Integrative Schreibdidaktik Englisch für die Sekundarstufe
Theorie, Prozessgestaltung, Empirie
0717
2013
978-3-8233-7799-3
978-3-8233-6799-4
Gunter Narr Verlag
Stefan Keller
In dieser Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich hochrangige und komplexe Schreib- und Ausdruckskompetenzen im Fach Englisch modellieren lassen und wie entsprechende Lernarrangements in der Praxis umgesetzt und evaluiert werden können. Im ersten Teil wird ein Lernarrangement für die Gymnasiale Oberstufe theoretisch fundiert und didaktisch ausgearbeitet. Dabei kommen peer-review, Musteranalysen und Lernportfolios zum Einsatz. Im zweiten Teil werden die Resultate einer Evaluation mit Versuchs- und Vergleichsgruppe geschildert. Dabei wird besonders auch auf Fragen der Messung und Evaluation von komplexen Schreibkompetenzen eingegangen. Im dritten Teil schließlich werden Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Englischen Schreibunterrichts aufgezeigt, und zwar von der Unterstufe bis zum Ende der Sekundarstufe. Dabei wird ein integratives Modell der Schreibförderung dargestellt und begründet.
<?page no="0"?> Stefan Keller Integrative Schreibdidaktik Englisch für die Sekundarstufe Theorie, Prozessgestaltung, Empirie Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik <?page no="1"?> Integrative Schreibdidaktik Englisch für die Sekundarstufe <?page no="2"?> GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler. Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho. <?page no="3"?> Stefan Keller Integrative Schreibdidaktik Englisch für die Sekundarstufe Theorie, Prozessgestaltung, Empirie <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Habilitationsschrift zur Erlangung des akademischen Grades eines habilitierten Doktors im Fachbereich 05 "Sprache, Literatur, Kultur" der Justus-Liebig- Universität Gießen. nterstütz Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-6799-4 <?page no="5"?> 5 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 9 1.1. Argumentatives Schreiben als Kernziel des Englischunterrichts 9 1.2. Relevanz des argumentativen Schreibens und Redens 11 1.3. Aufbau der Studie 21 1.4. Leistungen und Grenzen dieser Studie 22 2. Kontext der Studie 27 2.1. Didaktischer Kontext: Konzept der Kompetenz 27 2.2. Lerntheoretischer Kontext: Englischkompetenzen und Unterrichtsformen auf der Oberstufe 37 2.2.1. Sprachlich-kommunikative Kompetenzen der Lernenden 38 2.2.2. Unterrichtsgestaltung und Interaktionsmuster 41 2.2.3. Überfachliche Kompetenzen, Lernmotive, Lernstrategien 45 2.3. Geographischer und schulpolitischer Kontext: Gymnasien in der Schweiz und in Deutschland 48 2.3.1. Gymnasien in der Schweiz 48 2.3.2. Schweizer und Deutsche Gymnasien im Vergleich 51 2.4. Übertragbarkeit der vorliegenden Studie auf Deutschland und andere Schulsysteme 54 3. Kompetenzmodellierung „argumentatives Schreiben in der Fremdsprache“ 57 3.1. Einleitung 57 3.2. Konzept des argumentativen Schreibens in der klassischen Rhetorik 59 3.3. Kognitive Kompetenzmodelle des Schreibens in der Muttersprache (L1) 65 3.4. Kontextuelle Faktoren von Schreibprozessen in L1 und L2 78 3.5. Spezifika des Schreibens in der Fremdsprache (L2) 83 3.6. Genre knowledge und discourse communities 89 3.7. Kreativität - Teil der L2-Schreibkompetenz? 91 3.8. Ein Modell des argumentativen Schreibens in der Fremdsprache 93 4. Ein wissenschaftliches Bewertungsraster für Redemanuskripte in L2 98 4.1. Einleitung 98 <?page no="6"?> 6 4.2. Raster „Schreibkompetenz“ im Europäischen Referenzrahmen für Sprachen 99 4.3. Das „Zürcher Textanalyseraster“ (Nussbaumer und Sieber, 1994) 104 4.4. Analytische rubrics für argumentative Texte in L1 und L2 108 4.5. Das Beurteilungsraster für das Projekt „Dream“ 110 4.5.1. „A-Teil“: Sprachsystematische Korrektheit der Reden 111 4.5.2. „B-Teil“: Ästhetische Angemessenheit der Reden 113 4.5.3. Empirische Validierung des Beurteilungsrasters zu „Dream“ 116 5. Das Lernarrangement „I Have A Dream! “ 121 5.1. Forschungsmethodischer Zugang 121 5.2. Erste Lernphase: Kompetenzen der Klasse explizit und verfügbar machen 125 5.2.1. Mit dem persönlichen Vorwissen eine gute Rede schreiben 125 5.2.2. Austausch der Reden unter Lernpartnern (peer feedback) 133 5.2.3. Rückmeldungen der Lehrpersonen zu den „Anfangsreden“ 142 5.2.4. Überarbeiten und Verbessern des ersten Manuskripts 147 5.3. Zweite Lernphase: Kompetenzen eines Experten in Bezug auf die Aufgabe explizit und verfügbar machen. 151 5.3.2. Werkzeuge zum Schreiben guter Reden in einer toolbox darstellen 160 5.4. Dritte Phase: Als Experte kompetent handeln und das eigene Lernen reflektieren 164 5.4.1. Eine „Meisterrede“ verfassen und vortragen 164 5.4.2. Dokumentation und Reflexion der Lernergebnisse in einem Portfolio 166 5.5. Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler im Pilotprojekt 172 5.6. Einschätzungen der Lehrkräfte im Pilotprojekt 174 5.6.1. Lehrkraft der Klasse K1 175 5.6.2. Lehrkraft der Klasse K2 177 5.7. Fazit 180 6. „I Have A Dream! “ - Empirische Überprüfung der Effekte 182 6.1. Funktion und Reichweite der Untersuchung 182 6.2. Untersuchungsanlage und Interventionsbeschreibung 184 6.3. Hypothesen 190 <?page no="7"?> 7 6.3.1. Verfassen von Redemanuskripten in Englisch 190 6.3.2. Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung 195 6.4. Untersuchungsmethoden 198 6.4.1. Beschreibung der Stichprobe 198 6.4.2. Messung der Schreibkompetenzen und des Wissens über gute Reden 202 6.4.3. Messungen in den Bereichen Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung 203 6.5. Resultate 204 6.5.1. Sprachkompetenzen beim Schreiben von guten Reden 204 6.5.2. Wissen über gute Reden 211 6.5.3. Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung 218 6.6. Diskussion 221 7. Kernpunkte einer integrativen L2-Schreibdidaktik 226 7.1. Früh beginnen und Schreibkompetenzen langfristig aufbauen 226 7.2. Ein integratives Erwerbsmodell des L2-Schreibens 228 7.3. Offene, herausfordernde (Schreib-)Aufgaben - von Anfang an 232 7.4. Aufbau auf dem individuellen Vorwissen 238 7.5. Kompetenzaufbau als dialogischen Prozess organisieren 241 7.6. Orientierung an authentischen Texten und relevanten Genres 245 7.7. Erweiterte Leistungsbewertung 250 7.7.1. Lernjournale 254 7.7.2. Portfolios 256 7.7.3. Beurteilungsraster 257 7.8. Perspektiven für weitere Forschung 265 8. Bibliographie 271 Appendix A: Untersuchungsinstrumente zum Projekt „Dream“ 298 1. Kompetenzmessung „eine gute Rede Schreiben“ 298 Appendix B: Beurteilungsraster für argumentative Texte 303 1. Das Zürcher Textanalyseraster (Nussbaumer und Sieber 1994) 303 2. Das ESL Composition Profile (Jacobs et al., 1981) 307 3. Instructional Rubric of a Persuasive Essay 308 <?page no="8"?> 8 Appendix C: Beispiele von „Anfangsreden“ aus Dream 310 Appendix D: Verwendete „Expertenreden“ von Martin Luther King und Barack Obama 312 1. Martin Luther King: I Have a Dream! (verwendet in Pilotstudien) 312 2. Barack Obama: State of the Union-Speech 2009 (verwendet in Hauptstudie) 315 <?page no="9"?> 9 1. Einleitung 1.1. Argumentatives Schreiben als Kernziel des Englischunterrichts In dieser Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich hochrangige und komplexe Schreib- und Ausdruckskompetenzen im Fach Englisch modellieren lassen und wie entsprechende Lernarrangements in der Praxis umgesetzt und evaluiert werden können. Die Bedeutung der Schreibkompetenz für das Fach Englisch hängt mit der Bedeutung des Englischen als Weltsprache und lingua franca der Wissenschaft zusammen. Die Beherrschung der englischen Sprache auch in akademischen Kontexten ist zur Schlüsselkompetenz in der tertiären Bildung geworden, welche international anschlussfähig gemacht wird, sodass junge Menschen im Verlaufe von Studium oder höherer Berufsbildung Kurse oder Studiengänge in verschiedenen Ländern absolvieren können. Im Zuge dieser Entwicklung werden auch in deutschsprachigen Ländern immer häufiger Studiengänge in Englisch angeboten. Junge Menschen müssen oft unmittelbar nach Abschluss ihrer sekundären Bildung (d.h. Abitur, Matur) in der Lage sein, in Englisch Prüfungen zu absolvieren, Vorträge zu halten, Essays zu schreiben oder kleine wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Noch vor zwanzig Jahren konnten englische Fachdidaktiker mit Fug monieren, dass die meisten Lernenden wenig oder kaum je zum Schreiben in der Fremdsprache kommen würden oder diesbezügliche Anforderungen kaum absehbar seien (Portmann, 1991, S. 220; Hedge, 1988). Diese Aussage ist heute nicht mehr zutreffend und hat sich sogar in ihr Gegenteil verkehrt: Dozierende an Universitäten in Deutschland wie der Schweiz schätzen Englischkenntnisse heute als am bedeutsamsten für die „Studierfähigkeit“ von jungen Menschen ein, zusammen mit der Beherrschung der Erstsprache, dem Verständnis mathematischer Themen und Informatik-Benutzerwissen (Huber, 2009, S. 118; Eberle, Gehrer et al., 2008, S. 49). Dabei sollen die Jugendlichen auch fähig werden, sich einer „adäquaten, differenzierten und vor allem situations- und normengerechten Ausdrucksweise und Begrifflichkeit“ in Englisch zu bedienen (EDK, 1994, S. 17). Laut der Studie HSGYM, in der die Schnittstelle zwischen Mittelschule und Universität u.a. für das Fach Englisch spezifisch untersucht wurde, sind für ein erfolgreiches Studium folgende Kompetenzaspekte besonders bedeutsam: <?page no="10"?> 10 • Essay-Writing beherrschen (im Sinne des angelsächsischen five-paragraph essay mit Einführung, Haupt- und Schlussteil); • in der Fremdsprache kritisch argumentieren können; • sich selbständig, spontan und differenziert zu einem Problem oder Thema äußern können (thinking and speaking on one’s feet); • mit authentischen Sachtexten aller Art umgehen können; • die Grundlagen des academic writing beherrschen; • in der Fremdsprache Notizen machen können, z.B. zu komplexen Fachvorträgen; • unterschiedliche Sprachregister differenzieren, verstehen und anwenden können (Brupbacher, Jucker et al., 2009, S. 92 ff.). Zumindest in der Schweiz scheinen die englischen Sprach- und Schreibkompetenzen der jungen Menschen diesen Anforderungen nicht mehr zu genügen: „Many Matura graduates and entering students do not possess adequate writing competences in English. When writing an academic paper, they have difficulty structuring individual paragraphs and the paper as a whole” (ibid., S. 91). In so fern scheint die Diagnose von Hedge (1988) noch immer zuzutreffen, nämlich dass die Bedeutung von „kommunikativer Kompetenz“ in der Englischdidaktik früh erkannt wurde, dass dies einer spezifischen Schreibdidaktik aber nicht unbedingt zuträglich war: The teaching of writing to EFL students has tended to be sidelined in the scramble for communicative competence. Much current practice is still characterized by the construction of isolated sentences to reinforce the teaching of grammatical structures, by the use of models for controlled parallel production or by a hope-for-the-best “write an essay on X” approach. (Hedge, 1988, S. 3) Es gilt also, dem von Hedge (1988) kritisierten und in der Schulpraxis längst noch nicht überwundenen hope-for-the-best approach eine moderne Didaktik des argumentativen Schreibens in der Fremdsprache entgegenzusetzen. Es braucht dazu eine veränderte Unterrichtspraxis auf der Grundlage einer modernen, prozessorientierten Schreibdidaktik, welche den Lernenden genügend Raum zum Entwickeln eigener Ideen und Meinungen einräumt und sie nachher systematisch anleitet, ihre Texte zu überarbeiten und sowohl auf inhaltlicher wie sprachlich-formaler Ebene Fortschritte zu machen (vgl. Hesse, 2002, S. 67 ff.). Ebenso wichtig ist es, dass die grammatikalischen, lexikalischen und <?page no="11"?> 11 strukturellen Strukturmerkmale des Genres good speech verstanden und beherrscht werden (Hyland, 2007, S. 152-153). Bevor die Grundlagen einer solchen Didaktik erarbeitet werden, soll im Folgenden zuerst geklärt werden, worin die tiefere Bedeutung des argumentativen Schreibens für Schule und Gesellschaft liegt und wie dabei die Kompetenzbereiche des Schreibens, Lesens und Redens zusammenhängen. 1.2. Relevanz des argumentativen Schreibens und Redens Die argumentative Rede als Textgattung ist für die Schule bedeutsam, da herausragende Exemplare dieses Genres immer wieder den Gang der Geschichte mitbestimmt und sich ins kollektive Gedächtnis ganzer Generationen eingeprägt haben. Bekannte Beispiele aus der modernen Geschichte wären Winston Churchills „I have nothing to offer but blood, toil, tears and sweat“; Martin Luther Kings „I have a dream! “; Ronald Reagans „Mr. Gorbachev, tear down this wall! “; oder (in jüngster Zeit) Barack Obamas „Yes, We Can! “ Die Wirkung solcher Reden wird multipliziert durch Zeitungen, TV oder Internet und „es sind oft wenige Worte, die entscheiden“, besonders im Zeitalter der Massenmedien (Jelinek, 2009, S. 1). Wenn sich junge Menschen (wie im hier geschilderten Projekt) mit den Reden Obamas und Luther Kings auseinandersetzen, können sie exemplarisch erfahren, wie herausragende Persönlichkeiten mit ihrer Sprache, ihren Überzeugungen und ihren Taten politische Prozesse auslösen und damit in letzter Konsequenz auch die Lebenswirklichkeit dieser jungen Menschen selber mitgeprägt und mitgestaltet haben. Selbiges gilt leider auch für die Reden Hitlers, Goebbels oder Bin Ladens, woraus wiederum deutlich wird, dass ein vertieftes Verständnis für (und eine kritische Einstellung zu) argumentativen Reden ganz einfach Pflichtprogramm jeglicher Schulbildung sein muss! Das Genre der „guten Rede“ hat noch eine weitere, erkenntnistheoretische Bedeutung, welche hier kurz mit Rückgriff auf die Rhetorikkonzepte von Platon und Aristoteles erläutert werden soll. Platon ordnet die individuellen Handlungsweisen der Menschen einem objektiven Prinzip unter, welches interesselos (über den menschlichen Partikularinteressen stehend) als Idee des Wahren unveränderlich feststeht und damit auch vom Prozess der sich verändernden Dinge in der Realität ausgenommen ist (Ueding und Steinbrink, 1994, S. 16). Menschliche Sprache und Rede betrachtet er unter dem Gesichtspunkt, inwieweit diese fähig sind, die ideale Welt der Ideen hinter aller sichtbaren Wirklichkeit darzustellen. Da aber die Worte selber notwendig nur den Schein des Wesens der Dinge sind, wird die Sprache letztlich als untaugliches Instrument zur Erkenntnis des „unveränderlichen Wahren“ <?page no="12"?> 12 erkannt. Die Abwendung vom Äußeren und Konkreten führt bei Platon zwangsläufig zu einer abschätzigen Beurteilung der Rhetorik und der Redekunst. Sie erscheint ihm lediglich als ein Mittel, deren Ziel die Wirkung auf die Außenwelt ist: „Nicht gemäß der Wahrheit der Sache, sondern gemäß der Wirkung auf die Nichtwissenden wird die Rede ausgerichtet“ (Phaidros, 272d-e). Bei Aristoteles richtet sich das Ziel der Redekunst im Gegensatz zu Platon nicht auf die Teilhabe an etwas unveränderlich Wahrem. Ihre Funktion besteht vielmehr im „zutage-treten-lassen von Möglichkeiten“, die im Prozess des Denkens, Schreibens und Redens „aus dem Verborgensein in die Realität geholt werden“ (Ueding & Steinbrink, 1994, S. 22). Die Strukturen und Inhalte von kommunikativen Prozessen ergeben sich nicht aus einer unveränderlichen „Wahrheit“, sondern aus der Wahrscheinlichkeit von Argumenten und Schlüssen in der rational zugänglichen Wirklichkeit. Der ideale Redner ist demnach ein Dialektiker, der weiß, wie ein logischer Schluß zu ziehen ist, wie Informationen und Meinungen gegeneinander abgewogen und daraus angemessene Schlußfolgerungen gezogen werden können. Es geht beim argumentativen Schreiben und Reden um eine Sicht auf Ideen und Konzepte, welche „allen oder den meisten oder den Weisen wahr scheinen“ (Topik, I/ 1, 100b18). Diese Wahrheit ergibt sich als Produkt des rationalen Denkens und logischen Schließens in einem Prozess der kommunikativen Validierung. Da Autoritäten der breiten Masse widersprechen können und auch die weisesten Menschen sich nicht immer einig sind, ergeben sich dialektische Probleme oder Forschungsgegenstände, über welche „die Menge und die Weisen entweder keine bestimmte Meinung haben oder jene entgegengesetzt denkt wie diese oder diese wie jene oder beide unter sich selbst“ (ibid., 104b). Konkrete dialektische Probleme wären „ob die Lust begehrenswert ist oder nicht“ (Beispiel von Aristoteles) oder „ob das Skateboarden auf öffentlichen Plätzen verboten werden soll“ (Beispiel aus der nachfolgenden Studie). Es gibt für solche Fragen keine abschließenden Antworten oder absoluten Wahrheiten, welche den Menschen zugänglich wären. Es gibt allerdings schlüssige Argumente, gute Gründe und gemeinhin anerkannte Werte, welche in kommunikativen und politischen Prozessen (Disputen) ausgetauscht und gegeneinander abgewogen werden können. Im Verlauf dieser Prozesse werden Standpunkte geklärt, Meinungen gebildet, Irrtümer ausgeräumt, Mehrheiten geschaffen und damit Tatsachen im Sinne von kommunikativ antizipierten Wirklichkeiten überhaupt erst geschaffen. Man könnte dabei an eine Gruppe von Jugendlichen denken, welchen das Skateboarden auf dem zentralen Platz ihrer Stadt verboten wurde. In der Folge schreiben sie Leserbriefe in der Zeitung und stellen ihr Hobby aus ihrer eigenen Sicht dar; sie eröffnen eine Gruppe auf facebook, wenden sich an lokale Politiker und sammeln Unter- <?page no="13"?> 13 schriften für einen Skateboardpark auf einem stillgelegten Fabrikgelände, welcher nach einigen Jahren tatsächlich errichtet wird. Aristoteles Sicht des Denkens, Schreibens und Redens als Instrumente der kommunikativen Wirklichkeitsgestaltung trifft sich erstaunlich genau mit dem Kompetenzkonzept der OECD, welches diese im Rahmen des Projekts Definition and Selection of Competencies (DeSeCo) als Kernziel moderner Bildungsprozesse beschrieben hat: Die vielfältige und komplexe Welt von heute macht es notwendig, dass wir nicht unbedingt nach einer einzig richtigen Antwort suchen, einer Entweder- Oder-Lösung. Wir sollten vielmehr mit Spannungen umgehen - beispielsweise zwischen Autonomie und Solidarität, Verschiedenartigkeit und Universalität, Innovation und Kontinuität -, indem scheinbar widersprüchliche oder unvereinbare Ziele als Aspekte ein und derselben Wirklichkeit verstanden werden. (OECD, 2005, S. 11) Im Sinne eines anforderungsorientierten Ansatzes kann man fragen, über welche Fähigkeiten und Kompetenzen junge Menschen verfügen müssen, um diese Welt zu verstehen und sich in ihr zurechtzufinden. Nach Ansicht der OECD sind dafür drei Kompetenzbereiche zentral: Erstens die interaktive Anwendung von Medien und Mitteln (tools), wozu u.a. die „Nutzung von Wissen und Informationen“ und die „effektive Anwendung von mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnissen“ gehören. Wichtig ist zweitens die Fähigkeit zum „Interagieren in heterogenen Gruppen“, d.h. die konstruktive Zusammenarbeit mit anderen oder die Bewältigung und Lösung von Konflikten. Und drittens müssen junge Menschen zum „eigenständigen Handeln“ fähig werden, wozu die Entwicklung einer persönlichen Identität genau so zählt wie die Verwirklichung von eigenen Zielen in einer komplexen Welt. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass die jungen Menschen lernen • die eigenen Interessen zu erkennen und deutlich zu machen; • schriftliche Regeln und Grundsätze zu kennen, mit denen man eigene Standpunkte begründen kann; • Argumente für die Anerkennung der eigenen Bedürfnisse und Rechte zu finden; und • Vereinbarungen oder alternative Lösungen für ein Problem vorzuschlagen (OECD, 2005, S. 11-19). <?page no="14"?> 14 Von dieser Philosophie des Schreibens als persönlich bedeutsames Handeln ist auch das folgende Projekt über „gute Reden“ geprägt. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei nicht bloß ein Thema „abhandeln“; sie sollen sich in einem Prozess des Nachdenkens und auch des Austausches mit Anderen eine eigene Meinung zu einem Gegenstand bilden und diese auch öffentlich vertreten. Einerseits ist dies ein wesentlicher Charakterzug des Genres der „guten Rede“, andererseits sind diese Prozesse der Meinungsbildung und -äusserung im schulischen Schreiben oft gefährdet: Im Kontext des „Erörterungsaufsatzes“ in Deutschunterricht beispielsweise sehen viele Jugendlichen kaum einen inneren Zusammenhang zwischen Erörtern und Meinungsbildung. Stattdessen berichten sie, „der Unterricht bestehe zum größten Teil aus Gliederungsübungen für Erörterungen und inhaltlich komme es meist darauf an, [...] der Meinung des Lehrers zu entsprechen“ (Feilke, 2008, S. 6). Die Schreibdidaktik, welche hier vorgestellt wird, verfolgt ein anderes Ziel: Die Jugendlichen sollen befähigt und ermutigt werden, eigene Meinungen auch zu komplexen gesellschaftlichen Themen zu vertreten, dabei ihre Argumentation bewusst zu strukturieren und sprachlich präzise umzusetzen. Da viele politische und gesellschaftliche Diskurse heute globalisiert stattfinden, gehört dazu auch die Fähigkeit zum überzeugenden Ausdruck in der Fremdsprache, und zwar möglichst für alle Menschen und grundsätzlich unabhängig von einem bestimmten Bildungsniveau. Das argumentative Schreiben und Reden in der Fremdsprache betrifft einen Kernauftrag der Schule und impliziert auch eine Entwicklung und Erweiterung der schulischen Lernkultur: Es ist nicht zu haben ohne aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit einer Sache, wozu auch persönliche Aspekte der Sinngewinnung und eigene Arbeitsorganisation gehören. Auf diesen Anspruch will die vorliegende Studie reagieren, wobei die Fokussierung auf die schulische Oberstufe rein forschungsmethodisch (und nicht inhaltlich) begründet ist: Modellierung und empirische Untersuchung des Gegenstandes müssen zwangsläufig mit Bezug auf eine bestimmte Schulstufe und ihre Klientel erfolgen. Fähigkeiten des argumentativen Schreibens und Sprechens in den Fremdsprachen sind aber auf allen Schulstufen relevant. Ihre systematische Förderung und Anbahnung sollte den Fremdsprachenunterricht von Anfang an prägen und ist im Sinne einer lebenslangen Entwicklungsaufgabe zu verstehen, die auch über das schulische Lernen hinausgeht (vgl. Kap. 7). Wenn im Titel dieser Studie von einer „integrativen Schreibdidaktik“ gesprochen wird, so ist dieser Begriff in zweierlei Hinsicht zu verstehen. Erstens wird eine Didaktik entwickelt, welche das ganze schulische Curriculum von der Grundbis in die Tertiärstufe umfassen soll und prinzipiell auf allen Stufen angewendet werden kann. Die empirische Überprüfung eines konkreten <?page no="15"?> 15 Unterrichtsprojekts erfolgt auf der schulischen Oberstufe (10./ 11. Schuljahr); davon ausgehend werden aber auch Implikationen für untere Schulstufen aufgezeigt und Möglichkeiten der Verallgemeinerung diskutiert. Das argumentative Schreiben und Reden sollte in der Grundstufe beginnen und auf der Sekundarstufe einen Schwerpunkt des Fremdsprachenunterrichts bilden, da diese Fähigkeiten auf der Tertiärstufe und im späteren Leben eine zentrale Rolle spielen: Pupils should be instructed and trained in the structuring of argumentative, expository and critical essays. [...] Pupils should be required to write about abstract ideas and to become familiar with different ways of structuring arguments. This includes formulating a thesis, using examples and counterexamples, weighting arguments and using appropriate rhetorical devices. (Brupbacher, Jucker et al., 2009, S. 91 f.) Die in dieser Studie entwickelte L2-Schreibdidaktik ist zudem „integrativ“ in dem Sinne, dass dabei unterschiedlichste Kompetenzbereiche und Teilfähigkeiten verbunden und integriert werden müssen. Dies lässt sich an der kommunikativen Aufgabe gut deutlich machen, welche die beteiligten Schülerinnen und Schüler zu bewältigen hatten: Sie sollten eine „gute Rede“ zu einem bestimmten Thema schreiben, sich dazu eine eigene Meinung bilden, diese sprachlich differenziert umsetzen und für eine Zuhörerschaft überzeugend vortragen. Um dabei kommunikativ erfolgreich zu handeln, werden neben vielfältigen Kompetenzen in der Fremdsprache auch Weltwissen, analytische Fähigkeiten, Werthaltungen, motivationale Einstellungen usw. benötigt : 1 1 Eine detaillierte kognitive Modellierung der dabei beteiligten Teilkompetenzen erfolgt in Kap. 3. <?page no="16"?> 16 Abb. 1.1. Aspekte und Kompetenzdimensionen der Aufgabe „eine gute Rede schreiben und vortragen“ Betrachten wir zuerst das linke Feld, wobei sich jemand in der Fremdsprache mit einer Frage oder einem Thema auseinandersetzt, sich dazu eine Meinung bildet und diese in Form eines Redemanuskripts argumentativ ausführt. Zu diesem Prozeß der eigenen Meinungsbildung gehört kritisches Lesen, das in der Verarbeitung und Aneignung der Leserergebnisse über die bloße Rezeption hinausgeht und „Ergebnisse aktiv schreibend weiterverarbeitet, vergleicht und erörternd strukturiert“ (Feilke, 2008, S. 10). Es braucht dazu Lesekompetenzen sowie prozedurale Fähigkeiten wie Informationen suchen und verarbeiten. Im Schreibprozess müssen diese Informationen dann gewichtet, bewertet und argumentativ verbunden werden, was analytische Fähigkeiten sowie sprachliche Kompetenzen in den unterschiedlichsten Ebenen voraussetzt (Wort-, Satz-, Absatz- und Textebene). Zudem ergeben sich in der Verschriftlichung der Gedanken wieder neue Einsichten und Zugänge zum Thema, welche die weitere Arbeit beeinflussen oder umstrukturieren (Bereiter & Scardamalia, 1987; vgl. auch Abschn. 3.3.). Im rechten Feld der obigen Abbildung ist der Vortrag der Rede auf der Basis des Redemanuskripts dargestellt. Dieses Manuskript hat dabei die Funktion eines scaffolds, welches den Vortrag leitet und strukturiert. Im Bedarfsfall kann aber auch vom schriftlichen Text abgewichen werden, etwa wenn auf Rückfragen eingegangen oder Inhalte im sich entwickelnden Kontext der Rede spontan verändert werden müssen. Dazu braucht es Fähigkeiten des Lesens und des Vortragens (Aussprache, Intonation, Körperhaltung usw.), im Falle von Rückfragen zusätzlich des Hörens und spontanen mündlichen Formulierens. Ein Beispiel dafür ist Martin Luther Kings Rede „I have a dream“, welche für das nachfolgende Schreibprojekt strukturgebend war: King las <?page no="17"?> 17 seinen Vortrag vom Manuskript ab, ließ sich am Ende aber von der elektrisierenden Stimmung spontan zu seinem berühmten Redeschluss inspirieren. Der hier gewählte Ansatz ist also integrativ in dem Sinne, dass dabei systematisch auf alle beteiligten Teilfähigkeiten Bezug genommen wird, welche in der entsprechenden kommunikativen Situation benötigt werden. Es wird also auf einen breiten, holistischen Begriff von sprachlicher Handlungskompetenz Bezug genommen, wobei Kompetenzen mehr sind als nur Wissen und kognitive Fähigkeiten. Es geht um die Fähigkeit der Bewältigung komplexer Anforderungen, indem in einem bestimmten Kontext psychosoziale Ressourcen (einschließlich kognitive Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen) herangezogen und eingesetzt werden (OECD, 2005, S. 6). Wenn im Folgenden vom „Schreiben“ gesprochen wird, so ist im Kontext der hier vorgelegten Studie das Verfassen eines Redemanuskripts gemeint. Dieses schriftliche Produkt kann als unverzichtbares scaffold für die nachfolgende live-Kommunikation verstanden werden, ohne das kein Lernender eine gute Rede in der Fremdsprache halten könnte. Das Manuskript ist der Ort, wo die Rede strukturiert und gestaltet wird, wo Argumente mit sprachlichen Ausdrucksmitteln zu einem Produkt verbunden werden, das auf eine bestimmte Adressatenschaft überzeugend wirken soll. Es geht hier also um writing als composing im Sinne eines strategischen Sprachgebrauchs: Composing involves the combining of structural sentence units into a moreor-less unique, cohesive and coherent larger structure (as opposed to lists, forms, etc.). A piece of writing which implicates composing contains surface features which connect the discourse and an underlying logic of organization which is more than simply the sum of the meanings of the individual sentences. (Grabe & Kaplan, 1997, S. 4) Bei dieser Art des Schreibens steht die Fähigkeit im Zentrum, sich auf eine spezifische Adressatenschaft zu beziehen, deren Erwartungen beim Schreiben „vorwegzunehmen“ und die eigenen Standpunkte überzeugend zu kommunizieren. Es wird hier also eine spezielle Schreibkompetenz modelliert und ausgebildet, welche sich von einer „allgemeinen“ Schreibkompetenz definitorisch abgrenzen läßt: [General/ common strategies] reflect a general approach that might apply to all writing situations. They are often mechanically employed and do not take into account the specific dimensions of individual writing tasks. On the other hand, [task-specific strategies] represent task-specific strategic operations that <?page no="18"?> 18 have been adapted to meet the demands of specific writing situations. (Faigley et al., 1989, S. 192) Das Vortragen der Reden wurde zwar in die didaktische Gestaltung der Lernumgebung einbezogen und im Unterricht auch geübt. Es hat zudem eine wichtige Steuerungsfunktion auf die Schreibhandlungen der Schülerinnen und Schüler in dem Sinne, dass die beabsichtigte Wirkung des Vortrags auf die Adressaten im Schreibprozess eingezogen und „vorweggenommen“ werden muss. Bei der wissenschaftlichen Untersuchung stand jedoch das Schreiben im Vordergrund, wobei die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler anhand ihrer Redemanuskripte untersucht wurde. Das Vortragen der Reden wurde aus untersuchungstechnischen Gründen nicht einbezogen, da davon ausgegangen wurde, dass es sich dabei um einen eigenen und abgegrenzten Kompetenzbereich handelt, der auch separat modelliert werden müsste (Emig, 1977, S. 123 ff.). Die Redemanuskripte stellen Fokuspunkte eines kommunikativen Handlungsfelds dar, um die sich zentrale Aspekte des argumentativen Sprachgebrauchs gruppieren. Erstens begünstigt das argumentative Schreiben den reflektierten Ausdruck subjektiven Empfindens und Wertens. Zweitens regt es die gedankliche Durchdringung von komplexen Sachverhalten, die ordnende Gliederung von Ideen und die kritische Prüfung und Abwägung von Argumenten an. Drittens können daran sprachliche Verfahren erlernt werden, um Aufmerksamkeit zu wecken, zu überzeugen oder Verhalten zu ändern, kurz: rhetorische Ziele zu verfolgen (Börner, 1989, S. 357). Diese Ausrichtung auf die Adressaten bedingt, dass kommunikative Mittel situativ angemessen eingesetzt werden müssen (vgl. auch Feilke & Augst, 1989, S. 307 ff.). Das Redemanuskript, welches sich an eine bestimmte Adressatenschaft richtet und ein bestimmtes Mitteilungsbedürfnis einschließt, ist ein gutes Übungsfeld für den schulischen Schreibunterricht, bei dem das Zusammenspiel von sprachlicher Ursache und kommunikativer Wirkung thematisiert werden kann. Das Konzept der „Rede“ wird hier paradigmatisch verstanden und verweist auf Bedeutungszusammenhänge, die auch in vielen anderen Schreibsituationen grundlegend sind. Die Sprache stellt dabei ein „Organum der Kommunikation“ im Sinne von Karl Bühler (1978, S. 24) dar: Es kommuniziert Einer, d.h. ein Individuum, welches sich in einer bestimmten Art und Weise auf einen Anderen und dessen Referenzbereich einstellt. Ein guter Redetext bezieht sich zunächst auf einen Sachverhalt und soll diesen adäquat und verständlich darstellen. Diese Darstellung soll in Bezug auf einen Zweck und eine Adressatenschaft erfolgen und dabei die Intentionen des Autors oder der Autorin realisieren. Schließlich soll die sprachliche Fassung auch die <?page no="19"?> 19 einschlägigen Erwartungen des entsprechenden Genres (Kohärenz, Textsortennormen, Schriftsprachlichkeit) erfüllen (Portmann, 1991, S. 278). Dies trifft auf argumentative Reden zu, gilt in analoger Weise aber auch für das Schreiben von Blogs, Leserbriefen, Emails usw. Der Umgang mit argumentativen Texten eröffnet also methodisch den Zugang zu einer großen Zahl von textstrukturierenden Prinzipien narrativer, expositorischer wie ästhetisch motivierter Art (Feilke & Augst, 1989, S. 312). Das Redemanuskript ist für den schulischen Fremdsprachenunterricht ein zentrales Genre, weil sich dabei der Zusammenhang von Sprachform und Sprachwirkung exemplarisch untersuchen und erfahren lässt. In der hier entwickelten Lernumgebung kommen die Schülerinnen und Schüler sowohl als Autoren wie auch als Leserinnen und Leser mit argumentativen Texten in Kontakt, etwa wenn sie die Manuskripte ihrer Klassenkameraden lesen oder die „Meisterreden“ von Martin Luther King und Barack Obama analysieren. Sie erleben dabei aus verschiedenen Perspektiven, wie jemand kommunikative Absichten textuell kodiert, in Bezug auf die Adressaten bestimmte Ziele verfolgt und zu deren Umsetzung strategisch sprachliche Mittel einsetzt. Dieser generische Zugang über die Detailanalyse von Expertentexten ist wichtig, da schriftliches Argumentieren rezeptive Spracherfahrung mit entsprechenden Texten voraussetzt (Feilke, 2007, S. 156). Das Genre des Redemanuskripts, welches auf einen mündlichen Vortrag „in Echtzeit“ vor Publikum abzielt, unterscheidet sich dabei von argumentativen Texten, welche primär auf eine Rezeption durch Leserinnen und Leser ausgerichtet sind (z.B. der „Erörterungsaufsatz“). Bei auf lesende Rezeption ausgelegten Texten und Aufsätzen kann das Erkennen der Argumentationslinien schwierig sein, da sie oft lange deskriptive Passagen umfassen oder, im Falle einer beispielorientierten Argumentation, stark narrativ angelegt sein können, wobei Schlußfolgerungen und Begründungen implizit bleiben (Feilke, 2007, S. 156). Beim Genre des Redemanuskripts treten diese Argumentationslinien meist deutlicher zu Tage, da die Rede im „ersten Anlauf“ verstanden werden und die Meinung des Vortragenden nicht im Unklaren bleiben soll. Dies bedeutet auch eine entsprechende Strukturierung durch Sprachtechniken, welche die Aussagen des Vortragenden im Gedächtnis der Zuhörer verankern und diese nicht bloß auf rationaler, sondern auch auf emotionaler Ebene ansprechen sollen. Dazu gehören besonders die Wiederholung von Wörtern und Phrasen am Satzanfang oder -ende, syntaktische Parallelkonstruktionen, „rhetorische Fragen“ oder Phänomene wie Metaphorik und Bildersprache. Solche allgemeinen persuasiven Gestaltungsprinzipien lassen sich an Beispielen von Profis besonders gut studieren und - durch Zuhören - auch selber erleben, was Voraussetzung ist für die Anwendung ähnlicher Strategien im eigenen Schreiben. <?page no="20"?> 20 Durch den rezeptiven wie auch produktiven Umgang mit englischen speeches sollen die Lernenden also fremdsprachliche „Diskursfähigkeit“ erlangen, wobei der Begriff des Diskurses verstanden wird als „größeren, thematisch kohärenten, intersubjektiven und kulturellen Redezusammenhang“, welcher sich entlang einzelner gesellschaftlicher Sphären, Fragestellungen oder Themen organisiert (Hallet, 2011, S. 54). Die Jugendlichen lernen anhand herausragender Beispiele die Konventionen des Genres kennen und sollen befähigt werden, sich darin zunehmend selbständig und sicher zu bewegen. Gleichzeitig können sie sich als „kulturelle Subjekte“ mit ihren Wertvorstellungen, Haltungen, Meinungen und Sinnstiftungen in den Unterricht einbringen (ibid., S. 56). Durch die Auseinandersetzung mit komplexen Schreibaufgaben und authentischen Beispielen wird auch der Aufforderung nachgekommen, die unterrichtliche Einübung in die diskursive Teilhabe entlang der Beschaffenheit realer Diskurse zu gestalten bzw. die Unterrichtseinheit als Modellierung realer Diskurse zu betrachten (ibid., S. 55). Zusätzlich wird in dieser Studie davon ausgegangen, dass beim argumentativen Schreiben eine Reihe von Lernstrategien und metakognitiven Aspekten der Handlungssteuerung mitgelernt und mitgefördert werden. Junge Menschen sollen dabei lernen, den Schreibprozeß zielbewusst zu steuern, indem sie die Schreibsituationen adäquat analysieren; zweitens sollen sie in die Lage kommen, diesen Prozess handlungsbewusst in Phasen zu strukturieren (Orientieren, Planen, Formulieren, Revidieren); und drittens sollen sie lernen, Texte produktbewusst zu beurteilen, zu überarbeiten und sich dabei an Schreibmustern und Schreibkonventionen zu orientieren. Um diese Ansprüche zu erfüllen, müssen Lernende über ein ganzes Arsenal unterschiedlicher Kompetenzen und Dispositionen verfügen, nämlich: • inhaltliche und sprachliche Kompetenzen zur Umsetzung einer Schreibaufgabe in einen Text; • methodische und strategische Kompetenzen zur Planung, Organisation und Strukturierung eines Schreibvorhabens; • soziale und kommunikative Kompetenzen zur Antizipation der Leserschaft; und • personale Kompetenzen zur Beobachtung und Steuerung des eigenen Schreibverhaltens (vgl. Frentz, 2008, S. 9). Die Erreichung solcher Ziele setzt entsprechende Entwicklungen in der Lehr- Lernkultur voraus, weil die Qualität der Kompetenzen entscheidend von der Qualität der Lernprozesse abhängt, in denen diese erworben wurden (von der Groeben, 2003, S. 7; Lersch, 2006, S. 32). Geeignete Schreibarrangements <?page no="21"?> 21 müssen alle genannten Aspekte einbeziehen und den Lernenden schon früh Gelegenheit geben, diese Kompetenzdimensionen in praxisnahen Situationen auszubilden und unter Beweis zu stellen. 1.3. Aufbau der Studie Im zweiten Kapitel wird zunächst der Kontext dieser Studie genauer erläutert, wobei sowohl auf didaktische, forschungsmethodische wie geographischschultypische Aspekte eingegangen wird. Im dritten Kapitel wird ein kognitives Modell des argumentativen Schreibens in der Fremdsprache entwickelt und mit Bezug auf die wesentlichen Referenzdisziplinen und Forschungsparadigmen theoretisch begründet. Dieses Modell beschreibt, aus welchen systemstrukturellen und prozessualen Komponenten die Kompetenz besteht, in der Fremdsprache ein überzeugendes Redemanuskript zu einem komplexen und aktuellen Thema zu schreiben. Das Modell soll auch Aussagen darüber zulassen, welche Teilkompetenzen an dieser Fähigkeit beteiligt sind, wie weit sich diese voneinander abgrenzen lassen und wie weit sie sich von der Schreibkompetenz in der Muttersprache unterscheiden. Es ist als „Kompetenzstrukturmodell“ angelegt und weist eine Handlungsdimension auf: Es wird gefragt, wie Inhalts- und Handlungsdimension der Kompetenz zusammenhängen, welche innere Struktur die einzelnen Teilfähigkeiten haben und in welchen Prozessen diese erworben werden. Für diese Studie besonders bedeutsam ist die Frage, wie sich die individuellen Unterschiede in der Ausführung einer Kompetenz abbilden lassen. Hier geht es also um die Struktur des für die Darstellung interindividueller Unterschiede erforderlichen Raumes, um die sogenannte „Dimensionalität“ der betreffenden Kompetenz (Hartig et al., 2007, S. 13). Das Modell muss erklären können, wie sich die Reden von expert writers von den Reden von novice writers unterscheiden, auf welchen Ebenen diese Unterschiede liegen und welche didaktischen Konsequenzen sich daraus ergeben. Aufbauend auf diesem Kompetenzstrukturmodell wird im vierten Kapitel ein Bewertungsmodell für Redemanuskripte entwickelt, um das theoretische Modell in konkrete Messverfahren umzusetzen (Hartig & Höhler, 2010, S. 189). Es stellt die theoretische Verbindung zwischen dem Schreibverhalten der Lernenden und den daraus gezogenen diagnostischen Schlüssen dar und bildet die Grundlage für die nachfolgende empirische Untersuchung. Dieses Bewertungsmodell wurde mit statistischen Methoden aus der Psychometrie und der Probabilitätstheorie empirisch überprüft („Raschmodellierung“; vgl. dazu Abschn. 4.5.3. und detailliert in Appendix A). Dabei zeigte sich, dass das Modell die gemessenen Unterschiede zwischen den Lernenden gut abzubilden <?page no="22"?> 22 vermochte und deshalb von einer hohen Konstruktvalidität ausgegangen werden kann. Im fünften Kapitel wird das Schreibarrangement „I Have a Dream! “ 2 vorgestellt und forschungsmethodisch begründet. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei lernen, eine gute Rede auf Englisch zu schreiben und auch vorzutragen (10./ 11. Schuljahr). In diesem Setting werden die vorher durchgeführten Untersuchungen zu Struktur und Aufbau argumentativer Schreibkompetenz in einer zusammenhängenden Unterrichtseinheit didaktisch umgesetzt. Im sechsten Kapitel werden die Resultate einer empirischen Untersuchung dargestellt, in welcher die Effekte von „Dream“ in einem Arrangement mit Versuchs- und Vergleichsklassen geschildert wird. Diese fand in vier Parallelklassen der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon (Schweiz) statt. Dabei zeigte sich, dass die Schreibkompetenzen der Lernenden, welche im Arrangement „Dream“ gearbeitet hatten, sich stärker verbesserten als jene von Lernenden, die mit eher „traditionellen“ Methoden unterrichtet worden waren. Diese Effekte betrafen v.a. die sprachlich-formalen Kompetenzen der Lernenden und dort besonders das untere Leistungsdrittel der Schülerinnen und Schüler. Im siebten und letzten Kapitel richtet sich der Blick über „Dream“ hinaus auf das integrative Element der hier vorgestellten Schreibdidaktik. Dabei werden methodische Aspekte des argumentativen Schreibens dargestellt, welche für die gesamte Unter-, Mittel- und Oberstufe relevant sind. Auch wird ein didaktisches Strukturmodell des L2-Schreibens entwickelt, in dem auf die Ergebnisse von „Dream“ sowie auf weitere schreibpädagogische Konzepte Bezug genommen wird. Das Strukturmodell soll zeigen, wie komplexe Schreib- und Ausdruckskompetenzen in der Fremdsprache schon auf unteren Stufen sinnvoll gefördert und aufgebaut werden können. Gleichzeitig werden Grundzüge einer erweiterten Kultur der Leistungsbeurteilung dargestellt, welche zu dieser Didaktik passen und die dabei angezielte umfassende sprachliche Handlungskompetenz auch ganzheitlich zu erfassen vermögen. Am Ende werden Perspektiven für weitere Forschung- und Entwicklungsaufgaben in der fremdsprachigen Schreibdidaktik sichtbar gemacht. 1.4. Leistungen und Grenzen dieser Studie Eine wesentliche Leistung der vorliegenden Studie besteht darin, dass hier ein zentrales Element der Fremdsprachendidaktik, nämlich das argumentative Schreiben, aus Sicht der Kompetenzorientierung theoretisch modelliert, di- 2 Im folgenden abgekürzt als „Dream”. <?page no="23"?> 23 daktisch umgesetzt und empirisch untersucht wird. Dabei wird ausgehend von einem kognitiven Strukturmodell des L2-Scheibens ein psychometrisches Messmodell entwickelt, welches eine detaillierte Interpretation der Resultate von „Dream“ ermöglicht und auch als Vorlage für die Bewertung von Schreibkompetenzen in weiteren Kontexten dienen kann. Die Zusammenhänge dieser verschiedenen Modelle werden im folgenden Schaubild verdeutlicht: Abb. 1.2. Funktion und Zusammenhang unterschiedlicher Kompetenzmodelle (Leutner & Klieme, 2006, S. 6). Die in dieser Studie geleistete Kompetenzmodellierung bietet die Grundlage, dass mit „Dream“ ein didaktisches Arrangement mit Methoden der empirischen Unterrichtsforschung evaluiert werden konnte. Das Kompetenzmodell <?page no="24"?> 24 ist curricular eingebettet ist und vermag aufzuzeigen, wie sich Fähigkeiten des argumentativen Schreibens im Unterricht konkret ausbilden lassen. Die dabei verwendeten Untersuchungsverfahren sind am mixed methods research angelehnt (Dörnyei, 2007). Dabei wurden im Rahmen einer Pilotstudie die praktische Durchführbarkeit und grundsätzliche Wirksamkeit von „Dream“ mit qualitativen Forschungsmethoden überprüft (Interviews mit Lehrkräften und Lernenden, inhaltsanalytische Auswertung von Schülerprodukten und Lernjournalen; vgl. detailliert Abschn. 5.1.). Auf dieser Basis wurden konkrete Hypothesen formuliert, die im Rahmen eines quasi-experimentellen Untersuchungsdesigns (Rost, 2007) mit quantitativen wie mit qualitativen Methoden überprüft wurden („Blindbewertung“ der Anfangs- und Schlussreden mittels Beurteilungsraster durch speziell ausgebildete Rater, Fragebögen mit Likert- Skalen usw.). Damit wird dem Desiderat der modernen Fremdsprachendidaktik nachgekommen, dass vermehrt fachdidaktische Implementierungsstudien durchgeführt werden sollen, worin Lehr-Lern-Arrangements schulspezifisch entwickelt und ihre Effekte empirisch überprüft werden (Legutke, 1988; Edmondson und House, 2000; Müller-Hartmann und Schocker-v. Ditfurth, 2001). Mit „Dream“ wird hier ein Schreib- und Lernarrangement vorgestellt, in welchem vom ersten Entwurf bis zur fertigen Redemanuskript alle notwendigen geistigen Akte der Lernenden beim L2-Schreiben didaktisch modelliert und als Arbeitsmethoden auf der Handlungsebene expliziert sind. Dies ist bedeutsam, weil die Einführung neuer Kompetenzziele nur dann zu Veränderungen im alltäglichen Unterricht führen kann, wenn es gelingt, den Lehrkräften Wege aufzuzeigen, wie sie mit dem Ziel der Kompetenzentwicklung unterrichtlich vorgehen können (Dubs, 2006, S. 170). Besonders im Rahmen der derzeit ablaufenden „Kompetenzorientierung“ von Unterricht ist dies wichtig, da diese neben einem Mehr an Verantwortung oft mit erheblicher Arbeitsmehrbelastung und der Erfordernis einer Stärkung der didaktischen und lerndiagnostischen Fähigkeiten der Lehrkräfte verbunden ist (Hallet, 2011, S. 25). Zwar erhalten Lehrerinnen und Lehrer bzw. Schulen große Freiheiten bezüglich der Inhalte und Wege, die sie mit Blick auf ihre jeweils spezifische Schülerpopulation und Bedingungen beschreiten möchten (ibid.). Sie brauchen aber auch konkrete Beispiele und überprüfte sowie handlungsrelevante Theorien, die es ihnen ermöglichen, „die ihnen zugewiesene Verantwortung auch zu tragen“ (Heid, 2007, S. 38). Es wird hier also eine Art von Forschung betrieben, die zwar keine eindeutige „Zuträgerfunktion“ für die Unterrichtspraxis hat, die aber auch nicht abgehoben von dieser erfolgt. Vielmehr wird mit „Dream“ ein didaktisches Setting vorgelegt, welches empirisch evaluiert wurde und ein zentrales Genre des Englischunterrichts betrifft, <?page no="25"?> 25 nämlich jenes der good speech. Dieser genre based approach zeichnet sich aus durch: • eine Konzeption des Schreibens als „social activity“, die im Dialog und Austausch mit Anderen erworben wird; • ein Verständnis, dass schriftliche Kommunikation immer auf einen bestimmten Zweck, einen Kontext und eine spezifische Adressatenschaft bezogen erfolgen sollte; • eine didaktische Ausrichtung, die an den tatsächlichen Bedürfnissen der Lernenden und des entsprechenden Schultyps orientiert ist; • ein Modell von Kompetenzaufbau, welche das Vorwissen der Lernenden systematisch einbezieht und neue Lernprozesse darauf aufbaut; • eine Ausrichtung auf konkrete Produkte und klar definierte Kompetenzziele; • eine systematische Integration von sprachlichen und übersprachlichen Fähigkeiten und einen besonderen Fokus auf die L2-Proficiency (vgl. Hyland, 2007, S. 153). Die Rolle der Lehrpersonen in diesem Setting ist es, geeignete Materialien bereitzustellen, lernförderliche Rückmeldungen zu den Arbeiten der Schülerinnen und Schüler zu geben und ihnen durch gezielte fachliche Instruktionen dort weiterzuhelfen, wo die eigenen Handlungsmöglichkeiten noch nicht ausreichen. Damit sollen optimale Voraussetzungen geschaffen werden, dass junge Menschen tatsächlich jene argumentativen Schreibkompetenzen in Englisch erwerben können, die heute als Voraussetzung für die höhere Bildung gesehen werden. Allerdings geht es nicht darum, zu zeigen, welches die beste Schreibdidaktik oder die beste Methode für den Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen sei. Dies wäre ob der Komplexität von Spracherwerbsprozessen und der Verschiedenheit von Lernkontexten wenig aussichtsreich (Edmondson & House, 2000, S. 289). Fachdidaktische Forschung kann auch nicht das Ziel verfolgen, die ideale Methode als Allerheilmittel für Lernprobleme jeglicher Art zu finden oder bestimmten Theorien über das Lernen zum Durchbruch zu verhelfen. Ziel dieser Studie ist vielmehr zu verstehen, wie junge Menschen unter den institutionellen Bedingungen der Schule das argumentative Schreiben lernen, und diese Prozesse zu verbessern. Damit wird eine Erhöhung der Effektivität des schulischen Lernens angestrebt, wobei „die aktive, aufgabenbezogene Lernzeit der Schüler ins Zentrum der pädagogisch-didaktischen Massnahmen gerückt wird“ (Drieschner, 2008, S. 568). Durch die empirische <?page no="26"?> 26 Untersuchung eines fachdidaktisch und entwicklungspsychologisch gut fundierten Kompetenzmodells will die Studie dazu beitragen, Lehr-Lernprozesse in der schulischen Wirklichkeit des Fremdsprachenunterrichts zu optimieren. <?page no="27"?> 27 2. Kontext der Studie 2.1. Didaktischer Kontext: Konzept der Kompetenz Im folgenden Abschnitt wird das L2-Schreiben zunächst im Paradigma des kompetenzorientierten Lernens verortet. „Kompetenz“ bezeichnet dabei die Gesamtheit der Fähigkeiten eines Individuums, um komplexe fachliche Anforderungssituationen erfolgreich bewältigen zu können (Weinert, 2001a, 2001b). Kompetenzen stellen in diesem Sinn „die Verbindung von Wissen und Können her und [sind] als Befähigung zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen zu sehen“ (Klieme, 2004, S. 13). Auch das argumentative Schreiben in der Fremdsprache stellt in diesem Sinne eine Kompetenz dar, wobei davon ausgegangen werden kann, dass sich diese aus unterschiedlichen Teilkompetenzen und Fertigkeiten zusammensetzt, zu welchen u.a. Schreibstrategien in L1, L2-proficiency, Weltwissen usw. gehören (vgl. dazu detailliert Kap. 3). Ziel des Lernprozesses ist nicht das Einüben isolierter Fähigkeiten, sondern die Fähigkeit zur Kombination dieser kognitiven, sozialen, motivationalen und metakognitiven Teilfähigkeiten, um in fachlichen Anforderungssituationen erfolgreich handeln zu können. Eine kompetenzorientierte Lern- und Schreibkultur zeichnet sich gegenüber einem traditionell „vermittelnden“ Unterricht durch einen mehrfachen Perspektivenwechsel aus. Erstens wird von einem holistischen Kompetenzkonzept ausgegangen, wobei versucht wird, unterschiedliche Teilfähigkeiten zu integrieren und zueinander in Beziehung zu setzen. Die Lernenden sollen fähig werden, ihr (Sprach-)Wissen und weitere Ressourcen effizient zu orchestrieren, anstatt nur segmentierende Teilaufgaben zu lösen. Zweitens kommt es zu einer deutlichen Prozessorientierung des Lernkonzepts, wonach die methodischen Komponenten gegenüber den inhaltlichen generell in den Vordergrund rücken. Man gewichtet das Bewältigen von konkreten Handlungssituationen stärker, d.h. die Anwendung und Transferierung des erworbenen Wissens und Könnens. Das Können der Schüler wird damit prioritär, was eine konstruktivistische Lernauffassung nahe legt, bei der die Lehrperson weniger als Wissensvermittler, sondern vorwiegend als Coach agiert. Drittens impliziert die Kompetenzorientierung eine Schülerorientierung von Unterricht in dem Sinne, dass auf zentrale, langfristig aufgebaute Lernergebnisse fokussiert wird, also auf das, was die Schülerinnen und Schüler nach einer Lernphase tatsächlich beherrschen. Meist impliziert das auch eine verstärkte kognitive Aktivierung der Lernenden sowie eine verstärkte Individualisierung der Lehr- und Lernformen. Dies setzt auch die Weiterentwicklung der Lern- <?page no="28"?> 28 und Kontrollaufgaben voraus, welche die Schülerinnen und Schüler in der Auseinandersetzung mit einem Fachthema bearbeiten. Und viertens bedeutet Kompetenzorientierung des Lernens auch eine verstärkte Ergebnisorientierung, was vor allem die Überprüfbarkeit des Lern-Outputs einschliesst und meist eine kriterienorientierte Beurteilung (Operationalisierung) einschliesst (Hofer, 2012, S. 18). Die kompetenzorientierte Sichtweise auf den Unterricht verändert also nicht bloss die Kultur des Lehrens und Lernens, sondern auch die Art und Weise, wie Leistungen beurteilt und bewertet werden. In seiner grundlegenden, auf die Expertiseforschung zurückgehenden Definition versteht Franz Weinert Kompetenz als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (2001b, S. 27) Das Kompetenzkonzept hat einen fachlichen Kern, gibt der Schule darüber hinaus aber auch neue Zielgrössen vor. Dabei sind nach Weinert (1998, S. 101) in Zukunft besonders folgende Aspekte schulischer Lernprozesse zentral: (a) der Erwerb von inhaltlichem Wissen, (b) lebenspraktisches Anwendungswissen, (c) Schlüsselqualifikationen (metakognitive Kompetenzen und Strategien des Lernens) und (d) kognitiv-motivationale Handlungs- und Wertorientierungen. Ziel ist also, ein System von Handlungs- und Wertorientierungen aufzubauen, so daß „aus kognitiven Fähigkeiten gesellschaftlich wertvolle und individuell reflexive Handlungskompetenzen werden“ (ibid., S. 115). Weinert selbst bezeichnete die Idee, fächerübergreifende Kompetenzen und „Schlüsselqualifikationen“ im Unterricht höher zu gewichten als domänenspezifische Fachinhalte, als abwegig (ibid., S. 113 f.). „Denken lernen“ ist ein ausgesprochen gegenstandsbezogener Prozess, wobei sich Experten von Novizen durch ihre reichhaltigere und besser organisierte Wissensbasis unterscheiden (vgl. auch Bransford, Brown und Cocking, 2000, S. 41). Ein kompetenter Problemlöser muss über konkretes Inhaltswissen verfügen, denn „ohne Wolle kann man nicht stricken“ (Mandl und Friedrich, 1992, S. 19). Voraussetzung für das Schreiben einer guten Rede ist, dass es einer Person gelingt, unterschiedliche Teilkompetenzen in einer wirkungsvollen Mischung zu organisieren, wobei weniger ausgebildete Kompetenzbereiche durch stärker ausgeprägte kompensiert werden können. Bei „Dream“ zeigte sich z.B., dass mangelnde L2-proficiency mit Fleiß, Ausdauer und sorgfältigem Überarbeiten von Texten (teilweise) ausgeglichen werden kann (vgl. Fallstudie von <?page no="29"?> 29 „Miriam“ in Abschn. 5.2.4.). Schreiben ist also als holistische Kompetenz zu sehen, wobei unterschiedliche Fähigkeiten und Ressourcen einer Person bei der Lösung eines komplexen Fachproblems zusammenspielen müssen. Überträgt man dieses Kompetenzkonzept auf schulisches Lernen, so bedeutet dies in der Praxis eine Verknüpfung von inhaltlich-fachlichem, methodischstrategischem, sozial-kooperativem und selbsterfahrend-personalem Lernen (Vollstädt, 2008, S. 6). Das hier vorgestellte Konzept hebt sich damit ab von einem „segmentierenden Ansatz“, wie er z.B. im Rahmen der Einführung von Bildungsstandards im Fremdsprachenbereich auftaucht (KMK, 2004). Dort sind die Standards strikt nach Kompetenzbereichen getrennt, wobei hochrangige Fähigkeiten („verständisvoller Umgang mit kultureller Differenz“) genau so genannt werden wie basale Fähigkeiten („Orthographie“, „Wortschatz“). Dieser Rückgriff auf isolierte skills hat zur Folge, dass vieles, was auch bisher an Lernen und Üben im Fremdsprachenunterricht stattgefunden hat, einfach „kompetenzorientiert“ genannt wird, ohne seine Bedeutung und Funktion im Unterrichtsprozess zu verändern (Hallet, 2011, S. 42 ff.). Eine solche Trennung von sprachlicher Handlungskompetenz in einzeln auszubildende und überprüfbare Teilbereiche ist jedoch als „überdidaktisiert“ zu bezeichnen und würde der Komplexität des hier untersuchten kommunikativen Phänomens nicht gerecht: Schreiben heißt einerseits Lesen, andererseits auch Sprechen, wobei auf jeder Ebene formal-sprachliche Kompetenzen genau so zentral sind wie weitergehende analytische, motivationale und volitionale Fähigkeiten. Es wird im Folgenden also auch nicht untersucht, wie in der Fremdsprache einzelne Teilfertigkeiten eingeübt und überprüft werden können, sondern auf welche Weise Schülerinnen und Schüler komplexe Handlungskompetenzen in einem zentralen Bedeutungsfeld des argumentativen Schreibens erwerben. Diese integrative Didaktik wird anhand der spezifischen Stoffe und Inhalte der schulischen Oberstufe in „Dream“ gezielt umgesetzt. Während man Kompetenzen der unteren Stufen noch als isolierte, hie und da und überall einsetzbare Techniken beschreiben kann, müssen Aufgaben für stärker synthetische Leistungen der oberen Stufen je nach Inhalt verschieden ausfallen und breiter gefaßt werden (Huber, 2008, S. 19). Dies gilt in besonderem Maße auch für das L2-Schreiben auf der Oberstufe: Je komplexer die Texte und Kommunikationssituationen, welche Jugendliche meistern sollen, desto wichtiger werden konkrete inhaltliche und fachspezifische Kenntnisse der jeweiligen Genres und Sprachkonventionen (d.h. Kenntnis spezifischer sprachlicher Ausdrucksmittel zur Bewältigung kulturspezifisch definierter Situationen). Zudem sind auch Motivation und der Einsatz hochwertiger Denk- und Analysestrategien notwendig, falls die Redemanuskripte tatsächlich einen gehaltvollen und überzeugenden Beitrag zur gestellten Frage <?page no="30"?> 30 darstellen sollen. Die didaktischen Herausforderungen, die sich mit der Umsetzung dieses „integrierenden“ Lernverständnisses verbinden, sind beträchtlich: Letztes Ziel eines modernen Unterrichts muss es sein, die Lernenden auf ein lebenslanges, selbstinitiiertes und selbstgesteuertes Leben vorzubereiten. Dazu bedarf es einerseits eines gut strukturierten Basiswissens, das nicht träge sein darf, sondern als Wissen zur Erschliessung von neuem Wissen dient und [sich] für die Anwendung und den fortlaufenden Aufbau des sich stets verändernden Basiswissens eignet. Andererseits sind in Verbindung mit dem Wissen Arbeitstechniken, Lernstrategien, Denkstrategien soziale und kommunikative Strategien aufzubauen sowie die Metakognition zu stärken. (Reisse, 2008, S. 7). Der Kompetenzbegriff steht also in einem engen Zusammenhang mit einem erweiterten und ganzheitlichen Begriff des Lernens (Jürgens & Sacher, 2000; Bohl, 2006, S. 20). Dabei lassen sich, mit Rückgriff auf Bohl (2006, S. 20) vor allem folgende Subkompetenzen als zentral und anerkannt bezeichnen: • fachlich-inhaltliche Kompetenz: Fachwissen besitzen, urteilen und definieren; • sozial-kommunikative Kompetenz: kooperieren, einfühlsam zuhören und argumentieren; • methodisch-strategische Kompetenz: visualisieren, planen, exzerpieren und nachschlagen; • Selbst- und Persönlichkeitskompetenz: Selbstvertrauen und realistisches Selbstbild entwickeln und kritikfähig sein. All diese Faktoren müssen beim kompetenzorientierten Unterricht im fachlichen Lernen integriert werden, so dass bei der Auseinandersetzung mit einem Thema z.B. auch die Lernstrategien der Schülerinnen und Schüler in den Blick kommen, gefördert und als Leistung anerkannt werden. Dies wiederum verlangt eine Repertoireanpassung der Lehrkräfte, wobei sie von den Schülerinnen und Schülern nicht bloß konventionelle oder nachvollziehende Leistungen verlangen dürfen und sie bei der Ausbildung hochrangiger Lernstrategien unterstützen sollen (Oelkers 2008a, S. 156). Bei der Umsetzung dieser didaktischen Ansprüche in der Unterrichtspraxis kann auf einige bestehende Konzeptualisierungen kompetenzorientierter Unterrichtsformen zurückgegriffen werden. Meyer und Klapper (2006, S. 94 <?page no="31"?> 31 ff.) haben ein Konzept von „Unterrichtsstandards“ vorgelegt, welches sie komplementär zu „Bildungsstandards“ verstehen. Sie sehen dabei folgende Punkte als zentral für den kompetenzorientierten Unterricht an: • eine Lernstrukturanalyse, in der die Struktur des zu vermittelnden Lerninhalts geklärt wird; • eine Lernstandsanalyse, die die zur Lösung der Aufgabe erforderlichen Kompetenzen sowie die unterschiedlichen Kompetenzstufen der Schülerinnen und Schüler sichtbar macht; • die Klärung der Zugänglichkeit des Inhalts im Zusammenhang mit den Interessen und Motivationen der Jugendlichen; • vielfältige Differenzierungsstrategien zur individuellen Förderung und Unterstützung; • die Entwicklung einer kompetenzorientierten Aufgabenkultur mit verschiedenen Niveaus; • die Förderung der Metakognition der Schülerinnen und Schüler durch Selbstreflexion, Gesprächs- und Feedbackkultur. In diesen „Unterrichtsstandards“ werden zwei Hauptströmungen der kompetenzorientierten Didaktik sichtbar, die im Folgenden wichtig sind: Einerseits der Versuch, Lerninhalte auf der Ebene von Kompetenzbeschreibungen transparent zu machen und zu erforschen, wie Wissen und Können in einem Gegenstandsbereich kumulativ aufgebaut werden können. Andererseits ein besonderes Bewußtsein für Lernerindividualität, d.h. für unterschiedliche Lernstile, unterschiedliche Lernzeiten, sowie früher oder verzögert eintretende Entwicklungsphasen (Tesch, 2010, S. 25 f.). Damit verbunden ist auch der Versuch, die Lernstände der Jugendlichen diagnostisch zu erfassen und sie entsprechend ihrer Bedürfnisse individuell zu fördern. Ein „didaktisches Grundgerüst zur Gestaltung kompetenzorientierten Unterrichts“ hat auch Feindt (2010, S. 86) vorgelegt, wobei sechs zentrale Merkmale unterschieden werden: <?page no="32"?> 32 Abb. 2.1. Sechs Merkmale kompetenzorientierten Unterrichts (Feindt, 2010, S. 87) Durch diese sechs Entwicklungsfelder soll eine „kompetenzspezifische Konkretisierung guten Unterrichts“ geleistet werden (ibid.). „Individuelle Lernbegleitung“ heißt dabei, dass sich die Lehrperson systematisch einen Überblick über die Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler macht und auf der Basis einer solchen „Hermeneutik von Schülerleistungen“ individuell passende Lernangebote für sie identifiziert (ibid.). Es geht dabei um eine pädagogische Diagnostik, welche den Kompetenzaufbau auf dem Vorwissen und den Konzepten der Lernenden zum Ziel hat und auch bei „Dream“ als zentral angesehen wird. Den Punkt „Metakognition“ sieht Feindt im Zusammenhang mit „Phasen einer individuellen Bearbeitung von (speziell ausgewählten) Lernangeboten“ (ibid.), wobei die Schülerinnen und Schüler verstärkt individualisiert und selbstgesteuert arbeiten sollen. Um aktiv Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen, ist es notwendig, dass sie Strategien zur Bearbeitung offener Lernaufgaben kennen und wissen, welche Lernschritte für geforderte Verbesserungen notwendig sind. Als Mittel kann einerseits die Besprechung konkreter Strategien mit den Lehrpersonen, andererseits die Arbeit mit „Kompetenzmodellen und Portfolios“ dienen (ibid.). Auch dieser Punkt deckt <?page no="33"?> 33 sich mit einer didaktischen Schwerpunktsetzung in dieser Studie, wobei erweiterte Formen der Leistungsbeurteilung und speziell die Arbeit mit Portfolios als zentrale Elemente des fachlichen Lernens wie auch zur Ausbildung reflexiver und metakognitiver Fähigkeiten gesehen werden. Die „Vernetzung von Wissen und Fertigkeiten“ hat in Feindts Modell eine horizontale und eine vertikale Dimension, welche der Unterricht leisten muß, wenn „der domänenspezifische Kompetenzerwerb nicht Stückwerk bleiben soll“ (ibid.). Mit vertikaler Vernetzung ist gemeint, dass die Lernenden erkennen, „wie einzelne Wissensfelder und Fähigkeiten systematisch aufeinander aufbauen“; was sich z.B. über „das gemeinsame Ordnen des verfügbaren Wissens auf einer Lernlandkarte, die Arbeit mit Advance Organizern oder Portfolios umsetzen läßt“ (ibid.). Horizontale Vernetzung meint den anwendungsbezogenen Transfer erworbenen Wissens und Könnens auf andere Bereiche, etwa indem die Lernenden Verknüpfungen mit anderen Lernsituationen und Gegenständen oder Nachbardisziplinen herstellen (ibid.). Beim L2-Schreiben ist diese Vernetzung nach allen Seiten ob der hohen Zahl von beteiligten Teilkompetenzen, welche auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen liegen, von zentraler Bedeutung. „Übung und Überarbeitung“ sind deshalb wichtig, weil man erst dann von Kompetenzen im Sinne Weinerts sprechen kann, wenn Wissen und Fertigkeiten den Jugendlichen „in Fleisch und Blut“ übergegangen sind und sie diese auch in neuen, unbekannten Situationen selbständig und sicher anwenden können (ibid.). Gerade die Überarbeitung von Texten und die Verfügbarkeit entsprechender Überarbeitungsstrategien stellen beim L2-Schreiben wichtige Kompetenzkomponenten dar. In „Dream“ wurde deshalb ein Schwerpunkt in diesem Bereich gesetzt und unterschiedliche Techniken des Lehrer- und Peer- Feedback entwickelt, in welchen Überarbeitungen systematisch angeregt werden. Dabei wurde ein spezielles Augenmerk auf die spezifischen linguistischen Merkmale von guten Reden gelegt und entsprechende Sprachstrukturen auch intensiv eingeübt. „Kognitive Aktivierung“ ist weniger als didaktische Handlungsform denn als allgemeines Merkmal von Unterrichtsqualität zu verstehen, wobei die Lernenden herausgefordert sind, „bereits vorhandenes Wissen und verfügbare Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bearbeitung neuer Herausforderungen aktiv und kreativ einzusetzen“ (ibid.). In diesem Zusammenhang gilt es, „Situationen des Erkundens, Entdeckens und Erfindens“ zu schaffen, wobei die Lernenden vorhandenes Wissen auf neue Weise verbinden und auch eigene Lösungsstrategien entwickeln sollen. Dieser Punkt ist für eine integrierende Schreibdidaktik für die Oberstufe zentral und wird in Kap. 7 unter dem Stichwort der „Aufgabenkultur“ detailliert behandelt (vgl. Abschn. 7.3.). <?page no="34"?> 34 In eine ähnliche Richtung geht schließlich Feindts Kategorie der „lebensweltlichen Anwendung“, wobei eine Lernkultur der Anforderungssituationen gemeint ist, „die zugleich Anwendungssituationen sind, in denen die Lernenden Kompetenzen zeigen müssen“ (ibid., S. 88). Ein kompetenzorientierter L2-Schreibunterricht sollte auf Situationen ausgelegt sein, welche für die Lernenden auch „später“ eine Relevanz haben werden. Zudem sollte Schreiben immer mit Bezug auf ein spezifisches Miteilungsbedürfnis und eine bestimmte Adressatenschaft erfolgen. Beides ist bei „guten Reden“ der Fall, wenn man an universitäre oder berufliche Schreibanlässe wie Vorträge, Referate usw. denkt. Didaktische Konzeptionen müssen fächerspezifisch ausdifferenziert und im Kontext schul- und stufenspezifischer Unterrichtsprojekte umgesetzt werden, um in der Praxis tatsächlich handlungsleitend zu werden. Einen erfolgsversprechenden Versuch für den Fremdsprachenunterricht auf der Sekundarstufe hat Tesch (2010) vorgelegt und sich dabei vor allem auf die Entwicklung kompetenzorientierter Lernaufgaben konzentriert. Als zentrale Elemente von Kompetenzorientierung bezeichnet er dabei: • die gezielte Verbindung von Unterrichtsplanung und Orientierung an bestimmten Kompetenzen (in Teschs Konzept die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache der KMK in Deutschland); • die Förderung des selbstgesteuerten Lernens („Lernerautonomie“); • die Einführung einer veränderten Diagnose- und Evaluationspraxis; sowie • die Verbindung dieser Aspekte in einer veränderten Aufgabenkultur im Fremdsprachenunterricht (ibid., S. 13). Die Unterschiede zwischen einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht und eher „traditionellen“ Konzepten sind in der folgenden Tabelle verdeutlicht: <?page no="35"?> 35 Tab. 2.1. Kompetenzorientierter und traditioneller Fremdsprachenunterricht im Vergleich (vgl. Tesch, 2010, S. 25) Zentral für einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht sind demnach: • die Betrachtung der Schülerinnen und Schüler nicht funktional als Sprachenlernende, sondern als Individuen; • die Berücksichtigung ihrer Vorerfahrungen; • die Anpassung der Aufgabenumsetzung an individuelle Bedingungen wie Emotion oder Kreativität; • die Orientierung an Inhalten (Spracharbeit in dienender Funktion); • die Nutzung selbst- und peerevaluativer Potentiale insbesondere zur sprachlichen Förderung; • die Auswahl von für Schülerinnen und Schüler thematisch relevanten und authentischen Texten zur Anbahnung kommunikativer Handlungen, die ihrerseits als relevant empfunden werden; Kompetenzorientierter FU „Traditioneller“ FU Bewußtmachung des Lernens durch Transparenz von Qualitätskriterien und Vergleichbarkeit der Lernstände. Häufig mangelnde Bewußtmachung des Lernens und mangelnde Transparenz der Kriterien. Mangelnde Vergleichbarkeit der Lernstände. Verwendung von Aufgaben, die im Hinblick auf Kompetenzmodelle konzipiert werden; Anschluß an definierte Kompetenzen. Aufgaben an grammatischer oder lexikalischer Progression orientiert; Keine Anbindung an Kompetenzmodelle oder definierte Kompetenzen. Formate zur Beurteilung von Schülerleistungen stärker diagnostisch ausgelegt; Leistungsbewertung anhand transparenter Kriterien. Formate zur Beurteilung von Schülerleistungen stärker evaluativ und bewertend ausgelegt; Kriterien der Leistungsbeurteilung oft unklar oder willkürlich. Rückkoppelung des Kompetenzaufbaus mit Kompetenzdiagnose und überprüfung. Keine systematische Eingangsdiagnose; Rückkoppelung des Kompetenzaufbaus nur mit Überprüfung (z.B. Klausur). Systematische Förderung der Lernerautonomie durch Selbstmonitoring und Rückmeldungen durch die Lehrkräfte. Lernerautonomie auf Techniken begrenzt; Selbstevaluation nur sporadisch gefördert. <?page no="36"?> 36 • die Orientierung an vielfältigen und kreativen Lernergebnissen und Produkten; • das Prinzip der Passung (zu den Lernvoraussetzungen) und der Realisierbarkeit; • die systematische Rückmeldung zur Lernentwicklung; • die Möglichkeit der Umwandlung von Aufgaben gemäß Differenzierung und Individualisierung (Tesch, 2010, S. 73 f.). Bedeutend ist dabei die wissenschaftliche Entwicklungsaufgabe, welche Tesch einer kompetenzorientierten Didaktik zumißt. Diese soll erklären, „mit welchen fachlichen Mitteln die Lernergebnisse im Bereich der Fremdsprachen zu verbessern sind, bzw. welche Förderkonzepte zum Aufbau und Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen aus fachdidaktischer Sicht sinnvoll erscheinen“ (ibid., S. 38). Diese Fragestellung versucht die vorliegende Studie spezifisch für das L2-Schreiben auf der Oberstufe zu beantworten. Die vollständigste und beste Darstellung dessen, was kompetenzorientierter Englischunterricht auf der Sekundarstufe I konkret bedeuten kann, hat Hallet (2011) vorgelegt. Dessen Konzeption von kompetenzorientiertem Fremdsprachenunterricht deckt sich in weiten Teilen mit den Schwerpunktsetzungen in dieser Studie sowie den oben dargestellten Lernkonzepten. Dabei werden u.a. folgende Konzepte und Unterrichtsmethoden für den kompetenzorientierten Englischunterricht als zentral angesehen: • das Eingehen auf die Heterogenität der Lernenden und die Herstellung von Bedingungen zum individuellen Lernen; • die Notwendigkeit hoher lerndiagnostischer Kompetenzen der Lehrkräfte (im Zusammenhang mit dem vorherigen Punkt); • eine grundlegende Themen- und Inhaltsorientierung des Unterrichts, wobei die Jugendlichen „Diskursfähigkeit“ bei bedeutsamen und bedeutungshaltigen Themen der englischen Sprache und Kultur erwerben sollen (S. 96 ff.); • der Einsatz von vielfältigen prozessorientierten und dialogischen Lernformen und Bedeutungsaushandlungen unter allen Beteiligten im Unterricht (zusammengefaßt z.B. im Dreischritt think-pair-share; S. 119 ff.); • die Entwicklung einer Lernkultur von „komplexen Kompetenzaufgaben“, welche sowohl lernförderliche wie evaluative Funktionen übernehmen (S. 143 ff.); <?page no="37"?> 37 • die Weiterentwicklung der Feedback- und Evaluationskultur, wobei vielfältige Formen der Rückmeldung, Leistungsbeurteilung mit Notenvergabe sowie peer- und Selbst-Evaluation gehören (S. 178 ff.); • die Notwendigkeit der gemeinsamen, kooperativen Unterrichtsentwicklung im Kollegium und in der Fachschaft (S. 189 ff.); und • der Einbezug einer Mehrsprachigkeitsdidaktik und Techniken des sprachvernetzenden Lernens. (Hallet, 2011) Außer den letzten Punkten werden alle hier genannten im Rahmen des Projekts „Dream“ (zumindest teilweise) angesprochen. Darüber hinaus werden einige dieser Aspekte in Kap. 7 wieder aufgegriffen, in dem eine integrierende L2-Schreibdidaktik entworfen wird. Dabei wird besonders auf die Individualisierung des Unterrichts, die Aufgabenorientierung sowie die erweiterte Leistungsbeurteilung eingegangen und dabei Hallets Konzeptualisierungen einbezogen. Bevor nun konkret auf das L2-Schreiben eingegangen und eine entsprechende Didaktik entwickelt wird, soll zuerst der Status Quo des Englischunterrichts auf der Oberstufe dargestellt werden, so weit sich dieser aus wissenschaftlichen Studien, Expertisen und Praxisanalysen rekonstruieren lässt. Auf dieser Grundlage lassen sich dann mögliche didaktische Entwicklungslinien formulieren. 2.2. Lerntheoretischer Kontext: Englischkompetenzen und Unterrichtsformen auf der Oberstufe Im Folgenden werden Studien dargestellt, welche die Englischkompetenzen von Lernenden sowie Interaktionsformen des Englischunterrichts in der Schweiz und in Deutschland zum Thema haben. Diese Darstellung erfolgt bezogen auf die Oberstufe, d.h. die Sekundarstufe I & II bzw. das Gymnasium, wo auch die nachfolgende empirische Untersuchung verortet ist. Damit wird der Warnung von Oelkers (2003, S. 174 ff.) Rechnung getragen, dass neue Unterrichtsformen nie „aufs Geratewohl“ entwickelt werden dürfen oder weil gewisse Theorien des Lernens in der Wissenschaft gerade Konjunktur haben. Sie müssen immer auf die tatsächlichen Bedürfnisse einer bestimmten Schulform und dessen Klientel bezogen sein und sollten auch nicht lediglich als Anwendungsfall allgemeiner pädagogischer Theorien betrachtet werden. Die folgende Darstellung soll eine Einschätzung ermöglichen, welche Kompetenzniveaus Schülerinnen und Schüler auf der Oberstufe im Englisch in etwa erreichen, in welchen Kontexten dieses Lernen stattfindet und in wel- <?page no="38"?> 38 chen Bereichen sich spezifischer Entwicklungsbedarf zeigt. Es wird dabei nicht bloss auf das Schreiben fokussiert, sondern alle produktiven und rezeptiven Kompetenzbereiche einbezogen, um vorhandene Studien so umfassend wie möglich auswerten zu können und ein breit abgestütztes Gesamtbild zu zeichnen. Weiter wird davon ausgegangen, dass die Schulsysteme in Deutschland und der Schweiz trotz bestehenden Unterschieden ungefähr vergleichbar sind (vgl. dazu Abschn. 2.3.). 2.2.1. Sprachlich-kommunikative Kompetenzen der Lernenden Eine Untersuchung von Köller et al. (2006) fokussierte auf die rezeptiven Kompetenzen in der gymnasialen Oberstufe (Hörverständnis, Textverständnis). Dabei bearbeiteten fast 5000 Lernende am Ende des 13. Schuljahrs den TOEFL-Test. An allgemeinbildenden Gymnasien erreichten 65.5 Prozent einen Wert von ≥ 500 Punkten, was in etwa dem Niveau B2 bis C1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) entspricht und für die Aufnahme an eine normale amerikanische Universität ausreicht. 24.9 Prozent der Lernenden erreichten sogar einen Wert von ≥ 550, was den Zugang zu einer renommierten Universität eröffnen würde. In den Leistungskursen Englisch (vergleichbar mit dem Schweizer „Schwerpunktfach“) stiegen diese Werte auf 86.9 Prozent ( ≥ 500) bzw. 53.2 Prozent ( ≥ 550). Dieser Befund wurde als „unerwartet günstig“ für allgemeinbildende Gymnasien eingeschätzt (Köller et al. 2006, S. 253). Die Studie „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“ (DESI; Klieme et al., 2008) untersuchte die Englischkompetenzen von Lernenden zu Anfang und Ende der 9. Jahrgangsstufe in verschiedenen deutschen Bildungsgängen. Im Kompetenzbereich „Hörverstehen“ erreichten 21 Prozent der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zu Ende der 9. Jahrgangsstufe das Niveau „kompetente Sprachverwendung“, d.h. ungefähr das Niveau B2/ C1 des GeR (Nold & Rossa, 2008, S. 127). Die Anzahl der Lernenden auf diesem Niveau stieg während eines Jahres von 8 auf 21 Prozent, was den grössten Lernzuwachs im Vergleich mit anderen Schultypen (Hauptschule, Realschule) bedeutete. Im Kompetenzbereich „Leseverstehen“ zeigten sich ähnliche Resultate: Am Ende der 9. Jahrgangsstufe erreichten Gymnasiastinnen und Gymnasiasten durchschnittlich das Niveau „selbständige Sprachverwendung“ (d.h. B1 oder B2 des GeR), knapp ein Drittel sogar das höchste Testniveau („kompetente Sprachverwendung“). Diese Lernenden waren damit in der Lage, implizite Informationen beim Lesen wenn nötig mit Hilfe von Weltwissen zu entschlüsseln und auch komplexe Informationen zu verstehen (Nold, Rossa und Chatzivassiliadou, 2008, S. 136). Bei der mündlichen Sprachproduktion wurde das Kompetenzniveau B1 des GeR, das laut Bildungsstandards <?page no="39"?> 39 für den mittleren Schulabschluss zu Ende der 10. Jahrgangsstufe erreicht werden soll, von 74 Prozent der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bereits am Ende der 9. Jahrgangsstufe erreicht oder übertroffen (Schröder, Harsch & Nold, 2006, S. 14). Auf dieser Stufe finden sich Kompetenzbeschreibungen wie „kann detailliert über eigene Erfahrungen berichten und dabei die eigenen Gefühle und Reaktionen beschreiben“ oder „kann eine Argumentation gut genug ausführen, um die meiste Zeit ohne Schwierigkeiten verstanden zu werden“ (Europarat, 2001, S. 64 f.). Für die Schweiz fehlen Studien mit vergleichbarer Stichprobengröße zu den Englischkompetenzen von Lernenden auf der Sek II. 3 Es gibt allerdings eine Reihe von kleineren Untersuchungen, die zusammen genommen ebenfalls ein aussagekräftiges Bild ergeben. Im Rahmen dieser Studie wurde eine Erhebung mit knapp zweihundert Lernenden an der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon durchgeführt. Dabei bearbeiteten zehn Parallelklassen der 11. Jahrgangstufe einen standardisierten Sprachtest zu den Kompetenzbereichen „Grammatikkenntnisse“ und „Hörverstehen“ (Oxford Placement Test; Allan, 2004). Die Lernenden befanden sich also etwa ein Jahr vor der Matur (Abitur) bzw. im 5. Lernjahr Englisch. Die Resultate lassen sich zu den Niveaus des GeR in Beziehung setzen und damit auch mit den oben genannten Studien aus Deutschland vergleichen: 3 Im Rahmen der jüngsten Evaluation der Schweizer Maturitätsreform (EVAMAR II; Eberle, Gehrer et al. 2008) wurden die Englischkompetenzen der Lernenden nicht erfasst. <?page no="40"?> 40 Tab. 2.2. Englischleistungen in Grammatik und Hörverständnis Mitte 11. Schuljahr (5. Lernjahr Englisch); zehn Parallelklassen der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon (Langzeitgymnasium, 2009); Oxford Placement Test 2 (Allan, 2004) Im Durchschnitt wurde von allen Klassen des 11. Schuljahres Niveau B2 erreicht (Testband von 135-149 Punkten), was „upper intermediate - competent user“ bedeutet. Man kann also davon ausgehen, dass die Lernenden bezüglich ihrer allgemeinen L2-proficiency gute Leistungen erreichen. Diese Untersuchung deckt sich mit den Schätzungen vieler Fremdsprachenlehrpersonen am Gymnasium, wonach ein Großteil der Lernenden in Englisch etwa das Niveau B2 des GeR erreicht oder knapp übertrifft (Vindayer & Hodel, 2007, S. 55). 4 Insgesamt kann man annehmen, dass die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in Deutschland und der Schweiz bezüglich ihrer allgemeinen L2proficiency in Englisch ausreichend auf die Herausforderungen der tertiären Bildungsstufe vorbereitet sind (womit noch nichts über Schreibkompetenzen im Speziellen ausgesagt wäre). In der Schweiz nimmt das Englische auch in Bezug auf das Fachinteresse einen Spitzenplatz ein, zusammen mit Geschichte 4 Niveau B2 des GeR wird für Schweizer Gymnasien als Abgangsniveau im Schwerpunktfach Fremdsprachen in verschiedenen Expertisen verlangt; es gibt aber noch keinen gesamtschweizerischen Beschluss dazu (Alloati et al., 2009, S. 124). Englischkompetenzen 11. Schuljahr (5. Lernjahr Englisch) nach Maturitätsprofilen Klasse (N) ∅ Grammatik ∅ Hörverstehen. ∅ Total SD Referenzniveau alte Sprachen (Griechisch/ Latein) 1 (16) 65.3 78.9 144.3 9.06 B2 2 (20) 68.9 82 150.9 9.84 C1 mathematischnaturwiss. Typus 3 (22) 64 77.6 141.6 12.66 B2 4 (18) 56.5 75.8 132.3 10.17 B1 neusprachlicher Typus 5 (26) 66.2 81.5 147.7 11.52 B2 6 (22) 64.8 78.4 143.2 10.78 B2 wirtschaftlicher Typus 7 (16) 64.2 80.2 144.4 15.08 B2 8 (15) 56.2 75.5 131.7 13.64 B1 musischer Typus 9 (20) 58.2 76.5 134.7 12.17 B2 10 (24) 58.9 78.4 137.3 11.27 B2 Insgesamt (199) 59.1 80.6 139.7 10.76 B2 <?page no="41"?> 41 und Sport (Ramseier et al., 2005, S. 86). Offenbar wirkt sich das hohe Interesse auch positiv auf die fachliche Leistungsfähigkeit aus. Wie es um spezialisierte Schreibkompetenzen steht, lässt sich aus bestehenden Untersuchungen jedoch nicht erschliessen. Hier schliesst die vorliegende Studie eine Forschungslücke. 2.2.2. Unterrichtsgestaltung und Interaktionsmuster Die detailliertesten Angaben zur Gestaltung des Englischunterrichts auf der Mittel- und Oberstufe finden sich in der DESI-Studie (Klieme et al., 2008), wobei Lehr-Lernformen und Unterrichtsgestaltung in verschiedenen Bildungsgängen und Schultypen detailliert erfasst wurden (Deutschland, 9. Schuljahr). Die Lehrpersonen wurden mittels Fragebögen zur Alltagpraxis ihres Unterrichts befragt; in 105 Klassen wurden zudem zu mehreren Zeitpunkten Videostudien einzelner Unterrichtsstunden vorgenommen. Mit Abstand die häufigste Unterrichtsform war dabei der „Frontalunterricht“, wobei die Lehrperson den Unterricht strukturiert und Fachwissen vermittelt bzw. Informationen vorträgt (Helmke et al., 2008a, S. 371). In der folgenden Tabelle sind (spezifisch für die Gymnasien) jene Arbeitsformen des Englischunterrichts dargestellt, welche über den Frontalunterricht hinausgehen oder davon abweichen. Dabei ist der Prozentsatz von Lehrkräften aufgeführt, welche bei der Befragung angaben, mindestens einmal pro Monat die entsprechende Unterrichtsform einzusetzen: Arbeit in kleinen Schülergruppen 61.5% Diskussionsrunden 45.8% Fachübergreifendes Lernen 17.4% Freiarbeit 13.7% Wochenplan 4.5% Peer tutoring 7.1% Tab. 2.3. Prozentsatz an Lehrkräften an Gymnasien, welche die betreffende Unterrichtsform mindestens ein Mal pro Monat einsetzen (Deutschland, 9. Schuljahr; Helmke et al., 2008a, S. 372) Neben „Frontalunterricht“ scheint besonders die Gruppenarbeit verbreitet zu sein, während auf Autonomie ausgerichtete Lernmethoden wie Freiarbeit, Arbeit mit einem Wochenplan oder peer tutoring selten bis gar nie vorkommen. Gerade solche Formen der Zusammenarbeit und Rückmeldung innerhalb des Klassenzimmers wären für die Entwicklung einer hochrangigen Schreibkompetenz zentral (Hyland, 2003, S. 10 ff.). Noch immer scheint die <?page no="42"?> 42 wichtigste Unterrichtsform an Gymnasien die Wissensvermittlung zu sein, welche sich durch eine Dominanz des Sachanspruchs der Lerninhalte auszeichnet; häufig geschieht dies zu Lasten der Berücksichtigung der Lern- und Lebenslagen der Schülerinnen und Schüler sowie von schüleradaptiven Arbeitsformen (Wiater, 1998, S. 26). Eine prozess- und lernerorientierte L2- Schreibdidaktik muß hier fast zwangsläufig Veränderungen bei den typischen Interaktions- und Vermittlungsmustern des Unterrichts herbeiführen. Spezifisch bei der Schreibdidaktik scheint ein besonderes Defizit an innovativen didaktischen Formen vorzuliegen. Auf Grund einer breiten Literaturrecherche stellt Hesse (2002, S. 56) fest, dass „die Fähigkeit des Schreibens [im Englischunterricht] kaum reflektiert und systematisch behandelt wird“. Besonders stellt sie eine „Vernachlässigung des Schreibens in der Schulpraxis“ fest, wobei sie an Fallbeispielen verschiedener Schulen in Deutschland aufzeigt, dass • die Lernenden mit zunehmendem Alter im Unterricht immer seltener schreiben; • der Unterricht weitgehend mündlich stattfindet; • schriftliche Arbeiten der Schülerinnen und Schüler zu Hause erledigt werden und dann die Grundlage für das Unterrichtsgespräch bilden; • Lehrkräfte nur in Einzelfällen schriftliche Aufgaben heranziehen, selten schriftliche Arbeiten zur Korrektur nach Hause nehmen und Schülerarbeiten nie schriftlich beantworten. (Hesse, 2002, S. 61) Es mag teilweise gute Gründe für dieses Handeln der Lehrkräfte geben, etwa die hohe zeitliche Belastung durch schriftliches Beantworten von Schülerarbeiten. Trotzdem wäre eine auf Schriftlichkeit angelegte Lern- und Feedbackkultur für die Lernziele der Oberstufe zentral, so dass hier ein zentrales Entwicklungsdesiderat der fachdidaktischen Forschung vorliegt. Die Analyse in der DESI-Studie der verwendeten Unterrichtsmaterialien zeigte, dass Lehrbücher oder Arbeitsblätter auf der Oberstufe und im gymnasialen Englischunterricht mit Abstand am meisten genutzt wurden: 98 Prozent der Lehrkräfte setzten diese regelmässig ein. Eine Videostudie brachte zudem zum Vorschein, dass die Sprechzeit der Lehrkräfte in allen Schultypen einen Grossteil der Englischlektionen ausmachte und dass diese ihren Anteil an Sprechzeit im Unterricht massiv unterschätzten. Lehrkräfte sprachen im Durchschnitt mehr als doppelt so lang wie ihre Schülerinnen und Schüler. Mehr als die Hälfte der gesamten Lernzeit (51%) entfiel auf Lehrerrede, Schüler hingegen redeten nur zu 23 Prozent der Zeit; das restliche Viertel entfiel auf Aktivitäten wie Still- oder Einzelarbeit, Übergänge, Medien oder Warte- <?page no="43"?> 43 zeit. Diese Resultate implizieren auch, dass im Unterricht des 9. Schuljahrs viel gesprochen, aber wenig geschrieben wird. Betrachtet man den prozentualen Anteil von Schülersprechzeiten an der Gesamtsprechzeit, dann sprachen an Gymnasien die Schülerinnen und Schüler während 37 Prozent und die Lehrpersonen während 63 Prozent der Zeit (Helmke et al., 2008b, S. 351). Diese Ergebnisse sind hoch kongruent mit Studien des Englischunterrichts aus anderen Ländern, wobei Lehrpersonen meist etwa zwei Drittel der gesamten Sprechzeit beanspruchten (Ellis, 1994, S. 582). Während dieser Zeit wird erwartet, dass die Lernenden schweigen (Edmondson & House, 2000, S. 252). Es liegt also ein einseitiges Interaktionsmuster vor, in welchem die Lehrkräfte Informationen „abgeben“ und die Lernenden diese „aufnehmen“ sollen. Bei DESI wurden Interaktionsmuster des Unterrichts im Zusammenhang mit der Art der Fragen untersucht, welche die Lehrkräfte im Englisch ihren Lernenden stellten. An Gymnasien stellten die Lehrpersonen pro Lektion durchschnittlich 40 Fragen, also etwa eine pro Minute (Klieme et al., 2008, S. 147). Das typische Muster dieser Gespräche war Lehrerfrage (Ausgangspunkt) - Schülerantwort - kurze Rückmeldung der Lehrkraft. Dieses Interaktionsmuster erlaubt den Lehrpersonen, ein hohes Mass an Kontrolle über den Unterrichtsverlauf zu behalten: „One reason for the prevalence of questioning is undoubtedly the control which it gives the teacher over the discourse“ (Ellis, 1994, S. 887). Dieses Muster von initiation-response-feedback (IRF) ist im Fremdsprachenunterricht weit verbreitet (Ellis, 1994, S. 587). Tesch (2010, S. 320) zeigte jüngst in einer breit angelegten Studie zum Französischunterricht auf der Sekundarstufe I, dass die Interaktionsmuster der meisten Lehrpersonen so strikt und ihre Kontrolle im Unterricht so stark waren, dass die Umsetzung von aufgabenbasierten oder schülerorientierten Lernarrangements nur in rudimentärer Form möglich war. Auch in diesem Bereich ist deshalb zu erwarten, dass eine moderne lernerzentrierte Schreibdidaktik gewohnte Interaktionsmuster verändern muss. Ebenso analysiert wurden in der DESI-Studie die Fragen der Lehrkräfte bezüglich Antwortspielraum, Komplexität und Authentizität analysiert. Je höher der Antwortspielraum einer Frage, desto mehr mögliche Antworten gibt es darauf. Nur bei gut einem Drittel der Fragen war der Spielraum hoch, bei zwei Dritteln kam nur eine sehr enge Auswahl an Antworten in Frage. Von hoher Komplexität einer Frage spricht man dann, wenn die Antwort eine selbständige Formulierung erfordert; etwa 40 Prozent der Fragen hatten eine hohe Komplexität, etwa 60 Prozent waren durch Wiederholung oder Umformung zu lösen. Das dritte Kriterium war die Authentizität der Fragen, d.h. ob dahinter ein echtes Informationsbedürfnis steckt oder die korrekte Antwort im Vornherein bekannt ist. Fast zwei Drittel der Lehrerfragen im Englischunterricht, auch auf der Oberstufe, waren „Pseudofragen“, wobei die Lehrkraft <?page no="44"?> 44 die Antwort bereits kannte und nur aus „pädagogischen“ Gründen fragte (Klieme, Eichler & Helmke, 2006, S. 49 f.). Besonders Fremdsprachenlehrpersonen auf höheren Schulstufen weisen eine besondere Präferenz für geschlossene Fragetypen haben, während offene Fragen seltener vorkommen, was man als Hinweis auf einen instruierenden, „transmissiven“ Unterrichtsstil deuten kann: „[Teachers see their role more as] a matter of handing over ready-made material, whether facts or processes, than a matter of encouraging pupils to participate actively and to bring their own thoughts and recollections into the conversation“ (Barnes, 1969, S. 23). Gleichzeitig bedienen „geschlossene Fragen“, mit denen Lehrpersonen auch ihr Expertenwissen demonstrieren, gesellschaftliche Erwartungen bzw. Stereotypen von Schule und Unterricht. Dies mag erklären, warum sich solche Frageschemata nur schwer verändern lassen, denn Lehrpersonen müssten sich dazu über gesellschaftliche oder institutionelle Erwartungshaltungen hinwegsetzen. Der didaktische Status Quo der Fremdsprachendidaktik auf der Oberstufe scheint also in einem gewissen Gegensatz zu stehen mit einer L2- Schreibdidaktik, welche das Lernen der individuellen Schülerinnen und Schüler ins Zentrum stellt und auf den Aufbau sowie die systematische Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzkomponenten abzielt. Die von Baumert zusammengefassten Forschungsbefunde für den Mathematikunterricht scheinen auch für den Fremdsprachenunterricht zuzutreffen: Nicht der lehrergeleitete Unterricht - wie vielfach vermutet -, sondern auch die spezifische Form des fragend-entwickelnden Unterrichts, in dem anspruchsvolle und komplexe Problemstellungen in kurze Fragen und simple Aufgaben kleingearbeitet werden, scheint die mentale Selbständigkeit der Schüler einzuschränken und damit die individuelle Konstruktion von vernetztem Wissen zu behindern. (Baumert, 1998, S. 91) Die in den nachfolgenden Kapiteln entwickelten didaktischen Formen und Methoden des L2-Schreibunterrichts sind theoretisch fundiert und systematisch auf die Bildungsziele der Oberstufe ausgerichtet. Sie laufen aber in vielen Bereichen quer zu tradierten und weit verbreiteten Techniken der Aufgabenstellung und didaktischen Interaktion. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens müssen neue Lernformen praktisch getestet und sowohl auf ihre Wirksamkeit wie auch ihre praktische Durchführbarkeit überprüft werden. Zweitens müssen theoretische Anforderungen auf der Ebene der konkreten Handlungsformen ausdifferenziert und mit handhabbaren Instrumenten versehen werden, die es den Lehrpersonen erlauben, im Unterricht ihre Ver- <?page no="45"?> 45 antwortung zu übernehmen. Mit diesen Herausforderungen sind zwei Hauptintentionen der hier vorgelegten Studie genannt. 2.2.3. Überfachliche Kompetenzen, Lernmotive, Lernstrategien Beim Schreiben sind neben fachlichen und sprachlichen Kompetenzen besonders auch überfachliche Kompetenzen wie Selbstorganisation, Eigenmotivation oder Ausdauer bedeutsam. Es handelt sich dabei um Fähigkeiten, welche auch für die tertiäre Bildung generell immer mehr als unerlässlich erkannt werden (Fischer & Weder, 2009, S. 18). Bei den Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zeigt sich etwa, dass diese bei Schweizer Jugendlichen relativ gut ausgeprägt sind: An Zürcher Gymnasien waren diese Überzeugungen bei einer repräsentativen Umfrage bei 48 Prozent der Lernenden sehr positiv und nur gerade bei 3.7 Prozent wenig ausgeprägt, wobei junge Männer über ein leicht positiveres Selbstwertgefühl verfügen als junge Frauen (Maag Merki & Leutwyler, 2006, S. 84). Dieselbe Studie zeigte aber auch, dass die Lernenden am Ende ihrer Gymnasialzeit (12. Schuljahr) die Unterrichtsgestaltung deutlich negativer einschätzten als noch zwei Jahre zuvor (Leutwyler, 2006, S. 69). Offenbar vermag die Unterrichtsgestaltung mit den veränderten Erwartungen reifer werdender Lernenden nicht ganz Schritt zu halten. Die Jugendlichen bewerteten den Unterricht in Bezug auf Selbstaktivität und Selbstverantwortung eher tief (M=2.22; min. 1 max. 4, Mittelwert 2.50). Noch tiefer waren die Werte bei der eigenen Überwachung der Lernprozesse („Selbstmonitoring“) und der Arbeitsreflexion (ibid., S. 74). „Selbstmonitoring“ erreichte nur einen Mittelwert von M=1.70 auf der Skala von 1 bis 4 (Beispielitem: „Wir Schülerinnen und Schüler beurteilen unsere Arbeiten immer wieder gegenseitig“). Bei der Arbeitsreflexion lag der Wert gar nur bei M=1.24 (Beispielitem: „Im Unterricht blicken wir immer wieder auf unsere Lernmethoden und Lerntätigkeiten zurück“). Selbstmonitoring und Arbeitsreflexion scheinen „kaum zur Unterrichtskultur der Zürcher Gymnasien zu gehören“ (ibid., S. 75). Auch in diesem Bereich wird ein deutlicher Bedarf nach didaktischen Weiterentwicklungen sichtbar. Dies wird auch daran deutlich, dass Lernende an Zürcher Gymnasien negative Selbsteinschätzungen bei zentralen Merkmalen der Handlungssteuerung wie „Volition“ und „Persistenz“ aufwiesen. Mit „Volition“ ist die Fähigkeit gemeint, eine schwierige Lernaufgabe in Angriff zu nehmen, obwohl andere Aktivitäten attraktiver wären. „Persistenz“ bedeutet, an einer Aufgabe dran zu bleiben, auch wenn Schwierigkeiten oder konkurrenzierende Wünsche auftauchen. Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bekundeten bereits im 10. Schuljahr Mühe, sich an die Bearbeitung einer anspruchsvollen Aufgabe zu setzen; bis zum Ende des Gymnasiums vergrösserte sich dieses Defizit <?page no="46"?> 46 noch (Maag Merki & Leutwyler, 2006, S. 110). Fast zwei Drittel aller Befragten gaben an, dass sie bei einer schwierigen Aufgabe die Arbeit eher vor sich herschieben. Dazu passt, dass viele von ihnen nicht systematisch im Vorhinein bestimmten, wie sie bei der Bearbeitung einer komplexen Aufgabe vorgehen wollten, also keine Planungsstrategien anwendeten, sondern das Problem auf sich zukommen liessen. Am Ende einer Lernphase war das Verhalten ähnlich: Man wartet das Urteil der Lehrkraft ab und evaluiert den eigenen Lernprozess kaum (ibid., S. 112). Lernende an Zürcher Gymnasien wenden also nur in moderatem Ausmass metakognitive Lernstrategien an. Am meisten werden Strategien des Monitoring verwendet (80.6%), etwas weniger Planungsstrategien (51.2%) und Evaluationsstrategien (58.9%). Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler gab an, diese Strategien bei der Bearbeitung einer schwierigen Aufgabe eher nicht oder gar nicht anzuwenden. Auch fanden in den letzten zwei Jahren des gymnasialen Bildungsgangs keine Entwicklungen auf diesem Gebiet mehr statt (ibid., S. 127). In ihrer Summe legen diese Untersuchungen nahe, dass auf der gymnasialen Oberstufe die meisten Lernformen nicht darauf ausgerichtet sind, dass junge Menschen Verantwortung für eigene Lernprozesse übernehmen und sich über deren Qualität systematisch Rechenschaft ablegen. Da dieses Defizit bei Lernenden an der Mittelschule ausgeprägter ist als bei solchen mit Berufslehre, scheint hier ein gymnasialspezifischer Problembereich vorzuliegen, „dem in Zukunft grosse Aufmerksamkeit zukommen sollte“ (ibid. S. 115; auch Eberle, Gehrer et al., 2008, S. 19). Die Lösung kann allerdings nicht darin bestehen, dass man Lernende mit komplexen Problemen konfrontiert und sie danach in die Selbständigkeit entlässt - sie also ins kalte Wasser wirft, damit sie schwimmen lernen. Zentral für die Entwicklung effektiver Strategien der Lern- und Handlungssteuerung ist beispielsweise die wahrgenommene Motivierungsfähigkeit der Lehrperson. Für die Entwicklung von Durchhaltefähigkeit ist zudem das Gefühl entscheidend, in der Klasse „dazuzugehören“ und respektiert zu sein. Dabei genügt es offenbar nicht, dass die Lehrperson den Jugendlichen die Möglichkeit zum aktiven Mitarbeiten anbietet. Gerade in Situationen, in denen sie zur Lösung eines Problems selber aktiv werden müssen und wo hoher Durchhaltewillen gefordert ist, ist systematische Unterstützung durch die Lehrperson wichtig (Maag Merki & Leutwyler, 2006, S. 116). Die L2-Schreibforschung hat in diesem Kontext gezeigt, dass Lernende einerseits anspruchsvolle Aufgaben mit kommunikativem Fokus, andererseits auch die systematische und individuell angepasste Unterstützung und Rückmeldungen von Lehrpersonen während des Schreibprozesses brauchen (Hyland, 2003, S. 177 ff.). Dies gilt auch für den Fremdspracherwerb insgesamt: „When learners have the opportunity to perform tasks <?page no="47"?> 47 with skilled teachers their opportunities for learning are maximised“ (Ellis, 2003, S. 182). Die individuelle Lernprozessbegleitung durch die Lehrkräfte nimmt deshalb in dieser Studie eine zentrale Rolle ein. Gerade in diesem Bereich liegt noch viel Potential für die Förderung von Lernenden auf der Oberstufe. Die Herausforderung für die Lehrkräfte besteht darin, die individuellen Konzepte und Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler beim Schreiben aufzugreifen und sie bei der Erreichung wichtiger (Teil-)Ziele mit sinnvollen Interventionnen zu unterstützen. Aus den hier dargestellten Studien lässt sich ein vorsichtiges Bild über den Status quo des Englischunterrichts auf der Oberstufe und spezifisch an Gymnasien zeichnen. In Bezug auf die sprachlich-linguistischen und kommunikativen Fertigkeiten erbringen die Lernenden gute Leistungen. Die allgemeinen produktiven und rezeptiven Kompetenzen der meisten Jugendlichen sind genügend, um zumindest den Einstieg in die tertiäre Bildungsstufe oder Berufswelt erfolgreich zu bewältigen (womit über spezifisch akademisches Schreiben noch wenig ausgesagt ist). Bei den Lernstrategien und metakognitiven Kompetenzen ist das Bild - gemessen an den Anforderungen von Hochschulen oder auch der Struktur fortgeschrittener Schreibkompetenz - jedoch weniger erfreulich. Die Jugendlichen werden zu selten und zu spät mit Lernformen konfrontiert, bei denen sie ihr eigenes Lernen systematisch planen, steuern und evaluieren müssen, und bei denen metakognitive Kompetenzen der Handlungssteuerung auch als Leistung anerkannt und gefördert werden. Daraus wird ein deutlicher didaktischer Entwicklungsbedarf sichtbar: In fachlicher Hinsicht sind die Gymnasien leistungsfähig, im Blick auf die Strategien des Lernens dagegen wesentlich weniger. Beides muss aber zusammen gesehen werden, wenn die Qualität verbessert werden soll. Es kommt darauf an, den Fachunterricht so zu entwickeln, dass die Schülerinnen und Schüler selbständiger arbeiten, ihre Problemlösungen stärker als bislang reflektieren und den Weg des Lernens vor Augen haben. Sie müssen in grösseren Zusammenhängen lernen und nicht nur die nächste Prüfung vor Augen haben. (Oelkers, 2008a, S. 112) Die im Folgenden dargestellten didaktischen Formen des L2-Schreibens haben deshalb immer eine doppelte Intentionalität: Sie sollen Jugendliche dazu befähigen, in der Fremdsprache auch in anspruchsvollen Kontexten effizient und überzeugend schreiben zu können. Und sie sollen so angelegt sein, dass dabei auch erweiterte Ziele und überfachliche Kompetenzen erworben werden. <?page no="48"?> 48 2.3. Geographischer und schulpolitischer Kontext: Gymnasien in der Schweiz und in Deutschland Im folgenden Abschnitt wird der schulspezifische und geographische Kontext der hier vorgelegten Studie beschrieben. Die Entwicklung des Kompetenzmodells des L2-Schreibens erfolgte in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten aus der Spracherwerbstheorie und angewandten Linguistik, die nicht auf bestimmte Schulkontexte beschränkt sind. Dessen Umsetzung fand aber an verschiedenen Mittelschulen in der Schweiz statt. Im Folgenden werden deshalb Struktur und Bildungsziele der Schweizer Mittelschulen und Gymnasien dargestellt und auch mit dem deutschen Schulsystem verglichen. Dabei soll abschätzbar gemacht werden, in wie weit die Resultate dieser Studie auf andere Kontexte übertragbar sind und was sie für Schulen außerhalb der Schweiz bedeuten. 2.3.1. Gymnasien in der Schweiz In der Schweiz dauert die schulische Ausbildung von der Primarstufe bis zum Maturitätsabschluss in der Regel 12 Jahre, wobei in Primarschule, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II unterschieden wird. Die Primarschule dauert sechs und die Sekundarstufe I drei Jahre. Auf der Sekundarstufe II führen drei Ausbildungswege zu einem Maturitätszeugnis: Erstens der allgemeinbildende Ausbildungsgang der Gymnasien, zweitens die Fachmittelschulen und drittens der berufsbildende Ausbildungsgang, welcher eine Lehre (Berufsausbildung) zusammen mit einer Berufsschule oder beruflichen Vollzeitschule umfasst. In der Schweiz liegt die gymnasiale Maturitätsquote im Vergleich zu anderen europäischen Ländern trotz jährlich steigenden Zahlen immer noch relativ tief. Laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik haben im Jahr 2009 knapp 20 Prozent der Jugendlichen eine gymnasiale Maturität und 12 Prozent eine Berufsmaturität absolviert (Bildungsbericht, 2010, S. 20). Die niedrige gymnasiale Maturitätsquote könnte damit zusammenhängen, dass die Schweiz über ein hochentwickeltes Berufsbildungssystem und ein attraktives Berufsbildungsangebot verfügt, welches eine gute Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt bietet (Oelkers, 2008a, S. 87). Die Organisationen der Arbeitswelt haben dabei im internationalen Vergleich einen hohen Einfluss auf Inhalt und Methodik der Berufsbildung. Dadurch sind die Berufslehren auf den Arbeitsmarkt abgestimmt und erleichtern den Jugendlichen den Übertritt in die Arbeitswelt, was zur Attraktivität dieses Bildungsgangs beiträgt (Bildungsbericht, 2010, S. 146). <?page no="49"?> 49 Der Weg zum gymnasialen Maturitätsabschluss variiert in der Schweiz aufgrund des uneinheitlichen Schulsystems von Kanton zu Kanton. Dabei lässt sich diese Diversität im System vor allem auf der Sekundarstufe I finden, also dem gymnasialen „Unterbau“. Auf der gymnasialen Oberstufe, der Sekundarstufe II, zeigen sich die Unterschiede insbesondere im Fächerangebot. In der Schweiz gibt es sowohl Langzeitals auch Kurzzeitgymnasien. Das Langzeitgymnasium dauert in der Regel sechs Jahre, wovon zwei Jahre am Untergymnasium bzw. Progymnasium absolviert werden. Der Übertritt in das Untergymnasium vollzieht sich dann in der fünften oder sechsten Primarschulklasse. Das Kurzzeitgymnasium dauert vier Jahre; hier findet der Übertritt in der Regel nach der achten Klasse statt. Eine Alternative zur gymnasialen Maturität bietet die Berufsmaturität, welche während der dreibis vierjährigen Berufslehre absolviert werden kann. Berufsmaturanden und Berufsmaturandinnen besuchen zusätzliche allgemeinbildende Fächer und haben neben der Berufsausbildung im Betrieb meist zwei Tage in der Woche Schulunterricht. Die Berufsmaturität kann auch nach der Lehre nachgeholt werden, wobei die Vollzeitausbildung ein Jahr beträgt. Ein bedeutender Unterschied zwischen gymnasialer Matura und Berufsmaturität liegt in den Profilen der beiden Maturitätstypen. So können Gymnasiastinnen und Gymnasiasten ihren Bildungsweg bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen, während die Wahl des Berufsmaturitätstyps eine Folge des gewählten Lehrberufes ist. Des Weiteren erlaubt die Berufsmaturität nur Zugang zu Fachhochschulen (nicht Universitäten) und ist auch strukturell und inhaltlich auf deren Studiengänge abgestimmt (ibid., S. 147). Obwohl die Berufsmaturität damit einschränkend auf die Studienwahl wirkt, ist aufgrund der Ausbildung ein für das Studium relevantes Vorwissen gewährleistet (ibid., S. 147), was bei gymnasialen Maturitäten nicht (zwingend) der Fall ist. Ein weiterer Ausbildungsweg, welcher eine vertiefte Allgemeinbildung vermittelt und zu einer Fachmaturität führt, ist die Fachmittelschule. Diese dauert vier Jahre, erlaubt Zugang zu Fachhochschulen und bietet berufsfeldbezogene Fächer an, welche den Berufsentscheid unterstützen sollen (ibid., S. 166). Die Wahl der Studienrichtung wird durch die Spezialisierung während der Schulzeit festgelegt. Diese verkörpert je nach Kanton die Bereiche Gesundheit/ Naturwissenschaften, soziale Arbeit, Pädagogik, Kommunikation/ Information, Gestaltung/ Kunst oder Musik/ Tanz/ Theater (ibid., S. 167). Die Aufnahmebedingungen für das Gymnasium unterscheiden sich je nach Kanton erheblich. Während in manchen Kantonen ein guter Notendurchschnitt ausreichend ist für den Übertritt, werden in anderen Kantonen schriftliche und mündliche Aufnahmeprüfungen durchgeführt. Dennoch lässt sich im Allgemeinen feststellen, dass in erster Linie Schülerinnen und Schüler aus Schultypen der Sekundarstufe I mit den höchsten Anforderungen das <?page no="50"?> 50 Gymnasium besuchen. Nach bestandenem Übertritt muss im ersten Halbjahr eine Probezeit bestanden werden, zudem findet eine jährliche Promotion statt. Ein selektives Auswahlverfahren bleibt auch während der gymnasialen Ausbildungszeit bestehen. Bezüglich der inneren Struktur der Gymnasien brachte das Maturitätsanerkennungsreglement 1995 (MAR, 95) eine bedeutende Neuerung, indem es den Schülerinnen und Schülern eine breitere Fächerwahl erlaubte und ihnen die Möglichkeit gab, ihr eigenes Bildungsprofil zu kreieren. Der gymnasiale Bildungsweg setzt sich dabei aus neun Maturitätsfächern zusammen, wovon sieben obligatorische Grundlagenfächer darstellen. Dazu gibt es ein Schwerpunktfach und ein Ergänzungsfach (Bildungsbericht Schweiz, 2010, S. 124). Das Schwerpunktfach, welches ungefähr dem Leistungskurs in Deutschland entspricht, wird intensiver unterrichtet und lässt sich aus einem breiten Fächerangebot wählen. Die Zulassung zur Maturitätsprüfung beruht nicht nur auf den erwähnten Fächern, sondern zusätzlich auf einer Maturitätsarbeit, d.h. einer selbständig erarbeiteten wissenschaftlichen Arbeit. Seit 2008/ 2009 sind die naturwissenschaftlichen Fächer sowie die Maturitätsarbeit stärker gewichtet, sodass die Note der Maturitätsarbeit neuerdings ebenfalls relevant für das Bestehen der Maturität ist (SKB, 2010, S. 124). Der Maturitätsabschluss, welcher zu einem Studium an einer Universität berechtigt, kann auf zwei Wegen erreicht werden: entweder durch den Besuch eines Gymnasiums in einem bestimmten Kanton oder durch das Ablegen der schweizerischen Maturitätsprüfung, welche zentral vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung organisiert ist. 5 Bei der kantonalen Maturität setzen sich die Prüfungsfächer aus fünf Fächern zusammen, die schriftlich und mündlich geprüft werden: aus der Erstsprache, einer zweiten Landessprache, Mathematik, dem Schwerpunktfach und einem weiteren Fach, über welches die Kantone entscheiden können (EDK, 1995, S. 6). Die übrigen Grundlagenfächer und das Ergänzungsfach, welche ebenfalls Maturitätsfächer bilden, werden aufgrund der Leistungen im letzten Schuljahr bewertet. Die Berufsmaturität gewährt den prüfungsfreien Zutritt zu den Fachhochschulen (SKB, 2010, S. 147), wobei die Hauptstudienbereiche für Berufsmaturandinnen und -maturanden im Fachhochschulsystem die Bereiche Technik und IT, Wirtschaft und Dienstleistungen darstellen (ibid.). Die Fachmaturität erlaubt ebenfalls ein Studium an einer Fachhochschule, wobei die schulische Spezialisierung massgebend für die Wahl des Studienfaches ist. Nach erfolgtem Maturitätsabschluss treten in der Schweiz rund 80 Prozent der Maturandinnen und Maturanden ein Studium an einer Universität oder der Eidgenös- 5 http: / / www.sbf.admin.ch/ htm/ themen/ bildung/ matur/ matur_de.html <?page no="51"?> 51 sischen Technischen Hochschule (ETH) an, 10 Prozent schreiben sich in einer Pädagogischen Hochschule oder Fachhochschule ein. 2.3.2. Schweizer und Deutsche Gymnasien im Vergleich In Deutschland beträgt der schulische Bildungsweg in der Regel 12 bis 13 Jahre, wobei momentan der Wandel vom neunzum achtjährigen Gymnasium vollzogen wird. Das Gymnasium beginnt in der Regel bereits nach der vierten Primarschulklasse, wobei die Sekundarstufe I fünf Jahre und die Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe) zwei bis drei Jahren dauern. In der Schweiz findet der Übergang in der Regel erst nach der 6. (Langzeitgymnasium) oder der 8. Klasse (Kurzzeitgymnasium) statt. Allgemein lässt sich damit feststellen, dass in Deutschland die Selektion für den Übertritt ins Gymnasium früher stattfindet als in der Schweiz. Obwohl z.B. im Kanton Zürich die Zahl der Untergymnasiasten (d.h. Wechsel nach der 6. Klasse) in den letzten Jahren gestiegen ist, stellt der Wechsel ins Gymnasium nach der 8. Klasse in der Schweiz immer noch die Regel dar (Oelkers, 2008a, S. 83). In beiden Ländern führen mehrere Bildungswege zur Allgemeinen Hochschulreife. In der Schweiz sind die gymnasiale sowie die schweizerische Maturität am weitesten verbreitet, wobei der Erwerb der gymnasialen Maturität auch über den „zweiten Bildungsweg“ (d.h. Erwachsenenbildung) erreicht werden kann. In Deutschland hingegen bieten neben dem gymnasialen Abitur und den Abendschulen auch andere Ausbildungsinstitute die Allgemeine Hochschulreife an, zum Beispiel die Gesamtschule sowie die Aufbau- und Fachgymnasien. Zudem erhalten in Deutschland besonders leistungsfähige Realschulabsolvierende die Möglichkeit, in die gymnasiale Oberstufe zu wechseln. In Deutschland führen demnach zahlreichere Wege zur Allgemeinen Hochschulreife als in der Schweiz. Ein typisches Beispiel ist hierbei die integrierte Gesamtschule, welche sich insofern vom Gymnasium unterscheidet, als bei ihr nicht mehr zwischen Hauptschule, Realschule und Gymnasium unterschieden wird. Dabei liegt das Ziel der Gesamtschule vor allem darin, Schülerinnen und Schülern einen möglichst hohen Bildungsabschluss zu ermöglichen, ohne dabei zwischen verschiedenen Schulformen und Niveaus unterscheiden zu müssen. 6 Eine ähnlich integrativ angelegte Schulform fehlt in der Schweiz. Diese Unterschiede zwischen den Ländern zeigen sich auch mit Blick auf die fachspezifischen Berufs- und Fachschulen: In der Schweiz berechtigen die Berufsmaturität und die Fachmaturität zu einem Studium an einer Fachhoch- 6 http: / / www.kmk.org/ fileadmin/ doc/ Dokumentation/ Bildungswesen_pdfs/ dt- 2009.pdf <?page no="52"?> 52 schule. Äquivalent dazu ermöglichen in Deutschland die Fachoberschulen und Berufsoberschulen die Fachhochschulreife. Anders als in der Schweiz kann an diesen Schulen aber je nach Bundesland mit dem Besuch der 13. Jahrgangsstufe auch die Allgemeine Hochschulreife erworben werden. Das deutsche Schulsystem erlaubt also mehr Wechsel in andere Schul- und Ausbildungsformen, während in der Schweiz Wechsel zwischen den einzelnen Bildungsgängen schwieriger sind Der Übertritt ins Gymnasium erfolgt in beiden Ländern durch bestimmte Aufnahmeverfahren, die sich von Kanton zu Kanton und von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. So gibt es in vielen Schweizer Kantonen Aufnahmeprüfungen für das Gymnasium. Hinzu kommen an Schweizer Gymnasien ein Probehalbjahr sowie eine jährliche Promotion. In Deutschland gibt es abhängig vom Bundesland ein Probehalbjahr, einen Probeunterricht oder eine Aufnahmeprüfung. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Selektion an den Schweizer Gymnasien auch nach der Aufnahmeprüfung kontinuierlich fortgesetzt wird, während eine solche in Deutschland nicht vorzufinden ist. So kommt es in Deutschland immer wieder vor, dass Schülerinnen und Schüler nach fünf Jahren vor ihrem ersten Abschluss vom Regelgymnasium an Real- oder Hauptschulen verwiesen werden (Oelkers, 2010, S. 16). 7 Bezüglich der internen Struktur der Gymnasien gibt es sowohl Überschneidungen als auch Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz gibt es Pflichtfächer bzw. Grundkurse, die belegt werden müssen und auch an den Maturitätsbzw. Abiturprüfungen geprüft werden. Dazu gibt es Wahlpflichtfächer bzw. Leistungskurse, die intensiver unterrichtet werden und ebenfalls Teil der Abschlussprüfungen sind. Ein Unterschied bildet hierbei das Ergänzungsfach sowie die Maturitätsarbeit, die es in der Schweiz zusätzlich gibt und die ebenfalls als Maturitätsfächer bewertet werden. In Deutschland hingegen können die Lernenden aufgrund des Kurssystems noch stärker ihren eigenen Stundenplan gestalten. Auch die Dauer der gymnasialen Oberstufe ist in beiden Ländern unterschiedlich lang. Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz keine achtjährigen Gymnasien mehr. Der Regelfall sind vierjährige Lehrgänge (Oelkers, 2008a, S. 83), wobei der Hauptlehrgang und damit die Sekundarstufe II in gewisser Weise mit der gymnasialen Oberstufe in Deutschland vergleichbar ist. Die Dauer der gymnasialen Ausbildung beträgt in Deutschland damit bei vergleichbaren Abschlüssen doppelt so lang wie das Schweizer Kurzzeitgymnasium (Oelkers, 2010, S. 16). 7 http: / / paed-services.uzh.ch/ user_downloads/ 1832/ ZuerichVolkshaus.pdf <?page no="53"?> 53 Bezüglich des Abiturs gilt in Deutschland die Regelung, dass neben den Prüfungsleistungen auch die Noten der Qualifikationsphase in die Abschlussnote eingehen. Um an die Abiturprüfungen zugelassen zu werden, müssen die vorgeschriebenen Kurse sowie eine bestimmte Gesamtpunktzahl erreicht werden. Die Aufgaben werden entweder zentral vom Kultusministerium des betreffenden Bundeslandes oder von den Lehrpersonen der einzelnen Schulen verfasst und durch die verantwortliche Schulaufsichtsbehörde bewilligt. Einige Bundesländer führen die Prüfungen nur zentral durch, so beispielsweise Bayern seit 1946 und Baden-Württemberg seit 1952. In Zukunft soll es in fast allen Ländern zentrale Abiturprüfungen geben, wobei manche Länder bei gewissen Fächern gemeinsame Prüfungsaufgaben ausarbeiten werden. Damit sollen die Prüfungsfächer sowie deren Inhalte vereinheitlicht werden. So haben bereits einige Bundesländer die Fächer Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache auf dem Prüfungsplan festgelegt. Hier liegt ein weiterer Unterschiede zur Schweiz, wo (bisher) keine zentralen Maturitätsprüfungen existieren (ausser der erwähnten „eidgenössischen Maturität“). In einzelnen Kantonen sind Bestrebungen im Gang, die Maturitätsprüfungen zwischen den Schulen zumindest auszutauschen, um ein vergleichbares Anforderungsniveau sicherzustellen. Die Hoheit zur Vergabe der Hochschulreife liegt in der Schweiz jedoch grundsätzlich auf Ebene der einzelnen Schule, nicht des Kantons oder der Landesregierung. Ein Blick auf den „Status“ des Bildungsweges Gymnasium zeigt ebenfalls gewisse Unterschiede zwischen den Ländern. Laut Oelkers (2008a, S. 13) läuft das deutsche Bildungssystem anders als das Schweizer primär auf den gymnasialen Bildungsweg zu. Fachgymnasien und Gesamtschulen erhöhen dabei die Chancen, die allgemeine Hochschulreife zu erreichen und ein Studium an einer Universität zu absolvieren. An Schweizer Schulen hingegen gibt es eine Vielzahl leistungsstarker Lernender, welche sich aufgrund praktischer Interessen gegen das Gymnasium entscheiden. So treten zwei Drittel der Jugendlichen in der Schweiz nach der Sekundarstufe I eine Berufslehre an, wobei ein Drittel eines Jahrganges nach dem Erwerb der Berufsmaturität ein Studium an einer Fachhochschule aufnimmt (Oelkers, 2008, S. 13). Damit sind die Maturitäts- und Abiturquoten zwischen der Schweiz und Deutschland nur bedingt vergleichbar, wobei der OECD-Bericht hervorbrachte, dass die Schweiz mit einer 20 Prozent Maturitätsquote im Jahre 2008 deutlich unter dem Schnitt der OECD-Länder von 60 Prozent Maturanden liege. Im Vergleich hat Deutschland 2008 eine Abiturientenquote von 40 Prozent erzielt. Die eigentliche Selektion beginnt in Deutschland jedoch erst auf universitärer Ebene, wenn sich Abiturientinnen und Abiturienten um einen Studienplatz bewerben müssen. Im Unterschied dazu gewährt das Maturitäts- <?page no="54"?> 54 zeugnis in der Schweiz den freien Eintritt in Schweizer Universitäten, wobei nur die Medizinische Fakultät eine Ausnahme bildet. 2.4. Übertragbarkeit der vorliegenden Studie auf Deutschland und andere Schulsysteme Wie die Ausführungen im letzten Abschnitt gezeigt haben, hat die Schweiz ein etwas restriktiveres Bildungssystem als Deutschland, besonders wenn man die allgemeinbildenden Gymnasien betrachtet. Die Gymnasien in Deutschland sind breiter zugänglich und es führen auch mehr Wege zum gleichen Ziel. Erst in den letzten Jahren ist in der Schweiz mit der Einführung von beruflich geprägten Ausbildungsgängen eine grössere Vielfalt von Zugängen zur höheren Bildung möglich geworden. Trotz dieser Unterschiede ist der empirische Teil dieser Studie, welcher sich auf das argumentative Schreiben in Englisch auf der Sekudarstufe II und besonders am Gymnasium bezieht, nicht auf den Kontext der Schweiz beschränkt. Die hier entwickelten Lehr- und Lernformen nehmen auf Gegebenheiten bezug, welche auf alle Lernenden der gymnasialen Oberstufe in ähnlicher Form zutreffen und nur geringfügig länder- oder schultypisch bedingt sind. Wichtig dabei ist z.B. die Bedeutung der fachspezifischen Vorwissensbestände für das Lernen. In der gymnasialen Oberstufe haben die Lernenden immer, unabhängig von Details der Schulorganisation, schon lange „Lernkarrieren“ hinter sich, wenn sie sich einem Thema zuwenden, und bringen deshalb ebenso hoch entwickelte wie heterogene Handlungskompetenzen und Vorwissensbestände mit (Köller et al., 2004, S. 696; vgl. auch Wischer, 2007). Die „Homogenitätshypothese“ ist für diese Schulstufe also generell abzulehnen. Diese besagt, dass die Lernvoraussetzungen und Ausgangslagen der Schülerinnen und Schüler gleich oder ähnlich sind, dass ihre Fähigkeiten und ihr Leistungsvermögen vergleichbar gut ausgebildet sind und dass Lernschritte von Allen ungefähr im Gleichschnitt vollzogen werden (Hallet, 2011, S. 59). Stattdessen findet sich in derselben Klasse oft eine große Bandbreite von Lernvoraussetzungen, Leistungsvermögen und -bereitschaften (ibid., vgl. auch Tab. 2.2. oben). Bei „Dream“ wird diese Heterogenität der Lernenden systematisch ins didaktische Konzept einbezogen und versucht, sie kreativ zu nutzen, indem das Vorwissen der Lernenden sowie bestehende Kompetenzen zum Schreiben explizit gemacht und nachfolgende Lernprozesse darauf aufgebaut werden. Dies geschieht einerseits durch den Aufbau auf den singulären Konzepten der Lernenden, andererseits durch dialogische Austauschprozesse zwischen peers aber auch zwischen Lernenden und Lehrperson, bei denen sich ein gemeinsames Verständnis für eine Sache herausbilden soll. <?page no="55"?> 55 Zugleich wird durch den Einsatz von offenen Lernaufgaben die Möglichkeit angelegt, dass erfolgreiches Lernen auf unterschiedlichen Niveaus und Tempi erfolgen kann. Damit wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass mit zunehmendem Alter und Reife auch die Heterogenität der Lernenden bezüglich ihrer Interessen, Einstellungen, Lern- und Denkstile, Lernstrategien, Motivation sowie bezüglich ihrer affektiven Idiosynkrasien ansteigt (Raya & Lamb, 2003, S. 14). Es soll hier also nicht der Eindruck entstehen, mit „Dream“ sei im Kontext des Schweizer Gymnasiums eine Art „Elite-Didaktik“ entstanden. Die Resultate der empirischen Studie zeigen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Besonders lernschwächere Schülerinnen und Schüler im unteren Leistungsdrittel profitierten bei den Lernformen von „Dream“ und machten große Fortschritte in ihrer Kompetenzentwicklung beim L2-Schreiben. In dieser Gruppe war der Lernzuwachs doppelt so groß wie im unteren Drittel der Vergleichsgruppe, in der mit stärker instruierenden und vermittelnden Methoden gearbeitet wurde (vgl. Kap. 6.5.). Diese Lernenden profitieren dabei besonders von den lernförderlichen Rückmeldungen der Lehrpersonen, vom Austausch mit ihren Lerngenossen sowie der intensiven selbständigen Auseinandersetzung mit rhetorischen Gestaltungsmitteln. Diese Resultate sind in Bezug auf den breiter angelegten Charakter der deutschen Gymnasien besonders interessant. Es scheint sich bei der Schreibdidaktik von „Dream“ um eine integrierende Arbeitsform zu handeln, welche dazu geeignet ist, unterschiedliche Wissensstände auszugleichen und auch langsameren Lernenden die Gelegenheit zu geben, komplexe Anforderungen zu erfüllen. Gleichzeitig sind die besonders begabten Jugendlichen in ihrer Entwicklung nicht behindert, sondern finden ein anspruchsvolles und spannendes Betätigungsfeld. Unterschiede zwischen den Ländern werden auch dadurch gemildert, als „Dream“ neben fachspezifischen auf die Erreichung von allgemeinbildenden Zielen ausgelegt ist, welche in Deutschland und der Schweiz sehr ähnlich sind. Das Gymnasium muss den Jugendlichen „Freude an der intellektuellen Aneignung der Wirklichkeit machen, Freude am Denken, Erkennen, Forschen, an der Erkenntnis und am Wissen“ (Rehfus, 1997, S. 189). Damit verbinden sich neben Fachwissen auch Begriffe wie Selbstbestimmung, Emanzipation, Autonomie, Mündigkeit, Vernunftgebrauch, moralische Verantwortung und Identität (Schlömerkemper, 2006, S. 53). Ziel dieser Didaktik ist auch eine Entwicklung des Gymnasiums „von der Wissensschule zu einer Schule, die Jugendlichen Bildungsanlässe bietet, oder noch radikaler: Von der Wissensschule zu einer Schule, in der sich Jugendliche selbst Bildungsanlässe schaffen“ (Bosse, 1998, S. 120; Bosse, 2003). Diese Ziele sind „ur-gymnasial“, ent- <?page no="56"?> 56 sprechen einem Grundbedürfnis aller modernen Volkswirtschaften und sind in allen europäischen Ländern gleichermaßen bedeutsam. <?page no="57"?> 57 3. Kompetenzmodellierung „argumentatives Schreiben in der Fremdsprache“ 3.1. Einleitung Ziel des folgenden Kapitels ist es, die Fähigkeit zum Verfassen eines Redemanuskripts zu modellieren und als Kompetenzmodell darzustellen. Ein solches Modell soll ein präzises Bild des Untersuchungsgegenstandes liefern und Antworten auf folgende Fragen geben können: Über welche (Teil-) Kompetenzen muß jemand verfügen, um eine gute Rede in der Fremdsprache zu schreiben? In welchem Verhältnis stehen diese Teilfertigkeiten zueinander? Wie unterscheiden sich die Kompetenzen von Experten und von Novizen? Dabei wird einerseits auf bestehende Kompetenzmodellierungen des argumentativen Schreibens in der Fremd- und Muttersprache zurückgegriffen. Andererseits wird die spezifische Schreibaufgabe von „Dream“ in die Modellierung einbezogen: Das Kompetenzmodell ergibt sich aus einer rationalen Aufgabenanalyse, in welcher die zur Bewältigung dieser spezifischen Anforderung erforderlichen geistigen Prozesse in eine sachlogisch notwendige Abfolge gebracht werden (Schnotz et al., 2010, S. 144). Die Hauptschwierigkeit dabei ist, daß unterschiedliche Systemebenen einbezogen und integriert werden müssen: (a) die Sprachsystemebene, (b) die Kommunikationsebene, (c) die Kognitionsebene und (d) die Entwicklungsebene. Jede Untersuchung zum Erwerb Sprachkompetenz läuft deshalb Gefahr, reduktionistisch eine dieser Ebenen zur wesentlichen zu erklären. Im Unterschied zur gesprochenen Sprache läßt das Phänomen des Schriftspracherwerbs solche Reduktionen jedoch kaum zu, da sich dabei bewußtes und unbewußtes Wissen, soziale und individuelle Einflußfaktoren, Begabung und Technik zu einem analytisch nur schwer durchdringbaren kulturellen Phänomen erster Ordnung vermischen (Feilke & Augst, 1989, S. 300). Um ein gutes englisches Redemanuskript zu schreiben, brauchen junge Menschen einerseits die notwendigen sprachlich-linguistischen Mittel, andererseits auch strategisches Wissen, wobei diese sprachlichen Fähigkeiten zielbezogen, kontext- und adressatengerecht angewendet werden: <?page no="58"?> 58 [Writing] involves reading a situation and setting appropriate goals, having the knowledge and strategies to meet one’s own goals and finally, having the meta-knowledge or awareness to reflect on both goals and strategies. Strategic knowledge is a contextualized form of knowing; it develops over time and out of experience. At the same time it renders that experience and those prior contexts open to reflection. (Flower, 1990, S. 23) Schreiben im Sinne von „composition“ kann man in dieser Hinsicht als strategische Handlung bezeichnen, wobei sich dem kognitiven System der schreibenden Person gleichzeitig folgende Ansprüche stellen: • knowledge: transforming incoherent thought and loosely related pockets of information into a highly conceptualized and precisely related knowledge network; • written speech: expressing that knowledge network within the linguistic and discourse conventions of written prose; and • rhetorical problem: conforming to the structures posed by the writer’s mental representations of the purpose in writing, his role as writer and his sense of audience. (Flower & Hayes, 1980b, S. 40) Das rhetorical problem ist für das hier modellierte Genre besonders relevant, weil sich die Güte oder Überzeugungskraft einer Rede danach bemißt, wie gut die schreibende Person ihre kommunikative Absicht auf eine spezifische Adressatenschaft abzustimmen und welche sprachlichen Ressourcen sie dafür zu mobilisieren vermag. Aus diesem Grund wird im ersten Abschnitt zunächst auf die klassische Rhetorik Bezug genommen, da dort das Verhältnis von Autor, Gegenstand, Zuhörerschaft und sprachlicher Gestaltung eines Textes oder einer Rede detailliert konzeptualisiert wurde (Keller, 2009). Insbesondere geht es um die Fähigkeit zur Gliederung eines Stoffes (dispositio), die gekonnte sprachliche Umsetzung (elocutio), formale Aspekte wie Sprachrichtigkeit und Deutlichkeit (puritas, perspecuitas) sowie die Ausrichtung der Rede auf das Publikum (aptum, decorum). Ein Verständnis dieser Prozesse ist grundlegend für die psychologische Modellierung der Kompetenz, eine gute Rede zu schreiben. Im zweiten Abschnitt werden zentrale Modelle aus der kognitiven L1- Schreibforschung diskutiert (Flower & Hayes, 1981a; Bereiter & Scardamalia, 1987; Feilke & Augst, 1989; Hayes, 1996). Der Grund für deren Einbezug liegt in der Einsicht, dass sich Schreibprozesse in L1 und L2 ähnlich sind und dabei ähnliche geistige Fähigkeiten verwendet werden (Silva, 1990; Grabe & Kaplan, 1997; Wong, 2000). Die grundlegende Situation des Schreibens ist in jeder Sprache dieselbe: Jemand formuliert eine Botschaft für eine bestimmte Per- <?page no="59"?> 59 son, bedient sich dabei des schriftlichen Systems und versucht, die Botschaft so zu strukturieren, dass sie überzeugend auf die Adressaten wirkt. Beim L2- Schreiben kommen jedoch eine Reihe zusätzlicher Herausforderungen dazu. Besonders im lexikalischen und semantischen Bereich sind Probleme zu lösen, die dazu führen, dass fremdsprachliche Schreibprozesse langsamer ablaufen und von mehr Pausen geprägt sind (Krings, 1992, S. 63). Zudem sind Kenntnisse von kulturspezifischen Genres und Konventionen nötig, um kommunikativ erfolgreich zu handeln (Swales, 1990; Matsuda, 1997). Diese speziellen Anforderungen des L2-Schreibens werden im dritten Abschnitt dargestellt, insbesondere mit Bezug auf einflußreiche Modelle von fremdsprachlicher Schreibkompetenz (Börner, 1987, 1989; Zimmermann, 1999). Dabei kommen auch kontextuelle Faktoren in Betracht, die sich auf den Schreibprozess auswirken, insbesondere die Aufgabenstellung beim Schreiben, welche einen entscheidenden Einfluß auf die kognitiven Anforderungen an die Lernenden hat (Flower, 1989, S. 287 ff.). Im letzten Abschnitt wird ein Modell des argumentativen Schreibens vorgestellt, welches auf den in diesem Kapitel referierten Forschungsbefunden aufbaut und spezifisch auf das Verfassen von Redemanuskripten in Englisch ausgerichtet ist. 3.2. Konzept des argumentativen Schreibens in der klassischen Rhetorik Die Strategien und Fertigkeiten zur Produktion einer guten Rede sind im Rahmen der klassischen Rhetorik über einen Zeitraum von mehr als zweitausend Jahren (ca. 400 v.Chr. bis 1800 n.Chr.) erforscht und verfeinert worden (Vickers, 1989; Keller, 2009). Historisch ergab sich das Interesse an der öffentlichen Rede als logische Konsequenz von Gerichtsfällen und Interessensgegensätzen in der attischen Demokratie, die von allgemeinem Interesse waren und an öffentlichen Volksgerichten verhandelt wurden (Ueding & Steinbrink, 1994, S. 11). Dabei war der athenische Bürger, wenn er einen Fall vor Gericht vertreten sollte, mit einem Kollegium von 201 bis zu 1501 Bürgern konfrontiert, die weder besonders juristisch ausgebildet noch in irgendeiner Weise über den Fall instruiert waren. Die Prozeßparteien mußten den Fall persönlich, vollständig und in einer geschlossenen Rede vortragen. Es gab keine Beratung des Gerichts zur Urteilsfindung, das Gericht konnte lediglich unter dem unmittelbaren Eindruck der vorangegangen Reden für den Antrag der einen oder anderen Partei abstimmen (ibid., S. 12). Unter diesen Bedingungen kam der wohlformulierten Rede eine herausragende Bedeutung zu, galt es doch, das eigene Anliegen für die Zuhörer über- <?page no="60"?> 60 zeugend darzustellen. War der Bürger bei seiner Rede allerdings wenig geschickt, bestand die Gefahr eines Prozeßverlustes. Aus der Situation heraus, dass bald einmal Experten mit der Ausarbeitung der Redemanuskripte betraut wurden, entwickelte sich um 400 v. Chr. der Berufsstand der Rhetoren (ibid.). Mit dessen Professionalisierung nahm ein Diskurs seinen Anfang, der auch als Basis der modernen Pragmatik und Schreibforschung gesehen werden kann, da dabei strukturelle, funktionale und soziale Perspektiven der Sprache zum ersten Mail systematisch auf einander bezogen wurden (van Dijk, 1985, S. 1). Die Rhetorik fragt nach den formalen Elementen und Strukturen in der Sprache, mit denen sich kommunikative Absichten umsetzen lassen; sie fragt zudem nach den Wirkungen, welche diese Sprachmittel erzeugen, und zwar in Bezug auf die Leser oder Zuhörer mit ihren spezifischen Einstellungen und Erwartungen. Es bestehen deshalb wichtige Übereinstimmungen zwischen der klassischen Rhetoriktheorie und modernen psychologischen und sozial-konstruktiven Theorien der Schreibkompetenz. Dies betrifft insbesondere die Verbindung von formalem Sprachwissen (ars recte dicendi) und überzeugender, kontextgerechter Formulierung (ars bene dicendi), welche in einer guten Rede oder einem überzeugenden Text vereint werden müssen. Bereiter und Scardamalia (1987) sprechen hier vom rhetorical problem space und vom content problem space, welche kompetente Schreiber in einen produktiven Austausch bringen können. In der klassischen Rhetorik beginnt der Prozess des Verfassens einer Rede mit dem sorgfältigen, gründlichen Studium aller Umstände, die mit der zu behandelnden Sache im Zusammenhang stehen (inventio). Dieses genaue Aufnehmen, Verstehen und Beurteilen des Gegenstandes stellt die Voraussetzung für die sprachliche Gestaltung dar (Struktur, Aufbau, Schwerpunkte). Cicero faßt diesen Zusammenhang so zusammen: „Sobald ich den Fall und Sachverhalt erst gründlich kenne, zeigt sich mir sogleich der springende Punkt in der Auseinandersetzung“ (De Oratore, 2.104). Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand weist auf das Arbeitsstadium der Gliederung (dispositio) voraus, in welchem die Strukturierung der Rede im Hinblick auf die Formulierung stattfindet (Ueding & Steinbrink, 1994, S. 209). Der Akt der inhaltlichen und sachlichen Analyse dient also bereits dem Ziel, die Zuhörer von der eigenen Sicht einer Sache zu überzeugen und deren Emotionen entsprechend einzubeziehen. Entscheidend für die vorliegende Studie ist, dass in der klassischen Rhetorik die Fähigkeiten zur sachlichen Analyse eines Gegenstandes („etwas über die Sache wissen“) und die Fähigkeiten zur Formulierung („etwas über die Sache aussagen“) nicht als getrennte Bereiche gesehen werden. Vielmehr werden Sachkenntnis (und ihr zu Grunde liegende Fähigkeiten wie analytisches Denken, Scharfsicht oder Fleiß) als Voraussetzung und integraler Teil des Schreibprozesses gesehen, wobei sich aus der <?page no="61"?> 61 Beschäftigung mit dem Thema Hinweise und Strategien zu dessen adressatengerechten und effizienten Darstellung ergeben. Gleichzeitig gibt die Arbeit an der Formulierung und Organisation des Textes Hinweise zum besseren Verständnis der Sache, etwa wenn Argumente oder Beweise nach ihrer Relevanz geordnet oder in der Darstellung neue Zusammenhänge dazwischen erkannt werden. Diese Integration einer sachlichen mit einer rhetorischsprachlichen Analyse eines Gegenstandes ist die zentrale Fähigkeit beim Schreiben einer „guten Rede“ und stellt auch das Herzstück des hier entwickelten Kompetenzmodells dar (siehe unten, Abschn. 3.8.). Nach der sachlichen Analyse besteht der nächste Gestaltungsschritt in der Ordnung des Gegenstandes (oder der „Beweisgründe“) bezüglich ihrer Bedeutung und Stichhaltigkeit (dispositio). Der Autor einer guten Rede muss also über Fähigkeiten der Sachordnung und (damit verbunden) auch über Fähigkeiten der Textstrukturierung verfügen. Dazu gehört die Kompetenz, sich sowohl rationaler wie emotionaler Überzeugungsmittel zu bedienen und die Rede so zu strukturieren, dass die kommunikative Intention beim Publikum erfüllt werden kann: Zu unterrichten (docere), Leidenschaften zu erregen (movere) und zu unterhalten (delectare). Die Wirkung der Rede hängt dabei einerseits ab von der vernünftigen Abfolge der Argumente in der Disposition, andererseits von den Worten und der Ausdrucksweise, wobei es auch hier auf die Verbindung von Sachwissen und Sprachwissen ankommt. Als elocutio bezeichnet die klassische Rhetorik die Theorie des rednerischen Ausdrucks, d.h. „das Anpassen brauchbarer Ausdrücke [...] an das Aufgefundene“ (Cicero, De inventione I.7.9). Dabei geht es einerseits um formalkorrekten Sprachgebrauch (latinitas, puritas). Andererseits muss die Sprache gekonnt und kreativ verwendet werden, um die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen und die Absicht des Redners eingängig darzustellen. Zu diesem Zweck dienen die rhetorischen Figuren, deren Struktur und Wirkungen der gute Redner kennt und für sich zu nutzen weiß. Die meisten Standardwerke der klassischen Rhetorik bestehen deshalb mehrheitlich aus Sammlungen solcher „Figuren“ (auf der Ebene der sprachlichen Gestaltung, d.h. Wiederholungen, Anaphern usw.) sowie aus so genannten „Tropen“ (auf der Ebene der Bedeutungen, d.h. Metaphern, rhetorische Fragen usw.). Bei der Definition und Beschreibung dieser Elemente werden deren Strukturen erklärt, Funktionen diskutiert und Regeln bezüglich Gebrauch und Missbrauch aufgestellt. In seinem weit verbreiteten Werk The Garden of Eloquence (1593) bespricht beispielsweise der englische Rhetoriker Henry Peacham bei jeder Figur The Use and The Caution: Er betont dabei die Notwendigkeit, rhetorischen Redeschmuck immer in den Dienst der Bedeutung der Rede zu stellen und den spezifischen Kontext der Rede einzubeziehen (Keller, 2009, S. 27). <?page no="62"?> 62 Von vielen Rhetorikern wurde die elocutio als Herzstück des Reden- Schreibens gesehen. Gleichzeitig warnt aber bereits Quinitilian davor, die Redekunst zur reinen Ausdruckskunst um der schönen Wörter willen verkommen zu lassen (Institutio Oratoria Buch 8, Vorrede). Das eigentliche Ziel der Rhetorik besteht in einer Einheit von Sache und Ausdruck, von Denken und Schreiben. Der Akt des sprachlichen Gestaltens und Formulierens soll nicht alleine die „Bekleidung“ von Sachen mit Worten bedeuten, sondern neue Erkenntnisse und Einsichten produzieren. Das rhetorische Schreiben ist also eine ars inveniendi, eine Kunst des Erfindens und Auffindens (Ueding & Steinbrink, 1994, S. 214). Gute Schreiber bilden im Akt des Komponierens eine Sache nicht bloß ab, sondern sie erschaffen dabei neues Wissen und neue Erkenntnisse. Zentrales Ausgestaltungskriterium einer guten Rede (und grundlegendes regulatives Prinzip der Rhetorik) ist die Angemessenheit (aptum). Diese bezieht sich einerseits auf die „Relation zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt“ (Aristoteles, Ars Rhetorica III.7.1), da die Rede in Struktur und Inhalt den Gegenstand oder die Thematik angemessen abbilden sollte. Andererseits bezieht sich die Kategorie des aptum auch auf das angemessene Verhalten des Redners im sozialen Kontext, da die Rede spezifische Adressaten überzeugen soll. Das aptum läßt sich erstens durch die Wahl der Stilmittel, Stilebene und Redegattung herstellen. Zentral sind zweitens die Berücksichtigung der äußeren Umstände (Zeit, Ort, politische Verhältnissse), sowie die Anpassung der eigenen Präsentation auf die Bedürfnisse und das Vorwissen der Adressaten. Bereits Aristoteles bezeichnet die Zuhörer deshalb als „richtunggebende Instanz“ der Rhetorik (Ars Rhetorica I.3.1 [1358a]). In diesem Zusammenhang werden verschiedene Rede- und Schreibweisen unterschieden, die sich für bestimmte Adressatengruppen oder Situationen besonders eignen, z.B. die schlichte, die mittlere oder die pathetisch-erhabene Stilart. Diese Konventionen und Stilebenen haben sich im Verlaufe der Zeit geändert, die Herausforderung ist aber dieselbe geblieben: Schreiberinnen und Schreiber müssen entscheiden, welche Stilebene, welcher style, Formalisierungsgrad der Sprache usw. dem kommunikativen Anlaß angemessen sind und ihre Produktion entsprechend ausrichten. Kompetente Reden-Schreiber müssen also nicht bloß über gute sprachlich-formale Kenntnisse und Wissen über rhetorische Stilmittel verfügen. Sie müssen auch pragmatisches Wissen besitzen, um diese Mittel in einem kommunikativen Kontext effizient einzusetzen. Aus moderner Sicht könnte man hier auch Kenntnisse bestimmter Genres und discourse communities dazuzählen, d.h. jener Konventionen und Diskursmechanismen, mit denen bestimmte soziale Gruppen und Gemeinschaften die Interkommunikation unter ihren Mitgliedern regeln und organisieren (Swales, 1990, S 24f.). Bereits George <?page no="63"?> 63 Puttenham weist in The Arte of English Poesie (1589, S. 263) darauf hin, dass Rücksichtnahme auf die Konventionen und Gepflogenheiten einer discourse community und des äußeren Kontextes für die Angemessenheit und Überzeugungskraft einer Rede zentral sind: “in so much as our speech asketh one maner of decencie [decorum], in respect of the person who speakes: another of his to whom it is spoken: another of whom we speake; another of what we speake, and in what place and time and to what purpose”. Dieser Gedanke ist auch für die Beurteilung von guten Reden zentral: Im Bereich des aptum (der rhetorischen Angemessenheit und Überzeugungskraft) gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern nur „mehr oder weniger überzeugend“ oder „mehr oder weniger effizient“. Rhetorische Mittel erlangen ihre Wirksamkeit erst durch den gekonnten Gebrauch - bei unangemessener Verwendung kann ihre Wirkung ins Gegenteil umschlagen, wie bereits Quintilian betont: [...] da ja der Redeschmuck vielgestaltig und vielfältig ist und sich zu jeder Rede in anderer Form schickt, wird er, falls er den Gegenständen und Personen der Rede nicht angemessen ist, die Rede nicht nur nicht besser zur Geltung bringen, sondern sie sogar entwerten und die Kraft der Gedanken, die sie enthält, gegen sie selbst richten. Denn was nützt es, dass ihre Worte gut lateinisch klingen, treffend gewählt und schön sind, ja auch mit Redefiguren und Rhythmen vollkommen ausgestattet sind, wenn sie nicht zu dem stimmen, was wir bei dem Richter erreichen und in ihm erzeugen wollen: Wenn wir die hohe Form der Rede in kleinen Fällen, die kleine, gefeilte in feierlichen, die strahlende in gedrückten, die glatte in rauhen, die drohende in bittenden [...] Situationen vor Gericht anwenden? (Institutio Oratoria 11.1.2). Schreibkompetenz bei einer guten Rede besteht aus Kenntnissen von sprachlich-linguistischen Strukturen und Ausdrucksmitteln, was Wissen über lexikalische und morphosyntaktische Bereiche und über verschiedene Stilebenen der Sprache mit einschließt (formal und informal style usw.). Damit diese Kenntnisse effizient eingesetzt werden können, ist pragmatisches Wissen notwenig, etwa welche Art von Sprachgebrauch in welchem Kontext angemessen ist. Diese Kontextgebundenheit allen rhetorischen Wissens und Könnens war bereits in der Antike bekannt und liefert den Grund für die generische Prägung des hier vorgelegten Schreibmodells, das heißt die Ausrichtung an einem bestimmten Genre und den damit verbundenen Kommunikationsregeln und Konventionen. Erst die Kenntnis solcher Konventionen verbunden mit der Fähigkeit, die eigene Mitteilungsabsicht kreativ darin einzubet- <?page no="64"?> 64 ten, macht das Verfassen eines guten, d.h. überzeugenden, Redemanuskripts möglich. In einem bestimmten Kontext kann auch eine sprachlich korrekte Äußerung eine kommunikative Fehlleistung darstellen, beispielsweise ein derber Scherz zu einem unpassenden Thema, wie Francis Bacon in seinem Essay „On Discourse” (1625) ausführt: „As for jest, there be certain things which ought to be privileged from it; namely religion, matters of state, great persons, any man’s present business, and any case that deserveth pity”. Diskurskonventionen und Befindlichkeiten haben sich geändert, das Prinzip ist wiederum dasselbe geblieben: Normverletzungen können beim argumentativen Schreiben je nach Kontext als Indiz einer besonders gelungenen oder einer besonders misslungenen Redegestaltung gewertet werden. Daher ist beim argumentativen Schreiben die Grenze zwischen Normverletzungen und kreativen sprachlichen Leistungen nur mit bezug auf eine kommunikative Situation zu ziehen: For if somebody, whether fledgling learner or fully-fledged native user, falls short of a norm in linguistic behaviour, it is not possible to be sure whether this is because some lack in knowledge, some lexical lacuna, or too much syntactic analysis or not enough, or whether it is because the contextual conditions are not such as allow effective access to knowledge. Or because the contextual conditions are indeed such as to license a deliberate deviation from what is known to be normal, as when one demonstrates one’s mastery by innovation. (Widdowson, 1989, S. 134) Diese Einsicht hat Konsequenzen sowohl für die Beurteilung von Redemanuskripten wie auch für die L2-Schreibdidaktik im weiteren Sinn. Bei der Bewertung müssen einerseits Kategorien für die sprachliche Qualität (Richtigkeit) erfaßt werden, gleichzeitig aber auch Kriterien, welche die Wirkung der sprachlichen Mittel betreffen (Adressatenbezogenheit, Risiko, Kreativität usw.). Aus didaktischer Sicht ist bedeutsam, dass beim Schreiben der Anspruch der Fehlerlosigkeit den Lernprozeß nicht zu stark prägen sollte, besonders am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Thema. Zwar müssen Lernende besonders in der Fremdsprache ihre Kompetenzen im formallinguistischen Bereich entwickeln. Gleichzeitig muss aber ein realer kommunikativer Kontext geschaffen und eine Atmosphäre des Vertrauens erzeugt werden, wobei Lernende verschiedene Strategien und Varianten des sprachlichen Ausdrucks ausprobieren und sich auch über die Wirkung ihrer Rede bewußt werden können. Dabei müssen auch Kreativität, Risikobereitschaft und Reflexionsfähigkeit entwickelt und gefördert werden (vgl. dazu ausführlich Abschn. 3.7. und 5.2.1.). <?page no="65"?> 65 Neben den hier geschilderten Kompetenzen gibt es in der klassischen Rhetorik noch zwei weitere Schritte im Prozess des Verfassens einer guten Rede: memoria (das Einprägen) und pronuntiatio (das Vortragen der Rede). Beides sind zwar wichtige Schritte im kommunikativen Prozeß, an dessen Ende ein erfolgreiches Vortragen des zuvor Geschriebenen steht. Beide Prozesse wurden jedoch nicht in die Kompetenzmodellierung einbezogen, weil es sich dabei um eigene, vom Schreiben im engeren Sinne unterschiedliche Kompetenzbereiche handelt. 3.3. Kognitive Kompetenzmodelle des Schreibens in der Muttersprache (L1) Seit den 1970er Jahren wurden in Studien zu composition processes die kognitiven Dimensionen von Schreibprozessen untersucht (Emig, 1971, 1977; Perl, 1979; Flower & Hayes, 1980a, 1980b, 1981, 1984; Bereiter & Scardamalia, 1987; De Larios, Murphy & Manchon, 1999). Seit den 1980er Jahren wurde insbesondere auch der soziale Kontext mit einbezogen, in dem sich Schreibkompetenzen entwickeln (Herrington, 1985; Nespor, 1987; Prior, 1991; Hansen, 2000). Die wichtigsten dieser Arbeiten (bezogen auf die vorliegende Studie) werden im Folgenden diskutiert. In einer explorativen Fallstudie mit Schreibenden an einer amerikanischen High School zeigte Emig (1971), dass es sich beim Schreiben um einen zyklischen Prozeß handelt, wobei die Phasen pre-writing und editing besonders wichtig sind. Emigs Arbeit trug zu einer grundlegenden Erneuerung der Schreibdidaktik bei, wobei v.a. die Wichtigkeit des Revidierens und Überarbeitens erkannt und in die Unterrichtsentwicklung einbezogen wurde. Damit rückten die Lernenden mit ihren geistigen Prozessen in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses, während vorher eher die Endprodukte untersucht worden waren (z.B. der Five Paragraph Essay). Emig stellte das Schreiben auch als Lernprozeß dar, wobei die Lernenden durch den Prozess der Schriftlichkeit ihre Gedanken weiterentwickeln und so eine neue Ebene des Denkens im Schreiben erreichen können: Written speech is bound up with the inhibition of immediate synpractical connections. It assumes a much slower, repeated mediating process of analysis and synthesis, which makes it possible not only to develop the required thought, but even to revert to its earlier stages, thus transforming the sequential chain of connections in a simultaneous, self-reviewing structure. Written speech thus represents a new and powerful instrument of thought. (Emig, 1977, S. 127) <?page no="66"?> 66 Die Konzeptualisierung des Schreibens als Prozess des Erkennens und des Problemlösens ist kongruent mit den oben dargestellten Konzepten der klassischen Rhetorik und war auch für nachfolgende Arbeiten maßgeblich (z.B. Bereiter & Scardamalia, 1987). Aufbauend auf Emigs Arbeit legten Flower und Hayes (1977, 1980a, 1980b) ein theoretisch gut fundiertes kognitives Modell vor, welches die L1- Schreibkompetenz in drei Hauptkomponenten aufteilte: den composing processor (d.h. die Kompetenz des Komponierens, welcher wiederum aus unterschiedlichen Fähigkeiten besteht), die Aufgabenstellung (welche die geplante Adressatenschaft und den bereits produzierten Text einschließt) sowie das Langzeitgedächtnis der Schreibenden: Abb. 3.1. Schreibmodell von Flower und Hayes (1980a) Zentral bei diesem Modell ist, dass beim Schreiben Weltwissen, Sprachwissen und die Fähigkeit zur Anwendung allgemeiner Schreibstrategien zusammenkommen müssen. Zum Langzeitgedächtnis gehören das fachlich-deklarative Wissen über den Schreibgegenstand, das Wissen über die (hypothetische) Leserschaft sowie vorhandene Muster und Strategien des Schreibens. Das task environment umfaßt die Aufgabenstellung auf der einen und den bisher produzierten Text auf der anderen Seite, wobei diese laufend zueinander in Beziehung gesetzt werden. Der Schreibprozeß selber ist unterteilt in die geistigen Tätigkeiten Planung, Übersetzung und Überarbeitung des Textes, wobei bei <?page no="67"?> 67 translating besser von „Formulieren“ gesprochen wird, um Verwechslungen mit dem L1/ L2 Übersetzen zu vermeiden: Es handelt sich dabei um die Umsetzung von Gedanken in schriftlicher Form. Das Modell ist für die vorliegende Studie bedeutend, da es detailliert jene minimalen Prozeßschritte darstellt, welche als kleinste identifizierbare relevante Einheiten beim Schreiben gelten können (Portmann, 1991, S. 282). Dabei ist kein lineares Vorgehen angedacht, sondern eine Serie von kognitiven Bearbeitungsphasen, welche zirkular organisiert sind und sich immer wieder ablösen. Ein Text entsteht nicht als eine Sequenz von Sätzen, die, einmal produziert, unveränderlich stehenbleiben. Vielmehr kann der Schreiber zu jedem Zeitpunkt der Planung oder Formulierung auf schon produzierte Textstücke „zurückspringen“, diese ergänzen, umstellen oder umformulieren, Neues einfügen oder Überflüssiges streichen (Börner, 1989, S. 372). Solche Überarbeitungsprozesse können wiederum zu neuen Planungs- und Gliederungsprozessen führen oder die sprachliche Gestaltung die Bereitstellung von Inhalten neu initiieren (Wolff, 1992, S. 115). Schreiben ist zwar ein dynamischer kognitiver Vorgang; trotzdem ist es typischerweise so, dass gewisse Prozesse an gewissen Stellen vorkommen (Bergh & Rijlaarsdam, 1999, S. 102). Es kann z.B. nicht ohne minimale inhaltliche Planung formuliert werden, ebenso setzt jede Planung eine gewisse Zielanalyse voraus. Dies bedeutet nicht, dass Zielanalyse und Planung vor dem Schreiben bereits voll durchgeführt sein müssen. Vielmehr kommen Zieldefinitionen und Inhaltsplanung oft im Verlaufe der Schreibarbeit selber endgültig zustande. Beispielsweise kann jemandem eine gute Formulierung bereits bei der Planung einfallen und diese „für später“ notiert werden. Eine Überarbeitung des Textes kann nicht nur eine neue Formulierung, sondern auch eine Neuausrichtung der Gesamtdarstellung des Textes mit sich bringen. Versteht man diese Modellbereiche als kognitive Anforderungen an die Lernenden, dann wären schulische Schreibprozesse so zu organisieren, dass Lernende flexibel zwischen den verschiedenen Anforderungsbereichen wechseln, ihre Texte mehrfach überarbeiten und sprachliche Gestaltungsmittel des Genres einarbeiten können. Denn erst im Zusammenspiel der unterschiedlichen Fähigkeiten ergibt sich writing as problem solving, wobei auch neues Wissen generiert wird. Die Fortschritte in der Textproduktion werden durch die Analyse der rhetorischen Situation geleitet, wobei der bereits geschriebene Text als Orientierungspunkt dient. Diese Rückmeldefunktion des bereits Geschriebenen hatte schon Emig (1977) betont: <?page no="68"?> 68 A unique form of feedback, as well as reinforcement, exists with writing, because information from the process is immediately and visibly available as that portion of the product already written. (Emig, 1977, S. 125) Zielführend bei diesen Überarbeitungsprozessen ist die Intention des Autors, welche im Modell von Flower und Hayes (1980a) als „Monitor“ auftaucht. Der Monitor koordiniert alle textherstellenden Fähigkeiten und spielt eine Schlüsselrolle bei der Überwachung des Schreibprozesses als Ganzes: wann Ziele gesetzt, wann Ideen generiert oder wann überarbeitet wird. Erst der effiziente Einsatz dieses Monitors bewirkt, dass alle Teilprozesse nach Bedarf abgerufen und koordiniert werden können. Diese Fähigkeit, die eigene Arbeit zu planen und zu überwachen, ist angesichts der dynamischen und rekursiven Natur der Schreibkompetenz zentral und muss auch im Unterricht entsprechend gefördert werden: Jugendliche sollen nicht bloß schreiben und überarbeiten, sondern auch explizit machen, was sie tun, warum sie etwas tun und welche Ziele sie mit ihren Schreibhandlungen verfolgen. Zudem müssen sie Gelegenheit erhalten, diese Steuerungsprozesse bei Lernpartnern und Experten zu beobachten, Rückmeldungen dazu zu geben und auch zu erhalten und daraus Rückschlüsse für die eigene Schreibarbeit zu ziehen. Das Arrangement „Dream“ ist deshalb systematisch auf Analyse der eigenen Schreibhandlungen und auf gegenseitige Wahrnehmung und Rückmeldung unter den Lernpartnern angelegt (vgl. Kap. 5). Das Modell von Flower und Hayes (1980a) stellt eine empirisch und theoretisch gut abgestützte Darstellung der wichtigsten Subkomponenten des L1- Schreibens dar. Es erklärt aber nicht die Unterschiede beim Schreiben zwischen Experten und Novizen, welche erst in der Arbeit von Bereiter and Scardamalia (1987) überzeugend modelliert wurde. Dieser Unterschied liegt demnach im Zusammenspiel zwischen Problemerkennung und Problemlösung: Während Novizen einfach ihr bestehendes Wissen wiedergeben (knowledge-telling), vermögen Könner, im Schreibprozeß neues Wissen und neue Ausdrucksformen zu entwickeln (knowledge-transformation). <?page no="69"?> 69 Abb. 3.2. Knowledge-telling Modell des Schreibens nach Bereiter und Scardamalia (1987) Beim knowledge-telling ruft die schreibende Person auf Grund der Aufgabenstellung Wissen und Inhalte aus dem Gedächtnis so ab, dass der geschriebene Text die gespeicherte mentale Struktur abbildet. Das Hauptziel der Schreibhandlung ist es, alles aus dem Gedächtnis zu holen, was man zu einem Thema weiß, und es aufs Papier zu bringen. Durch Lektüre und Prüfung des bereits Geschriebenen erhält die schreibende Person dabei jene Rückmeldungen, welche beim Sprechen ein Interaktionspartner liefern würde. Der bereits produzierte Text liefert also „cues to proceed, cues to stop, cues to elaborate, cues to shift topic, and that variety of cues that stir memory“ (ibid., S. 55). Um solche Hinweise beim Schreiben selber zu generieren, greifen Novizen meist auf drei Ressourcen zurück: das Thema oder die Aufgabenstellung (was weiß ich dazu? ); Wissen über Diskurs-Schemata (Was ist verlangt? Ein Erläuterungsaufsatz, eine Zusammenfassung, Bildbeschreibung? ); und den schon geschriebenen Text, der laufend analysiert wird, um weitere Ideen zu generieren (Was ist schon da, was fehlt noch? ). In der folgenden Schilderung eines Zwölfjährigen, wie er einen Schulaufsatz verfaßte, werden diese Prozesse anschaulich: <?page no="70"?> 70 I have a whole bunch of ideas and write down until my supply of ideas is exhausted. Then I might try to think of more ideas up to the point when you can’t get any more ideas that are worth putting down on paper and then I would end it. (Bereiter & Scardamalia, 1987, S. 9). Diese Schilderung macht deutlich, daß knowledge telling in vielen Kontexten des schulischen Schreibens eine handhabbare und effiziente Technik der Aufgabenbearbeitung darstellt. Es erlaubt den Schreibenden, rasch und ohne Umschweife „eine Seite zu füllen“ und dabei das eigene Wissen zu einem Thema zu kommunizieren. Es wird aber auch klar, dass die Zielkompetenz des Schreibens (besonders auf der Oberstufe) darüber hinausgehen muss, wobei Jugendliche befähigt werden sollen, beim Schreiben kommunikative Probleme zu lösen und neues Wissen zu generieren. In diesem Fall sprechen Bereiter und Scardamalia (1987) von knowledgetransformation, wobei andere und anspruchsvollere Kompetenzen sowie auch größere Anstrengung beim Schreiben nötig werden: „In this kind of writing the process of writing itself frequently leads to new knowledge and may change a writer’s view of what he or she is trying to communicate“ (Weigle, 2002, S. 33). Die entsprechenden Prozesse sind im folgenden Modell dargestellt: <?page no="71"?> 71 Abb. 3.3. Knowledge-transformation Modell des Schreibens nach Bereiter und Scardamalia (1987) Der erste Schritt besteht hier meist in einer Problemanalyse und einer entsprechenden Zielsetzung, was zu kognitiven Aktivitäten in zwei Aufgabendomänen führt: im content problem space und im rhetorical problem space. Im content problem space werden Probleme des Wissens und der Überzeugung behandelt, d.h. Schreibende denken über den Gegenstand oder das Thema nach und versuchen, zu einem besseren Verständnis der Sache oder korrekten Analyse des fachlichen Problems zu gelangen. Im rhetorical problem space befassen sie sich mit der Frage, wie sie ihre Einsichten und Analysen am besten darstellen und so ihre Ziele bei den Lesern oder Zuhörern am effizientesten erreichen können. Es handelt sich dabei um „a two way interaction between continuously developing knowledge and continuously developing text“ (ibid., S. 12). In gewisser Weise ist hier das bereits aus der klassischen Rhetorik bekannte Zusammenspiel von inventio, dispositio und elocutio auf kognitiver Ebene modelliert worden (vgl. oben, Abschn. 3.2.). <?page no="72"?> 72 Die Unterscheidung von content problem space und rhetorical problem space macht deutlich, worin beim argumentativen Schreiben eigentlich Expertise besteht. Es handelt sich um die Fähigkeit, einen Text aus der Interaktion zwischen rhetorischem Können und sachlichem Wissen zu generieren, wobei im Zusammenwirken der beiden Kompetenzdomänen etwas Neues entsteht: Ein Text, in dem ein Problem oder eine Frage korrekt, überzeugend und nachvollziehbar abgehandelt wird. Kognitive Anforderungen müssen dabei sowohl im content problem space wie im rhetorical problem space gelöst werden, wobei der output in der einen Domäne zum input in der anderen wird: Beim Nachdenken über einen sachlichen Aspekt des Themas kann sich beispielsweise eine neue Idee zur Formulierung eines Gedankens oder zur „leserfreundlichen“ Darstellung einer Argumentation ergeben. Umgekehrt kann sich in der Suche nach der richtigen Formulierung das Denken über eine Sache klären oder eine Perspektive für die Neuorganisation des Textes auftun. Das Modell der knowledge-transformation läßt auch Erklärungen zum unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad von Schreibaufträgen zu: Wird bei einem task viel thematisches Wissen verlangt oder hat die schreibende Person mit dem geforderten Genre wenig Erfahrung, steigt der „kognitive Aufwand“ zur Verbindung der beiden Problemdomänen deutlich an. Beim Schreiben in der Fremdsprache verschärft sich diese Problematik noch, da hier formalsprachliche Kompetenzen weniger stark ausgebildet sind als in der Muttersprache. Es müssen zusätzliche morphosyntaktische und lexikalische Probleme gelöst werden, und discourse conventions der Zielkultur sind weniger vertraut oder müssen explizit gelernt werden. Deshalb muss der Unterricht die sprachlich-formalen Kompetenzen der Lernenden intensiv fördern und sie gleichzeitig mit den Konventionen zentraler Genres vertraut machen, wenn die systematische Integration von rhetorical und content problem space auch in der Fremdsprache gelingen soll. Um den Anforderungen des adressatenorientierten Schreibens gerecht zu werden, müssen vier „Problemaspekte“ oder „kommunikative Handlungsprobleme“ gelöst werden, welche Teil einer umfassenden Schreibkompetenz sind (Feilke und Augst 1989, S. 308ff.). 8 Erstens geht es um die expressive Problemdimension, welche sich daraus ergibt, dass die Schrift im Vergleich zur gesprochenen Sprache über weniger Ausdrucksmöglichkeiten verfügt (fehlende Körperbewegung, Mimik, Gestik, usw.). Dadurch verstärken sich die Anforderungen an die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, in dem auf der 8 Diese Anforderungen arbeiteten die Autoren anhand von 120 argumentativen Briefen heraus, welche Studierende und Schüler an ihre Hochschullehrer richteten. Die kommunikative Situation ist also jener in „Dream“ durchaus vergleichbar. <?page no="73"?> 73 Ebene des Schreibens effiziente Ausdrucks- und Überzeugungsmittel gefunden werden müssen, um die eigenen Intentionen sprachlich umzusetzen. Zweitens geht es um die kognitive Problemdimension, wobei beim Schreiben anstelle eines synpraktischen Umfelds zunehmend ein synsemantisches Umfeld bedeutend wird. Dies verlangt von den Schreibenden ein Bewußtsein für die beim Schreiben stärkeren Strukturbildungseffekte der Kommunikation, wobei Texte organisiert und Bedeutungszusammenhänge auf symbolischer Ebene deutlich gemacht werden müssen. Unter linguistischem Blick bedeutet dies die Beherrschung eines differenzierten lexikalischen Inventars und angemessener syntaktischer und intersententieller Verknüpfungsmöglichkeiten (ibid., S 310). Bei „Dream“ wurde dieser Tatsache z.B. damit Rechnung getragen, dass die Lernenden einen konzentrierten Input zu discourse connectors und linking words erhielten (furthermore, nonetheless usw.; vgl. Abschn. 5.3.). Drittens ist die soziale Problemdimension zu nennen: Schreibende müssen auf die Möglichkeit einer kontinuierlichen kommunikativen Verständnissicherung verzichten und die möglichen Reaktionen der Adressaten voraussehen (ibid., S. 311). Ein argumentativer Text verlangt z.B. eine möglichst weitgehende Empathie mit der Leserschaft; gleichzeitig muss man sich beim Schreiben eine Person voller Vorbehalte vorstellen und mögliche Einwände bereits in der Textgestaltung „vorwegnehmen“. Die vierte und letzte Problemdimension ist die „textuelle“, wobei die Einheit eines Textes als wichtigster Bezugspunkt der Organisation schriftlicher Kommunikation gemeint ist. Die Schreibenden müssen also fähig sein, all die vorherigen Probleme zu integrieren und ihre Lösungen zu einem wohlgeformten und abgeschlossenen Text zu verbinden. Diese vier Anforderungsbereiche sind in der folgenden Tabelle nochmals zusammengefaßt: Kommunikationsbezug Problemdimension Norm Ich expressiv Aufrichtigkeit Die Sache kognitiv Objektivität Die Anderen Sozial situative Angemessenheit Der Text textuell Homogenität Tabelle 3.1. Kognitive Problemdimensionen beim Schreiben (Feilke und Augst, 1989, S. 314; vereinfachte Darstellung). <?page no="74"?> 74 Bezüglich der hier dargestellten Problemdimensionen gilt, dass... • jedes Problem eigene Anforderungen stellt, die sich bei der Lösung gegenüber den anderen in den Vordergrund drängen können; • fast jeder Lösungsversuch in einem Problembereich neue Probleme in anderen Bereichen verursacht; und • dass die Lösungsversuche integriert und je nach Situation ausbalanciert werden müssen, wenn die Kommunikation glücken soll (ibid., S. 312). Aus diesen Problembereichen ergibt sich das folgende kognitive Modell des Schreibens: Abb. 3.4. Kognitives Schreibmodell von Feilke und Augst (1989, S. 302) Auch in diesem Modell wird die dynamische Interaktion zwischen Weltwissen und Sprachwissen als Kern der Schreibkompetenz gesehen. Auf linguistischer Ebene fällt auf, dass besonders Planungs- und Kohärenzprinzipien sowie Techniken zur Herstellung von Textkohäsion wichtig sind, damit aus den verschiedenen Problembereichen am Ende ein wohlgeformter und überzeugender Text hervorgeht. Auf solche Techniken wurde deshalb im Projekt „Dream“ auch ein spezieller Fokus gelegt: Die Lernenden sollten deren Verwendung in Texten von Experten analysieren und erhielten dazu auch direkte <?page no="75"?> 75 Instruktion. Dies ist auch deshalb wichtig, weil mit fortschreitender Ausweitung des Weltwissens oder Schwierigkeit der Aufgabenstruktur verstärkte Anforderungen an die linguistische Kompetenz gestellt werden. Das Modell von Feilke und Augst (1989) hat auch eine Entwicklungskomponente und zeigt, wie Schreibkompetenz aufgebaut werden kann. Das Konzeptionswissen ist dem Realisierungswissen und dieses wiederum dem Routinewissen vorgeordnet, wobei die drei Ebenen eine Stufenfolge bilden, an deren Ende internalisierte, routinierte Fähigkeiten (skills) stehen (ibid., S. 303). Diese Ausbildung von literalen Routinen ist deshalb zentral, weil dabei eine Entlastung der höheren steuernden Ebenen stattfindet, so dass kognitive Ressourcen wieder für neue Realisierungsprobleme zur Verfügung stehen. Routinebildungen können durch gezielte Schreibübungen gefördert werden, etwa mit Fragen wie „Wie mache ich einen neuen Sinnabschnitt in einem Text? “. Die Lernenden brauchen dabei neben Freiräumen zur Entfaltung auch Unterstützung durch gezielte Übungen. Ziel solcher Übungs- und Systematisierungsprozesse ist es, fachliche Werkzeuge zu entwickeln und sicher in deren Anwendung zu werden, so daß die Lernenden in neuen und unvertrauten Situationen wieder selbständig handeln können. Diese Funktion übernimmt im Arrangement „Dream“ das Instrument der „toolbox“ (vgl. Abschn. 5.3.2). Zur Entwicklung eines Modells des argumentativen Schreibens in der Fremdsprache wurde auch die Arbeit von Hayes (1996) herangezogen, weil dabei die überragende Bedeutung von Motivation und affektiven Komponenten beim Schreiben erkannt und als eigener Kompetenzbereich in die Modellierung des Schreibprozesses einbezogen wurden: <?page no="76"?> 76 Abb. 3.5. Schreibmodell von Hayes (1996, S. 5). Dieses Modell enthält wichtige Hinweise für die Gestaltung didaktischer Settings, da darin die wichtige Rolle aufgenommen wird, welche die Motivation und die affektive Disposition beim Schreiben spielen: A writer’s goals, predispositions, beliefs and attitudes, and cost/ benefit estimates may influence the way a writer goes about the task of writing and the effort that will be put into the writing task. (Weigle, 2002, S. 25) Hayes (1996) faßt dabei Kognition, Affekt und Gedächtnis als Elemente auf, welche bei einem Individuum zusammenwirken müssen, damit ein Schreibprozeß erfolgreich verläuft. Dabei wurde auf die Arbeiten von Dweck (1986) und Palmquist und Young (1992) rekurriert, welche einen engen Zusammenhang des Glaubens an den eigenen Erfolg und dem Grad an persönlicher <?page no="77"?> 77 Anstrengung zeigen, welche Studierende in eine Schreibaufgabe zu investieren gewillt sind. Besonders günstig ist eine „interne Lokation“, wobei sich eine Person die Ursachen für Erfolg oder Mißerfolg selber zuschreibt. Eine „externe“ Lokation hingegen wirkt sich langfristig negativ aus, wobei die Person die Verantwortung für Erfolg oder Versagen von sich weist oder diese der eigenen Unfähigkeit oder dem Zufall attribuiert (ibid., vgl. auch Heckhausen, 1989). Nehmen die Lernenden das Schreiben als Kompetenz wahr, die für sie (im Prinzip) lern- und beherrschbar ist, dann steigen auch der Wille und die Bereitschaft, komplexe Schreibaufträge anzugehen und erfolgreich zu Ende zu bringen. Wird das Schreiben jedoch als pure Begabung gesehen, schwindet oft der Glaube an den eigenen Erfolg und writing anxiety tritt häufiger auf (Hayes, 1996, S. 9). Die Bedeutung dieser Selbstkonzepte ist auch über den Kontext des Schreibens hinaus für die L2-acquisition gut belegt (Dörnyei, 2001, S. 58 ff.). Die Motivation und persönlichen Selbstkonzepte der Lernenden spielen beim L2-Lernen und speziell beim Schreiben eine überragend wichtige Rolle (Riemer, 2001, 2004). Es geht dabei sowohl um die „Motivation“ wie um die „Motive“ der Lernenden beim Bearbeiten einer Aufgabe, wobei die beiden deutlich zu unterscheiden sind. Unter „Motivation“ kann man die Einstellung zum Schreiben im Sinne eines stabilen Persönlichkeitsmerkmals verstehen, d.h. Zielpräferenzen als zeitlich überdauernde und über Situationen konsistent auftretende Eigenschaften (traits). „Motive“ sind eher situational angeregt, d.h. Zielpräferenzen als zeitlich begrenzte motivationale Zustände (states; Spinath et al. 2002, S. 9). Durch die Vorgabe bestimmter Schreibaufgaben werden Motive bei den Lernenden angesprochen, welche sich im Verlauf der Lerntätigkeit entwickeln und durch entsprechende Organisation der Tätigkeit beeinflußt werden können. In einer Analyse der Aufmerksamkeitsmuster und des Problemlöseverhaltens von Lernenden zeigte Cumming (1989), dass die Lernenden bei unterschiedlichen Aufgabentypen auch unterschiedliche Verhaltensmuster zeigten, wobei der persönliche Expertisegrad und die Einstellungen zur Aufgabe eine wichtige Rolle spielten. Eine positive Beeinflussung der Motive beim L2-Lernen und Schreiben kann z.B. durch die Aufgabenstellungen erzielt werden, welche es den Jugendlichen ermöglichen, „als sie selbst zu Wort kommen zu können und dabei immer neu ihre Grenzen und Möglichkeiten“ auszuloten (Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth, 2005, S. 5; vgl. auch Legutke, 1988, S. 27 ff.). Bereits früh im Schreibprozess sollen sie positive Erfahrungen beim Schreiben machen und die Wirkung der eigenen Texte auf Adressaten erfahren können. Dazu gehört auch, dass das Schreiben als eine Kompetenz erfahren wird, welche durch Anstrengung und Fleiß erlernt werden kann und nicht einfach von angeborener Begabung und vom Zufall abhängt. <?page no="78"?> 78 Diese Selbstkonzepte und Handlungsverfahren der Lernenden sind als Komponenten einer Tätigkeit zu sehen, die eine weitergehende Perspektive haben: Sie sind gewissermassen das „flüssige Kapital der Schüler“, das in neue und grössere Projekte investiert werden kann (Winter & Koch-Prieve, 1986, S. 148). Die Aufmerksamkeit auf diese Handlungsverfahren zu lenken heisst, bei den Schülerinnen und Schülern Interesse an der eigenen Entwicklung zu wecken und sie zur Kontrolle und Steuerung der eigenen Lernhandlungen zu befähigen. Eine derartige Motivation hat einen inhaltlichen und entwickelbaren Charakter. Bei „Dream“ werden die Lernenden deshalb im Rahmen einer „singulären Standortbestimmung“ (Ruf & Gallin, 2005a, S. 27ff.) aufgefordert, beim Lösen einer Aufgabe auch ihre Gefühle und Eindrücke explizit zu machen und diese beim Schreiben nicht unbeachtet zu lassen. Auch das kann für das Lernen wertvoll sein, weil diese Gefühle das Vertrauen von Schülerinnen und Schülern in ihre eigenen Kompetenzen und damit auch ihr Lernverhalten beeinflussen (Winnie & Marx, 1989, S. 227). Bereits Piaget (1981) verglich die Beziehung zwischen Kognition und Emotion mit einem Motor, wobei er die Kognition als Struktur und die affektiven Komponenten als Treibstoff des Lernens bezeichnete. Krashen (1985) spricht beim Fremdsprachenerwerb von einem „affektiven Filter“: Guter Input ist für den Lernerfolg zwar entscheidend. Lernende konstruieren letztlich aber nur jenes Wissen, welches ihnen ihr jeweiliger emotionaler Zustand zu konstruieren erlaubt: Sie müssen also affektiv für das Lernen disponiert sein, wenn aus dem input wirklich intake werden soll (Wolff, 2004, S. 97). Die Herstellung eines vertrauensvollen Klimas im Unterricht ist deshalb ebenso wichtig wie die Möglichkeit für die Lernenden, positive Motive und Einstellungen zum L2-Schreiben zu entwickeln sowie auch negative Einstellungen äußern zu dürfen. 3.4. Kontextuelle Faktoren von Schreibprozessen in L1 und L2 Die bisher diskutierten Modelle stellen den Prozeß des Schreibens in den Vordergrund und fokussieren stark auf die dabei beteiligten geistigen Handlungen eines Individuums. Die Kritik an diesem Typ von Modellen fasst Horowitz (1986) folgendermaßen zusammen: The common thread in these criticisms is that the process approach, in its almost exclusive concern with psycholinguistic, cognitive and affective variables, has failed to take into account the many forces outside of an individual writer’s control which define, shape and ultimately judge a piece of writing. (1986, S. 446) <?page no="79"?> 79 Schreiben ist nicht als isolierter Akt des Denkens, sondern als embedded cognition (Flower, 1994) zu verstehen, welche sowohl in einem rhetorischkommunikativen wie in einem sozialen Kontext stattfindet. Dieser Kontext beeinflußt und steuert einerseits die Kognition, wird aber andererseits durch die Textprodukte der Lernenden aber auch immer neu definiert und verändert. Modelle der Schreibkompetenz müssen sowohl kognitive und soziale Aspekte mit einbeziehen: „[Foregrounding] the individual writer as an active, constructive agent of meaning does not mean to ignore the myriad social and historical factors that permeate the contexts of composing” (Berkenkotter, 1991, S. 151, vgl. auch Hayes, 1996, oben). Der wichtigste kontextuelle Faktor in Schreibprozessen ist sicherlich die Aufgabenstellung. Diese enkodiert die rhetorischen Erwartungen an die Schreibenden, bestimmt das kognitive Anspruchsniveau und beeinflusst deshalb auch das fertige Schreibprodukt mit. Durch die Aufgabenstellung sind also Dimensionen vorgegeben wie: • kontextuelle Variablen (die Schreibsituation, z.B. Stundenaufsatz vs. Seminararbeit); • inhaltliche Variablen (Themenstellung, Thematik): • linguistische Variablen (Verständlichkeit und Struktur der Instruktion; d.h. „Was ist zu tun? “); • rhetorische Variablen (Verlangter Stil, Genre usw.); • Evaluationskriterien (Beurteilungsraster usw.). (Kroll & Reid, 1994, S. 294) Die meisten writing tasks enthalten nicht alle Informationen, welche zu ihrer Bearbeitung nötig sind, sodass die Schreibenden die Aufgabe aktiv definieren und re-konstruieren müssen. Besonders erfahrene und kompetente Schreiberinnen und Schreiber sind in der Lage, sich reichhaltigere interne Repräsentationen der Aufgabenstellung aufzubauen als Novizen. Dazu gehören Ziele, wie mit den rhetorischen Rahmenbedingungen umzugehen ist oder wie das Schreiben argumentativ gestaltet werden kann, sodass die Botschaft die (reale oder vorgestellte) Adressatenschaft tatsächlich erreicht (Flower & Hayes, 1980b, Berkenkotter, 1981). Crossley und McNamara (2009, S. 131) zeigten, dass die lexikalische Struktur von Texten beim L2-Schreiben signifikant von der Aufgabenstellung abhängt. Wenn Lernende z.B. selber eine Erzählung strukturieren und einen vorgegebenen Sachverhalt narrativ darstellen sollen, wird dafür ein hohes Maß an abstraktem Vokabular und explizite Markierung von Zeitstrukturen <?page no="80"?> 80 benötigt. In einer ähnlichen Studie zeigte Kormos (2011), dass bei schwierigen und offen formulierten Schreibaufträgen die Verfügbarkeit von lexikalischen Elementen ein entscheidender Gelingensfaktor darstellt, und dass sich Texte von L1- und L2-Schreibenden v.a. bezüglich „lexical variety, sophistication, and range“ unterschieden. Kormos folgerte daraus: „Even at higher levels of L2 competence, not only do writing classes need to focus on the improvement of text-level composition skills, but should also include a lexical development component“ (2011, S. 159). Der „Grad“ an Kontext, d.h. die Anzahl zusätzlicher Informationen, ist ebenfalls ein entscheidender Faktor beim kognitiven Anspruchsniveau von Schreibaufgaben. Wird viel „Kontext“ vorgegeben und das erforderte Resultat genau bestimmt, können sich die Schreibenden eine genaue Vorstellung vom geforderten Resultat machen, aber auch in ihrer Kreativität oder im eigenständigen Denken behindert werden. Ist die Aufgabe jedoch völlig offen und nur wenig „Kontext“ vorgegeben, können sich die Lernenden frei äußern; vielleicht fällt es ihnen aber schwer, Orientierungspunkte beim Schreiben zu gewinnen, etwa was genau verlangt ist oder welchen Gesichtspunkten ein Text genügen soll. Gleichzeitig können die entstandenen Texte so verschieden sein, daß sie (z.B. unter messtheoretischen Gesichtspunkten) nicht mehr verglichen werden können: If there is too much specification, all the papers may end up sounding the same. By carrying out overtly explicit directions, the writers might well produce tediously repetitive essays. Conversely, when there is too little specification papers may be ‚all over the place’. (Kroll & Reid, 1994, S. 239f.) Verschiedene Forschungsarbeiten haben aufgezeigt, dass Aufgabenstellungen mit einem „mittleren“ Spezifizierungsgrad oft die besten Resultate beim Schreiben bringen. Einerseits helfen diese den Studierenden, ihre Anstrengungen zu fokussieren, andererseits aber wird nicht zu viel Zeit und Aufmerksamkeit mit dem Studium des Inputs aufgewendet, die man eigentlich fürs Schreiben bräuchte (Brossell, 1983). Dies ist besonders bei argumentativen Texten wichtig, da diese höhere Anforderungen an die Sprachkompetenzen der Schreibenden stellen als beschreibende Texte (Weigle, 2002, S. 100). Ein weiterer wichtiger kontextueller Faktor beim Schreiben stellt die class history dar, welche als institutionell enkodierte Ausprägung der Schreibaufträge in einem bestimmten Kontext verstanden werden kann (Doyle, 1983). Besonders schulisches Schreiben findet in einem bestimmten Kontext statt, wobei Lernende mit der Zeit ein „Gespür“ für die typischen Aufgaben und die <?page no="81"?> 81 damit verbundenen Anforderungen entwickeln. Dabei spielen aus Rückmeldungen der Lehrpersonen eine entscheidende Rolle: As tasks are accomplished and feedback is received from the teacher, the character of the task system becomes more apparent. Students can then selectively attend to information that has consequences for task accomplishment regardless of whether it is explicitly signaled by the teacher. In other words, the efficiency of their information processing increases substantially. Of course, experience in going to school establishes task schemata which can be used to interpret a variety of task situations. History, then, creates a resource for accomplishing academic work. (Doyle, 1983, S. 181) Bei „Dream“ wurde deshalb in der Pilotphase sorgfältig untersucht, ob die darin gestellten task types mit jenen Arbeitsformen vereinbar waren, welche den Lernenden bekannt waren, oder ob die dazu nötigen Fähigkeiten zuerst erworben werden mussten. Es zeigte sich z.B., dass Lernende keine Mühe hatten mit der anfänglichen Aufgaben „Write an essay on X“ (sog. hope-forthe-best approach; vgl. Hedge, 1988). Sie lösten diese Aufgabe, indem sie Wissen und Schreibstrategien aus dem „Erörterungsaufsatz“ transferierten, der ihnen vermutlich aus dem Deutschunterricht vertraut war. Die meisten spontan verfaßten Anfangsreden wiesen die Struktur „These-Antithese-Synthese“ auf (vgl. Abschn. 5.2.1.). Es fiel ihnen in der nächsten Phase aber viel schwerer, das eigene Schreibhandeln zu hinterfragen, ihre Texte zu überarbeiten oder ihren Klassenkameraden gehaltvolles feedback dazu zu geben. Entsprechende Interaktionsformen gehörten nicht zur class history und mußten erst sorgfältig etabliert werden. Es braucht dazu wiederkehrende methodischdidaktische Arrangements, in denen Regeln und organisatorische Abläufe geklärt sind und von den Lernern verstanden werden (Bohl, 2006, S. 113). Im Rahmen der Pilotstudien zu „Dream“ zeigte sich z.B., dass Lernende auf der Oberstufe die Regeln des peer feedback rasch erlernen und gehaltvolle Rückmeldungen schreiben konnten, wenn sie entsprechend angeleitet wurden und gute Vorlagen auf sprachlicher und inhaltlicher Ebene erhalten (vgl. Abschn. 5.2.2.). Auch die intendierte Adressatenschaft hat einen signifikanten Einfluß auf die Verarbeitung eines Schreibauftrags, wobei besonders die folgenden Faktoren zentral sind: <?page no="82"?> 82 • die Anzahl Personen, die den Text lesen werden; • der Grad an Vertrautheit zwischen Lesern und Schreiber; • der Status des Lesers im Vergleich zum Schreiber; • die Grad an geteiltem Hintergrundwissen; und • der Grad an geteiltem speziellen thematischen Sachwissen zwischen Leser und Schreiber. (Grabe & Kaplan, 1997, S. 207 f.) Die Herausforderung beim argumentativen Schreiben besteht darin, sich die Adressatenschaft vorzustellen, d.h. sich eine kognitive Repräsentation der Leserinnen und Leser aufzubauen und den eigenen Text konsequent an deren (antizipierten) Bedürfnissen und Fragen auszurichten. Dies wird umso schwieriger, je mehr Personen den Text lesen werden, je größer der Unterschied im sozialen Status und je geringer der Grad an geteiltem Hintergrund- und Sachwissen ist. Aufgrund des damit verbundenen Anspruchs sehen Flower und Hayes (1980a) in dieser Fähigkeit einen entscheidenden Unterschied zwischen Experten und Novizen beim Schreiben: The novice writers [...] never moved beyond the sketchy, conventional representation of audience and assignment with which they started. This (expert) writer, by contrast […] is creating a sophisticated, complex image of a reader […] which she will have to deal with in the act of writing. No doubt it will be harder to write for such an audience than for a simple stereotype, but the final result is going to be more effective if she has indeed represented her audience accurately. (Flower & Hayes, 1980a, S. 26) Schülerinnen und Schüler müssen also auch im L2-Schreibunterricht zunehmend die Fähigkeit aufbauen können, die Wirkungsabsicht des eigenen Textes zu klären und diesen auf die Erwartungen und Bedürfnisse einer spezifischen Adressatenschaft auszurichten. Dazu ist es wichtig, dass Schreibaufträge in einen kommunikativen Kontext eingebettet sind, wobei sie die Gelegenheit haben, die Wirkung ihrer Texte auf Leserinnen und Leser zu erfahren und auch entsprechendes Feedback erhalten. Erfolgen diese Rückmeldungen konkret und zeitnah, so können Lernende im Verlaufe des Lernprozesses innere Repräsentation ihrer Adressaten aufbauen und deren Reaktionen auf den eigenen Text bereits beim Schreiben einbeziehen. <?page no="83"?> 83 3.5. Spezifika des Schreibens in der Fremdsprache (L2) In Übereinstimmung mit einer großen Anzahl von Untersuchungen wird hier davon ausgegangen, dass sich das Schreiben in L2 nicht grundsätzlich von jenem in L1 unterscheidet und dass daran ähnliche kognitive Fähigkeiten beteiligt sind (Cumming, 1989; Kroll, 1990; Krapels, 1990; Silva, 1990). Auch der Transfer von Schreib-Expertise von L1 nach L2 ist möglich, wenn zumindest ein gewisses Fähigkeitsniveau in der Fremdsprache gegeben ist (Arndt, 1987; Cumming et al., 1989; Jones & Tetroe, 1987; Whalen & Ménard, 1995). Bei „Dream“ zeigte z.B. der offen gestellte Einstiegsauftrag, dass fortgeschrittene Lernende in der Lage waren, spezifische Organisationsmuster und argumentative Schreibstrategien aus der Mutterin die Fremdsprache zu übertragen und dort effektiv einzusetzen. Allerdings birgt das L2-Schreiben auf allen Ebenen zusätzliche Schwierigkeiten, welche Lernende zu bewältigen haben. In einer Literaturübersicht stellt Silva (1990, S. 668) zusammenfassend fest, das Schreiben in L2 verlaufe „more constrained, more difficult, and less effective“ als in L1. Lernende schreiben kürzere Texte und brauchen länger, um diese zu planen und zu formulieren; sie verwenden einfachere Satzstrukturen und reduziertes Vokabular, machen mehr Fehler und haben generell einen beschränkteren Zugang zu linguistischen Ausdrucksmitteln (Cornaire & Raymond, 1994; Silva, 1990). Zudem fehlt oft die Kenntnis von kulturspezifischen Schreib- und Diskurskonventionen bzw. Genres (Wolff, 1992, S. 120; Swales, 1990). Bei den zahlreichen Studien seit den 1980er Jahren, welche L1 und L2 Schreibprozesse miteinander verglichen, wurden think-aloud protocol data verwendet, wobei die Schreibenden ihre Vorgehensweisen laufend kommentierten und „laut dachten“. Dabei zeigten sich auffällige Parallelen zwischen Schreib-Experten und Schreib-Novizen in L1 und L2. Fortgeschrittene L2- Schreibende sind in ihrem Planungsverhalten fortgeschrittenen L1- Schreibenden ähnlich: Sie planen mehr und detaillierter als Novizen, überarbeiten mehr auf der Ebene der Diskursstruktur des Textes und verwenden mehr Zeit für eine bestimmte Aufgabe, wobei sie ihr Fachwissen und ihre Ideen in Bezug zur sprachlichen Formulierungen setzen (vgl. Cumming, 1989; Raimes, 1987; Zamel, 1982, 1983). L2-Novizen hingegen verhalten sich ähnlich wie L1-Novizen, indem sie weniger planen und Überarbeitungen v.a. auf individuelle Wörter und Phrasen beziehen anstatt auf den ganzen Text. Spezifisch für L2-Schreibende zeigte Sasaki (2000), dass... <?page no="84"?> 84 • Experten längere, komplexere Texte mit größerer Geschwindigkeit schrieben als Novizen; • Experten sich vor Beginn des Schreibens mehr Zeit nahmen und die Organisation ihrer Texte im Detail planten. Die Novizen begannen hingegen rascher mit dem Schreiben und machten weniger detaillierte Pläne; • Experten den Schreibprozeß nicht so häufig unterbrachen wie Novizen, wenn sie einmal einen globalen Plan gefaßt hatten. Im Gegensatz dazu hatten Novizen die Tendenz, den Schreibprozeß nach jedem semantisch kohärenten Absatz zu unterbrechen und erst dann den nächsten Absatz zu planen. (Sasaki, 2000, S. 279 f.) In ihrer Summe legen diese Untersuchungen nahe, dass sich interindividuelle Unterscheide in der L2-Schreibkompetenz einerseits aus unterschiedlich ausgeprägten linguistischen Fähigkeiten (L2-proficiency) ergeben, andererseits auf interindividuell verschiedene Planungs- und Organisationsstrategien zurückzuführen sind. Die Qualität fremdsprachlicher Texte hängt also genau so stark von den verfügbaren „allgemeinen“ Schreibstrategien der Lernenden wie vom sprachlichen Können im engeren Sinn ab (vgl. Cumming et al., 1989; Jones und Tetroe 1987; Whalen und Ménard 1995). Umgekehrt werden höhere kognitive Operationen beim Schreiben durch fehlende L2- Sprachkompetenz negativ beeinflußt (Moragne & Silva, 1988; Whalen & Ménard, 1995). Es gilt also, beide Kompetenzaspekte parallel zu entwickeln und neben allgemeinen Fähigkeiten der Planung und Überwachung besonders auf die Entwicklung formal-sprachlicher Kompetenzen zu achten. Angesichts der hohen Transferierbarkeit von Schreibkompetenzen nimmt das Vorwissen der Lernenden mit zunehmender Dauer des Lernprozesses eine immer wichtigere Stellung ein. Hier decken sich die Ergebnisse der L2- Forschung nicht in jedem Fall mit den Vorstellungen vieler Lehrkräfte (besonders auf der Oberstufe), welche manchmal davon ausgehen, dass das Schreiben in der Fremdsprache von Grund auf neu gelernt werden müsse und der Unterricht nur auf geringe Vorwissensbestände zurückgreifen könne. In seinem Modell der Schreibkompetenz erweiterte Börner (1987) die Arbeit von Flower und Hayes (1980a) für das fremdsprachliche Schreiben und integrierte dabei Aspekte des schulischen Curriculums, die Lernbiographien und Erfahrungen der Lernenden verschiedener Sprachen sowie ihr Genre- Wissen. Die folgende Darstellung zeigt die revidierte und empirisch validierte Version des Modells von Börner (1989): <?page no="85"?> 85 Abb. 3.6. Modell des L2- Schreibens nach Börner (1989, S. 355) Die zentrale mittlere Ebene dieses Modells besteht - in Anlehnung an Flower und Hayes (1980a) aus dem Planen, Formulieren und Überarbeiten des Textes, welche als Tätigkeiten des Lernens in der Interimssprache verstanden werden (dabei sind auch thematische und textschematische Wissensbestände einbezogen). Die zweite, obere Ebene bildet die Schreibumgebung im engeren Sinn ab, welche die sukzessiv entstehenden Lernertexte (Ausgangstext, Zwischenversionen, Zieltext) sowie die während des Schreibunterrichts ablaufenden Lehr-Lerninteraktionen umfaßt. Der Lernprozeß wird auf der dritten Ebene lehrerseitig geplant, gesteuert und bewertet, wobei Lernziele, Textauswahl, Unterrichtsmethoden, Übungsformen und Formen der Leistungsbeurteilung eine Rolle spielen. Börners Modell (1989) geht deutlich über rein kognitive Anforderungen beim Schreiben hinaus und bezieht soziale sowie interaktive Faktoren mit ein. Diese Erweiterung ist sinnvoll, weil die Art der Aufgabenstellung, Lernunterstützung oder Beurteilung von Texten alle entscheidend dazu beitragen, wie Schülerinnen und Schüler mit einer Schreibaufgabe umgehen und welche Ansprüche diese an sie stellt (siehe oben). So wird die Bedeutung des thematischen (Vor-)Wissens und der gespeicherten Textschemata für das L2- <?page no="86"?> 86 Schreiben deutlich gemacht. Ein zentrales Ziel jedes L2-Schreibarrangements besonders auf der Oberstufe muss es sein, dieses Vorwissen explizit zu machen und Lernenden die Möglichkeit zu geben, neue Schreibkompetenzen systematisch darauf aufzubauen. Im Projekt „Dream“ wird deshalb fast ein Drittel der gesamten Lernzeit für die Explizierung und Erweiterung des persönlichen Vorwissens aufgewendet. In Anlehnung an Modelle des L1-Schreibens geht auch Börner (1989) davon aus, dass eine zentrale Kompetenz bei der Textproduktion im Revidieren und Überarbeiten liegt und damit nach dem eigentlichen Akt des Schreibens erfolgt. Dabei drängt sich die Frage auf, wie eigentlich der Prozeß des Formulierens in der Fremdsprache abläuft bzw. was im kognitiven System von Lernern geschieht, bevor der Stift aufs Papier gesetzt oder die Finger auf die Tastatur gelegt werden. Eine detaillierte Untersuchung dazu legte Zimmermann (1999) vor, welche auf einer Analyse fremdsprachiger Beschwerde- und Entschuldigungsbriefen aufbaute und damit für die vorliegende Studie besonders relevant ist. Die zentrale Einsicht über L2-Formulierungsprozesse faßte er so zusammen: „It was shown that, whatever the problems are in detail, considerably more time is spent on the pre-text than on the repair phase“ (ibid., S. 90). Besonders häufig verwendeten die Probanden tentative formulations, d.h. Vor-Formulierungen, die versuchsweise geäußert werden und in genau dieser Form in den entstehenden Text passen würden (ibid., S. 81). Wird die vorläufige Formulierung als adäquat befunden, wird sie als Textbaustein übernommen und nachträglich nicht mehr verändert. Das Vor-Formulieren ist im L2- Schreibprozess also mindestens ebenso wichtig wie das nachträgliche Überarbeiten: „What is potentially most revealing about the formulating process is the relative frequency of tentative formulations uttered before the actual act of writing versus the revisions performed mainly after it“ (ibid., S. 82). Der am häufigsten beobachtete Vorgang war tentative formulation gefolgt von Evaluation des Vorschlags und Akzeptanz; danach folgten writing down und repair (außerhalb der Formulierung im engeren Sinne). Bemerkenswert dabei ist, dass auch Lernende auf mittleren Kompetenzstufen direkt in der Fremdsprache nach Formulierungen suchen und diese dann bearbeiten. Problem solving beim L2-Schreiben passiert also nicht so, daß Phrasen oder Sätze zuerst in L1 formuliert und anschließend in L2 übersetzt würden: There is very little evidence in our data that L2 writing consists to a large extent in translating tentative L1 formulations into L2 [...]. What comes frequently in the writing process of many of our informants, however, is reflections in the L1 on what and how they write. [...] This observation underlines the necessity of drawing a distinction between reflection and tentative formulation. (Zimmermann, 1999, S. 87) <?page no="87"?> 87 Die Tendenz, in der Muttersprache über das L2-Schreiben zu reflektieren wurde in Zimmermanns Studie sicherlich verstärkt durch die Methodik des think aloud protocol, wobei Lernende gehalten sind, ihr Schreibverhalten laufend zu kommentieren. Die eigentlichen Schreibprobleme werden jedoch direkt in L2 und scheinbar ohne Umwege über L1 gelöst. Zimmermann plädierte deshalb auf einen Paradigmenwechsel bei der Erforschung von Schreibprozessen: Anstatt „writing is re-writing“ (Murray, 1978) müßte es neu eigentlich heißen: „writing is pre-formulating“ (Zimmermann, 1999, S. 84). Formulierungsstrategien stellen demnach einen zentralen Teil der L2- Schreibkompetenz dar, treten aber spontan auf und lassen sich - im Gegensatz zu Revisionsstrategien - kaum direkt anleiten oder unterrichten: Whereas it is possible to influence repair (and, of course, overall review) by proposing various partitioning strategies, this seems to be impossible or much more difficult with tentative formulations, owing to their more spontaneous and associative character. So the only direction for writers might be to encourage them to shift their efforts from preformulation to repair in the first place. (Zimmermann, 1999, S. 90) Aus schreibdidaktischer Sicht wird in dieser Studie (im Gegensatz zu Zimmermanns negativer Einschätzung) dafür plädiert, die Bedeutung von Formulierungsprozessen und tentative formulations von ihrer positiven Seite zusehen: Die Lernenden sollten Gelegenheit erhalten, sich zu verschiedenen Themen spontan zu äußern und so das eigenständige, teilweise auch „suchende“ Formulieren am eigenen Leib zu erfahren. Sie sollten sich dabei bemühen, mit ihren eigenen Mitteln und Kompetenzen so überzeugend und effektiv als möglich zu einem bestimmten Thema Stellung zu nehmen. Diese Schreibarbeit kann in einem zweiten Schritt reflektiert werden: Wie habe ich das gemacht? Warum habe ich das gemacht? Wie wirkt das auf die Leserinnen und Leser? Zwar findet diese Reflexion notwendigerweise nach dem Schreiben statt, das Formulieren wird dabei aber explizit und analysierbar gemacht. Die Jugendlichen sollen ein Gespür dafür entwickeln, was sie in gewissen Situationen typischerweise tun, wie gut dieses ist was sie verändern müssen. Gleichzeitig gilt es, bei den sprachlichen Kompetenzen im engeren Sinne den Hebel anzusetzen und den Lernenden spezifisch geeignete Sprachstrukturen zu vermitteln, welche sie nachher im Sinne von tools wieder anwenden können. Bei „Dream“ wurde deshalb viel Gewicht auf die Entwicklung einer toolbox gelegt: Diese enthielt zentrale Elemente guter Rede im Sinne konkreter Formulierungen, welche wieder auf neue Situationen angepaßt werden können (vgl. das Beispiel von Stefano in Abschn. 5.3.2.). Diese Arbeitsform be- <?page no="88"?> 88 ruht auf der Einsicht, dass man beim Schreiben darauf angewiesen ist, dass einem im Bedarfsfall geeignete Formulierungen „in den Sinn kommen“; gleichzeitig müssen literale Routinen gebildet werden, damit kognitive Kapazität zur Bewältigung von inhaltlichen und rhetorischen Problemstellungen verfügbar wird (vgl. Feilke & Augst, 1989). Bei der Bildung von Routinen zur Bewältigung von L2-Schreibaufgaben scheinen lexikosemantische Fähigkeiten eine grössere Rolle zu spielen als die Grammatik oder die Morphosyntax: Oft kommt es besonders auf den treffenden Terminus oder Ausdruck an, ob ein Gedanke gut dargestellt oder Argumente gekonnt verbunden werden können. Dies ist insbesondere auch zur Herstellung von Textkohärenz zentral, wie sich im L1 und im L2 Schreiben gleichermaßen zeigt. Ältere und erfahrene Schreiber setzen in L1 Strategien zur lexikalischen Differenzierung ein, um komplexere Beziehungen im Bereich des Weltwissens darzustellen (Augst & Faigel, 1986, S. 37ff., zitiert in Feilke & Augst, 1989, S. 304). Crossley und McNamara (2009) untersuchten die lexikalische Struktur von Texten von upper intermediate L2-Schreibenden und verglichen diese mit L1-Schreibern: Of primary importance is the notion that L2 writers differ in their use of cohesive devices as compared to L1 writers. This implies that L2 writers are less likely to create a coherent text that is as readable and thus as comprehensible as the text of an L1 writer. L2 texts are also less abstract and less ambiguous. As a result, L2 texts are more likely to be context dependent. Additionally, L2 writers appear to have less-connected lexical networks than L1 writers. Consequently, the word choices employed by L2 writers have fewer associations and relationships. As a result, L2 written texts are likely to be more lexically and semantically disengaged than L1 texts and provide readers with fewer prospects for making links between words. (Crossley & McNamara, 2009, S. 131) Die Entwicklung eines breit gefächerten lexikalischen Wissens ist also ein zentrales Kompetenzziel des L2-Schreibens. Dies gilt wiederum spezifisch für die Oberstufe, wo Texte verfaßt werden sollen, welche sich sowohl durch eine komplexe argumentative Struktur wie eine hohe Kohärenz und Strukturierung auszeichnen. Wichtig dafür ist einerseits ein Arsenal von chunks, Formulierungen und stehenden Wendungen, die in Redemanuskripten typisch sind (z.B. zum Herstellen von Textübergängen, Abwägen von Argumenten usw.). Andererseits sind auch Kenntnisse von kommunikativen Konventionen bestimmter discourse communities in der Zielsprache zentral. <?page no="89"?> 89 3.6. Genre knowledge und discourse communities Schreiben ist in jeder Sprache ein kulturell überformter Prozess, der über formal-sprachliche Kriterien hinausweist und kulturspezifische Konventionen einbezieht, welche in discourse communities repräsentiert sind. Mit dem modernen Begriff des Genre sind deshalb nicht bloß Textmuster gemeint; vielmehr wird dieses als Schnittstelle von Zielen der Schreibenden und Erwartungen der Lesenden gesehen: Genre refers to abstract, socially recognised ways of using language. It is based on the idea that members of a community usually have little difficulty in recognising similarities in the texts they use frequently and are able to draw on their repeated experiences with such texts to read, understand, and perhaps write them relatively easily. This is, in part, because writing is a practice based on expectations: the reader’s chances of interpreting the writer’s purpose are increased if the writer takes the trouble to anticipate what the reader might be expecting based on previous texts they have read of the same kind. (Hyland, 2007, S. 149). In diesem Zusammenhang ist die Forschungstradition des Contrastive Rhetoric bedeutend, wobei organisatorische Strukturen und Genre-Konventionen in verschiedenen Sprachen systematisch untersucht und verglichen werden (Matsuda, 1997, S. 45). Dies geschieht mit der Absicht, den Lernenden ein Verständnis für die Konventionen und Gebräuche ihrer Muttersprache ebenso zu vermitteln wie ein Bewußtsein dafür, wie Texte in der Zielsprache in verschiedenen Genres typischerweise strukturiert sind. Genre knowledge ist also als Teil einer umfassenden Schreibkompetenz zu sehen, im Sinne eines „individual’s repertoire of situationally appropriate responses to recurrent situations“ (Berkenkotter & Huckin, 1995, S. ix). Man kann textuelle Genres sowohl aus linguistischer wie aus kultureller Sicht analysieren, wobei sich jeweils unterschiedliche Schwerpunkte für die Schreibdidaktik ergeben. Aus linguistischer Sicht zeigt sich, dass Texte in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Verknüpfungsmuster aufweisen, die oberhalb der Satz-Ebene liegen (Matsuda, 1997, S. 46). Dies wird z.B. im paragraph-pattern approach aufgenommen, wobei Lernende Muster und Textmodelle studieren, topic sentences von Abschnitten analysieren oder vertauschte Sätze in die richtige Reihenfolge bringen (Raimes, 1983, S. 8). Dazu gehört auch das Training von morphosyntatischen Satzverbindungsmustern in der Zielsprache (Kaplan, 1988, S. 278). <?page no="90"?> 90 Aus kultureller Sicht werden Texte als kulturelle Artefakte, und Unterschiede in der Organisationsstruktur als kulturell bedingte Phänomene angeschaut: „cultures evolve writing styles appropriate to their own histories and the needs of their societies“ (Leki, 1992, S. 90). Lehrer und Schüler sollen sich dabei die eigenen kulturellen, linguistischen und rhetorischen Traditionen bewußt machen, welche sie bei einem Schreibauftrag mitbringen und welche das Schreiben beeinflussen (Matsuda, 1997, S. 48). Sie sollen die Schreibkonventionen der eigenen Kultur genau so kennen lernen wie jene von anderen Kulturen. Dazu gehört auch ein Bewußtsein, wie der eigene kulturelle Hintergrund und das eigene L1-Vorwissen das Schreiben in der Zielsprache mitprägen. Beide Aspekte sind bei „Dream“ insofern einbezogen, als die Lernenden sowohl das eigene Schreiben wie auch Reden von Experten intensiv analysierten (Martin Luther King und Barack Obama). Aus diesen Analysen destillierten sie einerseits sprachliches Material zur argumentativen Gestaltung eines Redemanuskripts (Techniken der Satz- und Paragraphenverbindung, Mittel der Emphase, Bildersprache, Ansprechen des Publikums usw.). Andererseits erlebten sie Möglichkeiten zur effizienten Makrostrukturierung von Texten (Funktion eines guten Anfangs, Gewichtung der Argumente im Hauptteil, Bedeutung eines eindrücklichen Schlusses usw.). In beiden Fällen konnten sie Gepflogenheiten der Zielkultur beim Genre „Rede“ erleben, welche z.T. historisch und kontextuell bedingt sind. In den Reden Martin Luther Kings sind dies beispielsweise die vielen, teilweise biblisch gefärbten Metaphern und Vergleiche, bei Barack Obama die Verweise auf Sorgen und Nöte der „normalen Menschen“ (Redetexte siehe Appendix D; Analysen dazu in Abschn. 5.3.1.). Matsuda (1997) betont jedoch, dass die Einflüsse von linguistischen und kulturellen Gepflogenheiten auf das individuelle Schreiben in L2 nicht deterministisch gesehen werden dürfen und Schreibkompetenz nicht in einem Modus der Nachahmung erworben wird. Schreiben stellt stattdessen ein komplexes Gefüge dar, welches den Schreibenden wie den Adressaten und ihre jeweiligen backgrounds miteinbezieht: „Writing in this model is considered to take place in its own dynamic context, which is created as a result of the encounter of the writer and the reader - an encounter mediated through the text“ (ibid. S. 52). Genauso wichtig wie das Studium von Modellen ist die Möglichkeit, die Wirkung der eigenen Texte in einer realen discourse community zu erleben, den Zusammenhang von Form und Wirkung konkret zu erfahren und die „Begegnungen“ mit Lesern für das eigene Lernen zu nutzen: <?page no="91"?> 91 Students need to learn how to negotiate the context of writing by actually experiencing the process. For this purpose, each writing assignment needs to be placed in a real context of writing, involving a discourse community shared with real readers. Writing assignments such as asking students to write a critical review of one another’s essay, and then share it with the whole class, including the author of the essay, allow the writer to see how the intended readers react to his or her text and how other people approach the same task. (Matsuda, 1997, S. 58) Aus dieser Einsicht begründen sich die vielen Austausch- und Rückmeldeprozesse, welche bei „Dream“ in jeder Arbeitsphase stattfinden. Im Klassenzimmer im deutschen Sprachraum besteht dabei der Nachteil, dass zwar die Erwartungen und Reaktionen von echten Leserinnen und Lesern eingeholt werden können, diese aber nicht in jedem Fall der englischsprachigen „Zielkultur“ entsprechen. Deshalb sind auch Rückmeldungen durch die Lehrperson wichtig, welche diese Gepflogenheiten kennt und die Zielkultur quasi im Klassenzimmer repräsentiert. Sie helfen Lernenden, ihr eigenes Sprachhandeln in Richtung der gewünschten Kompetenzziele zu entwickeln. 3.7. Kreativität - Teil der L2-Schreibkompetenz? Bei der Kreativität handelt es sich um einen gleichermaßen wichtigen wie schwer faßbaren Faktorenkomplex beim argumentativen Schreiben. Einerseits ist es unbestritten, dass zum Verfassen eines überzeugenden Redemanuskripts ein gewisses Maß an Kreativität unabdingbar ist. Andererseits bleibt die Frage, ob diese tatsächlich zur Schreibkompetenz gezählt werden soll oder ob es sich dabei um eine eigenständige Fähigkeit handelt. Vergleicht man die Bestimmung dieses Begriffs in verschiedenen Fächern und Tätigkeiten, so fallen zwei Gemeinsamkeiten auf. Erstens wird in vielen Bereichen, nicht bloß beim Schreiben, der Bezug der Kreativität zur Gestaltung zu Problemlöseprozessen betont, also zum Generieren von Ideen und Produkten. Zweitens, und das ist für die folgenden Ausführungen entscheidend, wird Kreativität als individuelle Disposition immer als etwas Lernbares (wenn auch nicht unbedingt Lehrbares) gesehen (Baillin, 1987). Frentz (2008, S. 8) definiert Kreativität als komplexe Fähigkeit eines jeden Menschen, Problemlöseprozesse zu gestalten. Sie zeigt einen individuell unterschiedlichen Ausprägungsgrad in Abhängigkeit von inneren und äußeren Umständen (persönliche Befindlichkeit, Art der Aufgabenstellung usw.), und vereint intuitiv-unbewusstes und strukturiert-bewusstes Handeln auf der Basis eines umfangreichen und flexibel nutzbaren Wissens. Holm-Hadulla <?page no="92"?> 92 (2007, S. 47 ff.) spricht dabei von einem Faktorenkomplex, zu dem neben Talent und Intelligenz auch Faktoren wie Geduld, Fleiß, Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz zu zählen sind. Dazu kommen weitere Dispositionen wie Offenheit, Sensibilität und Experimentierfreude. Es handelt sich also um Fähigkeiten, die für das L2-Schreiben von großer Bedeutung sind und im Unterricht auch systematisch gefördert werden sollen. Aus diesem Grund wird die Kreativität in das in dieser Studie entwickelte Kompetenzmodell von L2- Schreiben einbezogen und in den dafür entwickelten Auswertungsinstrumenten auch erfaßt (vgl. Abschn. 4.5.2.). Beim argumentativen Schreiben besteht Kreativität in der effizienten, vielleicht überraschenden oder unerwarteten Verwendung von etablierten Strukturen und Mustern (Hyland, 2007, S. 150). Entgegen den Alltagstheorien vieler Schülerinnen und Schüler (und teilweise auch Lehrkräften) ist diese Art der Kreativität durchaus erlernbar, wenn dafür in der Schreibumgebung die richtigen Voraussetzungen geschaffen und Impulse geliefert werden. Es braucht dazu eine Atmosphäre der Entscheidungsfreiheit, wozu auch Innovationsförderung, Stimulierung, Herausforderung, Belobigung, Akzeptanz der Lernenden als Individen sowie Vertrauens- und Kooperationsbereitschaft gehören (Frentz, 2008, S. 5). Beim Projekt „Dream“ wurden die Lernenden z.B. bereits beim ersten Schreibauftrag aufgefordert, ihre Reden so überzeugend wie möglich zu gestalten und dabei ihr ganzes verfügbares Vorwissen einzusetzen. Sie sollten Risiken eingehen und sich nicht scheuen, Fehler zu machen. In ihren Rückmeldungen dazu suchten Lernpartner und Lehrpersonen anschließend nach Qualitäten und gelungenen Beispielen, während Fehler und Defizite (zu diesem Zeitpunkt) nicht beachtet oder höchstens in der Entwicklungsperspektive erschlossen wurden. Die Jugendlichen sollten damit ermutigt werden, ihr eigenes Ausdruckpotential zu erschließen und beim Schreiben eigene Wege zu gehen. Diese Form des experimentierenden Schreibens kann deshalb auch als Phase der Vorbereitung oder „Inkubation“ gesehen werden, welche der Produktion vorausgeht und in der originelle Ideen und Strategien aufgespürt werden (Frentz, 2008, S. 5). Im Verlauf des Lernprozesses können aus individuellen kreativen Einfällen auch fachliche Instrumente entwickelt werden. Bei „Dream“ geschah dies mit Hilfe einer „Autographensammlung“ (Ruf & Gallin, 2005a, 244), wobei die Lehrkräfte besonders gelungene Textpassagen aus den Lernertexten herausgriffen, kopierten und als „Lehrmittel“ wieder in die Klasse brachten. Durch die Diskussion dieser Passagen mit der ganzen Klasse konnte sich ein geteiltes Wissen entwickeln, warum etwas im Einzelfall als überzeugend oder kreativ gelten konnte, welche Wirkung eine entsprechende Passage entwickelte und wie die Lernenden solche Wirkungen in ihren Texten selber herstellen konnten. Mit dieser Betonung von inhaltlich konkreten Ausdruckmitteln <?page no="93"?> 93 beim Schreiben wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass Fachwissen eine wesentliche Voraussetzung für bereichsspezifisches kreatives Handeln darstellt (Frentz, 2008, S. 12): Man muß viel über gute Reden wissen, um ein kreatives und fesselndes Redemanuskript verfassen zu können. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass bereits die Anfangstexte der Schülerinnen und Schüler Qualitäten und Strategien enthalten, die sich zu fachlichen Instrumenten verdichten lassen. Dies ist angesichts der hohen Vorwissensbestände auf der Oberstufe plausibel und hat auch motivierende Funktion: Die Lernenden sollen sich selber von Anfang an als kompetent und selbstwirksam erfahren. Bereits in der Pilotstudie zu „Dream“ zeigte sich die Wirksamkeit dieses Vorgehens: Die Redemanuskripte der Lernenden erreichten mit zunehmender Lerndauer ein Niveau an Kreativität und Originalität, welche weder die Lehrkräfte noch sie sich selbst zugetraut hätten (vgl. Abschn. 5.2.4.). 3.8. Ein Modell des argumentativen Schreibens in der Fremdsprache Im Folgenden wird das Modell des argumentativen L2-Schreibens dargestellt, welches auf den hier vorgestellten Studien aufbaut und dem Projekt „Dream“ zu Grunde liegt. Die mittlere Ebene zeigt den Prozess des Schreibens, welcher (links) mit dem ersten Entwurf eines Redemanuskripts beginnt. Dieser Entwurf ist von einer spezifischen Lernumgebung angeregt und wird vom Lernenden anschliessend mehrere Male überarbeitet und entwickelt, bis schließlich das fertige Manuskript vorliegt. Auf dieser Ebene zeigt sich die starke Orientierung des Modells an einem process approach, welcher im Wesentlichen auf das Schreibmodell planning-writing-reviewing von Flower und Hayes (1981) zurückgeht. Schreiben findet dabei nicht als linearer, sondern als rekursiver Prozess statt, wobei Lernende auf jede unmittelbar vorangegangene, aber auch auf weiter zurückliegende Phasen zurückgreifen können (Kieweg, 2009, S. 5; Hyland, 2003, S. 11). Dieser Prozeß besteht aus prewriting (planning), composing, revising, responding to revisions, proofreading und editing und erstreckt sich je nach Typus des Schreibvorhabens über einen längeren oder kürzeren Zeitraum, wobei an jeder Stelle neue Probleme auftauchen oder gelöst werden können. Dabei entsteht in der Interaktion von rhetorical problem space und content problem space neues Wissen in textuell kodierter Form (vgl. Bereiter und Scardamalia, 1987). Ziel ist, dass die jungen Menschen in ihren Redemanuskripten nicht bloß gespeichertes Wissen aus dem Gedächtnis abrufen, sondern im Schreiben neues Wissen und neue Erkenntnisse generieren oder ihre Einstellung zum behandelten Gegenstand klären. <?page no="94"?> 94 Der zentrale Prozeß des „denkenden Schreibens“ bzw. „schreibenden Denkens“ ist im Zentrum des Modells als rotierender Vortex dargestellt, wobei sich ein Text über mehrere Zwischenversionen (Intertexte) vom Entwurf zum fertigen Redemanuskript entwickelt und dabei sowohl neues Wissen wie auch ein neuer, kohärenter Text entstehen. Auf der oberen (bzw. linken) Ebene sind kontextuelle Bedingungen des Schreib- und Lernprozesses des Modells dargestellt. Diese befinden sich zwar „außerhalb“ des kognitiven Systems des Individuums, haben aber einen starken Einfluß darauf, welche Ansprüche beim Schreiben an die Lernenden gestellt werden oder wie schwierig der erwartete output zu leisten ist. Von besonderer Bedeutung im Schreibprozess sind die Rückmeldungen von peers und Lehrpersonen, welche den Kompetenzerwerb und die Qualität des Endprodukts erheblich beeinflussen und deshalb auch bei der nachfolgenden Implementierung des Modells besonders betont wurden. Die Qualität dieser Rückmeldungen ist sowohl für die Entwicklung fachlich-sprachlicher Kompetenzen wie auch für Motivation und Selbstvertrauen entscheidend. Wichtig dabei sind auch die Aufgabenstellung, das angezielte Genre mit seinen typischen Strukturmerkmalen und Registern, die intendierten Adressaten sowie die Hilfen in Form von Kompetenzzielen, Vorlagen oder Übungen. All diese Faktoren können Teil eines umfassenden scaffolding sein und Orientierungshilfen darstellen, welche die Textproduktion stützen sowie die kognitive Belastung beim Schreiben reduzieren. Ist die Schreibumgebung jedoch mangelhaft oder die Unterstützung ungenügend, so können daraus auch belastende Faktoren werden, welche den Kompetenzerwerb hemmen oder das Verfassen von qualitativ hochstehenden Texten verunmöglichen. Dies trifft dann zu, wenn die Aufgabenstellung unklar, das Zielgenre nicht definiert, die Adressaten unbekannt und Unterstützungssysteme in Form von Lernzielen, zeitnahen Rückmeldungen oder Zusatzmaterialien nicht vorhanden sind. <?page no="95"?> 95 Abb. 3.7. Kognitives Modell der Schreibkompetenz „ein gutes Redemanuskript schreiben“ <?page no="96"?> 96 Das vorliegende Modell hat sowohl eine individual-kognitive wie auch eine sozial-konstruktive Komponente, da individuelle Kompetenzfortschritte immer in einem sozialen Umfeld und im Dialog mit Bezugspersonen und Lernpartnern stattfinden. Auf der unteren (bzw. rechten) Ebene des Modells sind Kompetenzen, Dispositionen und Ressourcen des Schreibenden dargestellt, welche den Kompositionsprozeß beeinflussen oder direkt daran beteiligt sind. Diese Ressourcen wirken einerseits auf das Schreiben ein, andererseits werden sie durch das Lernhandeln in der Schreibumgebung verbessert und weiterentwickelt. Untersuchungstheoretisch gesprochen handelt es sich hier also auch um (potentielle) abhängige Variablen einer unterrichtlichen Intervention. In Übereinstimmung mit den in diesem Kapitel dargestellten Forschungsbefunden gehören dazu erstens das Weltwissen des Schreibenden im Sinne des Langzeitgedächtnisses (vgl. Flower & Hayes, 1980a). Sodann sind L1/ L2 Schreibstrategien wichtig, wozu auch Wissen über Textorganisation und Genre-Konventionen in unterschiedlichen Sprachen und Kulturen gehört. Der dritte Bereich ist die L2-proficiency, also das formal-linguistische Können in der Fremdsprache. Dabei kommt der Kenntnis von lexikalischen Strukturelementen von Texten eine besondere Bedeutung zu (Kormos, 2011). Ein wichtiges Entwicklungsziel in diesem Bereich ist auch das rhetorische Können, welches hier verstanden wird als Kenntnis geeigneter formaler Ausdrucksmittel in L2 verbunden mit der Fähigkeit, diese adressatengerecht und effizient einzusetzen. Einen weiteren zentralen Kompetenzbereich stellen die Motive, Einstellungen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beim Schreiben dar, welche beeinflussen, was sich jemand zutraut oder wie die Person mit auftauchenden Problemen umgeht. Ist die Person an der Lösung der Aufgabe tatsächlich interessiert und glaubt auch an den Erfolg, so können andere Kompetenzressourcen besser organisiert und orchestriert werden. Bei fehlendem Interesse oder übertriebener Ängstlichkeit kann im Gegenteil die Anwendung von Kompetenzressourcen verhindert werden, die eigentlich vorhanden wären. In diesem Fall wäre auch der Einsatz von wichtigen personalen Ressourcen wie Kreativität, Ausdauer, Fleiß und Ehrgeiz behindert. Damit der Produktionsprozeß flüssig verläuft und neues Wissen generiert wird, muss die schreibende Person fähig sein, all diese Teilfähigkeiten in einer effizienten Mischung zu orchestrieren. Diese koordinative Fähigkeit des schreibenden Individuums wird im Modell (in Anlehnung an Flower & Hayes, 1980a) als „Monitor“ bezeichnet. Die einzelnen Kompetenzen und Teilfähigkeiten, welche dabei koordiniert werden müssen, können kompensatorisch verstanden werden: Ein Mangel in einem Bereich (z.B. L2-proficiency) kann durch besondere Qualitäten oder Anstrengungen in einem anderen (z.B. <?page no="97"?> 97 Fleiß) ausgeglichen werden. Voraussetzung für signifikant positive Entwicklungen beim argumentativen L2-Schreiben ist jedoch, dass in allen Bereichen Fortschritte stattfinden und die Lernenden fähig werden, diese effizient zu kombinieren. Mit „Dream“ wird im Folgenden ein Lernarrangement dargestellt und ausgewertet, in welchem das obige Kompetenzmodell didaktisch operationalisiert und auf der Oberstufe implementiert wurde. Dieses ist konsequent darauf ausgerichtet, dass Lernende ihre (Teil-)Fähigkeiten in den hier dargestellten Bereichen entwickeln und somit die Kompetenz zum Schreiben von guten Reden in der Fremdsprache erwerben. Auf Grund des hohes Maßes an individueller Variation in allen beteiligten Subprozessen wurden dabei Verfahren zur inneren Differenzierung entwickelt, wobei die Lernenden nicht nur bei der Wahl des Themas und der Herangehensweise, sondern auch bei der Entwicklung von Normen und Beurteilungskriterien aktiv beteiligt sind. Damit wird berücksichtigt, dass gute Texte sowohl den personalen Normen eines Individuums (z.B. die eigene Meinung vertreten und dafür einstehen) wie sachlichen Konventionen genügen müssen (z.B. Ansprüche der Institution Schule oder bestimmter Genres und discourse communities erfüllen). Diese beiden Normbereiche sind ganz rechts im Modell dargestellt und tragen beide entscheidend dazu bei, ob ein Redemanuskript als gelungen bezeichnet werden kann. Keine wirksame Rede kann sich gänzlich abseits von fachlichen Regeln und Konventionen bewegen oder sich über wiedererkennbare Formate hinwegsetzen: „to change true rules for odd inventions“ (The Taming of the Shrew, 3.1.75). Textstruktur, Ausdrucksweise, Schreibart und Stil eines Redemanuskripts sind kulturell und konventionell bedingt und mit Erwartungen der Adressaten verbunden. Sie können nicht beliebig verändert werden, ohne den Adressaten das Verständnis der Rede zu erschweren und deren Überzeugungskraft zu vermindern. Gleichzeitig muss die schreibende Person sich selber bleiben und mit ihren eigenen Überzeugungen und Meinungen erfahrbar werden. Sie muss sich dazu die konventionellen Mittel und Strukturen einer Sprache aneignen und diese auf persönliche und individuelle Weise anwenden, wenn die Rede überzeugend wirken soll: „This above all to thine own self be true“ (Hamlet, 1.3.78). In dieser Passung von Person und Sache besteht die eigentliche Herausforderung beim Verfassen eines guten Redemanuskripts, und im Herstellen einer solchen Passung liegt die didaktische Kernintention des Schreibarrangements „I Have a Dream! “ (Kap. 5). <?page no="98"?> 98 4. Ein wissenschaftliches Bewertungsraster für Redemanuskripte in L2 4.1. Einleitung In diesem Kaptitel wird das wissenschaftliche Bewertungsraster für Redemanuskripte dargestellt, welches der Kompetenzmessung im Projekt „Dream“ zu Grunde lag. Die Entwicklung eines solchen Modells ist aber über dieses konkrete Projekt hinaus bedeutsam und wird hier auf allgemeiner Ebene diskutiert. Zuerst wird dargestellt, welchen Ansprüchen ein solches Raster genügen und welche Kategorien es enthalten muss, um die wichtigsten Kompetenzbereiche objektiv, valide und reliabel zu erfassen, welche beim argumentativen L2-Schreiben beteiligt sind. Anschließend wird auf Besonderheiten des Rasters für „Dream“ eingegangen. 9 Zum Verfassen eines guten Redemanuskripts sind unterschiedliche Teilkompetenzen notwendig: Erstens sprachformales Wissen in der Fremdsprache, zweitens „pragmatisches Wissen“ über die Wirkungen bestimmter Sprachmittel in einem kommunikativen Kontext, wozu auch die Kenntnis bestimmter Genres und Schreibkonventionen gehört. Drittens sind eine Reihe von weiteren Dispositionen wie Motivation, Hartnäckigkeit oder Kreativität bedeutsam. Eine gute Rede läßt sich also nicht alleine anhand formalsprachlicher Beurteilungskriterien bewerten. Es müssen dabei Kriterien wie Überzeugungskraft, rhetorisches Können oder Originalität einbezogen und modelliert werden. Für die Kompetenzmessung ergibt sich daraus die Schwierigkeit, dass für diese Qualitätsbereiche auch unterschiedliche Normen gelten. Im Bereich der sprachlich-linguistischen Gestaltung und teilweise auch des Inhalts kann man eine Rede nach den Kriterien „richtig“ und „falsch“ beurteilen. Im Bereich der rhetorischen Überzeugungskraft oder der ästhetischen Angemessenheit gelten die Kriterien „mehr oder weniger überzeugend“ oder „mehr oder weniger angemessen“. Während im ersten Bereich das Sprachsystem als Bezugsnorm gilt, gibt im zweiten Bereich die kommunikative Situation die Bezugsnorm vor. Wie gut eine Rede ist, hängt hier nicht von ihrer Korrektheit, sondern von ihrer Wirkung auf die Leser oder Adressaten ab. Testtheoretisch spricht man in diesem Fall von einem performance assessment 9 Eine vereinfachte Form des Rasters, welche für die Verwendung im Klassenzimmer gedacht ist, findet sich in Abschn. 7.7.3. Dabei wird auch das Vortragen der Rede einbezogen, welches in der empirischen Untersuchung nicht erfasst wurde. <?page no="99"?> 99 (McNamara, 1996). Im konkreten Fall des argumentativen Schreibens bedeutet dies folgendes: In the strong sense of the term, the focus of a performance assessment is on the successful completion of a given task that requires language use, and not on the language use itself. For example, if the task is to write a persuasive essay, the writer is successful if the reader is persuaded [...] regardless of the linguistic accuracy of the linguistic writing. (Weigle, 2002, S. 46-7) Im Kontext des schulischen Schreibens sollte man jedoch bloß von einem performance test im reduzierten Sinn sprechen, weil dabei sowohl Überzeugungskraft wie auch sprachliche Korrektheit in den Blick kommen müssen. Einerseits soll der kommunikative Erfolg im Zentrum stehen: Wird eine Rede tatsächlich als überzeugend wahrgenommen? Andererseits dürfen auch sprachlich-linguistische Aspekte nicht vernachlässigt werden. Die Vermittlung entsprechender Kompetenzen gehört zu Recht zum Kerngeschäft des schulischen Fremdsprachenunterrichts. Zudem ist anzunehmen, dass die sprachsystematische Richtigkeit einen direkten Einfluß auf die Überzeugungskraft einer Rede hat. Beim hier entwickelten Beurteilungsmodell wurden deshalb sowohl formale wie kommunikativ-pragmatische Aspekte des Sprachhandelns einbezogen und flossen zu je 50 Prozent in die Beurteilung ein. Die einzelnen Beurteilungskriterien werden unten im Abschn. 4.5. erläutert. Zuerst werden bestehende Beurteilungsraster des schulischen L2- Schreibens dargestellt, auf welche sich das hier entwickelte Raster bezieht oder von denen es sich abhebt. 4.2. Raster „Schreibkompetenz“ im Europäischen Referenzrahmen für Sprachen Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) hat seit seiner Publikation herausragende Bedeutung für das Fremdsprachenlernen erlangt und stellt „eine gemeinsame Basis [...] für die Entwicklung von zielsprachlichen Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken usw. in ganz Europa“ zur Verfügung (Europarat, 2001, S. 14). Er ist „in vielen Ländern Europas als Grundlage für Reformen im Fremdsprachenunterricht, für die Entwicklung von Bildungsstandards sowie für die Entwicklung neuer Curricula, Lehrwerke, Prüfungen oder Selbstbeurteilungsinstrumente genutzt worden“ (Schneider, 2005, S. 13). Der GeR enthält eine „umfassende Sicht von Sprachverwendung und Sprachenlernen“, die nicht nur spezifisch sprach- <?page no="100"?> 100 liche Aspekte berücksichtigt, sondern auch „die kognitiven und emotionalen Möglichkeiten und die Absichten von Menschen sowie das ganze Spektrum der Fähigkeiten, über das Menschen verfügen und das sie als sozial Handelnde [...] einsetzen“ (Europarat, 2001, S. 21). Den formal-linguistischen Kompetenzen der jungen Menschen sind dabei auch „persönlichkeitsbezogene Kompetenzen“ sowie „Fertigkeiten und prozedurales Wissen“ gleichberechtigt zur Seite gestellt, denn „Kommunikation nimmt den Menschen als Ganzes in Anspruch“ (ibid., S. 14). Damit wird verstärkt betont, dass beim Fremdsprachenlernen alle verfügbaren Lernressourcen eines Menschen beteiligt sind: Deklaratives Wissen ( savoir ) Prozedurales Wissen ( savoir faire ) Persönlichkeitsbezogene Kompetenz ( savoir être ) Lernfähigkeit ( savoir apprendre ) • Weltwissen • Soziokulturelles Wissen • Interkulturelles Bewusstsein • Praktische (kommunikative) Fertigkeiten • Interkulturelle Fertigkeiten • Einstellungen • Motivationen • Wertvorstellungen • Überzeugungen • Kognitiver Stil • Persönlichkeitsfaktoren • Sprach- und Kommunikationsbewusstsein • Phonetisches Bewusstsein • Lerntechniken Tab. 4.1. Übersicht über verschiedene Dimensionen sprachlicher Handlungskompetenz im GeR (Europarat, 2001, S. 15). Die umfassende und konkrete Darstellung sprachlicher Handlungskompetenzen drückt die wahre Komplexität menschlichen Sprachhandelns aus. Besonders für das Schreiben ist dieser ganzheitliche Kompetenzbegriff wertvoll, weil dabei umfassende Teilkompetenzen auch in den Bereichen savoir faire, savoir être und savoir apprendre beteiligt sind. Im Folgenden ist das Kompetenzraster „schriftliche Produktion allgemein“ dargestellt. <?page no="101"?> 101 Schriftliche Produktion allgemein C2 Kann klare, flüssige, komplexe Texte in angemessenem und effektivem Stil schreiben, deren logische Struktur dem Leser das Auffinden der wesentlichen Punkte erleichtert. C1 Kann klare, gut strukturierte Texte zu komplexen Themen verfassen und dabei die entscheidenden Punkte hervorheben, Standpunkte ausführlich darstellen und durch Unterpunkte oder geeignete Beispiele oder Begründungen stützen und den Text durch einen angemessenen Schluss abrunden. B2 Kann klare, detaillierte Texte zu verschiedenen Themen aus seinem/ ihrem Interessengebiet verfassen und dabei Informationen und Argumente aus verschiedenen Quellen zusammenführen und gegeneinander abwägen. B1 Kann unkomplizierte, zusammenhängende Texte zu mehreren vertrauten Themen aus seinem/ ihrem Interessengebiet verfassen, wobei einzelne kürzere Teile in linearer Abfolge verbunden werden. A2 Kann eine Reihe einfacher Wendungen und Sätze schreiben und mit Konnektoren wie und, aber oder weil verbinden. A1 Kann einfache, isolierte Wendungen und Sätze schreiben. Tab. 4.2. Kompetenzskala „Schriftliche Produktion allgemein“ aus dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat, 2001, S. 67) Kompetenzraster wie dieses sind für die Unterrichtspraxis der wohl einflußreichste Teil des GeR, da darin die allgemeinen Ansprüche des Kompetenzkonzepts inhaltsspezifisch konkretisiert und für die Benutzer faßbar gemacht werden. Bereichsspezifische Kompetenzen sind dabei in sechs Niveaustufen eingeteilt, wobei jede Niveaustufe ungefähr einem Schuljahr entspricht. Das Raster stellt gewissermassen einen Blick von aussen auf das dar, was ältere und jüngere Schüler in ihrer Stufe typischerweise können (Keller & Ruf, 2005, S. 457). Es kann ein wertvolles Hilfsmittel für Lehrpersonen wie auch Lernende sein, um einen Orientierungsrahmen für die Lernbemühungen im Unterricht zu liefern, zur Verständigung über zentrale Lernziele beizutragen oder als Anhaltspunkt für Selbstreflexion zu dienen. Das Raster ist aber weder als Ergebnis von domänenspezifischer Lehr-Lernforschung noch als lerntheoretisches Konstrukt zu verstehen, sondern eher als pragmatisches Hilfsmittel für Test- und Unterrichtszwecke (Drieschner, 2008, S. 563). Es stellt also eine Art Expertenkonsens über Fixpunkte von Sprachkompetenz dar, welche Lernende in der Schule typischerweise durchlaufen. Während das Raster als Orientierungspunkt für Lehrplanentwicklung oder „allgemeine“ Sprachtests nützlich sein kann, ist es zur Beurteilung von Redemanuskripten nur bedingt geeignet. Einerseits sind die einzelnen Stufen <?page no="102"?> 102 zu groß und unspezifisch, um die individuellen Unterschiede in Schüleressays differenziert darzustellen oder die Lerneffekte eines Projektes abzubilden, welches ca. sechs Wochen dauert. Zudem ist gerade der GeR „für seine Alltagssprachlichkeit, begriffliche Unschärfe, terminologische Inkonsistenz und vor allem für seine mangelnde empirische Absicherung, also insgesamt für seine wissenschaftliche Unzuverlässigkeit“ kritisiert worden (Hallet, 2011, S. 40). Dabei führt besonders das breite Kompetenzspektrum (unter Einbeziehung der gesamten Lernkarriere vom totalen Anfänger bis zum near native) dazu, dass in einem einzigen Modell die unterschiedlichsten Progressionslogiken vorkommen: Festigungsgrad, Einfachheit bzw. Komplexität der Anwendungssituationen, Ausmaß der Mobilisierung von Sachwissen und Konzepten, Regelhaftigkeit bzw. Anpassungsbedürftigkeit von Situationen nach Berechenbarkeit/ Routinehaftigkeit, Dynamik und Improvisationserfordernisse bei Anwendungssituationen, Art und Ausmaß der metakognitiven Beteiligung und Grad der Selbständigkeit der Ausführung, usw. Prinzipiell ist es fragwürdig, ob sich eine komplexe Kompetenz wie die „schriftliche Produktion allgemein“ überhaupt in einer einzigen Messdimension oder Skala erfassen läßt. Es braucht dazu Beurteilungsraster, welche auf bestimmte Texttypen, Genres und Lernkontexte fokussiert sind und damit auch die spezifischen Teilaspekte der entsprechenden Kompetenz detailliert zu beschreiben vermögen. Das ist beim vorliegenden Raster nicht der Fall. Als kurzer Exkurs sei hier noch auf eine Besonderheit aller GeR-Skalen hingewiesen, welche für die Beurteilung von guten Reden und Schülertexten insgesamt bedeutsam ist. Die Kompetenzmodelle des GeR fokussieren mehrheitlich auf die Beschreibung linguistischer Fähigkeiten, wobei formale Beschreibungsmuster von Sprache im Vordergrund stehen (Komplexität der verwendeten Sprache, Korrektheit, Satzbau und Syntax, Umfang und Genauigkeit des Vokabulars usw.). Bei der oben zitierten Skala zum Schreiben führt das dazu, dass vor allem untere Kompetenzstufen (A1, A2 usw.) durch formale Kategorien gezeichnet werden. Auf Stufe A stehen Fähigkeiten des Satzbaus, der Syntax und der Satzverbindung auch Phrasenebene im Vordergrund; auf Niveau B wird von Interessengebieten gesprochen, was eine Erweiterung des Vokabulars voraussetzt; zudem stehen hier die Fähigkeit zum Auswählen und Abwägen von Argumenten im Vordergrund, was einerseits Weltwissen, andererseits Fähigkeiten zur Textorganisation voraussetzt. Erst auf der höchsten Stufe (Niveau C) kommt der Begriff der Leserinnen und Leser vor. Hier kommen auch die Wirkungen in den Blick, welche Texte bei Adressaten zu erzeugen vermögen. Unter didaktischer Betrachtung suggeriert die Beschreibung von Schreibkompetenz im GeR, dass Lernende erst auf den höchsten Kompetenzstufen Texte für Leser schreiben können und sollen. Dies wäre jedoch fatal für eine <?page no="103"?> 103 integrierende Schreibdidaktik, welche die Lernenden von Anfang an mit echten kommunikativen Situationen konfrontiert und sie so bereits auf unteren Schulstufe zum Schreiben für bestimmte Leser befähigt. Es wäre auch falsch zu glauben, man müsse zuerst viel Grammatik und Wortschatz „auf Vorrat“ lernen, um später schöne oder überzeugende Texte verfassen zu können. Wer eine gute Idee hat, über entsprechende Fähigkeiten zur Handlungssteuerung sowie eine gesunde Portion Fleiß verfügt, kann auch mit einfachsten Sprachmitteln kommunikativ erfolgreich handeln oder kreative, schöne Texte schreiben. Aus lerntheoretischer Sicht wäre es also verheerend, wenn man im Glauben an die mangelnde formale Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern auf unteren Stufen auf authentische, kommunikative Schreibaufträge verzichten würde. Im Bereich der Lyrik läßt sich z.B. zeigen, wie bereits mit einfachsten Sätzen und einem Vokabular von einigen hundert Wörtern literarisch bedeutsame Texte gestaltet werden können: The Sun does arise, And make happy the skies The merry bells ring, To welcome in the Spring. The sky-lark and the thrush, the birds of the bush, Sing louder around, To the bells chearful sound, While our sports shall be seen On the Echoing Green. (W. Blake, „The Echoing Green” [1789], erste Strophe) Formal (als reines Sprachprodukt) ist dieser Text von William Blake auf der Stufe A2 anzusiedeln, besonders was die einfache, reihende Syntax angeht („einfache Wendungen mit „und“/ „aber“ verbinden“). Funktional (als Kunstwerk für Leserinnen und Leser) ist der Text Lichtjahre entfernt vom Niveau C2. Dieses Beispiel zeigt, dass man für die Beurteilung adressatenorientierter Texte (wozu Gedichte und Redemanuskripte gleichermaßen gehören) zwei Perspektiven verbinden muss. Einerseits sind dabei linguistisch formale Qualitäten eines Textes bedeutsam: Sind Konventionen wie Orthographie und Interpunktion eingehalten? Sind Grammatik und Syntax korrekt? Stimmen die Satzanschlüsse? usw. Andererseits geht es aber auch um funktionale Fragen: Wie raffiniert werden die formalen Mittel eingesetzt? Ist ein fehlerfreier Text packend und <?page no="104"?> 104 leserfreundlich, oder einfach dröge? Steht der Satzbau im Dienste des klaren und überzeugenden Ausdrucks? Macht die Syntax die Organisation der Gedanken klar oder wurden einfach Fehler vermieden? Stellt ein ungewöhnliches Wort einen Fehler dar oder wurde bewußt ein Risiko eingegangen, um einen Sachverhalt besonders zutreffend oder eindringlich zu formulieren? Erst eine Integration dieser unterschiedlichen Perspektiven ergibt eine Beurteilung von Schülertexten, welches sowohl testtheoretischen wie didaktischen Gesichtspunkten genügt. Eine solche Unterscheidung wird im GeR nicht geleistet bzw. auf jeder Stufe vermischt, was die Beurteilung von Schülertexten mit diesen Rastern generell problematisch macht. 4.3. Das „Zürcher Textanalyseraster“ (Nussbaumer und Sieber, 1994) Das „Zürcher Textanalyseraster“ (ZTA) ist ein Beurteilungsinstrument für Schülertexte der gymnasialen Oberstufe, welches ursprünglich für Deutsch bzw. die Schulsprache (L1) entwickelt wurde. Die Autoren sehen es als „Schablone für die Textwahrnehmung, [...] die möglichst umfassend und systematisch, explizit und reflektiert ist“ (Nussbaumer & Sieber, 1994, S. 149). Das ZTA wurde auf theoretischen Grundlagen entwickelt, wobei Vorstellungen von guten Texten aus Linguistik, Literaturwissenschaft, Pädagogik und gymnasialer Unterrichtspraxis zusammenflossen. Es wurde an einem Korpus von Schülertexten aus dem gymnasialen Deutschunterricht erprobt und optimiert. Es ist für wissenschaftliche Textanalysen entwickelt worden und stellt deshalb in dieser Form „noch kein taugliches Instrument für den schulischen Schreibunterricht“ dar (ibid., S. 149). Es ist allerdings aus mehreren Gründen besonders geeignet als Grundlage für die in dieser Studie vorgenommenen Forschungsarbeiten: Erstens ist es explizit auf monologische und argumentative Texte im schulischen Kontext ausgerichtet; zweitens hat es den Anspruch, „für einmal nicht bloß Fehler und Mängel in einem Text, sondern auch Vorzüge, d.h. besonders positive Qualitäten erfassen zu können“ (ibid.). Drittens sind dabei die oben genannten formalen und funktionalen Perspektiven auf Texte deutlich getrennt und separat modelliert worden. Das ZTA hat drei große Teile: einen Null-, einen A- und einen B-Teil (für einen Überblick über alle Kategorien, siehe Appendix B). Im Null-Teil werden allgemeine Charakteristika wie Textlänge, Art und Umfang der eingesetzten Sprachmittel und Komplexität des Themas erfaßt. Es handelt sich hier also um Bezugsgrößen oder Korrelate, auf die sich die Beurteilungen im A- und B-Teil beziehen können. <?page no="105"?> 105 Im A-Teil des Rasters wird von der Annahme ausgegangen, dass Texte aus sprachlichen Mitteln bestehen und damit auf ihre sprachsystematische Wohlgeformtheit hin geprüft werden müssen (ibid., S. 152). Dieser Teil enthält Kategorien, welche die Schreibung, die Form und die Bedeutung von Ausdrücken betreffen. Hier wird also der Grad der Korrektheit eines Textes erfaßt, wozu auch Fehler im traditionellen Sinn gehören. Als Norm dient die sprachsystematische und orthographische Richtigkeit, was an das klassischrhetorische ars recte dicendi oder an die Norm der latinitas erinnert (ibid., S. 156; vgl. auch Abschn. 3.2.). Dieser Teil des Rasters erfaßt die Bereiche Orthographie, Interpunktion, Wort- und Formenbau bzw. Morphologie, Satzbau/ Syntax und Textbau sowie Bedeutung/ Semantik (ibid., S. 157). Hier ist das ZTA „ganz traditionell fehlerorientiert“ (ibid., S. 158). Im Bereich der Bedeutung, der Semantik oder des Textbaus sind jedoch Fehler ohne Hinzuziehung des Kontexts oder der Funktion des Texts nicht einfach festzustellen. Der Feststellung eines semantischen Fehlers geht gewissermaßen immer ein interpretatorischer Prozeß voraus: „Hier sollte X geschrieben werden, es wurde aber Y geschrieben“. Aus diesem Grund taucht der gesamte A-Teil des Rasters im B-Teil noch einmal auf und wird dort unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit beurteilt. Der B-Teil des Rasters erinnert an das klassisch-rhetorische ars bene dicendi und nimmt Bezug auf Normkriterien wie aptum, perspicuitas oder ornatum. Dieser Teil drückt die Tatsache aus, dass Texte kohärente Gebilde sind und deshalb verständlich, formal attraktiv und inhaltlich relevant sein müssen. Mit der Unterscheidung in die Grosskategorien „formal korrekt“ und „überzeugend/ wohlgeformt“ wurde versucht, die Betrachtung der oberflächenbezogenen, sprachformalen Textebene von der tiefenstrukturellen, konzeptionellen Ebene zu trennen (Fix, 2008, S. 198). Dieser B-Teil enthält die großen Normbereiche der funktionalen Angemessenheit, der Ästhetik und der inhaltlichen Relevanz (Nussbaumer und Sieber, 1994, S. 152). Hier geht es also um angemessenen Sprachmittelgebrauch in Hinblick auf die Wirkungen, die damit erzielt werden sollen. Diese „doppelte Betrachtung“ eines Textes unter formalen und funktionalen Gesichtspunkten ist die Kernidee und die wesentliche Leistung des ZTA. Nussbaumer und Sieber (1994) fassen das so zusammen: Man kann und man muss sprachliche Mittel neben ihrer sprachsystematischen und graphematischen Normgerechtheit (kontextfrei) immer auch danach beurteilen, ob sie funktional besonders gut, in Ordnung oder aber mehr oder weniger dysfunktional eingesetzt worden sind (kontextsensitiv). Zu fragen ist also, ob die eingesetzten sprachlichen Mittel uns als Rezipienten beim Aufbau eines Textverständnisses optimal dienlich oder aber eher hinderlich <?page no="106"?> 106 sind, ob sie der Sache angemessen sind, für die sie stehen, ob sie der Funktion dienen, für die sie gewählt worden sind, ob sie schließlich auch dem Usus entsprechen. (Nussbaumer & Sieber, S. 166) Dieser Gedanke war für die Entwicklung des Bewertungsrasters „Dream“ zentral. Das Ziel des Schreibens im Fremdsprachenunterricht darf nicht sein, gewisse Konstruktionen und Sprachmittel fehlerfrei aneinanderzureihen. Besonders bei guten Reden muss Sprache einen kommunikativen Zweck erfüllen und auf Adressaten eine bestimmte Wirkung entfalten. Lernende, die dies versuchen, müssen systematisch ermuntert und dafür auch belohnt werden. Unter sprachlich-formalen Gesichtpunkten werden im A-Teil formale Qualitäten eines Textes nach richtig und falsch klassifiziert. Im B-Teil wird derselbe Text nach seiner ästhetischen Qualität und funktionalen sowie thematischen Angemessenheit beurteilt, wobei der Text also mehr oder weniger angemessen bzw. unangemessen sein kann. Die beiden Normbereiche drücken unterschiedliche Erwartungen der Leserschaft aus. Im A-Teil wird Korrektheit erwartet; Fehler fallen auf und werden notiert. Im B-Teil fällt das auf und wird festgehalten, was besonders gut/ angemessen oder besonders schlecht/ unangemessen ist (ibid., S. 160). Ein konkreter Schülertext kann z.B. im A-Teil eine hohe Bewertung erhalten, da er weitgehend fehlerfrei ist; im B- Teil kann die Bewertung aber tiefer ausfallen, wenn der Text langatmig oder rhetorisch nicht überzeugend ist. Im Gegensatz dazu kann ein anderer Text attraktiv gestaltet und kreativ formuliert sein, was zu einem hohen Bewertung im B-Teil führt; evtl. passieren dem Schreiber dabei aber auch mehr Fehler, da mehr Risiken eingegangen werden. Die hohe Kunst beim Schreiben eines Redemanuskripts besteht darin, formale Korrektheit mit funktionaler Angemessenheit gekonnt zu verbinden. Der B-Teil des ZTA ist in drei Teile unterteilt, die in der Folge bedeutsam sind und hier deshalb kurz erläutert werden sollen. Abschnitt B1 umfaßt funktionale Angemessenheit und Kohärenz eines Textes. Bei den Aspekten „Gesamtidee, Aufbau und thematische Entfaltung“ wird ein Text danach befragt, ob er den Rezipienten genügend Anleitung gibt, um ein kohärentes Verständnis aufzubauen (B1.1-1.3). Mit dem „Grad der Explizitheit“ (B1.4) wird der Tatsache Rechnung getragen, dass ein Text mehr zu denken gibt als zu lesen: Ein guter Text setzt das voraus, was der Rezipient von sich aus und ohne großen Aufwand an der betreffenden Stelle selber ergänzen kann; andererseits können Texte schlecht sein, weil sie entweder geschwätzig, redundant und langweilig sind (zu explizit) oder aber sprunghaft und dunkel bleiben (zu wenig explizit). <?page no="107"?> 107 Man kann Texte als Anleitung an die Rezipienten betrachten, sich im Kopf eine kohärente Textwelt aufzubauen. Im Kriterium „ausdrückliche Rezipientenführung“ (B 1.5) werden deshalb vier wichtige rezipientenführende Mittel definiert, nämlich Metakommunikation („im folgenden will ich zeigen, dass...“); Kohäsions- und Verknüpfungsmittel (Konjunktionen, Konjunktionaladverbien usw.); graphische Mittel wie die Absatzgliederung; und explizite Nennung des Textproduzenten im Sinne eines Standpunktbezuges sowie explizite Ansprache des Rezipienten. Eine der wichtigsten Kategorien, auch in bezug auf „Dream“, ist die „Angemessenheit der Sprachmittel“; dabei taucht die Palette Kategorien des A- Teils in leicht modifizierter Form wieder auf und bildet den Bereich der ästhetischen Angemessenheit (Abschnitt B2). Metaphorisch gesprochen geht es hier um die „Verantwortung gegenüber den Musen“ beim Schreiben (Klein, 2000, S. 154). Beurteilt wird dabei die „sprachlich-formale Attraktivität, sei dies nun die eingängige Eleganz oder die anstachelnde Widerborstigkeit“ (Nussbaumer & Sieber, 1994, S. 167). Diese können sich verständnisfördernd auswirken und spezifisch bei einer „guten Rede“ als rhetorische Elemente verwendet werden. Dieser Bereich umfaßt im ZTA das „sprachlich formale Wagnis“ (B2.1) sowie die „Qualität der Sprachmittel (B2.2), wobei die Bereiche Wortwahl, Satzbau, Rhythmus und Registerwahl eingeschlossen sind. Bei „Dream“ wurde dabei auch die Verwendung rhetorischer Figuren erfaßt. Auf diese Weise sollen sprachliche Wagnisse belohnt werden, „auch und gerade solche, die letztlich mißglücken und damit unter einem anderen Punkt des Rasters negativ zu Buche schlagen“. Dieses Balancieren zwischen Risiko und Fehler, zwischen Korrektheit und Originalität stellt ein typisches Dilemma beim schulischen Schreiben dar (Smith & Stückler, 1992, S. 200). Die Lernenden müssen sich dabei nicht bloß die (idealen) Leserinnen und Leser für ihren Text, sondern auch die spezifische Lehrkraft vorstellen: Was erwartet diese? Wie ist sie zufrieden zu stellen? Wie risikofreudig kann ich sein, oder soll ich Fehler vermeiden? Ein gutes Beurteilungsraster für schulisches Schreiben muss also versuchen, diese Aspekte auszubalancieren und Leistungen in beiden Bereichen zuzulassen und zu würdigen. Bei „Dream“ war das besonders wichtig, da die Möglichkeit, kreativ zu sein und Risiken einzugehen, ein pädagogisches Grundprinzip darstellte: Die Schülerinnen und Schüler wurden von Anfang an ermuntert, ihr Vorwissen einzusetzen und damit ein Maximum an rhetorischen Effekten zu erzeugen. Dahinter stand die Einsicht, dass im Fremdsprachenunterricht traditionelles Aufsatz-Schreiben nur in geringem Masse Flexibilität, Risikobereitschaft, Kreativität, Freude und Engagement der Lernenden zu fördern vermag (Mühlmann, 1992, S. 170). Besonders zu Anfang des Lern- <?page no="108"?> 108 prozesses darf die Angst vor Fehlern den Lernprozeß nicht zu stark prägen. Es braucht dazu entsprechende Freiräume beim Schreiben, Unterstützung und Ermutigung durch die Lehrkraft sowie die Gewißheit, dass entsprechende Versuche auch belohnt werden. Das letzte Kriterium (B3) beim ZTA ist die inhaltliche Relevanz, welche für Redemanuskripte besonders wichtig ist. Es geht hier um einen zentralen Leitsatz der Rhetorik, den Cato d.Ä. so formuliert: „Rem tene, verba sequentur“ (Erfasse den Gegenstand genau, dann werden die Worte folgen). Besonders beim L2-Schreiben stellt sich allerdings die Frage, ob und in welchem Umfang der Inhalt eines Textes bewertet werden soll. Einerseits sind inhaltliche Korrektheit, Vielfalt und Richtigkeit der Argumentation zweifellos zentrale Aspekte guter Redemanuskripte. Andererseits kann beim Schreiben unter schulischen Bedingungen, wobei die Zeit zur inhaltlichen Recherche beschränkt ist oder ganz wegfällt, der Inhalt nicht dasselbe Gewicht erhalten wie beispielsweise bei einer Forschungs- oder Seminararbeit, wo der Inhalt die Hauptqualität des Textes darstellt. Besonders prekär wird dies, wenn Schüler spontan aus einer Reihe von vorgegebenen Themen auswählen und ohne Vorbereitungszeit nur mit dem bereits vorhandenen Wissen über eine Sache arbeiten müssen. Dies war z.B. bei der empirischen Überprüfung der Effekte von „Dream“ der Fall. Der Inhalt wurde deshalb als ein Aspekt von guten Reden in die Beurteilung einbezogen, machte aber nur 20 Prozent der insgesamt möglichen Punkte aus (siehe unten, Abschn. 4.5.). 4.4. Analytische rubrics für argumentative Texte in L1 und L2 Bei „Dream“ wurde für die Bewertung der Schülerreden eine analytic scoring procedure gewählt. Dabei wurde ein Beurteilungsraster in Form einer zweidimensionalen Matrix entwickelt, wobei die unterschiedlichen Fähigkeitsdimensionen von guten Reden in verschiedenen Teilbereichen inhaltlich detailliert beschrieben und in Niveaustufen (Punktewerten) unterteilt wurden. Es wurde also eine construct definition based on instructional objectives verwendet (Weigle, 2002, S. 79). Dies war notwendig, damit separate Kriterien einzeln begutachtet und detaillierte Entscheidungen in unterschiedlichen Bereichen gefällt werden konnten (ibid., S. 120). Beim L2-Schreiben ist das wichtig, da die Texte eine hohe intraindividuelle Heterogenität aufweisen, d.h. unterschiedliche Kompetenzen und Fertigkeitsniveaus innerhalb eines Individuums unterschiedlich stark entwickelt sind. Ein Aufsatz kann z.B. ein sehr gut entwickeltes Argument, dafür aber auch viele Grammatikfehler enthalten; oder er kann eine hervorragende Syntax verfügen, aber kaum eine inhaltliche Aussage machen (Hamp-Lyons, 1991b, S. 243 ff.; 1991a). <?page no="109"?> 109 Bei der Entwicklung des Beurteilungsrasters wurden analytic scoring rubrics aus dem englischen und amerikanischen Kontext einbezogen. Ein wichtiger Bezugspunkt war das English as a Second Language Composition Profile („ESL“, Jacobs et al., 1981; vgl. Appendix B). Dieses wurde für Schreibcurricula an High Schools und Colleges entwickelt und auch auf verschiedene andere Kontexte angepaßt (Weigle, 2002, S. 115). Auf Grund seiner breiten Verwendung, guten methodischen Abstützung und genauen Passung auf die Schülerschaft von „Dream“ wurde das ESL als Grundlage für den A- Teil des Beurteilungsrasters ausgewählt, in dem die sprachlich-formale Qualität der Redemanuskripte beurteilt wurde. Es enthält fünf Kategorien von Kriterien: mechanics (Konventionen des Schreibens, Zeichensetzung, Orthographie); vocabulary (Umfang, Präzision und Korrektheit des verwendeten Wortschatzes); grammar and syntax (Umfang und Korrektheit der grammatischen und syntaktischen Strukturen); organization (Aufbau und logische Strukturierung des Textes); sowie content (Breite und Tiefe des Wissens über den Inhalt/ Gegenstand, Relevanz zum Thema). Jeder dieser Bereiche wird in vier Ausprägungsgrade unterteilt (very poor, poor to fair, average to good, very good to excellent). Die einzelnen Abstufungen sind mit kurzen Deskriptoren umrissen, wobei die verschiedenen Aspekte unterschiedlich stark gewichtet werden (Punktwerte). Der Schwerpunkt liegt auf dem Inhalt (30 Punkte) und auf language use (25 Punkte). Organisation und Vokabular der Texte werden gleich gewichtet (20 Punkte), während die Sprachmechanik sehr wenig Gewicht erhält (5 Punkte). Diese Gewichtung der Punktwerte wurde auf das Projekt „Dream“ angepaßt, um eine Balance von Form und Funktion zu erreichen und den Inhalt nicht zu dominant werden zu lassen. Die unterste Niveaustufe in jeder Kategorie (very poor) wurde weggelassen, weil sich in der Pilotstudie keine Texte auf diesem Niveau zeigten. Ein weiterer Bezugspunkt für das Raster zu „Dream“ war das Instructional Rubric for a Persuasive Essay (Goodrich Andrade, 2000, S. 14; vgl. Appendix B), welches spezifisch auf die Beurteilung von argumentativen Texten ausgerichtet ist. Es kommt ursprünglich aus dem L1-Bereich und wurde für die Sekundarstufe entwickelt (7. und 8. Schuljahr der amerikanischen High School). Die darin enthaltenen Beurteilungskriterien paßten bezüglich fachlichem Bezug und Schwierigkeitsgrad gut auf das vorliegende Projekt. Besonders nützlich dabei war, dass auch rhetorische und persuasive Aspekte von Texten in klaren und inhaltlich eindeutig nachvollziehbaren Formulierungen beschrieben wurden. Dazu gehörten „the claim made in the essay, the reasons given in support of the claim, the consideration of reasons against the claim, organization, voice and tone, word choice, sentence fluency, and conventions“ (ibid., S. 15). Diese Beschreibungen von Texteigenschaften wurden auf „Dream“ angepaßt und finden sich besonders im „B-Teil“ des Rasters wieder, <?page no="110"?> 110 welche die Überzeugungskraft der Reden erfaßt. Klare Beschreibungen in diesen Bereichen sind für die wissenschaftliche Entwicklung eines Beurteilungsrasters gleichermaßen relevant wie für dessen Wirkung im Unterricht: A rubric that reflects and reveals problems that students experience is more informative than one that either describes mistakes they don't recognize or defines levels of quality so vaguely that it is practically meaningless („poorly organized“ or „boring“). The gradations of quality allow students to spot weaknesses in their writing and give them concrete ways to improve their shortcomings. (Goodrich Andrade, 2000, S. 15) Auch das „angepasste“ Raster zur Beurteilung von guten Reden für den Schulgebrauch, welches in Abschn. 7.6. dargestellt ist, ist von Struktur und Formulierungen her an das Modell von Goodrich Andrade (2000) angelehnt. 4.5. Das Beurteilungsraster für das Projekt „Dream“ Da die erwarteten Effekte des Projekts „Dream“ im Bereich spezialisierter Schreibkompetenzen lagen, liessen sie sich nicht mit einem bestehenden Raster erfassen. Auch ein standardisierter Sprachtest kam dazu nicht in Frage, da solche Tests zwar allgemeine Effekte längerer Bildungsgänge messen können, nicht aber die Resultate eines über sechs Wochen angelegten, spezifisch auf gute Reden ausgerichteten Unterrichtsprojekts (Weigle, 2002, S. 46). Besonders Bereiche wie ästhetischer Gehalt, imaginative Kompetenz oder Kreativität von Texten kommen dabei nicht in den Blick, waren bei diesem Projekt jedoch zentral. Es wurde deshalb ein spezielles Beurteilungsraster entwickelt, welches aus zwei Teilen besteht: aus einem A-Teil, in dem die sprachsystematische Korrektheit der Reden beurteilt wird, und aus einem B-Teil, in welchem die funktionale Angemessenheit sowie die ästhetische Qualität der Texte erfasst werden. Damit wird auch ein Problem gelöst, das typischerweise bei standardisierten Kompetenzüberprüfungen oder Tests auftaucht, nämlich dass die Texte der Lernenden auf basale kommunikative Zwecke reduziert oder aber nur bezüglich ihrer sprachlich-formalen Strukturen beurteilt werden. Ein weiteres Problem solcher Tests besteht darin, dass Schülertexte „von gleichsam literarischer Qualität“, welche auf einer „reichen, inspirierten Imagination“ beruhen, nicht angemessen honoriert werden können (Hallet, 2011, S. 46). Das hier entwickelte Beurteilungsraster macht eine Integration dieser formal-sprachlichen und literarisch-ästhetischen Perspektiven möglich. Beide sind wichtig und nötig, weil Texte aus dem schulischen Schreibunterricht <?page no="111"?> 111 einerseits formal korrekt, andererseits auch interessant, spannend, überraschend oder überzeugend sein sollen. Dahinter steckt auch eine pädagogische Kernidee: Die Lernenden sollen nicht denken, es gehe beim schulischen Schreiben v.a. darum, möglichst fehlerfreie, aber belanglose Texte zu schreiben. Im Gegenteil sollen sie ermutigt werden, auch Risiken einzugehen und ihre Argumente auf originelle oder kreative Weise zu präsentieren. Zudem sollten sie auch erfahren können, dass in Bereichen wie Ästhetik und funktionale Angemessenheit durchaus verständliche Kriterien benannt und Texte objektiv beurteilt werden können, dass es sich dabei also nicht bloß um rein „subjektive“ Bereiche handelt. Auch Originalität und Kreativität sollen beim Schreiben als erlernbare Bereiche gesehen werden. Dazu gehört das Generieren von guten Ideen und Argumenten genauso wie deren überzeugende sprachliche Umsetzung. Die Zweiteilung des Rasters hatte auch einen wissenschaftlichen Grund: Es liessen sich damit die Kompetenzentwicklungen der Lernenden sowohl im sprachlich-linguistischen wie auch im rhetorisch-ästhetischen Bereich separat erfassen. Der „A-Teil“ des Rasters erfaßte die sprachsystematische Korrektheit der Reden (5 Kriterien bzw. „Items“ mit je drei Ausprägungsstufen). Der „B-Teil“ erfasste die ästhetische Qualität und Überzeugungskraft der Reden (ebenfalls 5 Kriterien bzw. „Items“ mit je drei Ausprägungsstufen). 4.5.1. „A-Teil“: Sprachsystematische Korrektheit der Reden Die im Folgenden dargestellten Kriterien basieren auf dem ESL Composition Profile (Jacobs et al., 1981) und wurden auf das Projekt „Dream“ angepaßt. Die starke Gewichtung des content im ESL wurde reduziert, weil die Lernenden im vorliegenden Projekt weniger Gelegenheit hatten, zu einem Thema zu recherchieren. Im Hauptprojekt mußten sie (aus untersuchungstechnischen Gründen) ohne Vorbereitung eine Rede zu einem bestimmten Thema schreiben. Zwar war eine Auswahl aus drei Themen möglich, die Jugendlichen mußten sich aber vollständig auf ihr individuelles Vorwissen (Weltwissen) verlassen. A Teil: Formalsprachliche Angemessenheit der Reden A1 Mechanics 2 Demonstrates mastery of conventions, very few errors of spelling, capitalization, punctuation. 1 Occasional errors of spelling, capitalization, punctuation. 0 Frequent errors of spelling, capitalization, punctuation. <?page no="112"?> 112 Tab. 4.3. „A-Teil“ des Bewertungsrasters „Dream“: Bewertung der sprachsystematischen Korrektheit der Redemanuskripte A2 Vocabulary 2 Sophisticated range, effective word/ idiom choice and usage, word-form mastery, appropriate register. 1 Adequate range, good word/ idiom-form choice and usage, occasional errors but meaning not obscured. Occasional “Germanicisms”. 0 Limited range, frequent errors of word/ idiom form, choice usage, frequent “Germanicisms”, meaning sometimes obscured. A3 Grammar and Syntax 2 Correct and varied use of complex syntactical constructions, good command of tense, number, word order, articles, pronouns, prepositions. 1 Minor problems in complex constructions. Mostly correct use of tense, number, word order, articles, pronouns, prepositions. 0 Problems in basic and complex constructions, errors of negation, agreement, tense, number, word order, articles, pronouns, prepositions. A4 Organization 2 Fluent expression, ideas clearly stated/ supported, well-organized, succinct paragraphing. Logical sequencing clearly marked with linking words. 1 Main ideas stand out. Logical sequencing not marked with linking words. Some awareness of paragraphs as units of argument. 0 Structure somewhat choppy and/ or repetitive and/ or loosely organised. Paragraphs sometimes accidental or internally incoherent. A5 Content 2 Excellent knowledge of topic. Detailed arguments, including both concrete and abstract aspects. Considerable depth of thought. Substantive, thorough development of thesis. 1 Solid knowledge of topic. Recognizable development of thesis but not clearly substantiated. Or: most important arguments are mentioned but thesis not developed. 0 Limited knowledge of topic. Some aspects are mentioned, but little depth or detail. Limited development of thesis. <?page no="113"?> 113 Kategorie A1 beschreibt die Bereiche Orthographie und die Zeichensetzung, wobei relativ einfach in „richtig“ oder „falsch“ unterschieden werden kann. Kategorie A2 beschreibt den Wortschatz bezüglich seiner Richtigkeit und Angemessenheit im Kontext. Im Gegensatz zu B2 (unten), wo rhetorische Figuren wie Wortwiederholungen oder Wortspiele erfaßt werden, geht es hier also um die falsche oder korrekte Verwendung der Lexik. Ebenso kam hier in Betracht, ob der Wortschatz insgesamt für diese Stufe als genügend vielfältig und differenziert beurteilt wurde, oder ob im Gegenteil mit einem „Grundwortschatz“ operiert wurde. Kategorie A3 beschreibt Grammatik und Syntax, also Wohlgeformtheit der Sprache auf Satzebene. Hier wurde auch besonders auch auf Elemente wie Pronomina oder Adverbien geachtet, also Grammatikthemen, die im schulischen Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe explizit unterrichtet werden und bedeutsam sind. Kategorie A4 beschreibt die Textorganisation oberhalb der Satzebene, d.h. den Aufbau einer Rede. Hier geht es v.a. um die sinnvolle und sachlich korrekte Formulierung von paragraphs, wobei beurteilt wurde, ob die Organisation der Reden das Verständnis unterstützte und ob Argumentationsketten logisch und kohärent wiedergegeben waren. Hier wurde also eine formal korrekte und szenologische Strukturierung belohnt, im Gegensatz zum korrespondierenden Element im B-Teil (B4), wo der Schwerpunkt eher auf Originalität und rhetorischer Qualität der Organisation lag. Die Kategorie A5 schließlich erfasst die inhaltliche Komponente, wobei die fachliche Korrektheit und Vollständigkeit der Aussagen beurteilt wurden, welche zu einem bestimmten Thema gemacht wurden. 4.5.2. „B-Teil“: Ästhetische Angemessenheit der Reden Dieser Teil des Rasters erfaßte die Fähigkeiten der Lernenden in den Bereichen Originalität, Kreativität und Überzeugungskraft. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Wirkung einer guten Rede zwar mit ihrer linguistischen Struktur zusammenhängt, darüber hinaus aber von Faktoren wie Angemessenheit im Kontext, ästhetische sowie rhetorische Qualität bestimmt wird. In ihrer Studie zur Qualität von Deutsch-Aufsätzen auf der gymnasialen Oberstufe hatten Nussbaumer und Sieber (1994, S. 247) gezeigt, dass sich diese Texte vor allem im Bereich der Angemessenheit (Verständlichkeit, Kohärenz) und ästhetischen Qualität unterschieden, weniger bei der sprachsystematischen Korrektheit. So wurden viele Aufsätze als „oberflächlich“ und „eindimensional“ charakterisiert. Das Projekt „Dream“ war hingegen darauf angelegt, dass die Lernenden diese minimale Ebene des schulischen Schreibens verlassen und sich kreativ wie rhetorisch stärker engagieren sollten. <?page no="114"?> 114 Kategorie B1 betraf die attractiveness of writing. Hier wurden Versuche der Lernenden honoriert, „das gleicherweise todsichere wie tödliche Niveau sprachlich-formaler Banalität zu verlassen“ (ibid., S. 168). Dabei sollte eine gewisse Risikobereitschaft bei der Wahl des Vokabulars oder beim Satzbau belohnt werden, auch wenn Fehler passierten. Bei dieser Kategorie wurde also die „Attraktivität“ der Reden anhand des Überraschungseffekts und der sprachlichen Gestaltung operationalisiert. Als besonders attraktiv wurden Reden bewertet, bei denen die Autoren ein gewisses „Risiko“ mit den ihnen zur Verfügung stehenden Sprachmitteln eingingen, um ihre Texte für die Zuhörenden packend zu gestalten. In diesem Bereich gab es (im Gegensatz zu den anderen Kategorien) keine direkte Entsprechung zum A-Teil des Rasters. Bei Kategorie B2 rhetorical effects - vocabulary level wurden rhetorische Effekte erfasst, die sich auf der Ebene des Wortschatzes abspielten, etwa durch Wortwiederholungen am Anfang und Ende von Sätzen (Emphase, Anapher). Darüber hinaus kamen auch bildhafte bzw. idiomatische Wortverwendungen, Metaphern und Wortspiele in den Blick. Hier wurde also ein Aspekt der Reden beurteilt, welcher bereits unter Kategorie A2 erfasst worden war. Während dort aber die formale Richtigkeit im Zentrum stand, lag der Fokus hier auf der rhetorischen Effizienz des verwendeten Wortschatzes. B-Teil: Rhetorische Qualität / Ästhetische Angemessenheit der Reden B1 Attractiveness of Writing 2 Writing is lively, varied, gripping or surprising. Writer is prepared to take risks to that end, and to test the limits of her/ his linguistic competence. 1 Writing is sometimes lively, varied, gripping or surprising. Writer takes some risks to that end, but mostly stays within the limits of her/ his linguistic competence. 0 Writing rarely lively, varied, gripping or surprising. Writer takes few risks. Emphasis on avoiding mistakes, or writing mostly mechanical. B2 Rhetorical Effects: Vocabulary Level 2 Effective use of repetition e.g. at the beginning or end of sentences. Effective use of imagery, wordplay or metaphors. 1 Some repetition e.g. at the beginning or end of sentences. Some instances of imagery, wordplay or metaphors. 0 Little or no rhetorical effects at the level of vocabulary. Little or no repetition. Few surprising/ effective uses of imagery, wordplay or metaphors. <?page no="115"?> 115 B3 Rhetorical Effects: Syntax/ Sentence Level 2 Has mastered rhetorical effects at sentence level, involving audience in speech. Syntactic parallels, marked word order, inversion, emphasis. Effective rhetorical questions, antithesis, question/ answer structures. 1 Some effects at sentence level: syntactic parallels, marked word order, inversion, emphasis. Some rhetorical questions, antithesis, question/ answer structures. 0 Little or no use of rhetorical figures at sentence level. Little marked word order, inversion, rhetorical questions, question/ answer structures, emphasis. B4 Rhetorical Organization 2 Writer successfully maintains interest: grabs attention with a witty or surprising beginning, makes body of text wellstructured and persuasive, concludes speech effectively. 1 Something happens at the beginning, middle and end of the speech. Not all parts of speech equally suited to sustain interest in the audience. 0 Beginning slightly accidental or mechanical, little structuring in main body of text, ending unremarkable or text broken off. B5 Presentation/ Attractiveness of Content 2 Personal opinion is clear and persuasive. Author lists relevant, convincing arguments to substantiate it. Presentation of evidence is persuasive and memorable. 1 Personal opinion becomes clear. Author lists some relevant arguments to substantiate it. Presentation of evidence is memorable. 0 Personal opinion remains hazy. Or: arguments false, unethical or uttered with the intention to mislead. Or: Evidence at least partly repulsive. Tab. 4.4. „B-Teil“ des Bewertungsrasters „Dream“: Rhetorische Überzeugungskraft und ästhetische Qualität der Redemanuskripte Kategorie B3 betraf rhetorical effects - syntax/ sentence level. Hier ging es um den (bewusst wahrnehmbaren) Versuch der Lernenden, überzeugende Effekte mit Mitteln des Satzbaus zu erzielen. Dazu gehörten syntaktische Parallelsetzungen zur Steigerung der Aussagekraft oder der inhaltlichen Strukturierung, origineller Satzbau, Antithesen, Kontrastierungen oder rhetorische Fragen. Diese Kategorie war das Äquivalent zur Kategorie A3 („grammar and syntax“), wobei der Satzbau wiederum aus dem Blickwinkel der Ästhetik und Überzeugungskraft beurteilt wurde. <?page no="116"?> 116 Kategorie B4 (rhetorical organization) erfaßte den thematischen Aufbau und die Organisation der Reden. Dabei war maßgeblich, inwiefern deren Überzeugungskraft mit ihrer Struktur und ihrem Aufbau zusammenhing. Ebenso wurde berücksichtigt, wie überzeugend die Schülerinnen und Schüler Mittel der Textstrukturierung und Textgliederung (z.B. linking words) zur Erreichung ihrer kommunikativen Ziele eingesetzt hatten. Kategorie B5 schließlich betraf die presentation/ attractiveness of content. Hier wurde der Inhalt der Reden beurteilt, jedoch weniger mit Bezug auf Richtigkeit als mit Bezug auf Attraktivität und „Eindringlichkeit“. Je klarer die Schülerinnen und Schüler ihre Meinung präsentierten, je überzeugender die Argumente und je eindringlicher die dafür angeführten Beispiele waren, desto höher fiel die Bewertung in diesem Bereich aus. 4.5.3. Empirische Validierung des Beurteilungsrasters zu „Dream“ Im Folgenden sind die statistischen Auswertungen dargestellt, welche zur Validierung des oben dargestellten Beurteilungsmodells durchgeführt wurden. Hier sind nur die wichtigsten Kennwerte wiedergegeben (Trennschärfe, Schwierigkeit der Items, Inter-Rater Reliabilität usw.). Vollständige Angaben dazu finden sich in Appendix A; Details zur Untersuchungsdurchführung (Intervention, Kennzahlen zu Stichproben, Hypothesen und Resultate) sind in Kap. 6 dargestellt. Die Validierung des Rasters erfolgte anhand der im Pilotprojekt sowie im Projekt selber geschriebenen Reden. Eine erste Version des Rasters wurde vom Verfasser dieser Studie während des Pilots entwickelt und erprobt. Anhand ausgewählter Texte auf verschiedenen Könnensstufen wurden dabei die einzelnen Kategorien und Niveaustufen so beschrieben, dass sie die in den Schülerarbeiten angelegten Eigenschaften und Qualitäten angemessen abzubilden vermochten. Für einzelne Kategorien und Niveaustufen wurden konkrete „Ankerbeispiele“ (Mayring, 1997) und Referenztexte festgelegt und in einer zweiten Phase auch die Formulierungen angepaßt, um sie klarer und eindeutiger zu machen. In der Hauptuntersuchung erfolgte die Bewertung der Reden durch zwei speziell ausgebildete Rater. Es handelte sich dabei um Anglisten mit abgeschlossenem Studium und Unterrichtserfahrung auf der gymnasialen Oberstufe. Diese wurden vor Projektbeginn durch den Autor geschult und übten den Umgang mit dem Raster anhand von Texten aus der Pilotstudie. In wiederholten, parallel durchgeführten Blindbeurteilungen wurde versucht, zu übereinstimmenden Einschätzungen zu kommen und auftretende Differenzen zu klären. Diese Beurteilungsprozesse wurden so lange fortgesetzt, bis die Inter-Rater Reliabilität zufriedenstellend ausfiel. In diesem Prozeß wurden <?page no="117"?> 117 erneut Anpassungen in den Formulierungen der einzelnen Niveaustufen des Rasters vorgenommen und die ursprünglichen „Ankerbeispiele“ teilweise durch neue, klarere ersetzt. In der eigentlichen Untersuchung beurteilten die Rater alle Texte dann vollständig anonymisiert. Sie wußten also nicht, ob eine Rede aus der Versuchs- oder Vergleichsgruppe stammte bzw. ob sie am Anfang oder am Ende des Projektes geschrieben worden war. Ebenso war ihnen unbekannt, welche der insgesamt 160 Reden „doppelt“, d.h. von Rater 1 wie auch von Rater 2 beurteilt wurden. In einer ersten Phase wurden 20 Reden aus allen Klassen von beiden Ratern beurteilt, worauf Gütekriterien wie die Inter-Rater Reliabilität, die Trennschärfe und Schwierigkeit der Items überprüft wurden. Anschließend wurden alle 160 Texte (80 Anfangs- und 80 Schlussreden) nach demselben Verfahren beurteilt und dabei insgesamt 36 Reden von beiden Ratern begutachtet (22.5% der Gesamtzahl). Der Vergleich der beiden Rater ergab folgende Resultate: Formale Qualität (A-Teil) N min. max. ∅ SD Rater 1 36 2 10 5.8 2.3 Rater 2 36 2 10 5.8 2.1 Ästhetische Qualität (B-Teil) N min. max. ∅ SD Rater 1 36 1 10 5.0 2.5 Rater 2 36 1 10 4.9 2.3 Total Punkte (Beide Teile = Gesamtbeurteilung der Rede) N min. max. ∅ SD Rater 1 36 3 19 10.8 4.3 Rater 2 36 3 19 10.7 3.9 Tab. 4.5. Extremalwerte bei der Beurteilung von 36 Schülerreden durch Rater 1 und Rater 2; A-Teil, B-Teil und Gesamtbeurteilung der Redemanuskripte Diese Analyse der Extremalwerte zeigt, dass beide Rater jeweils ähnliche Höchst- und Tiefstbewertungen vornahmen. Die Standardabweichung ist dabei ein Maß für die Varianz der Bewertungen von Rater 1 und Rater 2. Diese war bei Rater 1 etwas höher als bei Rater 2, d.h. Rater 1 bewertete insgesamt etwas „extremer“; die Bewertungen von Rater 2 lagen hingegen näher beim Mittelwert. Insgesamt zeigen die Mittelwerte jedoch, dass die Unterschiede zwischen den Ratern gering waren und damit eine hohe Übereinstimmung bei den Bewertungen bestand. <?page no="118"?> 118 Als Nächstes ist die „Strenge“ der Rater auf der Raschskala dargestellt (Estimate). Die mittlere Strenge beider Rater wird dabei als 0 bezeichnet. Die Differenz zwischen Rater 1 und Rater 2 betrug 0.05, war also sehr klein. Im Vergleich zur Analyse der ersten 20 Texte verringerte sich die Differenz zwischen den Ratern bei allen 36 Texten noch einmal um fast die Hälfte. Das bedeutet, dass die Bewertungen sich mit der Zeit eher annäherten, was für die Qualität der Untersuchung als günstig zu werten ist: Estimate Error Rater 1 -0.025 0.071 Rater 2 0.025 0.071 Tab. 4.6. Strenge der Rater auf der Raschskala (Estimate) sowie Standardfehler (Error) Mit Error wird hier der Standardfehler bei der Schätzung bezeichnet, welcher bei dieser Untersuchung grösser war als die Differenz zwischen den beiden Ratern. Somit lag die Differenz zwischen den Ratern im Bereich des Schätzfehlers, war also statistisch nicht signifikant. Die im Folgenden dargestellte Inter-Rater Reliabilität bezeichnet die Konsistenz von Beurteilungen der beiden Rater bei einzelnen Items. Das Maß zu deren Bewertung (Kappa) beträgt maximal 1; bei Kappa = 0 hingegen gäbe es keinerlei Zusammenhang zwischen den verschiedenen Beurteilungen. Ein Kappa >.70 wird gemeinhin als gut bezeichnet (Weigle, 2002, S. 134 ff.; Shohamy, Gordon & Kraemer, 1992). Bei dieser Untersuchung war das Kappa insgesamt befriedigend, bei einigen Items sogar sehr hoch. Nur bei Items A4 und A5 sowie bei den Items B1 und B4 lag es unter .70: Tab. 4.7. Inter-Rater Reliabilität, aufgeteilt nach einzelnen Items in A- und B-Teil der Beurteilung Formale Qualität (A-Teil) Item A1 A2 A3 A4 A5 Kappa 0.81 0.87 0.89 0.44 0.60 Übereinst. 86% 92% 92% 67% 69% Ästhetische Qualität (B-Teil) Item B1 B2 B3 B4 B5 Kappa 0.63 0.72 0.79 0.64 0.73 Übereinst. 75% 81% 83% 78% 86% <?page no="119"?> 119 Nussbaumer und Sieber (1994, S. 167) hatten im Umgang mit dem ZTA berichtet, dass bei verschiedenen Ratern Differenzen bei der Beurteilung von ästhetischen Kriterien aufgetreten waren. Dieses Phänomen war im vorliegenden Projekt nicht zu beobachten. Entgegen den Erwartungen waren es nicht die als schwer meßbar bezeichneten ästhetischen Bereiche, bei denen sich die Rater teilweise uneinig waren, sondern die „formalen“ Kategorien organization (A4) und content (A5). Im Durchschnitt lag die Übereinstimmung der Bewertungen jedoch bei 81 Prozent, was als guter Wert bezeichnet werden kann. Als nächster Kennwert wurde die Schwierigkeit der einzelnen Items auf der Raschskala (Delta) berechnet. Diese ist prinzipiell ein Kontinuum zwischen - ∞ und + ∞ mit dem Mittelwert 0. Die Zahl 0 bezeichnet damit einen mittleren Schwierigkeitsgrad, wobei Items mit -3 als sehr einfach und Items mit +3 als sehr schwierig gelten. In dieser Untersuchung hatten die meisten Items einen sinnvollen Schwierigkeitsgrad (Delta ungefähr zwischen -1 und +1). Die maximale Punktzahl war also weder sehr einfach noch praktisch unmöglich zu erreichen. Auch die Trennschärfe der Items wurde geprüft, d.h. die Korrelation jedes einzelnen Items mit der Gesamtpunktzahl. Diese beschreibt, wie gut ein Item zwischen stärkeren und schwächeren Schülerinnen und Schülern trennt und so zu einem aussagekräftigen Testergebnis beiträgt. Bei Items mit hoher Trennschärfe werden die besseren Schülerinnen und Schüler tendenziell hohe Werte, die leistungsschwächeren jedoch tiefe Werte erreichen. Trennschärfen von >0.30 werden in der Regel als hinreichend erachtet, Werte von >0.50 als hoch. Die Werte in dieser Untersuchung waren bis auf wenige Ausnahmen sehr hoch, was auf ein sinnvolles Kriterienraster und eine sorgfältige Anwendung auf den Untersuchungsgegenstand hindeutet. Die einzelnen Items wiesen einen angemessenen Schwierigkeitsgrad auf und waren hinreichend trennscharf. Dies traf sowohl auf den sprachlich-formalen Bereich („A-Teil“) wie auch den rhetorisch-ästhetischen Bereich („B-Teil“) zu, wo klare und eindeutige Einschätzungen in der Regel gemeinhin als schwieriger zu erreichen gelten. Bei der Auswertung der Resultate wurde besonders auf Regressionseffekte geachtet, welche eintreten können, wenn Veränderungen bei quasiexperimentellen Designs analysiert oder Populationen zweimal gemessen werden (Rost, 2007, S. 103). Einerseits kann es zu einem „Bodeneffekt“ kommen: Diejenigen, die bei der ersten Rede ein schlechtes Resultat erzielt haben, werden sich viel leichter verbessern können („Es kann mit ihnen nur noch aufwärts gehen“). Ebenso kann bei guten Lernenden ein „Deckeneffekt“ eintreten: Sie schreiben bereits beim ersten Versuch eine gute Rede und „kommen dann nicht mehr weiter.“ Eine entsprechende Überprüfung der Daten <?page no="120"?> 120 zeigte, dass die erreichte Kompetenzsstufe keinen signifikanten Einfluss auf die Verbesserungsmöglichkeiten in der Rede hatte. Eine sorgfältige Prüfung der deskriptiven Statistik bewies, dass sich die guten Schülerinnen und Schüler genauso wie die mittleren und schlechten verbessert hatten (vgl. Tab. 6.12.). Kein einziger Lernender hatte bereits in der ersten Rede die volle Punktzahl erreicht, so dass alle im Verlauf des Projekts noch die Möglichkeit hatten, sich zu verbessern und den entsprechenden Wert zu steigern. In dieser Untersuchung traten also keine störenden Regressionseffekte auf. Insgesamt läßt die hier dargestellte Validierung den Schluß zu, dass mit dem vorliegenden Beurteilungsraster ein valides, reliables und objektives Meßinstrument entwickelt worden war, welches das zu Grunde liegende Konzept angemessen abbildete und unterschiedliche Kompetenzprofile beim Verfassen von Redemanuskripten gut zu unterscheiden und darzustellen vermochte. <?page no="121"?> 121 5. Das Lernarrangement „I Have A Dream! “ 5.1. Forschungsmethodischer Zugang „In my experience, most research topics originate from a combination of reading the literature and one’s personal history“ - so wie von Dörnyei (2007, S. 73) beschrieben verhielt es sich auch mit dem Projekt „Dream“. Das Redemanuskript ist als Genre für viele Kontexte des argumentativen Schreibens auch im Fremdsprachenunterricht zentral (vgl. Abschn. 1.2). Vorhandene Studien zeigen, dass die Schreibfähigkeiten junger Menschen in diesem Bereich den Anforderungen der heutigen Hochschulen nicht mehr genügen und dass ein dringender Bedarf zur Entwicklung der fremdsprachlichen Schreibdidaktik besteht (Kupetz, 2006). Gleichzeitig interessierte sich der Autor seit seiner Dissertation über Shakespeares Dramen für die Kunst der Rhetorik als Verbindung von ratio und oratio, Verstand und Überzeugungskraft (Keller, 2009). Diese Studie entstand also aus dem Bedürfnis, besser zu verstehen, wie Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit des argumentativen L2-Schreibens erwerben und wie sich diese Lernprozesse in der Schule systematisch anleiten und verbessern lassen. Wie in den letzten beiden Kapiteln gezeigt wurde ergeben sich dabei komplexe Forschungsfragen, welche sich nicht mit einer einzelnen Untersuchungsmethode beantworten lassen. Aus diesem Grund wurde ein Zugang mit mixed methods sowie einer Pilot- und einer Nachfolgestudie gewählt. Die didaktische Entwicklung von „Dream“ erfolgte auf der Basis der wissenschaftlichen Befunde zu Struktur und Erwerb von Schreibkompetenz in L1 und L2, welche in Kap. 3 dargestellt sind. Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei lernen, ein Manuskript für eine gute Rede zu schreiben und dieses (in einem zweiten Schritt) auch vorzutragen. Es geht dabei um das Verfassen eines komplexen Texts sowie um die Fähigkeit, sich eine Meinung zu einen Sachverhalt zu bilden und diese verständlich und überzeugend zu vertreten. Eine erste Version der Unterrichtseinheit wurde vom Autor der Studie in Zusammenarbeit mit zwei Englischlehrerinnen am Gymnasium Rämibühl (Zürich) erarbeitet und von diesen ein erstes Mal durchgeführt. Der Autor nahm dabei die Rolle des Untersuchers und critical friend ein. Anläßlich dieser ersten Implementierung wurden qualitative Untersuchungsmethoden angewendet, um zu verstehen, welche Erfahrungen die Lehrkräfte und Jugendlichen mit den entwickelten Unterrichtsformen gemacht hatten, welche Bedeutungen sie diesen zuwiesen und welche Elemente sie dabei als beson- <?page no="122"?> 122 ders relevant wahrnahmen. Auf Ebene der Klassen kamen Fragebögen mit offenen Fragen zum Einsatz. Auf Seiten der Lehrkräfte wurden semi structured durchgeführt). 10 Es wurde also eine Kombination von Unterrichtsbeobachtungen und introspektiven Kommentaren praktiziert. Die erste Implementierung hatte auch den Charakter eines process syllabus, wobei die beteiligten Lehrkräfte und die Lernenden den Rahmen des Lernarrangements aktiv mitgestalten und re-interpretieren. Dieser retrospektive Zugang „explicitly addresses teacher and learner capacities to select, subdivide and sequence subject matter [...] which they (jointly) perceive as most valuable to them“ (Breen, 1987, S. 166). Auf Basis der dabei entstandenen Erkenntnisse wurde das Setting überarbeitet und insbesondere das peer feeback sowie die Analyse der Musterreden verstärkt, welche von Lehrkräften und Lernenden übereinstimmend als zentrale Bedeutungsträger der Einheit geschildert worden waren. In leicht veränderter Form wurde es dann noch einmal an einer anderen Schule und von einer anderen Lehrkraft implementiert (Freies Gymnasium Zürich). Dabei wurde der Fokus der Untersuchungen nun auf classroom observations gelegt (Video- und Tonmitschnitte im Unterricht, vgl. z.B. Fallstudie von Arthur und Ben in Abschn. 5.2.2.) Die endgültige Version von „Dream“ war also - wiederum im Sinne des process syllabus - „jointly constructed by teacher and learners together“ (Candlin, 1984, S. 50). Tab. 5.1. Beteiligte Klassen am Pilotprojekt zu „Dream“ (2005/ 06) 10 Im Sinne eines peer checking (Dörnyei, 2007, S. 60) wurden diese Interviews nicht vom Untersucher selber, sondern von Dr. Felix Winter (Universität Zürich) durchgeführt und nachher mit dem Untersucher besprochen und ausgewertet. Klasse/ Grösse Schule Klassenstufe Lehrkraft Zeitraum K1 (N = 24) Realgymnasium Rämibühl ZH 11. Schuljahr Sandra Diggelmann Sept-Okt 2005 K2 (N = 18) Realgymnasium Rämibühl ZH 11. Schuljahr Silvia Day Sept-Okt 2005 K3 (N = 14) Freies Gymnasium ZH 10. Schuljahr Daphne A. Glaettli Sept-Okt 2006 <?page no="123"?> 123 Aus untersuchungstheoretischer Perspektive hatten diese ersten Implementierungen die Funktion von piloting the research: Dies ist eine zentrale Phase, die allerdings bei manchen empirischen Studien im erziehungswissenschaftlichen Bereich zu kurz kommt (Dörnyei, 2007, S. 75). Sie bildeten die Grundlage für eine zweite Untersuchung, in welcher ein quasiexperimentelles Design mit Versuchs- und Vergleichsklassen zur Anwendung kam (vgl. Kap. 6). Insgesamt handelt es sich also um ein komplexes mixed methods design mit „concurrent combinations of qualitative and quantitative research“, welches sich folgendermaßen darstellen läßt: (QUAL) --> (QUAN + qual). „Qual“ steht dabei für qualitative und „Quan“ für quantitative Forschungsmethoden, wobei die Großbuchstaben die (relative) Bedeutung darstellen. Das Pluszeichen bedeutet „concurrent“ und der Pfeil „sequential collection of data“ (Dörnyei, 2007, S. 169). Hier erfolgt nun zunächst eine Darstellung und didaktische Begründung der einzelnen Phasen von „Dream“ anhand der qualitativen Daten, welche im Rahmen der Pilotstudie gesammelt wurden. Dabei gelten nach Maxwells (1992) Typologie der Validität von qualitativen Untersuchungen folgende Qualitätskriterien: Descriptive validity beschreibt die faktische Genauigkeit, mit die untersuchten Gegenstände und Prozesse geschildert werden. Diesem primären Aspekt der Validität wird hier nachgekommen, indem Daten und Beobachtungen aus verschiedenen Quellen dargestellt und verglichen werden (Redemanuskripte, Lernjournale, Aussagen der Lehrkräfte und Lernenden, Beobachtungen im Unterricht usw.). Auf der Basis dieser Daten wird eine systematische, theoriegeleitete Darstellung des Lernarrangements vorgenommen und mit den Aussagen von Lehrkräften und Lernenden „im Originalton“ verbunden. Interpretive validity fokussiert auf die Bedeutung der geschilderten Ereignisse aus der Perspektive der beteiligten Personen. Sind die Bedeutungen und Interpretationen des Untersuchers vereinbar mit jenen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer? Diesem Element wird Rechung getragen, indem die Beteiligten direkt nach ihren Erfahrungen und Wertungen befragt und diese auch transparent gemacht werden, wobei positive Rückmeldungen ebenso einfließen wie Kritik oder Ablehnung einzelner Arbeitsphasen. Theoretical validity betrifft das Ausmaß an theoretischer Abstraktion, mit welcher der Untersuchungsgegenstand betrachtet wird, sowie die Frage „how well this theory explains or describes the phenomenon in question“ (Dörnyei, 2007, S. 58). Um diesem Anspruch nachzukommen ist es notwendig, die einzelnen Arbeitsphasen jeweils theoretisch zu kontextualisieren und Bezüge zu den verschiedenen Referenzwissenschaften (angewandte Linguistik, Sprach- <?page no="124"?> 124 erwerbstheorie, Pädagogik usw.) sichtbar zu machen. Dies kann als apologia für die Länge des nun folgenden Kapitels gelten. Generalizability betrifft die Frage, ob sich die beobachteten Phänomene und Prozesse innerhalb der beteiligten Institution verallgemeinern lassen (internal generalizability) oder auf andere Kontexte übertragen werden können (external generalizability). Zwar läßt sich das in einem kleinen, überschaubaren Setting nicht im selben Ausmaß beurteilen wie bei einer groß angelegten Untersuchung. Dies ist bei einer qualitativen Studie aber gar nicht die Absicht: „generalization in qualitative research usually takes place through the development of a theory derived from the particular persons and situations studied which helps to make sense of other situations“ (Dörnyei, 2007, S. 59). Genau in diesem Sinne ist das Kriterium hier zu verstehen: Die qualitativen Pilotstudien dienten dazu, konkrete Einsichten zu gewinnen und Hypothesen zu generieren, welche dann in der Nachfolgestudie mit quasiexperimentellem Design vertieft untersucht werden können. Beispielsweise ergab sich die Frage, ob mit „Dream“ die kreativen Schreibfertigkeiten der Lernenden besonders gefördert werden könnten, aus den Beobachtungen der Texte aus den Pilotstudien, welche sich durch ein unerwartet hohes Maß an originellen rhetorischen Strategien und Wortspielen auszeichneten (vgl. Abschn. 5.4.1.). Evaluative validity schließlich bezieht sich auf die Frage, ob auch moralische und ethische Werturteile auf den Untersuchungsgegenstand angewendet werden. Dies ist hier insofern gegeben, als das argumentative Schreiben selber eine „Schlüsselkompetenz“ darstellt, welcher ein hoher moralischer und ethischer Stellenwert in modernen Gesellschaften zukommt (OECD, 2005). Gleichzeitig verlangt das Verfassen eines Redemanuskripts zu gesellschaftlich relevanten Fragen von den Lernenden selber ethische und moralische Urteile und Stellungnahmen. Fragen der research ethics werden im nächsten Kapitel (Abschn. 6.2) diskutiert. Diese Gütekriterien gelten für die nun folgende Beschreibung eines Lernarrangements, welches per se nicht zweck- oder wertfrei ist. Angesichts des Reichtums an beteiligten Teilfähigkeiten und Kontextvariabeln (vgl. Kap. 3) mußten beim Design der Einheit didaktische Entscheidungen getroffen werden, welche im Folgenden transparent und damit auch kritisierbar gemacht werden. Die meisten dieser didaktischen Entscheidungen beziehen sich auf das Rahmenfeld einer kompetenzorientierten Didaktik, welche in Abschn. 2.1. umrissen wurde und sich im wesentlichen auszeichnet durch: <?page no="125"?> 125 • die Orientierung des Lernprozesses an transparenten Zielen; • die Ausrichtung aller Lernhandlungen auf ein definiertes, gesellschaftlich relevantes Genre („Redemanuskript“); • den Einbezug und systematischen Aufbau aller Lernprozesse auf dem individuellen Vorwissen der Lernenden; • den Einsatz von komplexen Lernaufgaben, welche verschiedene Zugänge und Lösungswege zulassen; • eine Kultur von Rückmeldungen zwischen Lehrpersonen und Lernenden (formative assessment) sowie unter Lernpartnern (peer feedback), wobei der Aufbau von common knowledge im Sinne des Aushandelns von normativem Fachwissen im Zentrum steht (Edwards & Mercer, 1987; Ruf & Gallin, 2005a); • den Einsatz von gezielter Instruktion und scaffolding bezogen auf den angezielten output; • die Reflexion der eigenen Lernprozesse durch die Jugendlichen selber (selfassessment im Kontext einer erweiterten Leistungsbeurteilung). Die Lernenden sollten möglichst viele Gelegenheiten erhalten, eigene Schreibprozesse in Englisch zu durchlaufen und vielfältige Schreiberfahrungen zu sammeln. Sie sollten ihre Texte regelmäßig überarbeiten, dabei Rückmeldungen von unterschiedlichen Personen erhalten und diese Schreibprozesse selber planen, steuern und evaluieren. Auf Grund dieses prozessorientierten Zugangs ist das Setting in drei Lernphasen unterteilt: Erstens, Kompetenzen der Klasse explizit und verfügbar machen; zweitens, Kompetenzen eines Experten in Bezug auf die Aufgabe explizit und verfügbar machen; und drittens, als Experte in einer komplexen Situation kompetent handeln und das eigene Lernen reflektieren. 5.2. Erste Lernphase: Kompetenzen der Klasse explizit und verfügbar machen 5.2.1. Mit dem persönlichen Vorwissen eine gute Rede schreiben Gleich zu Projektbeginn schrieben die Lernenden ohne vorherige Instruktion eine Rede, die sie nachher den Klassenkameraden vortragen sollten. Der Auftrag dazu lautete: <?page no="126"?> 126 Write a good speech about one of the following topics: a) Why skateboarding should (not) be prohibited in public places. b) Why advertising should (not) be allowed in Swiss schools. c) Why pubs and restaurants should (not) be smoke free in Switzerland. d) Why English should (not) be taught in kindergarten in Switzerland. e) Why cloning should (not) stay illegal. Choose the topic that you like best, and write a speech that you can present to your teacher and classmates. First, think about this: - How do you feel about the topic? - What arguments can you find for your opinion? - What kind of language can you use to make your speech impressive and convincing? Time: One lesson. Bei diesem Schreibauftrag ging es zunächst darum, spontan zu einem komplexen Thema Stellung zu beziehen, wobei persönliches Engagement und rhetorische Kreativität wichtiger waren als Korrektheit oder Fehlervermeidung. Die Lehrpersonen erklärten den Klassen, dass ihre Texte unter der „Förderperspektive“ betrachtet werden würden. Die Jugendlichen sollten also geeignete rhetorische Strategien finden und anwenden, mit denen sich eine Rede spannend und überzeugend gestalten ließ. So begegneten sie gleich zu Beginn dem Lernthema in seiner ganzen Breite und Komplexität und erfuhren, was sie mit ihren bestehenden Kompetenzen erreichen konnten. In nachfolgenden Überarbeitungen des Manuskripts konnte die eigene Meinung zum Thema vertieft oder gegebenenfalls revidiert werden. Der Einstieg in medias res nimmt auf die Tatsache Rücksicht, dass Lernende keine leeren Blätter sind, die mit neuem Wissen oder Handlungsstrategien beliebig „beschrieben“ werden können. Indem sie bestehendes Wissen und Können nutzten, hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen erste Gehversuche zu wagen und sich selber (teilweise) bereits als kompetent zu erfahren. Durch die Fokussierung auf spezifische Adressaten (Lehrkraft und peers) sollten die Lernenden auch ermutigt werden, die künstliche Situation im Klassenzimmer auf authentische Situationen außerhalb davon zu beziehen (Portmann, 1991, S. 65). Durch die Fokussierung auf das Vorwissen und auf die Qualitäten der „Anfangsreden“ wurde auch versucht, eine unterstützende Lernatmosphäre zu schaffen, welche Voraussetzung ist für die Bereitschaft, Risiken beim Schreiben einzugehen und sich in der eigenen Meinung sowie in deren Darstellungsform zu exponieren: „Because writing involves taking risks, it is important to create a supportive <?page no="127"?> 127 and safe environment for student writers“ (Kristmanson et al., 2009, S. 40). Es sollten Umgebungsbedingungen hergestellt werden, welche der Kreativitätsentfaltung dienlich sind. Dazu gehören eine Atmosphäre der Entscheidungsfreiheit, Innovationsförderung, Herausforderung, Belobigung, Akzeptanz, des Vertrauens und der Kooperationsbereitschaft (Frentz, 2008, S. 5). Erst wenn die Schreibenden tatsächlich das mitteilen, was ihnen am Herzen liegt, kann auch darüber diskutiert werden, ob ein Text in seiner kommunikativen Funktion erfolgreich ist und ob er seine intendierte Wirkung erzielt. In dieser ersten Phase wurde besonders die Bedeutung sozio-affektiver Faktoren auf die Schreibmotivation und Einstellung der Lernenden zum Schreiben berücksichtigt. Dazu gehört ein Unterrichtsklima, welches den Lernenden Freiräume zubilligt, ihnen Eigenverantwortlichkeit zuspricht und bei der sie trotzdem auf eine unterstützende Haltung durch die Lehrperson zählen können (Schwarzer & Jerusalem, 2002; vgl. auch Börner & Vogel, 2004). Wenn Lernende eine Aufgabenstellung selbständig und selbstverantwortlich bearbeiten können und sich dabei als erfolgreich erleben, kann dadurch ein positiver emotionaler Zustand entstehen. Sie werden ermutigt, das gesamte Spektrum ihrer Handlungskompetenz ins Spiel zu bringen und sich von Rückschlägen nicht zu leicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Demgegenüber erzeugt Unterricht, in welchem die Lernenden bloße Rezipienten von Wissen bleiben, meist nur eine schwache affektive Beteiligung (Hänze, 1998). Das spontane Schreiben einer guten Rede hat auch die Funktion einer „singulären Standortbestimmung“ (Ruf & Gallin, 2005a, S. 27 ff.). Dabei sind Lernende eingeladen, ihre individuellen Ressourcen zu aktivieren und anderen Einblick zu geben in die Position, die sie der Sache gegenüber einnehmen. Sie sind aufgefordert, ihr Vorgehen bei einer Aufgabe aufzuzeichnen oder alles aufzuschreiben, was ihnen bei der Bearbeitung durch den Kopf geht. Damit dokumentieren sie, wie sie beim Problemlösen oder beim Verarbeiten von Informationen vorgehen und welche emotionalen und volitionalen Prozesse sich dabei abspielen (Ruf, 2008, S. 21). Rumpf (1994, S. 115) spricht in diesem Kontext - mit Rückgriff auf die Arbeiten Martin Wagenscheins - von einem „sinnierenden Nachdenken“, welches ein vertieftes Verständnis eines Sachverhalts zum Ziel hat. Anstatt dem frühen Einführen einer Fachterminologie steht die eigentätige Auseinandersetzung mit einem Gegenstand im Zentrum, wobei ein „vielgestaltiges Angerührtsein“ die primäre Grundlage des eigenen Verstehens bilden soll. Es handelt sich also um eine Arbeitsform zum Ausloten des Vorwissens und der Konzepte der Lernenden, welche das Ziel hat, die persönlichen Motive und das verfügbare Vorwissen im Umgang mit einer Sache zu klären und für das weitere Lernen nutzbar zu machen. Der erste Auftrag hatte damit auch <?page no="128"?> 128 lerndiagnostischen Charakter und sollte sichtbar machen, auf welche Weise bestehende Kompetenzen mit der neuen Aufgabe interagierten und die Lernprozesse beeinflußten (Weigle, 2002, S. 75). Da Lernende in jede Interaktion im Klassenzimmer ihr Vorwissen im breitesten Sinn einbringen, kann dieses als implicit contribution zur didaktischen Interaktion gesehen werden: [Implicit contributions are] what learners bring to the classroom, their prior knowledge in its broader sense, their experiences of the world in which they live, their experiences of and with the world of the target language and its culture, their social, cultural and ethnic background and value systems; but also their preferences with regard to other people, to themes and ways of working […]. (Legutke & Thomas, 1991, S. 18) Bereits in der Didaktik der „themenzentrierten Interaktion” sind Wert und Bedeutung dieser implicit contributions für das Sprachenlernen erkannt worden: Sie beeinflussen, wie sich junge Menschen bei der Bearbeitung einer Aufgabe verhalten, welche Erfahrungen sie dabei machen und wie der output am Ende aussieht (ibid., S. 20 ff.). Diesen personalen Aspekt des Lernens betont auch Hallet (2011, S. 62) im Rahmen der kompetenzorientierten Fremdsprachendidaktik: „Jede Schülerin und jeder Schüler hat eine eigene Art, sprachliche Bedeutungen zu verstehen und zu erzeugen, Strukturen und sprachliche Regularitäten zu erkennen, sprachliche Äußerungen zu tätigen und sich an fremdsprachlichen Diskursen zu beteiligen“. Da diese Individualität sowohl den Erwerb des Wortschatzes, das Grammatiklernen wie auch das fremdsprachliche Lernen insgesamt betrifft, war dieser erste Auftrag von zentraler Bedeutung für das nachfolgende Projekt. Ziel dabei war, die individuellen Leistungen und Vorwissensbestände der Lernenden explizit zu machen, sie als bedeutsam anzuerkennen und damit auch für das weitere Lernen bearbeit- und veränderbar werden zu lassen. Anhand der Reden, welche auf diesen Auftrag hin entstanden, liessen sich sowohl Sprachmittel einschätzen, über die Schülerinnen und Schüler bereits verfügten, als auch ihre Konzepte und Einstellungen zum Genre „gute Rede“ eruieren. Beide konnten anschließend anhand der Schülerarbeiten untersucht und besprochen werden, um darauf weitere Lernschritte aufzubauen. Zu diesem Zweck wurden die Anfangsreden, die Rückmeldungen dazu sowie alle weiteren Dokumente, welche im Verlauf des Projektes entstanden, in einem Lernjournal gesammelt. Der offene Einstieg mit einer komplexen Schreibaufgabe sowie die Betonung des Vorwissens legten die Frage nahe, ob die Anfangsreden der Lernenden tatsächlich genügend Substanz enthalten würden, um für das weitere <?page no="129"?> 129 Lernen bedeutsam zu sein. Das Risiko dieses Einstiegs bestand darin, dass Lernende sich überfordert fühlen oder noch gar nicht über die nötigen Kompetenzen verfügen würden, um die Aufgabe produktiv zu nutzen. In den Pilotstudien wurde deshalb eine qualitative Inhaltsanalyse dieser Anfangsreden durchgeführt. Diese Analyse zeigte, dass die meisten Lernenden in der Lage waren, spannende und gehaltvolle Reden zu schreiben, welche überzeugend wirkten und auch wertvolle Ansatzpunkte für die weitere Schreibarbeit enthielten. 11 Für viele war das „leere Blatt“ und die Möglichkeit zur selbständigen Auseinandersetzung mit einem Thema Anreiz genug, sich intensiv auf die Sache einzulassen. Auffällig war, dass viele Anfangsreden einen ähnlichen Aufbau aufwiesen: Die Lernenden nannten Argumente für ihre Meinung, zählten Gegenargumente auf und formulierten am Ende ein Schlußwort. Dieses Schreibmuster war vermutlich aus dem L1-Kontext übertragen worden und weist auf die hohe Transferierbarkeit von Schreibstrategien zwischen unterschiedlichen Sprachen hin. Diese Schreibmuster erlaubten es den Lernenden, rasch ins Schreiben zu kommen. Sie wurden in der nächsten Lernphase explizit gemacht, thematisiert und konnten so (wenn nötig) umstrukturiert oder „umgelernt“ werden. Die rhetorischen Strategien aus den „Anfangsreden“ der Pilotstudien werden in der Folge in tabellarischer Form und mit Hilfe von typischen Beispielen dargestellt (K1 und K2, N = 42). Zur Verdeutlichung ist jeweils noch ein Beispiel aus der Rede „I Have a Dream“ von Martin Luther King angefügt, welche die Lernenden zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht kannten. A) Rhetorische Figuren und Mittel, welche ihren Effekt durch Wiederholung von Wörtern oder Phrasen erzielen Wiederholungen von Wörtern oder syntaktischen Strukturen können zur Emphase dienen, indem ein wichtiger Begriff betont wird. Sie haben auch affektive Funktion, spiegeln die Betroffenheit des Autors oder lösen beim Zuhörer Emotionen aus. 11 Zwei vollständige Beispiele von Schülertexten aus dieser Phase finden sich in Appendix C. <?page no="130"?> 130 Def. Wiederholung desselben Wortes am Anfang von aufeinander folgenden Sätzen oder Phrasen (Anapher): Schüler „What, actually, is advertising? What does the school want to teach the students? “ (K2, S11) Experten- Beispiel „Now is the time to make real the promises of democracy. Now is the time to rise from the dark and desolate valley of segregation to the sunlit path of racial justice“ (Martin Luther King) Def. Unmittelbare Wiederholung eines Wortes: Schüler- Beispiel „And remember such a reformation costs millions, millions which are already missing in the education system“ (K2, S8); „Something bothers you...what is it? smoke, smoke, smoke“ (K1, S14) Experten- Beispiel „Free at last! Free at last! / Thank God Almighty, we are free at last! “ (King) Def. Mittelbare Wiederholung eines Wortes in einer Reihe von Sätzen: Schüler- Beispiel „This made me angry, very angry, because I think that it’s our freedom the freedom of everyone to smoke whenever and wherever we want to! “ (K1, S20) Experten- Beispiel „In a sense we've come to our nation’s capital to cash a check. [...] America has given the Negro people a bad check, a check which has come back marked „insufficient funds“ (King) Def. Wiederholung eines Wortes am Ende von Sätzen oder Phrasen: Schüler- Beispiel „A tasty salad prepared with smoke, a delicious meat surrounded with smoke, and a caramel-cream decorated with smoke ... what a horrible mix! “ (K1, S14) Experten- Beispiel „We will be able to work together, to pray together, to struggle together, to go to jail together, to stand up for freedom together“ (King) Tab. 5.2. Rhetorische Figuren der Wiederholung; Beispiele aus Pilotstudien von „Dream“ und von Martin Luther King <?page no="131"?> 131 B) Rhetorische Figuren, welche ihre Effekte auf der Ebene der Semantik erzielen Die folgenden rhetorischen Strategien erzielen ihre Effekte alle auf der Ebene von Wortbedeutungen; dazu gehören starke Kontraste, Über- oder Untertreibungen, Bildersprache und Metaphern, Wortspiele, Ironie. Def. Kontrast: Wenn ein Redner zwischen zwei Begriffen einen starken Kontrast erzeugt (Antithese), kann er ein Argument verdeutlichen oder seiner Meinung Nachdruck verleihen. In den folgenden Schülerbeispielen ist die Antithese jeweils durch ein linking word linguistisch markiert (nevertheless, although): Schüler- Beispiel „There is plenty to learn in their own language [...]. Nevertheless, I think English should be taught early“ (K1, S2); „Although we have just noticed that lack of knowledge in our own language we intend to waste more important education time“ (K2, S17) Experten- Beispiel „Nineteen sixty-three is not an end, but a beginning“ (King) Def. Ironische Übertreibung eines Arguments: Bei der Ironie wird die Bedeutung der Wörter in ihr Gegenteil verkehrt: Schüler- Beispiel „The ones who started this hate-campagne are the businessmen with the big ties who are complaining about everything in this country which doesn’t belong to their lifestyle. Of course I am just kidding“ (K2, S4). Experten- Beispiel „America has given the Negro people a bad check, a check which has come back marked ‘insufficient funds’” (King; stärkere Ironie wäre im Kontext von Kings Rede undpassend und kommt dort nicht vor). Tab. 5.3. Rhetorische Figuren der Semantik (Bedeutungsebene); Beispiele aus Pilotstudien von „Dream“ und von Martin Luther King <?page no="132"?> 132 C) „Dialogische“ Figuren und Strategien In dieser Kategorie richtet sich der Autor oder Redner direkt an die Zuhörer oder Mitglieder der „Gegenpartei“, versucht diese zu überzeugen oder deren Argumente zu entkräften. Tab. 5.4. Rhetorische Figuren des Dialogs (Interaktionssebene); Beispiele aus Pilotstudien von „Dream“ und von Martin Luther King Def. Rhetorische Frage: Der Redner stellt eine Frage, auf welche die Antwort offensichtlich ist oder gar keine Antwort erwartet wird. Dies ist eines der bekanntesten rhetorischen Mittel überhaupt, und wurde auch in den Anfangsreden von den Schülerinnen und Schülern am häufigsten verwendet: Schüler- Beispiel „They painted a hospital in red colour and payed a lot for doing it. [...] What does anybody get out of that? “ (K1, S9) „And what about foreigner children? [...] Do we not care about them? “ (K1, S10) Experten- Beispiel Die „rhetorische Frage“ kommt in Kings Rede nicht vor. Def. Eine Frage stellen und gleich beantworten; dabei kann der Redner laut denken und oder mit sich selber debattieren. Schüler- Beispiel “Now, if you had the choice, on which side would you go? For me it would be clear! ” (K2, S16) Experten- Beispiel Kommt in Kings Rede nicht vor Def. Direktes Ansprechen der Zuhörerschaft: Der Redner fordert die Zuhörer zum Mitdenken auf oder drückt seine Verbundenheit mit ihnen aus: Schüler- Beispiel „Imagine, these children are not yet able to write and read“ (K1, S2) Experten- Beispiel „I am not unmindful that some of you have come here out of great trials and tribulations“ (King) Def. Das Argument eines „Gegners“ aufgreifen, um es zu widerlegen: Schüler- Beispiel „A poster says; „Smoking makes you feel happy“. This is a lie, because if you look at the long-term effects, it may cause cancer or even kill you, which, I am sure, would not make you feel very happy“ (K2, S11) Experten- Beispiel „There are those who are asking the devotees of civil rights, ‚When will you be satisfied? ’ We can never be satisfied as long as the Negro is the victim of the unspeakable horrors of police brutality“ (King) <?page no="133"?> 133 Wie diese Zusammenstellung zeigt, fanden sich den Manuskripten der Lernenden bereits zu Anfang vielfältige und teilweise hochwertige Fähigkeiten und Strategien zum Erstellen einer guten Rede. Diese Fähigkeiten waren aber auf Einzelne verteilt und wurden meist (noch) unbewußt angewendet. Deshalb bestand die Aufgabe des nachfolgenden Unterrichts darin, die effizientesten Mittel und Strategien explizit zu machen und die Lernenden in einen produktiven Austausch darüber zu bringen. 5.2.2. Austausch der Reden unter Lernpartnern (peer feedback) Der nächste Auftrag an die Lernenden bestand darin, ihre Reden auszutauschen, sich diese gegenseitig vorzutragen und sich schriftliche Rückmeldungen über Qualitäten und Verbesserungspotential zu geben. Damit begann ein Prozeß des dialogischen Lernens, welcher im Kontext des kooperativen Lernens als „Dreischritt think-pair-share“ bekannt ist (Green & Green, 2005). Im ersten Schritt (think) erhalten die Lernenden genügend Zeit und Raum für individuelles Verstehen und Problemlösen, wobei die oben postulierte Individualität allen Lernens eingelöst wird (vgl. erster Auftrag). Beim zweiten Schritt (pair) geht es um die Überlegung, dass die individuellen Leistungen der Lernenden sich im Austausch und Vergleich mit anderen kognitiven Verarbeitungen desselben Gegenstandes messen lassen und als tauglich (viabel) erweisen oder aber optimiert und korrigiert werden müssen. Da es sich hier um eine komplexe Schreibaufgabe handelte, fand diese Interaktion schriftlich statt, wobei Lernende anderen ihre Texte zur Begutachtung vorlegten und auch individuelle Rückmeldungen erhielten. Alle Rückmeldungen zu den Reden wurden in den Lernjournalen gesammelt, so dass sie bei der nächsten Phase wieder zur Verfügung standen und in Ruhe studiert werden konnten. Anschließend überarbeiteten alle Lernenden ihre Reden und legten die fertige Version ins Portfolio (vgl. nächste Aufträge). Dabei kam der dritte Schritt zum Tragen (share). Dieser steht für die Aufforderung, die eigene Arbeit und die Ergebnisse der Bedeutungsaushandlung mit Lernpartnern an die ganze Lerngruppe zu kommunizieren. Durch die dialogische und prozessorientierte Arbeit an den eigenen Texten entstand innerhalb der Klassen ein ständiger Austausch, wobei die Schülerinnen und Schüler alternative Handlungsstrategien in den Arbeiten der anderen entdeckten und für ihre eigene Produktion nutzten. Dies ist auch deshalb wichtig, weil sowohl Erwachsene wie Kinder das schriftliche Argumentieren oft als das „Rechtfertigen eigener Auffassungen und Handlungen“ auffassen (Feilke, 2007, S. 156, Hervorhebung im Original), und somit in der Tendenz gerade nicht als Dialog, Perspektivenwechsel oder Integration unterschiedlicher Gesichtpunkte. Dieser Perspektivenwechsel wurde durch den Austausch der <?page no="134"?> 134 Texte geradezu erzwungen, wobei die Lernenden die Sichtweise anderer Menschen auf ihr Thema erfahren und so ihre eigene Meinung dazu erweitern und ergänzen konnten. Auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion läßt sich durch gegenseitige Lektüre und Kritik von selber verfaßten Texten besonders gut üben (Schneuwly 1996, S. 25). Durch die Betonung von peer learning in dieser Phase wird auf eine wichtige Erkenntnis der modernen Fremdsprachenerwerbsforschung bezug genommen. Zwischen peers spielen sich ähnliche Mechanismen des teilnehmenden und ko-konstruktiven Lernens ab, wie sie aus der Interaktion von Experten und Novizen bekannt sind: „Second language learners appear quite capable and skilful at providing the type of scaffolded help that is associated in the developmental literature with only the most noticeable forms of expertnovice interaction“ (Donato, 1994, S. 52; Brown & Palinscar, 1989; Williams & Burden, 1997; Lantolf & Appel, 1994). Die Zusammenarbeit der Lernenden wird deshalb heute in vielen fachdidaktischen Arbeiten als zentraler Faktor beim Erwerb komplexer Schreib- und Fremdsprachkompetenzen gesehen: „peer feedback emerges as an indispensable component of the [foreign language] classroom“ (Villamil & Guerrero, 2006, S. 37). Die Rückmeldungen unter Lernpartnern können dem student centred learning dienlich sein, da die individuellen Erfahrungen der Jugendlichen an die Oberfläche gehoben und als wichtiger Beitrag zum fachlichen Lernprozeß betrachtet werden: „the student’s knowledge is itself evaluated and used as a component of the teaching/ learning process“ (Rijlaarsdam, 1987, S. 1). Indem der Prozeß des Schreibens in den Vordergrund gerückt und damit auch mehr Zeit für Gespräche und Konsultationen zwischen Studenten und ihren Lehrpersonen vorgesehen werden, können die Jugendlichen ihre Möglichkeiten und Grenzen besser kennen lernen. Peer feedback ist auch ein geeignetes Mittel, um bei den jungen Schreibern ein Bewußtsein für eine Leserschaft während des Schreibens und Überarbeitens zu schaffen. Diese Arbeitsphase sollte einen authentischen Kontext schaffen, wobei die Lernenden die Wirkung des eigenen Textes für einen Leser direkt erfahren können: Students need to learn how to negotiate the context of writing by actually experiencing the process. For this purpose, each writing assignment needs to be placed in a real context of writing, involving a discourse community shared with real readers. Writing assignments such as asking students to write a critical review of one another's essay, and then to share it with the whole class, including the author of the essay, allow the writer to see how the intended readers react to his or her text and how other people approach the same task. (Matsuda, 1997, S. 58) <?page no="135"?> 135 Auf kognitiver Ebene geht es dabei um das Ausbilden von zwei Kompetenzdimensionen, welche Hyland (2007, S. 158 ff.) als shared consciousness und borrowed consciousness bezeichnet. Shared consciousness bedeutet, dass Lernende, welche gemeinsam arbeiten, effizienter schreiben und lernen als solche, welche isoliert arbeiten. Borrowed consciousness drückt die Idee aus, dass Lernende in der Zusammenarbeit mit Partnern auf der gleichen Stufe ein vertieftes Verständnis für die tasks and ideas der Lernaufgabe entwickeln (ibid., S. 158). Dahinter stehen sozialkonstruktive Theorien des Lernens, welche auf Vygotsky (1977) oder Bruner (1990) zurückgehen. Dabei wird scaffolding als Prozess gesehen, bei dem die Interaktion mit Lernpartnern und auch Experten (Lehrkräften) entscheidend wichtig ist. Diese Interaktion erlaubt es den Lernenden, vom bisher erreichten Kompetenzniveau zu einem Niveau der potential performance zu gelangen, also ihren gegenwärtigen Kenntnisstand zu erweitern und einen Schritt nach vorne zu machen. Während dies am Anfang nur mit Hilfe von Anderen möglich ist, werden neue Fähigkeiten mit der Zeit „internalisiert“ und können später selbständig verwendet werden. In einer frühen Studie untersuchte Chaudron (1984) die Wirksamkeit von Lehrerim Vergleich zu Schüler-Feedback und stellte dabei keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit fest. Seine Studie legte nahe, dass peer feedback genauso effizient ist wie teacher feedback wenn es darum geht, lerndienliche Überarbeitungsprozesse beim Schreiben auszulösen. In einer ähnlichen Studie verglichen Jacobs und Zhang (1989) die Wirksamkeit von Selbstfeedback, Schülerfeedback und Lehrerfeedback spezifisch an argumentativen Texten. Es zeigte sich, dass die Art und Weise der Rückmeldungen keinen Einfluß auf die Leistungen der Lernenden im Bereich der informational and rhetorical accuracy hatte. Peer feedback und teacher feedback waren aber besonders im Bereich der grammatical accuracy wirkungsvoll, wobei die Lernenden, die Feedback erfahren hatten, größere Fortschritte bei der sprachformalen Schreibentwicklung machten als jene, welche ohne ein Gegenüber reflektierten und überarbeiteten. Ein ähnlicher Befund zeigte sich auch bei „Dream“, wobei die Lernenden in der Versuchsgruppe deutlich stärkere formale Fortschritte machten als jene in der Vergleichsgruppe, in der auf peer feedback verzichtet wurde (vgl. Abschn. 6.8.). Als Erklärung bietet sich an, dass beim Lesen und Verstehen der Texte anderer Lernender viele sprachliche und grammatische Elemente automatisch mit-gelernt werden. Peer feedback unerstützt die Wahrnehmung und eigene Anwendung solcher Elemente (noticing), weil aktiver und sorgfältiger gelesen und besonders auch auf die sprachliche Oberflächengestaltung geachtet werden muß. Ng (1994) verglich die Effizienz von peer feedback und selbständiger (isolierter) Textüberarbeitung und stellte fest: <?page no="136"?> 136 Peer feedback did help enhance the experimental group’s revision skills. Some members of the group revealed a better awareness of the importance of purpose and audience during revision. [...] By contrast, the group which revised in isolation seemed to do less well [...] as they showed little awareness of purpose, audience, and tone during revision. (Ng, 1994, S. 73). Der Effekt von peer feedback liegt also in einem Fähigkeitsbereich beim Schreiben, welcher für das vorliegende Projekt zentral ist, nämlich ein Gefühl für die Adressaten zu entwickeln: „[Peer feedback] enabled students to gain a wider sense of audience. Such an awareness in turn sharpened their sensitivity towards the matter of tone as well“ (ibid., S. 73; vgl. auch Tsui & Ng 2000, S. 168-169). Eine wichtige Frage im Projekt „Dream“ lautete, ob die Schülerinnen und Schüler zu Projektbeginn in der Fremdsprache Rückmeldungen von ausreichender sprachlicher und inhaltlicher Qualität würden verfassen können. Zudem wurde im Pilot untersucht, ob die Vorteile dieser Arbeitsform gegenüber den Nachteilen überwiegen würden. Bei den möglichen Vorteilen läßt sich nennen, dass Schülerinnen und Schüler... • sich als Lernende mit Gleichgestellten austauschen können, die einen authentischen sozialen Kontext für Interaktion und Lernen bilden; • beim Lernen selber aktiv werden und dabei Rückmeldungen von verschiedenen realen Lesern in einer nicht bedrohlichen Situation bekommen; • gleichzeitig sehen, wie Leser ihre Ideen und Lösungen verstehen, und was sie noch verbessern müssen; • sich die Fähigkeit aneignen, ihr eigenes Lernen selber kritisch zu analysieren oder weiterzuentwickeln. (Hyland, 2003, S. 198) Mögliche Nachteile von peer feeback sind, dass die Schülerinnen und Schüler... • rhetorisch unerfahren sind und zu sehr an Oberflächenproblemen kleben, anstatt Ideen und Strukturen zu beachten; • vage, übermäßig kritische oder gar sarkastische Kommentare verfassen, die beim Lernen nicht hilfreich sind. (ibid., S. 198) <?page no="137"?> 137 Eine qualitative Analyse aller in den Pilotstudien verfaßter Lernjournale zeigte, dass bei „Dream“ bereits zu Beginn die hier genannten Vorteile gegenüber den Nachteilen deutlich überwogen. Die Lernenden waren nach der entsprechenden Anleitung rasch in der Lage, eine gehaltvolle Feedback-Kultur aufzubauen, wobei ihre Rückmeldungen an peers konkrete Hinweise zur inhaltlichen sowie formalen Überarbeitung von Lernaufgaben enthielten. Die Analyse der Rückmeldungen zu den „Anfrangsreden“ in den drei Klassen der Pilotstudien ergab, dass darin bereits vielfältige Kriterien guter Reden explizit angesprochen und benannt wurden. In der folgenden Tabelle ist dargestellt, wie häufig Schülerinnen und Schüler bestimmte Kriterien in ihren Rückmeldungen erwähnten, entweder als Qualitäten oder im Rahmen von Hinweisen für eine Überarbeitung: Kategorien Anzahl Erwähnungen pro Klasse K1 (11. SJ) (N=1 8) K2 (11. SJ) (N= 24) K3 (10. SJ) (N=14) Total (N=56) Sachkenntnis Qualität und Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente 24 27 22 182 (54%) Verwendung von Gegenargumenten („beide Seiten der Sache zeigen“) 8 6 10 Persönliche Erfahrungen mit dem Thema angeführt 7 10 7 Struktur der Argumente (z.B. Reihenfolge, Aufbau) 26 13 22 Stil Stilebene (z.B. persönlich/ unpersönlich, konventionell/ originell) 10 18 6 34 (10%) Adressatenbezug Grad, zu dem die Zuhörer in die Rede einbezogen werden (sie ansprechen, ihr Interesse oder ihre Emotionen wecken) 12 18 12 42 (12.5 %) Linguistische Strategien (Grammatik, Vokabular, auch rhetorische Figuren) Rhetorische Frage 9 16 0 70 Linking devices (z.B. „moreover“) 1 5 0 Art des verwendeten Vokabulars (z.B. vielfältig, reichhaltig). 9 5 2 <?page no="138"?> 138 Art der verwendeten grammatischen Konstruktionen 4 7 5 (21%) Wiederholungen (von Wörtern oder Argumenten, z.B. zum Zweck der Emphase) 4 2 1 Verschiedenes (z.B. Schriftgröße und -farbe, übertriebene und ironische Würdigung oder Ablehnung) 4 2 2 8 (2.5%) Tab. 5.5. Rhetorische und stilistische Kategorien in Schülerrückmeldungen zu „Anfangsreden“ aus „Dream“; Anzahl Nennungen in absoluten Zahlen und Prozenten Etwa die Hälfte aller Nennungen in den Rückmeldungen entfiel auf inhaltliche Qualitäten, sachliche Richtigkeit oder Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente. Offenbar lautete eine subjektive Theorie der Lernenden, dass eine Rede insbesondere durch klug gewählte Inhalte und die Qualität ihrer Argumentation überzeugend wirkt. Vielen Jugendlichen war auch bewußt, dass manche Argumente erst durch eine gewisse Steigerung oder Überzeichnung das nötige Gewicht erhalten und im Gedächtnis der Zuhörer haften bleiben. Dazu bemerkte ein Schüler in seiner Rückmeldung zu einer Rede über Rauchverbote: „Sentences that go as far as mentioning death really stay in your head“ (K3, S4). Er verwies dabei auf die affektive und mnemotechnische Funktion von pointierten Argumenten. Besonders überzeugend wirken Argumente auch dann, wenn sie der eigenen Erfahrung der Rednerin entstammen, wie eine weitere Schülerin bemerkte: „It is very convincing that you mentioned arguments from your own experience“ (K3, S11). Im folgenden Beispiel hatte die Autorin ihre Zuhörer mit ihrem soliden Fachwissen zum Thema Schuluniformen beeindruckt: „In England and America in the mid-90ies, many schools introduced school uniforms [...] Despite the fact that [they] are very „uncool“, they have many advantages“ (K3, S2). In seiner Rückmeldung spiegelte ihr ein Mitschüler diese Strategie zurück und arbeitete deren Stärken heraus: „Positive: leave it for others to say their opinion. Only informative, not trying to convince“ (K3, S4). Hier kann man mitverfolgen, wie im Dialog ein wichtiges Grundprinzip der Rhetorik kokonstruiert wird: ars celare artem. Oft ist jener Redner am erfolgreichsten, der seine Kunst zu verbergen vermag. Der römische Rhetoriker Quintilian brachte das so auf den Punkt: „dissimulata enim et, ut Graeci dicunt, anepiphantos actio melius saepe subrepit“ („eine getarnte und, wie die Griechen sagen, unauffällige Redeweise kommt oft besser voran“; Institutio Oratoria 4.1.60). <?page no="139"?> 139 Für gute Reden sind neben rhetorischen und inhaltlichen auch formalsprachliche Aspekte zentral. Es war deshalb aufschlußreich, dass sich die Lernenden bereits zu Projektbeginn auch zu sprachlichen Strategien guter Reden äußerten (ca. 21% aller Nennungen). Dazu kamen Rückmeldungen zur Stilebene (10%) und zum Adressatenbezug der Reden (12.5%). Zum Thema Stil bemerkte z.B. eine Schülerin, dass man Texte nach dem Grad ihrer Formalität variieren und damit ihre Wirkung steuern kann. Einem Mitschüler, der in seiner Rede zum Thema „Rauchen in öffentlichen Räumen“ einen informellen Stil gewählt hatte, riet sie, dieses zu überdenken: „Sometimes a bit informal, although you said „ladies and gentlemen“ in the beginning“ (K3, S13). Auch übertriebenes Pathos kann die Überzeugungskraft bei diesem Thema schmälern, wie sie in einer weiteren Rückmeldung festhielt: „It sounds as if you would be trying to raise money for a charity. Leave words and sentences out like 'change the world'“ (K3, S13). Trotz ihrer sprachlichen Mängel benennen diese Rückmeldungen zentrale Entwicklungsperspektiven in den Reden der Mitschüler und zeigen Ausgangspunkte für zielgerichtete Überarbeitungen auf. Manche Rückmeldungen waren zu belanglos oder zu wenig spezifisch, um den Weg für weitere Entwicklungen vorzugeben („well done! “). Oft gelang es den Lernenden aber, eine Balance von Lob und konstruktiver Kritik herzustellen, oft unter Nennung konkreter Überarbeitungsvorschläge. Im folgenden Beispiel erklärt eine Schülerin ihrer Kollegin die Wichtigkeit eines adressatenbezogenen Ausdrucks und macht Vorschläge zur konkreten Umsetzung: It’s good that you start with an example, so everybody can imagine what you want to say. Some sentences seem a bit complicated to me, I didn’t understand one sentence at all: „Although we have just noticed that lack of knowledge...“ - -> You have to think about the fact, that the audience only hears every sentence one time, so it mustn’t be difficult. I like the way you ask questions and try to integrate the hearers. (K1, S22) Dieser Schülerin war klar, dass Reden nicht per se gut oder schlecht sind, sondern in unterschiedlichen Kontexten verschieden wirken und dabei passend bzw. unpassend sein können. Deshalb muß bereits beim Schreiben auf die nachfolgende Rezeption durch die Zuhörer Rücksicht genommen werden. In der Diskussion darüber, wie sich verschiedene Wirkungen bei den Zuhörern erzeugen ließen, kamen die Lernenden auch auf Aspekte wie Grammatik, Wortschatz oder Syntax zu sprechen. Manchmal ging es einfach darum, den passenden Begriff für eine Sache zu finden: „I would not call the smell „ridiculous“, more „revolting“ (K3, S9). <?page no="140"?> 140 In der Klasse im 10. Schuljahr (K3) waren nur relativ wenige Rückmeldungen auf den sprachlichen Gehalt der Texte bezogen. Offenbar war hier das Bewußtsein für den Zusammenhang von Form und Wirkung anfänglich noch wenig ausgeprägt. Dies war ein wichtiger Hinweis für die Lehrkraft, im weiteren Verlauf des Projektes besonders auf diesen Zusammenhang zu achten. Insgesamt zeigte sich aber deutlich, dass die Lernenden bereits zu Anfang des Projekts in ihren Rückmeldungen wichtige Qualitätskriterien von guten Reden benannten, und der Aufbau des Lernens auf ihrem Vorwissen damit durchaus gerechtfertigt war. Durch die Analyse eines konkreten Fallbeispiels soll hier nochmals herausgearbeitet werden, auf welchen Ebenen sich Lernpartner in dieser „peerevaluativen“ Phase (Tesch, 2010, S. 73) unterstützten und ihre individuellen Kompetenzen weiter entwickelten. Der hier dargestellte Austausch erfolgte zwischen Arthur und Ben (K3). 12 Arthur hatte das Thema „Klonen beim Menschen“ gewählt und versucht, dieses ausgewogen und sachlich abzuhandeln: There are many risks with cloning: industries could start cloning their perfect worksman and more people would start to become identical to each other. The possitiv effect of cloning would main be economicaly. If the method of cloning would be secure there would be less malformed children. (Textausschnitt aus der „Anfangsrede” des Schülers Arthur, K3, S3) Aus diesen rationalen Argumenten leitete Arthur die Schlussfolgerung ab, dass das Klonen bei Menschen verboten bleiben müsse. Ganz anders ging Ben bei seiner Rede zu „Rauchen in öffentlichen Räumen“ vor. Er versuchte durch bewußte Übertreibung die Kraft seiner Argumente zu steigern und schreckte dabei vor der Diffamierung von (imaginären) Gegnern nicht zurück: These diners should have the right to offer a smoke-free environment, in which eating can become a pleasure, instead of an everlasting battle against the poisonous fumes emitted from that stinking rod of hell in the mouth of your neighbour. [...] People will say that I exaggerate. They may claim that I discriminate smokers. [...] Those people want to deceive you! (Textausschnitt aus der „Anfangsrede” des Schülers Ben, K3, S14) Bereits an diesen Ausschnitten wird deutlich, wie unterschiedlich die Vorgehensweisen der beiden Schüler gewesen waren. Arthur verfügte über viel De- 12 Minidisc-Aufnahmen im Unterricht; sprachlich leicht geglättete Transkriptionen. <?page no="141"?> 141 tailwissen zum Thema, welches er „sachlich“ vor seinen Zuhörern ausbreitete. Die Herausforderung für ihn bestand darin, seine Rede durch geschickten Einsatz rhetorischer Mittel noch packender zu gestalten, und sich auf sprachlich-formaler Ebene zu verbessern. Ben hingegen war zweisprachig aufgewachsen und beherrschte bereits viele sprachliche und rhetorische Stilmittel zur Gestaltung einer Rede. Für ihn standen Entwicklungen im moralischen oder ethischen Bereich an: Welche Mittel darf der Redner überhaupt verwenden, um sein Ziel zu erreichen, und wo liegt die Schwelle zum moralisch verwerflichen Einsatz der ars rhetorica? Erst durch die Verbalisierung ihrer Vorgehensweisen wurde diesen Schülern bewußt, welche Konzepte beim Erstellen ihrer eigenen Reden handlungsleitend gewesen waren. Sie lernten im Austausch auch neue Wege zum Schreiben einer Rede kennen, woraus sich wichtige Erkenntnisse für das eigene Schreiben ergaben. Gleichzeitig übernahmen diese Gespräche und Diskussionen im Klassenzimmer die Funktion eines „Geburtshelfers“ im Prozeß der inhaltlichen Meinungsbildung (Feilke, 2008, S. 10). Im folgenden Gespräch, welches anschließend an ihre schriftlichen Rückmeldungen stattfand, läßt sich dieser Prozeß ansatzweise mitverfolgen: Ben: Arthur, your speech would be probably very convincing in a university...but probably not very convincing if you are trying to get the masses to follow you...I would say. The lower part of the people, in my view, they need a bit of an interesting part of the truth...to have you...ahhm, to have them believe you...I personally think. [....] If you are trying to convince a big mass of people, then I think you should...aah...possibly twist the truth a little...stylish details to get the people to believe you...if possibly what you are saying is not one hundred per cent true. Arthur: Well Ben...to your speech about smoking, it was...well just the opposite of what ... of my speech. [Beide lachen.] It was for...I think...for the public...a speech like a president would have to the public to...very convincing, but there weren’t any facts in it...which might be good...might be bad. For the public maybe good, you couldn’t use the speech at the university...maybe the beginning, the introduction is very good...but you would have to put more information to this of course. (Gespräch zw. Arthur und Ben zu ihren „Anfangsreden“, K3) 13 13 Minidisc-Aufnahmen im Unterricht; sprachlich leicht geglättete Transkriptionen <?page no="142"?> 142 In solchen Austauschprozessen können auch leistungsschwächere Schüler von Fortgeschrittenen viel lernen: „Those still using a naive strategy can learn by observing others who have figured out a more productive one” (Pellegrino et al., 2001, S. 88). Im Fall von Ben und Arthur war aber unklar, wer von beiden der „Fortgeschrittene“ war. Durch die Interaktion lernten beide in jenen Bereichen dazu, wo jeweils Entwicklungsbedarf bestand. Wichtig dabei war, dass sie sich um ein gemeinsames Verständnis der Sache bemühten und daraus Erkenntnisse für die weitere Arbeit ableiteten. Arthur faßte seine Haupterkenntnis aus dieser Arbeitsphase so zusammen: „We both learned that the way the speech is written totally depends on who the audience is. We realized that because both our texts talked to different audiences and couldn’t be used for another audience“. Diese Adressatenbezogenheit von Sprache und ihren Wirkungen ist ein zentrales Element der rhetorischen Theorie, welches die Lernenden hier im persönlichen Austausch direkt entdecken und verstehen konnten. Zudem konnten sie so ihre persönliche Meinung zum gewählten Thema schärfen und differenzieren. 5.2.3. Rückmeldungen der Lehrpersonen zu den „Anfangsreden“ In dieser Phase kam auch den Lehrkräften eine wichtige Rolle zu. Sie nahmen die Reden der Lernenden nach Hause und gaben ihnen kurze schriftliche Rückmeldungen, wo sie deren Qualitäten sahen. Diese Rückmeldungen durch Lehrkräfte waren für die Schreibprozesse bei „Dream“ insgesamt zentral, denn ohne gezielte didaktische Anleitung überarbeiten die Schüler nicht (Böttcher & Becker-Mrotzek, 2003, S. 107). Die Lehrpersonen markierten gelungene Passagen mit einem Häkchen oder Ausrufezeichen und machten durch Unterstreichungen auf Fehler aufmerksam, ohne diese zu sanktionieren. An die Stelle der traditionellen Instruktion trat zuerst das Fördern und Explizitmachen von erfolgsversprechenden Konzepten. Dabei galt es, den Blick auf die Qualitäten in den Redemanuskripten zu richten und den Jugendlichen zu zeigen, welche Passagen gelungen waren und wo sie mit ihren Überarbeitungen ansetzen konnten. Dieser Blick auf die Qualitäten war wichtig, da oft auch „falsche“ und scheinbar verquere Ideen und Konzepte entwicklungsfähig sind oder notwendige Zwischenschritte beim Erwerb hoher Schreibkompetenz darstellen. Gerade am Anfang darf der Anspruch von „Fehlerlosigkeit“ die Lernprozesse nicht zu stark prägen. Indem sie ihr Organisationsmonopol im Unterricht teilweise abgaben, wurden auch Energien bei den Lehrpersonen frei, um ihre pädagogischen und fachlichen Kompetenzen einzubringen (Legutke, 1988, S. 220). Sie versuchten den Jugendlichen zu helfen, die „Lücke“ zwischen momentaner und angezielter Kompetenz zu verkleinern. Diese Tätigkeit wurde im Projekt als scaffold- <?page no="143"?> 143 ing verstanden: „The teacher provides initial explicit knowledge and guided practice, moves to sharing responsibility for developing texts, and gradually withdraws support until the learner can work alone” (Hyland, 2007, S. 159). Die Rückmeldungen hatten also nicht primär beurteilenden Charakter, sondern sollten zur Schaffung einer Atmosphäre des Respekts, der Anerkennung und der Wertschätzung für Leistungsanstrengungen und Fortschritte beitragen (Hallet, 2011, S. 178). Die Herausforderung in diesem spezifischen Fall lag darin, durch konkrete Hinweise die „Geburt“, d.h. das Hervorbringen von eigenen Formulierungen und Textteilen, zu erleichtern. Diese mußten so konkret sein, dass eine Überarbeitung eingeleitet wurde, aber nicht so sehr lenken, dass der Eingriff zu radikal geriet. Geraten die neuen Ansätze des Wissenserwerbs im Dialog nämlich ins Sogfeld von sozialen Einflüssen und Schulritualen, dann werden Kommunikationsstrukturen ebenso wie die Interpretation und Bewertung der möglichen Bedeutungen des Gesprächs über die Schreibprodukte schnell allein von den Lehrpersonen bestimmt, während die Lernenden keinen Einfluß haben (Bräuer, 2000, S. 128). Aus diesem Grund wurde im vorliegenden Projekt zusätzlich zu den individuellen Rückmeldungen das Instrument der „Autographensammlung” (Ruf und Gallin, 2005b, S. 244 ff.) eingesetzt. Dieses stammt ursprünglich aus der „Dialogischen Didaktik“ und hat den Zweck, interessante Ideen und Vorgehensweisen der Lernenden weiter zu entfalten, besser zu verstehen und diejenigen herauszuarbeiten, die viel zur Lösung der Aufgabe und zu ihrer fachlichen Verankerung beitragen können. Dabei wählt die Lehrperson mit fachlich geschultem Blick interessante Passagen aus Schülerarbeiten aus, gruppiert diese, setzt markante Titel und bringt sie als „Lehrmittel“ wieder in die Klasse ein. Kernidee dabei ist, dass die Lernenden selber wertvolles Material für eine fachliche Analyse des Themas liefern. Durch die getroffene Auswahl können die Lehrpersonen ihrerseits die eigenen Qualitätsvorstellungen beim Thema transparent machen. Im vorliegenden Projekt wählten sie Stellen mit rhetorischen Figuren und sprachlichen Strukturen aus, welche sich zu regulären Verfahren und Handlungswerkzeugen verdichten liessen und deshalb nach ihrer Ansicht für die weiteren Lernprozesse nützlich waren. Es ging also darum, eine Brücke zwischen den singulären Lernbewegungen der Schülerinnen und Schüler und den regulären Anforderungen fachlicher Lernaufgaben zu schlagen. Die Autographensammlung enthielt konkrete Rückmeldungen und wies die Lernenden auf Entwicklungsperspektiven hin, ohne ihnen einfach zu zeigen, „wie es wirklich geht“. Es wurden darin Handlungsweisen und Sprachstrategien explizit gemacht, die Erfolg versprechend waren und mit regulären Begriffen und Verfahren argumentativen Schreibens in Verbindung gebracht werden konnten. <?page no="144"?> 144 Bereits die humanistische Fremdsprachendidaktik hat den Einsatz und Austausch von Lernertexten propagiert, wobei das Analysieren und Üben von sprachlichen Strukturen anhand authentischer Beispiele im Zentrum stand: „student offered material as the basis for learning and practicing language structures“ (Legutke & Thomas, 1991, S. 37). So sollten Lernende die Möglichkeit erhalten, sich im Klassenzimmer auszutauschen und dabei sich selbst und andere besser kennen zu lernen: „learners bring to the learning situation a basic need and willingness to communicate and the desire to experience themselves“ (ibid., S. 37). Ziel dieses Austausches ist, dass junge Menschen die eigenen Fähigkeiten und jene der Lernpartner entdecken, davon lernen und gleichzeitig ein positives Selbstkonzept im Fach aufbauen können. Die dabei erarbeiteten Sprach- und Schreibstrategien stellen gleichzeitig auch Kriterien dar, wann eine Lösung als gelungen betrachtet werden kann (Böttcher & Becker-Mrotzek, 2003, S. 108). Der Einsatz von Belegstücken und Textausschnitten der Lernenden ist auch unter dem Gesichtspunkt der kritischen Reflexion und der Ko- Konstruktion von Qualitätskriterien diskutiert worden: „The most readily available material for students to work on for evaluative and remedial experience is that of fellow students“ (Sadler, 1989, S. 139). Die Erklärungen von Lehrpersonen, was eine gute Lösung zu einer Aufgabe ausmacht oder welche Qualitäten sie bei einer bestimmten Arbeit erwartet, sind für Lernende nicht immer einfach zu verstehen. Die abstrakte Sprache von Lehrerkommentaren oder Kompetenzzielen läßt sich oft nur schwierig in konkrete Überarbeitungsstrategien umsetzen. Gelungene Lösungsbeispiele enthalten dagegen reiche, oft auch implizite Informationen darüber, was eine gute Leistung in einem Gebiet ausmacht oder mit welchen Mitteln sie zu erreichen ist: „Exemplars convey messages that nothing else can“ (Sadler, 2002, S. 136). Die Analyse gelungener Beispiele dient der Explizierung der darin enthaltenen Sprachstrukturen und Handlungsstrategien, um das Wissen von Experten über Qualität in einem Fachbereich mit der Zeit auf die Lernenden übergehen zu lassen. Denn dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie unabhängig von der Lehrperson werden und auch in die Lage kommen, die Anwendung ihrer fachlichen Handlungskompetenzen verstärkt selber zu steuern. Das folgende Beispiel zeigt eine Autographensammlung, welche eine Lehrperson bei der Durchführung von „Dream“ an der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon einsetzte: <?page no="145"?> 145 Abb. 5.1. Autographensammlung aus dem Projekt „Dream“ 14 14 Lehrperson der Klasse war Eveline Reichel. Sie hat auch diese „Autographensammlung“ zusammengestellt. Dieses Dokument stammt also aus der "Hauptstudie". <?page no="146"?> 146 Um den Ausschnitten 1 und 3 wandten Patrizia und Christian ähnliche rhetorische Strategien an: Patrizia befasste sich mit der Frage, ob Englisch bereits auf der Kindergartenstufe unterrichtet werden soll. Sie verwendete dazu drei „rhetorische Fragen“, welche sie auch gleich selber beantwortete. Indem alle Satzpaare mit denselben Wörtern beginnen und enden, entstehen Wortwiederholungen, die ihre Meinung klar ausdrücken, eingängig wirken und bei den Zuhörern eine emotionale Beteiligung auslösen. Eine ähnliche Strategie verfolgte Christian bei der Frage, ob das Rauchen in Restaurants und Bars verboten werden sollte. Er forderte die Zuhörer zuerst auf, sich eine verrauchte und stinkende Welt vorzustellen, wobei auch er diese Vision mit Wortwiederholungen ausgestaltete („A world where... A world where...“). Die rhetorischen Fragen am Ende zielen darauf ab, die eigene Ablehnung dieser Vision noch deutlicher werden zu lassen („I wouldn’t“). In Ausschnitt 2 verfolgte Natascha eine ganz andere Strategie, um ihrer Abscheu gegenüber dem Rauchen in öffentlichen Räumen Ausdruck zu geben. Die Zuhörer sind aufgefordert, sich besonders schutzlose Menschen vorzustellen (alte Leute, Kinder), die von einer „weissen Wolke aus Rauch“ eingenebelt bzw. „gefangen genommen“ werden („captured“). Mit dieser Metapher schaffte sie eine starke Bildlichkeit der dargestellten Szene, welche die Zuhörer ergreifen und ihnen im Gedächtnis haften bleiben sollte. Diese Textausschnitte enthielten also originelle Ideen der Lernenden, die sich in rhetorische Instrumente „übersetzen“ liessen. Die Fachbegriffe dafür lauten erotema (rhetorische Frage), anaphora (Wortwiederholung am Anfang einer Reihe von Sätzen) und metaphora (bildlicher Sprachgebrauch). Durch die konkreten Beispiele konnten die Lernenden die Wirkung dieser Instrumente auf die Zuhörer im Kontext des Klassenzimmers erleben. Damit war die Einbettung der fachlichen Handlungsstrategien in einen echten Anwendungskontext gewährleistet. Auch wurde ein bekanntes Diagnoseproblem des Schreibens angegangen, nämlich dass die Jugendlichen zwar rasch einen subjektiven Eindruck gewinnen, aber nur schwer Kriterien für das Überarbeiten finden (Böttcher & Becker-Mrotzeck, 2003, S. 134). Durch die Analyse der Autographensammlung wurden nicht bloß Eindrücke gesammelt, sondern tools und Gestaltungsmittel konkret benannt und systematisiert. Damit lernten die Schülerinnen und Schüler eine Sprache für das zu finden, was sie beim Schreiben taten. Zugleich konnten sie auch erfahren, dass ihre Ideen im Unterricht wirklich wichtig waren. Dies kann auch die Entwicklung hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugungen befördern: Je mehr sich die Jugendlichen als selbstwirksam erfahren, desto höhere Ziele setzen sie sich und desto mehr fühlen sie sich diesen verpflichtet (Bandura, 1982). Besonders mit Blick auf die spezifischen Bildungsziele der schulischen Oberstufe ist es sinnvoll, dass Lernende ihre eigenen Äußerungen und jene <?page no="147"?> 147 von Mitschülern analysieren und deren Form, Inhalt, Wirkungsweise und Angemessenheitsgrad in einem Sprachkontext vertieft verstehen lernen. Sie erwerben dabei Sprachkompetenz mit einem hohen „Analysiertheitsgrad“, was bei Problemstellungen mit wachsender Komplexität immer wichtiger wird (Bialystok und Sharwood Smith, 1985, S. 100; Edmonson und House, 2000, S. 328). Nicht alle Kontexte der Sprachverwendung erfordern den gleichen Grad an Analysiertheit von sprachlichem Wissen: Viele Alltagssituationen lassen sich durch Verwendung „vorgefertigter“ Sprachelemente angemessen meistern, z.B. durch ritualisierte Ausdrücke oder Standardmuster. Für anspruchsvolle, nicht-alltägliche oder akademische Kommunikationssituationen ist ein hoher Analysiertheitsgrad von sprachlichem Wissen jedoch unabdingbar. Dabei müssen Lernende fähig sein, abzuwägen, auf welche Weise sie etwas ausdrücken wollen, ob dies der Situation angemessen ist und wie die Wirkung auf die Adressaten sein wird. Dazu gehört, die Konventionen eines Genres zu kennen, in dem die Äußerung erfolgt, und den eigenen Beitrag entsprechend auszurichten. Hier bestimmt nicht nur das sprachlich-formale Können das Kompetenzniveau von Lernenden, sondern auch das reflektierte Wissen über dessen „Anwendungsbedingungen“: [T]he qualitative feature of analysis [...] determines ultimately what the learner will be able to do with the language. […] It is primarily when language is used creatively, applied to new contexts, or used for specialised purposes, such as literacy, that analysis of structure becomes crucial. (Bialystok & Sharwood Smith, 1985, S. 107) Lernende mit „analysiertem“ Wissen sind gerade bei Situationen im Vorteil, die eine sorgfältige Anpassung der Sprache an einen kommunikativen Kontext benötigen. Anhand einer Autographensammlung lassen sich diese analytischen Fähigkeiten in praxisnahen Kontexten ausbilden und trainieren. 5.2.4. Überarbeiten und Verbessern des ersten Manuskripts Mit dieser Phase wurde der erste Arbeitszyklus von „Dream“ beendet. Sie ist wichtig, da die Fähigkeit und die Bereitschaft, eigene Texte zu überarbeiten und in der Überarbeitung ein höheres Niveau zu erreichen, grundlegend für eine hochentwickelte Schreibkompetenz sind (Murray, 1978, Böttcher & Becker-Mrotzek, 2003, S. 105). Wolff (1992, S. 131) bezeichnet die Förderung des Überarbeitungsverhaltens als zentralen Anspruch an die L2- Schreibdidaktik, wobei das Erlernen des Überarbeitens eine zielorientierte Revision voraussetzt: Das Kriterium der Angemessenheit muß je nach Kon- <?page no="148"?> 148 text und Textsorte neu definiert werden. Im vorliegenden Projekt ging es darum, die rhetorischen Qualitäten im ursprünglichen Manuskript zu verstärken und so dessen Überzeugungskraft zu verbessern. Dazu gehörte erstens der kluge Einsatz bestimmter Fachwerkzeuge und tools, die aus den Texten der Lernenden selber erarbeitet worden waren (peer feedback, Autographensammlung), zweitens auch das Eliminieren von (Sprach-)Fehlern oder argumentativen Schwächen. Solche Überarbeitungsprozesse werden in der Unterrichtspraxis oft nur selten angewendet, weil sie zeit- und arbeitsintensiv sind (Calfree & Perfumo, 1996, S. 165; Frentz, 2008, S. 10; Caspari, 2005, S. 11). Jedoch lassen erst Verbesserungen über mehrere Stufen eine systematische Erweiterung der Schreibkompetenz und auch eine Reflexion der eigenen Arbeitsprozesse zu, was gerade auf höheren Lernstufen eine zentrale Funktion des Schreibens darstellt: „The main function of writing at higher levels of education is to expand one’s own knowledge through reflection rather than simply to communicate information“ (Bereiter & Scardamalia, 1987, S. 5). In den Pilotstudien zeigte sich, dass in dieser Phase des Überarbeitens vielen Lernenden signifikante Verbesserungen in ihren Texten gelangen. Die folgende „Anfangsrede“ stammt von der Schülerin Miriam (K1, S19), die im Englisch oft schlechte Noten erzielt hatte. Die Lehrperson schätzte im Vorfeld des Projektes ihre Fähigkeit, eine gute Rede zu schreiben, als „ungenügend“ ein. Die erste Fassung der Rede zu „Smoking in public places“ bestätigte diese Einschätzung in dem Sinn, dass Miriam beim unvorbereiteten Schreiben viele Fehler passierten: <?page no="149"?> 149 Abb. 5.2. Ausschnitt aus der „Anfangsrede“ von Miriam (K1, S19), Projekt „Dream“ Blickt man auf die Qualitäten von Miriams Rede, so zeigt sich, dass sie über gutes Sachwissen verfügte. Zudem gelangen trotz sprachlicher Defizite und fehlendem Vokabular an einigen Punkten eine gute rhetorische Umsetzung, z.B. durch explizite Strukturierung der Argumente („that’s one point, ... but another point“). Wichtige Hinweise zur Überarbeitung erhielt Miriam einerseits von der Lehrkraft: Good arguments and good linking devices. Maybe you can find some more linguistic strategies to make your speech more exciting (too many language mistakes! ) (Rückmeldung der Lehrkraft). Andererseits enthielt ihr Lernjournal auch Rückmeldungen von den Mitschülern, welche in die Überarbeitung einbezogen werden konnten: I think your speech is quite exciting. Even though it is a bit a mess with the structure, your points are easy to understand. But I think it would be good for the link between the audience and you, if you would build in more questions. And there were quite a lot mistakes (Rückmeldung einer Klassenkameradin; eine von drei in Miriams Lernjournal). Die Tatsache, dass bereits ihr erster Text wohlwollende Leser gefunden hatte und sogar einige Qualitäten enthielt, schenkte Miriam Selbstvertrauen und <?page no="150"?> 150 ließ eine Überarbeitung lohnend erscheinen. Ihre Überarbeitungsstrategie beschrieb sie in der abschließenden Lernreflexion so: „I’ve read these things who wrote my teacher and the feedback. After this I corrected my mistakes and I used Heinemann [Grammatikbuch] to put some linguistic strategies in the speech. At the end, a friend of mine corrected the speech“. So erzielte sie beträchtliche Fortschritte, wie ein Ausschnitt aus ihrer überarbeiteten Version deutlich macht: Abb. 5.3. Ausschnitt aus der überarbeiteten Rede von Miriam (K1, S19), Projekt „Dream“ Auffällig ist die starke Verbesserung auf grammatischer und syntaktischer Ebene sowie beim Wortschatz. Miriam hatte das Vokabular bezüglich Umfang und thematischer Relevanz deutlich erweitert und setzte nun konsequent verschiedene „linking devices“ ein („now“, „in addition to this“). In der witzigen Beschreibung, wie jemand beim Essen im Restaurant „eingenebelt“ wird, benutzte sie ein phrasal verb („wrap up in“). Durch die formale Verbesserung unter Beibehaltung der geschickten Strukturierung war die Überzeugungskraft der Rede deutlich gestiegen. Miriam hatte damit die Hauptziele der ersten Lernphase erreicht, eine überzeugende Rede geschrieben und dabei die Lücke zu den ursprünglich besser eingeschätzten Lernpartnern praktisch zu schließen vermocht. Sie hatte das argumentative Schreiben nicht als Geniestreich erlebt, sondern als ein Erkenntnisprozeß, der im Spannungsfeld von schreibendem Individuum, Welt und Rezensent stattfindet (Bräuer, 1998, S. 12). <?page no="151"?> 151 5.3. Zweite Lernphase: Kompetenzen eines Experten in Bezug auf die Aufgabe explizit und verfügbar machen. 5.3.1. Reden von Martin Luther King und Barack Obama als mustergültige Beispiele analysieren Während in ersten Lernzyklus von „Dream“ der process approach to writing deutlich sichtbar wurde, stand im zweiten Lernzyklus verstärkt ein genrebased approach im Zentrum. Dabei studierten die Jugendlichen herausragende Reden von Martin Luther King oder Barack Obama mit dem Ziel, ihr persönliches Repertoire an Handlungsstrategien auf diesem Gebiet zu erweitern und zu vertiefen. In den Pilotstudien kam die Rede „I Have A Dream! “ von Martin Luther King (1963) zum Einsatz, in der Nachfolgestudie die „State of the Union“ Rede von Barack Obama (2009). Beide Reden enthielten eine Reihe mustergültiger rhetorischer Mittel und dienten den Jugendlichen damit als Orientierungsvorgabe für das eigene Schreiben. Sie repräsentierten die angestrebte Kompetenz in Form einer Musterlösung, transportierten einen geschichtlichen bzw. literarischen Inhalt und gaben Hinweise, worauf es bei gelungenen Schreib- und Vortragsprozessen ankommt. Gleichzeitig sollten so „Weltausschnitte oder Diskurswelten“ eröffnet werden, „die mit wichtigen Fragen an die Lernenden in ihrer Eigenschaft als kulturelle Akteure verbunden sind und die sie daher dazu herausfordern, sich diese Welten zu erschließen“ (Hallet, 2011, S. 102). 15 Die Reden wurden den Lernenden zuerst auf Video vorgespielt, dann waren sie aufgefordert, persönliche Reaktionen und Analysen dazu zu verfassen. Die Schülerinnen und Schüler gingen dabei immer von ihren persönlichen Eindrücken aus, welche die Expertenbeispiele in ihnen auslösten und welche sie in einem Lernjournal festhielten. Diese verglichen sie mit jenen der Lernpartner und objektivierten sie anschließend mittels einer Analyse der Ausdrucks- und Strukturierungsmittel, welche in den einzelnen Expertenbeispielen verwendet wurden. So sollten sie zu vertieften Einsichten über die Effizienz und Angemessenheit rhetorischer Gestaltungsmittel gelangen, deren Wirkung sie zuerst erlebt und dann in dem Sinne verstanden hatten, dass sie wußten, wie sie solche Wirkungen in anderen Kontexten selber erzeugen konnten. Die Reden wurden dabei also nicht (nur) unter historischer oder politischer, sondern v.a. unter generischer Perspektive analysiert: Es wurde davon ausgegangen dass diese Texte eine Reihe von Ausdrucksmitteln und Strukturelementen enthielten, welche über das darin behandelte Thema hinaus auf andere Kontexte anpaßbar und prinzipiell auch durch die Schülerinnen und 15 Die im Unterricht verwendeten Redetexte finden sich in Appendix D. <?page no="152"?> 152 Schüler selber erlernbar waren. An Kings Rede liessen sich u.a. sich folgende expressive tools guter Reden exemplarisch studieren: • Einzelne Phrasen und keywords durch Wiederholung am Satzbeginn betonen; • Bestimmte Schlüsselthemen im Sinne von Leitmotiven verwenden, um ihre besondere Bedeutung aufzuzeigen; • Geeignete Zitate und Verweise verwenden, welche die eigene Argumentation stützen; • Konkrete Beispiele verwenden, mit denen die eigene Argumentation begründet wird; • Metaphern und Bildersprache gebrauchen, um Gegensätze in der Rede hervorzuheben. Beispiele für die emphatische Wiederholung von Ausdrücken, Bildern und Ideen am Anfang von Sätzen wären „one hundred years later…”, „Now is the time…”; „we can never (cannot) be satisfied…”, usw. An der Anapher „Now is the time“ zeigt sich auch, wie eine Formulierung aus einem einzelnen Text zu einem wiedererkennbaren und deshalb effizienten Ausdrucksmittel eines bestimmten Genres werden kann: Der Ausdruck spielt in Barack Obamas Kampf um seine Wiederwahl 2012 eine wichtige Rolle, wie z.B. eine Rede vom 4. Januar 2012 zeigt: „Now is not the time to play politics while people’s livelihoods are at stake. Now is the time to do everything we can to protect consumers, prevent financial crises like the one that we’ve been through from ever happening again“. 16 Ebenfalls brillant und deshalb für Schülerinnen und Schüler leicht erkenn- und erlebbar ist der gehäufte Einsatz von keywords, um Kernideen und zentrale Konzepte im Gedächtnis der Zuhörerinnen und Zuhörer zu „verankern“: 16 http: / / www.whitehouse.gov/ blog/ 2011/ 01/ 04/ president-obama-discusses-richardcordray-shaker-heights <?page no="153"?> 153 Kernthemen und Leitmotive Keywords (Verwendungen) Freiheit für Amerikaner aller Hautfarben freedom (20) Gerechtigkeit für alle wie in der Verfassung versprochen justice (8), injustice (3) Traum von einer besseren Zukunft dream (11) Personalpronomen, die Zusammengehörigkeit ausdrücken we (30), our (17), you (8) Verweise auf Amerika als land of liberty and justice nation (10), America (5), American (4) Tab. 5.6. Leitmotive und keywords in Kings „Dream“-Rede Durch die Verwendung von Zitaten und Verweisen, mit hohem Wiedererkennungswert betont King zudem die Bedeutung des von ihm besprochenen Themas der Rassensegregation: „Five score years ago…” [Absatz 2] bezieht sich auf den Anfang von Abraham Lincolns Gettysburg Address: „Four score and seven years ago…“. Der Verweis ist besonders bedeutsam, da King seine Rede vor dem Lincoln Memorial in Washington hält. Zahlreiche Bibelzitate unterstreichen zudem die moralische Bedeutung seiner Aussagen: „It came as a joyous daybreak to end the long night of their captivity” [Absatz 2] erinnert an Psalmen 30/ 5 und erweckt Hoffnungen auf eine baldige Verbesserung eines als untolerierbar empfundenen Zustandes: „For his anger lasts only a moment, but his favor lasts a lifetime! Weeping may last through the night, but joy comes with the morning“. Durch die Verwendung markanter Beispiele verleiht King seinen Forderungen Gegenwartsbezug und Unmittelbarkeit. Er geht dabei geographischkonkret vor, indem er Orte von rassistisch motivierten Verbrechen und Diskriminierungen nennt (besonders Mississippi, auch Alabama, South Carolina, Georgia, Louisiana usw). Daneben nutzt er abstraktere Bezeichnungen, sodass alle Teile Amerikas eingeschlossen sind („slums and ghettos of our northern cities”; „the South”; „From every mountainside”; „from every village and every hamlet”). Metaphern nutzt King meist als Antithesen, um bestimmte Kontraste in seiner Darstellung deutlicher hervorzuheben (z.B. „rise from the dark and desolate valley of segregation to the sunlit path of racial justice“). Bei jedem dieser Ausdrucksmittel sollen die Lernenden zuerst Funktion und Wirkungsweise verstehen, um sich dann zu fragen: Wie kann ich dieses Mittel in meinem eigenen Redemanuskript einsetzen? Sie sollen dabei lernen, durch die Analyse von Expertenprodukten die power tools dieser Textsorte selber anzuwenden. Im Falle der Rede Barack Obamas, welche im Hauptprojekt behandelt wurde, kann man neben der sprachlichen und rhetorischen <?page no="154"?> 154 Gestaltung auch die argumentative Gestaltung des Redemanuskripts in thematische Blöcke exemplarisch beobachten: Teile Inhalte Introduction (19’): Gives context of speech (the recession) and outlines the most important remedies (cutting spending while investing in key areas). • Welcoming important people (including his wife) and general audience • Impact of recession on everybody in the audience inspire confidence („We will rebuild, we will recover“) • Understanding causes for recession (looking back) Outlining reaction needed („Now is the time to react boldly and wisely”) stimulus package and financial stability plan. Main Part (12’): Outlines three priorities of the Obama administration for the upcoming years • Priority No. 1: Energy (“double the nation’s supply of renewable energy in the next three years”) • Priority No. 2: Health Care (“quality, affordable health care for every American”) • Priority No. 3: Education (“by 2020 America will once again have the highest proportion of college graduates in the world”). Conclusion (16’): Outlines the main consequences of what has been said and names individual Americans as sources of inspiration to carry the nation into the future. • Deficit reduction (“do not pass on to [our children] a debt they cannot pay”) • Armed forces and foreign policy (resolving issues in Iraq and Afghanistan while honouring service of military personnel and their families) • Inspiring individuals (Leonard Abess, people of Greensburg, Ty’Sheoma Bethea) • Call to action (“confront without fear the challenges of our time”). Tab. 5.7. Struktur und Organisation von Barack Obamas Rede zum Amerikanischen Kongreß vom 25. Februar 2009 („State of the Union Address“) Durch die Analyse solch generischer Ausdrucksformen verschob sich der sich der Fokus des Lernarrangements vom „freien“ Entwickeln rhetorischer Schreibfähigkeiten zum Verstehen und Nachvollziehen von Normen, welche <?page no="155"?> 155 die Konventionen spezifischer discourse communities enkodieren. Damit wird ein wichtiger Schritt vom „singulären“ zum „regulären“ Schreiben vollzogen, welchen Hyland (2007) im Rahmen einer genre-based pedagogy dezidiert einfordert: Providing students with the ‘‘freedom’’ to write may encourage fluency, but it does not liberate them from the constraints of grammar in constructing social meanings in public contexts. Genre instruction, in contrast, stresses that genres are specific to particular cultures, reminding us that our students may not share this knowledge with us and urging us to go beyond syntactic structures, vocabulary, and composing to incorporate into our teaching the ways language is used in specific contexts. (Hyland, 2007, S. 150) Fremdsprachliche Handlungskompetenz wächst immer im Kontakt mit authentischen Texten und zielsprachlichen Äußerungen heran (Quetz & von der Handt, 2002, S. 22). Im Vergleich zu „konstruierten“ Lehrbuchtexten haben authentische Texte eine höhere Praxisrelevanz. Sie können zu „Lernwerkzeugen“ werden, wenn sie ausgearbeitete Formen der Bewältigung wiederkehrender kommunikativer Aufgaben darstellen (Böttcher & Becker-Mrotzek, 2003, S. 23). Durch diese Analyse von authentischen Texten und Äußerungen sollten die jungen Menschen lernen, gesellschaftlich und psychologisch so zu handeln, wie es in der Zielkultur üblich ist, anstatt sich bloss gewisser Redeformeln zu bedienen (Börner & Edelhoff, 1996, S. 10). Durch genaue Beobachtung und Nachvollziehen einer „Musterlösung“ erwarben sie explizites wie auch implizites Wissen über kompetentes Handeln in einer fachlich anspruchsvollen Situation. Dabei wurde auf Mechanismen des beobachtenden und teilnehmenden Lernens zurückgegriffen, die aus der Experten- / Novizenforschung bekannt sind: „By watching the master and emulating his efforts in the presence of his example, the apprentice unconsciously picks up the rules of the art, including those which are not explicitly known to the master himself“ (Polanyi, 1958, S. 53). Durch die genaue Analyse von Expertentexten lernen die Jugendlichen die Konventionen eines bestimmten Genres kennen, wozu Aspekte der Sprachverwendung, des Aufbaus, der Argumentationsform, des Einbezugs der Leserschaft usw. gehören. Die Kunst des erfolgreichen Schreibens in einem Genre besteht also darin, bestimmte Muster des Schreibens und Mittel des Ausdrucks zu kennen und diese auch selbständig anwenden zu können, so dass daraus ein eigener, unverwechselbarer Text entsteht. „While writing, like dancing, allows for creativity and the unexpected, established patterns often <?page no="156"?> 156 form the basis of any variations“ (Hyland, 2007, S. 150). Damit dies gelingt, müssen die Lernenden jedoch explizit angeleitet werden, bei den Texten gezielt auf den Zusammenhang von Form und Wirkung zu achten. In den Pilotstudien geschah dies mit Hilfe eines vorgegebenen Rasters, worin die Lernenden Kings Strategien in ihren eigenen Worten beschrieben und konkrete Beispiele für deren Umsetzung notierten. Im Folgenden ist ein Beispiel aus dem Lernjournal einer Schülerin dargestellt: Example Linguistic Device Effect on Audience „the bank of justice is bankrupt“ „on a lonely island of poverty“ Symbols, pictures, metaphors People identify with it Makes it easier to understand Uses „we“, „our“, „all men“, „my friends“ Includes himself and the audience, addresses audience directly Everyone feels involved, integration <-> segregation …a great American, in whose symbolic shadow we stand today… Chooses place and the time that has a link to the speech People can follow setting, stresses importance of Lincoln. good timing -> emotional Structure: 1. Lists at the bad things 2. What (not) to do 3. peak, hope Good structure, peak at the end, convincing Impresses audience, easier to follow, catching, beginning and end. It will stay in their minds. Gives hope Tab. 5.8. Ausschnitt aus einer Textanalyse zu Martin Luther Kings Rede (K1, S11), Projekt „Dream“ (K1, S9) Die Vorgabe einer tabellarischen Darstellung kann als output scaffolding gesehen werden, wobei die Art, Form und Umfang des erwarteten Produkts bzw. Arbeitsergebnisses als Zielpunkt der Arbeit definiert werden (Hallet 2011, S. 128). Bereits an diesem kurzen Ausschnitt zeigt sich, wie die Jugendlichen wirkungsvolle Ausdrucksmittel im Text entdeckten und deren Wirkungsform im authentischen Kontext ergründen konnten. Erschwerend für diese Analysearbeit war, dass Kings Rede einem „entfernten“ gesellschaftlichen und sprachlichen Kontext entstammt. Die Lernenden mußten Fantasie und Anstrengung aufwenden, um die darin verwendeten rhetorischen Mittel für das eigene Schreiben fruchtbar werden zu lassen. Denn wenn Redemittel von Außenstehenden einfach usurpiert werden, wirkt das meist lächerlich: „So spricht im wirklichen Leben kein Mensch“ (Vielau, 1997, S. 211). Durch <?page no="157"?> 157 Verallgemeinerung und Abstraktion liess sich aus Kings Rede aber viel Grundlegendes über den Zusammenhang von Sprachform und Sprachwirkung ableiten. Ein Schüler beschrieb das so: I tried not just to read King’s speech instead I tried to find a deeper goal in his words and strategies. You have to be very careful and concentrated while doing that because you have to look kind of over your own shoulder to see what emotions or other things affect yourself while hearing the speech and you have to analyse it. All the strategies M Luther King used are now written down in a list I can use for my speech or just any time I intend to impress an audience. After exchanging the results with the class I’ve listed down quite a lot of them. […] I did not know what exactly makes the people to convince without actually thinking about it. (Ausschnitt der Reflexion zu Kings Rede in einem Lernjournal (K1, S 9). Der Schüler schildert hier teilnehmendes Lernen, wobei er die Faszination des Themas an einem konkreten Beispiel erleben konnte. Gleichzeitig fand auch analytisches Lernen statt, indem er die Struktur des Textes genau untersuchte und dabei seinen Verständnishorizont sowie seine Handlungsstrategien erweiterte. Er konnte erfahren, dass spannende Reden zu schreiben nicht einfach eine Sache der Begabung oder des Zufalls ist, sondern dass es dafür für alle beherrschbare Regeln und Strategien gibt. Bei der Rede Obamas (im Hauptprojekt) war der Bezug auf das eigene Schreiben in gewisser Weise einfacher, weil die Rede der Alltagswelt der Jugendlichen inhaltlich wie thematisch „näher“ war. Dies zeigt z.B. die sehr persönliche Stellungnahme, welche eine Schülerin dazu verfaßte: Obama’s speech is easily understandable and written in a very nice way at the same time. Although his speech is about American politics, I think I understood all of his points quite well, without having much of the background knowledge on his political aims. In the very beginning, Obama welcomed everyone in the hall, and especially his wife. I considered this as a very nice gesture. Another point I liked was the fact that he was not constantly talking - because to listen to a speech for thirty minutes can get a little boring - but as well included two persons in the audience. It gave a bit of variety. I am highly impressed by Obama’s speech! Not only for it’s content, but as well, and especially by the way he was presenting his speech. (Stellungnahme zur Rede Barack Obamas, Ausschnitt aus dem Lernjournal, Projekt „Dream“) <?page no="158"?> 158 Ausgehend von ihren eigenen Gefühlen benannte die Schülerin einige Aspekte von Obamas Rede, welche sie besonders beeindruckten und welche sie in der nachfolgenden Analyse vertieft untersuchen wollte. Anschließend arbeitete sie gemeinsam mit anderen anhand des Manuskriptes der Rede heraus, mit welchen Mitteln der amerikanische Präsident seine Wirkungen bei den Zuhörern erzeugt hatte und wie es dabei um den Zusammenhang von Sprachform und Sprachwirkung bestellt war. Im Folgenden ist ein Ausschnitt aus dieser Analyse wiedergegeben: Language Content • Stunning choice of words: “Now is the moment to create a better future” • Personal input -> „This is not a republican / democratic issue, but an American issue“ • „I’m not talking as a politician, but as a father“ • „Education starts at home“ • „Dropping out of high school equals dropping out of the country“ • Future is the main subject of the speech • Audience loves him and is sharing his opinion, so it’s much easier • He gives you the feeling of home and makes you feel good because everybody is included • A very special aura surrounds him. A mix of elegance and sexappeal! Tab 5.9. Analyse der Rede von Barack Obama, Ausschnitt aus einem Lernjournal, Projekt „Dream“ In ihrer Analyse versuchte eine Schülerin, Zitate aus Obamas Rede bestimmten Funktionen und Wirkungen zuzuordnen. Diese Arbeit ähnelt also jener in der „Autographensammlung“, nur dass hier die Musterbeispiele nicht von Lernpartnern, sondern von einem Meister des Faches stammen. In der Auseinandersetzung mit diesem Expertenbeispiel erforschten die Lernenden den Kontext der Schreibsituation und die Beziehung zwischen Autor und Publikum. Diese läßt sich am Beispiel einer politischen Rede besonders gut untersuchen und ist auch für alle anderen Textgattungen grundlegend: Wer schreibt wie und was für wen? Authentische und auch literarische Texte haben in diesem Bereich entscheidende Vorteile im Vergleich zu konstruierten Beispielen: „Authentic texts carry considerable information about those who write them, their relationship to their audience, the culture of the community <?page no="159"?> 159 in which they were written, and the general context in which the genre is used“ (Hyland, 2003, S. 93). Durch die Analyse solcher Muster sollten die Lernenden auch grammatische Muster sowie ein spezifisch relevantes Vokabular für das angezielte Genre erwerben und damit auch Fortschritte im Bereich der L2 proficiency machen: „A naturally occurring piece of data [...] might be presented as a model text to highlight certain features of grammar, vocabulary, or text structure, encouraging students to notice what they have previously ignored“ (Hyland, 2003, S. 106). Dies geschah einerseits durch selbständige Analyse von Originaltexten, wurde aber auch durch gezielte Instruktion und Erklärungen der Lehrkräfte unterstützt. Ergänzend zur Textanalyse wurden auch sprachliche Mittel konventionell „vermittelt“, welche für gute Redemanuskripte besonders wichtig sind. Dazu gehörten verschiedene Typen von conditionals sowie Techniken der Textstrukturierung (linking words). Diese Grammatikinstruktion erinnert von der Form her durchaus an traditionelle Unterrichtskonzepte, hat aber eine andere Funktion. Sie soll den Lernenden ermöglichen, in einem bestimmten Genre erfolgreich zu schreiben und gibt ihnen dazu die nötigen formalen Mittel in die Hand: [This concept of grammar] first considers how a text is structured and organised at the level of the whole text in relation to its purpose, audience and message. It then considers how all parts of the text, such as paragraphs and sentences, are structured, organised and coded so as to make the text effective as written communication. (Knapp & Watkins, 1994, S. 8) Die Instruktionen und Übungen bei „Dream“ geschahen nicht „auf Vorrat“, sondern bezogen sich auf bestimmte kommunikative Funktionen von Texten, welche die Lernenden schreiben sollten. Die vermittelten Grammatikstrukturen und Wortfelder hatten die Rolle konkreter „Werkzeuge“, welche zur Lösung einer bestimmten Aufgabe benötigt und durch diese auch aufgerufen wurden. Es ging dabei um eine Vereinigung von formgerichtetem und funktionalem Sprachgebrauch, ohne dass die Fachlogik den Unterricht zu stark gesteuert oder Lernende als Individuen in eine rezeptive Position gedrängt hätte (Skehan & Foster, 2001, S. 185). Durch diese Arbeit an konkreten Grammatikthemen gerieten die Lehrkräfte auch nicht zu stark in Verzug gegenüber ihrem gewohnten Stoffplan, was in den Pilotstudien eine Hauptbefürchtung zu Projektbeginn gewesen war. Eine Lehrkraft drückte das so aus: <?page no="160"?> 160 Ich dachte, ‚Oh weh! ’ Jetzt machen wir das ein halbes Semester lang und kommen in der Grammatik nicht weiter. Der Lehrplan! Aber sie mussten die Aufgabe ja ganzheitlich machen, sie mussten die ganze Sprache und die ganze Grammatik anwenden. Wir haben auch einige Lektionen mit dem Grammatiklehrbuch gearbeitet. Ich habe ihnen Dinge gezeigt, die sie für ihre Rede vielleicht brauchen können. Sie haben das wirklich für ihre Schlussrede gemacht und dort nachgeschaut. Sie haben so neue Strukturen gelernt. Sie haben Inversion angewendet, was wir noch gar nicht hatten, was ich nur leicht schnell erklärte. Sie wendeten auch verschiedene question forms an, sie haben das wie nochmals repetiert. (Lehrkraft K1, Ausschnitt aus dem Schlußinterview) Bei diesen Grammatik- und Wortschatzübungen zeigte sich, dass die neuen Lernformen von „Dream“ gut mit traditionellen Instruktionsformen verknüpft werden konnten, wenn Funktion und Fokus dieser Instruktionen genau geklärt und allen Beteiligten bekannt waren. 5.3.2. Werkzeuge zum Schreiben guter Reden in einer toolbox darstellen Nachdem die Lernenden die Expertenrede analysiert und dazu weitere Sprach- und Wortschatzübungen durchgeführt hatten, wurden die im Projekt herausgearbeiteten Strategien und Mittel zum Erstellen einer guten Rede in einer toolbox klassifiziert und systematisiert. Die Schülerinnen und Schüler hatten dabei die Aufgabe, Konzepte und Ideen zum Umgang mit einem fachlichen Thema als Werkzeuge darzustellen, indem sie diese klassifizierten und in einer individuell gestalteten Übersicht zusammenfaßten. Sie sollten also selbständig, aber auch gemeinsam mit anderen, ein System geistiger Werkzeuge zur Herstellung und Beurteilung guter Reden herausarbeiten. Dabei wurden Elemente aus dem eigenen Repertoire verdichtet: Was zuerst aus der Not geboren ist, soll den Schreibern mit der Zeit als Werkzeug bewußt werden (Feilke & Augst, 1989, S. 325). Grundlage für diese Arbeit waren die Lernjournale, welche alle bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Analysen, Texte und Unterlagen enthielten. Darin befanden sich sowohl die eigenen Texte sowie auch die „Musterreden“ von Martin Luther King bzw. Barack Obama. Dazu hatten die Jugendlichen Gelegenheit, ihre toolboxes untereinander zu vergleichen und zu vervollständigen. In diesen Dialog waren auch die Lehrkräfte eingebunden, wobei sie Hinweise gaben und Fragen beantworten. Im Sinne der Ko-Konstruktion von Fachkompetenz galt hier die Devise „good talk begets good thought” (Bruffee, 1993, S. 116). Zur konkreten Umsetzung wurden Computer eingesetzt, weil so im Verlaufe der Arbeit ohne grösseren <?page no="161"?> 161 Aufwand Formulierungen geändert, Darstellungen angepaßt und neue Titel eingesetzt werden konnten. In dieser Arbeit sollte sich in der Lerngemeinschaft eine gemeinsame Sprache dafür entwickeln, welche Gütekriterien für eine bestimmte Aufgabe maßgeblich sein sollen und wie in der konkreten Arbeit damit umgegangen wird. Dies geschah auch aus der Überzeugung heraus, dass „standardisierte“ Kompetenzbeschreibungen oft zu generell und unterrichtsfern formuliert sind, um für die Lernenden beim Schreiben tatsächlich handlungsleitend zu werden. Bei der Arbeit an der „toolbox“ sollten die Lernenden ein Vokabular entwickeln für das, was sie tun, und so auch fähig werden, die eigenen Lernhandlungen zu evaluieren und wenn nötig zu korrigieren (Legutke, 1988, S. 222). Da die Schüler daran aktiv beteiligt sind, können die Kriterien nachher besonders gut auch anwenden und verstehen, was damit gemeint ist (Keller, 2011, S. 148; Böttcher, 2003, S. 25). Es ging hier also nicht nur um Techniken der effektiven Oberflächenbearbeitung, sondern um verstärkte Tiefenverarbeitung sowie um den Erwerb von prozeduralem und konditionalem Sprachwissen. Ziel dabei ist es, zentrale Elemente der angezielten Schreibkompetenz auf der Ebene konkreter Handlungen zu explizieren und dadurch für die Lernenden in kommunikativen Situationen flexibel anwendbar zu machen. Dabei soll das Wissen über die Gestaltung eines bestimmten Texttyps derart expliziert und operationalisiert werden, dass es nicht träge bleibt, sondern Teil des flexibel einsetzbaren, persönlichen Schreib-Repertoires wird (Bräuer, 2009, S. 151 ff.). Dazu gehört, dass auf sprachlicher und struktureller Ebene Routinen gebildet werden, die das kognitive System des Schreibenden entlasten und geistige Kapazitäten zur Bewältigung von neuen, unvertrauten Aufgaben frei werden lassen (Feilke & Augst, 1989, Kellogg, 1996). Im folgenden Beispiel ist die toolbox von Stefano dargestellt. Er hat darin ein Kriteriensystem angelegt, welches inhaltliche, strukturelle, lexikalische und morphosyntaktische Aspekte einer „guten Rede“ detailliert beschreibt und auch zur Vortragstechnik differenzierte Kriterien enthält. Inhaltlich deckt sich seine Darstellung weitgehend mit denjenigen der Mitschüler, da sie in der gemeinsamen Arbeit mit ihnen entstanden ist. Sie trägt aber auch deutlich seine eigene „Handschrift“, was sich etwa in der gelungenen Kategorisierung verschiedener Aspekte oder den ausdrucksstarken Titeln und Beschreibungen für einzelne Mittel zeigt. Zuoberst hat Stefano unter dem Titel „Writing a speech“ Kriterien zum Erstellen einer Rede dargestellt. Mit den Punkten „Organization“ und „Linguistic Strategie“ werden diese auf Ebene der Textgestaltung konkret umgesetzt: Eine gute Organisation heißt z.B., die Rede mit einem Witz, einem Zitat oder einem „disturbing fact“ einzuleiten. Argumente können mit „linking words“ <?page no="162"?> 162 oder „tail questions“ strukturiert werden. In der unteren Hälfte der toolbox zeigen sich auch Wissenselemente, welche die Lehrperson direkt vermittelt hatte, bei den Punkten „linking words“ und „inversions“. Hier hatten sich Lücken im Wissen der Lernenden gezeigt, welche sie durch gezielte Erklärungen zu verringern versuchten. In Stefanos toolbox kann man sehen, wie er sich dieses Fachwissen persönlich aneignet: einerseits durch Auflistung, andererseits durch sprachliche Transformation, etwa in dem eindrücklichen Satz wie man die Zuhörer packen kann: „Make some strategic brakes, milk the audience“. <?page no="163"?> 163 Abb. 5.5. Toolbox von Stefano, Projekt „Dream“ <?page no="164"?> 164 Diese toolboxes waren individuelle „geistige Landkarten“ der Lernenden und repräsentierten gleichzeitig das „gemeinsame Wissen“ aus dem Projekt, welches sie am Ende in einer herausfordernden Prüfungssituation selbständig anwenden sollten. Sie stellten also einen Teil des common knowledge dar, welches die Lernenden in diesem Projekt ko-konstruiert hatten. Darin flossen eigene Konzepte und Ideen, aber auch von der Lehrperson vermittelte Sprach- und Handlungsstrategien mit ein. So entstanden am Ende praxistaugliche Arbeitsinstrumente für neue, unvertraute Anwendungssituationen, bei denen die Lernenden ihr Können wieder unter Beweis stellen konnten. 5.4. Dritte Phase: Als Experte kompetent handeln und das eigene Lernen reflektieren 5.4.1. Eine „Meisterrede“ verfassen und vortragen In der letzten Phase des Projekts galt es, nochmals ein Redemanuskript zu schreiben und auf dieser Basis eine gute Rede vor der ganzen Klasse zu halten. Die Jugendlichen versuchten dabei, ihre neu erworbene Handlungskompetenz in Beziehung zu den Anforderungen der Sache und den Erwartungen des Publikums zu setzen und mit einer „Meisterrede“ das höchste Kompetenzniveau zu erreichen, welche für sie in diesem Moment möglich war. Sie arbeiteten während zwei Unterrichtsstunden sowie auch zu Hause an ihren Manuskripten und erhielten von den Lehrpersonen wiederum Rückmeldungen und Feedback, falls sie das wünschten. Neben Unterrichtsmaterialien und Lehrbüchern konnten sie auch ihre toolboxes benutzen. Die so entstandenen Manuskripte wurden danach einzeln vorgetragen und von den Lehrpersonen mit einem Beurteilungsraster beurteilt, wobei sowohl die sprachliche Gestaltung wie auch die Vortragsweise einbezogen wurden. Eine Analyse dieser Redemanuskripte zeigte, dass viele Lernende auch in dieser anspruchsvollen Schreibsituation komplexe und bedeutsame Themen wählten, bei denen sie sich zusätzliches Wissen aneignen und sich persönlich exponieren mussten. Offenbar waren bei „Dream“ ein vertrauensvolles Klima in der Klasse und genügend Selbstvertrauen bei den Lernenden entstanden, um auch solche Themen anzugehen. Im folgenden Beispiel schrieb die Schülerin Corinne zum Thema Mädchenbeschneidung eine berührende und aufrüttelnde Rede, was für schulische (Prüfungs-)Situationen eigentlich untypisch ist: <?page no="165"?> 165 They [the girls] mustn’t speak of their pain in front of other people and have to hold back their feelings. Never have I heard of such an unjust and terrible treatment of women. Never have I heard of such a degrading ritual before. I ask you: How can some people be so cruel to their own family member? Mostly the reason lies in the suppression of women by men. Men who want to have the certainty that their women stay loyal and sexual untouched before their marriage. Men who want to have total control over women. Men who want to make women submissive… (Schlussrede von Corinne (K1, S9), Ausschnitt) Diese Passage zeigt, wie Corinne ihr persönliches Engagement mit Hilfe jener sprachlichen Techniken kommunizierte, die im Unterricht erarbeitet worden waren. Sie verwendete dabei beispielsweise das Mittel der inversion (Never have I ...), das auch in den toolboxes als Mittel zur Herstellung der Emphase vorkam. In diesem hochemotionalen Kontext war dies ein geeignetes Mittel, um ihre Betroffenheit glaubhaft auszudrücken. Sie verstärkte den Effekt durch die ausgedehnte Anapher „Men who...“, womit die Verantwortlichen inhaltlich und auch syntaktisch (am Anfang des Satzes) bloßgestellt werden. Hier zeigte sich auch der Einfluß der Rede Kings, welcher oft mit Reihungen von Anaphern arbeitet. In vielen Fällen wäre die Übernahme einer solchen Strategie in einer Schülerrede unpassend gewesen. In Corinnes Rede paßte die sprachliche Form zum aufrüttelnden Inhalt, so dass eine starke Wirkung auf die Zuhörer entstand. Insgesamt waren die Schlußreden ein Zeugnis dafür, zu welcher Kreativität und Vielfalt im Schreiben Jungendlichen im 10. und 11. Schuljahr fähig sind, wenn sie intensiv unterstützt werden und Raum erhalten, ihre sprachlichen wie metasprachlichen Kompetenzen entsprechend zu entfalten. Dies zeigt sich auch im folgenden Beispiel, in dem der Schüler Raffael (K1, S23) rhetorische Mittel für einen witzigen Effekt einsetzte. Sein Thema waren die Plexiglas-Bären, welche damals zu Zwecken des Stadtmarketings die Zürcher Innenstadt zierten. Mit einem Wortspiel zum Ende seiner Rede drückte er aus, was er davon hielt: „I don’t know one single person who likes them. On the contrary: I don’t even know anybody who says: I can bear them ... except the children! Oh my god. I just love these bears“. In einem Wortspiel verwendete Raphael bear einmal als Nomen (das Tier) und einmal als Verb („ertragen“). Er zeigte dabei eine Kreativität und Risikobereitschaft, welche für ihn im „normalen“ Unterricht untypisch war, die Lehrkraft beeindruckte und bei den Klassenkollegen große Erheiterung auslöste. Gleichzeitig zeigte sich in der Arbeitsphase auch, dass ein Teil der Lernenden mit den selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsformen nicht richtig umzugehen wußten. Einige nahmen die Beratungsangebote der Lehrkräfte nicht wahr oder nutzten die in den Unterrichtsstunden zur Verfügung <?page no="166"?> 166 stehende Zeit für andere Arbeiten. Zwei Schüler luden Material für ihre Reden ohne Quellenangabe vom Internet herunter. Auch auf der Oberstufe mußten die Kompetenzen zur Steuerung und Überwachung dieser selbständigen Arbeitsformen erst erlernt werden. Trotz solcher Schwierigkeiten im Bereich der offenen Unterrichtsgestaltung waren die beteiligten Lehrpersonen am Ende vom hohen inhaltlichen wie sprachlichen Niveau beeindruckt, welches die Schülerinnen und Schüler in ihren „Meisterreden“ erreichten. Dies betraf insbesondere auch Lernende, die im Englisch bisher keine guten Noten erzielt hatten oder deren rhetorische Fähigkeiten im Vorfeld als gering eingeschätzt worden waren. Bei ihnen zeigte sich ein überdurchschnittlich starker Lernzuwachs, der sich auch in den Lernjournalen zum Projekt detailliert verfolgen liess. Dieser Eindruck bestätigte sich anschliessend in der empirischen Untersuchung (vgl. Abschn. 6.8.). 5.4.2. Dokumentation und Reflexion der Lernergebnisse in einem Portfolio Die abschließende Aufgabe für die Lernenden bestand darin, aus den einzelnen Einlageblättern ihrer Lernjournale besonders wichtige oder gelungene Dokumente (z.B. Anfangs- und Schlußreden, Feedback und Textanalysen) auszuwählen und daraus ein Portfolio zusammenzustellen, das ihre persönlichen Lernergebnisse dokumentierte. Als Einleitung dazu reflektierten sie ihre Lernerfahrungen in einem Letter to the Reader. Dieses Portfolio wurde von den Lehrkräften lektoriert, mit den Lernenden diskutiert und auch mit einer Note versehen (Prozeß-Aspekt des Lernens). Eine weitere Note erhielten die Lernenden für den Vortrag ihrer „Schlußrede“ (Produkt-Aspekt des Lernens). Durch den Einsatz des Portfolios konnten die Lernprozesse verstärkt in die Leistungsbeurteilung eingebunden werden (Winter, 2004). Es konnte damit ein breites Spektrum von (Sprach-)Kompetenzen, welche die Lernenden in bestimmten Anwendungssituationen erworben hatten, direkt dokumentiert und damit der Beurteilung zugänglich gemacht werden. Neben kognitiven Leistungen kamen hier auch Einstellungen, Motivationen und Interessen in den Fokus, welche zum kompetenten Handeln dazugehören. Darüber hinaus konnten metakognitive Aspekte wie Evaluation und Reflexion sowie erweiterte Kompetenzdimensionen wie Hartnäckigkeit, Fleiß und Einsatz beurteilt und gewürdigt werden. Bei „Dream“ wurde also einem Desiderat der modernen Lernforschung nachgekommen, nämlich dem, Leistungen nicht nur an den Kriterien konventioneller Prüfungen zu messen, sondern an einer größeren Bandbreite von Erfolgskriterien (Mandl & Friedrich, 1992, S. 37; Schwartz und Webb, 2002). Das Portfolio paßte als Beurteilungsinstrument zur hier entwickelten Lern- <?page no="167"?> 167 kultur: Einerseits, weil alle Arbeitsphasen als Leistungen von Anfang an einbezogen werden konnten; andererseits, weil sich so unterschiedliche Kompetenzprofile und Lernentwicklungen bei verschiedenen Jugendlichen differenziert beurteilen liessen. Gerade in einem Projekt zu guten Reden, bei dem junge Menschen über längere Zeiträume selbständig an offenen Aufträgen arbeiten und komplexe Produkte erarbeiten, sind die Lernerträge individuell, „multidimensional“ und lassen sich nicht einfach in den Kategorien „richtig“ und „falsch“ beurteilen: In such learnings, student development is multidimensional rather than sequential, and prerequisite learnings cannot be conceptualized as neatly packaged units of skills or knowledge. Growth takes place on many interrelated fronts at once and is continuous rather than lock-step. The outcomes are not easily characterized as correct or incorrect […]. (Sadler, 1989, S. 123) Da komplexe, „multidimensionale“ Lernleistungen für höhere Bildungsgänge besonders zentral sind, ist eine Reform der Leistungsbewertung für die Entwicklung der schulischen Lernkultur zentral; diese Forderung gilt insbesondere auch für die Oberstufe (Oelkers, 2007, S. 32). Dies besonders auch deshalb, weil dort eine oft einseitig auf Klassenarbeiten ausgerichtete Prüfungskultur vorherrscht (vgl. Abschn. 7.7.). Diese Beurteilungskultur wiederum übt eine starke Rückwirkung auf die Lernkultur aus: „From our students’ point of view, assessment always defines the actual curriculum“ (Joughin, 2009, S. 17). Rowntree (1977, S. 1) hat in diesem Zusammenhang den Satz geprägt: „if we wish to discover the truth about an educational system, we must look into its assessment procedures“. Der zentrale Gedanke an Portfolios ist, dass darin Originalarbeiten der Schülerinnen und Schüler gestaltet, gesammelt, geordnet, ausgewählt, präsentiert und bewertet werden. In Portfolios werden also nicht primär Urteile über Leistungen zusammengestellt, sondern diese direkt dokumentiert - sie dienen als „direkte Leistungsvorlage“ (Vierlinger, 1999, S. 40). Die Beurteilung der Leistung geschieht mit der Intention, den behandelten Sachverhalt so genau als möglich zu erfassen und Zusammenhänge zu erkennen, die wiederum in Lernmaßnahmen umgesetzt werden können. Das Portfolio als Beurteilungsinstrument ist damit flexibel gegenüber Veränderungen und macht diese auch sichtbar; werden über längere Zeit keine Entwicklungen im Kompetenzniveau eines Lernenden festgestellt, muß die Lehrperson reagieren. Grundlegend dabei ist eine reflektierte Auswahl durch die Lernenden selber, wobei auch Lernprozesse erläutert, Lernergebnisse eingeschätzt und weitere Maßnahmen des Lernens besprochen werden. Das heißt, dass die Jugend- <?page no="168"?> 168 lichen an der Reflexion und Evaluation ihrer eigenen Lernprozesse stärker beteiligt werden. Diese reflexive Dimension des Lernens kann als zentraler Aspekt der Portfolioarbeit gesehen werden: [The portfolio is] a purposeful collection of student work that exhibits the students’ efforts, progress, and achievement in one or more areas. The collection must include student participation in selecting contents, the criteria for selection, for judging merit, and evidence of student self-reflection. (Paulson, Paulson & Meyer, 1991, S. 60) Wird das Portfolio als Instrument der Leistungsbeuteilung eingesetzt, öffnet sich damit auch der Kreis der Leistungsnachweise. Er umfaßt dann: • Produkte, die über einen längeren Zeitraum entstanden sind; • Arbeiten, die mehrfach überarbeitet wurden und nun in der besten Form sind, die dem Schüler möglich ist oder die er hier zu leisten bereit war; • unübliche Arten der Leistung, insbesondere solche der Reflexion über die Arbeit und das Lernhandeln, zum Beispiel in Begleitbriefen oder Selbsteinschätzungen; • reflexive Leistungen. All diese Belege wurden bei „Dream“ in die Beurteilung mit einbezogen, wobei sich ein besonders umfassendes Bild der im Projekt erworbenen Kompetenzen ergab. Die vielfältigen Produkte und Prozeßdokumente erlaubten es den Lehrkräften, ihre Urteile sukzessiv aufzubauen und zu differenzieren (Winter, 2009, S. 54). Im Rahmen der Pilotstudien am Gymnasium Rämibühl in Zürich wurden zwei Klassen zu ihren Erfahrungen mit dem Portfolio als Instrument der Leistungsbeurteilung bei „Dream“ befragt (N = 42, 12. Schuljahr). Bei den Vorteilen dieser neuen Form der Leistungsbewertung nannten die Lernenden folgende Aspekte am häufigsten: <?page no="169"?> 169 An der veränderten Leistungsbewertung hat mir Folgendes gefallen: 18 Feld leer, oder “kann ich nicht beurteilen“ 17 ...dass der Forschritt bewertet wurde und man sich verbessern konnte 5 ...dass das “Gesamtbild” der Leistung bewertet wurde, nicht bloß „einzelne“ Elemente wie Grammatik 4 ...dass man gute Noten machen konnte, indem man fleißig war und sich Mühe gab 3 ...dass die Kriterien der Beurteilung von Leistung besser verständlich waren Tab. 5.10. Rückmeldungen zur veränderten Leistungsbewertung mit Portfolios, Projekt „Dream“, 2005/ 06 (N=42, Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich) Die große Anzahl fehlender Antworten war erstaunlich ob der Tatsache, dass die Leistungen der Jugendlichen zum ersten Mal anhand von Portfolios beurteilt wurden. Es wäre deshalb zu erwarten gewesen, dass sie ihre Eindrücke pointiert äußern würden. Vielleicht fehlte vielen zu diesem Zeitpunkt ein geeignetes Vokabular oder ein Problembewußtsein, um die eingetretenen Veränderungen zu beschreiben, da sie es sich nicht gewohnt waren, über verschiedene Formen der Leistungsbewertung nachzudenken. Am meisten schätzten sie, dass im Portfolio individuelle Fortschritte bewertet wurden und ein breites Spektrum von Fähigkeiten in die Note einfließen konnte. Einem Schüler gefiel es, „dass man alles zeigen konnte, was man wusste (nicht nur Voki lernen und dann kommen ev. gerade die Wörter, welche man nicht gelernt hatte)“ (K2, S19). Es zeigt sich in dieser Rückmeldung auch eine Hauptstärke der Leistungsbeurteilung mit Portfolio, nämlich dass diese „qualitätenorientiert“ erfolgt. Die Lernenden können so zeigen, was sie können, während sie bei den meisten Klausuren an dem beurteilt werden, was sie nicht können. Besonders die Beurteilung von Lernprozeßen wurde von vielen als nützlich für das Lernen eingeschätzt, da sie auf unterschiedliche Weise zeigen konnten, auf welchen Wegen und zu welchem Grad sie die Kompetenzziele des Projekts erreicht hatten. Damit wird auf eine weitere zentrale Funktion von Portfolios in der Leistungsbeurteilung verwiesen, nämlich individuelle Kompetenzprofile sichtbar zu machen und in einen inhaltlich-sachlichen Dialog mit den Lernenden über ihre Leistungsentwicklung zu treten. Als besonders hilfreich wurde das Feedback der Klassenkameraden gesehen, welches für die Gestaltung der Reden offenbar zentral gewesen war: „Es war mal etwas anderes, auch von Schülern bewertet zu werden. Ich finde auch gut, dass jeder nach seinen Fortschritten bewertet wurde“ (K1, S2). Durch die Rückmeldungen der Lernpartner gewannen die Jugendlichen konkrete Hinweise für Überarbeitungen, was sich auch in einer guten „Portfolionote“ nie- <?page no="170"?> 170 derschlug. Deshalb lobte ein anderer Schüler, dass, „wenn man einmal nicht so gut war, man es wieder aufholen konnte“ (K2, S12). Gleichzeitig konnten die Jugendlichen gute oder schlechte Leistungen nicht einfach dem Zufall zuschreiben, sondern nahmen verstärkt eine Verbindung zwischen der eigenen Anstrengung und der schulischen Note wahr: „Ich fand es positiv, dass man Zeit hatte, um seine Texte zu verbessern -> einfacher eine gute Note zu erzielen (wenn man sich Mühe gibt...)“ (K1, S11). Damit ist auch ein Grundmotiv der erweiterten Leistungsbewertung angesprochen, nämlich die Jugendlichen nicht bloss zu qualifizieren, sondern ihr Vertrauen in die Wirksamkeit der eigenen Lernbemühungen zu stärken: „to help [students] believe that learning is both possible for them and worth their effort“ (Stiggins, 2004, S. 17). Auf die Frage, was die Lernenden an der neuen Art der Leistungsbewertung störte, wurden folgende Aspekte am häufigsten genannt: An der veränderten Leistungsbewertung hat mich gestört... 18 ... Feld leer oder „weiß nicht, kann ich nicht beurteilen“ 8 ... dass sie undurchsichtig war 6 ... dass wir zu wenig Rückmeldung kriegten, dass man nicht wusste, was falsch war 4 ... das Schülerinnen und Schüler externe Hilfe holen können 2 ... dass man benachteiligt ist, wenn man schon gut ist 2 ... dass die Produkte gegenüber den Prozessen zu wenig beurteilt wurden Tab. 5.11. Rückmeldungen zur veränderten Leistungsbewertung mit Portfolios, Projekt „Dream“ 2005/ 06 (N=42, Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich) Am häufigsten wurde kritisiert, dass die Beurteilung mit Portfolio „undurchsichtig“ oder „zu wenig objektiv“ gewesen sei. Diese Unsicherheit betraf zunächst den Kontext der Arbeit: „Da man zu Hause arbeiten konnte, haben einige vielleicht Hilfe von den Eltern bekommen, andere nicht“ (K1, S1). Solche Bedenken müssen mit Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Portfoliobeurteilungen ernst genommen werden. Eine mögliche Form des Umgangs mit „externer Hilfe“ ist, dass Texte auch im Klassenzimmer geschrieben werden und Lehrpersonen diese in periodischen Abständen mit den Jugendlichen besprechen und kritische Fragen dazu stellen. Im Gespräch über Detailfragen lassen sich Kenntnisstand und Grad der individuellen Beteiligung der Lernenden abschätzen. Dabei kann auch ein Bewußtsein geschaffen werden für den Unterschied zwischen kollegialer Unterstützung (welche bei schwierigen <?page no="171"?> 171 Fachproblemen in der Realität oft notwendig ist) und Plagiaten bzw. systematischem Betrug. Zudem lassen sich Portfolios gut mit prüfungsartigen Formen der Beurteilung kombinieren, die ohne externe Hilfe gemeistert werden müssen. Bei „Dream“ war dies die Schlußrede, welche vor der Klasse gehalten werden mußte und wo jeder auf sich alleine gestellt war. Eine andere Möglichkeit wäre die Portfolioprüfung, wobei die Lernenden im Rahmen einer mündlichen Prüfung vertiefend Auskunft über ihre Arbeit geben und dabei neben written auch spoken production erfaßt wird (Inglin, 2010). Die Unsicherheit der Lernenden betraf teilweise auch die Bewertungskriterien der Lehrperson bei den Portfolios. Bei der Bewertung des Endprodukts („Schlußreden) verwendeten sie ein Beurteilungsraster, welches mit den Lernenden vorgängig diskutiert worden war. Bei den Portfolios hingegen wurde eine hermeneutische und ganzheitliche Einschätzung vorgenommen. Bezugspunkte dafür waren die allgemeinen Ziele des Lehrplans auf dieser Klassenstufe; darüber hinaus wurde jedoch kein formalisiertes Beurteilungsinstrument verwendet (Raster o.ä.). Die Herausforderung für die Lehrkräfte war dabei, dass bei einzelnen Lernenden auch unterschiedliche Arten von Leistungen gewürdigt werden mußten, wofür teilweise auch unterschiedliche Kriterien relevant waren. Dies war für alle Beteiligen ein ungewohntes Phänomen, welches allerdings in der Theorie der Leistungsbewertung bekannt ist. Schon in relativ standardisierten Urteilssituationen benennen Lehrpersonen zwar vorab Kriterien, ziehen aber bei der faktischen Bewertung auch noch ganz andere Kriterien heran (Sadler, 1989, S. 132 ff.). Das ist auch plausibel, denn oft sind viele Merkmale und Bedingungen einer Leistung zu berücksichtigen, wobei sich manche davon erst bei der Lektüre einer Arbeit enthüllen (Winter, 2009, S. 38). Sacher (2009, S. 155) beschreibt das so: Die Beurteilung einer ganzheitlichen Leistung wird letztlich ein hermeneutischer Kreisprozess bleiben müssen, der vom anfänglich-undifferenzierten Gesamteindruck über eine Überprüfung und Korrektur desselben an Details zu einem abschliessenden differenzierten Gesamteindruck zurückführt. (Sacher, 2009, S. 155) Diese hermeneutische Entwicklung von Beurteilungskriterien anhand der individuellen Portfolios erlaubte den Lehrkräften, Lernenden mit tieferem Ausgangsniveau, welche große Fortschritte gemacht hatten, eine gute Portfolionote zu erteilen (individuumszentrierter Maßstab). Dabei wurden auch Kriterien wie Sorgfalt, Fleiß, Hartnäckigkeit und Sauberkeit der Darstellung einbezogen und gewürdigt. Eine zweite Note erhielten die Lernenden für die Schlussrede und deren Vortrag, wobei ein „sachzentrierter Maßstab“ ange- <?page no="172"?> 172 wendet wurde (Kriterialnorm, Beurteilungsraster). Auf diese Weise liessen sich prozessorientierte und produktorientierte Beurteilungsformen verbinden. Allerdings erwies sich das Beurteilen der Lernfortschritte im Portfolio als äußerst zeitaufwändig, da dies eine (nochmalige) detaillierte Analyse aller Dokumente am Ende nötig machte, um zu einer angemessenen Einschätzung der Lernfortschritte zu gelangen. Auf Grund des hohen Arbeitsaufwands wurde in der Hauptstudie auf diese „ganzheitliche“ Beurteilung der Lernprozesse in den Portfolios verzichtet. Stattdessen wurden im Portfolio zentrale „Produkte“ identifiziert und diese kriterienorientiert beurteilt (überarbeitete Anfangsrede, toolbox, Schlussrede, Vortrag). So hatte auch dort die Leistungsbeurteilung einen „prozessbezogenen“ Aspekt. 5.5. Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler im Pilotprojekt Nach Abschluß des Projekts wurden die Erfahrungen der Lernenden mit einem Fragebogen erfaßt, um Hinweise für die Akzeptanz der darin verwendeten Lernformen und deren weitere Entwicklung zu gewinnen. Die erste Frage betraf die neuen Arbeitsformen im Projekt, welche beträchtlich von den gewohnten Lernformen abwichen: Wenn ich auf dieses Projekt zurückschaue, denke ich, dass mich folgende neuen Arbeitsformen weitergebracht haben... 18 Feld leer, oder “kann ich nicht beurteilen“ 17 Feedback von den Klassenkameraden, Einsicht in deren Texte 12 Selbständigkeit bei der Art des Arbeitens und der Themenwahl 11 Längere Texte schreiben und auch überarbeiten 9 Erarbeiten von Kriterien und Strategien zur Erstellung einer guten Rede, Zusammenfassung in der „toolbox“ 6 Rückmeldungen der Lehrkraft 5 Es war nichts neu, oder nichts hat mich weitergebracht 4 Analyse der Rede von Martin Luther King 3 Der öffentliche Auftritt vor der Klasse Tab. 5.12. Rückmeldung aus K1 und K2 zum Projekt „Dream“ 2005/ 06 (N=42, Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich) Am meisten schätzten die Lernenden die Zusammenarbeit mit den Klassenkameraden, wobei sie die Einsicht in deren Texte sowie das gegenseitige Feedback als besonders wertvoll empfanden. Dieser Austausch trug dazu bei, dass in den Klassen ein positiv gefärbtes, kooperatives Sozialklima entstand, welches viele als eigentliche Hauptqualität des Projektes lobten. Ein Schüler <?page no="173"?> 173 schätzte besonders das „Kennenlernen der Meinung der anderen über das von mir Erschaffene“ (K2, S12). So konnten die Lernenden auch dann einen Beitrag zum Unterrichtsgeschehen leisten, wenn ihre Arbeiten noch nicht Expertenniveau besaßen. Die von fachdidaktischer Seite geforderte Nutzung des „peerevalutativen Potentials“ von Lernaufgaben (Tesch, 2010, S. 73) hatte sich in der Praxis bewährt und wurde beim Nachfolgeprojekt noch verstärkt (genauere Anleitung, höhere Lernzeit). Weiter wurde die Freiheit des Arbeitens an eigenen Texten geschätzt. Die Jugendlichen konnten sich beim Schreiben individuell entfalten und ihre Stärken zum Tragen bringen: „Man kann freier arbeiten als im 'normalen' Unterricht. Man kann sich intensiver mit einem gewissen Thema befassen“ (K1, S2). Dazu gehörte auch, längere Texte zu schreiben, zu überarbeiten und so ein Produkt herzustellen, das eine persönliche Bedeutung hatte und stolz machte: „Selber schreiben, darauf Kritik anhören und seine Arbeit überarbeiten und verbessern“ (K2, S1). Als weiterer Vorteil wurde wahrgenommen, dass Entwicklungen in verschiedenen Kompetenzbereichen und auf unterschiedlichen Ebenen möglich waren: „Es gibt auf jedem Niveau Raum für Weiterentwicklung. Auch 'gute' haben die Rede z.T. drei mal überarbeitet“ (K2, S13). Die längerfristige Arbeit an einem Thema war aber für viele ungewohnt: „Der normale Englischunterricht mit Grammatik und Übungen wich dem Reflektieren, Beurteilen und Schreiben von speeches. Das Ganze war aber zeitintensiver“ (K2, S4). Da die Qualität des Unterrichts wesentlich von den Beiträgen der Lernenden abhing und Wissen nicht mehr nur „konsumiert“ werden konnte, stieg die Intensität der Arbeit während den Unterrichtsstunden gegenüber dem Normalunterricht an. Dies schlug sich in der Beurteilung der negativen Aspekte des Projekts nieder: Als hinderlich bzw. störend empfand ich an dieser Unterrichtseinheit… 18 Hoher Arbeits- und Zeitdruck, verursacht v.a. durch mehr schriftliche Arbeit als sonst 11 Nichts war negativ oder störend 7 Unterrichtseinheit war monoton, man ist zu lange am selben Thema geblieben 5 Die Arbeit in den Unterrichtsstunden selber war ineffizient. Selbständiges Arbeiten in der Stunde ist man sich nicht gewohnt, so dass die Hauptarbeit zu Hause gemacht werden musste. 4 Zu wenig Hilfe und Struktur von der Lehrkraft Tab. 5.13. Rückmeldung aus K1 und K2 zum Projekt „Dream“ 2005/ 06 (N=42, Anzahl Nennungen, Mehrfachnennungen möglich) <?page no="174"?> 174 Das Führen eines Lernjournals und das mehrmalige Überarbeiten einzelner Texte wurden von vielen Lernenden als Belastung empfunden. Sie waren in vielen Fächern einen Unterricht gewohnt, der durch die Lehrpersonen kleinschrittig geplant wird. Es fehlte deshalb manchmal an der nötigen Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbststeuerung des Lernens. Die Jugendlichen ließen sich rasch ablenken oder nutzten die Lernzeit für anderes, so dass mehr Arbeit außerhalb der Schule aufgewendet werden mußte. Eine Schülerin wünschte sich z.B. „weniger frei arbeiten lassen“, da „in [den Unterrichtsstunden] nicht gearbeitet wird“ (K1, S12). Diese Einschätzungen der Lernenden decken sich mit den Befunden von Maag Merki und Leutwyler (2006, S. 110), dass Jugendliche bereits im 10. Schuljahr oft Mühe bekunden, sich an die Bearbeitung einer schwierigen Aufgabe zu setzen bzw. nicht systematisch bestimmen, wie sie bei deren Bearbeitung vorgehen wollen. Dieses Defizit vergrößert sich bis zur Matura oft noch. Gerade auf Grund solcher Defizite sind Lernarrangements wie „Dream“ wichtig: Als die Lernenden merkten, dass sich der Einsatz von metakognitiven Strategien für sie lohnte, waren sie auch eher bereit, diese einzusetzen. Dies war der Lehrkraft von K2 besonders aufgefallen: „Die Schüler sind rasch erschöpft. Sie sagen schnell: ‚Immer am Gleichen arbeiten! ’ [...] Sie hatten dann zwar schon Freude, wenn ein Text gut war und sie sich entwickelt hatten, aber am Anfang haben sie das Verbessern nicht eingesehen.“ Gegen Ende des Projekts meinten sogar einige Schülerinnen und Schüler, man hätte das Thema der Rhetorik noch vertiefter behandeln müssen: „Die Schüler müssten mit mehr berühmten Reden konfrontiert werden (nicht nur King); Schüler müssten mehr Texte im Unterricht lesen und eigene Erkenntnisse sammeln, um Aufbau der Rede zu verstehen, um Gefühl für Rhetorik zu bekommen“ (K2, S17). Die Äußerung ist ein gutes Beispiel dafür, dass produktive Lernmotive zur Auseinandersetzung mit einer Sache nicht unbedingt von Anfang an vorhanden sein müssen, im Verlauf der Arbeit aber aufgebaut werden können. 5.6. Einschätzungen der Lehrkräfte im Pilotprojekt Die Erfahrungen der Lehrkräfte in den Klassen K1 und K2 wurden in einem ca. einstündigen, leitfadengestützten Interview erfaßt, welches Dr. Felix Winter (Universität Zürich) nach Abschluß des Projekts mit ihnen durchführte. Im Folgenden sind ihre Erfahrungen als Fallstudien geschildert, an denen Chancen und Schwierigkeiten dieser Art des Schreibunterrichts exemplarisch dargestellt werden sollen. <?page no="175"?> 175 5.6.1. Lehrkraft der Klasse K1 Die Lehrkraft von K1 verfügte zum Zeitpunkt der Projektdurchführung über mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung als Englischlehrperson. Sie wird im Kollegium und auch von den Lernenden sehr geschätzt und unterrichtet mit hoher Fachkompetenz und Engagement. Im Vorfeld äußerte sie gewisse Zweifel, ob die für das Projekt ausgewählte Klasse geeignet sei, da sie diese als „eher schwach“ und „disziplinarisch schwierig“ einschätzte. Die Jugendlichen benähmen sich im Unterricht oft „schwatzhaft“, Material sei nicht vollständig und Hausaufgaben nicht gemacht. Ihre Einschätzung war aber nicht nur negativ und sie nahm auch die Qualitäten wahr: „Sie sind aber auch fröhliche, aufgestellte junge Menschen, offen, spontan, machen mündlich meist gut mit.“ Das Projekt „Dream“ brachte ihrer Ansicht nach die positiven Seiten der Klasse mehr zum Vorschein als die negativen: „Auch mit dieser Klasse ist es gut herausgekommen, einige haben sich sogar sehr engagiert. Das sieht man auch den Portfolios an. Dort wird der Fortschritt sichtbar, die Schüler merken, dass sie etwas erreichen können und strengen sich an“. Gerade bei der Förderung der „schwächeren“ Schülerinnen und Schüler sah sie viel Potential: Auch die Schwachen haben eine gute Rede zu Stande gebracht. Und ich denke, auch gerade die Schwächeren waren motiviert. Am Anfang hatten sie das Gefühl: Das kann ich eh nicht, das ist zu hoch, und konnten sich das selber nicht vorstellen. Nachher haben wirklich alle eine gute Rede zu Stande gebracht. Eine Herausforderung für die Lehrerin war es, verstärkt mit förderorientiertem Blick auf die Texte ihrer Schülerinnen und Schüler zu schauen. Hier nahm sie eine positive Veränderung bezüglich ihrer normalen Korrekturgewohnheiten wahr: Ich fand es schön, dass man erst einmal sucht: was ist denn Gutes vorhanden. Was können sie schon, und man nicht immer nach den Fehlern sucht. Es ist schön, den Schülern so zu begegnen. Ich habe dann fast Mühe gekriegt: Also was ist denn nicht gut [...]. Es ist ein anderer Blickwinkel auf die Arbeit der Schüler. Es war einfach neu, aber mich hat es sehr angesprochen, so Texte einmal anzuschauen. Generell war diese Lehrerin beeindruckt von der Qualität der Texte in dieser „leistungsschwachen“ Klasse. Es gelang ihr rasch, von einer eher defizitorien- <?page no="176"?> 176 tierten Korrektur des „Fehler-Suchens“ zu einer qualitätenorientierten Sicht auf Schülertexte zu kommen: „Das Schauen auf die Verbesserungen, das war sehr neu für mich. Ich denke das ist eine Methode, die der Leistung des Schülers viel eher gerecht wird, die vielleicht effektiv etwas aufzeigt, was er jetzt kann.“ Damit war für sie aber auch ein erheblicher Aufwand verbunden, zumal die Rückmeldungen immer auf einen gewissen Zeitpunkt erstellt werden mußten (normalerweise bis zur nächsten oder übernächsten Unterrichtsstunde). Diese Arbeit führte sie einige Male an die Grenze der Belastbarkeit. Sie entschärfte das Problem, indem sie einzelnen Lernenden in den Unterrichtsstunden mündliches Feedback zu ihren Reden gab, während die anderen an ihren Reden arbeiteten. Der Austausch unter den Lernenden selber diente als wichtige Ergänzung, welche sie - gleich wie die Schüler - als äußerst positiv einschätzte: Das [Austauschen] haben sie sehr geschätzt. Sie fanden es am Anfang schwierig, sich auszudrücken, dem anderen etwas Positives zu sagen, aber auch Kritik zu üben. Ich denke, das ist wirklich nicht einfach, gerade bei einem englischen Text, wo man selber nicht recht weiß, was gut ist. Wir haben das ja auch grad ganz am Anfang gemacht. Aber das ist gut aufgenommen worden, und die Schüler haben das sehr geschätzt, andere zu beurteilen und auch die Urteile entgegenzunehmen. Das Lesen und daraus wieder etwas profitieren. Diese Lehrerin erlebte den neuen Umgang mit Schülertexten zwar als bereichernd, geriet aber auch rasch in Konflikt mit ihrer bestehenden Praxis der Leistungsbeurteilung. Sie war es sich gewohnt, Leistungen nur im Rahmen von Prüfungssituationen zu beurteilen. Die Beurteilung der Portfolios fiel ihr deshalb besonders schwer, weil dabei die individuellen Leistungen jeweils einzeln bestimmt werden mußten und sich dies nicht durch das Zählen von Fehlern oder Punkten erreichen ließ: „Weil ich unsicher war mit der Bewertung, wußte ich nicht: soll ich einfach zählen, wie viel tools angewendet wurden? Aber das kann’s doch auch nicht sein. Es geht ja nicht um eine Zahl, sondern es muß im Text stimmen.“ Sie löste das Problem, indem sie die charakteristischen Leistungen in jedem Portfolio kurz beschrieb und anschließend vor dem Hintergrund der fachlichen Anforderungen auf dieser Stufe beurteilte sowie mit einer Note versah. Da sie diese Anforderungen als erfahrene Lehrperson gut kannte, kam sie auch bei unterschiedlichen Leistungsprofilen zu angemessenen Einschätzungen. Sie versah jedes Portfolio mit einem kurzen Kommentar und besprach dieses am Ende kurz mit den Lernenden, was zeitaufwendig war, aber von den Schülerinnen und Schülern sehr geschätzt wurde. <?page no="177"?> 177 Zudem hob diese Lehrperson eine Reihe von Erfolgserlebnissen hervor, aus welchen sie Kraft und Motivation für die weitere Arbeit ziehen konnte. Als besonders lernwirksam schätzte sie die Rede Kings ein, welche auf die Lernenden eine grosse Faszinationskraft ausgeübt hatte: Am spannendsten und eindrücklichsten für die Schüler war die Rede von King, wie wir sie erst angehört haben, dann haben wirken lassen auf uns. Und die Schüler haben das wirklich verstanden, sie haben gemerkt da geht etwas: wieso berührt mich das? Das war sehr eindrücklich. Und nachher herausfinden: wieso hat mich das so berührt. Das hat ihnen auch viel Motivation gegeben, sie haben viel gelernt und gemerkt: diese tools sind ja da drin, das ist nicht irgendwie nur Theorie, sondern mit den tools kann man etwas machen, das dann das und das bewirkt. Sie stellte in diesem Zusammenhang auch fest, dass viele Jugendliche in ihren Schlußreden „die toolbox ganz bewußt anwendeten“. Insgesamt hatte diese Lehrerin das Projekt „Dream“ als wertvolle Erweiterung ihres Unterrichtsrepertoires erfahren und ihre Klasse von einer neuen Seite her kennengelernt. Sie nahm sich eine baldige Wiederholung des Projekts mit einer anderen Klasse vor und gab an, einige Arbeitsformen auf neue Kontexte übertragen zu wollen. Dazu gehörte das förderorientierte Lesen und Rückmelden von Schülertexten, der Austausch der Lernenden untereinander sowie das Erarbeiten einer toolbox zu einem bestimmten Thema. 5.6.2. Lehrkraft der Klasse K2 Auch die Lehrkraft der Klasse K2 hatte zum Zeitpunkt der Durchführung von „Dream“ bereits über 20 Jahre Erfahrung als Englischlehrerin und ist eine gleichermaßen erfahrene wie im Kollegium beliebte Lehrerin. Sie stand dem Projekt von Anfang an skeptischer gegenüber als die Lehrkraft von K1. Die Idee, dass die Lernenden gleich zu Anfang ohne Vorbereitung eine gute Rede schreiben sollten, beurteilte sie kritisch, nahm aber am Ende auch Differenzierungen vor: Das Projekt baut ja eigentlich auf der netten Idee auf, dass man das alles schon mit sich trägt, aber dass man das zuerst herausschälen muß, um zu erkennen, was es überhaupt ist. Ich aber glaube, dass das eigentlich nicht ging. Die erste Phase, wo sie zuerst einfach aus dem Bauch heraus etwas schreiben, und dann diese guten Dinge finden sollten, das war nicht sehr ergiebig. Da kommt zu wenig. Also man müßte ihnen entweder Texte geben. Das kann man sich ja <?page no="178"?> 178 vorstellen dass man ihnen Texte gibt, ein paar Reden, wo sie das dann rausschälen und so zu ihrer Toolbox kommen. Die Dinge die da kamen waren z. T. sehr dürftig, und was nachher ergänzt wurde, das kam alles von mir schlußendlich. [...] Also gut ich kann eines sagen. Wir predigen immer von Struktur, das haben sie nicht zum ersten Mal gehört, aber sie haben doch das gesehen, dass etwas nicht überzeugend ist, wenn es keine Struktur hat. Das haben sie gemerkt, dass das nicht nur eine Lehrerpredigt ist, sondern dass das wirklich nicht wirkt. [...] Aber feinere Dinge, also wirkliche sprachliche Dinge, die man brauchen könnte, da sind sie einfach zu wenig flexibel mit der Sprache, um das selber schon zu produzieren. Die Analyse nach Projektende zeigte zwar deutlich, dass auch die „Anfangsreden“ aus dieser Klasse vielfältige sprachliche, inhaltliche und rhetorische Qualitäten enthielten (s. oben). Diese Lehrerin aber nur widerwillig bereit, die Entwürfe zu lektorieren oder nachfolgende Lernprozesse auf den bestehenden Kompetenzen der Jugendlichen aufzubauen. Trotzdem bemerkte sie, dass die Lernenden selber sich der Wirkung ihrer Texte im Verlauf des Projekts immer besser bewußt wurden. Auch aus ihrer kritischen Warte stach die Zusammenarbeit unter peers dabei als wesentlicher Lernfaktor heraus: „Was ich als sehr positiv empfand, vom Schülerengagement her, auch von denen, die nachher wieder nichts gemacht haben: sie haben gerne und ausführlich die Arbeiten der anderen angeschaut.“ Diese Eigenaktivität wirkte sich positiv auf die Lernprozesse innerhalb der Klasse aus, was für die Lehrerin eine Befriedigung war: „Es hat mir Spaß gemacht, zu sehen, dass sie Kritik von Kolleginnen eigentlich gerne aufnehmen, und besser integrieren, als wenn sie von vorne kommt.“ Obwohl sie sich gewohnt war, Fachwissen in den Unterricht selber zu vermitteln, konnte sie hier die Erfahrung machen, dass Lernende im Austausch untereinander neue Kompetenzen erwarben und sie von der Rolle der Wissensvermittlerin (teilweise) entlastet war. Dieser Eindruck verstärkte sich dadurch, dass auch jene Jugendlichen mehr mitarbeiteten, welche sonst im Unterricht wenig zum Zug kamen: „[Schüler, die] sich sonst gehemmt fühlen, haben jetzt gut gearbeitet, das habe ich also positiv empfunden. Die konnten sich reinlegen und haben wirklich etwas profitiert.“ Auch die Reaktion der Lernenden auf die Rede Martin Luther Kings erlebte sie als positive Überraschung. Besonders erfreut zeigte sie sich über den Grad der persönlichen Beteiligung der Lernenden bei diesem schwierigen Stoff: <?page no="179"?> 179 Ich war selber sehr überrascht über die Texte mit Impressions zu dieser Rede, auch eigentlich sehr überrascht, wie konzentriert sie überhaupt zugehört haben. Es ist ja doch so bei Reden, die zurück liegen, das ist ja auch eine Sprechweise, die sehr befremdet. Man kann ja nicht diese Rede als heute überzeugende Rede... Von der Rhetorik her schon, aber vom Vortragen her eigentlich nicht. Das ist ein anderer Stil. Aber da haben sie wirklich intensiv zugehört, und die Reaktionen darauf waren z.T. tatsächlich, die haben mehr an Gefühl gezeigt als ich erwartet hätte. Insgesamt erzielte auch diese Klasse gute Ergebnisse im Projekt, wobei sich besonders auch schwächere oder zurückhaltende Schüler engagierten und bedeutende Fortschritte machten. Die Bewertung dieser individuellen Fortschritte lehnte diese Lehrkraft jedoch ab: Ich habe nicht so bewertet, wie das vorgesehen wäre. Ich muß auch gestehen, ich habe es nicht gemacht aus zwei Gründen: erstens wüßte ich nicht, wie man es wirklich macht, und zweites denke ich auch, es wäre falsch, schlicht und ergreifend falsch. [...] Was ich als Vorgabe eigentlich empfunden habe, war die Idee, dass man nicht einfach Produkte bewertet, sondern Fortschritte. Das finde ich schon, das kann sehr motivierend sein, aber es kann ja wohl nicht die Idee sein, dass, wenn jemand sich nicht im Geringsten bemüht bei einem Entwurf, und einen Freßzettel mit ein paar hingeschmissenen Sätzen abgibt, und nachher sich nur ein bißchen anstrengt, dann ist es schon sehr viel besser, dieser Fortschritt ist dann schon sehr stark. Ein anderer Schüler gibt sich schon Mühe beim ersten Entwurf und kann dann nicht so sehr dazuschrauben, das kann’s ja nicht sein. Trotz dieser ablehnenden Einstellung zur erweiterten Leistungsbeurteilung nahm auch diese Lehrperson die Fortschritte wahr, welche sich in den Portfolios zeigten. Einige der Schülerinnen und Schüler hatten sich stärker verbessert, als sie erwartet hatte: „Ich war sehr angetan von einigen Arbeiten, das fand ich wirklich schön, die haben jetzt gezeigt, dass sie versuchen, etwas aufzunehmen.“ Auch diese Lehrkraft lernte ihre Klasse von einer neuen Seite kennen, sowohl was das persönliche Engagement wie auch was den Willen betraf, die im Unterricht erarbeiteten Strategien in den eigenen Produkten umzusetzen: „Ich habe dann gesehen, dass diejenigen, die das überhaupt ernst nahmen (und das waren doch einige), versucht haben, ganz bewußt einige von den Dingelchen, die wir da rausgeschält haben, zu integrieren in ihre Reden.“ Besonders in Erinnerung geblieben war ihr eine Rede zum Thema child labour: „Bei dieser Rede, da dachte ich auch, das war überzeugend und <?page no="180"?> 180 recht gut geschrieben, und hat vielleicht mehr von der Person gezeigt, als man im Normalunterricht sehen würde. Das fand ich schön.“ Als besonders belastend empfand diese Lehrperson jedoch die Benotung der Portfolios zu Projektende, wobei sie alle darin enthaltenen Arbeiten noch einmal akribisch korrigierte. Auch fand sie es schwierig, die Lernenden stärker in die Verantwortung für das Unterrichtsgeschehen einzubinden und sie selbständig arbeiten zu lassen. Sie begründete dies mit den Einstellungen der Schülerinnen und Schüler: Sie sind sich überhaupt nicht gewöhnt, irgend etwas Verpflichtendes als Pflicht anzunehmen, etwas zu tun, und sie wissen es dann gar nicht mehr, also sie nehmen irgendwelche Blätter mit, dann haben sie sie nicht, die sind nicht da, dann kümmern sie sich aber nicht darum, das zu kriegen. Nachher sind sie entsetzt, weil sie etwas hätten machen sollen, weil man es ihnen nicht noch telephonisch oder schriftlich nachgeschickt hat. Das anders zu machen, nein. Ich glaube, das hat sich einfach gezeigt, dass da dann wirklich kein Fortschritt war. Aber ich mache mir nichts vor, die gleichen Schüler machen auch sonst keinen Fortschritt, das ist klar. Zwar wären nach Einschätzung dieser Lehrperson Selbständigkeit und Eigenverantwortung wichtige Kompetenzziele für ihre Klasse gewesen. Die in diesem Projekt eingesetzten Unterrichtsmethoden widersprachen jedoch ihrem didaktischen Repertoire und ihren Einstellungen zum schulischen Lernen, so dass sie eine Veränderung ihres Unterrichts außerhalb dieses Projekts nicht in Betracht zog. 5.7. Fazit In den Pilotstudien nahmen die Lernenden bei „Dream“ besonders die gesteigerte Selbständigkeit beim Schreiben als Gewinn gegenüber dem traditionellen Unterricht wahr. Bereits die ersten Redemanuskripte enthielten eine Vielzahl von sprachlichen und rhetorischen Ausdrucksmitteln, welche im Projektverlauf explizit gemacht und systematisiert werden konnten. Auch empfanden die Schülerinnen und Schüler die Einsicht in die Arbeiten ihrer Klassenkollegen als besonders wertvoll. Diese Vorteile nannten sie deutlich häufiger als z.B. die Zuwendung und Beratung durch die Lehrkräfte. Offenbar liessen die kooperativen Arbeitsformen eine Art „Wissensbildungsgemeinschaft“ mit anregender Lernatmosphäre in den Klassen entstehen. Das peer feedback brachte vielfältige Konzepte zu Textgestaltung und -struktur guter Reden hervor, welche sich für das weitere Lernen als fruchtbar erwiesen. <?page no="181"?> 181 Beim Aufbau erweiterter argumentativer Schreibkompetenzen spielte nach übereinstimmender Einschätzung aller Beteiligten die Analyse der Mustertexte eine zentrale Rolle, wobei sowohl sprachlich-linguistische wie affektive Faktoren genannt wurden. An diesen Expertentexten liessen sich Gestaltungsmittel für das eigene Schreiben gewinnen und zudem die Faszinationskraft einer guten Rede am eignen Leib erfahren. Bei den „Meisterreden“ sprangen dann persönliches Engagement, Originalität und Kreativität der Reden ins Auge. Besonders bei leistungsschwächeren Lernenden fielen überdurchschnittliche Entwicklungen bei der argumentativen Schreibfähigkeit auf. Die Wahrnehmung der eigenen Fortschritte erfüllte viele Jugendliche mit Stolz und erhöhte ihre individuelle Bereitschaft, sich vertieft mit dem Thema Rhetorik im Englisch auseinanderzusetzen. Gleichzeitig fiel es manchen schwer, ihr eigenes Lernen selbst zu steuern und Verantwortung dafür zu übernehmen, besonders während der Unterrichtsstunden. Sie waren es gewohnt, nach kleinschrittiger Anleitung zu arbeiten und Fragen des Zeitmanagements sowie der Organisation der Lehrperson zu überlassen. Die Schreibprozesse während den Unterrichtsstunden verliefen besonders gegen Ende des Projekts oft ineffizient, Beratungsangebote der Lehrperson wurden nicht wahrgenommen oder die Zeit für andere Fächer genutzt. Offenbar konnten die Lernenden diese Lücken außerhalb des Unterrichts wieder schließen, was die Arbeitsbelastung des Projekts aber erhöhte und die Freude vieler Lernender daran verminderte. Insgesamt zeigten die Pilotstudien, dass das Arrangement „Dream“ in der Praxis umsetzbar war; dass das zugrunde liegende Kompetenzmodell didaktisch gut abgebildet war und sich zumindest einige der intendierten Effekte zeigten. Auf diese Weise liessen sich konkrete Hypothesen für die Nachfolgestudie formulieren und mit quantitativen Forschungsmethoden überprüfen. <?page no="182"?> 182 6. „I Have A Dream! “ - Empirische Überprüfung der Effekte 6.1. Funktion und Reichweite der Untersuchung In der hier vorgestellten „Hauptstudie“ wurde die Wirksamkeit von „Dream“ in einem quasi-experimentellen Setting mit Versuchs- und Vergleichsgruppen untersucht. Ziel war herauszufinden, ob das Schreibarrangement tatsächlich die intendierten Effekte bei der Entwicklung der argumentativen L2- Schreibkompetenz sowie bei den Fähigkeiten der Lernsteuerung und Reflexion zeigen würde. In der Pilotstudie hatte sich gezeigt, dass viele Lernende ihre Schreibkompetenzen deutlich steigern konnten, wobei sich die „Schlussreden“ sowohl durch hohe sprachlich-formale wie rhetorisch-ästhetische Qualität auszeichneten. Dazu kamen positive Entwicklungen der Lernenden beim Interesse an diesem Thema. Hier sollte deshalb geprüft werden, ob sich diese Effekte auch im Vergleich mit Klassen nachweisen liessen, welche auf eher konventionelle und instruierende Weise unterrichtet wurden. Die empirische Untersuchung dazu fand mit vier Parallelklassen an der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon statt (2009, N=80, 11. Schuljahr, 5. Lernjahr Englisch), wobei eine Reihe unterschiedlicher Meßmethoden eingesetzt wurde: Kompetenzmessung durch Analyse der Anfangs- und Schlussreden mit Bewertungsrastern, Befragungen der Lernenden zu intendierten Wirkungsbereichen der Studie (Likert Items) sowie Befragung mit „offenen Fragen“ (inhaltsanalytische Auswertung). Diese Pluralität der Methoden ergab sich aus der Komplexität des Gegenstandes, der hier untersucht werden sollte: Understanding the complexity of the composing process requires multiple methods of access to the process. Because results of studies from different perspectives tend to converge, as is the case with certain aspects of empirical research on revision, researchers must embrace methodological pluralism, and report explicitly the limits of each type of research strategy. Under these circumstances, differences in the results attributable to methodology alone will be clearly articulated, and conflicting results can be resolved more easily. (Williamson & Pence, 1989, S. 101) Die hier vorgelegte Untersuchung teilt alle Stärken - und natürlich auch Schwächen -, die für quasi-experimentelle Studien typisch sind. Eine Stärke <?page no="183"?> 183 liegt in der ausgeprägten externen Validität, d.h. in der Übertragbarkeit der Resultate auf die Zielstufe oder auf ein pädagogisches Umfeld im allgemeinen. Dies ist darin begründet, dass die Studie in einem authentischen Schulkontext mit echten Klassen stattfand (kein konstruiertes Labor-Umfeld). Die Schreibkompetenzen der Lernenden konnten direkt in den Redemanuskripten gemessen und so unterschiedliche Entwicklungen in beiden Gruppen untersucht werden. Durch die Arbeit mit bereits existierenden Klassen bestand jedoch die Gefahr einer selection bias, d.h. die Möglichkeit, dass die gemessenen Unterschiede nicht als Folge des treatment entstehen, sondern auf bereits vorher bestehende Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen zurückzuführen sind (Dörnyei, 2007, S. 120). Die Existenz einer solchen selection bias wurde im Vorfeld mittels eines standardisierten Sprachtests abgeklärt. Dabei zeigte sich, dass die vier Klassen in der Untersuchung ein vergleichbares Ausgangsniveau aufwiesen und gemessene Unterschiede in der Entwicklung der Schreibkompetenzen deshalb nicht einfach das Resultat bereits bestehender Niveaudifferenzen sind konnten (vgl. Tab. 6.4., unten). Es war auch keine self selection der Schülerinnen und Schüler für die eine oder andere Gruppe möglich und keine Klasse wußte, ob sie der Versuchs- oder der Vergleichsgruppe angehörte. Dadurch wurde ein möglicher Hawthorneeffekt minimiert oder zumindest ausgeglichen, d.h. die Möglichkeit, dass der Effekt der Intervention nicht durch eine treatment variable verursacht wird, sondern nur auf Grund des Wissens der Teilnehmer zustande kommt, dass sie untersucht werden. Obwohl sich der Untersucher in dieser Studie redlich um eine ausreichende interne Validität bemühte, bestehen immer noch eine Reihe möglicher Störvariablen, welche nicht genau bekannt sind. Dieses caveat gilt für alle Untersuchungen, die in einem authentischen Schulumfeld stattfinden: „powerful research designs that require a high level of control over variables are not always possible in language research with human subjects, for ethical and practical reasons” (Bailey, 1998, S. 1). Als Reaktion darauf wurde versucht, alle Einflüsse des Kontexts so genau als möglich zu erfassen und zu schildern, sowie mögliche Einflüsse auf die gemessenen Resultate kritisch zu diskutieren (vgl. Abschn. 6.4. u. 6.6.). Eine Stärke der Studie liegt darin begründet, dass die Entwicklungsprozesse der Lernenden im Bereich der L2-Schreibkompetenz direkt mittels authentischer Unterrichtsprodukte untersucht wurden, nämlich anhand der Redemanuskripte, die am Anfang und am Ende geschrieben wurden. Es musste also nicht auf Grund von indirekten Tests mit inferentiellen Verfahren auf die untersuchte Zielkompetenz des argumentativen Schreibens zurückgeschlossen werden. Gleichzeitig konnte durch die Messung zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch der Verlauf der Lernprozesse bis zu einem gewissen Grad <?page no="184"?> 184 erschlossen werden (Bridwel, 1980; Bereiter & Scardamalia, 1987; Sanders et. al., 1996). Es wird hier also davon ausgegangen, dass von der Qualität der Schreibprodukte auf die Qualität der vorausgegangenen Lernprozesse zurückgeschlossen werden kann: Einerseits stellen die Redemanuskripte eine sinnvolle Operationalisierung der Schreibkompetenz der Lernenden dar. Andererseits liess die zeitlich gestaffelte Analyse dieser Schreibprodukte auch eine Prozeßanalyse des Unterrichtsarrangements zu. Dies ist deshalb der Fall, weil ein Text als semantic entity immer aus zwei Perspektiven betrachtet werden kann, nämlich sowohl als Produkt wie auch als Prozeß: We need to see the text as product and the text as process and to keep both these aspects in focus. The text is a product in the sense that it is an output, something that can be recorded and studied, having a certain construction that can be represented in systematic terms. It is a process in the sense of a continuous process of semantic choice, a movement through the network of meaning potential, with each set of choices constituting the environment for a further set. (Halliday & Hasan, 1989, S. 10, vgl. auch Halliday, 1985) Diese Aussagen sind für die vorliegende Untersuchung in hohem Masse zutreffend: Das geschriebene Produkt enthält Wissensstrukturen und repräsentiert Kompetenzen, welche auch die Kompositionsprozesse beeinflußten. Man kann davon ausgehen, dass eine Analyse der Redemanuskripte wertvolle Hinweise auf den Prozess des Kompetenzerwerbs beim L2-Schreiben zulässt. 6.2. Untersuchungsanlage und Interventionsbeschreibung In der Versuchsgruppe (N=38) wurde das Lernarrangement „Dream“ so umgesetzt wie im Kap. 5 beschrieben. Aus aktuellem Anlaß wurde die Rede von Martin Luther King, welche in den Pilotstudien als „Expertenbeispiel“ gedient hatte, durch eine Rede des (damals neu gewählten) amerikanischen Präsidenten Barack Obama ersetzt („State of the Union Speech“ vom 24.2.2009). Auf diese Weise sollte den Lernenden Bedeutung und Gegenwartsbezug des Themas „gute Reden“ verstärkt vor Augen geführt werden. In der Vergleichsgruppe (N=42) wurde mit traditionell instruierenden Unterrichtsmethoden gearbeitet, wie sie im gymnasialen Englischunterricht noch immer weit verbreitet sind (vgl. Abschn. 2.2.2.). Während die Lernzeit (Anzahl Lektionen) identisch war, unterschieden sich die Lernformen in beiden Gruppen deutlich. In der traditionell unterrichteten Vergleichsgruppe schrieben die Lernenden am Anfang ebenfalls unvorbereitet eine „gute Rede“. Diese wurde von den Lehrkräften korrigiert und wie ein „Stundenaufsatz“ <?page no="185"?> 185 benotet. Der Schwerpunkt dieser Korrektur lag auf formal-sprachlichen Aspekten: grammar/ vocabulary wurden zu 66 Prozent und content/ structure zu 33 Prozent bewertet, wie es in diesen Klassen üblich war. Nach der Korrektur besprachen die Lehrkräfte mit den Lernenden die Fehler und liessen eine Verbesserung anfertigen. In den folgenden Unterrichtsstunden vermittelten die Lehrpersonen mit Hilfe eines Lehrbuchs verschiedene Grammatikthemen, welche für „gute Reden“ bedeutsam sind: inversion, modal verbs und emphasis (Englisch Grammar in Context, Vince und Clarke, 2009). Die Lernenden erhielten dazu auch zusätzliches Übungsmaterial. Anschließend führten die Lehrkräfte zentrale rhetorische Techniken und Stilmittel ein (Instruktion mittels Arbeitsblättern und Tafelanschrieb). Der erste Input in diesem Bereich betraf verschiedene Vortragstechniken wie Körpersprache, Sprechtempo und Klarheit der Aussprache sowie Augenkontakt. Weitere Inputs waren sprachlichen Stilmitteln gewidmet, wobei verschiedene Arten von rhetorischen Figuren behandelt wurden. Der Schwerpunkt lag dabei auf Wiederholungen (von Wörtern und Sätzen), Metaphern, Antithesen und rhetorischen Fragen, welche jeweils auf Arbeitsblättern erarbeitet wurden. Für jedes Mittel waren Beispiele aus authentischen Reden angegeben, wobei die Lernenden den Auftrag hatten, deren Wirkungsweise zu beschreiben und selber ein weiteres Beispiel anzufügen. Am Ende des Projekts schrieben die Lernenden der Vergleichsgruppe ebenfalls eine „Meisterrede“ wobei sie versuchten, die rhetorischen Stilmittel effizient anzuwenden (Doppelstunde, parallelisiert zur Versuchsgruppe). Dafür erhielten sie wiederum eine Note und einen Kommentar der Lehrkraft. Danach hatten sie nochmals Gelegenheit, die Rede zu verbessern, bevor sie diese vor der ganzen Klasse vortrugen. Sie konnten bei der Arbeit ihre Unterrichtsmaterialien verwenden, es wurde aber kein Portfolio oder Lernjournal geführt und die eigene Lernarbeit auch nicht systematisch reflektiert. In Tab. 6.2. sind diese Interventionen in beiden Gruppen noch einmal zusammengefaßt. <?page no="186"?> 186 Vor Projektbeginn: standardisierter Sprachtest (Oxford Placement Test 2, Grammar und Listening) - Fragebogen zu Interesse, metakognitiven Elementen der Handlungssteuerung Arbeitsphase Versuchsgruppe Vergleichsgruppe Spontan eine gute Rede schreiben (23.-24.2.2009) 2 Lektionen à 45’ Die Schüler/ innen schreiben spontan und ohne Vorbereitung eine gute Rede zu einem bestimmten Thema. Gleich Arbeit mit der ersten Rede (2.-3.3.2009) 2 Lektionen Lehrperson gibt formative feedback und stellt eine „Autographensammlung“ aus gelungenen Beispielen zusammen. Lernende analysieren diese und tauschen Reden aus. Lehrperson schaut sich die Texte an, macht eine Korrektur und gibt eine Bewertung ab. In der Klasse werden mit einem „Fehlerblatt“ zentrale Sprachthemen problematisiert. Erweiterung der Kompetenzen (4.-5.3.2009) 4 Lektionen Lernende stellen aus ihren Analysen eine Anzahl Strategien zusammen, mit denen sich eine gute Rede herstellen lässt (toolbox). Sie benutzen diese dann, um ihre Reden zu überarbeiten. Lehrperson vermittelt grammatische Mittel, mit denen sich eine gute Rede herstellen lässt. Die Lernenden machen eine Verbesserung ihrer Anfangsrede. Analyse von Expertentexten (6.-10.3.2009) 2 Lektionen Analyse von Reden Barack Obamas. Die Lernenden beachten zuerst ihre Gefühle und rekonstruieren dann, mit welchen Sprachmitteln diese Wirkungen erzeugt werden. Analyse von Ausschnitten aus guten Reden als Beispiele für den Gebrauch des entsprechenden Mittels. Die Lernenden prägen sich diese ein. Erweiterung der Kompetenzen (4.-5.3.2009) 2 Lektionen Lernende systematisieren und gliedern rhetorische Mittel in Obamas Reden und erweitern so ihre toolbox. Lernende behandeln mit Lehrperson weitere rhetorische und grammatische Mittel von guten Reden (Grammatikbuch, Arbeitsblätter). „Meisterrede“ (12-13.3.2009) 2 Lektionen Lernende schreiben eine „Meisterrede“ (Doppellektion), in der sie ihre neuen Kompetenzen anwenden. Diese kann vor dem Vor- Gleich <?page no="187"?> 187 trag in der Klasse nochmals überarbeitet werden. Auftritt vor der Klasse (23-31.3.2009 4 Lektionen Lernende tragen ihre Rede vor der Klasse vor, erhalten von den Lernenden ein Feedback und von der Lehrperson eine Note. Gleich Weitere Unterschiede zwischen den Gruppen: Dokumentation der Leistungen Lernende halten ihre Lernprozesse von Anfang an schriftlich fest. Diese Dokumente werden im Unterricht zum Austausch von Wissen genutzt und von der Lehrperson regelmäßig gesichtet (Lernjournal). Am Ende wird daraus ein Portfolio zusammengestellt. Die Lernenden sammeln die Materialen und halten sie für den Unterricht komplett. Diese Dokumente werden im Unterricht als Materialsammlung benutzt, sind aber bei allen Lernenden gleich und werden weder ausgetauscht noch von der Lehrperson beurteilt. Leistungsbewertung Prozeß und Produktdimension werden einbezogen. Für die Schlussnote zählt zu 50% das Portfolio, zu 50% die Schlussrede. Leistungsbeurteilung erfolgt aufgrund der Anfangs- und die Schlussrede, welche je mit einer Note beurteilt werden. Reflexion Als Teil des Portfolios stellen die Lernenden in einem reflexiven Text noch einmal dar, wo sie Stärken und Schwächen bei sich sehen, wie sie im Projekt gearbeitet haben und welche Lernschritte jetzt anstehen. Reflexion im Rahmen der Befragung nach dem Projekt. Keine Reflexion als Teil der schulischen Leistung oder Leistungsbeurteilung. Nach Projektschluss: Schlussbefragung zu versch. Aspekten des Projekts, ca. 30 min. (Fragebogen) Tab. 6.2. Übersicht über Unterrichtsgestaltung in Versuchs- und Vergleichsgruppe, Projekt „Dream“ <?page no="188"?> 188 Die Lehrkräfte wurden im Vorfeld der Studie geschult, so daß sie mit den angezielten Lernmethoden vertraut waren und ganz „im Sinne der Untersuchung“ unterrichteten. Der Untersucher war in allen Interventionen und Klassen anwesend (außer wenn Stunden „parallel“ stattfanden). Er prüfte dabei, ob die Arbeitsformen tatsächlich wie geplant umgesetzt wurden. Zudem stand er den Lehrkräften während des ganzen Untersuchungsprozesses als Ansprechperson zur Verfügung und konnte so laufend auf Fragen und Probleme reagieren. Die Untersuchungsanlage wirft auch gewisse ethische Fragestellungen auf, welche hier nicht vernachlässigt werden sollen. Glücklicherweise geht von den meisten Untersuchungen in der Lehr- Lernforschung keine direkte Gefahr für Leib und Leben der teilnehmenden Personen aus, auch von dieser nicht: Fortunately, studies conducted by educational researchers seldom if ever run the risk of inflicting such severe mental and physical harm on participants. In fact, educational research has historically engaged in research that imposes either minimal or no risk to the participants and has enjoyed a special status with respect to special ethical oversight. (Johnson und Christensen, 2004, S. 111; zit. in Dörnyei, 2007, S. 64) Die Lehrkräfte nahmen freiwillig an der Studie teil und gaben dem Untersucher die Erlaubnis zur Verwendung ihrer Namen und zur Auswertung der Ergebnisse. Die Schülerinnen und Schüler erteilten die Zusage zur Mitarbeit unter der Versicherung, dass alle erhobenen Daten vollständig anonymisiert würden und aus den publizierten Resultaten keine Rückschlüsse auf einzelne Individuen möglich sein würden (z.B. sind alle genannten Schülernamen Pseudonyme).Wo Lektionen auf Video aufgezeichnet wurden, hatten die Lernenden die Möglichkeit sich so zu setzen, dass sie im Bild nicht zu erkennen waren. Auch die Aufzeichnung der „Schlussrede“ auf Video war freiwillig. Es bleibt dabei die Tatsache, dass die Klassen der Vergleichsgruppe nicht „in den Genuß“ der Lernmethoden von „Dream“ kamen und deshalb in gewisser Weise benachteiligt wurden. Sie wurden allerdings auch nicht direkt geschädigt, da sie eine „traditionelle“ Art von Unterricht erfuhren, die ihnen aus anderen Kontexten gut bekannt war. Nach Ende des Projekts hatten sie die Möglichkeit, sich die Rede Obamas noch als ganzes anzuschauen und so verpaßtes noch nachzuholen. Auch wurden alle Lernenden im Nachhinein über die zentralen Untersuchungsfragen aufgeklärt und auch über die Ergebnisse der Studie informiert. Dabei hatten sie Gelegenheit, Fragen zu stellen, <?page no="189"?> 189 Kritik anzubringen oder Hinweise zur weiteren Verbesserung der verwendeten Unterrichtsformen zu geben. Damit die Reden aus den unterschiedlichen Klassen verglichen werden konnten, mußte bei der Schlussrede auf eine freie Themenwahlverzichtet werden. Stattdessen konnten die Lernenden bei der Anfangs- und Schlussrede aus je drei Themen auswählen. Anfangsrede: a) Should English be taught in kindergarten in Switzerland? b) Should pubs and restaurants be smoke-free? c) Should there be tougher laws against young drivers speeding? Schlussrede: a) Should abortion be made illegal in Switzerland? b) Should people over 75 still be allowed to drive cars? c) Should the building of minarets (towers of mosques) be illegal in Switzerland? Diese Beschränkung erfolgte aus untersuchungstheoretischen Überlegungen: Einerseits sollten die Lernenden zu einem Thema schreiben können, das sie interessierte und zu dem sie auch genügend wußten. Gleichzeitig durften die Themen aufgrund der Vergleichbarkeit nicht zu disparat sein: [A] writing prompt must allow enough flexibility that test takers of different abilities and backgrounds can find a point of entry into it and have something to say. At the same time, if the prompt allows too much flexibility, the responses may be so divergent that they cannot be compared to one another. (Weigle, 2002, S. 90 f.) Durch diese Themen war ein mittlerer Grad an Kontext vorgegeben: Die Lernenden erhielten klare Anhaltspunkte über die Funktion ihrer Texte, ohne durch eine zu stark einschränkende Situierung (z.B. als Rollenspiel) zu stark vom eigentlichen Schreiben abgelenkt zu werden. Die hatten im Rahmen der Entwicklung und Überarbeitung der Redemanuskripte noch genügend Gelegenheit, sich auch zu diesen vorgegebenen Themen eine eigene Meinung zu bilden und waren auch explizit aufgefordert, das zu tun. Vorgaben oder Hinweise der Lehrkräfte bezüglich einer „erwünschten“ Meinung gab es keine. Das treatment, d.h. die unterschiedliche Unterrichtsgestaltung in den beiden Gruppen, kann man als unabhängige Variable dieser Untersuchung be- <?page no="190"?> 190 zeichnen. Die abhängigen Variablen (d.h. die „Effekte“ der Intervention) wurden in zwei Kategorien eingeteilt: Primär ging es um Kompetenzentwicklungen beim Schreiben der Redemanuskripte, wobei sowohl „formalsprachliche“ wie auch der „rhetorisch-ästhetische“ Fähigkeiten untersucht wurden. Diese wurden mittels speziell entwickelter Kriterienraster direkt in den Reden gemessen, welche die Lernenden zu Anfang und Ende des Projekts schrieben (vgl. Abschn. 4.5.). Mit einem Fragebogen wurde zusätzlich das Wissen über gute Reden erfasst. Die Lernenden sollten dabei angeben, welche Strukturelemente guter Reden ihnen in Erinnerung geblieben waren und welche davon für sie beim Schreiben besonders wichtig geworden waren. Der zweite Bereich der abhängigen Variablen betraf das Interesse der Lernenden am Thema sowie die Entwicklung der „Kontrollüberzeugungen“ d.h. der Grad, zu dem sie überzeugt waren, ihre Leistungen und Erfolge auf dem Gebiet der „guten Rede“ durch eigene Anstrengung steuern zu können. Ebenso wurden Entwicklungen bei metakognitiven Fähigkeiten der Handlungssteuerung (Monitoring, Evaluation) untersucht. Diese Überzeugungen und Motive beim Schreiben sind ein wichtiger Teil einer hoch entwickelten Schreibkompetenz und beeinflussen signifikant die Resultate von Lernprozessen (vgl. Abschn. 3.8.). 6.3. Hypothesen 6.3.1. Verfassen von Redemanuskripten in Englisch Auf Grund der Interventionen in den Gruppen konnte man erwarten, dass sich die Schreibfähigkeiten der Lernenden unterschiedlich entwickeln würden. Dabei stand als Erstes die „globale“ Fähigkeit im Zentrum, eine „gute Rede“ auf Englisch zu schreiben. Angesichts der positiven Erfahrungen aus den Pilotstudien wurde die entsprechende Hypothese „gerichtet“ formuliert und damit postuliert, dass die Lernenden der Versuchsgruppe größere Fortschritte beim Schreiben eines Redemanuskripts machen würden als jene der Vergleichsgruppe: Hypothese 1 Die Fähigkeiten der Lernenden beim Verfassen eines Redemanuskripts werden sich in der Versuchsgruppe besser bzw. positiver entwickeln als in der Vergleichsgruppe. <?page no="191"?> 191 Detaillierte Begründungen, warum die Unterrichtsformen von „Dream“ (hier die Versuchsgruppe) die Entwicklung dieser Schreibkompetenzen besonders positiv beeinflussen sollte, finden sich in Kapiteln 3 und 5 dieser Arbeit. Zentral dabei waren die aktivere, selbständigere und damit auch intensivere Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Thema, wobei verstärkt selbstreguliert gelernt und rhetorische Figuren aktiv herausgearbeitet wurden. Bei der Kompetenzmessung wurden zwei Meßdimensionen unterschieden, die jeweils Teilfähigkeiten einer umfassenden argumentativen Schreibkompetenz darstellen. Erstens wurden formal-linguistische Fähigkeiten zur Gestaltung eines fremdsprachlichen Textes gemessen. Dazu gehörten die Dimensionen Sprachmechanik (Orthographie und Interpunktion), Vokabular, Syntax und Grammatik, Textstrukturierung sowie inhaltliche Korrektheit. Zweitens wurden auch Teilfähigkeiten auf der Ebene von rhetorischer Ausdruckskraft und Ästhetik untersucht, wobei die Dimensionen „Attraktivität“ des Schreibens, rhetorische Effekte auf der Wort- und auf der Satzebene, rhetorische Gliederung sowie Überzeugungskraft der Reden erfaßt wurden (vgl. Abschn. 4.5). Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass gute Schreiber nicht nur geeignete Sprachmittel kennen und korrekt anwenden, sondern mit ihnen auch „etwas anfangen“ und sie geschickt einsetzen müssen, um eine überzeugende Rede zu verfassen. Entwicklungen im Bereich des Vortragens wurden dagegen nicht untersucht, d.h. die Operationalisierung der Kompetenzentwicklungen erfolgte anhand der Redemanuskripte. Für die Vergleichsgruppe durfte man annehmen, dass der explizite Grammatikunterricht mit entsprechenden Übungen sich besonders positiv auf die formal-sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden auswirken würde. In einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien ist nachgewiesen, dass instruierender Unterricht oft gerade bei der Vermittlung formaler Grammatikkenntnisse effizient ist (Ellis, 2003, S. 614 ff.). Gleichzeitig ist belegt, dass bei der Arbeit an offenen Aufträgen und der Analyse von authentischen Texten (wie bei „Dream“) sprachlich-linguistische Wissenselemente mitgelernt werden. Beretta und Davies (1985) zeigten z.B., dass Lernende bei der eigenverantwortlichen Arbeit mit offenen Lernaufträgen im Vergleich mit instruktiv unterrichteten Klassen vermehrt auch Strukturen erwarben, die nicht explizit vermittelt worden waren. Hier wurde deshalb untersucht, ob die Lernenden der Versuchsgruppe den „Mangel“ an expliziter Grammatikinstruktion durch Analyse von Texten der Mitschüler und der „Musterrede“ ausgleichen konnten. Hypothese 2 Die Schreibfähigkeiten der Lernenden im sprachlich-linguistischen Bereich werden sich in beiden Gruppen ähnlich stark verbessern. <?page no="192"?> 192 Die Operationalisierung dieser sprachlich-linguistischen Fähigkeiten erfolgte über ein speziell entwickeltes Kriterienraster (vgl. Abschn. 4.5.1.). Dabei wurde auch untersucht, ob Fortschritte im sprachlich-linguistischen Bereich in einem auf Selbständigkeit und Selbststeuerung ausgerichteten Unterricht erreicht werden konnten, welcher einen Mehrwert beim vertieften Verständnis des Stoffes sowie bei der Fähigkeit zur Selbststeuerung des Lernens aufweist. Einen solchen Befund hatte z.B. die Studie „Eigenständig Lernen“ (Beck, Guldimann & Zutavern, 1995) im Bereich des Wirtschafts- und Staatskundeunterrichts auf der Sekundarstufe I gezeigt. Die Lernenden der Versuchsgruppe, in der verschiedene „zeitraubende“ Lerninstrumente wie das Führen eines Arbeitshefts, Rückblicke und Lernpartnerschaften eingesetzt worden waren, zeigten in ihrer fachlichen Entwicklung zwar keine besseren, aber auch keine schlechteren Leistungen als jene in der Vergleichsgruppe, in der auf zeitintensive Instrumente der Strategieförderung verzichtet und mehr Zeit für die direkte Vermittlung des Lernstoffs aufgewendet worden war. Spezifisch für das L2-Schreiben zeigte Sasaki in einer Langzeitstudie (2000, S. 264), dass intensive metakognitive Arbeit beim Schreibprozeß zusammen mit dem Schreiben von Lernjournalen einen positiven Einfluß auf die formalen Aspekte von Schreibkompetenz hatte (spelling, punctuation, capitalization, paragraphing), dass sich im Vergleich zu den Kontrollgruppen aber keine unterschiedlichen Entwicklungen in der „overall quality of their L2 writing“ zeigten. Auch Kristmanson et al. (2009, S. 54 ff.) zeigten im Rahmen des reflektierten und stark an peer learning orientierten Schreibprojekts „ECRI“ deutliche Zuwächse der Lernenden in den Bereichen Vokabular, Rechtschreibung und Syntax/ Satzkonstruktion. Es ließ sich also erwarten, dass das Arrangement „Dream“ gerade auch im formalen Bereich Effekte zeigen würde. Auch in den Bereichen rhetorische Überzeugungskraft, Ästhetik und Kreativität konnte man in beiden Gruppen unterschiedliche Entwicklungen erwarten, da bei „Dream“ hier bereits in den Pilotstudien positive Entwicklungen festgestellt worden waren. Die Jugendlichen konnten die Wirkung ihrer eigenen Texte auf Zuhörer erfahren und erhielten sachbezogenes und lernförderliches Feedback. Durch die Auseinandersetzung mit Reden von Experten konnten sie faszinierende authentische Beispiele erleben und wurden ermutigt, beim eigenen Schreiben ähnliche Effekte zu erzeugen. Die Lernenden sollten so angeregt werden, ihren „eigenen Stil“ beim Schreiben zu entwickeln, ihre Ideen kreativ umzusetzen und dabei bewußt auf rhetorische Ausdrucksmittel zurückzugreifen. Natürlich gab es auch in der Vergleichsgruppe Gelegenheit, die Schreibkompetenzen im Bereich der Rhetorik und der Ausdrucksfähigkeit zu verbessern. Dort vermittelten die Lehrpersonen auf traditionelle Weise rhetorische Figuren. Angesichts der Projektdauer von sechs Wochen machte dieser „di- <?page no="193"?> 193 rekte Weg“ durchaus Sinn, weil damit wenig Zeit für das Auffinden sprachlicher Handlungsmittel gebraucht wurde bzw. diese für das Memorisieren und Üben zur Verfügung stand. Trotzdem wurde hier angenommen, dass die intensivere persönliche Auseinandersetzung mit der rhetorisch-ästhetischen Struktur guter Reden in der Versuchsgruppe eine verstärkte Kompetenzentwicklung zur Folge haben würde: Hypothese 3 Die Fähigkeiten der Lernenden beim Schreiben der Reden werden sich in den Bereichen rhetorische Überzeugungskraft, ästhetische Qualität und persönliches Engagement in der Versuchsgruppe besser bzw. positiver entwickeln als in der Vergleichsgruppe. Die Operationalisierung der rhetorischen Schreibkompetenzen erfolgte wiederum über ein spezielles Beurteilungsraster (vgl. Abschn. 4.5.2.). In den Pilotstudien hatten die beteiligten Lehrkräfte den Eindruck gehabt, dass bei „Dream“ besonders Schülerinnen und Schüler mit schlechteren Vornoten große Fortschritte gemacht hatten. Dies war insofern plausibel, als hier besonders auch die Fortschritte leistungsschwächerer Lernender besser wahrgenommen und gewürdigt wurden als im normalen Unterricht. Dazu trugen wesentlich die Rückmeldungen der Klassenkameraden wie auch der Lehrperson bei, so dass alle Jugendlichen wertschätzendes Feedback erhielten und Gelegenheit hatten, sich zu verbessern. Entwicklungen bei den Schreibkompetenzen wurden deshalb jeweils aufgeschlüsselt und nach „guten“, „mittleren“ und „leistungsschwächeren“ Lernenden untersucht. Referenzpunkt für diese Unterscheidung waren die Resultate des standardisierten Sprachtests, der vor Projektbeginn mit allen Lernenden durchgeführt wurde (vgl. Tab. 6.4.). Hypothese 4 Die Fähigkeiten von „leistungsschwächeren“ Lernenden beim Schreiben der Reden werden sich in der Versuchsgruppe besser bzw. positiver entwickeln als in der Vergleichsgruppe. Zusätzlich zu den Schreibkompetenzen im engeren Sinn wurde untersucht, ob sich das Wissen der Schülerinnen und Schüler über gute Reden in beiden Gruppen unterschiedlich entwickeln würde. Die verstärkt selbständige Auseinandersetzung mit authentischen Texten in der Versuchsgruppe geschah vornehmlich mit der Absicht, dass die Lernenden ein vertieftes Verständnis <?page no="194"?> 194 für gute Reden entwickeln oder über detailliertere und genauere Kenntnisse darüber verfügen sollten, mit welchen Elementen sich diese herstellen liessen. So war z.B. das Instrument der toolbox spezifisch darauf ausgelegt, dass Lernende ihr neu erworbenes Wissen noch einmal überblicken und Techniken zum Herstellen wie auch Vortragen guter Reden in eigener Regie systematisierten und darstellten. Auch waren die Lernenden in der Versuchsgruppe immer wieder aufgefordert, auf einer persönlichen Ebene auf die Reden der Mitschüler und Experten zu reagieren und sich klar zu werden, wie diese auf sie wirkten oder wie sie selber ähnliche Effekte erzielen konnten. In der Vergleichsgruppe stand eher das Verstehen und Memorisieren einzelner rhetorischer Elemente im Vordergrund, wobei die Lernenden diese von Arbeitsblättern übernahmen. Hier war der Unterricht weniger auf ein vertieftes Verständnis, sondern eher auf eine rasche und effiziente Vermittlung von Strukturen und Stilmitteln angelegt. Hypothese 5a Die Lernenden der Versuchsgruppe werden über andere Kriterien zum Verfassen und Beurteilen guter Reden verfügen als die Lernenden in der Vergleichsgruppe. Hypothese 5b Die Lernenden der Versuchsgruppe werden über mehr und über detailliertere Kriterien zum Verfassen und Beurteilen guter Reden verfügen als die Lernenden in der Vergleichsgruppe. Dieses Wissen über gute Reden wurde zu Ende des Projektes mit einer Reihe von offenen Fragen erfaßt, welche inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Dabei waren die Lernenden auch gebeten, ihren Lernzuwachs subjektiv einzuschätzen und den Grad ihrer Zufriedenheit mit dem Lernarrangement insgesamt zu äußern. Auf Grund der Erfahrungen aus den Pilotstudien durfte man in der Versuchsgruppe allerdings nicht unbedingt eine größere Zufriedenheit erwarten als in der Vergleichsgruppe. Die darin verwendeten Lernformen waren neu und verlangten von den Lernenden auch eine aktivere Beteiligung während der Unterrichtsstunden selber. Besonders die Überarbeitung und Dokumentation aller Lernprozesse im Lernjournal bzw. Portfolio war ungewohnt. In der Vergleichsgruppe glichen die Lernformen stärker jenen, die sich die Schülerinnen und Schüler aus dem „Normalunterricht“ gewohnt waren - vorhandene Erfahrungen über das schulische Fremdsprachenlernen wurden also bestätigt. <?page no="195"?> 195 Hypothese 6 Die Lernenden der Versuchsgruppe werden insgesamt mit dem Lernarrangement weniger zufrieden sein als jene in der Vergleichsgruppe. Untersucht wurde auch, ob die Lernenden in der einen Gruppe durchschnittlich einen höheren subjektiven Lernzuwachs wahrnehmen würden als in der anderen. Hier konnte man erwarten, dass eher die Lernenden der Versuchsgruppe eine verstärkte Entwicklung schildern würden, weil sie sich eigenständiger und intensiver mit der Sache beschäftigt hatten: Hypothese 7a Die Lernenden der Versuchsgruppe werden gegenüber jenen in der Vergleichsgruppe einen stärkeren subjektiven Lernzuwachs wahrnehmen. Da bei „Dream“ besonders die „leistungsschwächeren“ Lernenden ein starkes subjektives Empfinden der eigenen Fortschritte geschildert hatten, wurde diese Gruppe wiederum getrennt untersucht: Hypothese 7b Die „leistungsschwächeren“ Lernenden der Versuchsgruppe werden gegenüber jenen in der Vergleichsgruppe einen stärkeren subjektiven Lernzuwachs wahrnehmen. 6.3.2. Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung Interesse am Lernen von Fremdsprachen entwickelt sich bei fortgeschrittenen Lernenden besonders dann gut, wenn sie eigene Ziele festlegen und diese auch auf eigenen Wegen erreichen können. Dazu ist es wichtig, dass sie ihre eigenen Fortschritte wahrnehmen und auswerten (Holec, 1987; Dickinson & Carver, 1980). Gerade bei jungen Erwachsenen kann sich die Möglichkeit, eine personal language learning agenda zu verfolgen, positiv auf das Interesse am Fremdsprachenlernen auswirken (Schumann & Schumann, 1977, S. 247). Beim allgemeinen Interesse am Fach Englisch liessen sich bei der geplanten Intervention nur geringe Effekte erwarten. Dieses ist relativ stabil, so dass ein Projekt von sechs Wochen nicht zu signifikanten Veränderungen führen würde. Allerdings wurde untersucht, ob sich das thematische Interesse der Lernenden im Bereich „Englische Reden schreiben“ in beiden Gruppen unter- <?page no="196"?> 196 schiedlich entwickeln würde. Interesse am Gegenstand wird dabei weniger als überdauerndes Personmerkmal im Sinne einer Disposition, sondern mehr im Sinne einer situationalen Variable verstanden („aktualisiertes Interesse“, Krapp, 1992, S. 300). Gerade bei diesem situationalen Interesse hatten viele Lernende in der Pilotstudie eine Zunahme berichtet. Der Unterricht bei „Dream“ (hier die Versuchsgruppe) war darauf ausgerichtet, den sprachlichen Wirkungsmechanismen guter Reden auf die Spur zu kommen und die Lernenden zu befähigen, diese auch selber anzuwenden. Viele von ihnen hatten in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, dass das Thema des Redenschreibens interessanter war als anfänglich angenommen und dass auch sie selber zu guten Leistungen in diesem Gebiet in der Lage waren. Auch in der Vergleichsgruppe liess sich aufgrund der mehrwöchigen Auseinandersetzung eine Zunahme des Interesses beim Thema annehmen. Da hier der Unterricht eher auf das Übernehmen und Nachvollziehen sprachlicher Mittel als auf das vertiefte Erforschen entsprechender Wirkungsmechanismen ausgelegt war, wurde in dieser Gruppe jedoch eine geringere Entwicklung erwartet. Hypothese 8 Das allgemeine Interesse der Lernenden am Fach Englisch wird sich in den beiden Gruppen gleich entwickeln. Hypothese 9 Das Interesse der Lernenden am Thema „eine gute Rede schreiben“ wird sich in der Versuchsgruppe besser bzw. positiver entwickeln als in der Vergleichsgruppe. Ein weiteres Qualitätsmerkmal von guten Lernprozessen liegt in der Entwicklung von positiven Kontrollüberzeugungen. Damit bezeichnet man den Grad, zu dem die Lernenden selber überzeugt sind, ihre Lernergebnisse und -erfolge steuern zu können (interne Attribution). Wenn Lernende hingegen glauben, dass sie keinen Einfluss auf ihre Lernresultate haben, dass diese durch unkontrollierbare Faktoren oder Zufall bedingt seien, ist dies für den langfristigen Lernerfolg sowie für die Lernmotivation eher ungünstig (externe Attribution). Hier wurde deshalb geprüft, ob die eher schülerzentrierten Lernformen bei „Dream“ (Versuchsgruppe) zur Entwicklung einer internen Attribution des Lernerfolgs bei den Schülerinnen und Schülern führen würden, wiederum spezifisch auf das Thema „gute Reden“ bezogen. Dies ließ sich erwarten, weil sie wiederholt konkrete Hinweise erhielten, wie sie ihre Manuskripte verbessern und ein höheres Niveau erreichen konnten. Durch die Möglichkeit zur <?page no="197"?> 197 kontinuierlichen Überarbeitung war die Qualität der Dokumente quasi „in ihre Hände gelegt“. Demgegenüber erfolgten die Rückmeldungen und Lernerfolgskontrollen in der Vergleichsgruppe schwergewichtig durch die Beurteilungen der Lehrpersonen. Dies, so wurde angenommen, würde die Entwicklung einer internen Attribution der Kontrollüberzeugungen nicht im selben Masse fördern wie in der Versuchsgruppe. Hypothese 10a Die Kontrollüberzeugungen im Bereich „eine gute Rede auf Englisch schreiben“ werden sich bei den Lernenden in der Versuchsgruppe positiver entwickeln als bei jenen in der Vergleichsgruppe. Da die Kontrollüberzeugungen (zu Projektbeginn) besonders bei „leistungsschwächeren“ Schülerinnen und Schülern stärker negativ ausgeprägt sein dürften, wurde hier wiederum geprüft, ob sich bei dieser Schülergruppe eine besonders starke Entwicklung ergeben würde. Hypothese 10b Die Kontrollüberzeugungen im Bereich „eine gute Rede auf Englisch schreiben“ werden sich besonders bei den „leistungsschwächeren“ Lernenden in der Versuchsgruppe positiver entwickeln als bei jenen in der Vergleichsgruppe. Als letzter Faktorenkomplex wurden Fähigkeiten der metakognitiven Handlungsregulierung sowie Lernstrategien untersucht. Diese betrafen einerseits die Fähigkeiten der Lernenden zur Selbstevaluation (Monitoring), andererseits die Selbstkontrolle am Ende längerer Lernprozesse (Evaluation). In der Versuchsgruppe waren die Lernenden von Anfang an mit offenen, komplexen Aufgaben konfrontiert, bei denen sie ihr Lernen selber steuern, planen und überwachen mußten. Wichtige rhetorische Techniken leiteten sie selbstständig aus authentischen Texten ab und stellten diese zu einer toolbox zusammen. Dabei hatten sie explizit die Aufgabe, zu überlegen, was sie dabei gelernt hatten und wie sich dieses Wissen für sie darstellte. Am Ende stellten sie ihre Lernprodukte zu einem Portfolio zusammen, wobei sie auch aufgefordert waren, ihre eigenen Lernprozesse nochmals zu reflektieren und die gemachten Fortschritte zu überblicken. Sie waren also sowohl in Bezug auf das Monitoring wie auch die Evaluation ihres Lernens explizit gefordert. In der Vergleichsgruppe lag die Unterrichtsorganisation stärker in den Händen der Lehrkräfte. Bei der Wissensvermittlung übernahmen diese eine aktivere Rolle, indem sie rhetorische Strategien auf Arbeitsblättern präsentier- <?page no="198"?> 198 ten und auch Übungen dazu durchführten. Auch die Beurteilung lag ausschließlich in den Händen der Lehrkräfte, wobei auf peer feedback oder Selbstbeurteilungen weitgehend verzichtet wurde. Auch eine gesonderte Reflexion des ganzen Projektes im Rahmen eines Portfolios fand nicht statt. Stattdessen besprachen die Lehrkräfte in der Vergleichsgruppe die Schlussreden mit den Klassen und liessen Verbesserungen davon anfertigen. Da den Lernenden dabei eine eher rezeptive und nachvollziehende Rolle zukam, konnte man zwischen den Gruppen unterschiedliche Entwicklungen annehmen: Hypothese 11 Die Fähigkeiten der Lernenden zur Steuerung des eigenen Lernens (Monitoring) werden sich bei den Lernenden in der Versuchsgruppe besser entwickeln als bei jenen in der Vergleichsgruppe. Hypothese 12 Die Fähigkeiten der Lernenden zur Evaluation der eigenen Lernprozesse werden sich in der Versuchsgruppe besser entwickeln als in der Vergleichsgruppe. 6.4. Untersuchungsmethoden 6.4.1. Beschreibung der Stichprobe In der vorliegenden Untersuchung wurde ein nicht-randomisierter Zwei- Gruppen-Plan mit Vortest, Intervention und Nachtest angewendet. Aus vier Parallelklassen an der Kantonsschule Wetzikon wurden eine Versuchs- und eine Vergleichsgruppe mit je zwei Klassen gebildet. Eine randomisierte Zuweisung einzelner Schüler zu diesen Gruppen war aus institutionellen und ökonomischen Gründen nicht möglich, so dass eine „Klumpenstichprobe“ vorlag (Rost, 2007, S. 97). Bei der Verteilung wurde jedoch darauf geachtet, dass sich in jeder Gruppe eine Klasse mit neusprachlichem Profil befand. Auch die Lehrkräfte spielten dabei eine Rolle. Die Lehrkraft, welche die beiden Klassen in der Versuchsgruppe unterrichtete, kannte das Projekt „Dream“ seit längerem und war deshalb für dessen Durchführung besonders geeignet. Die Lehrkräfte der beiden Klassen der Vergleichsgruppe wurden für die darin angewendeten Methoden und Inhalte vor Projektbeginn durch den Untersucher intensiv vorbereitet und geschult. Es handelte sich aber im wesentlichen um Unterrichtsmethoden, mit welchen sie bereits vertraut waren <?page no="199"?> 199 (Grammatikinstruktion, Unterricht mit Arbeitsblättern und Benotung von Schülertexten). Versuchsgruppe (Projekt „I Have A Dream! “) Vergleichsgruppe („konventioneller Unterricht“) Klasse 1 2 3 4 N 16 22 26 (25)* 16 Frauen/ Männer 9/ 7 17/ 5 21/ 4 (3)* 8/ 8 Profil/ Schwerpunkt altsprachlich neusprachlich neusprachlich wirtschaftlich Lehrkraft Lehrkraft A Lehrkraft A Lehrkraft B Lehrkraft C Tab. 6.3. Zusammensetzung von Versuchs- und Vergleichsgruppe bei der empirischen Untersuchung des Projekts „Dream! “ (*Bestand zu Projektende) Bei einem solchen „nicht-aequivalenten Versuchsgruppendesign“ ist die Stichprobengleichheit nicht in derselben Weise gewährleistet wie in einer randomisierten Gruppenbildung (Rost, 2007, S. 125). Im Hinblick auf eine möglichst gute Vergleichbarkeit wurden deshalb bewußt Parallelklassen ausgewählt und deren Leistungsniveau zu Projektbeginn mit einem standardisierten Sprachtest untersucht (Oxford Placement Test 2, Allan 2004). Eine solche Überprüfung war notwendig, um festzustellen, ob zwischen den beiden Gruppen bereits vor Beginn der Implementierung signifikante Kompetenzunterschiede bestanden, welche das Resultat der Untersuchung verfälscht hätten (selection bias). Der verwendete Test erfaßte die allgemeinen Grammatikkenntnisse sowie das Hörverstehen der Lernenden und erlaubte eine Zuordnung der Resultate zu den Kompetenzniveaus des GeR. 17 17 Mit dem gleichen Test wurden die Sprachkompetenzen aller zehn Parallelklassen dieses Jahrgangs an der Kantonsschule Wetzikon untersucht, um das „allgemeine Niveau“ der Klassen auf dieser Jahrgangsstufe festzustellen. Vgl. dazu Tab. 2.2.). <?page no="200"?> 200 Versuchsgruppe Vergleichsgruppe Klasse 1 2 3 4 N 16 22 26 16 ∅ Hörverständnis 78.9 78.4 81.8 80.2 ∅ Grammatik 65.3 64.8 65.8 64.2 ∅ Total (SD) 144.3 (9.06) 143.2 (10.78) 147.6 (11.52) 144.4 (15.08) Referenzniveau B2 B2 B2 B2 () Standardabweichung in Klammer Tab. 6.4. Resultate der teilnehmenden Klassen der Studie „Dream“ beim Oxford Placement Test 2 (Allan, 2004); Testresultate in Punktenfür Hörverständnis, Grammatikkompetenz sowie Referenzwert des GeR 18 Bei den vier Projektklassen lagen die durchschnittlichen Testscores alle auf Niveau B2, was auf eine gute Vergleichbarkeit hindeutete. Man konnte also annehmen, dass eventuelle gemessene Kompetenzunterschiede tatsächlich auf das Treatment zurückgehen würden und nicht schon vorher bestanden hatten. In der Klasse 3 (Vergleichsgruppe, neusprachliches Profil) wurden insgesamt die besten Testresultate erzielt, in den anderen Klassen waren die durchschnittlichen Ergebnisse praktisch identisch. Klasse 4 (wirtschaftliches Profil) war mit einer Standardabweichung von 15.08 die heterogenste Klasse: Der beste Lernende erreichte dort Niveau C2 (179 Punkte, highly proficient, very advanced user), der Leistungsschwächste nur Niveau A2 (113 Punkte; elementary, limited user). Diese Heterogenität zeigte sich auch später in der Intervention, wobei eine Minderheit in dieser Klasse sehr gute, eine Mehrheit aber eher schlechte Resultate erzielte. Nach Angaben der Lehrkraft war die Klasse auch in ihrem Sozial- und Leistungsverhalten ungewöhnlich schwierig. Der Heterogenität der Sprachkompetenzen zwischen den Klassen sowie auch innerhalb derselben Klasse wurde Rechnung getragen, indem auch die Entwicklungen „guter“, „mittlerer“ und „leistungsschwächerer“ Schüler in beiden Gruppen getrennt verglichen wurden. Diese Untergruppen wurden auf Basis des Oxford Placement Tests gebildet (gute Schüler = Niveau C1 und C2 des GeR; mittlere Schüler = Niveau B2; leistungsschwache Schüler = Niveau B1 und tiefer). 18 In den Bereichen „Hörverständnis“ und „Grammatik“ betrugen die maximal erreichbaren Punktwerte jeweils 100 Punkte, im Gesamttest 200 Punkte. <?page no="201"?> 201 „leistungsschwache“ „mittlere“ „gute“ Gesamt Versuchsgruppe N 7 23 8 38 % SuS 18.4% 60.5% 21.1% 100.0% Vergleichsgruppe N 6 20 16 42 % SuS 14.3% 47.6% 38.1% 100.0% Gesamt N 13 43 24 80 % SuS 16.2% 53.8% 30.0% 100.0% Tab. 6.5. Teilnehmende im Projekt „Dream“ aufgeteilt nach „guten“, „mittleren“ und „leistungsschwachen“ Leistungsniveaus gemäß Oxford Placement Test; Verteilung in Versuchs- und Vergleichsgruppe in absoluten Zahlen und in Prozenten Die Versuchsgruppe enthielt einen etwas höheren Anteil an „mittleren“ und einen tieferen an „guten“ Schülerinnen und Schülern als die Vergleichsgruppe, während die „leistungsschwachen“ in beiden Gruppen ähnlich verteilt waren. Ein Vergleich der im standardisierten Sprachtest erzielten Werte mit den Reden zeigte, dass das Ergebnis im Oxford Test mit dem Punktewert in der ersten Rede korrelierte. Dies kann als Gütezeichen für den eingesetzten Test wie auch für die Beurteilung der Reden gewertet werden. Die Ergebnisse der zweiten Rede (am Ende des Projekts) korrelierten nicht mehr signifikant mit jenen des Oxford Tests. Dies weist darauf hin, dass im Lernarrangement auch Fortschritte im sprachlich-linguistischen Bereich gemacht und formale Kompetenzen erworben wurden, die zu Beginn noch nicht vorhanden gewesen waren. Ebenso korrelierte die Punktzahl der ersten Rede mit jener in der zweiten Rede. Auch dies war erwartbar, da beide Male eine ähnliche Aufgabe gelöst werden mußte, beim zweiten Mal allerdings auf einem höheren Niveau. <?page no="202"?> 202 * p < 0.1, ** p < 0.05 Tab. 6.6. Korrelation des Testresultats im Oxford Placement Test mit der erreichten Punktzahl in Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) 6.4.2. Messung der Schreibkompetenzen und des Wissens über gute Reden Die Entwicklungen der Schreibkompetenzen wurden mittels zwei speziell entwickelter Beurteilungsraster direkt in den Reden der Lernenden gemessen („construct definition based on instructional objectives”; Weigle, 2002, S. 79). Die Beurteilungen erfolgten durch zwei Anglisten mit abgeschlossenem Studium und Unterrichtserfahrung auf der gymnasialen Oberstufe (zur empirischen Validierung der Untersuchungsinstrumente, vgl. Abschn. 4.5.3.). Das Wissen der Lernenden über gute Reden wurde mit offenen Fragen zu Ende des Projektes erfaßt. Sie sollten dabei Elemente von guten Reden benennen, welche ihnen persönlich besonders wichtig erschienen oder sich ihnen besonders eingeprägt hatten. Die erste Frage betraf die persönliche Relevanz des neuen Wissens: „Ich weiß, was für mich persönlich wichtig ist, wenn ich eine gute Rede ausarbeiten und vortragen soll, nämlich...“. Eine zweite, ähnliche Frage sollte das Wissen der Lernenden noch stärker auf einer Metaebene aktivieren: „Ich kenne jetzt wichtige Kriterien und Qualitätsmerkmale einer guten Rede, nämlich...“. In beiden Fällen sollte untersucht werden, ob die selbständige Auseinandersetzung mit den guten Reden in der Versuchsgruppe auch dazu führen würde, dass die Lernenden mehr oder vielfältigere Kategorien von guten Reden aufzählen würden bzw. genauer wüßten, worauf sie dabei achten mußten. Die Antworten zu beiden Fragen wurden inhaltsanalytisch ausgewertet, sowohl bezüglich Anzahl wie auch Vielfalt der genannten Aspekte. Dabei wurde auf der Basis der erwarteten Ergebnisse ein Kriteriensystem gebildet, welches nachher anhand der Schülerantworten verfeinert Oxford-Test Punktzahl Rede 1 Punktzahl Rede 2 Punktzahl N = 80 Oxford-Test Punktzahl Korrelation nach Pearson 1.000 .208* .176 Rede 1 Punktzahl Korrelation nach Pearson .208* 1.000 .246** Rede 2 Punktzahl Korrelation nach Pearson .176 .246** 1.000 <?page no="203"?> 203 und ausdifferenziert wurde (theorie- und empiriegeleitete Kategorienbildung; Früh, 2007, S. 153 ff.). Mit diesem Kategoriensystem wurden nachher alle Antworten analysiert. Auf diese Weise ließ sich feststellen, welche Kategorien von Eigenschaften „guter Reden“ die Lernenden im Projekt erworben hatten und wie sich diese Kategorien in beiden Gruppen bezüglich Häufigkeit unterschieden. Diese inhaltsanalytischen Auswertungen führte eine speziell geschulte Projektmitarbeiterin unter Aufsicht des Untersuchers durch. In diesem Zusammenhang wurden auch die Zufriedenheit der Lernenden mit dem Lernarrangement sowie der subjektiv wahrgenommene Lernzuwachs erfragt. Die beiden Fragen dazu lauteten: „Ich schätze, meine Fähigkeit zum Halten einer guten Rede hat sich um X Prozent verbessert, weil...“ und „Ich bin mit dieser Unterrichtseinheit zu X Prozent zufrieden/ unzufrieden, weil....“. Hier gaben die Lernenden also Prozentzahlen an, aus denen dann Extremal- und Durchschnittswerte für beide Gruppen errechnet wurden. 6.4.3. Messungen in den Bereichen Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung Die Datenerfassung für alle Hypothesen in diesem Bereich erfolgte mittels Fragebögen, welche die Lernenden am Anfang und am Ende des Projekts ausfüllten. Die einzelnen Faktoren wurden dabei mit verschiedenen Items operationalisiert, die im Folgenden beschrieben sind. Zur Operationalisierung und Messung des Interesses der Lernenden am Fach Englisch allgemein kamen vier Items zum Einsatz (adaptiert aus Rakoczy, Buff & Lipowsky, 2005 sowie Eberle, Schumann et al., 2008; Beispielitem: „Es ist für mich persönlich wichtig, gut im Fach Englisch zu sein“; Likert Skala; 1 = trifft überhaupt nicht zu; 2 = trifft eher nicht zu; 3 = trifft teilweise zu; 4 = trifft genau zu). Beim spezifischen Interesse am Thema „gute Reden“ wurden zwei Items eingesetzt (Beispielitem: „Eine Rede auf Englisch zu schreiben und vorzutragen kann auch Spass machen“). Die Kontrollüberzeugungen der Lernenden wurden mit drei Items erfasst (Rakoczy, Buff & Lipowsky, 2005; Likert Skala; Beispielitem: „Wenn ich im Fach Englisch eine gute Note erreichen will, dann gelingt mir das auch“). Für die Messung von Fähigkeiten im Bereich der metakognitiven Lernstrategien wurde auf die „Indikatoren überfachlicher Kompetenzen“ zurückgegriffen (Maag Merki et al., 2004). Diese wurden auf das hier dargestellte Projekt angepaßt, wobei zu den ursprünglichen Formulierungen jeweils der Zusatz „im Fach Englisch“ angefügt wurde. Bei den Monitoringstrategien kamen fünf Items zum Einsatz (Beispielitem: „Am Anfang einer grösseren Arbeit im Fach Englisch betrachte ich ab und zu, was ich schon gemacht habe, um sicher zu sein, dass mir keine Fehler passieren“). Die Evaluationsstrate- <?page no="204"?> 204 gien wurden mit vier Items operationalisiert (angepaßt aus Maag Merki et al. 2004; Likert Skala; Beispielitem: „Nach Abschluss einer grösseren Arbeit im Fach Englisch interessiert es mich, welches Niveau ich erreicht habe“). 6.5. Resultate 6.5.1. Sprachkompetenzen beim Schreiben von guten Reden Hypothese 1 besagte, dass sich die argumentativen Schreibfähigkeiten der Lernenden in der Versuchsgruppe besser entwickeln würden als in der Vergleichsgruppe. Hier ergaben sich die folgenden Resultate: Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 38 42 Rede 1 min. 3 4 Rede 1 max. 15 17 Rede 1 ∅ 8.47 (2.59) 9.64 (2.86) Rede 2 min. 6 5 Rede 2 max. 20 20 Rede 2 ∅ 13.37 (3.35) 13.45 (3.88) Zuwachs min. -4 -12 Zuwachs max. 12 11 Zuwachs ∅ 4.89 (4.06) 3.80 (3.89) -1.221 () Standardabweichung in Klammern. Tab. 6.7. Durchschnittliche Resultate der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnitts- und Extremalwerte bei Zuwächsen in Versuchs- und Vergleichsgruppe Die Versuchsgruppe zeigte mit durchschnittlich 4.89 Punkten Zuwachs tatsächlich eine größere Verbesserung bei der Kompetenz, gute Reden auf Englisch zu schreiben (möglicher Minimalwert 0, möglicher Maximalwert 20). Der Unterschied zur Vergleichsgruppe, welche sich durchschnittlich um 3.8 Punkte verbesserte, war allerdings entsprechend des t-Werts von -1.221 nicht ausreichend signifikant. 19 Die Nullhypothese („zwischen den Gruppen gibt es 19 Hier wurde der sog. Zweistichproben t-Test gerechnet. Dieser prüft anhand der Mittelwerte zweier Stichproben, ob die Erwartungswerte zweier Grundgesamtheiten gleich, kleiner oder grösser sind. Er gibt damit eine Wahrscheinlichkeit an, ob <?page no="205"?> 205 keine unterschiedlichen Entwicklungen“) darf also nicht verworfen werden, weil die Fehlerwahrscheinlichkeit zu gross wäre. Hypothese 1 konnte also nicht bestätigt werden. Abb. 6.1. zeigt jedoch einen gewissen Trend an: Die Lernenden der Versuchsgruppe erzielten bei den ersten Reden einen tieferen Durchschnittswert und glichen dieses Defizit im Laufe des Projekts aus. Damit ergab sich insgesamt ein größerer Lernzuwachs: Abb. 6.1. Entwicklung der durchschnittlichen Redepunktzahl bei Versuchs- und Vergleichsgruppe Eine Analyse auf Ebene der einzelnen Klassen zeigte, dass der durchschnittliche Lernzuwachs in der Klasse 4 (Vergleichsgruppe) deutlich unter den anderen Klassen lag: zwei Durchschnittswerte derselben oder zwei verschiedenen Grundgesamtheiten entstammen. Entstammen diese mit hoher Wahrscheinlichkeit verschiedenen Grundgesamtheiten, steigt das Vertrauen in das Ablehnen der Null-Hypothese bzw. auf den in der jeweiligen Hypothese angenommenen Effekt. Ein t-Wert von +/ - 2 gilt gemeinhin als ausreichend für eine Signifikanz auf dem 5-Prozent- Niveau. <?page no="206"?> 206 Klasse 1 2 3 4 F-Wert N 16 22 26 16 Rede 1 ∅ 9.19 (3.06) 7.95 (2.1) 9.23 (2.76) 10.31 (2.98) Rede 2 ∅ 13.56 (3.52) 13.23 (3.29) 14.19 (3.68) 12.25 (4.0) Zuwachs ∅ 4.375 (4.29) 5.27 (3.94) 4.96 (3.0) 1.94 (4.47) 2.720** () Standardabweichung in Klammern ** p < 0.05 Tab. 6.8. Durchschnittliche Resultate der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnittswerte bei Zuwächsen auf Ebene der einzelnen Klassen Der Unterschied im Zuwachs der Fähigkeit, Reden zu schreiben, war mit einem F-Wert von 2.270 auf dem 5-Prozent-Niveau signifikant. 20 Zusätzlich zu den hier dargestellten Daten wurde eine Regression gerechnet, in welcher der Einfluss der einzelnen Klassen auf den durchschnittlichen Zuwachs des Gesamtscores im Vergleich zur Referenzklasse 3 untersucht wurde. Dabei bestätigten sich die oben dargestellten Befunde: Im Vergleich zur Klasse 3 war in der Klasse 4 ein drei Mal tieferer Zuwachs bei der Schreibfähigkeit zu erwarten (-3.024). Klassen 1 und 2 unterschieden sich hingegen nicht signifikant von der Klasse 3. Sowohl der Vortest, wie auch die Scores der ersten Reden hatten gezeigt, dass die Klasse 4 nicht per se eine schlechtere Klasse war. Die Lernenden darin reagierten jedoch zunehmend ablehnend auf dieses Projekt und arbeiteten im Unterricht schlecht mit, so dass es insgesamt nur zu einer geringen durchschnittlichen Verbesserung der Schreibkompetenzen kam. Ein Schüler zeigte sogar eine Verschlechterung um minus 12 Punkte, was auf ein völliges Ausbleiben von Anstrengung und Sorgfalt bei der zweiten Rede schließen läßt. Man muß also davon ausgehen, dass die schlechten Resultate in Klasse 4 das Untersuchungsergebnis insgesamt mitbeeinflußten. 20 Der F-Test ist ein statistischer Test, mit dessen Hilfe mit einer gewissen Konfidenz entschieden werden kann, ob Stichproben aus unterschiedlichen Populationen sich hinsichtlich ihrer Varianz wesentlich unterscheiden. Er dient damit unter anderem zur generellen Überprüfung von Unterschieden zwischen mehreren statistischen Populationen. <?page no="207"?> 207 Die Beurteilung der Reden mit zwei unterschiedlichen Kriterienrastern erlaubte eine getrennte Auswertung der Entwicklungen im sprachlichlinguistischen und im rhetorisch-ästhetischen Bereich. Besonders im sprachlich-linguistischen Bereich zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen Versuchs- und Vergleichsgruppe: Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 38 42 Rede 1 A-Teil min. 2 2 Rede 1 A-Teil max. 9 9 Rede 1 ∅ 4.58 (1.703) 5.57 (1.876) Rede 2 A-Teil min. 2 3 Rede 2 A-Teil max. 10 10 Rede 2 ∅ 6.82 (2.036) 6.86 (1.933) Zuwachs A-Teil min. -3 -4 Zuwachs A-Teil max. 8 5 Zuwachs ∅ 2.24 (2.376) 1.29 (1.967) 1.939* () Standardabweichung in Klammern * p < 0.1 Tab. 6.9. Sprachlich-linguistische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnitts- und Extremalwerte bei Zuwächsen in Versuchs- und Vergleichsgruppe Die Versuchgruppe hatte mit einem durchschnittlichen Zuwachs der sprachlich-linguistischen Fähigkeiten von 2.24 Punkten einen grösseren Zuwachs als die Vergleichsgruppe mit 1.29 Punkten. Dieser Unterschied ist mit einem t- Wert von -1.939 bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 10 Prozent signifikant. Hypothese 2, welche zwischen den Gruppen keine unterschiedlichen Entwicklungen in diesem Bereich annahm, konnte also nicht bestätigt werden. Bemerkenswerterweise machten die Lernenden der Versuchsgruppe im sprachlich-formalen Bereich größere Fortschritte, obwohl hier keine explizite Grammatik- oder Vokabularinstruktion erfolgt war. In den Klassen der Ver- <?page no="208"?> 208 gleichsgruppe hingegen, wo genau diese Instruktion stattfand, war die formale Verbesserung geringer. Die vorliegende Untersuchung replizierte also die Resultate von Sasaki (2000), wobei eine intensive Analyse von authentischen Texten sowie metakognitive Auseinandersetzung mit dem Schreibprozeß im Zusammenhang mit der Dokumentation dieser Reflexion in einem Journal die formalen Sprachkompetenzen der Lernenden positiv beeinflußt. Wiederum existierten auch in diesem Bereich starke Effekte auf Ebene der einzelnen Klassen: Klasse 1 2 3 4 F- Wert N 16 22 26 16 Rede 1 A-Teil min. 2 2 2 2 Rede 1 A-Teil max. 9 9 9 9 Rede 1 A-Teil ∅ 4.75 (1.9) 4.45 (2.3) 5.50 (1.8) 5.69 (1.9) Rede 2 A-Teil min. 3 2 4 3 Rede 2 A-Teil max. 10 10 10 9 Rede 2 A-Teil ∅ 7.19 (1.807) 6.55 (1.654) 7.35 (1.794) 6.06 (2.0) Zuwachs A-Teil min. -3 -2 -3 -4 Zuwachs A-Teil max. 5 8 5 2 Zuwachs A ∅ 2.44 (2.4) 2.09 (2.4) 1.85 (1.9) .38 (1.7) 2.982 ** () Standardabweichung in Klammern, M = arithmetisches Mittel ** p < 0.05 Tab. 6.10. Sprachlich-linguistische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnitts- und Extremalwerte bei Zuwächsen, Ebene der einzelnen Klassen Die Unterschiede zwischen den Klassen sind mit einem F-Wert von 2.982 bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 5 Prozent signifikant. Besonders Klasse 4 zeigte eine deutlich geringere Zunahme der sprachlich-linguistischen Fähigkeiten als die anderen Klassen. <?page no="209"?> 209 Entgegen den Erwartungen zeigten sich bei den Entwicklungen im ästhetisch-kreativen Bereich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Hypothese 3 konnte also ebenfalls nicht bestätigt werden: Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 38 42 Rede 1 B-Teil min. 1 1 Rede 1 B-Teil max. 8 9 Rede 1 ∅ 3.89 (1.72) 4.07 (1.93) Rede 2 B-Teil min. 3 1 Rede 2 B-Teil max. 10 10 Rede 2 ∅ 6.55 (2.04) 6.60 (2.34) Zuwachs B-Teil min. -2 -8 Zuwachs B-Teil max. 8 6 Zuwachs ∅ 2.66 (2.46) 2.52 (2.63) -0.234 () Standardabweichung in Klammern. Tab. 6.11. Rhetorisch-ästhetische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnitts- und Extremalwerte bei Zuwächsen in Versuchs- und Vergleichsgruppe Eine Auswertung der Entwicklungen getrennt nach „guten“, „mittleren“ und „leistungsschwachen“ Lernenden zeigte markante Unterschiede in der Versuchs- und der Vergleichsgruppe. <?page no="210"?> 210 „Leistungsschwache“ Schüler „Mittlere“ Schüler „Gute“ Schüler VG VglG VG VglG VG VglG N 7 6 23 20 8 16 R 1 min 5 6 3 4 4 6 R 1 max 9 14 13 15 15 17 R 1 ∅ 7 (1.63) 9.67 (3.01) 8.26 (2.22) 9.25 (2.83) 10.38 (3.34) 10.13 (2.96) R 2 min 8 6 6 7 11 5 R 2 max 19 20 20 19 17 19 R 2 ∅ 13.57 (3.65) 12.83 (3.56) 12.87 (3.56) 12.90 (3.59) 14.63 (2.33) 14.37 (3.79) Zuw. min 3 0 -2 -3 -4 -12 Zuw. max 10 8 12 9 10 11 Zuw. ∅ 6.57 (3.36) 3.17 (3.06) 4.60 (4.00) 3.65 (3.05) 4.25 (4.83) 4.25 (5.11) t-Wert 1.896* 0.872 0.000 F-Wert 0.672 () Standardabweichung in Klammer Signifikanzniveau: * p < 0.1 Tab. 6.12. Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bei Rede 1 (Projektbeginn) und Rede 2 (Projektende) in Punkten (Maximalpunktzahl: 20); Durchschnitts- und Extremalwerte bei „guten“, „mittleren“ und „leistungsschwachen“ Schülerinnen und Schülern in Versuchs- und Vergleichgruppe Bei den „leistungsschwachen“ Lernenden war der Zuwachs in der Versuchgruppe (6.5 Punkte) mehr als doppelt so groß wie in der Vergleichsgruppe (3.1 Punkte). Die t-Werte in den einzelnen Niveaustufen zeigen, dass nur bei den schwachen Lernenden ein signifikanter Unterschied zwischen Versuchs und Kontrollgruppe entstand. Hier ist der t-Wert mit 1.896 auf dem 10- Prozent-Fehlerniveau signifikant. Hypothese 4 kann damit zwar nicht eindeutig bestätigt werden, das Vertrauen in sie wurde allerdings gestärkt: Besonders leistungsschwächere Schüler schienen vom Lernarrangement „Dream“ zu profitieren und vermochten ihren durchschnittlichen Wert stärker zu steigern als jene in der Vergleichsgruppe. Bei „mittleren“ Schülern konnte im Grup- <?page no="211"?> 211 penvergleich nur ein kleiner, nicht signifikanter Unterschied im Lernzuwachs ausgemacht werden. Bei den „guten“ Schülern war dieser im Durchschnitt sogar genau gleich groß - sie profitierten in beiden Arrangements genau gleich viel. 6.5.2. Wissen über gute Reden Der Fragebogen, welchen alle Lernenden zu Projektende ausfüllten, enthielt als Erstes eine offene Frage dazu, was ihnen nun beim Schreiben und Vortragen einer guten Rede besonders wichtig sei. Lernende sollten dabei angeben, welche rhetorischen Mittel sich ihnen besonders eingeprägt hatten oder was ihnen für ihr eigenes Schreiben besonders wichtig erschien. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle, geordnet nach Häufigkeit der genannten Antworten, dargestellt: „Ich weiß, was für mich persönlich wichtig ist, wenn ich eine gute Rede ausarbeiten und vortragen soll, nämlich...“ Versuchsgruppe Vergleichsgruppe N 36 40 rhetorische Mittel (z.B. Metaphern, Fragen, Alliterationen, Wiederholungen) 12 33.3% 8 20.0% eine gute Wirkung erzielen 11 30.6% 9 22.5% sich gut vorbereiten 10 27.8% 10 25.0% gute Argumente bringen 10 27.8% 14 35.0% klar/ deutlich/ langsam sprechen 9 25.0% 14 35.0% selbstsicher auftreten 8 22.2% 11 27.5% eine gute Struktur haben 7 19.4% 2 5% Emotionen im richtigen Maß erzeugen 5 13.9% 1 2,5% frei sprechen 3 8.3% 13 32.5% Tab. 6.13. „Was mir persönlich bei einer guten Rede wichtig ist“; Häufigkeit der genannten Antworten in Versuchs- und Vergleichsgruppe, absolute Zahlen und Prozentangaben In der Versuchsgruppe wurden deutlich häufiger rhetorische Mittel als besonders bedeutsam genannt. Hypothese 5a, dass die Lernenden in den beiden Gruppen deutlich unterschiedliche Kategorien nennen würden, bestätigte sich <?page no="212"?> 212 also. Auch die Wirkung der Reden auf ein Publikum, die Emotionserzeugung und die Bedeutung einer guten Struktur (Aufbau) einer Rede wurden häufiger genannt. In der Vergleichsgruppe betonten die Lernenden eher die Sprechweise (frei, deutlich, langsam) sowie Körpersprache und Gestik. Dabei handelte es sich um Elemente, welche in den Instruktionen prominent vorgekommen und von den Lehrkräften (auf Arbeitsblättern und teilweise mit Bildern) vermittelt worden waren. Die Hypothese 5b, wobei die Lernenden in der Versuchsgruppe „mehr und detailliertere“ Kategorien für die Beurteilung guter Reden kennen würden, bestätigten sich also nicht direkt. Diese Lernenden wiesen allerdings ein verstärktes Bewußtsein für die audience als zentrale und richtungsweisende Kategorie der guten Rede auf; sicherlich hatte das peer feedback hier einen starken Einfluß gehabt (vgl. Tsui und Ng 2000). In der instruktiv geführten Vergleichsgruppe verwendeten die Lernenden die von den Lehrkräften vermittelten Kategorien, welche sich stärker auf die Handlungen der Vortragenden selber bezogen (klare Aussprache, freies Sprechen usw.). Eine zweite offene Frage betraf die Kriterien von guten Reden, welche die Lernenden aus ihrer persönlichen Sicht am Ende des Projekts nennen sollten. Dabei ergaben sich die folgenden Resultate: Tab. 6.14. „Ich kenne nun Kriterien einer guten Rede, nämlich...“; Häufigkeit der genannten Antworten in Versuchs- und Vergleichsgruppe, absolute Zahlen und Prozentangaben „Ich kenne nun Kriterien einer guten Rede, nämlich...“ Versuchsgruppe Vergleichsgruppe N 33 40 rhetorische Mittel 26 78.8% 23 57.5% klar/ deutlich/ langsam sprechen 16 48.5% 23 57.5% gut planen 11 33.3% 17 42.5% verständlicher Inhalt 8 24.2% 2 5.0% Körpersprache/ Mimik/ Gestik 6 18.2% 17 42.5% Argumente 6 18.2% 8 20.0% Aufbau 5 15.2% 10 25.0% Pausen 5 15.2% 7 17.5% Emotionen 4 12.1% 0 0% klare Gliederung/ Struktur 3 9.1% 11 27.5% <?page no="213"?> 213 In der Versuchsgruppe wurden wiederum die rhetorischen Mittel sowie das Erzeugen von Emotion am häufigsten genannt. In der Vergleichsgruppe fehlten diese Kategorien fast gänzlich. Dort waren es einmal mehr die von den Lehrkräften explizit instruierten Elemente wie Körpersprache, Mimik, Gestik, welche besonders häufig genannt wurden. Da auch in diesem Bereich die rhetorischen Mittel und damit zusammenhängende emotionale Prozesse in der Versuchsgruppe häufiger genannt wurden, verstärkt sich das Vertrauen in Hypothese 5b. Zur Erhebung der subjektiven Zufriedenheit mit dem Lernarrangement wurden die Schülerinnen und Schüler gefragt, zu wie viel Prozent sie mit dem entsprechenden Lernarrangement zufrieden waren. Dabei ergaben sich die folgenden Resultate: „Mit dem Lernarrangement bin ich zu X% zufrieden...“ Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 38 41 min. 0% 0% max. 100% 95% Mittelwert 52.29% 38.68% -2.109** Standardabweichung 30 27 ** p < 0.05 Tab. 6.15. Grad der Zufriedenheit der Lernenden mit dem Unterrichtsarrangement (Prozent), Versuchs- und Vergleichsgruppe Hypothese 6 besagte, dass in der Versuchsgruppe („Dream“) insgesamt eine tiefere Zufriedenheit herrschen würde, da hier die Arbeitsformen für die Lernenden neu und ungewohnt waren. Dies bestätigte sich allerdings nicht: Die Schüler der Versuchgruppe waren durchschnittlich über 10 Prozent zufriedener mit dem Lernarrangement als die Schüler der Vergleichsgruppe, was für „Dream“ als positives Resultat zu werten ist. Der Unterschied ist mit t = - 2.109 auf dem 5-Prozent-Fehlerniveau signifikant. Noch größer als die Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe waren allerdings die Unterschiede zwischen den Klassen. <?page no="214"?> 214 1 2 3 4 F-Wert N 16 22 25 16 min. 5% 0% 0% 0% max. 70% 100% 95% 70% Mittelwert 32.50% 66.68% 48% 24.13% 10.698*** SD 19.4 28.4 27.2 20.8 *** p < 0.01 Tab. 6.16. Grad der Zufriedenheit der Lernenden mit dem Unterrichtsarrangement (Prozent), Klassenebene Hier waren die Unterschiede auf dem 1-Prozent-Niveau signifikant. Es mußte also neben den verschiedenen Lernarrangements noch andere Gründe für die unterschiedliche Zufriedenheit geben. Besonders tief war die Zufriedenheit in Klasse 4, welche im Projekt insgesamt deutlich die schlechtesten Resultate erzielte. Generell waren die Klassen mit neusprachlichem Profil (2 und 3) zufriedener und interessierten sich stärker für das Thema gute Reden, unabhängig von der Methode, mit der dieses vermittelt wurde. Zusätzlich zur Prozentangabe sollten die Lernenden auch eine Begründung angeben, warum sie mit der Lerneinheit zufrieden bzw. unzufrieden waren: „Ich bin mit dem Lernarrangement zufrieden, weil...“ Versuchsgruppe Vergleichsgruppe N 40 35 gute Stoffvermittlung 14 40.0% 6 15.0% viel gelernt 7 20.0% 16 40.0% Spaß 6 17.1% 1 2.5% im späteren Leben brauchbar 6 17.1% 3 7.5% interessant/ spannend 4 11.4% 6 15.0% gute, neue Erfahrung 4 11.4% 0 0% ich habe mich verbessert 2 5.7% 2 5.0% Tab. 6.17. „Ich bin mit dem Lernarrangement zufrieden, weil...“; kategorisierte Antworten getrennt nach Versuchs- und Vergleichsgruppe, absolute Zahlen und Prozentangaben <?page no="215"?> 215 In der Versuchsgruppe berichteten die Lernenden häufiger, die Auseinandersetzung mit guten Reden habe „Spass“ gemacht und sei für das spätere Leben besonders nützlich; gleichzeitig beklagten sich hier die Schülerinnen und Schüler auch häufiger, das Arrangement sei „langweilig“ gewesen (vgl. Tab. 6.18.). Dies deutet auf eine gewisse Ambivalenz der Lernenden bezüglich dieser „neuen“ Lernformen hin, welche offensichtlich polarisierten. In der Vergleichsgruppe gaben hingegen mehr Lernende an, viel gelernt zu haben. Bei den Gründen, warum sie mit dem jeweiligen Arrangement unzufrieden waren, herrschte in beiden Gruppen (mit einigen Ausnahmen) eine gewisse Einigkeit: „Ich bin mit dem Lernarrangement unzufrieden weil...“ Versuchsgruppe Vergleichsgruppe N 33 41 zu wenig Übung/ Training 10 30.3% 11 26.8% Stoffvermittlung schlecht/ nur Frontalunterricht 7 21.2% 9 22.0% langweilig 7 21.2% 2 4.9% zu wenig Zeit 4 12.1% 11 26.8% oberflächlich 4 12.1% 4 9.8% unklar 4 12.1% 4 9.8% überfordert 3 9.1% 6 14.6% Nervosität 3 9.1% 1 2.4% zu wenig Beispiele 3 9.1% 11 26.8% ins kalte Wasser geworfen 3 9.1% 7 17.1% zu viel Theorie 2 6.1% 8 19.5% alle hatten gleiches Thema 2 6.1% 1 2.4% Notendruck 1 3.0% 3 7.3% Tab. 6.18. „Ich bin mit dem Lernarrangement unzufrieden, weil...“; kategorisierte Antworten getrennt nach Versuchs- und Vergleichsgruppe, absolute Zahlen und Prozentangaben Die Lernenden aus beiden Gruppen waren übereinstimmend der Ansicht, zu wenig Gelegenheit zum Üben gehabt zu haben, die Qualität der Instruktion sei schlecht gewesen oder es habe „zu viel Frontalunterricht“ stattgefunden. Besonders in der Versuchsgruppe erstaunt dies, da hier ja auf direkte Instruktion praktisch verzichtet worden war. In der Vergleichsgruppe bemängelten die Lernenden stärker, sie hätten zu viel Theorie vermittelt bekommen, dafür aber zu wenig Zeit für deren Anwendung und zu wenige praxisrelevante Beispiele gehabt. <?page no="216"?> 216 Beim subjektiv wahrgenommenen Lernzuwachs waren die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, diesen zu bewerten und als Zahl zwischen 1 und 100 auszudrücken. Dabei ergaben sich folgende Resultate: Ich denke, in dem Arrangement hat sich meine Fähigkeit, eine gute Rede zu schreiben, um X% verbessert. Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 36 39 min. 0% 5% max. 100% 100% Mittelwert 47.78% (23.1) 37.51% (27.2) -1.755* () Standardabweichung in Klammer * p < 0.1 Tab. 6.19. Geschilderter subjektiver Lernzuwachs im Unterrichtsarrangement (Prozent), Versuchs und Vergleichsgruppe In diesem Bereich war erwartet worden, dass die Lernenden in der Versuchsgruppe einen verstärkten Fortschritt wahrnehmen würden, da die Lernformen eine intensivere persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema vorsahen (Hypothese 7a). Dies konnte bestätigt werden: Die Schülerinnen und Schüler in der Versuchsgruppe gaben einen grösseren Zuwachs an, der bei einem t-Wert von -1.755 auf dem 10-Prozent-Niveau signifikant war. Wiederum war jedoch der Effekt auf Ebene der einzelnen Klassen noch stärker, so dass es neben den Lernarrangements noch andere Gründe für den unterschiedlich wahrgenommenen Lernzuwachs geben mußte: Klasse 1 2 3 4 F-Wert N 15 21 23 16 min. 5% 15% 2% 0% max. 100% 100% 100% 70% Mittelwert 51% (28.3) 45.48% (19) 46.61% (28.2) 24.44% (19.8) 3.890** () Standardabweichung in Klammer ** p < 0.05 Tab. 6.20. Geschilderter subjektiver Lernzuwachs im Unterrichtsarrangement (Prozent), Klassenebene <?page no="217"?> 217 Auffällig ist wiederum der deutlich tiefere Wert bei Klasse 4, während sich Klasse 3 kaum von jenen in der Versuchsgruppe unterschied. Am deutlichsten zeigte sich der Unterschied beim wahrgenommenen Lernzuwachs in den beiden Gruppen wiederum bei jenen Lernenden, die im Sprachtest am Anfang am schlechtesten abgeschnitten hatten. „Leistungsschwache“ Schüler „Mittlere“ Schüler „Gute Schüler“ VG VglG VG VglG VG VglG N 7 6 21 18 8 15 Zuw. ∅ 69.29% (22.8) 45% (21.679) 46.43% (20.8) 35.89% (29.29) 32.5% (16) 36.47% (27.6) t- Wert 1.957* 1.309 -.372 F- Wert 2.518** () Standardabweichung in Klammer Signifikanzniveau: **p<0.05 Tab. 6.21. Geschilderter subjektiver Lernzuwachs im Unterrichtsarrangement (Prozent), aufgeteilt nach Stärkeklassen der Schülerinnen und Schüler, Versuchs- und Vergleichsgruppe Tab. 6.21. zeigt, dass besonders „leistungsschwache“ Lernende in der Versuchsgruppe einen stärkeren subjektiven Lernzuwachs schilderten als jene in der Vergleichsgruppe (der t-Wert gibt einzig in dieser Gruppe Hinweise auf eine Signifikanz). Hypothese 7b wurde also deutlich bestätigt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass sich das Selbstbewußtsein und der Glaube an die eigenen Fortschritte beim Thema in dieser Gruppe besonders stark verbesserten. Bei Lernenden mit mittleren und höheren Leistungsniveaus fiel diese Entwicklung weniger stark ins Gewicht. In einem nächsten Abschnitt des Fragebogens wurden alle Lernenden gefragt, warum sie ihre Kompetenzen verbessert hatten, d.h. welchen Faktoren im jeweiligen Lernarrangement sie dies zuschrieben. Hier ergaben sich folgende Resultate: <?page no="218"?> 218 „Meine Kompetenzen zum Schreiben einer guten Rede haben sich verbessert, weil...“ Argument Versuchsgruppe Vergleichsgruppe N 38 41 gelernt, eine gute Rede zu schreiben 12 31.6% 15 36.6% zum ersten Mal eine Rede geschrieben 10 26.3% 9 22.0% ich weiss, was wichtig für Rede ist 8 21.1% 11 26.8% mehr Übung 7 18.4% 1 2.4% neue Stilmittel gelernt 4 10.5% 7 17.1% neue Inputs/ viele Reden von anderen gehört 1 2.6% 3 7.3% Tab. 6.22. Begründungen für den Lernzuwachs im Unterrichtsarrangement, Versuchs- und Vergleichsgruppe In beiden Gruppen wurde am häufigsten angegeben, dass man hier zum ersten Mal Reden geschrieben bzw. gelernt hätte, dies zu tun. In der Versuchsgruppe („Dream“) wurde häufiger erwähnt, man habe „mehr üben“ können. Dies ist bemerkenswert, da auf Übungen im klassischen Sinn ganz verzichtet wurde. Eventuell könnte man daraus schließen, dass auch die Überarbeitung der Rede sowie die Arbeit an der toolbox als eine Art Übung wahrgenommen wurden. In der Vergleichsgruppe gaben bei dieser Frage mehr Lernende an, rhetorische Mittel gelernt zu haben. 6.5.3. Interesse, Selbstkonzept und metakognitive Fähigkeiten der Handlungssteuerung Beim allgemeinen Interesse am Fach Englisch ergaben sich im Verlaufe des Projekts keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen - Hypothese 8 wurde bestätigt. Auch beim thematischen Interesse trat keine signifikant höhere Zunahme in der Versuchsgruppe ein - Hypothese 9 konnte daher nicht bestätigt werden. Hingegen nahm in beiden Gruppen das thematische Interesse viel stärker zu als das Interesse am Fach Englisch allgemein. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema führte zu einer Zunahme des spezifischen Interesses, unabhängig davon, mit welcher Methode dies geschah. Die Zunahme war in der Vergleichsgruppe etwas stärker, der Unter- <?page no="219"?> 219 schied zwischen den Gruppen war bei einem sehr tiefen t-Wert von 0.71 aber nicht statistisch signifikant: Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 36 38 Interesse allgemein 1 3.21 (.51) 3.0 (.66) Interesse allgemein 2 3.29 (.53) 3.03 (.51) Zuwachs ∅ .039 -.026 -0.71 Interesse thematisch 1 2.75 (.54) 2.61 (.498) Interesse thematisch 2 2.86 (.55) 2.73 (.55) Zuwachs ∅ .14 .15 -0.71 Tab. 6.23. Entwicklung von allgemeinem und thematischem Interesse, Versuchs- und Vergleichsgruppe (Likert-Skala 1-4) Bei den Kontrollüberzeugungen der Lernenden zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Diese lagen in beiden Gruppen bereits am Anfang relativ hoch (bei ungefähr 3 von max. 4 Punkten auf der Likert Skala); die Schülerinnen und Schüler waren also überzeugt, ihre Leistungen im Englisch aus eigener Kraft steuern zu können. Zwar nahm diese Überzeugung im Verlauf des Projekts bei beiden Gruppen nochmals geringfügig zu, Hypothese 10a konnte jedoch nicht bestätigt werden. Bei den „leistungsschwachen“ Schülerinnen und Schülern zeigte sich jedoch eine unterschiedliche Entwicklung in den beiden Gruppen. Während in der Versuchsgruppe der Mittelwert des Index von 3.0 auf 3.14 anstieg (Zunahme 0.14, max. 4 Punkte), blieb er in der Vergleichsgruppe praktisch unverändert (2.72 auf 2.77 von 4 Punkten; Zunahme 0.05). Das Resultat kann als leichten Trend in Richtung Hypothese 10b gewertet werden, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler ihre Kontrollüberzeugungen stärker verbessern würden; eindeutig bewiesen werden konnte das jedoch nicht. Auch im Bereich des Monitoring ergaben sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede, so dass Hypothese 11 nicht bestätigt wurde. Die Werte waren anfänglich in der Versuchsgruppe etwas höher (2.96 von 4 Punkten) als in der Vergleichsgruppe (2.65), während des Projekts fanden jedoch keine signifikanten Veränderungen statt. Offenbar war der Zeitraum von sechs Wochen zu kurz, um Veränderungen in einem relativ „stabilen“ metakognitiven System wie der Überwachung von Lernprozessen nachzuweisen. <?page no="220"?> 220 Ein leichter Effekt ergab sich im Bereich der Evaluation, also der wahrgenommenen Fähigkeit der Lernenden, ihre eigenen Lernbemühungen zu reflektieren und auszuwerten. Versuchsgruppe Vergleichsgruppe t-Wert N 37 40 Evaluation 1 min. 2.00 1.00 Evaluation 1 max. 3.60 4.00 Evaluation 1 ∅ 2.92 (.39) 2.89 (.59) Evaluation 2 min. 2.20 1.40 Evaluation 2 max. 3.60 4.00 Evaluation 2 ∅ 2.99 (.40) 2.79 (.58) Zuwachs min. -.80 -1.80 Zuwachs max. 1.00 1.00 Zuwachs ∅ .08 (.39) -.13 (.53) -1.881* () Standardabweichung in Klammern * p < 0.1 Tab. 6.24. Entwicklung der Evaluation, Versuchs- und Vergleichsgruppe Während des Projekts nahm die Bereitschaft zur Evaluation der eigenen Lernprozesse in der Vergleichsgruppe leicht ab (-0.13 Punkte), während der Wert in der Versuchgruppe praktisch unverändert blieb (+0.08 Punkte). Der Unterschied ist auf dem 10-Prozent-Fehlerniveau signifikant, kann aber trotzdem nicht als klare Bestätigung von Hypothese 12 gewertet werden, wonach in der Versuchsgruppe eine positivere Entwicklung bei den Fähigkeiten der Evaluation stattfinden müsste. Zusammenfassend muß man also konstatieren, dass im Bereich der metakognitiven Fähigkeiten der Handlungssteuerung keine signifikanten Veränderungen festgestellt wurden, die sich auf die unterschiedliche Unterrichtsgestaltung in den beiden Gruppen hätten zurückführen lassen. <?page no="221"?> 221 6.6. Diskussion Bezogen auf die Schreibkompetenzen bei Redemanuskripten zeigte sich in dieser Untersuchung, dass sowohl in der Versuchsgruppe („Dream“), wie auch in der Vergleichsgruppe (konventioneller Unterricht) eine Mehrheit der Lernenden Fortschritte erzielte, dass also beide Methoden in gewissem Masse effektiv waren. Auch das thematische Interesse nahm in beiden Gruppen zu. Für die Schule insgesamt ist das als ein günstiges Resultat zu werten: Gerade bei fortgeschrittenen Lernenden auf der Oberstufe scheinen verschiedene Wege zum Ziel zu führen. Die meisten Lernenden entwickelten während des sechs Wochen dauernden Projekts ihre rhetorischen Schreibkompetenzen deutlich weiter, im Durchschnitt um knapp 5 Punkte (von max. 20) in der Versuchsgruppe und um knapp 4 Punkte in der Vergleichsgruppe. Insgesamt starteten die Lernenden in der Versuchsgruppe auf einem etwas tieferen Stand und erreichten am Ende dasselbe Kompetenzniveau wie die Vergleichsgruppe, machten insgesamt also die grösseren Fortschritte. Die Erwartung, dass in der Versuchsgruppe größere Fortschritte im rhetorisch-ästhetischen Bereich gemacht werden würden, bestätigte sich nicht. In Übereinstimmung mit früheren Studien (z.B. Sasaki, 2000) zeigten sich aber im linguistischformalen Bereich stärkere Fortschritte in der Versuchsgruppe, obwohl dort viel „induktiv“ gearbeitet und auf explizite Grammatikinstruktion verzichtet worden war. Damit bestätigte sich der Befund, dass Lernende bei offenen Schreibaufgaben und in Auseinandersetzung mit authentischen Texten neue Sprachstrukturen erlernen, auch wenn ihnen diese nicht direkt „serviert“ worden sind - sie bemerken diese und wenden sie an, wenn sie zur Lösung eines kommunikativen „Problems“ gebraucht werden (Thornbury, 2003, S. 135). Damit dies gelingt, müssen aber, wie auch in der vorliegenden Untersuchung, die selbständigen Arbeiten der Schülerinnen und Schüler durch fachliche Unterstützung, gezielte Rückmeldungen und angemessene Instruktion durch die Lehrperson unterstützt werden (Ellis, 2003, S. 98 ff.). Die Jugendlichen im obersten Leistungsdrittel wiesen in beiden Gruppen keine unterschiedlichen Entwicklungen auf. Es scheint sich dabei um eine kognitiv und fachlich besonders leistungsstarke Gruppe zu handeln, die in beiden Kontexten gleich gut lernte und praktisch method proof war. Im unteren Leistungsdrittel zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, sowohl bei den objektiven wie den subjektiv wahrgenommenen Kompetenzentwicklungen. Der Lernzuwachs „leistungsschwacher“ Lernender war bei „Dream“ (Versuchsgruppe) doppelt so groß wie in der Vergleichsgruppe. Leistungsschwächere Lernende profitieren offenbar besonders von den lernförderlichen Rückmeldungen der Lehrpersonen, vom Austausch mit ihren Lerngenossen (peer feedback) sowie der intensiven selbstän- <?page no="222"?> 222 digen Auseinandersetzung mit rhetorischen Gestaltungsmitteln. Vergleicht man die Gesamtscores der Reden der „leistungsschwächeren“ Lernenden mit jenen der „mittleren“ so stellt man fest, dass diese bei Projektende nicht mehr zu unterscheiden waren. Innerhalb von nur sechs Wochen hatten die „schwächeren“ ihren Lernrückstand vollständig aufgeholt. Günstig dürfte sich dabei ausgewirkt haben, dass sie sich im eigenen Tempo weiterentwickeln, ihre Produkte überarbeiten und so die eigene Leistungsfähigkeit bei einem schwierigen Thema erfahren konnten. Damit dies gelingt, sind Schülerinnen und Schüler aber besonders stark auf eine hohe Fachkompetenz der Lehrpersonen und auf eine individuelle Lernprozeßbegleitung angewiesen (Barber & Mourshed, 2007). Auch bei den relativ geringen Fallzahlen in dieser Studie ergaben sich deutliche Hinweise darauf, welche Fortschritte sogenannt „leistungsschwächere“ Lernende auf der Oberstufe machen können, wenn sie bei schwierigen Themen geeignete Unterstützung erhalten, wenn ihre Arbeiten begutachtet und geschätzt werden, wenn sie Gelegenheit haben, diese zu überarbeiten und auch positive Rückmeldungen zu den erreichten Fortschritten erhalten. Dazu ist eine Äußerung eines Schülers aus der Pilotstudie aufschlußreich: „Jeder wird nach seinen Fortschritten bewertet. Es hatten also auch weniger gute Schüler eine Chance, sich zu verbessern, und das wurde ja auch bewertet, nicht einfach das sprachliche Können“ (K1, S10). Dieser subjektive Eindruck konnte in der Hauptstudie empirisch erhärtet werden, was sich auch daran zeigte, dass die leistungsschwächeren Lernenden hier ihre Fortschritte selber deutlich stärker einschätzten als in der Vergleichsgruppe. In der Gruppe mit dem Arrangement „Dream“ gaben Lernende häufiger an, das Schreiben der Reden habe „Spass“ gemacht, beklagten sich gleichzeitig aber auch häufiger, das Arrangement sei „langweilig“ gewesen. Offenbar wurde die verstärkt eigenständige Auseinandersetzung mit einem komplexen Sachverhalt als hart und entbehrungsvoll, gleichzeitig aber auch als befriedigend und bereichernd erlebt. Interessant dabei war, dass die Lernenden in dieser Gruppe eine gute Stoffvermittlung wahrnahmen, obwohl auf „Vermittlung“ im traditionellen Sinn verzichtet worden war: Es scheint, dass auch die förderorientierten Rückmeldungen der Lehrkraft als eine Art der Instruktion wahrgenommen wurden. Die in der Vergleichsgruppe mit konventionellem Unterricht erzielten Kompetenzentwicklungen beim Schreiben der Reden zeigten, dass die Instruktion formaler Sprachmittel kein Hemmschuh für Kreativität und persönliche Entwicklung darstellen muss: Bei der rhetorisch-ästhetischen Struktur der Reden gab es in beiden Gruppen keine signifikant unterschiedlichen Entwicklungen. Viele Lernende konnten kreativ und überzeugend mit Mitteln umgehen, die ihnen die Lehrperson direkt vermittelt hatte. Auch waren sie <?page no="223"?> 223 fähig, in der Prüfungssituation ihre neu erworbenen Kompetenzen auf individuelle Art und Weise unter Beweis zu stellen und vor den fachlichen Normen zu bestehen. Beim Wissen über gute argumentative Reden zeigte sich, dass die Lernenden in der Versuchsgruppe rhetorische Figuren und Sprachmittel insgesamt als bedeutsamer wahrnahmen als diejenigen in der Vergleichsgruppe. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sie diese Mittel aus verschiedenen Texten selber herausgearbeitet hatten, was zu einer höheren Beteiligung an den Lernprozessen führte. Zugleich hatten sie vermehrt die Möglichkeit, die Wirkung dieser Mittel am eigenen Leib zu erfahren, etwa indem sie sich die Reden der Lernpartner anhörten oder authentische Beispiele von Experten analysierten. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass die Wirkung guter Reden auf die Zuhörer in der Versuchsgruppe häufiger erwähnt und als bedeutsam erkannt wurde. Mit Bezug auf die klassische Theorie der Rhetorik kann man hier z.B. an den Redeschluss (die peroratio) denken, dessen Funktion die antiken Theoretiker hauptsächlich darin sahen, beim Publikum Emotionen zu wecken, die Gemüter entweder anzuheizen oder sie zu dämpfen. Gerade bei politischen Reden oder vor Gericht konnten alle Register gezogen werden, wenn es darum ging, den Richter oder die Geschworenen zu beeinflussen. Dazu schrieb Quintilian: „Hier [in der peroratio] kann man, wenn überhaupt irgendwo, alle Schleusen der Beredsamkeit öffnen.“ (Institutio Oratoria, 6.1.51). Dieser emotionale Aspekt der Rhetorik scheint in der Versuchsgruppe deutlicher geworden zu sein, weil die Lernenden dort viel stärker für Adressaten schrieben und von diesen auch Rückmeldungen über die Wirkungen der eigenen Texte erhielten. In der Vergleichsgruppe wurden dieselben Mittel mit Arbeitsblättern vermittelt, was offenbar eine geringere subjektive Bedeutsamkeit zur Folge hatte. Doch auch dort gab es Lernende, welche den zentralen Zusammenhang von Sprachform und Sprachwirkung begriffen und als persönlich bedeutsam erkannt hatten. Bezüglich metakognitiver Fähigkeiten (Planung, Monitoring, Evaluation) ergaben sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die plausibelste Erklärung dafür ist, dass der Zeitraum von sechs Wochen zu kurz war, um in diesen relativ stabilen Elementen der Handlungssteuerung eine meßbare Veränderung herbeizuführen. Bei fast allen erhobenen Werten erzielte die Klasse 4 (wirtschaftlicher Schwerpunkt) besonders schlechte Resultate. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, dass diese Schülerinnen und Schüler zum Thema „Reden“ anfänglich einen weniger engen Bezug hatten und deshalb auch von den nachfolgenden Instruktionen kaum profitieren konnten. Die Lernenden der Klasse 3 (mit neusprachlichem Schwerpunkt) konnten von diesem lehrerzentrierten, vermittelnden Unterricht viel stärker <?page no="224"?> 224 profitieren, vielleicht weil sie sprachlich leistungsfähiger und dem Thema gegenüber positiver disponiert waren. Generell läßt sich also sagen, dass der eher vermittelnde, lehrerseitig gesteuerte Unterricht die Unterschiede zwischen den Klassen verstärkte, während die Klassen mit dem Arrangement „Dream“ homogenere Entwicklungen zeigten. Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Projekt betrifft die aufgewendete Lernzeit bzw. das Vorurteil, komplexe Lerninhalte müßten auf jeden Fall instruiert und vermittelt werden, weil andere methodische Zugänge zu aufwendig oder ineffizient seien. Hier ergaben sich Hinweise darauf, dass sich auch mit eher schülerzentrierten Unterrichtsmethoden eine hohe Effizienz des Lernens herstellen läßt, wenn man darunter den Quotienten von Lernzuwachs durch Lernzeit versteht (Klauer & Leutner, 2007, S. 156). Auch bei gleicher Lernzeit gelang es in der Versuchsgruppe, peer feedback auszutauschen, eine „Autographensammlung“ zu besprechen, eine toolbox zu erarbeiten und die Lernresultate in einem Portfolio zu dokumentieren und zu reflektieren. Dies dürfte allerdings nur innerhalb von klar strukturierten Lernarrangements möglich sein, wobei die Arbeitsformen vorab geklärt, die Funktion der Rückmeldungen deutlich und die Materialien für die Lernziele geeignet sind. Hier wird die Fremdsprachendidaktik in den nächsten Jahren gefordert sein, weitere Unterrichtsarrangements zu entwickeln und zu evaluieren. Didaktische Entwicklungen sind dabei stark an Schulentwicklungsprozesse geknüpft, weil einzelne Lehrpersonen mit der Entwicklung entsprechender Lernarrangements rasch überfordert sein können (Bohl & Kurcharz, 2010, S. 47). Eine zweite wichtige Erkenntnis betrifft den Effekt von schülerorientierten Unterrichtsformen (z.B. die Arbeit an offenen Lernaufgaben) auf das Fachwissen der Schülerinnen und Schüler. Es gibt eine Reihe von Studien mit dem Befund, dass diese besonders in den Bereichen der Persönlichkeitsentwicklung und bei soft skills wirksam seien, während „instruktive“ Lernformen zu besseren fachlichen Leistungen führen (vgl. z.B. Peterson 1979; Gioconia und Hedges 1982). In der vorliegenden Studie zeigten sich jedoch keine Leistungsabfälle in den fachlichen Kernbereichen bei den schülerorientierten Lernmethoden. Im Gegenteil erzielten die Lernenden in der Versuchsgruppe bei den formal-linguistischen Kompetenzen leicht stärkere Fortschritte als jene der Vergleichsgruppe. Die Lernenden kamen im Stoff genauso gut voran, indem sie ihre eigenen Kompetenzen explizit machten und diese unter Anleitung einer erfahrenen Lehrperson selbsttätig weiterentwickelten. Sie schätzten es dabei, sich selbständig mit einem komplexen Thema auseinanderzusetzen und waren auch bereit, sich dafür in den Unterrichtsstunden aktiv einzusetzen. Befürchtungen, dass sie die neuen Lernformen aufgrund des grösseren Aufwands ablehnen würden, bestätigten sich nicht. <?page no="225"?> 225 Eine dritte Erkenntnis betrifft die Beurteilung komplexer Schülertexte bzw. das Vorurteil, dass sich kreative oder ästhetische Leistungen nicht oder nur schlecht beurteilen lassen. In dieser Untersuchung wurden Instrumente entwickelt, mit welchen sich neben formalen Elementen auch Aspekte wie Attraktivität, persönliches Engagement und rhetorische Überzeugungskraft objektiv, valide und reliabel erfassen lassen. Gerade solche Leistungen, die mit zunehmender Lerndauer beim L2-Schreiben immer wichtiger werden, sollten in weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten einen besonders hohen Stellenwert einnehmen. Zu diesem Zweck sollten transparente und thematisch fokussierte Kompetenzbeschreibungen, wie sie hier für „gute Reden“ vorgelegt wurden, auch für weitere zentrale Lernfelder des (Englisch- )Unterrichts entwickelt und in geeignete Lernarrangements eingebettet werden. Zu denken wäre hier z.B. an das Schreiben von (kurzen) akademischen Essays oder das Schreiben im Netz (vgl. Kap. 7). Diese Untersuchung hat deutliche Hinweise zur Wirksamkeit der hier entwickelten Modelle und Methoden des L2-Schreibens im Lernfeld der schulischen Oberstufe geliefert. Die Effekte eines verstärkt auf Eigenständigkeit und Selbstregulierung angelegten, prozeßorientierten und reflexiven Schreibunterrichts müssen aber noch über längere Zeiträume in größeren Stichproben empirisch untersucht werden, sowohl was die fachlichen wie auch die überfachlichen Leistungsentwicklungen betrifft. Angesichts der hier vorgestellten Resultate erscheint dieses Vorhaben erfolgsversprechend. <?page no="226"?> 226 7. Kernpunkte einer integrativen L2-Schreibdidaktik 7.1. Früh beginnen und Schreibkompetenzen langfristig aufbauen Wie anfangs dargelegt wird der Begriff einer „integrativen Schreibdidaktik“ in dieser Studie in einem doppelten Sinn verstanden: paradigmatisch, als Konstruktion eines Schreibcurriculums, welches die unteren Schulstufen systematisch mit den oberen verbindet und auf die Ausbildung von argumentativen L2-Schreibkompetenzen über einen langen Zeitraum ausgelegt ist; und syntagmatisch, als Integration unterschiedlichster Teilfähigkeiten (Lesen, Schreiben, Zuhören, Sprechen, grammatikalisch und lexikalisch korrekt und überzeugend Formulieren usw.) zu einer komplexen sprachlichen Handlungskompetenz. Das argumentative L2-Schreiben fördert die Eintwicklung eines Bündels von akademischen und gesellschaftlichen Schlüsselkompetenzen, welche im Prinzip auf jeder Schulstufe stattfinden kann und schon früh angegangen werden sollte. Dies impliziert eine schulische Lernkultur, welche die Jugendlichen bereits auf unteren Stufen mit komplexen Schreibaufgaben konfrontiert, sie mit relevanten Diskursen konfrontiert und ausgerichtet ist auf Ziele wie „persuasive argumentation“ oder „thinking and speaking on one’s feet“ (Brupbacher, Jucker et al., 2009, S. 92f.). Zu dieser Kompetenz des argumentativen Schreibens gehört immer auch ein Prozess der eigenen Meinungsbildung, welcher persönliche Einstellungen, Haltungen und Werturteile mit einschließt. Konkret bedeutet dies „das Wechseln von Standpunkten, die Anreicherung und Transformation des Wissens [und] die Fähigkeit, Meinungen formulieren und sie im Feld alternativer Positionen argumentativ vertreten zu können“ (Feilke, 2008, S.7). Diese Kompetenzen sind nicht zu haben in einem Unterricht, der mehrheitlich auf Wissensvermittlung oder segmentierende Einübung einzelner Teilfähigkeiten wie Orthographie, tenses usw. ausgerichtet ist. Denn erst „durch ein ungelöstes Problem entsteht die Wissensneugier, die intellektuelle Spannung, die notwendig ist, die erforderliche Motivation für die anstehenden Lernprozesse zu erreichen“ (Moegling, 2000, S. 48). Und erst durch die längerfristige (Zusammen-)Arbeit an einem für sie relevanten Thema lernen junge Menschen, sich „aufeinander und [auf] eine Sache wirklich einzulassen“ (Huber, 1998, S. 150). Die Ausbildung von komplexen argumentativen L2-Schreibkompetenzen verlangt also nicht weniger als die Erneuerung der schulischen Lernkultur: [We need] a significant shift in the teacher-student relationship and the functioning of educational establishments towards the ‘self-government’ type of <?page no="227"?> 227 education. What has to be envisaged, therefore, is a high-risk education, necessitating changes in attitudes and in teaching/ learning commitments […] as much as changes in the curriculum. (Rychen & Salganik, 2003, S. 58) Im folgenden Kapitel wird dargestellt, wie diese changes in the curriculum bezüglich des L2-Schreibens konkret aussehen sollten, bzw. welche didaktischen Instrumente und Methoden dazu notwendig sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch Lernende auf unteren Stufen fähig sind und die Chance erhalten sollen, eine eigene Meinung zu einem Thema in der Fremdsprache zu vertreten und die Wirkung ihrer Texte auf echte Adressatinnen und Adressaten in vielfältigen Kontexten zu erfahren. Die empirische Forschung zur Entwicklung schriftlicher Argumentationskompetenzen in der Schulsprache („Muttersprache“) zeigt, dass Argumentationsfähigkeiten bereits im Grundschulalter (8-10 Jahre) im Ansatz entwickelt sind, etwa in Form von einfachen Forderungsbekundungen und ablehnungen (Feilke, 2007, S. 159). Im Alter von 11-12 Jahren können Schülerinnen und Schüler „präargumentative Texte“ schreiben, wobei das Argument implizit und unkommentiert bleibt; mit 13-14 Jahren werden Texte möglich, welche eine explizite Markierung der Position, Berücksichtigung von Gegenargumenten sowie adversative Konnektoren enthalten. Mit 15-16 Jahren sind dialogische und metakommunikative Strukturierung, pragmatische Rahmung und Leserorientierung in Schülertexten empirisch nachgewiesen (ibid., S. 160). 21 Auf Grund der hohen Transferierbarkeit von Schreibstrategien von L1 nach L2 kann man davon ausgehen, dass eine ähnliche Erwerbsreihenfolge auch für die Fremdsprache gilt, wobei auf Grund zusätzlicher Anforderungen im formal-sprachlichen und textstrukturellen Bereichen die Altersstufen etwas nach oben verschoben werden müssen. Trotzdem gilt es hier das Potential der Lernenden für argumentative Schreiben zu betonen, denn die nachgewiesene Entwicklungsabhängigkeit der für schriftliches Argumentieren erforderlichen Kompetenzen impliziert auch deren Förderbarkeit. Bereits früh im L2-Lernen sind erste persönliche Meinungsäußerungen möglich. Wer hingegen erst einmal versucht, eine „Basis zu legen“ für interessante Schreibaufgaben in ferner Zukunft, der mißversteht die Dynamik von Lernverläufen und produziert einen Unterricht, der die jungen Menschen gerade auf unteren Stufen nicht ausreichend fördert und fordert. Wie hier gezeigt wurde handelt es sich beim argumentativen Schreiben (besonders in L2) um eine sozialkognitiv und textlinguistisch äußerst anspruchsvolle sprachliche Tätigkeit, was notwendigerweise eine frühzeitige Förderung der 21 Diese Forschungsübersicht bezieht sich auf Feilke (2007, S. 159f.). Die dort dargestellten Referenzstudien werden hier nicht einzeln zitiert. <?page no="228"?> 228 entsprechenden Kompetenzen erfordert. Besonders die Gymnasien oder die integrierte Gesamtschule (wie sie in einzelnen Ländern im Detail organisiert sein mögen) verfügen hier angesichts ihrer langen Bildungsgänge noch über viel didaktischen Spielraum, den es viel konsequenter auszunützen gilt. 7.2. Ein integratives Erwerbsmodell des L2-Schreibens Im folgenden didaktischen Modell des argumentativen L2-Schreibens sind Lernaufgaben und Schülerhandlungen auf einer mittleren Abstraktionsebene beschrieben. Das Modell ist von unten nach oben zu lesen, wobei die „höchste“ Kompetenzstufe bei einer Aufgabe oder einem Thema wiederum Basiskompetenz und Ausgangspunkt für eine neue, schwierigere Aufgabe darstellt. Es handelt sich eigentlich um ein zirkuläres Modell, wobei die Kompetenzen und Ressourcen, welche die Lernenden in einem Gebiet erworben haben, wieder zum Vorwissen für die nächste Lernaufgabe werden. Dabei müssen die eigenen Fähigkeiten jeweils wieder neu aktiviert und erweitert werden. Ziel ist ein stetig wachsendes persönliches Potential zur Bewältigung immer komplexer werdender Schreibaufgaben in verschiedenen Kontexten. Dieses Modell soll dabei helfen, didaktisch kreativ mit der Balance zwischen Schülerorientierung auf der einen und Vermittlung eines institutionell gesicherten Wissenskanons auf der anderen Seite umzugehen. Es bietet einen Kompromiß zwischen übertriebener Standardisierung, wobei Lernwege kleinschrittig vorbestimmt werden, und falsch verstandener Schülerorientierung, „wobei der Lehrer auf jeden Huster der Schüler seine Zielvorstellungen über den Haufen wirft“ (Gudjons, 2001, S. 116). Das Modell hat den Anspruch, Aspekte des Kompetenzerwerbs auf jeder Schulstufe zu beschreiben und anzuleiten, wobei mit wachsender Kompetenz die gestellten Schreibaufgaben zunehmend raffiniert gelöst werden und die Komplexität des output laufend gesteigert wird (Keller & Ruf, 2005, S. 464). Der Aufbau von L2-Schreibkompetenz wird als sozialer und dialogischer Prozeß verstanden, welcher auf den Ideen, Konzepten und dem Vorwissen der Lernenden aufbaut. Die Anpassung an einen konkreten Unterrichtsgegenstand (oder einem Thema) können Lehrkräfte auf der Basis einer needs analysis (Hyland, 2007, S. 152) vornehmen, wobei die Lernziele und Kontexte zukünftiger Schreibanlässe genau abgeklärt werden: Was sollen die Lernenden später genau können? Welche Textsorten und Diskurstypen sollen sie beherrschen? Auf welchem Vorwissen kann man aufbauen, und welche Ziele müssen genau erreicht werden? Das Modell stellt Planungskategorien für diese Art von Fragen zur Verfügung und leitet lernwirksame Abläufe und Aufgabenprogressionen an, ohne dabei die methodische Freiheit der Lehrkräfte zu stark einzuschränken: <?page no="229"?> 229 nachfolgende Aufgabe Kann vorhandene Kompetenzen in einem wirkungsvollen Ensemble aktivieren, einen Lösungsversuch unternehmen oder die eigenen Gefühle und Einstellungen einer neuen Aufgabe gegenüber ausdrücken. Fachkompetenz selbständig anwenden Hat Qualitätskriterien, an denen sich Experten dieses Fachgebiets orientieren, verinnerlicht und kann sie auch in neuen Situationen und unvertrauten Kontexten selbständig und kreativ anwenden. Kann in einer Prüfung oder einem „Auftritt“ mit Prüfungscharakter nach fachlichen Kriterien erfolgreich handeln. Kann bei einer komplexen Aufgabe eigene Lösungsansätze entwickeln, fachliche Handlungswerkzeuge auswählen oder sich sinnvolle Unterstützung beschaffen. Von Experten lernen und den eigenen Horizont erweitern Kann fachliche Begriffe, Konzepte und Handlungswerkzeuge erarbeiten, systematisieren und so den Horizont der eigenen Handlungskompetenz erweitern. Kann durch Analyse der Expertenlösung neues Wissen und Können erwerben, Instruktionen der Lehrpersonen aufnehmen und sich auf systematisches Training einlassen. Kann die Lösung eines Fachproblems durch einen Experten beobachten sowie genau dokumentieren und analysieren. Persönliche Ressourcen aktivieren und Vorwissen explizit machen Kann eigene Arbeiten verbessern und erste Normen zu einem Fachproblem herausarbeiten. Kann neues Wissen und Lösungswege für das weitere Lernen verfügbar machen. Kann seine Lösung mit Lernpartnern austauschen und beobachten, wie andere das Problem gelöst haben. Kann Anderen Feedbacks zu ihren Lösungs-ansätzen geben, damit sie diese verbessern können. Kann vorhandene Kompetenzen in einem wirkungsvollen Ensemble aktivieren, einen Lösungsversuch unternehmen oder die eigenen Gefühle und Einstellungen einer neuen Aufgabe gegenüber ausdrücken. Tab. 7.1. Integrierendes Strukturmodell von L2-Schreibarrangements frühere Aufgabe Hat Qualitätskriterien, an denen sich Experten dieses Fachgebiets orientieren, verinnerlicht und kann sie auch in neuen Situationen und unvertrauten Kontexten selbständig und kreativ anwenden. <?page no="230"?> 230 In der ersten Arbeitsphase geht es jeweils darum, den Jugendlichen persönliche Spielräume bei einer Schreibaufgabe zu gewähren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Vorwissen dazu explizit zu machen und erweitern zu können. Darunter sind spezifische Wissensbestände zu verstehen, welche die Lernenden auf eine neue Situation übertragen und dabei vertiefen und erweitern sollen, gleichzeitig sollen auch Motive und Interessen beim Schreiben in den Blick kommen. Der Aufbau von Fachkompetenz im L2-Schreiben beginnt also immer beim Individuum selber, als Anspruch an die Lernenden, sich auf bestimmte Kompetenzziele vertieft einzulassen, Vorwissen zu einer Aufgabe zu aktivieren, Motive im Umgang damit zu klären und aktiv nach Lösungsstrategien zu suchen (Kristmanson et al., 2009). Dazu gehört auch, sich mit Lernpartnern auszutauschen, eigene Texte nach Rückmeldungen der Lehrkraft zu überarbeiten und in diesem Prozess erste Normen und Lösungsstrategien zur Bewältigung einer Schreibaufgabe herauszuarbeiten. Die zweite Arbeitsphase besteht im Wesentlichen darin, dass die Jugendlichen sich mit den spezifischen kommunikativen Verfahren und sprachlichen Regularitäten bestimmter Genres auseinandersetzen und so ihr Repertoire an fachlichem Wissen und Können erweitern. Eine wichtige Rolle dabei spielen Expertenlösungen und Musterbeispiele, an denen sich „Königswege“ oder typische Diskurspraktiken bestimmter kommunikativer Handlungsfelder exemplarisch aufzeigen lassen. Diese Arbeit kann als scaffolding für das eigene Schreiben verstanden werden: „[Model texts] provide a genre template which enables students to start, connect, and develop their texts appropriately while concentrating on what they want to say“ (Hyland, 2007, S. 158). Zur Unterstützung dieser Arbeit braucht es strukturierte Analyseaufträge, damit die Lernenden über das bloße Imitieren bestimmter Versatzstücke hinauskommen und sich ein vielseitig einsetzbares Repertoire an fachlichen Strategien und Handlungsmitteln erarbeiten können. Mit der toolbox wurde in dieser Studie ein geeignetes Mittel dazu aufgezeigt (vgl. Abschn. 5.3.2.). Dazu gehören auch das systematische Üben sowie die gezielte Instruktion bestimmter Grammatik- oder Vokabularthemen durch die Lehrperson. Beides benötigen die Lernenden, um den Schritt von singulär geprägten Zugängen zu regulären Schreibkompetenzen zu bewältigen. In der dritten Arbeitsphase geht es darum, die neu erworbenen Fähigkeiten selbständig und sicher anzuwenden, in einer Prüfungssituationen zu bestehen oder Produkte herzustellen, welche den fachlichen Standards eines Lehrplans oder einer discourse community genügen. Konkret kann man hier an Essays, Präsentationen, Poster oder Portfolios denken, welche ein bestimmtes Kompetenzniveau dokumentieren und zusätzlich die persönliche „Handschrift“ der Lernenden erkennen lassen. Die jungen Menschen sollen darüber Auskunft geben, bis zu welchem Grad sie sich fachliche Kompeten- <?page no="231"?> 231 zen erschlossen haben und Normen erfüllen können. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass zu erfolgreichen Lernprozessen neben der Divergenz auch die Konvergenz der Lernwege gehört, d.h. der Erwerb von normativem, kohärentem Wissen und Handlungsstrategien in einem Fach. Hier muss eine Passung von Person und Norm stattfinden: Die Jugendlichen sollen normatives Fachwissen erwerben und in realen Kontexten selbständig und sicher damit umgehen können. Gleichzeitig muß dieses Fachwissen persönlich „durchdrungen“ sein in dem Sinne, dass die Jugendlichen individuelle Kompetenzprofile ausbilden, Interessen und Begabungen entwickeln, eigene Zugänge zu den Lernstoffen finden und unverwechselbare Produkte und Texte erschaffen können. Diese Fähigkeiten und Motive bilden dann wieder die Grundlage zur Bewältigung neuer, komplexerer Schreibanlässe, wobei der Lernprozeß auf der „untersten“ Stufe des Modells wieder einsetzt. Das hier dargestellte didaktische Modell liegt „Dream“ zu Grunde, kann aber auf allen Lernstufen sinnvoll eingesetzt werden. Dies zeigt z.B. das Projekt „ECRI“ (Kristmanson et al., 2009, S. 38 ff.), welches zahlreiche Bezüge dazu aufweist, aber spezifisch auf jüngere Lernende (intermediate level) ausgerichtet ist. Am Anfang des Schreibprozesses steht dabei eine Präsentation des final project durch die Lehrkraft, wobei der angezielte output in Form eines Musters oder Beispiels vorgestellt wird („the students see and listen to an example of what they will have to do“; ibid., S. 41). Ziel dieser Vorgabe ist nicht zu zeigen, wie es „richtig geht“, sondern den Bezug zum Vorwissen und den Konzepten der Lernenden herzustellen: „it is important at this stage to personalize the final project by making connections between the final project and the students’ life and activate prior knowledge about the theme of the final project and the writing genre“ (ibid., S. 42). In der nächsten Phase (modeled writing) stellt die Lehrperson weitere Beispiele von Mustertexten vor, welche die Studierenden vergleichen und analysieren sollen. Ziel dieser Arbeitsphase ist, dass die Schülerinnen und Schüler sich Wissen über typische Strukturen und Sprachkonventionen aneignen, welche bei der jeweiligen Textsorte wichtig sind. Diese Elemente können auch zusammengefaßt und tabellarisch dargestellt werden, um die spätere Anwendung im eigenen Schreiben zu erleichtern. Die nächsten Phasen sind dem kooperativen Schreiben gewidmet: Beim shared writing schreibt die Lehrkraft selber einen Mustertext und kommentiert dabei laufend, was sie gerade tut („lautes Denken“). Beim interactive writing schreiben die Lernenden gemeinsam einen Text, wobei die Lehrperson als Coach und Animator agiert und Rückmeldungen gibt. Hier kommen die kooperativen und dialogischen Schreibformen zum Zug, welche im obigen Modell auf jeder Stufe vorgesehen sind. Dabei sollen die Lernenden inhaltlich-fachliche Kompetenzen zur Umsetzung einer Schreibaufgabe in einen Text erwerben, daneben auch metho- <?page no="232"?> 232 disch-strategische Kompetenzen zur Planung, Organisation und Strukturierung des Schreibvorhabens einüben. Am Ende steht auch bei „ECRI“ das freie und selbständige Schreiben (independent writing), wobei Lernende die bisher herausgearbeiteten tools verwenden, um ein eigenständiges Produkt herzustellen. Dabei werden peers und Lehrperson wiederum für Beratung und Rückmeldungen herangezogen (ibid., S. 43). Diese Rückmeldungen sollen einerseits die Entwicklung von Sprachkompetenzen und Schreibstrategien unterstützen, andererseits die Lernenden auch ermutigen, sich etwas zuzutrauen, Risiken mit der Sprache einzugehen und sich neues Wissen zu „erschreiben“. Ziel dabei ist - anlog zur dritten Phase im Modell oben - dass die Lernenden in einem Gebiet selbständig werden, die sprachlichen Mittel zur Lösung eines Schreibvorhabens in einem bestimmten Kontext erwerben und gleichzeitig über die nötige personale Kompetenz zur Planung und Steuerung des eigenen Schreibverhaltens verfügen. Die im obigen Modell vorgestellte, integrative L2-Schreibdidaktik läßt sich also auf eine Reihe von modernen fachdidaktischen Konzepten beziehen, die im Folgenden auf der Ebene konkreter Handlungs- und Entwicklungsfelder vertieft dargestellt werden. 7.3. Offene, herausfordernde (Schreib-)Aufgaben - von Anfang an Lernaufgaben sind ein zentraler Ansatzpunkt für Unterrichtsentwicklung, da sie Ausgangspunkte des Lehrens und Lernens darstellen und damit die elementaren Bausteine jeder Unterrichtsstunde bilden (Keller & Bender, 2012). Man kann darunter die Anforderungen verstehen, „mit denen Schülerinnen und Schüler im Unterricht seitens der Lehrperson konfrontiert werden“ (Blömeke et al., 2006, S. 331). Noch stärker als Theorien und Modelle des Lernens beschreiben sie, was Lehrer und Schüler im Unterricht tun, mit welchen Fragestellungen oder Materialien sie sich auseinandersetzen und welche Struktur die Lösungen dazu aufweisen sollen. Den Aufgaben kommt damit eine Schlüsselfunktion im Unterricht zu: „Task giving as the most routine level of interaction has to be put in focus. Innovation of method has to focus upon this level by re-establishing a connection between task giving and the overall goal of teaching“ (Wagner, 1991, S. 305). Girmes (2004, S. 69) bezeichnet Entwicklungen im Bereich der Lernaufgaben auch als „Systemhebel”, um wirkungsvolle Veränderungen in der Praxis anzuregen und auch umzusetzen. In der Fremdsprachendidaktik weist Legutke (2006, S. 140) der Aufgabenorientierung die Rolle eines Fokussierungskonzepts zu, „das gestattet, didaktische wie methodische Aspekte unter unterrichtspraktischen wie for- <?page no="233"?> 233 schungsgeleiteten Fragestellungen ins Blickfeld zu rücken“. Es geht dabei also nicht bloß um eine Technik des „Fragenstellens“, sondern letztlich um die Entwicklung einer erweiterten, fachlich anspruchsvollen Lehr-Lernkultur. Hallet bezeichnet „gute Kompetenzaufgaben“ deshalb als Motor jeder Kompetenzentwicklung, denn sie fordern die Lernenden zu problemlösenden, komplexen kognitiven und sprachlichen Leistungen heraus und ermöglichen die Modellierung anspruchsvoller Kommunikationssituationen in Analogie zu den Anforderungen realer Kommunikations- und Interaktionsprozesse. (Hallet, 2011, S. 50) Damit dies gelingt, müssen diese Lernaufgaben den Jugendlichen Optionen, und Unterstu tzung anbieten, die Selbststeuerung des Lernens ermöglichen und zugleich interaktionale oder soziale Formen des Lernens und Arbeitens eröffnen, die ein bestärkendes, unterstützendes oder korrektives Feedback der individuellen Lern- und Erwerbsprozesse fördern. Gute Lernaufgaben sind deshalb der Dreh- und Angelpunkt des kompetenzorientierten fremdsprachlichen Lernens. Bildungstheoretisch liegt dieser Fokus auf die Lernaufgaben darin begründet, dass komplexe Fachkompetenzen wie das L2-Schreiben nicht (nur) instruktiv vermittelt werden können, sondern aktiv und individuell in konkreten Situationen durch Auseinandersetzung mit fachlichen Problemen erworben werden. Jede Operationalisierung einer Kompetenz muß sich daher auf konkrete Anforderungssituationen beziehen; umgekehrt müssen Lernsituationen im Unterricht so angelegt werden, dass die Schülerinnen und Schüler darin die geforderten (Teil-)Kompetenzen tatsächlich aufbauen können: „Um Teilkompetenzen zu entwickeln und sie bündeln zu können, ist ein aktives Lernen an sinnvollen Aufgaben- und Problemstellungen nötig, womit der Unterricht auf ein handlungs- und problemorientiertes Lernen umzustellen ist“ (Dubs, 2006, S. 168). Erst das Zusammenspiel von deklarativem, prozeduralem und konditionalem Wissen einschließlich metakognitiver Strategien, ergänzt durch den Willen, bewußt etwas lernen zu wollen, führt zum Aufbau von Teilfähigkeiten, die sich in gebündelter Form zu Kompetenzen entwickeln. Mit Blick auf das argumentative L2-Schreiben ist es deshalb zentral, dass bereits auf unteren Stufen kleinschrittige Aufgaben mit eindeutigen Lösungen zurücktreten gegenüber solchen, die komplexere Bedingungen des Lernens schaffen und mehrere Meinungen bzw. Sichtweisen zulassen. Hingegen können mittels stark gelenkter und an strukturellformalen Vorgaben orientierter Aufgaben- und Übungsformen nur sehr beschränkte Kompetenzen ausgebil- <?page no="234"?> 234 det werden (Hallet, 2011, S. 136). Zwar gelingen dann einzelne korrekte fremdsprachliche Äußerungen; diese verweilen aber oft auf der Ebene des Satzes und dringen nicht auf die Ebene ganzheitlicher, gelingender Sprech- oder Schreibprozesse vor. Allerdings dürfen besonders auf unteren Lernstufen diese Aufträge nicht zu „offen“ sein, um die Lernenden nicht zu überfordern. Feilke (2007, S. 160 ff.) schlägt deshalb einer Verbindung von drei Methoden des Unterrichtens von argumentativen Schreibkompetenzen vor: (a) Direkte Instruktion zur Vorkonzeption des Schreibprozesses mit Hilfe von Aufgabenkarten, die beispielsweise die Reflexion und das Auflisten von Argumentationszielen oder die Suche nach Gründen fordern; (b) Lernen am Modell und Rollenwechsel, wobei die Jugendlichen zuerst die Lehrkraft beim Schreiben beobachten und nachher selber entsprechende Handlungen ausführen; und (c) direkter Genrevergleich, wobei die Lernenden aufgefordert sind, beschreibende und argumentative Textbeispiele zu vergleichen und ein Gespür für die Eigenheiten der jeweiligen Genres zu entwickeln (vgl. auch Collins, Brown & Newman, 1989). Einerseits kann über didaktisch restringierte Produktionskontexte (d.h. eine hohe Artifizialität der Schreibumgebungen) offenbar eine wirksame Förderung argumentativer Schreibkompetenzen erreicht werden. Andererseits gilt die persönliche Involvierung in eine Kontroverse aber als zentrale Voraussetzung für die Entwicklung einer genuinen Motivation und von eigenem Engagement (Feilke, 2007, S. 162). Diese „didaktische Paradoxie“ gilt es bei der Curriculumsentwicklung geschickt zu nutzen. So können jüngere Lernende in der Fremdsprache bereits argumentative Texte in einem didaktisch restringierteren Umfeld verfassen, z.B. in dem sie Karten mit vorgegebenen Argumenten und Gegenargumenten nach eigenem Gutdünken ordnen und daraus einen möglichst überzeugenden Text aufbauen. Auf höheren Stufen kann dieses scaffolding langsam abgebaut bzw. ersetzt werden durch Rückmeldungen der Lehrkraft oder vertiefte Analysen von Mustertexten. Bereits auf unteren Lernstufen geht es beim L2-Schreiben also weniger darum, einen aus Sicht des Lehrers gelungenen und zeitlich festgelegten Unterrichtsverlauf einzuhalten. Stattdessen sollen Situationen geschaffen werden, in denen die Jugendlichen ihren Kompetenzzuwachs gezielt steuern und dabei von der Lehrperson entsprechend gefördert und unterstützt werden. Hallet (2007, S. 34) stellt dabei auch die Verbindung des task-Konzepts zu einer kulturwissenschaftlich orientierten Didaktik her, welche die Vermittlung von „Diskursfähigkeit“ zum Ziel hat: Fremdsprachliche Diskursfähigkeit wird entwickelt über die reale Teilhabe an tatsächlich stattfindenden gesellschaftlichen Diskursen, seien sie lokaler, nationaler oder globaler Natur. Es versteht sich aber, dass das Hauptinteresse je- <?page no="235"?> 235 nen Themen und Fragen gilt, die die Erfahrungen der Lernenden in ihrer Lebenswelt mit Diskursen in fremdsprachlichen Kulturen und globalen Diskurse in der fremden Sprache verknüpfen. Bereits früh im Lernprozeß sollten also Schreibaufgaben gefunden werden, welche diese Verbindung herstellen zwischen der eigenen Lebenswelt der jungen Menschen (wozu eigene Meinungen und Interessen gehören) und realen fremdsprachlichen Diskursen (repräsentiert durch authentische Mustertexte zu aktuellen Fragen). Dies kann dadurch erreicht werden, dass Lernende zu einem für sie relevanten Thema Stellung beziehen und dazu (neben klassischen Schreibmedien) auch neue Kommunikationsformen wie Wikis, Blogs oder soziale Netzwerke nutzen (vgl. unten, Abschn. 7.7). Damit kommen die Jugendlichen schon früh in die Position, ihren Meinungen und Anliegen in einem realen Kommunikationsfeld Ausdruck zu verleihen und auch die Reaktion echter Leserinnen und Leser auf ihre Texte zu erfahren. Gleichzeitig tragen solche Aufgaben auch einem alten pädagogischen Anliegen Rechnung, nämlich das eigene Denken der Schülerinnen und Schüler herauszufordern und sie nicht einseitig im Bereich der Reproduktion und Anwendung von vorgegebenem Wissen festzulegen. Sie sollen befähigt werden, kognitiv anspruchsvolle Herausforderungen zu meistern sowie fachliches wie strategisches Wissen flexibel einzusetzen (Bosse, 2009, S. 25). Die Zielkategorien des schulischen Schreibens besonders auf der Oberstufe implizieren, dass jungen Menschen nicht einfach „komplexitätsbereinigte Aufgaben“ vorgelegt werden dürfen (Meixner und Müller, 2001, S. 9). Reflektiertes Denken, Lernen und Arbeiten ist nicht zu erreichen ohne das Planen und Abwägen von Handlungsalternativen, Verfolgen von Intuitionen oder Evaluieren des eigenen Vorgehens bei einer Aufgabenlösung. Angesichts der langfristig angelegten Bildungsprozesse sind diese Faktoren in der Sekundarschule entscheidend, damit sich der fachliche Ehrgeiz, das persönliche Interesse und die kreative Diversität der Lernenden entwickeln können. Entzieht man hingegen jungen Menschen die Kontrolle über ihr Handeln, so ist das ein sicheres Mittel zur Demotivation (Stark & Mandl, 2000). Ein integrativer L2-Schreibunterricht darf von den Lernenden auch auf unteren Stufen nicht einfach folgenloses Einrenken auf konvergierende Sprachleistungen erfordern. Sie sollten nicht dauernd Anpassungsleistungen erbringen müssen, indem sie das von der Lehrperson erwartete Lösungsprozedere antizipieren und im Prüfungsfall anwenden (Börner & Edelhoff, 1996, S. 16 ff.). Damit gäbe man dem Lernen bereits am Anfang eine Richtung, die für die spätere Entwicklung von Selbständigkeit und Verantwortlichkeit verhängnisvoll wäre (Hascher & Hofmann, 2008, S. 49). Kompetenzorientierte Lernaufgaben zeichnen sich durch echte Problemhaltigkeit aus: <?page no="236"?> 236 Fragen, die auf sofortige Antwort drängen, […] verengen den Horizont: Die Frage bestimmt inhaltlich und auch formal, welcher Art die Antworten zu sein haben. […] Aufgaben hingegen öffnen den Horizont. Sie konfrontieren die Lernenden mit einer gewissen sachlichen, kognitiven und sprachlichen Komplexität und fordern sie auf, eigene Wege zur Lösung und eigene Worte für ihre Darstellung zu finden. […] Aufgaben sollen nicht nur Freiräume schaffen, sie müssen auch die notwendigen Angaben liefern, damit diese Freiräume sinnvoll strukturiert und fruchtbar genutzt werden können. (Portmann-Tselikas, 2001, S. 16) Legutke (2006, S. 144f.) hat das Verhältnis von enger und weiter gefaßten Aufgabentypen in seinem Konzept der „Szenarien“ diskutiert. Es handelt sich dabei um „Ensembles von Aufgaben“, die in einer Abfolge kommunikativer Handlungen und Lerneraktivitäten erfolgen. Die Sprach- und Lernhandlungen der Jugendlichen sind dabei zum Teil erwartet und planbar, zum Teil spontan, originär und unplanbar. Kohärenz erhält ein Szenario dadurch, dass allen Beteiligten ihr Sinn transparent wird. Auf unteren Stufen erfordert die Durchführung solcher zusammenhängender, sinnstiftender Szenarios eine geschickte Kombination von offeneren und enger geführten Aufgabentypen, wobei einerseits auf das sinnvolle Üben sprachlicher, sozialer sowie organisatorischer Schreibfertigkeiten Wert gelegt, diese anschließend aber auch zu ganzen, sinnhaften Texten zusammengeführt werden (ibid.). Die im obigen Modell (Abb. 7.1.) dargestellte Aufgabenfolge kann also als mögliche Grundlage für solche Schreibszenarien verstanden werden, wobei fachliche Handlungskompetenz als Zusammenspiel unterschiedlicher Teilfertigkeiten ausgebildet werden soll. Besonders im Bereich des imaginativen und kreativen Schreibens können junge Lernende bereits früh echte und spannende Aufgaben lösen. So kann z.B. zu Beginn einer Unterrichteinheit, in der es um Gedichte geht, der einfache Auftrag stehen: „Schreiben Sie ein Gedicht! “ (Pfau, 2008, S. 33). Anhand der Produkte, die daraufhin entstehen, lassen sich sowohl Sprachmittel einschätzen, über welche die Schülerinnen und Schüler verfügen, als auch ihre Konzepte vom Genre Gedicht (Keller & Winter, 2009, S. 293). Beides kann anhand der ersten Schülerarbeiten untersucht und gemeinsam besprochen werden, um darauf aufbauend Unterricht in Gang zu setzen, der sich auch formalen Normen annähert. Diese spielerische und erprobende Art des Schreibens und Denkens wirkt gerade im Anfängerunterricht entlastend. Durch das Schreiben von eigenen Gedichten können Jugendliche eigenes kreatives Potential erschließen und durch begleitende Übungen Einsicht in Regeln und Strukturen dieser Textsorte gewinnen (Mühlmann, 1992, S. 172). Ziel dabei ist, die Lust am Schrei- <?page no="237"?> 237 ben und am kreativen Umgang mit Sprache zu wecken und die Lernenden nicht zu früh mit starren Normen zu konfrontieren, welche sie mit den ihnen zu Verfügung stehenden Sprachmitteln vielleicht noch nicht erreichen können. Die dabei erworbenen Fähigkeiten und Motive des Schreibens können später in formaleren, stärker normativ geprägten Schreibkontexten wieder eingesetzt werden. Es geht hier also darum, dem „kumulativen (und damit zugleich curricularen) Prinzip des Kompetenzaufbaus“ Rechnung tragen (Hallet, 2011, S. 145). Die didaktische Herausforderung dabei ist die Konstruktion von komplexen Kompetenzaufgaben, welche schon für Lernende auf unteren Lernstufen lösbar sind. Wichtig dabei ist, dass „Komplexität“ dabei nicht mit Schwierigkeitsgrad und entwickeltem Sprachkönnen gleichgesetzt werden darf: [A]uch im Anfangsunterricht können Aufgaben, gemessen am kognitiven und sprachlichen Vermögen der Lernenden, bereits komplex, anforderungsreich und problemhaltig sein. Von Beginn des Englischunterrichts an können Lernende Sachverhalte erfassen, mit einfachen sprachlichen Mitteln beschreiben und, was fu r alle Arten von Bedeutungsaushandlung wichtig ist, argumentativ bewerten. (Hallet, 2011, S. 150) So liesse sich die Aufgabe „Schreibe eine gute Rede zum Thema X“ bereits auf unteren Stufen lösen, wenn die Themen aus dem Erfahrungsbereich der Lernenden stammen, wenn sie geeignete Unterstützung durch Rückmeldungen oder Muster erhalten (z.B. Karten mit von Argumenten, siehe oben), und wenn sie ihre Texte unter Anleitung eines Experten mehrmals überarbeiten können. Zudem kann der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe durch die Wahl der Adressaten verändert werden: Eine Gruppe von Mitschülern kann man bereits mit einfachen Worten und wenig Grammatik überzeugen. Sind die Adressaten sozial höhergestellt, der schreibenden Person weniger vertraut oder das Anliegen delikater, muss für das gleiche Resultat ein beträchtlich grösserer sprachlicher Aufwand betrieben werden. Damit „grammatikalisiert“ sich die Situation und stellt laufend höhere Anforderungen an die Sprachkompetenz des Schreibenden: „Situations can become gradually grammaticalised“ (Thornbury, 2005, S. 25). Die Situation bleibt also grundsätzlich dieselbe, aber auf jeder Stufe müssen die Lernenden das gesamte Arsenal ihrer sprachlichen und metasprachlichen Kompetenzen neu erweitern, um zum Erfolg zu kommen. <?page no="238"?> 238 7.4. Aufbau auf dem individuellen Vorwissen Kompetenzerwerb als individueller Konstruktionsprozeß wird in jedem Fach durch das verfügbare Vorwissen und den dadurch beschriebenen Verständnishorizont maßgeblich beeinflußt (Gagné, 1965). Mit steigender Komplexität von Aufgaben und Problemstellungen nimmt auch die Bedeutung des spezifischen Vorwissens für deren erfolgreiche Bearbeitung zu (Helmke, 2003, S. 23). Für das Fremdsprachenlernen ist dieser Zusammenhang gut erforscht und im GeR (auch im Sinne einer didaktischen Entwicklungsaufgabe) prominent gesetzt: Neues Wissen wird nicht einfach zum vorhandenen addiert, sondern ist abhängig von der Beschaffenheit, dem Reichtum und der Struktur des bereits vorhandenen Wissens; [...] Das Wissen, das der Mensch bereits erworben hat, ist unmittelbar bedeutsam für den Spracherwerb. (Europarat, 2001, S. 23) Mangelnde Verknüpfung neu gelernter Teilfertigkeiten mit bereits bestehenden führt hingegen dazu, dass neues Wissen nicht angewendet wird, was z.B. bei fremdsprachigen Schreibprozessen gut belegt ist (Portmann, 1991, S. 56). Für das argumentative L2-Schreiben ist der Einbezug des Vorwissens besonders bedeutsam, weil von einer hohen Transferierbarkeit vorhandener L1- Schreibstrategien sowie von breit differenzierten und interindividuell heterogenen Motiven und Einstellungen der Jugendlichen zum Schreiben ausgegangen werden kann (vgl. Abschn. 3.3.). Die Herstellung von Lernbedingungen, in denen sich die individuellen Zugänge der Lernenden zum Schreiben entwickeln können, sind in engem Zusammenhang mit der oben diskutierten Aufgabenkultur zu sehen. Dafür sind u.a. folgende Elemente zentral: • Pluralität: Die Aufgaben und die damit verbundenen Interaktionsformen umfassen eine gewisse Bandbreite, ermöglichen den Lernenden individuelle Anknüpfungspunkte, sprechen ihre Interessen und Neigungen an und erlauben verschiedene Arbeitsverfahren und Lernwege; • Wahlmöglichkeit: Lernende erhalten nach Möglichkeit eine Auswahl an Aufgaben und Materialien und können sich so den Lerngegenständen ihren Interessen und Neigungen entsprechend annähern; • Offenheit der Aufgabe: Lernaufgaben legen die Lernenden nach Möglichkeit nicht auf ein bestimmtes Verfahren oder eine Arbeitsmethode fest; sie lassen eine Reihe möglicher Antworten zu und ermöglichen damit auch verschiedene Grade an Verarbeitungstiefe und Kompetenzniveaus; <?page no="239"?> 239 • Scaffolding: Bei der Bearbeitung von Aufgaben erhalten die Lernenden je nach persönlichen Lernvoraussetzungen, Begabungen und Fähigkeiten individuelle Unterstu tzung. Dazu können die Bereitstellung von sprachlichen Strukturen oder Glossaren, stützender multimedialer Materialinput, Rückmeldungen zu individuellen Lernproduktion oder auch Hinweise zur Strukturierung des Lern- und Arbeitsprozesses gehören. • Ganzheitlichkeit: Aufgabenstellungen, Materialangebote und Unterrichtseinheiten sprechen mehrere Begabungen und Intelligenzen an und vermeiden die Förderung einseitiger Lernwege. (Hallet, 2011, S. 91f.) Bei jedem dieser Punkte wird angenommen und auch intendiert, dass Lernende zunächst individuelle Zugänge zum Lernstoff entwickeln (sollen), die nicht in jedem Fall mit den Intentionen oder Vorstellungen der Lehrkräfte übereinstimmen. Um die Schreibprozesse der Jugendlichen erfolgreich anzuleiten und zu unterstützen, müssen Lehrkräfte fähig werden, individuelle Lösungsansätze beim Schreiben als viable Wege zu erkennen und als eigenständige Leistungen zu interpretieren, anstatt diese vorschnell als Fehlleistungen zu kategorisieren (Hascher & Hofmann, 2008, S. 48). Sie brauchen dazu pädagogisch-diagnostische Fähigkeiten, um Fragen und Hypothesen zu vorliegenden Schülertexten zu entwickeln und daraus Handlungsmöglichkeiten für den Unterricht abzuleiten (vgl. dazu ausführlicher Hallet, 2011, S. 69 ff.; Brunner, 2006a, 2006b). Dazu gehört auch, den Unterricht adaptiv zu gestalten, so dass zu jeder Zeit Ergänzungen, Erweiterungen und Alternativen vorgenommen werden können, welche auf die Initiative der Schülerinnen und Schüler zurückgehen (Edmondson & House, 2000, S. 318). Dieses Einnehmen der Schülerperspektive ist gerade für das argumentative Schreiben zentral, wenn dieses nicht darauf beschränkt bleiben soll, dass die Lernenden die Meinung der Lehrperson zu „erraten“. Generell könnte man die Ideen, Meinungen und Konzepte der Lernenden geradezu als ungehobenen Schatz des (Fremdsprachen-)Unterrichts bezeichnen. In stark lehrerzentrierten, angebotsorientierten Lernumgebungen bleiben diese unerforscht und werden für das Lernen kaum genutzt. Die individuellen Zugänge der Jugendlichen zu einem Thema treten dann nur am Rande auf oder stellen Störfaktoren dar, die es im Dienste des reibungslosen Wissenstransfers so rasch als möglich auszumerzen gilt. Im Rahmen dieser Studie wurden deshalb Instrumente evaluiert, mit denen diese individuellen Konzepte explizit gemacht und weitere Lernprozesse darauf aufgebaut werden können. Grundlage dazu sind Lernaufgaben wie oben beschrieben, welche gezielte Anreize für die Lernenden enthalten, um ihr gesamtes Spektrum <?page no="240"?> 240 von Kompetenzen und Interessen ins Spiel zu bringen. Solche Anreize spezifisch beim L2-Schreiben können z.B. sein: • ein ausgewählter Text, der bearbeitet, imitiert oder verändert wird; • speziell bereitgestellte Informationen, mit welchen sich die Lernenden auseinandersetzen oder sie zu einem Text verbinden; • ein Thema als Komplex von Sachverhalten, Wissenselementen, Ideen; oder • ein kreativer Impuls als Stimulus zur formbewußten Gestaltung von Aussagen. Bei solchen Aufträgen können vorhandene Kompetenzen aktiviert und neue Ideen generiert werden, welche ein Reservoir für das spätere Schreiben und den weiteren Kompetenzaufbau bilden (Mühlmann, 1992, S. 185). Ihre erfolgreiche Umsetzung setzt jedoch eine dialogisch geprägte Lern- und Interaktionsstruktur voraus, welche sich mit dem Angebots- Nutzungsmodell von Fend (1998) gut darstellen läßt. Ziel produktiv verlaufender Bildungsprozesse ist, „ein bestmögliches Angebot zu machen und dessen bestmögliche Nutzung sicherzustellen“ (ibid., S. 267). Lehrkräfte wie Lernende handeln dabei in interpretativen und zielgesteuerten Prozessen, bei denen alle Beteiligten versuchen, eine antizipierte Wirklichkeit im Sinne zu lernender Wissensstrukturen erst zu schaffen. Das Nachlassen der facettenreichen Anstrengungen führt zu Einbrüchen und Effizienzverlusten im Prozeß des fachlichen Kompetenzaufbaus (ibid., S. 266 ff.). Lernaufgaben, Materialien oder Inputs der Lehrkraft funktionieren als Angebote, welche die Jugendlichen möglichst optimal nutzen sollten. Haben sie diese aber bearbeitet, so werden ihre Lösungen in einem nächsten Schritt wieder zum Angebot für die Lehrkräfte, welches diese ihrerseits nutzen sollen. Dazu gehört ein hermeneutisch-verstehender Umgang mit Leistung, wobei das Aufsuchen von förderbaren Teilleistungen einer angestrebten Kompetenz im Zentrum steht: Welche Teilkompetenzen sind schon da, mit denen wir im Unterricht weiterarbeiten können? Welche Konzepte und Strategien sind „ausbaufähig“ und in welchen Bereichen müssen noch Entwicklungen stattfinden? Erst in jüngster Zeit hat diese Phase der „Nutzung“ von Schülerkonzepten durch die Lehrkräfte in der Forschung und Unterrichtsentwicklung ausreichende Beachtung erfahren (z.B. Hallet, 2011, S. 128 ff.; Legutke, 1988, S. 219; allgemeiner in Pauli und Reusser, 2000). Da Lehrpersonen auf der Sekundarstufe oft Fachpersonen mit Hochschulabschluß sind, ist die „Angebotsqualität“ von Unterricht dort oft sehr hoch. Mit andauernder Lernzeit akzentuie- <?page no="241"?> 241 ren sich die Unterschiede im Vorwissen zwischen den Lernenden, so dass jedes Lernangebot auf unterschiedliche Nutzungspotentiale trifft (Fend, 1998, S. 273). Eine zentrale Entwicklungsaufgabe für die Lehrkräfte besteht deshalb darin, sich ihren Lernenden individuell zuzuwenden, deren Ideen und Konzepte für das weitere Lernen zu nutzen und den Unterricht adaptiv zu gestalten. Diese individuelle Zuwendung kann auch Motivationsquelle für weiteres Lernen sein, etwa indem die Jugendlichen merken, dass sie als Menschen ernst genommen werden, auch wenn sie im Fach noch keine Experten sind. Da auch die Arbeiten von scheinbar „weniger begabten“ oder „leistungsschwachen“ Schülerinnen und Schülern oft spannende Fachkonzepte enthalten, wird der Unterricht durch die didaktische Nutzung dieser Konzepte oftmals interessanter, wie auch die Erfahrungen in „Dream“ zeigten. Die Lehrpersonen begegneten dabei den Lernenden auf einer neuen Ebene und waren vom Einfallsreichtum ihrer Arbeiten beeindruckt, wenn auch das Lektorieren von Lernjournalen aufwendig war und „Perlen“ in Schülertexten zwischen viel „Holzwolle“ aufgesucht werden mußten. Bei der Entwicklung von Fähigkeiten der Lernbegleitung und der individuellen Förderdiagnostik sollte deshalb in den nächsten Jahren ein zentraler Fokus in der Ausbildung von Lehrkräften liegen. 7.5. Kompetenzaufbau als dialogischen Prozess organisieren Gerade im Fremdsprachenunterricht, bei dem die Sprache sowohl Mittel wie auch Ziel von Lernprozessen ist, kommt somit der Qualität der Interaktion im Unterricht eine entscheidende Bedeutung zu (Edmondson und House, 2000, S. 333). Neues Wissen entwickelt sich immer im Dialog der Lernenden mit der Lehrkraft sowie in der Zusammenarbeit untereinander, wobei sich tiefgreifende Veränderungen in ihrem Verständnis einer Sache ergeben. Im L2- Schreibunterricht sollten deshalb von Anfang an Situationen der didaktischen Interaktion angelegt werden, in denen ein gemeinsames Verständnis über einen Sachverhalt unter verschiedenen Beteiligten hergestellt oder spezifische Lösungsverfahren im Dialog entwickelt werden. Solche Prozesse der gemeinsamen Wissensbildung sind zentral für den langfristigen Aufbau von tragfähiger persönlicher Handlungskompetenz, sie sind innerhalb der traditionell rigiden Interaktionsmechanismen des schulischen (Fremdsprachen-) Unterrichts aber oft gefährdet: One of the main purposes of education must be to develop common knowledge. This is a problematic process […] because education is necessarily ideological and predicated upon social relationships in which power and con- <?page no="242"?> 242 trol figure largely. [T]he major goal of education [is] the eventual ‘handover’ of control over knowledge and learning from the teacher to the child, whereby the pupil achieves autonomy. (Edwards & Mercer, 1987, S. 161) Im Fremdsprachenunterricht ist die Kontrolle der Lehrkräfte über den Unterrichtsverlauf oftmals auch dann äusserst rigide, wenn „neue Lernmethoden“ wie selbständiges Lernen oder Gruppenarbeit eingesetzt werden (Paris, 1998; Poole, 1992). Diesen Befund hat die jüngste Studie zum kompetenzorientierten Unterricht im Fach Französisch bestätigt (Tesch, 2010). Zwar sollten die Lernenden im Klassenzimmer zu Wort kommen, eigene Ideen einbringen und persönliche Konzepte entwickeln. Dies war allerdings kaum möglich, da die Lehrkräfte die strikte Kontrolle über das behielten, was gesagt und getan wurde, welche Entscheidungen sich daraus ergaben und wie diese Erfahrungen zu interpretieren waren (Tesch, 2010, S. 185 ff.). Solche Interaktionsmuster mögen im Bereich der Wissensvermittlung einige Vorteile haben, können aber den Erwerb von Schreibkompetenz als Fähigkeit der eigenständigen Meinungsbildung und persönlich geprägten Argumentation behindern: If teachers insist on retaining tight control, dominating the agenda and discussion, determining in advance what should happen and what should be discovered, then even their more successful students will remain “scaffolded” like some supported structure, unable to function independently or outside the precise context and content of what was “done” in the classroom. (Edwards & Mercer, 1987, S. 167) Es gilt daher, Methoden und Verfahren der Unterrichtsgestaltung zu entwickeln, bei denen Lernende normative Schreibkompetenzen erwerben können, ohne gleichzeitig in die Rolle reiner Wissensempfänger gedrängt zu werden. Eine Möglichkeit dazu spezifisch für das L2-Schreiben sind förderorientierte Rückmeldungen der Lehrkräfte zu den Schülertexten. Ziel dabei ist es, den Lernenden einen „Entwicklungskorridor“ vom alltäglichen zum formalen Denken aufzuzeigen, also bei ihren eigenen Konzepten anzusetzen und ihnen zu helfen, diese in fachliches Wissen zu übertragen: Formative assessments - ongoing assessments designed to make students’ thinking visible to both teachers and students - are essential. They permit the teacher to grasp the students’ preconceptions, understand where the students are in the „developmental corridor“ from informal to formal thinking, and design instruction accordingly. (Bransford, Brown & Cocking, 2000, S. 24) <?page no="243"?> 243 Bei diesen Rückmeldungen steht nicht der einschätzende, sondern der verstehende Aspekt im Vordergrund. Die Lehrpersonen versuchen, persönlich auf die Produkte der Lernenden zu reagieren, diese auf gelungene Anteile oder erfolgsversprechende Konzepte hin zu analysieren oder Sonderbares und „Misslungenes“ zu verstehen. Diese persönliche Zuwendung der Lehrperson zu den Überlegungen der Lernenden stellt zudem eine wichtige Motivationsquelle beim Lernen dar (Deci & Ryan, 1993, 1985). Bei Lernenden auf unteren Stufen ist dies besonders wertvoll: Erstens ist es für junge Lerner die Erfahrung motivierend, dass sich ein Experte für ihre Texte und Konzepte interessiert, obwohl sie selber noch keine Experten sind. Zweitens können so Schreibstrategien des Überarbeitens und Verbesserns schon früh erworben werden. Obwohl der Nutzen solcher interaktiver Lernformen breit abgestützt ist, scheinen sie in der Unterrichtspraxis auf der Oberstufe eher selten zu sein. Viele Lehrpersonen stehen lernförderlichen Rückmeldungen zwar prinzipiell positiv gegenüber, setzen sie im Alltag aber kaum ein. Als Gründe dafür wird neben der hohen Arbeitsbelastung auch angegeben, dass diese weder objektiv und valide seien und oft unter Zeitdruck erstellt werden müßten. Solchen Bedenken hält Helmke (2003) entgegen: Lehrerdiagnosen während des Unterrichtes brauchen im Gegensatz zu landläufigen Überzeugungen keineswegs besonders genau zu sein, wenn sich der Diagnostiker der Ungenauigkeit, Vorläufigkeit und Revisionsbedürftigkeit seiner Urteile bewusst ist. (Helmke, 2003, S. 89) Als pädagogisch besonders fruchtbar hat sich ein „individuumszentrierter Massstab“ erwiesen. Dabei registriert und bewertet die Lehrperson die Leistungen eines Schülers auf Basis der früher erzielten Ergebnisse und der erkennbaren Leistungsveränderungen. Solche Prozeßbewertungen müssen sich im Gegensatz zu Prüfungen oder Tests nicht durch neutrale Objektivität, sondern durch eine „pädagogisch günstige Voreingenommenheit“ auszeichnen (ibid., S. 89). Entscheidend sind weniger Objektivität oder Reliabilität als die Nützlichkeit für den Lernprozeß (Winter, 2004, S. 94). Neben der individuellen Rückmeldung können auch Klassenbesprechungen von Schülertexten Anlässe von Wissensaufbau im Dialog sein. Ziel einer solchen Klassenbesprechung ist, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf den Bereich der Problemdiagnose zu lenken und damit zum Aufbau von Sprachbewußtsein beizutragen (Bräuer, 2000, S. 125). In diesem Austausch über Qualitäten anhand konkreter Beispiele kann auch die „Beurteilungskompetenz“ der Lehrkraft (teilweise) auf die Lernenden übergehen. Diese können <?page no="244"?> 244 konkrete Vorstellungen entwickeln, was Qualität bei einer Aufgabe konkret ausmacht und wie sie diese beim Schreiben selber herstellen können: The indispensable conditions for improvement are that the student comes to hold a concept of quality roughly similar to that held by the teacher, is able to monitor continuously the quality of what is being produced during the act of production itself, and has a repertoire of alternative moves or strategies from which to draw at any given point. (Sadler, 1989, S. 121) Neben dem Dialog mit Fachexperten (Lehrkräften) gehört auch die Zusammenarbeit der Lernenden untereinander zu den zentralen Arbeitsformen des L2-Schreibunterrichts. Das gemeinsame Lösen einer Schreibaufgabe setzt voraus, dass Lernende untereinander ein geteiltes Verständnis eines Sachverhalts herstellen: „Interaction involving participants of equal status ensures that learners and their interlocutors share a need and desire to understand each other“ (Ellis, 1994, S. 261). Bei dieser Zusammenarbeit produzieren die Beteiligten sprachliche Strukturen, der für alle verständlich und deshalb lernwirksam sind („Inputhypothese“; Long, 1985). Dabei bilden sich sprachliche Handlungskompetenzen aus, indem jemand eine neue Sprachfunktion zuerst nur zusammen mit anderen, später alleine und ohne Hilfe ausführen kann. Zentral dabei ist die Einsicht, dass Normen nicht (allein) durch Zuhören und Wahrnehmen erworben, sondern in der Interaktion auch aktiv produziert und hergestellt werden. Dazu gehört immer auch das aktive Teilnehmen an Problemlösungen, welches von den Lernenden mehr kognitive „Verarbeitungstiefe“ verlangt als das blosse Zuhören: „Through saying and reflecting what is said, new knowledge is constructed. Performance outstrips competence“ (Swain, 2000, S. 113; auch Pica, 1996; Pica & Doughty, 1985 ff.). Der Erwerb von grammatischen Fähigkeiten kann sich bezüglich Verarbeitungstiefe und Behaltensdauer verbessern, wenn Schülerinnen und Schüler ihre Lern- und Schreibstrategien verbalisieren und sich mit anderen darüber austauschen, wie sie eine Aufgabe gelöst haben (Swain, 2000, S. 109; Perdue, 1993, S. 180 ff.). Dabei kann auch eine gemeinsame Begrifflichkeit und damit auch „geteiltes Wissen“ über eine Sache entstehen: „Negotiating meaning [...] can lead to the students having a functionally similar body of knowledge after learning“ (Derry & Lesgold, 2001, S. 802; vgl. auch Reusser, 2001; Baker, 1992; Nakahama, Tyler & van Lier, 2001). Dies ist beim L2-Schreiben besonders wichtig, da es dabei um anspruchsvolle kognitive Aktivitäten wie Begriffsbildung und Problemlösen, nicht einfach um Auswendiglernen oder Einüben geht (Webb & Palinscar, 1996, S. 845 f.). <?page no="245"?> 245 Zusätzlich können die Lernenden in der Zusammenarbeit miteinander soziale Kompetenzen wie Kooperationsfähigkeit lernen. Dabei ist wesentlich, „dass es den verschiedenen, sich in die Spezialisierung hineinlernenden jungen Menschen gelingt, doch miteinander in einem sachbezogenen Kontakt zu bleiben, zu kooperieren, miteinander vernünftig umzugehen“ (Meyer, 2000, S. 119). Die These von Wolfgang Schulz (1995), es gehe im Unterrichtsprozeß um Kompetenz, Solidarität und Partizipation, ist auch für die L2- Schreibdidaktik besonders auf der Oberstufe richtungsweisend. 7.6. Orientierung an authentischen Texten und relevanten Genres Der generische Zugang zum L2-Schreiben in dieser Studie spiegelt die zunehmende Aufmerksamkeit, welches das Konzept des genre und der genre pedagogy in den letzten zehn Jahren genommen haben (Hyland, 2007, S. 148). Das Konzept des Genre kann die Lernenden sowohl beim Schreiben in akademischen, berufsspezifischen wie auch sozialen Kontexten anleiten. Zudem verweist es durch die Verwendung realer Texte und Diskurse über das Klassenzimmer hinaus auf kommunikative Prozesse in the real world: „By setting out the stages, or moves, of valued genres, teachers can provide students with an explicit grammar of linguistic choices, both within and beyond the sentence, to produce texts that seem well-formed and appropriate to readers“ (Hyland, 2003, S. 19). Schreibkompetenz heißt aus dieser Warte, Methoden des Denkens und Formulierens zu beherrschen, welche den Diskurs in einer bestimmten Disziplin bestimmen und prägen (Swales, 1990). Die dazu im Klassenzimmer notwendigen Lernprozesse sind im folgenden Diagramm als teachig learning cycle dargestellt, welcher aus den Phasen contextualizing, modeling, negotiating und constructing besteht: <?page no="246"?> 246 Abb. 7.1. Teaching learning cylce des generischen Schreibens (Hyland, 2003, S. 21) Diese Orientierung an authentischen Texten und Modellen ist für eine integrative L2-Schreibdidaktik zentral, da die Lernenden so bereits auf unteren Stufen die Funktionsweise authentischer Sprachprodukte in zielsprachlichen Kommunikationskontexten erfahren können. Genrepädagogik sollte also nicht bloß im academic writing und auf oberen Stufen eingesetzt werden: Es gibt eine Reihe zentraler Genres, welche für Lernende auf unteren Stufen wichtig sind und für sie im Schreibunterricht produktiv werden können (sales letters, anecdotes, manuals, procedures, songs, film reviews, short stories usw.). Diese Materialien und Texte können im Lernprozeß verschiedene Funktionen erfüllen. • Language scaffolding: Der Text soll bestimmte sprachliche Merkmale eines Genres in den Fokus zu rücken, z.B. als scaffold für die Jugendlichen beim Erlernen einer bestimmten Textsorte im Rahmen von guided writing dienen. Auf dieser Basis können auch language exercises geschaffen werden, welche sich direkt auf genrespezifische Varianten der Argumentstrukturierung und Leserführung beziehen und nicht abgehoben davon erfolgen. • Model: Beispiele und Modelle dienen dazu, bestimmte Charakteristika einer Textsorte zu illustrieren; sie können analysiert, verglichen oder verändert werden, wobei Lernende ein Verständnis dafür erwerben, wie sich Texte in verschiedenen Genres unterscheiden oder welche Strukturen und <?page no="247"?> 247 Sprachmittel geeignet sind, um ihre kommunikativen Absichten zu verwirklichen. • Stimulus material: Authentische Materialien regen die Vorstellungskraft der Lernenden an und ermutigen sie, ihre Meinungen, Ideen und Erfahrungen kreativ auszudrücken. Neben Texten im engeren Sinn (short stories, Gedichte, Reportagen usw.) können hier auch Audiomaterialien (raps, song lyrics, radio plays usw.) sowie visuelle und elektronische Stimuli verwendet werden (video documentaries, cartoons, web sites, chat rooms usw.; Hyland, 2003, S. 86 ff.). Besonders ergiebig für alle diese Funktionen sind literarische Texte, etwa Gedichte (Thaler, 2008, S. 115 ff.) oder Jugendromane (Hesse, 2002). Die Verwendung literarischer Texte im Schreibunterricht ergibt sich primär daraus, dass Jugendliche und junge Erwachsene nach Texten verlangen, die ihre aktive Sinnsuche und eigene Lebensperspektive betreffen (Hesse, 2002, S. 9). Dabei kann das Lesetagebuch als Verbindungsglied zwischen Lesen und Schreiben dienen: Dabei werden eigene Ideen, Standpunkte und Interpretationen entworfen, die nicht nur zu einem besseren Textverständnis führen, sondern auch zu einem besseren Selbstverständnis der Schreibenden, indem sich diese ihrer eigenen Interpretationsstrategien bewusst werden. Anhand von Lesetagebüchern zum Roman Torn Away zeigt Hesse (2002, S. 199) eindrücklich, wie sich in Schülertexten einer 9. Gymnasialklasse deutliche Hinweise auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Romanvorlage ergeben, wobei Betroffenheit und persönliche Herausforderung sichtbar werden. Viel schwerer fiel den Jugendlichen allerdings das recherchierende Schreiben von Sachtexten, was wiederum auf die Notwendigkeit einer Didaktik hinweist, welche den Erwerb von Planungs-, Schreib- und Überarbeitungsstrategien fördert und den Lernenden auch Strukturierungs- und Formulierungshilfen anbietet. Hesse (2002) fordert auf der Basis ihrer Untersuchung, dass die „Konfrontation der Schüler mit authentischen ‚Grosstexten’“ (d.h. Romanen für Jugendliche) bereits in der 9. Klasse erfolgen sollte. Unter Anpassung der Textsorte und mit entsprechender Unterstützung können Schülerinnen und Schüler aber schon früher mit authentischen Texten arbeiten, sie analysieren und deren interne Struktur vertieft verstehen. Texte von individuellem Interesse sind in der Fremdsprache schon mit beschränkten Sprachkenntnissen zu verstehen, weil inhaltliche Vorkenntnisse es erlauben, auch sprachlich Unbekanntes zu erschließen. Kenntnisse über Funktion und typische Strukturmerkmale eines Texts erleichtert zudem dessen inhaltliches Verständnis. Hyland (2007) zeigt dies am Beispiel der Textsorten procedure und report, <?page no="248"?> 248 wobei in der folgenden Tabelle jeweils deren typische Funktion, Struktur und sprachlichen Gestaltungsmittel dargestellt sind: A prodecure A report Purpose Tells how to do something Informs readers of something Structure Goal - materials required - steps needed Identifying statement - description Grammar Imperatives, action verbs, describing words, adverbials to express details of time, place and manner, connectives, and sequencers General nouns, relating verbs, action verbs, timeless present tense, topic sentences to organize bundles of information Tab. 7.2. Eigenschaften der Textsorten procedures und reports als Mustertexte für beginners (Hyland, 2007, S. 153) In jüngster Zeit ist der Versuch unternommen worden, verschiedene Genres und Texttypen in Beziehung zu den Deskriptoren des Europäischen Referenzrahmens zu setzen, um die Konstruktion eines intergrativen Curriculums zu erleichtern und Lehrkräften Orientierungspunkte für eine sinnvolle Sequenzierung zu geben (North, Ortega und Sheehan, 2010). Text Type A1 A2 B1 B2 C1 signs & notices simple everyday directions A to B detailed brochures and leaflets anecdotes, jokes simpler argumentative texts conclusion Tab. 7.3. Mapping Text Types (bezogen auf den GeR); nach North, Ortega und Sheehan (2010, S. 36). Bei der konkreten Unterrichtsplanung können Lehrkräfte so vorgehen, dass sie zuerst die wichtigsten skills und Kompetenzen bestimmen, welche die Lernenden erwerben sollen. Bezogen auf diese Ziele können sie angemessene Texte und Genres auswählen, welche für die Lernenden relevant und mit ihrem gegenwärtigen Kompetenzstand auch verständlich sind. Umgekehrt können die grammatischen Eigenheiten bestimmter Textsorten auch Planungsgrundlage für formal-sprachliche Unterrichtssequenzen sein: Wer z.B. action verbs unterrichten möchten, sucht sich dafür am besten eine procedure aus; als Vorlage oder Übungsmaterial für topic sentences ist ein report besonders geeignet (vgl. Tab. 7.3., oben). <?page no="249"?> 249 Es ist also keineswegs so, dass mit der Bearbeitung von authentischen Texten bis „später“ gewartet und vorher Sprache „auf Vorrat“ gelernt werden müßte. Vielmehr sollten authentische model texts ab Stufe A1 im Unterricht eine zentrale Rolle spielen, idealerweise von der ersten Englischstunde an: Even very young or elementary level learners can understand the social purposes of these genres, the ways they are staged, and their significant language features. By describing the typical stages and features of valued genres, teachers can provide students with clear options for writing so their texts seem well-formed and appropriate to readers. (Hyland, 2007, S. 148) Durch die Konfrontation mit authentischen Texten auf unteren Stufen werden auch sprachlich-formale Kenntnisse geschult, da Schülerinnen und Schüler bereits früh jene Sprachformen erwerben, welche für sie interessant sind oder zur Lösung einer bestimmten Aufgabe befähigen. Sie werden dabei mit Varianten des Ausdrucks konfrontiert, welche die sprachliche Wirklichkeit reflektieren und in keinem Lehrbuch zu finden sind. Auch komplexe Ausdrucksmittel können manchmal vor einfacheren gelernt werden, da sie zu diesem Zeitpunkt viabel sind, für die Lernenden Sinn machen und einem Anwendungsbedürfnis entsprechen: „learners are more likely to notice language features in the input that they themselves have need for, rather than language features that have simply been served up to them“ (Thornbury, 1999, S. 134). Damit verbunden ist auch eine funktionale Sicht auf Grammatik und deren Vermittlung: Such a grammar first considers how a text is structured and organized at the level of the whole text in relation to its purpose, audience and message. It then considers how all parts of the text such as paragraphs and sentence, are structured, organised and coded so as to make the text effective as written communication. [...] Texts are grammatically patterned, but grammar is integrated into the explication of texts and context rather than taught as a discrete component. (Hyland, 2007, S. 153) Durch die frühe Auseinandersetzung mit authentischen Texten wird schließlich auch der soziale Charakter allen Sprachgebrauchs betont, indem die Lernenden sowohl aus der Perspektive der Leser wie der Schreiber eigene Erfahrungen sammeln können: „Writing is an act that takes place within a context, that accomplishes a particular purpose, and that is appropriately shaped for its intended audience“ (Weigle, 2002, S. 19). <?page no="250"?> 250 Natürlich kann der L2-Schreibunterricht auf der Sekundarstufe die jungen Menschen nicht auf alle Genres und Situationen vorbereiten, die sie später einmal antreffen werden: „We cannot possibly teach all genres students might need to know in the future, but we can teach the concepts of genre and ask students to apply the concept of analysis to several text types“ (Beaufort, 2007, S. 152). Durch Textanalysen, persönliche Stellungnahmen und generisches Schreiben können die Schülerinnen und Schüler lernen, Texte zu analysieren, formale und inhaltliche Strukturen zu erkennen, zentrale Handlungsstrategien zu übernehmen, diese in einem neuen Kontext selbständig wieder anzuwenden und so ihre Anliegen überzeugend und verständlich zu präsentieren. Solche Fähigkeiten sollten früh angebahnt und langfristig aufgebaut werden, da dies den späteren Eintritt in eine spezifische „academic discourse community“ (z.B, im Rahmen des Hochschulstudiums) bedeutend erleichtern kann (Spack, 1988, S. 49). 7.7. Erweiterte Leistungsbewertung L2-Schreiben ist eine komplex strukturierte Kompetenz und umfaßt neben sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten auch personale, motivationale und volitionale Kompetenzkomponenten. Eine zentrale Rolle bei ihrem Erwerb spielen auch soziale Faktoren und Kontextbedingungen (Interaktionsformen, Rückmeldungen, Aufgabenstellungen, Vorlagen und Hilfen beim Schreiben usw.). Komplementär zu einer erweiterten Lernkultur braucht der L2- Schreibunterricht deshalb eine erweiterte Kultur der Leistungsbewertung, welche die entsprechenden Leistungsdimensionen zu fördern und zu würdigen vermag. Besonders die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im Bereich der Planung und Textüberarbeitung müssen Teil des Bewertungssystems sein und in der Notengebung auch anerkannt werden (Hesse, 2002, S. 221). Die Leistungsbewertung hat einen entscheidenden Effekt auf die Art und Weise, wie Schülerinnen und Schüler ihre Lernprozesse organisieren. Sie ist besonders bedeutsam dafür, ob diese einen deep approach to learning entwickeln, d.h. ob sie versuchen, die Bedeutung des Lernstoffes zu verstehen, oder ob sie bei einem surface approach bleiben, d.h. sich auf die reine Reproduktion von Lernstoff beschränken (Joughin, 2009, S. 19 ff.; Boud, 2009). Trotz der oftmals positiven Effekte von erweiterten Beurteilungsformen besteht letztlich kein Garant dafür, dass bei deren Einsatz wirklich alle Lernenden den surface approach verlassen und zu einem deep approach to learning übergehen. Umgekehrt gilt dieser Zusammenhang aber sehr wohl: Der einseitige Einsatz von <?page no="251"?> 251 „engen“ Formen der Leistungsbewertung führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu oberflächlichem und reproduzierendem Lernen (ibid.). In der fachdidaktischen Literatur über das L2-Schreiben hat die Leistungsbeurteilung bislang (zu) wenig Beachtung gefunden. Man kann dabei sogar von einem „blinden Punkt“ sprechen, welcher erst in jüngster Zeit die angemessene Aufmerksamkeit erlangt hat, besonders im Zusammenhang der Orientierung von Unterricht am Konzept der Kompetenz (Hallet, 2011, S. 177 ff.; Hallet, 2006). Untersuchungen zur Praxis der Leistungsbewertung zeigen, dass auch im Englischunterricht noch immer stark traditionelle Formen vorherrschen. Die folgende Tabelle zeigt Typen von Lernerfolgskontrollen im Englischunterricht an 81 Gymnasien in Deutschland: Abfragen von Vokabeln 8.4 Mündliche Lernerfolgskontrollen („Abfragen von Stoff im Unterricht“) 8.1 Klassenarbeiten („Klausuren“) 4.8 Informelle Tests (offene Antworten) 1.7 Informelle Tests (multiple choice) 1.0 Standardisierte Englischtests 0.5 Vergleichsarbeiten 0.4 Portfolio 0.2 Tab. 7.4. Lernerfolgskontrollen im Englischunterricht an 81 Gymnasien in Deutschland, mittlere Häufigkeit der Anwendung während eines Schuljahrs (Helmke, et al. 2008a, S. 373) Am häufigsten bedienen sich die Lehrkräfte kleiner, klausurartiger Verfahren sowie selber angefertigter Sprachprüfungen und Vokabeltests. Diese sollen erfassen, ob sich die Lernenden vermitteltes Wissen angeeignet haben und dieses in der Prüfungssituation korrekt wiedergeben können. Diese Formen orientieren sich stark an der Realisierung kognitiver Lernziele und geben damit keine hinreichenden Auskünfte über den Entwicklungsstand der komplexen Handlungskompetenzen von Jugendlichen, wobei auch personale, soziale und motivationale Aspekte gemeint sind. Da solche Klassenarbeiten oft relativ eng auf ein (grammatisches) Thema bezogen sind, können sie kaum integrative Sprachleistungen überprüfen: Schülerinnen und Schüler können ihnen genügen, ohne dass die entsprechenden Inhalte zum dauerhaften Lernbesitz werden (Butzkamm, 2002, S. 229). Meist sind sie charakterisiert durch die Überbewertung von Sprachrichtigkeit gegenüber anderen Aspekten erfolgreicher Kommunikation sowie durch die hauptsächliche Berücksichtigung von grammatischen und orthographischen Fehlern, die sich leicht begründen <?page no="252"?> 252 lassen (Wagner, 2008, S. 29). Tiefergehendes, interpretierendes, problematisierendes und reflexives - also gerade höherwertiges - Sprachhandeln und Verstehen wird jedoch von solchen Klausuren nicht erfaßt, was auch für psychometrische Leistungstests gilt (Hallet, 2011, S. 183). Besonders problematisch ist dies bei der Beurteilung von argumentativen Texten, da diese komplex strukturiert und zudem adressatenorientiert ausgerichtet sind. Weder lassen sie sich unter den Bedingungen einer Klassenarbeit produzieren, noch an Hand eines einfachen Algorithmus adäquat beurteilen. In Betracht gezogen werden muss u.a. auch, ob gewisse Stilmittel situationsadäquat verwendet werden oder ob eine fehlerfreie Textgestaltung einen Hinweis auf einen besonders sorgfältigen oder einen besonders drögen Text darstellt. Komplementär zur „Kultur der Klausuren“ braucht der L2- Schreibunterricht deshalb erweiterte Formen der Leistungsbewertung, welche den Ansprüchen des ganzheitlichen Lernens entsprechen und die Überprüfung der erreichten Fachkompetenz mit der Beurteilung methodischer, sozialer, und personaler Kompetenzen in vielfältigen Unterrichtssituationen verbinden. Dabei sollten auch psychodynamische Komponenten der Leistung wie Motiviertheit, Zielstrebigkeit oder Beharrlichkeit gefördert und belohnt werden (Sacher, 2003, S. 17). Es geht dabei um die Passung zwischen der Art, wie Lernprozesse organisiert werden, und der Art, wie deren Ergebnisse gemessen und beurteilt werden: Without this alignment, it is difficult to know what is being learned. Students may be learning valuable information, but one cannot tell unless there is alignment between what they are learning and the assessment of learning. Similarly, students may be learning things that others don’t value unless curricula and assessments are aligned with the broad learning goals of communities. (Bransford et al., 2000, S. 150 f.) Es gilt also, Evaluationsaufgaben zu entwickeln, welche direkt auf die Schreibaufgaben bezogen sind und welche die darin angezielten Kompetenzen so weit als möglich abrufen und erfassen (Hallet, 2011, S. 180 ff.). Da erfolgreiche Schreibprozesse immer auf der gelungenen Kombination unterschiedlicher skills, Strategien und Fertigkeiten beruhen, macht es wenig Sinn, diese getrennt in verschiedenen Aufgaben- und Überprüfungstypen erfassen zu wollen. Vielmehr müssen Evaluationsaufgaben gefunden werden, welche mit den Kompetenzaufgaben verwandt oder ähnlich sind. Bei „Dream“ waren die beiden Aufgabentypen jeweils identisch („Schreibe eine gute Rede...“). Was sich jedoch änderte war der Blickwinkel auf die Leistung, wobei klar zwischen Lernsituation und Beurteilungssituation unterschieden wurde: <?page no="253"?> 253 Lernsituation Prüfungssituation • Kompetenzaufbau • Leistungserbringung • aus Fehlern lernen • Fehler vermeiden • Kriterien erarbeiten • Kriterien anwenden • assessment for learning • assessment of learning • Beurteilung an Individualnorm („Es ist dir in den letzten Wochen immer besser gelungen...“) • Beurteilung an Kriterialnorm („Du hast folgende Lernziele erreicht...“) • Kommentare mit formativem Charakter • Kommentare mit summativem (einstufendem) Charakter • Beurteilungsraster als Orientierungshilfe • Beurteilungsraster als Instrument zur Kompetenzeinschätzung Tab. 7.5. Unterscheidung von Lern- und Prüfungssituationen (nach Stiggins, 2004, vgl. auch Bohl & Kucharz, 2010). Diese Unterscheidung von Lern- und Beurteilungssituationen ist wichtig, damit Kompetenzerwerb und Evaluation für alle Beteiligten erkennbar voneinander getrennt werden können (Hallet, 2011, S. 172). Gleichzeitig sollte gerade beim Schreiben die Leistungsbeurteilung nicht vollständig abgelöst vom Kontext der Leistungserbringung erfolgen, da die dabei beteiligten Fähigkeiten und Strategien langfristig aufgebaut werden und sich nur bezogen auf einen konkreten Kontext beurteilen lassen. Erreicht werden kann dies in der Praxis z.B. dadurch, dass die Lernenden im Prozeß der Textgestaltung individuelle Unterstützung und vielfältige Überarbeitungshilfen erhalten, die fertigen Produkte aber an detaillierten und auch anspruchsvollen Beurteilungskriterien gemessen werden. Zwar kann man fachliche Handlungskompetenz beim L2-Schreiben nur schwer unter den Bedingungen eines standardisierten Tests überprüfbar machen. Das heisst aber nicht, dass man sie nicht systematisch fördern, dokumentieren oder beurteilen könnte, beispielsweise in einem Lernjournal oder Portfolio (Schlömerkemper, 2004, S. 7). Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler über eine längere Arbeitsperiode an einem Thema und dokumentieren ihre Lerntätigkeit auf unterschiedliche Weise (Winter, 2004; Schwarz, Volkwein & Winter, 2008). <?page no="254"?> 254 7.7.1. Lernjournale Im Schreibunterricht stellt das Lernjournal einen Ort dar, wo die Resultate von Lernprozessen gesammelt, ausgetauscht, kommentiert und wahrgenommen werden können (Keller, 2008, S. 188; Schmidinger, 2006, S. 68; Volkwein, 2006). Sein Einsatz unterstreicht den eigenständigen, aktiven Charakter des Schreibens und hebt dessen Situiertheit in konkreten Erfahrungs- und Problemkontexten hervor (Hesse, 2002, S. 104 ff., Häcker, 2006, S. 17). Es ist auch ein Instrument, um die Erfolge und Anstrengungen der Lernenden zu würdigen und ihnen im Unterricht eine größere Bedeutung zukommen zu lassen (Bartnitzki, 2004, S. 101). Damit ist auch das Motiv verbunden, verstärkt diagnostische Informationen über das Lernen zu erhalten, persönliche Kompetenzprofile erkennbar zu machen und in einen sachlich-inhaltlichen Dialog über Leistungen und ihr Zustandekommen zu kommen. Dies macht in der Schreibdidaktik besonders Sinn, da diese sich auszeichnet durch Überarbeitung von Texten, peer review, kollaboratives Lernen und reflexives Arbeiten (Hamp-Lyons & Condon, 2000). Angesichts der oben postulierten Trennung von Lern- und Prüfungssituationen kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, das Lernjournal als Beurteilungsinstrument zu sehen und darin gesammelte Arbeiten zu benoten. Hier wird dafür plädiert, Lernjournale von einer „summativen“ Bewertung freizuhalten: Konzentriert man sich zu früh darauf, Dokumente in Lernjournalen zu prüfen und mit einer Note zu versehen, ist rasch der Zugang versperrt zu dem, was diese Leistungen inhaltlich ausmacht. Diese Gefahr gilt vor allem dann, wenn Entwürfe, Konzepte, Absichten oder Selbstreflexionen benotet werden. Besonders selbstreflexive Äußerungen stehen dann in Gefahr, unterdrückt und geschönt zu werden (Winter, 2007, S. 111). Vielmehr sollte das Lernjournal als Instrument zur Entwicklung einer vielfältigen Rückmelde- und Beratungskultur im Unterricht gesehen werden. Diese „hängt entscheidend davon ab, dass alle Formen der Evaluation und der Ru ckmeldung zu Arbeits- und Leistungsfortschritten sowie zur Qualität der erbrachten Leistungen ein selbstverständlicher Teil allen Arbeitens und Lernens im Englischunterricht sind“ (Hallet, 2011, S. 179). Dabei wird versucht, hohe Leistungsziele und allgemeine Standards dadurch zu erreichen, indem durch Anleitung, lernförderliche Rückmeldungen und vorgezogene Kontrolle die Lernprozesse selber verbessert werden (Winter, 2004, S. 96). Die zentrale Gelingensbedingung für die Arbeit mit Lernjournalen ist, dass diese im Unterricht genutzt werden und die darin dokumentierten Leistungen die nötige Wertschätzung erfahren (Zeder, 2006). Sie müssen im „Kern“ des Unterrichts verankert werden, den Lernenden den Raum zu einer vertieften Auseinandersetzung einer Aufgabe geben und auch die Nutzung <?page no="255"?> 255 ihrer Ideen und Konzepte für den Unterricht sicherstellen. Im Projekt „Dream“ zeigte sich, dass die Lernenden erst dann positive Einstellungen zu den Lernjournalen entwickelten, als sie deren konkreten Nutzen erfahren hatten: Sie konnten so die Arbeiten ihrer peers kennenlernen und erhielten von der Lehrkraft regelmäßig lernförderliche Rückmeldungen über ihre Kompetenzentwicklung. Damit dies gelingt müssen Lehrpersonen fähig sein, Qualitäten in Schülertexten zu sehen und explizit zu machen sowie den Lernenden konkrete Wege für die weitere Lernarbeit aufzuzeigen. Es gibt in der Literatur einige Hinweise darauf, dass Lehrpersonen mit guter fachlicher Qualifikation solche lerndiagnostischen Fähigkeiten relativ rasch erwerben können: „With experience, many teachers become skilled judges and observers capable of evaluating the quality of language performances and making fine-grained diagnoses of learners’ difficulties“ (Ellis, 2003, S. 315). Lernarrangements wie „Dream“ sollten also auch entsprechende Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften haben, wobei diese die Kompetenz des förderorientierten Rückmeldens erwerben müssen. Dies ist ein hoher Anspruch an das moderne, kompetenzorientierte Fremdsprachenlernen allgemein: Ermutigendes, auf das Fortkommen gerichtetes Feedback der Lehrkraft muss alle Reaktionen auf die Anstrengungen und Leistungen der Schülerinnen und Schüler wie ein roter Faden durchziehen. Rückmeldungen müssen von Wohlwollen und Unterstützungswillen getragen sein und auf Seiten der Lernenden Vertrauen in die Unterstützung durch die Lehrperson und Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit schaffen. (Hallet, 2011, S. 178) Diese Fähigkeit können Lehrkräfte z.B. in einer Gruppe besonders gut üben, indem sie sich gemeinsam über Lernjournale beugen, nach Qualitäten suchen und eine Sprache für lernförderliche Rückmeldungen entwickeln (Keller & Winter, 2009, S. 190 ff.). Es handelt sich dabei auch um eine zentrale Arbeitsform einer kompetenzorientierten Didaktik im weitesten Sinn. Der Wert dieser Arbeit für Lehrkräfte liegt in der Längsschnitt- und Entwicklungsdiagnose und bietet ihnen die Möglichkeit, in einen offenen Diskurs mit Jugendlichen über Lernwege, Lernbedingungen und erreichte Leistungen zu kommen. Dabei können auch persönlich bedeutsame Leistungen beachtet und gewürdigt werden, bei denen sich die Lernenden von anderen unterscheiden und die gerade nicht vergleichbar oder standardisierbar sind (Sacher, 2003, S. 17). <?page no="256"?> 256 7.7.2. Portfolios Wenn in Lernjournalen fachliche Entwicklungen über einen längeren Zeitraum sichtbar werden, spricht man im angelsächsischen Kontext auch von growth portfolios (Stiggings, 2008, S. 316). Der Übergang zu einem „Präsentationsportfolio“ oder achievement status portfolio findet dann statt, wenn Lernende eine reflektierte Auswahl treffen und eine Anzahl von Lerndokumenten zusammenstellen, welche ihren Kompetenzstand bei einem gewissen Fach/ Thema zu einem Zeitpunkt dokumentieren. Bailey (1998) hat das Potential von Portfolios für die Leistungsbewertung so zusammengefaßt: [Portfolios] are cumulative in nature and demand a great deal of input and responsibility from the language learners, as well as a tremendous time commitment from teachers. However, their potential for positive washback and validity makes portfolios extremely promising as an assessment tool. (Bailey, 1998, S. 221) Gerade dieser positive Effekt auf das Lernen macht einen zentralen Wert von Portfolios für eine integrative L2-Schreibdidaktik aus. Dadurch können unterschiedliche Teilfähigkeiten der Lernenden erfaßt und beurteilt werden, die sich teilweise auch in verschiedenen Produkten und Dokumenten zeigen (neben fertigen Texten und Produkten auch in Entwürfen, Reflexionen, Textanalysen, Überarbeitungen, peer feedback usw.) Die reflektierte Auswahl solcher Belegtexte für das Portfolio durch die Lernenden selber bedeutet, dass diese an der Evaluation ihrer eigenen Lernprozesse stärker beteiligt werden. Einerseits wird die Leistungsbeurteilung dadurch transparenter und ganzheitlicher; andererseits werden die Lernenden in den Fähigkeiten des Nachdenkens über die Qualität und Anwendbarkeit des eigenen Wissens geschult: Da die Lernenden eine gewisse Freiheit in der Auswahl der Leistungsnachweise haben, ist die Portfoliomethode in besonderer Weise geeignet, Hinweise auf ihre Fähigkeit zu erhalten, [...] erworbene Kompetenzen auch in außerschulischen Situationen anzuwenden. Die Portfoliomethode ist also bestens geeignet, Informationen zu den „höheren“ kognitiven Leistungen [...] zu erhalten. (Duit, Häußler & Prenzel, 2002, S. 179) Damit die in Portfolios dokumentierten Kompetenzen im Rahmen der Leistungsbewertung abgerechnet werden können, brauchen Lehrkräfte geeignete Hilfsmittel und Orientierungspunkte für ihre Beurteilungen. Ein wichtiges <?page no="257"?> 257 Mittel dazu sind Beurteilungsraster, welche das Portfolio als Beurteilungsinstrument handhabbar machen und sinnvoll ergänzen. 7.7.3. Beurteilungsraster In Beurteilungsrastern (manchmal auch assessment rubrics genannt) wird versucht, Wissen und Können der Lernenden fachspezifisch zu beschreiben sowie in verschiedene Fähigkeitsdimensionen oder Niveaustufen aufzugliedern (Keller, 2011, S. 143 ff.; Turner & Shellard, 2004). Meist geben sie auf einer horizontalen Dimension an, was jemand in einem Fachgebiet kann, und auf einer vertikalen Dimension, wie gut jemand das kann. In Kombination mit einem Portfolio können sie dabei helfen, die Leistungsbewertung transparenter, effizienter und objektiver zu machen: „Rubrics make assessing student work quick and efficient, and they help teachers justify to parents and others the grades that they assign to students“ (Goodrich Andrade, 2000, S. 13). Die Verwendung solcher Raster ist für die L2-Schreibdidaktik wertvoll, weil sie es ermöglichen, mit Lernenden früh in eine Kommunikation über Ziele und erwartete Leistungen einer writing unit zu kommen. Sie können die Leistungsbeurteilung für das Schreiben nützlicher machen im Sinne eines „student-involved assessment for learning“ (Stiggins, 2004, S. 1). Indem in einem Raster Erwartungen an Schülertexte und damit verbundene Lernziele klar ausgedrückt sind, können Transparenz von Lernerwartungen erhöht und mögliche Defizite früh angesprochen und behoben werden. Lehrpersonen können den Jugendlichen zeitnah eine realistische Rückmeldung über ihren Lernstand geben, konkrete Fördermaßnahmen formulieren und damit die Leistungsbewertung stärker diagnostisch und lernfördernd ausrichten (Merziger & Schnack, 2005, S. 22; Merziger, 2007; Schrempf, 2002). Die Lernenden ihrerseits können bereits auf „unteren“ Stufen die Fähigkeit aufbauen, ihre Texte selber zu beurteilen und deren Qualität während der Erarbeitung zu steuern und zu überwachen. In dieser Studie wurde für die Textsorte der „guten Rede“ ein entsprechendes Raster entwickelt und empirisch validiert. 22 Es ist im Folgenden noch einmal dargestellt, wobei die einzelnen Formulierungen für den praktischen Gebrauch im Klassenzimmer als „can-do statements“ dargestellt wurden. Zudem wurde der Kompetenzbereich des Vortragens einbezogen, welcher in der wissenschaftlichen Untersuchung nicht berücksichtigt worden war. Kategorien A und B dieses Rasters beziehen sich auf die sprachliche Gestaltung von 22 Die empirische Validierung fand nur für Teile A und B des Rasters statt, welche sich auf die schriftlichen Produkte beziehen. Teil C wurde auf der Basis des bestehenden Rasters von Goodrich Andrade (2000) entwickelt, welches seinerseits in verschiedenen Kontexten validiert wurde. <?page no="258"?> 258 Redemanuskripten (schriftlicher Text); Kategorie C erfaßt die Art und Weise, wie das Manuskript vorgetragen wird: Part A: Formal Quality of Writing A1 Mechanics 3 My writing demonstrates mastery of conventions and contains very few errors of spelling, capitalization, punctuation. 2 My writing shows occasional errors of spelling, capitalization, punctuation. 1 My writing shows frequent errors of spelling, capitalization, punctuation. A2 Vocabulary 3 I can use a sophisticated range of vocabulary and appropriate registers for different contexts. I can make effective word/ idiom choices and show good command of word-forms. 2 I can use an adequate range of vocabulary and different registers for some contexts. I make mostly good word/ idiom-form choices. My writing contains occasional errors or “Germanicisms” but these do not obscure my meaning. 1 I can use a limited range of vocabulary or registers for few contexts. My writing shows frequent errors of word/ idiom choices and frequent “Germanicisms”, which sometimes obscure my meaning. A3 Grammar and Syntax 3 I use correct and varied syntactical constructions. My writing shows good command of tense, number, word order, articles, pronouns, prepositions. 2 I often use correct syntactical constructions. My writing shows adequate use of tense, number, word order, articles, pronouns, prepositions. 1 I find it hard to use correct syntactical constructions. My writing shows frequent errors of negation, agreement, tense, number, word order, articles, pronouns or prepositions. A4 Organization 3 I can express myself fluently; my ideas are clearly stated and supported. My writing is well organized and shows succinct paragraphing. My sequencing is logical and clearly marked with linking words or other suitable tools. 2 I can make my main ideas stand out. I know how to use paragraphs as units of argument. My writing shows logical sequencing but it is not always marked with linking words or other appropriate tools. 1 The structure of my speeches is often somewhat choppy, repetitive or loosely organized. My paragraphs sometimes appear accidental or internally incoherent. <?page no="259"?> 259 A5 Content 3 I usually display very good knowledge of topic. My speech lists arguments and counterarguments, including both concrete and abstract aspects of my topic. My writing shows depth of thought and often contains a substantive, thorough development of thesis. 2 I can display a solid knowledge of topic. My speech often has a recognizable development of thesis but is sometimes not clearly substantiated. I am able to mention the most important arguments and counter-arguments but sometimes find it hard to connect them into a coherent thesis. 1 My writing often shows only limited knowledge of topic. I mention some aspects of my topic but often find it hard to add depth or detail. My writing shows limited development of thesis. Part B: Rhetorical and aesthetic quality of writing B1 Attractiveness of Writing 3 My writing style is lively, gripping or persuasive. I know varied strategies to present my arguments convincingly and I am able to use them creatively in many different contexts. 2 My writing style is sometimes lively, gripping or persuasive. I know some strategies to present my arguments convincingly and I am able to use them creatively in different contexts. 1 My writing style is rarely lively, gripping or surprising. I know a few strategies to present my arguments convincingly but I sometimes find it hard to adapt them to different situations and addressees. B2 Rhetorical Effects: Vocabulary Level 3 I use verbal repetition effectively; I can make use of imagery, wordplay or metaphors to convince my audience or arouse their emotions. 2 I know some strategies of verbal repetition. I sometimes use imagery, wordplay or metaphors to convince my audience or arouse their emotions. 1 I know few effective techniques of verbal repetition. I only rarely use imagery, wordplay or metaphors in my speech to convince my audience or arouse their emotions. <?page no="260"?> 260 B3 Rhetorical Effects: Syntax/ Sentence Level 3 I know a wide range of rhetorical tools at sentence level (e.g. syntactic parallels, marked word order, inversion, emphasis etc.). I make effective use of tools such as rhetorical questions or contrasts. I can use these to involve the audience in my speech. 2 I know some rhetorical tools at sentence level (e.g. syntactic parallels, marked word order, inversion, emphasis etc.). I sometimes make effective use of tools such as rhetorical questions or contrasts. I know a few ways of using these to involve the audience in my speech. 1 I know only a few rhetorical tools at sentence level (e.g. syntactic parallels, marked word order, inversion, emphasis etc.). I rarely make use of tools such as rhetorical questions or contrasts or find it hard to use them to involve the audience in my speech. B4 Rhetorical Organization 3 I am able to grab and maintain my audience’s interest in my speech. I can write a witty or surprising beginning, make the main body of text well-structured and persuasive and conclude my speech effectively. 2 I am sometimes able to grab and maintain my audience’s interest in my speech. I can give my speech an effective structure, but sometimes not all parts are equally suited to sustain the audience’s interest. 1 I often find it hard to grab and maintain my audience’s interest in my speech. I have only few tools to create an effective organisation, my speeches sometimes end unremarkably or break off. B5 Presentation / Attractiveness of Content 3 I can express my personal opinion clearly and persuasively. I can list relevant, convincing arguments to substantiate it. The presentation of my evidence is lucid and memorable. 2 I know how to make my personal opinion clear. I can list some relevant arguments to substantiate it and the presentation of my evidence is often memorable. 1 My personal opinion often remains hazy. I find it hard to list relevant arguments or to structure them convincingly. <?page no="261"?> 261 Part C: Presentation of the Speech C1 Voice and Delivery 3 I am able to use my voice (tone, pitch, loudness etc.) and speed of delivery to support my message and help persuade the audience. I can use connected speech and pauses to help the audience distinguish important from less important points. 2 I am often able to use my voice (tone, pitch, loudness etc.) and speed of delivery to support my message and help persuade the audience. I can normally use connected speech and pauses to help the audience distinguish important from less important points. I sometimes find it hard to adapt my delivery to the context of my speech. 1 My voice (tone, pitch, loudness etc.) and speed of delivery are sometimes monotonous or do not clearly support the message of my speech. I often find it hard to adapt voice and delivery to my topic so that they support the audience’s understanding of my message. C2 Pronunciation 3 I pronounce words and sentences correctly and clearly so as to help the audience understand the meaning of my speech. 2 I usually pronounce words and sentences correctly and clearly so as to help the audience understand the meaning of my speech. 1 I find it hard to pronounce words and sentences correctly and clearly so as to help the audience understand the meaning of my speech. C3 Body Language 3 I am able to use body language (posture, gestures, eye-contact etc.) to support my argument effectively and involve the audience in my speech. 2 I am usually able to use body language (posture, gestures, eyecontact etc.) to support my argument and involve the audience in my speech. I sometimes have trouble combining the different elements. 1 I find it hard to use body language (posture, gestures, eye-contact etc.) to support my argument and involve the audience in my speech. <?page no="262"?> 262 C4 Audience Involvement 3 I am able to address my audience directly and involve them in my speech. I can give the impression of giving my speech freely even when I use aids (script, presentation cards). I can adapt my script spontaneously if the need arises (for example, if further clarification is required or a point needs more emphasis). 2 I am often able to address the audience and involve them in my speech. I can give the impression of delivering my speech quite freely even when using aids (script, presentation cards). I am able to do minor spontaneous adaptations if the need arises. 1 I find it hard to address my audience directly and stick quite closely to my aids (script, presentation cards). My delivery sometimes gives the impression of being read out mechanically. I find it hard to adapt my delivery to the circumstances or adapt it if required by the situation. C5 Supporting elements 3 I can make use of supporting elements in my speech (illustrations, powerpoint slides etc.) in a way that enhances my argument or makes it clearer. I can integrate these elements into my speech so that it becomes more persuasive. 2 I can usually make use of supportive elements (illustrations, powerpoint slides etc.) in a way that enhances my argument. I can often integrate these aids into my speech so that it becomes more persuasive. 1 I find it hard to make use of supportive elements (illustrations, powerpoint slides etc.) in a way that enhances my argument. They sometimes distract from my argument or disrupt my delivery. Tab. 7.6. Beurteilungsraster Redemanuskript und Vortrag (Oberstufe; aufbauend auf dem Projekt „Dream“) Das Raster ist zu Beurteilungszwecken gedacht, es enthält aber auch eine „didaktische Gestaltungsidee“ (Dubs, 2006, S. 163), worauf es beim Schreiben und Vortragen von guten Reden tatsächlich ankommt. Diese besteht darin, dass Reden nicht bloß formal korrekt, sondern auch rhetorisch raffiniert gestaltet sein müssen, um überzeugend zu wirken. Das Raster beinhaltet deshalb systematische Anreize für die Lernenden, beim Schreiben und Vortragen einer Rede kreativ zu sein, Risiken einzugehen und immer wieder bewußt die Grenzen ihrer sprachlichen und rhetorischen Kompetenzen auszuloten. Anders als in einer traditionell „fehlerorientierten“ Beurteilung werden solche Versuche hier nicht bestraft, sondern systematisch gefördert und belohnt. Lehrpersonen können gemäß ihren diskursiven Schwerpunkten auch einzelne Kategorien aus dem Raster auswählen und andere weglassen. <?page no="263"?> 263 Zwar werden hier hohe Ansprüche an die Lernenden formuliert. Man muss aber berücksichtigen, dass die Reden von langer Hand vorbereitet und mit Hilfe des Manuskripts oder anderer Hilfen vorgetragen werden. Es wird also nicht erwartet, daß die Schülerinnen und Schüler die Rede frei halten oder auswendig lernen. Es wird allerdings erfaßt, ob die Vortragsweise frei wirkt und ob den Zuhörern das Gefühl vermittelt wird, die vortragende Person wende sich ihnen zu und gehe auf sie ein. Entsteht hingegen der Eindruck, die Rede werde mechanisch abgelesen, führt dies zu einer tieferen Bewertung. Dies ist mit Bezug auf das Genre der Rede durchaus realistisch: Martin Luther King las seine Rede von einem Manuskript ab, wobei er die berühmte Anapher „I have a dream...“ am Ende spontan, aus der Situation heraus, improvisierte (Hansen, 2003, S. 177). Seine Rede kann also als brillante Mischung aus vor-formuliertem Text und spontaner Adaption an die Situation verstanden werden. Etwas weniger flexibel ist hier Barack Obama, der seine Reden meist von einem teleprompter abliest. Dabei wird unter dem Kameraobjektiv ein Monitor montiert, der den Text spiegelverkehrt anzeigt. Über einen halbdurchlässigen Spiegel vor dem Objektiv kann der Redner den vorbereiteten Text dann ablesen, ohne den Blick von der Kamera zu nehmen. Es entsteht dadurch die Illusion der perfekten Natürlichkeit, obwohl die Rede eigentlich auf Punkt und Komma vorformuliert wird. Der teleprompter wird dabei zum Teil des rhetorischen Prinzips ars celare artem, d.h. der Kunst, die eigene Kunst zu verschleiern. Es geht beim Vortragen einer guten Rede also nicht um Gedächtnisakrobatik. Vielmehr ist die Fähigkeit gefordert, dem geschriebenen Text eine Stimme zu verleihen und ihn in der dafür bestimmten kommunikativen Situation wirksam werden zu lassen. Da die Lernenden dabei vor Klasse und Lehrperson auftreten, kann der Vortrag als performative Prüfungsform aufgefaßt werden, bei dem sie selbständig vor den „Normen“ des Fachs und den Ansprüchen des Publikums bestehen müssen. Damit ist an den Leistungscharakter der Schule und insbesondere der Oberstufe erinnert, welches die Jugendlichen dazu befähigen soll, in anspruchsvollen Situationen selbständig und sicher zu handeln. Für eine integrative L2-Schreibdidaktik wäre es wichtig, auch für untere Stufen gezielt weitere Beurteilungsraster dieser Art zu entwickeln. Da einzelne Lehrkräfte mit dieser Aufgabe rasch überfordert sind, sollte dies in Zusammenarbeit von Praktikern, Fachdidaktikern und Psychometrikern geschehen. In Deutschland ist diese Aufgabe teilweise schon geleistet worden, indem für Bildungsstandards thematisch ausgerichtete „Niveaukonkretisierungen“ (Baden-Württemberg) und „Erwartungshorizonte“ (Rheinland-Pfalz) formuliert wurden wurden (MBFJ RLP 2004; LfS 2005; vgl. dazu im Detail Hallet, 2011, S. 47 ff.). Dabei werden die Kompetenzziele zentraler Bildungsstandards auf <?page no="264"?> 264 der Ebene von Aufgabenstellungen und Kompetenzniveaus konkretisiert, meistens für die Klassen 6 und 8. Das Vorhandensein solch konkreter Aufgabenstellungen und Niveaubeschreibungen ist eine Voraussetzung dafür, dass „neue Lernkultur“ oder „erweiterte Beurteilungsformen“ keine Schlagwörter bleiben, sondern in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden können. Für das argumentative Schreiben müssen hier jedoch noch viel Entwicklungsarbeit geleistet werden, da dieser Bereich bei den Bildungsstandards aus Gründen der schwierigen Testbarkeit bisher vernachlässigt wurde. Speziell für die Oberstufe sind auch Beschreibungen bei überfachlichen Kompetenzbereichen notwendig. Auch hier lassen sich Beurteilungskriterien entwickeln und die Schülerleistungen dokumentieren und bewerten, z.B. in einem Portfolio. Die folgenden Deskriptoren entstammen einem Beurteilungsbogen für selbstorientiertes Lernen am Gymnasium (Kyburz et al., 2009, S. 82 ff.), sind aber für das L2-Schreiben auf allen Stufen relevant: Tab. 7.7. Beschreibung wichtiger Teilkompetenzen beim selbstorientierten Lernen (Selbstbeurteilungsraster) nach Kyburz et al. (2009, S. 81 ff.) Prozeß-Ziele setzen: Ich kann Lernziele konkret formulieren. Prozeß-Durchführung: Ich weiß, an wen ich mich bei Schwierigkeiten wenden kann und hole mir, wenn nötig, rechtzeitig Rat. Prozeß-Evaluation: Nachdem ich eine Aufgabe bearbeitet habe, vergleiche ich das Erreichte mit dem anfangs gesetzten Ziel. Denken- Informationen beschaffen: Ich kann mir Informationen aus unterschiedlichen Quellen beschaffen. Denken-Verstehen: Ich kann von konkreten Beispielen abstrahieren, indem ich Theorien, Konzepte und Modelle in eigenen Worten formuliere. Denken-Transfer: Ich kann erworbenes Wissen und Können nutzen, um ein neues Themengebiet selbständig zu bearbeiten. Reflexion über das Lernen (Metakognition): Ich kenne meinen Lerntyp und berücksichtige ihn bei der Auswahl meiner Lernstrategien. Selbstwahrnehmung und Kritikfähigkeit: Ich kann Hinweise und Ratschläge von anderen Personen annehmen und meine Arbeit gegebenenfalls entsprechend überarbeiten oder mein Urteil überdenken. Persönlichkeitsentwicklung - Selbstvertrauen: Ich habe die nötigen Fähigkeiten und kenne die passenden Lernstrategien, um die aufgetragene Aufgabe zu bewältigen. <?page no="265"?> 265 Besonders in Portfolios können auch Produkte und Belege für überfachliche Kompetenzbereiche gesammelt werden. Im Bereich „Selbstwahrnehmung und Kritikfähigkeit“ wäre bei „Dream“ z.B. an die Rückmeldungen und die daraufhin erfolgten Überarbeitungen der Reden zu denken; im abschließenden Letter to the Reader, welche alle Lernenden für ihr Portfolio verfaßten, können Aspekte wie „Reflexion über das Lernen“ oder „Persönlichkeitsentwicklung“ anklingen. Ein Vorteil dieser Arbeit ist es, dass die überfachlichen Kompetenzen nicht im Gebiet des reinen self-assessment verhaftet bleiben, sondern dass konkrete Belegstücke vorhanden sind, welche inhaltlich konkrete Aussagen zu den einzelnen Bereichen zulassen und auf welche sich Lehrkräfte wie Lernende bei ihren Einschätzungen beziehen können. 7.8. Perspektiven für weitere Forschung Ein zentrales Anliegen des Fremdsprachenunterrichts ist heute, junge Menschen zu einer kritisch-konstruktiven Teilnahme an den wichtigen Diskursen einer global kommunizierenden Welt zu befähigen. Dies ist nicht bloß für die „Studierfähigkeit“ wichtig, sondern bildet die Grundlage für eine erfolgreiche und selbstbestimmte Lebensgestaltung in modernen, demokratischen Gesellschaften (OECD, 2005). Für die L2-Schreibdidaktik bedeutet dies, dass die Lernenden bereits auf unteren Stufen mit dem adressatenorientierten und argumentativen Schreiben beginnen und im Verlaufe ihrer Schulbildung komplexe und adaptierfähige sprachliche Handlungskompetenzen in diesem Bereich erwerben sollen. Das wichtigste Forschungsdesiderat ist deshalb, weitere Schreibarrangements für verschiedene Stufen in diesem Bereich zu entwickeln und zu evaluieren. Besonders für den deutschsprachigen Raum gibt es noch zu wenige Studien, die L2-Schreiben aus einer umfassenden Perspektive erforschen und dazu unterschiedliche Untersuchungsmethoden verbinden. Grundlage für solche Untersuchungen ist die genauere Modellierung von L2-Schreibkompetenzen, wobei individual-psychologische und sozialkonstruktive Sichtweisen integriert werden müssen. Diese Modellentwicklung ermöglicht erstens ein genaueres Verständnis der Anforderungen, welche bestimmte Aufgabentypen oder Lernziele an die jungen Menschen stellen. Zweitens ist sie Grundlage für die Gestaltung didaktischer Lehr- und Lernarrangements, die über best practice hinausgehen und auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen über Erwerb und Struktur der angezielten Kompetenzen aufbauen. Und drittens wird sie benötigt für eine empirische Messung der Kompetenzentwicklungen der Schülerinnen und Schüler. Nur eine detaillierte Modellierung der betreffenden Kompetenz erlaubt es zu verstehen, wie sich <?page no="266"?> 266 die kognitiven, personalen und motivationalen Fähigkeiten der unter dem Einfluß des treatments in der Lernumgebung entwickeln. Da es sich beim L2-Schreiben um eine äußerst komplexe Kompetenz handelt, sollten mehr Studien mit einem mixed research design durchgeführt werden. Die Kombination von qualitativen und quantitativen Untersuchungsmethoden ergibt sich daraus, dass Lernprozesse und deren Determinanten genau so in die Untersuchung einbezogen werden müssen wie Lernprodukte. Bei der Erforschung der Prozessqualitäten guter Schreibsettings können Interviews mit den Beteiligten geführt oder Lernjournale hermeneutisch und inhaltsanalytisch ausgewertet werden. Zu bestimmten Zeitpunkten kann ein Schnitt gezogen und die Struktur der zu diesem Zeitpunkt erworbenen Lernerkompetenzen untersucht werden. Wenn die Erkenntnisse über den Status von „Fallstudien“ hinaus relevant sein sollen braucht es dazu quantitativ ausgerichtete Verfahren wie das scoring von Texten anhand psychometrisch überprüfter Beurteilungsraster. Erst die Kombination unterschiedlicher Datentypen erlaubt es, einigermaßen zuverlässige Aussagen über die Effekte einer Lerneinheit auf die Schreibkompetenzen, Motive oder Interessen der Jugendlichen zu machen. Spezifisch für die Oberstufe müssen solche Untersuchungen auf weitere Genres ausgedehnt werden, welche für diese Stufe relevant sind, z.B. akademische Essays (vgl. Brupbacher, Jucker et al., 2009, S. 92 ff.). Kurzum: Es braucht in Zukunft vermehrt generische Ansätze in der Schreibdidaktik, welche empirisch evaluiert worden sind. Da die dazu notwendigen Fähigkeiten der empirischen Forschung und didaktischen Modellierung selten in einer Person vereint sind, sollte dies in Forschergruppen oder Zusammenarbeit von Forschern und Lehrkräften geschehen. Innerhalb solcher generischen Settings ergibt sich ein ganzes Spektrum an Forschungsfragen, von welchen hier nur die wichtigsten erwähnt werden können. Die vorliegende Studie zeigt, dass die Texte von Lernenden auf der Oberstufe vielfältige Qualitäten und hochentwickelte Schreibstrategien zur Argumentationsgestaltung und Adressatenorientierung enthielten. Zukünftige Forschung sollte einen Beitrag zum vertieften Verständnis leisten, welche Arten von Konzepten und Schreibstrategien sich in den Texten von Lernenden auf unterschiedlichen Stufen zeigen, wie diese mit den spezifischen Aufgabenstellungen zusammenhängen und wie sie für das weitere Lernen genutzt werden können. Dazu gehört auch die Entwicklung diagnostischer Instrumente und Kategorien, anhand derer Lehrkräfte Fähigkeiten des lernförderlichen Lektorierens und Rückmeldens erlernen können. Ein besonderes Forschungsinteresse kommt zudem dem Formulierungsverhalten der Jugendlichen zu: Wie entwickelt sich dieses in Abhängigkeit von verschiedenen Aufgabentypen und Lernmaterialien? Wie entwickelt sich das Vokabular in Schülertexten im Umgang mit bestimmten model texts? Wie <?page no="267"?> 267 sollten entsprechende Lernaufgaben formuliert sein? Wie beeinflußt die Analyse syntaktischer Gestaltungsmuster in Textvorlagen die Syntax der Lernertexte? Wie läßt sich ein entsprechender Transfer anregen und begleiten? Welche Auswirkungen haben prozessorientierte Schreibaufträge mit pre- , while- und post-writing Phasen auf das tatsächliche Planungsverhalten und die Schreibstrategien der Lernenden? In dieser Studie wurden einige Untersuchungsinstrumente und -methoden vorgelegt, mit denen sich Fragen wie diese konkret untersuchen lassen. Diese sollten jedoch noch mit grösseren Stichproben auf weitere Themen, Aufgabentypen und Schulstufen angewendet werden. Genauere Erkenntnisse wären hier für die praktische Unterrichtsgestaltung von allerhöchster Bedeutung. In der vorliegenden Studie zeigte sich besonders die überragende Bedeutung von Rückmeldungen von Lehrkräften und Lernpartnern auf die Schreibprozesse. Zwar ist der zentrale Stellenwert von peer feedback für das L2-Schreiben schon länger bekannt (vgl. Villamil & Guerrero, 2006, Donato, 2004). Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Bedeutung nicht für alle Genres gleich ist bzw. für unterschiedliche Situationen kontextspezifisch angeregt werden muss. Wir müssen also besser verstehen, welche Aufgabentypen und Instruktionen benötigt werden, um gutes peer feedback bei einem bestimmten Genre oder einer bestimmten Schulstufe auszulösen und dessen Resultate noch konsequenter in die Lernprozesse zurückfließen zu lassen. Welche spezifischen inhaltlichen sowie prozeduralen Hinweise müssen Lernende erhalten, damit sie wesentliche Strukturen oder Wirkungsmechanismen eines Genres in den Texten ihrer Kollegen erkennen und diese besser beraten können? Wie sind Rückmeldungen zu strukturieren, damit die Jugendlichen als Autoren die Wirkung der eigenen Texte auf ein Publikum noch deutlicher erfahren und die eigenen Schreibprozesse besser steuern können? Mit dem Zusammenspiel von Lesen und Schreiben ist ein weiteres Forschungsdesiderat benannt: Es sollte genauer erforscht werden, wie unterschiedliche rezeptive und produktive Kompetenzen beim L2-Schreiben zusammenwirken bzw. wie sich Lernprozesse durch die Integration dieser Fähigkeiten verbessern lassen. Im Rahmen der Einführung von Bildungsstandards und Vergleichtests ist die Entwicklung in den letzten Jahren eher in die entgegengesetzte Richtung verlaufen: Zum Zweck der besseren Testung und Vergleichbarkeit werden komplexe sprachliche Handlungskompetenzen in zunehmend kleinere Teilbereiche zergliedert und gesondert überprüft. Diese Segmentierung von Sprachhandeln im Dienste der Testbarkeit unterläuft aber nicht nur das ganzheitliche Konzept von Kompetenz, das den Bildungsstandards eigentlich zu Grunde liegt (vgl. Klieme et al., 2003, S. 21). Sie ist auch aus didaktischer Sicht fatal und verstellt die Sicht auf die Zusammenhänge <?page no="268"?> 268 zwischen Kompetenzbereichen in der kommunikativen Realität: Es gibt kein Schreiben in einem Genre ohne vielfältige Rezeptionserfahrungen mit geeigneten Referenztexten; beim Schreiben können Meinungen gebildet und Standpunkte geklärt werden, welche wiederum Anlass zum Reden und Diskutieren geben. Anzustreben ist deshalb die Konstruktion von Lernsettings, die sich durch eine multiperspektivische und integrierende Sichtweise auf ein sprachliches Handlungsfeld auszeichnen und zugleich die Interaktion verschiedener Kompetenzbereiche beim L2-Lernen untersuchbar machen (vgl. dazu mustergültig Hesse, 2002). Mit Hinblick auf allgemeinbildende Ziele der Schule sollten solche Einheiten auch geeignet sein, die Schülerinnen und Schüler als „kulturelle Subjekte - mit Wertvorstellungen, Haltungen, Meinungen, Sinnstiftungen“ zu fördern (Hallet, 2011, S. 56). Es geht dabei nicht bloß um den Erwerb sprachlicher Kompetenz, sondern um Lernziele wie Mündigkeit oder Allgemeinbildung, welche „in der, durch die, trotz der“ zunehmenden Spezialisierung auf höheren Stufen erworben werden (Meyer, 2000, S. 56). Die Realisierung solcher Ziele darf nicht „irgendwann nach dem Abschluss der Schule“ geschehen, sondern muss „im Hier und Jetzt des Klassenzimmers“ erfolgen, am besten von Anfang an (Hallet, 2011, S. 91). Es sei nochmals daran erinnert, dass Schülerinnen und Schüler die Praxis des schulischen Erörterns oft als äußerliche Anpassung an ein Schema empfinden, ohne Bezug zu ihrer eigenen Meinungsbildung oder zu persönlichen Kommunikationszielen (Feilke 2008, S. 7). Wenn die Gesellschaft jedoch von den jungen Menschen später kritisches Denken und selbständiges Handeln verlangt, sollte sie ihnen diese Dinge bereits vorher, spätestens in der Oberstufe, antizipatorisch einräumen (Schleiermacher, 1808; Klafki, 1986). Dies bedeutet, ihnen sowohl Freiräume zum Bilden einer eigenen Meinung einzuräumen wie auch konkrete Unterstützung bei deren Ausdruck anzubieten. Neben einer entsprechenden Lernkultur ist dazu besonders auch die Entwicklung einer geeigneten Beurteilungskultur notwendig, welche von den Lernenden nicht andauernd bloß Anpassungsleistungen verlangt, sondern ihnen ermöglicht, über längere Zeiträume erarbeitete, komplexe und persönlich geprägte Lernprodukte notenmässig anerkennen zu lassen. Die Ausrichtung des Schreibunterrichts an gesellschaftlich relevanten Kompetenzen und Fragestellungen bedeutet auch, über die „mediale Papier- und Schriftgebundenheit“ traditioneller Genres hinauszugehen (Hallet, 2011, S. 15). In zukünftigen Studien sollte die Wendung vom Text zum Hypertext und die damit verbundenen Veränderungen in der Schreibpädagogik systematisch einbezogen werden. Das exponentielle Wachstum elektronischer Kommunikation in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Alltag hat die Menschen global vernetzt und dabei den Informations-, Wissens- und Erfah- <?page no="269"?> 269 rungsaustausch beschleunigt. Diese Möglichkeiten zu multilateraler Kommunikation haben zur Erweiterung sozialer Beziehungen geführt und Veränderungen des Lernens und Schreibens auf allen Ebenen mit sich gebracht (von Kardorff, 2008, S. 23 ff.). Vermittelt über die elektronischen Kommunikationstechnologien ist ein facettenreicher virtueller Raum entstanden, den es für den schulischen Schreibunterricht konsequent zu erschließen gilt - nicht zuletzt deshalb, da dieser für die Lernenden selber längst Bestandteil ihres Alltags geworden ist. Noch nie zuvor wurde so viel geschrieben wie in unserer Zeit, was auch auf den Einfluss von E-Mails, Internet Chatrooms oder Social Network Sites (facebook) zurückzuführen ist (Kieweg, 2009, S. 5). Auch im wissenschaftlichen Alltag spielen Hypertexte eine immer größere Rolle: Zunehmend werden wissenschaftliche Texte nachträglich für die Publikation im Web aufbereitet oder von vornherein als Hypertexte konzipiert (Lehr, 2005, S. 67). Zwar gibt es Gründe anzunehmen, dass „traditionelle“ Schreibkompetenzen auch auf das Schreiben im Netz übertragbar sind. Allerdings verändern sich im Umfeld der elektronischen Kommunikation sowohl die Prozesse der Textproduktion wie auch der Textrezeption. In der interaktiven Welt des Web 2.0 ist der user nicht mehr nur passiver Leser oder wahrnehmender Zuschauer, sondern selbst Produzent multimedialer Kommunikation und Publikation (Hallet, 2008, S. 1-2). Im Rahmen von blogs, chatrooms oder social network platforms können junge Menschen eigene Texte und Meinungen veröffentlichen und mit einer beliebig großen community kommunizieren. Daraus ergeben sich auch neue Möglichkeiten der diskursiven Teilhabe und der politischen Einflussnahme „von unten“. Gerade weil die Nutzung solcher Medien heute zur Selbstverständlichkeit geworden ist, muss das Schreiben darin eigens abgesichert werden. Junge Menschen müssen lernen, nicht einfach „drauflos zu tippen“, sondern durch überlegtes, strukturiertes und strategisches Schreiben die neuen Kommunikationsräume effizient für sich zu nutzen. Dabei müssen sie ob der unbekannten und teils ambivalenten Rezipientenschaft sorgfältig abwägen, welche Informationen sie im Netz von sich Preis geben, mit wem sie sich austauschen und welche Zwecke sie dabei genau erreichen wollen. Angesichts dieser Herausforderungen müssen Jugendliche veränderte Kompetenzen des Lesens und Schreibens erwerben, welche sowohl die Informationsbeschaffung, deren kritische Auswertung wie auch kommunikative Verarbeitung im eigenen Schreiben betreffen. Sie müssen lernen, aus einer Vielfalt divergierender Daten und Informationen jene auszuwählen, die für ihr Erkenntnisinteresse relevant und auch verlässlich sind, und daraus mittels eigener Abwägung und kritischer Reflexion kohärente Texte zu produzieren. Besonders für die Arbeit im Internet gilt: Ohne verstehendes Lesen, kritisches <?page no="270"?> 270 Abwägen und gezielte Auswahl kein argumentatives Schreiben (Hallet, 2008, S. 7). Gleichzeitig müssen die Besonderheiten der elektronischen Medien einbezogen werden, denn „Hypertexte argumentieren anders“ (Todesco, 2005, S. 96). So haben die Rezipientinnen und Rezipienten beim Lesen eine größere Freiheit, im Text oder zwischen verschiedenen Texten hin- und her zu springen und sich so den eigenen Textsinn als „Hyperleseautoren“ zu konstruieren (Lehr, 2005, S. 70). Allerdings kann diese „neue Freiheit“ für Leserinnen und Leser nur dann hingenommen werden, wenn gleichzeitig durch die Struktur der Hypertexte eine annähernd einheitliche Sinnkonstitution sichergestellt wird. Schreiber im Netz müssen deshalb prüfen, wie viel Freiheit sie den Leserinnen und Lesern bei ihren individuellen Wegen durch den Hypertext zugestehen wollen, ohne dadurch die Bildung von Textkohärenz zu gefährden (Lehr, 2005, S. 76) Die L2-Schreibforschung muss Szenarien entwickeln, in denen die jungen Menschen die nötigen Handlungskompetenzen für diese Art des Schreibens erwerben können; sie muss dabei Struktur und Erwerbswege der beteiligten Teilfähigkeiten modellieren und Instrumente entwickeln, um ihre Entwicklung empirisch zu untersuchen. Dabei ist ein generischer Zugang hilfreich, wobei Aufgabenstellungen auch im Hypertext auf eine explizit definierte Textform zielen, „in die hinein“ die im Netz gewonnenen Informationen textuell reorganisiert werden (Hallet, 2008, S. 6). So kann ein blog beispielsweise als critical comment, background report, review, historical recount usw. organisiert werden. Erst wenn die Lernenden über die nötigen sprachlichen und strukturellen Mittel zur Erstellung dieser Textsorten verfügen, werden diese wiederum zu effizienten Medien, der eigenen Stimme im virtuellen Raum Gehör zu verleihen. Auch bei den elektronischen Formen des Schreibens und Kommunizierens geht es also letztlich um ein uraltes Anliegen der Rhetorik: Informationen abzuwägen, sich schreibend einem Sachverhalt anzunähern, die eigene Meinung dazu für Leser oder Zuhörer schlüssig dazustellen und eigene Ziele und Absichten zu verwirklichen. Insofern müßte der Titel einer zukünftigen Studie vielleicht auch nicht heißen „I have a dream! “, sondern eher: „I had a dream - and I wrote it down! “ <?page no="271"?> 271 8. Bibliographie Allan, Dave. (2004). Oxford placement test 2. Oxford: Oxford University Press. 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Das ganze Raster findet sich in Abschn. 4.5. dieser Arbeit; im Folgenden sind zusätzliche Berechnungen zur Güte dieses Analyseinstruments dargestellt. Die erste Tabelle zeigt die „Goodness-of-Fit Statistiken“ einzelner Items auf der Raschskala sowie deren Schwierigkeit und Trennschärfe. Nummer Item Estimate MNSQ t-Wert 1 A1 -0.87 2.41 4.4 2 A2 0.13 1.52 2.0 3 A3 0.14 1.83 3.1 4 A4 -0.73 1.75 2.7 5 A5 -0.04 1.27 1.2 6 B1 1.05 1.47 1.9 7 B2 0.72 1.71 2.7 8 B3 0.35 1.84 3.1 9 B4 -0.16 1.18 0.8 10 B5 -0.59 1.63 2.3 Tab. A.1. Goodness-of-Fit Statistik; Schwierigkeit auf der Rasch-Skala, MNSQ und t-Werte für alle Items des Analyserasters zur Erfassung „guter Reden“, Untersuchung „I Have A Dream! “ Der Wert „Estimate“ bezeichnet die Schwierigkeit eines einzelnen Items auf der Raschskala („Delta“-Wert). Die Raschskala ist prinzipiell ein Kontinuum zwischen - ∞ und + ∞ mit dem Mittelwert 0. Die Zahl 0 bezeichnet damit einen mittleren Schwierigkeitsgrad, wobei Items mit -3 als sehr einfach und <?page no="299"?> 299 Items mit +3 als sehr schwierig gelten dürfen. Es zeigt sich, dass der größte Teil der Items eine Schwierigkeit hatte, die zwischen -3 (sehr einfaches Item) und +3 (sehr schwieriges Item) liegt. Der Wert MNSQ bezeichnet die mittlere quadrierte Abweichung eines Items von der erwarteten Rasch-Verteilung. Werte über 1.20 deuten in der Regel auf eine nicht modellkonforme Verteilung hin. Ein solches Item kann streng genommen nicht raschskaliert werden. Angesichts der geringen Fallzahlen (N) sollte diesem Wert aber keine allzu große Beachtung geschenkt werden. Beim t-Wert handelt es sich um einen Signifikanztest, der die Übereinstimmung der Verteilung eines Items mit der Rasch-Verteilung u berpru ft. Die nächste Tabelle zeigt die Trennschärfe der einzelnen Items, d.h. die Korrelation eines einzelnen Items mit der Gesamtpunktzahl. Item N Trennschärfe Threshold 1 Threshold 2 A1_rater1 36 0.39 -1.98 0.19 A2_rater1 36 0.41 -1.93 0.24 A3_rater1 36 0.62 -1.66 1.88 A4_rater1 36 0.65 -1.61 1.93 A5_rater1 36 0.62 -1.30 1.54 B1_rater1 36 0.62 -1.26 1.59 B2_rater1 36 0.56 -2.66 1.15 B3_rater1 36 0.43 -2.61 1.20 B4_rater1 36 0.75 -1.39 1.26 B5_rater1 36 0.63 -1.34 1.31 A1_rater2 36 0.69 -0.66 2.71 A2_rater2 36 0.70 -0.61 2.76 A3_rater2 36 0.61 -0.90 2.28 A4_rater2 36 0.69 -0.85 2.34 A5_rater2 36 0.69 -0.84 1.48 B1_rater2 36 0.63 -0.80 1.53 B2_rater2 36 0.79 -2.05 1.68 B3_rater2 36 0.70 -1.99 1.73 B4_rater2 36 0.49 -2.95 1.71 B5_rater2 36 0.63 -2.89 1.77 Tab. A.2. Trennschärfe und threshold der einzelnen Items zur Erfassung „guter Reden“, Untersuchung „I Have A Dream! “ <?page no="300"?> 300 Die Trennschärfe beschreibt, wie gut ein Item zwischen guten und schlechteren Schu lerinnen und Schu lern unterscheidet und so zu einem aussagekräftigen Testergebnis beiträgt. Ein Item mit hoher Trennschärfe wird von guten Schülerinnen und Schu lern richtig gelöst und von leistungsschwächeren falsch. Trennschärfen von > 0.30 werden in der Regel als hinreichend erachtet. Trennschärfen von > 0.50 sind hoch. Die Items im verwendeten Test waren bis auf wenige Ausnahmen sehr hoch. Das spricht für eine gute Korrektur und für ein sinnvolles Korrekturraster. Der Wert „Threshold 1“ bezeichnet die Schwierigkeit des Items auf der Raschskala, um einen Punkt zu erreichen. „Threshold 2“ meint die Schwierigkeit, um zwei Punkte zu erreichen. Je tiefer ein Threshold-Wert, desto einfacher ist es, in diesem Item einen Punkt zu erreichen. Je höher dieser Wert, desto schwieriger ist dies. Diese Werte sind für die beiden „Rater“, welche in der Studie eingesetzt wurden, getrennt dargestellt. Dabei zeigt sich, dass zwischen ihnen eine hohe Übereinstimmung bestand, aber dass die Bewertungen von Rater 2 durchschnittlich etwas trennschärfer waren als jene Bewertungen von Rater 1. In Abb. A.1. ist nun die gesamte Rasch-Skalierung für alle 36 Texte dargestellt, die von beiden Ratern untersucht wurden. Sie zeigt eine Item Map, wie sie für die Ergebnisdarstellung von probabilistischen Messmodellen verwendet wird. Darin werden alle geschätzten Parameter nebeneinander auf derselben Skala dargestellt. Die Einheiten (Logits) der metrischen Skala sind auf der vertikalen Achse angeschrieben. Der dargestellte Skalenabschnitt reicht von - 5 bis +5 Logits. Die vorliegende Item Map hat drei Spalten. In der Spalte links ist die Verteilung der geschätzten Fähigkeiten der Personen dargestellt. In dieser Abbildung steht jedes X für 0,3 Personen. Je weiter oben ein X in der Abbildung erscheint, desto grösser sind die Fähigkeiten der Person. In der zweiten Spalte sind die Rater nach ihrer Beurteilungsstrenge positioniert. Die Rater 1 und Rater 2 sind auf der gleichen Höhe eingezeichnet. Das heisst, sie unterscheiden sich nicht in der Strenge ihrer Beurteilungen. In der Spalte ganz rechts sind die Schwierigkeiten der Kriterien („item“) eingezeichnet, mit denen die Reden der Schülerinnen und Schüler beurteilt wurden. Die dargestellten Zahlen beziehen sich auf die Nummern der betreffenden Kriterien. Je weiter oben ein Kriterium in der Abbildung platziert ist, desto schwieriger ist das Kriterium. Kriterium 6 konnte von den wenigsten Personen erfüllt werden und ist deshalb das schwierigste Kriterium. Beim Kriterium 1 hingegen war es verhältnismässig einfach, Punkte zu erzielen. <?page no="301"?> 301 Abb. A.1. Graphische Darstellung der gesamten Rasch-Skalierung der Items zur Erfassung „guter Reden“, Untersuchung „I Have A Dream! “ <?page no="302"?> 302 Im Raschmodell wird die Lösungswahrscheinlichkeit als Differenz zwischen der Fähigkeit einer Person und der Schwierigkeit eines Kriteriums definiert. Dadurch ist es möglich, Personenfähigkeit und Kriterienschwierigkeit systematisch zueinander in Beziehung zu setzen und auch inhaltlich zu interpretieren: Personen, deren Fähigkeit gleich gross ist wie die Schwierigkeit eines Kriteriums, können das betreffende Kriterium mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent erfüllen. Personen, deren Fähigkeit über (bzw. unter) der Schwierigkeit eines Kriteriums liegt, erfüllen das Kriterium mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr (bzw. weniger) als 50 Prozent. Diese Beziehung lässt sich auch in der Item Map ablesen. Personen (X), die über Kriterium 6 positioniert sind, können Kriterium 6 sowie alle anderen Kriterien mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent erfüllen. Umgekehrt erfüllen jene Personen am unteren Ende der Verteilung alle Kriterien mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 Prozent. <?page no="303"?> 303 Appendix B: Beurteilungsraster für argumentative Texte 1. Das Zürcher Textanalyseraster (Nussbaumer und Sieber 1994) Aus: Nussbaumer, M. / Sieber, P. (1994): Texte analysieren mit dem Zürcher Textanalyseraster. In: P. Sieber (Hg.): Sprachfähigkeiten - Besser als ihr Ruf und nötiger denn je! Aarau u.a., S. 141-186. Kategorien 0 = Korrelate/ Bezugsgrössen A = Sprachsystematische und orthographische Richtigkeit (ars recte dicendi) B = Angemessenheit (ars bene dicendi) B1: Funktionale Angemessenheit (Verständlichkeit/ Kohärenz) B2: Ästhetische Angemessenheit B3: Inhaltliche Relevanz Kategorien im Detail 0 Bezugsgrössen/ Korrelate 0.1 Textlänge; token-Zahlen 0.1.1 Buchstaben 0.1.2 Wortformen 0.1.3 Teilsätze 0.1.4 Ganzsätze 0.2 Types-Zahlen 0.2.1 Lexeme 0.2.2 grammatische Kategorien 0.2.3 Teilsätze (Satzbaupläne) 0.2.4 Ganzsätze 0.3 Charakterisierung des Wortschatzes: Grundwortschatz/ Nicht- Grundwortschatz 0.4 Charakterisierung der Syntax: einfach/ komplex; normal/ ausgefallen 0.5 Charakterisierung der Kohäsiviel/ wenig; einfach/ schwierig <?page no="304"?> 304 onsleistung: 0.6 Charakterisierung der Komplexität des Themas sowie der Behandlung des Themas im Text A Sprachsystematische und orthographische Richtigkeit O Orthographie I Interpunktion M Morphologie SY Syntax T Textbau/ Satzverknüpfung SA Semantik von Inhaltswörtern/ Autosemantika SS Semantik von Funktionswörtern/ Synsemantika SK Semantik komplexer Ausdrücke (komplexe Wörter, Wortgruppen, Sätze) B B.1 Funktionale Angemessenheit: Verständlichkeit/ Kohärenz B.1.1 Gesamtidee, Thema, Absicht des Textes 1.1.1 In welchem Masse lässt sich im Text eine Gesamtidee erkennen, die den einzelnen Textteilen ihren Ort zuweist? 1.1.2 Welches ist diese Gesamtidee? 1.1.2 Entspricht die Gesamtidee der Aufgabenstellung (wie sie z.B. durch den Titel markiert sein kann)? B.1.2 Aufbau, Gliederung (Textmakrostruktur) Hat der Text eine der Gesamtidee entsprechende Gliederung? Welches sind die einzelnen Glieder? 1.2.1 Innere Gliederung 1.3.1 Äussere Gliederung (graphisch mittels Absatz, Spiegelstrich u. ä.) B.1.3 Thematische Entfaltung 1.3.1 Lässt sich in der thematischen Entfaltung eine Logik hinter dem Text rekonstruieren? (Texthintergrundslogik THL) <?page no="305"?> 305 1.3.2 Zeigt sich in der thematischen Entfaltung eine Logik im Text selbst? (Textvordergrundslogik TVL) B.1.4 Grad an Implizitheit/ Explizitheit 1.4.1 Ist der Text so implizit wie möglich? 1.4.2 Ist der Text so explizit wie nötig? B.1.5 Ausdrücke der Rezipientenführung 1.5.1 Metakommunikative Elemente 1.5.2 Kohäsionsmittel (Verweis-, Verknüpfungsmittel: Pronomen, Konjunktionen, Konjunktionaladverbien u.a.; textstrukturierende Mittel, Wortstellung) 1.5.3 Graphische Mittel (Unterstreichung, Schriftauszeichnung u. ä.) 1.5.4 Explizite Nennung von Produzent und Rezipient; Markierung des Standpunktes des Produzenten B.1.6 Angemessenheit der Sprachmittel (Sachadäquatheit, Funktionsadäquatheit, Ususadäquatheit) 1.6.1 Interpunktion 1.6.2 Wortformen-, Phrasen- und Satzbau 1.6.3 Textbau 1.6.4 Wahl von Inhaltswörtern/ Autosemantika 1.6.5 Wahl von Funktionswörtern/ Synsemantika 1.6.6 Semantik komplexer Ausdrücke 1.6.7 Registerwahl B.1.7 Erfüllung von Textmusternormen B.2 Ästhetische Angemessenheit: Besondere formale Qualitäten B.2.1 Sprachlich-formales Wagnis B.2.2 Qualität der Sprachmittel (Attraktivität/ Repulsivität) 2.2.1 Wortwahl 2.2.2 Satz- und Textbau 2.2.3 Rhythmus 2.2.4 Registerwahl, Tonlage <?page no="306"?> 306 B.3 Inhaltliche Relevanz: Besondere inhaltliche Qualitäten B.3.1 Inhaltliches Wagnis B.3.2 Inhaltliche Wegqualität (Attraktivität/ Repulsivität) <?page no="307"?> 307 2. Das ESL Composition Profile (Jacobs et al., 1981) Quelle: Jacobs, H.; Zinkgraf, S.; Wormuth, D; Hartfiel, V. F.; Hughey, J. B. (1981): Testing ESL Composition. A practical approach. Rowley, Mass.: Newbury House, S. 30. <?page no="308"?> 308 3. Instructional Rubric of a Persuasive Essay Quelle: Goodrich Andrade, H. (2000): Using Rubrics to Promote Thinking and Learning. In: Educational Leadership 57(5), S. 13-18. Criteria 4 3 2 1 The claim I make a claim and explain why it is controversial. I make a claim but don't explain why it is controversial. My claim is buried, confused, and/ or unclear. I don't say what my argument or claim is. Reasons in support of the claim I give clear and accurate reasons in support of my claim. I give reasons in support of my claim, but I overlook important reasons. I give 1 or 2 weak reasons that don't support my claim and/ or irrelevant or confusing reasons. I don't give reasons in support of my claim. Reasons against the claim I discuss the reasons against my claim and explain why it is valid anyway. I discuss the reasons against my claim but neglect some or don't explain why the claim still stands. I say that there are reasons against the claim, but I don't discuss them. I don't acknowledge or discuss the reasons against my claim. Organization My writing has a compelling opening, an informative middle, and a satisfying conclusion. My writing has a beginning, a middle, and an end. My organization is rough but workable. I may sometimes get off topic. My writing is aimless and disorganized. Voice and tone It sounds like I care about my argument. I tell how I think and feel My tone is OK, but my paper could have been written by My writing is bland or pretentious. There is either no hint My writing is too formal or informal. It sounds like I don't like the <?page no="309"?> 309 about it. anyone. I need to tell how I think and feel. of a real person in it, or it sounds like I'm faking it. topic of the essay. Word choice The words that I use are striking but natural, varied, and vivid. I make some fine and some routine word choices. The words that I use are often dull or uninspired or sound like I'm trying too hard to impress. I use the same words over and over. Some words may be confusing. Sentence fluency My sentences are clear, complete, and of varying lengths. I have wellconstructed sentences. My essay marches along but doesn't dance. My sentences are often awkward, run-ons, or fragments. Many run-on sentences and sentence fragments make my essay hard to read. Conventions I use correct grammar, punctuation, and spelling. I have a few errors to fix, but I generally use correct conventions. I have enough errors in my essay to distract a reader. Numerous errors make my paper hard to read. <?page no="310"?> 310 Appendix C: Beispiele von „Anfangsreden“ aus Dream Should English be taught in kindergarten in Switzerland? Text A: I will show you, as supporter of the proposal that English should be tought in kindergarten, the positive aspects of that topic. In fact, which language besides the Asian languages are speaken most all over the world? With which language are you able to be understood in every country? I’ll tell you, it’s English. I, for example, grew up in a family with German as native language. I had no dual - or triple - language education. But you know what? I wish I had! Of course, today I learned to conversate in English, but just look at my age, I’m nearly 18 now, a quarter of my life maybe already flew by... Two years ago I passed 5 weeks in the USA - uncapable the even make a reservation at a restaurant there. ‚The earlier, the better’ - good sentence in combination with the topic. I learned English at school and believe me, I liked learning it. French for example is much harder and a lot less interesting to learn as English. In Switzerland the teachers of primary school teach French already in the first class - a language that appears not as often as English. So why shouldn’t English be taught already in kindergarten? the pupils would have a good basic education and to me English at the very beginning was a lot of fun. Ladies and gentlemen, don’t hesitate vote for early English and help your children. the earlier language skills are shown, the better it is, then, English will accompany everybody for his or her whole life. I appreciated telling you my view and I hope to have convinced your. Thanks a lot for listening (Schülerrede aus dem Projekt „I Have A Dream! “)! <?page no="311"?> 311 Text B: Ladies and gentlemen, I ask you why should we? It’s absolutely unnecessairy to teach English in the kindergarten. Children should learn how to deal with other children at their age, they should play and make friends. But that is not even the main point. the main point is, wheter we like it or not - but a lot of children at this age don’t speak German for mother language. That’s why German should always be taught first. I don’t mean that it should be taught like a foreign language but that German should be practiced. Even a native speaker can have trouble with grammatical issues and a lot of swiss teenagers still have problems in writing and reading in German. So, why should we make it even harder for them? Learning English before learning how to write and read in German would only confuse them. I don’t understand how one can - after the PISA-studies have shown that we have a great lack of skill in German - even think about / of teaching a foreign language earlier. It doesn’t make sense at all. If our teachers can’t even teach the native language properly - how are they supposed to teach English? And here we see a next complication: who should be teaching, the children English in the kindergarten? A kindergarten teacher usually does not have the education for it. Because if someone should be teaching it, it should be someone who is a professional (or a native speaker in English). Otherwise the children learn „Swiss English“ and I can imagin that mistakes in pronunciation that are „learned“ that early will be very hard to correct later. Ladies and gentlemen, I am convinced that teaching English in kindergarten is a big mistake and you should feel so too. (Schülerrede aus dem Projekt „I Have A Dream! “). <?page no="312"?> 312 Appendix D: Verwendete „Expertenreden“ von Martin Luther King und Barack Obama 1. Martin Luther King: I Have a Dream! (verwendet in Pilotstudien) Gehalten am 28. August 1963 am Lincoln Memorial, Washington D.C. I am happy to join with you today in what will go down in history as the greatest demonstration for freedom in the history of our nation. Five score years ago, a great American, in whose symbolic shadow we stand today, signed the Emancipation Proclamation. This momentous decree came as a great beacon light of hope to millions of Negro slaves who had been seared in the flames of withering injustice. It came as a joyous daybreak to end the long night of their captivity. But one hundred years later, the Negro still is not free. One hundred years later, the life of the Negro is still sadly crippled by the manacles of segregation and the chains of discrimination. One hundred years later, the Negro lives on a lonely island of poverty in the midst of a vast ocean of material prosperity. One hundred years later, the Negro is still languished in the corners of American society and finds himself an exile in his own land. And so we've come here today to dramatize a shameful condition. In a sense we've come to our nation's capital to cash a check. When the architects of our republic wrote the magnificent words of the Constitution and the Declaration of Independence, they were signing a promissory note to which every American was to fall heir. This note was a promise that all men, yes, black men as well as white men, would be guaranteed the "unalienable Rights" of "Life, Liberty and the pursuit of Happiness." It is obvious today that America has defaulted on this promissory note, insofar as her citizens of color are concerned. Instead of honoring this sacred obligation, America has given the Negro people a bad check, a check which has come back marked "insufficient funds." But we refuse to believe that the bank of justice is bankrupt. We refuse to believe that there are insufficient funds in the great vaults of opportunity of this nation. And so, we've come to cash this check, a check that will give us upon demand the riches of freedom and the security of justice. We have also come to this hallowed spot to remind America of the fierce urgency of Now. This is no time to engage in the luxury of cooling off or to take the tranquilizing drug of gradualism. Now is the time to make real the promises of democracy. Now is the time to rise from the dark and desolate valley of segregation to the sunlit path of racial justice. Now is the time to lift our nation from the quick- <?page no="313"?> 313 sands of racial injustice to the solid rock of brotherhood. Now is the time to make justice a reality for all of God's children. It would be fatal for the nation to overlook the urgency of the moment. This sweltering summer of the Negro's legitimate discontent will not pass until there is an invigorating autumn of freedom and equality. Nineteen sixty-three is not an end, but a beginning. And those who hope that the Negro needed to blow off steam and will now be content will have a rude awakening if the nation returns to business as usual. And there will be neither rest nor tranquility in America until the Negro is granted his citizenship rights. The whirlwinds of revolt will continue to shake the foundations of our nation until the bright day of justice emerges. But there is something that I must say to my people, who stand on the warm threshold which leads into the palace of justice: In the process of gaining our rightful place, we must not be guilty of wrongful deeds. Let us not seek to satisfy our thirst for freedom by drinking from the cup of bitterness and hatred. We must forever conduct our struggle on the high plane of dignity and discipline. We must not allow our creative protest to degenerate into physical violence. Again and again, we must rise to the majestic heights of meeting physical force with soul force. The marvelous new militancy which has engulfed the Negro community must not lead us to a distrust of all white people, for many of our white brothers, as evidenced by their presence here today, have come to realize that their destiny is tied up with our destiny. And they have come to realize that their freedom is inextricably bound to our freedom. We cannot walk alone. And as we walk, we must make the pledge that we shall always march ahead. We cannot turn back. There are those who are asking the devotees of civil rights, "When will you be satisfied? " We can never be satisfied as long as the Negro is the victim of the unspeakable horrors of police brutality. We can never be satisfied as long as our bodies, heavy with the fatigue of travel, cannot gain lodging in the motels of the highways and the hotels of the cities. We cannot be satisfied as long as the negro's basic mobility is from a smaller ghetto to a larger one. We can never be satisfied as long as our children are stripped of their self-hood and robbed of their dignity by signs stating: "For Whites Only." We cannot be satisfied as long as a Negro in Mississippi cannot vote and a Negro in New York believes he has nothing for which to vote. No, no, we are not satisfied, and we will not be satisfied until "justice rolls down like waters, and righteousness like a mighty stream."¹ I am not unmindful that some of you have come here out of great trials and tribulations. Some of you have come fresh from narrow jail cells. And some of you have come from areas where your quest -quest for freedom left you battered by the storms of persecution and staggered by the winds of police brutality. You have been the veterans of creative suffering. Continue to work with the faith that unearned suffering is redemptive. Go back to Mississippi, go back to Alabama, go back to South Carolina, go back to Georgia, go back to Louisiana, go back to the <?page no="314"?> 314 slums and ghettos of our northern cities, knowing that somehow this situation can and will be changed. Let us not wallow in the valley of despair, I say to you today, my friends. And so even though we face the difficulties of today and tomorrow, I still have a dream. It is a dream deeply rooted in the American dream. I have a dream that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: "We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal." I have a dream that one day on the red hills of Georgia, the sons of former slaves and the sons of former slave owners will be able to sit down together at the table of brotherhood. I have a dream that one day even the state of Mississippi, a state sweltering with the heat of injustice, sweltering with the heat of oppression, will be transformed into an oasis of freedom and justice. I have a dream that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character. I have a dream today! I have a dream that one day, down in Alabama, with its vicious racists, with its governor having his lips dripping with the words of "interposition" and "nullification" -one day right there in Alabama little black boys and black girls will be able to join hands with little white boys and white girls as sisters and brothers. I have a dream today! I have a dream that one day every valley shall be exalted, and every hill and mountain shall be made low, the rough places will be made plain, and the crooked places will be made straight; "and the glory of the Lord shall be revealed and all flesh shall see it together."2 This is our hope, and this is the faith that I go back to the South with. With this faith, we will be able to hew out of the mountain of despair a stone of hope. With this faith, we will be able to transform the jangling discords of our nation into a beautiful symphony of brotherhood. With this faith, we will be able to work together, to pray together, to struggle together, to go to jail together, to stand up for freedom together, knowing that we will be free one day. And this will be the day -this will be the day when all of God's children will be able to sing with new meaning: My country 'tis of thee, sweet land of liberty, of thee I sing. Land where my fathers died, land of the Pilgrim's pride, From every mountainside, let freedom ring! And if America is to be a great nation, this must become true. And so let freedom ring from the prodigious hilltops of New Hampshire. Let freedom ring from the mighty mountains of New York. Let freedom ring from the heightening Alleghenies of Pennsylvania. Let freedom ring from the snow-capped Rockies of Colorado. Let freedom ring from the curvaceous slopes of California. But not only that: <?page no="315"?> 315 Let freedom ring from Stone Mountain of Georgia. Let freedom ring from Lookout Mountain of Tennessee. Let freedom ring from every hill and molehill of Mississippi. From every mountainside, let freedom ring. And when this happens, when we allow freedom ring, when we let it ring from every village and every hamlet, from every state and every city, we will be able to speed up that day when all of God's children, black men and white men, Jews and Gentiles, Protestants and Catholics, will be able to join hands and sing in the words of the old Negro spiritual: Free at last! Free at last! Thank God Almighty, we are free at last! 2. Barack Obama: State of the Union-Speech 2009 (verwendet in Hauptstudie) Gehalten am 24. Februar 2009 in Washington, D.C. Im Unterricht wurde die folgende, leicht gekürzte Version verwendet: [Introduction] Madame Speaker, Mr. Vice President, members of Congress, and the first lady of the United States: I’ve come here tonight not only to address the distinguished men and women in this great chamber, but to speak frankly and directly to the men and women who sent us here. I know that for many Americans watching right now, the state of our economy is a concern that rises above all others. And rightly so. If you haven’t been personally affected by this recession, you probably know someone who has -a friend; a neighbor; a member of your family. You don’t need to hear another list of statistics to know that our economy is in crisis, because you live it every day. It’s the worry you wake up with and the source of sleepless nights. It’s the job you thought you’d retire from but now have lost; the business you built your dreams upon that’s now hanging by a thread; the college acceptance letter your child had to put back in the envelope. The impact of this recession is real, and it is everywhere. But while our economy may be weakened and our confidence shaken; though we are living through difficult and uncertain times, tonight I want every American to know this: We will rebuild, we will recover, and the United States of America will emerge stronger than before. The weight of this crisis will not determine the destiny of this nation. The answers to our problems don’t lie beyond our reach. They exist in our laboratories and universities; in our fields and our factories; in the imaginations of our entrepreneurs and the pride of the hardest-working people on Earth. <?page no="316"?> 316 Those qualities that have made America the greatest force of progress and prosperity in human history we still possess in ample measure. What is required now is for this country to pull together, confront boldly the challenges we face, and take responsibility for our future once more. Now, if we’re honest with ourselves, we’ll admit that for too long, we have not always met these responsibilities -- as a government or as a people. I say this not to lay blame or look backwards, but because it is only by understanding how we arrived at this moment that we’ll be able to lift ourselves out of this predicament. The fact is, our economy did not fall into decline overnight. Nor did all of our problems begin when the housing market collapsed or the stock market sank. We have known for decades that our survival depends on finding new sources of energy. Yet we import more oil today than ever before. The cost of healthcare eats up more and more of our savings each year, yet we keep delaying reform. Our children will compete for jobs in a global economy that too many of our schools do not prepare them for. And though all these challenges went unsolved, we still managed to spend more money and pile up more debt, both as individuals and through our government, than ever before. In other words, we have lived through an era where too often, short-term gains were prized over long-term prosperity; where we failed to look beyond the next payment, the next quarter, or the next election. A surplus became an excuse to transfer wealth to the wealthy instead of an opportunity to invest in our future. Regulations were gutted for the sake of a quick profit at the expense of a healthy market. People bought homes they knew they couldn’t afford from banks and lenders who pushed those bad loans anyway. And all the while, critical debates and difficult decisions were put off for some other time on some other day. Well, that day of reckoning has arrived, and the time to take charge of our future is here. Now is the time to act boldly and wisely -to not only revive this economy, but to build a new foundation for lasting prosperity. Now is the time to jump-start job creation, restart lending, and invest in areas like energy, healthcare, and education that will grow our economy, even as we make hard choices to bring our deficit down. That is what my economic agenda is designed to do, and that’s what I’d like to talk to you about tonight. […] [On Education] The third challenge we must address is the urgent need to expand the promise of education in America. In a global economy where the most valuable skill you can sell is your knowledge, a good education is no longer just a pathway to opportunity -it is a prerequisite. Right now, three-quarters of the fastest-growing occupations require more than a high school diploma. And yet, just over half of our citizens have that level of edu- <?page no="317"?> 317 cation. We have one of the highest high school dropout rates of any industrialized nation. And half of the students who begin college never finish. This is a prescription for economic decline, because we know the countries that out-teach us today will out-compete us tomorrow. That is why it will be the goal of this administration to ensure that every child has access to a complete and competitive education -from the day they are born to the day they begin a career. Already, we have made an historic investment in education through the economic recovery plan. We have dramatically expanded early-childhood education and will continue to improve its quality, because we know that the most formative learning comes in those first years of life. We have made college affordable for nearly 7 million more students. And we have provided the resources necessary to prevent painful cuts and teacher layoffs that would set back our children’s progress. But we know that our schools don’t just need more resources. They need more reform. That is why this budget creates new incentives for teacher performance; pathways for advancement, and rewards for success. We’ll invest in innovative programs that are already helping schools meet high standards and close achievement gaps. And we will expand our commitment to charter schools. It is our responsibility as lawmakers and educators to make this system work. But it is the responsibility of every citizen to participate in it. And so tonight, I ask every American to commit to at least one year or more of higher education or career training. This can be community college or a four-year school; vocational training or an apprenticeship. But whatever the training may be, every American will need to get more than a high school diploma. And dropping out of high school is no longer an option. It’s not just quitting on yourself, it’s quitting on your country -and this country needs and values the talents of every American. That is why we will provide the support necessary for you to complete college and meet a new goal: By 2020, America will once again have the highest proportion of college graduates in the world. I know that the price of tuition is higher than ever, which is why if you are willing to volunteer in your neighborhood or give back to your community or serve your country, we will make sure that you can afford a higher education. And to encourage a renewed spirit of national service for this and future generations, I ask this Congress to send me the bipartisan legislation that bears the name of Sen. Orrin Hatch as well as an American who has never stopped asking what he can do for his country -- Sen. Edward Kennedy. These education policies will open the doors of opportunity for our children. But it is up to us to ensure they walk through them. In the end, there is no program or policy that can substitute for a mother or father who will attend those parent/ teacher conferences, or help with homework after dinner, or turn off the TV, put away the video games, and read to their child. I speak to you not just as a president but as a father when I say that responsibility for our children's education must begin at home. [...] <?page no="318"?> 318 [Conclusion: At the crossroads of history] As we stand at this crossroads of history, the eyes of all people in all nations are once again upon us -watching to see what we do with this moment; waiting for us to lead. Those of us gathered here tonight have been called to govern in extraordinary times. It is a tremendous burden, but also a great privilege -one that has been entrusted to few generations of Americans. For in our hands lies the ability to shape our world for good or for ill. I know that it is easy to lose sight of this truth - to become cynical and doubtful; consumed with the petty and the trivial. But in my life, I have also learned that hope is found in unlikely places; that inspiration often comes not from those with the most power or celebrity, but from the dreams and aspirations of Americans who are anything but ordinary. I think about Leonard Abess, the bank president from Miami who reportedly cashed out of his company, took a $60-million bonus, and gave it out to all 399 people who worked for him, plus another 72 who used to work for him. He didn’t tell anyone, but when the local newspaper found out, he simply said, ''I knew some of these people since I was 7 years old. I didn't feel right getting the money myself.” I think about Greensburg, Kan., a town that was completely destroyed by a tornado, but is being rebuilt by its residents as a global example of how clean energy can power an entire community -- how it can bring jobs and businesses to a place where piles of bricks and rubble once lay. “The tragedy was terrible,” said one of the men who helped them rebuild. “But the folks here know that it also provided an incredible opportunity.” And I think about Ty’Sheoma Bethea, the young girl from that school I visited in Dillon, S.C. -- a place where the ceilings leak, the paint peels off the walls, and they have to stop teaching six times a day because the train barrels by their classroom. She has been told that her school is hopeless, but the other day after class she went to the public library and typed up a letter to the people sitting in this chamber. She even asked her principal for the money to buy a stamp. The letter asks us for help, and says, “We are just students trying to become lawyers, doctors, congressmen like yourself and one day president, so we can make a change to not just the state of South Carolina but also the world. We are not quitters.” We are not quitters. These words and these stories tell us something about the spirit of the people who sent us here. They tell us that even in the most trying times, amid the most difficult circumstances, there is a generosity, a resilience, a decency, and a determination that perseveres; a willingness to take responsibility for our future and for posterity. Their resolve must be our inspiration. Their concerns must be our cause. And we must show them and all our people that we are equal to the task before us. I know that we haven’t agreed on every issue thus far, and there are surely times in the future when we will part ways. But I also know that every American who is <?page no="319"?> 319 sitting here tonight loves this country and wants it to succeed. That must be the starting point for every debate we have in the coming months, and where we return after those debates are done. That is the foundation on which the American people expect us to build common ground. And if we do -- if we come together and lift this nation from the depths of this crisis; if we put our people back to work and restart the engine of our prosperity; if we confront without fear the challenges of our time and summon that enduring spirit of an America that does not quit, then someday years from now our children can tell their children that this was the time when we performed, in the words that are carved into this very chamber, “something worthy to be remembered.” Thank you, God bless you, and may God bless the United States of America. <?page no="321"?> In dieser Studie wird der Frage nachgegangen, wie sich hochrangige und komplexe Schreib- und Ausdruckskompetenzen im Fach Englisch modellieren lassen und wie entsprechende Lernarrangements in der Praxis umgesetzt und evaluiert werden können. Im ersten Teil wird ein Lernarrangement für die Gymnasiale Oberstufe theoretisch fundiert und didaktisch ausgearbeitet. Dabei kommen peer-review, Musteranalysen und Lernportfolios zum Einsatz. Im zweiten Teil werden die Resultate einer Evaluation mit Versuchs- und Vergleichsgruppe geschildert. Dabei wird besonders auch auf Fragen der Messung und Evaluation von komplexen Schreibkompetenzen eingegangen. Im dritten Teil schließlich werden Konsequenzen für die Weiterentwicklung des Englischen Schreibunterrichts aufgezeigt, und zwar von der Unterstufe bis zum Ende der Sekundarstufe. Dabei wird ein integratives Modell der Schreibförderung dargestellt und begründet. Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
