wurde vor allem in den gebildeten Gesellschaftsschichten und im Klerus als Verkehrssprache benutzt und erfüllte in West- und Mitteleuropa alle Funktionen einer Kultursprache (vgl. Grzega 2006: 81f.). Dem folgte das Französische, dem schon im späten Mittelalter die Rolle einer Modesprache und Kultur- und Bildungssprache für höhere Schichten zukam. Eine umfassende Lingua Franca wurde es jedoch erst im 17. Jahrhundert, als es sich als Sprache der Diplomatie entwickelte und allgemein als Sprache internationaler Verträge anerkannt wurde. Im 18. Jahrhundert hatte es sogar Osteuropa sprachlich eingenommen und durch die Kolonialisierung auch außereuropäisch enorm an Bedeutung gewonnen. Der Abstieg des Französischen als Lingua Franca wurde eigentlich mit den Verträgen von Versailles im Jahr 1919 eingeleitet, als völkerrechtliche <?page no="42"?> 42 Dokumente erstmals nicht nur in der Sprache Molières, sondern auch auf Englisch abgefasst wurden (vgl. Grzega 2006: 92f.). Mittlerweile ist Englisch die wohl wichtigste Lingua Franca nicht nur in Europa, sondern weltweit geworden. Auf die Gründe für diese Entwicklung soll unter 3.2 und 3.3 ausführlich Bezug genommen werden. In Bezug auf Englisch spricht man in diesem Kontext oft von ELF - English as a lingua franca. Aber auch English as an international language (EIL), English as a global language, English as a world language oder International English sind gebräuchliche Termini (vgl. Seidlhofer 2004: 210). Im Folgenden wird der Terminus ELF für das Englische als internationale Kommunikationssprache verwendet. In ihrer reinen Form hat eine Lingua Franca keine MuttersprachlerInnen (vgl. Seidlhofer 2004: 211). Streng genommen dürfte man somit ausschließlich in Kommunikationssituationen zwischen NichtmuttersprachlerInnen (NNS- non-native speaker) von Englisch als Lingua Franca sprechen. Sehr häufig ergeben sich jedoch auch Situationen, in denen neben den NNS mit unterschiedlichen Erstsprachen, die Englisch tatsächlich als Verkehrssprache benutzen, auch EnglischmuttersprachlerInnen (NS - native speaker) an der Interaktion beteiligt sind. Daher möchte ich in meiner Definition von Lingua-Franca-Kommunikation wie Knapp (2002: 221) die NS nicht völlig ausklammern 9 . Es sei darauf hingewiesen, dass die Termini MuttersprachlerIn/ native speaker und Muttersprache/ mother tongue in der ELF-Literatur sehr kritisch betrachtet werden. 10 Rampton (1990) weist diesbezüglich auf unterschiedliche Grade der Sprachbeherrschung hin: Being born into a group does not mean that you automatically speak its language well - many native speakers of English can’t write or tell stories, while many non-native speakers can. Nobody‘s functional command is total: users of a language are more proficient in some areas than others. (1990: 98) Jenkins (2000: 9) argumentiert, dass es nicht angebracht und sogar beleidigend sei, kompetente SprecherInnen, die Englisch fließend beherrschen, als NichtmuttersprachlerInnen zu titulieren, nur weil sie die Sprache als Zweit- oder Fremdsprache erlernt haben. Zumal jedoch auch in der ELF-Literatur noch von native speakers und non-native speakers die Rede ist (vgl. z.B. Knapp 2002, Graddol 2006, Lesznyák 2004), sollen diese Termini in dieser Arbeit der besseren Verständlichkeit halber beibehalten 9 Eine Diskussion dieser Frage findet sich auch in Lesznyák (2004: 43). 10 Eine ebenso kritische Betrachtungsweise dieser Termini findet sich auch in der Translationswissenschaft (vgl. z.B. Prunč 2003 oder Newmark 1991). <?page no="43"?> 43 werden. Allerdings soll anstatt des Wortes Muttersprache vornehmlich der Terminus Erstsprache (L1) verwendet werden. Nicht zu verwechseln mit ELF sind die Termini English as a Second Language (ESL) und English as a Foreign Language (EFL). ESL bezeichnet das Englische in Ländern, in denen es einen besonderen Status als Kommunikationsmedium hat (wie z.B. in ehemaligen Kolonialländern wie Indien), oder das Englische von MigrantInnen, die in einem anglophonen Land leben. EFL bezeichnet Englisch im Kontext von Ländern, in denen es nicht als Erstsprache gesprochen wird und keinen Sonderstatus genießt (vgl. Crystal 1995: 108). Es handelt sich um ein Lernerenglisch, das sich stark an der NS-Norm orientiert und wenige nutzerInnenbezogene Merkmale aufweist (vgl. Lesznyák 2004: 29, Seidlhofer et al. 2006: 7). Um wieder zu ELF zurückzukommen, soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen erst in den 1990er Jahren begann. Es handelt sich demnach um ein verhältnismäßig junges Forschungsfeld, das jedoch schon - wohl auch aufgrund der Aktualität der Fragestellung - auf eine Vielzahl von Forschungsarbeiten und Publikationen verweisen kann. Auf einige der wichtigsten Fragestellungen und Studien in diesem Bereich wird im Folgenden noch näher eingegangen. Nach dieser ersten Abgrenzung der Termini soll nun das Phänomen ELF genauer beleuchtet werden. 3.2 Zahlen und Fakten Es ist weitgehend unumstritten, dass Englisch die am weitesten verbreitete Zweitsprache der Welt ist. Wenngleich die konkreten Zahlen nur schwer messbar sind, spricht Crystal (2006) von 1,4-1,5 Milliarden EnglischsprecherInnen, von denen lediglich 400 Millionen Englisch als Erstsprache verwenden (S. 424). In der Europäischen Union ist Englisch als meist beherrschte erste Fremdsprache mit 38% konkurrenzlos. Französisch und Deutsch folgen abgeschlagen mit 12% bzw. 11%. Rechnet man die englischen MuttersprachlerInnen hinzu, so sind 51% der EU-BürgerInnen des Englischen mächtig. Des Weiteren sind bei den Englischkenntnissen die höchsten Zuwächse zu verzeichnen, während die Beherrschung anderer Sprachen abnimmt. Englisch ist zudem auf Länderebene in 19 der 25 Mitgliedstaaten, in denen es keine offizielle Landessprache ist (d.h. ausgenommen das Vereinigte Königreich und Irland), die meistgesprochene Fremdsprache. 67% der europäischen Bürger sind davon überzeugt, dass für sie persönlich Englisch eine der beiden wichtigsten Sprachen ist (vgl. EU 2012a). Einen Blick in die Zukunft erlaubt eine Betrachtung der Zahlen der europäischen SchülerInnen, die derzeit eine <?page no="44"?> 44 Fremdsprache erlernen. Laut dem neuesten Bericht von Eurydice 11 , dem europäischen Informationsnetz für das Bildungswesen, lernen heute mehr als 90% aller europäischen SchülerInnen in der Sekundarstufe Englisch (vgl. Eurydice 2012). Wie man bereits den oben angeführten Zahlen entnehmen kann, wird Englisch mittlerweile öfter als Fremdsprache gesprochen denn als Muttersprache. Nur ungefähr jede/ r Vierte, der/ die Englisch spricht, ist auch ein/ e MuttlersprachlerIn (vgl. Seidlhofer 2005). Die häufigste Kommunikationskonstellation ist somit eine, in der sich NNS auf Englisch unterhalten (vgl. z.B. Seidlhofer 2001: 133 f.). Alexander schätzte schon 1999, dass 70% aller Interaktionen auf Englisch in einer solchen Konstellation stattfinden (s. 35). Man kann durchaus behaupten, dass Englisch heute fast eine Conditio sine qua non für Delegierte auf Konferenzen, Wirtschaftstreibende, PolitikerInnen oder WissenschafterInnen geworden ist. Carmichael (2000: 285f.) geht sogar so weit, zu sagen, dass Menschen ohne zumindest ein Grundwissen von Englisch in gewisser Weise mit den AnalphabetInnen im Europa der Zeit der Industrialisierung vergleichbar sind. 3.3 Gründe für den Aufstieg von ELF Dass gerade Englisch zur international wichtigsten Lingua Franca wurde, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zuerst kam der Sprache aufgrund des britischen Kolonialismus eine bedeutende Rolle zu. Nach dem 2. Weltkrieg stieg ein weiteres anglophones Land - die USA - zur weltweit vorherrschenden Macht in Wirtschaft, Forschung und Politik auf (vgl. Mauranen 2003: 513, Dollerup 1996: 26), was die Stellung des Englischen weiter stärkte. Sowohl die USA als auch die Briten investierten jedoch ab der Mitte der 1950er Jahre auch massiv in die Förderung ihrer Sprache (vgl. Phillipson 2003: 64). Neben diesen Prozessen, die man als topdown bezeichnen könnte, passierte der Vormarsch des Englischen jedoch ebenso bottom-up, zumal auch die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle spielte. Das Englische breitete sich auf der ganzen Welt über die englischsprachige Popmusik und auch beliebte Fernsehserien, die teils nur mit Untertiteln zu sehen waren oder sind 12 , in fast allen Gesellschaftschichten aus (vgl. Dollerup 1996: 26f). Englisch hat dadurch auch auf der emotiven Ebene ein positiv konnotiertes Image errungen. Phillipson (2003) meint diesbezüglich: „There is a popular demand for English that is strongly 11 Homepage: http: / / eacea.ec.europa.eu/ education/ eurydice/ index_de.php 12 Das Lesen von Untertiteln ist in Dänemark sogar die am weitesten verbreitete Leseaktivität (vgl. Phillipson 2003: 87). <?page no="45"?> 45 connected to a language that is projected in advertising and the media as connoting success, influence, consumerism, and hedonism” (2003: 65) und spricht weiter von dem “prestige attached to English in the modern world, its association with innovation and a specific type of professionalism” (S. 72). Mit ein Grund für die große Beliebtheit des Englischen könnte eben dieses Zusammenspiel von top-down und bottom-up Prozessen sein (S. 89). Letzten Endes waren es aber auch die Nicht-Anglophonen, die dem Idiom zum Durchbruch als Weltsprache schlechthin verhalfen, indem sie es zur Pflichtsprache an Schulen und zur bevorzugten Verkehrssprache erkoren (vgl. Van Parijs 2004: 124). In der Folge sollen nun einige Bereiche, in denen das Englische eine dominante Position eingenommen hat, genauer betrachtet werden. 3.4 ELF in verschiedenen Bereichen 3.4.1 Wirtschaft Aus der Welt der Wirtschaft ist Englisch heute schwer wegzudenken. Ein Grund dafür ist die immer weiter fortschreitende Globalisierung (vgl. Graddol 2006: 11), durch die die Märkte näher aneinander gerückt und Handelsbarrieren immer mehr überwunden wurden. Um das zu ermöglichen, mussten jedoch auch sprachliche Barrieren überwunden werden - in vielen Fällen unter Zuhilfenahme einer gemeinsamen Verkehrssprache - des Englischen. Früher vornehmlich national aufgestellte Unternehmen agieren nun verstärkt international und grenzüberschreitend, mit Standorten in verschiedenen Ländern. Zur Vereinfachung der innerbetrieblichen Kommunikation hat sich Englisch als - oft auch einzige - Unternehmenssprache in vielen weltweit operierenden Konzernen etabliert (vgl. Ammon 2006: 325), und das auch wenn der Firmensitz in keinem anglophonen Land liegt (vgl. Vollstedt 2002). Dieser Übergang von der Ortssprache zu Englisch als interner Kommunikationssprache erfolgt manchmal geplant, in anderen Fällen jedoch auch ungeplant. In Vollstedts (2002: 98) Fallstudien wurde in den untersuchten Unternehmen parallel zur fortschreitenden Internationalisierung schrittweise immer mehr Englisch gesprochen, ohne dass dies von der Unternehmensführung vorgegeben worden wäre. Diese Entwicklung ist häufig zu beobachten, und da mittlerweile zwei Drittel des internationalen Warenhandels über ebensolche transnationalen Konzerne abgewickelt werden, ist ein stetiger Vormarsch des Englischen im Wirtschaftsbereich zu verzeichnen (vgl. Graddol 1997: 32). Die Idealvorstellung einer reibungslosen unternehmensweiten Kommunikation kann jedoch trotzdem nicht immer vollständig umgesetzt wer- <?page no="46"?> 46 den (vgl. Buck 2002), was vor allem auf unterschiedlich gute (oder schlechte) Englischkenntnisse der MitarbeiterInnen und interkulturelle Unterschiede zurückzuführen ist. Die dadurch entstehenden Verständigungsschwierigkeiten können in manchen Fällen sogar zu erheblichen Kosten führen, da der Informationsfluss im Unternehmen behindert werden kann. Weitere negative Auswirkungen, die auftreten können, sind, dass die Arbeitsleistung der MitarbeiterInnen sinkt, wenn sie nicht mehr ihre Erstsprache sprechen dürfen/ können, und dass das Potential von Beschäftigten zu sehr nach ihren Sprachkenntnissen und weniger nach ihren tatsächlichen Qualifikationen beurteilt wird. Eine langfristige Unternehmens-Sprachplanung könnte dabei helfen, diese Probleme zu vermeiden (vgl. Vollstedt 2002: 100ff.). Die positiven Aspekte von ELF scheinen im Wirtschaftsleben jedoch zu überwiegen, wohl allein deshalb, weil drei bedeutende Akteure - die USA, die europäischen Länder und Japan - im internationalen Handel vor allem auf Englisch zurückgreifen (vgl. Graddol 1997: 29). In der ELF-Forschung hat sich die Untersuchung von Englisch im Wirtschaftskontext (Business English as a lingua franca - BELF) bereits als eigener Forschungsbereich etabliert (vgl. z.B. Kankaanranta/ Planken 2010, Pullin 2013). Aber die Wirtschaft ist nicht der einzige Bereich, in dem Englisch zur wichtigsten Sprache geworden ist. 3.4.2 Wissenschaft und Bildung Während vor 100 Jahren noch Deutsch als die dominierende Sprache der Naturwissenschaften und der Medizin galt, gewann ELF seit dem Ende des 2. Weltkriegs auch im wissenschaftlichen und universitären Bereich besonders schnell und umfassend an Bedeutung (vgl. Mauranen 2006: 146, Viereck 1996: 20f.). Das ist vor allem deswegen bedeutsam, weil Universitäten sehr einflussreich sind und hohes soziales Prestige genießen. Als Multiplikatoren sind sie für die Prägung eines großen Teils der Sprachnormen verantwortlich (vgl. Mauranen 2006: 148). In Europa ist ein klarer Trend an den Universitäten zu erkennen, Englisch in der universitären Lehre immer öfter als Kommunikationsmedium einzusetzen (vgl. z.B. Phillipson 2003: 77). Aber nicht nur in der Lehre, auch hinsichtlich wissenschaftlicher Publikationen ist Englisch mittlerweile zur wichtigsten Sprache aufgestiegen. Heute gilt für wissenschaftliche Veröffentlichungen Publish in English or perish. In fast allen Disziplinen ist Englisch mittlerweile Voraussetzung für internationale Rezeption. Mauranen (2006: 148) erklärt, dass das Englische vor allem in den hard sciences unabdinglich geworden ist. Graddol (2006: 9) beschreibt Englisch gar als die internationale Währung von Wissenschaft und Technik. <?page no="47"?> 47 In einer Umfrage von Ammon (2006) wurde von WissenschafterInnen angegeben, warum Englisch für sie wichtig sei. Als erster Grund wurde angegeben, dass Englisch den internationalen Informationsfluss ermögliche. Der zweite war, dass wichtige Ergebnisse nicht rezipiert würden, wenn sie nicht in einer internationalen Sprache veröffentlicht werden. Und der dritte, dass Englisch eine de-facto-Arbeitssprache in der jeweiligen Disziplin sei. Viele NNS-WissenschafterInnen fühlen sich dadurch ihren NS- KollegInnen gegenüber im Nachteil (vgl. Ferguson et al. 2011). Mauranen (2006: 147) ist der Meinung, dass Englisch wahrscheinlich auch im universitären Bereich öfter von NNS als von NS gesprochen wird. Eine sehr interessante Sammlung von NNS-Interaktionen auf diesem Gebiet bietet das von ihr ins Leben gerufene ELFA-Corpus (ELF in academic settings) 13 . Die Sammlung der dafür nötigen ELF-Interaktionen wurde an den Universitäten von Tampere und Helsinki begonnen. Mittlerweile umfasst das Corpus Transkriptionen von NNS-Interaktionen im Umfang von einer Million Wörtern bzw. 131 Stunden Sprachaufnahmen (vgl. Mauranen 2003, 2006). Die Tatsache, dass Englisch zur Hauptkommunikationssprache in der wissenschaftlichen Community - nicht zuletzt auch in der Dolmetschwissenschaft (vgl. Pöchhacker 2008: 32) - geworden ist, führt auch dazu, dass auf einschlägigen internationalen Konferenzen das Englische immer öfter als allgemeine Arbeitssprache eingesetzt wird (vgl. Kurz 2005: 61, Pöchhacker 2004: 200, Skudlik 1992: 400). Das vereinfacht vieles, wird jedoch nicht von allen gutgeheißen. Walter Krämer, der Gründer des Vereins Deutsche Sprache, erklärte in einem Interview mit der Zeitung Wirtschaftswoche 14 , dass es völlig unnötig sei, dass deutsche MuttersprachlerInnen vor einem großteils deutschsprachigen Publikum auf Englisch referieren würden, nur um auf diese Weise auch für internationale TeilnehmerInnen verständlich zu sein - auch wenn es nur einige wenige sind. Er ist der Ansicht, dass es peinlich sei, wenn deutsche KollegInnen untereinander auf Englisch radebrechen, statt ihre Erstsprache zu benutzen. Skudlik (1992: 404) stimmt dem zu, merkt jedoch an, dass dies oft aus Höflichkeit den - ein oder zwei - ausländischen KollegInnen gegenüber geschieht. Sie plädiert für eine Balance zwischen Lingua Franca und Muttersprache: It is up to the individual decision of every scientist which language he chooses - but it must be a real choice. Therefore our task is twofold. On the one hand we have to cultivate our mother tongue […] for the sake of dialogue between science and society. If we decide, on the other hand, to participate in international scientific communication by means of the interna- 13 Siehe http: / / www.helsinki.fi/ englanti/ elfa/ (05.10.2011) 14 Artikel «Wissenschaftssprache: „Genial nur auf Deutsch”? » vom 18.04.2007, Online- Version. <?page no="48"?> 48 tional language of science, we also have to cultivate our knowledge of English […]. (Skudlik 1992: 406) Auch andere schließen sich dieser Meinung an. Ein Beispiel: English in itself does not represent a threat to the other scientific languages of Europe. The primary language policy issue is whether other languages are also being effectively nurtured and promoted […], so that there is a culturally sound balance between an increased use of English and thriving local languages (Phillipson 2003: 86f.). Insgesamt scheint es jedoch, dass auch für die Mitglieder der wissenschaftlichen Community - trotz der zuvor erwähnten fehlenden sprachpolitischen Koordination zur gleichzeitigen Förderung der jeweiligen Erstsprache - die Vorteile der Lingua-Franca-Kommunikation überwiegen. 3.4.3 EU Im folgenden Kapitel soll auf die Verbreitung des Englischen in den Institutionen der Europäischen Union eingegangen werden. Dieses Thema wird hier so ausführlich besprochen, da es gerade in diesem Bereich viele Daten gibt, mit denen sich die Entwicklung quantifizieren lässt, und da die EU mit dem weltweit größten Dolmetschdienst auch einen sehr bedeutenden Arbeitsgeber für DolmetscherInnen darstellt. Wie bereits zuvor angemerkt (vgl. 3.2) ist Englisch heute die wichtigste Zweitsprache in Europa. Diese Tatsache ist auch an der Sprachpolitik der Europäischen Union, die sich ursprünglich der Mehrsprachigkeit verschrieben hatte, nicht spurlos vorübergegangen. In den Römischen Verträgen zur Gründung der EWG und der Euratom aus dem Jahr 1957 wurden ursprünglich die Sprachen aller Mitgliedsstaaten als Amts- und Arbeitssprachen vorgesehen. Das Prinzip der Mehrsprachigkeit soll unter anderem gewährleisten, dass alle EU-BürgerInnen sich in ihrer Muttersprache an die Institutionen wenden können. Von den damals fünf Mitgliedern ist der Staatenbund jedoch mittlerweile auf 27 mit 23 offiziellen Amtssprachen angewachsen. Aus Kosten- und Organisationsgründen ist die in den Gründungsverträgen festgeschriebene Mehrsprachigkeit nicht mehr überall gewährleistet (vgl. Tosi 2005). Oft reduziert sich z.B. bei Sitzungen das volle Sprachenregime, bei dem aus allen und in alle Amtssprachen gedolmetscht wird, nur mehr auf Anlässe, bei denen der Sprache ein symbolischer Wert zukommt z.B. in den formellen Sitzungen des Rats und den Plenarsitzungen des Europäischen Parlaments (vgl. He 2006: 27). Im EU- Alltag werden in vielen Bereichen nur einige der Amtssprachen verwendet, wobei das tatsächliche Sprachenregime von den jeweiligen Gremien und Anlässen abhängt. Dies soll im folgenden Unterkapitel näher beschrieben werden. <?page no="49"?> 49 3.4.3.1 Arbeitssprachen der Institutionen Während 24 Sprachen als Amtssprachen - also offizielle Sprachen - der EU festgeschrieben sind, sind die tatsächlichen Arbeitssprachen der EU- Organe, also die Sprachen, in denen die interne Kommunikation stattfindet, frei zu wählen. Was wie ein Widerspruch zum Prinzip des Multilingualismus scheinen mag, macht im täglichen Geschehen der Union durchaus Sinn, da nicht alle Gremien direkt mit den BürgerInnen zu tun haben. Welche Sprachen genau als Arbeitssprachen in welcher Institution zum Einsatz kommen, ist aber in keinem Rechtsakt festgelegt. Somit sind diese zwar faktische Arbeitssprachen, nicht aber offizielle (vgl. Gazzola 2006: 397, Schlossmacher 1994: 115). Aufgrund der Verschiedenheit der Tätigkeit der unterschiedlichen Institutionen gibt es auch große Unterschiede in deren Sprachpolitik. Kommission In der Kommission, in der ausschließlich EuropabeamtInnen arbeiten, wird meist auf Englisch, Französisch und Deutsch zurückgegriffen. Bei den BeamtInnen wird die Kenntnis von zumindest Englisch und Französisch vorausgesetzt. Parlament (EP) Die Sprachpolitik des Parlaments unterscheidet sich grundlegend von der der Kommission. Dieses Organ ist vielsprachiger, da gewährleistet werden soll, dass die Mitgliedsstaaten Abgeordnete aus allen Bildungshintergründen dorthin entsenden können. Diese werden von den EU-BürgerInnen nicht aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, sondern aufgrund von politischen Anliegen gewählt (vgl. Dollerup 1996: 34, Gazzola 2006: 404, He 2006: 25). Bei den Plenarsitzungen wird daher stets aus allen und in alle 23 Amtssprachen gedolmetscht. Bei der Vorbereitungsarbeit für das Plenum in den parlamentarischen Ausschüssen und in den Fraktionen ist das Sprachenregime jedoch meist eingeschränkter (vgl. He 2006: 28), wobei vor allem die Verdolmetschung in und aus „kleineren Sprachen“ wie Gälisch und Maltesisch oft nicht gewährleistet ist. Ein Mitgrund dafür ist, dass es in diesen Sprachen zu wenige qualifizierte DolmetscherInnen gibt. Rat Im Rat zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Parlament. Bei offiziellen Ratssitzungen der Staats- und Regierungschefs oder der FachministerInnen gibt es immer ein volles Sprachenregime (vgl. He 2006: 25). In den vorbereitenden Sitzungen der thematischen Arbeitsgruppen sowie der ständigen VertreterInnen der Mitgliedsstaaten herrscht oft nur ein eingeschränktes Sprachenregime (vgl. Van Els 2005: 269). <?page no="50"?> 50 Andere Institutionen und Organe Neben diesen drei wichtigsten Institutionen der Europäischen Union gibt es auch andere Organe, deren Sprachpolitik ebenfalls die Arbeitsweise und personelle Zusammensetzung derselben widerspiegelt. Im Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA), der VertreterInnen der Sozialpartner aus den Mitgliedsstaaten vereinigt, und im Ausschuss der Regionen (AdR), dem Organ der VertreterInnen aus den verschiedenen Gebietskörperschaften, ist aus denselben Gründen wie beim EP Mehrsprachigkeit gewährleistet (vgl. He 2006: 25). In anderen Institutionen wie der Europäischen Zentralbank, dem Europäischen Gerichtshof, dem Rechnungshof und den vielen fachspezifischen Agenturen werden in der täglichen Arbeit nur eine bis fünf Arbeitssprachen eingesetzt. Das wird damit gerechtfertigt, dass dort meist nur supranationale BeamtInnen arbeiten und keine Landes- oder VolksvertreterInnen (vgl. Ammon 2006: 269, He 2006: 25). Um zu zeigen, welchen Stellenwert das Englische in der EU mittlerweile eingenommen hat, lässt sich anführen, dass es in 96% der EU-Institutionen eine der Arbeitssprachen ist. In acht davon sogar die alleinige (vgl. He 2006: 26). Es hat somit das früher dominierende Französisch an der Spitze abgelöst. Dollerup (1996: 35) gibt an, dass zwar EU-BeamtInnen meist Französisch untereinander sprechen, der Großteil der Delegierten und ExpertInnen aus den Nationalstaaten jedoch auf Englisch konversieren. Da seit dieser Feststellung jedoch einige Zeit vergangen ist und sich die Sprachenaufstellung aufgrund der Erweiterungsrunden um zwölf Mittel- und Osteuropäischen Staaten in den Jahren 2005 und 2007 grundlegend verändert hat, könnte es gut möglich sein, dass der Englischgebrauch auch bei den BeamtInnen zugenommen hat. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung als Dolmetscherin bei den europäischen Institutionen würde ich zumindest von einem 50: 50 zwischen Englisch und Französisch ausgehen. Ein möglicher Grund dafür, dass Englisch das Französische sozusagen überholt hat, besteht laut Dollerup (2002) darin, dass Englisch-NS toleranter gegenüber NNS sind als Französisch-MuttersprachlerInnen: The French are much more squeamish about 'purism' than the English who have long had to accept that most foreign speakers of English use the lingo to speak to other foreigners rather than to Englishmen born and bred. But the English tolerance is definitely a factor which pushes more of the ground work into English. (2002: 197) Ein weiterer Grund für den Vormarsch des Englischen ist wahrscheinlich auch in den letzten beiden Erweiterungsrunden zu finden, da das Englische in den mittel- und osteuropäischen Ländern als Bildungssprache viel weiter verbreitet ist als das Französische. <?page no="51"?> 51 Während man über die wahren Gründe für diese Entwicklung nur spekulieren kann, kann das Ausmaß doch teilweise durch Zahlen verdeutlicht werden, die im nächsten Abschnitt angegeben werden. 3.4.3.2 Schriftliche Texte Obwohl sich diese Arbeit vor allem mit der mündlichen Kommunikation auseinandersetzt, soll auch die schriftliche Kommunikation innerhalb der EU kurz angesprochen werden, da hier Zahlen interessante Einblicke in den kontinuierlich steigenden Stellenwert des Englischen geben. Auch bei schriftlichen Texten wird das Prinzip der Mehrsprachigkeit nicht immer voll umgesetzt. Rechtsakte, allgemein anzuwendende Texte, Berichte, das Amtsblatt und Weißbücher 15 sind grundsätzlich immer in allen Sprachen verfügbar. Bei Texten, die nicht direkt rechtswirksam sind - wie etwa Entwürfen oder Zwischenberichten - ist das nicht der Fall. Vom ELF-Blickpunkt aus äußerst interessant ist die Ausarbeitungsweise der Texte. Sie werden oft in langwierigen Redaktionssitzungen der Ratsarbeitsgruppen oder EP-Ausschüsse mit VertreterInnen aller Mitgliedsstaaten formuliert. Die Delegierten dürfen dabei meist ihre Erstsprachen sprechen, der Text selbst wird jedoch auf Englisch formuliert und erst später vom Übersetzungsdienst in die anderen Sprachen übertragen. Im Jahr 2010 wurden 77% der Originaltexte, die später übersetzt wurden, auf Englisch verfasst, nur 7% auf Französisch, 2% auf Deutsch und 14% in anderen Sprachen. Ein Vergleich mit dem Jahr 2004 zeigt klar, wie deutlich der Einsatz von Englisch in der EU zugenommen hat. Damals waren 62% der zu übersetzenden Texte auf Englisch und noch 26% auf Französisch verfasst, 3% Deutsch und 9% in anderen Sprachen. 1997 waren es 55% auf Englisch und noch 33% auf Französisch (EU 2012b: 7). Englisch kann heute also als bevorzugte Verfahrenssprache und „de facto drafting language“ (Phillipson 2003: 120) bezeichnet werden. 3.4.3.3 Mündliche Kommunikation und Dolmetschen Neben dem schon unter 3.4.3.1 beschriebenen Umfang der Dolmetschleistungen bei Sitzungen der verschiedenen Institutionen sollen im Folgenden noch einige andere Aspekte der Verdolmetschung bei der EU angesprochen werden. 16 DolmetscherInnen sind im Sitzungsalltag omnipräsent, und aufgrund der bei 23 Amtssprachen großen Anzahl an möglichen Sprachkombinatio- 15 Die von der EU-Kommission erarbeiteten Weißbücher enthalten Vorschläge für das Vorgehen der Gemeinschaft in einem bestimmten Bereich. 16 Ein umfassender Überblick über die Funktionsweise der Verdolmetschung in den europäischen Institutionen findet sich bei Dollerup (2001) und Gazzola (2006: 43ff). <?page no="52"?> 52 nen kann es durchaus vorkommen, dass mehr DolmetscherInnen an einer Sitzung teilnehmen als Delegierte (vgl. Volz 1994: 90). Wollte man ein volles Sprachenregime bei allen Sitzungen (allein im Rat täglich ca. 60-80) gewährleisten, so würde dies schon allein daran scheitern, dass nicht ausreichend DolmetscherInnen mit den nötigen Sprachkombinationen zur Verfügung stünden. Aus diesem Grund wurde eine Art Nachfragesystem für Verdolmetschungen eingeführt (vgl. Ammon 2006: 334). In einigen vorbereitenden Arbeitsgruppen wird interpreting upon request angeboten, also eine Verdolmetschung aus oder in die Erstsprachen nur derjenigen Mitgliedsstaaten, die das auch beantragen (vgl. Gazzola 2006: 394). Ein volles Sprachregime stellt demnach eher die Ausnahme als die Regel dar, was laut einer Umfrage unter 799 Delegierten von 25% der Befragten kritisiert wurde. Diese Studie 17 wurde vom gemeinsamen Dolmetschdienst der Kommission und des Rats - kurz SCIC - im Jahr 2001 in Auftrag gegeben (vgl. Phillipson 2003: 134). Eine rezentere SCIC-Studie (vgl. SCIC 2010) zur Kundenzufriedenheit zeigte, dass nur 57% der Delegierten auf eine Verdolmetschung in ihre Erstsprache (L1) zurückgreifen konnten. Der Großteil - 75% - derer, für deren Erstsprache keine Verdolmetschung vorgesehen war, wich auf Englisch aus, was als Zeichen für die Bedeutung des Englischen gewertet werden kann. Bei der Umfrage davor (SCIC 2007) waren es noch nur 66%. In vielen Fällen verzichten die Delegierten jedoch auch trotz Verdolmetschung auf die Möglichkeit, ihre Erstsprache zu sprechen, und bedienen sich des Englischen. Dollerup (1996: 35) berichtet, dass die Englischkenntnisse der Delegierten jedoch des Öfteren nicht ausreichend sind und es so zu Missverständnissen kommt. Auch Phillipson (2003: 134) schildert, dass dies wiederholt für Heiterkeit sorgt, aber auch zu Verständigungsproblemen führen kann. Über die Gründe dafür, dass das Englische der Erstsprache vorgezogen wird, kann nur gemutmaßt werden. Den obengenannten SCIC-Studien zufolge wird die Qualität der Verdolmetschung von den Delegierten sehr hoch bewertet (ibid., SCIC 2007, SCIC 2010). 2007 erklärten sich 83,7% der Delegierten, die eine Verdolmetschung in ihre L1 hören konnten, (sehr) zufrieden, 2010 waren es 85,5%. Mangelndes Vertrauen in die DolmetscherInnen scheint also zumindest nicht der Hauptgrund zu sein. Dollerup (2001: 13) ist vielmehr der Ansicht, dass die Delegierten ihre Sprachkenntnisse in einer Fremdsprache oft überschätzen. 17 Zitiert in Phillipson (2003: 225) als Étude préliminaire d’évaluation de la qualité des prestations fourniers par le SCIC en matière d’interprétation. Wahrscheinlich nicht öffentlich zugänglich. <?page no="53"?> 53 3.4.3.4 Englisch als einzige Arbeitssprache in der EU? Angesichts der Tatsache, das ein großer Teil der Kommunikation in den verschiedenen Institutionen bereits jetzt auf Englisch erfolgt (siehe oben) und der Aufwand sowie die Kosten für Übersetzung und Verdolmetschung mit den 23 Amtssprachen stark angestiegen sind 18 , plädieren manche dafür, Englisch als einzige Arbeitssprache der EU festzuschreiben. Einige Argumente, die die Vorteile einer solchen Reduktion der Sprachen darstellen sollten, sind jedoch bei genauerer Betrachtung nicht sehr stichhaltig. Ein Beispiel dafür ist die Auffassung, dass man sich so die Übersetzung und die damit verbundenen Kosten sparen würde (vgl. Ozvalda 2005: 76). Das ist jedoch ein Trugschluss, da es sich in vielen Fällen (z.B. bei Verordnungen) um Rechtstexte handelt, die direkt in den Rechtsbestand der Mitgliedsstaaten übernommen werden müssen. Dafür müssten die Texte auch übersetzt werden, wobei in einem Szenario mit Englisch als einziger EU-Sprache die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst die Kosten für die Übersetzung zu tragen hätten. Es käme also nicht zu einer Einsparung, sondern lediglich zu einer Umverteilung der Kosten vom gemeinschaftlichen in die nationalstaatlichen Haushalte, aufgrund welcher größere Staaten mit einem hohen BIP gleich viel wie kleinere zahlen müssten. Außerdem würde sich die Frage der Garantie der Rechtssicherheit dieser Übersetzungen stellen (vgl. Volz 1994: 91). Ein weiteres Beispiel für nicht ausreichend fundierte Argumente gegen die Mehrsprachigkeit der EU betrifft die Qualität der Kommunikation. Van Els (2005: 274f.) gibt an, dass die Delegierten in kurzen Sätzen sprechen, Redewendungen und Witze vermeiden und oft auf sprachliche Nuancen verzichten, nur um den DolmetscherInnen entgegen zu kommen. Diese Behauptung kann er jedoch nicht empirisch untermauern. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung als EU-Dolmetscherin kann ich seinen Aussagen überhaupt nicht zustimmen. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob alle Delegierten, wenn sie nur mehr Englisch sprechen könnten, diese sprachlichen Feinheiten in einer Fremdsprache umsetzen könnten. In demselben Artikel stellt Van Els eine weitere Behauptung bezüglich des Dolmetschens bei Sitzungen im Rahmen der EU in den Raum: [M]eetings may last a long time and it may quickly become tiring to listen to a large number of interventions in translated form; it is by no means unusual that participants only listen to interventions in those languages of which they have a passive knowledge and do not bother with the translations of the other languages. (Van Els 2005: 274) Als Quelle dafür gibt er „relatively anecdotal evidence“ (S. 275) an. Dem kann entgegnet werden, dass es bei diesen Sitzungen um die Ausarbeitung 18 Eine umfassende Aufstellung der Kosten für Übersetzen und Dolmetschen in der EU findet sich in Gazzola (2006: 400). <?page no="54"?> 54 von Rechtsakten geht, die in den Mitgliedsstaaten oft direkt zur Anwendung kommen und große Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche haben können. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass die Delegierten sich damit zufrieden geben, nur einem Bruchteil der Diskussion zu folgen. Auch die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten SCIC-Studien zeichnen ein anderes Bild: die befragten Delegierten stuften die Qualität der Verdolmetschung sehr hoch ein und wünschten sich sogar eine Abdeckung von mehr Sprachen in den Sitzungen. Dollerup (2001: 18) führt des Weiteren an, dass jene, die für Englisch als alleinige Arbeitssprache in der EU plädieren, zu vergessen scheinen, dass relativ viele Angestellte und auch einfache EU-BürgerInnen des Englischen nicht mächtig sind. Neben den BefürworterInnen von Englisch als Arbeitssprache der Union wurden jedoch angesichts des steigenden Gebrauchs von ELF auch einige kritische Stimmen laut (vgl. Wagner 2001, Wooding 2002, Von Sydow 2006). Des Öfteren - aber nicht ausschließlich - sind es die engagierten, oft vielsprachigen MitarbeiterInnen der Sprachendienste, die sich als HüterInnen der Sprachenvielfalt sehen und dem immer mehr dominierenden Englisch Einhalt gebieten wollen (vgl. Phillipson 2003: 130). Als eines der Probleme mit ELF in der EU gilt z.B. die „poor quality of many original documents, which are often written by non-native speakers“ (Phillipson 2003: 122). Ein anderes Argument gegen eine Vormachtstellung der englischen Sprache ist, dass dies zu unfairen Vorteilen für englische MuttersprachlerInnen führen würde (vgl. Dollerup 1996: 34, Phillipson 2003: 132), die an politischem Gewicht gewinnen könnten, da sie alle Themen in ihrer Erstsprache diskutieren und somit mit größerer sprachlicher Gewandtheit verhandeln können (vgl. Gazzola 2006: 398). Dieses Thema soll unter 3.5.1 noch näher besprochen werden. Eine wirkliche Abschaffung der anderen Arbeitssprachen ist jedoch ohnehin höchst unwahrscheinlich, da es sich um ein politisch äußerst heikles Thema handelt (vgl. Phillipson 2003: 108). Dass Englisch eine prominente Rolle in der EU eingenommen hat, ist andererseits ebenfalls eine Tatsache, die die GegnerInnen dieser Entwicklung akzeptieren müssen. 3.4.3.5 Besonderheiten des Englischen in der EU Abseits aller Polemik kann innerhalb der EU eine interessante Entwicklung hinsichtlich der Art von Englisch, die zum Einsatz kommt, festgestellt werden. Über die Jahre hat sich ein EU-Englisch entwickelt, das vor allem durch ein eigenes Vokabular gekennzeichnet ist, welches auch für englische MuttersprachlerInnen nicht immer zugänglich ist. Man könnte von einer language for special purposes sprechen (Dollerup 1996: 35), einem Jargon, der laut Tosi (2005: 385) manchmal eigenartig und abstrakt klingt. <?page no="55"?> 55 Neben den lexikalischen treten auch andere Abweichungen von der NS- Norm verstärkt auf, da das Englische auch innerhalb der EU vor allem von NNS gesprochen wird (vgl. He 2006: 33). Dieses euro-speak, franglais oder frenglish scheint jedoch innerhalb der EU-Institutionen meist gut verständlich zu sein (vgl. Phillipson 2003: 127). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die dominierende Stellung des Englischen in der EU zeigt, dass auch die festgeschriebene Mehrsprachigkeit den Aufstieg dieser Sprache nicht zu bremsen vermochte. Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten das Ausmaß und die Entwicklung von ELF - der kometenhafte Aufstieg des Englischen - beschrieben wurden, sollen im nächsten Abschnitt die Reaktionen darauf untersucht werden. 3.5 Reaktionen auf die Entwicklung von ELF 3.5.1 Kritik und Ablehnung einerseits Wie in den vorangegangenen Abschnitten schon zu erkennen war, gibt es teils scharfe Kritik daran, dass ELF in immer mehr Bereichen in steigendem Maße zum Einsatz kommt. Manche sind der Ansicht, dass aufgrund dieser Entwicklung der Verfall der englischen Sprache, des Oxford Englisch zu befürchten sei. Es wird unter anderem argumentiert, dass wenn es kein Standard-Englisch als Norm gäbe, die Sprache in unzählige Unterformen zerbrechen und als Folge auch nicht mehr als internationales Kommunikationsmittel taugen würde (vgl. Widdowson 1994: 379). Es sind aber nicht nur NS, die diese Meinung vertreten, sondern sehr oft auch NNS. Ein Beispiel ist dieser Auszug aus einem Artikel in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, in dem kein gutes Haar an ELF gelassen wird: Das Schrumpf-Englisch beschränkt sich nämlich auf ein dürres Grundvokabular von 1000 Wörtern, es lässt sämtliche Idiome und Feinheiten aus, die gutes Englisch auszeichnen, dafür klingen die Herkunftssprachen grausam durch und […] Sprachungetüme […], die den armen Muttersprachlern ein Graus sein müssen. Es entfällt alles, was eine Sprache reich macht, […] zugunsten einer „interkulturellen Kommunikation“ auf kleinstem verbalen Nenner. Wo dieses Englisch gesprochen wird, sinken Diskussionen auf Vorschulniveau, verschwindet jede Nuance, spielen Gelehrte Stille Post. (Leggewie/ Mühlleitner 2007) Diese Darstellung scheint mir übertrieben und verallgemeinernd, als gäbe es das ELF, als sprächen alle NNS ein Schrumpfenglisch. Jenkins (2006: 33) <?page no="56"?> 56 kontert auf solche Beschwerden damit, dass ELF von LinguistInnen oft scharf kritisiert werde, obwohl es eigentlich verständlich sei. Trotzdem muss anerkannt werden, dass es bei ELF-Interaktionen zu fehlgeschlagenen Kommunikationssituationen kommen kann (vgl. 3.4.1 und 3.4.3.4). Jenkins selbst (2002: 89) stellte fest, dass NNS z.B. phonologische Abweichungen der GesprächspartnerInnen oft nicht durch kontextuelle oder kotextuelle Information überwinden können und es zu Kommunikationsproblemen kommen kann, die nicht ausschließlich auf Intoleranz und Voreingenommenheit zurückzuführen sein dürften (vgl. Derwing/ Munro 2001: 324), wenngleich dieser Faktor nicht zu unterschätzen ist (vgl. Major et al. 2005: 45, Munro/ Derwing 1995: 290). Neben dem Verständnisproblem werden aber auch noch andere Kritikpunkte an ELF geäußert. Van Parijs (2004: 124) ist der Meinung, dass sich durch den verstärkten Einsatz von ELF ein unfairer Vorteil für die MuttersprachlerInnen ergibt, die dank ihrer sprachlichen Überlegenheit oft bei Verhandlungen und dergleichen aktiver sein können (vgl. 3.4.3.4). Auch Knapp (2002) geht auf die Nachteile von NNS in Verhandlungssituationen ein. Er beschreibt in seinem Artikel die Interaktionen bei einer nachgestellten UN-Generalversammlung für Jugendliche. Dabei stellte er fest, dass sich NNS oft ausgeschlossen fühlen und selten als RednerInnen für Präsentationen ausgewählt werden. Anhand von Aufnahmen von Sitzungen analysierte er den Sprecherwechsel (turn-taking) in den Kommunikationssituationen und kam zu dem Ergebnis, dass nicht NS, sondern Quasi-NS - also hochkompetente NNS - am meisten sprechen. NNS haben am seltensten das Wort, wobei ihre aktive Teilnahme an der Diskussion auch im Laufe dieser abnimmt. Als Grund dafür führt Knapp Ermüdungserscheinungen an, die sich daraus ergeben, dass sich die DiskussionsteilnehmerInnen einer Fremdsprache bedienen müssen. Aus diesen Ergebnissen könnte man auch auf vergleichbare reale Verhandlungssituationen schließen, die jedoch meist nicht für ForscherInnen zugänglich sind. Eine etwas andere Perspektive darauf gibt der deutsche Finanzminister Schäuble in einem Interview: Schlecht gesprochenes Englisch ist schließlich eine der am meisten gesprochenen Sprachen der Welt. Als Nicolas Sarkozy und ich noch Innenminister waren, hatte ich ihm mal vorgeschlagen, in den Ratssitzungen in Brüssel die Dolmetscher wegzulassen. Er hatte die Sorge, dass die Engländer dann einen großen Vorteil hätten. Ich habe ihm entgegnet, dass sie vielmehr einen großen Nachteil hätten, weil wir ihre Sprache zerstören würden. (Littger 2013). Ein weiterer Bereich, in dem sich für NNS Nachteile ergeben, ist der Arbeitsmarkt, auf dem für viele Arbeitsplätze Englisch schon als Grundvoraussetzung gilt (vgl. Van Parijs 2004: 125, Viereck 1996: 19). Phillipson <?page no="57"?> 57 (2003: 66) bezeichnet diese Diskriminierung von Gruppen aufgrund ihrer Sprache - in Anlehnung an racism (Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft) und sexism (aufgrund des Geschlechts) - mit dem Terminus linguicism. Der privilegierte Status des Englischen hat für die NS-Länder den Vorteil, dass NNS viel Geld dafür ausgeben, die Fremdsprache oft in den NS-Ländern oder zumindest mit NS-Lehrpersonal zu erlernen (vgl. Van Parijs 2004: 124f.), was ein nicht zu unterschätzendes Geschäftsfeld mit hohem Wertschöpfungspotential eröffnet. Der British Council bezeichnet die englische Sprache sogar als zweitwichtigsten Wirtschaftsfaktor Großbritanniens nach den Nordseeölvorkommen und schätzt die Erlöse des Landes aus Bildungs- und Sprachdienstleistungen auf circa 13 Milliarden Euro (vgl. Phillipson 2003: 77). Als weiteres Argument gegen die Vormachtstellung des Englischen wird angeführt, dass dadurch viele kleine Sprachen gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht würden. Wie anhand von Abbildung 1 zu erkennen ist, begann der Rückgang der Anzahl der Sprachen auf der Welt jedoch schon lange vor dem Aufstieg des Englischen als globale Lingua Franca und ist somit keine direkte Folge davon (vgl. Graddol 2006: 60). Die Zahl der Sprachen nimmt schon seit dem 16. Jahrhundert kontinuierlich ab, und nicht erst seitdem Englisch immer öfter als Verkehrssprache genutzt wird. Abbildung 1 - Entwicklung der Anzahl von Sprachen weltweit (Graddol 2006: 60) Andererseits kann durchaus angenommen werden, dass die anderen Nationalsprachen durch den Aufstieg des Englischen immer mehr an Bedeutung verlieren werden: If this trend continues, with the commercial world setting the pace, and with the encroachment of English into countless spheres of public and pri- <?page no="58"?> 58 vate life, it is arguable that all European languages other than English may be on a fast track towards second-class status. (Phillipson 2003: 79) Angesichts der hier erwähnten Kritikpunkte stellt sich die Frage, ob man dem Vormarsch des Englischen entgegenwirken kann oder sollte. In Frankreich versuchte man 1994 ELF gar per Gesetz Einhalt zu gebieten, indem man die Verwendung von englischen Wörtern untersagen wollte. Der diesbezügliche Rechtstext war jedoch mit der Erklärung der Menschenrechte nicht vereinbar. Ein „Englischverbot“ konnte der Staat somit nur seinen direkten Angestellten, also den BeamtInnen verordnen (vgl. Viereck 1996: 17). Bei all dieser Kritik - begründet oder unbegründet - darf nicht vergessen werden, dass die ELF-Kommunikation nicht zwangsläufig zu einem Desaster führt, sondern auch unzählige Chancen in sich birgt. 3.5.2 Die andere Seite Manche KritikerInnen übersehen gerne, dass die ELF-Kommunikation sehr oft oder sogar meistens auch funktioniert. Wäre dem nicht so, hätte sich Englisch wohl nie in diesem Ausmaß als Verkehrssprache etablieren können. Viele WissenschafterInnen, darunter auch TranslationswissenschafterInnen, erkennen an, dass RezipientInnen mit sprachlichen Problemen oder Fehlern in einem gehörten Text umgehen können und dass das Verständnis dadurch nicht unbedingt beeinträchtigt wird (vgl. Kurz 1993: 18, Lederer 1981: 41, Seleskovitch 1986: 236). Wohl auch dank dieser Fähigkeit können ELF-SprecherInnen der eminenten österreichischen ELF-Forscherin Barbara Seidlhofer (2001: 137) zufolge im Allgemeinen meist problemlos miteinander kommunizieren. Sie vertritt außerdem die Ansicht, dass NNS- Fehler oft nur von EN-MuttersprachlerInnen als eigentümlich wahrgenommen werden. Auch Firth (1996: 243) ist der Meinung, dass Anomalien in Grammatik und Aussprache in einer ELF-Konversation oft übergangen oder hingenommen werden, in der Annahme, dass die Aussagen im Verlauf des Gesprächs klarer oder redundant werden. Dieses Phänomen ist als let it pass Prinzip bekannt geworden. House (1999) bezeichnet dieses gegenseitige Verständnis andererseits als Mythos. Sie stellte in ihrer Untersuchung fest, dass dieses Übergehen von Fehlern oft nur Missverständnisse kaschieren soll und dass ELF- InteraktantInnen oft aneinander vorbeireden und dem Gegenüber gar nicht zuhören. Den Hauptgrund dafür sieht sie in einem Mangel an kommunikativer und pragmatischer Kompetenz in der Fremdsprache, vor allem was die Diskurssteuerung betrifft. Es dürfte schwierig sein, allgemeine Aussagen darüber zu machen, ob und wie verständlich ELF tatsächlich ist, da die Verständlichkeit von den <?page no="59"?> 59 jeweiligen KommunikationspartnerInnen, der Situation und einer Vielzahl anderer Faktoren abhängt. In ELF-Situationen treffen NNS aufeinander, deren Sprachkompetenz sehr unterschiedlich sein kann, in manchen Fällen auch auf NS-Niveau (vgl. Knapp 2002: 220). Fest steht, dass bei ELF- Interaktionen immer wieder eine kooperative Haltung diagnostiziert wurde, die über sprachliche Hürden hinweghelfen kann (vgl. Canagarajah 2006, Kaur 2010, Meierkord 2000, Pitzl 2005: 52). Der kommunikative Erfolg ergibt sich dabei durch ein Ausverhandeln des Gesagten. Auch Lesznyáks Studie (2004), in der sie die Interaktionen von Sitzungen zwischen NS-NNS und NNS-NNS untersuchte, bestätigt diese Annahme. Kaur (2010) betont ebenfalls, dass es in ELF-Interaktionen kaum zu einem völligen Stillstand kommt, da Missverständnisse und Fälle von Nicht-Verstehen meist durch Strategien der SprecherInnen wie Wiederholungen, Paraphrasen und verschiedene Bestätigungs- und Klärungseinwürfe ausgeräumt werden. Knapp (2002) fand in seiner Untersuchung jedoch auch Situationen, in denen die Beteiligten diese kooperative Haltung nicht an den Tag legten. Missverständnisse wurden nicht aufgeklärt, und die NNS wurden einfach übergangen oder nicht ernst genommen. Dies traf vor allem auf „Wettbewerbssituationen“ zu, in denen es den KommunikationsteilnehmerInnen wichtig war, den eigenen Standpunkt nachdrücklich zu vertreten. Die zuvor angesprochene Toleranz für sprachliche Abweichung findet sich hingegen vor allem in informellen und freundlichen Settings. Knapp vertritt die Ansicht, dass der oben erwähnte Konsensstil nur auf bestimmte Situationen zutrifft und dass Verallgemeinerungen über ELF-Interaktionen das Setting berücksichtigen sollten (S. 240f.). Abgesehen davon ist jedoch zu bedenken, dass es für ELF- SprecherInnen nicht unbedingt wichtig ist, von allen verstanden zu werden. Wichtig ist die Verständlichkeit für die KommunikationspartnerInnen (vgl. Smith [1992]/ 2006: 68). Folgerichtig sollte ELF nicht immer am Erreichen oder Nicht-Erreichen des NS-Standards gemessen werden, sondern am kommunikativen Erfolg: Speakers should feel they can express their identities and be themselves in L2 19 contexts without being marginalised on account of features like foreign accents, lack of idiom, or culture-specific communicative styles as long as they can negotiate and manage communicative situations successfully and fluently. (Mauranen 2003: 517) Solange gegenseitiges Verständnis zwischen NNS gewährleistet ist, ist es demnach auch durchaus legitim, von der NS-Norm abzuweichen (vgl. Jenkins 2006: 36). Dieses gegenseitige Verständnis wird leichter erreicht, wenn die KommunikationsteilnehmerInnen einen gemeinsamen kulturel- 19 L2 wird in der Sprachwissenschaft als Abkürzung für Zweitsprache verwendet. <?page no="60"?> 60 len Hintergrund haben. Dieser kann sich nicht nur aus nationaler Identität ergeben, sondern auch aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die auch beruflicher, politischer oder anderer Natur sein kann (vgl. Meierkord 2002: 110). Das bedeutet, dass ELF-SprecherInnen aus einer gemeinsamen Wissenschaftsdisziplin, aus demselben Unternehmen oder derselben politischen Richtung eher in der Lage sein sollten, sprachliche Missverständnisse auszublenden. Der Kritik hinsichtlich eines Verfalls des Englischen bis hin zur Unverständlichkeit (vgl. 3.5.1) entgegnet Widdowson (1994: 383), dass dies längst der Fall sei und die Varietäten des Englischen für die internationale Kommunikation in Bereichen wie Wissenschaft oder Finanzwesen schon untereinander unverständlich seien, aber: Nobody, I think, says that the abstruse terms used by physicists or stockbrokers are nonstandard English. It is generally accepted that communities or secondary cultures which are defined by shared professional concerns should be granted rights of ownership and allowed to fashion the language to meet their needs, their specific purposes indeed. (Widdowson 1994: 383) ELF soll also nicht einfach als unkorrekt abgetan, sondern vielmehr als Beispiel dafür gesehen werden, wie sich jede Sprache je nach dem Kontext ihrer Anwendung verändert (vgl. Seidlhofer 2005). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ELF sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt, die bei jeder Einschätzung über die Entwicklung berücksichtigt werden sollten. Weder eine kritiklose Lobpreisung, noch ein bedingungsloses Verdammen scheinen angebracht zu sein. Es gilt, die Situation so objektiv wie möglich zu analysieren und zu überlegen, wie ihr in verschiedenen Bereichen und Konstellationen am besten Rechnung getragen werden kann. 3.5.3 Zukünftige Entwicklungen Aus den Erwägungen im vorangegangenen Unterabschnitt könnte abgeleitet werden, dass es sinnvoll wäre, auch im Spracherwerb und -unterricht nicht mehr auf der NS-Norm als alleinigem Standard zu bestehen. Jenner plädierte schon Ende der 80er Jahre für eine tolerantere Haltung, vor allem in Bezug auf die Aussprache: I feel it is now appropriate also to consider those learners who, for one reason or another, do not want or need to sound entirely native-like and to establish a lower-level objective for them. (Jenner 1989: 2) Er ist der Ansicht, dass es fast axiomatisch sei, dass Englisch nicht mehr nur den NS „gehört“ (vgl. Jenner 1997: 10). <?page no="61"?> 61 Auch Mauranen (2003: 517) vertritt eine ähnliche Meinung: „[A]n international language can be seen as a legitimate learning target, a variety belonging to its speakers“. Das Thema der Ownership of English wird von Widdowson (1994) eingehend besprochen. Er ist der Meinung, dass Englisch nicht mehr allein den NS gehört: How English develops in the world is no business whatever of native speakers in England, the United States, or anywhere else. They have no say in the matter, no right to intervene or pass judgement. They are irrelevant. The very fact that English is an international language means that no nation can have custody over it. To grant such custody of the language, is necessarily to arrest its development and so undermine its international status. (Widdowson 1994: 385) Im Zuge dieser „Entthronung der NS-Standards“ gibt es bereits Überlegungen dahingehend, dass diejenigen, die Englisch großteils für NNS- Kommunikationssituationen benötigen, gezielt nur in ELF unterrichtet werden (vgl. Jenkins 2000, Seidlhofer 2004). Ein wirklich globaler ELF- Standard, der für alle NNS verständlich ist, ist dabei jedoch unrealistisch (vgl. Mauranen 2003: 518): ELF „does not denote a distinct, stable variety of the language but a specific communication situation“ (Lesznyák 2004: 243). Trotzdem gibt es einige Bestrebungen, Gemeinsamkeiten von ELF- SprecherInnen auszumachen. Jennifer Jenkins (2000) erarbeitete beispielsweise anhand eines Corpus von NNS-Kommunikationssituationen ihren Lingua Franca Core, also phonologische Grundregeln, die NNS einhalten sollten, um gegenseitige Verständlichkeit zu garantieren. Viele NS-Regeln - wie beispielsweise die NS-Aussprache von „th“ als / θ/ oder / ð/ , die vielen NNS besonders schwer fällt - gehören jedoch nicht in diese Kategorie, da auch eine Abweichung von diesen nicht zu Verständnisschwierigkeiten führt. Jenkins hält es für unsinnig, weiterhin an Schulen die sogenannte received pronunciation (RP) zu unterrichten, einen Prestigeakzent, der von weniger als 3% der Anglophonen auch tatsächlich gesprochen wird (S. 5), und darauf zu beharren, dass eine phonologische Abweichung davon ein Fehler sei, wenn die Mehrheit der NNS diese Abweichung ohnehin verstehen (S. 160). Ein nicht minder ehrgeiziges Projekt ist VOICE, das Vienna Oxford International Corpus of English 20 , das von Barbara Seidlhofer initiiert wurde. Durch die Analyse von in das Corpus aufgenommenen ELF-Gesprächen aus den verschiedensten Settings will man mehr darüber erfahren, wie ELF tatsächlich verwendet wird. Dabei werden NNS nicht als LernerInnen, sondern als eigenständige SprecherInnen gesehen. Mittlerweile umfasst das Corpus bereits eine Million Wörter aus natürlichen gesprochenen 20 Siehe http: / / www.univie.ac.at/ voice/ index.php (05.10.2011) <?page no="62"?> 62 Interaktionen und ist bereits offen zugänglich. Einige aus dieser Analyse hervorgegangene Merkmale von ELF - wie etwa das Auslassen des Suffix - s bei Verben in der 3. Person Singular oder die Pluralisierung von Nomen, die keine Pluralform haben (z.B. informations) haben schon Einzug in das Oxford Advanced Learner’s Dictionary of Current English gefunden (vgl. Seidlhofer 2005). Auf ein weiteres vergleichbares Projekt - das ELFA-Corpus - wurde schon unter 3.4.2 Bezug genommen. Es könnte von Vorteil sein, diese Erkenntnisse über ELF nicht nur in den Englischunterricht, sondern auch in die DolmetscherInnenausbildung einfließen zu lassen. Auf diesen Punkt soll in den Schlussfolgerungen unter 6.4.2 noch genauer eingegangen werden. Sicher ist, dass es nötig ist, etablierte Konzepte nicht nur in der Anglistik zu überdenken (vgl. Widdowson 2012), sondern auch in anderen Bereichen. 3.6 ELF aus dem Blickwinkel der DolmetscherInnen und der Dolmetschwissenschaft Nach diesen allgemeinen Informationen und Details zu Englisch als Lingua Franca soll die Entwicklung nun in Zusammenhang mit dem Bereich Dolmetschen gebracht werden. 3.6.1 Auswirkungen von ELF auf den Dolmetschberuf und Reaktionen der DolmetscherInnen Wie bereits unter 3.4.2 angesprochen wurde, ist Englisch heute die meistverwendete Konferenzsprache. Die Dolmetschnachfrage betreffend liegt Englisch neben der jeweiligen Landessprache in vielen Ländern weit vor allen anderen Sprachen (vgl. Neff 2000: 83). Auch die Statistik des internationalen Verbands der KonferenzdolmetscherInnen AIIC spricht einen klare Sprache: Englisch ist in allen sechs Sprachenpaaren, die am meisten nachgefragt werden, vertreten (vgl. AIIC 2005, Neff 2008). Wenn man den Zahlen unter 3.2 glauben darf, so sind drei Viertel der EN- SprecherInnen keine MuttersprachlerInnen. Über die genaue Verteilung NNS-NS auf Konferenzen kann in Ermangelung umfassender empirischer Daten nur gemutmaßt werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie ähnlich aussieht wie bei der EN-Kommunikation allgemein. Taylor betrachtet ELF- RednerInnen auf Konferenzen jedenfalls nicht als Ausnahmeerscheinungen: […] the non-native speaker as such is very much a reality, especially when the language involved is English. It is not unusual for the majority of speakers at a conference to speak in English while the native speakers present are very much in the minority. (Taylor 1989: 184) <?page no="63"?> 63 Schon 1990 erklärte eine/ r der Befragten in Altmans Umfrage unter DolmetscherInnen, dass in 80-90% der Dolmetschsituationen Englisch als Fremdsprache gesprochen werde (vgl. Altman 1990: 26). Einen Beitrag zur Frage der Verteilung NS-NNS-RednerInnen auf Konferenzen, zu der sonst nur wenige empirische Daten vorliegen, liefert Pöchhacker (1994b: 154), der in seiner Fallstudie einer Konferenz, die in Österreich stattfand, feststellte, dass 96 der 104 zu dolmetschenden Originalreden auf Englisch gehalten wurden. Davon wiederum wurden 67 von NichtmuttersprachlerInnen vorgetragen. Mehr als die Hälfte der Dauer der Originalreden (54,5%) entfiel auf Englisch als Fremdsprache. Bei der Betrachtung dieser ohnehin schon eindrucksvollen Zahlen muss außerdem bedacht werden, dass die untersuchte Konferenz schon 1991 stattfand, und anzunehmen ist, dass sich dieser Trend noch verstärkt hat. Auch bei einem Experiment von Basel (2002, 3.6.3.1) war die Verteilung ähnlich: Von den insgesamt 28 RednerInnen auf der Konferenz, die in Wien stattfand, nutzten mehr als die Hälfte (19) Englisch als Lingua Franca. Drei davon waren deutschsprachig und hätten auch ihre Erstsprache verwenden können. Unter den restlichen neun RednerInnen waren sechs Englisch-MuttersprachlerInnen. Drei weitere Vortragende sprachen Deutsch. Hört man sich in den Dolmetschkabinen um, so erfährt man, dass die meisten DolmetscherInnen mit dieser Entwicklung nicht sehr zufrieden sind (vgl. z.B. Wooding 2002). Es stellt sich die Frage, warum DolmetscherInnen solche Probleme mit ELF zu haben scheinen, wenn, wie in Unterkapitel 3.5.2 beschrieben, die Kommunikation doch ohnehin meist zu funktionieren scheint? Die Gründe dafür dürften verschiedener Art sein. 3.6.1.1 Arbeitsbezogene Faktoren Ein Grund für diese Probleme ist möglicherweise darin zu suchen, dass sich die zuvor beschriebenen erfolgreichen Kommunikationssituationen ausschließlich auf kommunikative Face-to-face-Interaktionen, also dialogische Interaktionen, dyadische Kommunikation bezogen haben, bei denen ein Nachfragen oder Einhaken bei Unklarheiten möglich ist. Verstehen wird sogar explizit als „interactional achievement“ bezeichnet (vgl. Kaur 2010: 193f.). Bei zu dolmetschenden Referaten und Vorträgen auf Konferenzen kann man jedoch eher von monologischer Kommunikation sprechen. Ein/ e Vortragende/ r spricht dabei unidirektional zum Publikum. Aber auch bei Dialogsituationen, wie sie beim Verhandlungsdolmetschen auftreten, ist es für die DolmetscherInnen nicht möglich, die Botschaft mit den RednerInnen „auszuverhandeln“ wie unter 3.5.2 angeführt wird. Gerade jene Instrumente, die eine ELF-Kommunikation erleichtern, sind also in Konferenzdolmetschsituationen nicht zugänglich. Des Weiteren sind DolmetscherInnen - zumindest beim Simultandolmetschen - mehr als normale ZuhörerInnen auf phonetisch- <?page no="64"?> 64 phonologische Informationen angewiesen. Da sie schon zu dolmetschen beginnen müssen, bevor eine Sinneinheit des Ausgangstexts abgeschlossen wurde, steht ihnen nicht so viel Kontext zur Verfügung wie den ZuhörerInnen. Dieser Kontext erschließt sich ihnen zwar später ebenso wie allen anderen ZuhörerInnen, aber dann könnten sie die phonologischen, lexikalischen oder grammatikalischen Abweichungen von NNS-RednerInnen schon auf eine „falsche Fährte“ gelockt haben. Wenn dies z.B. durch den „kreativen“ Umgang von NNS mit Redewendungen und Metaphern (vgl. Pitzl 2009) oder den Transfer von Elementen aus anderen Sprachen (vgl. House 2012: 174) passiert, müssen sich die DolmetscherInnen korrigieren, was wiederum Zeit kostet und die Balance der Gile‘schen Efforts - der beim Dolmetschen parallel stattfindenden, koordinierten Prozesse 21 - durcheinander bringt. Gile selbst spricht im Zusammenhang mit Problemen mit NNS vor allem von deren abweichendem Akzent (Gile 1995: 173, 176), aber auch andere Abweichungen auf der Ebene von Syntax, Lexik oder Grammatik können schwerwiegende Auswirkungen haben (vgl. Pöchhacker 2004: 129). Ebendies identifizierte Albl-Mikasa (2013c) in einer Vorstudie mit nur einer studentischen Dolmetscherin als einen der Stolpersteine bei NNS-ATs. Ein weiterer Stolperstein in NNS-Vorträgen ist das oftmalige Fehlen der für das Dolmetschen so essentiellen sprachlichen Muster und cues, also Schlüsselwörtern oder -konstruktionen, die die Interpretation des Gesagten erleichtern (vgl. Flores D’Arcais/ Schreuder 1983: 9) und die Anwendung der Antizipationsstrategie 22 ermöglichen. Des Weiteren sind NNS oft zwar scheinbar verständlich, wie es in der ELF-Literatur immer wieder unterstrichen wird, haben aber trotzdem Probleme, ihre tatsächlichen kommunikativen Intentionen auszudrücken (vgl. Albl-Mikasa 2013b). In einer Vorstudie mit nur einer Dolmetschstudentin identifizierte Albl-Mikasa (2013c) ebendiese Punkte als Stolpersteine bei NNS-ATs. Sie nennt dabei „incoherent input“, „imprecise input“ und „unconventional, but comprehensible input“ als Hauptbelastung für den Dolmetschprozess, wobei vor allem der Verstehensprozess und gefestigte Automatismen beeinträchtigt werden. All das könnte eine Erklärung dafür darstellen, warum NNS- RednerInnen für DolmetscherInnen einen zusätzlichen Stressfaktor darstellen und ihnen mehr abverlangen als NS - wie es in der Literatur mehrmals behauptet wurde (vgl. z.B. Gile 1995: 173, Mead 1996: 26, Baigorri Jalón 2011). So gehören nichtmuttersprachliche Akzente für Kahane (2000: 7) neben schlechter Tonqualität oder Insiderwitzen zu den „daily trials“ von DolmetscherInnen, obgleich einer der Pioniere des Dolmetschberufes es als 21 Für eine genauere Beschreibung von Giles Effort Model siehe z.B. Gile (1995: 159ff). 22 Eine Beschreibung dieser Strategie findet sich in Pöchhacker (2004: 133f). <?page no="65"?> 65 Pflicht von DolmetscherInnen ansieht, auch unverständliche NNS-Vorträge zu verstehen (vgl. Herbert 1952: 15). Viele DolmetscherInnen beschweren sich außerdem darüber, dass NNS oft schriftliche Texte verlesen, und das mit einem sehr hohen Tempo (vgl. Harmer 2009: 171). Eben diese drei Merkmale beschreibt Pöchhacker (1994a: 242) als Auslöser für Mängel in einer Verdolmetschung: „It is a well-known fact that speakers‘ non-native articulation, speed of delivery, or use of written documents not available to the interpreters, among regrettably many other things, often leads to inevitable deficiencies in professional interpreters‘ output“. Diese Angaben wurden in mehreren Umfragen unter KonferenzdolmetscherInnen bestätigt. Cooper et al. (1982) führten eine groß angelegte Umfrage über Stressfaktoren für KonferenzdolmetscherInnen durch. Auf der Basis von 33 Interviews erarbeiteten sie einen Fragebogen, der an alle AIIC-Mitglieder, die Englisch in ihrer Sprachkombination hatten, versendet wurde. Der Rücklauf lag bei über 800. Im Abschnitt über Stressfaktoren, die mit der jeweiligen Dolmetschsituation zu tun haben (task-related), stimmten 65% der Befragten zu, dass unbekannte Akzente hohen Stress auslösen, der zweithöchste Wert nach unbekannten Themen (78%). In Bezug auf AusgangsrednerInnen wurden Delegierte, die schriftliche Texte verlesen (87%) und Delegierte, die zu schnell sprechen (80%) als größte Stressfaktoren bestätigt. In der AIIC Workload Study (Mackintosh 2002) wurden AIIC- Mitglieder nach Stressfaktoren an ihrem Arbeitsplatz befragt. Aus den über 600 Antworten ging hervor, dass schwierige Akzente zu den größten Auslösern von Stress gehören. Andere Nennungen waren erneut schnelle RednerInnen und verlesene Texte. In zwei Umfragen der AIIC wurden von den Verbandsmitgliedern unintelligible speakers sogar als zweitgrößter Stressfaktor nach hohem Redetempo angegeben (vgl. AIIC 2005, Neff 2008). Es ist anzunehmen, dass damit nicht nur, aber wohl auch NNS gemeint sind. In Zwischenbergers (2013: 354f.) AIIC-Umfrage waren nichtmuttersprachliche RednerInnen der vierthäufigste Grund für Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit. Im Gegensatz dazu wurde in Altmans (1990: 26) Umfrage unter KonferenzdolmetscherInnen des SCIC bzw. der AIIC-Region Britische Inseln NNS nur an 8. bzw. 7. Stelle von elf Faktoren genannt, die die Leistung der DolmetscherInnen beeinflussen. Manche DolmetscherInnen bevorzugen es jedoch, von NNS mit guten Englischkenntnissen als AusgangsrednerInnen zu arbeiten als von NS, die starke regionale Akzente aufweisen und schwierige idiomatische Ausdrücke verwenden (vgl. z.B. Proffitt 1997: 41). Stajic (2010) bestätigte dies für DolmetscherInnen am Gericht für Bosnien und Herzegowina, an <?page no="66"?> 66 dem auch internationale Richter sind. Die dort tätigen SprachmittlerInnen gaben an, lieber NNS zu dolmetschen, die meist einfaches, unkompliziertes Englisch sprechen, statt NS zu dolmetschen, die eine komplizierte Rechtssprache verwenden. Außer diesem Fall gibt es jedoch nur anekdotische Hinweise auf diese Vorliebe. Die meisten DolmetscherInnen scheinen NNS als AusgangsrednerInnen nicht gut zu heißen, wobei unter anderem Proffitt (1997: 41) darauf hinweist, dass man von Verallgemeinerungen absehen sollte, da nicht alle NNS Schwierigkeiten bereiten. 3.6.1.2 Psychosoziale Faktoren Neben der zusätzlichen Anstrengung, die Reden von NNS für DolmetscherInnen mit sich bringen, darf man auch einen weiteren Effekt des steigenden Einsatzes von ELF für diesen Berufsstand nicht außer Acht lassen. Wenn eine Kommunikation in einer gemeinsamen Verkehrssprache möglich ist, können DolmetscherInnen zunehmend eingespart werden (vgl. Pöchhacker 2004: 200). Van Parijs (2004) spricht das ohne Umschweife als einen der großen Vorteile von ELF an: There is not the slightest doubt in my mind that we need a way of communicating directly and intensively across the borders drawn by the differences of our mother tongues, without the extremely expensive and constraining mediation of competent interpreters. We need it in particular if we do not want Europeanisation, and beyond it globalisation, to be the exclusive preserve of the wealthy and the powerful who can afford quality interpretation. (Van Parijs 2004: 118) Es ist anzunehmen, dass die oft negative und ablehnende Haltung und Einschätzung der DolmetscherInnen hinsichtlich ELF auch davon beeinflusst wird, dass es quasi eine Konkurrenz zum Dolmetschen darstellt und somit ihre Lebensgrundlage bedroht: In many ways translation and ELF […] seem incompatible, mutually exclusive solutions to the perennial human need to communicate across language barriers. The growth of a lingua franca can end a need for translation and for this reason, taken at face value, the growth of ELF seems destined to influence detrimentally the very multilingualism which translation both depends on, and sustains. (Cook 2012: 256) Tatsächlich steigt die Anzahl von Konferenzen mit Englisch als einziger Arbeitssprache oder der einzigen Sprache neben jener des Gastgeberlandes stetig (vgl. Kurz 2005: 61, Skudlik 1992: 400). Schon in Altmans (1990) Umfrage zeigte sich, dass viele DolmetscherInnen angesichts der Perspektive einer immer stärkeren Lingua Franca besorgt waren. Allerdings hat sich die Prognose eines/ r Befragten noch <?page no="67"?> 67 nicht bewahrheitet, der/ die meinte: „The increasing use of English is likely to make us all redundant by the year 2000! “ (Altman 1990: 28). Eine Umfrage unter KonferenzdolmetscherInnen 20 Jahre später (Albl- Mikasa 2010) zeigte jedoch, dass diese Sorgen immer noch bestehen. Hier zeigte sich, dass DolmetscherInnen hin und her gerissen sind zwischen der steigenden Schwierigkeit, eine qualitativ hochwertige Leistung zu erbringen, und der steigenden Notwendigkeit, die hohe Qualität ihrer Leistung zu beweisen. Einerseits werden DolmetscherInnen heutzutage meist nur für fachlich sehr anspruchsvolle und komplexe Veranstaltungen rekrutiert, wo sie häufig NNS dolmetschen müssen, was mit den zuvor beschriebenen Problemen einhergeht (vgl. auch Ende 2008: 25). Andererseits gibt es immer mehr Wettbewerb um eine geringere Anzahl an Aufträgen, und es besteht ein ständiger Erklärungsbedarf, warum Kunden in Verdolmetschungen investieren sollten anstatt ihre Veranstaltungen in BSE abzuhalten. Ein weiterer Aspekt, der die Haltung der Dolmetsch-Community gegenüber ELF ebenfalls beeinflussen könnte, ist die öfters bekundete Annahme, dass Kunden Vertrauen in Dolmetschleistungen verlieren. Die Basis dafür bilden Delegierte, die Verdolmetschungen nicht nutzen, auch wenn diese zur Verfügung stehen, und es vorziehen, schlecht Englisch miteinander zu sprechen: „Quite often speakers prefer to deliver a speech in sub-standard English rather than resort to the services of an interpreter” (Kurz/ Basel 2009: 189f.). Kalina (2002b: 121) ist der Ansicht, dass der Auslöser dafür schlechte Dolmetschqualität sein kann. In der bereits erwähnten SCIC-Umfrage zur Kundenzufriedenheit (vgl. SCIC 2010) wurde dieses Misstrauen jedoch nicht bestätigt, ganz im Gegenteil: 85,5% der EU-Delegierten, die eine Verdolmetschung in ihre L1 hören konnten, erklärten sich damit zufrieden oder sehr zufrieden. Nur 10% derer, die freiwillig eine andere Sprache als ihre L1 verwendeten, gaben an, dies zu tun, weil sie Bedenken hatten, dass die DolmetscherInnen ihre Wortmeldung nicht genau wiedergeben könnten. Dies zeigt, dass die Sorge, dass die BenutzerInnen Vertrauen in DolmetscherInnen verlieren könnten, wohl unbegründet ist. Dabei sei jedoch auch daran erinnert, dass die Dolmetschqualität bei der EU durch einen obligatorischen Einstiegstest und kontinuierliche Leistungsevaluierung durch KollegInnen sehr hoch sein dürfte. Diese wirtschaftlichen und psychosozialen Aspekte sollten jedoch keinesfalls vernachlässigt werden, vor allem wenn man bedenkt, was schon unter 3.5.1 gesagt wurde. Eine ablehnende Haltung gegenüber NNS kann demnach auch einen Einfluss darauf haben, wie gut man sie versteht. Wenn das auf die DolmetscherInnen mit einer negativen Einstellung gegenüber NNS übertragen wird, kann angenommen werden, dass durch das <?page no="68"?> 68 schlechtere Verstehen des/ r NNS-RednerIn auch die Dolmetschleistung negativ beeinflusst wird. 3.6.2 Höhere Qualität im Zieltext dank DolmetscherInnen Neben der Einschätzung, dass NNS einen hohen Stressfaktor für DolmetscherInnen bedeuten, wird jedoch auch immer darauf hingewiesen, dass Dolmetschen gerade in einer Kommunikation mit NNS einen Mehrwert haben kann. In der Zeit, als das Simultandolmetschen noch in den Kinderschuhen steckte, sah man diese Möglichkeit noch auf das Konsekutivdolmetschen beschränkt, wie beispielsweise Jean Herbert bemerkte: „While a consecutive interpreter can and should give a good speech when the original was poor, the simultaneous interpreter can hardly aim at giving something better than the original.“ (Herbert 1952: 29) Diese Haltung hat sich bis zum heutigen Tage jedoch deutlich geändert. Dies zeigt sich schon beispielsweise anhand Déjean Le Féals berühmten Zitats (vgl. auch 2.2.3), in dem sie meint, dass ein gedolmetschter ZT sogar eine bessere sprachliche und rhetorische Qualität aufweisen kann als der AT, da DolmetscherInnen professionelle KommunikatorInnen sind, während sich RednerInnen oft sogar in einer Fremdsprache ausdrücken müssen (vgl. Déjean Le Féal 1990: 155). Altman (1990: 26) fand in den Antworten ihrer Befragungen Hinweise darauf, dass DolmetscherInnen glauben, die Qualität des AT verbessern zu können, vor allem wenn der/ die RednerIn die Sprache, die er/ sie verwendet, nur unzureichend beherrscht. Sie zitiert eine/ n Befragte, die meint, dass das vor allem bei Englisch-NNS der Fall sei. Allerdings gibt es keine quantitativen Angaben zu diesen Äußerungen. Auch Kurz/ Basel (2009) sind der Ansicht, dass DolmetscherInnen einen suboptimalen NNS-Ausgangstext verbessern können: „Anticipation and conscientious guesswork may even remedy some of the shortcomings of the [NNS] original and make the interpreted version better understandable than the source text.” (Kurz/ Basel 2009: 193). Diese Annahme wurde jedoch noch nie wissenschaftlich untersucht. Kalina (2002b: 126) sieht es sogar als notwendige Kompetenz von DolmetscherInnen an, dass diese Reden auch unter widrigen Umständen - also bei schlechten RednerInnen oder NNS - verstehen. Mängel im AT sollten ausgebügelt werden, wobei jedoch auch feststeht, dass eine solche Verbesserung bei der ZT-Produktion gerade unter diesen widrigen Umständen, die mehr efforts beim Verstehen erfordern, sehr schwierig ist (vgl. Kalina 2005: 773). Dabei stellt sich auch die strittige Frage, ob eine solche Verbesserung des AT auch zulässig ist. All dies sollte auch mit den unter 2.2.3 angestellten Überlegungen zu Wirkungsäquivalenz in Verbindung gebracht werden. <?page no="69"?> 69 Jones (2002: 110) ist der Ansicht, dass, wenn RednerInnen aus organisatorischen Gründen nicht ihre L1 sprechen können und Probleme beim fremdsprachlichen Ausdruck haben, DolmetscherInnen sich sensibel verhalten und die Strategie „says the speaker“ nicht überstrapazieren sollten. Sie sollten versuchen, alle möglichen Problemlösungsstrategien anzuwenden, um die Gedanken der RednerInnen, wie sie sie verstehen, weiterzugeben. Jones ist des Weiteren der Ansicht, dass die DolmetscherInnen, wenn dies gesamte Rede äußerst unklar bleibt, am Ende der Rede darauf hinweisen können, dass einiges unklar blieb, da der/ die RednerIn sich nicht seiner/ ihrer L1 bediente. Kalina (2009) hat diesbezüglich keine so eindeutige Meinung und stellt in Frage, ob eine Verbesserung des AT im Sinne der RezipientInnen ist: Ist ein AT, der sowohl sprachlich als auch logisch nicht ganz gelungen ist, gut gedolmetscht, wenn diese Merkmale auch im ZT erkennbar sind, oder eher dann, wenn der AT seine Funktion für AT-Rezipienten zwar nicht voll erfüllt, der ZT dies aber - durch das „Zutun“ des Dolmetschers - für die ZT-Rezipienten durchaus tut? (Kalina 2009: 172) Die Antwort auf diese Frage ist für sie nur situationsspezifisch zu geben. Sie meint, dass z.B. bei gerichtlichen Verhandlungen durchaus ein sprachliches Abbild der AT-ProduzentInnen zu liefern sei, während dies bei einer Diskussionsveranstaltung nicht nötig sei und der ZT auch sprachlich/ sprecherisch verbessert werden dürfe (S. 176). 23 Die unter 2.2.3 begonnene Äquivalenzdiskussion geht hier demnach einen Schritt weiter. Es stellt sich die Frage, ob Äquivalenz auch im Falle eines suboptimalen ATs ganz nach dem garbage in garbage out Prinzip erwünscht ist. Soll ein schlechter AT auch in einem schlechten ZT resultieren? Einen interessanten Beitrag dazu liefert eine Umfrage unter AIIC- und VKD Mitgliedern (vgl. Zwischenberger 2013). Dabei äußerten sich 688 AIIC- und 107 VKD-Mitglieder unter anderem zu der Aussage „Ich bemühe mich in meiner Verdolmetschung verständlich zu sein, selbst wenn es das Original nicht ist.“ Die Zustimmung war unter allen Befragten sehr hoch, wenngleich diese Aussage einer Intervention in das Original gleichzusetzen ist, die von den Verbänden selbst allgemein nicht befürwortet wird (S. 301 f.). Damit scheint diese eigentlich als Bruch der Norm der absoluten Äquivalenz zu bewertende Vorgehensweise unter PraktikerInnen durchaus auf große Zustimmung zu stoßen. Allgemein zeigt sich in der Literatur, dass die Diskussion über die „Entthronung des Originals“ (vgl. Holz-Mänttäri 1984) in der Dolmetschwissenschaft noch nicht so weit gediehen ist wie in der Übersetzungswissen- 23 Siehe dazu auch die translationswissenschaftliche Diskussion zum Thema Loyalität, die von Nord (1989) angeregt und von Prunč (1997) weitergeführt wurde. <?page no="70"?> 70 schaft. Allgemein kann aber festgehalten werden, dass viele DolmetscherInnen trotzdem der Ansicht sind, dass mangelhafte Ausgangstexte verbessert werden sollten/ dürfen und dass Dolmetschen dadurch auch effektiver sein kann als eine Kommunikation in ELF. Ob diese Verbesserungsmöglichkeit auch tatsächlich besteht, soll eine der hier untersuchten Forschungsfragen sein. Aus dem Abriss der Entwicklung unter 3.2 wird klar, dass ELF heute einen nicht wegzuleugnenden Teil der Arbeitsbedingungen für DolmetscherInnen darstellt, weshalb diesem Thema wohl auch in der Dolmetschwissenschaft immer mehr Bedeutung geschenkt wird und werden sollte. Im Folgenden sollen einige Beispiele von dolmetsch-wissenschaftlichen Arbeiten rund um das Thema Akzent und NNS vorgestellt werden. 3.6.3 Dolmetschwissenschaftliche Arbeiten mit Fokus auf nichtmuttersprachlichem Akzent Es blieb von DolmetschwissenschafterInnen nicht unbeachtet, dass ELF und allen voran ein NNS-Akzent der RednerInnen, aber auch der DolmetscherInnen einen großen Einfluss auf die Dolmetschleistung bzw. auf die Bewertung derselben haben kann. Bei den im ersten Unterkapitel beschriebenen experimentellen Untersuchungen geht es um die Frage, wie sich der nichtmuttersprachliche bzw. atypische Akzent von RednerInnen auf die Verdolmetschung auswirkt. 3.6.3.1 RednerInnen mit NNS-Akzent In ihrer Dissertation beleuchtete Basel (2002) 24 die Leistung von zwölf Studierenden und sechs professionellen DolmetscherInnen, die zwei englische Reden dolmetschten, von denen eine mit spanischem und eine mit französischem Akzent vorgetragen wurde. Dabei zeigte sich, dass die Profis eindeutig besser mit dieser Situation umzugehen wussten. Es konnte keine starke Korrelation zwischen der empfundenen Schwierigkeit der Ausgangsreden und dem tatsächlich erfolgten Informationstransfer nachgewiesen werden, was bedeutet, dass DolmetscherInnen nicht unbedingt schlechter dolmetschen, wenn sie den Akzent eines Redners/ einer Rednerin als sehr stark empfinden. Interessant ist das Ergebnis, dass die DolmetscherInnen, die die Erstsprache der NNS- RednerInnen beherrschten, diese besser dolmetschten. Dieser mögliche Vorteil beim Verstehen von NNS wurde auch in der Erforschung des Zweitsprachenerwerbs in einigen Studien bestätigt, in anderen jedoch zumindest teilweise widerlegt oder relativiert (vgl. 4.3.1). Eine 24 Eine Zusammenfassung dieser Studie bieten auch Kurz/ Basel (2009). <?page no="71"?> 71 Einschränkung der Studie besteht darin, dass keine Vergleichsdolmetschung mit NS-Input erfolgte. Man kann also nur mutmaßen, dass die DolmetscherInnen bei NS-RednerInnen eine bessere Leistung erbracht hätten. Auch Kodrnja (2001) 25 bestätigte in ihrer Diplomarbeit die Annahme, dass mehr Dolmetschexpertise beim Dolmetschen von NNS von Vorteil sein kann. In ihrem Experiment dolmetschten zwei Gruppen von Studierenden eine Rede, von der ein Teil von einem NS und ein Teil von einem NNS verlesen wurden. Die Abweichungen des NNS beschränkten sich somit lediglich auf die phonetische Ebene, ohne lexikalische, syntaktische oder grammatikalische Unterschiede zur NS-Norm. Es stellte sich heraus, dass der Informationsverlust in beiden Gruppen beim NNS-Teil bedeutend größer war. Erfahrenere Studierende konnten jedoch besser mit dem Akzent des Redners umgehen. Bei jener Gruppe, die zuerst den NS- und danach den NNS-Teil dolmetschte, war der Informationsverlust beim NNS geringer als bei der anderen Gruppe, bei der die Abfolge umgekehrt war. Als mögliche Erklärung wird angegeben, dass die erste Gruppe sich schon in den Text einhören und an den Akzent des Redners gewöhnen konnte, während die zweite Gruppe gleich zu Beginn, wo man noch wenig antizipieren kann, die Schwierigkeiten des NNS-Redners bewältigen musste. Im anschließend ausgefüllten Fragebogen gaben die Versuchspersonen an, dass der NNS-Akzent als erschwerender Faktor empfunden wurde. Außerdem zeigte sich, dass die ProbandInnen den subjektiven Eindruck hatten, dass das Sprechtempo beim NNS-Teil höher gewesen wäre als beim NS-Teil, was nicht immer der Fall war. Dies entspricht den oft von DolmetscherInnen geäußerten Beschwerden über die Sprechgeschwindigkeit von NNS, die möglicherweise nur als so hoch wahrgenommen wird (vgl. 3.6.1 und 4.3.4.3). Des Weiteren zeigte sich, dass alle Versuchspersonen versuchten, Problemlösungsstrategien anzuwenden. Die Studie ist im Ansatz und der Methode sehr interessant, aber in dem Sinne limitiert, dass alle ProbandInnen noch Studierende waren und keine erfahrenen PraktikerInnen am Experiment teilnahmen. Dies ist ein Hauptproblem vieler Dolmetschexperimente, wodurch auch die Validität dieser in Frage gestellt werden kann (vgl. z.B. Gile 2003: 119). Des Weiteren war die Anzahl der Versuchspersonen (n=10) sehr gering. Kraus (2011) beschäftigte sich analog zu Basel mit der Frage, ob die Kenntnis der L1 eines NNS ein Vorteil für die betroffenen DolmetscherInnen sein kann. Des Weiteren stellte sie in ihrer Masterarbeit die Frage, ob eine Sensibilisierung für einen bestimmten Akzent von Vorteil beim Dolmetschen sein kann. Der Test mit 12 Studierenden bestätigte Basels‘ Ergebnis der positiven Wirkung der Kompetenz der L1 von NNS-RednerInnen 25 Eine Zusammenfassung dieser Studie bietet auch Kurz (2005 und 2008). <?page no="72"?> 72 für das Dolmetschen. In Bezug auf die möglichen Vorteile einer Sensibilisierung für einen bestimmten Akzent eines NNS deuteten alle Ergebnisse darauf hin, dass eine Vorbereitung auf bestimmte L1-bezogene Aussprachemerkmale von NNS die Leistung vor allem von DolmetscherInnen, die dieser L1 nicht mächtig sind, erheblich steigern kann. Auch hier stellen die Gruppengröße und die Tatsache, dass alle ProbandInnen Studierende waren, eine Einschränkung der interessanten Ergebnisse dar. In Sabatinis (2000) Studie dienten zwei englische Reden, die als nonstandard bewertet wurden, als Ausgangstexte (AT). Einer der Redner war ein Inder, der Englisch als Zweitsprache sprach, aber somit nicht als ELF- Sprecher gewertet werden kann 26 . Der andere Redner war ein Amerikaner mit einem stark umgangssprachlichen, nasalen Akzent. Zehn Dolmetschstudierende sollten nach dem Anhören von Textpassagen aus diesen Reden folgende Aufgaben durchführen: Dolmetschen, Shadowing und Ausfüllen eines Hörverständnistests. Bei der Analyse zeigte sich, dass atypische Redeelemente zu Auslassungen oder Verständnisfehlern führten. Die besten Ergebnisse erzielten die Versuchspersonen beim Hörverständnis, wobei jedoch berücksichtigt werden sollte, dass der Hörverständnis-Test sich auf den ersten Teil der Rede bezog, der üblicherweise eine Einleitung ist und inhaltlich weniger komplex gewesen sein könnte. Andererseits kann der Anfang einer Rede - wie bei der vorangegangenen Studie erwähnt - auch kognitiv schwieriger zu erfassen sein, da man sich noch nicht an den Akzent des/ der Redners/ Rednerin gewöhnen konnte. Nicht festgestellt werden konnte, ob Shadowing oder Simultandolmetschen größere Schwierigkeiten bereitete. Auch in diesem Fall stellt die geringe Anzahl der Versuchspersonen und die Tatsache, dass es sich um Studierende handelte, eine Einschränkung des gut überlegten Experiments dar. Messina (1998) vermied die Fallstricke eines Dolmetschexperiments und beschränkte sich darauf, authentische Reden von NS (5 Reden) und NNS (5 Reden) zu vergleichen. Dabei stellte er fest, dass die NNS-Reden dichter waren und die RednerInnen seltener vom Redemanuskript abwichen und frei redeten. Bei den NS wurde hingegen eine höhere Redegeschwindigkeit festgestellt, was angesichts der Behauptungen zum angeblich hohen Sprechtempo von NNS überrascht. Diese Ergebnisse könnten interessante Tendenzen aufzeigen, sind jedoch aufgrund des kleinen Corpus an Reden nicht sehr aussagekräftig. Die folgende Arbeit beschäftigt sich nicht mit dem Thema ELF, sondern mit dem Akzent bei einer anderen Sprache, nämlich beim Deutschen. Sie ist jedoch in diesem Zusammenhang trotzdem von Interesse, da anzuneh- 26 Laut Kachrus (1985) vielzitiertem Modell wäre er ein Vertreter des Outer Circle der Länder, die Englisch als Zweitsprache, nicht als Fremdsprache oder Verkehrssprache verwenden und somit einen anderen Status als ELF-SprecherInnen haben. <?page no="73"?> 73 men ist, dass von der Sprachnorm abweichende Ausgangsreden allgemein zu analogen Problemen beim Dolmetschen führen können. Mazzetti (1999) widmete sich in seiner Diplomarbeit den Auswirkungen von sprachlichen Abweichungen auf die Verständlichkeit des Ausgangstexts. In seinem Experiment hielten ein Deutschmuttersprachler aus Südtirol und ein NNS aus Frankreich eine deutsche Rede, die von drei Gruppen von Dolmetschstudierenden gedolmetscht wurde - zwei davon bestanden aus italienischen NS (IT), eine aus deutschen (DE). Eine der IT- Gruppen dolmetschte den NS, eine den NNS. Die DE-Gruppe dolmetschte den NNS. Die DE-Gruppe dolmetschte deutlich mehr Redeteile Mazzettis Definition zufolge „korrekt“ (32,86% im Vergleich zu 19,28% der IT). Mazzetti geht davon aus, dass die ProbandInnen der DE-Gruppe den NNS- Redner aufgrund der Tatsache, dass sie dieselbe Erstsprache hatten, besser verstanden und Abweichungen besser kompensieren konnten. So interessant das Design der Studie auch sein mag, hat es doch einige Schwächen: Auch hier wurden nur Studierende und keine professionellen DolmetscherInnen eingesetzt. Des Weiteren ist zu bemerken, dass die IT- Vergleichsgruppe, die den NS-Vortrag dolmetschte, kaum bessere Ergebnisse erzielen konnte als die andere IT-Gruppe, was darauf schließen lässt, dass beide Gruppen allgemein noch nicht sehr erfahren waren und auch mit NS-RednerInnen große Probleme hatten. Eine weitere Schwierigkeit könnte möglicherweise auch die regionale Sprachfärbung des Südtiroler Redners dargestellt haben. Dies ist jedoch eine reine Hypothese, da ich die Rede des DE-Muttersprachlers nicht persönlich gehört habe. Während die vorangegangenen Arbeiten für mich großteils erwartete Ergebnisse lieferten und Alltagshypothesen bestätigten, stellt die Arbeit von Proffitt (1997) eine überraschende Ausnahme dar. In ihrer Studie dolmetschten neun professionelle DolmetscherInnen (3 RS, 3 FR, 3 EN Kontrollgruppe) englische Redebeiträge aus Sitzungen der Vereinten Nationen, von denen einige NS-Reden mit geringer Schwierigkeitsstufe und einige NNS-Reden mit hoher Schwierigkeitsstufe waren. Die Schwierigkeit der Wortmeldungen war zuvor von anderen zehn DolmetscherInnen beurteilt worden. Die Merkmale von NNS mit hoher Schwierigkeitsstufe waren vor allem Abweichungen in der Satzstruktur sowie ihr Akzent und ihre Intonation. Überraschenderweise erzielten die DolmetscherInnen bei den schwierigen NNS-Reden bessere Resultate als bei den einfachen NS-Reden, und das obwohl auch die Versuchspersonen selbst die NNS-Reden als schwierig beurteilt hatten. Als mögliche Erklärung gibt die Autorin an, dass sich die Versuchspersonen eventuell aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrades der Reden besonders konzentriert hatten. Diese Studie ist in dem Sinne vorbildlich, dass ausschließlich sehr erfahrene DolmetscherInnen zum Einsatz kamen und die gesamte Methode <?page no="74"?> 74 und Analyse äußerst sorgfältig vorbereitet wurde. Interessant ist auch Proffitts Überlegung, dass intralinguales Dolmetschen von NNS-Englisch in NS-Englisch in der Zukunft eventuell nötig sein könnte, wobei die wirkliche Umsetzung dieser Idee wohl mit sehr großen Problemen verbunden wäre (z.B. ab welcher „Akzentstärke“ wird gedolmetscht? , Affront für die NNS, etc.). Des Weiteren ist unklar, ob es wirklich NS sind, die NNS mit starkem Akzent am ehesten verstehen. Einigen Studien im Zweitsprachenerwerb zufolge ist es vor allem die Bekanntheit und Geläufigkeit eines Akzents, die das Verständnis und die Fähigkeit zu interpretieren erhöhen (vgl. 4.3). Es kann durchaus vorkommen, dass NS größere Probleme mit NNS haben als andere NNS. Auch in Taylors (1989) Experiment mit verlesenen Texten hatten die DolmetscherInnen weniger Probleme mit einer Rede, die von einem NNS verlesen wurde, als mit jener eines NS. Allerdings schränkt Taylor selbst die Aussagekraft dieses Ergebnisses ein, indem er angibt, dass der NNS viel langsamer las, wodurch die DolmetscherInnen es sich leisten konnten, bei phonologisch schwierigen Passagen auf mehr Kontext zu warten. Außerdem weist er darauf hin, dass der NNS und die DolmetscherInnen dieselbe Erstsprache hatten, was - wie unter 4.3.1.1 noch beschrieben werden soll - eine Kompensation von NNS-Abweichungen erleichtern kann. Er ist jedoch wie Proffitt der Meinung, dass bei schwierigen NNS-RednerInnen englische MuttersprachlerInnen weniger Probleme beim Dolmetschen haben könnten. Auch in diesem Experiment kamen lediglich Studierende als DolmetscherInnen zum Einsatz, die etwas ungenau als „homogene Gruppe“ beschrieben wurden. Der Artikel enthält jedoch keine genauere Beschreibung der Methode, z.B. in Bezug auf Abfolge der zu dolmetschenden Reden und auf die Anzahl der Versuchspersonen. 3.6.3.2 DolmetscherInnen mit NNS-Akzent Die folgenden Arbeiten widmen sich nicht dem Akzent von RednerInnen, sondern dem Akzent von DolmetscherInnen. Dieser Blickwinkel soll hier trotzdem besprochen werden, da es für die allgemeine Fragestellung von Relevanz ist. Steveauxs Arbeit (2007) ist Teil einer der umfangreichsten Qualitätsstudien im dolmetschwissenschaftlichen Bereich, die unter der Ägide von Collados Aís (z.B. 1998) schon seit den späten 90er Jahren in Granada betrieben wird. Kern des Projekts ist es, die Erwartungshaltung von ZuhörerInnen hinsichtlich gängiger Qualitätskriterien für DolmetscherInnen wie Flüssigkeit, Intonation, Vollständigkeit etc. (vgl. Bühler 1986, Kurz 1989) einer Bewertung von tatsächlichen Verdolmetschungen gegenüberzustellen, die hinsichtlich ebendieser Kriterien verändert wurden. Steveauxs Arbeit ist jenes Teilprojekt der Gesamtstudie, das sich mit dem Parameter Akzent befasst. Wie schon in <?page no="75"?> 75 anderen Qualitätsstudien (vgl. Collados Aís 1998) wurde der Akzent auch in ihrer dekontextualisierten NutzerInnenbefragung hinsichtlich deren Erwartungen an Verdolmetschungen als nicht sehr bedeutend eingestuft. Er steht bei ihrer Reihung sogar an letzter Stelle von elf Parametern. Anschließend bewerteten die ZuhörerInnen jedoch eine konkrete Verdolmetschung ins Spanische, wobei der Akzent der Dolmetscherin der eines NNS mit Deutsch als Erstsprache war, sowie ein Kontrollvideo einer NS-Verdolmetschung. Dabei zeigte sich, dass die Versuchspersonen das Kontrollvideo hinsichtlich 13 von 15 Kriterien besser als das Akzent-Video beurteilten. Der nichtmuttersprachliche Akzent der Dolmetscherin wirkte sich also auch auf die Bewertung von anderen Parametern negativ aus. Sie wurde für den Akzent „bestraft“. Der größte Unterschied bei der Bewertung von Kontrollvideo und Akzent-Video fand sich jedoch nicht wie erwartet beim Parameter Akzent, sondern bei der Diktion. Eine Einschränkung des Experiments besteht in der mit zwölf Versuchspersonen eher kleinen BewerterInnengruppe. Außerdem wurden die Art und die Charakteristika des Akzents der Dolmetscherin nicht beschrieben, was angesichts der Fülle an möglichen phonologischen Abweichungen begrüßenswert gewesen wäre. Cheung (2003) beschäftigte sich in seiner experimentellen Studie mit der unterschiedlichen Bewertung von Akzent bei Simultandolmetschungen durch ZuhörerInnen mit Mandarin (Ma) oder Kantonesisch (Ka) als Erstsprache. Er stellte die Hypothese auf, dass Mandarin-NS eine höhere Toleranz gegenüber regionalen Akzenten haben würden als kantonesische NS, da Mandarin selbst in China mit vielen unterschiedlichen Dialekten gesprochen wird. Die Versuchspersonen bestanden zur Hälfte aus Ma-NS und zur Hälfte aus Ka-NS. Wiederum die Hälfte jeder dieser Gruppen hörte eine Verdolmetschung eines EN-Texts in ihre Erstsprache, wobei die Dolmetscherin einen NNS-Akzent hatte, die andere Hälfte eine Verdolmetschung mit NS- Akzent. Anschließend bewerteten sie die Verdolmetschung nach verschiedenen Parametern. Die Resultate bestätigten die erste Hypothese. Eine zweite Hypothese dahingehend, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Akzent und der subjektiven Einschätzung der Dolmetschqualität geben könnte, wurde nicht völlig bestätigt. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass die Zufriedenheit der Ka-ZuhörerInnen tendenziell geringer war, wenn sie mit einer NNS-Verdolmetschung konfrontiert waren. Bei den Ma-ZuhörerInnen konnte keine der-artige Tendenz ausgemacht werden. Mit 120 Versuchspersonen war Cheungs Probandengruppe vorbildlich groß. Diese wurde zwar in vier Gruppen unterteilt, wobei aber immer noch eine Gruppengröße von 30 gegeben war. Methodisch nachahmenswert ist auch, dass er vermied, mit linguistisch sensibilisierten ProbandInnen zu <?page no="76"?> 76 arbeiten, und gezielt Studierende aus naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengängen rekrutierte. Aus seinem Forschungsbericht geht jedoch nicht klar hervor, wie die Versuchspersonen rekrutiert wurden und ob die Zuteilung zu den verschiedenen Gruppen nach dem Zufallsprinzip erfolgte. Rožićs Arbeit (2004) ist hinsichtlich der Fragestellung mit jener von Steveaux vergleichbar. Bei ihrem Experiment wurde eine Dolmetschsituation nachgestellt, bei der eine kroatische Rede ins Deutsche übertragen werden sollte. Der Ausgangstext wurde zuvor schriftlich übersetzt und von zwei DolmetscherInnen verlesen, von denen eine Deutsch als A-Sprache angab, die andere als B-Sprache. Die ZuhörerInnen bestanden aus zehn BibliothekarInnen und zehn DolmetscherInnen. Nach einer allgemeinen Bewertung verschiedener Qualitätsparameter sollten die Versuchspersonen dieselben Parameter in Bezug auf die zwei Dolmetschversionen bewerten. Bei der Vorbeurteilung gaben beide Gruppen Akzent als unwichtigstes Qualitätsmerkmal an. Bei der Anwendung derselben Parameter auf die fingierten Verdolmetschungen hatte der Akzent der NNS-Dolmetscherin bei der BibliothekarInnen-Gruppe jedoch durchaus negative Auswirkungen auf die Beurteilung. Die Erwartungen und die tatsächliche Bewertung stimmten demnach - wie bei Steveaux - nicht überein. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Akzent auch eine negative Auswirkung auf die Bewertung von anderen nonverbalen Merkmalen hatte. Als eine Einschränkung des Versuchsdesigns kann angeführt werden, dass das Verlesen eines übersetzten Texts nicht unbedingt mit einer echten Verdolmetschung verglichen werden kann. Dies wurde auch von einigen Versuchspersonen angemerkt. Des Weiteren wäre es interessant gewesen, mehr darüber zu erfahren, welche phonologischen Merkmale den Akzent des/ r B-Dolmetschers/ In ausmachten. Eine umfassende Übersicht über weitere Studien zum Thema Akzent von DolmetscherInnen findet sich bei Steveaux (2007: 22ff.). Diese Auswahl an dolmetschwissenschaftlichen Arbeiten mit Akzentbezug zeigt, dass es bereits höchst interessante Forschungsansätze auf diesem Gebiet gibt. Angesichts der rasch ansteigenden Anzahl an zu dolmetschenden NNS-RednerInnen wäre es jedoch dringend nötig, weitere Forschung in diesem Bereich zu betreiben. Welche Themen dabei von besonderem Interesse wären, soll in den Schlussfolgerungen (vgl. 6.4.4) besprochen werden. Insgesamt kann nach diesem Kapitel festgehalten werden, dass ELF eine einzigartige Entwicklung durchlaufen hat, die einerseits viele Vorteile, andererseits große Herausforderungen mit sich bringt. Ein Faktor, den DolmetscherInnen immer wieder beklagen, ist die angeblich oft mangelnde <?page no="77"?> 77 Verständlichkeit von nicht-muttersprachlichen RednerInnen. Dieses Thema soll im nächsten Kapitel genauer untersucht werden. <?page no="78"?> 78 4 Nichtmuttersprachliche RednerInnen und Verständlichkeit Nachdem im vorangegangenen Kapitel erklärt wurde, dass NNS oft eine Herausforderung für DolmetscherInnen, aber auch für andere ZuhörerInne darstellen, soll nun geprüft werden, welche sprachlichen Merkmale von NNS dazu führen und welche Faktoren ihre Verständlichkeit beeinflussen. 4.1 Sprachliche Merkmale von Nichtmuttersprachler- Innen Bei Diskussionen über nichtmuttersprachliche RednerInnen, die Englisch als Lingua Franca benutzen, ist immer wieder die Rede von den non-native speakers, als wären sie eine homogene Gruppe, die den DolmetscherInnen das Leben schwerer macht. Bei genauerer Überlegung scheint es klar, dass man nicht alle NichtmuttersprachlerInnen über einen Kamm scheren kann, da sie unterschiedlich gut Englisch sprechen und auch unterschiedliche Abweichungen von der muttersprachlichen Norm aufweisen. Trotzdem weisen anekdotische Erzählungen von professionellen DolmetscherInnen darauf hin, dass es gefühlte Gemeinsamkeiten im Sprachgebrauch von NNS gibt. Dies wurde in zahlreichen linguistischen Studien - vor allem zur Spracherwerbsforschung - vom wissenschaftlichen Standpunkt aus untersucht. Ein Überblick über die Ergebnisse soll nun gegeben werden. Eines der größten Probleme bei der Beschreibung der Merkmale von NichtmuttersprachlerInnen des Englischen ist, dass es keine allgemein akzeptierte Definition für Standardenglisch gibt. Anders als bei Spanisch oder Französisch gibt es keine Kodifizierung des Englischen durch eine staatliche Einrichtung oder eine Sprachakademie (vgl. Kachru 1982: 32). Wissenschaftliche Modelle der Sprache sind somit von keiner organisierten Instanz sanktioniert. Widdowson (1994) ist der Meinung, dass sich Standardenglisch vor allem durch Grammatik und Lexik auszeichnet, nicht aber durch die Phonologie: What is standard English? The usual way of defining it is in reference to its grammar and lexis: It is a variety, a kind of superposed dialect which is socially sanctioned for institutional use and therefore particularly well suited to written communication. In its spoken form it can be manifested by any accent. So it is generally conceded that standard English has no distinctive phonology. (Widdowson 1994: 380) <?page no="79"?> 79 Kachru (1982: 33f.) weist jedoch darauf hin, dass bezüglich der englischen Phonetik üblicherweise auf zwei gut dokumentierte Modelle verwiesen wird, die Received Pronunciation - ein ungefähr 100 Jahre altes Modell aus dem britischen Sprachraum - und General American, das sich auf die Varietät bezieht, die im Großteil der USA und Kanada gesprochen wird. Diese werden von NNS oft als Idealform der Aussprache angestrebt, werden jedoch auch nur von einem geringen Anteil an NS gesprochen und können somit nicht als Standardaussprache bezeichnet werden (vgl. Jenkins 2000: 203 ff.). Trotz des Fehlens eines sanktionierten Modells von Standardenglisch haben ForscherInnen aus verschiedenen Disziplinen versucht, Gemeinsamkeiten beim Einsatz von Englisch durch NichtmuttersprachlerInnen auszumachen. Dabei gehen sie von deren Abweichungen von einer meist nicht definierten muttersprachlichen Norm aus. Der Terminus Norm wird dabei entweder präskriptiv verstanden oder im Sinne von Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch der Mehrheit der MuttersprachlerInnen (vgl. Kachru 1982: 31). Mein Verständnis von NS-Norm entspricht der zweiten Definition. Zusätzlich zum Problem der fehlenden Definition von NS-Standard oder -Norm gestaltet es sich außerdem auch schwierig, die sprachlichen Merkmale von NNS des Englischen pauschal zu beschreiben, da ihre Abweichungen aufgrund einer Vielzahl von Faktoren sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Dabei spielt das Niveau der Sprachkenntnisse, die allgemeine Sprachfertigkeit, aber auch die Erstsprache der NNS eine bedeutende Rolle. Es gibt daher keine prototypischen NNS, genauso wenig wie es prototypische MuttersprachlerInnen gibt. Im Folgenden soll ein Überblick über Studien gegeben werden, in denen trotzdem versucht wurde, typische Abweichungen von NNS von der NS-Norm zu beschreiben. 4.1.1 Interlanguage und Interimsprache Selinker (1972) prägte den Terminus Interlanguage (IL) 27 für das Regelwerk, das NNS beim Erlernen einer Zweit- oder Fremdsprache konstruieren. Er beschreibt es als ein eigenes Sprachsystem: “a separate linguistic system based on the observable output which results from a learner’s attempted production of a target language norm” (S. 214). Bei diesem Ansatz werden NNS-typische Merkmale nicht mehr nur als Fehler oder Abweichungen betrachtet, sondern als Merkmale beim Entstehen einer Art von neuem Sprachsystem (vgl. Selinker 1992: 224). 27 Dieser Terminus wird von ELF-ForscherInnen sehr kritisch betrachtet, da sie es nicht als Ziel von ELF-SprecherInnen ansehen, den NS-Normen zu entsprechen, sondern über Sprachgrenzen hinweg zu kommunizieren (vgl. z.B. House 2003). Hier wird er besprochen, da das Forschungsfeld interessante Einblicke in NNS-typische Merkmale bietet. <?page no="80"?> 80 Aufbauend auf dieser Interlanguage-Hypothese wurde eine Reihe von empirischen Untersuchungen durchgeführt, die sich jedoch vor allem mit dem Zweitsprachenerwerb, nicht dem Fremdsprachenerwerb befassten. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde in der damaligen BRD die sogenannte Interimsprachenhypothese entwickelt, die sich explizit mit dem unterrichtsgesteuerten Fremdsprachenlernen beschäftigt und somit als eine spezifische Form der IL-Hypothese betrachtet werden könnte (vgl. Kasper 1981: 12f., 17). Die Interimsprache wird als ein spezifisches Sprachsystem beschrieben, das während des unterrichtsgesteuerten Lernprozesses entsteht und sich dynamisch weiterentwickelt. Die Basis für dieses System, das auch vom außerunterrichtlichen Fremdsprachenerwerb beeinflusst wird, bilden alle sprachlichen und kommunikativen Erfahrungen der LernerInnen (S. 15f.). Da viele dieser Erfahrungen in der Erstsprache (L1) gemacht wurden, erfolgt des Öfteren ein Transfer von Regeln aus der L1 in die Fremdsprache (L2). Laut Selinker (1992: 247) können jedoch nicht nur die L1, sondern auch Sprachuniversalien bei diesem Transfer eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich kann zwischen einem negativen oder einem positiven Transfer unterschieden werden. Im Fall eines negativen Transfers entspricht das aus der L1 übernommene Merkmal nicht den L2- Regeln, während beim positiven Transfer eine solche Entsprechung gegeben ist (vgl. Major 2001: 1). Auch einige NNS-Muster, die Seidlhofer (2005) als häufig auftretend beschreibt, deuten auf einen negativen Transfer aus der L1 hin. Ein Beispiel dafür wäre die Pluralisierung von Substantiven, die im Standardenglisch keine Mehrzahlform haben, wie etwa information s . In vielen anderen Sprachen - wie Deutsch oder den romanischen Sprachen - gibt es jedoch durchaus eine Pluralform des Wortes Information. Es wäre möglich, dass NNS diese Regel aus ihrer L1 übernehmen. Selinker (1992: 208) ist der Ansicht, dass nicht automatisch alle bekannten Regeln in die L2 übernommen werden, sondern dass der Transfer ein Selektionsprozess ist, bei dem einige L1-Strukturen und -Prozesse eher übernommen werden als andere, was auch in experimentellen Studien bestätigt wurde. Dabei scheint die Häufigkeit, mit der gewisse Strukturen in der L1 auftreten, ein wichtiges Kriterium für die Auswahl dessen zu sein, was in die IL übernommen wird und was nicht (S. 212). Allgemein ist dabei zu beachten, dass die Interlanguage-Hypothese davon ausgeht, dass das Auftreten von IL-Merkmalen stark kontextbezogen ist, was bei der Analyse von NNS-Daten immer berücksichtigt werden sollte. Eine Übergeneralisierung von Ergebnissen aus einzelnen Untersuchungen, die in nur einem bestimmten Setting durchgeführt wurden, sollte vermieden werden (S. 242f.). <?page no="81"?> 81 Die Interaktion und gegenseitige Beeinflussung von L1 und L2 wurden auch in einer Reihe von Studien bestätigt. Einen Überblick bieten Guion et al. (2000: 206f.) Neben dem besprochenen Transfer können jedoch auch weitere Kategorien von NNS-Abweichungen von der NS-Norm beobachtet werden. Eine davon ist die Generalisierung, bei der bereits erworbene interimsprachliche Funktionen, Regeln oder Elemente auf neue Kontexte übertragen werden. Bei einer empirischen Untersuchung an deutschen Anglistikstudierenden wurde dieser Typ von Abweichungen von der NS-Norm als größter Problemfaktor identifiziert. 60% der fehlerverursachenden Prozesse bei den untersuchten NNS gingen auf eine Generalisierung zurück, nur 28% auf muttersprachlichen Transfer (vgl. Kasper 1981: 370). Eine umfassende Beschreibung von weiteren IL-Kommunikationsstrategien wie Paraphrasen, Entlehnungen oder das Vermeiden von bestimmten Sprachkategorien finden sich in Tarone (1984: 62f). Dort wird auch darauf verwiesen, dass solche Strategien auch in Interaktionen in der Erstsprache angewendet werden (S. 65f.). Einen innovativen Ansatz in der Untersuchung von Englisch, das zwischen NNS als Lingua Franca verwendet wird, verfolgt das bereits angesprochene VOICE-Projekt (vgl. 3.5.3). Die Ergebnisse der Analyse von in das Corpus aufgenommenen ELF-Gesprächen aus den verschiedensten Settings deuten ebenfalls darauf hin, dass bei NNS immer wieder bestimmte Muster zu beobachten sind. Typische Beispiele dafür sind, dass NNS - den Suffix -s bei Verben in der 3. Person Singular auslassen, - die Relativpronomen who und which als Synonym verwenden, - bestimmte und unbestimmte Artikel auslassen oder falsch verwenden, - einige sehr allgemeine Verben wie make oder do in Kollokationen einsetzen, in denen sie im Standardenglisch nicht üblich sind, - oder - wie schon erwähnt - Nomen pluralisieren, die keine Pluralform haben (vgl. Seidlhofer 2005). Einige WissenschafterInnen haben beobachtet, dass Abweichungen von der NS-Norm - wie z.B. die oben beschriebenen - nicht nur bei AnfängerInnen, sondern auch bei (sehr) fortgeschrittenen Sprachlerner- Innen noch auftreten können. In diesem Zusammenhang wurde im Bereich der interlanguage studies auch der Terminus fossilisation oder non-learning geprägt. Selinker beschreibt dies als eine Verfestigung falscher L2-Regeln bei NNS: „[L]inguistic items, rules, and subsystems which speakers of a particular L1 will tend to keep in their interlanguage, no matter what the age of the learner or amount of explanation and instruction he receives in the target language“ (Selinker 1972: 215). Dabei wird der Lernprozess eingestellt, bevor die NS-Normen völlig internalisiert wurden (vgl. Selinker 1992: 243). Diese Art der Abweichungen vom NS-Standard treten bei <?page no="82"?> 82 fortgeschrittenen LernerInnen gehäuft in Situationen auf, in denen sie sich auf etwas Schwieriges konzentrieren müssen, sie nervös, aufgebracht oder aber sehr entspannt sind. Allerdings bedeutet dies nicht, dass diese gefestigten falschen Regeln nicht auch revidiert werden könnten, wobei sie jedoch unterschiedliche Resistenzstärken aufweisen (vgl. Kasper 1981: 26). Der Terminus fossilisation wird allerdings von vielen WissenschafterInnen auch sehr kritisch betrachtet, vor allem wenn nicht von FremdsprachenlernerInnen, sondern von SprecherInnen einer Zweitsprache die Rede ist, deren Varietät der Sprache als ebenso legitim wie jene der NS angesehen wird (vgl. Jenkins 2000: 30f.). Die oben beschriebenen NNS-Merkmale wie L1-Transfer oder Generalisierung können die verschiedensten sprachlichen Ebenen betreffen: Grammatik, Lexik, Syntax, Phonetik etc. Dabei sind phonetische und phonologische Abweichungen für ZuhörerInnen besonders auffällig. Sie werden üblicherweise als nichtmuttersprachlicher Akzent bezeichnet. Da dieser die NNS meist am schnellsten als solche identifizierbar macht, soll diesem Thema ein eigenes Unterkapitel gewidmet werden. 4.1.2 Nichtmuttersprachlicher Akzent Bevor das Thema genauer erörtert wird, soll zunächst eine Definition des Begriffs erfolgen. 4.1.2.1 Begriffsdefinition Wingstedt/ Schulman (1987) beschreiben den NNS-Akzent als einen phonologischen L1-Transfer: A foreign accent can be seen as the consequence of a speaker applying the phonological rules of a language - usually the mother tongue - upon a target language. In other words, instead of learning new phonological rules, the speaker transfers the already known rules of production from one language to another. This transfer, as we have all experienced, can affect the intelligibility of the speech. (Wingstedt/ Schulman 1987: 340) Dementsprechend gibt es unter NNS keine einheitliche Phonologie, da diese ja von den oft sehr unterschiedlichen phonetischen Regeln der verschiedenen Erstsprachen der NNS beeinflusst wird. Jenkins (2000: 133f.) führt jedoch einige phonetische Charakteristika des Englischen an, die vielen NNS Probleme bereiten, allen voran das Vokalsystem: im Englischen gibt es nämlich viel mehr Vokale als in anderen Sprachen. Auch die Silbenproduktion kann für NNS mit Schwierigkeiten verbunden sein, da diese in den meisten Sprachen aus Konsonanten und Vokalen bestehen. Nur selten steht ein Konsonant am Ende einer Silbe. Im Englischen enden jedoch viele Silben und Wörter mit Konsonanten. Auch <?page no="83"?> 83 Anhäufungen von Konsonanten, sogenannte Konsonatencluster, sind sehr häufig. Diese problematischen Merkmale der englischen Phonetik werden von NNS mit unterschiedlichen L1 auch unterschiedlich gut wiedergegeben. Andererseits gibt es aber auch bei NS keine einheitliche Standardaussprache, sondern verschiedene Varietäten. Diese unterscheiden sich je nach der regionalen Herkunft (Dialekt) und sozialen Zugehörigkeit der SprecherInnen zu verschiedenen Gesellschaftsgruppen stark voneinander (vgl. z.B. Dalton/ Seidlhofer 1994: 3ff.). Wie erkennen ZuhörerInnen trotz der Vielfalt an NS-Varietäten und dem Fehlen einer phonetischen Grundnorm (vgl. 4.1) trotzdem meistens einen NNS? Clarke (2004: 3647) erklärt dies damit, dass die Aussprache von NichtmuttersprachlerInnen Abweichungen vom muttersprachlichen Phonemprototyp aufweisen. Sie verwenden für NNS typische phonetische Kontextregeln, Silbenstrukturen und prosodische Muster. Des Weiteren unterscheiden sich NNS von den MuttersprachlerInnen oft dadurch, dass sie Gesprächsmerkmale wie Sprecherwechsel (turntaking), gefüllte Pausen und Unterbrechungen anders einsetzen. Scarcella (1992: 109) bezeichnet dies als Diskursakzent, der auch bei sehr fortgeschrittenen NNS nie völlig verschwindet. Major (2001) ist der Ansicht, dass das Urteil von NS darüber, ob SprecherInnen NS oder NNS sind, vom Gesamteindruck bestimmt ist: When listeners hear another person speaking the listeners‘ NL [native language], consciously or unconsciously they make judgments whether the person is a NS or NNS of their language. The overall impression concerning NSs form whether or not and to what degree a person sounds native or nonnative is called global foreign accent. (S. 19) Wenngleich ein Akzent bei den meisten NNS ausgemacht werden kann, so ist die Akzentstärke doch sehr unterschiedlich. Im Folgenden soll untersucht werden, wovon das abhängt. 4.1.2.2 Faktoren, die die Ausprägung des Akzents beeinflussen Wenngleich nur wenige NNS völlig akzentfrei sprechen, gibt es doch starke Unterschiede bezüglich der Ausprägung ihres Akzents. Piske et al. (2001) stellten in ihrer Studie eine Reihung der Faktoren auf, die die Stärke des Akzents von NNS des Englischen am meisten beeinflussen. An erster Stelle steht das Alter, in dem die Fremdsprache erlernt wird, kurz AOL (age of learning). Auch Oyama (1976) kam bei ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass dieser Faktor die Stärke des Akzents am meisten beeinflusst. Außerdem stellte Oyama fest, dass andere Faktoren keine signifikanten Auswirkungen auf die Stärke des Akzents haben. Ihre Ergebnisse unterstützen die umstrittene critical period-Hypothese, die besagt, dass die völlige Beherrschung einer Fremdsprache nur möglich wird, wenn der <?page no="84"?> 84 Lernprozess vor einem kritischen Alter der LernerInnen begonnen wird. Über das genaue Alter herrscht jedoch keine Einigkeit. Die Angaben gehen von 6 bis zu 15 Jahren (vgl. Guion et al. 2000: 206). Ein weiterer den Akzent beeinflussender Faktor, der in der Spracherwerbsforschung immer wieder genannt wird, ist die Länge des Aufenthalts in einem Land, in dem die Fremdsprache gesprochen wird, kurz LOR (length of residence). Diese erwies sich in Piske et al. (2001: 197) vor allem am Beginn des Spracherwerbs als bedeutsam, aber insgesamt doch als weniger wichtig als AOL. In derselben Studie wurde festgestellt, dass NNS, die bereits viel Erfahrung mit der Fremdsprache haben, ihren Akzent auch durch einen Auslandsaufenthalt meist nicht mehr verlieren (S. 199). Bei anderen möglichen Einflussfaktoren auf den Akzent von NNS wie dem Geschlecht der L2-SprecherInnen (S. 199) und dem Bildungsgrad (S. 201) konnten in dieser Studie keine signifikanten Ergebnisse erzielt werden. Bezüglich des Geschlechts zeichnete sich lediglich die Tendenz ab, dass mehr Frauen einen NS-ähnlicheren Akzent aufweisen. Hinsichtlich der Bildung wurden wenige Hinweise darauf gefunden, dass die Länge des formellen Lernens einen großen Einfluss auf den Akzent hätte. Diese wirke sich nur positiv auf den Akzent aus, wenn in der Ausbildung gezielt Phonetik unterrichtet würde. Als weiterer Faktor, der den Akzent beeinflusst, wird oft auch die Motivation angeführt. Piske et al. (2001) nehmen an, dass diese tatsächlich einen Einfluss ausüben kann, was aber nicht unbedingt zu Akzentfreiheit führen muss. Eine hohe Motivation dürfte vor allem bei den Menschen vorteilhafte Auswirkungen auf den Akzent haben, von denen in ihrem Beruf erwartet wird, eine L2 akzentfrei zu sprechen, wie etwa bei SprachlehrerInnen (S. 211). Auch das Ausmaß, in dem Menschen, die in einem L2-Land leben, noch ihre eigene Erstsprache sprechen, beeinflusst den Akzent (S. 203, 209), nicht aber die allgemeine Sprachfertigkeit der NNS. Ein weiterer Einflussfaktor auf den Akzent ist die Erstsprache der NNS. SprecherInnen, in deren L1 es keine nahe Entsprechung für ein bestimmtes phonetisches Merkmal in der L2 gibt, haben meist eher Probleme beim Erlernen eben dieser Merkmale. Gibt es jedoch eine Entsprechung in der Erstsprache, erleichtert dies den Lernprozess. Die Entsprechungen sind aber selten exakt, weshalb es oft zu dem schon angesprochenen negativen Transfer kommt. Vor allem bei der Aussprache werden die in der L1 erlernten Strukturen oft übernommen, was bedeutet, dass SprecherInnen von L1, deren Phonetik der L2 eher gleicht, weniger Probleme mit dem Erlernen der L2-Phonetik haben (vgl. Swan/ Smith 1987: xi). Einen Überblick über typische Abweichungen von NNS nach deren Erstsprache geben Swan/ Smith (1987). Dabei werden nicht nur die phonetischen Abweichungen von NNS behandelt, sondern auch jene, die Gram- <?page no="85"?> 85 matik, Lexik oder Syntax betreffen. Es sei jedoch erwähnt, dass dieses Werk eher als Handbuch für LehrerInnen gedacht ist und einen klar präskriptiven Ansatz verfolgt, demzufolge diese Abweichungen „Fehler“ und „Defizite“ der NNS darstellen. Ich persönlich möchte mich von dieser Sichtweise jedoch distanzieren und versuchen, NNS-Merkmale deskriptiv zu beleuchten. Die Überlegungen in diesem Abschnitt haben gezeigt, dass NNS- Abweichungen von der NS-Norm bestimmte gemeinsame Muster aufweisen, die oft von der L1 der SprecherInnen geprägt sind. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass diese Merkmale von verschiedensten Faktoren beeinflusst werden und sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche dieser Abweichungen die Verständlichkeit eines NNS am meisten beeinträchtigt. 4.2 Sprachliche NNS-Merkmale und Verständlichkeit 4.2.1 Begriffsdefinition - Verständlichkeit Bevor besprochen werden kann, welche NNS-Merkmale sich wie auf die Verständlichkeit auswirken, muss der Begriff Verständlichkeit erst definiert werden. Im englischen Sprachraum wird in diesem Zusammenhang zwischen intelligibility und comprehensibility unterschieden. Dabei ist intelligibility der comprehensibility meist untergeordnet. Smith ([1992]/ 2006: 69) unterscheidet drei Kategorien: - intelligibility: ZuhörerInnen erkennen Wörter und Äußerungen. - comprehensibility: ZuhörerInnen verstehen die Bedeutung von Wörtern und Äußerungen in einem bestimmten Kontext. - interpretability: ZuhörerInnen verstehen die Absicht des/ r RednerIn hinter den Wörtern und Äußerungen. Munro/ Derwing (1995: 291) wiederum definieren intelligibility als das Ausmaß, in dem eine Äußerung tatsächlich verstanden wird, und comprehensibility als die subjektive Bewertung des Schwierigkeitsgrades beim Verstehen einer Aussage durch ZuhörerInnen. Dabei weisen sie darauf hin, dass diese beiden Dimensionen klar unterschieden werden müssen. Wenn ein NNS von einem/ einer ZuhörerIn als schwer verständlich bewertet wird, muss dies nicht bedeuten, dass er/ sie den NNS auch wirklich schlecht verstanden hat. Manche akzentuierten, aber trotzdem voll verständlichen Redebeiträge erfordern lediglich ein größeres Maß an Anstrengung seitens der ZuhörerInnen, was dazu führt, dass sie als schwer verständlich eingestuft werden (vgl. Derwing/ Munro 1997: 11f.). <?page no="86"?> 86 Im Bereich des Dolmetschens und bei Konferenzen ist davon auszugehen, dass die ZuhörerInnen/ DolmetscherInnen zumindest eine comprehensibility nach Smith von NNS-Vorträgen benötigen, um von einer gelungenen Kommunikation sprechen zu können. Diese kann jedoch durchaus auch erreicht werden, wenn der NNS klar als ein solcher zu identifizieren ist. Viele WissenschafterInnen vertreten die Ansicht, dass NNS- Abweichungen von der NS-Norm eine erfolgreiche Kommunikation nicht unbedingt beeinträchtigen (vgl. z.B. Firth 1996, Seidlhofer 2001). Man kann davon ausgehen, dass z.B. völlige Akzentfreiheit keine unerlässliche Bedingung für einen effektiven Sprachgebrauch ist (vgl. Oyama 1976: 280). Außerdem können nicht nur NNS, sondern auch NS unterschiedlich gut verstanden werden. Je nach Sprechtempo, Klarheit, Stimmqualität und Wortwahl sind auch NS für ihre ZuhörerInnen unterschiedlich gut verständlich (vgl. Munro/ Derwing 1999: 294). Eine Möglichkeit, die Verständlichkeit auch bei starkem Akzent zu erhöhen, ist z.B. eine klare Artikulation (vgl. Rajadurai 2006: 52). Dabei muss jedoch bedacht werden, dass zu klares Aussprechen auch die beabsichtigte Wirkung des Gesagten beeinflussen und als Emphase des Gesagten interpretiert werden kann (vgl. Nelson 2008: 301). Trotzdem muss anerkannt werden, dass es auch Situationen gibt, in denen bestimmte nichtmuttersprachliche Formen zu Missverständnissen oder gar zum Scheitern eines Gesprächs führen können (vgl. 3.5.1). Derwing/ Munro (2001) weisen darauf hin, dass dies nicht nur aufgrund von Intoleranz oder Voreingenommenheit der ZuhörerInnen passiert. There is no question that speakers of different varieties of English sometimes have difficulties understanding each other; moreover, this difficulty is not simply due to bias or intolerance on the part of the listeners. (S. 324) Es gab daher bereits zahlreiche Versuche, zu ergründen, welche NNS- Merkmale sich besonders negativ auf die Verständlichkeit auswirken. Bei genauerer Analyse der Literatur stellt man fest, dass darüber keine Einigkeit herrscht, was wiederum nicht sehr überraschend ist, wenn man bedenkt, wie viele verschiedene Faktoren die Verständlichkeit und das Verstehen beeinflussen können. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien dürften jedoch unter anderem auch darauf zurückzuführen sein, dass die Frage der NNS-Verständlichkeit auf verschiedene Arten definiert und untersucht wurde. Manche WissenschafterInnen prüften die Verständlichkeit anhand der Analyse von Gesprächen, an denen NNS teilnahmen. Immer wenn es in einer solchen Interaktionssituation zu einem völligen Zusammenbruch der Kommunikation kam, wurde untersucht, auf welche Faktoren dies zurückzuführen war (vgl. z.B. Jenkins 2000, Kaspar 1981). Andere ForscherInnen ließen ZuhörerInnen anhand von Skalen bewerten, wie verständlich sie die NNS fanden (vgl. z.B. Anderson-Hsieh et al. 1992, Munro et al. 2006). In manchen dieser Untersuchungen wurden <?page no="87"?> 87 NS als BeurteilerInnen des Akzents herangezogen, in anderen NNS. Des Weiteren wurden auch NNS-SprecherInnen unterschiedlicher L2 untersucht, wobei anzunehmen ist, dass unterschiedliche Arten der Abweichungen von der NS-Norm von Sprache zu Sprache unterschiedliche Auswirkungen haben können. Es scheint somit äußerst schwierig, eine allgemein gültige Hierarchie aufzustellen, anhand derer sich zeigen würde, welche „Fehlerkategorie“ die Verständlichkeit von NNS am meisten beeinträchtigt. Im Folgenden werden einige Versuche, eine solche Reihung vorzunehmen, aufgeführt. 28 Obwohl diese Arbeit sich vor allem mit ELF beschäftigt, sollen kurz auch Studien mit anderen Sprachen als Englisch beleuchtet werden. 4.2.2 Englisch Derwing/ Munro (1997) befragten NS-ZuhörerInnen, welche Faktoren ihrer Ansicht nach die Verständlichkeit von NNS negativ beeinflussen. An erster Stelle kam dabei die Artikulation (46%), gefolgt von Sprechtempo und Grammatik (38%) sowie prosodischen Merkmalen (23%). Jenkins (2000: 87f.) kam bei ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass in der NNS-Kommunikation phonetische und phonologische Abweichungen das größte Problem darstellen. In den von ihr beobachteten Interaktionen zwischen NNS kam es am häufigsten aufgrund einer abweichenden Aussprache der Versuchspersonen zu einem Zusammenbruch der Kommunikation. Diese phonologischen Abweichungen der NNS waren in allen Fällen auf einen Transfer aus der Erstsprache der Versuchspersonen zurückzuführen. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Studie nur NNS miteinander kommunizierten, es sich also um eine reine Lingua-Franca-Kommunikation handelte. Die Wirkung der Abweichungen auf NS wurde also nicht untersucht. Ferguson (2006: 164) sieht die Hauptquelle für Missverständnisse ebenfalls in der Aussprache, aber auch beim von den NNS verwendeten Vokabular. Bei seiner Studie zur Verständlichkeit von nigerianischem Englisch kam Tiffen (1992) zu dem Ergebnis, dass Abweichungen beim Rhythmus und der Betonung am öftesten zu Unverständlichkeit der RednerInnen führen (38,2%). Lexikalische und syntaktische Fehler führten lediglich in 8,8% der Fälle zu Missverständnissen. Anderson-Hsieh et al. (1992) ließen in ihrer Studie die Aussprache von NNS durch NS bewerten. Dabei zeigte sich, dass suprasegmentale „Fehler“, also eine von der NS-Norm abweichende Prosodie, die Bewertung am meisten beeinflussten. 28 Einen Überblick über dieses Thema bieten auch Munro/ Derwing (1999). <?page no="88"?> 88 4.2.3 Andere Sprachen Spanisch Gynan (1985) untersuchte in seinem Experiment Spanisch-NNS, deren Verständlichkeit von spanischen NS bewertet wurde. Dabei zeigte sich, dass die Verständlichkeit stärker von phonologischen als von morphosyntaktischen Faktoren abhängt, obwohl die morphosyntaktischen Fehler den NS stärker auffielen. Auch Schairer (1992) bestätigte in ihrem Experiment, dass die Phonetik von NNS im Spanischen eine große Auswirkung auf die Verständlichkeit für NS hat. Eine korrekte Vokalproduktion im Spanischen ist für das Verstehen oft unverzichtbar, da die Vokale lexikalische und grammatikalische Informationen beinhalten. Sie bestimmen das Geschlecht von Nomen und Adjektiven und sind marker für Person, Tempus und Modus von Verben. Schairer weist darauf hin, dass daher im Spanischen manchmal gar nicht festgestellt werden kann, ob es sich um einen Grammatik- oder einen Aussprachefehler handelt. Deutsch Politzer (1978) untersuchte die Reaktion von Deutsch-NS auf NNS- Abweichungen. Dabei ergab sich folgende Reihung der Abweichungen, angefangen bei den für die NS schlimmsten: - Vokabular - Verbmorphologie - Syntax - falscher Genus - Phonologie - falsche Deklination Die Deutsch-NS zeigen also andere Reaktionen als die NS der anderen bereits besprochenen Sprachen. Die Phonologie schien keine so große Rolle zu spielen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass eine Generalisierung über Sprachgrenzen hinweg nicht sinnvoll zu sein scheint. In unterschiedlichen Sprachen haben bestimmte Abweichungen unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Verständlichkeit. 4.2.4 Andere Untersuchungsansätze Fayer/ Krasinski (1987) verfolgten in ihrer Studie einen etwas anderen Ansatz: Sie prüften nicht die Verständlichkeit von NNS von Englisch, sondern untersuchten NNS-Abweichungen daraufhin, wie sehr sie NS- und NNS-ZuhörerInnen ablenken. Dabei stellten sie fest, dass Aussprache und <?page no="89"?> 89 Häsitationen von NNS-SprecherInnen sowohl von englischsprachigen NSals auch von NNS-ZuhörerInnen als größter Ablenkungsfaktor angegeben wurden. Als weniger bedeutend für die Bewertung zeigten sich grammatikalische Abweichungen. Weit abgeschlagen rangierten Faktoren wie Intonation, Wortwahl und Stimme. Es wurde des Weiteren darauf hingewiesen, dass auch außersprachliche Aspekte den kommunikativen Effekt beeinflussen könnten. Beispiele dafür wären die Beziehung der ZuhörerInnen zu den RednerInnen, die von den RednerInnen getätigten Aussagen, äußerliche Merkmale der RednerInnen, ablenkende Faktoren in der Umgebung, die allgemeine Verfassung der ZuhörerInnen, wie auch die Erstsprache von sowohl RednerInnen als auch ZuhörerInnen (S. 314). Diese Ergebnisse weisen bereits darauf hin, dass die Verständlichkeit von RednerInnen nicht nur von diesen selbst abhängt, sondern auch stark von den ZuhörerInnen (vgl. auch Munro/ Derwing 1995: 306). Für eine erfolgreiche Kommunikation ist ein Anpassen der SprecherInnen an Situation und ZuhörerInnen wichtig (vgl. Rajadurai 2006: 53), aber auch die ZuhörerInnen können ihre Leistung an die kommunikative Situation anpassen (Bradlow/ Pisoni 1999: 2083). In der Literatur über Englisch als Lingua Franca wird oftmals darauf hingewiesen, dass bei ELF-Interaktionen sehr oft eine kooperative Haltung der GesprächspartnerInnen diagnostiziert werden kann, die über sprachliche Hürden hinweghelfen kann (vgl. 3.5.2). Wie erfolgreich diese Anpassung der ZuhörerInnen ist, hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, die im Folgenden näher untersucht werden sollen. 4.3 Weitere Einflussgrößen für das Verständnis und die Verständlichkeit von NNS Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit den unterschiedlichen nichtsemantischen und extralinguistischen Variablen beschäftigen, die das Verständnis, aber auch die Verständlichkeit von NNS des Englischen beeinflussen. In den in der Folge beschriebenen Untersuchungen wurden NNS entweder als RednerInnen, ZuhörerInnen oder als beides eingesetzt. Allein die vielen möglichen Konstellationen in einer Interaktion - also NNS als RednerInnen mit NS als ZuhörerInnen, oder NS als RednerInnen mit NNS als ZuhörerInnen oder NNS als RednerInnen und ZuhörerInnen - macht es äußerst schwierig, die Ergebnisse dieser Untersuchungen zu generalisieren. Trotzdem soll in der Folge ein Überblick über diese Arbeiten geboten werden, da sie zumindest interessante Tendenzen aufzeigen. Die Strukturierung dieser Forschungsübersicht ist so konzipiert, dass die einzelnen Einflussfaktoren aufgelistet und dann in NNS-Verständnis und NNS- Verständlichkeit unterteilt werden. <?page no="90"?> 90 4.3.1 Erstsprache von RednerInnen und ZuhörerInnen 4.3.1.1 NNS-RednerInnen und -ZuhörerInnen mit derselben Erstsprache Zahlreiche Untersuchungen im Bereich der Zweitsprachenerwerbsforschung befassten sich mit der Frage, ob NNS andere NNS leichter verstehen, wenn sie eine gemeinsame Erstsprache teilen. Das hieße z.B., dass Deutsche, die Englisch sprechen, von anderen Deutschen besser verstanden würden als von ZuhörerInnen mit beispielsweise Spanisch als Erstsprache. Neben dieser Überlegung gibt es auch die Hypothese, dass es für NNS- ZuhörerInnen einfacher sei, NNS-RednerInnen mit derselben Erstsprache zu verstehen als muttersprachliche RednerInnen. Einige Studien bestätigten die Annahme, dass eine gemeinsame Erstsprache ein Vorteil beim Verstehen von NNS sei. Beispiel dafür sind die Arbeiten von Basel (2002), Jenkins (2000: 57), Krasu (2011), Lee (2004), Major et al. (bei den spanischen VP, 2002: 185), Smith ([1992]/ 2006: 69), Smith/ Bisazza (1982: 266), Wilcox (1978) und Yule et al. (1990). Bent/ Bradlow (2003) bezeichnen eben dieses Phänomen als matched interlanguage speech intelligibility benefit, einen Vorteil, der sich aus dem gemeinsamen Wissen der RednerInnen und SprecherInnen über Konsonant- und Vokalkategorien, Betonungsmuster, Intonation usw. ergibt. Die Basis für diese Theorie ist der zuvor besprochene Sprachtransfer, bei dem Regeln aus der L1 in die L2 übernommen werden (vgl. 4.1.1), wobei HörerInnen und SprecherInnen mit derselben L1 eher in der Lage sind, den Transfer nachzuvollziehen. Eine weitere Erklärung für diesen Vorteil könnte sein, dass Menschen mit derselben L1 oft auch eine gemeinsame Kultur im Sinne von gemeinsamem Wissen über (sprachliche) Konventionen und ähnliches teilen (vgl. Kachru 2008: 311). In anderen Studien wurde wiederum die Annahme, dass eine gemeinsame L1 von Vorteil wäre, in Frage gestellt (Major et al., bei den chinesischen VP, 2002: 185, Meierkord 2000). In Fayer/ Krasinskis Studie (1987: 318), in der spanischsprachige und englischsprachige ZuhörerInnen die Verständlichkeit von NNS-Englisch von PortorikanerInnen beurteilen sollten, zeigte sich, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung gab, was auch von Munro et al. (2006: 125) bestätigt wurde. Sie kamen zu dem Schluss, dass NS- und NNS- ZuhörerInnen akzentuierte RednerInnen hinsichtlich Verständlichkeit und Akzentausprägung sehr ähnlich beurteilen. Allerdings stellten Fayer/ Krasinski (1987) fest, dass die englischsprachigen ZuhörerInnen dem Akzent gegenüber viel toleranter als die Landsleute der NNS waren. Als Erklärung geben die Autorinnen an, dass manchen NNS ihre Landsleu- <?page no="91"?> 91 te, die eine Fremdsprache mit starkem Akzent sprechen, peinlich sind (S. 320f.). Yule et al. (1990) untersuchten, wie gut NNS-ZuhörerInnen mit verschiedenen L1 NS- und NNS-RednerInnen verstanden. Dabei erzielten sie je nach L1 der ZuhörerInnen unterschiedliche Ergebnisse. Allein bei den chinesischen NNS war der Unterschied signifikant, d.h. sie verstanden das Englisch von chinesischen NNS besser als das von NS. Bei den spanischen und vietnamesischen NNS konnte dieser Vorteil nicht festgestellt werden. Tauroza/ Luk (1996: 122) stellten bei ihrem Experiment fest, dass NNS- ZuhörerInnen nicht unbedingt NNS-RednerInnen mit derselben L1 besser als NS-RednerInnen verstehen. Sie sind der Meinung, es gäbe keinen own accent advantage. Vielmehr nehmen sie an, dass es einen sogenannten model accent advantage gäbe. Das bedeutet, dass man den Akzent, dem man beim Erlernen einer Sprache vornehmlich ausgesetzt war, am besten versteht (S. 116). Dasselbe gilt für einen bekannten Akzent, den man oft hört (S. 126). Als möglicher Grund dafür wird das sogenannte transfer-of-training angegeben. Das bedeutet, dass NNS-Regeln, auf die LernerInnen beim Spracherwerb immer wieder stoßen - auch wenn diese nicht unbedingt der NS-Norm entsprechen - übernommen werden. So wurde beispielsweise beobachtet, dass serbo-kroatische LernerInnen oft die englischen Personalpronomen he und she verwechselten, obwohl diese im Serbokroatischen analog zum Englischen verwendet wurden. Auf der Suche nach einer Erklärung für diese Fehler entdeckte man, dass in den eingesetzten Schulbüchern vornehmlich nur he verwendet wurde, woraufhin die LernerInnen dies unbewusst als Regel im Englischen interpretierten (vgl. Selinker 1972: 218f.). Es herrscht also keine Einigkeit über die eingangs gestellte Frage, ob eine gemeinsame Erstsprache für das Verstehen von NNS von Vorteil sei. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass sich die Versuchspersonen in den Studien in Bezug auf zu viele Variable wie etwa Lernumstände der NNS-ZuhörerInnen, Sprachniveau etc. stark unterscheiden. 4.3.1.2 NNS-RednerInnen und -ZuhörerInnen mit unterschiedlichen Erstsprachen Neben der Annahme, dass NNS andere NNS, die dieselbe Erstsprache sprechen, besser verstehen, gibt es auch die Hypothese, dass NNS allgemein andere NNS-RednerInnen - auch mit unterschiedlichen Erstsprachen - gleich gut oder sogar besser als NS-RednerInnen verstehen. Smiths Experiment ([1992]/ 2006) mit verschiedenen SprecherInnen und ZuhörerInnengruppen bestätigte dies und zeigte, dass NSnicht besser verstanden wurden als NNS-RednerInnen. <?page no="92"?> 92 Auch Van Wijngaarden et al. (2002) kamen bei ihren Untersuchung zu dem Ergebnis, dass NNS-ZuhörerInnen mit relativ geringen Kenntnissen in der Fremdsprache andere NNS besser verstehen als NS-RednerInnen. In einer Studie von Smith/ Rafiqzad (1979) wurde mit über 1300 ZuhörerInnen aus elf Ländern nach dem Anhören von verschiedenen NS- und NNS-RednerInnen ein Cloze-Test durchgeführt. Dabei lagen die Ergebnisse für die muttersprachlichen RednerInnen immer unter den drei schlechtesten. Die NNS-ZuhörerInnen verstanden die NS also in den meisten Fällen schlechter als die verschiedenen NNS-RednerInnen. Aber nicht alle Studien bestätigen die Hypothese, dass NNS andere NNS besser als NS verstehen. In einem Experiment von Smith/ Bisazza (1982) stellte sich beispielsweise heraus, dass von drei verschiedenen Englischvarietäten (US-Englisch, indisches Englisch, japanisches Englisch) der US-Redner am besten verstanden wurde. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass die NNS-ZuhörerInnen dieser Sprachvarietät am öftesten ausgesetzt waren (vgl. accent model advantage unter 4.3.1.1). Auch die Ergebnisse aus Experimenten von Major et al. (2002) deuten darauf hin, dass NNS andere NNS-SprecherInnen schlechter verstehen als NS-SprecherInnen. Yule et al. (1990) stellten - wie schon im vorigen Unterkapitel erwähnt - keine signifikanten Vorteile im Verständnis von NNS-ZuhörerInnen bei NNS-RednerInnen fest. Die AutorInnen warnen jedoch vor allem davor, von Studien mit NNS einer L1 auf alle NNS zu schließen, da es beim Verständnis je nach L1 große Unterschiede geben kann (S. 522). Die eingangs angeführte Hypothese kann also weder eindeutig bestätigt, noch verworfen werden. Es scheint auch von der jeweiligen L1 der SprecherInnen und ZuhörerInnen abzuhängen, ob die NNS besser verstanden werden. 4.3.1.3 NNS-RednerInnen und NS-ZuhörerInnen In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie gut NS- ZuhörerInnen NNS-SprecherInnen verstehen. Weil (2003) kam bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass NS- ZuhörerInnen NNS-RednerInnen immer schlechter verstehen als NS- RednerInnen, was bedeuten würde, dass jegliche Art von NNS- Abweichungen zu einer Verschlechterung der Kommunikation führt. Auch Anderson-Hsieh/ Koehler (1988), Mayor et al. (2002) und Bent/ Bradlow (2003) stellten fest, dass das Verständnis zwischen MuttersprachlerInnen immer am höchsten ist. Kennedy/ Trofimovich (2008) überprüften ebenfalls die Verständlichkeit von NS- und NNS-RednerInnen für NS, indem letztere das Gehörte transkribieren mussten. Dabei stellte sich heraus, dass NS andere NS- <?page no="93"?> 93 RednerInnen besser verstehen als NNS-RednerInnen (S. 471). Sie bewerteten diese auch als verständlicher als NNS-RednerInnen (S. 473). Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass das nicht unbedingt bedeutet, dass NNS keine erfolgreiche Kommunikation mit NS führen können. Auch NS finden NNS oft trotz Akzent sehr verständlich (vgl. Munro/ Derwing 1995: 302f.) In einer Studie von Bresnahan et al. (2002) wurde zum Beispiel festgestellt, dass NS-ZuhörerInnen NS-SprecherInnen zwar am besten verstehen, aber nicht signifikant besser als verständliche NNS. Auch die Einstellung von NS-ZuhörerInnen gegenüber diesen beiden Gruppen ist vergleichbar (S. 181). Bezüglich der eingangs gestellten Frage kann jedoch trotzdem eine Tendenz dahingehend festgestellt werden, dass NS-ZuhörerInnen auch NS-SprecherInnen besser verstehen als NNS-SprecherInnen. 4.3.1.4 NNS-ZuhörerInnen vs. NS-ZuhörerInnen Nachdem in mehreren Studien festgestellt wurde, dass NichtmuttersprachlerInnen andere NNS besser verstehen als NS-RednerInnen und umgekehrt NS-ZuhörerInnen muttersprachliche RednerInnen besser verstehen als nichtmuttersprachliche, könnte die Hypothese aufgestellt werden, dass NNS-RednerInnen von NNS-ZuhörerInnen besser verstanden werden als von NS-ZuhörerInnen. Bent/ Bradlow (2003) bezeichnen diesen Vorteil von NNSgegenüber NS-ZuhörerInnen, den sie experimentell belegten, als mismatched interlanguage speech intelligibility benefit. Sie erklären dies damit, dass NNS allgemeine Strategien kennen, die sie selbst anwenden, wenn sie eine Fremdsprache produzieren oder zu verstehen versuchen. Außerdem haben auch verschiedene Erstsprachen in manchen Fällen ähnliche Lautstrukturen, die phonetische Abweichungen von NNS-SprecherInnen leichter interpretierbar machen. Dies wäre z.B. bei chinesischen NNS- SprecherInnen und koreanischen NNS-ZuhörerInnen der Fall. Aber auch bei anderen Sprachpaaren gehen diese Autorinnen davon aus, dass es ähnliche Tendenzen in den NNS-Abweichungen von der NS-Norm - vor allem bei der Aussprache - gibt, die zu diesem Vorteil für NNS-ZuhörerInnen führen. Auch Selinker (1972: 219f) nimmt an, dass dieses Phänomen eventuell darauf zurückzuführen sei, dass NNS-ZuhörerInnen typische L2-Muster wie beispielweise eine Generalisierung der NS-Regeln erkennen. Des Weiteren sind ihnen auch andere Zweitspracherwerbsstrategien bekannt, wie z.B. die Reduktion der L2 auf ein einfacheres System, indem grammatikalische Formen wie Artikel, Passivkonstruktionen und Vergangenheitsformen vermieden werden. Das Erkennen dieser Regeln hilft ihnen beim Verstehen anderer NNS, die sich ebenfalls dieser Strategien bedienen, welche NS möglicherweise unbekannt sind. Das würde bedeuten, dass NNS andere <?page no="94"?> 94 NNS besser verstehen sollten als NS. Dies spricht gegen Proffitts Vorschlag unter 3.6.3.1. Jenner (1997) geht allgemein davon aus, dass eine Kommunikation unter NNS oft einfacher sei als eine mit NS: Many fluent non-native users of English from different L1 backgrounds actually communicate more efficiently and comfortably with each other than with native speakers. Indeed, the presence of a native speaker often has a damaging effect on the facility of communication in such international interactions (S. 10). Diesbezüglich ist Jenkins (2002: 85) der Meinung, dass NNS-SprecherInnen in der internationalen Kommunikation ohnehin vor allem für andere NNS verständlich sein müssen. Smith/ Bisazza (1982: 35) hingegen plädieren dafür, dass NNS-SprecherInnen sowohl von NNS als auch von NS verstanden werden müssen. Auch DolmetscherInnen geben immer wieder an, dass die Kenntnis der L1 eines NNS beim Dolmetschen förderlich sein kann. Es gibt - wie in Abschnitt 3.6.3.1 genauer beschrieben - auch einschlägige dolmetschwissenschaftliche Studien, die diesen Aspekt beleuchtet haben. Allerdings müssten weitere durchgeführt werden, um klare Aussagen darüber treffen zu können. 4.3.2 Vertrautheit mit Akzenten Unter 4.3.1.1 war bereits vom model accent advantage die Rede. Dieses Konzept legt nahe, dass die Vertrautheit mit einem bestimmten NNS-Akzent das Verstehen erleichtert. Einige Studien zeigten, dass Vertrautheit mit einem Akzent das Verständnis und die Fähigkeit zu interpretieren erhöht (vgl. Derwing/ Munro 1997, Munro/ Derwing 1999, Smith [1992]/ 2006: 75, Smith/ Bisazza 1982, Wingstedt/ Schulman 1987). Smith/ Rafiqzad (1979) sind sogar der Meinung, dass sich das Verständnis von NNS-RednerInnen schon nach einer kurzen Zeit, in der man deren Akzent ausgesetzt ist, erhöht. In einem Experiment stellte Clarke (2004) fest, dass diese Verbesserung bei ein und demselben NNS-Redner schon nach wenigen Stunden (S. 3648) oder gar nach nur einer Minute (S. 3651) oder 2-4 Sätzen (S. 3656) einsetzen kann. Dieser Prozess wird als Normalisierung bezeichnet (S. 3647). Auch Weil (2001) kam zu dem Schluss, dass sich das NNS-Verstehen durch Vertrautheit verbessert. Er gibt einen Zeitraum von vier Tagen an, nach denen man sogar unterschiedliche RednerInnen, die einen ähnlichen Akzent aufweisen, besser versteht. <?page no="95"?> 95 Clarke (2000) ist gegenteiliger Ansicht und belegt dies mit dem Ergebnis einer Studie, die zeigt, dass die Bekanntheit des Akzents nicht hilft, wenn die Stimmen der RednerInnen unterschiedlich sind. Gass/ Varonis (1984) hingegen stellten keinen signifikanten Unterschied zwischen ZuhörerInnen mit und ohne Erfahrung mit dem Akzent von RednerInnen fest. Kennedy/ Trofimovich (2008: 465) gaben als möglichen Grund für dieses Ergebnis an, dass bei Gass/ Varonis’ Studie nur fünf Sätze transkribiert werden mussten und nur wenige erfahrene ZuhörerInnen getestet wurden. Sie replizierten das Experiment mit mehr Sätzen und mehr BewerterInnen und kamen zu dem Ergebnis, dass erfahrene ZuhörerInnen (EnglischlehrerInnen) NNS-Sätze signifikant besser transkribierten als unerfahrene ZuhörerInnen. Sie zeigten, dass mehr Erfahrung mit einem Akzent durchaus das Verständnis verbessert. In ihrer Studie mussten die erfahrenen NS zusätzlich zur Transkription noch die Verständlichkeit der NNS-RednerInnen bewerten. Dabei zeigte sich, dass die NS-ZuhörerInnen bei dieser subjektiven Bewertung die NNS-RednerInnen trotzdem als „schwer zu verstehen“ einstuften. Munro et al. (2006) fanden in ihrer Untersuchung, in der akzentuierte frei gesprochene Äußerungen von NNS transkribiert wurden, wiederum nur schwache Beweise dafür, dass Bekanntheit von Akzent zu einem besseren Verstehen führt. Sie sind der Ansicht, dass Vertrautheit mit Akzenten bei der Fähigkeit, NNS zu verstehen, ein eher unbedeutenderer Faktor sei und dass das Verständnis eher vom komplexen Zusammenspiel von ZuhörerInnen-RednerInnen-Variablen abhängig sei. Allerdings merkten sie an, dass Menschen, denen Akzente völlig fremd sind, oft schon grundsätzlich davon ausgehen, dass sie diese ohnehin nicht verstehen werden: „Lack of familiarity might make people apprehensive about their own abilities, which might lead to their not paying attention to accented speech because they are convinced that they will not understand it.“ (S. 129) Auch die Hypothese, dass Vertrautheit mit Akzenten von Vorteil für das Verständnis sein kann, kann somit nicht klar belegt oder widerlegt werden. Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass es hilfreich sein könnte, wenn bei den ZuhörerInnen ein gewisses Maß an Vertrautheit vorliegt. 4.3.3 Vorwissen zum Thema - Hintergrundwissen Ein weiterer Faktor, der das Verstehen und die Verständlichkeit von NNS beeinflussen könnte, ist das Vorwissen oder das Hintergrundwissen zu dem Thema, über das ein NNS spricht bzw. ein NNS hört. Mehrere WissenschafterInnen haben sich daher auch mit dieser Frage auseinander gesetzt. <?page no="96"?> 96 4.3.3.1 NNS als ZuhörerInnen In einigen Studien wurde diese Frage in Hinblick auf das Verstehen von NNS-ZuhörerInnen getestet, d.h. es wurde untersucht, ob sich Vorwissen/ Hintergrundwissen von NNS positiv auf deren Verständnis der Fremdsprache auswirkt. Markham/ Latcham (1987: 158) wiesen in diesem Zusammenhang auf die Schematheorie hin, die besagt, dass Menschen beim Verstehensprozess Vorwissen einsetzen, um die Bedeutung des Gesagten zu antizipieren. Bei ihrem Test und anschließenden Interviews mit den NNS-ZuhörerInnen bewiesen die Autoren, dass die NNS mit Hintergrundwissen zum besprochenen Thema den Text auch besser verstanden hatten. Chiang/ Dunkel (1992) befassten sich ebenfalls mit der Frage des Einflusses des Vorwissens auf das Verstehen bei NNS-ZuhörerInnen von NS- RednerInnen. Sie kamen bei ihrer Untersuchung zu zweierlei Ergebnissen. Ihre NNS-Versuchspersonen erzielten zwar bessere Ergebnisse, wenn es um das Verstehen eines bekannten Themas ging, jedoch nur bei den Redeeinheiten, in denen allgemeine Informationen über das Thema gegeben wurden. Beim Erkennen der wichtigsten Ideen und Details des Vortrags half ihnen ihr Vorwissen nicht signifikant. Hansen/ Jensen (1994) führten ebenfalls zum Thema des Vorwissens und des Hörverständnisses eine Untersuchung mit Studierenden an amerikanischen Universitäten, die nicht Englisch als Erstsprache haben, durch. In einem Fall - einem Vortrag zu einem geschichtlichen Thema - verbesserte das Hintergrundwissen zu dem Thema die Ergebnisse in einem Verständnistest nicht. In einem anderen Fall - einem Vortrag zum Thema Chemie - erhöhte das Vorwissen der NNS-Versuchspersonen jedoch deren Ergebnisse signifikant. Allerdings wurden im zweiten Fall nur 8 Versuchspersonen getestet, was bedeutet, dass bei einer Generalisierung des Resultats Vorsicht geboten ist. Schmidt-Rinehart (1994) beschäftigte sich ebenfalls mit dem Thema Vorwissen und NNS, allerdings mit Spanisch als Ausgangssprache, was bedeutet, dass man aus den Ergebnissen nicht automatisch auch auf das Englische schließen kann, wenngleich diese dieselbe Tendenz wie die vorher angeführten Arbeiten anzeigen. Die Autorin führte Recall-Tests mit USamerikanischen ZuhörerInnen mit unterschiedlich guten Spanischkenntnissen durch. Als AusgangsrednerInnen dienten kubanische RednerInnen, die frei einmal über ein bekanntes Thema sprachen und einmal über ein unbekanntes Thema. Die ZuhörerInnen aller Sprachniveaus hatten beim bekannten Thema bessere Recall-Ergebnisse. <?page no="97"?> 97 4.3.3.2 NNS als RednerInnen Es gibt aber auch die Hypothese, dass Vorwissen/ Hintergrundwissen von ZuhörerInnen hilfreich sein kann, wenn es um die Verständlichkeit von NNS-RednerInnen geht. Gass/ Varonis (1984) kamen bei ihrer Studie zu dem Schluss, dass semantischer Kontext und Bekanntheit des Themas beim Verstehen von NNS-RednerInnen hilft. Smith ([1992]/ 2006) stellte in seinem Experiment fest, dass die Bekanntheit mit der Information den ZuhörerInnen vor allem beim Interpretieren der Botschaft von NNS-Aussagen half und dass dies vor allem auch die subjektive Bewertung der Verständlichkeit verbesserte. Die Ergebnisse weisen demnach darauf hin, dass Vorwissen zumindest beim Verstehen von NNS-RednerInnen helfen kann. Die Frage des Vorwissens steht in engem Zusammenhang mit der weitverbreiteten Annahme, dass ExpertInnen aus einem gewissen Bereich auch bei unzureichenden Sprachkenntnissen aufgrund ihres gemeinsamen Wissens effizient miteinander kommunizieren können. Poncini (2004: 283ff.) spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer eigenen Kultur bei Geschäftsmeetings - einer groupness, die dazu beiträgt, dass unter anderem Schwierigkeiten aufgrund von unterschiedlichen Englischkenntnissen überwunden werden können. Ebendies dürfte einer der Gründe dafür sein, dass KonferenzveranstalterInnen bei Fachkongressen immer öfter auf eine Verdolmetschung verzichten und Englisch als alleinige Arbeitssprache anbieten, auch wenn dies nicht die Erstsprache aller TeilnehmerInnen ist (vgl. z.B. Kurz 2005: 61). Man geht davon aus, dass sich die ExpertInnen auch trotz sprachlicher Probleme aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit und Spezialisierung auf dem betreffenden Gebiet verständigen können (vgl. z.B. Kankaanranta/ Planken 2010). Kohn/ Kalina (1996: 131) sind hingegen der Meinung, dass auf Konferenzen RednerInnen und Publikum nur selten tatsächlich über dasselbe Welt- und Situationswissen verfügen. Dies dürfte eine Erklärung dafür sein, warum Englisch als einzige Arbeitssprache oft nicht ausreicht, um eine effiziente Kommunikation zu garantieren. Andererseits muss in diesem Sinne auch daran erinnert werden, dass es für DolmetscherInnen allerdings noch schwieriger ist, dasselbe Hintergrundwissen wie die AdressatInnen aufzuweisen (vgl. z.B. Kalina 1998: 115). Sie könnten somit in manchen Fällen möglicherweise größere Probleme mit NNS-RednerInnen haben als normale KonferenzteilnehmerInnen. Pöchhacker (1994b: 88) ist beispielsweise der Ansicht, dass Fachleute durch ihren Wissensüberhang oft in der Lage sind, auch mangelhaft strukturierten Verdolmetschungen durch vermehrte Konstruktionsleistung einen sinnvollen Zusammenhang abzugewinnen. Daraus wäre im Umkehrschluss abzuleiten, dass die ExpertInnen das nicht nur bei Verdolmetschungen, sondern auch bei mangelhaften <?page no="98"?> 98 Originaltexten - wie zum Beispiel jenen von NNS - können, was einen Vorteil gegenüber DolmetscherInnen darstellen könnte. 4.3.4 Sprechgeschwindigkeit Auch die Sprechgeschwindigkeit wird des Öfteren als einer der Faktoren angeführt, die die Verständlichkeit von NNS-SprecherInnen und/ oder das Verstehen für NNS-ZuhörerInnen beeinflussen (vgl. z.B. Derwing/ Munro 2001: 324). Diese kann in Wörtern pro Minute (wpm) sowie Silben pro Minute (spm) oder pro Sekunde (sps) ausgedrückt werden, wobei spm/ sps als genauere Maßeinheiten betrachtet werden, da Wörter unterschiedlich lang sein und unterschiedlich viele Silben enthalten können (vgl. Robb et al. 2004: 1). Roach (1998: 152) ist der Ansicht, dass sogar das Zählen der Silben Ungenauigkeiten mit sich bringen kann, da in manchen Sprachen - wie zum Beispiel im Englischen - Silben aus mehr Lauten bestehen als in anderen - wie etwa im Japanischen. Trotzdem wird eine Messung in wpm sehr häufig oder eventuell sogar häufiger eingesetzt. Es ist anzunehmen, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass eine Messung der Silben pro Zeiteinheit deutlich aufwändiger ist (vgl. Buck 2001: 38f.). Bei Untersuchungen wird des Weiteren auch zwischen Sprechgeschwindigkeit und Artikulationsgeschwindigkeit unterschieden, wobei letzteres das um Pausen bereinigte Sprechtempo bezeichnet (vgl. z.B. Dankovičová 2001: 1). 4.3.4.1 Durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit 4.3.4.1.1 MuttersprachlerInnen Um das Sprechtempo von RednerInnen als schnell oder langsam einstufen zu können, muss man sich erst die Frage stellen, was ein „durchschnittliches“ Sprechtempo ist. Bezüglich des Englischen gilt zu bedenken, dass es in diesem Zusammenhang große Unterschiede zwischen den verschiedenen Varietäten des Englischen gibt. Tauroza/ Allison (1990) untersuchten die Sprechgeschwindigkeit von britischen SprecherInnen und kamen dabei in unterschiedlichen Kontexten zu unterschiedlichen Durchschnittsgeschwindigkeiten, die in Tabelle 1 aufgelistet sind. <?page no="99"?> 99 Sprechkontext Wörter/ Min. Silben/ Min. Radiomonolog 160 wpm 250 spm Konversation 210 wpm 260 spm Interview 190 wpm 250 spm Vorlesungen für NNS 140 wpm 190 spm Tabelle 1 - Durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit britischer RednerInnen Daraus ergäbe sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 170 wpm/ 240 spm. Die Autoren sind jedoch der Ansicht, dass es nicht sinnvoll sei, einen einheitlichen Standard in wpm oder spm für eine Sprache zu errechnen, da das Tempo und auch die Wortlänge je nach Kommunikationssituation zu stark variieren. Mehrere WissenschafterInnen versuchten trotzdem einen solchen Durchschnitt für andere Varietäten des Englischen zu errechnen. Demnach liegt das durchschnittliche Tempo für freie Rede im amerikanischen Englisch bei 220 spm (vgl. Robb et al. 2004: 2), im australischen Englisch bei 237 spm (S. 3) und im neuseeländischen Englisch - deutlich höher - bei 280 spm (S. 9). In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist das als für DolmetscherInnen ideal bezeichnete Sprechtempo. Dieses wird immer wieder mit 100-120 wpm angegeben (vgl. z.B. Pöchhacker 2004: 129f.) und liegt somit deutlich unter allen oben genannten Geschwindigkeiten. Eventuell sollte diese Tempoangabe jedoch auf ihre Realitätsnähe überprüft werden. Es wird allgemein angenommen, dass es neben den oben besprochenen intralingualen Differenzen auch interlinguale Unterschiede im Sprechtempo gibt, also Differenzen zwischen verschiedenen Sprachen. Zumindest vermitteln manche Sprachen den Anschein, schneller gesprochen zu werden als andere. Spanisch gilt beispielsweise als eine schnell gesprochene Sprache. Dieser Eindruck könnte jedoch in Wirklichkeit auf Unterschiede im Sprachrhythmus der Sprachen zurückzuführen sein. In diesem Zusammenhang unterscheidet man zwischen akzentzählenden (stress-timed) und silbenzählenden (syllable-timed) Sprachen. Letztere wirken auf SprecherInnen von akzentzählenden Sprachen - auch Akzentsprachen genannt - schneller als die silbenzählenden (vgl. Roach 1998: 154). Laut Verhoeven et al. (2004: 298) ist die Redegeschwindigkeit jedoch z.B. im Spanischen nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich höher als im Englischen. Roach (1998: 153) ist hingegen der Ansicht, dass es derzeit keine Belege dafür gibt, dass Unterschiede zwischen Sprachen bestehen, wenn man die ausgesprochenen Laute pro Sekunde berechnet (siehe 4.3.4). <?page no="100"?> 100 Die Sinnhaftigkeit der Angabe eines durchschnittlichen Sprechtempos in einer Sprache kann zusätzlich in Frage gestellt werden, wenn man berücksichtigt, dass die Redegeschwindigkeit auch durch soziale und persönliche Faktoren beeinflusst wird. So gibt es beispielsweise Hinweise darauf, dass Männer meistens langsamer sprechen als Frauen oder dass je nach sozialem Setting ein anderes Sprechtempo als Konvention angesehen wird (vgl. Roach 1998: 155). Barik (1977) zeigte in einer Studie, dass die Artikulationsgeschwindigkeit zwar zwischen verschiedenen kommunikativen Situationen variierte, nicht aber zwischen verschiedenen Sprachen (Englisch und Französisch), wenn die kommunikative Situation dieselbe blieb. Auch Kowal et al. (1983) kamen bei ihrer Studie zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie untersuchten einerseits erzählte Geschichten und andererseits Interviews in fünf verschiedenen Sprachen und stellten fest, dass die Sprache in Bezug auf das Artikulationstempo einen vernachlässigbaren Faktor darstellte, während der Texttyp große Auswirkungen auf die Geschwindigkeit hatte. Des Weiteren scheint es auch interpersonelle Unterschiede beim Sprechtempo zu geben: manche RednerInnen sprechen in ein und derselben Situation, mit ein und derselben Erstsprache, Sprachvarietät oder demselben Dialekt schneller als andere (vgl. Roach 1998: 156). Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Variablen, die die Sprech- und die Artikulationsgeschwindigkeit beeinflussen können, gibt Dankovičová (2001). Angesichts der vielen Variablen scheint es so, als könnte eine Einteilung in schnelle und langsame Sprachen nur vorgenommen werden, wenn zuerst umfassende Berechnungen von Sprechproben mit einer sehr großen Anzahl von Personen in unterschiedlichen Settings durchgeführt werden würden. Ansonsten dürften weder Vergleichbarkeit noch Repräsentativität für die jeweilige Sprache gegeben sein. 4.3.4.1.2 NichtmuttersprachlerInnen Für NNS-SprecherInnen scheint es noch keine umfassenden Studien über Durchschnittswerte zu geben. Es ist unklar, ob sich deren durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit von jener der NS unterscheidet. Die Berechnung eines allgemeinen Durchschnittswerts für NNS dürfte jedoch auch nicht sehr sinnvoll sein, da anzunehmen ist, dass das Sprechtempo je nach L2- Niveau und eventuell L1-Durchschnittsgeschwindigkeit stark variieren dürfte. In einer empirischen Studie von Pöchhacker (1994b: 174ff.) über eine Konferenz mit Verdolmetschung berechnete dieser die durchschnittlichen Redegeschwindigkeiten der Vortragenden. Dabei zeigte sich, dass bei den englischen Redebeiträgen das Tempo der NNS (n=45) mit 198,5 spm deutlich langsamer war als jenes der NS (n=19) mit 245,8 spm. Er stellte des <?page no="101"?> 101 Weiteren fest, dass es bei gelesenen Reden kaum Unterschiede im Artikulationstempo der Vortragenden gab, freie Reden jedoch von RednerIn zu RednerIn starken Schwankungen unterlagen. Obgleich diese Werte nur aus einem einzigen Setting stammen, könnte man sie als Tendenz für die Unterschiede in der Redegeschwindigkeit zwischen NS und NNS betrachten und annehmen, dass NNS meist eher langsamer sprechen als NS. In den einzigen Studien, in denen das Hauptaugenmerk auf diesem Thema lag, wurde das Sprechtempo von NNS nicht bei freier Rede, sondern beim Vorlesen und Nachsprechen von englischen Sätzen berechnet. Dabei ist aber anzunehmen, dass auch die Lesekenntnisse der NNS einen Einfluss auf das Tempo hatten. Es wäre möglich, dass der Faktor Lesen die Ergebnisse verzerrte. Bei Vorleseaufgaben stellten Munro/ Derwing (1995) fest, dass das Vorlesetempo der NNS (L1=Mandarin) um 29% geringer war als das der NS. Auch Elsendoorn (1984 zit. n. Guion et al. 2000) kam mit niederländischen NNS des Englischen zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie brauchten 17% länger zum Vorlesen von Sätzen als die NS-Vergleichsgruppe. Flege (1979 zit. n. Guion et al. 2000) hingegen konnte bei arabischen NNS keinen signifikanten Unterschied zu englischen NS feststellen. Guion et al. (2000) versuchten in ihrer Studie den Lesefaktor auszuschalten und ließen italienische und koreanische NNS aufgenommene Sätze von englischen NS nachsprechen. Dabei stellten sie fest, dass das Sprechtempo direkt proportional zum Alter bei der Ankunft in den USA (AOA - age of arrival in the US) und zum L2-Lernbeginn von NNS war. Bei den italienischen NNS konnten erst bei einem AOA über 16 Jahren Unterschiede zum Nachsprechtempo der NS-Kontrollgruppe ausgemacht werden, bei den koreanischen NNS bei AOA über 10 Jahren. Diese Studien, die fast alle besagen, dass NNS langsamer Englisch sprechen als NS - stehen im Widerspruch zu den häufig geäußerten Klagen von DolmetscherInnen über eine viel zu hohe Redegeschwindigkeit von NNS - vor allem beim Verlesen von Texten (vgl. Harmer 2009: 171). Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz soll unter 4.3.4.3 noch besprochen werden. Um tatsächlich feststellen zu können, ob es signifikante Unterschiede zwischen NS und NNS gibt, wäre jedoch eine umfassende Untersuchung des Sprechtempos von NNS bei freier Rede notwendig. 4.3.4.2 NNS als ZuhörerInnen Mehrere Studien haben sich dem Thema der Sprechgeschwindigkeit als Einflussfaktor auf das Verständnis von NNS-ZuhörerInnen gewidmet. Dabei gibt es jedoch das Problem, dass ein „langsames“ oder „schnelles“ Tempo nicht immer einheitlich definiert wurde. <?page no="102"?> 102 In einer Studie von Griffith (1990) hörten NNS Texte von NS- SprecherInnen und mussten anschließend 15 Richtig/ Falsch-Fragen beantworten. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass das Verständnis der NNS-ZuhörerInnen bei einer niedrigeren Redegeschwindigkeit (100 wpm/ 1,93 sps) höher war als bei hohem Sprechtempo (200 wpm/ 3,8 sps). Zwischen dem niedrigen und durchschnittlichen Tempo (150 wpm/ 2,85 sps) gab es keine signifikanten Unterschiede. Das Ergebnis bei durchschnittlichem Tempo war lediglich auf einem Signifikanzniveau von 9% besser als jenes bei schnellem Tempo. In einer Replikation dieser Studie (vgl. Griffith 1992) zeigte sich, dass Passagen mit langsamem Sprechtempo (ca. 127 wpm) signifikant besser verstanden wurden als jene mit durchschnittlichem (ca. 188 wpm) oder schnellem Sprechtempo (ca. 250 wpm). Abermals nicht bestätigt werden konnte die Hypothese, dass Passagen mit einer durchschnittlichen Redegeschwindigkeit besser verstanden wurden als jene mit einer schnellen. In einer Studie von Blau (1990) wurde ebenfalls ein Hörverständnistest, diesmal mit Multiple-Choice-Fragen, mit NNS durchgeführt, die zuvor NS- SprecherInnen gehört hatten, deren normale Redegeschwindigkeit von ca. 170 wpm technisch auf ca. 145 wpm reduziert worden war. Die Autorin stellte bei der Analyse fest, dass das Sprechtempo der NS das Verstehen der NNS nicht signifikant beeinflusste. Auch Zhao (1997) untersuchte das Hörverstehen von NNS und kam zu dem Ergebnis, dass eine langsamere Sprechgeschwindigkeit das Verständnis erhöht. Dies wurde von den Versuchspersonen neben einem Hörverständnistest auch in einer subjektiven Einschätzung bestätigt. Am besten verstanden die NNS-ZuhörerInnen das Ausgangsmaterial, wenn sie die Redegeschwindigkeit mittels Computersteuerung selbst kontrollieren konnten. Aber auch Zhao räumt ein, dass es schwierig sei, zu definieren, was eine langsamere Redegeschwindigkeit ist und dass diese Einteilung bislang von WissenschafterInnen willkürlich getroffen worden sei. Die bei seinen ProbandInnen bei Selbstkontrolle gemessene „ideale“ Redegeschwindigkeit lag zwischen 95 und 192 wpm, womit eine beachtliche Bandbreite gegeben zu sein scheint. Bradlow/ Pisoni (1999) testeten ebenfalls den Einfluss der Redegeschwindigkeit auf das Verstehen von NNS-ZuhörerInnen, wobei sie allerdings keine zusammenhängenden Sätze, sondern nur einzelne Wörter verwendeten. Die jeweils gleichen RednerInnen verlasen Wörterlisten in drei verschiedenen Sprechtempos. Beim langsamen Tempo betrug die durchschnittliche Wortdauer 809 ms, beim mittleren 525 ms und beim hohen 328 ms. Dabei erkannten sie, dass Wörter, die mit einer langsamen oder mittleren Geschwindigkeit ausgesprochen wurden, besser verstanden wurden als die schnell ausgesprochenen. <?page no="103"?> 103 Derwing/ Munro (2001) ließen NNS-ZuhörerInnen das Sprechtempo von NS und NNS auf einer 9-stelligen Skala bewerten. Dabei zeigte sich, dass unterschiedliche ZuhörerInnen in Abhängigkeit von ihrer L1 und ihren Englischkenntnissen unterschiedliche Redegeschwindigkeiten als ideal betrachteten. Es ist somit Vorsicht geboten, wenn man Generalisierungen über die optimale Geschwindigkeit anstellen möchte. Die AutorInnen stellten aber auch fest, dass ein Verlangsamen des Sprechtempos nur selten zu einer besseren Bewertung der RednerInnen führte. Vor allem von ZuhörerInnen mit sehr guten Englischkenntnissen wurde eine durchschnittliche Redegeschwindigkeit einer langsamen vorgezogen. Auf die Frage nach dem idealen Sprechtempo für NNS-ZuhörerInnen kann somit keine eindeutige Antwort geliefert werden. Sie scheint vor allem von den Fremdsprachkenntnissen der NNS abzuhängen. Während ein langsames Sprechtempo für LernerInnen das angemessenste zu sein scheint, bevorzugen Fortgeschrittene ein durchschnittliches. Dies unterstreicht wiederum, dass es sich bei Verstehen um einen Prozess handelt, bei dem sehr viele Einflussfaktoren nebeneinander wirken und der durch die individuellen RednerInnen-/ ZuhörerInnen-Variablen nur schwer zu generalisieren ist. 4.3.4.3 NNS als RednerInnen Von Interesse ist auch die Frage, ob schnell oder langsam sprechende NNS besser verstanden werden. Anderson-Hsieh/ Koehler (1988) führten einen Verständlichkeitstest von NNS-SprecherInnen mit muttersprachlichen ProbandInnen durch und stellten fest, dass NNS-RednerInnen mit einer normalen Redegeschwindigkeit (3,25-3,49 sps) signifikant verständlicher waren als jene mit einer hohen (4,22-4,58 sps). Vor allem bei den NNS mit starkem Akzent sank die Verständlichkeit mit ansteigender Redegeschwindigkeit deutlich. Allerdings wurde deren Verständlichkeit für NNS-ZuhörerInnen nicht getestet, was möglichweise andere Ergebnisse liefern könnte. Derwing/ Munro (1997) zeigten in ihrer Studie mit NNS mit vier verschiedenen L1, dass deren Redetempo das Verstehen der NS-ZuhörerInnen in einer Trans-kriptionsaufgabe nicht beeinflusste. Die gefühlte Schwierigkeit beim Verstehen von schnelleren Sätzen war jedoch höher. Mehrere Versuchspersonen beschwerten sich über das Tempo der NNS. Die AutorInnen sind der Ansicht, dass ein starker Akzent dazu führen könne, dass das NNS-Sprechtempo als schneller wahrgenommen wird: It may be that rate sometimes serves as a general scapegoat for perceived comprehension difficulties, whether it is the direct cause or not. Even in situations in which there is no interference with intelligibility, the increased processing costs associated with a particular accent may lead a listener to <?page no="104"?> 104 believe that the speech sample in question is produced at too fast a rate. (S. 14) Auch von DolmetscherInnen wird - wie bereits erwähnt - des Öfteren beklagt, dass die Redegeschwindigkeit von NNS - vor allem beim Verlesen von Texten - viel zu hoch sei (vgl. 4.3.4.1.2). Es ist möglich, dass auch die DolmetscherInnen bei starken Akzenten den Eindruck haben, dass die NNS schneller sprechen als sie es tatsächlich tun. 4.3.5 Kontext Auch beim Verstehensprozess in der L1 hilft der Kontext den ZuhörerInnen beim Entschlüsseln von Aussagen. Folglich sollte auch dieser Faktor im Zusammenhang mit NNS-Interaktionen untersucht werden. Kennedy/ Trofimovich (2008) untersuchten den Einfluss des Kontexts auf die Verständlichkeit von NNS-SprecherInnen für NS-HörerInnen. Dabei mussten die NS von den NNS produzierte Sätze transkribieren, von denen ein Teil semantisch sinnvoll und mit Weltwissen zu verstehen war und ein anderer als anomal zu bezeichnen war. Dabei zeigte sich, dass der semantische Kontext die Verständlichkeit beeinflusste und dass die NS bei weniger semantischem Kontext auch weniger verstanden. Die ZuhörerInnen nutzten den semantischen Kontext auf Satz- und Diskursebene sowie ihre auf ihrem Weltwissen basierenden Erwartungen. Das war ihnen auch bewusst: Sie gaben an, die Sätze mit mehr semantischem Kontext leichter verstanden zu haben, und dass diese Sätze - obwohl von denselben NNS gesprochen - weniger akzentuiert gewesen seien als jene ohne Kontext. Bei einer analogen Versuchsabfolge mit NS-SprecherInnen wurde die Bewertung nicht durch den semantischen Kontext beeinflusst. Dies deutet darauf hin, dass der Kontext beim Verstehen von NNS-SprecherInnen von noch größerer Bedeutung als beim normalen Verstehen sein kann. 4.3.6 Texttyp - Redundanz Neben den vorher genannten Faktoren wird auch angenommen, dass auch der Texttyp das Verständnis und die Verständlichkeit von NNS beeinflusst (vgl. Berne 1993: 4). In diesem Unterkapitel wird der Texttyp gemeinsam mit dem Faktor Redundanz behandelt, da diese sehr oft zusammenwirken und auch in den zu besprechenden Studien teils gemeinsam behandelt wurden. 4.3.6.1 NNS als ZuhörerInnen Chaudron (1983) beschäftigte sich in seiner Studie damit, wie verschiedene Arten, ein Thema wieder aufzunehmen (topic reinstatement), das Hörverständnis von NNS beeinflussen. Dabei stellte er fest, dass bei allen Sprach- <?page no="105"?> 105 niveaus die Wiederholung eines Substantivs die effektivste Vereinfachung darstellte. Diese einfache Form von Redundanz war signifikant wirksamer für das Verständnis als andere Mittel wie rhetorische Fragen oder Synonyme. Er weist jedoch auch darauf hin, dass es teils große Unterschiede zwischen AnfängerInnen und Fortgeschrittenen gibt, wenn es darum geht, zu verstehen, welche sprachlichen Mittel eine Vereinfachung für das Verstehen von NS-RednerInnen darstellen. Derwing (1989) ist der Meinung, dass beachtet werden muss, welche Art von Redundanz für NNS-ZuhörerInnen von Vorteil sein kann. Einfache Redundanzen wie Wiederholungen sind hilfreich, während andere Redundanztypen - wie beispielsweise zu viele Hintergrunddetails - eher von der eigentlichen Botschaft ablenken und die NNS-ZuhörerInnen überfordern. Chiang/ Dunkel (1992) stellten fest, dass Redundanz zwar für NNS- ZuhörerInnen mit sehr guten bis mittleren Englischkenntnissen beim Verständnis hilfreich waren, allerdings nicht für jene mit geringeren Sprachkenntnissen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass in dieser Untersuchung ausschließlich Wiederholungen als Redundanzelemente eingesetzt wurden. Die AutorInnen nehmen an, dass die ProbandInnen mit geringeren Sprachkenntnissen eher von syntaktischer Vereinfachung, einer klareren Artikulation, kürzeren Sätzen, emphatischer Betonung, rhetorischen Signalen und einer weniger komplexen Lexik profitiert hätten. Berne (1993) untersuchte in diesem Zusammenhang das Verständnis von NNS mit zwei verschiedenen Textsorten: einer Vorlesung, die wenig Redundanz, Wiederholungen und Pausen aufwies, und einem Interview mit demselben Inhalt, jedoch mit einem höheren Anteil an Wiederholungen und Paraphrasen. Die Ergebnisse des Hörverständnistests zeigten, dass der Texttyp allein jedoch kein signifikanter Faktor beim Abschneiden der NNS-ZuhörerInnen war. Dies steht im Gegensatz zu den Resultaten einer Studie von Shohamy/ Inbar (1991 zit. n. Berne 1993: 6ff.), bei der festgestellt wurde, dass NNS bei einen Ausgangstext mit mehr Redundanz, Wiederholungen und Pausen eine Hörverständnistest besser beantworten konnten als bei einem sehr dichten Ausgangstext mit wenigen dieser Merkmale. Aus den Ergebnissen dieser Studien lässt sich ableiten, dass die vorteilhafte oder nachteilige Wirkung von Redundanz auf das Verstehen von NNS sehr von deren L2-Kenntnissen, aber auch von der Art der Redundanzen im Text abzuhängen scheint. 4.3.6.2 NNS als RednerInnen Geht es um NNS als RednerInnen, könnte ebenfalls angenommen werden, dass der Texttyp eine Auswirkung auf das Verständnis hat. <?page no="106"?> 106 Es wurde bereits mehrmals erwähnt, dass von DolmetscherInnen immer wieder beklagt wird, dass NNS Texte oft sehr schnell verlesen, was eine qualitativ hochwertige Verdolmetschung fast unmöglich macht (vgl. 4.3.4.1.2 und 4.3.4.3). Es stellt sich somit die Frage, ob NNS tatsächlich verständlicher sind, wenn sie frei sprechen, als wenn sie einen Text vorlesen. Umso bedauerlicher ist es, dass sich nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen mit dieser Variable auseinander gesetzt zu haben scheinen. Oyama (1976) beschäftigte sich mit diesem Thema und ließ den Akzent von 60 italienischen NNS-Rednern jeweils von 2 NS-ZuhörerInnen auf einer 5stelligen Akzentskala bewerten. Sie stellte diesbezüglich fest, dass italienische NNS als weniger akzentuiert bewertet wurden, wenn sie frei eine Geschichte erzählen mussten als beim Vorlesen eines Texts (S. 268). In diesem Fall scheint jedoch eine Generalisierung nicht angebracht zu sein, da ausschließlich italienische Redner untersucht wurden und die Anzahl der BewerterInnen pro Sprecher sehr gering war. Nachdem nun mehrere Variable im Einzelnen besprochen wurden, kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die beschriebenen Untersuchungen von Faktoren, die Verständnis und Verständlichkeit von NNS beeinflussen, sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Studien sehr unterschiedliche Versuchsdesigns aufwiesen, aber auch darauf, dass es eine so große Anzahl an Interaktionsvariablen gibt, die beim Verstehensprozess greifen - allein die ZuhörerInnen- und SprecherInnenvariabilität kann bei solchen Studien nie völlig kontrolliert werden. Wirklich eindeutige Aussagen bezüglich des Einflusses der angesprochenen Faktoren können daher nicht getätigt werden. Es wird jedoch klar, dass diese Faktoren unter bestimmten Bedingungen sowohl die Verständlichkeit von NNS als auch deren Verständnis in einem gewissen Ausmaß beeinflussen können. Aus diesem Grund sollten all diese Faktoren bei experimentellen Studien zum Thema NNS- Verständnis und -Verständlichkeit sowie bei der Erarbeitung der Versuchsdesigns auf jeden Fall genau beachtet und - so weit es möglich ist - kontrolliert werden. Eine bedeutende Erkenntnis aus den Studien ist, dass das L2- Sprachniveau der NNS oft Auswirkungen darauf zu haben scheint, inwieweit die besprochenen Faktoren das Verständnis beeinflussen. Den Sprachkenntnissen von Versuchspersonen sollte demnach bei Experimenten unbedingt große Aufmerksamkeit gewidmet werden. <?page no="107"?> 107 4.4 Zusammenfassung Nichtmuttersprachliche RednerInnen und ZuhörerInnen sind aufgrund des stetigen Anstiegs des Einsatzes von Englisch als Lingua Franca heute - auch in Konferenzsituationen - eher die Norm als eine Ausnahme. Wie gut die Verständigung unter diesen Akteuren funktioniert, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu gehören einerseits die verschiedenen Abweichungen von NNS-RednerInnen von der NS-Norm, die stark von der Erstsprache der NNS beeinflusst werden und verschiedene sprachliche Ebenen wie Grammatik, Lexik oder Phonetik betreffen können. Es herrscht keine Einigkeit darüber, welche Arten von Abweichungen die Verständlichkeit von NNS am stärksten beeinträchtigen. Fest steht, dass es keine absolut repräsentativen NNS-RednerInnen gibt und auch keinen repräsentativen NNS-Akzent. Abweichungen vom muttersprachlichen Standard sind in höchstem Maße sprecherInnenabhängig und vor allem durch die L1 der NNS beeinflusst, wenngleich es doch einige Gemeinsamkeiten zu geben scheint. Andererseits hängt das Gelingen von NNS-Interaktionen aber auch von kontextuellen und situationsbezogenen Variablen wie Texttyp, Bekanntheit des Akzents oder Sprechgeschwindigkeit ab, die ebenfalls das Verständnis und die Verständlichkeit beeinflussen. Da jedoch sowohl die sprecherabhängigen Variablen als auch die kontextuellen von Situation zu Situation stark variieren, können die in dieser Arbeit angeführten Studien lediglich Tendenzen anzeigen. Eine Generalisierung der Ergebnisse auf alle NNS- Interaktionen scheint nicht angebracht. Abgesehen von der hohen Variabilität der Kommunikationsfaktoren gibt es jedoch ein weiteres Problem bei den besprochenen Studien zur NNS-Verständlichkeit: die Versuchsdesigns unterscheiden sich enorm, was eine Vergleichbarkeit unmöglich macht. Wenngleich die tatsächliche Wirkung der oben erwähnten Variablen nicht völlig klar ist, sollten diese potentiellen Einflussfaktoren in die Planung des im Rahmen dieser Arbeit durchzuführenden Versuchs einbezogen werden. Nur durch die sorgfältige Kontrolle möglichst vieler Variablen kann die Untersuchung eines komplexen Zusammenspiels von Faktoren wie jenes beim Verstehen von/ durch NNS aussagekräftige Ergebnisse liefern. <?page no="108"?> 108 5 Versuch Nach den relevanten Begriffserklärungen und theoretischen Überlegungen sowie dem Überblick über die für diese Studie wichtigsten Forschungsfelder wird in diesem Kapitel der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Versuch sowie dessen Vorbereitung und die Auswertung der dabei gewonnenen Daten eingehender beschrieben. 5.1 Versuchsdesign Das Hauptziel des Versuchs bestand darin, die kognitive Wirkung eines Vortrags eines nichtmuttersprachlichen Redners 29 der kognitiven Wirkung einer Verdolmetschung dieses Vortrags gegenüberzustellen. Es sollte somit die unter 2.2.3 beschriebene Äquivalenz der kognitiven Wirkung/ des kognitiven Endergebnisses von Ausgangstext und Zieltext im jeweiligen Publikum untersucht werden. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob ZuhörerInnen eines nichtmuttersprachlichen Ausgangsvortrags (Gruppe A) bzw. eines ins Deutschen gedolmetschten Zieltextes (Gruppe B) gleich viel an inhaltlicher Information aus dem Vortrag eines Englisch- Nichtmuttersprachlers, der Experte in ihrem Fachgebiet ist, verstanden hatten. Um dies zu untersuchen, sollte ein Fachpublikum in zwei Gruppen geteilt werden, von denen eine den einschlägigen Vortrag eines nichtmuttersprachlichen Redners im englischen Original hören sollte und die andere die Verdolmetschung des Vortrags in ihre Erstsprache. Danach sollte beiden ZuhörerInnengruppen ein Hörverständnistest vorgelegt werden. Ein Vergleich der durchschnittlichen Testergebnisse der beiden Gruppen sollte - analog zu Hörverständnistests in der Zweitsprachenerwerbsforschung (vgl. 4.3) und in der Dolmetschwissenschaft (vgl. 2.2.3.2) - Aufschluss über das Verständnis des Gehörten im Publikum geben. Dabei galt es zahlreiche methodische Hürden zu überwinden: - die Auswahl eines möglichst repräsentativen, authentischen NNS, - die Auswahl eines/ einer geeigneten DolmetscherIn, - die Auswahl von möglichst vergleichbaren ZuhörerInnen, - die Erstellung eines auf Verständnisprüfung und nicht Wissen oder Gedächtnis abzielenden Fragebogens und - die möglichst realitätsnahe situationelle Einbettung. 29 Da im vorliegenden Versuch ein männlicher Sprecher zum Einsatz kam wird in der Folge die männliche Form verwendet. <?page no="109"?> 109 Eine Einschränkung vieler Experimente in Laborsituation ist, dass die kommunikative Situation oft ausgeklammert wird. Pöchhacker (2001: 419f.) schlägt zur Überwindung dieses Mangels Simulationen von Konferenzsituationen vor, die die Einschränkungen von Laborexperimenten ohne echte Kunden behebt. Daher wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, für den Versuch eine realistische Konferenzsituation mit einem realistischen Publikum und einem/ r authentischen RednerIn nachzustellen, was im Folgenden noch näher beschrieben wird. Davor wird jedoch besprochen, welche Hauptfragen anhand der Testresultate beantwortet werden sollen. 5.2 Forschungsfragen Anhand der Versuchsergebnisse sollen mehrere Fragestellungen beantwortet werden, die sich großteils aus Überlegungen der vorangegangenen Kapitel ergeben: 1) Werden nichtmuttersprachliche RednerInnen von ExpertInnen tatsächlich gleich gut verstanden wie eine Verdolmetschung in deren Erstsprache? Dies wird als Argument, DolmetscherInnen einzusparen, verwendet (vgl. 3.6). Diese Frage soll anhand der Gegenüberstellung des Hörverständnistestscores der beiden Versuchsgruppen A (NNS-Originalredner) und B (Verdolmetschung) beantwortet werden. 2) Können DolmetscherInnen einen Ausgangstext mit typischen NNS-Merkmalen tatsächlich „verbessern“, wie es von manchen DolmetscherInnen behauptet wird (vgl. 3.6.2)? Auch diese Frage soll über einen Vergleich des Testscores der beiden Gruppen analysiert werden. 3) Können Versuchspersonen den Grad ihres Verständnisses selbst beurteilen? Dabei soll untersucht werden, ob der erreichte Testscore mit einer subjektiv getroffenen Beurteilung des eigenen Verstehens in Zusammenhang steht, d.h. ob ZuhörerInnen in der Lage sind, ihr eigenes Verständnis richtig einzuschätzen. 4) Gibt es einen Zusammenhang zwischen Akzentbewertung und subjektivem oder „objektivem“ Verständnis? Hier soll überprüft werden, ob die Akzentbewertung mit dem Testscore - also dem „objektiven“ Verständnis - bzw. mit der subjektiven Verständniseinschätzung der Versuchspersonen korreliert. Damit wird auch untersucht, ob Versuchspersonen, die den AT schlechter verstanden haben, dies darauf zurückführen, dass der Vortrag in nichtmuttersprachlichem Englisch gehalten wurde. <?page no="110"?> 110 5) Bewerten Personen, die bereits Verdolmetschungen gehört haben, die gehörte Dolmetschleistung anders als jene ohne Erfahrung? Diese Frage soll am Rande untersucht werden, da die Versuchspersonen im Fragebogen auch angeben sollten, ob sie bereits Erfahrung mit Verdolmetschungen hätten. 6) Wird ein NNS von ExpertInnen seines Fachgebietes besser verstanden als von Laien, d.h. hilft Hintergrundwissen und Zugehörigkeit zu einer Gruppe tatsächlich beim Verstehen eines von der NS-Norm abweichenden Vortrags? (vgl. 4.3.3) Um diese Frage zu beantworten, sollen einerseits die Scores der Gruppe A (EN) aus dem Pilotversuch, an dem NichtexpertInnen teilnahmen, und aus dem Hauptversuch, bei dem ExpertInnen im Fach des Redners mitwirkten, verglichen werden. Andererseits wurden die Versuchspersonen auch nach ihrem Hintergrundwissen zum Thema befragt. Diese Einschätzung soll mit dem Testscore der jeweiligen Person korreliert werden. 7) Haben gute bzw. schlechte Hörverständniskenntnisse in Englisch eine Auswirkung auf das Verstehen von nichtmuttersprachlichen RednerInnen? Die ProbandInnen wurden im Fragebogen auch gebeten, ihre Hörverständniskenntnisse in Englisch subjektiv einzuschätzen. Auf der Basis dessen soll analysiert werden, ob diese einen Einfluss auf das Testresultat haben. 8) Hat Erfahrung mit NNS eine Auswirkung auf das Verstehen? (vgl. 4.3.2) Die Versuchspersonen sollten im Fragebogen auch angeben, ob sie oft in ELF-Situationen agierten. Diese Information soll ebenfalls in Zusammenhang mit dem jeweiligen Testergebnis untersucht werden. 9) Hat Erfahrung mit dem spezifischen Akzent des Redners eine Auswirkung auf das Verstehen? (vgl. 4.3.1.1 und 4.3.2) Die Versuchspersonen wurden im Fragebogen auch gebeten, anzugeben, ob sie Erfahrung mit NNS mit der gleichen Erstsprache wie der Redner hatten. Daraufhin soll überprüft werden, ob es einen Zusammenhang zwischen dieser Erfahrung und dem Testscore gab. 10) Hat die Erstsprache der ZuhörerInnen Einfluss auf das Verstehen von NNS? Im mehreren Studien (vgl. 3.6.3.1/ 4.3.1.1) wurde festgestellt, dass ZuhörerInnen mit derselben L1 wie NNS diese besser verstanden. Es soll überprüft werden, ob dies auch in diesem Versuch der Fall war. 11) Hat das Alter der Versuchspersonen eine Auswirkung auf das Verstehen? <?page no="111"?> 111 12) Hat das Geschlecht der Versuchspersonen eine Auswirkung auf das Verstehen? Eine weitere Frage bezog sich lediglich auf ein Spezifikum einer Proband- Innengruppe, das bei der Beschreibung dieser näher besprochen wird. 13) Haben Studierende mit mehr Berufserfahrung, die somit eher als ExpertInnen auf dem Fachgebiet betrachtet werden können, Vorteile beim Verstehen eines NNS? (vgl. 5.8.1) Ein Versuch, diese konkreten Fragen zu beantworten, wird in der Zusammenfassung unter 6.3 angestellt. 5.3 Ausgangstext Im Folgenden werden die Auswahl des Redners sowie er selbst und sein Vortrag eingehend beschrieben. 5.3.1 Vorüberlegungen für die Auswahl eines Redners/ einer Rednerin Aus dem Versuchsdesign wird klar, dass die Auswahl des Redners/ der Rednerin die Aussagekraft dieser Studie stark beeinflussen würde. Nach der Lektüre der Kapitel über verschiedene Akzentausprägungen und über bei NichtmuttersprachlerInnen häufig auftretende sprachliche Abweichungen von der NS-Norm sowie über die verschiedenen im Verstehensprozess greifenden Faktoren wird klar, dass die Auswahl sehr genau geplant werden musste. Da es nicht einen typischen NNS-Akzent gibt, wurde beschlossen, die möglichen RednerInnen auf eine Erstsprache einzugrenzen. RednerInnen mit Deutsch als Erstsprache wurden bewusst ausgeschlossen, da die Versuchspersonen, die im Experiment den NNS- Vortrag hören sollten, deutschsprachig sein würden. Es sollte schließlich eine realistische Nachstellung einer Interaktion in einem internationalen Setting erfolgen. Somit würde es sich im geplanten Versuch um eine ELF- Kommunikation in Reinform, also ausschließlich zwischen NichtmuttersprachlerInnen handeln (vgl. 3.1). Da man davon ausgehen kann, dass die Kenntnis der L1 eines NNS das Verständnis über dessen Abweichungen erleichtert und so eine Beschreibung des Redners/ der Rednerin für die Autorin machbarer sein würde, wurde Italienisch als L1 des Redners/ der Rednerin ausgewählt. Aber auch diese Einschränkung räumte nicht das Problem aus, dass NNS, auch wenn sie dieselbe L1 sprechen, doch verschiedene Akzentgrade in der L2 aufweisen. Unter anderem wies Wilcox (1978) schon auf die Vielfalt der Akzente hin: „It is next to impossible to find a truly representative speaker of any accent“ (S. 125). Der/ die gesuchte RednerIn sollte aber in <?page no="112"?> 112 Hinblick auf seine/ ihre L1 so repräsentativ wie möglich sein, weshalb nach einer Vorauswahl ein Rating des Akzents durch ExpertInnen durchgeführt wurde, das unter 5.3.2 näher beschrieben wird. Eine weitere Überlegung für die Auswahl des Redners/ der Rednerin war, dass diese/ r regelmäßig im Berufsleben Englisch verwenden sollte, vor allem auch in Situationen, in denen üblicherweise gedolmetscht wird. So sollte sichergestellt werden, dass die Person in einer realistischen Situation ein/ e AusgangsrednerIn für eine Verdolmetschung hätte sein können. Da bei realen Konferenzen RednerInnen und ZuhörerInnen üblicherweise einen ähnlichen professionellen Hintergrund haben, sollte auch der Redner/ die Rednerin aus demselben Bereich wie die Versuchspersonen kommen. Nachdem zum Zeitpunkt der Auswahl schon feststand, dass die Versuchspersonen ExpertInnen im Bereich Wirtschaft sein würden, sollte auch der/ die RednerIn einE WirtschaftswissenschafterIn sein. Aus diesem Grund wurde Kontakt zu Lehrenden an der italienischen Università Commerciale Luigi Bocconi in Mailand aufgenommen. Diese Universität genießt internationales Renommee und wurde beispielsweise 2009 vom Forbes Magazine im Bereich der Top Non-US Business Schools auf Rang 8 platziert. Auch in den Global MBA Rankings 2010 der Zeitung Financial Times rangiert die Universität als einzige italienische Business School an 14. Stelle in Europa 30 . Der Unterricht erfolgt teils auf Englisch. In Bezug auf das Zusammenwirken von Texttyp und Verständnis von NNS gibt es unterschiedliche Forschungsergebnisse (vgl. 4.3.6). Da es in der beschriebenen Studie jedoch um einen Vergleich zwischen einem Vortrags und einer Verdolmetschung desselben geht, wurde vor allem darauf geachtet, dass der Ausgangstext des NNS einem echten Konferenzbeitrag gleicht. Drei Lehrende des Department of Management und des Department of Institutional Analysis and Public Management wurden daher gebeten, circa 15-20 Minuten über ein von ihnen gewähltes Wirtschaftsthema frei auf Englisch zu referieren und wurden dabei mit einer Videokamera aufgenommen. Ein weiteres Video wurde bei einem an der Universität abgehaltenen internationalen Seminar zum Thema Marketing gedreht. Alle vier RednerInnen halten einige ihrer Lehrveranstaltungen auf Englisch und gaben an, regelmäßig auf internationalen Konferenzen auf Englisch zu referieren. Des Weiteren verfassen sie die meisten ihrer Publikationen auf Englisch. Die Vorauswahl eines der vier aufgenommenen RednerInnen erfolgte in eingehenden Beratungen im QuaSI-Forschungsteam und bei einem internationalen Workshop zum Thema Methodik in der Qualitätsforschung beim Simultandolmetschen, das im April 2009 am Zentrum für Translati- 30 Siehe http: / / www.sdabocconi.it/ it/ about_sda_bocconi/ ranking.htm (26.04.2011) <?page no="113"?> 113 onswissenschaft stattfand 31 . Unter Berücksichtigung aller obengenannten Bedingungen fiel die Wahl auf einen Lektor des Department of Management der Bocconi-Universität. In der Folge sollte durch eine größer angelegte ExpertInnenbefragung sichergestellt werden, dass der ausgewählte Redner tatsächlich einen angemessenen Akzent aufweist, jedoch dabei verständlich ist und als italienischer NNS identifiziert werden kann. 5.3.2 ExpertInnenbefragung Um die Stärke des Akzents des wie oben beschrieben ausgewählten Redners besser beurteilen zu können, wurde eine Befragung unter einer Gruppe von ExpertInnen durchgeführt. Laut Piske et al. (2001: 195) ist derzeit nicht bekannt, wie viele BewerterInnen notwendig sind, um eine verlässliche Einschätzung eines Akzents zu erhalten. Die Anzahl der ExpertInnen in einschlägigen Studien variiert, ist jedoch meist eher gering (vgl. z.B. Munro/ Derwing 1995: 291). Um möglichst viele ExpertInnen erreichen zu können, wurde das Rating mit einer webbasierten Software für Online-Befragungen durchgeführt. Dazu wurde das Tool Lime Survey 32 verwendet, eine Open-Source- Anwendung für Online-Umfragen. Dieses ermöglichte es, allen ExpertInnen einen personalisierten Token zur Teilnahme am Rating zu senden, der ihre Anonymität garantierte und sie durch Anklicken eines Links zur Internetmaske der Befragung weiterleitete. Dort hatten sie die Möglichkeit, einen Teil des Videos (Länge: 2‘34“) mit dem ausgewählten NNS-Redner anzusehen und zu hören und den Akzent desselben anschließend auf einer Skala (siehe 5.3.2.2) zu bewerten. Außerdem wurden sie gebeten anzugeben, welche L1 der Redner ihrer Meinung nach habe, und hatten die Möglichkeit, zusätzliche Anmerkungen zu machen. Nach einem Testlauf mit sieben Personen wurde die tatsächliche Befragung am 17.06.2009 gestartet. Nachdem bereits zwei Erinnerungsschreiben an jene ExpertInnen, die noch nicht geantwortet hatten, ausgeschickt worden waren, wurde die Befragung am 15.07.2009 deaktiviert. 5.3.2.1 ExpertInnen Die ExpertInnengruppe setzte sich sowohl aus erfahrenen DolmetscherInnen zusammen, die alle als BeamtInnen oder FreiberuflerInnen für die Institutionen der Europäischen Union arbeiten und somit häufig NNS- RednerInnen mit verschiedenen L1 dolmetschen, als auch aus ExpertInnen für Englisch als Lingua Franca von der Wirtschaftsuniversität Wien sowie 31 Siehe http: / / quasi.univie.ac.at/ fileadmin/ user_upload/ proj_quasi/ FWF_Workshop-Programm.pdf 32 Siehe http: / / www.limesurvey.org/ (05.10.2011) <?page no="114"?> 114 vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien, von denen die meisten dem Voice-Team (vgl. 4.1.1) angehören, das sich der Erforschung von ELF widmet. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese Befragung nicht mit einer repräsentativen Zufallsstichprobe einer Grundgesamtheit, sondern mit von der Autorin selektierten ExpertInnen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse erheben daher keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Repräsentativität. Aus diesem Grund wurden die Resultate auch nur deskriptiv dargestellt und keine inferenzstatistischen Berechnungen durchgeführt. Insgesamt wurde die Einladung zur Teilnahme am Rating an 56 Personen versandt. In der Einladung wurden die EmpfängerInnen darauf hingewiesen, dass die Befragung anonym sei und sich mit dem Thema „Nichtmuttersprachliche RednerInnen“ befassen würde. Außerdem wurde die ungefähre Dauer der Befragung mit fünf Minuten angegeben. 46 der Angesprochenen nahmen an der Bewertung teil. 36 davon waren DolmetscherInnen, 10 ELF-ExpertInnen. Acht der Befragten waren EnglischmuttersprachlerInnen, 38 NichtmuttersprachlerInnen. Damit wurde eine häufige Einschränkung von NNS-Bewertungen ausgeräumt, nämlich, dass in vielen Studien ausschließlich NS-ZuhörerInnen den Akzent von NNS beurteilen, was dazu führt, dass die Beurteilung nicht als repräsentativ bezeichnet werden kann (vgl. Munro et al. 2006: 114). Die L1 der NNS waren Deutsch (n=16), Rumänisch (n=8), Italienisch (n=5), Französisch (n=4), Spanisch (n=4) und Lettisch (n=1). Somit teilten einige der BeurteilerInnen auch die L1 des Redners (italienisch), was einigen Untersuchungen zufolge Einfluss auf das Verständnis hat (vgl. 4.3.1.1). 5.3.2.2 Skala Zum Bewerten des Akzents von NNS-SprecherInnen wurden in der Vergangenheit verschiedene Arten von Skalen verwendet. Diese variierten von Skalen mit Intervallen von 3-9 Punkten bis hin zum Einsatz des landesüblichen Schulnotensystems (vgl. z.B. Garzone 2003, Major et al. 2002, Munro/ Derwing 1995, Piske et al. 2001, Southwood/ Flege 1999). In den meisten Studien kam jedoch eine 5-Punkte-Skala zum Einsatz (vgl. Piske et al. 2001: 194), was jedoch von Southwood/ Flege (1999), die für eine 9-stellige Skala plädieren, als nicht ausreichend für eine Akzentbewertung bezeichnet wird. Eine häufig diskutierte Frage hinsichtlich des Einsatzes von Skalen zur Bewertung von bestimmten Merkmalen ist, ob diese wirklich als Intervallskalen betrachtet werden können (vgl. z.B. Bortz/ Döring 2006: 181f.). Southwood/ Flege (1999) bewiesen in einer Studie mit italienischen NNS, dass Skalen zur Akzentbewertung als Intervallskalen eingestuft werden können und UntersuchungsteilnehmerInnen tatsächlich in der Lage sind, <?page no="115"?> 115 intervallskalierte Urteile abzugeben: „The linear relationship […] suggests that accentedness (at least for Italian speakers of English) is a metathetic continuum. […] Therefore, an interval scale is appropriate for scaling the accentedness of Italian speakers of English.“ (S. 344) Für unser Rating wurde eine verbal verankerte 7-stellige Skala von 1 (no perceptible foreign accent) bis 7 (very strong foreign accent) gewählt (siehe Abbildung 2). Abbildung 2 - Skala der Akzentbewertung Es wurde eine ungeradzahlige Skala eingesetzt, da nicht davon ausgegangen wurde, dass seitens der BewerterInnen eine zentrale Tendenz gegeben sein würde (vgl. Bortz/ Döring 2006: 184). 5.3.2.3 Auswertung Die 46 gültigen Antworten der Befragung wurden unter Zuhilfenahme der Programme SPSS und Excel auch deskriptivstatistisch ausgewertet. Dabei ergab sich ein Mittelwert des Akzentratings von 5,48 mit einer Standardabweichung von 1,1. Am häufigsten gewählt wurde der Skalenwert 6 (41,3%), gefolgt von 5 (26,1%). Die niedrigste Bewertung, die nur einmal gewählt wurde, betrug 2, die höchste 7. Es hatte sich also keiner der Befragten für 1 (no perceptible foreign accent) entschieden (siehe Tabelle 2 und Tabelle 3). Anzahl der Befragten 46 Mittelwert 5,48 Standardabw. 1,1 Minimum 2 Maximum 7 Median 6 Modus 6 Tabelle 2 - Grunddaten Expertenrating <?page no="116"?> 116 Skalenwert Häufigkeit Prozent % 1 0 0 2 1 2,2 3 1 2,2 4 6 13 5 12 26,1 6 19 41,3 7 7 15,2 Tabelle 3 - Häufigkeiten bei der Bewertung gesamt Mit einem Mittelwert von 5,48 und einem Median von 6 kann der Akzent des Redners also als überdurchschnittlich stark bezeichnet werden, vor allem wenn man bedenkt, dass die ExpertInnen erfahrene ZuhörerInnen sind, die der Literatur zufolge meist mildere Bewertungen abgeben. Diese Meinung vertreten beispielsweise Southwood/ Flege (1999): „Experienced listeners who are familiar with foreign accent may provide lower accentedness ratings than listeners who have had little exposure.“ (S. 347) 5.3.2.3.1 DolmetscherInnen vs. ELF-ExpertInnen Als nächster Schritt wurden die Werte der DolmetscherInnen (DO) und der ELF-ExpertInnen (ELF) verglichen, um mögliche Unterschiede festzustellen. Nachdem - wie bereits in der Einleitung und unter 4.3.1.2 angesprochen wurde - viele DolmetscherInnen Probleme mit NNS als AusgangsrednerInnen haben, wurde nicht ausgeschlossen, dass sie auch strengere Bewertungen abgeben könnten. Die ELF-ExpertInnen hingegen sind für die allgemeine Fragestellung und NNS-Akzente sensibilisiert und betrachten letztere nicht als phonologische Fehler, sondern lediglich als legitime Abweichung von der NS-Norm (vgl. Seidlhofer 2001). Es konnte daher angenommen werden, dass sie den Akzent eventuell milder beurteilen könnten. Diese Überlegungen folgen der Logik des sogenannten Milde-Härte-Fehlers (Leniency-Severity-Fehler), wonach bei Personenbeurteilung je nach Bias zu gute oder zu schlechte Einschätzungen getroffen werden können (vgl. Bortz/ Döring 2006: 183f.). Bei der Analyse der Daten konnte tatsächlich festgestellt werden, dass es einen Unterschied in der Bewertung gab. Der Mittelwert der DO betrug 5,61, jener der ELF 5. Die DO wählten am häufigsten den Skalenwert 6 (41,7%), während die ELF mit jeweils 40% die Werte 4 und 6 wählten. Der Median bei den DO betrug 6, bei den ELF 5 (siehe Tabelle 4 und Tabelle 5). <?page no="117"?> 117 Anzahl ELF 10 Anzahl DO 36 Mittelwert 5,00 Mittelwert 5,61 Standardabw. 0,9 Standardabw. 1,1 Minimum 4 Minimum 2 Maximum 6 Maximum 7 Median 5 Median 6 Tabelle 4 - Messwerte beim Akzentrating durch ELF und DO ELF DO Skalenwert Häufigkeit Prozent % Skalenwert Häufigkeit Prozent % 1 0 0 1 0 0 2 0 0 2 1 2,8 3 0 0 3 1 2,8 4 4 40 4 2 5,6 5 2 20 5 10 27,8 6 4 40 6 15 41,7 7 0 0 7 7 19,4 Tabelle 5 - Häufigkeiten beim Akzentrating durch ELF und DO Da es sich jedoch um keine repräsentative Stichprobe der Grundgesamtheiten, sondern um nicht zufällig ausgewählte ExpertInnen handelt und außerdem die Gruppengröße mit 36 DolmetscherInnen zu 10 ELF- ExpertInnen nicht ausgewogen ist, kann man hier lediglich von einer Tendenz sprechen. Aber auch die Anmerkungen, die im Folgenden besprochen werden, weisen in dieselbe Richtung: Alle negativen Anmerkungen über den Akzent des Redners kamen von DolmetscherInnen. Die positive Einstellung der ELF-ExpertInnen zu NNS-Akzenten wird durch Aussagen wie die folgende unterstrichen: I like the accent which the speaker has, because it reflects the speaker's cultural origin/ background. Sowohl die numerischen Daten als auch die verbalen Bewertungen weisen somit darauf hin, dass die ELF-ExpertInnen den Akzent milder beurteilten. <?page no="118"?> 118 5.3.2.3.2 NS vs. NNS Eine weitere Frage, die in der Analyse geklärt werden sollte, war, ob NS und NNS den Akzent unterschiedlich bewerten würden. Studien zu diesem Thema kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei den Ergebnissen der vorliegenden Studie ist dieser Unterschied jedoch nur minimal. Der Mittelwert der NNS (n=38) beträgt 5,47, jener der NS (n=8) 5,50, der Median bei beiden Gruppen 6. Auch hier kann man jedoch aufgrund der unterschiedlichen Gruppengrößen nicht von repräsentativen Ergebnissen sprechen. 5.3.2.3.3 Erstsprache der ExpertInnen Interessant ist bei der Untersuchung der Bewertungshäufigkeiten nach L1 der ExpertInnen (siehe Tabelle 6), dass die Bewertung durch die italienischen ExpertInnen (IT), also jene mit derselben L1 wie der Redner, am härtesten ausfiel. Der Mittelwert der IT-Gruppe betrug 6,20 und war damit der höchste. Dreimal wurde von den italienischsprachigen ExpertInnen der höchste Skalenwert 7 vergeben, der insgesamt nur sieben Mal gewählt wurde. Diese Auffälligkeit entspricht den Resultaten der bereits unter 4.3.1.1 zitierten Studie von Fayer/ Krasinski (1987) über den Einfluss von Irritation und Ablenkung auf Akzentbewertung. Darin wurde festgestellt, dass NNS- ZuhörerInnen Fehlern von NNS-RednerInnen mit derselben L1 gegenüber signifikant weniger tolerant sind als NS-ZuhörerInnen und sie den Akzent als lästiger empfinden als NS. Es handelt sich dabei um einen negativen Bias der italienischen NNS. Dieser dürfte in unserem Fall nicht nur im Vergleich zu den NS-ExpertInnen bestehen, sondern auch im Vergleich zu den NNS-ExpertInnen mit einer andern L1 zutreffen. Der Bias wurde auch in den Anmerkungen, die im nächsten Unterpunkt genauer besprochen werden, bestätigt. Von den sieben negativen Anmerkungen durch Befragte kamen drei - also verhältnismäßig viele - von italienischen MuttersprachlerInnen, die den Akzent des Redners z.B. als tiring oder a nightmare to interpret beschrieben. <?page no="119"?> 119 Anzahl Deutsch L1 16 Mittelwert 4,94 Standardabweichung 1,3 Anzahl Rumänisch L1 8 Mittelwert 6 Standardabweichung 0,5 Anzahl Italienisch L1 5 Mittelwert 6,20 Standardabweichung 1,1 Anzahl Französisch L1 4 Mittelwert 6 Standardabweichung 0,8 Anzahl Spanisch L1 4 Mittelwert 5 Standardabweichung 1,4 Anzahl Lettisch L1 1 Mittelwert 5 Standardabweichung - Anzahl Englisch L1 8 Mittelwert 5,5 Standardabweichung 1,1 Tabelle 6 - Bewertung nach L1 der RaterInnen 5.3.2.3.4 Erstsprache des Redners Auf die Frage „What do you think is the speaker’s mother tongue? ” antworteten 43 der Befragten, also 93,5%, mit „Italian”. Von den restlichen drei Befragten waren zwei der Ansicht, dass die Erstsprache des Redners eine romanische Sprache wäre und eine Person, dass sie Spanisch sein müsse. Der Redner kann somit als ein typischer Vertreter von italienischen NNS beschrieben werden, eine Person, die Smith/ Bisazza (1982: 261) als „identifiable representative of their varieties of English“ bezeichnen. Aus den Kommentaren ging hervor, dass mehrere Befragte die L1 des Redners von dessen Akzent ableiteten. Eine Befragte erwähnte jedoch auch die „typical Italian sentence structure“. <?page no="120"?> 120 5.3.2.3.5 Kommentare der ExpertInnen Als äußerst aufschlussreich erwiesen sich die teilweise schon zuvor angesprochenen Kommentare, die die ExpertInnen am Ende der Online- Befragung abgeben konnten (any comments). Aus den Antworten auf diese offene Fragestellung wurden sechs Kategorien gebildet, denen die einzelnen Anmerkungen zugeordnet werden können. 5.3.2.3.5.1 Starker Akzent 15 Befragte äußerten sich zur Stärke des Akzents und beschrieben diesen z.B. als strong; very strong; fairly strong; strong enough to make the listener concentrate quite hard; clearly perceptible. Damit bestätigten sie auch verbal die zuvor getroffene Skalenbewertung. 5.3.2.3.5.2 Verständlichkeit Elf Befragte äußerten sich spontan zur guten Verständlichkeit des Redners, als Gegensatz zu seinem starken Akzent. Beispiele: easy to understand clearly intelligible perfectly intelligible comprehensible understandable The otherwise strong accent did NOT affect comprehension. Dies weist darauf hin, dass ein starker Akzent nicht unbedingt zu einer ebenso starken Beeinträchtigung der Verständlichkeit führen muss und dass ZuhörerInnen zwischen Akzent und Verständlichkeit unterscheiden. Dieses Resultat entspricht den Ergebnissen von Studien, die besagen, dass eine Akzentbewertung nicht als Skala für Verständlichkeit verwendet werden kann (vgl. z.B. Munro/ Derwing 1999: 305). 5.3.2.3.5.3 Weitere positive Anmerkungen Acht Befragte gaben positive Kommentare über den Redner, seinen Vortrag und seine Englischkenntnisse ab. Beispiele: Speaker seems to be very proficient. fluent English good command of English good English clear and correct <?page no="121"?> 121 There is a message to follow. Trotz seines starken Akzents wurden seine Englischkenntnisse also von mehreren ExpertInnen als sehr gut bezeichnet. 5.3.2.3.5.4 Negative Anmerkungen Sieben Kommentare über den Redner waren negativer Natur. Wie bereits erwähnt kamen alle von DolmetscherInnen, drei davon mit Italienisch als L1. Beispiele: very hard to follow tiring a nightmare to interpret too desperate with these accents to make any comments Besonders die letzten beiden Beispiele bestätigen die bereits angesprochene negative Einstellung vieler VertreterInnen der Berufsgruppe der DolmetscherInnen in Bezug auf NNS-RednerInnen. 5.3.2.3.5.5 Vertrautheit mit dem Akzent Fünf Bemerkungen bezogen sich auf die Frage der Vertrautheit mit einem Akzent und die Annahme, dass diese dem Verständnis zuträglich sei. Beispiele: Speech may be easier to understand by people who also speak Italian and know what phonetic distortions to expect. For an Italian it is easier to understand what he means because he uses a typical Italian sentence structure. Intelligible (especially if one is familiar with speakers of Italian using English) Diese wissenschaftlich eingehend untersuchte Frage des Zusammenspiels von Bekanntheit von Akzenten und Verstehen (vgl. 4.3.1.1) scheint bei den ExpertInnen bekannt zu sein oder intuitiv bemerkt worden zu sein. 5.3.2.3.5.6 Beschreibung des Akzents Sieben Befragte beschrieben Abweichungen des Redners von der NS- Norm. Beispiele: Wrong words are stressed. Marked release of final consonant. His mother tongue does not permit closed syllables. The intonation made the speech “less natural” to follow. <?page no="122"?> 122 The pronunciation of most words is consistent (the accented pronunciation stays the same for the word), word-final schw-sounds are frequent. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass neben dem Rating auch die Anmerkungen der ExpertInnen darauf hinweisen, dass der Redner einen starken Akzent hat, jedoch gut verständlich ist und auch ein hohes sprachliches Niveau im Englischen aufweist. Er entspricht demnach allen Anforderungen für einen realistischen NNS-Redner auf einer einschlägigen Konferenz und ist repräsentativ für solche Sprecher mit seiner L1. 5.3.3 Beschreibung des Redners Die Online-Befragung von ExpertInnen bestätigte somit die Annahme, dass der ausgewählte Redner für das Experiment geeignet wäre. Es handelt sich bei ihm um einen Lektor des Department of Management der Bocconi Universität, der mehrere Lehrveranstaltungen auf Englisch hält, zahlreiche englische Publikationen veröffentlicht hat und häufig bei internationalen Konferenzen auf Englisch vorträgt. Des Weiteren war er visiting researcher an zwei englischsprachigen Universitäten. Er ist also ein erfahrener NNS, der regelmäßig Englisch spricht und als repräsentativ für RednerInnen auf Konferenzen bezeichnet werden darf. 5.3.3.1 Redebeitrag Der Vortrag wurde vom Redner völlig frei, ohne Unterlagen oder Notizen gehalten und behandelt das Thema „Postmoderne und Marketing“. Er dauert 15: 24 Min und enthält typische Merkmale von authentischen Vorträgen laut Flowerdew/ Miller (1997) wie etwa Selbstkorrekturen am Satzanfang (false starts), Redundanzen oder rhetorische Fragen. Damit ist die Variable Texttyp klar bestimmt. Durch die freie Vortragsweise mit deren typischen Charakteristika dürfte der NNS-Redner Studien zufolge leichter zu verstehen sein (vgl. 4.3.6). Er setzte auch des Öfteren dem Verständnis förderliche Redundanzen wie Wiederholungen und Paraphrasen ein. Auch die Ausgestaltung der Variable Kontext (vgl. 4.3.5) dürfte eine Erleichterung für die ZuhörerInnen darstellen, da es sich um einen zusammenhängenden, sinnvollen Vortrag handelt, bei dem der direkte Kontext beim Verstehensprozess genutzt werden kann. Mit ausschlaggebend für die Auswahl dieses Vortrags war auch die Tatsache, dass der darin verfolgte Ansatz ein sehr innovativer ist. Während die Postmoderne und auch Marketing für sich durchaus etablierte Begrifflichkeiten sind, stellt die Verbindung der beiden Bereiche kein konsolidiertes Marketingkonzept dar. Dies zeigte sich auch in einem kognitiven Pretest, der im Rahmen des Experiments mit neun WirtschaftsexpertInnen durchgeführt wurde. Dieser Test wird an anderer Stelle eingehend besprochen (vgl. 5.5.5). Nur eine der darin behandelten Fragen soll hier näher <?page no="123"?> 123 betrachtet werden, jene bezüglich der Bekanntheit des Themas. Die ExpertInnen wurden dabei gebeten, auf einer 7-stelligen Skala (1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt) anzugeben, wie neu die Informationen aus dem Vortrag des NNS-Redners für sie waren, den sie zuvor im Video gesehen hatten. Mit einem Median von 5, einem Minimum von 3 und einem Maximum von 7 kann das Thema als unter den ExpertInnen nicht sehr bekannt bezeichnet werden. Besonders interessant waren die dazu abgegebenen Anmerkungen der ExpertInnen, aus denen vor allem hervorging, dass einige der angesprochenen Themen aus psychologischen oder soziologischen Marketingansätzen durchaus bekannt waren, nicht aber deren Betrachtung unter dem Aspekt der Postmoderne. Es war somit anzunehmen, dass die Versuchspersonen zwar allgemeines Vorwissen zu diesem Thema haben würden, die spezielle Betrachtungsweise der Inhalte jedoch eine völlig neue Information darstellen würde. Dies würde allgemein den Einflussfaktor Vorwissen/ Wissen/ Hintergrundwissen (vgl. 4.3.3) als verzerrendes Element verringern. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Versuchspersonen die Fragen nicht nur aufgrund ihres Hintergrundwissens zum Thema beantworten können würden, sondern tatsächlich aufgrund des zusätzlichen Wissens, das sie durch den Vortrag erworben hatten. Wie schon erwähnt behandelt der Text inhaltlich das Thema Marketing, dies jedoch dem Status des Redners entsprechend auf einem wissenschaftlichen Niveau. Der Vortrag beinhaltet zwar sehr praktische Beispiele, ist jedoch mit seiner Bezugnahme auf die Postmoderne auch sehr akademisch und wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet. 5.3.3.2 Redegeschwindigkeit Wie bereits unter 4.3.4.3 besprochen kann auch die Redegeschwindigkeit eines NNS Auswirkungen auf dessen Verständlichkeit haben. In diesem Fall betrug das Sprechtempo des Redners 234 spm. Er liegt somit über den von Pöchhacker (1994b: 174) untersuchten nichtmuttersprachlichen RednerInnen auf einer Konferenz (198,5 spm), aber knapp unter dem von Tauroza/ Allison (1990) errechneten Sprechtempo von NS (240 spm). Bei den freien Anmerkungen der Versuchspersonen nach Anhören des Vortrags wurde das Tempo des Redners jedoch mehrmals als sehr schnell bezeichnet. Dies könnte darauf zurück zu führen sein, dass die Sprechgeschwindigkeit von NNS manchmal als schneller wahrgenommen wird, als sie es tatsächlich ist (vgl. 4.3.4.3). 5.3.3.3 Abweichungen des Redners von der NS-Norm Wie bereits zuvor angeführt wurde, ergaben Untersuchungen, dass NNS- Abweichungen von der NS-Norm gewisse Muster aufweisen (vgl. 4.1.1). <?page no="124"?> 124 Diese Muster sind bei SprecherInnen einer gemeinsamen Erstsprache aufgrund der Einflüsse derselben noch ähnlicher. Einen umfassenden Überblick über typische Abweichungen von RednerInnen mit italienischer Muttersprache gibt Duguid (1987). Während Duguid diese als Fehler bezeichnet, soll hier die Beschreibung dieser Abweichungen jedoch lediglich der Analyse der Rede dienen und ist nicht als Beurteilung der Englischkenntnisse des Redners zu verstehen. Im Folgenden sollen die am häufigsten in der Rede auftretenden Merkmale kategorisiert und besprochen werden. 5.3.3.3.1 Aussprache Mehrere WissenschafterInnen sind der Ansicht, dass die Aussprache von NNS sowie abweichende Prosodie- und Rhythmusmuster die Verständlichkeit des Englischen am meisten beeinflussen (vgl. 4.2.2). Beim durchgeführten Akzent-Rating durch ExpertInnen wurde der Redner klar als Italiener identifiziert. Aus den Kommentaren geht hervor, dass vor allem sein Akzent darauf hindeutete. Aus diesem Grund soll zuerst die Aussprache des Redners untersucht und beschrieben werden. Mehrere Studien befassten sich schon mit dem italienischen Akzent beim Englischen (vgl. Agard/ Di Pietro 1965, Busa 2008, Flege et. al. 1999, Porcelli et al. 2002, Speech Accent Archive 33 ). Als typische Abweichung wird zum Beispiel die Substitution von / th/ (ð oder θ) durch / d/ bezeichnet. Diese tritt beim Redner wiederholt auf, z.B. / dis/ statt / this/ . Dieses typische Kennzeichen von NNS ist jedoch laut Jenkins (2000: 137f.) selten ein Auslöser für Verständnisprobleme. Des Weiteren verwenden italienische NNS auch häufig Vokaleinfügungen, also Paragogen, bei denen ein Schwa-Laut ( ə) am Ende eines Wortes eingefügt wird. Auch dies ist beim Redner sehr häufig festzustellen, z.B.: „…a shift ə in terms of ə theory and method ə ...”. Da es im Italienischen kein Äquivalent für / h/ gibt, wird dieses im Englischen oft nicht ausgesprochen oder überkompensiert. Dies trifft auch auf den Redner zu: z.B. - „aving“ statt „having“ - „istory“ statt „history“ bzw. - „ h also“ statt „also“ - „ h added“ statt „added“ - „ h entered“ statt „entered“. 33 Im Rahmen dieses Projektes wurden NNS mit den verschiedensten L1 aufgenommen, um verschiedene Akzente zu analysieren und zu vergleichen. Siehe: http: / / accent.gmu.edu/ <?page no="125"?> 125 5.3.3.3.2 Rhythmus und Wortbetonung Während Englisch eine akzentzählende Sprache ist, was bedeutet, dass betonte Silben in relativ regelmäßigen Abständen vorkommen, gehört Italienisch zu den silbenzählenden, bei denen die zeitliche Abfolge jeder einzelnen Silbe, unabhängig davon, ob sie betont oder unbetont ist, quantitativ gleich ist. Das bedeutet, dass es im Italienischen unterschiedlich lange Abstände zwischen den betonten Silben gibt (vgl. Roach 1998: 153f.). Es wird behauptet, dass dieser Unterschied ItalienerInnen oft Probleme beim englischen Sprechrhythmus und der Betonung bereitet. Das Konzept von akzentzählenden Sprachen ist jedoch nicht unumstritten. Manche sind der Ansicht, es sei eine idealisierte Form des englischen Sprachrhythmus (vgl. Jenkins 2000: 149f.). In jedem Fall sind die Regeln der Wortbetonung im Englischen so komplex, dass sie NNS nicht wirklich in ihrer Gänze vermittelt werden können. Im Vortrag des Redners finden sich sehr viele Wörter, die abweichend von der NS-Norm betont wurden, z.B.: originAted, afterwArds, investigAte, liberAted etc. Jenkins (2000: 150) ist jedoch aufgrund der Analyse ihrer empirischen Daten der Meinung, dass eine falsche Wortbetonung nur selten Verständlichkeitsprobleme mit sich bringt. 5.3.3.3.3 Stil Duguid (1987: 78) gibt bezüglich des Stils an, dass ItalienerInnen im Englischen oft lange, komplexe Sätze mit mehr Nebensätzen als im Englischen üblich verwenden. Dies konnte an mehreren Stellen der Rede festgestellt werden. Ein Satz wie im folgenden Beispiel ist für englische RednerInnen wohl eher unüblich: For example, just to make very broad and generic statement, if in the traditional marketing approach our idea of markets, of consumption and of the world at large was very consistent with the idea of objectivity, so we were prone to assume that the external world is objective and that we need to investigate as researchers or as marketing managers this world in a very detached, in a very fair, in a very objective way, looking for an objective and implementable knowledge; from the postmodern view this is completely overthrown, because in the postmodern lecture we don’t trust the existence of an objective reality, of objective consumption . Auch eineR der ExpertInnen wies auf die seiner/ ihrer Meinung nach „typisch italienische Satzstruktur hin“. Eine weitere stilistische Tendenz bei italienischen RednerInnen betrifft den übermäßigen Einsatz von Partizipialkonstruktionen (S. 78). Auch dies konnte beim Redner festgestellt werden. Beispiele: <?page no="126"?> 126 - women having children - men having a traditional style, having a more punk appearance - the same product [...] having different applications Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies beim Zuhören zu Missverständnissen führt. 5.3.3.3.4 Verben Die Analyse des Vortrags ergab des Weiteren, dass der Redner mehrfach das present perfect statt der past tense verwendete. Dies wird als häufiger Fehler von italienischen MuttersprachlerInnen beschrieben (vgl. Duguid 1987: 80). Die Autorin beschreibt auch, warum diese Abweichung häufig auftritt und erklärt die unterschiedliche Bedeutung des present perfect im Italienischen : Italians use their present perfect as a reference to actions in the recent past. There is no firm line drawn to mark the limits of when an action may be considered to be sufficiently in the past to warrant the use of the simple or „historic“ past. (S. 80) Beispiele: - [...] because it’s only in 1959 that the so-called marketing concept was established, and afterwards the marketing discipline has evolved in two different directions. > evolved - On the one hand, the marketing discipline has elaborated different streams of investigation [...]. > elaborated - [...] after this year an increasing number of marketing researchers has started to investigate the consumption phenomena from a different viewpoint. > started Ein weiteres Merkmal des Redners ist es, present continuous statt present tense zu verwenden: - companies who are coping with this idea - the company is celebrating the past Eine bei allen NNS unabhängig von ihrer L1 häufig auftretende Abweichung bezüglich der englischen Verben ist das Auslassen der Endung bei der 3. Person Singular (vgl. Seidlhofer 2005, Duguid 1987: 79). Dies konnte beim Redner nicht beobachtet werden, allerdings verwendete er diese -s- Endung einmal an einer falschen Stelle, was eventuell eine Überkompensation sein könnte. Beispiel: When we consume s, we are not acting as… <?page no="127"?> 127 5.3.3.3.5 Präpositionen Auch Präpositionen wurden vom Redner mehrmals von der NS-Norm abweichend verwendet. Dies wird ebenfalls als häufiges Problem von NichtmuttersprachlerInnen identifiziert (vgl. Duguid 1987: 87). Beispiele: - associated to > with - if you think about cosmetics > of - think at Disney Land > of - they are recombined together Diese Fälle können jedoch nicht als sinnstörend bezeichnet werden. 5.3.3.3.6 Singular - Plural Seidlhofer (2005) kam bei ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass NNS häufig das Demonstrativpronomen this auch mit Nomen im Plural verwenden. Dies konnte auch bei der Analyse der Rede beobachtet werden. Beispiele: - in this situations - in this terms Auch in diesem Fall kann man wohl nicht von Unverständlichkeit des Gesagten sprechen. 5.3.3.3.7 Artikel Als eines der größten Probleme von italienischen NichtmuttersprachlerInnen bezeichnet Duguid (1987) den falschen Gebrauch von Artikeln (S. 84). Die größte Schwierigkeit stellt dabei die unterschiedliche Anwendung von bestimmten und unbestimmten Artikeln im Englischen und Italienischen dar. In der Rede kommt eine solche Abweichung jedoch nur einmal in Bezug auf einen Nullartikel vor: [...] the marketing can take [...]. In einem weiteren Fall hängt der Redner vor einem mit Vokal beginnenden Nomen kein N an den unbestimmten Artikel ( a improvement). Allgemein scheinen Artikel dem Redner jedoch keine großen Probleme zu bereiten. 5.3.3.3.8 Vokabular Viele Abweichungen vom NS-typischen Sprachgebrauch konnten im vom Redner verwendeten Vokabular gefunden werden. Diese Bespiele wurden von der Autorin ausgesucht und anschließend vier Englisch-NS mit <?page no="128"?> 128 sprachwissenschaftlicher Hochschulbildung vorgelegt. Sie sollten entscheiden, ob die Phrasen ihrer Ansicht nach der Norm entsprächen. In den meisten abweichenden Fällen handelt es sich um unübliche Formulierungen, die jedoch im Kontext als verständlich bezeichnet werden können. Hier einige Beispiele: - this method is originated in - it added the stream all together - include a set of identities all together - we don’t trust the existence of - products for styling hair - products that were very fast to be prepared - it is very frequent to observe - a new piece of food - it’s the same time - originate situations - they are impossible to be read - this idea can be managed in different ways - a dress that is the same of the doll - a shop below zero - just to be very short Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Redner in mehreren Bereichen Abweichungen von der NS-Norm aufwies. Wie schon von den ExpertInnen angesprochen, war sein Englisch jedoch - vor allem im Kontext betrachtet - sehr verständlich. Es kann keineswegs als übertriebenes Beispiel eines NNS, als Karikatur bezeichnet werden. Inwiefern die Abweichungen das Verständnis von ZuhörerInnen trotzdem beeinflussen, soll im Versuch festgestellt werden. 5.4 Zieltext 5.4.1 Dolmetscherin Ein weiterer entscheidender Punkt in der Versuchsvorbereitung war die Auswahl der Dolmetscherin. Es sollte eine Person mit ausreichender Erfahrung und Routine sein, die die L1 des Redners als C-Sprache in ihrer Sprachkombination hat. Damit sollte diesem möglichen Vorteil beim Verstehen eines NNS, den Albl-Mikasa (2013: 105) bei DolmetscherInnen als „shared languages benefit“ bezeichnet - Rechnung getragen werden (vgl. 3.6.3.1 und 4.3.1). Wie schon beim Redner stand fest, dass man keine wirk- <?page no="129"?> 129 lich repräsentative Person für einen gesamten Berufsstand finden könnte und dass die Leistung eine unbeeinflussbare Variable im Versuch darstellen würde. Die Ergebnisse könnten bei einem anderen Dolmetscher/ einer anderen Dolmetscherin anders aussehen. Die Dolmetschleistung sollte jedoch im Forschungsteam validiert und als angemessen befunden werden. Die ausgewählte Dolmetscherin hatte folgende Sprachkombination: A- Deutsch; B-Englisch; C-Italienisch. Sie arbeitete zum Zeitpunkt der Aufnahme seit drei Jahren als Konferenzdolmetscherin - vor allem mit der Sprachkombination Deutsch<>Englisch. Sie gab an, oft mit Personen Kontakt zu haben, die Englisch als Nichtmuttersprache sprechen, und schon mehrmals ItalienerInnen Englisch sprechen gehört zu haben. Diese Fragen zur NNS-Erfahrung sind auch in Teil B des Versuchs-fragebogens zu finden. 5.4.2 Verdolmetschung Die Dolmetscherin sollte die Möglichkeit haben, sich angemessen auf die Situation vorzubereiten, d.h. sich mit dem Thema vertraut machen, wie sie es bei einer realen Konferenz gemacht hätte. Sie sollte also die Möglichkeit bekommen, sich ebenfalls das für Dolmetscheinsätze übliche Hintergrundwissen anzueignen. Dabei ist davon auszugehen, dass dieses nicht an jenes von Fachleuten auf einem Gebiet heranreichen kann (vgl. 4.3.3). Trotzdem kann ein Mehr an Vorwissen aber das Verstehen von NNS erhöhen: The interpreter short on experience or empathy may find that the chief hurdle is understanding the SL input. Unconventional pronunciations and clumsily framed statements will be a problem for the interpreter dealing with a subject for the first time, but will be more readily understood if the topic is a recurrent item in the interpreter’s professional repertoire. (Mead 1996: 24). Aus diesem Grund wurde die Dolmetscherin gebrieft. Das Thema des Vortrags und einige Fachbegriffe daraus wurden ihr einige Tage vor der Aufnahme mitgeteilt. Sie konnte sich auf der Basis dessen in das Thema einlesen und sich angemessen vorbereiten. Die Verdolmetschung erfolgte in einer fest eingebauten Dolmetschkabine in einem Unterrichtsraum am Zentrum für Translationswissenschaft, wo die Dolmetscherin das Videobild des Redners auf einem Kabinenbildschirm sehen konnte und ihre Leistung über die Dolmetschanlage aufgenommen wurde. Eine Live-Dolmetschung kam für das kontrollierte Versuchsdesign nicht in Frage: Der deutsche Fragebogen sollte nicht übersetzt werden, sondern anhand der Verdolmetschung formuliert werden (vgl. 5.5.1 und 5.5.3.1), was es nötig machte, die Verdolmetschung schon im Voraus zur Verfügung zu haben. <?page no="130"?> 130 Mit 1603 Wörtern wies die Verdolmetschung weniger Wörter als die Ausgangsrede (1936 Wörter) auf. Auch die Silbenanzahl war geringer: ZT: 3264 vs. AT: 3601. Die Dauer des Vortrags war jedoch um zwei Sekunden länger (15‘26‘‘=926 Sek.). Demnach war auch die Sprechgeschwindigkeit der Verdolmetschung mit 3,52 sps/ 211 spm/ 1,73 wps/ 103,8 wpm niedriger als jenes des Originalredners (3,9 sps/ 234 spm/ 2,1 wps/ 125,7 wpm). Die Verdolmetschung ist als solche zu erkennen, da die Intonation dolmetschtypische Merkmale wie unsyntaktische Pausen oder unübliche Betonungsmuster aufweist, die von Shlesinger (1994) als „interpretational intonation“ bezeichnet wurden. Von einer Beurteilung der Verdolmetschung kann hier abgesehen werden. Diese findet ohnehin indirekt durch den Versuch statt. Es wurde nach dem Transkribieren der Verdolmetschung lediglich überprüft, ob die im Ausgangstext identifizierten Informationen, die als geeignet für Fragen für den Hörverständnistest erachtet wurden, wiedergegeben wurden. Dabei konnte eine Übereinstimmung der Information festgestellt werden. Die Auswahl der Information, nach der gefragt wurde, wird im nächsten Abschnitt genauer beschrieben. Somit waren Ausgangs- und Zieltext für die Erstellung des Fragebogens bereit. 5.5 Fragebogen Der im Versuch eingesetzte Fragebogen bestand aus zwei Teilen: einem Hörverständnistest (Teil A) und einem Teil mit subjektiven Einschätzungen zu verschiedenen Parametern des Originals bzw. der Verdolmetschung und Fragen nach Hintergrundvariablen der Versuchspersonen (Teil B). 5.5.1 Design und Formulierung Bei der Erstellung des Fragebogens wurde darauf geachtet, die Grundregeln des Fragebogendesigns wie angemessene Länge oder ansprechendes Layout einzuhalten - d.h. z.B. nicht zu viel Text auf einer Seite und genug Abstand zwischen den Zeilen (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 51). <?page no="131"?> 131 Auch die Formulierung des Fragebogens wurde genau überlegt, da der Wortlaut eines Items in einem Fragebogen oder Test - also dessen Bestandteilen wie Fragen, Aufgaben usw. - großen Einfluss darauf haben kann, wie diese beantwortet werden. Nur kleine Änderungen bei der Formulierung können manchmal große Veränderungen in der Verteilung der Antworten hervorrufen (vgl. Willis 1999: 4). Die Formulierung hat auch einen Einfluss darauf, ob die Befragten sich tatsächlich zu dem Thema, über das die ErstellerInnen eines Fragebogens mehr wissen wollen, äußern. Besonders wichtig ist somit, dass die Befragten die Fragen so verstehen wie die ForscherInnen (vgl. Foddy 1993: 17). Inwieweit das überhaupt möglich ist, ist fraglich. Um jedoch Missverständnissen so gut wie möglich vorzubeugen, wurden im Fragebogen schwierige und abstrakte Wörter vermieden, da diese großen Interpretationsspielraum zulassen. Dasselbe galt für die Verwendung von Wörtern mit mehreren Bedeutungen oder moralischen Konnotationen, die als wenig zielführend betrachtet werden. Die einzelnen Items wurden möglichst kurz, einfach und konkret formuliert, aber auch nicht zu telegrafisch kurz, da dies zu Missverständnissen führen kann (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 53). Lange und komplizierte Satzbauteile werden von ProbandInnen allerdings manchmal sogar ignoriert, vor allem, wenn sie am Ende eines Items stehen. Auch Einschübe können diese Reaktion auslösen. Dies kann vermieden werden, indem qualifizierende Komponenten an den Anfang der Frage gestellt werden, wie etwa in folgendem Beispiel aus dem Versuchsfragebogen: Nach Aussage des Redners - glaubt man in der Postmoderne an eine fragmentierte Identität? Außerdem wurden Negationen möglichst vermieden, da eine positive Formulierung klarer und für die Versuchspersonen leichter zu interpretieren ist (vgl. Foddy 1993: 50). Des Weiteren wurde berücksichtigt, dass Antworten auf ein vorhergehendes Item Auswirkungen auf nachfolgende Antworten haben können. Die Anordnung der Items kann somit die Antworten der Befragten stark beeinflussen (vgl. Foddy 1993: 6). In unserem Fall betraf diese Überlegung nur Teil B des Fragebogens, da die Anordnung der Fragen in Teil A der chronologischen Abfolge der abgefragten Information im Vortrag entsprach. Somit war die Abfolge durchaus logisch, die Items jedoch nicht voneinander abhängig. In Teil B zeigten sich in der Testphase solche Beeinflussungen, die unter Abschnitt 5.5.5.3 genauer beschrieben werden. Diese wurden weitgehend behoben. Da das Versuchsdesign vorsieht, dass eine Versuchsgruppe (Gruppe A) die englische Originalrede hört und die andere (Gruppe B) die Verdolmetschung der Rede ins Deutsche, musste auch der Fragebogen von Gruppe A auf Englisch und jener von Gruppe B auf Deutsch verfasst werden. Aller- <?page no="132"?> 132 dings wurde nicht zuerst einer der Fragebögen erstellt und dann auf dieser Basis der andere übersetzt. Für beide Fragebögen wurden die Frage- und Antwortformulierungen als Textbausteine aus den jeweiligen Vorträgen entnommen, d.h. für den englischen Fragebogen wurden die Formulierungen der abgefragten Passage aus dem Vortrag des Redners übernommen, und für den deutschen Fragebogen die Formulierungen aus der Verdolmetschung. So sollte sichergestellt werden, dass beide Gruppen dieselben Voraussetzungen für ein Erkennen dieser Textteile haben würden und von der lexikalischen Überlappung zwischen Text und Test profitieren konnten, die unter Abschnitt 5.5.3.1 noch eingehender erklärt wird. 5.5.2 Einleitung Am Beginn des Fragebogens gab es vor den eigentlichen Fragen eine schriftliche Einleitung, die Teile der mündlich erteilten Instruktionen (vgl. 5.6.2 und 5.7.3) wiedergab. Dabei wurde berücksichtigt, dass eine Einleitung für die Motivation zur Bearbeitung eines Fragebogens bedeutend sein kann (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 49). Gruppe A: Please answer the following questions on the speech you have just heard. Try to respond according to what was said by the speaker (and not according to your own background knowledge). This questionnaire is not trying to measure intelligence or test knowledge, but the intelligibility of the speech. Gruppe B: Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu dem Vortrag, den Sie gerade gehört haben. Versuchen Sie die Fragen mittels der Information aus der Rede zu beantworten (und nicht mit Hilfe Ihres Hintergrundwissens). Bei diesem Fragebogen geht es nicht um eine Intelligenzmessung oder das Abfragen von Wissen, sondern um die Verständlichkeit des Vortrags. Der Zweck dieses Einleitungstexts war es, bei den Befragten möglichen Stress abzubauen und den Sinn des Experiments zu vermitteln. Sie sollten nicht das Gefühl haben, sich in einer schulischen Testsituation zu befinden, sondern sich dessen bewusst werden, dass mit ihrer Hilfe lediglich die Wirkung eines Texts untersucht werden sollte. Die „Bringschuld“ in Bezug auf das Verstehen lag somit beim Redner bzw. bei der Dolmetscherin. Nach der Einleitung folgte Teil A des Fragebogens mit den Items, die die kognitive Wirkung des Vortrags bzw. der Verdolmetschung testen sollten. <?page no="133"?> 133 5.5.3 Teil A - Hörverständnistest Wie bereits besprochen war der erste Teil des Fragebogens wie ein Hörverständnistest aufgebaut. Nach Lienert/ Raatz (1994: 1) ist ein Test „ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung“. In unserem Fall sollten aus den Ergebnissen nicht so sehr Rückschlüsse auf die Testpersonen und deren Merkmalsausprägung, als vielmehr auf die kommunikative Wirkung des Redners gezogen werden, wie es bei Hörverständnistests im Bereich der Dolmetschwissenschaft (vgl. 2.2.3.2), aber auch der Zweitsprachenerwerbsforschung (vgl. 4.3) bereits des Öfteren praktiziert wurde. Hörverständnistests gehören zu der Kategorie der Leistungstests (vgl. Rost 2004: 43). Bei diesen wird von den ProbandInnen z.B. die Lösung von Aufgaben oder Problemen oder die Reproduktion von Wissen verlangt. Dabei unterscheidet man nach der Zeitbemessung zwischen speed- und power-Tests. Erstere zeichnen sich durch eine begrenzte Zeitvorgabe für die Lösung der Aufgaben aus, während bei Zweiteren nur erhoben wird, ob die Aufgaben richtig gelöst wurden (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 15). Im hier beschriebenen Test wurde den Versuchspersonen kein Zeitlimit gesetzt. Theoretisch stand ihnen in der Hauptstudie (vgl. 5.7.3) als Zeitrahmen die gesamte restliche Lehrveranstaltung nach dem Vortrag (ca. 2 Std.) zur Verfügung, die aber niemand voll ausschöpfte. Alle gaben die Fragebögen schon nach spätestens 20 Minuten ohne Aufforderung ab. Da der Verstehensprozess im Kopf stattfindet, gibt es kein beobachtbares Produkt dieses Vorgangs. Den zu untersuchenden Personen mussten also Aufgaben gestellt werden, die sie lösen sollen. Von der Leistung bei der Lösung dieser Aufgaben wurde schließlich abgeleitet, ob der Vortrag und die Dolmetschung für die ZuhörerInnen eine vergleichbare kognitive Wirkung hatten. Das Testen von Hörverständnis ist per definitionem ein indirekter Vorgang. Die Ergebnisse werden immer auch von anderen Fertigkeiten der ProbandInnen wie Lesen der Fragen, Gedächtnisleistung usw. beeinflusst (vgl. Buck 1997: 66). Was die Lesefähigkeit betrifft, so kann davon ausgegangen werden, dass die Unterschiede bei den eingesetzten Versuchspersonen vernachlässigbar sind. Alle waren (Fach- )Hochschulstudierende, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie gute Lesekenntnisse besitzen. Der Einsatz von Multiple-Choice-Fragen sollte dazu beitragen, den Einfluss der Gedächtnisleistung zu minimieren (vgl. 5.5.3.1). Hörverständnistests werden sehr oft in der Fremdsprachenlehre verwendet, um festzustellen, wie gut die Teilfertigkeit Hörverständnis der Getesteten in einer bestimmten Sprache ist, oder um einen Überblick über den Lernfortschritt von Lernenden zu erhalten (vgl. Buck 2001). Aber auch <?page no="134"?> 134 in der Zweitspracherwerbsforschung und in der Dolmetschwissenschaft wurden sie bereits mehrmals eingesetzt, um die Verständlichkeit von RednerInnen oder DolmetscherInnen zu messen. Besonders großes Augenmerk wurde beim Design darauf gelegt, dass die elf Items zum Testen der Wirkung von Ausgangstext und Zieltext nicht auf das Hintergrundwissen der Versuchspersonen, sondern auf ihr aus dem Vortrag mitgenommenes Wissen abzielten. Daher sollten inhaltsbezogene, konkrete Information aus der Rede abgefragt werden. Korrekte Antworten sollten nicht logisch abgeleitet werden könnten. Daher wurden die Items aus konkreten, spezifischen Informationen aus dem Text zusammengestellt. Da im Vortrag ein sehr innovativer Marketingansatz besprochen wurde (vgl. 5.3.3.1) und der Redner viele Beispiele nannte, war es möglich, Information abzufragen, bei der es sehr wahrscheinlich war, dass die Versuchspersonen sie nur aus dem Gehörten kannten. Das Format von Items in einem Hörverständnistest erwies sich bereits in mehreren Studien als signifikanter Einflussfaktor (vgl. Berne 1993, Wilcox 1978). Aus diesem Grund wurde die Auswahl des zu verwendenden Typs auch genau überlegt. Die Vor- und Nachteile jedes Formats sind je nach Situation und wissenschaftlicher Fragestellung unterschiedlich und müssen im konkreten Bezug auf die jeweilige Studie beurteilt werden. Es kann nicht allgemein gesagt werden, dass ein Format validere Daten liefert als ein anderes. Meist hängt die Entscheidung für ein bestimmtes Format von der Fragestellung ab. Sehr oft werden in Fragebögen auch mehrere Fragebzw. Antwortformate eingesetzt, d.h. beispielsweise eine Mischung aus Multiple-Choice-Fragen, offenen oder halboffenen Fragen (vgl. z.B. Berne 1993: 27, Napier/ Spencer 2008, Shlesinger 1994), was zu größerer Ausgewogenheit führen soll. Im Folgenden wird beschrieben, welche Typen aus welchen Gründen im vorliegenden Fragebogen gewählt wurden. 5.5.3.1 Multiple-Choice-Items (MC-Items) Der Großteil der in Teil A eingesetzten Items - acht - waren Multiple- Choice-Fragen (auch: Mehrfach-Wahl-Aufgaben). Bei zwei dieser Items gab es mehrere richtige Antworten, bei den restlichen nur jeweils eine richtige. Dieser Item-Typ gehört zu den sogenannten Fragen mit gebundenem Antwortformat, das eine Auswahl an Antwortalternativen anbietet (vgl. Rost 2004: 59). Er erfreut sich vor allem bei großangelegten Umfragen, die schnell durchgeführt werden müssen, großer Beliebtheit. Mit dem verstärkten Einsatz von Computertechnologie ist er noch attraktiver geworden, da er die Eingabe und Analyse der Daten leichter macht. Als weitere Vorteile dieses Formats werden angeführt, dass die Antworten vergleichbar und <?page no="135"?> 135 weniger variabel sind (vgl. Foddy 1993: 126ff.). Daraus ergibt sich auch eine höhere Auswertungsobjektivität (vgl. Rost 2004: 61). Auch im Bereich des Englischunterrichts wird diese Kategorie am häufigsten eingesetzt (vgl. Buck 2001: 142, Yi΄an 1998: 28). Dies ist für uns deswegen relevant, weil Gruppe A der Versuchspersonen den Test in Englisch zu absolvieren hatte. Es gibt an diesem Fragentyp jedoch auch mehrere Kritikpunkte. So wird beispielsweise behauptet, dass MC-Fragen einfacher zu beantworten seien als offene Fragen, da nur ein Erkennen der Information nötig sei, nicht aber ein Wiederabrufen und Produzieren wie bei offenen Fragen (vgl. Berne 1993: 24). Auch Bortz/ Döring (2006: 215) sind der Ansicht, dass das Ausfüllen von MC-Fragen eine reine Wiedererkennungsleistung darstellt. Die Spontanaktivität und Denkkraft der Versuchspersonen werden nicht so sehr gefordert. Eben dieser Aspekt machte dieses Format für unsere Zwecke ideal, da im Versuchsfragebogen weniger die kognitiven Fähigkeiten der ProbandInnen, als vielmehr die kognitive Wirkung des Vortrags bzw. der Verdolmetschung getestet werden sollte. Die Tatsache, dass der Großteil der Items im Hörverständnistest MC-Fragen waren, sollte dazu beitragen, dass der Test nicht so sehr das Gedächtnis der Versuchspersonen prüfte, sondern vielmehr die kognitive Wirkung von AT bzw. ZT. Dies wurde des Weiteren dadurch unterstützt, dass es eine lexikalische Übereinstimmung zwischen dem Gehörten und den richtigen Antwortoptionen gab. Richtige Antworten sind leichter zu erkennen, wenn der Wortlaut in Text und Antwortformat deckungsgleich ist (Buck/ Tatsuoka 1998: 123f.), und schwieriger, wenn die Antwortoption eine Paraphrase der abgefragten Information ist (Brindley/ Slatyer 2002: 376). Durch den Einsatz von Textbausteinen aus dem AT bzw. ZT im Fragebogen wurde der kognitive Aufwand der Versuchspersonen verringert. Sie mussten so tatsächlich nur das Gehörte wiedererkennen. Somit wurde der Einfluss der Variable Gedächtnis möglichst niedrig gehalten. Dies soll anhand von Frage 10 veranschaulicht werden. Die Textteile aus dem AT bzw. ZT, die als Basis für die Antwortoption verwendet wurden, sowie die betreffende Antwort sind jeweils fett dargestellt. AT Instead of using the terminology consumer, as interpretativist researchers, as post-modern researchers we prefer to speak in terms of consuming people. So our idea is that the consumer terminology isolates consumption from the full life experience of individuals. Frage Gruppe A Why do interpretativist researchers try to avoid the term “consumer”? Because of its association with hyper-reality. Because it is connected to the projection towards tech- <?page no="136"?> 136 nology and technological improvement. Because it doesn’t take into account market segmentation. Because it isolates consumption from the full life experience of consumers. ZT Denken Sie nur an die Terminologie, an den Terminus Konsument. Als interpretativistische oder postmoderne Forscher sprechen wir lieber von konsumierenden Menschen. Die Idee dahinter ist, dass das Wort Konsument den Konsum vom Leben der Menschen trennt. Frage Gruppe B Warum versuchen interpretative ForscherInnen den Terminus “Konsument” zu vermeiden? Da er mit der Hyperrealität assoziiert wird. Da er mit der Orientierung hin zu Technologie und technologischer Verbesserung verbunden ist. Da er die Marktsegmentierung nicht berücksichtigt. Da er den Konsum vom Leben der Menschen trennt. Eine weitere Herausforderung bei MC-Fragen stellen die falschen Antwortvorgaben (Distraktoren) dar, die von den FragebogendesignerInnen angegeben werden müssen. Es gestaltet sich oft schwierig, realistische Falschantworten vorzugeben, da die Befragten sämtliche Antwortalternativen mit möglichst gleicher Wahrscheinlichkeit für richtig halten sollten (vgl. Bortz/ Döring 2006: 215). Aus diesem Grund wurden im Versuchsfragebogen nicht nur die richtigen Antworten, sondern auch die Distraktoren dem Ausgangsbzw. Zieltext entnommen. Die Plausibilität der Distraktoren war somit sehr hoch. Ein Beispiel für einen der Distraktoren in Frage 10: EN Another typical trait of the post-modern consumer is what we call hyper-reality. DE Ein anderer typischer Charakterzug der Postmoderne ist die Hyperrealität. Somit sollte sichergestellt werden, dass den Versuchspersonen sowohl die richtige Antwort als auch die Distraktoren bekannt vorkommen und dadurch plausibel erscheinen würden. Als Problem beim Einsatz von MC-Fragen bei Hörverständnistests wird des Weiteren angegeben, dass zum Beantworten dieses Formats oft andere Kompetenzen außer dem eigentlichen Hörverständnis vonnöten seien. Versuchspersonen, die den meist schriftlich vorbereiteten Fragebogen und <?page no="137"?> 137 die verschiedenen Antwortoptionen schneller lesen können als andere, könnten durch Multiple-Choice-Fragen bevorzugt werden (vgl. Hansen/ Jensen 1994). Beim Versuchsfragebogen handelte es sich jedoch nicht um einen speed-Test, was bedeutet, dass schnelleres Lesen ohnehin keinen Vorteil brachte. Ein weiterer Kritikpunkt an Multiple-Choice-Items ist, dass sie den Versuchspersonen die Möglichkeit geben, zu raten und eine der Antwortoptionen willkürlich auszuwählen, was das Ergebnis völlig verzerren kann (vgl. Yi΄an 1998: 38). Das kann zu einem Problem hinsichtlich der Testfairness werden, da manche Versuchspersonen mehr Mut zum Raten haben als andere. Der Rateeffekt kann jedoch neutralisiert werden, indem man für Falschantworten Punkte abzieht. Wenn man sich für diese Option entscheidet, sollte dies den Versuchspersonen jedoch schon vor Beginn des Tests mitgeteilt werden (vgl. Bortz/ Döring 2006: 217). Das Raten hat jedoch nicht nur Nachteile, da es nicht immer völlig zufällig geschieht. Oft sind sich die Befragten nicht bewusst, dass sie die Antwort auf eine Frage wissen, entscheiden sich aber unbewusst für die richtige Option, ohne zu wissen warum. Das Raten basiert in solchen Fällen auf einem teilweisen Verständnis. Wichtig ist, dass den ProbandInnen in den Instruktionen vor einem Test klar mitgeteilt wird, ob Raten erwünscht ist oder nicht, um sicherzustellen, dass alle Befragten dieselbe Strategie verfolgen (vgl. Buck 2001: 147). Im Versuch wurden die Befragten daher in den Instruktionen explizit darum gebeten, nicht zu raten. Wenn sie eine Frage nicht beantworten konnten, sollten sie diese einfach unbeantwortet lassen. Für Falschantworten wurden Punkte abgezogen (vgl. 5.5.6). Ein anderes mögliches Problem bei MC-Fragen ist, dass sogenannte Format-effekte auftreten können, die unbedingt vermieden werden sollten. So gibt es etwa bei Befragten die Tendenz, die erste Antwortoption zu wählen. Diesem Einflussfaktor wurde in diesem Fragebogen entgegengewirkt, indem die Position der richtigen Antwortoptionen von Item zu Item geändert wurde (vgl. Foddy 1993: 131f.): <?page no="138"?> 138 einfache MC Frage 2 2. Antwortoption Frage 3 1. Antwortoption Frage 4 4. Antwortoption Frage 5 2. Antwortoption Frage 8 3. Antwortoption Frage 10 4. Antwortoption mehrfache MC Frage 1 2. und 4. Antwortoptionen Frage 11 3., 4. und 7. Antwortoptionen Tabelle 7 - Position der richtigen Antworten bei MC-Items Die eingesetzten MC-Items eigneten sich somit gut zum Testen der Versuchsfrage. Um eine größere Ausgewogenheit zu erreichen, wurde jedoch auch ein anderes Itemformat eingesetzt. 5.5.3.2 Halboffene Items Die drei restlichen Items wiesen ein halboffenes Antwortformat auf. Sie entsprachen damit der Untergruppe der Reihenantworten mit einer Frage und mehreren Antworten (vgl. Bortz/ Döring 2006: 214f.). Bei diesem Item- Typ werden keine Antwortoptionen vorgegeben. Die Antwortformulierung wird den Versuchspersonen überlassen. Die Fragestellung ist jedoch so präzise, dass die richtigen Antworten im Vorhinein feststehen. Eine objektive Auswertung ist somit theoretisch möglich. Ein Vorteil dieses Formats ist, dass UntersuchungsteilnehmerInnen halboffene Items meist als angenehmer empfinden als solche mit Antwortvorgaben (vgl. Bortz/ Döring 2006: 213). Außerdem weisen die Antworten - wie bei völlig offenen Fragen - darauf hin, was den Befragten als besonders bedeutend oder auffällig in Erinnerung geblieben ist (vgl. Foddy 1993: 128). Des Weiteren sind freie Antworten bei Leistungstests ein Mittel, um ein Erraten der richtigen Antwort auszuschließen (vgl. Rost 2004: 60). Als Nachteile von offenen Fragen werden angeführt, dass sie sehr variable Daten mit niedriger Validität liefern. Die Antworten sind oft weniger vollständig als jene auf geschlossene Fragen (vgl. Foddy 1993: 127ff.). Dies trifft jedoch auf die hier verwendeten halboffenen Fragen in viel geringerem Ausmaß zu. Außerdem könnten offene Fragen für Personen, deren Formulierungsfähigkeit eingeschränkt ist, problematisch sein (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 48). Bei den hier verwendeten halboffenen Fragen stellte sich dieses <?page no="139"?> 139 Problem nicht, da die richtigen Antworten kurz waren und keiner elaborierten Formulierung bedurften. Um für Gruppe A möglichen Problemen der Formulierung der Antworten in einer Fremdsprache entgegenzuwirken, wurde den Versuchspersonen eingeräumt, diese Items nach Belieben auf deutsch oder englisch zu beantworten (vgl. z.B. Tauroza/ Luk 1996: 119). Diese Möglichkeit nutzten auch mehrere Versuchspersonen. Alle halboffenen Items bezogen sich auf konkrete Beispiele aus dem Text. In jedem Fall wurden drei Beispiele, die genannt worden waren, abgefragt. Frage 6 Nennen Sie drei Beispiele aus der Rede für Konsumenten mit einer fragmentierten Identität Frage 7 Nennen Sie drei Beispiele aus der Rede für Produktmarketing, das sich auf Spektakularisierung und Konsumerfahrungen konzentriert Frage 9 Nennen Sie drei Marken aus der Rede, die Retromarketing einsetzen Die jeweils richtigen Antworten waren somit in allen Fällen eindeutig. Ein möglicher Kritikpunkt bei den verwendeten halboffenen Fragen ist, dass bei der Beantwortung auch das Gedächtnis der Versuchspersonen eine größere Rolle spielen könnte. Es wurde versucht, diese Variable teilweise zu kontrollieren, indem die ProbandInnen nach ihren Durchschnittsnoten parallelisiert worden waren, wobei der Autorin bewusst ist, dass Noten nicht unbedingt ein Maß für ein gutes Gedächtnis sind. Bei der Untersuchung der Itemschwierigkeit (siehe nächster Abschnitt) wurde jedoch festgestellt, dass die halboffenen Items nicht die schwierigsten waren. Außerdem zeigte eine Berechnung der Testscores, bei der diese Items ausgeschlossen wurden, dass diese die Gruppenunterschiede nicht beeinflusst oder verzerrt hatten (vgl. 5.7.4.2 und 5.8.3.3). Ein Hauptproblem bei offenen Fragen stellt deren Kodierung da (vgl. auch 5.5.6). Bei halboffenen Fragen ist dies jedoch nicht so sehr der Fall, da es nur präzise Richtigantworten geben kann. Kleine Abweichungen in der Formulierung der Antworten können jedoch bei der Auswertung Probleme bereiten, was zu Objektivitätseinbußen führen kann. In solchen Fällen wurde die Entscheidung über richtig oder falsch kollektiv im QuaSI-Team gefällt, wie es zur Steigerung der Verlässlichkeit empfohlen wird (vgl. Berne 1993: 14). Aus diesen Gründen wurde ein Einsatz von halboffenen Fragen als gerechtfertigt betrachtet. <?page no="140"?> 140 Des Weiteren wurde auch überlegt, ob Richtig-Falsch-Fragen im Fragebogen vorkommen sollten. Auch dieses dichotome Antwortformat, bei dem man sich zwischen zwei Antwortoptionen wie Ja/ Nein oder Richtig/ Falsch entscheiden kann, wird in Hörverständnistests oft eingesetzt (vgl. z.B. Napier/ Spencer 2008). Seine wesentlichen Vorteile liegen in der einfachen Testanweisung und -auswertung sowie in der kurzen Lösungszeit (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 24). Das Problem des Ratens ist hier allerdings noch höher als bei den Multiple-Choice-Items, da man sich mit einer 50%-igen Wahrscheinlichkeit für die richtige Antwort entscheiden kann (vgl. Buck 2001: 146f.). Es besteht keine Einigkeit darüber, wie aussagekräftig die Ergebnisse dieses Fragentyps sind. In einer Studie zeigte sich, dass beim Raten öfter die „Richtig“-Antwort gewählt wird, d.h. dass diese Option eher gewählt wird, wenn eine Versuchsperson die Lösung nicht weiß (vgl. Grosse/ Wright 1985). Aufgrund all dieser Nachteile wurde beschlossen, dieses Format nicht zu verwenden. 5.5.3.3 Schwierigkeit der Items Testitems sind für Versuchspersonen meist unterschiedlich schwer zu lösen. Dieser Unterschied kann als Itemschwierigkeit quantifiziert werden. Man kann diese errechnen, indem man die Summe der erreichten Punkte einer Stichprobe für ein Item durch die Summe der erreichbaren Punkte für dieses Item dividiert. Ein Item mit einer Schwierigkeit von null ist somit das schwerste, einer mit einem Wert von eins das leichteste Item. Üblicherweise werden Items mit mittlerer Schwierigkeit (0,2-0,8) bevorzugt (vgl. Bortz/ Döring 2006: 218f.) Die Itemschwierigkeit für die Items in Teil A des Fragebogens wurde nach dem Pilotversuch (vgl. 5.65.6) rechnerisch ermittelt, um festzustellen, ob diese für die folgenden Versuche angemessen war. Da es aber bezüglich Itemschwierigkeit interessante Parallelen zu den Folgeversuchen gibt, sollen auch diese schon an dieser Stelle besprochen werden. Insgesamt wurde der Versuch mit drei Versuchsgruppen durchgeführt: Neben dem Pilotversuch gab es einen Hauptversuch mit einer Fachhochschule (FH1 - vgl. 5.7) und einen Versuch mit einer anderen Fachhochschule (FH2 - vgl. 5.8). In allen Durchgängen lag bei allen Items eine mittlere Itemschwierigkeit - also ein Wert zwischen 0,2 und 0,8 - vor. Allerdings unterschieden sich die drei Gruppen in Bezug auf die Rangordnung der einzelnen Items nach Schwierigkeit (siehe Tabelle 8, Tabelle 9 und Tabelle 10). <?page no="141"?> 141 Item Schwierigkeit 4 0,33 (schwierigstes) 5 0,36 3 0,45 6 0,46 7 0,50 11 0,52 9 0,57 1 0,63 8 0,69 10 0,69 2 0,74 (leichtestes) Tabelle 8 - Itemschwierigkeit - FH1 Item Schwierigkeit 5 0,23 (schwierigstes) 7 0,24 6 0,25 3 0,26 4 0,32 9 0,41 1 0,48 2 0,52 10 0,58 11 0,61 8 0,80 Tabelle 9 - Itemschwierigkeit - FH2 <?page no="142"?> 142 Item Schwierigkeit 5 0,4 (schwierigstes) 3 0,44 6 0,45 7 0,45 4 0,46 9 0,51 1 0,67 10 0,68 11 0,68 2 0,74 8 0,8 Tabelle 10 - Itemschwierigkeit - Pilotstudie Gewisse Muster sind jedoch erkennbar (siehe Tabelle 11). Schwierigkeit FH1 FH2 Pilot hoch 4 5 5 5 7 3 3 6 6 6 3 7 7 4 4 11 9 9 9 1 1 1 2 10 8 10 11 10 11 2 niedrig 2 8 8 Tabelle 11 - Reihung der Items nach Schwierigkeit - FH1-FH2-Pilot Items 3, 5 und 6 waren immer unter den vier schwierigsten Items. Item fünf - eine einfache Multiple-Choice-Frage - war im Pilotversuch und bei FH2 das schwierigste Item, bei der FH1 das zweitschwierigste. Das lässt <?page no="143"?> 143 sich wahrscheinlich damit erklären, dass die Antwortoptionen sehr ähnlich waren: According to the speaker, which traditional marketing idea do postmodern researchers NOT believe in anymore? the existence of a fragmented identity the existence of an objective reality the existence of subjective consumption the existence of an objective identity Sehr viele Versuchspersonen wählten Antwortoption 4 „objective identity“. Die Schwierigkeit von Item drei könnte darauf zurückzuführen sein, dass hier eine Zahl abgefragt wird. Item sechs ist das erste halboffene Item. Obwohl die abgefragten Beispiele in der Rede sehr ausführlich und anschaulich erklärt wurden, dürfte die Aufgabe wohl dadurch, dass nicht nur die richtige Option erkannt, sondern diese reproduziert werden musste, schwieriger gewesen sein. Positiv anzumerken ist, dass die halboffenen Items, bei denen es möglich gewesen wäre, dass die Erinnerungsfähigkeit und das Gedächtnis der Versuchspersonen eine größerer Rolle gespielt haben, nicht die schwierigsten waren. Items 2, 8 und 10 hingegen waren in allen Gruppen unter den vier leichtesten. Bei allen handelt es sich um einfache Multiple-Choice-Fragen. Neben der Tatsache, dass die Itemschwierigkeit in der Pilotstudie innerhalb der idealen Werte lag, war auch die Testpunkteverteilung höchst vorteilhaft, da das Ergebnis normalverteilt war (vgl. 5.6.3.1). Dies ist zwar keine absolute Voraussetzung für Tests, jedoch durchaus wünschenswert (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 58). Somit zeigten die Berechnungen anhand der Daten aus der Pilotstudie, dass die Items für die Verwendung im Hörverständnistest geeignet waren. 5.5.3.4 Trennschärfe der Items Die Trennschärfe eines Items ist ein Merkmal für dessen Validität. Ein Item kann als trennscharf bezeichnet werden, wenn es Versuchspersonen mit einem hohen Gesamtscore von jenen mit einem niedrigen Testscore scharf trennt (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 30). Die Trennschärfe wird durch den Trennschärfekoeffizienten charakterisiert, der die Korrelation zwischen dem Punktwert eines Items und dem Score-Rohwert einer jeden Versuchsperson einer Stichprobe angibt. Hat ein Item einen hohen Trennschärfekoeffizienten, so bedeutet das, es unterscheidet deutlich „gute“ von „schlech- <?page no="144"?> 144 ten“ Versuchspersonen. Ein Trennschärfekoeffizient von null bedeutet, dass gute wie schlechte Versuchspersonen das Item gleich gut beantworten konnten. Ein Item mit einem Trennschärfekoeffizienten von null oder einem negativen Koeffizienten wird somit quasi unbrauchbar (vgl. Lienert/ Raatz 1994: 78). Der Koeffizient wurde für die Pilotstudie mittels Pearson-Korrelation in SPSS ermittelt, wobei sich zeigte, dass kein Item einen Trennschärfekoeffizienten von null oder weniger aufwies, weshalb auch alle Items als brauchbar eingestuft wurden und keines ausgemustert werden musste. Die Werte aus dem folgenden Hauptversuch (FH1) und Nebenversuch (FH2) bestätigten die positive Trennschärfe der Items (siehe Tabelle 12). Item Trennschärfekoeffizient Pilot FH1 FH2 1 0,5 0,4 0,5 2 0,4 0,4 0,3 3 0,2 0,2 0,1 4 0,4 0,4 0,5 5 0,4 0,5 0,6 6 0,7 0,8 0,6 7 0,8 0,7 0,6 8 0,4 0,3 0,3 9 0,7 0,6 0,6 10 0,5 0,4 0,4 11 0,3 0,5 0,4 Tabelle 12 - Trennschärfe der Items nach Versuchsgruppe Aus der Tabelle wird auch ersichtlich, dass Item 3 mit der Frage nach einer Jahreszahl die geringste Trennschärfe aufwies 34 . Versuchspersonen, die diese Frage richtig beantworteten, hatten also nicht unbedingt einen hohen Testscore und umgekehrt. Das könnte darauf hinweisen, dass das Wiedererkennen von Zahlen eventuell anderen kognitiven Prozessen unterliegt. Im Pilotversuch betrug die Trennschärfe jedoch den akzeptablen Wert von 0,2, weshalb es in der Auswertung beibehalten wurde. 34 Siehe zu diesem Item auch die Diskussion unter 5.5.5.2. <?page no="145"?> 145 5.5.4 Teil B Im Anschluss an den Hörverständnistest folgte Teil B, in dem Hintergrundvariablen und Einschätzungen der Versuchspersonen abgefragt werden sollten. In diesem Teil des Fragebogens wurden auch Ratingskalen eingesetzt, die zur Kategorie des mehrkategoriellen Antwortformats gezählt werden. Ein Vorteil von Ratingformaten ist, dass sie informationsreicher als z.B. dichotome Antwortformate sind, da die Befragten ihre Einstellung zu einem Iteminhalt differenzierter ausdrücken können (vgl. Rost 2004: 65) und die Möglichkeit haben, mehr als zwei abgestufte Antwortkategorien zur Beantwortung heranzuziehen. Die eingesetzten Skalen waren unipolar, also ausgehend von einem Nullpunkt in eine Richtung. Es wird empfohlen, nicht mehr als sieben Kategorien zu verwenden, damit es nicht zu einer Überforderung der Versuchspersonen kommt. Im QuaSI-Team wurde beschlossen, numerische Skalen von 1-7 einzusetzen (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 54ff.). Oft werden numerische Skalen verwendet, um diese als Intervallskalen zu interpretieren, die für statistische Berechnungen am flexibelsten einsetzbar sind. Man kann aber nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass der Abstand zwischen den Zahlen von allen Befragten als gleich groß interpretiert wird (vgl. Rost 2004: 67). Die im vorliegenden Fragebogen verwendeten Skalen wurden daher bis auf die Akzentskala (vgl. 5.3.2.2) nicht als Intervall-, sondern als Ordinalskalen betrachtet. Es wurden Skalen mit ungerader Anzahl an Abstufungen (Mittelkategorie-neutrale Kategorie-Skalen) eingesetzt, da jene mit gerader Anzahl (Forced-Choice), bei denen man keine neutrale Mittelkategorie wählen kann, im QuaSI-Team als zu einschränkend empfunden wurden. Alle Skalen waren verbal verankert. Ein Beispiel: very well 1 2 3 4 5 6 7 very poorly Nach jeder Skalenbewertung hatten die Befragten die Möglichkeit, noch Anmerkungen zu machen. In Teil B gab es einige Unterschiede zwischen dem englischen und deutschen Fragebogen, nachdem in letzterem beispielsweise kein Rating des Akzents des Redners möglich gewesen wäre, da Gruppe B nur die Verdolmetschung gehört hatte. Diese Abweichungen sollen im Folgenden beschrieben werden. <?page no="146"?> 146 5.5.4.1 Englischer Fragebogen Es folgt ein Überblick über die in der englischen Version des Fragebogens verwendeten Rating-Items: Item 12: Please rate the speaker’s accent. (from 1=no perceptible foreign accent to 7=very strong foreign accent) Dieses Item wurde schon in Abschnitt 5.3.2 zum ExpertInnenrating eingehend besprochen. Item 13: How well did you understand the content of the speech? (from 1=very well to 7=very poorly) Hintergrund der Frage war es, zu erfahren, wie gut die Personen ihr Verstehen selbst einschätzten, um zu untersuchen, in welchem Zusammenhang dieses mit den tatsächlich erreichten Punkten stand. Die Ergebnisse waren vor allem für die Beantwortung von Forschungsfrage 3 von Bedeutung, sollten aber auch mit anderen Variablen korreliert werden. Auf diese Frage wird unter 5.5.5.3 noch Bezug genommen. Item 15: Please rate your English listening skills. (from 1=very good to 7=very poor) Von den Versuchspersonen standen zwar Englischnoten zur Verfügung (vgl. 5.7.2 und 5.8.1), diese wurden aber lediglich zu Zwecken der Parallelisierung eingesetzt. Mit diesem Item sollten die Versuchspersonen noch einmal selbst beurteilen, wie gut sie - ihrer eigenen Meinung nach - Englisch verstehen. Aufbauend darauf sollte überprüft werden, ob dies auch eine Auswirkung auf den Testscore hatte (vgl. Forschungsfrage 7). Item 18: How familiar were you with the topics discussed in the speech? (from 1=very familiar to 7=not familiar at all) Anhand dieser Frage sollte untersucht werden, ob die Bekanntheit des Themas einen Einfluss auf das Verständnis hatte (vgl. Forschungsfrage 6). Wie bereits unter Abschnitt 4.3.3 angeführt, gibt es Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen dazu, ob sich das Hintergrundwissen positiv auf das Verstehen von NichtmuttersprachlerInnen auswirkt. Auch diese Frage wird unter 5.5.5.4 noch eingehender besprochen. Neben den Rating-Skalen gab es in Teil B auch andere Itemformate, die vor allem Hintergrundvariablen abfragen sollten. Mit den Items 16 und 17 sollten die Erfahrung der Befragten mit nichtmuttersprachlichem Englisch <?page no="147"?> 147 bzw. italienischen NichtmuttersprachlerInnen ermittelt werden, um basierend darauf untersuchen zu können, ob dies einen Einfluss auf das Verständnis und somit auf den Testscore hatte (vgl. 4.3.2 und Forschungsfragen 8 und 9). Auch hier hatten die ProbandInnen die Möglichkeit, danach noch Anmerkungen zu machen. Item 16: How often do you speak English with persons who use English as a foreign language? very often often sometimes rarely never Item 17: Have you ever listened to Italians speaking English? yes no not sure If yes, a) In which communicative situations / settings? b) How often? very often often a few times rarely Die Frage nach der Muttersprache der Befragten (Item 14) wurde vor allem gestellt, um mögliche Italienisch- oder Englisch-MuttersprachlerInnen zu identifizieren, bei denen dann untersucht werden sollte, ob diese Tatsache einen Einfluss auf ihr Verständnis hatte (vgl. 4.3.1.1 und Forschungsfrage 10). Dabei wurde bewusst der Terminus „Muttersprache“ verwendet, da davon ausgegangen wurde, dass das Konzept der „Erstsprache“ noch nicht allgemein bekannt ist. Item 14: Your mother tongue: ................................................... (In case you grew up using more than one language, please indicate the one you are more proficient in). In Item 19 und 20 wurde zur demografischen Beschreibung der Versuchsgruppe nach dem Geschlecht und dem Alter der Versuchspersonen gefragt. <?page no="148"?> 148 Bei der Versuchsgruppe von FH2 wurde außerdem abgefragt, ob die Versuchspersonen Vollzeit oder Teilzeit studierten, was möglicherweise einen Einfluss auf das Wissen haben könnte. Am Ende des Fragebogens gab es die Möglichkeit, allgemeine Kommentare abzugeben. 5.5.4.2 Deutscher Fragebogen Der deutsche Fragebogen unterschied sich in Teil B in einigen Punkten vom englischen, da das Akzentrating wegfiel und Items 16 und 17 mit Fragen nach der Erfahrung mit dem Akzent für Gruppe B, die die Verdolmetschung hörte, nicht relevant waren. Auch im deutschen Fragebogen gab es drei Items mit Skalenbeurteilungen: Item 12 - analog zu Item 13 des englischen Fragebogens - nach dem inhaltlichen Verständnis der Rede und Item 16 - analog zu Item 18 des englischen Fragebogens - nach der Bekanntheit des Themas. Außerdem gab es die Möglichkeit, die gehörte Verdolmetschung zu beurteilen: Item 13: Wie beurteilen Sie die Dolmetschleistung? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht) Hier sollte untersucht werden, ob die Bewertung der Dolmetschleistung mit dem Testscore und der Dolmetscherfahrung korrelierte (vgl. Forschungsfrage 5). Item 14 mit der Frage nach der Muttersprache sollte in dieser Versuchsgruppe prüfen, ob die ProbandInnen bei der deutschen Verdolmetschung ihre Erstsprache hörten oder nicht. Ein Item, das nicht im englischen Fragebogen vorkam, war Item 15, anhand dessen untersucht werden sollte, ob die Erfahrung mit Dolmetschen einen Einfluss auf die Bewertung der Leistung der Dolmetscherin hatte. Item 15: Haben Sie schon einmal eine Simultandolmetschung bei einer Konferenz oder Tagung gehört? Ja Nein a) Wenn ja, wie oft? ……………. Mal Items 17, 18 und 19 fragten analog zum englischen Fragebogen nach dem Geschlecht, dem Alter der Versuchspersonen und - bei der FH2- Versuchsgruppe - danach, ob sie Vollzeit oder berufsbegleitend studierten. Auch im deutschen Fragebogen bestand die Möglichkeit, am Ende des Fragebogens weitere allgemeine Anmerkungen zu machen. <?page no="149"?> 149 5.5.5 Testen des Fragebogens Es gibt - wie oben beschrieben - eine Vielzahl an Problemen, die aufgrund des Designs und der Formulierung der Items eines Fragebogens auftreten können. Das Vortesten auf Eignung und Verständlichkeit der Fragen mit einer kleinen Gruppe von Personen wurde daher als unerlässlicher Schritt in der Vorbereitung des Versuchsfragebogens betrachtet, da auf diese Art und Weise getestet werden kann, ob die Formulierung der AdressatInnengruppe entspricht, das Layout angemessen ist und die Fragen eindeutig sind (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 58f.). Zumal dies im ersten Schritt meist im ExpertInnenkreis oder innerhalb einer Forschungsgruppe geschieht, wurde in diesem Fall der Fragebogen dem QuaSI-Forschungsteam vorgelegt, nachdem die Autorin den ersten Entwurf des englischen und deutschen Fragebogens auf der Basis des Originalvortrags und der Verdolmetschung ausgearbeitet hatte. Bei einem gemeinsamen Brainstorming wurde dieser für den nächsten Testschritt - die kognitiven Pretests - vorbereitet. Diese kognitiven Interviews bieten eine Möglichkeit der tiefergehenden Untersuchung von Fragebogen-Items, da sie es ermöglichen, mit kognitiven Techniken etwaige Probleme bei der Fragestellung sichtbar zu machen. Sie werden persönlich und mündlich durchgeführt, um festzustellen, ob die Items und die darin enthaltenen Begriffe verständlich sind, die erfragte Information abrufbar ist, und um zu erfahren, welche Entscheidungen bei der Fragebeantwortung getroffen werden (vgl. Prüfer/ Rexroth 2005: 3f.). Neben den erwünschten Ergebnissen können aber auch nichtkognitive Defekte eines Fragebogens - wie strukturelle oder logische Probleme - beim kognitiven Interview festgestellt werden (vgl. Willis 1999: 19). So stellt sich dabei beispielsweise auch heraus, ob das Layout übersichtlich und ansprechend ist, oder der Fragebogen zu lang ist und dadurch ermüdend wirkt (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 59). Kognitive Interviews wurden formell in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von KognitionspsychologInnen und UmfrageexpertInnen entwickelt. Sie zollten dabei der bedeutenden Rolle der menschlichen Kognition bei der Beantwortung von Fragen im Rahmen einer Umfrage Tribut. Diese WissenschafterInnen gingen davon aus, dass Fragebögen oft aufgrund von Problemen in der kognitiven Verarbeitungskette nicht funktionieren und somit falsche Daten liefern. So sind manche Fragen beispielsweise zu umständlich formuliert, um von den Testpersonen richtig dekodiert zu werden (vgl. Willis 2006: 10). Die an einem Pretest teilnehmenden Testpersonen sollten nicht willkürlich, sondern gezielt ausgewählt werden. Sie sollten der Personengruppe entsprechen, die bei der Hauptstudie mit dem Fragebogen arbeiten soll. Außerdem müssen sie über die Testart genau informiert und gebeten werden, an der Verbesserung des Fragenbogens mitzuwirken. Ihnen kommt somit nicht die Rolle einer Versuchsperson zu, die selbst getestet wird, <?page no="150"?> 150 sondern vielmehr die von ExpertInnen, die das Funktionieren eines Fragenbogens testen. Die Anforderung an die beim Testen dieses Fragebogens eingesetzten Personen war ein abgeschlossenes oder sehr fortgeschrittenes Wirtschaftsstudium. Damit waren sie mit den Zielpersonen der Studie vergleichbar. Es konnten neun Testpersonen für eine Teilnahme gewonnen werden. Drei davon waren noch Studierende im letzten Studienabschnitt eines Wirtschaftsstudiums an der Wirtschaftsuniversität Wien bzw. der Universität Innsbruck, sechs hatten ihr Studium bereits abgeschlossen und arbeiteten in verschiedenen Wirtschaftsbereichen (Energiewirtschaft, Public Management, Tourismus-Consulting). Die wichtigsten kognitiven Techniken, die bei der hier beschriebenen Studie angewandt wurden, sind das Probing (Nachfragetechnik) und das Laute Denken. Daneben gibt es noch weitere Techniken, die aber eher für Fragebögen in der Sozialforschung sinnvoll sind, die nicht Wissen, sondern Meinungen, Einschätzungen oder Erlebtes abfragen und somit andere Schwerpunktsetzungen aufweisen. 35 Beim Probing werden vom Testleiter/ von der Testleiterin zusätzlich zu den Items des Fragebogens mündlich weitere Fragen gestellt, um das Verständnis einzelner im Fragebogen verwendeter Begriffe, Antwortkategorien oder Ausfüllanweisungen zu überprüfen. Diese verbalen Nachfragen können proaktiv sein, also schon vor dem Interview ausgearbeitet werden, da man gewisse Probleme antizipiert, oder auch reaktiv, d.h. während des Interviews gestellt werden, wenn es Hinweise darauf gibt, dass eine Testperson Schwierigkeiten beim Verstehen bestimmter Begriffe aus dem Fragebogen hat (vgl. Willis 2006: 12). Als besonders zielführend erwies sich in unserem Fall das Category Selection Probing, also das Nachfragen zur Wahl einer Antwortkategorie oder eines Skalenwerts (vgl. Prüfer/ Rexroth 2005: 7). Dabei wird ermittelt, warum eine Testperson einen bestimmten Skalenwert gewählt hat, was wiederum Rückschlüsse darüber zulässt, ob die Skala richtig verstanden wurde. Ebenfalls als aufschlussreich zeigte sich das Nachfragen zum Besitz relevanter Informationen (S. 8). Dabei wird das Vorgehen der Testperson beim Beantworten einer Frage genauer hinterfragt, was Rückschlüsse darauf erlaubt, ob sie ausreichende Informationen über den abgefragten Inhalt besitzt oder einfach nur rät. Ebenfalls erfolgreich eingesetzt wurde das General Probing, das unspezifische Nachfragen (S. 9), bei dem Testpersonen angeben können, ob allgemeine Probleme bei der Beantwortung auftraten. Dies soll den Testpersonen die Möglichkeit geben, Unstimmigkeiten anzusprechen, die durch das vorangegangene Probing nicht aufgedeckt werden konnten. 35 Einen umfassenden Überblick über die bei solchen Interviews einsetzbaren kognitiven Techniken geben beispielsweise Prüfer/ Rexroth (2005). <?page no="151"?> 151 Bei der Technik des Lauten Denkens (S. 14 f.) liest der Testleiter/ die Testleiterin der Testperson eine Frage vor, woraufhin die Testperson ihre Überlegungen, die zur Beantwortung der Frage geführt haben, in Worte fassen soll. Diese Technik fällt jedoch vielen Testpersonen sehr schwer, da die meisten keine Erfahrung darin haben, gedankliche oder kognitive Prozesse zu beschreiben. Es besteht daher die Gefahr, dass ihre Reaktionen sehr künstlich ausfallen. Neben den unterschiedlichen Techniken unterscheidet man auch zwischen gleichzeitigem (concurrent) und retrospektivem Probing. Bei ersterem werden die Nachfragen nach jedem einzelnen Fragebogen-Item gestellt, bei letzerem erst nach Beantwortung des gesamten Fragebogens (vgl. Willis 1999: 7). Die Anzahl der Testpersonen liegt in der Regel zwischen fünf und 15 (vgl. Prüfer/ Rexroth 2005: 16f.). Die hier eingesetzten neun Personen stellen demnach ein gutes Mittel dar. Ein Kritikpunkt diesbezüglich ist, dass die so gewonnenen Daten aufgrund der geringen Anzahl an befragten Personen nicht ausreichend robust seien und eine große Variabilität aufweisen könnten. Damit obliegt den WissenschafterInnen, die sich der Methode des kognitiven Interviews bedienen, ein hohes Maß an Eigenentscheidung darüber, welche Modifikationen sie aufgrund welcher Ergebnisse aus den Interviews vornehmen möchten (vgl. Willis 2006: 19). Werden Items aufgrund der Resultate aus kognitiven Interviews verändert, sollten diese daher anschließend erneut einem Pretest unterzogen werden. Besonders wenn sich schon nach einigen Interviews zeigt, dass es große Probleme bei der Fragenbeantwortung gibt, ist es sinnvoll, die Abänderungen sofort einzuarbeiten und erst danach weitere Testpersonen zu befragen (vgl. Willis 1999: 29). Um diese Entscheidungen weniger subjektiv zu machen, wurden beim Testen dieses Fragebogens Abänderungen meist erst im QuaSI-Team besprochen, also ExpertInnenbesprechungen und Pretests abwechselnd durchgeführt. Die ersten sieben Interviews wurden - jeweils im Einzelinterview mit nur einer Testperson - zwischen 24.08.2009 und 02.09.2009 durchgeführt. Schon nach den ersten drei Interviews wurden kleinere Abänderungen am Fragebogen vorgenommen, die in den weiteren Interviews auf ihre Angemessenheit getestet wurden. Am 03.09.2009 wurde eine weitere ExpertInnenbesprechung mit dem Forschungsteam anberaumt, in der offene Punkte geklärt wurden, die aus den Interviews hervorgegangen waren. Daraufhin wurde der abermals modifizierte Fragebogen noch zwei weiteren Testpersonen vorgelegt. Nachdem diese Interviews abgeschlossen worden waren, wurde am 01.10.2009 noch eine abschließende ExpertInnenbesprechung durchgeführt, aus der die endgültige Version des Fragebogens hervorging. Aus den vorangegangenen Überlegungen wird ersichtlich, dass die Aufgabe der TestleiterInnen eine sehr anspruchsvolle ist. Diese müssen in <?page no="152"?> 152 einer sehr künstlichen Atmosphäre dafür sorgen, dass die Testpersonen sich wohl fühlen (vgl. Willis 1999: 21). Auch das Erklären von komplexen Techniken wie der des lauten Denkens erfordert viel Fingerspitzengefühl seitens der InterviewerInnen. Nur wenn Nachfragen so gestellt werden, dass die Testpersonen zum Erklären ihrer Vorgehensweise beim Antwortprozess angeregt werden, erhält man auch hilfreiches Material für die Verbesserung des Fragebogens. Wenn die TestleiterInnen dies erreichen, ist der Aufwand jedoch durchaus gerechtfertigt, da sehr viele Problemstellen eines Fragebogens ermittelt werden können. Alle hier beschriebenen Pretests wurden von der Autorin durchgeführt. Der Ablauf der durchgeführten Pretests gestaltete sich folgendermaßen: Die Testpersonen wurden zuerst darüber aufgeklärt, dass sie als ExpertInnen einen Fragebogen zu einem Marketing-Thema evaluieren sollten, in dem Fragen zu einer englischen Rede eines italienischen Universitätslektors - bzw. deren Verdolmetschung - gestellt werden würden, die sie zuvor sehen sollten. Da in unserem Fall sowohl eine englische als auch eine deutsche Version des Fragebogens getestet werden sollte, durften die Testpersonen frei wählen, welchen der beiden Fragebögen sie beurteilen wollten. Den Testpersonen, die den englischen Fragebogen evaluierten, wurde die Möglichkeit gegeben, ihre Anmerkungen auf Wunsch auch auf Deutsch zu formulieren. Nach der einleitenden Erklärung des Interviewablaufs wurde den Testpersonen das Video des Vortrags im Original bzw. mit der Tonspur der Verdolmetschung auf einem Laptop vorgespielt. Nach dem Ende des Videos wurde den Testpersonen der Fragebogen vorgelegt, und sie wurden darum gebeten, den Einleitungstext genau zu lesen und zu kommentieren. Danach wurden sie gebeten, die 1. Frage zu beantworten. Schon während des Denkprozesses wurden Zwischenfragen zu demselben gestellt. Mittels lautem Denken und Probing sollten Unklarheiten der Fragestellung offen gelegt werden. Bevor die nächste Frage behandelt wurde, hatten die Testpersonen noch die Möglichkeit, allgemeine Anmerkungen zur jeweiligen Frage zu machen. Diese Abfolge wurde eingehalten, bis die Testpersonen alle Fragen beantwortet und kommentiert hatten. Am Ende des Interviews bekamen die Testpersonen die Gelegenheit, allgemeine Anmerkungen zum Fragbogen oder überhaupt zum gesamten Interview zu machen. Es soll nun anhand einiger Beispiele deutlich gemacht werden, wie aufgrund der Ergebnisse der Pretests und der Besprechungen im Forschungsteam Änderungen am Fragebogen vorgenommen wurden. 5.5.5.1 Änderungen Frage 1 und Frage 2 Eine der Änderungen wurde vorgenommen, da sich Probleme bei der Beantwortung von Frage 1, einer Multiple-Choice-Frage mit Mehrfachantworten (2 richtige Antworten), und Frage 2, einer MC-Frage mit nur einer <?page no="153"?> 153 richtigen Antwort ergeben hatten. In der Einleitung war bereits vermerkt worden, dass MC-Fragen auch mehrere Antworten haben könnten. Mehrere Testpersonen waren sich beim Pretest trotzdem nicht sicher, ob es bei Frage 1 mehrere richtige Antworten geben könne. Eine fragte explizit nach, zwei kreuzten nur eine richtige Antwort an. Bei Frage 2 gab es hingegen nur eine richtige Antwort, was mehrere Testpersonen nicht erkannten und zwei Optionen ankreuzten. In der ExpertInnenbesprechung wurde dieses Problem besprochen, und es wurde beschlossen, Mehrfachantworten explizit, direkt nach jeder solchen Frage in Klammer auszuweisen. Außerdem sollten die Versuchspersonen in den mündlichen Instruktionen vor dem Versuch noch einmal darauf hingewiesen werden, dass Fragen mit Mehrfachantworten ausdrücklich als solche gekennzeichnet wären und alle anderen nur eine richtige Antwort hätten. 5.5.5.2 Änderung Frage 3 Ein weiteres interessantes Ergebnis aus dem Pretest betraf Frage 3 nach dem Jahr, in dem die Postmoderne begann, sich auch auf die Konsumentenforschung auszuwirken (Antwort: 1981). In der ersten ExpertInnenbesprechung wurde beschlossen, diese Frage zu entschärfen, da es für zu schwierig gehalten wurde, sich die genaue Jahreszahl zu merken. Daher wurden als Antwortmöglichkeiten die 60er Jahre, die 70er Jahre, die 80er Jahre und die 90er Jahre angegeben. Bei den ersten beiden Testpersonen zeigte sich bereits, dass dies vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Beide konnten auch das richtige Jahr nennen. Zwei weitere Testpersonen wählten ebenfalls die 80er Jahre, jedoch aufgrund der Tatsache, dass dies im Vortrag auch in einem anderen Kontext vorgekommen war. Der Redner sprach an einer anderen Stelle des Texts auch von den early/ late eighties, was diese beiden Personen laut eigener Auskunft dazu bewogen hatte, die Antwortoption 80ies zu wählen. Sie hatten die Frage somit zwar richtig beantwortet, aber eigentlich die falsche Referenz aus dem Text dafür genutzt. In der nächsten Besprechung mit dem QuaSi-Team wurde daher beschlossen, nicht die 80er Jahre zu nennen, da diese auch in einem anderen Kontext im Vortrag vorkamen, sondern konkrete Jahreszahlen aus den vier Jahrzehnten (1967, 1972, 1981, 1993). Beim nächsten Pretest zeigte sich jedoch, dass dies das Problem der falschen Referenz auch nicht ausräumte. Eine Testperson erinnerte sich, „etwas von den 80ern“ gehört zu haben und wählte daraufhin 1981. Daher wurde in der nächsten Besprechung beschlossen, ausschließlich Jahreszahlen aus den 80er Jahren zu verwenden (1981, 1985, 1987, 1989). Damit war die Möglichkeit, nur aufgrund der Erinnerung an 80er Jahre die richtige Antwort zu geben, ausgeräumt, andererseits waren die Distraktoren alle Jahreszahlen ab Mitte der 80er Jahre. Wenn sich jemand <?page no="154"?> 154 also das genaue Jahr nicht gemerkt hatte, so würde ihm/ ihr auch das Erinnern von „Anfang der 80er Jahre“ helfen. 5.5.5.3 Änderung Frage 13 - Gruppe A Dies ist eine Frage aus Teil B zu den Hintergrundvariablen. Sie war ursprünglich die erste Frage dieses Teils im englischen Fragebogen, anhand derer festgestellt werden sollte, wie gut man die Rede verstanden hätte („How well did you understand the speech? “). Mehrere Testpersonen bezogen sich sofort auf den Akzent des Redners, was eigentlich erst in der darauffolgenden Frage genauer angesprochen werden sollte. Die Testpersonen hatten anscheinend das Bedürfnis, sofort das auffallendste Merkmal des Redners, seinen Akzent, anzusprechen. Aus diesem Grund wurde die Reihenfolge dieser beiden Fragen umgekehrt. Die Frage nach dem Verständnis wurde des Weiteren von „How well did you understand the speech? “ in „How well did you understand the content of the speech? “ abgewandelt, um klar zu machen, dass es bei dieser Frage vornehmlich um den Inhalt des Vortrags, nicht dessen Form ging. Diese Anpassung wurde auch beim deutschen Fragebogen vorgenommen („Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden? “). 5.5.5.4 Änderung Frage 18 - Gruppe A/ Frage 16 - Gruppe B Bei dieser Frage war in der ersten Fragebogenversion die Bekanntheit des Themas zu bewerten. Dies bereitete einigen Testpersonen Schwierigkeiten. Sie hatten noch nie von der Postmoderne und Marketing gehört, durchaus aber schon von mehreren Ideen, die im Vortrag vorkamen. Dies ist durchaus auch als Hintergrundwissen zu beurteilen, das bei der Beantwortung der Fragen hilfreich gewesen sein könnte. Somit wurde das Wort Thema pluralisiert: von “How familiar were you with the topic of the speech i.e. the influence of postmodernism on marketing? “ zu “How familiar were you with the topics discussed in the speech? “ bzw. „Wie gut waren Ihnen die in der Rede angesprochenen Themen bekannt? “ 5.5.5.5 Abschlussbemerkungen der Testpersonen Ebenfalls interessant waren einige der Anmerkungen der Testpersonen am Ende des Pretests. Mehrere merkten an, dass vor allem der Anfang des Vortrags sehr theoretisch und dicht gewesen war, mit viel Information und vielen „wissenschaftlichen Termini“. Das Ende der Rede wurde als einfacher beurteilt, da es mehr praktische Referenzen gab. Eine Testperson gab an, erst mit der Zeit in die Rede „reingekommen“ zu sein. Dies weist auf einen gewissen Lerneffekt hin. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass dieser nicht auf eine logische Abhängigkeit der Items zurückzuführen ist, <?page no="155"?> 155 was unbedingt zu vermeiden ist (vgl. Rost 2004: 69). Die Fragen in Teil A unseres Fragebogens sind allerdings nicht logisch verknüpft, d.h. die Beantwortung eines Items führt nicht automatisch zu einer bestimmten Antwort auf ein anderes Item. Als weiterer Punkt unter allgemeinen Schlussbemerkungen wurde erwähnt, dass die Rede lang sei und dies zu Konzentrationsproblemen geführt habe. Konzentrationsprobleme wurden später auch im Pilot- und Hauptversuch von den ProbandInnen angesprochen. Mit 15: 39 Min. kann die Rede jedoch für einen Konferenzbeitrag nicht als übermäßig lang bezeichnet werden. Durchschnittlich liegt die Dauer von Vorträgen bei Fachkonferenzen zwischen 15 und 45 Minuten. Für Keynote-Vorträge kann sogar eine Stunde anberaumt werden. Somit kann man lediglich davon ausgehen, dass ZuhörerInnen auch bei echten Konferenzen nicht immer voll konzentriert sind. Im Versuch wurde somit lediglich die Realität dieser Settings nachgeahmt. 5.5.5.6 Zusammenfassung Abschließend kann festgehalten werden, dass das Fragebogen- und Itemdesign stark durch die Pretests und ExpertInnenbesprechungen beeinflusst wurde. Beide Konsultationsformen sind per definitionem qualitativer, nicht quantitativer Natur und sollten keineswegs eine größer angelegte Pilotstudie ersetzen. Sie wurden ausschließlich als vorbereitende Schritte für die danach durchgeführte Pilotstudie (vgl. 5.6) eingesetzt, die sicherstellen sollten, dass das experimentelle Design ausgereift genug war, um mit einer größeren Gruppe an Versuchspersonen sinnvolle Daten ermitteln zu können (vgl. Willis 1999: 32ff.). Diese Vorbereitungsmaßnehmen scheinen sich gut auf das Funktionieren des Fragebogens ausgewirkt zu haben: Im Pilot-, Haupt- und Nebenversuch wurde von keiner Versuchsperson angemerkt, dass er/ sie eine Frage oder Formulierung nicht verstanden hätte oder nicht wüsste, was genau erfragt würde. 5.5.6 Kodierung der Antworten Unter Kodierung von Antworten versteht man die Verschlüsselung von Itemantworten in Zahlen zur Datenanalyse (vgl. Rost 2004: 78). Auch in unserem Fall mussten die Antworten auf die Fragen von Teil A des Fragebogens kodiert werden, um einen Testscore errechnen zu können. Die Kodierung war teils sehr komplex. Das dazu nötige Schema wurde im QuaSI- Forschungsteam besprochen und beschlossen. Dabei wurden die Fragen unterschiedlich gewichtet: - Einfache Multiple-Choice-Items (Fragen 2, 3, 4, 5, 8, 10) wurden dichotom kodiert (0/ 1) und sollten einen Punkt erhalten. <?page no="156"?> 156 - Mehrfache Multiple-Choice-Items (Fragen 1, 11) wurden als schwieriger bewertet und sollten daher bei richtiger Beantwortung zwei Punkte wert sein. - Als am anspruchsvollsten wurden die halboffenen Fragen (Fragen 6, 7, 9) eingeschätzt, da es hier nicht nur um ein Erkennen der richtigen Option ging, sondern die Versuchspersonen sich auch an die Inhalte erinnern mussten. Aus diesem Grund sollten diese Fragen drei Punkte wert sein. Daraus ergab sich ein maximaler Gesamtscore von 19 zu erreichenden Punkten. Die eigentliche Punktevergabe gestaltete sich bei den einfachen Multiple-Choice-Items am einfachsten. Dort wurde ein Punkt für die richtige Antwort und kein Punkt bei einer falschen oder fehlenden Antwort vergeben. Es gibt Argumente dafür, fehlende Itemantworten gesondert mit der Codezahl 9 zu kodieren (vgl. Rost 2004: 87). In unserem Fall wurde es jedoch ebenso als Zeichen für Nicht-Verstehen gewertet, wenn man eine Frage überhaupt nicht beantworten konnte, wie wenn man sie falsch beantwortete. Die Kodierung der Mehrfachantworten gestaltete sich komplexer, da mehrere richtige und falsche Antworten gegeben werden konnten. Da es bei Frage 1 insgesamt sieben Antwortoptionen gab, wurden zunächst maximal sieben Punkte für zwei richtige Antworten verteilt. Für falsche Antworten wurden Punkte abgezogen. So erhielten die Versuchspersonen für zwei richtige und eine falsche Antwort sechs Punkte usw. Danach wurden diese Werte auf die maximal zu erreichenden Punkte für diese Frage, also zwei Punkte, umgerechnet. Demnach wurde der Wert 7 in zwei Punkte, der Wert 6 zu 1,71 Punkte umgewandelt etc. Bei Frage 11 wurde ähnlich vorgegangen, nur dass es dort drei richtige Antwortoptionen gab. So erhielten ProbandInnen mit drei richtigen Antworten 2 Punkte, jene mit drei richtigen und einer falschen Antwort 1,71 Punkte usw. Für die halboffenen Items wurden maximal drei Punkte vergeben. Bei ihrer Auswertung musste jedoch ein Zwischenschritt eingeschoben werden: die sogenannte Signierung, die bei offenen Fragen notwendig ist (vgl. Rost 2004: 78f.). Dabei werden die freien Antworten verschiedenen Kategorien zugeordnet, die erst im Anschluss daran in Zahlen umgewandelt werden können. Da es sich in unserem Fall jedoch nur um halboffene Items handelte und die richtigen Antworten schon im Vorhinein klar feststanden, gestaltete sich die Signierung einfacher als bei völlig offenen Items. Trotzdem gab es einige unklare Fälle, die im QuaSI-Team besprochen wurden, um eine ausreichende Signierobjektivität zu erreichen, d.h., um sicherzustellen, dass zwei unabhängig voneinander arbeitende SigniererInnen die Itemantworten denselben Kategorien zuordnen würden (vgl. Rost 2004: 79). <?page no="157"?> 157 Analog zu den Mehrfachantworten wurden auch bei den halboffenen Items Punkte für Falschantworten abgezogen. Abzüge von 0,5 Punkten wurden ebenfalls vorgenommen, wenn die Antwort zwar richtig, aber unvollständig war: z.B.: statt Beetle (von VW) nur VW. So erhielt man für drei richtige Antworten drei Punkte, zwei richtige 2,5 Punkte und zwei richtige und eine falsche Antwort 2 Punkte etc. Aus den kodierten Antworten konnten nun Gesamtscores für die beiden Versuchsgruppen und für die einzelnen Versuchspersonen errechnet werden. Außerdem konnten die kodierten Daten in das statistische Datenverarbeitungsprogramm eingegeben werden, mit dem die Auswertung erfolgen sollte. 5.6 Pilotstudie Der gesamte Versuchsablauf wurde vor dem Hauptversuch noch mit einer Pilotgruppe getestet, um dessen reibungslosen Ablauf zu überprüfen. 5.6.1 Versuchspersonen An diesem Probelauf mit Studierenden am Zentrum für Translationswissenschaft (ZTW) nahmen zwei Gruppen der sprachübergreifenden Lehrveranstaltung Basiskompetenz Dolmetschen, einer Einführungsveranstaltung im Masterstudium zum Dolmetschen, teil. Es handelte sich demnach bei den Versuchspersonen - anders als im Hauptversuch - nicht um ExpertInnen im Bereich Wirtschaft und Marketing. Die Studierenden wurden vor dem Versuch nach zwei Variablen parallelisiert. Die erste Variable war die Muttersprache 36 , da sehr viele Studierende des ZTW nicht Deutsch als L1 sprechen. Es wurde versucht, die Deutsch-NNS mit Hilfe der Parallelisierung gleichmäßig auf die beiden Versuchsgruppen aufzuteilen (Gruppe A: 13/ Gruppe B: 14). Des Weiteren wurden die Studierenden danach parallelisiert, ob Englisch eine ihrer Arbeitssprachen war oder nicht. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Studierenden mit sehr guten Englischkenntnissen gleichmäßig auf die zwei Versuchsgruppen verteilt sein würden. Nach der Parallelisierung wurden die Studierenden mit Hilfe des Programms Research Randomizer 37 zufällig einer der beiden Versuchsgruppen zugeteilt. Insgesamt nahmen 50 Personen am Versuch teil: 25 in Gruppe A (Original), 25 in Gruppe B (Verdolmetschung). 36 Bei der Beschreibung der VP aus der Pilotstudie wird der Terminus Muttersprache verwendet, da in diesem Bereich meist die B-Sprache der Studierenden als „Erstsprache“ bezeichnet wird. 37 Siehe http: / / www.randomizer.org/ (05.10.2011) <?page no="158"?> 158 Betrachtet man die Aufteilung der Versuchspersonen nach Geschlecht, so spiegelt diese die typische Zusammensetzung am Zentrum für Translationswissenschaft wider, wo es einen klaren Überhang an weiblichen Studierenden zu verzeichnen gibt. 38 43 der Versuchspersonen waren weiblich (86%) und fünf männlich (10%). Zwei machten keine Angaben (siehe Abbildung 3). Abbildung 3 - Geschlecht der VP - Pilotstudie Das durchschnittliche Alter der ProbandInnen betrug 24,4 Jahre, mit einem Minimum von 21 und einem Maximum von 29 Jahren (siehe Tabelle 13). Alter n gültig fehlend 47 3 Mittelwert 24,4 Median 24 Standardabw. 2 Minimum 21 Maximum 29 Tabelle 13 - Alter der VP - Pilotstudie Die Muttersprache von 27 der Versuchspersonen war Deutsch; 22 gaben eine andere Muttersprache an, eine Person machte keine Angaben. Die weiteren L1 der Versuchspersonen waren Bulgarisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Tschechisch und Ungarisch. Es gab 38 Zur Zeit des Pilotversuchs (Wintersemester 2009/ 10) waren von insgesamt 3058 Studierenden am Zentrum für Translationswissenschaft 2679 weiblich und 379 männlich. (vgl. http: / / studien-lehrwesen.univie.ac.at/ informationen-unddownloads/ datenanfragen/ studstat/ 05.10.2011) 86% 10% 4% Weiblich Männlich k.A. <?page no="159"?> 159 somit keine Englisch-MuttersprachlerInnen, jedoch sechs Versuchspersonen, die die L1 des Redners - also Italienisch - teilten. Fünf davon waren bei der Randomisierung zufällig Gruppe A zugeteilt worden. Bei ihnen gilt zu überprüfen, ob der matched speech intelligibility benefit (vgl. 4.3.1.1) zum Tragen kam, also ob sie einen Vorteil beim Verstehen des NNS-Redners hatten, da sie die gleiche L1 sprechen. Gruppe A (Original) wurde in Teil B des Fragebogens gebeten, ihre Englischkenntnisse beim Hörverständnis auf einer Skala von 1-7 (from 1=very good to 7=very poor) zu beurteilen. Der Median der Gruppe betrug ebenso wie der Modus 2. Der schlechteste Skalenwert 7 wurde von keiner Versuchsperson gewählt. Insgesamt können die subjektiv eingeschätzten Hörverständniskenntnisse der ProbandInnen der Gruppe A im Englischen somit als sehr gut bezeichnet werden (siehe Tabelle 14). EN - Gruppe A n 25 Median 2 Modus 2 Minimum 1 Maximum 6 Tabelle 14 - Englisch Hörverständnis VP - Pilotstudie Des Weiteren wurden die Versuchspersonen in Gruppe A gebeten, anzugeben, wie oft sie Englisch mit Personen sprechen, die es als Lingua Franca benutzen. Acht Prozent der ProbandInnen gaben an, dies nie zu tun, 48% selten oder manchmal, und 44% oft oder sehr oft (siehe Abbildung 4). Abbildung 4 - Kontakt mit ELF in % - Pilotstudie 20 24 20 28 8 0 5 10 15 20 25 30 <?page no="160"?> 160 Außerdem wurden die Versuchspersonen in Gruppe A auch gefragt, ob sie schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hätten. 68% antworteten mit Ja, 20% mit Nein und 12% waren sich nicht sicher. Zwölf Prozent gaben an, dass sie ItalienerInnen schon sehr oft und 20% oft Englisch sprechen gehört hatten, 20% ein paar Mal und 16% selten. (siehe Abbildung 5). Abbildung 5 - Kontakt mit IT-NNS in % - Pilotstudie Damit hatten die meisten ProbandInnen schon eine gewisse Erfahrung im Umgang mit italienischen NNS vorzuweisen. Aus den Antworten von 17 Versuchspersonen bezüglich der kommunikativen Settings dieser Interaktionen mit italienischen NNS konnten fünf Kategorien gebildet werden: - Universität/ Ausbildung, - Arbeit, - Freizeit, - Reisen, - Italien. Sieben der Angaben betrafen die eher formellen Kategorien Universität/ Ausbildung und Arbeit. Der Großteil der Angaben, nämlich 17, betraf die restlichen Kategorien, in denen eher von informellen Gesprächssituationen auszugehen ist. Damit dürften konkrete kommunikative Situationen wie jene im Experiment für die Versuchspersonen eher ungewohnt sein. Gruppe B wurde in Teil B des Fragebogens gefragt, ob sie schon einmal eine Simultandolmetschung bei einer Konferenz oder Tagung gehört hät- 12 20 20 16 20 12 0 5 10 15 20 25 <?page no="161"?> 161 ten. 11 Versuchspersonen (44%) antworteten mit Ja, 14 Versuchspersonen (56%) mit Nein. Abbildung 6 - Dolmetscherfahrung in % - Pilotstudie Diejenigen, die schon Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten, gaben an, ein bis maximal fünf Mal eine Simultandolmetschung bei einer Konferenz gehört zu haben. Sie alle können somit als nicht sehr erfahrene DolmetschkundInnen bezeichnet werden. 5.6.2 Ablauf Der Pilotversuch fand am 06.10.2009 im Rahmen der Lehrveranstaltung Basiskompetenz Dolmetschen, die in zwei Gruppen aufgeteilt war, statt. Eine Gruppe wurde am Vormittag, eine am Nachmittag im Hörsaal 1 des Zentrums für Translationswissenschaft der Universität Wien getestet. Dieser Hörsaal ist mit einer Dolmetschanlage und fest eingebauten Dolmetschkabinen ausgestattet. Zuerst wurde den Studierenden mitgeteilt, dass sie an einem Experiment zum Thema Verständlichkeit beim Simultandolmetschen teilnehmen würden. Dann wurde den Studierenden der ihnen laut Randomisierungsliste zugeteilte Fragebogen ausgehändigt (Gruppe A oder Gruppe B). Auf der fix installierten Audiokonsole jedes Platzes wurde der jeweils richtige Empfangskanal an den Kopfhörern (Original oder Verdolmetschung) eingestellt. Anschließend wurde den Versuchspersonen mitgeteilt, dass einige von ihnen einen englischen Vortrag von einem italienischen Wirtschaftsprofessor hören würden, die anderen die Verdolmetschung dieses Vortrags ins Deutsche. Sie wurden gebeten, diese Einteilung beizubehalten und somit auch den Kanal nicht zu ändern, um das Gelingen des Versuchs nicht zu gefährden. Des Weiteren wurden sie gebeten, sich wie in einer 44,0% 56,0% Erfahrung keine Erfahrung <?page no="162"?> 162 Konferenzsituation zu verhalten und den Fragebogen nicht anzusehen, bevor sie dazu aufgefordert werden würden. Anschließend wurde das Originalvideo mit dem Originalton des Redners über den Hauptcomputer eingespielt. Das Bild war auf der Saalleinwand zu sehen, das Audio für Gruppe A über die fixen Platzkopfhörer der Sitzpulte zu hören. Die Audiodatei der Verdolmetschung wurde von einem Laptop in einen Lautsprecher eingespeist, der in einer der Dolmetschkabinen stand. Dort wurde der Ton über das Mikrofon der Kabine auf einen Dolmetschkanal eingespielt, der für Gruppe B ausgewählt worden war. Um die Situation möglichst realistisch erscheinen zu lassen, wurde die aufgenommene Dolmetschung von einer Dolmetscherin in der Kabine tonlos mitgesprochen, um den ZuhörerInnen den Eindruck zu vermitteln, sie würden eine Live-Dolmetschung hören. Nach dem Ende des Vortrags und der Verdolmetschung wurden die Versuchspersonen gebeten, den bereits ausgeteilten Fragebogen auszufüllen. Ihnen wurde versichert, dass nicht sie selbst getestet würden, sondern die kognitive Wirkung des Vortrags, dass der Fragebogen völlig anonym sei und das Ergebnis somit keinerlei Auswirkung auf ihre Benotung haben könne. Des Weiteren wurde es den ProbandInnen in Gruppe A, deren Fragebogen auf Englisch formuliert worden war, freigestellt, die offenen Fragen auf Deutsch zu beantworten, wenn das für sie angenehmer sein würde. Nachdem alle Versuchspersonen die Fragebögen fertig ausgefüllt hatten, wurden diese eingesammelt und den ProbandInnen noch die Möglichkeit gegeben, Fragen zum Versuch zu stellen. 5.6.3 Auswertung Die Antworten aus den ausgefüllten Fragebögen wurden wie unter 5.5.6 beschrieben kodiert und mit dem Statistikprogramm PASW Statistics 18 (ehemals SPSS) bearbeitet. Es folgt die Beschreibung der wichtigsten deskriptiven Statistiken und auch einiger inferenzierter Ergebnisse aus den Daten der Pilotstudie. 5.6.3.1 Vergleich Gesamtscore Gruppe A (EN) und Gruppe B (DE) Die Hauptforschungsfrage, die beantwortet werden soll, ist, ob ein NNS- Redner oder eine Verdolmetschung einer NNS-Rede in die L1 der ZuhörerInnen besser verstanden wird (vgl. 5.2). Demnach werden zunächst die Gesamttestergebnisse der beiden Versuchsgruppen gegenübergestellt. Ein Vergleich der Mittelwerte der Testscores zeigte, dass Gruppe B, die die deutsche Dolmetschung gehört hatte, die Fragen zum Text deutlich besser beantworten konnte als Gruppe A, die den Originalredner gehört hatte. <?page no="163"?> 163 Während der durchschnittliche Score von Gruppe A 8,3o betrug, lag jener von Gruppe B bei 12,58 von insgesamt 19 zu erreichenden Punkten (siehe Abbildung 7). Abbildung 7 - Testscore nach Versuchsgruppe - Pilotstudie Auch das Minimum und Maximum der erreichten Punktezahl lag bei Gruppe A deutlich unter jenem von Gruppe B (siehe Tabelle 15). EN Gruppe A DE Gruppe B n 25 25 Mittelwert 8,30 12,58 Median 7,82 12,85 Standardabw. 3,9 3,2 Minimum 3,14 6,64 Maximum 15,71 17,68 Tabelle 15 - Basisdaten Score - Pilotstudie Mit Hilfe eines t-Tests wurde untersucht, ob der Unterschied in dieser Stichprobe nur zufällig zustande gekommen war. Dieser ergab, dass der Mittelwertunterschied zwischen den beiden Gruppen höchst wahrscheinlich nicht zufällig war (t=-4,238; df=48; p=0,000<0,05) und auch in der Grundgesamtheit - in diesem Fall Dolmetschstudierende am Anfang ihrer Dolmetschausbildung - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu finden ist. Bei diesem Ergebnis ist darauf hinzuweisen, dass 48% der Versuchspersonen in Gruppe B NichtmuttersprachlerInnen waren. Das bedeutet, auch Sie hörten - wie die Versuchspersonen in Gruppe A - einen Vortrag in einer Fremdsprache. Die Dolmetschung wurde aber trotzdem besser ver- 8,30 12,58 1 4 7 10 13 16 19 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="164"?> 164 standen als der Originalvortrag des NNS. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle NichtmuttersprachlerInnen Deutsch als B-Sprache studieren. Ihre Sprachkompetenz im Deutschen sollte somit ein fast muttersprachliches Niveau aufweisen. Da sie überdies an einer Universität studieren, an der Deutsch die Hauptunterrichtssprache ist, dürften viele von ihnen über außerordentlich gute Deutschkenntnisse verfügen. Das bedeutet jedoch trotzdem, dass nicht die Tatsache, dass eine Fremdsprache gehört wurde, dazu führte, dass die Versuchspersonen weniger Punkte erreichten, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Fremdsprache von einem NNS gesprochen wurde. 5.6.3.2 Vergleich Score aus MC-Items Gruppe A und Gruppe B Um zu überprüfen, ob das Itemformat Auswirkungen auf den Gruppenunterschied hatte, wurden die Versuchsgruppen nun nur in Bezug auf das Testergebnis aus den Multiple-Choice-Items verglichen und die halboffenen Fragen ausgeklammert. Auch hier zeigte sich, dass Gruppe B, die die Dolmetschung gehört hatte, ein klar besseres Ergebnis mit durchschnittlich fast zwei Punkten mehr erzielen konnte (siehe Abbildung 8). Abbildung 8 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - Pilotstudie Auch die anderen Werte von Gruppe B liegen klar über jenen von Gruppe A (siehe Tabelle 16). 5,37 7,08 0 2 4 6 8 10 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="165"?> 165 EN Gruppe A DE Gruppe B n 25 25 Mittelwert 5,37 7,08 Median 5,21 7,64 Standardabw. 1,9 1,4 Minimum 2,43 4,35 Maximum 9 9,43 Tabelle 16 - Basisdaten MC-Score - Pilotstudie Somit ist der Unterschied zwischen den Gruppen - auch wenn man die halboffenen Fragen nicht berücksichtigt - sehr hoch. Ein t-Test (t=-3,579; df=48; p=0,001<0,05) zeigte, dass dieser Unterschied statistisch hochsignifikant ist, und es somit sehr unwahrscheinlich ist, dass diese Differenz nur zufällig zustande kam. 5.6.3.3 Vergleich Score aus halboffenen Fragen Gruppe A und Gruppe B Analog zum vorangegangenen Abschnitt wurde auch der Testscore für die halboffenen Items errechnet, für die insgesamt maximal neun Punkte zu erreichen waren, das bedeutet jeweils drei pro Item. Hier zeigte sich, dass der Gruppenunterschied mit über zweieinhalb Punkten wieder sehr deutlich war (siehe Abbildung 9). Abbildung 9 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - Pilotstudie Beim Median war der Unterschied sogar noch ausgeprägter (siehe Tabelle 17). 2,93 5,50 0 3 6 9 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="166"?> 166 EN Gruppe A DE Gruppe B n 25 25 Mittelwert 2,93 5,5 Median 2,5 6,75 Standardabw. 2,6 2,4 Minimum 0 1 Maximum 7,5 8,25 Tabelle 17 - Basisdaten Score halboffen - Pilotstudie Auch hier zeigte ein t-Test, dass der Gruppenunterschied statistisch hoch signifikant ist (t=-3,657; df=48; p=0,001<0,05). Es bestand somit unabhängig vom Itemformat ein signifikanter Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Ergebnis in Gruppe A und Gruppe B. Der mögliche Einflussfaktor Gedächtnis, der bei halboffenen Fragen möglicherweise größer sein könnte und unter 5.5.3 eingehend besprochen wurde, scheint in diesem Fall vernachlässigbar zu sein. 5.6.3.4 Verständnisbewertung Als nächstes wurde untersucht, wie die beiden Gruppen die Frage „Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht)“ beantwortet hatten, d.h. wie gut oder schlecht sie ihr Verständnis selbst einschätzten. Es zeigte sich, dass Gruppe A das eigene Verständnis leicht schlechter eingeschätzt hatte als Gruppe B. Beide hatten die gesamte Bandbreite der Skala genutzt (siehe Tabelle 18). EN Gruppe A DE Gruppe B n 25 25 Median 4 3 Modus 4 2/ 4 Minimum 1 1 Maximum 7 7 Tabelle 18 - Verstehen Selbsteinschätzung - Pilotstudie Zu dieser Frage gab es auch mehrere freie Zusatzkommentare. Sehr viele Versuchspersonen merkten an, dass sie an diesem langen Tag an der Uni- <?page no="167"?> 167 versität sehr müde gewesen waren (VP 2, 13, 19, 18, 43, 51) oder Konzentrationsschwierigkeiten gehabt hatten (VP 2, 6, 20, 21, 23, 28, 31, 43, 44, 48). VP 11 und 47 gaben an, dass es im Text viele Fremdwörter oder unbekannte Wörter gegeben hätte. Einige der Befragten stellten fest, dass die Rede zu viel Information beinhaltet hätte (VP 11, 20, 39) bzw. sehr komplex gewesen sei (VP 26). Außerdem wurde angemerkt, dass der Redner sehr schnell gesprochen habe (VP 16). In Wirklichkeit war die Redegeschwindigkeit nicht besonders hoch (vgl. 5.3.3.2). Wie bereits unter 4.3.4.3 eingehend besprochen wurde, haben ZuhörerInnen - auch DolmetscherInnen - oft den Eindruck, das Tempo von NNS sei besonders hoch, auch wenn dies objektiv gemessen nicht den Tatsachen entspricht. Ein weiterer Faktor, der bei diesem Item mehrmals spontan erwähnt wurde, war die Tatsache, dass weniger das Verstehen das Problem gewesen sei, als vielmehr das Erinnern: Es ist schwer sich solche Themen und Kleinigkeiten zu merken: erstens weil die Rede lang war, zweitens weil wir keine Fachleute in diesem Bereich sind; drittens weil wir echt müde sind… (VP 18) too much information in a short time for my brain to remember everything (VP 39) VP 32 gab an, sich wenig gemerkt zu haben, da sie das Thema nicht interessierte. Dies könnte Grund zur Annahme geben, dass die halboffenen Fragen, bei deren Beantwortung tatsächlich mehr Erinnern als Erkennen gefragt war, schwerer gewesen sein könnten. Dies wurde jedoch von den Berechnungen zur Itemschwierigkeit widerlegt. Des Weiteren zeigte der Gruppenvergleich nach Itemformat (vgl. 5.6.3.2 und 5.6.3.3), dass der Unterschied im Testscore zwischen den Versuchsgruppen unabhängig vom Itemformat gegeben war. Dass das Gedächtnis insgesamt eine Rolle spielte, ist unumstritten. Dies wurde jedoch durch die Gruppengröße und zuteilung möglichst gut ausgeglichen. Die Variablen der Selbsteinschätzung des Verstehens und des Testscores korrelierten nur gering: Gruppe Zusammenhang (r) Signifikanz (p) A und B -0,4 (gering) 0,012 (zweiseitig) A -0,3 (gering) - B -0,4 (gering) - Tabelle 19 - Korrelationen Verstehen-Score - Pilotstudie Der Zusammenhang zwischen subjektivem und objektivem Verstehen war somit nur in geringem Ausmaß gegeben. Dies bedeutet, dass die Versuchs- <?page no="168"?> 168 personen ihre eigene Leistung beim Fragebogen nur schlecht einschätzen konnten. 5.6.3.5 Akzentbewertung Gruppe A wurde gebeten, den Akzent des Redners auf einer Skala von 1-7 (1=no perceptible foreign accent bis 7=very strong foreign accent) zu bewerten 39 . Der resultierende Mittelwert betrug 5,76 mit einer Standardabweichung von 1,3 und einem Modus von 7, dem höchsten Skalenwert, der für einen sehr starken Akzent stand (siehe Tabelle 20). EN Gruppe A ExpertInnen n 25 46 Mittelwert 5,76 5,48 Median 6 6 Modus 7 6 Standardabw. 1,3 1,1 Minimum 3 2 Maximum 7 7 Tabelle 20 - Akzentbewertung - Pilotstudie Vergleicht man die Bewertung der Pilotstudie mit jener des ExpertInnen- Ratings (vgl. 5.3.2.3), so waren die Versuchspersonen in der Pilotstudie bei ihrem Urteil etwas strenger. Neben der Skalenbewertung gab es auf dem Fragebogen auch die Möglichkeit, schriftliche Anmerkungen zum Akzent des Redners zu machen, was neun Versuchspersonen nutzten. Drei gaben an, dass der Akzent stark sei (VP 2, 34, 35). Eine VP meinte, dass der Redner seine Aussprache verbessern sollte (VP 39). Wie auch schon beim ExpertInnenrating wurde aber mehrmals angemerkt, dass er verständlich, klar oder „ok“ gewesen war (VP 2, 4, 11, 34, 35). VP 39 lobte auch sein Englisch. Abermals wurde erwähnt, dass vor allem das angeblich hohe Sprechtempo zu Problemen geführt habe (VP 35). Des Weiteren wurde überprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen den Variablen Akzentbewertung und Score gegeben hatte. Dieser war sehr gering (r=0,047) und statistisch nicht signifikant. Eine hohe Akzentbewertung korrelierte somit nicht mit einem schlechten Testergebnis. 39 Wie bereits eingehend besprochen wurde (vgl. 5.3.2.2), kann hier von einer Intervallskala ausgegangen werden, obwohl es sich um subjektive Einschätzungen handelt. <?page no="169"?> 169 Außerdem wurde analysiert, ob die Variablen Akzentbewertung und Verstehensbewertung miteinander korrelierten. Eine Korrelation nach Spearman ergab einen geringen, nicht signifikanten Zusammenhang (r=0,266). Das bedeutet, dass diejenigen, die den Akzent als stark beurteilt hatten, nicht unbedingt auch ihr Verstehen als schlecht einschätzten. 5.6.3.6 Bewertung der Dolmetschleistung Gruppe B wurde im Fragebogen dazu aufgefordert, die gehörte Dolmetschleistung auf einer 7-stelligen Skala zu bewerten (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht). Das Urteil fiel mit einem Median von 2 und einem Modus von 1 für die Dolmetscherin sehr gut aus (siehe Tabelle 21). DE - Gruppe B n 25 Median 2 Modus 1 Minimum 1 Maximum 3 Tabelle 21 - Bewertung der Dolmetschleistung - Pilotstudie Auffallend ist, dass es für die Dolmetscherin durchwegs nur positive Anmerkungen gab. Gelobt wurden die Pausensetzung, Kohärenz und allgemein die Dolmetschleistung (VP 42, 46). Aus den Anmerkungen ist eine gewisse Solidarisierung der Studierenden mit der Dolmetscherin zu erkennen. So rechtfertigten mehrere Versuchspersonen eine niedrigere Verstehensbewertung folgendermaßen: Es liegt nicht an der Dolmetschung, sondern daran, dass ich mich nicht richtig konzentrieren konnte. (VP 23) Meine Konzentrationsfähigkeit war etwas gemindert - lag nicht an der Dolmetschung. (VP 28) Eine besonders starke Solidarisierung ist bei folgender Äußerung festzustellen: Aus einem schlechten AT kann auch die beste Dolmetscherin nicht viel rausholen. (VP 42) An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass diese Versuchsperson keinen echten Vergleich anstellen konnte, da sie die Originalrede nicht gehört hatte, sondern nur die Verdolmetschung. Trotzdem vertraute sie der Dolmetscherin und verteidigte sie sogar. Dies steht im Gegensatz zur Haltung der Versuchspersonen in der Studie von Ng (1992), bei der unkla- <?page no="170"?> 170 re Formulierungen nie dem Redner, sondern immer den DolmetscherInnen zugeschrieben wurden. Die Versuchspersonen in Ngs Studie waren jedoch auch keine DolmetscherInnen oder Dolmetschstudierende sondern potentielle KundInnen. Des Weiteren wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Bewertung der Dolmetschleistung und dem erreichten Score gibt. Dieser war sehr gering (r=-0,190) und nicht signifikant. Die Versuchspersonen, die einen hohen Testscore erreicht hatten, beurteilten somit die Dolmetschleistung nicht unbedingt besser. Eine weitere Forschungsfrage war, ob ZuhörerInnen, die bereits Dolmetscherfahrung hatten, die Dolmetschleistung anders beurteilten als jene ohne Erfahrung. In Tabelle 22 findet sich eine Gegenüberstellung der Bewertungsparameter von Versuchspersonen mit und ohne Dolmetscherfahrung. Bei gleichen Minimal- und Maximalwerten lag der Median und der Modus derer mit Dolmetscherfahrung einen Punkt unter dem der anderen Versuchspersonen. Das bedeutet, dass die erfahreneren ZuhörerInnen strenger über die Dolmetschleistung urteilten. DO-Erf. keine Erf. n 11 14 Median 2 1 Modus 2 1 Minimum 1 1 Maximum 3 3 Tabelle 22 - Dolmetschbewertung nach Dolmetscherfahrung - Pilotstudie Da bei der Dolmetscherbewertung eine Ordinalskala vorliegt, wurde ein U- Test durchgeführt, um zu untersuchen, ob dieser Gruppenunterschied signifikant sei. Obgleich sich die mittleren Ränge (Erfahrung 14,73 vs. keine Erfahrung 11,64) klar unterschieden, stellte sich dieser Unterschied als nicht signifikant heraus (p=0,317). Außerdem wurde die Frage gestellt, ob die Dolmetschbewertung in Zusammenhang mit der subjektiven Verstehenseinschätzung der Versuchspersonen stand. Schon nach Erstellung eines Streudiagramms wurde jedoch klar, dass kein linearer Zusammenhang besteht. Die Beurteilung der Dolmetschleistung korrelierte nicht damit, wie gut die Versuchspersonen glaubten, den Vortrag verstanden zu haben. <?page no="171"?> 171 5.6.3.7 Einflussfaktor Hintergrundwissen Wie bereits eingangs erwähnt wurde, handelte es sich bei den Versuchspersonen des Pilotversuches nicht um ExpertInnen auf dem Gebiet Marketing, um das es im Vortrag ging. Die Analyse der Antworten auf die Frage „Wie gut waren Ihnen die in der Rede angesprochenen Themen bekannt? (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt)“ zeigte, dass das Hintergrundwissen bei beiden Gruppen dementsprechend gering war (siehe Tabelle 23). EN Gruppe A DE Gruppe B n 25 25 Median 6 6 Modus 6/ 7 6 Minimum 1 3 Maximum 7 7 Tabelle 23 - Bekanntheit des Themas - Pilotstudie Auch bei dieser Frage hatten die ProbandInnen die Möglichkeit, freie Anmerkungen abzugeben. Einige Kommentare unter der Frage Verständnis und unter den allgemeinen Anmerkungen am Ende von Teil A des Fragebogens bezogen sich ebenfalls auf die Bekanntheit des Themas. Dabei zeigte sich, dass mehrere das Thema nicht interessierte (VP 4, 32, 39, 42) und es überhaupt sehr kritisch betrachtet wurde: Bekannt schon, einverstanden nicht. Marketing wird künstlich hochgespielt und überschätzt… Eine Besinnung auf Kennwerte wäre wünschenswert, die „postmoderne“ Gesellschaft stellt für mich keinen Reiz dar… Der Inhalt war belanglos und künstlich. (VP 42) Als Geisteswissenschaftlerin ist der Inhalt für mich viel Lärm um nichts - mit Wissenschaft hat das nichts zu tun. (VP 49) Mehrere Versuchspersonen (VP 34, 37, 47, 51) gaben explizit an, nur wenig über Marketing allgemein zu wissen. Eine Versuchsperson (VP 7) führte an, die Postmoderne aus dem Kontext der Literatur zu kennen. Aus diesen Anmerkungen ging somit klar hervor, dass die Versuchspersonen sich in diesem Bereich nicht gut auskannten, und auch das Interesse daran eher gering war. Dies könnte sich auch auf die Motivation der ZuhörerInnen und in Folge auf das Verstehen ausgewirkt haben. <?page no="172"?> 172 Ein Streudiagramm zeigte, dass innerhalb der Versuchsgruppe die Variablen Hintergrundwissen und Testscore keinen bedeutenden Zusammenhang aufwiesen, weshalb auf die Berechnung einer Korrelation verzichtet werden konnte. Das bedeutet jedoch, dass diejenigen, denen das Thema völlig unbekannt war, nicht unbedingt auch ein schlechtes Testergebnis erzielten. 5.6.3.8 Einflussfaktor Englischkenntnisse Auch zwischen dem Testscore und in Gruppe A angegebenen Englischkenntnissen (vgl. 5.6.1) bestand kein bedeutender Zusammenhang. Verfügte eine Versuchsperson in Gruppe A über bessere Englischkenntnisse, bedeutete dies demnach nicht unbedingt, dass sie auch ein besseres Testergebnis erzielen konnte. 5.6.3.9 Einflussfaktor Erfahrung mit NNS Eine weitere Forschungsfrage war, ob die Häufigkeit des Kontakts mit NichtmuttersprachlerInnen den Score in Gruppe A beeinflusst hatte. Ein Vergleich der Mittelwerte der Testscores zeigte, dass jene ProbandInnen, die sehr oft mit NNS Englisch sprachen, den höchsten Score erreicht hatten, jene, die dies noch nie getan hatten, den niedrigsten (siehe Tabelle 24). Aufgrund der kleinen Gruppengrößen kann dieses Ergebnis jedoch nicht generalisiert werden. nie selten manchmal oft sehr oft n 2 7 5 6 5 Mittelwert 4,75 8,85 7,10 8,73 9,65 Standardabw. 1,3 5,1 3 4,1 3,6 Minimum 3,86 3,14 4,92 4,43 4,86 Maximum 5,64 15,18 11,96 15,71 14,64 Tabelle 24 - Score nach ELF-Erfahrung - Pilotstudie Ein Streudiagramm zeigte, dass kein linearer Zusammenhang zwischen dem Score und der Häufigkeit des Kontakts mit NNS bestand. Um zusätzliche Berechnungen mit größeren Gruppen anstellen zu können, wurden die fünf Kategorien auf zwei reduziert. Die Kategorien „selten“ und „manchmal“ sowie „oft“ und „sehr oft“ wurden zusammen gefasst. Die zwei Versuchspersonen, die „nie“ gewählt hatten, wurden aus dieser Berechnung ausgeschlossen. Dabei entstanden zwei fast gleich große Gruppen - „weniger Kontakt“ und „mehr Kontakt“, deren mittlerer Score sich um einen ganzen Punkt unterschied (siehe Tabelle 25). <?page no="173"?> 173 weniger Kontakt mehr Kontakt n 12 11 Mittelwert 8,12 9,15 Median 6 8,71 Standardabw. 4,3 3,7 Minimum 3,14 4,43 Maximum 15,18 15,71 Tabelle 25 - Score nach ELF-Erfahrung II - Pilotstudie Nach Feststellung der Normalverteilung des Scores in beiden Gruppen wurde daher ein t-Test durchgeführt, dessen Ergebnis jedoch nicht signifikant war (t=-0,613, df=21, p=0,546<0,05). Aus diesem Ergebnis geht hervor, dass die Versuchspersonen, die angaben, oft oder sehr oft mit NNS Kontakt zu haben, zwar einen besseren Score bei diesem Versuch erzielen konnten, dass dieser Vorteil jedoch nicht auf die Gesamtpopulation extrapoliert werden kann. Des Weiteren wurde untersucht, ob sich das Ausmaß, in dem die Versuchspersonen bereits Kontakt mit NNS gehabt hatten, darauf ausgewirkt hatte, wie sie den Akzent des Redners einstuften (vgl. 4.3.2). Vergleicht man die Mittelwerte, so bewerteten zwar jene ProbandInnen, die nie Englisch mit NichtmuttersprachlerInnen sprechen, den Akzent am strengsten, die niedrigsten Akzentbeurteilungen stammen jedoch nicht von den Versuchspersonen, die sehr oft Englisch mit NNS sprechen (siehe Tabelle 26). nie selten manchmal oft sehr oft n 2 7 5 6 5 Mittelwert 7 5,43 4,80 6,17 6,20 Median 7 5 4 6,5 7 Standardabw. - 1,3 1,6 1 1,3 Minimum 7 4 3 5 4 Maximum 7 7 7 7 7 Tabelle 26 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung - Pilotstudie Bei der Erstellung eines Streudiagramms zeigte sich, dass kein linearer Zusammenhang zwischen den beiden Variablen gegeben war. Das Ausmaß an Kontakt mit NNS hatte somit keinen Einfluss auf die Akzentbewertung. <?page no="174"?> 174 5.6.3.10 Einflussfaktor Bekanntheit des Akzents In der Folge wurde untersucht, ob der Score der Versuchspersonen dadurch beeinflusst worden war, wie oft sie schon italienische NNS Englisch sprechen gehört hatten, also wie bekannt ihnen dieser spezifische Akzent war. Es zeigte sich, dass jene, die oft oder sehr oft Kontakt mit italienischen NNS haben, keinen höheren Score erzielen konnten; im Gegenteil: ihre Mittelwerte waren sogar niedriger als jene der anderen Gruppen (siehe Tabelle 27). nie selten ein paar Mal oft sehr oft n 7 5 5 5 3 Mittelwert 8,04 10,37 8,83 6,82 7,06 Standardabw. 4,1 6,1 3,4 2,8 1,5 Minimum 3,86 3,14 4,92 4,43 5,35 Maximum 15,18 15,71 13,25 10,86 8 Tabelle 27 - Score nach IT-NNS-Kontakt - Pilotstudie Ein Streudiagramm zeigte jedoch keinen linearen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen. Die Erfahrung mit dem italienischen Akzent war für die Versuchspersonen beim Verständnis somit nicht von Vorteil, wie es in manchen anderen Studien der Fall gewesen war (vgl. 4.3.1 und 4.3.2). Des Weiteren wurde geprüft, ob das Ausmaß der Erfahrung der ZuhörerInnen mit italienischen NNS die Bewertung des Akzents des Redners beeinflusste. Auch hier zeigte sich schon bei der Erstellung eines Streudiagramms, dass es keinen linearen Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen gab. Betrachtet man die Häufigkeiten, so zeigt sich anhand des Modus lediglich eine leichte Tendenz dahingehend, dass Versuchspersonen mit mehr Erfahrung mit italienischen NNS etwas milder bewerteten (siehe Tabelle 55). nie selten ein paar Mal oft sehr oft n 7 5 5 5 3 Mittelwert 5,43 6,20 6,20 5,60 5,33 Median 5 7 7 5 6 Standardabw. 1,6 1,3 1,3 1,3 1,2 Minimum 3 4 4 4 4 Maximum 7 7 7 7 6 Tabelle 28 - Akzentbewertung nach IT-NNS-Kontakt - Pilotstudie <?page no="175"?> 175 5.6.3.11 Alter Bezüglich der Frage, ob das Alter einen Einfluss auf das Testergebnis hat, zeigte eine Korrelation nach Pearson, dass der Zusammenhang zwischen den beiden Variablen - bei allen Versuchspersonen gesamt sowie getrennt nach Versuchsgruppe A oder B - nur gering war. Dies ist jedoch nicht sehr überraschend, da die Streuung bezüglich des Alters in der Gruppe nicht sehr hoch war (vgl. 5.6.1). 5.6.3.12 Geschlecht Wie bereits beschrieben wurde, gab es im Pilotversuch einen klaren Überhang an weiblichen Versuchspersonen, was mit dem Studienzweig der ZuhörerInnen zusammenhängen dürfte (vgl. 5.6.1). Nachdem zwei Versuchspersonen keine Angaben zum Geschlecht machten, werden hier nur 48 Versuchspersonen angeführt. Der geschlechtsspezifische Unterschied bezüglich des Testergebnisses bewegt sich im Kommabereich und ist auch aufgrund der sehr unterschiedlichen Gruppengrößen nicht sehr aussagekräftig. Aufgrund der geringen Anzahl an männlichen Versuchspersonen wird auf einem Geschlechtervergleich nach Versuchsgruppen verzichtet. Männer Frauen n 5 43 Mittelwert 10,65 10,37 Median 10,86 10,43 Standardabw. 2,9 4,4 Minimum 8 3,14 Maximum 15,14 17,68 Tabelle 29 - Score nach Geschlecht - Pilotstudie Auch eine Punkt-biseriale Korrelation zeigte nur einen sehr geringen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Testergebnis (r=-0,14). 5.6.3.13 Einflussfaktor Muttersprache Gruppe A Wie bereits eingangs erwähnt wurde, hatten fünf Versuchspersonen in Gruppe A dieselbe L1 wie der Redner - Italienisch. Es wurde untersucht, ob ihnen dies einen Vorteil bezüglich des Testscores einbrachte, wie es dem matched interlanguage speech intelligibility benefit (vgl. ) zufolge sein müsste. Betrachtet man Tabelle 30, so sieht man, dass die italienischen MuttersprachlerInnen - zumindest ihrem durchschnittlichen Testscore <?page no="176"?> 176 nach - keinen Verständnisvorteil gehabt zu haben scheinen. Dem Ergebnis zufolge hatten sie den italienischen Redner nicht besser, sondern sogar schlechter als die anderen ZuhörerInnen verstanden. DE IT andere n 13 5 6 Mittelwert 8,08 7,35 10,23 Standardabw. 4,4 2,2 3,9 Minimum 3,14 5,64 5,29 Maximum 15,18 10,86 15,71 Tabelle 30 - Score nach L1 in Gruppe A - Pilotstudie Dieses Ergebnis basiert aber nur auf Daten von sehr kleinen Gruppen und ist damit nicht unbedingt zu extrapolieren. Gruppe B Auch in Gruppe B, die die deutsche Dolmetschung gehört hatte, wurde überprüft, ob die Muttersprache der Versuchspersonen einen Einfluss auf deren Testergebnis hatte. Dafür wurde ein Vergleich zwischen Deutsch- MuttersprachlerInnen und NichtmuttersprachlerInnen angestellt. Wie aus Tabelle 31 ersichtlich wird, hatten die NS-ZuhörerInnen ein besseres Testergebnis als die NNS-ZuhörerInnen. Allerdings lag das Ergebnis der NNS in Gruppe B immer noch über dem Mittelwert in Gruppe A. Das bedeutet, dass die NNS in Gruppe B die Verdolmetschung besser verstanden hatten als die NNS in Gruppe A den Originalredner. Den höchsten Score von allen Gruppen erzielten demnach die Deutsch- MuttersprachlerInnen, die die deutsche Verdolmetschung gehört hatten. DE andere L1 n 13 12 Mittelwert 13,66 11,40 Standardabw. 3,1 2,9 Minimum 7 6,64 Maximum 17,68 15,93 Tabelle 31 - Score nach L1 in Gruppe B - Pilotstudie Einem t-Test mit einem Signifikanzniveau von 5% zufolge war dieser Unterschied in Gruppe B jedoch knapp nicht signifikant (t=1,878, df=23, p=0,073). <?page no="177"?> 177 5.6.4 Zusammenfassung - Pilotstudie Die Ergebnisse der Pilotstudie zeigten zunächst, dass das Versuchsdesign und der Fragebogen funktionierten. Die Versuchspersonen gaben zwar an, dass der Vortrag sehr viel Information beinhaltete und dass teils Konzentrationsschwierigkeiten aufgetreten waren. Im Vergleich mit üblichen Konferenzvorträgen ist er jedoch eher kurz, weshalb keine Änderungen vorgenommen wurden. Das Einspielen der Verdolmetschung über Laptop und Kabine wurde als suboptimal betrachtet, wenngleich es von keiner der Versuchspersonen erwähnt wurde. Trotzdem wurde beschlossen, im Hauptversuch eine externe Dolmetschanlage zu verwenden, um eine vergleichbare Tonqualität bei Gruppe A und B sicherstellen zu können. Interessant war, dass einige Versuchspersonen den Eindruck hatten, der NNS-Redner spreche sehr schnell, was als subjektive Einschätzung bei ZuhörerInnen von NNS häufig anzutreffen ist. Die Pilotstudie lieferte insgesamt interessante Ergebnisse für eine Gruppe von Nicht-ExpertInnen, die in der Folge denen der ExpertInnen gegenübergestellt werden konnte. Die Hauptforschungsfrage - nämlich, ob ein NNS-Vortrag und dessen Verdolmetschung in die L1 der ZuhörerInnen dieselbe kognitive Wirkung erzielen - konnte eindeutig negativ beantwortet werden. Gruppe B, die die Verdolmetschung ins Deutsche gehört hatte - konnte einen signifikant höheren Testscore erreichen, und das, obwohl fast 48% der Versuchspersonen in dieser Gruppe nicht Deutsch als L1 angegeben hatten. Trotzdem war das durchschnittliche Ergebnis dieser Gruppe um über vier Punkte höher als das der Gruppe, die den NNS gehört hatte. In diesem Fall konnte die Dolmetscherin somit den Ausgangstext hinsichtlich dessen Wirkung im Publikum verbessern. Der Gruppenunterschied war auch gegeben, wenn man nur den Testscore aus den Multiple-Choice-Items ohne halboffene Fragen betrachtete und umgekehrt. Dies weist darauf hin, dass der signifikante Unterschied nicht nur aufgrund des Itemformats entstanden war. Die Versuchspersonen in Gruppe A bewerteten ihr eigenes Verstehen deutlich schlechter als jene in Gruppe B. Der Zusammenhang zwischen Testscore und subjektiver Verstehenseinschätzung war jedoch sowohl im Gruppenvergleich als auch für beide Gruppen zusammen gering. Hinsichtlich der Akzentbewertung zeigte sich, dass die Versuchspersonen der Pilotstudie den Akzent des Redners etwas strenger bewerteten als die ExpertInnen, obwohl sie ihn ebenfalls als verständlich bezeichneten. Zwischen Testergebnis und Akzentbewertung gab es keinen Zusammenhang, was bedeutet, dass jene Versuchspersonen, die einen geringen Score erreicht hatten, nicht unbedingt auch den Akzent als sehr stark einstuften. Das gleiche galt für die subjektive Verstehenseinschätzung. <?page no="178"?> 178 Die Beurteilung der Dolmetschleistung fiel sehr gut aus, wobei eine Solidarisierung der ZuhörerInnen mit der Dolmetscherin zu erkennen war, die vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass die ProbandInnen Dolmetschstudierende waren. Es zeigte sich, dass Versuchspersonen mit mehr Dolmetscherfahrung die Dolmetscherin strenger beurteilten als jene ohne Erfahrung. Der große Unterschied erwies sich jedoch als nicht statistisch signifikant. Zwischen dieser Beurteilung und dem Testscore bzw. der subjektiven Verständniseinschätzung konnte kein Zusammenhang festgestellt werden. Diejenigen, die ein schlechteres Ergebnis erzielt hatten oder glaubten, nicht gut verstanden zu haben, beurteilten die Dolmetscherin also nicht automatisch schlechter. Erwartungsgemäß stuften die Versuchspersonen ihr Hintergrundwissen als niedrig ein. Außerdem zeigte sich, dass bei mehreren ProbandInnen auch kein Interesse am Thema bestand und sie dieses teils sogar stark ablehnten. Zwischen den Variablen Hintergrundwissen und Testscore konnte innerhalb der Gruppe kein Zusammenhang festgestellt werden. Die subjektiv beurteilten Englischkenntnisse der ZuhörerInnen wirkten sich nicht auf den Testscore in Gruppe A aus. Jene mit besseren Kenntnissen erzielten nicht automatisch ein besseres Ergebnis. Das Ausmaß an Erfahrung mit NNS schien eine Auswirkung auf das Verstehen zu haben. Der Score der Versuchspersonen, die nur selten oder manchmal Kontakt mit NNS hatten, lag einen Punkt unter dem der Versuchspersonen, die oft oder sehr oft Kontakt mit NNS hatten. Allerdings erwies sich dieser Unterschied nicht als signifikant. Kein Zusammenhang konnte zwischen Erfahrung mit NNS und der Akzentbewertung festgestellt werden. Versuchspersonen mit mehr Erfahrung waren somit weder strenger noch milder in ihrer Beurteilung des Akzents des Redners. Die Bekanntheit des italienischen Akzents hatte nicht die positive Auswirkung auf das Verständnis, die in manchen Studien beschrieben wird. Es zeigte sich lediglich eine Tendenz, dass ProbandInnen mit mehr Erfahrung mit italienischen NNS den Akzent des Redners als etwas weniger stark beurteilten. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Gruppengröße derer mit Erfahrung mit IT-NNS eher gering war. Weder das Alter, noch das Geschlecht hatten einen bedeutenden Einfluss auf den Testscore. Überraschend war das Ergebnis, dass die italienischen TeilnehmerInnen in Gruppe A kein besseres, sondern sogar ein schlechteres Ergebnis erzielten als die übrigen Versuchspersonen. Der in der Literatur beschriebene Vorteil einer gemeinsamen L1 beim Verstehen von NNS konnte somit nicht bestätigt werden. In Gruppe B erzielten hingegen die Deutsch-MuttersprachlerInnen einen höheren Score als die NichtmuttersprachlerInnen. Trotzdem lag das <?page no="179"?> 179 Resultat der NNS-ZuhörerInnen noch über dem in Gruppe A. Das beste Testergebnis konnte somit jene Gruppe erzielen, die den Vortrag in der Dolmetschung in die eigene L1 gehört hatte. Von den Versuchspersonen, die nicht die Möglichkeit hatten, ihre L1 zu hören, schnitten diejenigen deutlich besser ab, die die L2 von einem NS und nicht einem NNS hörten. 5.7 Hauptstudie - FH1 Nachdem in der Pilotstudie das Funktionieren des Versuchsdesigns bestätigt worden war, wurde die Hauptstudie mit den ExpertInnen durchgeführt. 5.7.1 Auswahl der Versuchspersonen Wie bereits aus der Beschreibung der Auswahl des Redners hervorging (vgl. 5.3.1), sollten dieser und die Versuchspersonen einen gemeinsamen professionellen Hintergrund haben, d.h. ExpertInnen aus demselben Fachgebiet sein. Damit würden sie den InteraktantInnen auf einer realen Fachkonferenz, auf der es auch Verdolmetschung geben könnte, entsprechen, die ebenfalls meist aus einer gemeinsamen Disziplin stammen oder einem ähnlichen Interessensgebiet angehören. Damit sollte die groupness zwischen Redner und Publikum gegeben sein (vgl. 4.3.3). Schon vor der Auswahl des Redners wurde im Forschungsteam beschlossen, dass sich der Bereich Wirtschaft als Kontext für den Versuch eignen würde, da in diesem Umfeld ein reger Austausch über kulturelle und sprachliche Barrieren hinweg stattfindet (vgl. 3.4.1). Außerdem ist Englisch dort weitgehend als Verkehrssprache etabliert. Bei einschlägigen Kongressen wird auf Verdolmetschung oft verzichtet (vgl. Hasibeder 2010: 54), da davon ausgegangen wird, dass sich die ExpertInnen ohnehin auf Englisch gut genug verständigen können (vgl. Hasibeder 2010: 69). Business English ist ein oft untersuchtes Thema, auch im Bereich der ELF-Forschung (vgl. z.B. Pitzl 2005). Das Ziel, ausreichend vergleichbare Versuchspersonen 40 , die bereits im Wirtschaftleben tätig sind, für den Versuch zu rekrutieren, erwies sich bald als unerreichbar. Es wäre schier unmöglich, eine genügend große Gruppe an WirtschaftsexpertInnen dazu zu bewegen, zur gleichen Zeit an einer Konferenzsimulation teilzunehmen. Aus diesem Grund wurde im Team beschlossen, sich an eine Ausbildungsstätte für WirtschaftexpertInnen zu wenden. Fachhochschulen (FH) schienen eine gute Möglichkeit darzustellen. InteressentInnen, die dort einen Studienplatz erhalten wollen, müssen sich einem strengen Selektionsverfahren stellen. Nur ein geringer Prozent- 40 Als ausreichend wurden ca. 30 Personen pro Versuchsgruppe betrachtet. <?page no="180"?> 180 satz der BewerberInnen wird auch tatsächlich aufgenommen. Des Weiteren ist auch die Dauer der Arbeitssuche nach dem Studium - ein bedeutender Indikator für eine funktionierende Arbeitsmarktintegration - bei den AbsolventInnen sehr kurz. 53% beginnen ihre berufliche Tätigkeit direkt nach Abschluss des Studiums, nur 11% suchen drei Monate oder länger eine Anstellung (vgl. Hoyer/ Ziegler 2002: 56). Auch aus Sicht der meisten Unternehmen haben FH-AbsolventInnen gegenüber UniversitätsabsolventInnen aufgrund der Praxisorientiertheit ihrer Ausbildung einen Vorteil am Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit (vgl. Schelepa/ Wetzel 2009: 3). FH- AbgängerInnen werden somit schon während des Studiums sehr gut auf die Arbeitswelt vorbereitet. Es könnte argumentiert werden, dass sie daher dem „ExpertInnen-Status“ schon sehr nahe sind. Ein weiterer Vorteil, den Versuchspersonen aus einer Fachhochschule mit sich bringen, ist, dass ihr Studium weitgehend schulisch organisiert ist. Somit kann man davon ausgehen, dass auch das Fachwissen von TeilnehmerInnen einer bestimmten Lehrveranstaltung auf einem ähnlicheren Niveau ist als beispielsweise bei Universitätsstudierenden. Die Variable Hintergrundwissen konnte auf diese Art und Weise besser kontrolliert werden. Nach einer Prüfung der verschiedenen Fachhochschulen in Wien wurden zwei kontaktiert, mit denen ein Kooperationsvertrag abgeschlossen wurde. Diese werden in der Folge als FH1 und FH2 bezeichnet 41 . Der Hauptversuch wurde mit FH1 durchgeführt. Die Daten der Versuchspersonen von FH2 werden als Nebenstudie behandelt, was im entsprechenden Kapitel noch genauer begründet wird (vgl. 5.8.1). 5.7.2 Beschreibung der Versuchspersonen Nach ersten Gesprächen mit der Forschungsleitung von FH1 wurden Studierende des Studiengangs für Unternehmensführung als mögliche Versuchspersonen ausgewählt. Dieser Studiengang wurde als besonderes geeignet betrachtet, und auch seine Leitung zeigte großes Interesse an der Fragestellung, da dort in der Vollzeit-Studienform bis zu 50% der Vorlesungen in englischer Sprache (bilingual) absolviert werden können. Dafür müssen die Englischkenntnisse der Studierenden auch dementsprechend hoch sein. Man versprach sich somit aus den Testergebnissen auch Rückschlüsse auf Unterschiede zwischen den Studierenden im bilingualen und im einsprachigen Lehrgang. An dieser Fachhochschule besteht das Selektionsverfahren aus Tests zu mathematisch-logischem Verständnis, verbaler Intelligenz/ Kreativität und Englisch mit einer Gesamtdauer von ca. drei Stunden sowie einem persönlichen Interview. Im Jahr 2009 wurden von 5419 InteressentInnen an der 41 Die Namen der beiden Fachhochschulen werden aus Datenschutzgründen nicht genannt. <?page no="181"?> 181 Fachhochschule nur 676, also nur ca. 12% aufgenommen; im Studiengang Unternehmensführung - Entrepreneurship 185 von 892 BewerberInnen, also rund 20%. 42 Es ist somit anzunehmen, dass die Studierenden dieser Fachhochschule ein hohes Potential aufweisen. Nach Beratungen mit der Studiengangsleitung wurde eine Teilnahme von Studierenden des gesamten Jahrgangs im dritten Studiensemester zugesichert. Dieser bestand aus drei Vollzeit-Kohorten, von denen eine zweisprachig (deutsch-englisch) geführt wurde. Insgesamt handelte es sich um 74 Studierende, davon 20 im bilingualen Zweig. Die Studierenden nahmen im Rahmen einer Lehrveranstaltung für Business English an dem Versuch teil. Diese Lehrveranstaltung wurde jede Woche an drei Terminen abgehalten: einer für die Gruppe Vollzeit I, einer für die Gruppe Vollzeit II und einer für die Gruppe Bilingual. Um sicherzustellen, dass die Verteilung der Studierenden auf die beiden Versuchsgruppen (Gruppe A - Original und Gruppe B - Verdolmetschung) möglichst ausgewogen sein würde, wurde die Leitung gebeten, die Durchschnittsnoten der Studierenden sowie deren Englischnote aus den vorangegangenen zwei Semestern zur Verfügung zu stellen. Anhand dieser beiden Variablen wurden die Versuchspersonen unabhängig von ihren Lehrveranstaltungsgruppen parallelisiert und anschließend unter Zuhilfenahme des Programms Research Randomizer 43 zufällig auf die zwei Versuchsgruppen aufgeteilt. Somit wurde dafür gesorgt, dass in jeder Gruppe gleich viele Studierende mit einem hohen Notendurchschnitt und guten Englischnoten waren. Zum Versuch erschienen 58 der Studierenden, davon 18 aus der bilingualen Gruppe. Davon waren 27 (46,6%) der Gruppe A (Originalrede) und 31 (53,4%) der Gruppe B (Verdolmetschung) zugeteilt. Das leichte Ungleichgewicht ergab sich daraus, dass von den Studierenden, die bei der Randomisierung Gruppe A zugeteilt worden waren, mehr Personen fehlten als in Gruppe B. Das durchschnittliche Alter der Versuchspersonen betrug 21,6 Jahre, mit einem Median von 21. Die jüngsten ProbandInnen waren 19, der/ die älteste 27 Jahre alt (siehe Tabelle 32). 42 Alle Daten stammen vom Kooperationspartner FH1. 43 Siehe http: / / www.randomizer.org (05.10.2011) <?page no="182"?> 182 Alter n gültig fehlend 56 2 Mittelwert 21,6 Median 21 Standardabw. 1,9 Minimum 19 Maximum 27 Tabelle 32 - Alter der VP - FH1 Bezüglich des Geschlechts war die Versuchsgruppe - im Gegensatz zu den Versuchspersonen aus dem Pilotversuch - relativ ausgewogen mit 26 weiblichen (44,8%) und 32 männlichen (55,2%) Studierenden (siehe Abbildung 10). Abbildung 10 - Geschlecht der VP - FH1 Alle ProbandInnen gaben Deutsch als Erstsprache an. Bezüglich ihrer L1 unterscheiden sich die Studierenden der FH1 demnach grundlegend von jenen des Zentrums für Translationswissenschaft, die am Pilotversuch teilgenommen hatten. Gruppe A wurde gebeten, ihre Englischkenntnisse beim Hörverständnis auf einer Skala von 1 bis 7 (1=very good to 7=very poor) zu beurteilen. Da es sich um eine subjektive Einschätzung handelt und man nicht davon ausgehen kann, dass die ProbandInnen die Abstände zwischen den Skalenwerten als genau gleich groß beurteilt hatten, wird diese als Ordinalskala behandelt. Modus und Median betrugen jeweils 3. Der schlechteste Skalenwert 7 wurde von keiner Versuchsperson gewählt. Insgesamt können die Hörverständniskenntnisse der Versuchspersonen der Gruppe A im 45% 55% Weiblich Männlich <?page no="183"?> 183 Englischen somit als gut bezeichnet werden. Sie liegen allerdings unter den Werten der Versuchspersonen aus dem Pilotversuch (siehe Tabelle 33). FH1 - EN Pilot - EN n 27 25 Median 3 2 Modus 3 2 Minimum 1 1 Maximum 6 6 Tabelle 33 - Englisch Hörverständnis VP - FH1 und Pilot Des Weiteren wurden die ProbandInnen in Gruppe A gebeten, anzugeben, wie oft sie Englisch mit Personen sprechen, die es als Lingua Franca benutzen. Keine der Versuchspersonen gab an, dies noch nie getan zu haben, 25,9% der Versuchspersonen gaben an, dies selten zu tun, 25,9% manchmal und 48,1% oft oder sehr oft (siehe Abbildung 11). Damit hatte fast die Hälfte der ProbandInnen schon (sehr) viel Kontakt zu nichtmuttersprachlichem Englisch gehabt. Abbildung 11 - Kontakt mit ELF in % - FH1 Außerdem wurden die Versuchspersonen in Gruppe A auch befragt, ob sie schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hätten, also Erfahrung mit dem spezifischen NNS-Akzent hatten. 70,4% antworteten mit Ja, 22,2% mit Nein und 7,4% waren sich nicht sicher. Von denjenigen, die positiv geantwortet hatten, gaben 14,8% an, dass sie ItalienerInnen schon oft Englisch 14,8 33,3 25,9 25,9 0 5 10 15 20 25 30 35 sehr oft oft manchmal selten <?page no="184"?> 184 sprechen gehört hatten, 33,3% ein paar Mal und 22,2% selten (siehe Abbildung 12). Der Großteil der Versuchspersonen hatte somit schon Italiener- Innen Englisch sprechen gehört und eine gewisse Erfahrung damit gesammelt. Abbildung 12 - Kontakt mit IT-NNS in % - FH1 Aus den Antworten der ProbandInnen auf die offene Frage nach dem kommunikativen Setting dieser Interaktionen wurden fünf Kategorien gebildet: - Ausbildung - Medien - Freizeit - Italien - Urlaub Die Kategorien Freizeit, Italien und Urlaub sind klar informelle Settings. Aber auch bei den anderen beiden Kategorien wurden größtenteils informelle Kommunikationssituationen beschrieben, z.B.: Ausbildung: Sprachkurs, Schüleraustausch, exchange students Medien: funny videos in the internet, football games Es kann also festgehalten werden, dass die überwiegende Mehrheit der Versuchspersonen mit konkreten Kommunikationssituationen wie jener im Experiment mit italienischen NNS wenig Erfahrung hatten. Einige Versuchspersonen gaben auch bei der Frage nach dem allgemeinen ELF- Kontakt an, in welchen Settings dieser meist stattfand. Auch hier gaben fünf Versuchspersonen an, dies sei meist an der Fachhochschule oder mit Austauschstudierenden - also im universitären Umfeld der Fall. 14,8 33,3 22,2 22,2 7,4 0 5 10 15 20 25 30 35 oft ein paar Mal selten nie unsicher <?page no="185"?> 185 Die Versuchspersonen in Gruppe B sollten im Fragebogen angeben, ob sie schon einmal eine Simultanverdolmetschung bei einer Konferenz oder Tagung gehört hätten. Sieben Versuchspersonen (22,6%) antworteten mit Ja, die überwiegende Mehrheit, nämlich 24 Versuchspersonen (77,4%) mit Nein (siehe Abbildung 13). Abbildung 13 - Dolmetscherfahrung in % - FH1 Nur einige der Versuchspersonen, die schon Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten, gaben an, wie oft sie schon eine Simultanverdolmetschung bei einer Konferenz genutzt hatten, bei allen war es ein einziges Mal. Man kann also sagen, dass das Publikum sehr wenig bis gar keine Erfahrung mit Verdolmetschungen hatte. 5.7.3 Ablauf Der Hauptversuch fand an drei Terminen - entsprechend den Lehrveranstaltungsterminen der Studierenden der Gruppen Vollzeit I, II und Bilingual - am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien statt. Die Gruppe Bilingual (n=18) wurde am 03.11.2009 von 8: 30-10: 55 getestet, die Gruppe Vollzeit 2 (n=14) am 05.11.2009 von 11: 15-13: 40 und die Gruppe Vollzeit 1 (n=26) am 06.11.2009 von 11: 15-13: 40. Wie schon der Pilotversuch fand auch diese Versuchsreihe im Hörsaal 1 des ZTW statt, der bereits unter 5.6.2 beschrieben wurde. Allerdings wurde beim Hauptversuch nicht die hauseigene Dolmetschanlage verwendet, sondern eine externe eines Konferenztechnikunternehmens. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Verdolmetschung mit der gleichen Audioqualität wie das Original eingespielt würde. Dafür wurden im Hörsaal Infrarotsender aufgebaut, über die - je nach Versuchsgruppe - die Tonspur des Originals bzw. der 22,6% 77,4% Erfahrung keine Erfahrung <?page no="186"?> 186 Verdolmetschung auf die Empfänger-Kopfhörer der Versuchspersonen übertragen wurde. Den Studierenden wurden schon am Eingang des Hörsaals der ihnen laut Randomisierungsliste zugeteilte Fragebogen, auf dem der entsprechende Empfangskanal ausgewiesen wurde, und Funkkopfhörer ausgeteilt. Gleichzeitig wurden sie gebeten, den Fragebogen erst nach Aufforderung anzusehen. Als Versuchsleiter fungierte der Projektleiter Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Pöchhacker. Er erklärte einleitend, dass es um einen Versuch zum Thema Verstehen und Verständlichkeit in der Fachkommunikation und beim Simultandolmetschen ging. Dann beschrieb er die Funktionsweise der Funkempfänger und den Versuchsablauf, nämlich, dass die Hälfte der Versuchspersonen einen Vortrag auf Englisch und die andere Hälfte dessen Verdolmetschung ins Deutsche hören würde. Die Versuchspersonen wurden darauf hingewiesen, dass ihre Versuchsgruppe und der entsprechende Empfangskanal auf ihrem Fragebogen ausgewiesen seien, und gebeten, den angegebenen Kanal einzustellen und während des Vortrags nicht zu ändern, da sonst das Funktionieren des gesamten Versuchs gefährdet wäre. Der Versuchsleiter spezifizierte des Weiteren, dass der Vortragende ein Professor der Bocconi-Universität Mailand sei, der zum Thema Postmoderne und Marketing sprechen würde. Dabei sollten sich die Studierenden wie in einer Konferenzsituation verhalten, aber keine Notizen machen. Anschließend wurde das Originalvideo mit dem Originalton über den Hauptcomputer im Saal eingespielt. Das Bild war auf der Saalleinwand zu sehen, das Audio über die Funkkopfhörer der Dolmetschanlage für Gruppe A zu hören. Die Audiodatei der Verdolmetschung wurde von einem Laptop ebenfalls über die externe Dolmetschanlage eingespeist und auf dem Kanal eingespielt, der für Gruppe B ausgewählt worden war. Wie schon beim Pilotversuch wurde die aufgenommene Verdolmetschung von einer Dolmetscherin in einer der fest eingebauten Dolmetschkabinen im Saal tonlos mitgesprochen, um den ZuhörerInnen den Eindruck zu vermitteln, sie würden eine Live-Verdolmetschung hören. Nach Ende des Vortrags und der Verdolmetschung wurden die Versuchspersonen gebeten, den bereits ausgeteilten Fragebogen auszufüllen. Ihnen wurde versichert, dass nicht sie selbst getestet würden, sondern die kognitive Wirkung des Vortrags, dass der Fragebogen völlig anonym sei und keinerlei Auswirkung auf ihre Benotung habe. Sie wurden auch gebeten, die Fragen auf Basis dessen, was sie gehört hatten, zu beantworten und nicht zu raten (vgl. 5.5.3.1). Der Versuchsleiter wies außerdem darauf hin, dass Mehrfachantworten als solche gekennzeichnet wären und alle anderen Multiple-Choice-Fragen nur eine richtige Antwort hätten. Des Weiteren wurde es den ZuhörerInnen in Gruppe A, deren Fragebogen auf Englisch <?page no="187"?> 187 formuliert worden war, freigestellt, die offenen Fragen auf Deutsch oder Englisch zu beantworten. Damit sollte vermieden werden, dass die Fähigkeit der aktiven Sprachproduktion in der L2 die Testergebnisse beeinflusst. Den Studierenden wurde kein Zeitlimit gesetzt. Nachdem alle Versuchspersonen die Fragebögen fertig ausgefüllt hatten, wurden diese eingesammelt. Die ProbandInnen erhielten abschließend noch die Möglichkeit, Fragen zum Versuch zu stellen. 5.7.4 Auswertung Die Antworten aus den ausgefüllten Fragebögen wurden nach dem unter 5.5.6 beschriebenen System kodiert und mit dem Statistikprogramm PASW Statistics 18 (ehemals SPSS) bearbeitet. Es folgt die Beschreibung der wichtigsten deskriptiven Statistiken und auch einiger inferenzierter Ergebnisse aus den Daten der Hauptstudie. Bei den inferenzstatistischen Auswertungen stellt sich die Frage der Grundgesamtheit, auf die die Ergebnisse aus dem Versuch generalisiert werden könnten. Eigentlich kann diese nur die Gesamtheit aller FH-Studierenden des betroffenen Semesters dieses Studiengangs oder vielleicht noch Wirtschaftstudierenden in einer vergleichbaren Studienphase darstellen. Eine Generalisierung auf alle WirtschaftsexpertInnen wäre nicht zulässig. Die Daten können jedoch trotzdem interessante Tendenzen aufzeigen. 5.7.4.1 Vergleich Gesamtscore Gruppe A (EN) und Gruppe B (DE) Zuerst wurde die Hauptfragestellung dieser Studie untersucht, nämlich, ob die kognitive Wirkung bzw. das kognitive Endergebnis des nichtmuttersprachlichen Fachvortrags und dessen Verdolmetschung ins Deutsche für ein deutschsprachiges Fachpublikum vergleichbar sei. Dazu wurden zuerst die Mittelwerte des Gesamttestscores der beiden Versuchsgruppen verglichen. Dabei zeigte sich, dass Gruppe B, die die deutsche Verdolmetschung gehört hatte, die Fragen zum Text deutlich besser beantworten konnte als Gruppe A, die den NNS-Originalredner gehört hatte. Während der durchschnittliche Score von Gruppe A 8,07 Punkte betrug, lag jener der Gruppe B bei 11,98 von 19 zu erreichenden Punkten (siehe Abbildung 14). <?page no="188"?> 188 Abbildung 14 - Testscore nach Versuchsgruppe - FH1 Auch der Median sowie das Minimum und Maximum der erreichten Punktezahl lagen bei Gruppe A deutlich unter jenem von Gruppe B (siehe Tabelle 34). EN Gruppe A DE Gruppe B n 27 31 Mittelwert 8,07 11,98 Median 7,5 12,5 Standardabw. 3,3 4 Minimum 2,14 4,57 Maximum 14 17,50 Tabelle 34 - Basisdaten Score - FH1 Mit Hilfe eines t-Tests sollte untersucht werden, ob der Unterschied zwischen den Gruppen dieser Stichprobe nur zufällig zustande gekommen war. In beiden Gruppen war eine Normalverteilung gegeben und somit auch die Voraussetzung für den Test erfüllt. Dieser ergab, dass der Mittelwertunterschied zwischen den beiden Gruppen nicht zufällig war (t=- 4,066; df=56; p=0,000<0,05), somit signifikant ist und auch in der Grundgesamtheit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu finden ist. 5.7.4.2 Vergleich Score aus MC-Items Gruppe A und Gruppe B Da bei den halboffenen Fragen nicht völlig geklärt ist, ob auch die Merkfähigkeit der Versuchspersonen einen Einfluss auf den Gesamtscore haben 8,07 11,98 1 4 7 10 13 16 19 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="189"?> 189 könnte (vgl. 5.5.3), wurde ein Gruppenvergleich ohne diese Items, also nur bezüglich des Scores der Multiple-Choice-Items angestellt. Aber auch dabei zeigte sich bei Gruppe B mit der Verdolmetschung ein eindeutig höherer Score. Von zehn zu erreichenden Punkten erreichte Gruppe A einen Mittelwert von 4,49, während Gruppe B 6,5, also zwei Punkte mehr erzielen konnte (siehe Abbildung 15). Abbildung 15 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - FH1 Auch die anderen Basisdaten von Gruppe B liegen deutlich über jenen von Gruppe A (siehe Tabelle 35). EN Gruppe A DE Gruppe B n 27 31 Mittelwert 4,49 6,50 Median 4,42 7 Standardabw. 1,8 1,8 Minimum 1 3 Maximum 7,42 9,21 Tabelle 35 - Basisdaten MC-Score - FH1 Dies bedeutet, dass der Unterschied zwischen den Gruppen - auch wenn man die halboffenen Fragen ausklammert - sehr hoch ist. Dieser erwies sich bei einem t-Test ebenfalls als statistisch hoch signifikant (t=-4,351; df=56; p=0,000<0,05). Es ist somit unwahrscheinlich, dass der Unterschied beim MC-Score zufällig in dieser Gruppe zustande kam. 4,49 6,5 0 2 4 6 8 10 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="190"?> 190 5.7.4.3 Vergleich Score aus halboffenen Fragen Gruppe A und Gruppe B Derselbe Vergleich wurde auch für die drei halboffenen Fragen angestellt. Hier wäre die maximal zu erreichende Punktezahl 9 gewesen, jeweils drei pro Item. Schon der erste Blick auf den Mittelwert im Gruppenvergleich zeigt, dass auch bei diesen Items der Unterschied zwischen Gruppe A und B circa zwei Punkte beträgt (siehe Abbildung 16). Abbildung 16 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - FH1 Auch aus den anderen Daten in Tabelle 36 geht hervor, dass die halboffenen Fragen ungefähr gleich gut beantwortet wurden wie die MC-Items. EN Gruppe A DE Gruppe B n 27 31 Mittelwert 3,58 5,48 Median 3,75 6 Standardabw. 2,5 2,7 Minimum 0 0 Maximum 8 8,5 Tabelle 36 - Basisdaten Score halboffen - FH1 Ein t-Test zeigte, dass der Gruppenunterschied auch bei den halboffenen Fragen statistisch hoch signifikant ist (t=-2,773; df=56; p=0,008<0,05). Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Unterschied reiner Zufall in dieser Versuchsgruppe ist, sehr gering ist. 3,58 5,48 0 3 6 9 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="191"?> 191 Der Gruppenvergleich nach Itemformat zeigt somit, dass der Gruppenunterschied - wie schon im Pilotversuch - unabhängig vom Fragetyp besteht. Die unterschiedlichen Formate beeinflussten somit die Differenz im Testscore nicht. 5.7.4.4 Gruppenvergleich nach Items Im Folgenden sollen nun die einzelnen Items getrennt im Gruppenvergleich gegenübergestellt werden. Zuerst wird jedoch die Itemschwierigkeit, die bereits unter 5.5.3.3 eingeführt wurde, noch einmal eingehend für diese Versuchsgruppe besprochen. Die Itemschwierigkeit lag im Versuch mit der FH1 bei allen Items im idealen Bereich, war also mittelhoch von 0,33-0,74. Als am schwierigsten erwies sich Item 4, eine einfache Multiple-Choice- Frage. Das leichteste Item war Frage 2 nach dem traditionellen Marketing. Interessant ist, dass die für die FH1-Studierenden drei schwierigsten Items allesamt einfache Multiple-Choice-Fragen waren. Erst danach in der Reihung kamen zwei halboffene Fragen (siehe Tabelle 90). Dies bestätigt aufs Neue, dass die halboffenen Fragen, bei denen die Variable Gedächtnis als Einflussfaktor stärker gewirkt haben könnte, nicht zu den schwierigsten gehörten. Ein Vergleich zwischen Haupt- und Pilotversuch zeigte, dass sich die Reihung nach Schwierigkeit bei den beiden Gruppen unterschied. Die fünf schwierigsten Items waren jedoch bei beiden Gruppen dieselben - wenngleich in einer anderen Anordnung (siehe Tabelle 37). Bei der FH1 gab es nur vier Items mit einer Schwierigkeit unter 0,5 (schwer), in der Pilotstudie fünf. <?page no="192"?> 192 Schwierigkeit FH1 Pilot hoch 4 5 5 3 3 6 6 7 7 4 11 9 9 1 1 10 8 11 10 2 niedrig 2 8 Tabelle 37 - Itemschwierigkeit - FH1 und Pilot Vergleicht man die Itemschwierigkeit nach Versuchsgruppe (siehe Tabelle 91), so zeigt sich, dass diese bei Gruppe A zwischen 0,22 und 0,67, bei Gruppe B jedoch zwischen 0,39 und 0,87 liegt. Das für Gruppe B schwierigste Item war also ca. so schwer wie das 5.-schwerste Item von Gruppe A. Das bedeutet, dass das für Gruppe B schwierigste Item bedeutend leichter war als jenes von Gruppe A. Dies spiegelt auch den Unterschied im Mittelwert des Testscores wider. Nach der Itemschwierigkeit sollen nun die erreichten Punkte nach verschiedenen Itemformaten getrennt betrachtet werden. 5.7.4.4.1 Einfache Multiple-Choice-Items Die Einzelergebnisse der einfachen MC-Items sollen nun nach Versuchsgruppe getrennt betrachtet werden (siehe Tabelle 92). Dieser Vergleich zeigt, dass Gruppe B, die die deutsche Verdolmetschung gehört hatte, auch bei jeder einzelnen Multiple-Choice-Frage mit Einfachantwort ein besseres Resultat erzielen konnte als Gruppe A, die den Originalredner gehört hatte. Sie hatten also nicht nur einen höheren Gesamtscore, sondern auch für diesen Itemtyp konsistent bessere Ergebnisse als Gruppe A. Am nächsten beieinander liegen die Gruppen bei Frage 8 nach der Bedeutung der Zukunft in der Postmoderne, deren Beantwortung den Zuhöre- <?page no="193"?> 193 rInnen allgemein leichter gefallen zu sein scheint. Ihre Itemschwierigkeit ist die zweitniedrigste. 5.7.4.4.2 Multiple-Choice-Items mit Mehrfachantwort Bei diesem Itemtyp konnten maximal je zwei Punkte erzielt werden, mit einer großen Bandbreite an Unterpunkten (vgl. 5.5.6). Der Mittelwertvergleich (A: 1 vs. B: 1,5) zeigt wie schon bei den einfachen MC-Items einen deutlichen Unterschied zu Gunsten von Gruppe B. Auch die Prozentzahl derer, die den maximalen Punktewert erreichten, ist bei Gruppe B (48,4%) deutlich höher als bei Gruppe A (14,8%) (vgl. Tabelle 93). Die zweite Multiple-Choice-Frage mit Mehrfachantwort war Frage 11 nach den Dimensionen des Lebens, die im postmodernen Ansatz berücksichtigt werden. Bei dieser gab es noch mehr Unterteilungen der Punkteanzahl, da drei der Antwortmöglichkeiten richtig waren - also eine mehr als bei Frage 1. Auch hier gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen dem Ergebnis von Gruppe A und B (sieheTabelle 94): Jene ProbandInnen, die die Verdolmetschung gehört hatten, haben einen deutlich höheren Durchschnittspunktewert (0,75 vs. 1,29). Auch bei dieser Frage hat somit Gruppe B eindeutig besser abgeschnitten. 5.7.4.4.3 Halboffene Fragen Bei den halboffenen Fragen konnten jeweils maximal drei Punkte erreicht werden. Der Kodierung (vgl. 5.5.6) entsprechend wurden für Falschantworten Punkte abgezogen. Für die einzelnen Fragen ergab sich folgendes Bild: Bei Frage 6 zeigt sich ein enormer Unterschied zwischen den Versuchsgruppen. Der Prozentsatz der Versuchspersonen mit null Punkten ist in Gruppe A mehr als doppelt so hoch wie in Gruppe B. Der Anteil derer mit drei Punkten ist in Gruppe A fünfmal niedriger (vgl. Tabelle 95). Auch bei der zweiten halboffenen Frage - Frage 7 - zeigt sich beim Gruppenvergleich ein ähnliches Bild (siehe Tabelle 96). Der Anteil der ProbandInnen mit null Punkten ist in Gruppe A mehr als doppelt so hoch wie in Gruppe B, der Prozentsatz jener mit drei Punkten mehr als dreimal niedriger. Bezüglich Frage 9 (siehe Tabelle 97) ist der Unterschied zwischen Gruppe A und B ebenfalls deutlich. Der Anteil jener, die die Frage nicht beantworten konnten, ist in Gruppe A um rund 10% höher als in Gruppe B. Der Prozentsatz an ProbandInnen mit der maximalen Punktezahl ist in Gruppe B mehr als doppelt so hoch wie in Gruppe A. Um die drei halboffenen Fragen besser vergleichen zu können, wurden die verschiedenen Punkte mit Kommastellen zu vier Kategorien um- <?page no="194"?> 194 kodiert: 0, ≤1, ≤2, ≤3. Vergleicht man nun die Gruppenresultate in dieser Kategorisierung, so zeigt sich wieder, dass Gruppe B bei allen Items in der Kategorie ≤3 weit bessere Werte erreichte als Gruppe A. Bei den Fragen 6 und 7 sind sie fast doppelt so hoch (siehe Tabelle 38). 0 ≤1 ≤2 ≤3 Mittelwert Punkte Frage 6 EN 59,3% - 18,5% 22,2% 0,94 DE 25,8% 3,2% 29% 42% 1,75 Frage 7 EN 48,1% 3,7% 22,2% 25,9% 1,11 DE 22,6% 6,5% 22,6% 48,4% 1,83 Frage 9 EN 29,6% 7,4% 18,5% 44,4% 1,53 DE 19,4% 6,5% 12,9% 61,4% 1,9 Tabelle 38 - Vergleich der halboffenen Fragen nach Gruppen Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Einzelauswertung der Daten nach Items zeigte, dass Gruppe B, die die Verdolmetschung gehört hatte, nicht nur den Gesamtscore betreffend, sondern auch bezüglich jedes einzelnen Items ein - meist deutlich - besseres Durchschnittsergebnis erzielen konnte als Gruppe A. 5.7.4.5 Verständnisbewertung Dieser Abschnitt widmet sich der Frage „Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht)“ aus Teil B des Fragebogens. Es ging darum, zu erfragen, wie gut oder schlecht die Versuchspersonen ihr Verständnis des Vortrags/ der Verdolmetschung selbst einschätzten. Neben der „objektiven“ Untersuchung der kognitiven Wirkung anhand des Testergebnisses wurde somit auch eine subjektive Einschätzung des Verstehens vorgenommen. Es zeigte sich, dass Gruppe A das eigene Verständnis deutlich schlechter beurteilte als Gruppe B. Der Median und der Modus von Gruppe A waren um zwei Skalenwerte schlechter als jene von Gruppe B (siehe Tabelle 39). <?page no="195"?> 195 EN Gruppe A DE Gruppe B n 27 31 Median 5 3 Modus 5 3 Minimum 2 1 Maximum 7 6 Tabelle 39 - Verstehen Selbsteinschätzung - FH1 Die Möglichkeit, bei diesem Item auch freie Anmerkungen zu formulieren, wurde von vielen genutzt. Diese Kommentare werden nun für Gruppe A und B zuerst getrennt beschrieben. Danach wird auf Gemeinsamkeiten zwischen den Äußerungen eingegangen. Vier ProbandInnen (2, 6, 7, 8) in Gruppe A gaben an, den Sprecher meist verstanden zu haben. VP 2, 6, 8 konnten sich jedoch trotzdem im Nachhinein nicht an alles erinnern. VP 6 führte das auf den „Stil“ des Redners zurück. VP 7 war der Ansicht, dass es aufgrund des hohen Tempos und der wenigen Pausen schwierig war, dem Redner zu folgen. Dies wurde auch von zwei weiteren VP (6, 9) unter der nächsten Frage nach dem Akzent angemerkt. Allerdings war die Redegeschwindigkeit in Wirklichkeit nicht außergewöhnlich hoch (vgl. 5.3.3.2). Wie bereits erwähnt empfinden viele ZuhörerInnen - auch DolmetscherInnen - das Tempo von NNS als besonders hoch, auch wenn dem nicht so ist (vgl. 3.6.1 und 4.3.4.3). Eine andere Versuchsperson (VP 5) war der Ansicht, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Ideen des Redners fehlten. In Gruppe B wurde mehrmals angemerkt, dass es Konzentrationsprobleme gegeben hatte (VP 11, 17, 27), was auch von VP 7 in Gruppe A erwähnt worden war. VP 47 fehlte - ähnlich wie VP 5 in Gruppe A - der rote Faden im Text. Das bedeutet, dass sowohl die Originalrede als auch die Verdolmetschung beim Zuhören relativ gut verstanden wurden, es aber über die Versuchsgruppen hinweg Probleme bei der Konzentration gegeben hatte, die mehrmals auf den Stil und die Sprechgeschwindigkeit des Redners zurückgeführt wurden. Die Korrelation nach Spearman zwischen den Variablen Selbsteinschätzung des Verstehens und Score - also dem „subjektiven“ vs. dem „objektiven“ Verstehen - ergab ein gemischtes Bild: <?page no="196"?> 196 Gruppe Zusammenhang (r) Signifikanz (p) A und B -0,5 (mittel) 0,000 (zweiseitig) A -0,5 (mittel) 0,014 (zweiseitig) B -0,4 (gering) - Tabelle 40 - Korrelationen Verstehen-Score - FH1 Das bedeutet, dass - anders als im Pilotversuch - die Selbsteinschätzung des Verstehens von Gruppe A von FH1 eher dem tatsächlichen Testergebnis entsprach als jene von Gruppe B. Der Unterschied ist allerdings nicht sehr groß. Dieselbe Korrelation wurde nun getrennt für die Itemformate Multiple Choice und halboffene Fragen berechnet (siehe Tabelle 98). Der Zusammenhang war für die halboffenen Fragen vergleichbar mit jenen aus dem Gesamtscore. Interessant ist, dass dies auf das Multiple-Choice-Format nicht in der Form zutrifft. Hier war der Zusammenhang in beiden Gruppen gering (siehe Tabelle 99). Dies würde bedeuten, dass das objektive Verstehen bei den halboffenen Fragen die subjektive Einschätzung des Verstehens stärker beeinflusst haben könnte als bei den MC-Items. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass es den Versuchspersonen eventuell stärker bewusst wurde, dass sie eine Frage schlecht beantworten konnten, wenn sie tatsächlich etwas niederschreiben und nicht lediglich eine MC-Antwort ankreuzen mussten. Allerdings ist zu bedenken, dass auch bei den halboffenen Fragen der Zusammenhang nur mittelgradig ist. 5.7.4.6 Akzentbewertung In Teil B des Fragebogens wurden die Versuchspersonen von Gruppe A gebeten, den Akzent des Redners auf einer Skala von 1-7 (von 1=no perceptible foreign accent bis 7=very strong foreign accent) zu bewerten. Wie schon zuvor beschrieben wurde, darf diese Skala - obwohl dabei eine Einschätzung abgefragt wird - als Intervallskala betrachtet werden (vgl. 5.3.2.2). Der Mittelwert der Einschätzung betrug 5,37 mit einer Standardabweichung von 1,3 und einem Median und Modus von 6. <?page no="197"?> 197 FH1 ExpertInnen Pilot n 27 46 25 Mittelwert 5,37 5,48 5,76 Median 6 6 6 Modus 6 6 7 Standardabw. 1,3 1,1 1,3 Minimum 2 2 3 Maximum 7 7 7 Tabelle 41 - Akzentbewertung FH1, ExpertInnen und Pilot Vergleicht man die Bewertung mit den Daten aus der Pilotstudie und aus dem ExpertInnen-Rating, so zeigt sich, dass die Versuchspersonen von FH1 die mildesten BewerterInnen waren (siehe Tabelle 41). Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass sie - im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen - zumindest bei ihrer Ausbildung und Tätigkeit am wenigsten mit Sprachen zu tun haben und daher weniger sensibel auf Akzent reagieren dürften. Diese Überlegung steht jedoch im Gegensatz zu Ergebnissen aus der Akzentforschung, denen zufolge eher erfahrene ZuhörerInnen milder bewerten (vgl. 5.3.2.3). Wie schon beim ExpertInnenrating hatten die Versuchspersonen die Möglichkeit, Anmerkungen zur Bewertung zu machen. Dabei wurde abermals der starke Akzent, aber auch eine „horrible pronunciation” angesprochen (VP 2, 7, 8). Eine Versuchsperson (VP 6) glaubte sogar, italienische Wörter im englischen Vortrag gehört zu haben. Wie schon bei den ExpertInnen und in der Pilotstudie wurde jedoch von zwei VP (7, 8) angemerkt, dass der Redner trotz des starken Akzents gut zu verstehen und seine Grammatik gut gewesen war. Eine weitere VP (VP 2) meinte, dass die Aussprache das Verstehen einiger Wörter erschwert hatte. Außerdem beurteilten drei VP (6, 7, 9) das Sprechtempo des Redners als sehr schnell (vgl. vorangegangener Abschnitt) und seine Pausensetzung als nicht ausreichend, was es ihnen schwierig machte, sich zu konzentrieren oder über das Gesagte nachzudenken. Des Weiteren wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen den Variablen Akzentbewertung und Score gegeben hatte. Schon ein Streudiagramm zeigte klar, dass es - wie in der Pilotstudie - keine bedeutende Korrelation gab - auch nicht bei der Unterteilung des Scores in MC- Items und halboffene Fragen. Auch zwischen der Akzentbewertung und der Selbstbeurteilung des Verstehens gab es keinen bedeutsamen Zusammenhang. <?page no="198"?> 198 5.7.4.7 Bewertung der Dolmetschleistung In Item 13 des Fragebogens von Gruppe B ging es darum, die gehörte Dolmetschleistung auf einer siebenstelligen Skala zu bewerten (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht). Das Urteil fiel mit einem Modus und einem Median von jeweils 2 zwar gut aus, im Vergleich zu den Werten aus dem Pilotversuch ist die Beurteilung jedoch etwas strenger (siehe Tabelle 42). FH1 Pilot n 31 25 Median 2 2 Modus 2 1 Minimum 1 1 Maximum 7 3 Tabelle 42 - Bewertung der Dolmetschleistung - FH1 und Pilot Obwohl nur sieben der FH1-Studierenden Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten (vgl. 5.7.2), urteilten sie strenger und schöpften die Skala voll aus. 22,6% wählten Werte von 4-7, die von den Dolmetschstudierenden überhaupt nicht genutzt worden waren. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Versuchspersonen im Pilotversuch für das Dolmetschen im Allgemeinen mehr sensibilisiert waren als die FH1-Studierenden, die bisher nur selten mit DolmetscherInnen zu tun gehabt hatten. Die mangelnde Erfahrung der FH1-Studierenden zeigte sich beispielsweise daran, dass von mehreren ZuhörerInnen in den Anmerkungen angesprochen wurde, dass es irritierend gewesen sei, zum Video mit einem männlichen Redner eine Frauenstimme zu hören bzw. dass Audio und Video nicht übereinstimmten (VP 12, 27, 56). Es ist denkbar, dass sie bisher vor allem Verdolmetschungen in den Medien konsumiert hatten, wo üblicherweise das Geschlecht des Dolmetschers/ der Dolmetscherin dem des Redners/ der Rednerin entspricht. Außerdem ist davon auszugehen, dass Dolmetschstudierende um die Charakteristika des Dolmetschens besser Bescheid wissen, während sich die anderen Versuchspersonen möglicherweise eine Verdolmetschung erwarteten, die völlig gleich wie ein gesprochener Vortrag klingen sollte (vgl. Kalina 2005: 775). So gaben mehrere Versuchspersonen an, dass die Dolmetscherin zu viele Pausen gemacht oder „stockend“ oder „abgehackt“ gesprochen habe (VP 15, 30, 31, 47, 55, 56, 58). Nur zwei Versuchspersonen (49, 50) gaben an, noch nie eine Simultanverdolmetschung erlebt zu haben und daher keine Vergleichswerte zu haben. Weitere Kritikpunkte der FH1-Studierenden an der Dolmetschleistung betrafen Wortwiederholungen (VP 46), eine „unangenehme“ Aussprache <?page no="199"?> 199 mancher Konsonanten (VP 16), eine zu „wortwörtliche“ Übersetzung (VP 30) und das Gefühl, dass der Elan gefehlt habe und es einschläfernd gewirkt habe (VP 53). Es gab jedoch durchaus auch positive Anmerkungen: sehr deutlich und verständlich; wirklich gute Leistung (VP 10) klar und verständlich (VP 11) deutlich klar (VP 15) gut übersetzt (VP 18) angenehme Stimme (VP 45) VP 27 merkte an, dass die Verdolmetschung wohl schwierig gewesen sein musste, da die Rede viele Fachbegriffe enthielt. Nur eine Versuchsperson (56) sah sich nicht im Stande die Dolmetschleistung zu bewerten, da sie ja das Original nicht gehört hatte und somit keinen Vergleich anstellen konnte (vgl. 2.2.2.1). Insgesamt scheinen also wenig Erfahrung mit und Bewusstsein für das Dolmetschen und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten zu einer härteren Beurteilung von Dolmetschleistungen zu führen. Nach der Analyse der Anmerkungen der ProbandInnen wurde überprüft, ob die Bewertung der Dolmetschleistung und der Testscore korrelierten. Eine Spearman-Korrelation zeigte einen nur sehr geringen Zusammenhang (r=0,121). Versuchspersonen mit einem höheren Testscore beurteilten also in der Folge nicht unbedingt die Dolmetscherin besser oder bei einem niedrigen Score schlechter. Dies gilt auch für eine Untersuchung getrennt nach MC-Items und halboffenen Fragen. Zwischen den Variablen subjektive Verstehensbewertung und Dolmetschbewertung bestand einer Korrelation nach Spearman zufolge ein geringer Zusammenhang (r=0,271). Auch das subjektive Verstehen hatte somit lediglich einen geringen Einfluss auf die Bewertung der Dolmetscherin durch die Versuchspersonen. Als nächstes sollte überprüft werden, ob sich die Erfahrung mit Dolmetschen auf die Bewertung der Dolmetschleistung ausgewirkt hatte. Es gibt Studien, die Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen KundInnen ausmachen konnten. So fand Moser (1995: B-7f.) bei seiner Befragung von DolmetschkundInnen Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen NutzerInnen. Erstere ließen beispielsweise der inhaltlich richtigen Wiedergabe eine viel größere Bedeutung zukommen. Im vorliegenden Versuch wiesen Median und Modus auf eine strengere Bewertung durch die erfahreneren Versuchspersonen hin (siehe Tabelle 43). Dies widerspricht der zuvor aufgestellten Hypothese, dass wenig Erfahrung zu größerer Strenge in der Bewertung führen könnte. Aufgrund der geringen Anzahl an ProbandInnen mit Erfahrung und deren geringem <?page no="200"?> 200 Ausmaß an Erfahrung können jedoch keine verallgemeinerbaren Aussagen über das Zusammenspiel dieser beiden Variablen gemacht werden. DO-Erf. keine Erf. n 7 24 Median 3 2 Modus 2/ 3 1 Minimum 2 1 Maximum 5 7 Tabelle 43 - Dolmetschbewertung nach Dolmetscherfahrung - FH1 Eine Punkt-biseriale Korrelation zwischen den Variablen Dolmetscherfahrung und Score ergab nur einen geringen Zusammenhang (r=-0,21), der nicht signifikant war. 5.7.4.8 Einflussfaktor Hintergrundwissen Anders als im Pilotversuch können die Studierenden von FH1 zumindest als Semi-ExpertInnen im Bereich Marketing betrachtet werden. Daher sollen nun die Basisdaten zur Frage „Wie gut waren Ihnen die in der Rede angesprochenen Themen bekannt? (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt)“ in Pilotstudie und Hauptversuch näher betrachtet werden. Tabelle 44 zeigt, dass den FH1-Studierenden das Thema des Vortrags deutlich besser bekannt war als den Dolmetschstudierenden. Dieser Wissensüberhang dürfte es rechtfertigen, die Versuchspersonen von FH1 als ExpertInnen zu bezeichnen. FH1 Pilot n 58 50 Median 4 6 Modus 3 6 Minimum 2 1 Maximum 7 7 Tabelle 44 - Bekanntheit des Themas - FH1 und Pilot Die Anmerkungen der Versuchspersonen zur Bekanntheit des Themas waren relativ divergent. Einerseits gaben mehrere Versuchspersonen an, einige Themen aus ihrer Ausbildung zu kennen und dadurch die Zusammenhänge zu verstehen. Andererseits schien das spezielle Thema teils unbekannt zu sein: VP 11 merkte an, kein Vorwissen zum Thema zu haben. <?page no="201"?> 201 VP 4, 32 und 49 erwähnten, dass sie zwar mit Marketing an sich vertraut seien, aber dass die Postmoderne und Fragmentierung keine klassischen Wirtschaftsbegriffe seien. VP 57 fand den Inhalt nicht sehr spannend. Ein Vergleich des Testscores der beiden Versuchsgruppen sollte zeigen, ob dieser Vorteil bezüglich des Hintergrundwissens auch Auswirkungen auf das Ergebnis hatte. Aus Tabelle 45 wird ersichtlich, dass die höhere Bekanntheit des Themas nicht zu einem besseren Testergebnis der FH1- Studierenden führte, im Gegenteil: der Median des Testscores lag bei den Versuchspersonen der Pilotstudie deutlich höher, der Mittel-werte jedoch nur leicht über jenem der FH1. FH1 Pilot n 58 50 Mittelwert 10,16 10,43 Median 9,92 10,64 Standardabw. 4,1 4,1 Minimum 2,14 3,14 Maximum 17,50 17,68 Tabelle 45 - Score - FH1 und Pilot Besonders interessant ist jedoch ein Vergleich der beiden A-Gruppen, die den nichtmuttersprachlichen Redner hörten. Auch hier erzielten die Nicht- ExpertInnen aus dem Pilotversuch ein besseres Ergebnis, wenngleich der Unterschied nur sehr gering ausfiel (siehe Tabelle 46). Gruppe A FH1 Pilot n 27 25 Mittelwert 8,07 8,30 Median 7,5 7,82 Standardabw. 3,3 4 Minimum 2,14 3,14 Maximum 14 15,71 Tabelle 46 - Score Gruppe A - FH1 und Pilot Dieses Ergebnis deutet jedoch darauf hin, dass die Annahme, dass NNStypische Abweichungen durch ExpertInnenwissen kompensiert werden <?page no="202"?> 202 können, in diesem Fall nicht zutraf. Die FH1-ExpertInnen verstanden trotz deutlich besserer Kenntnis des Themas den NNS-Redner schlechter als die Nicht-ExpertInnen im Pilotversuch (vgl. 4.3.3). Als nächstes wurde die Variable Bekanntheit des Themas zwischen den beiden Versuchsgruppen von FH1 verglichen. Die Analyse zeigte, dass Gruppe B über deutlich weniger Hintergrundwissen verfügte. Median und Modus lagen klar unter dem von Gruppe A (siehe Tabelle 47). Trotzdem war der Testscore von Gruppe B klar höher als jener von Gruppe A (vgl. 5.7.4.1). EN Gruppe A DE Gruppe B n 27 31 Median 4 5 Modus 3 6 Minimum 2 2 Maximum 6 7 Tabelle 47 - Bekanntheit des Themas nach Versuchsgruppe - FH1 Auch in diesem Fall war somit das größere Hintergrundwissen kein Vorteil für die Beantwortung der Verständnisfragen zum Vortrag, im Gegenteil: die Gruppe, der die Themen des Vortrags weniger bekannt waren, erzielte bessere Ergebnisse im Verständnistest. Diese Ergebnisse werden durch eine Korrelation nach Spearman untermauert, der zufolge der Zusammenhang zwischen Hintergrundwissen und Testscore sehr gering ist (r=0,08). Die Ergebnisse der Studien aus Abschnitt 4.3.3 wurden somit in diesem Versuch nicht bestätigt. Das Resultat steht auch im Gegensatz zu den Ergebnissen des dolmetschwissenschaftlichen Versuchs von Grübl (2010: 69f. und 2.2.3.2) mit einem ähnlichen Versuchsdesign. Dabei erreichten die Versuchspersonen mit mehr Hintergrundwissen auch ein besseres - wenngleich auch nicht signifikant besseres - Testergebnis. 5.7.4.9 Einflussfaktor Englischkenntnisse Als nächstes wird die Frage beleuchtet, ob ZuhörerInnen mit einer höheren Selbsteinschätzung ihrer Englischkenntnisse in Gruppe A ein besseres Testergebnis erzielen konnten. Eine Spearman-Korrelation zeigte diesbezüglich, dass es einen mittleren Zusammenhang zwischen den beiden Variablen gab (r=-0,5), der auf dem Niveau von 0,01 (1-seitig) signifikant war (p=0,007). Dies bedeutet, dass ein mittlerer Zusammenhang <?page no="203"?> 203 zwischen guten Englischkenntnissen und einem höheren Score besteht. Es sei darauf hingewiesen, dass dieser Zusammenhang gerade noch der Kategorie „mittel“ zuzurechnen ist, die bei 0,5 beginnt und bei 0,69 endet (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2008: 137). Außerdem ist besonders bei dieser Frage nach den EN-Kenntnissen zu bedenken, dass sie nach Teil A mit den Verständnisfragen gestellt wurde. Es könnte sein, dass das Beantworten der Verständnisfragen die Selbsteinschätzung beeinflusst hatte. Score Zusammenhang (r) Signifikanz (p) gesamt -0,5 (mittel) 0,007 (einseitig) halboffen -0,5 (mittel) 0,005 (einseitig) MC -0,18 (sehr gering) - Tabelle 48 - Englischkenntnisse-Scores Interessant ist, dass dieser Vorteil der Versuchspersonen mit besseren Englischkenntnissen lediglich auf die halboffenen Fragen zuzutreffen scheint. Bei den Multiple-Choice-Items ist der Zusammenhang zwischen Englischkenntnissen und Testscore nur sehr gering (siehe Tabelle 48). 5.7.4.10 Einflussfaktor Erfahrung mit NNS Des Weiteren sollte geprüft werden, ob die Häufigkeit des Kontakts mit Englisch-NichtmuttersprachlerInnen das Testergebnis in Gruppe A beeinflusst hatte. Ein Vergleich der Scores zeigt, dass jene Versuchspersonen, die oft oder sehr oft mit NNS Englisch sprechen, einen höheren Score erreicht hatten als jene, die dies nur selten oder manchmal getan hatten (siehe Tabelle 49). Die Gruppen waren jedoch klein und die Standardabweichungen sehr unterschiedlich. Vor allem bei der Gruppe „sehr oft“ war sie sehr hoch. selten manchmal oft sehr oft n 7 7 9 4 Mittelwert 6,92 6,72 10,24 7,59 Median 6,43 7 11,14 7,79 Standardabw. 3 1,9 2,9 4,9 Minimum 3,43 4,25 4,71 2,14 Maximum 12,14 9,85 14 12,64 Tabelle 49 - Score nach ELF-Erfahrung - FH1 <?page no="204"?> 204 Um weitere Berechnungen anstellen zu können, wurden die vier Kategorien auf zwei reduziert. Dafür wurden die Kategorien „selten“ und „manchmal“ sowie „oft“ und „sehr oft“ zusammengelegt. So entstanden zwei fast gleich große Gruppen, deren mittlerer Score sich deutlich unterschied (siehe Tabelle 50). Die Versuchspersonen, die angaben, oft oder sehr oft mit NNS Kontakt zu haben, hatten einen deutlich besseren Score erzielt. weniger Kontakt mehr Kontakt n 14 13 Mittelwert 6,82 9,43 Median 6,72 10,5 Standardabw. 2,4 3,6 Minimum 3,43 2,14 Maximum 12,14 14 Tabelle 50 - Score nach ELF-Erfahrung II - FH1 Nach Feststellung der Normalverteilung wurde daher ein einseitiger t-Test durchgeführt, dessen Ergebnis auf dem 5%-Niveau signifikant war (t=- 2,235, df=25, p=0,035). Der Vorteil der Gruppe mit mehr NNS-Kontakt beim Verstehen dürfte somit auch in der Grundgesamtheit gegeben sein. Dieser Unterschied war auch bei einem Vergleich des Testscores getrennt nach MC-Items und halboffenen Fragen festzustellen (siehe Tabelle 100), was bedeutet, dass er durch das Itemformat nicht bedeutend beeinflusst wurde. Auf die Frage danach, ob das Ausmaß des Kontakts mit NNS eine Auswirkung auf die Akzentbewertung der Versuchspersonen hatte, gab der Vergleich der Mittelwerte und anderer Lagemaße keine schlüssige Auskunft. Den höchsten Wert bezüglich Akzent vergaben zwar jene ProbandInnen, die nur selten Interaktionen in Englisch als Lingua Franca haben, der zweithöchste stammt jedoch von jenen, die sehr oft mit NichtmuttersprachlerInnen Englisch sprechen (siehe Tabelle 51). <?page no="205"?> 205 selten manchmal oft sehr oft n 7 7 9 4 Mittelwert 5,71 5,29 5,11 5,50 Median 6 6 5 6 Standardabw. 1,8 1,1 1,3 1 Minimum 2 3 3 4 Maximum 7 6 7 6 Tabelle 51 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung - FH1 Aus diesem Grund wurden auch hier die Kategorien bezüglich des ELF- Kontakts auf zwei reduziert. Auch dadurch zeigte sich jedoch kein klareres Bild (siehe Tabelle 52). Die Daten deuten darauf hin, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Kontakts mit NNS und der Akzentbewertung gab. Dies wurde in einer Punkt-biserialen Korrelation bestätigt, bei der nur ein sehr geringer Zusammenhang festgestellt werden konnte (r=-0,105). weniger Kontakt mehr Kontakt n 14 13 Mittelwert 5,5 5,23 Median 6 6 Standardabw. 1,5 1,2 Minimum 2 3 Maximum 7 7 Tabelle 52 - Vergleich Akzentbewertung nach ELF-Erfahrung II - FH1 Dieses Ergebnis steht abermals im Widerspruch zu Ergebnissen aus der Akzentforschung, denen zufolge erfahrene ELF-ZuhörerInnen mildere Akzenturteile abgeben als unerfahrene (vgl. 5.3.2.3). 5.7.4.11 Einflussfaktor Bekanntheit des Akzents Als Fortführung der vorigen Forschungsfrage sollte nun untersucht werden, ob Vertrautheit mit dem spezifischen Akzent des italienischen Redners das Verständnis der ZuhörerInnen erhöhte, wie es in der Literatur des Öfteren erwähnt wurde (vgl. 4.3.2). Neunzehn der Versuchspersonen in Gruppe A gaben an, schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört zu <?page no="206"?> 206 haben. Sechs hatten keine Erfahrung. Die beiden Versuchspersonen, die sich nicht sicher waren, wurden aus diesem Vergleich ausgeschlossen. Ja Nein n 19 6 Mittelwert 7,77 9,05 Median 7,21 10,14 Standardabw. 3,3 3,8 Minimum 2,14 3,43 Maximum 14 12,75 Tabelle 53 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Überraschenderweise hatten jene Versuchspersonen, die noch nie ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hatten, einen höheren Durchschnittsscore. Dies widerspricht allen einschlägigen Studien (vgl. 4.3.2). Besonders hoch ist bei dieser eher kleinen Personengruppe jedoch auch die Standardabweichung. Auch wenn man den Score bei den halboffenen Items betrachtet, erzielte ebenfalls die Gruppe ohne Erfahrung mit italienischen NNS einen höheren Score, der Median ist jedoch gleich hoch (vgl. Tabelle 101). Bei den MC-Items zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei jedoch die Standardabweichung niedriger ist (vgl. Tabelle 102). Diese Daten relativieren sich jedoch, wenn man berücksichtigt, wie oft die Versuchspersonen der Gruppe „Ja“ Kontakt mit italienischen NNS hatten. Sie konnten nämlich als Weiterführung der Frage zwischen „sehr oft“, „oft“, „ein paar Mal“ und „selten“ differenzieren. Keine Versuchsperson wählte den Wert „sehr oft“, nur vier „oft“. Der Großteil der ProbandInnen mit Erfahrung (15 VP) verfügte somit nur über eine begrenzte Erfahrung mit italienischen NNS („ein paar Mal“ oder „selten“). Sie sind somit nicht wirklich mit den Daten aus anderen Studien zu vergleichen, in denen die Versuchspersonen ausgiebigeren Kontakt mit bestimmten NNS hatten. Vergleicht man die Mittelwerte des Testscores der ZuhörerInnen mit Erfahrung mit italienischen NNS, so deuten die Daten darauf hin, dass jene, die mehr Erfahrung hatten, ein besseres Ergebnis im Test erzielen konnten. Auch der Median stieg mit dem Ausmaß der Bekanntheit des italienischen Akzents. Die Gruppe mit dem höchsten Score bleibt aber trotzdem jene ohne Erfahrung (siehe Tabelle 54 und Abbildung 17). <?page no="207"?> 207 nie selten ein paar Mal oft n 6 6 9 4 Mittelwert 9,05 7,11 7,77 8,77 Median 10,14 6,73 7,21 8,78 Standardabw. 3,8 2,5 4,3 1,5 Minimum 3,43 4,29 2,14 7 Maximum 12,75 11,17 14 10,5 Tabelle 54 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Abbildung 17 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Somit zeigte sich zwischen den beiden Variablen Erfahrung mit dem bestimmten Akzent und Verstehen kein klarer Zusammenhang. Die Erfahrung mit dem italienischen Akzent war für die Versuchspersonen beim Verständnis somit nicht so eindeutig von Vorteil, wie es in manchen anderen Studien durchaus der Fall gewesen war (vgl. 4.3.2). Eine Person merkte jedoch explizit an, dass ihr die Bekanntheit des Akzents durchaus geholfen hatte: Ich habe öfters mit Italienern zu tun, die Englisch sprechen, daher war's für mich eher leichter. (VP 20) Bei der Prüfung der Frage, ob das Ausmaß der Erfahrung der Versuchspersonen mit italienischen NNS die Bewertung des Akzents des Redners beeinflusst hatte, deuten die Mittelwerte darauf hin, dass Versuchs- 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nie selten ein paar Mal oft Score Score <?page no="208"?> 208 personen mit mehr Erfahrung auch eine mildere Bewertung abgaben (siehe Tabelle 55). nie selten ein paar Mal oft n 6 6 9 4 Mittelwert 5,5 5,5 5,33 5 Median 6 5 6 5 Modus 6 5 6 4/ 6 Standardabw. 1,9 1,2 1,3 1,2 Minimum 2 4 3 4 Maximum 7 7 6 6 Tabelle 55 - Akzentbewertung nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Bei der Erstellung eines Streudiagramms zeigte sich jedoch keine Korrelation der beiden Variablen. 5.7.4.12 Alter Aufgrund der geringen Streuung des Alters der ProbandInnen (vgl. 5.7.2), wurde bereits angenommen, dass dieses keine besonderen Auswirkungen auf den Testscore haben würde. Ein Streudiagramm bestätigte, dass es keinen linearen Zusammenhang zwischen den Variablen Alter und Testscore gab. 5.7.4.13 Geschlecht Wie bereits in der Beschreibung der Versuchspersonen erwähnt, war der Anteil von Männern (32 VP) und Frauen (26 VP) relativ ausgeglichen. Der Geschlechtsunterschied in Bezug auf den Testscore ist sehr gering (siehe Tabelle 56). Männer Frauen n 32 26 Mittelwert 10,08 10,26 Median 9,85 10,47 Standardabw. 4,1 4,2 Minimum 3,43 2,14 Maximum 16,71 17,50 Tabelle 56 - Score nach Geschlecht - FH1 <?page no="209"?> 209 Im Versuchsgruppenvergleich zeigt sich ein gemischtes Bild: in Gruppe A (EN) erzielten die männlichen Versuchspersonen einen leicht höheren Score, in Gruppe B (DE) die weiblichen einen klar höheren. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ist der Unterschied zwischen Gruppe A und Gruppe B beträchtlich (siehe Tabelle 57). EN Gruppe A DE Gruppe B Geschlecht m w m w n 14 13 18 13 Mittelwert 8,35 7,78 11,42 12,76 Median 8,10 7,03 12,32 12,50 Standardabw. 3 3,6 4,5 3,1 Minimum 3,43 2,14 4,57 7,25 Maximum 12,64 14 16,71 17,50 Tabelle 57 - Score nach Geschlecht und Versuchsgruppe - FH1 Eine Korrelation nach Spearman zeigte jedoch nur einen geringen Zusammenhang (r=-0,35) zwischen den Variablen Geschlecht und Score. Bei einem U-Test nach Mann & Whitney zeigt sich, dass sich in Gruppe B die Mittleren Ränge zwar unterschieden (m: 14,94/ f: 17,46), dass der Unterschied jedoch nicht signifikant war. 5.7.4.14 Vergleich bilingualer - deutschsprachiger Studiengang Wie bereits eingangs beschrieben nahm an dem Versuch auch eine Kohorte teil, die den Studiengang zweisprachig absolviert. Diese Studierenden müssen schon im Aufnahmetest sehr gute Englischkenntnisse vorweisen können. Es ist anzunehmen, dass diese Kenntnisse durch den teilweisen Unterricht auf Englisch noch verbessert werden. Die Leitung der Fachhochschule war sehr an einem Vergleich zwischen dem bilingual und dem deutsch geführten Studiengang interessiert, der in der Folge vorgenommen werden soll. In Tabelle 58 findet sich eine Gegenüberstellung der Basisdaten des Testergebnisses der beiden Gruppen. <?page no="210"?> 210 Bilingual Deutsch n 18 40 Mittelwert 10,94 9,81 Median 12,39 9,73 Standardabw. 4,9 3,7 Minimum 2,14 3,43 Maximum 17,50 16,71 Tabelle 58 - Score bilingual - deutsch - FH1 Der Mittelwertsunterschied zwischen den Gruppen bilingual und deutsch scheint mit 10,94 zu 9,81 recht groß zu sein. Dasselbe gilt auch für den Median. Ein t-Test auf einem Signifikanzniveau von 5% ergab jedoch, dass der Mittelwertsunterschied zwischen den Gruppen höchst wahrscheinlich zufällig zustande gekommen war (t=-0,963; df=56; p=0,339). Von besonderem Interesse war, ob die bilingualen Studierenden in Gruppe A den Originalredner besser verstanden hatten als die Studierenden aus der deutschsprachigen Gruppe. Ein Vergleich der Mittelwerte und Mediane in Tabelle 59 zeigt, dass der durchschnittliche Score in Gruppe A bei den bilingualen Studierenden tatsächlich höher war. Gruppe A Bilingual Deutsch n 9 18 Mittelwert 8,47 7,87 Median 8,71 7,36 Standardabw. 4,3 2,8 Min 2,14 3,43 Max 14 12,43 Tabelle 59 - Score Gruppe A bilingual deutsch Auch hier sollte mittels eines t-Tests überprüft werden, ob dieser Unterschied zufällig war. Abermals zeigte der t-Test, dass die Differenz zwischen den beiden Gruppen bezüglich des Scores im englischen Verständnistest nur zufällig war (t=-0,446; df=25; p=0,660). Über bessere Englischkenntnisse zu verfügen bedeutet somit nicht generell einen Vorteil beim Verstehen von nichtmuttersprachlichen RednerInnen. <?page no="211"?> 211 5.7.5 Zusammenfassung - FH1 Der im Pilotversuch getestete Versuchsablauf und Fragebogen erwiesen sich auch im Hauptversuch als sehr tauglich. Die Einstufung der Versuchspersonen von FH1 als zumindest Semi- ExpertInnen erwies sich als gerechtfertigt. In der Selbsteinschätzung des Hintergrundwissens lagen ihr Median zwei Punkte und ihr Modus sogar drei Punkte über dem der Dolmetschstudierenden aus dem Pilotversuch, die in Bezug auf Alter und Bildungsniveau vergleichbar sind. Neben den Ergebnissen aus dieser Versuchsgruppe gestaltet sich auch der Vergleich der Ergebnisse von Pilotgruppe und FH1 als sehr interessant, wobei teils Parallelen, teils Abweichungen zu bemerken sind. Die Hauptfragestellung nach der Äquivalenz der kognitiven Wirkung/ des kognitiven Endergebnisses von AT und ZT konnte wie schon im Pilotversuch klar beantwortet werden. Auch bei FH1 erreichten die Versuchspersonen in Gruppe B, die die Verdolmetschung ins Deutsche hörten, einen deutlich höheren Durchschnittsscore als jene in Gruppe A, die den Nichtmuttersprachler auf Englisch hörten. Der Unterschied im Testergebnis betrug fast vier Punkte und erwies sich als statistisch signifikant, was bedeutet, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig zustande kam. Somit hatten die ExpertInnen den Vortrag eines NNS nicht - wie oft behauptet - gleich gut verstanden wie die Verdolmetschung in ihre L1. Im Gegenteil: die Gruppe mit Verdolmetschung erzielte sogar einen signifikant höheren Verständnisscore. Es zeigte sich auch, dass dieser Unterschied unabhängig vom Itemformat vorherrschte. Dies bestätigt, dass bei den halboffenen Fragen die Variable Gedächtnis das Endergebnis nicht verzerrt hatte, da auch ohne die halboffenen Fragen der Durchschnittsscore von Gruppe B deutlich höher gewesen wäre. Auch im Schwierigkeitsranking der einzelnen Items waren es nicht die halboffenen Fragen, die die höchste Itemschwierigkeit aufwiesen. Das erste dieser Items lag erst an vierter Stelle. Auch die Einzelauswertung der Items zeigte, dass die ProbandInnen in Gruppe B bei jedem einzelnen Item mehr Punkte erreicht hatten als jene in Gruppe A. Gruppe A beurteilte ihr eigenes Verständnis auch subjektiv deutlich schlechter als Gruppe B. Diese Einschätzung von Gruppe A korrelierte mittelgradig mit ihrem Testscore. Das bedeutet, dass jene Versuchspersonen in Gruppe A, die angaben, schlecht verstanden zu haben, oft auch tatsächlich einen niedrigeren Score erreicht hatten. Bei Gruppe B wurde lediglich ein geringer Zusammenhang festgestellt. Sie waren also weniger in der Lage, ihr eigenes Verstehen richtig einzuschätzen als die Versuchspersonen in Gruppe A. Interessant ist ein Vergleich mit dem Pilotversuch, bei dem es genau umgekehrt gewesen war und Gruppe B eine bessere Einschätzung ihres Verstehens abgegeben hatte als Gruppe A. <?page no="212"?> 212 Beim Akzentrating zeigte sich, dass die Versuchspersonen von FH1 den Redner auf der Skala etwas besser beurteilten als die ExpertInnen und die Versuchspersonen der Pilotstudie. Die frei formulierten Anmerkungen fielen jedoch teils sehr streng aus. Auch in dieser Versuchsgruppe wurde das vermeintlich hohe Sprechtempo des NNS angesprochen, was als weiterer Beleg dafür betrachtet werden kann, dass die Redegeschwindigkeit von NNS oft als höher wahrgenommen wird, als sie tatsächlich ist (vgl. 4.3.4.3). Zwischen Akzentbewertung und Score konnte kein Zusammenhang festgestellt werden. Ein schlechtes Testergebnis ging also nicht unbedingt mit einer strengen Akzentbewertung einher. Dasselbe galt für die Akzentbewertung und Verständnisbewertung. Wer den Akzent als stark einstufte, gab also nicht unbedingt auch an, schlecht verstanden zu haben. Dies entspricht Studien, denen zufolge eine Akzentbewertung nicht als Skala für Verständlichkeit verwendet werden kann (vgl. z.B. Munro/ Derwing 1999: 305). Die Bewertung der Dolmetscherin fiel in dieser Versuchsgruppe zwar gut, aber doch deutlich schlechter als im Pilotversuch aus. Auch die Kommentare der ProbandInnen waren teils sehr streng, obgleich sie wenig Dolmetscherfahrung besaßen. Die Tatsache, dass die Pilotgruppe die Dolmetscherin besser bewertet hatte, könnte auf das Phänomen der sozialen Erwünschtheit 44 zurückzuführen sein. Es wäre möglich, dass die Dolmetschstudierenden ein Mitglied ihrer sozialen Gruppe nicht schlecht beurteilen wollten, wohingegen die FH1-Studierenden diesbezüglich unvoreingenommener gewesen sein könnten. Ein weiterer Grund für den Unterschied in der Bewertung könnte jedoch auch die geringe Erfahrung der Versuchspersonen von FH1 mit DolmetscherInnen sein. Dies könnte zu unrealistischen Erwartungen an die Verdolmetschung - wie z.B. einen absolut perfekten Vortrag ohne Häsitationen oder ähnlichem - geführt haben. Ein Vergleich der Bewertung der Dolmetscherin durch erfahrenere Versuchspersonen mit unerfahrenen Versuchspersonen innerhalb von FH1 zeigte jedoch, dass die erfahreneren strenger geurteilt hatten als die unerfahrenen. Die geringe Größe der ersteren Gruppe und deren sehr beschränkte Erfahrung mit Dolmetschen darf jedoch bei einer Interpretation dieser Ergebnisse nicht vergessen werden. Die Dolmetschbewertung korrelierte weder mit dem Testscore, noch mit der Verstehenseinschätzung. Weder das subjektive noch das objektive Verstehen der Versuchspersonen hatte somit die Bewertung der Dolmetscherin stark beeinflusst. Bezüglich des Hintergrundwissens wurden die Studierenden der FH den Dolmetschstudierenden aus dem Pilotversuch gegenüber gestellt. Ob- 44 Unter sozialer Erwünschtheit versteht man die Tendenz von Versuchspersonen, so zu antworten, wie es ihrer Meinung nach der sozialen Norm entspricht (vgl. Raab- Steiner/ Benesch 2008: 60). <?page no="213"?> 213 wohl Erstere angaben, über ein deutlich höheres Hintergrundwissen zu verfügen, was ihren Semi-ExpertInnen-Status bestätigte, erreichten Letzere einen leicht höheren Testscore. Dies widerlegt die Behauptung, dass ExpertInnen Abweichungen von NNS durch ihr Wissen kompensieren können. Auch der Vergleich zwischen Gruppe A und B der FH1 bestätigte dies. Gruppe A hatte ein deutlich höheres Hintergrundwissen als Gruppe B, jedoch einen klar niedrigeren Testscore. In diesem Versuch war das Hintergrundwissen somit kein Vorteil beim Verstehen eines nichtmuttersprachlichen Redners. Anders als beim Pilotversuch, bei dem die Englischkenntnisse keinen Vorteil beim Verstehen dargestellt hatten, gab es in dieser Versuchsgruppe einen knapp als mittel einzustufenden Zusammenhang zwischen Englischkenntnissen und Testscore. Dieser Zusammenhang trifft jedoch bei getrennter Beobachtung nur auf die halboffenen Items, nicht aber auf die Gesamtheit der MC-Items zu. Das würde bedeuten, dass die Englischkenntnisse eventuell vor allem dann, wenn etwas nicht nur erkannt, sondern auch wiedergegeben werden muss, einen bedeutenderen Einflussfaktor darstellen. Einen weiteren Hinweis auf den Einfluss der Englischkenntnisse bietet ein Vergleich zwischen den Studierenden aus dem deutschsprachigen und aus dem bilingualen Lehrgang, bei dem anzunehmen ist, dass die Studierenden die Fremdsprache besser beherrschen, was sie auch beim Auswahlverfahren beweisen mussten (vgl. 5.7.2). Dabei zeigte sich in Gruppe A ein Unterschied beim Testergebnis von über einem Punkt zugunsten der bilingualen Gruppe. Dieser erwies sich jedoch nicht als statistisch signifikant. Dies würde bedeuten, dass die wahrscheinlich besseren Englischkenntnisse den Versuchspersonen in dieser Studie beim Hörverständnistest halfen. Dieser Vorteil führt jedoch nicht immer zwangsläufig zu einem besseren Verständnis eines nichtmuttersprachlichen Redners. Als noch bedeutender erwies sich die Korrelation zwischen Erfahrung mit NNS und dem Testergebnis. Hier zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe mit viel oder sehr viel Kontakt mit NNS und der Gruppe jener, die nur selten oder manchmal mit NNS interagierten. Dies bestätigt die Annahme, dass sich Erfahrung mit und Bekanntheit von Akzenten allgemein positiv auf das Verstehen von NNS auswirken können (vgl. 4.3.2). Dies wurde jedoch nicht für die Erfahrung mit dem spezifischen Akzent - italienischem Englisch - bestätigt, die in dieser Versuchsgruppe keinen klaren Vorteil für das Verstehen des NNS darstellte. Weder das Ausmaß an Kontakt mit NNS allgemein, noch jenes mit italienischen NNS hatte eine Auswirkung auf die Akzentbewertung. Diese scheint bei diesen Versuchspersonen nicht von der Bekanntheit des Akzents beeinflusst worden zu sein, was im Gegensatz zu Ergebnissen aus <?page no="214"?> 214 der Akzentforschung steht, die besagen, dass erfahrene ZuhörerInnen Akzente milder beurteilen. Das Alter der Versuchspersonen scheint keinen großen Einfluss auf das Testergebnis ausgeübt zu haben, wobei die Altersspanne der Gruppe auch nicht sehr groß war. Was das Geschlecht betrifft, so lagen die weiblichen Versuchspersonen insgesamt knapp vor den männlichen. In Gruppe A konnten jedoch die Probanden einen ca. einen halben Punkt höheren Mittelwert vorweisen. Dies als Anzeichen dafür zu nehmen, dass Männer NNS besser verstehen, ist jedoch wohl zu weit hergeholt. In Gruppe B hingegen lagen die Zuhörerinnen um über einen Punkt vorne. Dies scheint jedoch ebenfalls auf Zufall zu beruhen. Besonders interessant ist insgesamt die Tatsache, dass das Testergebnis im Pilotversuch mit Nicht-ExpertInnen besser ausgefallen war, obwohl diese weniger Hintergrundwissen aufwiesen, weniger Interesse an dem Thema hatten und damit wohl auch eine geringere Motivation. Es ist jedoch durchaus möglich, dass sie als Studierende der Translationswissenschaft schon mehr Erfahrung mit NNS haben und allgemein sprachbegabter sind, womit sie eventuell auch die Defizite des NNS-Redners besser ausgleichen konnten. Warum aber die TranslatorInnen mit weniger Hintergrundwissen, von denen ein Großteil nicht Deutsch als Erstsprache hatten, auch in Gruppe B besser abschnitten als die (Semi-)ExpertInnen, ist völlig unklar. <?page no="215"?> 215 5.8 Zweitstudie - FH2 Neben der bereits beschriebenen FH1 konnte eine weitere Fachhochschule (FH2) als zweiter Kooperationspartner des QuaSI-Projekts gewonnen werden. Der hier beschriebene Versuch mit den Studierenden von FH2 wurde - wie der Versuch mit FH1 - gemeinsam mit einem weiteren Versuch für zwei andere QuaSI-Teilprojekte 45 abgehalten. Während bei FH1 das hier beschriebene Experiment vor den anderen beiden Versuchen durchgeführt wurde, wurde bei FH2 zuerst ab 17: 30 abends der Versuch der Teilprojekte 2 und 3 durchgeführt. Die Versuchspersonen hatten somit schon einen ca. 45-minütigen Versuchsablauf mit ähnlichem Design hinter sich, als das hier beschriebene Experiment gestartet wurde. Auch im Versuch der Teilprojekte 2 und 3 wurden sie gebeten, einen Vortrag anzuhören und anschließend Verständnisfragen dazu zu beantworten. Daher ist davon auszugehen, dass die Versuchspersonen bei Beginn des hier dargestellten Versuchs schon ermüdet waren, was vier Studierende auch im Fragebogen unter Allgemeines anmerkten. Sie erklärten, dass sie schon seit früh morgens an der Fachhochschule seien und durch den langen Tag und die Erschöpfung Probleme gehabt hätten, sich zu konzentrieren (VP 2, 16, 17, 18). Des Weiteren waren die Studierenden durch den vorangegangenen Versuch auch mit dem experimentellen Design weitgehend vertraut. Dies bedeutete, dass sich die Voraussetzungen für diese Versuchsgruppe in zwei Punkten von jenen der Versuchspersonen von FH1 unterschieden. Die Versuchsbedingungen waren nicht völlig identisch, weshalb beschlossen wurde, die Daten von FH2 in ein eigenes Datenblatt aufzunehmen und als Nebenstudie zu behandeln. 5.8.1 Versuchspersonen In vielen anderen Punkten gibt es jedoch eine hohe Übereinstimmung zwischen den Versuchspersonen der beiden Fachhochschulen. Auch an FH2 gibt es einen Studiengang für Unternehmensführung, der jenem von FH1 sehr ähnelt. BewerberInnen werden ebenfalls in einem Auswahlverfahren mit einem Multiple-Choice-Test (Europäische Wirtschaft, Englisch) und einem Interview selektiert. Auf einen Studienplatz kamen im Jahr 2008 durchschnittlich zwei BewerberInnen. 46 Somit ist auch hier davon auszugehen, dass es sich um sehr qualifizierte Studierende handelt. 125 Studierende aus dem dritten Semester des Vollzeitstudiengangs und des berufsbegleitenden Studiengangs sollten an dem Versuch teilneh- 45 Siehe http: / / quasi.univie.ac.at/ subprojects sowie Holub (2010) und Rennert (2010). 46 Alle Daten stammen vom Kooperationspartner FH2. <?page no="216"?> 216 men. Auch von ihnen standen die Durchschnittsnote und die Englischnote aus dem vorhergegangenen Semester zur Verfügung, nach denen sie vor der Randomisierung parallelisiert werden konnten. Aufgrund widriger organisatorischer Umstände erschienen nur 31 der Studierenden zum Versuch an der FH2. Davon waren neun Vollzeitstudierende, 22 besuchten die FH2 berufsbegleitend. Laut einer Studie üben nur 12,9% der Studierenden, die berufsbegleitend eine Fachhochschule besuchen, keine facheinschlägige Tätigkeit aus (vgl. Hoyer/ Ziegler 2002: 389). Daher ist anzunehmen, dass die meisten der Studierenden aus dem berufsbegleitenden Zweig bereits im Bereich Wirtschaft tätig waren. 74% der AbsolventInnen von berufsbegleitenden Studien üben des Weiteren sofort nach dem Abschluss Tätigkeiten mit Leitungsfunktionen aus (vgl. S. 77). Somit entsprechen diese Studierenden am ehesten tatsächlichen ExpertInnen. 15 der anwesenden Versuchspersonen waren bei der zuvor durchgeführten Randomisierung Gruppe A zugeteilt worden (Original), 16 Gruppe B (Verdolmetschung). Somit war glücklicherweise eine vergleichbare Gruppengröße gegeben. Das Alter der ProbandInnen lag zwischen 20 und 33 Jahren, mit einem Durchschnittsalter von 24,9 Jahren (siehe Tabelle 60). n=30 Alter Mittelwert 24,9 Median 24 Standardabw. 4 Minimum 20 Maximum 33 Tabelle 60 - Alter der VP - FH2 13 der Versuchspersonen waren weiblich (41,9%), 18 männlich (58,1%) (siehe Abbildung 18). <?page no="217"?> 217 Abbildung 18 - Geschlecht der VP - FH2 Die Erstsprache von 29 Versuchspersonen war Deutsch, 2 hatten eine andere Erstsprache (serbisch, polnisch), Deutsch war jedoch ihre Bildungssprache. Gruppe A wurde gebeten, ihre Englischkenntnisse beim Hörverständnis auf einer Skala von 1 bis 7 (1=very good to 7=very poor) zu beurteilen. Der Median in der Gruppe lag bei 3, der Modus bei 2. Weder der höchste, noch der niedrigste Skalenwert (1 bzw. 7) wurden in dieser Gruppe gewählt. Insgesamt können die Hörverständniskenntnisse der Versuchspersonen der Gruppe A im Englischen als gut bezeichnet werden. Sie liegen allerdings - wie schon bei FH1 - unter den Werten der Versuchspersonen aus dem Pilotversuch (siehe Tabelle 61). FH2 FH1 Pilot n 15 27 25 Median 3 3 2 Modus 2 3 2 Minimum 2 1 1 Maximum 6 6 6 Tabelle 61 - Englisch Hörverständnis VP - FHs und Pilot Des Weiteren wurden die ProbandInnen in Gruppe A gebeten, anzugeben, wie oft sie Englisch mit Personen sprechen, die es als Lingua Franca benutzen. 33,3% der Versuchspersonen gaben an, dies nie oder nur selten zu tun, 26,7% manchmal und 40% oft oder sehr oft (siehe Abbildung 19). 42% 58% Weiblich Männlich <?page no="218"?> 218 Abbildung 19 - Kontakt mit ELF in %- FH2 Außerdem wurden die ProbandInnen in Gruppe A auch befragt, ob sie schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hätten. Zehn Versuchspersonen (66,7%) antworteten mit Ja, drei (20%) mit Nein und zwei (13,3%) waren sich nicht sicher. Insgesamt 26,7% gaben an, dass sie ItalienerInnen schon oft Englisch sprechen gehört hatten, weitere 26,7% ein paar Mal. Keine Versuchsperson gab an, dies schon sehr oft getan zu haben (siehe Abbildung 20). Abbildung 20 - Kontakt mit IT NNS in % - FH2 13,3 26,7 26,7 26,7 6,7 0 5 10 15 20 25 30 26,7 26,7 13,3 20 13,3 0 5 10 15 20 25 30 oft ein paar Mal selten nie unsicher <?page no="219"?> 219 Auf die Frage nach den kommunikativen Settings dieser Interaktionen gab es zehn Angaben von neun Versuchspersonen. Zwei der Angaben betrafen formelle Settings: work und business issues. Alle anderen Angaben können eher informellen Kategorien wie Urlaub, Medien (YouTube) oder dem privaten Umfeld (my husband is Italian) zugeordnet werden. Auch diese Versuchspersonen scheinen somit wenig Erfahrung mit italienischen NNS in kommunikativen Situationen wie jener des Versuchs gehabt zu haben. Die Versuchspersonen in Gruppe B wurden gefragt, ob sie schon einmal eine Simultanverdolmetschung bei einer Konferenz oder Tagung gehört hätten. Nur zwei Versuchspersonen (12,5%) antworteten mit Ja, 14 Versuchspersonen (87,6%) mit Nein. Beide Versuchspersonen, die schon Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten, gaben an, nur ein Mal eine Simultanverdolmetschung bei einer Konferenz konsumiert zu haben. Somit haben die ZuhörerInnen in dieser Zweitstudie sehr wenig bis gar keine Erfahrung mit Dolmetschsituationen. Dies wurde durch eine Anmerkung einer Versuchsperson untermauert, die wie schon Versuchspersonen von FH1 meinte, es wäre irritierend gewesen, dass der Original-Vortragende männlich, aber die Dolmetsch-Stimme weiblich gewesen war. ZuhörerInnen, die oft Verdolmetschungen hören, dürften sich an diese Diskrepanz bereits gewöhnt haben. 5.8.2 Ablauf Der Versuch mit FH2 fand am 18.11.2009 um 17: 30 in einem Hörsaal der Fachhochschule statt. Dafür wurde eine Dolmetschanlage mit zwei mobilen Dolmetschkabinen und Funkkopfhörern angemietet, die vor Ort aufgestellt wurden. Beim Betreten des Hörsaals wurden den Studierenden der ihnen laut Randomisierungsliste zugeteilte Fragebogen, auf dem der entsprechende Empfangskanal ausgewiesen wurde, und Funkkopfhörer mit der Bitte ausgeteilt, den Fragebogen erst nach Aufforderung anzusehen. Wie bereits erwähnt fand vor dem hier beschriebenen Versuch ein anderer Versuch des QuaSI-Projekts mit ähnlichem Design statt. Nach diesem durften die Studierenden eine 15-minütige Pause machen, bevor sie wieder in den Hörsaal zurückkamen. Als Versuchsleiter fungierte wieder Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Pöchhacker. Die Instruktionen entsprachen jenen im Versuch mit FH1 (vgl. 5.7.3). Das Originalvideo wurde auf die Saalleinwand projiziert; die Audiospuren des Originals und der Verdolmetschung wurden von einem Laptop in die Dolmetschanlage eingespeist und auf zwei verschiedenen Dolmetschkanälen eingespielt, wobei Gruppe A und Gruppe B jeweils ein fixer, auf dem Fragebogen ausgewiesener Kanal zugeteilt worden war. Auch hier wurde die aufgenommene Verdolmetschung von einer Dolmetscherin in einer der mobilen Kabinen hinter den Sitzreihen tonlos <?page no="220"?> 220 mitgesprochen, um den Versuchspersonen den Eindruck zu vermitteln, sie würden eine Live-Verdolmetschung hören. Nach dem Ende des Vortrags und der Verdolmetschung wurden die Versuchspersonen wieder mit denselben Instruktionen wie bei FH1 gebeten, nun den Fragebogen zum Inhalt des Vortrags auszufüllen. Nachdem alle die Fragebögen fertig ausgefüllt hatten, wurden diese eingesammelt und den Versuchspersonen noch die Möglichkeit gegeben, Fragen zum Versuch zu stellen. 5.8.3 Auswertung - FH2 Die Antworten aus den ausgefüllten Fragebögen wurden daraufhin wie unter 5.5.6 beschrieben kodiert und mit dem Statistikprogramm PASW Statistics 18 bearbeitet. Bei den folgenden statistischen Auswertungen werden auch teils Vergleiche mit der Haupt- und Pilotstudie angestellt. 5.8.3.1 Vergleich Scores in den verschiedenen Versuchsdurchgängen Zuerst wurde überprüft, ob die Tatsache, dass die Versuchspersonen vor dem hier beschriebenen Versuch an einem anderen teilgenommen hatten, und die daraus resultierenden Ermüdungserscheinungen, die von den Versuchspersonen angemerkt worden waren, eine Auswirkung auf ihren Testscore hatten. Der Vergleich mit den anderen Versuchsdurchgängen zeigt, dass der durchschnittliche Score von FH2 deutlich unter jenem von FH1 und dem des Pilotversuchs lag (siehe Tabelle 62). Dies ist möglicherweise auf die oben genannten Umstände zurückzuführen, da die Versuchspersonen in allen anderen vorher erhobenen Kriterien den Studierenden an FH1 entsprachen. Die Entscheidung, die beiden FHs getrennt zu behandeln, erscheint somit gerechtfertigt. FH2 FH1 Pilot n 31 58 50 Mittelwert 7,60 10,16 10,43 Median 6,93 9,93 10,64 Standardabw. 3,6 4,1 4,1 Minimum 2 2,14 3,14 Maximum 17,50 17,50 17,68 Tabelle 62 - Score - FHs und Pilot <?page no="221"?> 221 5.8.3.2 Vergleich Gesamtscore Gruppe A (EN) und Gruppe B (DE) Ein Vergleich der Mittelwerte betreffend des Testscores zeigte, dass auch bei diesem Versuch Gruppe B, die die deutsche Verdolmetschung gehört hatte, die Fragen zum Text deutlich besser beantworten konnte als Gruppe A, die den Originalredner gehört hatte. Während der durchschnittliche Score von Gruppe A 5,69 betrug, lag jener von Gruppe B bei 9,40 von 19 zu erreichenden Punkten (siehe Abbildung 21). Abbildung 21 - Testscore nach Versuchsgruppe - FH2 Interessant ist auch ein Vergleich der Gruppenwerte mit jenen der Hauptstudie. Dabei zeigt sich, dass auch beim Gruppenvergleich ein klarer Unterschied zwischen den beiden FHs bestand, der auf die Ermüdung der Versuchspersonen von FH2 zurückzuführen sein dürfte. Allerdings ist jedoch der Punkteunterschied zwischen Gruppe A und B bei beiden FHs ca. gleich groß (siehe Tabelle 63). EN-FH2 DE-FH2 EN-FH1 DE-FH1 n 15 16 27 31 Mittelwert 5,69 9,40 8,07 11,98 Median 5,86 8,18 7,5 12,50 Standardabw. 2,4 3,7 3,3 4 Minimum 2 4 2,14 4,57 Maximum 10,86 17,50 14 17,50 Tabelle 63 - Basisdaten Score - FH2 und FH1 Als nächstes wurde mit Hilfe eines t-Tests untersucht, ob der Unterschied zwischen Gruppe A und B von FH2 nur zufällig zustande gekommen war. Der Test ergab wie schon bei der Hauptstudie, dass der Mittelwertunter- 5,69 9,4 1 4 7 10 13 16 19 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="222"?> 222 schied zwischen den beiden Gruppen nicht zufällig war (t=-3,267; df=29; p=0,03<0,05) und auch in der Grundgesamtheit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu finden ist. 5.8.3.3 Vergleich Score aus MC-Items Gruppe A und Gruppe B Wie schon bei FH1 wurde auch bei FH2 überprüft, ob das Itemformat die Differenz zwischen Gruppe A und Gruppe B beeinflusst hatte. Deshalb wurden die Gruppen nach ihrem Teilscore für die Multiple-Choice-Items gegenüber gestellt. Dabei zeigte sich, dass Gruppe B abermals einen höheren Score erzielt hatte, allerdings betrug der Unterschied etwas weniger als bei FH1, nur ca. 1 ½ Punkte (siehe Abbildung 22). Abbildung 22 - MC-Testscore nach Versuchsgruppe - FH2 Auch die anderen Basisdaten aus dem Hörverständnistest von Gruppe B lagen klar über jenen von Gruppe A (siehe Tabelle 64). EN Gruppe A DE Gruppe B n 15 16 Mittelwert 4,15 5,59 Median 3,71 5,72 Standardabw. 1,6 2 Minimum 2 2,43 Maximum 6,86 10 Tabelle 64 - Basisdaten MC-Score - FH2 4,15 5,59 0 2 4 6 8 10 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="223"?> 223 Auch wenn die halboffenen Fragen nicht berücksichtigt werden, gibt es somit einen Gruppenunterschied. Dieser erwies sich bei einem t-Test ebenfalls als statistisch signifikant (t=-2,189; df=29; p=0,037<0,05). Es ist somit sehr unwahrscheinlich, dass der Unterschied beim Score der Multiple- Choice-Items zufällig in dieser Gruppe zustande kam. 5.8.3.4 Vergleich Score aus halboffenen Fragen Gruppe A und Gruppe B Auch die Testresultate beim zweiten Itemformat - den halboffenen Fragen - wurden noch im Gruppenvergleich gegenüber gestellt. Hier ist der Gruppenunterschied mit über zwei Punkten größer als bei FH1 (siehe Abbildung 23). Abbildung 23 - Testscore halboffen nach Versuchsgruppe - FH2 Abermals liegen die Testergebnisse deutlich unter denen von FH1 und weisen insgesamt wieder einen klaren Gruppenunterschied zu Gunsten von Gruppe B auf (siehe Tabelle 65). EN Gruppe A DE Gruppe B n 15 16 Mittelwert 1,53 3,81 Median 1 3,75 Standardabw. 1,7 2,5 Minimum 0 0 Maximum 5 8,5 Tabelle 65 - Basisdaten Score halboffen - FH2 1,53 3,81 0 3 6 9 Score Gruppe A Gruppe B <?page no="224"?> 224 Ein t-Test zeigte, dass dieser Gruppenunterschied mit größter Wahrscheinlichkeit nicht zufällig war (t=-2,969; df=29; p=0,006<0,05). Das bedeutet, dass der Gruppenunterschied wie bei FH1 auch bei FH2 unabhängig vom Itemformat signifikant ist. 5.8.3.5 Gruppenvergleich nach Items Auch bei FH2 lag die Itemschwierigkeit bei allen Items im idealen Bereich, zwischen 0,23 und 0,80. Sieben Items hatten eine Schwierigkeit unter 0,5 (schwer), bei FH1 waren es nur vier Items gewesen, in der Pilotstudie fünf. Die Tatsache, dass die Items für die vergleichbare Versuchsgruppe schwieriger waren, ist ein weiterer Indikator dafür, dass die Versuchspersonen durch den vorangegangenen Versuch wohl schon ermüdet gewesen sein dürften. Als am schwierigsten erwies sich Item 5, eine einfache Multiple-Choice- Frage. Das leichteste war Item 8. Unter den drei schwierigsten Items fanden sich auch zwei halboffene Fragen (vgl. Tabelle 103). FH2 bildet diesbezüglich die Ausnahme. Ein Vergleich zwischen FH2 und FH1 zeigt, dass die Rangordnung der Items unterschiedlich war. Die fünf schwierigsten Items waren jedoch bei beiden Gruppen dieselben - wenngleich in einer anderen Anordnung (siehe Tabelle 66). Schwierigkeit FH2 FH1 hoch 5 4 7 5 6 3 3 6 4 7 9 11 1 9 2 1 10 8 11 10 niedrig 8 2 Tabelle 66 - Itemschwierigkeit - FH2 und FH1 <?page no="225"?> 225 5.8.3.5.1 Einfache Multiple-Choice-Items Auch hier wurden die Resultate für jedes Item einzeln untersucht. Wie schon aus den Berechnungen zur Itemschwierigkeit hervorging, gab es Unterschiede zu FH1 in Bezug darauf, welche Items einfacher und welche schwieriger zu beantworten waren (siehe Tabelle 104). Am besten beantwortet wurde mit Abstand Frage 8 (Zukunft in der Postmoderne), gefolgt von 10 (Terminus Konsument) und 2 (traditionelles Marketing). Wenngleich auch die Reihung anders ist, so sind doch die gleichen Fragen in den Top 3. In der Reihung folgen Frage 4 (symbolische Werte des Konsums), Frage 3 (Jahr der Postmoderne) und Frage 5 (objektive Realität), die in Bezug auf die Punkte eng beisammen liegen. Auch in dieser Gruppe scheinen die Distraktoren bei Frage 5 tatsächlich sehr „ablenkend“ gewesen zu sein. Ein Gruppenvergleich bei diesem Itemtyp in Tabelle 67 zeigt, dass hier bei Frage 3 erstmals ein abweichendes Bild von den Resultaten von FH1 und auch dem Pilotversuch auftrat: diese Frage wurde nämlich von Gruppe A und nicht von Gruppe B durchschnittlich besser beantwortet - auch wenn der Unterschied sehr gering ist (siehe 2. Zeile). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Frage 3 eine Jahreszahl abfragt. Bei allen anderen einfachen MC-Items konnte jedoch Gruppe B, die die deutsche Verdolmetschung gehört hatte, ein besseres Resultat erzielen als Gruppe A, die den Originalredner gehört hatte. Frage Falsch in % Richtig in % Mittelwert Punkte EN DE EN DE EN DE 2 60% 37,5% 40% 62,5% 0,40 0,63 3 73,3% 75% 26,7% 25% 0,27 0,25 4 80% 56,3% 20% 43,8% 0,20 0,44 5 86,7% 68,8% 13,3% 31,3% 0,13 0,31 8 26,7% 12,5% 73,3% 87,5% 0,73 0,88 10 60% 25% 40% 75% 0,40 0,75 Tabelle 67 - Resultate einfache MC-Items nach Versuchsgruppe - FH2 Neben Frage 3 ist der Gruppenunterschied - wie auch bei FH1 - bei Frage 8 nach der Bedeutung der Zukunft in der Postmoderne am geringsten. <?page no="226"?> 226 5.8.3.5.2 Multiple-Choice-Items mit Mehrfachantwort Bei diesem Fragetyp konnten maximal zwei Punkte erzielt werden, mit einer großen Bandbreite an verschiedenen erreichten Punkten (vgl. 5.5.6). Zu Frage 1 nach den Ursprüngen der Postmoderne wird in Tabelle 68 ein Überblick über die Prozentzahl der Versuchspersonen geboten, die eine bestimmte Punktezahl erreichten. Dabei werden der Gesamtprozentsatz und jener der beiden Versuchsgruppen ausgewiesen. 38,7% der ProbandInnen konnten bei der Frage keinen Punkt erzielen, 12,9% die maximale Punkteanzahl. Auch hier zeigt der Mittelwertvergleich nach Gruppen eine Abweichung vom Trend, demnach Gruppe B immer eine höhere Punktezahl erzielen konnte. Hier war es hingegen Gruppe A, die das Original gehört hatte, die einen höheren Mittelwert aufweist (siehe 1. Zeile). Frage 1 Gesamt EN DE Mittelwert Punkte 0,97 1,07 0,88 0 38,7% 33,3% 43,8% 1,14 6,5% - 12,5% 1,43 29% 33,3% 25% 1,71 12,9% 26,7% - 2 12,9% 6,7% 18,8% Tabelle 68 - Resultate Frage 1 - FH2 Bei der zweiten MC-Frage mit Mehrfachantwort - Frage 11 nach den Dimensionen des Lebens (siehe Tabelle 105) - liegt der Mittelwert von Gruppe B jedoch wieder über dem von Gruppe A. Insgesamt konnten weniger ProbandInnen die Frage gar nicht beantworten als bei Frage 1. Der Prozentsatz derer, die die maximale Punktezahl erreichten, ist gleich hoch (12,9%), obwohl dies theoretisch bei den drei richtigen Antworten für Frage 11 schwerer als bei Frage 1 hätte sein müssen. 5.8.3.5.3 Halboffene Fragen Bei den halboffenen Fragen konnten jeweils maximal drei Punkte erreicht werden. Bei Frage 6 zeigt sich abermals eine Abweichung von der Tendenz, der zufolge Gruppe B immer ein besseres Ergebnis erzielen konnte. Während bei FH1 ein enormer Unterschied zwischen den Versuchsgruppen zu Gunsten von Gruppe B festzustellen war, lag hier der Mittelwert von <?page no="227"?> 227 Gruppe A über dem von Gruppe B (siehe 1. Zeile). Auffallend ist auch, dass keine einzige Versuchsperson die maximale Punktezahl erreichen konnte. Frage 6 Gesamt EN DE Mittelwert Punkte 0,75 0,82 0,69 0 67,7% 66,7% 68,8% 1 3,2% - 6,3% 2,25 3,2% 6,7% - 2,5 25,8% 26,7% 25% 3 - - - Tabelle 69 - Resultate Frage 6 - FH2 Frage 7 ist ebenso von großem Interesse, da hier keine einzige Versuchsperson in Gruppe A auch nur einen Punkt erreichen konnte (siehe Tabelle 106). Es gab nur eine Versuchsperson in Gruppe A, die überhaupt eine Antwort auf diese halboffene Frage gab. Diese war jedoch falsch. Möglicherweise ist dies auf die von den Versuchspersonen erwähnten Ermüdungserscheinungen zurückzuführen. Der Unterschied zwischen Gruppe A und B folgt hier wieder der generellen Tendenz, da Gruppe B ein besseres Ergebnis erzielen konnte. Auch bezüglich Frage 9 (siehe Tabelle 107) entspricht der Unterschied zwischen Gruppe A und B wieder dem allgemeinen Trend. Das Ergebnis fiel deutlich zu Gunsten von Gruppe B aus. Der Anteil jener, die die Frage gar nicht beantworten konnten, ist in Gruppe A mehr als doppelt so hoch wie in Gruppe B. Keine einzige ProbandIn in Gruppe A konnte die maximale Punktezahl erreichen. Um die drei halboffenen Fragen besser vergleichen zu können, wurden auch für die Zweitstudie die Punkte mit Kommastellen in vier Kategorien umkodiert (siehe Tabelle 70). Den niedrigsten Mittelwert weist hier Frage 7 auf, der sich jedoch von dem von Frage 6 nur um 0,02 Punkte unterscheidet. Frage 7 ist außerdem die Frage, bei der am meisten Versuchspersonen null Punkte erreichten (71%). Wie auch bei FH1 wurde Frage 9 besser als die beiden anderen halboffenen Fragen beantwortet. Der Mittelwert liegt deutlich über jenen der anderen beiden Fragen. <?page no="228"?> 228 Frage 0 ≤1 ≤2 ≤3 Mittelwert Punkte 6 67,7% 3,2% - 29% 0,75 7 71% - 6,5% 22,6% 0,73 9 48,4% 3,2% 9,7% 38,7% 1,23 Tabelle 70 - Vergleich der halboffenen Fragen - FH2 Vergleicht man nun wieder die Resultate für die halboffenen Fragen in dieser Kategorisierung getrennt nach Gruppe A und B, so zeigt sich, dass Gruppe B bei den Fragen 7 und 9 sehr hohe Werte in der Kategorie ≤ 3 aufweist. In der Kategorie 0 wiederum sind die Werte von Gruppe A bei den beiden Fragen mehr als doppelt so hoch. Gruppe B erreichte die höchsten Werte bei Frage 7, Gruppe A bei Frage 6. 0 ≤1 ≤2 ≤3 Mittelwert Punkte Frage 6 Gesamt 67,7% 3,2% - 29% 0,75 EN 66,7% - - 33,4 0,82 DE 68,8% 6,3% - 25% 0,69 Frage 7 Gesamt 71% - 6,5% 22,6% 0,73 EN 100% - - - 0 DE 43,8% - 12,5% 43,8% 1,41 Frage 9 Gesamt 48,4% 3,2% 9,7% 38,7% 1,23 EN 66,7% 6,7% - 26,7% 0,72 DE 31,3% - 18,8% 50% 1,72 Tabelle 71 - Vergleich der halboffenen Fragen nach Gruppen - FH2 Dieser Überblick über die Ergebnisse jedes Items einzeln betrachtet hat gezeigt, dass die Ergebnisse der Versuchsgruppe von FH2 in einigen Fällen von denen von FH1 und des Pilotversuchs abweichen, bei denen Gruppe B immer höhere Werte als Gruppe A erzielt hatte. Zwar ist es so, dass auch bei FH2 Gruppe B bei acht Fragen besser abschnitt als Gruppe A; bei den Fragen 1, 3 und 6 erreichte Gruppe A jedoch einen besseren Wert als Gruppe B. Alle drei betroffenen Fragen weisen ein unterschiedliches Itemformat auf, womit dieses als Einflussfaktor weitgehend ausgeschlossen werden kann. Allerdings schnitt Gruppe B bezüglich des Gesamtscores trotzdem - unabhängig vom Itemformat - immer besser ab als Gruppe A, die den Nichtmuttersprachler gehört hatte. <?page no="229"?> 229 5.8.3.6 Verständnisbewertung Als weitere Fragestellung wurde überprüft, wie die beiden Gruppen die Frage „Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht)“ beantwortet hatten. Es zeigte sich, dass Gruppe A das eigene Verständnis auch deutlich schlechter einschätzte als Gruppe B. Der Median und der Modus von Gruppe A waren um 2 Skalenwerte schlechter als jene von Gruppe B. Allgemein liegen die Werte sehr nahe an jenen von FH1 (siehe Tabelle 72). Dies ist überraschend, wenn man bedenkt, dass das aus dem Testscore resultierende „objektive“ Verständnis weit unter jenem von FH1 lag. EN-FH2 DE-FH2 EN-FH1 DE-FH1 n 15 16 27 31 Median 5 3 5 3 Modus 5 3 5 3 Minimum 2 1 2 1 Maximum 6 7 7 6 Tabelle 72 - Verstehen Selbsteinschätzung - FH2 und FH1 Die Korrelation zwischen den Variablen Selbsteinschätzung des Verstehens und Score war bei beiden Gruppen nur sehr gering bis gering. Anzuführen ist unter diesem Punkt auch eine Anmerkung einer Versuchsperson (VP 26), die meinte, sie hätte sicher ein besseres Ergebnis erzielt, wenn sie Notizen hätte machen können. Dies wurde aber - wie schon bei der Beschreibung der Instruktionen erwähnt - nicht gestattet, da die Fähigkeit, Notizen zu nehmen, die Schreibgeschwindigkeit usw. sich dann als weitere unkontrollierbare Variablen auf das Testergebnis auswirken hätten können. 5.8.3.7 Akzentbewertung Der Mittelwert der Bewertung des Akzents des Originalredners betrug bei den Versuchspersonen von FH2 5,53 (von 1=no perceptible foreign accent bis 7=very strong foreign accent). Aus Tabelle 73 wird ersichtlich, dass die Werte denen der anderen Versuchsgruppen gleichen. <?page no="230"?> 230 FH2 FH1 ExpertInnen Pilot n 15 27 46 25 Mittelwert 5,53 5,37 5,48 5,76 Median 6 6 6 6 Modus 6 6 6 7 Standardabw. 1,4 1,3 1,1 1,3 Minimum 2 2 2 3 Maximum 7 7 7 7 Tabelle 73 - Akzentbewertung - FHs, ExpertInnen und Pilot Auch in diesem Fall zeigte ein Streudiagramm, dass es keine bedeutende Korrelation zwischen den Variablen Akzentbewertung und Score gegeben hatte. Der Zusammenhang zwischen der Akzentbewertung und der Beurteilung des Verstehens war ebenfalls unbedeutend. 5.8.3.8 Bewertung der Dolmetschleistung Das Urteil bezüglich der Dolmetschleistung (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht) fiel bei dieser Versuchsgruppe mit einem Median von 3 am härtesten von allen Versuchsgruppen aus. Der Modus entspricht jedoch jenem von FH1 (siehe Tabelle 74). FH2 FH1 Pilot n 16 31 25 Median 3 2 2 Modus 2 2 1 Minimum 1 1 1 Maximum 5 7 3 Tabelle 74 - Bewertung der Dolmetschleistung - FHs und Pilot Auch hier bewerteten die ProbandInnen die Dolmetscherin wieder deutlich strenger als jene im Pilotversuch. Für diese Gruppe dürfte ähnliches wie für FH1 gelten, d.h., dass die Versuchspersonen einerseits weniger Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten und andererseits keine Solidarisierung mit der Dolmetscherin wie bei den Studierenden der Translationswissenschaft gegeben war. 37,5% wählten Werte ab 4, die von den Dolmetschstudierenden überhaupt nicht genutzt worden waren, allerdings <?page no="231"?> 231 war hier 5 der negative Maximalwert, also zwei Skalenpunkte weniger als bei FH1. Fünf Versuchspersonen nutzten die Möglichkeit im Fragebogen, zusätzlich zur Bewertung auf der Skala auch noch weitere Anmerkungen zu der Dolmetschleistung zu machen. Während vier Anmerkungen auch dem gewählten Skalenwert ziemlich entsprachen, überrascht es, dass VP 18, die die Verdolmetschung als sehr monoton bezeichnet, trotzdem mit 3 eine relativ gute Bewertung abgibt (siehe Tabelle 75). Anmerkung Skalenwert VP sehr monoton 3 18 sehr gut verständlich, aber etwas zu lange Pausen 3 21 Aussprache der Dolmetscherin: Zischlaute schneiden wie ein Schwert 4 22 Sie hat klar und deutlich gesprochen 1 26 manchmal zu laut; manchmal unverständlich 2 27 Tabelle 75 - Anmerkungen zur Dolmetschleistung - FH2 Dabei darf nicht vergessen werden, dass nur zwei ZuhörerInnen Erfahrung mit Verdolmetschungen hatten und somit auch eine Bewertung wohl schwierig sein dürfte. Als weitere Fragestellung wurde wie schon zuvor nach Zusammenhängen zwischen der Dolmetschbewertung und anderen Variablen gesucht. Auch bei dieser Versuchsgruppe korrelierten jedoch weder Dolmetschbewertung und Testscore der Versuchspersonen, noch Dolmetschbewertung und „subjektive“ Verstehensbewertung. Das heißt, dass eine schlechte Bewertung der Verdolmetschung nicht auch bedeutete, dass die ZuhörerInnen sie schlecht verstanden hatten. Es wäre - auch aufgrund der oben angeführten freien Kommentare - denkbar, dass nicht inhaltsbezogene Parameter der Verdolmetschung, sondern vielmehr präsentationsbezogene Parameter, wie beispielsweise paraverbale Phänomene in die Beurteilung miteingeflossen waren, wie es schon in den Untersuchungen der Forschungsgruppe aus Granada (vgl. 2.2.2.1) gezeigt worden war. Da es in dieser Versuchsgruppe nur zwei Versuchspersonen mit Erfahrung mit Dolmetschen gab, wurde nicht untersucht, ob die Erfahrung eine Auswirkung auf die Bewertung der Dolmetschleistung hatte. <?page no="232"?> 232 5.8.3.9 Einflussfaktor Hintergrundwissen Auch diese Versuchspersonen sind wie jene von FH1 zumindest als Semi- ExpertInnen im Bereich Marketing zu betrachten. Allerdings lagen der Median und der Modus bezüglich der Bekanntheit des Themas (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt) deutlich unter jenem von FH1. Der Modus entsprach sogar jenem der Dolmetschstudierenden aus dem Pilotversuch, ihr Median lag gar unter jenem der Nicht-ExpertInnen (siehe Tabelle 76). FH2 FH1 Pilot n 31 58 50 Median 7 4 6 Modus 6 3 6 Minimum 2 2 1 Maximum 7 7 7 Tabelle 76 - Bekanntheit Thema - FHs und Pilot Eine Versuchsperson, die den Skalenwert 7 gewählt hatte, regte an, beim nächsten Mal leichtere Themen für den Versuch zu verwenden (VP 17). Auch hier könnte die Übermüdung und mangelnde Motivation die Bewertung der Versuchspersonen beeinflusst haben, die jenen von FH1 in Bezug auf Semesterzahl und Studienrichtung eigentlich sehr ähnlich waren. Es kann gemutmaßt werden, dass sie die Probleme, die sie beim Test hatten, durch mangelndes Vorwissen rechtfertigen wollten. Dies ist jedoch nur eine nicht verifizierbare Hypothese. Die Variable Bekanntheit des Themas wurde zwischen den beiden Versuchsgruppen von FH2 verglichen. Hier zeigte sich, dass Gruppe B angab, über weniger Hintergrundwissen zu verfügen (siehe Tabelle 77). Trotzdem war der Testscore von Gruppe B signifikant höher als jener von Gruppe A. EN Gruppe A DE Gruppe B n 15 16 Median 5 6 Modus 4/ 7 6/ 7 Minimum 3 2 Maximum 7 7 Tabelle 77 - Bekanntheit des Themas nach Versuchsgruppe - FH2 <?page no="233"?> 233 Auch bei dieser Stichprobe war somit das größere Hintergrundwissen kein Vorteil für die Beantwortung der Verständnisfragen zum Vortrag. 5.8.3.10 Einflussfaktor Englischkenntnisse Bei den ProbandInnen von FH2 zeigte sich im Gegensatz zu jenen von FH1, dass die Selbsteinschätzung bezüglich der Englischkenntnisse nur sehr gering mit dem Test-score der ProbandInnen in Gruppe A korrelierte (Spearman: r=-0,113). Das bedeutet, dass jene Versuchspersonen, die ihre Englischkenntnisse höher einschätzen, nicht unbedingt auch einen höheren Testscore erzielten. 5.8.3.11 Einflussfaktor Erfahrung mit NNS Des Weiteren wurde untersucht, ob die Häufigkeit des Kontakts mit NNS den Score in Gruppe A beeinflusst hatte. Ein Vergleich der Testscores zeigte, dass jene Versuchspersonen, die angegeben hatten, oft oder sehr oft mit NNS Englisch zu sprechen, einen höheren Score erreicht hatten als jene, die angegeben hatten, dies nur selten oder manchmal zu tun. Allerdings hatte die eine Versuchsperson, die angegeben hatte, nie mit NNS zu interagieren, einen höheren Score als jene, die dies manchmal oder selten taten (siehe Tabelle 78). Die Anzahl der Versuchspersonen in den einzelnen Kategorien ist jedoch sehr gering. Generalisierungen sollten daher vermieden werden. nie selten manchmal oft sehr oft n 1 4 4 4 2 Mittelwert 6,14 4,70 4,83 7,08 6,36 Median - 4,07 4,34 6,20 - Standardabw. - 2,7 2,9 2,6 - Minimum - 2,43 2 5,07 5,86 Maximum - 8,21 8,86 10,86 6,86 Tabelle 78 - Score nach ELF-Erfahrung - FH2 Um weitere Berechnungen anstellen zu können, wurden die fünf Kategorien auf zwei reduziert. Die Kategorien „selten“ und „manchmal“ wurden zur Kategorie „weniger Kontakt“ zusammen gelegt, die Kategorien „oft“ und „sehr oft“ zu „mehr Kontakt“. Die Kategorie „nie“, die nur eine Versuchsperson beinhaltete, wurde aus den Berechnungen ausgeschlossen. Auch hier unterschied sich der mittlere Score der Gruppen deutlich (siehe Tabelle 79). <?page no="234"?> 234 weniger Kontakt mehr Kontakt n 8 6 Mittelwert 4,76 6,84 Median 4,34 6,2 Standardabw. 2,6 2,1 Minimum 2 5,07 Maximum 8,64 10,86 Tabelle 79 - Score nach ELF-Erfahrung II - FH2 Aufgrund der geringen Anzahl an ProbandInnen wurde beschlossen, keinen t-Test durchzuführen. Der um über zwei Punkte höhere Score in der Gruppe mit mehr ELF-Erfahrung ist jedoch als deskriptives Resultat sehr aussagekräftig. 5.8.3.12 Einflussfaktor Bekanntheit des Akzents Ein Vergleich der Mittelwerte des Testscores der ProbandInnen danach, wie oft diese schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hatten, zeigte, dass Versuchspersonen mit mehr Erfahrung auch ein besseres Ergebnis im Test erzielen konnten (siehe Tabelle 80). Allerdings sind auch hier die Gruppengrößen sehr klein, weshalb keine inferenzstatistischen Tests durchgeführt wurden. nie selten ein paar Mal oft n 1 2 4 4 Mittelwert 2,71 4,43 7,21 6,53 Median - - 6,36 6,20 Standardabw. - - 2,5 1,5 Minimum - 3,43 5,25 5,07 Maximum - 5,43 10,86 8,64 Tabelle 80 - Score nach IT-NNS-Kontakt - FH2 5.8.3.13 Alter Obwohl die Streuung beim Alter in dieser Versuchsgruppe größer war als bei FH1 (vgl. 5.8.1), zeigte ein Streudiagramm auch hier, dass es keinen Zusammenhang zwischen Alter und Testscore gab. <?page no="235"?> 235 5.8.3.14 Geschlecht In dieser Versuchsgruppe gab es einen klaren Unterschied zwischen den Geschlechtern in Bezug auf den Testscore: Die weiblichen Versuchspersonen hatten einen Mittelwert erreicht, der etwas mehr als einen Punkt höher war als jener der männlichen (siehe Tabelle 81). Männer Frauen n 18 13 Mittelwert 7,13 8,26 Median 6,66 7 Standardabw. 3,6 3,7 Minimum 2 2,43 Maximum 17,50 16,07 Tabelle 81 - Score nach Geschlecht - FH2 Im Versuchsgruppenvergleich wiederholt sich das Muster, das schon bei FH1 zu beobachten war: während in Gruppe A (EN) die männlichen Versuchspersonen einen leicht höheren Score erzielten, wiesen in Gruppe B (DE) die weiblichen Versuchspersonen ein über einen Punkt besseres Resultat auf. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ist jedoch der Unterschied zwischen Gruppe A und Gruppe B beträchtlich (siehe Tabelle 82). EN Gruppe A DE Gruppe B Geschlecht m w m w n 10 5 8 8 Mittelwert 5,71 5,63 8,89 9,91 Median 5,56 5,93 8,18 9,29 Standardabw. 2,7 2,1 4,1 3,6 Minimum 2 2,43 4 6,14 Maximum 10,86 8,21 17,50 16,07 Tabelle 82 - Score nach Geschlecht und Versuchsgruppe - FH2 Allerdings ergaben Berechnungen keine bedeutende Korrelation zwischen den Variablen Geschlecht und Testscore. <?page no="236"?> 236 5.8.3.15 Vergleich Vollzeitstudierende - Teilzeitstudierende Wie bereits erwähnt bestand die Versuchsgruppe von FH2 aus Vollzeit- und Teilzeitstudierenden eines Jahrganges. Es ist davon auszugehen, dass die Teilzeitstudierenden diese Studienform gewählt haben, da sie nebenbei einer Beschäftigung nachgehen - sehr oft in einem studiennahen Berufsfeld (vgl. 5.8.1). Daher könnte angenommen werden, dass die Teilzeitstudierenden mehr Berufserfahrung und Expertise mitbringen. Bei dem Vergleich der beiden Gruppen in Bezug auf die Variable „Bekanntheit des Themas“ (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt) hatten jedoch die Vollzeitstudierenden deutlich bessere Werte. Ihr Median lag zwei Punkte unter dem der Teilzeitstudierenden, der Modus gar drei Punkte darunter. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Rede zwar fachspezifisch, aber doch sehr wissenschaftlich und abstrakt war. Es ist anzunehmen, dass die Teilzeitstudierenden trotz einem Mehr an Berufserfahrung weniger mit wissenschaftlichen Themen zu tun hatten. VZ TZ n 9 22 Median 4 6 Modus 4 7 Minimum 3 2 Maximum 7 7 Tabelle 83 - Bekanntheit des Themas Teilzeit - Vollzeit - FH2 In der Folge wurde untersucht, ob sich Unterschiede bezüglich des Testergebnisses zwischen den beiden Gruppen feststellen ließen. Dabei ist anzumerken, dass sich die Gruppengröße stark unterschied. VZ TZ n 9 22 Mittelwert 6,23 8,17 Median 6,46 7,65 Standardabw. 2,6 4 Minimum 2,43 2 Maximum 11,07 17,50 Tabelle 84 - Score Teilzeit - Vollzeit - FH2 Aus Tabelle 84 wird ersichtlich, dass das durchschnittliche Resultat der Teilzeitstudierenden bedeutend höher war - und das obwohl die Themen <?page no="237"?> 237 der Rede unbekannter gewesen waren. Da beide Jahrgänge nicht vollzählig anwesend waren, wurde mit einem t-Test untersucht, ob dieser Unterschied zufällig zustande gekommen war. Dieser (t=-1,366; df=29; p=0,182<0,05) zeigte jedoch, dass der Unterschied wahrscheinlich nur zufällig aufgetreten war. Dies würde bedeuten, dass die Studierenden des berufsbegleitenden Lehrgangs, die eher als ExpertInnen betrachtet werden könnten, trotzdem kein besseres Resultat im Verständnistest erreichen. Im Gruppenvergleich zwischen den Teilzeit- und Vollzeitstudierenden zeigt sich vor allem in Gruppe A, die den NNS gehört hatte, ein Vorteil der Teilzeitstudierenden, der über einen Punkt betrug (siehe Tabelle 85). EN Gruppe A DE Gruppe B Studium VZ TZ VZ TZ n 6 9 3 13 Mittelwert 4,95 6,18 8,79 9,54 Median 5,25 5,93 8,36 8 Standardabw. 1,7 2,8 2,1 4,1 Minimum 2,43 2 6,93 4 Maximum 6,86 10,86 11,07 17,50 Tabelle 85 - Score Teilzeit - Vollzeit nach A und B - FH2 Es schien, dass den Teilzeitstudierenden ihre Berufserfahrung beim Verstehen von Vorteil gewesen war. Auch hier hatte ein t-Test kein signifikantes Ergebnis (t=-0,957, df=13, p=0,356<0,05 ). Dieser ist jedoch aufgrund der geringen Gruppengröße vorsichtig zu interpretieren. 5.8.4 Zusammenfassung - FH2 Insgesamt liegt das Testergebnis beider Versuchsgruppen von FH2 deutlich unter dem von FH1. Der relativ späte Zeitpunkt des Versuchs und der leicht unterschiedliche Versuchsablauf, der vermutlich zu Ermüdung vieler ProbandInnen führte, dürfte dies ausreichend erklären. Der Unterschied zwischen Gruppe A, die den NNS gehört hatte, und Gruppe B, die die Verdolmetschung ins Deutsche gehört hatte, ist aber bezüglich der Größenordnung fast gleich groß wie bei FH1, betrug also wiederum fast vier Punkte. Auch hier erwies sich der Unterschied als statistisch signifikant und war somit nicht zufällig zustande gekommen. Auch diese ExpertInnengruppe konnte somit Fragen zum Vortrag besser beantworten, wenn sie die Verdolmetschung gehört hatte. <?page no="238"?> 238 Überraschend ist, dass das Resultat dieser (Semi-)ExpertInnen auch unter dem Ergebnis aus dem Pilotversuch mit Nicht-ExpertInnen liegt. Dies scheint zu zeigen, dass Zugehörigkeit zu einem Fachbereich allein noch nicht ausreicht, um einen nichtmuttersprachlichen Fachvortrag besser zu verstehen bzw. die Defekte eines NNS zu kompensieren. Der Vergleich nach Itemformat zeigte auch in dieser Probandengruppe, dass ein signifikanter Gruppenunterschied unabhängig vom Format immer zu beobachten war. Die Berechnung der Itemschwierigkeit für FH2 bestätigte, dass die Versuchspersonen größere Schwierigkeiten gehabt hatten als die ProbandInnen der anderen beiden Versuchsdurchgänge: sieben Items wiesen eine Schwierigkeit von unter 0,5 auf, während es bei FH1 und im Pilotversuch nur vier bzw. fünf gewesen waren. Außerdem wich bei FH2 die Reihung der Items von der bei FH1 ab. Die fünf schwierigsten Items waren jedoch bei beiden Gruppen dieselben. Die wohl größte Abweichung von den bisherigen Ergebnissen war bei der Untersuchung der einzelnen Testitems zu verzeichnen. Hier stellt FH2 eine Ausnahme dar. Allein in dieser Versuchsreihe war es bei drei Fragen Gruppe A (NNS), die den höheren Mittelwert erreicht hatte, nicht Gruppe B. Insgesamt hatte jedoch Gruppe B deutlich bessere Werte beim Hörverständnistest. Auch in dieser Studie bewerteten die Versuchspersonen in Gruppe A ihr Verständnis subjektiv schlechter als in Gruppe B. Die Korrelationen mit dem Testscore waren jedoch nur gering bis sehr gering. Überraschend ist, dass die ProbandInnen ihr eigenes Verstehen ungefähr gleich gut beurteilen wie jene von FH1, wenn man bedenkt, dass das aus dem Testscore resultierende „objektive“ Verständnis bei FH2 weit unter jenem von FH1 lag. Die Akzentbewertung von FH2 ähnelt jener der anderen Versuchsgruppen sowie jener der ExpertInnen. Allerdings gab es keine Korrelationen mit dem Testscore oder der Verständniseinschätzung. Dies bedeutet, dass Versuchspersonen, die den Akzent als stark bewerteten, nicht unbedingt einen schlechten Testscore erzielten. Des Weiteren weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sie Akzent und Verständlichkeit von einander trennen konnten. Wer den Akzent als stark einstufte, gab nicht automatisch an, den Vortrag schlecht verstanden zu haben. Die Bewertung der Dolmetscherin durch die Versuchspersonen von FH2 fiel schlechter aus als jene im Pilotversuch und jene von FH1. Auch hier zeigte sich, dass die gewählten Skalenwerte und die schriftlichen Zusatzbemerkungen oft recht widersprüchlich waren. Dies könnte auf die geringe Erfahrung der ProbandInnen mit Dolmetschen zurückzuführen sein. Die Dolmetschbeurteilung korrelierte mit keiner anderen relevanten <?page no="239"?> 239 Variablen. Somit hatte weder das objektive, noch das subjektive Verstehen die Bewertung beeinflusst. Die Versuchspersonen von FH2 gaben an, ein geringeres Hintergrundwissen als jene von FH1 und sogar als die Dolmetschstudierenden zu haben. Wie bereits erwähnt wurde die Frage nach der Bekanntheit des Themas nach dem Hörverständnistest gestellt. Es ist denkbar, dass die Versuchspersonen, die klar Probleme bei der Beantwortung der Fragen hatten, im Anschluss auch ihr Hintergrundwissen als geringer einstuften. Denn allgemein ist davon auszugehen, dass es in etwa dem Wissensstand der Studierenden von FH1 entspricht. Auf jedem Fall sollte es größer sein als jenes der Versuchspersonen aus einer völlig anderen wissenschaftlichen Disziplin. Insgesamt schien aber auch hier das Hintergrundwissen keinen großen Einfluss auf das Testergebnis gehabt zu haben: Gruppe A, die angab, dass die besprochenen Themen bekannter waren, erzielte einen geringeren Testscore als Gruppe B. Das Hintergrundwissen konnte also das erschwerte Verstehen des NNS nicht wettmachen. Anders als bei FH1 korrelierte die Selbsteinschätzung der Englischkenntnisse nicht mit dem Testscore. Bessere Sprachkenntnisse führen also nicht zu besserem Verstehen des NNS. In Bezug auf die Erfahrung mit NNS zeigte sich auch hier, dass Personen mit mehr NNS-Erfahrung einen höheren Testscore erzielen konnten. Dasselbe galt auch für ProbandInnen mit spezifischer Erfahrung mit italienischen NNS. Aufgrund der geringen Gruppengröße wurden jedoch keine statistischen Tests durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen lediglich eine Tendenz auf und sind nicht inferenzierbar. In Bezug auf Differenzen zwischen den Geschlechtern zeigte sich, dass die weiblichen Versuchspersonen insgesamt einen um über einen Punkt höheren Durchschnittswert erreicht hatten. Im Gruppenvergleich erzielten ebenfalls die weiblichen Versuchspersonen in Gruppe B einen um einen Punkt höheren Mittelwert. Dies entspricht den Ergebnissen in FH 1. In Gruppe A lagen die männlichen Probanden geringfügig voran. Es gab jedoch keine bedeutende Korrelation zwischen der Variable Geschlecht und dem Testergebnis. Wie dieser Vorteil der Probandinnen in Gruppe B zu erklären ist, ist vorerst unklar. Ein Vergleich des Testscores der Vollzeitstudierenden mit dem der Teilzeitstudierenden, von denen anzunehmen ist, dass sie über mehr Expertise verfügen, zeigte klare Unterschiede zugunsten der Teilzeitstudierenden bei Median und Mittelwert des Testscores. Diese erwiesen sich jedoch als statistisch nicht signifikant und sind damit nicht inferenzierbar. Besonders interessant ist auch ein Vergleich bezüglich des angegebenen Hintergrundwissens zwischen den beiden Studienformen. Obwohl anzunehmen ist, dass die Teilzeitstudierenden mehr Praxiserfahrung haben, <?page no="240"?> 240 gaben sie an, dass ihnen die Themen des Vortrags nicht so bekannt waren wie den Vollzeitstudierenden. Dies ist eventuell darauf zurückzuführen, dass der Vortrag eher als wirtschaftswissenschaftlich und akademisch zu bezeichnen ist und somit in dieser Form wohl eher selten im Arbeitsalltag von WirtschaftsexpertInnen anzutreffen wäre. Trotz des geringeren Hintergrundwissens konnten die Teilzeitstudierenden jedoch einen höheren Testscore erzielen, was abermals zeigt, dass die Bekanntheit des Themas in dieser Studie eine vernachlässigbare Variable darstellte. <?page no="241"?> 241 6 Zusammenfassung und Diskussion 6.1 Englisch als Lingua Franca (ELF) und seine Auswirkungen auf das Dolmetschen Englisch ist derzeit unumstritten die am meisten verwendete und bedeutendste Verkehrssprache. In dieser Arbeit wurde detailliert darauf eingegangen, dass man sich in einer globalisierten Welt die Kommunikation ohne diese Lingua Franca in vielen Bereichen wie Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft nur mehr schwer vorstellen kann. Obgleich es unmöglich ist, die exakte Zahl an SprecherInnen auszumachen, geht man von bis zu 1,5 Milliarden Personen aus, von denen nur ein Viertel MuttersprachlerInnen (NS) sind. Die Reaktionen auf diese nie dagewesene Entwicklung gehen von großem Enthusiasmus angesichts der Möglichkeit der vereinfachten Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg bis hin zu starker Ablehnung der neuen „Weltsprache“, die angeblich die Bedeutung der Nationalsprachen schrumpfen lässt und Englisch-Nicht-muttersprachlerInnen in vielen Bereichen benachteiligt (vgl. Kap. 3). In dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, dass viele DolmetscherInnen zweifellos zu den schärfsten KritikerInnen dieser Entwicklung gehören. NichtmuttersprachlerInnen (NNS) als AusgangsrednerInnen haben es in die Liste der „liebsten Feinde“ des Berufsstandes geschafft. Oft wird in den Dolmetschkabinen über unverständliches BSE - Bad simple English - geschimpft. Es wurde erläutert, dass dies mehrere unterschiedliche Gründe hat. So stellt der steigende Einsatz von Englisch als einziger Arbeitssprache bei Konferenzen eine reale Bedrohung für den Berufstand dar, da die Nachfrage nach Verdolmetschungen dadurch stark zurückgegangen ist und weiter zurückgeht. Es gibt einen härteren Wettbewerb zwischen den DienstleisterInnen; immer öfter muss die Nützlichkeit der eigenen Arbeit gerechtfertigt werden. Wenn DolmetscherInnen nicht eingespart, sondern eingesetzt werden, so passiert dies heute meist auf fachlich sehr anspruchsvollen Konferenzen, auf denen sich viele nichtmuttersprachliche Vortragende des Englischen als Lingua Franca bedienen. Ihre phonologische, lexikalische und syntaktische Abweichungen von der NS-Norm stellen mehreren Umfragen zufolge einen großen Stressfaktor beim Dolmetschen dar. Des Weiteren zeigte sich auch in den meisten empirischen Studien mit nichtmuttersprachlichen Ausgangstexten, dass der Informationsverlust beim Dolmetschen höher war als bei muttersprachlichen Vortragenden (vgl. 3.6 und 3.6.3.1). <?page no="242"?> 242 Es wurde jedoch auch die Frage gestellt, warum NNS für DolmetscherInnen eine solche Erschwernis darstellen, wenn zahlreiche ELF-Studien behaupten und belegen, dass die ELF-Kommunikation meist funktioniert (vgl. 3.5.2). Ein Hauptgrund dafür dürfte darin liegen, dass sich diese Studien mit dyadischen Kommunikationssituationen auseinandersetzten, in denen die Bedeutung des Gesagten ausverhandelt werden kann und die GesprächsteilnehmerInnen Strategien wie Wiederholung oder Umformulierung anwenden, um Missverständnisse auszuräumen. Verdolmetschungen finden hingegen meist in monologischen Kommunikationssituationen wie z.B. bei Vorträgen statt, bei denen ein Nachfragen und Ausverhandeln auch für direkte ZuhörerInnen unmöglich ist. Auch das let it pass Prinzip, demzufolge ZuhörerInnen von NNS Unverständliches oft einfach übergehen, da es meist ohnehin zu einem späteren Zeitpunkt klar wird, ist im Kontext des Simultandolmetschens nicht einfach anzuwenden. Des Weiteren können DolmetscherInnen bei NNS oft nicht auf typische cues für die Antizipation zurückgreifen, da die nichtmuttersprachlichen RednerInnen häufig von der NS-Norm abweichende Satzstrukturen, Kollokationen oder Idiome verwenden, was die DolmetscherInnen auf eine falsche Fährte leiten kann, da sie nicht einen gesamten Satz in der Ausgangssprache abwarten können, bevor sie zu dolmetschen beginnen. Eben diese direkt die Arbeit der DolmetscherInnen betreffenden, aber auch die genannten wirtschaftlichen und psychosozialen Gründe dürften zur vornehmlich negativen Haltung des Berufsstandes gegenüber ELF beitragen. 6.1.1 ELF und Dolmetschen als komplementäre Kommunikationsmodi Die vorangegangenen Überlegungen bedeuten jedoch nicht, dass Dolmetschen und ELF einander grundsätzlich ausschließen würden. Ganz im Gegenteil kann es durchaus auch ein „friedliches Nebeneinander“ dieser beiden Kommunikationsmodi geben. Was für einige wie ein naiver Wunsch anmuten mag, ist meiner Ansicht nach auf EU-Ebene schon Realität (vgl. 3.4.3). Dort wird gemäß dem Prinzip der Mehrsprachigkeit in vielen kommunikativen Settings eine Verdolmetschung zur Verfügung gestellt, daneben wird aber auch Englisch intensiv als Verkehrssprache verwendet. Die beiden Modi werden je nach Setting, Zweck und Ziel der Kommunikation eingesetzt. Verdolmetschung wird vor allem bei hochrangigen Treffen wie den Plenarsitzungen des Europaparlaments oder den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs gewährleistet, d.h. vor allem dann, wenn die Sichtbarkeit der RednerInnen sehr hoch ist, wenn die Presse vertreten ist oder die Sitzungen im Webstreaming übertragen werden. Einerseits ist dies zur <?page no="243"?> 243 Gewährleistung einer tatsächlich demokratischen Repräsentanz vor allem der Mitglieder des europäischen Parlaments nötig, die aus verschiedensten beruflichen Laufbahnen in diese direkte Vertretung der europäischen BürgerInnen gewählt werden sollen, auch wenn sie über keine akademische Ausbildung oder sehr gute Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Andererseits sollten die PolitikerInnen bei öffentlichen Auftritten und prestigeträchtigen Anlässen die Möglichkeit haben, zwischen ihrer Erstsprache oder einer Fremdsprache zu wählen, weil dies auch Auswirkungen auf ihr Image und ihre Glaubwürdigkeit haben könnte, nachdem im politischen Bereich vor allem bei Auftritten vor der Kamera nicht nur wichtig ist, was gesagt wird, sondern auch das „Wie“ von großer Bedeutung ist. Hätte z.B. der deutsche EU-Kommissar Öttinger diese Chance wahrgenommen, hätte er sich wohl viele hämische Kommentare und zahllose Witze in Internetforen oder TV-Shows über seine ersten Auftritte in Brüssel in sehr stark akzentuiertem, teils schwer verständlichem Englisch ersparen können. Das soll nicht heißen, dass PolitikerInnen auf EU-Ebene nicht des Englischen mächtig sein müssen - ein Mindestmaß an Kenntnissen ist zweifellos unerlässlich. Ihre Englischkenntnisse müssen zweifellos ausreichend sein, um sich bei internen Sitzungen auf Englisch verständlich machen zu können, da bei weniger formellen Treffen Englisch durchaus immer öfter zum Einsatz kommt. Im Setting der sogenannten Korridorgespräche ist Englisch sogar unverzichtbar zum Knüpfen persönlicher Kontakte und zum Networking. Dort ist der Kontakt jedoch direkter, flexibler, und es droht auch kein Prestigeverlust, wenn man sich nicht besonders eloquent auf Englisch auszudrücken weiß. Bei diesen Interaktionen sind außerdem abermals ein Ausverhandeln des Gemeinten sowie der Einsatz von verschiedensten Kommunikationsstrategien möglich, die eine NNS-Interaktion erleichtern. Dasselbe wie für PolitikerInnen gilt auch für nationale BeamtInnen oder ExpertInnen aus den Mitgliedsländern, die zu Sitzungen der verschiedensten Kommissions- oder Ratsarbeitsgruppen nach Brüssel entsandt werden. Sie werden aufgrund ihrer Expertise, nicht aufgrund ihrer Sprachkenntnisse ausgewählt und haben daher in vielen Sitzungen dank Verdolmetschung die Möglichkeit, ihre Erstsprache zu sprechen und zu hören. In den Pausen oder bei informelleren bilateralen Gesprächen kommt hingegen durchaus meist Englisch als gemeinsame Kommunikationssprache zur Anwendung. Für EU-Beamte gelten hingegen völlig andere Anforderungen. Von ihnen wird verlangt, dass sie sehr gut in Englisch (und auch Französisch) kommunizieren, schreiben und arbeiten können. Dies scheint durchaus gerechtfertigt, da sie ständig im interkulturellen, multilingualen Kontext der europäischen Institutionen leben und arbeiten, wo auch aus finanziellen und <?page no="244"?> 244 budgetären Gründen nicht ständig Verdolmetschung oder Übersetzungen gewährleistet werden können. Im EU-Kontext gibt es also ein geregeltes Nebeneinander von Dolmetschen und ELF, wobei es trotzdem zu Mythenbildung auf beiden Seiten kommt (vgl. 3.4.3.4): KritikerInnen, die sich Englisch als alleinige EU- Sprache wünschen, behaupten, dass das Hören von Verdolmetschungen für die Delegierten sehr ermüdend sei und sie meist gar nicht mehr zuhören würden. Dies ist jedoch wohl - wenn überhaupt - nur sehr begrenzt wahr, da bei verdolmetschten Sitzungen meist über Gesetzestexte diskutiert und abgestimmt wird, die weitreichende Auswirkungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten haben können, weshalb sich die ZuhörerInnen wohl keine geistige Abwesenheit leisten können. Außerdem wird behauptet, dass Delegierte in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Redebeiträge verdolmetscht werden, kurze Sätze verwenden sowie Redewendungen und Witze vermeiden. Dies kann ich nur aus meiner eigenen Praxis als Konferenzdolmetscherin bei den Institutionen der EU verneinen. Auch angesichts der sehr positiven Daten aus Kundenzufriedenheitsbefragungen des SCIC (2010) kann die angeblich so große Ablehnung von Verdolmetschung wohl als Mythos abgetan werden. Nur 24 der rund 800 Befragten gaben an, den DolmetscherInnen nicht zu trauen (vgl. 3.6.1.2). Aber auch auf der anderen Seite gibt es unbegründete Vorurteile. Immer wieder kritisieren DolmetscherInnen ELF als unverständlich und behaupten, dass die sprachlichen Probleme von NichtmuttersprachlerInnen sogar des Öfteren zu völligem Chaos führen würden. Dies scheint jedoch überzogen, wenn man bedenkt, dass Englisch auch bei gedolmetschten Sitzungen immer öfter als Redaktionssprache eingesetzt wird und es trotzdem nur selten zu Missverständnissen kommt, die auf sprachliche Probleme im Englischen zurückzuführen sind. Des Weiteren kann keineswegs behauptet werden, dass NNS allgemein unverständlich seien, da deren Verständlichkeit und Sprachkenntnisse individuell stark variieren. Insgesamt ist die EU jedenfalls ein gutes Beispiel für ein effizientes Zusammenwirken von ELF und Dolmetschen, bei dem je nach KommunikationsteilnehmerInnen und -bedingungen der passendere Interaktionsmodus gewählt wird. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass auch in der EU die Kostenfrage immer bedeutender wird, weshalb in manchen Sitzungen nun aufgrund von Einsparungsmaßnahmen auf Englisch/ ELF statt Verdolmetschung gesetzt wird. Insgesamt stellt dies jedoch eher die Ausnahme als die Regel dar. Allgemein funktionieren die beiden Kommunikationsmodi nach wie vor sehr gut nebeneinander. 6.1.2 ELF und Dolmetschen im Wettbewerb Die Situation im Konferenzgeschehen fernab der europäischen Institutionen sieht jedoch oft völlig anders aus: VeranstalterInnen von internationa- <?page no="245"?> 245 len Konferenzen, die früher DolmetscherInnen zum Überwinden der Sprachbarrieren zwischen den TeilnehmerInnen engagierten, bietet sich nunmehr auch die Alternativmöglichkeit, auf Englisch als Konferenzsprache zurückzugreifen. Dass Dolmetschen ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor ist, steht außer Frage. Sowohl Dolmetschanlagen als auch DolmetscherInnen kosten Geld und stellen einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für VeranstalterInnen dar. Und so hat die Ausbreitung von ELF im Konferenzbereich bereits Spuren hinterlassen: Es gibt immer mehr Konferenzen mit Englisch als alleiniger Konferenzsprache oder als Sprache für alle TeilnehmerInnen, die der Sprache des Veranstaltungsortes der Konferenz nicht mächtig sind. DolmetscherInnen werden eingespart, was oft damit gerechtfertigt wird, dass Fachleute sich untereinander ohnehin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe und ihrer Fachkenntnisse auch in nicht „perfektem“ Englisch verstehen und sie keine DolmetscherInnen benötigen. Man geht davon aus, dass ExpertInnen über gemeinsames Wissen verfügen, das ihnen hilft, auch über NNS-typische Abweichungen in Lexik, Syntax oder Phonetik hinwegsehen zu können. Diesem idealisierten Bild zufolge funktioniert die Kommunikation zwischen ELF-NutzerInnen mit verschiedensten Erstsprachen - vielleicht gerade weil der Zwischenschritt des Dolmetschens ausgeschaltet wurde - reibungslos. Die DolmetscherInnen selbst sehen dies naturgemäß anders: sie sind der Meinung, dass die Botschaft von RednerInnen besser über eine Verdolmetschung als in nichtmuttersprachlichem Englisch transportiert wird, da DolmetscherInnen professionelle SprecherInnen sind, was viele Vortragenden, die zusätzlich auch noch eine Fremdsprache sprechen, nicht von sich behaupten können. Dies impliziert die Überzeugung, dass DolmetscherInnen einen nichtmuttersprachlichen Ausgangstext auch verbessern oder besser verständlich machen können und sollen (vgl. 3.6.2). 6.2 Ausgangspunkt für die empirische Studie Es stehen also zwei Meinungen im Widerspruch: einerseits die vieler Konferenzveranstalter, die meinen, auf Verdolmetschung verzichten zu können, wenn sie auf Englisch als Verkehrssprache zurückgreifen können. Und andererseits die der DolmetscherInnen, die der Ansicht sind, dass sie gerade dann, wenn nichtmuttersprachliches Englisch gesprochen wird, besonders gebraucht werden. Ebendies war der Ausgangspunkt für den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Versuch (vgl. Kap. 4). Die zentrale Frage, die sich eingangs stellte, war, wie man diese angebliche Wirkungsäquivalenz zwischen einem NNS-Vortrag und einer Verdolmetschung in die Erstsprache des Publikums messen könnte. Dies sollte auf möglichst objektive Art und Weise geschehen, da man davon ausging, dass eine reine Selbsteinschätzung des Verstehens der ZuhörerInnen durch deren Einstel- <?page no="246"?> 246 lung zum Thema ELF vs. Dolmetschen beeinflusst sein würde. Ziel war es jedoch, zu testen, was von dem Vortrag tatsächlich beim Publikum angekommen war. Dafür wurde ein Ansatz verfolgt, der in der Zweitsprachenforschung, aber auch bereits in der Dolmetschwissenschaft - und dabei vor allem im Bereich Gebärdensprachdolmetschen - schon oft zum Einsatz gekommen war: das Überprüfen der kognitiven Wirkung eines mündlichen Vortrags durch einen anschließenden Hörverständnistest im Publikum mit Fragen zum Inhalt des Gehörten (vgl. 2.2.3.2). Diese Methodik basiert auf der weitgehend anerkannten Norm der gleichen Wirkung von Ausgangstext und Zieltext, die immer noch eine der höchsten Maximen unter KonferenzdolmetscherInnen darstellt (vgl. 2.2.3). Zugegebenermaßen ist das Ausfüllen eines Fragebogens zum Inhalt eines Vortrags eine Aufgabe, die KonferenzteilnehmerInnen in realen Settings nicht erfüllen müssen. Wenn man aber davon ausgeht, dass das Hauptziel beim Zuhören eines Vortrags das Aufnehmen und Speichern von (neuer) Information ist, dann ist das Abfragen dieser Information wohl eine Art, zu überprüfen, ob das Hauptziel erreicht wurde. Es ist unbestritten, dass ZuhörerInnen bei Konferenzen oft auch andere Beweggründe haben: sie wollen vielleicht nur die RednerInnen vortragen sehen, andere TeilnehmerInnen kennen lernen oder müssen auch einfach nur anwesend sein, weil man es von ihnen erwartet. In dieser Studie geht man von einer idealisierten Situation aus, in der die ZuhörerInnen tatsächlich einem Vortrag beiwohnen, um neue Information aufzunehmen. Zweifellos birgt das Abfragen dieser Information auch trotz dieser idealisierten Situation mehrere Probleme in sich, denen durch die gewissenhafte Auswahl von Originalredner (vgl. 5.3), Dolmetscherin (vgl. 5.4) und Versuchspersonen (vgl. 5.7.1), durch die gründliche Planung des Versuchsablaufs und das sorgfältige Design und Testen des Fragebogens entgegengewirkt wurde (vgl. 5.5). 6.2.1 Kritische Fragen zum Versuchsdesign Trotz eines mit viel Überlegung geplanten Versuchsdesigns mit einem ExpertInnenrating zum Akzent der Vortragenden, einem Pretest mit kognitiven Interviews, einem Pilotversuch und einer sorgfältigen Parallelisierung und Randomisierung der Versuchspersonen gibt es Punkte, die kritisch angesprochen werden könnten. Diese sollen in diesem Abschnitt von mehreren Blickwinkeln aus betrachtet werden. 6.2.1.1 Faktor Gedächtnis Bezüglich des eingesetzten Hörverständnistests könnte kritisch angemerkt werden, dass beim Abfragen von Informationen auch direkt nach dem Hören nicht nur die kognitive Wirkung von Vorträgen getestet wird, son- <?page no="247"?> 247 dern auch das Merkvermögen und Gedächtnis der Versuchspersonen, die die aufgenommene Information bei den eingesetzten Multiple-Choice- Items wiedererkennen müssen und bei den halboffenen Fragen sogar abrufen und wiedergeben müssen. Da der Verstehensprozess nicht beobachtbar ist, musste den ProbandInnen jedoch irgendeine Art von Aufgabe gestellt werden. Die Tatsache, dass diese ihrem Alter, ihrer Ausbildung und ihrer Studiensituation zum Zeitpunkt des Versuchs vergleichbar waren, sollte den Einfluss des Faktors Gedächtnis möglichst klein halten. Zusätzlich wurden sie auch ihren Gesamtnoten nach parallelisiert, um „gute“ und „schlechte“ Studierende möglichst gleichmäßig auf die beiden Versuchsgruppen aufzuteilen. Dabei ist der Autorin bewusst ist, dass Noten nicht unbedingt ein Maß für ein gutes Gedächtnis oder auch Verständnisgabe sind. Sie sind jedoch ein messbarer Faktor, der zumindest möglicherweise auch damit zu tun haben könnte, und eine Teilvariable, die kontrolliert werden kann. Trotzdem scheinen diese Versuche erfolgreich gewesen zu sein, wenn man bedenkt, dass der Punkteunterschied bezüglich Hörverständnis zwischen Gruppe A (NNS-Redner) und Gruppe B (Verdolmetschung) in allen Versuchsdurchgängen sehr ähnlich war. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass in jedem Durchgang zufällig die Personen mit einem besseren Gedächtnis Gruppe B angehörten. Was die Unterschiede bei den Itemtypen betrifft, allen voran die Möglichkeit, dass die halboffenen Fragen, bei denen ein Wiederabrufen und nicht nur ein Wiedererkennen der Information notwendig war, stärker durch die individuelle Merkfähigkeit der Versuchspersonen beeinflusst worden sein könnten, so zeigte sich einerseits bei der Berechnung der Itemschwierigkeit, dass die halboffenen Fragen nicht die schwierigsten Items gewesen waren. Andererseits wurde auch bei einem Vergleich des Testscores nach Itemformat getrennt festgestellt, dass sich der Versuchsgruppenunterschied nicht änderte, wenn man das Ergebnis ohne die halboffenen Items berechnete. Die halboffenen Fragen hatten das Ergebnis demnach nicht durch die Variable Gedächtnis verzerrt. Insgesamt zeigte sich also, dass die Variable Gedächtnis bestmöglich kontrolliert worden war. 6.2.1.2 ExpertInnen Ein weiterer möglicherweise kontroverser Punkt bezüglich des Versuchs ist die Frage der Versuchspersonen in der Haupt- und Zweitstudie. Der Wunsch, eine ausreichende Zahl an im Arbeitsleben stehenden WirtschaftsexpertInnen für den Versuch zu gewinnen, wurde schon bald als aussichtslos betrachtet. Solche Versuchspersonen wären aber ohnehin auch schon deswegen problematisch gewesen, da bei ihnen die Variable Hintergrundwissen noch schwerer zu kontrollieren gewesen wäre. Das Auswei- <?page no="248"?> 248 chen auf Studierende entspricht einem üblichen Vorgehen bei vielen empirischen Arbeiten verschiedenster Disziplinen. Es wurde argumentiert, dass die Tatsache, dass die ProbandInnen an Fachhochschulen studierten, ihre Praxisnähe erhöhte und sie dem Status im Arbeitsprozess begriffener WirtschaftsexpertInnen schon sehr nahe wären (vgl. 5.7.1). In Anbetracht der Art des Vortrags sind die Versuchspersonen überhaupt ideale KandidatInnen. Es geht darin nämlich zwar um ein wirtschaftliches Thema, dieses wird jedoch von einem Wirtschaftswissenschafter, einem Universitätslektor, präsentiert. Der Ausgangstext entspräche damit genau dem Typus von Vortrag, der in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium, Seminar oder einer ähnlichen Veranstaltung gehalten werden könnte: einem wirtschaftswissenschaftlichen Fachvortrag in Englisch als Lingua Franca. Dies gehört im Zeitalter, in dem Englisch eine immer wichtigere Stellung als Bildungssprache einnimmt, durchaus zum Alltag von Wirtschaftstudierenden. Damit waren die FH-Studierenden, wenngleich sie auch noch nicht als vollwertige WirtschaftsexpertInnen bezeichnet werden können, doch eindeutig ExpertInnen für dieses wirtschaftswissenschaftliche, akademische Setting. Es könnte sogar gemutmaßt werden, dass die akademisch ausgerichtete Rede für Marketing- ExpertInnen, die wenig mit wirtschaftwissenschaftlichen, akademischen Theorien zu tun haben, eher ungewohnt und unüblich wäre. 6.3 Hauptfragestellungen und Antworten Nach diesen kritischen Fragen ist es nun nach Auswertung der Ergebnisse möglich, die unter 5.2 gestellten und kontextuell verorteten Forschungsfragen zu beantworten. Damit werden auch die unterschiedlichen Ergebnisse aus den verschiedenen Versuchsdurchgängen - Pilotstudie (vgl. 5.6), Hauptstudie (FH1 vgl. 5.7) und Zweitstudie (FH2 vgl. 5.8) - zusammengeführt und kontrastiv analysiert. 1) Werden nichtmuttersprachliche RednerInnen von ExpertInnen tatsächlich gleich gut verstanden wie eine Dolmetschung in deren Erstsprache? Diese Hauptfrage der Studie konnte klar mit Nein beantwortet werden, da in beiden Versuchsdurchgängen ein deutlicher, statistisch signifikanter Unterschied zwischen Gruppe A (NNS-Originalredner) und Gruppe B (Verdolmetschung ins Deutsche) zu beobachten war, wobei Gruppe B durchgehend ein besseres Ergebnis im Verständnistest vorweisen kann. Sowohl beim Hauptversuch mit FH1 als auch beim Nebenversuch mit FH2 betrug dieser vom Itemformat unabhängige Unterschied knapp unter vier Punkte von 19 insgesamt im Hörverständnistest zu erreichenden Punkten (siehe Tabelle 86). <?page no="249"?> 249 FH1 FH2 Pilot Gruppe A B A B A B Punkte 8,1 12 5,7 9,4 8,3 12,6 Unterschied 3,9 3,7 4,3 Punkte 10,2 7,6 10,4 Tabelle 86 - Vergleich Score FH1, FH2 und Pilot Im Pilotversuch mit Nicht-ExpertInnen war der Unterschied mit 4,3 Punkten ein wenig größer. Dabei ist auch anzumerken, dass diese Nicht-Fachleute - insgesamt und auch getrennt nach Gruppe A und B - den höchsten durchschnittlichen Punktewert von allen Versuchsgruppen erreichten (siehe Tabelle 86). Damit zeigen diese Ergebnisse klar, dass der nichtmuttersprachliche Redner von deutschsprachigen ExpertInnen schlechter verstanden wurde als die Verdolmetschung seines englischen Vortrags ins Deutsche, obwohl die Versuchspersonen aus derselben Fachdisziplin wie der NNS- Vortragende kommen und gute Englischkenntnisse vorzuweisen hatten. Damit ist die oft geäußerte Behauptung, dass Fachleute einander mit verschiedensten Erstsprachen auf Englisch zumindest gleich gut verstehen wie über eine Verdolmetschung, widerlegt. 2) Können DolmetscherInnen einen Ausgangstext mit typischen NNS- Merkmalen tatsächlich „verbessern“? Diese Frage kann angesichts der unter der vorhergehenden Frage erwähnten Zahlen bejaht werden, womit die Behauptung vieler DolmetscherInnen bestätigt zu sein scheint, der zufolge eine Verdolmetschung eine bessere kognitive Wirkung erzielen kann als ein Vortrag in nichtmuttersprachlichem Englisch. Der deutlich höhere Testscore von Gruppe B (Verdolmetschung) bei allen Versuchsdurchgängen weist darauf hin, dass die kommunikative Wirkung im Sinne von Informationsweitergabe besser funktionierte, wenn die Versuchspersonen den Vortrag in ihrer Erstsprache hörten als wenn sie den nichtmuttersprachlichen Originalredner hörten, obwohl alle ProbandInnen dem Fachbereich des Vortragenden zuzuordnen sind und über sehr gute Englischkenntnisse verfügten. Besonders überraschend ist die Tatsache, dass dies auch für den Pilotversuch gilt, bei dem auch Gruppe B (Verdolmetschung) zu 48% aus Nicht-DeutschmuttersprachlerInnen bestand, da es sehr viele ausländische Studierende in dieser Studienrichtung gibt. In diesem Fall muss somit weniger die Tatsache, dass der AT nicht in der Erstsprache der Versuchspersonen vorgetragen wurde, als vielmehr die Tatsache, dass er von einem Nichtmuttersprachler gehalten wurde, dazu geführt haben, dass seine kognitive Wirkung schlechter ausfiel. Der Vorteil der <?page no="250"?> 250 Gruppe mit Verdolmetschung lag damit nicht darin, dass sie etwas in ihrer L1 hörten, sondern darin, dass sie keinen nichtmuttersprachlichen Vortrag hörten. Wie bereits erwähnt betrifft dieses Ergebnis jedoch nur den Pilotversuch mit Nichtfachleuten. 3) Können Versuchspersonen den Grad ihres Verständnisses selbst beurteilen? Diese Frage kann mit Hilfe der Antworten auf das Fragebogenitem „Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht)? “ beantwortet werden. Die Ergebnisse könnten als „subjektives Verständnis“ bezeichnet werden und sind vor allem deswegen interessant, weil das richtige Selbsteinschätzen des Verständnisses wohl eine Grundvoraussetzung sein muss, wenn man behaupten will, dass man NNS gleich gut wie Verdolmetschungen verstünde, was ein Argument ist, das verwendet wird, um DolmetscherInnen einzusparen (vgl. 3.6.1). Sowohl in der Hauptstudie als auch in der Zweitstudie bewertete Gruppe A ihr eigenes Verständnis um zwei Punkte schlechter als Gruppe B. Im Pilotversuch betrug der Unterschied nur einen Punkt. Damit entspricht das subjektive Empfinden zumindest tendenziell auch dem „objektiven“ Verstehen, das durch den Testscore gemessen wurde, der wie besprochen in allen Durchgängen in Gruppe B niedriger gewesen war. Statistische Berechnungen zeigten jedoch lediglich bei FH1 einen Zusammenhang zwischen „objektivem“ Verständnis in Form des Testscores und dem subjektiven Verständnis, der mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,5 als mittel bezeichnet werden darf. Die Fähigkeit von ZuhörerInnen, ihr Verständnis selbst einzuschätzen, ist somit nicht sehr ausgeprägt. Dies könnte ein weiterer Anlass dafür sein, die Hypothese, der zufolge NNS ohnehin gleich gut verstanden werden wie DolmetscherInnen, kritisch zu hinterfragen. 4) Gibt es einen Zusammenhang zwischen Akzentbewertung und subjektivem oder „objektivem“ Verständnis? Es wurde überprüft, ob die Akzentbewertung mit der subjektiven Verständniseinschätzung der Versuchspersonen bzw. mit ihrem Testscore korrelierte. In keiner der Versuchsdurchgänge konnte ein solcher Zusammenhang festgestellt werden. Dies würde bedeuten, dass Versuchspersonen, die den Ausgangsvortrag schlechter verstanden haben bzw. glauben, ihn schlechter verstanden zu haben, dies nicht unbedingt darauf zurückführen, dass der Vortrag in akzentuiertem Englisch gehalten wurde. Wie schon in mehreren Studien zuvor wurde damit gezeigt, dass ZuhörerInnen zwischen Akzent und Verständlichkeit unterscheiden können (vgl. 5.7.5). <?page no="251"?> 251 5) Bewerten Personen, die bereits Verdolmetschungen gehört haben, die gehörte Dolmetschleistung anders als jene ohne Erfahrung? Insgesamt hatten die Versuchspersonen aus allen Versuchsdurchgängen eher weniger Erfahrung mit Verdolmetschung in konferenzähnlichen Situationen. Ihre Bewertung der Dolmetschleistung erfolgte auf einer Ordinalskala von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht und fiel allgemein gut aus: der Median von FH1 und im Pilotversuch entsprach dem Skalenwert 2, jener von FH2 dem Skalenwert 3. Ein direkter Vergleich der Gruppe mit Erfahrung mit all jenen ohne Erfahrung zeigte, dass die durchschnittliche Beurteilung durch erfahrenere DolmetschkundInnen jeweils um einen Punkt strenger ausfiel. In statistischen Tests konnte aber weder eine Korrelation zwischen Erfahrung und Bewertung noch ein statistisch signifikanter Gruppenunterschied zwischen erfahrenen und unerfahrenen NutzerInnen festgestellt werden. Besonders interessant sind die offenen Kommentare der Versuchspersonen zu dieser Frage. Aus den Anmerkungen aus dem Pilotversuch - also von Studierenden der Translationswissenschaft - lässt sich eine Solidarisierung mit der Dolmetscherin ableiten. Während die ProbandInnen der beiden Fachhochschulen teils scharfe Kritik übten, versuchten die Dolmetschstudierenden ihre „Kollegin“ zu schützen - z.B. mit Aussagen wie „Aus einem schlechten AT kann auch die beste Dolmetscherin nicht viel rausholen“. Während der Median dieser Gruppe dem von FH1 entspricht, liegt ihr Modus um einen Punkt unter jenem der Fachhochschulen. Ein Grund für die mildere Beurteilung dürfte in diesem Fall neben der Solidarisierung wohl auch das Wissen der angehenden TranslatorInnen um die Charakteristika und Probleme des Dolmetschens sein. Dieses schien bei den anderen ProbandInnen teils nicht sehr ausgeprägt zu sein. So waren einige überrascht, einen männlichen Originalredner zu sehen und dazu eine weibliche Dolmetschstimme zu hören. Dies könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass die Versuchspersonen bisher seltener in den Genuss von Konferenzdolmetschen gekommen waren und eher Mediendolmetschen konsumiert hatten, wo eine Übereinstimmung des Geschlechts der DolmetscherInnen mit jenem der RednerInnen üblich ist. Die Ergebnisse erlauben insgesamt aufgrund der geringen Erfahrung der Versuchspersonen als NutzerInnen von Dolmetschleistungen keine klare Antwort auf die Frage. Es besteht lediglich eine Tendenz dahingehend, dass erfahrenere ZuhörerInnen strengere Urteile abgeben. Andererseits scheint auch ein Mehr an Wissen über den Beruf und auch ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Berufsstand zu milderen Urteilen führen zu können. <?page no="252"?> 252 Die Forschungsfragen 6 bis 10 werden im nächsten Abschnitt unter dem Blickwinkel von „ELF und Verstehen“ behandelt (siehe 6.3.1.1, 6.3.1.2, 6.3.1.3, 6.3.1.4 und 6.3.1.5). 11) Hat das Alter der Versuchspersonen eine Auswirkung auf das Verstehen? In keiner der Versuchsgruppen hatte das Alter eine besondere Auswirkung auf das Testergebnis. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Streuung in allen Gruppen nicht besonders groß war. 12) Hat das Geschlecht der Versuchspersonen eine Auswirkung auf das Verstehen? Sowohl in der Hauptals auch in der Zweitstudie schnitten die weiblichen Versuchspersonen insgesamt von geringfügig bis zu um über einen Punkt besser ab als ihre männlichen Kollegen. Besonders interessant ist ein Vergleich nach Gruppe A und B. Beim Zuhören des NNS-Vortrages schnitten jeweils die männlichen Probanden geringfügig besser als die weiblichen ab. In Gruppe B, die die Verdolmetschung ins Deutsche gehört hatte, schnitten jedoch beide Male die Zuhörerinnen um über einen Punkt deutlich besser ab (siehe Tabelle 87). FH1 FH2 Geschlecht m w m w Gruppe A 8,4 7,8 5,7 5,6 Gruppe B 11,4 12,8 8,9 10 A + B 10,1 10,3 7,1 8,3 Tabelle 87 - Score nach Geschlecht - FH1 und FH2 Korrelationsberechnungen wiesen jedoch auf einen nur geringen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen hin. Ein U-Test im Hauptversuch zeigte, dass der große Geschlechtsunterschied in Gruppe B nicht signifikant war. Das Ergebnis ist somit nicht inferenzierbar und gilt nur für die untersuchten Personen. Eine Erklärung für den Unterschied in den konkreten Versuchen konnte nicht gefunden werden. Es wäre allerdings möglich, dass ein Zusammenhang mit Ergebnissen aus NutzerInnenstudien hinsichtlich der Erwartungen an Dolmetschleistungen besteht, aus denen hervorging, dass Frauen höhere Ansprüche an darbietungsbezogene Kriterien hegen (vgl. z.B. Moser 1995: B-22, Zwischenberger 2013: 365 f.). Es wäre denkbar, dass darbietungsbezogene Parameter wie Intonation oder Akzent den weiblichen Zuhörerinnen nicht nur aus ästhetischen Gründen wichtiger sind, sondern, dass sie auch tatsächlich ihr Verständnis <?page no="253"?> 253 mehr beeinträchtigen als bei männlichen Zuhörern. Um diesen möglichen Zusammenhang genauer zu prüfen, müssten jedoch weitere Studien durchgeführt werden. 13) Haben Studierende mit mehr Berufserfahrung, die somit eher als ExpertInnen auf dem Fachgebiet betrachtet werden können, Vorteile beim Verstehen eines NNS? Diese Frage wurde durch einen Vergleich des Testscores der vollzeit- und teilzeitstudierenden Versuchspersonen von FH2 beleuchtet, wobei davon ausgegangen werden kann, dass Studierende neben dem Teilzeitstudium meist einer einschlägigen Tätigkeit nachgehen, was bedeutet, dass sie über ein Mehr an Expertise verfügen dürften (vgl. 5.8.1). Die Teilzeitstudierenden gaben zwar an, dass ihnen die Themen des Vortrags weniger bekannt wären, sie erzielten jedoch in Gruppe A, aber auch insgesamt einen deutlich höheren Testscore als die Vollzeitstudierenden. Dieser Unterschied könnte darauf zurückzuführen sein, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mehr Erfahrung gesammelt hatten, die ihnen beim Verstehen des NNS von Vorteil waren. Allerdings erwies sich der Unterschied als nicht inferenzierbar. 6.3.1 ELF und Verstehen Obgleich der Fokus dieses Forschungsvorhabens vor allem auf dem Zusammenhang zwischen Dolmetschen und ELF lag, können dank der Ergebnisse auch einige Überlegungen zum Thema „ELF und Verstehen von NNS“ angestellt werden. In Kapitel 4 wurden mehrere Variablen besprochen, die das Verstehen von NNS-RednerInnen beeinflussen können. Es wurde versucht, im Fragebogen auch auf diese Variablen abzuzielen und aus den Testergebnissen der unterschiedlichen Versuchsgruppen Schlüsse zu ziehen. 6.3.1.1 Hintergrundwissen (Forschungsfrage 6) Ein besonders interessantes Ergebnis betrifft die Variable Wissen/ Hintergrund-wissen/ Vorwissen zum Thema. Gerade diese Variable wird immer wieder als Faktor genannt, der beim Verstehen von NNS hilfreich sein soll. ExpertInnen und Fachleute sollen einander demnach auch in stark akzentuiertem oder zumindest nicht der NS-Norm entsprechendem Englisch gut verstehen, weil sie einer Gruppe angehören oder einen gemeinsamen Wissenshintergrund haben. In dieser Studie hätten demnach die Wirtschaftsstudierenden den nichtmuttersprachlichen Redner deutlich besser verstehen sollen als die Dolmetschstudierenden aus dem Pilotversuch. Es waren jedoch die Versuchspersonen aus dem Pilotversuch, die das beste Ergebnis in Gruppe A (NNS-Redner) erzielen konnten (siehe Tabelle 88). <?page no="254"?> 254 EN-Pilot EN-FH1 EN-FH2 n 25 27 15 Mittelwert 8,3 8,1 5,7 Tabelle 88 - Score Gruppe A alle Versuche Als zweiter Indikator zur Überprüfung des Einflusses des Faktors Wissen kann das Ausmaß des Unterschieds zwischen Gruppe A und B gesehen werden. Dieser müsste - wenn Fachleute NNS-Schwierigkeiten besser kompensieren können - im Hauptversuch viel geringer sein. Er betrug bei der Pilotstudie ca. vier Punkte, bei FH1 ca. drei Punkte und bei FH2 ebenfalls ca. 4 Punkte. Damit hatte nur ein Teil der Wirtschaftstudierenden (FH1) beim Hören des NNS ein wenig von ihrem Vorwissen profitiert, auch sie kamen jedoch bei weitem nicht an das Verständnis derer heran, die die Verdolmetschung gehört hatten. In der Zweitstudie mit FH2 war es überhaupt so, dass alle durchschnittlichen Testergebnisse unter denen aus dem Pilotversuch mit den Nicht- ExpertInnen lagen. Ihr Vorwissen zum Thema hatte ihnen zu überhaupt keinem Vorteil verholfen, weder in Gruppe A (NNS) noch in Gruppe B (Verdolmetschung). Interessant ist des Weiteren, dass die NichtexpertInnen auch insgesamt das beste Gesamtergebnis der drei Gruppen erzielen konnten (siehe Tabelle 89). Am Testscore gemessen scheint der Faktor Vorwissen beim Verstehen dieser Ausgangsrede - aber auch der Verdolmetschung - allgemein keine große Rolle gespielt zu haben. Pilot FH1 FH2 n 50 58 31 Score 10,4 10,2 7,6 Bekanntheit 6 4 7 Tabelle 89 - Gesamtscore und Vorwissen alle Versuche Abgesehen von dem Mehr an Fachwissen, das man für die Studierenden der einschlägigen Fachrichtung angenommen hatte, wurde im Fragebogen auch erhoben, wie gut den ProbandInnen die Themen des Vortrags bekannt gewesen waren (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt). Dabei zeigte sich zwar bei FH1 ein klarer Unterschied zum Pilotversuch mit Dolmetschstudierenden, in FH2 lag das selbst angegebene Vorwissen jedoch unter dem der Nicht-ExpertInnen (siehe Tabelle 89). Einen weiteren Hinweis darauf, dass das Hintergrundwissen als Variable beim Verstehen von NNS im Vergleich zur Verdolmetschung nicht <?page no="255"?> 255 überzubewerten ist, liefert der Gruppenvergleich (A-B) bezüglich der Frage nach der Bekanntheit des Themas. Sowohl bei FH1 als auch bei FH2 waren die Themen des Vortrags in Gruppe A (NNS) besser bekannt als in Gruppe B. Trotzdem erzielte Gruppe B bei beiden Fachhochschulen höhere Testscores. Diesen Ergebnissen zufolge bringt der Faktor Hintergrundwissen und Bekanntheit des Themas somit nicht automatisch auch Vorteile beim Hören eines NNS. Zugehörigkeit zu einem Fachbereich allein scheint nicht auszureichen, um Input von einem NNS leichter zu verarbeiten oder besser zu verstehen. Es ist anzunehmen, dass die Studien, die Vorteile dieser Natur aufzeigen konnten, von einem sehr tiefgehenden oder spezifischen Vorwissen der ProbandInnen zum Thema des Vortrags ausgingen, über das nicht alle VertreterInnen eines breiten Fachgebiets wie Wirtschaft verfügen können. Groupness (vgl. 4.3.3.2) scheint somit nicht allein die Zugehörigkeit zu einer Disziplin, einem Fachgebiet zu sein, sondern vielmehr die Mitgliedschaft in einer sehr spezialisierten Gruppe von ExpertInnen mit Fachwissen in einer ganz bestimmten Unterdisziplin. Dies entspricht den Ergebnissen von Chiang/ Dunkel (1992), denen zufolge ZuhörerInnen ein bekanntes Thema auch besser verstanden, allerdings nur, wenn es um allgemeine Informationen ging, nicht aber wenn es um das Erkennen der wichtigsten Ideen und Details eines Vortrags ging. Ein Grundverständnis und -wissen in einem Fachbereich zu haben, ist damit noch kein Garant dafür, dass man sich auch bei speziellen Themen, die diesem Gebiet zuzurechnen sind, leichter zurechtfindet. Die Annahme, dass alle „ExpertInnen“, die einen Kongress besuchen, auch Fachleute in allen dort thematisierten Teil- und Unterdisziplinen sind oder sich mit allen dort behandelten Fragestellungen bereits auseinander gesetzt haben, ist realitätsfern. Damit ist auch nicht unbedingt immer eine groupness gegeben, die das Verstehen auch in ELF erleichtert. Diesem Ansatz entspricht auch Kohn/ Kalinas (1996: 131) Meinung, dass Vortragende und ZuhörerInnen auf Konferenzen nur selten tatsächlich über dasselbe Weltwissen verfügen. Damit stehen die hier gewonnenen Ergebnisse im Gegensatz zu der Behauptung, dass man bei Fachkongressen ELF statt Dolmetschen einsetzen könne, ohne dass das Verstehen der ZuhörerInnen darunter leide. 6.3.1.2 Englischkenntnisse (Forschungsfrage 7) Auch der Einfluss dieser Variablen auf das Verstehen von NNS kann anhand verschiedener Testergebnisse untersucht werden. Einerseits wurde dies anhand der Selbsteinschätzung der Versuchspersonen bezüglich ihrer Englischkenntnisse in Teil B des Fragebogens überprüft: Während die selbst angegebenen Englischkenntnisse der ProbandInnen aus dem Pilotversuch und von FH2 nur sehr gering bis gering mit dem Testergebnis <?page no="256"?> 256 korrelierten, gab es in der Hauptstudie (FH1) einen mittleren Zusammenhang zwischen Score und Selbsteinschätzung der Sprachkenntnisse, der auch inferenzierbar ist. Somit war es zumindest im Hauptversuch so, dass Versuchspersonen mit besseren Englischkenntnissen auch bessere Ergebnisse in Gruppe A (NNS) erzielen konnten. Dieses Ergebnis beschränkte sich allerdings bei genauerer Untersuchung lediglich auf die halboffenen Items. Wie sehr die Englischkenntnisse den Score beeinflusst hatten, kann auch anhand eines anderen Ergebnisses überprüft werden. Ein Teil der ProbandInnen aus dem Hauptversuch mit FH1 besuchten die bilinguale Variante des Studiengangs mit einem strengen Auswahlverfahren zu Beginn des Studiums und vielen Lehrveranstaltungen auf Englisch. Es ist davon auszugehen, dass ihre Englischkenntnisse besser sind als jene der Studierenden aus dem deutschsprachigen Studiengang. Ein Vergleich ihrer Mittelwerte beim Hörverständnistest in Gruppe A, die den NNS gehört hatte, zeigt, dass der Testscore der bilingualen Studierenden über einen halben Punkt über dem der deutschsprachigen lag (8,5 vs. 7,9). Dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant und somit nicht inferenzierbar. Dies würde bedeuten, dass bei diesem Versuch die ProbandInnen mit besseren Englischkenntnissen auch ein besseres Resultat im Hörverständnistest erzielen konnten, dass dies aber nicht auf die Gesamtpopulation übertragbar ist. Damit hatten die Englischkenntnisse der Versuchspersonen teils keine, teils eine mittlere Auswirkung auf ihr Verstehen des nichtmuttersprachlichen Redners. 6.3.1.3 Erfahrung mit nichtmuttersprachlichen RednerInnen (Forschungsfrage 8) Die Ergebnisse mehrerer Studien weisen darauf hin, dass ZuhörerInnen, die mehr Erfahrung im kommunikativen Austausch mit NichtmuttersprachlerInnen vorzuweisen haben, diese auch besser verstehen (vgl. 4.3.1 und 4.3.2). Auch in unseren Versuchsgruppen scheint sich dieser Trend bestätigt zu haben. In allen Versuchsgruppen erzielten ProbandInnen mit mehr Erfahrung auch ein deutlich besseres Testergebnis: in FH1 um 2,6 Punkte besser, in FH2 um 2,1 Punkte und im Pilotversuch um einen Punkt, was bedeutet, dass die Personen, die (sehr) oft mit NNS sprechen, den NNS-Originalredner auch besser verstanden hatten. Diese Differenzen beim Testscore sind bei FH1 und FH2 auch inferenzierbar. Damit ist Erfahrung mit NNS-Englisch diesen Resultaten zufolge eindeutig ein Vorteil beim Verstehen von NichtmuttersprachlerInnen. <?page no="257"?> 257 6.3.1.4 Bekanntheit des spezifischen Akzents (Forschungsfrage 9) Ein weiterer Faktor, der laut mehreren Studien das Verstehen von NNS- RednerInnen beeinflusst, ist die Bekanntheit ihres spezifischen NNS- Akzents, in unserem Fall von italienischem Englisch. Aus diesem Grund sollten die ProbandInnen im Fragebogen angeben, wie oft sie schon ItalienerInnen Englisch sprechen gehört hatten. Im Hauptversuch mit FH1 überrascht, dass jene Versuchspersonen, die angaben, dies noch nie getan zu haben, den höchsten Testscore erreichten, was den oben genannten Studien völlig widerspricht. Andererseits stieg bei jenen mit Erfahrung der Testscore auch mit einem Mehr an Erfahrung. Somit sind die Ergebnisse sehr widersprüchlich. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gruppengrößen sehr klein waren und niemand angegeben hatte, schon sehr oft mit englischsprechenden ItalienerInnen Kontakt gehabt zu haben. Auch im Neben- und Pilotversuch zeigte sich kein eindeutiges Bild. Auf Inferenzstatistik wurde auch hier aufgrund der sehr kleinen Gruppengrößen verzichtet. Damit scheint in diesen Gruppen weniger die Erfahrung mit italienischen NNS, als vielmehr die Erfahrung mit NNS insgesamt von Vorteil gewesen zu sein. 6.3.1.5 Erstsprache der ZuhörerInnen (Forschungsfrage 10) Diese Frage konnte ausschließlich im Pilotversuch untersucht werden, da beinahe alle ProbandInnen der Fachhochschulen Deutsch als Erstsprache angaben, was einen Gruppenvergleich dort unmöglich machte. Im Pilotversuch gab es hingegen sogar einige Versuchspersonen, die die Erstsprache (L1) des Redners - Italienisch - teilten. Sie erzielten jedoch einen niedrigeren Testscore als die übrigen ZuhörerInnen. Der matched interlanguage speech intelligibility benefit, demzufolge eine gemeinsame Erstsprache ein Vorteil beim Verstehen von NNS ist, kam folglich nicht zum Tragen. Den höchsten Score erzielten unterwartet jene Versuchspersonen, die weder Deutsch noch Italienisch als Erstsprache angaben. Es könnte sein, dass hier der mismatched interlanguage speech intelligibility benefit zum Vorschein kam, also der Vorteil von NNS- ZuhörerInnen beim Verstehen von anderen NNS. Die ausländischen Studierenden aus dem Pilotversuch dürften die allgemeinen Strategien von NNS gut kennen, da sie diese eventuell selbst anwenden, wenn sie eine Fremdsprache produzieren oder zu verstehen versuchen. Des Weiteren dürften sie aufgrund ihres Studiums im Ausland viel Erfahrung mit NNS mit anderen L1 als ihrer eigenen haben und davon beim Vortrag des italienischen Redners profitiert haben. Insgesamt sind jedoch die Gruppengrößen so klein, dass keine zu verallgemeinernden Aussagen dazu gemacht werden können. <?page no="258"?> 258 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in dieser Studie vor allem eine RezipientInnenvariable großen Einfluss auf die kognitive Wirkung eines Nichtmuttersprachlers im Publikum hatte: das Ausmaß, in dem seine ZuhörerInnen Erfahrung mit NichtmuttersprachlerInnen vorweisen konnten. Während das Wissen zum Thema der Rede und die Erstsprache der Versuchspersonen beinahe gar keine oder auch teils eine völlig unerwartete Bedeutung hatten und die Englischkenntnisse der ProbandInnen nur einen mittleren Einfluss ausübten, war die Häufigkeit von Kontakten mit NNS sehr bedeutsam gewesen. Dies würde bedeuten, dass es weniger die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist, die Defizite von NNS überwinden hilft, als viel mehr das Ausmaß an Interaktion und die Erfahrung mit NNS. Aber auch diese beiden Variablen - Expertise und NNS-Erfahrung - könnten häufig in Zusammenhang stehen: Personen, die z.B. international im Wirtschaftsbereich tätig sind, haben auch viel Kontakt zu Menschen mit anderen Erstsprachen, mit denen sie wohl häufig auf Englisch kommunizieren. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe dürfte somit auch ein hohes Ausmaß an Interaktionen mit NNS mit sich bringen. Dasselbe lässt sich wohl auch für viele andere Gruppen von Fachleuten behaupten wie beispielsweise WissenschafterInnen verschiedenster Disziplinen, die regen Austausch mit KollegInnen mittels Englisch als Lingua Franca betreiben. Dies würde bedeuten, dass es für diese internationalen Interaktionen sehr hilfreich wäre, nicht nur „perfektes“ NS-Englisch gelernt zu haben, sondern vor allem mit NNS-Englisch Kontakt gehabt zu haben, wie es auch manche ELF-ForscherInnen vorschlagen und für den Unterricht fordern (vgl. 3.5.3). In der spezifischen Sprachausbildung wären somit wohl weniger Sprachkurse oder Aufhalte in englischsprachigen Ländern zu forcieren, als vielmehr Veranstaltungen wie Workshops oder Summer Schools mit einem möglichst internationalen, multilingualen Publikum, bei denen man mit EnglischsprecherInnen mit den unterschiedlichsten L1 in Kontakt treten kann. 6.4 Schlussfolgerungen 6.4.1 Spannungsfeld ELF und Dolmetschen In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass der stetig steigende Stellenwert des Englischen als Lingua Franca eine der interessantesten sprachlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ist, die in fast allen Bereichen unseres Lebens Einzug gehalten und je nach Blickwinkel diametral entgegengesetzte Reaktionen hervorgerufen hat. <?page no="259"?> 259 Es ist anzunehmen, dass die Verwendung von Englisch als Lingua Franca auch durch zu dolmetschende RednerInnen in der nächsten Zeit eher zunehmen als zurückgehen wird. Es wurde jedoch gezeigt, dass ELF und Dolmetschen als alternative Arten, Sprachbarrieren zu überwinden, einander nicht unbedingt ausschließen. 47 Ob ELF oder Dolmetschen effektiver sind, hängt großteils vom Setting ab, in dem eine interkulturelle Interaktion stattfindet. Wenn die Kommunikation dialogische Merkmale aufweist, dann scheint ELF in den meisten Fällen seinen Zweck zu erfüllen. Im Falle einer monologischen, unidirektionalen Kommunikation scheint Dolmetschen der hier beschriebenen Studie zufolge eine höhere kognitive Wirkung im Publikum zu haben. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nur eine qualitativ hochwertige Verdolmetschung diesen Vorteil für die ZuhörerInnen erreichen kann. Hohe Qualitätsstandards im Dolmetschen sind in einer Zeit, in der Dolmetschen durch den Aufstieg von ELF immer mehr zu einem - wie Déjean Le Féal es bezeichnet - Luxusartikel wird, unerlässlich (vgl. Shlesinger 1997: 131). Wie diese erreicht werden können, wird in der Folge besprochen. 6.4.2 Dolmetschdidaktik Meiner Ansicht nach ist es angesichts der großen Verbreitung von ELF unerlässlich, Dolmetschstudierende möglichst gut auf die immer häufiger auftretenden Situationen vorzubereiten, in denen sie NNS-RednerInnen verdolmetschen müssen. Schon 1952 regte Herbert an, Vorträge von NNS in den Dolmetschunterricht einzubauen (S. 16). Umso mehr ist es auch heutzutage, nachdem schon drei Viertel der EnglischsprecherInnen NichtmuttersprachlerInnen sind, angebracht, die in dieser und anderen einschlägigen Studien gewonnenen Überlegungen noch häufiger in Lehrveranstaltungen für Dolmetschen mit Englisch als Arbeitssprache einfließen zu lassen als dies bereits der Fall ist (vgl. Albl-Mikasa 2013, Basel 2002: 135, Kodrnja 2001: 124, Kurz/ Basel 2009: 209, Proffitt 1997: 24). Kurz (2005: 70) schlägt vor, dass dies beispielsweise durch die Einladung von GastrednerInnen mit unterschiedlichen Akzenten an Ausbildungsstätten oder durch eine allgemeine Sensibilisierung der Studierenden für Defizite im Ausgangstext erfolgen könnte. Sie empfiehlt des Weiteren, die Studierenden dazu anzuregen, mögliche Strategien für NNS- RednerInnen zu entwickeln und diese praktisch zu üben. Ein weiterer beachtenswerter Punkt für die Lehre sind NNS-Texte, die in hohem Tempo vorgetragen werden. Studierende sollten die Möglichkeit bekommen, sich an solche Ausgangsreden zu gewöhnen, da ein hohes oder 47 Zu den Möglichkeiten wissenschaftlicher Synergien zwischen ELF und Translationswissenschaft siehe Cook (2012). <?page no="260"?> 260 zumindest als hoch wahrgenommenes Sprechtempo ein Charakteristikum von NNS-RednerInnen zu sein scheint. Insgesamt sollten die Studierenden in ihrer Ausbildung auf die Entwicklung im Bereich ELF und ihre Vor- und Nachteile wie auch ihre Implikationen für den Berufsstand hingewiesen werden und so auch zu eigenständigen Überlegungen zu diesem Thema angeregt werden. 6.4.3 Professionelle DolmetscherInnen Während es relativ einfach ist, diese Vorschläge in der Dolmetschausbildung umzusetzen, scheint es doch auch notwendig, praktizierende DolmetscherInnen davon zu überzeugen, dass es von Vorteil ist, sich konstruktiv an die neuen Umstände anzupassen, nachdem davon ausgegangen werden kann, dass diese sich nicht sehr bald ändern werden. Die derzeit häufigste Reaktion von PraktikerInnen auf ELF besteht darin, sich über die „inkompetenten NNS“ zu beschweren. Eine weniger voreingenommene Haltung könnte jedoch das Stressniveau, die Anspannung und folglich die Frustration bei der Arbeit mit NNS-RednerInnen senken. Außerdem sollte es für professionelle DolmetscherInnen die Möglichkeit geben, coping strategies auf strukturierte Art und Weise zu entwickeln. Dies könnte im Rahmen von speziellen Seminaren oder Workshops erfolgen, bei denen immer wiederkehrende Merkmale von NNS auf der Basis von empirischen Daten beschrieben werden. Auch das Üben mit einer Reihe von verschiedenen Akzenten ohne den Stress einer echten Dolmetschsituation könnte sich als effektiv erweisen. DolmetscherInnen mit einer weniger negativen Einstellung dürften auch ihre potentiellen KundInnen besser von der Überlegenheit ihrer Leistungen gegenüber ELF überzeugen können. Man kann davon ausgehen, dass informierte PraktikerInnen, die auch die Vorteile von ELF vor allem im Bereich der dyadischen Kommunikation anerkennen, glaubwürdiger sind als jene, die sich nur negativ über den Aufstieg des Englischen und „unfähige“ RednerInnen äußern. Und gerade diese Art von „Kundenerziehung” ist notwendig, um den AuftraggeberInnen bewusst zu machen, unter welchen Umständen ELF das Erreichen ihrer kommunikativen Ziele gefährden könnte und professionelle DolmetscherInnen das Verstehen über Sprachbarrieren hinweg besser sicherstellen könnten. 6.4.4 Dolmetschwissenschaft 6.4.4.1 ELF und Dolmetschen Angesichts der oben angeführten Entwicklungen wäre es dringend an der Zeit, dem vieldiskutierten Spannungsfeld von ELF und Dolmetschen auch <?page no="261"?> 261 in der Dolmetschforschung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, um Missverständnisse und Mythen auszuräumen, Vorurteile abzubauen, aber auch um die Instrumente zur Verfügung zu haben, mit denen DolmetscherInnen besser auf die neuen Gegebenheiten vorbereitet werden können. Eine Auseinandersetzung mit diesen hochaktuellen Fragestellungen könnte des Weiteren auch dazu beitragen, oft wissenschaftsskeptische PraktikerInnen davon zu überzeugen, dass sich die Dolmetschwissenschaft nicht nur mit sehr abstrakten Hypothesen, sondern auch mit alltäglichen Problemen des Berufsstandes beschäftigt und für alle einen Mehrwert darstellen kann. Konkret wäre es im Sinne der oben erwähnten „Kundenerziehung“ nützlich, das hier zur Anwendung gekommene Versuchsdesign in weiteren Studien anzuwenden, um zusätzliche Argumente gegen die Behauptung liefern zu können, dass Fachleute NNS ohnehin zumindest gleich gut verstünden wie eine Verdolmetschung in ihre Erstsprache. Diese Annahme wurde zwar in dieser Studie klar widerlegt, für eine gefestigte Theorie darüber bedürfte es jedoch noch weiterer Versuche - z.B. mit ExpertInnen aus anderen Disziplinen, SprecherInnen und HörerInnen mit anderen L1 etc., die die hier gewonnenen Ergebnisse bestätigen. In Hinblick auf die in der Aus- und Weiterbildung vorgeschlagene Fokussierung auf coping strategies für NNS-RednerInnen wäre es interessant zu untersuchen, welche Strategien beim Dolmetschen von NichtmuttersprachlerInnen erfolgversprechend sein könnten. Darüber könnte beispielsweise die Analyse eines Corpus von Dolmetschungen von NNS- Reden Auskunft geben. Aber auch Befragungen unter DolmetscherInnen über ihre Coping-Strategien könnten mögliche Antworten liefern, die dann in der Dolmetschdidaktik ihren Niederschlag finden könnten. Auch andere dolmetschwissenschaftliche Forschungsvorhaben auf dem Gebiet von ELF wären wünschenswert. Von großem Interesse wäre beispielsweise eine umfassendere Bestandsaufnahme darüber, wie oft DolmetscherInnen im Arbeitsalltag tatsächlich mit NNS-RednerInnen zu tun haben, da bisher nicht ausreichend empirische Daten darüber vorliegen (vgl. 3.6.1). Auch eine von PraktikerInnen getätigte Einschätzung und subjektive Bewertung der Auswirkungen von NNS-RednerInnen auf ihre Arbeitsleistung könnte zum Beispiel aufzeigen, welche NNS-Merkmale als am Störendsten empfunden werden. Ebendiese Merkmale könnten in Folge in der Dolmetschdidaktik besonders oft in Reden eingebaut werden, um Studierende schon früh dafür zu sensibilisieren. Das wäre in dem Sinn von Nutzen, als erwiesen wurde, dass sich das Verständnis von NNS-Akzenten schon nach einer kurzen Zeit, in der man dem Akzent ausgesetzt ist, verbessert (vgl. Weil 2001, Clarke 2004). <?page no="262"?> 262 Insgesamt ist dieses Thema so aktuell, ruft so viel Interesse hervor und bietet so viele Untersuchungsobjekte, dass es auch im Bereich der Dolmetschwissenschaft noch weiter in den Fokus gerückt werden sollte. 6.4.4.2 Prüfung der kognitiven Wirkung Neben den ELF-bezogenen Aspekten wirft diese Arbeit auch methodische Fragen auf, die in der Zukunft weiterverfolgt werden könnten. Der hier beschriebene Versuch hat gezeigt, dass das Messen der kognitiven Wirkung im Publikum als eine Methode, Qualität von Dolmetschleistungen zu überprüfen (vgl. 2.2.3), möglich ist. Es wäre wünschenswert, dieses Forschungsmodell der Überprüfung der Wirkungsäquivalenz mittels Verständnistests in weiteren Studien anzuwenden, beispielsweise auch in Dolmetschsituationen, in denen die Verdolmetschung tatsächlich von einem Teil der Zuhörerschaft gebraucht wird. Neben Erwartungsstudien und Beurteilungen von Dolmetschleistungen könnte dies eine neue, komplementäre Form der Evaluierung von Dolmetschqualität darstellen. Insgesamt verdient das Thema kognitive Wirkung und kognitives Endergebnis im Publikum schon allein deswegen mehr Aufmerksamkeit, da es als konsequente Verfolgung des weitgehend akzeptierten Anspruchs an Verdolmetschungen nach Sinnübereinstimmung mit dem Original und der Norm der gleichen Wirkung von Ausgangs- und Zieltext bezeichnet werden kann. Der Umgang mit der immer wieder gestellten Forderung nach sense consistency, Sinnübereinstimmung, die bisher jedoch nur selten näher erklärt wurde, sollte neu überdacht und definiert werden, da eine Forderung nach etwas, das niemals klar definiert wurde, auch schwer zu erfüllen und vor allem zu überprüfen sein dürfte. Nachdem dieses Qualitätskriterium in beinahe allen einschlägigen Studien den ersten Platz einnimmt, gebühren ihm wohl auch weitere theoretische Überlegungen, wie auch eine praktische Annäherung. Einleitend wurde das Hauptziel dieser Arbeit beschrieben, das darin bestehen sollte, die beiden Kommunikationsmodi ELF und Dolmetschen, die immer wieder als Konkurrenten dargestellt werden, einander erstmals konkret gegenüberzustellen. Inwiefern diese Gegenüberstellung geglückt ist und tatsächlich ergründet werden konnte, welche Wirkung die beiden Modi erzielen können, obliegt dem Urteil der LeserInnen. Diese Arbeit versteht sich als erster Schritt in den noch weiter zu erforschenden Bereich der Überprüfung der beinahe universellen Norm und Forderung nach Wirkungsäquivalenz beim Simultandolmetschen. Die hier erprobte und detailliert beschriebene Methodik sollte den Weg für weitere Untersuchungen bahnen, die sich dem Thema der Qualität beim Dolmetschen widmen. <?page no="263"?> 263 Bibliografie Agard, F., Di Pietro, R. 1965. The Sounds of English and Italian. Chicago/ London: The University of Chicago Press. AIIC. 2005. “AIIC: A statistical portrait.” Communicate! , September-October 2005. <www.aiic.net/ ViewPage.cfm/ article1471.htm > (04.11.2013). AIIC. 2009. CACL - Guidelines for applicants. <www.aiic.net/ ViewPage.cfm/ page199.htm> (04.11.2013). Albl-Mikasa, M. 2010. “Global English and English as a lingua franca (ELF): implications for the interpreting profession.” trans-kom, 3: 2, 126-148. Albl-Mikasa, M. 2013a. “Teaching Globish? 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Spring 2010. <http: / / www.aiic.net/ ViewPage.cfm/ article2510.htm> (04.11.2013). <?page no="279"?> 279 Anhang Transkription Ausgangsrede Legende ə Endvokal-Addition (Paragoge) э gefüllte Pause ... wahrnehmbare, unsyntaktische, ungefüllte Pause h hinzugefügtes H am Wortanfang (h) nicht ausgesprochenes H am Wortanfang [...] Lautschrift Großbuchstabe in Wortmitte abweichende Akzentsetzung Ok, good morning. Э, this ə session ə , this short session ə will be focused ə [focjused] on ə the topic of postmodernIsem and its implication for marketing management ə . PostmodernIsem is ə a... a shift ə in terms of ə theory and method ə that is originAted in different disciplines. It is not ə related to marketing and consumer behaviour in specific ə , it was originAted for example in architEcture, but also in philosophy, and later on ə it was ə developed and applied also to the marketing discipline. Э, to be honest ə the marketing discipline ə э is originAted almost recently, because it’s only in ninetEEN fifty nine that the so-called marketing concept ə was established ə , and afterwArds the marketing discipline has evolved ə in two different directions. On the one hand ə , the marketing discipline has ə э elaborated different streams ə of investigation, from the traditional э marketing, э p..product э marketing, the one э that is rooted in the UK and Anglo-Saxon tradition at large ə , э in the 80s э and 90s э we halso included other streams of marketing investigation, э for example the stream of service marketing ə , but also the stream of industrial marketing ə , and more recently the the stream of experience marketing. And э in this sense ə the evolution of the discipline, э of the marketing discipline, has basically hadded several different streams ə all together, going ə somehow parallely one to the other. The second ə э transformation within the marketing discipline э is related to the epistemological shift ə associated to postmodernIsm. So э in 1981 ə the so-called interpretative turn ə affected the consumer behaviour discipline, and after this year э an increasing number of marketing <?page no="280"?> 280 researchers э has started to investigAte the consumption phenomena from a different viewpOint. So, instead of analYsing mostly the processes of purchAse ə and ə the post-purchase evaluations of consumers ə , э related basically to the topic of customer satisfaction and customer retention, э in ə more recent years ə , the attention of э consumer behaviour researchers ə has been devoted to the understanding of the experiential, of the symbolic ə and the negotial meaning ə of consumption. And ə this is very closely related to the so-called post-modern shift ə . Postmodernism э has introduced many different ə alterations in the way we interpret marketing ə and in the way we look at consumption. Э for example, э ju..ju.. just to make a very broad and generic statement ə , if in the traditional a.. marketing approach ə our idea of markets, of consumption and of the world ə at large ə э was very э consistent with the idea of objectivIobjectivity, so э we were prone to э, to assume that the э external world is objective ə and that we need ə to investigAte as researchers or as marketing managers this world in a very э detached, in a very fair, in a very objective way, э looking for an objective and implementable knowledge ə ; from the postmodern view this is completely overthrown, because ə in the postmodern lecture we don’t ə trust ə the existence of an objective reality, of objective consumption. Instead of objectivity we look for the subjective experience ə of the world and the subjective experience of consumption. And this means ə totally rethinking the role of marketing, rethinking the role of э researchers in marketing ə , and rethinking ə the levers of marketing in recent э days. In particular э when we look at ə the so-called postmOdern consumer, э the post-modern consumer has been defined, has been presented as a liberated consumer, a consumer that is ə э liberAted from the need ə of having a unique ə , э consistent identity, of э having a unique system of consumption. In post-modern days ə there is this idea of a liberatOry post-modernIsm, im-implying that the identity of the single consumer is a fragmented identity. So, each of us ə э can be э endowed, can э include a a complex set ə of identities ə all together. And this is a pretty recent co.. э I.. I would say statement associated to post-modernIsm. Э the fragmentation of the self, the fragmentation of the identity, of the consumer э has severe marketing implications, because if you just take into consideration the traditional topic of market segmentation, э this topic, this э this major strategic dimension of marketing ə is kind of overthrown ə in the post-modern view, because ə one of the hidden hypotheses of market segmentation, something that is never told in э in marketing text books or in marketing praxis is that ə э the consumer belongs to a unique ə segment ə , market segment ə . But what happens when ə the consumer is any longer an individual, э single [singol] э consumer, but in..involves and implies a multiple set of identities? In this situation the consumer is just moving <?page no="281"?> 281 from one segment to another ONE. And tha.. and in this terms the traditional segmentation of the market cannot be applied as in the past ə . So the first ə major transformation we have ə , relates to this topic. Just to make ə more concrete examples: just think about women, women dealing with the family and women having a professional life all together. Э, in this situations ə the roles ə that the single person has to cover, э stimulate the fragmentation of the self. And the marketing ə can also take into account ə this fragmentation and benefit ə from the fragmentation of the, of the consumer. Э, some companies for example from the advertIsing viewpOint ə э have э just э shown ə the same consumer using the same product in different ways according to different situations. For example if you think about ə cosmetics ə or the the the products for э styling э hair, э there are companies who show the same men having a very traditional style ə э for the.. the bank ə э I mean for his professional life ə , and for his ə free tIme, for his spare tIme having a more punk ə appearance. So the same product for the same consumer (h)aving different э applications according to different situations and basically according to different ə dimensions ə of the э consumer identity. Э the same happened in in the past ə with ə products for э wome..women having having children. Basically, the э necessity to to comply, to integrAte different identities, the mo-motherhood ə component with the professional component ə gave the opportunity to companies ə to create products ə that were at the same time ə very healthy for the s, for the children, so very consistent with the need of being a good mother and at the same time very fast ə to be prepared, so very consistent with the role ə , the professional role of the woman. But ə in other situations again this fragmentation of the self is pretty evident ə . Again ə , if you take ə the situation of minority groups ə such as for example immigrants in a country, it is very frequent to observe ə how the cultural identity of this individuals ə is very much ə fragmented ə . Э the literature in in the field, the so-called ethnic ə studies ə contribution, has ə demonstrAted ə since the late, э э the early eighties, I would say, that ə ethnic consumers ə can manifest a fragmented identity. They can at the same time ə maintain э consumption styles and consumption values ə э consistent with the traditional hethnic belonging ə , while parallely acquiring ə competences and a sense of belonging ə in the hso-called host cUlture, so the culture of the country they hentered at a certain time ə in their... in their life. And so their consumption styles can be э polarised ə in in the two fields, the ethnic consumption as well as the э local consumption, but also mixed ə together in more creative terms ə . So if I prepare a a recip.. э a a traditional dish using local ingredients, and creating a completely new э piece of food, I mean, it’s the same time ethnic food and local food ə . So, this combination <?page no="282"?> 282 of different identities can also originAte э consumption situations that are completely э, I mean э, impossible to be, to be read ə or to be understood ə , or to be appreciAted also from a marketing perspective in the traditional э modern.. modernist lecture of marketing. Another э typical trait of the post-modern consumer is what we call (h)yper-reality. So the idea that ə contemporary consumption is very much ə э in..involved, embedded in the idea of const... constructing ə э involving consumption experiences. So the so-called spectacularisation of consumption is a key word ə in.. in marketing today. Instead of э selling э products or services that that are just ə a a very good solution, functional solution to the functional, technical needs ə of consumers ə , we are trying to immerse our consumers in real consumption experiences. And ə this ə idea of (h)yper-reality, this idea of spectacularisation of consumption can be э managed in many different ways. So we have ə for example the э increasingly relevant topic of event management ə , events marketing as...are a typical example of ə direct involvement of possible consumers ə in a consumption experience ə , stimulating many different senses at the same time. But we also have ə successful case histories, for example in the States ə , the the the idea, the the the case history э related to the э American girl product that is a toy for for for girls ə , is so successful, has been so successful, because ə it was able to create a full, involving and complete consumption experience ə , starting from the store. So, when ə the the kids come to the store and they buy their their doll, э they э can э buy a dress that is the same of their doll. They have hair э э hair stylist taking care of the doll. So they are largely and fully involved in a consumption experience. And again, if you just think at Disney Land or э other store experiences, again, they are all the same. Э, take the case of Moncler, this companyyy operating in the fashion industry and selling ə heavy stuff for the winter, э Moncler has ə created a shop ə and... below zero, I mean, a very cold э setting ə where the consumers can wear [wi ə ] and try the the dress, the clothes, the garments that Moncler sell in the situation in which they will use ə this garment ə . So, all these are examples of what we identifY as spectacularisation. And then another э idea related to post-modernIsm is also our э connection with the past ə , and with the future at the same time. If ə in the modern approach ə to marketing and to consumption we are very prone to to assume ə that the future is what ə э will bring us ə a a a improvement of our human and also consumption experience ə , this is something very far in the post-modern lecture. Э in post-modernIsm we don’t trust ə that ə future means ə improvement ə э and that the past ə is only something that we have to leave ə behind ə and for.. and forget. In post-modern times ə э, we <?page no="283"?> 283 celebrAte the so-called perennial present, so a situation in which the past, the present and the future are recombined together. Э that’s why э in postmodern times э the so-called retro-marketing is so so strongly э welcomed and somehOw also celebrAted. Э, there are several examples of companies ə who are coping ə with this idea of ə bringing back ə past traditions to contemporary times ə . If we just consider э examples such as the the Beetle of VolkswAgen or the Mini э э Mini minor, examples of BM- BM BMW, these are just ə э examples of companies ə who are able who who have been able to incorporAte the tradition in contemporary products ə and sell the consumer this idea. Another case (h)istory can be related to Camper, э the the Spanish э э company э selling э again э basically shoes ə . In this case ə , the company instead of celebrAting the future, э and so the the projection towards technology and technological improvement ə , э is mostly celebrAting the Mediterranean values of the past, of the tradition, of the slowness of life ə and constructing the... its brand identity around ə these values. So, э the post-modern consumption э, just to say, э is pr.. э, is definitely and ə and deeply э related to major transformations in our understanding of of consumers ə . Э just э to to be very short, and ə to state ə the the major tone, I would say, in our understanding and interpretation of э consumption and consumers ə : instead of using ə the terminology consumer, э as interpreti..interpretativist researchers, as post-mOdern researchers we prefer to speak in terms of ə э consuming people. So э our idea is that ə the consumer terminology э isolates consumption from the full life experience of individuals ə . Instead of saying that we э research, we investigAte consumers ə , we prefer to say that ə we э deal and we research ə in terms of consuming people, so people who consume. Э consumption is, has to be connected to the life of individuals. When we consumes, we are not acting as consumers, we are acting as people who consume. And so this idea of including ə life ə , of including ə several dimensions of life such as gender, ethnicity, religion, age ə , э social ties ə , э the linking values of consumption are all topics that are taken into account ə in the post ə modern approach. <?page no="284"?> 284 Transkription Verdolmetschung Legende э gefüllte Pause ... wahrnehmbare, unsyntaktische, ungefüllte Pause · hörbares Zögern in Wortmitte Einen schönen guten Morgen. Dies wird eine kurze Präsentation und wird sich … auf das Thema der Postmoderne und die Implikationen für das Marketing-Management konzentrieren. Die Postmoderne ist eine theoretische und methodologische Wende und hat die Ursprünge in verschiedenen Disziplinen. Diese beziehen sich nicht auf das Marketing … im Allgemeinen, sondern hat die Ursprünge eher in der Philosoph·ie und in Architektur. Später wurden diese Ansätze auch … auf das Marketing angewandt. Um ehrlich zu sein, ist die Entwicklung der Marketingdisziplin eher … erst kürzlich entstanden, denn dieses Marketing·konzept wurde erst 1959 … entwickelt. Später hat sich … diese Disziplin in verschiedene … Richtungen entwickelt. Es gab auch verschiedene Forschungsrichtungen. Vom traditionellen Marketingansatz, das ist das Produktmarketing, das ist vor allem in … der anglosächsischen Tradition verwurzelt, wurden dann später in den 1980ern andere Forschungsrichtungen miteinbezogen, zum Beispiel Servicemarketing, aber auch Industriemarketing, und erst kürzlich … Erlebnismarketing. In diesem Sinn ist … die Entwicklung … der Marketingdisziplin auf verschiedenen Richtungen basierend. Diese Richtungen haben sich alle parallel zueinander entwickelt. Die zweite Veränderung innerhalb der Marketingdisziplin bezieht sich auf die epistemologische Wende. Diese wiederum ist sehr stark mit der Postmoderne verbunden. 1981 hat die sogenannte interpretative Wende auch die Konsumentenforschung beeinflusst. Und nach diesem Zeitpunkt begann man, das Konsumverhalten von einem anderen Blickwinkel aus zu untersuchen. Man konzentrierte sich also nicht mehr auf verschiedene Kaufprozesse oder Konsumentenbefragungen, die sich immer grundsätzlich auf Konsumentenzufriedenheit bezogen, sondern stattdessen … konzentrierte man sich jetzt in diesem neuen Ansatz … eher darauf, die … symbolischen Werte und э die verhandlungsbezogenen э Aktionen des Konsums zu analysieren. Und das ist wiederum sehr stark mit der postmodernen Wende verbunden. Die Postmoderne hat verschiedene … Veränderungen … unserer Art und Weise, wie wir Konsumverhalten … betrachten, hervorgebracht. Um das allgemein zu halten: Im traditionellen Marketingansatz war unsere Vorstellung von Märkten, von Konsumverhalten, von der Welt im Allgemeinen … sehr stark mit dem Konzept der Objektivität verbunden. Wir nahmen an, dass die Außenwelt eine objektive sei und dass wir als <?page no="285"?> 285 Forscher oder Marketingmanager diese Welt auch … von … sehr großer Distanz und sehr objektiv betrachten müssen, und deshalb auch umsetzbare und objektives Wissen … erforschen … sollten. Im postmodernen Ansatz denkt man nicht mehr, dass es eine objektive … Realität gibt. Stattdessen konzentriert man sich auf subjektive Erfahrungen. Das heißt, dass man … die Rolle des Marketings komplett überdenken muss, auch die Rolle der Forscher … und auch … dass man die verschiedenen Akteure des Marketings э neu bestimmen muss. Wenn man sich den … postmodernen Konsumenten ansieht, dann ist э dieser ein befreiter Konsument. Er ist befreit von dem Bedürfnis, eine einzigartige Identität zu haben oder ein einzigartiges Konsumsystem. In der Postmoderne hat sich die Idee entwickeln, dass э dieser Konsument eben befreit ist und dass die Identität eines einzelnen Konsumenten eine fragmentierte ist. Das heißt, jeder von uns kann ein э ganzes System von verschiedenen Identitäten beinhalten. Das ist … ein … sehr neues Konzept, und das bezieht sich vor allem eben auf diese postmoderne Sichtweise. Die Fragmentierung des Selbst, die Fragmentierung der Identität der Konsumenten hat э auch große, schwerwiegende Implikationen für das Marketing. Wenn sie sich die Marktsegmentierung, ein sehr traditionelles Thema ansehen, dann ist das eine große strategische Dimension … des Marketings. Genau dieses große Thema ist überholt in der Postmoderne. Manche versteckten Hypothesen dieser Marktsegmentierung - und das können Sie nicht in … Lehrbüchern э lesen und auch nicht in der Praxis erfahren - ist, dass … der Konsument zu einem einzigartigen Marktsegment gehört. Was geschieht aber, wenn der Konsument nicht mehr ein Individuum ist und nicht mehr … ein … einzelner Konsument, sondern wenn er verschiedene Identitäten miteinander vereint? In dieser Situation bewegt sich der Konsument nur von einem Marktsegment zu einem anderen. Das heißt die traditionelle Marktsegmentierung kann in der Postmoderne nicht mehr so angewandt werden wie in der Vergangenheit. Um … Ihnen ein bisschen … konkretere Beispiele zu geben, denken Sie an Frauen, Frauen, die einerseits … eine Familie haben, aber auch ein Berufsleben. In diesen Situationen sind die Rollen, die eine einzelne Person ausführen muss, … ein Grund für die Frag·mentierung des Selbst. Und э das Marketing kann von dieser Fragmentierung profitieren. Einige … Firmen haben bei ihrer Werbung auch schon gezeigt, dass … ein und derselbe Konsument ein und dasselbe Produkt auf verschiedene Arten einsetzen kann, in verschiedenen Situationen, zum Beispiel in der Kosmetik, oder denken Sie an … Hair Styling Produkte. Es gibt Firmen, die … die … gleichen Männer in verschiedenen Situationen zeigen - mit traditionellem Stil, wenn Sie zum Beispiel in ihrer Bank arbeiten, also in ihrem Berufsleben, oder auch in ihrer Freizeit, wo sie eher ein rockiges <?page no="286"?> 286 Erscheinungsbild haben. Das heißt, das gleiche Produkt hat für den gleichen Konsumenten verschiedene Anwendungsmöglichkeiten, э je nach Situation. Das bezieht sich auf die verschiedenen Dimensionen der Konsumentenidentität. Auch in der Vergangenheit gab es das schon, zum Beispiel … bei Frauen mit Kindern. Die Notwendigkeit, verschiedene Identitäten … zu inkludieren, war hier groß. Firmen konnten deshalb Produkte schaffen, die … sehr gesund waren für die Kinder, und das bezog sich natürlich auf э das Bedürfnis eine gute Mutter zu sein, und gleichzeitig auch sehr schnell zubereitet werden konnten. Das bezieht sich wieder auf … die … professionelle Rolle der Frau. In anderen Situationen ist э diese Fragmentierung des Selbst auch sehr offensichtlich. Denken Sie zum Beispiel an Minderheitengruppen wie zum Beispiel Immigranten in einem Land. Sehr oft kann man beobachten, wie die kulturelle Identität dieser I … Menschen fragmentiert ist. Die Literatur in diesem Bereich, die sogenannten ethnischen Studien, haben gezeigt, seit … den … späten 1980er Jahren, dass ethnische Konsumenten fragmentierte э Identitäten aufweisen können. Sie können Werte, die mit ihrem … in ihrer traditionellen Herkunft in Einklang stehen, haben, aber gleichzeitig auch ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gastkultur bekommen, das ist eben die Kultur, in die sie eingewandert sind. Dieses Konsumverhalten kann in zwei Bereichen polarisiert werden: das ist einerseits das ethnische Konsumverhalten, andererseits das lokale Konsumverhalten. Diese werden aber vermischt. Wenn man zum Beispiel ein traditionelles Gericht zubereitet, aber lokale Zutaten verwendet, dann entsteht daraus ein ganz neues Gericht, das gleichzeitig Ethnisches und э lokale Elemente aufweist. Und daraus können Konsumsituationen entstehen, die … beinahe unmöglich verstanden werden oder genutzt werden können, wenn man einen traditionellen, … modernen Ansatz anwendet. Ein anderer … typischer Charakterzug der Postmoderne ist die Hyperrealität. Die heutige Konsumforschung wendet vor allem da·es Konzept eines Konsumerlebnisses an. Das ist die sogenannte Spektakularisierung, und das ist ein großes Schlüsselwort im heutigen Marketing. Anstatt ein Produkt oder eine Leistung zu verkaufen, als eine funktionelle Lösung zu einem funktionellen Problem, versuchen wir unsere Konsumenten э in … Konsumerlebnisse zu involvieren. Diese Idee der Hyperrealität, der Spektakularisierung des Konsums kann auf verschiedene Arten angewandt werden. Zum Beispiel im Eventmanagement oder Eventmarketing, das sind typische Beispiele der direkten Involvierung möglicher Konsumenten in eine … Konsumerfahrung. Und es werden verschiedene Sinne gleichzeitig stimuliert. <?page no="287"?> 287 Es gibt sehr … erfolgreiche Beispiele, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten. Denken Sie zum Beispiel an das American Girl Produkt. Das ist ein Spielzeug für Mädchen. Es hat einen großartigen Erfolg gehabt. Der Grund dafür war, weil man es geschafft hat, eine ganzheitliche … Konsumsituation zu schaffen. Und das beginnt schon im Geschäft. Wenn die Kinder also ins Geschäft kommen und ihre … Puppe kaufen, können sie sich auch ein Kleid kaufen, das genau das gleiche ist, wie das ihrer Puppe. Es gibt außerdem einen Friseur, der sich um die Puppe kümmert. Das heißt, das ist ein ganzheitliches Konsumerlebnis. Oder denken Sie an Disney Land, oder auch andere Beispiele. Es gibt sehr viele davon. Denken Sie an Moncler. Diese … Firma arbeitet … in der Textilbranche und verkauft … auch zum Beispiel Winterkleidung. Es gibt nun dort einen Moncler-Shop, in dem es э sehr kalt ist, und die … Konsumenten können diese Kleidung anprobieren in derselben Situation, in der sie später die Kleidung verwenden werden. Und das ist, was wir unter Spektakularisierung verstehen. Eine andere Idee, die mit der Postmoderne verbunden ist, ist unsere Verbindung … mit der Vergangenheit und der Zukunft zum gleichen Zeitpunkt. Im modernen Ansatz des Marketings und des Konsums nahmen wir an, dass die Zukunft etwas sei, das uns … immer eine Verbesserung bringt, Verbesserung unserer menschlichen Situation, aber auch unseres Konsums. Das ist … stark überholt in der Postmoderne. Die Postmoderne nimmt an, dass э Zukunft nicht immer gleichzeitig Verbesserung bedeutet und man denkt nicht, dass man die … Vergangenheit einfach vergessen und hinter sich lassen sollte. Stattdessen feiern wir die ewige Gegenwart. Das ist eine Situation, in der die Vergangenheit, die Zukunft und die Gegenwart э miteinander kombiniert sind. Das ist der Grund, warum in der Postmoderne das э Retromarketing zum Beispiel so э gut aufgenommen wird und so gefeiert wird. Es gibt verschiedene … Firmen, die diese Idee aufgegriffen haben und … die Traditionen der Vergangenheit auch э in der Gegenwart umsetzen. Zum Beispiel der Beetle von Volkswagen oder der Mini … von BMW. Das sind nur einige … Firmen, die es geschafft haben, diese traditionellen Werte in … heutigen … Produkten umzusetzen. Oder denken Sie an Camper, das ist eine spanische Firma, die … v·vor allem Schuhe verkauft. In diesem Fall hat … die Firma sich nicht darauf konzentriert, die technologischen Fortschritte in den Vordergrund zu stellen, sondern man feiert die mediterranen Werte der Vergangenheit, die Tradition … und die Langsamkeit des Lebens. Und diese Markenidentität э ist auf diesen Werten aufgebaut. Postmodernes Konsumverhalten ist … definitiv und sehr stark verbunden mit großen Veränderungen unseres Verständnisses von Konsumenten. Ich <?page no="288"?> 288 möchte mich nur kurz fassen und ich möchte э sozusagen die э Grundkonzepte präsentieren. Denken Sie nur an die … Terminologie, an den Terminus Konsument. Als interpretativistische oder postmoderne Forscher sprechen wir lieber von konsumierenden Menschen. Die I·Idee dahinter ist, dass das Wort Konsument den Konsum vom Leben der Menschen trennt. Wir wollen nicht … Konsumenten untersuchen, wir sagen lieber, wir untersuchen … konsumierende Menschen, das heißt Menschen, die etwas konsumieren. Der Konsum muss immer verbunden sein mit dem Leben … der Menschen. Wenn wir etwas kaufen, dann sind wir keine Konsumenten, wir sind Menschen, die etwas kaufen. Und diese Idee, das Leben э auch mit hineinzunehmen und verschiedene Dimensionen wie zum Beispiel Geschlecht, ethnische Herkunft, … Alter, Religion, soziale Kontakte - und das sind … alles Elemente, die in der Postmoderne miteinbezogen werden. <?page no="289"?> 289 Questionnaire - Marketing and post-modernism - ENGLISH PART A - Comprehension questions Please answer the following questions on the speech you have just heard. Try to respond according to what was said by the speaker (and not according to your own background knowledge). This questionnaire is not trying to measure intelligence or test knowledge, but the intelligibility of the speech. 1) Which of the following disciplines did the speaker mention when talking about the origins of postmodernism? (Multiple replies are possible.) philology architecture visual arts philosophy fine arts sociology performing arts 2) What does the speaker define as the traditional type of marketing? service marketing product marketing industrial marketing experience marketing 3) When did the so-called interpretative turn start to affect the consumer behaviour discipline? 1981 1985 1987 1989 <?page no="290"?> 290 4) After the interpretative turn, which aspect of consumer behaviour was mainly analysed by researchers? the processes of purchase the processes of post-purchase customer satisfaction the symbolic meaning of consumption 5) According to the speaker, which traditional marketing idea do postmodern researchers NOT believe in anymore? the existence of a fragmented identity the existence of an objective reality the existence of subjective consumption the existence of an objective identity 6) Name the speaker’s three concrete examples for customers with a fragmented identity. .............................................................................................. .............................................................................................. .............................................................................................. 7) Name the speaker’s three examples of product marketing emphasising spectacularisation and consumption experiences. .............................................................................................. .............................................................................................. .............................................................................................. 8) In the post-modern view ... ... future means improvement. ... the past is something that we have to leave behind. ... the past, the present and the future are recombined. ... the future will bring us an improvement of our consumption experience. <?page no="291"?> 291 9) Name the three brands that were mentioned by the speaker in connection to retro marketing. .............................................................................................. .............................................................................................. .............................................................................................. 10) Why do interpretativist researchers try to avoid the term “consumer”? Because of its association with hyper-reality. Because it is connected to the projection towards technology and technological improvement. Because it doesn’t take into account market segmentation. Because it isolates consumption from the full life experience of consumers. 11) In the postmodern approach several dimensions of life are taken into account. Which of the following did the speaker enumerate towards the end of the speech? (Multiple replies are possible.) status political beliefs age ethnicity profession education gender <?page no="292"?> 292 PART B - Further questions 12) Please rate the speaker’s accent. (from 1=no perceptible foreign accent to 7=very strong foreign accent) no perceptible foreign accent 1 2 3 4 5 6 7 very strong foreign accent Remarks...................................................................................................................... ....................................................................... .............................................................. 13) How well did you understand the content of the speech? (from 1=very well to 7=very poorly) very well 1 2 3 4 5 6 7 very poorly Remarks...................................................................................................................... 14) Your mother tongue: .................................. (In case you grew up using more than one language, please indicate the one you are more proficient in). 15) Please rate your English listening skills. (from 1=very good to 7=very poor) very good 1 2 3 4 5 6 7 very poor 16) How often do you speak English with persons who use English as a foreign language? very often often sometimes rarely never Remarks…………………………………………………………………………… <?page no="293"?> 293 17) Have you ever listened to Italians speaking English? yes no not sure If yes, a) In which communicative situations / settings? ...................................................................................................................... ...................................................................................................................... b) How often? very often often a few times rarely 18) How familiar were you with the topics discussed in the speech? (from 1=very familiar to 7=not familiar at all) very familiar 1 2 3 4 5 6 7 not familiar at all Remarks...................................................................................................................... ............................................................................................................................. ........ 19) Gender : female male 20) Your age: ............ 21) You are studying full time part time Further remarks ……………………………………………………………………………………… ............................................................................................................................. ................ ............................................................................................................................................. ..................................................................................................................... <?page no="294"?> 294 Fragebogen - Marketing und Postmoderne - DEUTSCH TEIL A - Verständnisfragen Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu dem Vortrag, den Sie gerade gehört haben. Versuchen Sie die Fragen mittels der Information aus der Rede zu beantworten (und nicht mit Hilfe Ihres Hintergrundwissens). Bei diesem Fragebogen geht es nicht um eine Intelligenzmessung oder das Abfragen von Wissen, sondern um die Verständlichkeit des Vortrags. 1) In welchen der folgenden Disziplinen hatte die Postmoderne laut Vortrag ihre Ursprünge? (Mehrfachantworten sind möglich.) Philologie Architektur Bildende Kunst Philosophie Schöne Künste Soziologie Darstellende Kunst 2) Was wird in der Rede als klassisches Marketing bezeichnet? Servicemarketing Produktmarketing Industriemarketing Erlebnismarketing 3) Wann begann sich die sogenannte interpretative Wende auf die Forschung im Bereich des Konsumverhaltens auszuwirken? 1981 1985 1987 1989 <?page no="295"?> 295 4) Auf welchen Aspekt des Konsumentenverhaltens begannen sich die ForscherInnen nach der interpretativen Wende zu konzentrieren? Kaufprozesse Konsumentenbefragung Kundenzufriedenheit symbolische Werte des Konsums 5) Laut dem Vortrag, an welche traditionelle Idee des Marketings glauben postmoderne ForscherInnen NICHT mehr? die Existenz einer fragmentierten Identität die Existenz einer objektiven Realität die Existenz von subjektivem Konsum die Existenz einer objektiven Identität 6) Nennen Sie die drei in der Rede genannten konkreten Beispiele für KonsumentInnen mit einer fragmentierten Identität. .............................................................................................. .............................................................................................. .............................................................................................. 7) Nennen Sie die drei in der Rede genannten Beispiele für Produktmarketing, das sich auf Spektakularisierung und Konsumerfahrungen konzentriert. .............................................................................................. .............................................................................................. 8) Vom postmodernen Standpunkt aus ... ... bringt die Zukunft eine Verbesserung. ... ist die Vergangenheit etwas, das wir hinter uns lassen müssen. ...sind die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft miteinander kombiniert. ... bringt uns die Zukunft eine Verbesserung unseres Konsums. <?page no="296"?> 296 9) Nennen Sie die drei Marken, die in der Rede in Zusammenhang mit Retromarketing erwähnt wurden. .............................................................................................. .............................................................................................. .............................................................................................. 10) Warum versuchen interpretative ForscherInnen den Terminus “Konsument” zu vermeiden? Da er mit der Hyperrealität assoziiert wird. Da er mit der Orientierung hin zu Technologie und technologischer Verbesserung verbunden ist. Da er die Marktsegmentierung nicht berücksichtigt. Da er den Konsum vom Leben der Menschen trennt. 11) Im postmodernen Marketingansatz werden mehrere Dimensionen des Lebens berücksichtigt. Welche der folgenden wurden gegen Ende des Vortrags aufgezählt? (Mehrfachantworten sind möglich.) Status Politische Einstellung Alter Ethnische Herkunft Beruf Bildung Geschlecht <?page no="297"?> 297 TEIL B - Weitere Fragen 12) Wie gut haben Sie den Inhalt der Rede verstanden? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht) sehr gut 1 2 3 4 5 6 7 sehr schlecht Anmerkungen………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………………… 13) Wie beurteilen Sie die Dolmetschleistung? (von 1=sehr gut bis 7=sehr schlecht) sehr gut 1 2 3 4 5 6 7 sehr schlecht Anmerkungen…………………………………………………………………… ……………………………………………………………………………………… 14) Ihre Muttersprache: ................................................... (Wenn Sie mit mehreren Sprachen aufgewachsen sind, geben Sie bitte jene an, die Sie am besten beherrschen). 15) Haben Sie schon einmal eine Simultandolmetschung bei einer Konferenz oder Tagung gehört? Ja Nein a) Wenn ja, wie oft? ……………. Mal Anmerkungen………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… <?page no="298"?> 298 15) Wie gut waren Ihnen die in der Rede angesprochenen Themen bekannt? (von 1=sehr gut bekannt bis 7=gar nicht bekannt) sehr gut bekannt 1 2 3 4 5 6 7 gar nicht bekannt Anmerkungen…………………………………………………………………… ……………………………………………………………………………………… 16) Geschlecht : weiblich männlich 17) Ihr Alter: ............... Weitere Anmerkungen................................................................................................... …………………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………………… <?page no="299"?> 299 Zusätzliche Ergebnistabellen Tabelle 90 - Itemschwierigkeit FH1 Item Berechnung Schwierigkeit 4 19: 58 0,33 (schwierigstes) 5 21: 58 0,36 3 26: 58 0,45 6 79,75: 174 0,46 7 86,75: 174 0,50 11 60,43: 116 0,52 9 100: 174 0,57 1 73,43: 116 0,63 8 40: 58 0,69 10 40: 58 0,69 2 43: 58 0,74 (leichtestes) Tabelle 91 - Itemschwierigkeit Gruppe A und B - FH1 Gruppe A Item Schwierigkeit 5 0,22 (schwierigstes) 4 0,26 6 0,31 7 0,37 11 0,38 3 0,41 1 0,5 9 0,51 2 0,59 10 0,59 8 0,67 (leichtestes) Gruppe B Item Schwierigkeit 4 0,39 3 0,48 5 0,48 6 0,58 7 0,61 9 0,63 11 0,65 8 0,71 1 0,75 <?page no="300"?> 300 10 0,77 2 0,87 Tabelle 92 - Resultate einfache MC-Items nach Versuchsgruppe - FH1 Frage Falsch in % Richtig in % Mittelwert Punkte EN DE EN DE EN DE 2 40,7 12,9 59,3 87,1 0,59 0,87 3 59,3 51,6 40,7 48,4 0,41 0,48 4 74,1 61,3 25,9 38,7 0,26 0,39 5 77,8 51,6 22,2 48,4 0,22 0,48 8 33,3 29 66,7 71 0,67 0,71 10 40,7 22,6 59,3 77,4 0,59 0,77 Tabelle 93 bietet einen Gruppenvergleich zu Frage 1 nach den Ursprüngen der Postmoderne mit den Prozentzahlen der Versuchspersonen für die jeweilige Punktezahl und den Gruppenmittelwerten. Tabelle 93 - Resultate Frage 1 - FH1 Frage 1 EN Gruppe A DE Gruppe B Mittelwert Punkte 1 1,5 0 29,6% 12,9% 0,86 3,7% - 1,14 - 22,6% 1,21 33,3% - 1,43 18,5% - 1,71 - 16,1% 2 14,8% 48,4% Tabelle 94 - Resultate Frage 11 - FH1 Frage 11 EN Gruppe A DE Gruppe B Mittelwert Punkte 0,75 1,29 0 37,0% 9,7% 0,28 - 3,2% 0,57 7,4% - 0,86 7,4% - 1,14 14,8% 6,5% 1,21 18,5% 32,3% <?page no="301"?> 301 1,43 7,4% 25,8% 2 7,4% 22,6% Tabelle 95 - Resultate Frage 6 - FH1 Frage 6 EN Gruppe A DE Gruppe B Mittelwert Punkte 0,94 1,75 0 59,3% 25,8% 1 - 3,2% 2 18,5% 29% 2,25 - 3,2% 2,5 18,5% 19,4% 3 3,7% 19,4% Tabelle 96 - Resultate Frage 7 - FH1 Frage 7 EN Gruppe A DE Gruppe B Mittelwert Punkte 1,11 1,83 0 48,1% 22,6% 1 3,7% 6,5% 1,5 11,1% - 1,75 - 3,2% 2 11,1% 19,4% 2,5 18,5% 25,8% 3 7,4% 22,6% Tabelle 97 - Resultate Frage 9 - FH1 Frage 9 EN Gruppe A DE Gruppe B Mittelwert Punkte 1,53 1,9 0 29,6% 19,4% 0,5 - 6,5% 1 7,4% - 1,5 3,7% 3,2% 2 14,8% 9,7% 2,25 18,5% 9,7% 2,5 18,5% 25,8% 2,75 - 6,5% <?page no="302"?> 302 3 7,4% 19,4% Tabelle 98 - Korrelation Verstehen-Score halboffen - FH1 Gruppe Zusammenhang (r) Signifikanz (p) A und B -0,5 (mittel) 0,000 (zweiseitig) A -0,5 (mittel) 0,014 (zweiseitig) B -0,4 (gering) 0,023 (zweiseitig) Tabelle 99 - Korrelation Verstehen-MC-Score - FH1 Gruppe Zusammenhang (r) Signifikanz (p) A und B -0,3 (gering) 0,011 (zweiseitig) A -0,3 (gering) - B -0,08 (sehr gering) - Tabelle 100 - Score nach ELF-Erfahrung II - MC-Items und halboffen - FH1 weniger Kontakt mehr Kontakt n 14 13 Mittelwert gesamt 6,82 9,43 Mittelwert MC 3,98 5,04 Mittelwert HO 2,84 4,39 Tabelle 101 - Score halboffen nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Ja Nein n 19 6 Mittelwert 3,41 4,08 Median 3,75 3,75 Standardabw. 2,5 3 Minimum 0 0 Maximum 8 7,75 Tabelle 102 - MC-Score nach IT-NNS-Kontakt - FH1 Ja Nein n 19 6 Mittelwert 4,36 4,96 Median 4,42 4,57 Standardabw. 1,9 1,6 Minimum 1 3,43 Maximum 7,42 7,14 <?page no="303"?> 303 Tabelle 103 - Itemschwierigkeit - FH2 Item Berechnung Schwierigkeit 5 7: 31 0,23 (schwierigstes) 7 22,5: 93 0,24 6 23,25: 93 0,25 3 8: 31 0,26 4 10: 31 0,32 9 38,25: 93 0,41 1 29,99: 62 0,48 2 16: 31 0,52 10 18: 31 0,58 11 37,72: 62 0,61 8 25: 31 0,80 Tabelle 104 - Resultate einfache MC-Items - FH2 Frage Falsch in % Richtig in % Mittelwert Punkte 2 48,4% 51,6% 0,52 3 74,2% 25,8% 0,26 4 67,7% 32,3% 0,32 5 77,4% 22,6% 0,23 8 19,4% 80,6% 0,81 10 41,9% 58,1% 0,58 Tabelle 105 - Resultate Frage 11 - FH2 Frage 11 Gesamt EN DE Mittelwert Punkte 1,22 0,95 1,46 0 16,1% 26,7% 6,3% 0,57 3,2% 6,7% - 0,86 3,2% 6,7% - 1,14 9,7% 6,7% 12,5% 1,43 48,4% 46,7% 50% 1,71 6,5% 6,7% 6,3% 2 12,9% - 25% <?page no="304"?> 304 Tabelle 106 - Resultate Frage 7 - FH2 Frage 7 Gesamt EN DE Mittelwert Punkte 0,73 0 1,41 0 71% 100% 43,8% 2 6,5% - 12,5% 2,5 16,1% - 31,3% 3 6,5% - 12,5% Tabelle 107 - Resultate Frage 9 - FH2 Frage 9 Gesamt EN DE Mittelwert Punkte 1,23 0,72 1,72 0 48,4% 66,7% 31,3% 1 3,2% 6,7% - 1,5 3,2% - 6,3% 2 6,5% - 12,5% 2,25 6,5% 13,3% - 2,5 16,1% 6,7% 25% 2,75 3,2% 6,7% - 3 12,9% - 25% <?page no="305"?> Karin Reithofer ist Lektorin am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien, wo sie im Rahmen des Projekts »Qualität beim Simultandolmetschen« promovierte, und arbeitet nach Lehrtätigkeit an den Universitäten Cluj und Graz als freiberufliche Dolmetscherin für Englisch, Italienisch, Rumänisch und Spanisch vor allem für die Institutionen der EU. Der Aufstieg von Englisch als Lingua Franca gehört derzeit zweifellos zu den größten Herausforderungen für DolmetscherInnen. Gründe dafür sind einerseits real erschwerte Arbeitsbedingungen, andererseits aber auch die Tatsache, dass Englisch das Dolmetschen in multilingualen Kommunikationssituationen immer öfter verdrängt. Dies wird oft damit gerechtfertigt, dass ExpertInnen einander auch in nicht der muttersprachlichen Norm entsprechendem Englisch gut verstehen, da sie Unklarheiten über ihr gemeinsames Hintergrundwissen ausräumen können. In dieser Arbeit wird anhand einer experimentellen Studie geprüft, ob ELF und Dolmetschen tatsächlich eine vergleichbare Wirkung in einem Fachpublikum erzielen können. Translationswissenschaft 9