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Nero und Domitian

Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich

0618
2014
978-3-8233-7813-6
978-3-8233-6813-7
Gunter Narr Verlag 
Sophia Bönisch
Lisa S. Cordes
Verena Schulz
Anne Wolsfeld
Martin Ziegert

Nero und Domitian, die bis heute nicht nur in der Populärkultur als mali principes gelten, sind bislang zumeist einzeln oder im Kontext ihrer eigenen Dynastien untersucht worden. Dieser Band unternimmt erstmals den Versuch, die Herrscherrepräsentation beider Kaiser im Vergleich zu analysieren. Durch eine solche komparative Herangehensweise sollen die spezifischen Profile ihrer Herrschaft, Kontinuitäten und Brüche in ihrer Repräsentation sowie Transgressionen bestehender Normen herausgearbeitet werden. Dafür werden die Darstellungen beider Kaiser in den verschiedenen Medien - in der Literatur, in Inschriften, Bildnissen und Münzen - aus der Perspektive mehrerer altertumswissenschaftlicher Fachdisziplinen betrachtet. Ziel ist es, so die verschiedenen Strategien und Praktiken ihrer Repräsentation zu untersuchen und dabei die Diskurse der neronischen und domitianischen Herrschaft nachzuzeichnen.

<?page no="0"?> CLASSICA MONACENSIA Nero und Domitian Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich Herausgegeben von Sophia Bönisch-Meyer, Lisa Cordes, Verena Schulz, Anne Wolsfeld und Martin Ziegert <?page no="1"?> Nero und Domitian <?page no="2"?> CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegeben von Martin Hose und Claudia Wiener Band 46 · 2014 <?page no="3"?> Sophia Bönisch-Meyer / Lisa Cordes Verena Schulz / Anne Wolsfeld / Martin Ziegert (Hrsg.) Nero und Domitian Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0941-4274 ISBN 978-3-8233-6813-7 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort....................................................................................................................vii I. Einleitung ...................................................................................................... 3 II. Methodisch-terminologische Perspektiven 1. Martin Hose - Therese Fuhrer Repräsentation und Diskurs: Methodische Vorüberlegungen ............. 11 2. Ruurd R. Nauta Mali principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes ..... 25 III. Archäologisch-historische Perspektiven: Darstellung und Wirkung 3. Reinhard Wolters - Martin Ziegert Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich................................................................................................. 43 4. Sophia Bönisch-Meyer - Christian Witschel Das epigraphische Image des Herrschers. Entwicklung, Ausgestaltung und Rezeption der Ansprache des Kaisers in den Inschriften Neros und Domitians ................................................................................. 81 5. Anne Wolsfeld Der Kaiser im Panzer. Die bildliche Darstellung Neros und Domitians im Vergleich ........................................................................... 181 6. Alexander Heinemann Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom............................................................................................ 217 7. Egon Flaig Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz. Überlegungen zum Nerobild beim Brand Roms .................................. 265 8. Sabine Müller Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien............................. 283 <?page no="6"?> IV. Literarische Perspektiven: Kaiser und Tyrann 9. Carole E. Newlands Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38)? ........................................ 319 10. Lisa Cordes Preferred Readings: von Seneca zu Statius ............................................... 341 11. Knut Backhaus Der Tyrann als Topos. Nero/ Domitian in der frühjüdischfrühchristlichen Wahrnehmung ............................................................. 379 12. Verena Schulz Nero und Domitian bei Cassius Dio. Zwei Tyrannen aus der Sicht des 3. Jh. n. Chr ......................................................................... 405 V. Schlussfolgerungen: Herrscherrepräsentation in synchroner und diachroner Perspektive ................................................................... 437 Indices.................................................................................................................... 451 Stellenindex ........................................................................................................... 451 Sachindex ............................................................................................................... 470 Namensindex ........................................................................................................ 475 Ortsindex ............................................................................................................... 480 Museumsindex...................................................................................................... 484 <?page no="7"?> Vorwort Der vorliegende Band präsentiert die Ergebnisse der interdisziplinären Tagung „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“, die am 24. und 25. Februar 2012 an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg stattfand. Das Konzept zu dieser Tagung ging aus dem interuniversitären altertumswissenschaftlichen Verbundprojekt „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation“ hervor, das insgesamt vier Teilprojekte mit unterschiedlichen disziplinären Schwerpunkten umfasste. Dieses Projekt, die Tagung und der daraus entstandene Band wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, wofür wir an dieser Stelle unseren Dank aussprechen möchten. Für die inhaltliche Beratung und organisatorische Unterstützung bei diesem Band sowie die fachliche Betreuung bei Einzelfragen und die zahlreichen Anregungen bei unseren Arbeitstreffen danken wir unseren ProjektleiterInnen: Prof. Dr. Therese Fuhrer (Latinistik/ München), Prof. Dr. Martin Hose (Gräzistik/ München), Prof. Dr. Ralf von den Hoff (Klassische Archäologie/ Freiburg) und Prof. Dr. Christian Witschel (Alte Geschichte und Epigraphik/ Heidelberg). Prof. Dr. Reinhard Wolters (Numismatik/ Wien) hat unsere gemeinsamen Workshops inhaltlich sehr bereichert. Von den Diskussionen über die altertumswissenschaftlichen Fachgrenzen hinaus durften unsere Arbeiten dabei stets stark profitieren. Gedankt sei zudem Anna-Lena Stock für die Erarbeitung des Stellenindexes und ihre Unterstützung bei der Überprüfung sämtlicher Indices sowie den MitarbeiterInnen des Narr-Verlags Celestina Filbrandt und Dr. Bernd Villhauer für ihre Betreuung bei der Erstellung des Bandes. Freiburg, München, Wien, im März 2014 Die HerausgeberInnen <?page no="9"?> I. Einleitung <?page no="11"?> Einleitung Nero und Domitian: Diese beiden Principes verkörpern bis heute nicht nur in der Populärkultur die Vorstellung von einem schlechten Kaiser. Die antiken Zeugnisse zu ihrer Person und Herrschaft sind jedoch durchaus disparat. Welches Bild ergibt sich, wenn man die Herrscherrepräsentationen in den verschiedenen Medien zusammenträgt? Wie entstand die postume Darstellung dieser Kaiser als mali principes? Zur Beantwortung solcher Fragen muss man die Diskurse, die diese Herrscher umgeben, mittels einer interdisziplinären Herangehensweise untersuchen. Dies war das Ziel der Tagung „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“, deren Ergebnisse im vorliegenden Band präsentiert werden. Die einzelnen Untersuchungen dieses Bandes widmen sich explizit dem Vergleich des letzten julisch-claudischen und des letzten flavischen Herrschers. Da beide Principes bislang isoliert oder lediglich im Kontext ihrer eigenen Dynastien betrachtet wurden, sollen sie nun erstmals in wechselseitiger Beleuchtung interpretiert werden. Mittels dieser komparativen Herangehensweise sollen die spezifischen Profile ihrer Herrschaft sowie die Besonderheiten und Innovationen, Kontinuitäten und Brüche in ihrer Repräsentation ermittelt werden (zum Begriff der Repräsentation vgl. Hose u. Fuhrer S. 12). Ziel ist es, die Herrscherdiskurse des neronischen und domitianischen Regimes nachzuzeichnen sowie die Praktiken, Formen und medialen Strategien ihrer Repräsentation zu untersuchen. Dafür werden die Darstellungen beider Kaiser in den verschiedenen Medien, d. h. in der Literatur, den Inschriften, Bildnissen und Münzen in den Blick genommen. So sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Nero und Domitian in Bezug auf ihre Herrscherrollen, mögliche Transgressionen etablierter Normen der Repräsentation und ihr jeweiliges Verhältnis zu den sozialen Gruppen im Reich herausgearbeitet werden. Der Ausgangspunkt für dieses Vorhaben ist die These, dass sich in der Repräsentation des Princeps im frühen, rechtlich schwach fundierten Prinzipat ein vielschichtiger Kommunikationsprozess zwischen dem Herrscher und den verschiedenen Gruppen des Reiches vollzieht, in dem die Grenzen und Normen der Herrscherrolle verhandelt werden können. Denn die Repräsentation des Princeps umfasst ein breites Spektrum an Erscheinungsformen, die teilweise vom Kaiser und seinem Umfeld ausgehen, teilweise aber auch als Angebote und Erwartungen an ihn herangetragen werden können. Da dieser Prozess in den verschiedenen Medien der Repräsentation greifbar wird, kann er gewinnbringend nur von allen altertumswissenschaftlichen Fächern gemeinsam untersucht werden. Dies soll durch den interdisziplinären Ansatz des vorliegenden Bandes geleistet werden. Dieser Untersuchung wenden wir uns aus diskursanalytischer Perspektive zu, um so den Versuch zu unternehmen, die Herrscherdiskurse über <?page no="12"?> Einleitung 4 Nero und Domitian zu rekonstruieren. Diskursiv fassbar sind neben der Repräsentation des jeweiligen Herrschers in den unterschiedlichen Medien die vielfältigen Reaktionen der Akteure auf bestimmte Elemente dieser herrscherlichen Darstellung. Diese können wiederum seitens der Kaiser rezipiert werden und Veränderungen in der Repräsentation hervorrufen. Demnach sind die Bereiche, in denen sich Normüberschreitungen in der Repräsentation und die Zurückweisung (oder auch Akzeptanz) solcher Veränderungen durch die Akteure beobachten lassen - wie es für die mali principes des 1. Jahrhunderts der Fall ist -, von großem heuristischen Wert für die Untersuchung der kommunikativen Prozesse unter den Kaisern des frühen Prinzipats. Aus dieser Prämisse einer besonderen Signifikanz der ‚schlechten‘ Kaiser ergibt sich die Fokussierung auf Nero und Domitian im vorliegenden Band. Das Konzept des dargestellten Vorhabens entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Verbundprojektes „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation“ unter der Leitung von Prof. Dr. Therese Fuhrer (Latinistik), Prof. Dr. Martin Hose (Gräzistik), Prof. Dr. Ralf von den Hoff (Klassische Archäologie) und Prof. Dr. Christian Witschel (Alte Geschichte und Epigraphik) sowie mit Unterstützung von Prof. Dr. Reinhard Wolters (Numismatik). Der vorliegende Band ist in drei Abschnitte gegliedert: 1. In einem einleitenden Abschnitt erläutern zunächst Martin Hose und Therese Fuhrer die hier bereits angedeuteten methodischen Grundlagen des Projekt- und Tagungskonzeptes: Sie definieren den in diesem Band verwendeten Begriff der Repräsentation und erläutern den methodischen Zugriff der Diskursanalyse. Zudem gehen sie näher auf die Kommunikationsprozesse ein, in denen die Repräsentation des Herrschers verhandelt wird. Im Anschluss befasst sich Ruurd Nauta mit der Entstehung des terminologischen Gegensatzes zwischen boni und mali principes. Dieser findet sich zuerst in Plinius’ Panegyricus, wo er ein zentrales Gestaltungsmerkmal des Textes darstellt. Dass sich die Terminologie in dieser Zeit entwickelt, führt Nauta auf das Antragen des Titels optimus an Trajan durch den Senat zurück, dem Plinius den pessimus princeps Domitian entgegenstellt, während er gleichzeitig Nerva zu den boni principes zählt. Der generalisierende Plural mali bezieht sich in den meisten Fällen auf Domitian alleine; wenn dagegen noch ein anderer Princeps gemeint ist, ist es stets Nero. So hat die Terminologie nicht nur einen rhetorischen Effekt, sondern dient vor allem der Bildung einer Kategorie, in die Domitian entgegen seiner Selbstdarstellung gemeinsam mit Nero eingeordnet werden kann. 2. Ein folgender Abschnitt betrachtet Nero und Domitian aus archäologischhistorischer Perspektive. Untersucht werden zum einen die Repräsentation der Principes in den unterschiedlichen Zeugnisgruppen (Münzen, Inschrif- <?page no="13"?> Einleitung 5 ten, Bildnisse), zum anderen die Wirkung dieser Repräsentation auf die verschiedenen Gruppen des Reiches. Reinhard Wolters und Martin Ziegert analysieren die Münzen der Reichsprägung beider Kaiser im Hinblick auf Kontinuitäten und Brüche. Dabei wird deutlich, dass unter Nero zunächst familiäre und senatsnahe Münzmotive geprägt werden, dann aber um 64 n. Chr. mit einer Münzreform ein radikaler Bruch eintritt. Mit der Veränderung des Prägestandards und der -organisation wird auch mit den Darstellungskonventionen der Vorgänger gebrochen und der Kaiser erstmals zu Lebzeiten mit göttlichen Attributen versehen. Auch unter Domitian werden anfangs die Reverstypen seines Vorgängers weitergeprägt, dann aber ein auf wenige Typen reduziertes Bildprogramm konzipiert, das stark auf die Inszenierung seiner Sieghaftigkeit sowie auf Minerva ausgerichtet ist. Einige der innovativen ikonographischen Motive beider Kaiser werden nicht als negative Grenzerweiterung abgelehnt, sondern gehen in das Münzbildrepertoire ihrer Nachfolger ein. Sophia Bönisch-Meyer und Christian Witschel untersuchen, inwieweit sich in Inschriften Neros und Domitians ein von den etablierten Normen der kaiserlichen Repräsentation abweichendes Profil abzeichnet. Dabei wird deutlich, dass sich sowohl die von den Herrschern selbst ausgestaltete, offizielle Kaisertitulatur als auch rühmende Epitheta, die ihnen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Inschriften beigelegt werden, in eine längerfristige Entwicklung einordnen lassen. Die Analyse des Gesamtbestandes an überlieferten Inschriften und ihrer regionalen Verteilung zeigt zudem, dass es oft Initiativen von bestimmten Personengruppen oder sogar von Einzelpersonen sind, die für die Dichte an epigraphischen Monumenten in einzelnen Regionen verantwortlich sind. Anne Wolsfeld trägt die Darstellungen des Kaisers im Brustpanzer in den verschiedenen Bildmedien zusammen, um so Veränderungsprozesse zu beschreiben, die von Augustus bis zu Domitian zu greifen sind. Zu Beginn des Prinzipats dominiert die zivile Rolle des Kaisers, während Panzerdarstellungen nur vereinzelt und in privaten Kontexten zu finden sind. Mit Nero sind dann eine generelle Zunahme von Darstellungen des militärisch aktiven Imperators und die Akzeptanz solcher Darstellungen auch in den öffentlichen Medien festzustellen. Mit den Flaviern und Domitian ist die militärische Rolle des Princeps schließlich vollends in der Herrscherrepräsentation etabliert und in einem breiten Spektrum an Bildmedien nachzuweisen. Die bildliche Darstellung der militärischen virtus des Kaisers ist jedoch - vor allem für Nero - nicht ausschließlich an reale militärische Leistungen gebunden, sondern wird im ersten Jahrhundert zunehmend als ehrende Qualität von den Stiftern an ihn herangetragen. Alexander Heinemann arbeitet die Unterschiede in der kommunikativen und sozialen Funktion der von Nero und Domitian gestifteten Agone heraus. Während bei den Neronia die lokale Elite zur Partizipation ermuntert <?page no="14"?> Einleitung 6 wird und die Spiele mit der Teilnahme Neros vor allem seiner Selbstinszenierung dienen, werden die von Domitian zu Ehren des Jupiter abgehaltenen Capitolia ausschließlich von internationalen Athleten bestritten und wirken durch die Einbindung in die griechische Wettkampfwelt integrativ. Komplementär zu den öffentlichen Agonen halten beide Kaiser in römischer Tradition stehende Jugendspiele auf privatem Grund ab, in denen Nero erneut als Teilnehmer agiert. Im Gegensatz zu den neronischen Spielen, deren Teilnahmebedingungen Gefahr laufen, die öffentliche Kommunikation umzuwälzen, ist das Fortbestehen der domitianischen Spiele aufgrund ihres kulturellen und politischen Stellenwerts über den Tod des Princeps hinaus gesichert. Egon Flaig untersucht die Kommunikation Neros und Domitians mit den Untertanen und ihre Wirkung auf die Gruppen des Reiches, um auf dieser Basis den Sturz beider Kaiser zu erklären. Grundlegend dafür ist seine Annahme, dass der römische Princeps mit seiner ‚Imago‘ den Erwartungen unterschiedlicher politischer Gruppen zu genügen hat und im Fall einer Transgression der als fundamental erachteten Normen gestürzt werden kann. Die neuen, autoritären Herrschaftsmodalitäten Domitians unterbinden eine Interaktion zwischen ihm und den Bürgern und gipfeln in einer einseitigen Kommunikation. Nero hingegen scheitert auf Grund von Überkommunikation, die sich u. a. in seinen normverletzenden öffentlichen Auftritten vor Publikum äußert. Diese schüren auch das Gerücht, er habe den Brand Roms zu verantworten, und lässt ihn schließlich die Akzeptanz der hauptstädtischen Bürger verlieren. Sabine Müller untersucht die Wirkung der Repräsentation Neros und Domitians auf die Bevölkerung in den östlichen Provinzen. Durch die Analyse ausgewählter Repräsentationselemente, die entweder an diese gerichtet sind oder als hellenistisch-iranische Übernahmen gelten, zeigt sie, dass Nero vor allem in Achaia wegen seiner Freiheitsproklamation und im Partherreich wegen des unter seiner Regierung erreichten Ausgleichs in der Armenienfrage beliebt ist; dagegen sind seine öffentlichen Auftritte als Künstler auch in der östlichen Herrscherrepräsentation ohne Vorbild. Domitian, dessen Repräsentation Elemente aufweist, die den Herrscher stark sakral überhöhen, ist hingegen für die Bewohner der östlichen Reichsteile mit ihrem Sozialisierungshintergrund ein akzeptanzfähiger Herrscher. 3. Die Beiträge des dritten Abschnittes widmen sich den Diskursen über Nero und Domitian in der Literatur. Sie analysieren einerseits die literarische Modellierung der Kaiser zu ihren Lebzeiten, andererseits die postume Entstehung ihrer Darstellung als Tyrannen. Carole Newlands nimmt die kulturellen Repräsentationselemente beider Kaiser in den Blick, v. a. ihre dichterischen Leistungen. Dabei zeigt sie, dass die unterschiedlichen Bewertungen von Domitian als Dichter besser zu verstehen sind, wenn man sie auch auf Neros Repräsentation als Dichter be- <?page no="15"?> Einleitung 7 zieht: Domitian selbst bemüht sich bei all seinen künstlerischen Aktivitäten um Abgrenzung von Nero. Sein eigenes Dichten wird von Zeitgenossen positiv bzw. höchstens ambivalent gesehen. Spätere Quellen hingegen betonen Domitians Nähe zu Nero und stellen ihn auch in Hinblick auf seine Aktivitäten als Dichter als eine schlechtere Version des letzten julischclaudischen Kaisers dar. Lisa Cordes untersucht, mit welchen Mitteln ambivalente Kategorien wie Göttlichkeit und Kolossalität in der literarischen Panegyrik für Nero und Domitian jeweils positiv codiert werden. Sie zeigt, dass man in Statius’ Silvae zahlreiche Hinweise findet, die das Potential haben, den Rezipienten zu einer positiven Lektüre der Texte sowie der darin beschriebenen Repräsentation des Herrschers in anderen Medien zu führen. In der neronischen Panegyrik ist eine derartige Absicherung des Lobes dagegen nur vereinzelt zu beobachten. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied sieht Cordes in der negativen Umkodierung des Nerobildes in flavischer Zeit. Diese habe zu einem verstärkten Bewusstsein für das Risiko einer oppositionellen Lektüre des Herrscherlobes geführt, das sich wiederum in einem größeren rhetorischen Aufwand bei der Präsentation ambivalenter Aspekte niedergeschlagen habe. Knut Backhaus widmet sich der Verarbeitung der neronischen und domitianischen Repräsentation in den frühjüdisch-frühchristlichen Quellen. Er zeigt, dass die exzentrischen Elemente in der Selbstdarstellung Neros wie insbesondere sein Künstlertum und die Krönung des Tiridates - von seiner Person gelöst, dämonisiert und mit dem Topos des Christenverfolgers verschmolzen - Eingang in die Texte finden oder er selbst als apokalyptische Gestalt erscheinen kann. Domitian bleibt dagegen im Evangelium nach Lukas, der Apostelgeschichte und den frühjüdischen Oracula Sibyllina farblos. Dagegen wird er in der Johannes-Apokalypse als Nero redivivus und nach der damnatio memoriae in der frühchristlichen Erinnerungsstrategie als zweiter Christenverfolger dargestellt. So sollen die Christen der Ursprungszeit heroisiert und in Konfrontation mit den mali principes als boni homines ausgewiesen werden. Verena Schulz befasst sich mit der Darstellung Neros und Domitians als Tyrannen bei Cassius Dio. Als grundlegend für die negative Schilderung der beiden erweist sich das Verfahren der ,Dekomposition‘: Am Beispiel von Neros Bewertung als Künstler und der Einschätzung Domitians als eines siegreichen und beliebten Autokraten zeigt Schulz, wie Cassius Dio ursprünglich positiv codierte Repräsentationselemente durch verschiedene rhetorische Mechanismen in negative verkehrt. Dabei wird durch den Vergleich mit Sueton und Tacitus deutlich, dass Cassius Dios literarische Inszenierung beider Kaiser stark durch die zeitgenössischen Umstände des frühen 3. Jahrhunderts bestimmt ist, auf die der Historiker, Schriftsteller und Politiker mit seiner kritischen Darstellung reagiert. <?page no="16"?> Einleitung 8 Die Untersuchungen der fachspezifischen Beiträge, die jeweils einzelne Aspekte der Herrscherrepräsentation Neros und Domitians in den Blick nehmen, werden in einem abschließenden Kapitel zusammengeführt. Mittels einer solchen Zusammenschau verschiedener Medien der Repräsentation soll der Kommunikationsprozess zwischen Princeps und Untertanen, der sich in dieser Repräsentation zeigt, auf synchroner wie diachroner Ebene nachgezeichnet und so greifbar gemacht werden. <?page no="17"?> II. Methodisch-terminologische Perspektiven <?page no="19"?> Martin Hose - Therese Fuhrer Repräsentation und Diskurs: Methodische Vorüberlegungen 1. Ein Kaiser in Trapezunt Es war das Jahr 131. Flavius Arrianus hatte sein Amt als legatus Augusti pro praetore in der Provinz Kappadokien angetreten und sich auf eine Inspektionsreise durch die ihm anvertrauten Gebiete begeben. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Schwarzmeerküste. Nahe der Stadt Trapezunt wollte er offenbar eine Tour entlang der Küste beginnen. Der Ort war symbolisch, hatte doch dort Xenophon, zu dem sich Arrian kongenial sah, mit seinen Zehntausend das Meer erreicht. Zugleich bot sich dort die Gelegenheit, die Baustelle eines Heiligtums zu inspizieren, das wohl anlässlich des Besuchs des Kaisers Hadrian im Jahr 131 in Auftrag gegeben worden war, der, so hat man vermutet, den Ausbau des Hafens von Trapezunt angeordnet hatte. 1 Arrian findet wenig, was ihn erfreut - so jedenfalls teilt er Hadrian mit: Die Altäre seien zwar errichtet, doch aus so grobem Stein, dass die Inschriften nicht lesbar seien, der Text der Inschriften sei zudem fehlerhaft. Er habe angewiesen, die Altäre aus weißem Stein neu zu fertigen und die Inschriften mit deutlich lesbaren Buchstaben einzumeißeln. Er fährt fort: „Dein Standbild ist errichtet, annehmbar in der Haltung - es weist nämlich auf das Meer hinaus -, in seiner handwerklichen Machart jedoch weder dir ähnlich noch sonstwie schön! So schicke ein Standbild, das würdig ist, deinen Namen zu tragen, in eben derselben Haltung. Denn der Platz ist sehr geeignet für ein ewiges Gedenken.“ 2 In diesem Bericht des loyalen und ehrgeizigen Statthalters 3 werden Perspektiven und Probleme deutlich, die sich römischen Kaisern, ihren Beamten und den verschiedenen Schichten der Reichsbevölkerung stellten, wenn sie miteinander interagierten. Zwar sind uns wesentliche Komponenten unbekannt, die zur Errichtung des Heiligtums führten. War es eine Stiftung, die die dankbaren Bewohner von Trapezunt unternahmen, oder ein kaiserli- 1 Siehe Ruge (1937) 2216. 2 Arr. Peripl. p. eux. 1,2-4, Zitat 3f.: , - ! "# -, $ % & % '## # · ( ) " '* $ "+ ! - $ . / · - $ 0 01 . 3 Siehe hierzu zuletzt Mayer (2010) 118f.; Ando (2000) 229. <?page no="20"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 12 cher Auftrag, der gleichsam unter der Ägide von Trapezunt ausgeführt werden sollte? Für diese Möglichkeit spricht die Intervention Arrians. Wenn es eine vom Kaiser in Auftrag gegebene Anlage war, welche Funktion und Bedeutung hatte sie aus Sicht des Auftraggebers, welche aus Sicht der Trapezuntier? Feststellen lässt sich: Die Statue des Hadrian bei Trapezunt ‚repräsentiert‘ einen römischen Kaiser, d. h. sie zeigt ihn in einer bestimmten Rolle: der eines Herrschers, der durch einen bestimmten Gestus seine Macht und seine Sorge für die Provinzialen bedeutet. 4 Gleichzeitig wird im Text erkennbar, dass die Aussagekraft eines Ensembles mit Altar, Kaiserstatue und Tempel - für ihn erbittet Arrian eine Hermes- und eine (Apollo-) Philesios-Statue 5 - gestört erscheinen kann, wenn, wie offenbar hier, die Kaiserstatue nicht als Kaiserstatue identifizierbar und überdies: hässlich ist. Diese Textpartie demonstriert prägnant wesentliche Aspekte des in diesem Band verfolgten Forschungsziels und kann in dessen methodische Grundlagen einführen. Denn es wird in ihr sichtbar, dass die römische Herrscherrepräsentation ein Phänomen ist, das verschiedene Medien einbindet: Hier ist von einem Hadrians-Standbild die Rede, und damit ist das Medium des Bildes impliziert, zugleich erwähnt Arrian Inschriften, was auf das Medium Text verweist. Freilich müssen hier weitere Differenzierungen vorgenommen werden, da ein Standbild eine Art Untergruppe im Medienbereich ‚Bild‘ darstellt und sich in weiterer Differenzierung als Kaiser-Standbild in einen speziellen medialen Zusammenhang einreiht, und die Inschriften sich entsprechend in einen ‚epigraphischen‘ medialen Diskurs einschreiben. 6 4 Der hier verwendete Repräsentationsbegriff geht zunächst von dem in den Sozialwissenschaften bzw. in der historischen Forschung (vgl. etwa Alföldi [1980]) üblichen Konzept aus, mit dem das ‚standesgemäße‘ (und hier insbesondere daraufhin befragte) Auftreten innerhalb einer sozialen oder politischen Rolle (die hier in verschiedenen Perspektiven analysiert wird) bezeichnet ist. In den Altertumswissenschaften ist dieser Begriff vor allem in der von Weber u. Zimmermann (2003) 36 vorgenommenen konzeptionellen Präzisierung heuristisch wertvoll und daher viel verwendet: „Repräsentation ist (...) die symbolische, in Text und/ oder Bild übersetzte Wiedergabe der Position, die eine Person oder Gruppe innerhalb der sozialen Schichtung der Gesellschaft einnimmt“. An Weber u. Zimmermann schließt sich daher auch der Gebrauch des Begriffs Repräsentation in diesem Band an, nimmt allerdings noch eine Erweiterung vor, indem nicht nur die ‚Wiedergabe der Position, die eingenommen wird‘ darunter verstanden werden soll, sondern auch die ‚Wiedergabe der Position, die beansprucht wird‘ eingeschlossen sein soll. 5 Peripl. p. eux. 2. 6 Unter ‚Diskurs‘ wird im Folgenden ein multipler Rede-Zusammenhang verstanden, in den ein Autor verwickelt ist, den er aber nicht selbst verantwortet und dessen Strukturen und Funktionen ihm auch nicht notwendigerweise bewusst sein müssen (Japp [1992] 225). Gemäß den theoretischen Grundlagen der pragmatistischen Diskursanalyse sollen Texte nicht als geschlossenes System der Sinngenerierung verstanden werden, sondern als „aufgezeichnete Spuren einer diskursiven Aktivität“, die innerhalb von bestimmten Kontexten stattfindet, mit denen die Texte diskursiv verknüpft sind (Angermüller [2001]). Für das in diesem Band verfolgte Projekt spielt auch die dia- <?page no="21"?> Methodische Vorüberlegungen 13 Überdies finden sich die Informationen über Standbild und Inschriften in einem Text, der ein Brief Arrians an den Kaiser ist, 7 also den Regularien dienstlicher Schreiben zu unterliegen scheint, wie sie etwa in Buch 10 der Briefe des jüngeren Plinius enthalten sind. Zugleich transzendiert der Arrian-Text die Textsorte der Dienstkorrespondenz erheblich, da sich das Schreiben von einer Mitteilung an den Kaiser zu einer ausführlichen Küstenbeschreibung im Stile der sogenannten Periplus-Literatur entwickelt und den ursprünglichen Adressaten immer weiter aus den Augen zu verlieren scheint. Doch gleichzeitig reiht sich dieser Text mit seiner merkwürdigen Mischung aus Dienstschreiben und geographischem Traktat in das Spektrum der Formen kaiserlicher Repräsentation ein, indem er in doppelter Weise an seinem Beginn auf den Kaiser verweist: als Adressaten des Briefes und damit als Vorgesetzten sowie als Statue und damit als visuell repräsentierten Monarchen; und indem der gesamte Text nach Ausweis der Überschrift an den Kaiser gerichtet ist, dieser also als Widmungsträger und damit als Kultur-Mäzen angesprochen wird, kann man den Brief auch in die literarischen Diskurse einreihen, die sich um die kaiserliche Repräsentation legen. Die Repräsentation römischer Kaiser - dies zeigt sich an dem durch Arrian Vermittelten - ist ein Phänomen, das sich in unterschiedlichen medialen Diskursen ausdrückt, die gleichwohl Schnittmengen haben, wenn, wie hier im literarischen Diskurs, auf jeweils andere Medien Bezug genommen wird. Die Erforschung der Repräsentation bedarf daher eines adäquaten Spektrums von Fachkompetenzen, das Archäologie, Alte Geschichte mit Epigraphik und Numismatik sowie Philologie umfasst. Ferner legt unser Beispiel nahe, dass eine Analyse der medialen Diskurse dann ergiebig ist, wenn eine - wie auch immer gelagerte - Störung in diesen Diskursen auftritt, die dazu führt, dass die sonst unbenannten Faktoren, die die Repräsentation prägen, in Diskursbeiträgen selbst thematisiert werden: Wäre das Hadrians- Standbild so, wie es Arrian erwartete, würden wir nicht erfahren, dass Haltung, Ähnlichkeit, Schönheit und Standort einer Kaiserstatue für die kaiserliche Repräsentation bzw. deren Wahrnehmung und Interpretation von entscheidender Bedeutung sein können. chrone Fortführung der Diskurslinien eine Rolle, d. h. der Einbezug der interpretativen Kommentare von Diskursen, die eine Signifikantenkette und damit neue Bedeutungen und Diskurse produzieren (Fohrmann u. Müller [1992] 9-11; Baßler [1999]). Zur Relevanz von Bildern in der historischen Diskursanalyse vgl. die einführende Darstellung von Landwehr (2009), bes. 19-22 und 56-59. 7 So ist jedenfalls der Titel, den der Codex Palatinus gr. 398 (die zweite den Text überliefernde Handschrift, der cod. Londin. Mus. Brit. add. 19391, ist lediglich ein Apograph des Palatinus) mitteilt: 3 $ # - 4 $ 5 6 # .* . Zitiert wird der Text freilich als ‚Periplus‘ durch Stephanus v. Byzanz und Leo Diaconus, vgl. Roos u. Wirth (1968) 103, app. cr. <?page no="22"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 14 2. Warum ist die Repräsentation römischer Kaiser bedeutsam? Dass die Analyse der Repräsentation römischer Kaiser ein zentrales Erkenntnisfeld für ein Verständnis der Kulturgeschichte der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung darstellt, liegt in der Natur des Prinzipats begründet. Denn der Prinzipat ist eine Herrschaftsform, die sich mit den Konzepten der griechisch-römischen Verfassungstheorie kaum adäquat beschreiben ließe. Versuche, ihn ,statisch‘ zu fassen (so etwa in Mommsens berühmter ,Dyarchie‘-These) oder die Principes gar als ,Kaiser‘ monarchisch zu definieren, sind in der Regel nicht in der Lage, die Dynamiken angemessen zu analysieren, die die Entwicklung der Machtrelationen zwischen dem Princeps einerseits und insbesondere dem Senat bzw. der römischen Aristokratie andererseits von der augusteischen Zeit bis zu den Severern kennzeichnen. Vielmehr ist es angesichts der paradoxalen Ausgangssituation, dass sich die „Begründung der Monarchie als Wiederherstellung der Republik“ (Christian Meier) nicht camouflierte, sondern konzeptionalisierte, erforderlich, die Geschichte des Prinzipats unter der Perspektive von ,Verhandlungen‘ 8 zwischen Princeps und Aristokratie, Volk, provinzialen Eliten und Heer zu lesen, in deren Ergebnis sich die Akzeptanz 9 herstellte, die das römische Reich mit der es in den ersten beiden Jahrhunderten kennzeichnenden inneren Stabilität ausstattete. Der Princeps war in der Praxis der Machtausübung in der Hauptsache auf zwei funktionale Rollen festgelegt: die des Richters und die des Wohltäters bzw. Euergeten. 10 Hinzu trat für ihn die Notwendigkeit, sich in bestimmten Räumen kommunikativ zu verhalten, insbesondere im Senat oder etwa bei öffentlichen Spielen im Circus. 11 Angesichts dieser pragmatischen Konstellation war die Repräsentation, das ‚standesgemäße‘ Auftreten des Kaisers, 12 von hoher Bedeutung, da seine Stellung nicht auf durch Gesetz geregelten und fixierten Grundlagen beruhte. 13 Wenn seine Stellung von 8 Siehe zu diesem Begriff unten Abschnitt 3. 9 Siehe hierzu Flaig (1992) 174-207 bzw. unten S. 265-270. 10 So insgesamt Millar (1977), vgl. auch Millar (1967/ 2004). Auf die Debatten, die sich an Millars pointierte Neubestimmung der ‚Arbeit‘ eines Kaisers angeschlossen haben, braucht für die Zwecke dieser Einleitung nicht eingegangen zu werden, hingewiesen sei z. B. auf Bleicken (1982). 11 Dazu etwa Veyne (1976/ 1988). Zur kommunikativen Funktion der kaiserlichen Agone s. auch unten Heinemann S. 217-263. 12 Siehe die Definition oben in Anm. 4. Zur Repräsentation des Kaisers als Dichter, die an der gefährlichen Grenze des Standesgemäßen anzusiedeln ist (und deren Bewertung insbesondere diachron von je verschiedenen Konstellationen geprägt ist), s. u. Newlands S. 319-340. 13 Wenn Flaig (unten S. 265) von einer Legitimation des Prinzipats spricht, die sich daraus ergebe, dass der Prinzipat unbestritten gewesen sei, gebraucht er den Begriff in einer weiteren (und uneigentlichen) Bedeutung, die letztlich allein auf die pragmatische Dimension der Herrschaft ausgerichtet ist. <?page no="23"?> Methodische Vorüberlegungen 15 Senat, römischer Plebs, den provinzialen Eliten und dem Heer akzeptiert wurde, so ergab sich dies aus dem Zusammenspiel von Leistungen des Kaisers als eines Euergeten oder/ und eines Richters mit dem ‚standesgemäßen‘ Auftreten. 14 Das Auftreten bezeichnet ein weites Spektrum von Formen, in denen der Princeps sichtbar wird, das vom persönlichen Erscheinen etwa im Senat oder im Circus über Verkörperungen in Statuen 15 wie der bei Trapezunt bis hin zu literarischen Modellierungen in panegyrischen Gedichten 16 oder Geschichtswerken 17 reicht. Das Auftreten kann sich zudem in Abbreviaturen niederschlagen, so etwa in Münzbildern mit Beischriften 18 oder Titulaturen in Inschriften 19 . All diese verschiedenartigen Formen des Auftretens lassen sich ferner noch in einer weiteren Hinsicht differenzieren: Die mediale Repräsentation eines Kaisers muss nicht von ihm selbst ausgehen. Zwar ist es bei einer Reihe von Repräsentationsformen naheliegend, dass sie vom Kaiser oder wenigstens seinem Beraterkreis geschaffen wurden, so etwa bei bestimmten Titulaturen in Inschriften, bestimmten Porträts usw., die sich der Reichszentrale zuordnen lassen. Für größere Teile kaiserlicher Repräsentation ist dies jedoch nicht sicher oder sogar unwahrscheinlich: Poetische Kaiserpanegyrik etwa kann als Angebot des Dichters an den Kaiser verstanden werden, sich aus einer - freilich schmeichelhaften - Außenperspektive zu betrachten, die zugleich zur Verbreitung in den Eliten in Rom und im Reich genutzt werden kann. Standbilder in den Provinzen können, wie vielleicht anhand des misslungenen Beispiels in Trapezunt erkennbar, auf die Initiative von provinzialen Eliten zurückgehen und unter Umständen von vom Kaiser ausgehenden Bildmustern abweichen. Kurzum: Mit dem Begriff der Repräsentation verbindet sich ein mehrschichtiges Phänomen, das sowohl den Kaiser wie auch - zusammenfassend - seine ‚Untertanen‘ in aktiver wie in passiver Rolle enthält. 3. Verhandlungen in Diskursen Im vorangegangenen Abschnitt wurde der Begriff ‚Verhandlungen‘ eingeführt, um die Dynamiken zu bezeichnen, die im Verhältnis zwischen Princeps und seinen ‚Untertanen‘ in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten erkennbar sind. Mit diesem Begriff ist freilich kein formal geregelter, 14 Prägnant bringt dies der Titel von Bowman (2002) zum Ausdruck: „Representations of Empire“. 15 S. u. Wolsfeld S. 181-216 zu den kaiserlichen Panzerdarstellungen. 16 Zur Panegyrik vgl. unten Cordes S. 341-378. 17 Vgl. unten Schulz 405-434 zu Cassius Dio. 18 Mit der Reichsprägung Neros und Domitians befassen sich Wolters u. Ziegert S. 43-79. 19 Siehe dazu unten Bönisch-Meyer u. Witschel S. 81-179. <?page no="24"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 16 gar juristisch definierter Austausch zwischen genau bestimmten Partnern mit klar definierten Rechtstiteln bezeichnet, 20 sondern, in Anlehnung an Greenblatts Verwendung, 21 ein auf verschiedenen Ebenen ablaufender Kommunikationsprozess zwischen dem Princeps und den übrigen Gruppen in Rom und im Imperium, ein Prozess, der nicht linear verlief, sondern in vielschichtigen Angeboten, Zurückweisungen, Kompromissen oder Zwangsmaßnahmen seine Konkretisierung fand. 22 In Erweiterung des Gebrauchs bei Greenblatt können (und sollen in diesem Band) ‚Verhandlungen‘ nicht allein als synchrone Kommunikationsform - etwa zwischen Princeps und dem Senat, Dichtern und dem Princeps - aufgefasst werden, sondern auch eine diachrone Dimension einschließen, 23 so etwa, wenn in der senatorischen Geschichtsschreibung über einen toten Princeps gehandelt wird. 24 Legt man einen kontinuierlichen synwie diachronen Prozess von ‚Verhandlungen‘ zugrunde, wird es möglich, die Entwicklung des Prinzipats von Augustus bis zu den Severern genauer zu fassen, eine Entwicklung, die von einem an republikanischen Konzepten angelehnten Princeps (bezeichnenderweise gab es ja neben Octavian noch weitere Principes) 25 zu einem Monarchen im frühen 3. Jh. führt. Man kann hierin eine immer deutlicher sich ausbildende ‚Vereindeutigung‘ der Res publica hin zu einer Monarchie diagnostizieren, die konzeptuell so weit geht, dass im 2. Jh. die Monarchie und die ‚Demokratie‘ als im monarchischen Imperium Romanum in perfekter Weise gleichzeitig verwirklicht gedacht werden, 26 dass also ungeachtet der weiterhin gepflegten republikanischen Nomenklatur für staatliche Einrichtungen die Existenz eines Monarchen offen anerkannt wird. Diese Tendenz zur Vereindeutigung geht weder allein vom Princeps aus noch ist eine einfache lineare Progression erkennbar. Denn dem Princeps selbst wurden aus unterschiedlichen Schichten Angebote gemacht, die die monarchische Seite seiner Herrschaft verstärkten. Hierzu gehören etwa die Initiativen griechischer Städte des Ostens, die oh- 20 Zu den mit dem Begriff ‚Verhandlungen‘ auch verbundenen Problemen, die sich insbesondere aus einer Zuspitzung auf den Begriff ‚Aushandeln‘ ergeben, vgl. Flaig unten S. 268-270 mit weiterer Literatur in Anm. 10. 21 Greenblatt (1988/ 1990). 22 Diesen dynamischen Kommunikationsprozess der Herrschaftsrepräsentation analysiert Seelentag (2004) am Beispiel Traians. 23 Zur synchronen und diachronen Perspektive der Herrscherrepräsentation s. auch unten das Kapitel „Schlussfolgerungen“. 24 In der Forschung ist diese Dimension gelegentlich mit einer Gerichtsterminologie angesprochen worden; so pflegt man etwa Tacitus’ Ausführungen zu Augustus in ann. 1,9f. als ‚Totengericht‘ zu bezeichnen, so z. B. Manuwald (1973). 25 Vgl. etwa R. Gest. div. Aug. 12; dazu Timpe (1962). 26 So etwa in Aelius Aristides’ Rom-Rede (or. 26 Keil) § 60; Philostr. AP 5,35. Vgl. dazu Starr (1952); Hahn (1968). <?page no="25"?> Methodische Vorüberlegungen 17 nehin durch die Monarchien des Hellenismus in einer entsprechenden Tradition standen 27 und für die es nahelag, die römischen Principes als Fortsetzung hellenistischer Monarchien zu betrachten. 28 Hierzu gehörten aber auch Dichter und Literaten, die eine Patronage suchten; ja sogar vom Senat gingen Tendenzen aus, dem Princeps mehr monarchische Macht zuzubilligen, als der Princeps selbst erwarten mochte - wie etwa prägnant eine Notiz bei Tacitus zeigt: Tiberius habe jedesmal beim Verlassen der Curia mit dem Ausruf (in griechischer Sprache) „O homines ad servitutem paratos! “ sein Erstaunen über die Bereitwilligkeit der Senatoren, sich auch gegen ihren Willen ihre Freiheit einschränken zu lassen, zum Ausdruck gebracht. 29 Ferner lässt sich keine einfache lineare Progression in der monarchischen Vereindeutigung des Prinzipats erkennen: Zwar ist unübersehbar, dass während der Herrschaft Caligulas, Neros (jedenfalls nach Ende des Quinquenniums 30 ) oder Domitians der Prinzipat stärker autokratische Züge gewann. Doch andererseits scheint der Prinzipat eines Claudius, 31 Vespasian 32 oder Nerva 33 moderat an die republikanischen Traditionen anzuknüpfen. Hierzu fügt sich etwa die senatorische Geschichtsschreibung, die entsprechend zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ 34 bzw. ‚bösen‘ oder gar ‚verrückten‘ 35 Principes unterscheidet. So erscheint es wichtig zu differenzieren zwischen a) ‚Konstellationen‘ 36 relativer Stabilität, also Situationen ausgehandelter Ponderierungen zwischen Princeps und insbesondere Senatsaristokratie und einem entsprechenden Einvernehmen, b) Konstellationen, 27 Vgl. hierzu etwa Chaniotis (2003). 28 Vgl. dazu etwa Price (1984) zu Asia Minor bzw. zusammenfassend Cancik (2003). Zur Wirkung der kaiserlichen Repräsentation Neros und Domitians im Osten des Reiches s. u. Müller S. 283-315. 29 Tac. ann. 3,65: memoriae proditur Tiberium, quoties curia egrederetur, Graecis verbis in hunc modum eloqui solitum ‚o homines ad servitutem paratos! ‘ scilicet etiam illum, qui libertatem publicam nollet, tam proiectae servientium patientiae taedebat. Bei Tacitus findet sich gleichsam ein Katalog entsprechenden Entgegenkommens des Senats, das jeweils, wie in ann. 3,65,2, mit dem Stichwort adulatio negativ konnotiert wird. Vgl. dazu Heldmann (1991). 30 Prägnant kommt das Herrschaftskonzept, das für den noch unter Senecas Einfluss stehenden Nero offenbar propagiert und diskutiert wurde, in der Formel nobilis servitus zum Ausdruck, mit der in Sen. clem. 1,8,1 an entsprechende hellenistische Vorstellungen angeknüpft wird; vgl. dazu Volkmann (1967/ 1975) 76. 31 Vgl. etwa Suet. Claud. 11,1 bzw. 12. 32 Vgl. etwa Suet. Vesp. 12 bzw. 15. 33 Vgl. etwa Tac. hist. 1,1. 34 Zur Denkform und zum terminologischen Gegensatz zwischen boni und mali principes s. Nauta unten S. 25-40. 35 Nero wirft man Größenwahn, Domitian Paranoia vor; zu Nero Kissel (2006), anders Champlin (2005); zu Domitian zuletzt Southern (1997). 36 Der Begriff ‚Konstellation‘ wird hier und im Folgenden in einer breiten Bedeutung verwendet, er soll lediglich bestimmte und bestimmbare Verhältnisse zwischen den Machtgruppen Kaiser, Senat, populus usw. bezeichnen. <?page no="26"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 18 in denen sich der Prinzipat wandelte und dies mit neuen Formen kaiserlicher Repräsentation begleitet wurde, sowie c) Konstellationen, in denen eine Evaluierung der Veränderungen in Prinzipat und Repräsentation vorgenommen wurde. Mit dem Begriff der Konstellation soll angedeutet werden, dass die drei unterschiedenen ‚Aggregatszustände‘ des Verhältnisses von Princeps zu den ‚Untertanen‘ nicht einfach als zeitlich klar voneinander absetzbare, ja aufeinander folgende Phänomene anzusehen sind: So hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass eine Verstärkung der monarchischen Repräsentation Domitians mit Unterstützung durch entsprechende panegyrische Poesie, namentlich durch Statius und Martial, zeitgleich zu einer ‚Flavischen Geschichtsschreibung‘ steht, 37 die die monarchische Repräsentation Neros distanziert-negativ schilderte. Vielmehr ist von unterscheidbaren Diskurslinien auszugehen, die im hier angenommenen Fall zwar Erweiterung und Verengung von monarchischen Spielräumen des Princeps zugleich bedeuten, aber de facto einander insofern nicht widersprechen, als Domitian in seiner Repräsentation darauf bedacht war, sich von Nero abzuheben, 38 die Nero-Kritik der Historiographie ihn mithin - vordergründig - nicht traf. 39 An diesem nur skizzenhaft entworfenen Beispiel wird kenntlich, dass ein Zusammenhang etwa zwischen panegyrischer Poetik und Historiographie der Flavierzeit bestanden hat, insofern in der Panegyrik Spielräume für Repräsentation und Machtausübung des Kaisers ausgelotet, in der Historiographie bestimmte Formen von Repräsentation und Machtausübung eines toten Kaisers verworfen wurden. Pointiert lässt sich dies als ein Verhandeln über Grenzen eben dieser Repräsentation und Machtausübung verstehen, dergestalt, dass in der Panegyrik bewusst Grenzen überschritten, in der Historiographie - gleichsam nachträglich - vormals überschrittene Grenzen wieder kenntlich und in ihrer ‚begrenzenden‘ Bedeutung zu Bewusstsein gebracht werden. 37 Vgl. dazu Jos. Ant. Iud. 20,154. Aus Tacitus wird kenntlich, dass etwa Fabius Rusticus und Cluvius Rufus in diesem Sinn die Geschichte Neros beschrieben haben; vgl. die Fragmente aus beider Historiae in Peter (1906) 112-115. Vgl. dazu auch Syme Bd. 1 (1958) 289-303 bzw. Klingner (1954/ 1964). 38 Dazu grundlegend Nauta (2010). 39 Nach Domitians Ermordung konnte freilich die Gleichsetzung mit Nero leicht erfolgen, vgl. Iuv. 4,37f.; dazu Nauta (2010) 242. <?page no="27"?> Methodische Vorüberlegungen 19 4. Methodische Konsequenzen In der in Abschnitt 3 erläuterten abstrakten Form ist es leicht, die skizzierten Zusammenhänge zwischen verschiedenen Zeugnisgruppen, zwischen Inschriften, Münzen, Standbildern, Gedichten und Geschichtswerken zu postulieren. Eine präzisere Analyse, die das Postulat am Material nachvollziehbar macht, bedarf jedoch methodischer Umsicht. Zunächst - dies ist aus dem Zusammenhang zwischen Flavischer Historiographie über Nero und panegyrischer Poesie unter den Flaviern ersichtlich - bedarf es grundsätzlich einer Perspektivierung, die zeitlich weit genug ausgreift. 40 Im konkreten Fall bedeutet dies einerseits, dass nicht allein die entsprechenden Zeugnisgruppen unter den Flaviern untersucht werden müssen, sondern auch auf die julisch-claudische Dynastie zurückzugreifen ist, da etwa die Flavische Historiographie mutmaßlich auf panegyrische Poesie, die unter und für Nero entstanden ist, bezogen sein dürfte. Andererseits sind in dieser Perspektivierung auch die ‚nachflavischen‘ Zeugnisgruppen einzubeziehen, also etwa Tacitus und Sueton, da in ihnen - so die These des vorliegenden Bandes - die Auseinandersetzung mit Flavischer Panegyrik geführt wird. 41 Es geht dabei also nicht allein um eine Art von komparativer Analyse medialer Repräsentation römischer Kaiser (die an sich durchaus wertvoll wäre, da sie zu einer Typologie von Repräsentationsformen führen kann), sondern um eine notwendige Untersuchung von Diskurslinien, mittels derer einzelne Daten in den jeweiligen Zeugnisgruppen in ihrem Bedeutungskontext erschließbar werden. Freilich: Die Überlieferungslage in allen zu untersuchenden Zeugnisgruppen ist stark fragmentarisch. Allein im Bereich der Literatur ist zu konstatieren, dass für die Historiographie mit den unvollständig überlieferten Annalen und Historien des Tacitus, den die römische Geschichte im engeren Sinn nur teilweise berührenden Antiquitates des Josephus, den Kaiserviten des Sueton und den Galba- und Otho-Bioi des Plutarch ein eher disparates Corpus erhalten ist. Wenn Josephus von ‚vielen‘ weiß, die die Geschichte Neros geschrieben haben, Tacitus summarisch von historiographischen Schriften Mitteilung macht, die das Geschehen zu Lebzeiten bestimmter Kaiser aus Furcht und nach deren Tod aus Hass verzerrend dargestellt hätten, 42 lässt sich nur erahnen, was verloren ist. Gleiches gilt für die panegyrische Poesie. 43 40 Für eine Betrachtung des frühjüdisch-frühchristlichen Bereiches s. darüber hinaus Backhaus 379-403. 41 Mit diesem Ansatz geht der vorliegende Band über Boyle u. Dominik (2003) und Kramer u. Reitz (2010) hinaus. 42 Jos. Ant. Iud. 20,154; Tac. ann. 1,1,10. 43 Siehe hierzu insgesamt auch Bardon (1956) 123-242. <?page no="28"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 20 So ergibt sich innerhalb der Zeugnisgruppen eine Art von ‚Trümmerlandschaft‘: 44 Einerseits sind panegyrische Texte auf Nero oder Domitian erhalten, die entweder aus sich heraus eine bestimmte Form von Erweiterung kaiserlicher Repräsentation bedeuten oder ein Angebot darstellen, also gleichsam von außen, d. h. nicht vom Kaiser ausgehend, eine Erweiterung vornehmen. 45 Doch sind Reaktionen in der Historiographie oder anderen Textsorten darauf in der Regel verloren. Andererseits finden sich in der Historiographie, hier zumal bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio, kritische Auseinandersetzungen mit bestimmten Formen kaiserlicher Repräsentation, von denen man zwar vermuten kann, dass auch sie mindestens teilweise auf panegyrische Darstellungen zurückgehen, die jedoch nicht mehr direkt greifbar sind. Doch da augenscheinlich sowohl die panegyrischen Angebote wie auch die historiographischen Reaktionen sich als Linien in einem gemeinsamen Diskurs verstehen lassen, können sie zur Analyse dieses Diskurses genutzt werden. Konkreter bedeutet dies: Wenn man davon ausgehen kann, dass prinzipiell unter Nero und Domitian eine Erweiterung und Transgression der Normen Teil der Herrschaftsrepräsentation in den künstlerischen Medien darstellte, so lässt sich beobachten, dass gerade die Dichter das Motiv der Entgrenzung ihrerseits gesteigert und als produktive Leistung gefeiert haben. Zeugnisse hierfür finden sich für Nero in Senecas Apocolocyntosis, den Eklogen des Calpurnius Siculus, den Carmina Einsidlensia und in Lucans Proömium, für Domitian in Statius’ Silvae und Martials Epigrammen (in den Büchern 1-9). Selbst wenn sich der Einfluss der neronischen und domitianischen Literatur auf die späteren Kaiserbilder nicht nachweisen lässt, ist doch davon auszugehen, dass die Texte an dem Diskurs beteiligt waren, in dem die Selbstdarstellung Neros und Domitians entworfen und verbreitet wurde. Ohne Quellenkritik betreiben zu wollen, lässt sich sagen, dass die von den Autoren entworfenen Diskurslinien weitergeführt wurden, ihre Motive neu interpretiert und Teil von neuen Diskursen wurden: Martial, der jüngere Plinius, Tacitus, Sueton und Cassius Dio deuteten die neronische bzw. domitianische Herrschaftsrepräsentation gemäß ihren eigenen Darstellungsabsichten oder -pflichten um, passten sich neuen Repräsentations- und Kommunikationsformen an, interpretierten geltende Zeichensysteme dezidiert anders, transformierten alte und generierten eigene Kodes. 46 Die Notwen- 44 Der Begriff soll hier in Anlehnung an Strasburger (1977) verwendet werden. 45 So etwa Stat. silv. 1,1, die auf ein Kolossal-Reiterstandbild Domitians panegyrisch reagiert. Dazu unten Cordes 346-355. 46 Für die Beschreibung der Mechanismen bei der Kodierung von Informationen und der Strategien der Umkodierung und damit der Prozesse neuer Bedeutungszuweisung (der Neusemiotisierung) sind die Theorien literarischer Rezeptionshandlungen sowie der ästhetischen und semiotischen Repräsentation grundlegend. Der ursprünglich aus der Linguistik und Kulturtheorie stammende Begriff des sprachlichen ‚Kodes‘ wird <?page no="29"?> Methodische Vorüberlegungen 21 digkeit einer Untersuchung dieser unterschiedlichen Kodierungsbzw. Umkodierungsmechanismen in der Literatur und bildenden Kunst der frühen Kaiserzeit leitet sich hieraus ab und soll in diesem Band exemplarisch geleistet werden. hier mit Umberto Eco als erweiter- und modifizierbares Zeichenrepertoire, also als dynamisch verstanden, ausgehend von einem interaktiven Prozess der Bedeutungszuschreibung; vgl. den Versuch von Strasen (2001), der mithilfe der Relevanztheorie von Sperber und Wilson versucht, den statischen Kodebegriff zu überwinden. <?page no="30"?> Martin Hose - Therese Fuhrer 22 Literaturverzeichnis Alföldi (1980): Andreas Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, 3. Aufl., Darmstadt. Ando (2000): Clifford Ando, Imperial Ideology and Provincial Loyalty in the Roman Empire, Berkeley. Angermüller (2001): Johannes Angermüller, „Diskursanalyse: Strömungen, Tendenzen, Perspektiven. Eine Einführung“, in: Johannes Angermüller, Katharina Bunzmann u. 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Ein Beispiel dafür ist das im Rahmen des sehr erfolgreichen Lernprojektes Horrible Histories aufgenommene Lied The Roman Emperors Song - Who’s Bad? , eine Parodie von Michael Jacksons Hit Bad, die auf You Tube mehrfach hochgeladen und insgesamt schon mehr als 700.000 Mal angesehen worden ist. 1 Darin rühmen sich vier römische Kaiser, der Reihe nach Caligula, Elagabal, Commodus und Nero, der allerschlechteste Kaiser Roms gewesen zu sein, wobei der letzte der Sieger ist, also Nero. Ob es den Autoren dieses Lieds bewusst war oder nicht, ihre Komposition ist fast das Spiegelbild eines gleichfalls als ( ) # , d. h. durch die Mischung aus Ernst und Scherz charakterisierten Werkes der Antike, und zwar der menippeischen Satire < C D , besser bekannt unter dem Titel D , die der Kaiser Julian für die Saturnalien des Jahres 361 oder 362 verfasst hat. 2 In diesem Werk wird berichtet, wie einerseits die Götter, andererseits die Kaiser sich zu einem Festschmaus im Himmel treffen, die Götter sich aber entscheiden, einen der Kaiser an ihren Tisch zu rufen; diese Auszeichnung kann natürlich nur „dem Besten“ ( E # ) verliehen werden. 3 Es wird somit ein Wettbewerb veranstaltet, an dem Julius Caesar, Augustus, Trajan, Marc Aurel und Constantin teilnehmen, und ehrenhalber auch Alexander der Große; der Sieger ist, wie es sich bei einem auf Griechisch philosophierenden Kaiser wie Julian nicht wundernimmt, Marc Aurel. Aber auch die schlechten Kaiser spielen eine Rolle: Solche wie Caligula, Nero, Commodus und Elagabal werden zu dem Saturnalienmahl nicht einmal zugelassen oder fallen von selbst auf die Erde zurück, weil sie sich in der dünnen Luft des Himmels nicht halten können. 4 Es zeigt sich also, dass die Einteilung der römischen Kaiser in ‚gute‘ und ‚schlechte‘ schon eine antike Denkform ist, 1 Auch zu finden unter „Evil Emperors Song“ und anderen Namen. Z. B. http: / / www.youtube.com/ watch? v=u0_z-MbODVo [30.3.2014]. 2 Zu den Caesares des Julian s. Sardiello (2000). 3 Iul. symp. 316b. 4 Caligula: 310a; Nero: 310d; Commodus: 312c; Elagabal: 313a. <?page no="34"?> Ruurd R. Nauta 26 aber es ist überraschend, feststellen zu müssen, dass die Geschichte dieser Denkform nur zum Teil geschrieben worden ist. Es gibt reichlich Untersuchungen über die Tradition der Schriften 6 E # mit ihrem Kontrast zwischen dem ,guten‘ König und dem Tyrannen, 5 sowie darüber, welche Merkmale genau einem ‚guten‘ und welche einem ‚schlechten‘ Kaiser zuerkannt wurden (clementia gegenüber crudelitas, liberalitas gegenüber auaritia, ciuilitas gegenüber superbia, moderatio gegenüber luxuria usw.). 6 Aber spezifische Studien zum terminologischen Gegensatz von ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Kaisern, boni und mali principes, scheinen zu fehlen. 7 Wenn man die Entstehung dieser Terminologie untersucht, wird man auf Domitian und Nero und die wahrgenommene Beziehung zwischen beiden geführt. Aus diesem Grund schien es mir angebracht, hier eine solche Untersuchung zu unternehmen. Schon in der Frühzeit des Prinzipats hat es principes gegeben, die als ‚schlecht‘ empfunden wurden, sogar in dem Ausmaß, dass sie deshalb ermordet worden sind. Dies geschah zum ersten Mal mit Caligula. Im Bericht über dessen Ermordung bei Josephus rechtfertigen sich die Attentäter damit, dass der Kaiser ein ,Tyrann‘ ( / ) gewesen sei. 8 Eine vergleichbar ausführliche Beschreibung auf Latein ist uns nicht erhalten, aber dass das Wort tyrannus im Umfeld der Verschwörung gefallen ist, ist sehr gut denkbar; auf jeden Fall benutzt es Seneca, wenn er sagt, Julius Graecinus (der Vater Agricolas) sei von Caligula getötet worden „weil er ein besserer Mann war, als einem Tyrannen dienlich ist“. 9 Derselbe Seneca erklärt in De clementia dem jungen Kaiser Nero den Unterschied zwischen einem tyrannus und einem rex (wobei das Wort rex hier also gerade nicht, wie häufig, ‚Tyrann‘ bedeutet, sondern dem griechischen E # / entspricht). 10 Das hat nicht verhindern können, dass Nero sich zu einem schlechten Herrscher entwickelte und nach seinem Tode als tyrannus bezeichnet wurde, so vielfach in der pseudo- 5 Eine Übersicht, auch der einschlägigen Forschungsliteratur, bietet Sidebottom (2006). 6 Die genannten Gegensatzpaare strukturieren die Kaiserbiographien Suetons; s. Wallace-Hadrill (1983) 142-173; die gleiche Liste eröffnet die Aufzählung kaiserlicher uirtutes und uitia in Plin. paneg. 3,4. Im Allgemeinen s. Noreña (2011) 37-100 (der unter den auf Münzen verkündeten kaiserlichen Tugenden fünf „core virtues“ ausmacht: aequitas, pietas, uirtus, liberalitas und prouidentia). 7 Nur wenige kurze Bemerkungen bei Wickert (1954) 2233f. 8 Ios. ant. Iud. 19,133-135; 155f.; 167-184; vgl. 227; 233 (senatorische Perspektive). Der Tod des Caligula ließ für einen kurzen Moment die Wiederherstellung der Republik als Möglichkeit aufscheinen, weshalb verständlich ist, dass in diesem Kontext alle Herrscher seit Julius Caesar als / galten und der Prinzipat als solcher als betrachtet wurde (172-175; 227; 233). 9 Sen. benef. 2,21,5: quod melior uir erat quam esse quemquam tyranno expedit. Seneca selbst war aus einem ähnlichen Grund (weil er zu schön geredet hatte) von Caligula zum Tode verurteilt worden, wenn die Geschichte in Cass. Dio 59,19,7 stimmt (vgl. dazu aber Griffin [1976] 53-56). 10 Zu rex s. Wickert (1954) 2108-2118; Griffin (1976) 141-148; Braund (2009) 18f.; 205; 295. <?page no="35"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 27 senecanischen Tragödie Octavia. 11 Auch Domitian wurde postum tyrannus genannt, so bei Juvenal und in den Briefen und dem Panegyricus des Plinius. 12 Doch benutzt Plinius dieses Wort nur gelegentlich; viel häufiger ist bei ihm ein anderer Ausdruck, eben malus princeps. Die frühesten Bezeugungen sind aber nicht bei ihm zu finden, sondern bei seinem Freund Tacitus in dessen Agricola, veröffentlicht wahrscheinlich im Jahre 98, d. h. am Anfang der Regierungszeit Trajans und nicht lange nach dem gewaltsamen Ende Domitians im September 96. Im berühmten letzten Satz vor dem Epilog schreibt Tacitus: sciant, quibus moris est inlicita mirari, posse etiam sub malis principibus magnos uiros esse. (Tac. Agr. 42,4) Wissen sollten die Leute, deren Art es ist, das Unerlaubte zu bewundern, dass es sogar unter schlechten Kaisern bedeutende Männer geben kann. (Übers. Städele) Hier werden die „schlechten Kaiser“ mit den „großen Männern“ kontrastiert; etwas weiter, im Epilog selbst, gibt es eine ähnliche rhetorische Gegenüberstellung: satis constabat lecto testamento Agricolae, quo coheredem optimae uxori et piissimae filiae Domitianum scripsit, laetatum eum uelut honore iudicioque. tam caeca et corrupta mens adsiduis adulationibus erat, ut nesciret a bono patre non scribi heredem nisi malum principem. (Tac. Agr. 43,4) Es war ziemlich sicher, dass sich Domitian beim Lesen von Agricolas Testament, in dem ihn dieser zum Miterben seiner besten Gattin und seiner liebevollsten Tochter machte, gefreut hat, so als sei ihm damit Ehre und Anerkennung widerfahren. So blind und verdorben war er durch die unaufhörlichen Schmeicheleien geworden, dass er nicht wusste, von einem guten Vater werde nur ein schlechter Kaiser zum Miterben eingesetzt. (Übers. Städele) Dass Kaiser als Miterben eingesetzt wurden, war seit Augustus üblich, 13 aber mit Erbschaften von solchen Erblassern, die selbst Kinder hatten, wurde von verschiedenen Kaisern verschieden verfahren: Augustus gab sie an die betreffenden Kinder weiter, Claudius lehnte sie ab, wie Domitian selbst am Anfang seiner Regierungszeit, aber von Tiberius, Caligula und Nero ist bezeugt, dass sie sie akzeptierten oder sogar verlangten. 14 Für Augustus ist ein Text von Bedeutung, durch den Tacitus’ Stelle sogar angeregt sein könnte. In De clementia erzählt Seneca von den Beratungen über die Strafe für 11 Octavia 33; 87; 110; 250; 610; 620; 899; 959; vgl. Boyle (2008) 107. Zu Nero als tyrannus/ / s. Wickert (1954) 2121. 12 Iuv. 4,86; Plin. epist. 4,11,6; paneg. 2,3; mehr bei Wickert (1954) 2121. 13 In De clementia (s. gleich unten) nennt Seneca den Fall des Cinna (1,9,12). Im Allgemeinen: Champlin (1991) 150-153; 203f. 14 Augustus: Suet. Aug. 66,4; Cass. Dio 56,32,3. Claudius: Cass. Dio 60,6,3. Domitian: Suet. Dom. 9,2. Tiberius: Cass. Dio 58,4,5. Caligula: Suet. Cal. 38,2; Nero 6,3. Nero: Tac. ann. 14,31,1; 16,11,1. <?page no="36"?> Ruurd R. Nauta 28 einen Sohn, der seinem Vater nach dem Leben getrachtet hatte; Augustus, der an diesen Beratungen teilnahm, erklärte, bevor er sein Urteil aussprach, dass er von dem Vater keine Erbschaft akzeptieren würde. Seneca schreibt: hoc ipso exemplo dabo, quem compares bono patri, bonum principem. (Sen. clem. 1,15,3) Mit eben diesem Beispiel gebe ich dir einen guten Princeps, dass du ihn mit einem guten Vater vergleichen kannst. (Übers. Büchner) Wir sehen dieselbe Verbindung von bonus pater und bonus princeps wie bei Tacitus, wenn auch anders gewendet, und am Schluss benutzt auch Seneca den Ausdruck coheredem scribere mit Bezug auf den Kaiser und die eigenen Kinder: o dignum quem coheredem innocentibus liberis scriberent (clem. 1,16,1), „o wert, dass sie ihn als Miterben für ihre unschuldigen Kinder einsetzten! “ (Übers. Büchner). Von dieser Passage abgesehen kommt der Ausdruck bonus princeps vor Plinius und Tacitus nur noch bei Seneca pater vor, wo Q. Haterius den Diktator Caesar als solchen bezeichnet, 15 sowie an einer weiteren Stelle von De clementia: 16 deum esse non tamquam iussi credimus; bonum fuisse principem Augustum, bene illi parentis nomen conuenisse fatemur. (1,10,3) Dass er ein Gott ist, glauben wir nicht wie Leute, denen es befohlen wurde. Dass Augustus ein guter Princeps ist, dass ihm der Name Vater gut gepasst hat, bekennen wir. (Übers. Büchner) 17 Wieder wird bonus princeps in einem Atemzug mit der Idee der Vaterschaft genannt. Der Ausdruck hat hier jedoch mehr Gewicht, da er zwischen deus und die Paraphrase von pater patriae gestellt ist. Zudem kann in dem Satz eine nur leicht versteckte Polemik gegen die Vergöttlichung des Claudius und die Annahme des pater patriae-Titels sowohl durch Claudius als auch durch Caligula gelesen werden, so dass fast auch ein Kontrast mit mali principes angedeutet scheint. 18 Für den Ausdruck selbst müssen wir jedoch, wie gesagt, noch bis zum Agricola warten und für die Gegenüberstellung von mali und boni principes sogar noch einige Jahre länger, bis zum Panegyricus 15 Sen. suas. 7,1. In Suet. Tib. 29,1 nennt Tiberius sich selbst bonus princeps. Zu optimus princeps s. u. S. 29-31. 16 Die angeblichen Fragmente von De clementia beim mittelalterlichen Bischof Hildebert von Lavardin, wo systematisch vom bonus princeps die Rede ist, sind in dieser Form sicherlich nicht authentisch: Malaspina (2001) 59-62; Braund (2009) 423f. (wo auch der Text abgedruckt ist). Braund glaubt allerdings, dass einer der bonus-princeps-Sprüche „plausibly Senecan“ sei (423). 17 fuisse ist eine Konjektur von Emil Bährens; überliefert ist esse; Haase streicht bonum principem (...) Augustum; s. Malaspina (2001) 313. 18 Eine Anspielung auf die Vergöttlichung des Claudius wird von den Kommentatoren erkannt, eine solche auf den pater-patriae-Titel von Caligula und Claudius nicht, vgl. aber Sen. clem. 14,2: quem appellauimus patrem patriae non uana adulatione adducti. <?page no="37"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 29 Traiani des Plinius. Der Text, den wir haben, ist eine umgearbeitete und stark erweiterte Fassung der Rede, die Plinius beim Antritt seines Konsulates im September des Jahres 100 gehalten hat. Das Datum der Veröffentlichung wird meistens zwischen 101 und 103 angesetzt, fällt aber sicher in die ersten Jahre Trajans. 19 Ohne große Übertreibung kann man sagen, dass der Gegensatz zwischen boni und mali principes geradezu ein Aufbauprinzip des Panegyricus ist. Dies fängt schon mit der Bestimmung der Zielsetzung des Werkes an: 20 sed parendum est senatus consulto quod ex utilitate publica placuit, ut consulis uoce sub titulo gratiarum agendarum boni principes quae facerent recognoscerent, mali quae facere deberent. (Plin. paneg. 4,1) Nun verlangt aber ein Beschluss des Senats meinen Gehorsam, der zu Nutz und Frommen des Staates festgelegt hat, es sollten aus dem Munde des Konsuls und in der Form einer Danksagung gute Principes zu hören bekommen, was sie wirklich leisten, schlechte dagegen, was sie eigentlich leisten müssten. (Übers. Kühn) Der genaue Wortlaut des von Plinius erwähnten senatus consultum ist unbekannt, aber es wird nicht mehr beinhaltet haben als die Verpflichtung des neu antretenden Konsuls, dem Kaiser Dank abzustatten: Die Ausrichtung auf gute und schlechte Principes ist Plinius’ eigener Zusatz, wie aus einer Stelle der Briefe hervorgeht: 21 Officium consulatus iniunxit mihi, ut rei publicae nomine principi gratias agerem. quod ego in senatu cum ad rationem et loci et temporis ex more fecissem, bono ciui conuenientissimum credidi eadem illa spatiosius et uberius uolumine amplecti, primum ut imperatori nostro uirtutes suae ueris laudibus commendarentur, deinde ut futuri principes non quasi a magistro sed tamen sub exemplo praemonerentur, qua potissimum uia possent ad eandem gloriam niti. nam praecipere qualis esse debeat princeps, pulchrum quidem sed onerosum ac prope superbum est; laudare uero optimum principem ac per hoc posteris uelut e specula lumen quod sequantur ostendere, idem utilitatis habet adrogantiae nihil. (Plin. epist. 3,18,1-3) Meine Stellung als Konsul auferlegte mir die Pflicht, dem Kaiser im Namen des Staates Dank abzustatten. Obschon ich dies im Senat unter Berücksichtigung des Ortes und der Zeit in der üblichen Form getan hatte, hielt ich es doch für einen guten Bürger durchaus am Platze, die gleichen Gedanken ausführlicher und reicher in einem Buche niederzulegen, einmal damit die Tugenden unseres Kaisers ihm noch mehr ans Herz gelegt würden, dann damit die künftigen Fürsten - nicht etwa in schulmeisterlichem Tone, aber doch an Hand eines Beispiels - ermahnt würden, auf welchem Wege sie am ehesten zum gleichen Ruhm gelangen könnten. Denn vorzuschreiben, wie ein Fürst sein müsse, ist zwar schön, doch schwierig und beinahe überheblich; einen vorzüglichen Fürsten aber zu loben und damit 19 Zur Datierungsdiskussion: Moreno Soldevila (2010) XXXVIII. 20 Ähnlich Plin. paneg. 53,5. 21 So Durry (1938) 89. Zur Diskussion über das senatus consultum Ronning (2007) 34f.; vgl. auch Seelentag (2004) 222, der die Erwähnung der guten und schlechten Principes für den „Wortlaut dieses Senatus Consultum“ hält. <?page no="38"?> Ruurd R. Nauta 30 seinen Nachfolgern wie von hoher Warte ein Licht zu weisen, dem sie folgen können, ist nützlich, ohne anmaßend zu sein. (Übers. Lambert) Während in der Passage aus dem Panegyricus bei den „guten“ und „schlechten Principes“ an die jeweils herrschenden Kaiser gedacht zu sein scheint, vor denen der neue Konsul spricht, erstreckt sich das intendierte Publikum der Rede in der Briefstelle auch auf künftige Herrscher. Das legt nahe, dass Plinius davon ausgeht, dass es auch in Zukunft gute und schlechte Kaiser geben wird. Diese Perspektive finden wir auch im Panegyricus selbst, z. B. an einer Stelle, an der es, wie im Brief, um Trajan als optimus princeps geht: adsecutus es nomen (scil. Optimi), quod ad alium transire non possit, nisi ut adpareat in bono principe alienum, in malo falsum, quod licet omnes postea usurpent, semper tamen agnoscetur ut tuum. (Plin. paneg. 88,9) Du hast einen Namen erhalten (scil. Optimus), der auf einen anderen Herrscher nur so übergehen kann, dass er bei einem guten Princeps wie ein fremder, bei einem schlechten wie ein falscher Name klingt. Mögen ihn auch künftig alle Herrscher beanspruchen, man wird ihn doch stets als deinen erkennen. (Übers. Kühn) Schon frühere Kaiser wurden als optimus bezeichnet: Sowohl Velleius Paterculus als auch Valerius Maximus nennen Tiberius optimus princeps und in Inschriften und literarischen Quellen findet sich der Ausdruck gelegentlich ebenfalls mit Bezug auf Tiberius, aber auch auf Caligula, Claudius, Nero und Domitian (also gerade die ‚schlechten‘ Kaiser). In all diesen Fällen bedeutet er aber wenig mehr als ‚vorzüglicher Princeps‘ und ist nicht terminologisch verwendet. 22 Trajan hingegen bekam vom Senat das Optimi cognomen zuerkannt, zu einem unbekannten Zeitpunkt, aber auf jeden Fall vor der Veröffentlichung des Panegyricus, wo diese Ehrung wiederholt erwähnt wird. 23 Ab 103 finden wir Münzen mit der Rückseitenlegende SPQR OPTI- MO PRINCIPI und später, im Jahre 114 wird Optimus Teil der kaiserlichen Titulatur. 24 Im Panegyricus ist das Lob Trajans systematisch mit scharfer Kritik an Domitian verbunden und so wie Ersterer optimus ist, war Letzterer pessimus. 25 Fortwährend spielt Plinius ein semantisches Spiel mit allen Komparationsstufen der Adjektive bonus und malus. Ein Beispiel ist folgende Stelle: 26 22 Tiberius: Vell. 2,12,5; Val. Max. 2, pr.; CIL 6,93; 902; 904; 3675 = 30856 = ILS 3783 (optimi ergänzt), CIL 11,3872 = ILS 159; SEG 26,1392. Caligula: Sen. dial. 9,14,4 (ironisch); vgl. Suet. Cal. 22,1 (optimus [...] Caesar). Claudius: Plin. epist. 8,6,10; 13; CIL 10,1401 = ILS 6043 (im Brief wie in der Inschrift senatus consulta). Nero: CIL 10,7852 = ILS 5947; vgl. Sen. clem. 1,19,9 (nur optimus). Domitian: CIL 10,444 = ILS 3546; CIL 16, S. 146, Nr. 12 = ILS 9059. S. Wirszubski (1950) 153f.; Frei-Stolba (1969) 21-31, 38f.; Fell (1992) 46-51. 23 Plin. paneg. 2,7; 88,4-10. 24 S. Scardigli (1974); Fell (1992); Seelentag (2004) 240-247; Strobel (2010) 203f.; 332f. 25 Domitian als pessimus: 44,2; 92,4; 94,3; 95,4 (zu Plin. epist. 9,13,23 s. u. S. 34). Hierzu Moreno Soldevila (2010) XLII-XLVIII; Roche (2011) 5-14. 26 Ähnlich Plin. paneg. 89,1 sowie 92,4 (unten zitiert). <?page no="39"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 31 scis et expertus es, quanto opere detestentur malos principes, etiam qui malos faciunt. meministi quae optare nobiscum, quae sis queri solitus. nam priuato iudicio principem geris, meliorem immo te praestas, quam tibi alium precabare. itaque sic imbuti sumus ut, quibus erat summa uotorum melior pessimo princeps, iam non possimus nisi optimum ferre. (Plin. paneg. 44,1-2) Du weißt aus eigener Erfahrung, welch tiefen Widerwillen die Leute gegen schlechte Principes empfinden, auch diejenigen, durch deren Einfluss die Principes erst schlecht wurden. Du erinnerst dich, welche Wünsche, welche Klagen du immer wieder gemeinsam mit uns geäußert hast. Denn du führst dein Amt im Geist eines einfachen Bürgers, mehr noch: damals wünschtest du dir einen anderen Princeps, jetzt übertriffst du sogar noch dieses Wunschbild. Und wir, deren höchster Wunsch es war, einen Princeps zu bekommen, der besser sei als der schlechteste, sind jetzt so verwöhnt, dass wir nur noch den besten ertragen können. (Übers. Kühn) Nun wird die Gegenüberstellung des optimus und des pessimus princeps dadurch kompliziert, dass Trajan ja nicht sofort Nachfolger Domitians wurde, sondern erst nach dem Zwischenspiel unter dem alten Nerva, der ihn im Oktober 97 adoptierte und kurz darauf, im Januar 98, verstarb. Schon bei Nervas Amtsantritt im September 96 gab es, auf jeden Fall in senatorischen und damit verbundenen Kreisen, große Erleichterung über den Tod des Tyrannen und Begeisterung über die Thronbesteigung des erfahrenen und angesehenen Senators. 27 Trajan musste also Nerva in Ehren halten und seine eigene Herrschaft als eine Fortsetzung derjenigen seines Adoptivvaters darstellen. Die diesbezüglichen Aussagen am Anfang von Tacitus’ Agricola und Historien sind zu bekannt, als dass ich sie hier anführen müsste, und auch in Plinius’ Panegyricus ist Nerva sehr präsent; in fast der Hälfte der Fälle bezieht sich der Ausdruck optimus princeps sogar auf ihn. Zudem findet man optimus princeps mit Bezug auf Nerva in den frühen Jahren Trajans auch in anderen Schriften. 28 Wenn Plinius auf den sinnreichen Zufall zu sprechen kommt, dass Domitian gerade am Geburtstag Trajans, dem 18. September, ermordet wurde, sagt er: diem illum triplici gaudio laetum, qui principem abstulit pessimum, dedit optimum, meliorem optimo genuit. (paneg. 92,4) jenen Tag (...), der dreifachen Grund zu Freude bietet: er hat den schlechtesten Princeps weggerafft, hat der Welt den besten Princeps geschenkt und hat den Princeps geboren, der noch besser werden sollte als der beste.“ (Übers. Kühn) 27 Siehe u. a. Suet. Dom. 23; Cass. Dio, Anfang von Buch 68; Mart. 11,2-5; 12,5 (=12,2 + 12,6,1-6). 28 Plin. paneg. 38,1; 88,3; 88,5; 92,4; 94,3 (ohne princeps noch 7,4; 10,4; 89,1); vgl. Plin. epist. 2,1,3 (s. Sherwin-White [1966] 142f.; ohne princeps); 9,13,23 (s. u. S. 34); Frontin. aq. 64,1. Zu Nerva im Panegyricus s. Méthy (2006); Moreno Soldevila (2010) XLVIII-L. <?page no="40"?> Ruurd R. Nauta 32 Wir sehen, dass Plinius wieder das gleiche semantische Spiel spielt wie im soeben zitierten Text, 29 aber auch, hier wie dort, dass einer der Effekte dieses Spiels ist, die Bedeutung vom Elativen (‚sehr gut‘) ins eigentlich Superlative (‚der Beste‘) zu verschieben. 30 Es gibt also mehr als einen bonus princeps, genauso wie der superlative Gebrauch von pessimus princeps impliziert, dass es mehr als einen malus princeps gibt. Entsprechend verwendet Plinius häufig nicht nur boni, sondern auch mali principes im Plural, auch wenn fast immer nur Domitian gemeint ist. 31 Ein Beispiel ist wieder der oben zitierte Text (paneg. 44,1-2), wo Trajans Erfahrung mit mali principes sich nur auf Domitian beziehen kann. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass hier auch an das Vierkaiserjahr gedacht ist (Trajan war damals etwa 15 Jahre alt), und Vespasian und Titus galten auch Plinius, wie aus einigen eher unauffälligen Bemerkungen im Panegyricus hervorgeht, als gute Kaiser. 32 Der generalisierende Plural ist natürlich rhetorisch effektiv, da er der Erfahrung der Betroffenen eine Art überzeitlicher Gültigkeit verleiht, aber er dient auch der Bildung einer Kategorie oder einer Gattung, zu der außer Domitian noch andere Kaiser gehören. Umso bedeutungsvoller werden die wenigen Stellen, wo explizit gemacht wird, um welche Kaiser es sich da handelt. Eigentlich gibt es nur zwei Passagen, wo das geschieht, und beide betreffen sie Nero. 33 Die erste Stelle findet sich, noch bevor der Unterschied zwischen boni und mali principes eingeführt wird (paneg. 4,1, oben zitiert): et populus quidem Romanus dilectum principum seruat, quantoque paulo ante concentu formosum alium, hunc fortissimum personat, quibusque aliquando clamoribus gestum alterius et uocem, huius pietatem abstinentiam mansuetudinem laudat. (Plin. paneg. 2,6) Das römische Volk weiß freilich genau zu unterscheiden zwischen seinen Principes! So einstimmig, wie es vor kurzem noch einen anderen als „schönen“ Princeps bejubelte, rühmt es diesen hier als den tapfersten, und so lautstark, wie es einst die Darstellungs- und Gesangskunst eines anderen pries, lobt es jetzt an diesem Princeps hier seine Frömmigkeit, seine Uneigennützigkeit und seine Milde. (Übers. Kühn) 29 Derselbe Gedanke wie in Plinius’ melior optimo findet sich in der berühmtem Akklamation felicior Augusto, melior Traiano (Eutr. 8,5,3). 30 Ähnlich Plin. paneg. 88,7 (omnibus imperatoribus ... meliorem); 89,1 (zu Nerva: optimus ipse non timuisti eligere meliorem). 31 S. außer der zitierten Stelle Plin. paneg. 40,3; 45,4 (dissimiles); 68,6-7; 74,3. 32 Plin. paneg. 88,3; vgl. 35,4; 45,1. 33 Außerdem wird in Plin. paneg. 7,4 die Adoption Trajans durch Nerva mit derjenigen Neros durch Claudius (und derjenigen des Tiberius durch Augustus) kontrastiert sowie in 11,1 die Vergöttlichung Nervas durch Trajan mit der Vergöttlichung des Claudius durch Nero (sowie der des Augustus durch Tiberius, des Vespasian durch Titus und des Titus durch Domitian). <?page no="41"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 33 Der „schöne“ Princeps ist Domitian, 34 der Schauspieler und Sänger natürlich Nero. Interessanter, weil explizit verbunden mit der Kategorisierung als mali principes, ist folgende Stelle: praeterea hoc primum erga optimum imperatorem piorum ciuium officium est, insequi dissimiles; neque enim satis amarit bonos principes, qui malos satis non oderit. adice quod imperatoris nostri non aliud amplius ac diffusius meritum est, quam quod insectari malos principes tutum est. an excidit dolori nostro modo uindicatus Nero? permitteret, credo, famam uitamque eius carpi qui mortem ulciscebatur, nec ut in se dicta interpretaretur, quae de simillimo dicerentur. (Plin. paneg. 53,2-4) Zudem ist es die erste Pflicht treuer Untertanen gegenüber dem besten Kaiser, das Verhalten derer zu geißeln, die ganz anders waren; denn es dürfte der wohl kaum die guten Principes hinreichend loben [wohl ein Druckfehler für „lieben“], der die schlechten nicht hinreichend hasst. Überdies liegt gerade darin das größte und wirkungsvollste Verdienst unseres Kaisers, dass ein Angriff auf schlechte Principes keinerlei Gefahr bringt. Oder sollte unserer schmerzlichen Erinnerung schon entfallen sein, wie man kürzlich Rache für Nero nahm? Hätte wohl ausgerechnet derjenige, der seinen Tod rächte, zugelassen, dass Neros Ruf und Lebensführung angetastet würde, und nicht als Äußerung gegen seine eigene Person betrachtet, was man über einen sagte, der ihm so glich? (Übers. Kühn) Plinius’ Formulierung modo uindicatus Nero bezieht sich darauf, dass Domitian Neros Freigelassenen Epaphroditus, der seinem patronus bei dessen Selbstmord behilflich gewesen war, zum Tode verurteilt hatte, mit dem Anliegen, wie Sueton und Cassius Dio übereinstimmend berichten, seine eigenen Freigelassenen von einer derartigen Tat abzuschrecken. 35 Das ist aber nicht dasselbe wie Rache für Nero zu nehmen, wie Plinius es tendenziös formuliert. Auch gibt es keinerlei Belege dafür, dass Domitian Kritik an Nero auf sich bezogen und entsprechend bestraft hätte. Ein derartiges Vorgehen wäre auch nicht mit dem offiziellen Nero-Bild in Einklang gewesen, das unter Domitian noch genauso negativ war wie unter Vespasian und Titus, wie ich in meinem Aufsatz über Domitian als caluus Nero versucht habe darzulegen. 36 Wohl erkannte man Gemeinsamkeiten zwischen beiden Herrschern, aber zu Domitians Lebzeiten wäre es eine oppositionelle Tat gewesen, diese Erkenntnis zu äußern. Es ist also durchaus pointiert, dass Plinius Domitian hier gerade mit dem Kaiser in eine Kategorie einordnet, von dem sich dieser selbst immer abgegrenzt hatte. Und genau dies leistet die Kategorisierung der principes als boni und mali. So wie die polare Gegenüberstellung des ‚Königs‘ und des ‚Tyrannen‘ dazu benutzt werden konnte, 34 Zu Domitians äußerer Erscheinung s. Suet. Dom. 18 (vgl. 20). Ein Beispiel für eine Lobpreisung seiner Schönheit ist Stat. silv. 3,4,44-45. 35 Epaphroditus und Neros Selbstmord: Suet. Nero 49,3; Cass. Dio 63,29,2. Domitians Anliegen: Suet. Dom. 14,4; Cass. Dio 67,14,4 (aber Dio schreibt auch $ F , G H $ $ I ). 36 Nauta (2010). <?page no="42"?> Ruurd R. Nauta 34 Herrscher (welcher Art auch immer) zu beurteilen, erlaubt die neue Terminologie es, nicht Herrscher im Allgemeinen, sondern speziell römische principes einzuteilen, und zwar in genauso polar entgegengesetzte Kategorien. 37 Diese Terminologie ist zwar in Tacitus’ Agricola und Plinius’ Panegyricus zum ersten Mal belegt, es gibt aber bei beiden Autoren einige wenige Stellen, in denen von ihrer Verwendung schon vor 98 berichtet wird. Plinius erzählt in einem Brief aus den Jahren 106-108, wie er es noch im Jahre 97 gewagt hatte, Publicius Certus wegen dessen Rolle bei der Verurteilung des Helvidius Priscus im Senat anzugreifen. Vor diesem Vorgehen sei er von verschiedenen Seiten gewarnt worden; so habe einer gesagt: notabilem te futuris principibus fecisti, „Du hast dich den künftigen Kaisern unliebsam bemerkbar gemacht“, worauf Plinius geantwortet habe: esto (...) dum malis (epist. 9,13,10), „Sei’s drum (...) wenn den schlechten! “. Seine Rede beschloss er nach eigenen Angaben mit den Worten: reddat praemium sub optimo principe, quod a pessimo accepit (epist. 9,13,23), „Er soll unter dem besten Kaiser die Belohnung zurückgeben, die er unter dem schlechtesten erhalten hat“ (Übers. Lambert) - wobei sich optimus princeps wieder auf Nerva bezieht. 38 Entweder begeht Plinius einen geringfügigen und verzeihlichen Anachronismus oder aber die Stelle zeigt, dass die Terminologie nicht erst unter Trajan, sondern schon unter Nerva entwickelt wurde, was weiter nicht verwunderlich wäre und für meine These auch keinen Unterschied machen würde. Die gleiche Frage, wie man, wenn ein schlechter von einem guten Kaiser abgelöst wurde, mit denjenigen umgehen solle, die sich unter dem gerade gestürzten Herrscher als delatores hervorgetan haben, findet sich in einer Rede in den Historien des Tacitus. Nach dem Sieg Vespasians greift Curtius Montanus in einer Senatssitzung den Aquillius Regulus an, der auch unter Domitian als delator berüchtigt gewesen war, trotzdem nach Domitians Tode nicht gestürzt wurde und von Plinius die einzige Schurkenrolle in den Briefen zugeteilt bekommt. Bei Tacitus rügt Montanus den Unwillen des Senats, gegen Regulus vorzugehen: an Neronem extremum dominorum putatis? idem crediderant qui Tiberio, qui Gaio superstites fuerunt, cum interim intestabilior et saeuior exortus est. (...) nec iam ille senatus sumus qui occiso Nerone delatores et ministros more maiorum puniendos flagitabat. optimus est post malum principem dies primus. (Tac. hist. 4,42,5-6) Oder glaubt ihr, Nero sei der letzte der Tyrannen gewesen? Dasselbe hatten die geglaubt, die Tiberius, die Gaius überlebt haben - und doch kam einer zur Macht, der noch abstoßender und grausamer war. (...) nicht mehr sind wir jener Senat, der nach Neros Tod Denunzianten und deren Helfershelfer nach Vätersitte zur 37 Eine ähnliche Polarität findet man in der Beurteilung verstorbener Kaiser durch den Senat: Sie wurden im Allgemeinen entweder konsekriert oder erlitten die damnatio memoriae; vgl. Sommer (2004) 96. 38 Zu den historischen Hintergründen s. Sherwin-White (1966) 491-499. <?page no="43"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 35 Bestrafung forderte. Am besten ist nach einem schlechten Princeps der erste Tag. (Übers. Vretska) Tacitus lässt also schon im Jahre 69 einen Senator den Ausdruck malus princeps benutzen, aber gerade die Nähe zur soeben besprochenen Plinius- Stelle, also die Analogie der ganzen Situation zu dem, was in den ersten Monaten nach dem Sturz Domitians an der Tagesordnung war, und außerdem die Beteiligung des auch zur Abfassungszeit der Historien noch immer umstrittenen Regulus, macht es wahrscheinlich, dass Tacitus die dem Historiker in Reden gewährte Gestaltungsfreiheit dazu genutzt hat, die erst im Anschluss an den Tod Domitians entwickelte Terminologie auf eine ähnliche historische Situation zurückzuprojizieren. 39 Interessant für uns ist nun die Rolle Neros: Obwohl auch Tiberius und Caligula zu den domini und implizit zu den mali principes gerechnet werden, ist es doch Nero, der in dem Gedankengang zentral steht und das Analogon zu Domitian darstellt: So wie Trajan zu Domitian, so verhält sich Vespasian zu Nero. Auch hier erlaubt es also die Kategorie der mali principes, die sich übrigens wie bei Plinius potentiell in die Zukunft erstreckt, Domitian auf eine Linie zu stellen mit Nero, auch wenn das hier nicht explizit gesagt wird. Wie es dann in den Domitian gewidmeten Büchern der Historien weiterging, würden wir natürlich gerne wissen, aber hier war die Überlieferung uns leider nicht günstig gesonnen. Die Terminologie hat sich jedenfalls in der späteren Antike verbreitet, wenn auch bei Weitem nicht so allgemein, wie man es vielleicht erwarten würde. Noch aus der gleichen Zeit wie die Texte des Plinius und des Tacitus, genauer aus dem Jahr 101, stammt eine Stelle von Martial, wo er zu seinem Gönner Terentius Priscus sagt: tu sub principe duro / temporibusque malis ausus es esse bonus (Mart. 12,3,11-12 [=12,6,11-12]), „Du hast es unter einem harten Kaiser und in schlechten Zeiten gewagt, gut zu sein“. Hier gehört principe zwar zu duro und malis zu temporibus, der Kontrast zwischen mali und boni principes ist aber unverkennbar impliziert. Danach aber findet man mehr als zweieinhalb Jahrhunderte lang keine, oder fast keine, Belege. 40 Tacitus benutzt die Terminologie in den überlieferten Partien der Annalen nicht, genauso wenig übrigens wie das Wort tyrannus: 41 vielleicht weil alle von ihm behandelten Kaiser sowieso schlecht waren (und er Augustus nicht unbedingt als ‚gut‘ gelten lassen möchte), aber vielleicht auch, weil er sie letztlich zu vereinfachend fand. Letzteres gilt auf jeden Fall für Sueton, der nicht mit einem gut/ schlecht-Schema arbeitet, sondern mit einer Matrix von uirtutes und uitia: Natürlich hatten manche Kaiser mehr uirtutes, andere mehr uitia, aber sogar im Fall von Caligula ist nicht nur über das monstrum, 39 Ähnlich Tac. hist. 4,8,4, wo Eprius Marcellus den pessimis imperatoribus (gemeint ist Nero) die egregiis (d. h. Vespasian) gegenüberstellt. 40 Nur Porph. Hor. sat. 1,1,66. 41 Nur Tac. ann. 6,6,2, in einer Paraphrase von Plat. Gorg. 524e. <?page no="44"?> Ruurd R. Nauta 36 sondern auch über den princeps zu berichten, und auch Nero hat nach Sueton mehrere Dinge getan, die „keiner Kritik, sogar nicht geringen Lobes würdig waren“; der Anfang der Herrschaft Domitians schließlich war nicht, wie das Ende, von saeuitia und cupiditas gekennzeichnet, sondern von clementia und abstinentia. 42 Das gut/ schlecht-Schema findet sich erst wieder in der Historia Augusta, wo nicht nur Aufzählungen schlechter Kaiser häufig sind, sondern außerdem die Terminologie boni/ mali principes fast obsessiv verwendet wird. 43 Einer der ‚Autoren‘ charakterisiert das Werk eines seiner ‚Kollegen‘ sogar als „Darstellung guter und schlechter Kaiser“(quatt. tyr. 1,3: in edendis bonis malisque principibus) und es bereitet den fiktiven Autoren Verlegenheit, wenn die Zuordnung eines bestimmten princeps nicht eindeutig ist, wie z. B. im Fall Aurelians: Aurelianum quidem multi neque inter bonos neque inter malos principes ponunt (Aurelian. 44,1) den Aurelian zählen viele weder zu den guten noch zu den schlechten Kaisern. 44 Außerhalb der Historia Augusta ist die Kategorisierung in der Spätantike jedoch kaum zu belegen; sie fehlt z. B. in den Panegyrici latini, bei Ammian und bei Orosius, obwohl die betreffenden Autoren natürlich durchaus ihre Vorstellungen von guten und schlechten Kaisern hatten. Auch wenn man sich in der griechischen Literatur umsieht, wird man kaum fündig. Das Wort E # / hat immer die Konnotation des guten Königs behalten, so dass ein Ausdruck wie (oder oder J 3# ) E # / als ein innerer Widerspruch empfunden werden musste. So lässt Dion Chrysostomos in einer seiner Reden 6 E # Diogenes von Sinope zu Alexander dem Großen sagen: . K (...) E # / L . M## C L ! - N . E # O ! 1 ' $ . (4,24) Es ist nicht möglich, auf schlechte Weise König zu sein, genauso wenig wie auf schlechte Weise gut zu sein. Denn der König ist der beste der Menschen. Aber auch mit anderen Termini, die das lateinische princeps wiedergeben, wie 1 oder . " , werden Adjektive, die ‚schlecht‘ bedeuten, 42 Suet. Cal. 22,1; Nero 19,3; Dom. 10,1. Zu den kaiserlichen uirtutes und uitia bei Sueton s. Wallace-Hadrill (1983) 142-173. 43 Für die Listen schlechter Kaiser s. Cameron (2011) 695. Malus (oder pessimus) princeps: Ver. 1,3; Heliog. 10,4; Alex. 65,3-5; 68,4; Gall. 21,1; trig. tyr. 23,3; Aurelian. 42,6-44,1; Prob. 22,4; quatt. tyr. 1,3; Car. 3,8; bonus (oder optimus) princeps ist noch häufiger. Zu bonus/ malus princeps in der Hist. Aug. s. Burgersdijk (2013), der die Terminologie unabhängig von mir auf Plinius’ Panegyricus zurückführt. Es sollte noch angemerkt werden, dass die Tyrannen-Terminologie zu diesem Zweck nicht mehr gut geeignet war, da das Wort tyrannus inzwischen die Bedeutung ‚Usurpator‘ angenommen hatte; s. Wickert (1954) 2123-2127; Wardman (1984) 220-224. 44 Ähnlich Ver. 1,3; Car. 3,8. <?page no="45"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 37 nicht verbunden, obwohl der römische Senator Cassius Dio gelegentlich den Ausdruck ! - . " oder P ! 6 . " in kategorisierender Weise verwendet. 45 Auch in den Caesares Julians, womit ich angefangen habe, wird zwar nach ‚dem besten‘ Kaiser gesucht und werden Nerva und seine Nachfolger ‚gut‘ genannt, aber die negativen Entsprechungen fehlen: Die schlechten Kaiser werden jeweils individuell charakterisiert, und wenn einmal ein allgemeinerer Begriff verwendet wird, ist es ( / selbst fehlt). 46 Auch sonst wird in der griechischen Literatur durchweg nur diese Terminologie benutzt, wie sich vielleicht am besten an Dion Chrysostomos illustrieren lässt. Dieser wendet sich mit seinen Reden über den guten Herrscher ebenso an Trajan wie Plinius - aber während Plinius als Negativfolie den Begriff malus princeps verwendet, bleibt Dion in den Bahnen des traditionellen griechischen Diskurses über die ‚Tyrannei‘. 47 Auf ähnliche Weise wird bei Josephus Vespasian als Q ! dem / Vitellius gegenübergestellt und erklärt bei Philostrat derselbe Kaiser, er möchte als ! - E # / den seiner Vorgänger ein Ende bereiten. 48 In der griechischen Literatur hat sich eben nicht die spezifische Konstellation ergeben, die nach meiner Rekonstruktion im Lateinischen zur Entstehung des Begriffes der mali principes geführt hat: die Verleihung des Titels optimus an Trajan in Verbindung mit dem Bedürfnis, seinen Vorgänger Domitian entgegen dessen Selbstdarstellung in die gleiche Kategorie wie Nero einzuordnen. Es ist also wohl die Historia Augusta (mehr, wie ich vermute, als der Panegyricus), aus der die Moderne die Terminologie übernommen hat. Die entscheidende Rolle spielte hier nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, Gibbon, bei dem (außer in einem Verweis auf die Historia Augusta) weder good emperor noch bad emperor vorkommt - und deshalb auch nicht der Ausdruck the five good emperors für die Kaiser von Nerva bis Marc Aurel -, sondern Machiavelli, der in den Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio die principi buoni - wie quei cinque da Nerva a Marco - kontrastiert mit den cattivi. 49 Wie 45 Zu den griechischen Termini für princeps s. Wickert (1954) 2065-2068; Mason (1974) 12; 117-121; 144-151. Cassius Dio: 62,24,2 (Subrius Flavius zu Nero); 67,2,3 (Domitian); 73,5,2 (über Pertinax); 74,2,1 und 75,7,4 (über Septimius Severus); 79,3,2 (über Avitus) (nicht behandelt in Freyburger-Galland [1997] 131-152). 46 Iul. symp. 316b ( E # ); 311c ( ! / ); vgl. noch 316c: nach Quirinus seien viele römische Kaiser nicht schlechter ( ) als Alexander der Große; : 327c (Trajan über Domitian). 47 Dions Thema in seinen Reden 6 E # (1-4) ist der ! oder - E # / (1,11; 15; 36; 3,25; 61); über schreibt er 1,48-84; 2,67; 3,41; 4,44 und passim. Zu Dions Reden über das Königtum s. Sidebottom (2006). 48 Ios. bell. Iud. 4,596; s. auch oben S. 26 über Caligula als / . Philostr. Ap. 5,27-37 (v. a. 27,1; 32,2-3; 34,2; 36,1; 37,3). 49 Gibbon, Decline and Fall 1,265 Anm. 14 (in der Ausgabe von Womersley); Machiavelli, Discorsi 1,10,3. <?page no="46"?> Ruurd R. Nauta 38 dem auch sei, es bedarf keines eigenen Nachweises, dass die Terminologie weit verbreitet war und ist und bis heute zu verschiedenen Formen der Thematisierung Anlass gibt, von The Roman Emperors Song - Who’s Bad? bis zu der Tagung, aus der dieser Beitrag hervorgegangen ist. 50 50 Für hilfreiche Diskussionsbeiträge und Hinweise danke ich den Teilnehmern der Tagung sowie Luc de Blois, Diederik Burgersdijk, Jan Willem Drijvers und Jaap-Jan Flinterman. <?page no="47"?> Mali Principes. Domitian, Nero und die Geschichte eines Begriffes 39 Literaturverzeichnis Boyle (2008): Anthony J. Boyle (Hg.), Octavia. Attributed to Seneca. Edited with Introduction, Translation and Commentary, Oxford. Braund (2009): Susanna Braund (Hg.), Seneca. De clementia. Edited with Translation and Commentary, Oxford. Büchner (1970): Karl Büchner (Hg.), L. Annaeus Seneca, De clementia. Über die Güte. Lateinisch/ Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Karl Büchner, Stuttgart. 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Archäologisch-historische Perspektiven: Darstellung und Wirkung <?page no="51"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich Nero und Domitian sind nicht nur durch die Zuschreibung als ‚schlechte‘ oder gar ‚verrückte‘ Kaiser miteinander vergleichbar, sondern mit beiden endete nach jeweils rund anderthalb Jahrzehnten eigenem Regiment auch eine herrschende Dynastie. Die Frage nach einer spezifischen Repräsentation der beiden Herrscher hat zunächst Kontinuitäten und Brüche im Verhältnis zu ihren Vorgängern in den Blick zu nehmen. Innerhalb der Strukturen des Prinzipatsystems sind Rückbezüge auf die Familie sowie die jeweilige Interpretation der Herrscherrolle wesentliche Aspekte, als herkunftssowie leistungsbezogener Teil der Herrschaftslegitimation. Daran anknüpfend soll die spezifische Repräsentation von Nero und Domitian miteinander verglichen werden, vor allem in Hinblick auf das Ausloten oder Überschreiten von Grenzen. Wie sich dieses im Medium Münze darstellte, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. 1. Münzen als zeitgenössische Medien und historische Quellen Unter den aus der Antike erhaltenen Medien heben sich die Münzen in ihrem Quellenwert dadurch hervor, dass sie unmittelbar überliefert und zugleich massenhaft vorhanden sind. Die Kombination von Bild und Schrift in einem Objekt erlaubte schon in der Antike die Fortentwicklung der Bildsprache und Formulierung komplexerer Aussagen - und auch in der Gegenwart macht sie die Bildmotive oft leichter dechiffrierbar. Hinzu kommt, dass die Münzen der Römischen Kaiserzeit in der Regel sehr genau datierbar sind. Sie geben einen ungebrochenen Einblick in die tagesaktuell in diesem Medium ausgedrückten Repräsentationsabsichten. Späteren Überformungen oder Umdeutungen unterlagen die Münzen nicht - im Gegensatz etwa zu den ex eventu verfassten historiographischen Texten. Eine weitere Besonderheit des numismatischen Materials liegt schließlich darin, dass Rückschlüsse aus nicht Vorhandenem durchaus statthaft sind: Von jedem in der Antike jemals ausgeprägten Münztyp hat sich in der Regel zumindest eine Münze bis heute erhalten. Auf der Ebene der Typen kann die Überlieferung als nahezu vollständig und mithin repräsentativ gelten. Geprägt wurde in der Römischen Kaiserzeit einerseits auf Reichsebene, andererseits in den vielen regionalen und städtischen Münzstätten der Pro- <?page no="52"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 44 vinzen. Die Münzen Neros und Domitians sind für beide Gruppen durch moderne Standardwerke gut erschlossen. 1 Die vom Geldwert gewichtigere Reichsprägung erstreckte sich mit Gold-, Silber- und Aesnominalen über alle drei Münzmetalle und erfolgte in der Regel in der zentralen Münzstätte Rom. Räumlich und institutionell kann die der Reichsprägung zugrunde liegende Perspektive als herrschernah bzw. offiziell charakterisiert werden. Die Prägungen in den Provinzen wurden in lokaler, meist städtischer Autonomie vorgenommen. 2 Vor allem im Osten des Reiches führten Hunderte von Städten ihre Prägetraditionen aus griechisch-hellenistischer Zeit bis in die Jahre Diokletians fort. Die lokalen und regionalen Münzstätten in der westlichen Reichshälfte überdauerten hingegen im Allgemeinen nicht die Zeit Caligulas. Der Prägeausstoß in den Provinzen war unregelmäßig und unrhythmisch, die Volumina blieben begrenzt und in der Masse auf Aesnominale beschränkt. Sowohl in ihren Bildern als auch im Hinblick auf den Geldumlauf bedienten die Provinzprägungen vorrangig lokale und regionale Bedürfnisse. Für die Frage nach der herrscherlichen Repräsentation bieten sie vor allem Hinweise auf die lokale Rezeption des Herrscherbildes. Vermittelt wurde dieses an der Peripherie des Reiches aufgenommene Kaiserbild nicht zuletzt durch die Reichsmünzen. An dieser Stelle gilt das Untersuchungsinteresse der Repräsentation des Herrschers, weniger deren Rezeption. Aus diesem Grunde bleiben die Provinzprägungen Neros und Domitians im Folgenden ausgeklammert. Für die Reichsprägung darf man davon ausgehen, dass die Auswahl der Münzbilder in der Nähe des Herrschers erfolgte, kaum aber regelmäßig durch ihn selbst. Die Münzbilder kommunizierten die Taten, Tugenden und Wertvorstellungen des Prinzeps einem breiteren Publikum, wobei die für die Bilder Verantwortlichen ihre Auswahl fraglos auch mit Blick auf die Rezeption dieser Bilder beim Herrscher getroffen haben werden. 3 Die Kommunikationssituation ist dem Panegyricus nicht unähnlich, auch wenn bei den Münzen an Stelle eines individuellen Autors mit den tresviri monetales wechselnde und in der Kaiserzeit für uns anonym bleibende Verantwortliche treten, die aus einer Institution heraus handelten und wohl überdies in ein Kollektiv eingebunden waren: Ein derart auf Beharrung angelegter Rahmen dürfte die Möglichkeiten und Bereitschaft zu ‚Fürstenspiegelungen‘ oder Grenzüberschreitungen eingedämmt haben. Für die Analyse der zeitgenössischen Absichten, Wahrnehmungen und Wirkungen von Münzbildern ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Re- 1 Vgl. Sutherland (1984) sowie Carradice u. Buttrey (2007) für die Reichsprägung des 1. Jh. n. Chr., Burnett u. a. (1992), Burnett u. a. (1998) sowie Burnett u. a. (1999) für die Prägungen der Provinzen in diesem Zeitraum. 2 Eine vorzügliche Einführung in Material und Forschungsstand bieten die Beiträge in Howgego u. a. (2005). 3 Levick (1982); Levick (1999); vgl. auch zum Folgenden: Wolters (2003). <?page no="53"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 45 präsentation eines Herrschers sich entwickelte und die Jahr für Jahr in den Umlauf gesetzten Münzen Akzentverschiebungen unterlagen und Brüche aufweisen können. Jede moderne Annäherung hat zuvörderst diese chronologischen Schichten detailliert freizulegen. Auf der Gegenseite ist bewusst zu halten, dass Zahlungen im Römischen Reich - nicht anders als in späteren Epochen und in der Gegenwart - überwiegend mit alten und bereits umgelaufenen Münzen erfolgten: Nur wenige Reichsbewohner besaßen überhaupt die Chance, Münzen unmittelbar aus der Prägestätte in die Hand zu bekommen. Doch schon mit dem ersten Kaufvorgang gingen neugeprägte Münzen in der Bildervielfalt der umlaufenden Münzen auf. Vor deren breitem Hintergrundrauschen konnten sich Akzentverschiebungen nur langsam durchsetzen: Innovationen machten sich zeitgenössisch vor allem in spektakulären Einzelstücken bemerkbar, weniger in programmatischen Verschiebungen innerhalb etablierter Einzelbilder. Paradoxerweise ist die moderne Forschung für die Aufdeckung der Bildprogramme gegenüber den antiken Nutzern der Münzen in einer vorteilhafteren Position: Der heute mögliche Überblick über das Gesamtmaterial erlaubt die Rekonstruktion der Prägepläne und mithin genau datierte Kontextualisierungen einzelner Münzbilder und Nominale. 4 Eine so rekonstruierte Perspektive des Münzamts als Urheber der Münzbilder bzw. ‚Sender‘ war allenfalls für einen Kreis um den Hof herum wahrnehmbar - auch dies ein Indiz für die These, dass mit der Vorlage neuer Münzbilder immer auch sehr direkt dem Herrscher selbst geschmeichelt wurde. Er gehörte zu den Wenigen, denen eine neue Serie - vielleicht schon zur Genehmigung - geschlossen vorgelegt werden konnte und der ihren Sinngehalt und ihre Bedeutung im Kontext der vorherigen Münzbilder erkennen konnte. Zumal in der jüngeren Forschung ist mehrfach vorgebracht worden, dass im Römischen Reich über die Zuordnung bestimmter Bilder zu bestimmten Nominalen die Ansprache spezifischer gesellschaftlicher Gruppen gesteuert worden wäre. 5 Fraglos resultiert aus dem hohen Wert des Goldes, dass die Verfügbarkeit über Aurei soziale Grenzen fand. Doch gilt dies schon für die silbernen Denare nicht mehr, deren Wert etwas mehr als einem Tageslohn entsprach. Die Bildprogramme wiederum zeigen, dass dieselben Motive meist parallel in Gold und Silber ausgeprägt wurden, teils sogar aus denselben Stempeln. Bronzemünzen als Kleingeld wurden schließlich von jedem benötigt. Gleichwohl scheint eine nominalspezifische Ansprache in römischer Zeit tatsächlich praktiziert worden zu sein, jedoch nicht in Bezug auf soziale Schichten, sondern auf Regionen: Denn während Gold- und Silbermünzen im Umlauf weit durchmischt wurden, zirkulierte das Kleingeld eher regio- 4 Wolters (2005). 5 Lummel (1991); zuletzt wieder Hekster (2003). <?page no="54"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 46 nal und blieb in der Masse dort, wo es in den Umlauf gesetzt wurde. Unverkennbar haben die Bildprogramme der von der stadtrömischen Prägestätte ausgegebenen Bronzemünzen in der hier behandelten Zeit eher einen römisch-italischen Rezipientenkreis im Blick. Doch auch darüber hinaus war die getrennte Belieferung einzelner Reichsteile mit spezifisch auf diese Region zugeschnittenen Bildprogrammen möglich: In Ermangelung einschlägiger schriftlicher Quellen ist der Nachweis eines derartigen Verfahrens allein über Fundmünzen möglich, doch für einzelne Gruppen gelungen. 6 Ein letzter Aspekt ist, dass einmal über Münzen in den Umlauf gebrachte Bilder und Nachrichten nicht mehr zurückgerufen werden konnten. Auch daraus resultiert, dass Münzbilder - nicht nur in der Römischen Kaiserzeit - eher zurückhaltend, zurückblickend und konservativ waren, kaum jedoch programmatisch. Allein in politisch unruhigeren und kurzfristige Wirkung in den Vordergrund stellenden Umbruchsphasen erfolgten verbindlichere Profilierungen und Festlegungen. In Bürgerkriegszeiten etwa wurde im Allgemeinen mit den Aussagen der Münzbilder ein größeres Risiko eingegangen. Ein seit der mittleren Republik etabliertes Mittel, Chancen wie Risiken von Innovationen bei dem so nachhaltigen Medium Münze unter Kontrolle zu halten, waren gezielte Ambivalenzen: Durch mehrfache Deutungsebenen wurden den Betrachtern der Münzbilder Spielräume gegeben. Verschiedene Interpreten konnten ihre je unterschiedlichen Vorstellungen in demselben Bild wiederfinden, während der Urheber der Bilder seine ‚offizielle‘ Deutung in gewissem Rahmen ex eventu nach den erfolgten Reaktionen ausrichten konnte. 2. Die Reichsprägung Neros Die Reichsprägung Neros zerfällt in zwei scharf voneinander getrennte Phasen. Dazwischen liegt der größte geldwirtschaftliche Umbruch im römischen Denarsystem während der ersten beiden Jahrhunderte n. Chr., die sogenannte Neronische Münzreform: Veränderungen des Gewichts von Gold- und Silbermünzen sowie zusätzliche Beimengungen unedler Metalle bei den Silbermünzen reduzierten im Jahr 64 n. Chr. den Materialwert von Aurei und Denaren um rund 15-20 Prozent. 7 Die stufenartige Verschlechterung des Standards ermöglichte schlagartig eine um diesen Prozentsatz erhöhte Münzproduktion aus unveränderter Edelmetallmenge. Gleichzeitig wurde die Edelmetallprägestätte vom gallischen Lugdunum in die Hauptstadt Rom zurückverlegt. Der große Brand Roms mit dem jetzt erheblichen Geldbedarf 6 Clay (1989); Kemmers (2003); Duncan-Jones (2005) 471-479; Kemmers (2009) 137-156. 7 Vgl. die Grafik bei Walker (1976) 21. Kritisch zur Methode Walkers und mit differenzierteren, neueren Analysen Butcher u. Ponting (2005) 173-180; Ponting (2009) 269-272; Woytek (2010) 22. Vgl. zur Reduktion auch Plin. nat. 33,47. <?page no="55"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 47 vor Ort dürfte ursächlich für beide Maßnahmen gewesen sein. Die beinahe acht Jahrzehnte andauernde Edelmetallprägung in der kaiserlichen Provinz war eine jener das Recht auslotenden machtpolitischen Maßnahmen des Augustus, welche die Errichtung des Prinzipats in den Formen der Republik erlaubten. 8 Im Sommer 64 n. Chr. wurden allerdings nicht nur Prägeorganisation und Prägestandard verändert, sondern auch die Bildprogramme der Münzen verwandelten sich radikal: Auf den Aversen erschien ein neues Porträt des Herrschers, Kopfschmuck wurde angelegt und bald auch der Büstenansatz als Bedeutungsträger genutzt. Auf den Reversen lösten neue Bildmotive die bisherigen vollständig ab. Selbst die Legenden veränderten sich in Ausrichtung, Form und Funktion. 2.1. Das erste Jahrzehnt: Die Münzen Neros vor der Reform von 64 n. Chr. Bereits unter Claudius erschienen die ersten Münzen mit dem Bild des jungen Nero, als sein Adoptivvater ihn ab 51 n. Chr. in Fürprägungen als princeps iuventutis vorstellte. 9 Der breiten Öffentlichkeit wurde damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Nero dem Claudius nachfolgen sollte. Allein der genauere Zeitpunkt war angesichts des damals rund 60-jährigen Prinzeps naturgemäß noch offen. Als Nero nach dem möglicherweise gewaltsamen Tod des Claudius im Herbst 54 n. Chr. zur Herrschaft kam, wurde die etablierte Prägestruktur zunächst unverändert beibehalten. Ausgeprägt wurden ausschließlich Edelmetalle: Wenige Typen, die gleichzeitig als Aurei und Denare ausgegeben wurden. 10 Die seit den frühen Jahren des Claudius unterbrochene Ausprägung von Buntmetallen blieb sistiert, trotz erkennbaren Kleingeldmangels in den westlichen Provinzen. Schon seit der Republik gab es immer wieder längere, bis zu mehreren Jahrzehnten andauernde Lücken in der Kleingeldherstellung: Der Römische Staat prägte Münzen primär zur Erledigung seiner Staatsausgaben. Eine Verantwortung zur Versorgung der Wirtschaft mit dem erforderlichen Umlaufgeld wurde offensichtlich auch in den ersten Jahren des Nero nicht verspürt. Ein völliges Novum waren jedoch die Aversbilder der Aurei und Denare, auf denen der Kopf Neros gemeinsam mit dem seiner Mutter zu sehen war (Abb. 1). 11 Die Umschrift AGRIPP(INA) AVG(VSTA) DIVI CLAVD(II VXOR) NERO(NIS) CAES(ARIS) MATER stellte vollends Agrippina ins Zentrum und machte Nero eher zur Begleitperson. Allerdings gehörte ihm der Revers 8 Wolters (2004) 257-260. 9 RIC I² 75-79 (Claudius). 10 Vgl. RIC I² 1f. (Nero); dazu Clay (1982) 9-18. 11 RIC I² 1-3 (Nero). <?page no="56"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 48 mit der Abbildung der auf Senatsbeschluss (EX SC) verliehenen corona civica. Der Bürgerkranz hatte sich seit Augustus gewissermaßen zum konstitutionellen Münztyp für den Prinzeps entwickelt. Erstmals seit Augustus war der beigefügte Name wieder im Dativ gehalten und hob so die Widmung an Nero hervor. 12 Ein zweiter Münztyp mit dem Porträt des Divus Claudius im Avers und der ebenfalls EX SC verliehenen tensa im Revers galt ganz dem vergöttlichten Adoptivvater. 13 Beide Münztypen verwiesen auf die dynastische Legitimation, der durch die Vergöttlichung des Claudius noch einmal besonderer Glanz zufiel. Eine derartige Betonung der familiären Abkunft, zugleich auch als Demonstration der pietas gegenüber den Vorfahren, war seit Tiberius für die ersten Münzen eines neuen Herrschers üblich. Vor diesem Hintergrund ist weitaus bemerkenswerter, dass in beiden Münztypen durch die Beischrift EX SC der Senat als Urheber der auf den Reversen ausgedrückten Ehrungen für den verstorbenen Claudius sowie für Nero kenntlich und das Gremium so zum Beteiligten gemacht wurde. Die beiden direkten Vorgänger Caligula und Claudius verwiesen dagegen an dieser Stelle in ihren frühesten Münzen mit den Prätorianerreversen ungeniert auf die machtpolitische Basis ihrer neuen Position. 14 Ein Anfang 55 n. Chr. dazugekommener Münztyp mit der Elefantenquadriga galt abermals dem Divus Claudius. Auch auf diesen Stücken war Agrippina überaus präsent. Auf dem Avers erschien sie erneut gemeinsam mit Nero, die Umschrift des Reverses bezog sich ganz allein auf sie (Abb. 2). 15 Allzu lang dürften die Münzen allerdings nicht zur Ausprägung gekommen sein. Schon wenige Monate nach Neros Herrschaftsbeginn wurde Agrippina aus dem Palast verbannt. Zu den Eigengesetzlichkeiten des Mediums Münze mit seiner Funktion als Geld zählt, dass diese Stücke weder zu diesem Zeitpunkt, noch nach der knapp vier Jahre späteren Ermordung Agrippinas mit anschließender damnatio memoriae aus dem Umlauf zurückgerufen werden konnten. Mit den Agrippina-Stücken endeten auch die teils mit ihnen verknüpften Bezüge auf den Divus Claudius. Ersatzweise an ihre Stelle tretende Münzmotive wurden nicht entworfen. So füllte in der Edelmetallprägung nur noch der Eichenkranztyp, jetzt allein mit Porträt und Titulatur des Nero im Avers, die kommenden fünf Jahre bis Ende 60 n. Chr. Auch in der Folge sollte es unter Nero keine Münztypen mit Angehörigen der iulisch- 12 Der Name des Augustus im Dativ findet sich bei RIC I² 278 (Augustus). Unter Tiberius, der den pater patriae-Titel und die corona civica ablehnte, wurde der Eichenkranztyp nicht ausgeprägt. Zur überragenden Bedeutung der corona civica für die Prinzepsrolle: Sen. clem. 1,26,5. 13 RIC I² 4f. (Nero). 14 RIC I² 32 (Caligula); RIC I² 7-12 (Claudius). 15 RIC I² 6f. (Nero). Vgl. auch Suet. Nero 9; Tac. ann. 13,2,3: „optima mater“ als erste Parole des neuen Herrschers an seine Soldaten. <?page no="57"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 49 claudischen Dynastie mehr geben. Dies steht in deutlichem Kontrast zu den Vorgängern Neros, bei denen die Legitimation über die Familie bis zurück auf Augustus in der Reichsprägung stets zentrales Programm war. Kurz vor Ende des Jahres 60 n. Chr. wurde schließlich der Eichenkranztyp durch zwei Roma- und einen Ceres-Revers abgelöst (Abb. 3-4). 16 Die drei neuen Motive bestimmten die Prägung bis Mitte 64 n. Chr. Wie schon bei den Eichenkranztypen aktualisierten Zählungen der tribunizischen Gewalt und teils auch des Konsulats regelmäßig die Legende. Eine solche Emissionsunterscheidung bei ansonsten über Jahre gleichbleibenden Bildern entsprach ebenfalls dem etablierten und in der Edelmetallprägung des Caligula und Claudius in großer Konsequenz praktizierten Verfahren. 17 Strittig ist die Interpretation der drei neuen Münzbilder. Auf den Reversen steht jeweils großformatig EX SC. Diese Legende war zwar bereits auf allen bisher unter Nero geprägten Reversen zu lesen, dabei jedoch eindeutig auf den Bildinhalt bezogen. 18 Curtis Clay interpretiert die Buchstaben auch an dieser Stelle als Hinweis auf Ehrungen. Die Münzbilder seien Abbildungen von Statuen, die auf Senatsbeschluss aufgestellt worden seien. 19 Doch ist eine solche Interpretation in Ermangelung von Parallelquellen kaum positiv zu stützen, zumal auf den Münzen selbst keine ikonographischen Hinweise auf Statuen zu sehen sind, wie etwa tragende Sockel. Ebenso wenig kann eine Überlegung befriedigen, dass die Beischriften nach den vorangegangenen EX SC-Prägungen aus „Gewohnheit“ beibehalten worden seien. 20 Andere Erklärungen gehen dahin, das EX SC als demonstrativen Ausdruck der Senatsnähe Neros - nicht zuletzt unter dem Einfluss Senecas - zu interpretieren bzw. als „Mäßigung der Monarchie“. 21 Doch hinsichtlich des unstrittig rechtlichen Gehalts der Formel bleiben derartige Urteile ohne Gegenstand. Eine Möglichkeit wäre, das EX SC als Genehmigungsformel des Senats für die ja außerhalb Roms in eine Provinz des Prinzeps verlagerte reichsrömische Edelmetallprägung zu deuten: Nero hätte sich dann mit dem 16 RIC I² 23-28 (Nero). Nach Sutherland (1984) 152f. sind Virtus und Roma dargestellt. Zweimal als Roma: Clay (1982) 50f. 17 Übersichtlich bei Szaivert (1986) 64-67. 18 Eine Ausnahme bildet der Quinar (RIC I² 10 [Nero]; King Nero 1), der als einzige Edelmetallmünze kein SC besitzt. Dies lässt sich leicht mit der Tradition dieses bildlich stets festgelegten Nominals und seiner frühen Ausprägung erklären. Skepsis ist überdies angebracht, da es sich bei diesem Stück um ein Unikat handelt. 19 Clay (1982) 33-36: Deutlich überzogen ist seine Interpretation des Objekts, auf das Roma ihren Fuß setzt, als „Kopf der Boudicca“. 20 Kraft (1985) 188. 21 Lummel (1991) 63; Sutherland (1987) 91. Hekster (2003) 29 will nicht entscheiden, ob das EX SC ein Zeichen für den größeren Einfluss des Senats sein soll - oder aber ein demonstratives Signal des Kaisers an eben diesen Senat, dass er das Gremium besser als die Vorgänger berücksichtigen wolle. Zum anfänglichen Einfluss Senecas auf den jungen Nero s. Tac. ann. 13,3-5; vgl. auch Suet. Nero 10,1. <?page no="58"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 50 SC um eine unstrittige Legitimation für die in Lugdunum vorgenommene Reichsprägung bemüht. Eine solche Interpretation impliziert jedoch, dass die Aufschrift der Genehmigungsformel einen vorherigen Zustand explizit sichtbar machte, der seit den Tagen des Augustus eher verschleiert worden war. 22 Auch gerade unter den Vorzeichen des gallischen Prägeorts bleibt bemerkenswert, dass die Inhalte der neronischen Münzen im ersten Jahrzehnt eher auf ein stadtrömisches Publikum zielten. Überdies fehlten, vom konstitutionellen Eichenkranztyp abgesehen, auf den Reversen jegliche unmittelbaren Bezüge zu Nero. Differenziertere Hinweise auf Taten Neros oder auf Herrschertugenden kamen ebenso wenig vor wie ganzfigurige Darstellungen des Prinzeps. Zu dieser Zurückhaltung scheint zu passen, dass Nero, abermals in deutlichem Kontrast zu seinen Vorgängern, auf den Aversen stets barhäuptig erscheint: Auf den Münzen der ersten zehn Jahre seiner Herrschaft wird von jedweder Illustration der Herrscherrolle Neros oder Herausstellung spezifischer Herrschertugenden abgesehen. 2.2. Die Münzen Neros von 64-68 n. Chr. Nach der Wiederaufnahme der Edelmetallprägung in Rom unterschieden sich die zu reduziertem Standard ausgebrachten Münzen auch in den Avers- und Reversbildern merklich von den zuvor ausgeprägten Aurei und Denaren. Ein neues Porträt Neros schmückte die Averse. Dessen einzelne Elemente hatten sich zwar schon seit 59 n. Chr. angekündigt, doch in ihrer weiteren Ausformung und deutlichen Übersteigerung markiert das Jahr 64 n. Chr. den signifikanteren Bruch: Die eingebrannten Haarstufen, scharf formulierten Sichelsträhnen sowie tief in den Nacken fallende Locken und Dreitagebart statteten Nero mit den Attributen des Künstlertums aus. 23 Das breite und aufgedunsene Gesicht mit Tränensäcken, Wangenfalten und dikkem Kinn saß auf einem überbreiten Hals. In jugendlicher Verfettung stellte sich Nero als Anhänger eines Genusslebens vor und trug das hellenistische Ideal der J zur Schau. Durchgehend wurde in den Edelmetallprägungen ab jetzt der Kopf vom Lorbeerkranz bedeckt. 24 Gleichzeitig wechselten sämtliche Reverstypen. Der bis dahin stets verwendete Legendenzusatz EX SC erscheint ab 64 n. Chr. genauso konsequent nicht mehr. Die datierenden Angaben in der Titulatur entfielen, was zu- 22 Vgl. oben Anm. 8. 23 Hiesinger (1975) 120; Schneider (2003) 64f. sieht dagegen bereits 59 n. Chr. das entscheidend neue Porträt, das dann allerdings ab 64 noch ausgeprägter ausgestaltet worden sei. 24 Dazu wurde ab jetzt konsequent die Legendenrichtung von einwärts nach auswärts umgedreht, was auch ein Indiz für die Zurückverlegung der Edelmetall-Prägestätte von Lugdunum nach Rom ist. <?page no="59"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 51 gleich bedeutet, dass eine chronologische Binnengliederung für die spätneronischen Münzen problematisch ist. 25 Reverse mit Jupiter, Roma, Vesta, Salus und Concordia setzten das römisch-italische Bildprogramm weitestgehend fort. Doch in merkwürdiger Umkehrung wurden jetzt alle Götter und Personifikationen sitzend abgebildet, während sie vor 64 n. Chr. durchwegs standen. Allein Nero ist es, der auf zwei neuen Reverstypen stehend abgebildet wird: 26 Das erste Motiv zeigt den frontal stehenden Nero in einer Toga, der in seiner rechten Hand einen Zweig und in der linken die Victoria auf dem Globus hält (Abb. 5). Der Kopf Neros ist unverkennbar mit einer Strahlenkrone geschmückt. Die Reverslegende AVGVSTVS GERMANICVS setzt NERO CAESAR vom Avers fort, doch werden durch die Aufspaltung der Titulatur die Namensbestandteile Augustus und Germanicus im Revers überaus stark hervorgehoben. Vermutlich geht die Darstellung, die Nero zwar in ziviler Kleidung, doch gleichzeitig mit dem auf besondere Erhabenheit verweisenden Attribut der Strahlenkrone darstellt - und ihn in ähnlicher Mischform als Friedensbringer aufgrund der Sieghaftigkeit der Victoria zeigt - , auf die im Jahr zuvor errungenen militärisch-diplomatischen Erfolge des Corbulo gegen die Parther zurück. Zumal in Kombination mit dem gleichzeitig ausgeprägten Reversmotiv des geschlossenen Janustors sowie weiterem Revers mit Legionsadler zwischen Feldzeichen scheint die ganze Münzgruppe darauf abzuzielen, ganz bewusste Assoziationen zum Parthererfolg des Augustus von 20 v. Chr. - und vielleicht auch der Orientmission seines durch die Reverslegende zusätzlich assoziierten leiblichen Großvaters Germanicus - wachzurufen. 27 Das zweite Reversmotiv zeigt Nero abermals in Toga und mit Strahlenkrone, diesmal Langzepter und Opferschale haltend (Abb. 6). Neben ihm steht in ähnlichem Gestus eine weibliche Gestalt mit Füllhorn und Opferschale, die aufgrund der parallelsetzenden Umschrift AVGVSTVS - AVGV- STA innerhalb des mutmaßlichen Zeitrahmens als Neros neue Gattin Poppaea angesprochen werden kann. Nicht eindeutig wird, ob das Paar als den Göttern opfernd gedacht, oder selbst in der Ikonographie der opfernden 25 Die Emissionsunterscheidung fand vielleicht durch die wechselnden Averslegenden statt. 26 Naturgemäß öffnet sich diese Beobachtung vielfachen attraktiven Deutungen, doch müssen diese in Ermangelung ergänzender Quellen spekulativ bleiben. 27 RIC I² 46f. (Nero); vgl. Bergmann (1998) 175-178. Der Janustempel ist sowohl im Edelals auch im Buntmetall auf den Münzen zu sehen: RIC I² 50. 263 (Nero). Suet. Nero 13,2 überliefert, dass der Tempel im Anschluss an die Diademverleihung an Tiridates in Rom 66 n. Chr. geschlossen worden wäre. Ab diesem Zeitpunkt führte Nero auch das praenomen Imperatoris. Da dieses allerdings nicht auf allen Münzen mit Janustempel erscheint (RIC I² 300-311 [Nero]), werden einige zuvor geprägt worden sein. Ein Anlass könnte die Nachricht von der Diademniederlegung des Tiridates vor dem Nerobild in Rhandeia in Mesopotamien gewesen sein (Tac. ann. 15,29; Cass. Dio 62,23,2-3). <?page no="60"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 52 Götter dargestellt ist. Auch hier mag bewusste Ambivalenz beabsichtigt gewesen sein. Die fehlende Umhüllung des Hauptes stützt durchaus die zweite Perspektive. 28 Wohl zeitgleich mit der Reform der Edelmetallprägung wurde nach zwanzigjähriger Unterbrechung um 64 n. Chr. die Bronzeprägung wieder aufgenommen. 29 Auf einigen der neuen Stücke schmückte die Strahlenkrone jetzt sogar das Herrscherporträt im Avers (Abb. 10). 30 Darstellungen des Panzers und der Aegis erweiterten das Aussagespektrum der Büsten, ebenso der Büstenansatz mit Globus. 31 Der vorher selbstverständliche zivile Habitus des Nero in den Aversen wurde gerade in der Buntmetallprägung weitgehend aufgegeben. Schließlich führte Nero in den letzten beiden Jahren in allen Nominalstufen das praenomen Imperatoris. Besonders eng und erzählend wurde der Nerobezug allerdings in den Reversen der Buntmetalle, die auch aufgrund teils völlig neuer Bildentwürfe besondere Aufmerksamkeit finden mussten: adlocutio- (Abb. 7) und decursio- Szenen zeigten Nero in direkter Interaktion mit den Soldaten, Darstellungen des congiarium (Abb. 8) vereinigten Kaiser und Angehörige der plebs urbana im Münzrund. Hinzu kamen auf Ereignisse bzw. auf Neros Tätigkeit in und für Rom verweisende Reverse wie der Nero zugestandene Triumphbogen (Abb. 9), der neueingeweihte Hafen von Ostia, das Macellum oder Hinweise auf die Quinquinalien. 32 Motivvielfalt, Aktualität und Unmittelbarkeit der neuen Bildmotive auf den Buntmetallmünzen erinnern in vielfacher Weise an die Buntmetallprägung unter Caligula. Besonders spektakulär ist der Typ des sogenannten Apollon citharoedus, für den nicht eindeutig wird, ob die Urheber des Münzmotivs darin Apollon 28 RIC I² 44f. (Nero); vgl. Bergmann (1998) 178f. Auf S. 181 führt Bergmann die Darstellung auf ein vom Senat gestiftetes Standbild zurück, doch gibt es für ein solches kein weiteres Zeugnis. Eine derartige Deutung steht zudem in bemerkenswertem Gegensatz zur Deutung Clays der vorangegangenen EX SC-Gruppe, der diese - jetzt ja fehlenden Buchstaben - als Indiz für Statuendarstellungen durch den Senat wertet (vgl. oben Anm. 19). 29 Kaum schon 62 n. Chr., wie bei MacDowall (1979) und im Standardzitierwerk RIC. Anders Clay (1982) 8. 15f. Mit Wiederaufnahme der Buntmetallprägung begann eine Experimentierphase mit unterschiedlichen Metallen, teils mit Wertzeichen, die Rückseiten mit und ohne SC. 30 Die Strahlenkrone wurde bereits in einigen Provinzprägungen für Caligula verwendet: Azeani: RPC 3085-7; Magnesia am Sipylos: RPC 2454f.; Smyrna: RPC 2474; dazu Bergmann (1998) 127-129. 31 Aesmünzen wurden mit gleichen Bildprogrammen jetzt auch parallel in Lugdunum geprägt: Dabei wurde die Globenbüste prägeorganisatorisch zum entscheidenden Kennzeichen für die in Lugdunum hergestellten Bronzen. Aegis, Panzer und Globenbüste finden sich vor den Münzen bereits in anderen Gattungen im Zusammenhang mit der Darstellung des Kaisers: vgl. u. Anm. 63. 32 Vgl. RIC I² 95-97. 100-111. 143-189. 228-248 (Nero). <?page no="61"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 53 oder Nero erkannt haben wollten (Abb. 10). 33 Das Bild zeigt einen in langem, fast durchsichtigem Gewand schreitenden Kitharaspieler, der den Oberkörper weit zurückbeugt und zum tiefen Luftholen den Kopf zum Nacken hin überdehnt. Der Zeitpunkt dieser überaus realistisch gehaltenen Sängerdarstellung stimmt mit den ersten öffentlichen Auftritten des Kaisers überein. 34 Schon aus diesem Grunde werden die Betrachter des Bildes - wie Sueton - nicht nur an Apollon gedacht haben. 35 Der Kithara-Typ wurde nach drei von insgesamt sechs Emissionen aus dem Programm genommen, gemeinsam mit einem Revers, der den opfernden Genius des Augustus zeigte. Bei ansonsten unverändert weiterlaufenden Parallelprägungen ersetzten neue Reverse mit dem Motiv des Janustempels sowie der Victoria die beiden Münztypen. Da Janustempel und Victoria bereits auch an anderer Stelle des neronischen Prägeprogramms vorkamen, kann der Wille zur Einführung neuer Münzbilder kaum der Anlass für die Änderung gewesen sein. Die eigentliche Bedeutung dieses Bildwechsels scheint eher in der Entfernung der beiden ‚künstlerischen‘ Motive aus dem Prägeprogamm zu liegen. Eine Feinchronologie für diesen Abbruch ist leider nur begrenzt möglich. Teilt man die - nach der Zählung des Standardzitierwerks - insgesamt sechs Buntmetallemissionen des Nero zwischen dem hier vorausgesetzten Anfangsjahr 64 und 68 n. Chr. gleichmäßig auf, so erfolgte der Wechsel in den Bildern schätzungsweise gegen Ende 66 n. Chr. Dies wäre ungefähr der Zeitpunkt der Abreise Neros nach Griechenland. Ein derartiger Befund macht es besonders problematisch zu entscheiden, inwieweit hier durch Nero selbst oder aber durch die Magistrate der Münzstätte in die Motivauswahl bzw. in die Absetzung eines Münzmotivs eingegriffen wurde. 3. Die Reichsprägung Domitians Domitian war als zweiter Sohn des Vespasian seinem älteren Bruder Titus nachgeordnet. Dies wird auch durch die genauestens aufeinander abgestimmten Titulaturen in den Münzlegenden unter Vespasian kenntlich gemacht: Vespasian besaß und dokumentierte mehr Konsulate und imperatorische Akklamationen als Titus, dieser wiederum mehr als Domitian. 36 Die Fürprägungen für Titus begannen früher, der sich überdies die Reversmoti- 33 RIC I² 73-76 (Nero). Dazu Sutherland (1987) 93f.; Bergmann (1998) 185-189. 34 Vgl. Bolton (1948) 86f. 35 Suet. Nero 25,2, auch wenn sein Ansetzen dieses Münzbildes nach der Griechenlandreise 67 n. Chr. falsch ist: Die Münzen tragen IMP noch nicht als praenomen und sind somit vor 66 n. Chr. ausgeprägt worden, vgl. o. Anm. 27. S. auch Bergmann (1998) 185- 189. 36 Vgl. die Auflistung bei Carradice u. Buttrey (2007) 16f. sowie Buttrey (1980). <?page no="62"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 54 ve mit seinem Vater teilte, während für Domitian eigene Bilder verwendet wurden. Beim Tod des Vespasian 79 n. Chr. trat erwartungsgemäß Titus die Nachfolge an. Doch nach dessen plötzlichem Ableben zwei Jahre später war die Reihe an Domitian. Die Münzprägung Domitians als Alleinherrscher lässt sich in drei Phasen äußerst unterschiedlicher Dauer einteilen. Diese unterscheiden sich vor allem durch die Bildprogramme. Die erste Phase nach dem unerwarteten Tod des Titus am 13. September 81 n. Chr. zeichnet sich zunächst durch die fast vollständige Weiterprägung der Edelmetallserie des Titus aus, allein das Aversporträt mit der Legende verwies auf den neuen Herrscher. 37 Erst gegen Ende des Jahres kamen zwei neue Reverstypen mit Motiven der Minerva hinzu. Die Göttin war auch schon Reversbild des Caesars Domitian unter Vespasian. 38 Anders war jedoch die Entwicklung in den parallel ausgeprägten Buntmetallen, wo bereits seit dem Herrschaftsantritt Domitians neue Typen erschienen: neben mehreren Motiven der Minerva auch das den Herrschaftswechsel anzeigende Bild von Domitian mit Palladium, ein Motiv, das in analoger Weise bereits von seinen Vorgängern für den Herrschaftsantritt verwendet worden war. 39 Zudem wurden Sesterze für den vergöttlichten Titus sowie für Domitia, die Frau Domitians, ausgegeben. Die von Titus übernommenen Restitutionsprägungen, welche Aes-Münzen früherer Kaiser wiederholten, scheinen ebenfalls in diesen Zeitraum zu fallen und stehen für formale Kontinuität. 40 Insgesamt ist diese Phase durch den Herrschaftsantritt und die damit verbundene Übergangssituation charakterisiert, in der Domitian weitestgehend den unter Titus entwickelten bzw. den für Herrscherwechsel üblichen Vorgaben folgte. Eine große Umwälzung leitete im Verlauf des Jahre 82 n. Chr. die zweite Phase ein: 41 Die Buntmetallherstellung blieb für zwei Jahre unterbrochen. Am markantesten war die Erhöhung des Edelmetallstandards beinahe auf das augusteische Maß. 42 Gleichzeitig wurden die Reverstypen vollständig ausgetauscht. Die ersten neuen Edelmetallreverse zeigten die Büste von Minerva bzw. die stehende Fortuna mit Ruder und cornucopiae. Darauf folgte eine Serie von Prägungen für die bereits verstorbenen und für die noch lebenden Mitglieder der flavischen Dynastie: Domitians Vater Vespasian, die 37 Nachweisbar ist auch eine hybride Prägung mit einem Aversstempel des Domitian und einem Reversstempel des Titus: RIC II.1 6 (Domitian). 38 RIC II.1 920 (Vespasian). 39 RIC II.1 80 (Domitian). Auch für Vespasian (RIC II.1 32 [Vespasian]) und für Titus (RIC II.1 166 [Titus]) wird ein solches Bild zu Herrschaftsbeginn geprägt, jedoch bekommen sie das Palladium jeweils von einer Gottheit (Victoria bzw. Roma) überreicht, während Domitian alleine auskommt. 40 Carradice u. Buttrey (2007) 242. Komnick (2001) 98 datiert die Restitutionsprägungen dagegen in die erste Hälfte 83 n. Chr. 41 Zu gleichzeitigen personellen Konsequenzen vgl. Carradice (1979) 101-103. 42 Butcher u. Ponting (2012) 69. <?page no="63"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 55 Geschwister Titus und Domitilla, 43 die Nichte Julia, seine Frau Domitia (Abb. 11) sowie schließlich Domitians bereits verstorbener Sohn (Abb. 12). In bemerkenswerter Weise hoben die qualitätsvollen, reformierten Münzen in dieser zweiten Phase die eigene Dynastie hervor. Die dritte und letzte Phase begann nach kurzer Zeit bereits im Jahr 83 n. Chr. und veränderte das Bildprogramm abermals vollständig. Von kleinen Umgestaltungen abgesehen blieb das Bildrepertoire danach bis zum Tode Domitians weitgehend gleich. Auf den Reversen des Edelmetalls wurden ausschließlich vier Typen der Göttin Minerva ausgeprägt, der damit eine dominierende Stellung zufiel (Abb. 13-16). 44 Nur zwei Reverstypen traten im Laufe der Jahre dauerhaft auf den Aurei hinzu: 84 n. Chr. die auf einem Schild trauernde Germania und 88 n. Chr. Domitian in der Triumphalquadriga (Abb. 17-18). Die jetzt eingetretene Standardisierung der Münzbilder wurde begleitet von einer steten Aktualisierung der Titulatur. Eine konsequente Zählung der Iterationen von Konsulat, tribunizischer Gewalt und imperatorischer Akklamation ermöglichte die Kontrolle der Emissionen. In Summe war eine derart vereinfachte, auf wenige Münztypen reduzierte und dafür mit Kontrollmöglichkeiten versehene Struktur eigentlich das Adäquate für die Münzen in einem mehrsprachigen und kulturell äußerst unterschiedlichen Reich. Auf die Funktion der Münzen als Geld bezogen kann diese Struktur als sachlich, ‚modern’ und effizient angesehen werden. Im Jahre 84 n. Chr. setzte die Buntmetallprägung mit zugleich neuen Typen wieder ein, welche sich vor allem auf den germanischen Krieg bezogen. Die Germania Capta-Darstellungen griffen zum großen Teil Bilder der Iudaea Capta-Serie von Vespasian und Titus auf - ein Erfolg, an dem Domitian in der flavischen Selbstrepräsentation nicht beteiligt worden war - und übernahmen mit der Anlehnung an die Darstellung des Sieges über die Germanen nicht nur die Form der Repräsentation, sondern auch die Funktion der Herrschaftslegitimation durch außenpolitische Sieghaftigkeit (Abb. 19). 45 Das Typenspektrum wurde im folgenden Jahr noch erweitert, blieb dann aber bis 43 Das parallele Vorkommen von Münzen mit Vespasian/ Tochter Domitilla (RIC II.1 146) und Titus/ Tochter Julia (RIC II.1 147) spricht für eine Deutung der Domitilla als Schwester Domitians, nicht der gleichnamigen Mutter. Anders dagegen Kienast (1989) 141-147 und Wood (2010) 45-51. 44 Gmyrek (1998) 58f. möchte zusammen mit Morawiecki (1977) 189f. darin eine Abkehr von der augusteischen res publica restituta und Hinwendung zu östlichen Herrschertraditionen sehen. So auch Leberl (2004) 77f. Dagegen jedoch Gering (2012) 145, der darauf hinweist, dass Minerva schon auf den Münzen des Caesars Domitian unter Vespasian erschien, als Domitian sich sicher nicht als hellenistischen Königssohn habe darstellen können. 45 Vgl. beispielsweise den Gegner niederreitenden Kaiser (RIC II.1 386 [Vespasian] und RIC II.1 205 [Domitian]); Iudaea/ Germania mit Gefangenem unter Palme/ Trophäe (RIC II.1 1205 [Vespasian], RIC II.1 152 [Titus] und RIC II.1 274 [Domitian]) oder die schildbeschreibende Victoria (RIC II.1 14 [Vespasian] und RIC II.1 285 [Domitian]). <?page no="64"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 56 zum Ende der Herrschaft 96 n. Chr. weitgehend stabil. Unterbrochen wurde der Prägeablauf nur durch eine Emission aus Anlass der Säkularspiele im Oktober 88 n. Chr. Ob in den Jahren 95 und 96 n. Chr. noch einmal neu aufgekommene Bilder als Beginn einer nicht mehr zur Entfaltung gekommenen vierten Phase zu werten sind, muss offen bleiben: Auf den Denaren traten nun zum ersten Mal seit langem neben den üblichen vier Minervatypen mehrere neue Reverse mit der geflügelten Minerva sowie der Göttin Maia, Mutter des Merkur und ebenso wie dieser für Handelserfolg zuständig. 46 Ein weiterer Revers präsentierte einen gerüsteten Krieger frontal mit Speer und Trophäe. Die Darstellung entspricht dem Bild des Romulus, wie er als linke Akroterfigur des Divus Augustus-Tempels und wohl auch im Forum Augustum an der Spitze der summi viri dargestellt war. 47 Unstrittig ist der Krieger als Romulus anzusprechen, die Trophäe dann entsprechend als spolia opima. Schließlich kamen vier verschiedene Tempel auf den Denaren zur Darstellung, darunter der Jupitertempel. Während die Aurei keine neuen Bilder aufwiesen, zeigte im Buntmetall eine kleine Serie von äußerst seltenen Sesterzen verschiedene Monumente: eine Reiterstatue - wohl der equus maximus Domitiani -, einen Triumphbogen sowie ein dreigeschossiges Gebäude, vielleicht der Palast Domitians. Auch für diese Bilder kann nicht gesagt werden, ob sie Sonderemissionen waren oder in die reguläre Prägung aufgenommen werden sollten. Spezifisch für die Münzprägung Domitians ist die insgesamt ausführliche Titulatur in der Legende. Sie hilft uns heute zugleich, die Münzen sehr genau zu datieren. Zeitgenössisch ging es bei der Zählung der Iterationen neben der prägeorganisatorischen Kontrolle allerdings vorrangig um die Darstellung des Erreichten, das sich eben auch in der wiederholten Bekleidung der Ämter ausdrückte. Darin übertraf Domitian seinen Vater und Bruder, die ihren Status ebenfalls in den Münzlegenden hervorgehoben hatten. Gegen Ende des Jahres 83 n. Chr. nahm Domitian darüber hinaus den Siegestitel GERMANICVS an und führte ihn sofort in der Titulatur der Münzlegenden. 85 n. Chr. bekleidete Domitian das Amt des Zensors und ließ sich später im Jahr die censoria perpetua übertragen. Auch dies wurde in den Münzlegenden mit CENSOR bzw. CENS PER kundgetan. Im Porträt kam es nur zu einer wesentlichen Veränderung: Im Jahr 84 n. Chr. wechselte die fleischige Darstellung hin zu einer schlankeren Version, nun auch mit Aegis. Nicht aufrechterhalten ließ sich die Standarderhöhung im Silber von 82 n. Chr. Sie wurde bereits 85 n. Chr. wieder zurückgenommen. Möglicherweise hing die Zurücknahme mit der Soldanhebung für die Soldaten und dem danach erheblich vermehrten Geldbedarf des Staates 46 Buttrey (2002) 262f. 47 Akroterfigur: RIC I² 36 (Caligula), vgl. LIMC VII Romulus 5-9 (Jocelyn Penny Small). <?page no="65"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 57 zusammen. Allerdings wurde der Standard nicht ganz auf das neronische Maß abgesenkt, welches von Vespasian und Titus übernommen und noch von Domitian zu Beginn seiner Regierungszeit in den Jahren 81-82 verwendet worden war, sondern er blieb etwas darüber. 48 4. Nero und Domitian im Vergleich Die der Herrschaftslegitimation und Herrschaftsfestigung dienende Repräsentation ist ein Wechselspiel zwischen Erwartungen und Entsprechungen. Neben dem, was von einem römischen Herrscher allgemein erwartet wurde, konnten Repräsentationsformen auch auf konkrete gesellschaftliche Gruppen zielen. 4.1. Bereiche herrscherlicher Repräsentation Bereits für die Begründung des Prinzipats unter Augustus waren einerseits Abstammung - die durch entbotene pietas angenommen, aber auch sichtbar gemacht wurde - sowie andererseits hervorgehobenes Leistungsvermögen insbesondere im militärischen Bereich Grundvoraussetzungen für eine führende Stellung in der römischen Gesellschaft und im Staat. Eng gebunden an verantwortliche Tätigkeiten für die römische Bürgergemeinde war überdies Götternähe in ritualisierter oder aber charismatischer Form. Schließlich gilt es, insbesondere für die laut antiker Literatur ‚verhaltensauffälligen‘ Herrscher Nero und Domitian die Einführung neuer Repräsentationsformen zu vergleichen. 4.1.1. Legitimation durch Abkunft Die traditionelle Münzbildauswahl durch die tresviri monetales, die das Münzrund zur Zeit der Republik in großem Ausmaß werbend für die Inszenierung der Leistungen ihrer jeweiligen Familie nutzten, dürfte es begünstigt haben, dass auch im frühen Prinzipat Familienmotive die umfangreichste Gruppe auf reichsrömischen Münzen bildeten. Hinzu kam als Anforderung des neuen Systems die dynastische Legitimation bzw. das Aufbauen von Nachfolgern. Auch für den Herrschaftsübergang zu Nero und Domitian war das dynastische Prinzip ursächlich. Dennoch spielten in beider Münzbilder Rückbezüge auf die Familie nur ganz am Anfang eine Rolle. So thematisierten die ersten Münzen Neros die Divinisierung des Claudius, dazu zeigten sie Neros Mutter Agrippina: Zumal in Kombination mit den Legenden führte sich der neue Herrscher in ganz eigenartiger Weise vor allem als 48 Zu den drei verschiedenen Standards unter Domitian siehe Carradice (2012) 381f.; Butcher u. Ponting (2012) 69. <?page no="66"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 58 Sohn ein (Abb. 1-2). 49 In ähnlicher Weise verkündeten die ersten Münzen Domitians die Erhebung seines Vorgängers Titus zum divus. 50 Bei Nero wurden nach der nur wenige Monate andauernden Anfangsphase dann allerdings sämtliche Familienbezüge gestoppt. Ein Revers der motivreicheren Phase nach 64 n. Chr. zeigt ihn zwar noch einmal mit seiner neuen Gattin Poppaea (Abb. 6). Doch das Bild verwies weder legitimierend in die Vergangenheit, noch bereitete es eine für die Herrscherfolge erkennbar relevante Zukunft vor. Selbst die bei allen seinen Vorgängern noch dichten Rückbezüge auf Augustus als den Begründer der herrschenden Dynastie fehlen bei Nero völlig. Die flavische Familie blieb in der Münzprägung Domitians hingegen noch etwas länger und intensiver präsent: Den auf die Abkunft verweisenden Anfangsprägungen folgten vor 83 n. Chr. Prägungen für verschiedene bereits verstorbene bzw. lebende Flavier (Abb. 11-12). In den Jahren 88/ 89 erschienen zusätzliche Münzen für Domitians Gattin Domitia und für seine Nichte Julia. An Julia wurde auch nach ihrem Tod mit Neuprägungen erinnert. Eine Vorbereitung der Sukzession, so wie es ja beide selbst in den Fürprägungen ihrer Vorgänger erlebt hatten, fehlte unter Nero und Domitian nicht nur in der Programmatik der Münzen. Dieses Ausbleiben von familiären Nachfolgekandidaten dürfte dazu beigetragen haben, dass dem dynastischen Prinzip als solchem im Münzprogramm Neros und Domitians nur noch geringe Bedeutung zufiel. 51 4.1.2. Legitimation durch Sieghaftigkeit Militärischer Erfolg war schon unter den Aristokraten der Republik das zuverlässigste Mittel, sichtbar über die Standesgenossen hinauszuragen und eine entsprechende Stellung auch im Staat einzufordern. In der Kaiserzeit galt es für die Herrscher schon aus wohlbegründetem Eigeninteresse, die Position herausragender militärischer Leistungsfähigkeit exklusiv zu besetzen. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als auffällig, dass in der ersten Phase der Münzprägung des vormaligen princeps iuventutis Nero jegliche Betonung seiner militärischen virtus fehlte. Erst in den letzten fünf Jahren seiner Herrschaft trat sie in Erscheinung, dann allerdings in ganz konzentrierter und vielfach innovativer Form. Bei Domitian hingegen war die Betonung der militärischen Leistungsfähigkeit schon von Anfang an zentrales Thema der Münzbilder. 49 Zu den Legenden s. o. S. 47. 50 Die ersten Münzen zeigten den Divus Titus sowie Domitians Gattin Domitia. Vespasian, als Vater Domitians, kam erst in der Familienprägung 82-83 vor. 51 Eine gewisse ‚Versachlichung‘ der Herrschaftsfolge scheint in der flavischen Dynastie in dem Bild des Palladium seinen Ausdruck gefunden zu haben: Nach Vespasian war dieses auch von Titus und Domitian genutzt worden (s. o. Anm. 39). <?page no="67"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 59 Es scheint, dass sich hinter der Zurückhaltung des frühen Nero geradezu eine programmatische Idee versteckte: Denn mit den Reverstypen der Roma ab 60 n. Chr., die ihren Fuß jeweils auf einen Helm setzt und so ganz konkret ihre Sieghaftigkeit über äußere Gegner anzeigt, wurde das Thema durchaus bedient (Abb. 3-4). Doch war dieses die Sieghaftigkeit der Roma, nicht jene Neros. Nach 64 wurde die Sieghaftigkeit dann in radikaler Wendung ganz konkret an Nero gebunden: Schon auf den Aversen zierte jetzt der Lorbeerkranz des Siegers nahezu durchgehend das Haupt des Herrschers; neu hinzu trat die Büste Neros im Panzer. Damit war der größtmögliche Kontrast zu der zivilen Darstellung in den Aversen vor 64 erreicht und selbst der bei den Vorgängern Neros übliche Lorbeerkranz-Typus noch überboten. 52 Auch die Reverse begannen jetzt mit dem normalen Schema allgemeiner herrscherlicher Sieghaftigkeit und zeigten Motive des Sieges wie den Triumphbogen für Nero (Abb. 9), den Janustempel mit geschlossenen Pforten oder aber niedergelegte Waffen vor einer Säule. Schließlich führte Nero ab 66 in der Titulatur der Münzen konsequent das bis dahin von ihm vermiedene praenomen Imperatoris. 53 Das Thema Sieghaftigkeit wurde bei Domitian vor allem mit der Germania Capta-Prägung überaus intensiv bedient. Sowohl die Einzelmotive wie das Gesamtprogramm lehnten sich eng an die Iudaea Capta-Prägungen des Vespasian und Titus an. 54 Der Sieg über Iudaea war der zentrale öffentliche Leistungsnachweis der neuen flavischen Dynastie und fand seinen Ausdruck in einer Fülle neuentworfener Münzbilder. Bei diesen massenhaften Propagierungen des initialen flavischen Erfolgs war Domitian allerdings unberücksichtigt geblieben, und nur der vor Ort kämpfende ältere Bruder Titus durfte vor der römischen Öffentlichkeit mit seiner militärischen virtus glänzen. Es scheint geradezu, dass aus dieser - unter dem Aspekt der Thronfolge fraglos gebotenen - Zurücksetzung bei Domitian eine Defiziterfahrung resultierte. Denn den Krieg gegen die germanischen Chatten hat Domitian nach seinem Herrschaftsantritt vom Zaune gebrochen. Der Angriff bot ihm die Gelegenheit, in enger Analogie zu Iudaea Capta als Sieger über diesen geradezu topischen, doch de facto keineswegs übermäßig gefährlichen Angstgegner Roms öffentlich in Erscheinung zu treten. Zur Führung der Truppen reiste Domitian selbst an den Rhein. Die Ehrungen für ihn, wie etwa der dann auch sofort auf den Münzen geführte Siegesbeinamen GER- MANICVS, setzten bereits deutlich vor Abschluss der Operationen ein und 52 Den Panzer trägt das Porträt Neros allerdings nur auf zwei Münzen, nämlich mit den Rückseiten Janustempel (RIC I² 263) sowie Roma mit Victoria und parazonium (RIC I² 272 [Nero]). Bergmann (1998) 175 möchte dies als Hinweis auf den Erfolg gegen die Parther sehen. 53 Suet. Nero 13; Cass. Dio 63,1,2-7,1 im Zusammenhang mit dem pompös gefeierten Zug des Tiridates nach Rom. 54 Wolters (1989) 62-65. <?page no="68"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 60 eilten dem schon bald nach Rom zurückkehrenden Prinzeps noch voraus. Wie Vespasian und Titus inszenierte sich Domitian auf den Münzen als Siegesreiter, der zu Pferd über einen fallenden Gegner hinwegsprengt. Auf anderen Münzen steht er persönlich sieghaft vor dem Flussgott Rhenus bzw. vor einem niederknienden germanischen Gefangenen. 55 Der Wunsch nach demonstrativer Herausstreichung seiner Sieghaftigkeit kulminierte schließlich in den 22 angenommenen imperatorischen Akklamationen, 56 die Domitian in den Legenden der Edelmetallmünzen ebenfalls durchzählte. In der zweiten Herrschaftshälfte Domitians scheint das Thema Sieghaftigkeit in der öffentlichen Repräsentation an Bedeutung verloren zu haben. Bilder für die von ihm selbst vorgetragenen Kämpfe an der Donau gegen die Daker des Decebalus, gegen Iazygen oder Sarmaten fehlen in der Münzprägung völlig: Während es für Nero in seiner zweiten Herrschaftshälfte mit der plötzlich massiven Darstellung militärischer Leistungen offensichtlich ein Repräsentationsdefizit zu beheben galt, scheint Domitian durch seine frühen Aktionen auf diesem Feld hinreichend profiliert gewesen zu sein. In seiner zweiten Herrschaftshälfte konnte Domitian nicht nur auf die Darstellung als Sieger verzichten, sondern offensichtlich wollte er dies auch. 57 4.1.3. Götternähe und Göttlichkeit Die jeweiligen Götterbilder, die unter den verschiedenen Herrschern ausgeprägt wurden, lassen sich durchaus als spezifische Nähe zu diesen Göttern bzw. zu den von ihnen vertretenen Schutzbereichen interpretieren. Bei Nero fällt die starke Betonung der Roma über seine gesamte Herrschaftszeit auf, und auch Vesta, Victoria und Jupiter bedienten ein eher traditionelles römisch-italisches Pantheon. Der nicht vor Mitte 64 n. Chr. auf den Reversen erscheinende Jupiter Custos könnte als spezifischer Reverstyp eine Reaktion auf die erfolgreich aufgedeckte Verschwörung des Piso sein und besäße dann einen starken persönlichen Bezug zu Nero. 58 Unter Domitian erdrückte die absolute Dominanz der Minerva ab der dritten Prägephase das gesamte Prägeprogramm (Abb. 13-16). Die weitgehende Ausrichtung der Münzbilder auf eine einzige Göttin war ein Novum - indirekt bedeutete diese Typeneinschränkung ja auch einen Verzicht auf die Münzen als anpassungsfähiges Mittel aktueller Repräsentation und Kommunikation. Demonstrativ mit dem Herrscher verbunden wurde die 55 Siegesreiter: RIC II.1 205; Rhenus: RIC II.1 278; Gefangener: RIC II.1 279 (Domitian). 56 Zur Problematik der 23. imperatorischen Akklamation Domitians s. den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel S. 115-117. 57 Ab 90 n. Chr. verschwanden die Germania capta-Motive im Aes, nur die Personifikation der Germania auf den Aurei blieb bis zum Ende der domitianischen Münzprägung. 58 RIC I² 52 (Nero). <?page no="69"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 61 Nähe zu Minerva auf einem Sesterz, in dessen Reversszene Domitian capite velato vor einem Schrein der Göttin opfert. 59 Stärker an Grenzen heran tasteten sich Münzbilder, die den Herrscher selbst in den Bereich der Göttlichkeit rückten. So wurde Nero nach 64 n. Chr. mit der Strahlenkrone des Sol dargestellt, sowohl auf den Aversen als auch in ganzfigurigen Reversdarstellungen (Abb. 5-6. 10). 60 Die Strahlenkrone war im römischen Kontext bis dahin dem divus vorbehalten und als Avers vor allem von den massenhaft ausgeprägten Divus Augustus-Prägungen wohlbekannt. 61 In ihrer Bedeutung changiert die Strahlenkrone zwischen einem Götterattribut und einem Ehrenkranz, so dass die Näherung an göttliche Sphären nicht explizit wird und tastend bleibt. 62 Neu eingeführt wurde als Büstenausstattung des Nero auf den Aversen überdies die Aegis: Sie war zwar eng mit Jupiter verbunden, doch auch sie besaß andere Träger, deren Unverletzlichkeit sie garantierte. Der erweiterte Kopfschmuck und die neuen Büstenformen lassen sich - wie übrigens auch die spektakulären frühen Doppelporträts Neros mit seiner Mutter Agrippina - bereits in der ptolemäischen Münzprägung finden; in anderen Kunstformen wie Plastik und Glyptik wurden sie auch im römischen Kontext bereits für die früheren Herrscher der iulisch-claudischen Dynastie verwendet. 63 Nach Nero blieben Panzerbüste, Aegis oder Strahlenkrone als Ausstattungsformen der Averse bestehen. 64 Dabei wurde die Strahlenkrone ab Domitian zum Nominalkennzeichen des Dupondius. 65 Diese neue Funktion des Kopfschmucks weist zugleich darauf hin, dass Kopfschmuck und Büsten zwar Erweiterungen kaiserlicher Rollen ermöglichten, jedoch ebenso Teil einer zunehmenden prägeorganisatorischen Ausdifferenzierung waren, die der Unterscheidung von Prägetranchen dien- 59 RIC II.1 277 (Domitian). Vgl dazu Suet. Dom. 15,3. 60 RIC I² 44 und 46 (Nero) im Edelmetall sowie auf den Aversen mehrerer Asses (nur bis zur vierten Serie) und Dupondii: 109. 111-116. 119-121. 123f. (Nero) und öfter. Zu den beiden Münztypen im Edelmetall vgl. Bergmann (1998) 175-181. 61 RIC I² 70-83 (Tiberius); 3f. 9f.15f. 23f. 31 (Caligula). 62 Bergmann (1998) 118. 63 Von den Hoff (2009) 250-256. Ebenso der Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band, S. 181-216. 64 Die Panzerbüste erschien als eine Möglichkeit militärischer Charakterisierung bei Domitian bereits in den Fürprägungen unter Vespasian für ihn wie für seinen Bruder Titus: RIC II.1 473. 476f. 479 (Vespasian) für Titus. Domitian: RIC II.1 652f. 656 (Vespasian). Als Herrscher wurde Domitian erst in den letzten Prägungen mit der Panzerbüste gezeigt: RIC II.1 792f. 796f. 799. Die Aegis und die Strahlenkrone gab es sowohl bei Vespasian als auch bei Titus und Domitian. 65 Vor der Wiedereinsetzung der Buntmetallprägung 84 n. Chr. wurden unter Domitian noch einige wenige Dupondien mit Lorbeerkranz statt der Strahlenkrone ausgeprägt: RIC II.1 82f. 107 (Domitian). <?page no="70"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 62 te: 66 Jede inhaltliche Interpretation muss diese technische Funktion berücksichtigen und entsprechend behutsam vorgehen. Spektakulärer im Hinblick auf Grenzverletzungen erscheinen demgegenüber die Reversbilder, die Nero und Domitian götterähnlich zeigten: Nero im Revers stehend mit der Strahlenkrone des Sol, dazu Nero mit Poppaea in Form von Götterstandbildern (s. o. S. 51f.; Abb. 5-6). Die Entwicklung wurde bei Domitian fortgeführt: Er wurde ab 85 n. Chr. mit dem Blitzbündel als Attribut des Jupiter in der Hand und von Victoria bekränzt werdend dargestellt (Abb. 20). 67 Der Panzer signalisiert, dass es sich um den Kaiser und nicht um den Göttervater selbst handelt. Hierarchisch gesehen wurde Jupiter auch nicht von Victoria bekränzt: Trotz des Blitzsymbols bestand keine Gleichstellung des Kaisers mit dem obersten Gott. Möglicherweise geht die Bildidee auf das berühmte Alexanderbild des Apelles im Artemision von Ephesos zurück, das kurz zuvor etwa noch Plinius der Ältere in seiner Naturgeschichte beschrieben hatte. 68 Eine Abbildung dieser Alexanderdarstellung mit Blitzbündel und Speer, wie er von einer fliegenden Nike bekränzt wird, liegt vielleicht in den noch zu seinen Lebzeiten ausgeprägten Dekadrachmen des Taxiles vor (Abb. 21). 69 Sollte es sich bei dem Revers Domitians um eine bewusste Anlehnung an dieses Bild des Apelles handeln, dann wäre weniger der Vergleich mit Jupiter die entscheidende Aussage, als jener mit Alexander dem Großen. 70 Das neue Münzbild jedenfalls wurde von den Zeitgenossen offensichtlich nicht als Grenzverletzung angesehen, wofür auch seine Wiederaufnahme schon bald darauf durch Traian spricht. 71 4.1.4 Neue Legitimationsformen: Künstler und Bauherren Im Vergleich zu seinen iulisch-claudischen Vorgängern lassen sich manche Spezifika in der Repräsentation Neros auf Münzen dahingehend zusammenfassen, dass Nero sich stärker als Individuum akzentuierte. Am deutlichsten ist dieses der Fall bei der Lösung aus der von Augustus vorgegebenen klassizistischen Porträtform. 72 An deren Stelle trat nicht nur ein mit weitaus stärker individuellen Zügen versehenes kraftvolles Porträt, sondern dieses 66 Vgl. Bastien (1992-1994). Zur konsequenten Nutzung dieses Mittels bald darauf bei Traian: Woytek (2010) 73-90. 67 RIC II.1 283 (Domitian). 68 Plin. nat. 35,92. 69 Zur Münze des Taxiles vgl. Hollstein (1989) und sehr ausführlich Holt (2003). 70 Allenfalls formal hilfreich ist der Hinweis von Gering (2012) 150 auf RIC II.1 935 (Vespasian) als Parallele: Vespasian wird hier zwar von Victoria bekränzt, doch trägt der Kaiser nicht das Blitzbündel. 71 RIC II 1 549 (Traian). 72 Schneider (2003) 64f. Hiesinger (1975) 123 sieht keinen großen Bruch, sondern hält die neronische Porträtentwicklung eher für „an unprecedented extension“. <?page no="71"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 63 folgte mit der Darstellung der Wohlleibigkeit und des Künstlertums einem bis dahin in der römischen Porträtkunst für Aristokraten geradezu undenkbarem Ideal. 73 Die Münzen sind in diesem Fall allerdings für die neue Repräsentationsform nicht exklusiv, sondern nur ein Medium unter anderen, in denen sich diese generelle neue Selbstdarstellung ausdrückte. Nur auf Münzen erhalten sind die Bilder des sogenannten Apollon citharoedus, die selbst dann, wenn sie nicht Nero als Sänger darzustellen beabsichtigt haben sollten, so doch bereits von den Zeitgenossen in dieser Weise interpretiert worden sind (Abb. 10). Das Bild des Kitharöden erscheint direkt mit der Wiederaufnahme der Bronzeprägung und fügt sich in das Spektrum der ab Caligula bilderreich und erzählend auftretenden Buntmetallreverse. Das Einsetzen der Buntmetallprägung nach der rund zwanzigjährigen Unterbrechung ab Claudius dürfte kaum vor Mitte 64 n. Chr. zu datieren sein: Bei einer inklusiven Zählung des fünfjährigen Abstands seit 60 sind die Münzen vermutlich bereits eine Reaktion auf das erste stadtrömische Auftreten Neros als Sänger bei den zweiten Neronia. 74 Gemeinsam mit dem Porträt wird die neue Selbstdarstellung Neros als Künstler greifbar: Nicht als Ausstieg aus der Herrscherrolle, sondern als Form eines anderen Leistungsnachweises, der ihn nach wie vor zum Prinzeps qualifizierte. 75 Für Domitian findet sich kein vergleichbarer Rollentausch. Auffallend in seinen Reversmotiven ist allein noch die größere Zahl von Bauwerken und Standbildern. Die Münzabbildungen spiegelten die tatsächlich intensivierte Bautätigkeit in Rom und kommunizierten diese verstärkend nach außen. Eine ähnliche Bedeutung hatten Architekturmotive auf Münzen zuletzt unter Augustus als anderem großen Bauherrn in Rom besessen. 76 An Münzbilder des ersten Prinzeps erinnerten schließlich auch die zahlreichen Bildmotive aus Anlass der ludi saeculares. 77 Mit der auf Bauten und Feste der Stadt 73 Scheider (2003) 67. 74 Nach Bergmann (1998) 187 war die Darstellung auf Münzen erst nach dem öffentlichen Auftreten Neros möglich. Vor den zweiten Neronia war der Kaiser bereits in Neapel aufgetreten. Tac. ann. 16,4,1 datiert die Wiederholung der von Nero gestifteten Spiele 65 n. Chr., Suet. Nero 21,1,2 erwähnt das Vorziehen der Neronia auf das Jahr 64. Nach Bolton (1948) 82f. 86f., der die Berichte in Einklag zu bringen versucht, wurden die Jahre zwischen den Neronia inklusiv gezählt. Die Kitharödenmünze erschien zeitgleich mit einem Semis, der auf die Neronia hinwies: RIC I² 91 (Nero) mit der Legende CERTAMEN QVINQ ROM CO. Vgl. zur Datierung der zweiten Neronia auch den Beitrag von Alexander Heinemann in diesem Band S. 224-227. 75 Rilinger (1996) 142-151; Meier (2008) 563f. 590f. Nach Meier interessierte Nero der Prinzipat nicht, seine Ambitionen hätten sich allein auf das Künstlertum erstreckt. Dabei hätte sich Nero mit den mythischen Gestalten der griechischen Tragödie in einer Weise verbunden, dass Realität und Fiktion nicht mehr zu trennen waren. Vgl. zum Zusammenhang von Künstler- und Herrscherrolle für die Dekomposition Neros bei Cassius Dio den Beitrag von Verena Schulz in diesem Band S. 408-413. 76 Zu Bauten auf Münzen: Burnett (1999) 137-164. 77 RIC II.1 595-627 (Domitian). <?page no="72"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 64 Rom konzentrierten Selbstdarstellung hob Domitian sich zwar von seinen direkten Vorgängern ab, doch bewegte er sich mit dieser Demonstration herrscherlicher Leistungsfähigkeit in traditionellen Bahnen und knüpfte überdies an ein gültiges Vorbild an. 4.2. Ansprache gesellschaftlicher Gruppen Die Repräsentation kann schließlich über die Münzen auch unmittelbar auf bestimmte Rezipientengruppen zielen. Besonders deutlich sind diesbezüglich jene Bilder, die den Herrscher in direktem Kontakt zeigen. In ihrer Bezugnahme auf die drei wichtigsten Gruppen der römischen Gesellschaft, den Senat, das stadtrömische Volk und das Heer, gibt es signifikante Unterschiede im Vergleich beider Kaiser. Bezüge zum Senat hob die EX SC-Gruppe des Nero hervor, wenn auch deren Verständnis unsicher bleibt. Doch fraglos unterstreichen die Münzen die Rolle des Senats als Legitimationsinstanz. In krassem Gegensatz zu diesen Anfangsjahren fehlt beim späten Nero jede weitere Bezugnahme auf dieses Gremium. 78 Unter Domitian gab es hingegen überhaupt keine senatsorientierten Motive: Nicht einmal der sonst so geläufige Eichenkranztyp wurde unter ihm ausgeprägt. 79 Gegenüber dem Volk und insbesondere der plebs urbana sind Bezüge bei beiden Herrschern zu finden, wenn auch unter Nero anfangs zögerlich: Allein ein Ceres-Revers ab 60 n. Chr. verweist auf das Thema Getreideversorgung. Nach 64 allerdings wurden die Bezüge dichter und Nero selbst trat in Erscheinung. Neu entworfen wurde der komplexe congiarium-Typ (Abb. 8): Der Herrscher selbst sitzt auf einer Plattform mit der Toga in einer sella curulis. Auf einem davorstehenden Podest überreicht ein sitzender Beamter einem Bürger, der von einem Kind begleitet wird, das Geldgeschenk. Frontal ausgerichtete Statuen der Liberalitas mit erhobener tessera sowie der Minerva mit Eule und Speer bilden den Hintergrund. Die Legende CONG(IARIVM) II DAT(VM) POP(VLI) R(OMANI) - SC stellt für das Verständnis des neuen Bildmotivs Eindeutigkeit her und verweist zugleich auf die bereits vorher stattgefundene erste Verteilung. 80 Doch auch die Münze selbst war zum Ausgabezeitpunkt bereits erinnernd, denn das zweite congiarium erfolgte schon 57. Erst nach der Wiederaufnahme der Bronzeprägung sieben Jahre später wurde das Ereignis zu einem Münzmotiv. Auf den Bronzen erschien in weitaus erzählenderer und anschaulicherer Weise ebenfalls 78 Selbst auf den neuen stadtrömischen Buntmetallmünzen wurden die Buchstaben SC unter Nero einige Zeit nicht aufgebracht, s. o. Anm. 29. 79 Unter Vespasian wurde dieser oftmals dargestellt, z. B. RIC II.1 7. 125f. (Vespasian), nicht jedoch unter Titus. 80 RIC I² 100 (Nero). Eine zweite Bildgestaltung des congiarium findet sich unter RIC I² 102 (Nero). <?page no="73"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 65 als neues Münzmotiv Ceres als Gottheit für den Ackerbau gemeinsam mit Annona, der Personifikation der Getreideversorgung, zwischen ihnen ein modius auf einem Altar und das Heck eines Schiffes als ergänzendem Attribut. 81 Auch Darstellungen des von Nero neu gebauten macellum sowie des von Claudius begonnenen Hafens von Ostia, der von Nero vollendet wurde, verweisen auf die Sicherung der hauptstädtischen Getreideversorgung und Neros Einsatz dafür. 82 Unter Domitian wurden schon ab 84 n. Chr. im Buntmetall Bilder von Annona mit Kind und einem Schiff im Hintergrund sowie von Fides mit einer Fruchtplatte und Kornähren ausgeprägt. 83 Im folgenden Jahr wurde das neronische Bild der Annona mit Ceres kopiert. 84 Alle drei Motive wurden bis in das Jahr 89 als Münzreverse genutzt. Ungeachtet der Auszahlung von insgesamt drei congiaria gibt es unter Domitian allerdings kein Münzbild, das diese illustriert hätte. Das anschauliche und in der Kaiserzeit bis ins 3. Jahrhundert oft kopierte Münzmotiv Neros wurde etwa auch von Vespasian übernommen, später selbst von Nerva. 85 Trotz Aufnahme von Themen für die plebs urbana vermied Domitian in seiner Repräsentation offensichtlich distanzlose Selbstinszenierungen, die ihn in direktem Kontakt mit dem Volk zeigten. Im Hinblick auf das Heer fehlen beim frühen Nero jegliche Bezüge. Doch auch dies änderte sich nach 64 n. Chr. radikal: Münzbilder zeigten den Herrscher ab jetzt sogar in direkter Interaktion mit den Soldaten: Auf neu entworfenen decursio-Reversen reitet der Kaiser im Panzer und wird von Soldaten zu Pferd oder zu Fuß begleitet. Das unter Caligula anstößig wirkende Bild des Herrschers vor den Soldaten bei der adlocutio erscheint leicht modifiziert aufs Neue (Abb. 7). In der direkten Agitation des Herrschers mit den Soldaten ist es gewissermaßen die militärische Variante des congiarium- Typs. 86 Als Appel an das Militär können auch die eng an die Legionsdenare des Marcus Antonius angelehnten Münzen mit dem Bild des Legionsadlers zwischen zwei Feldzeichen verstanden werden, mit denen der Triumvir die 81 RIC I² 98 (Nero). Garnsey (1988) 224 bezieht die Darstellung auf den Getreideengpass nach dem Brand von 64 n. Chr. 82 Macellum: RIC I² 109 (Nero); Ostia: RIC I² 178 (Nero); zur Nutzung für die Getreideversorgung vgl. Garnsey (1988) 223. 83 Annona: RIC II.1 212 (Domitian); Fides: RIC II.1 214 (Domitian). 84 RIC II.1 349 (Domitian), vgl. RIC I² 98 (Nero). 85 RIC II.1 420 (Vespasian); RIC II 1 56 (Nerva); RIC II 1 380 (Traian); RIC II 1 129 (Hadrian); RIC III 74 (Antoninus Pius). Die congiaria Domitians sind belegt durch Suet. Dom. 4,5; vgl. Jones (1992) 74. 86 Decursio: RIC I² 103 (Nero); adlocutio: RIC I² 95 (Nero), vgl. RIC I² 32 (Caligula). <?page no="74"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 66 ihm folgenden Truppen in massenhaft ausgeprägten Serien sogar namentlich ansprach. 87 Domitians Sieghaftigkeit nahm bereits auf den ersten eigenständigen Münzen breiten Platz in seiner Herrschaftsrepräsentation ein. 88 Die adlocutio- Szene wurde unter ihm vermutlich übernommen, allerdings ist das einzige erhaltene Stück dieses Münztyps nicht über jeden Zweifel erhaben. 89 Neu entworfen wurden zwei Handreichungsdarstellungen zwischen Domitian und einem Offizier. 90 In Summe ist bei der Betrachtung der Ansprache gesellschaftlicher Gruppen in der Münzprägung der beiden Herrscher bemerkenswert, dass der Senat als Ansprechpartner nur beim frühen Nero erkennbar wird, nicht jedoch beim späteren Nero oder überhaupt bei Domitian. Der späte Nero sprach jedoch mit seinen Münztypen intensiv die bis dahin kaum bzw. nicht berücksichtigte plebs urbana und das Heer an, die unter Domitian von Anfang an berücksichtigt worden waren. Gleichwohl war in den Münzbildern Domitians Repräsentationsverhalten gerade gegenüber dem Volk von größerer persönlicher Distanz geprägt. 91 5. Zeitgenössische Reaktionen, Rückbezüge und Gegenpositionen in der Münzprägung 5.1. Zeitgenössische Wahrnehmung von Münzbildern Die Beobachtung von Münzbildern fand nur selten Eingang in die schriftliche Überlieferung der Antike. Vorbehalten war dies besonders spektakulären Münztypen oder Umständen. Wenn sich derartige Erwähnungen unter Caesar und Augustus häuften, so ist dies fraglos auch Reflex einer sich in 87 RIC I² 68 (Nero); Legionsdenare: RRC 544/ 1-39. Bei Marcus Antonius waren die einzelnen Legionen, die auf seiner Seite im Bürgerkrieg standen, auf den Münzen namentlich genannt. 88 Vgl. o. S. 59f. Dazu auch: Mars mit Tropaion: RIC II.1 216 (Domitian); Tropaion mit Gefangenem und Germania: RIC II.1 274 (Domitian); Waffen: RIC II.1 296 (Domitian); Victoria: RIC II.1 229 (Domitian). 89 RIC II.1 206 (Domitian); vgl. Carradice u. Buttrey (2007) 280 Anm. 20. Das Motiv verweist zugleich als einziges auf die Solderhöhung Domitians 83 n. Chr. (Cass. Dio 67,3,5); vgl. Alston (1994) 114. 116; Griffin (2000) 65. 90 RIC II.1 281. 361 (Domitian). Unter den letzten Prägungen in den Jahren 95 und 96 n. Chr. finden sich ein Bild des Romulus mit Trophäe sowie ein Altar, auf dem je zwei Soldaten und Legionsadler sowie Gefangene den Dekor bilden: Altar: RIC II.1 784 (Domitian); Romulus: RIC II.1 793 (Domitian), vgl. auch o. S. 56. 91 Zur fehlenden civilitas vgl. den Beitrag von Egon Flaig in diesem Band. Bei Wallace- Hadrill (1982) 41f. 47 erscheint Domitian nur als Gegenbeispiel von civilitas. Eine Ausnahme stellen die Prägungen für die ludi saeculares dar (RIC II.1 595-627 [Domitian]), auf denen Domitian in Interaktion mit Bürgern gezeigt wird. Hierbei folgte er aber den Pflichten des Spielgebers und dem Vorbild des Augustus. <?page no="75"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 67 diesen Jahren beschleunigenden Bildsprache. Beachtung fand unter Nero dann allerdings der Typ des Apollon citharoedus (Abb. 10). Sueton berichtet, dass der Kaiser nach dem Sieg im Kitharödenwettbewerb u. a. auch Münzen prägen ließ, die ihn in Kitharödentracht darstellten. 92 An anderer Stelle übermittelt Sueton den sicherlich zeitgenössischen Spottvers, der das Münzmotiv Neros mit der wohlbekannten typischen Persermünze kontrastierte, auf welcher der Großkönig als Bogenschütze zu sehen war: „Unser Herrscher spannt die Saiten der Leier, der Parther aber den Bogen.“ 93 In der Erinnerung hatte sich die gekonnte Anspielung über Nero hinaus erhalten. Für Domitian gibt es nur weniger deutliche Hinweise auf die Wahrnehmung von Münzbildern durch Zeitgenossen. Inwieweit die Beschreibungen Domitians als Jupiter und „Donnerer“ von den Münzbildern inspiriert worden sind, ist kaum zu erschließen. Doch begünstigte die weite Verbreitung des Motivs fraglos das richtige Verständnis der Anspielungen. Mit größerer Wahrscheinlichkeit auf eine Münzabbildung zurück geht die ungewöhnliche Würdigung des früh verstorbenen Sohnes Domitians. Der Revers der Münze zeigt das zum divus erhobene Baby nackt auf dem Himmelsglobus sitzend, 94 wie es mit den Sternen spielt (Abb. 12). 95 Es scheint, dass es genau diese Münze war, welche angesichts des stoischen Verhaltens Domitians bei einer von eisigem Regen übergossenen öffentlichen Veranstaltung die feine Ironie Martials auf sich zog: „Sieh nur, wie ein dichtes Vlies von lautlosem Wasser Auf Caesars Gesicht und Gewand herabsinkt! Dennoch sieht er es Jupiter nach, und ohne den Kopf zu bewegen, lacht er über das Wasser, das in der lähmenden Kälte gefror, gewohnt, den Sternen des hyperboreïschen Bootes zu trotzen und trotz nasser Haare den Großen Bären zu ignorieren. Wer amüsiert sich da über das trockene Wasser und spielt mit uns vom Himmel her? Sollte dieser Schnee von Caesars kleinem Sohn kommen? “ 96 (Übers. Barié u. Schindler) 92 Suet. Nero 25,2: Sacras coronas in cubiculis circum lectos posuit, item statuas suas citharoedico habitu, qua nota etiam nummum percussit. „Die heiligen Siegeskränze legte er in seinem Schlafzimmer rings um sein Lager nieder, ebenso errichtete er Statuen, welche ihn als Kitharöden darstellten. In dieser Tracht ließ er sich auch auf Münzen prägen.“ (Übers. Till). Vgl. auch Ps.-Lukian. Nero 7. 93 Suet. Nero 39: Dum tendit citharam noster, dum cornua Parthus. 94 Der Himmelsglobus symbolisiert den Kosmos, also die wohlgeordnete Welt, vgl. Schramm (1958) 7f. 95 RIC II.1 152 (Domitian). Mart. 4,3: Aspice quam densum tacitarum vellus aquarum defluat in voltus Caesaris inque sinus. indulget tamen ille Iovi, nec vertice moto concretas pigro frigore ridet aquas, <?page no="76"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 68 Auch wenn die Zahl der Beispiele klein bleibt, so sind diese doch ein Indiz dafür, dass die Münzbilder Neros und Domitians zu jenen zählten, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zogen. 5.2. Bezugnahmen von Domitian auf Nero? Eine andere Frage ist, ob es auch direkte Bezugnahmen in der Münzprägung beider Herrscher gab, Übernahmen also oder Distanzierungen Domitians von Nero. Der Ceres/ Annona-Typ unter Domitian folgte direkt dem neronischen Vorbild. 97 Doch ist es unwahrscheinlich, dass der illustrative, ansonsten aber eher unspektakuläre Münztyp Erinnerung an das neronische Vorbild weckte. Ein direkter Bezug zwischen Nero und Domitian kann im Bereich der Münzprägung allerdings auf einer ganz anderen Ebene gefunden werden, nämlich in der ebenso überraschenden wie ungewöhnlichen Verbesserung des Metallstandards der Edelmetallmünzen unter Domitian: Mit dieser Maßnahme wurde die große Devaluation des Jahres 64 n. Chr. 98 von Domitian schon bald nach seinem Herrschaftsantritt rückgängig gemacht. Zugleich war dies eine Abkehr Domitians von der Geldpolitik seines Vaters Vespasian und Bruders Titus, welche die Einschmelzung und stoffwertreduzierte Neuausprägung der vorneronischen Münzen fortgesetzt und für den Staat finanziell profitabel gemacht hatten. Domitian hingegen brachte die Münzen wieder auf den ‚guten alten Standard‘. Wirtschaftlich war die Maßnahme ohne Sinn und ebenso wenig durchzuhalten - weder im Umlauf, wo die schwergewichtigeren, doch nennwertidentischen neuen Münzen von den Nutzern gehortet oder eingeschmolzen wurden, 99 noch staatswirtschaftlich im Hinblick auf ausreichende Edelmetallvorräte. Schon in der Folge der Solderhöhung von 83 musste die Verbesserung des Standards offensichtlich 85 n. Chr. zum größten Teil zurückgenommen werden. 100 Die Verbesserung des Metallstandards war fraglos nicht wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet, sondern ein Akt der Repräsentation: In deutlichem Gegensatz zur Devaluation Neros begradigte Domitian das Verhältnis sidus Hyperborei solitus lassare Bootae et madidis Helicen dissimulare comis. quis siccis lascivit aquis et ab aethere ludit? supicor has pueri Caesaris esse nives. 97 Vgl. o. Anm. 84. 98 Vgl. o. Anm. 7. 99 Sog. Greshamsches Gesetz. Eine komplette Neuprägung aller Münzen auf einen Schlag war ebenso wenig möglich wie unter Nero. 100 Zur Solderhöhung existiert auch eine allerdings zweifelhafte Münze: RIC II.1 206 (Domitian), vgl. o. Anm. 89. Woytek (2010) 21f. geht von einer längeren Beibehaltung des verbesserten Standards aus. Die Silberprägung sei erst unter Traian 99/ 100 auf den neronischen Standard - wohl zur Vorbereitung der Dakerkriege - verschlechtert worden. <?page no="77"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 69 von Stoffwert und Nennwert der Edelmetallmünzen. Die erneuerten Münzen wurden so zu einem Symbol für die Wiederherstellung der alten Normen und Werte bzw. für solide Substanz. Das zweite Beispiel für den Versuch einer derartigen wirtschaftlich schlichtweg nicht funktionierenden Verbesserung des Metallstandards neugeprägter Münzen gegenüber den umlaufenden bot Pertinax: Auch bei ihm verband sich die Vorstellung vom guten Kaiser mit einer guten Münze. 101 Bezogen auf ihre Funktion als Geld zeigen die Münzen Domitians eine scharfe Distanzierung von Neros Politik der Substanzverschlechterung. 5.3. Kontinuitäten und Gegenpositionen Eine Betrachtung der von der Münzprägung Neros und Domitians ausgehenden Kontinuitäten oder die Formulierung von Widersprüchen öffnet ein weites Feld. An dieser Stelle sollen nur einige der augenfälligsten Entwicklungen und Brüche verfolgt werden: So wurden die als Grenzerweiterung beschreibbaren neuen Kopfschmuck- und Büstenformen mit Strahlenkranz und Aegis nach Nero für die reichsrömischen Münzen beibehalten. Ausgangspunkt einer ‚Auseinandersetzung‘ wurde allerdings Neros Bruch mit den Traditionen des iulisch-claudischen Porträts: Galba setzte sich mit militärischem Kurzhaarschnitt und deutlicher Altersangabe betont von der jugendlichen Verfettung und dem Künstlertum Neros ab. Der ihm folgende Otho lehnte sich im Porträt hingegen etwa mit der Gradus-Perücke wieder deutlich an Nero an. Vitellius wiederum verband den militärisch kurzen Haarschnitt mit detaillierten Alterszügen und den von Nero eingeführten Merkmalen starker Verfettung. Wie die „ideologisierten Bildzeichen im Kontext einer politischen Auseinandersetzung mit konkurrierenden bzw. assimilierenden Bildniskonzepten: (...) jeweils unterschiedliche Vorstellungen von Kaiserherrschaft formulierten“, ist von Rolf Michael Schneider detailliert herausgearbeitet worden. 102 Vespasian schließlich zeigte sich mit drastischen und schonungslosen Alterszügen, die in ihrer Schärfe ein ebenso krasses Gegenbild zu Augustus, wie aber auch zu Nero erzeugten. Der in seinem rechtlichen Gehalt schwierig zu präzisierende Legendenzusatz EX SC auf den bis 64 n. Chr. geprägten Edelmetallen des Nero kam in ähnlicher Weise als SC auf Denaren des Clodius Macer während des Bürgerkrieges vor. Unter Macer begleiteten die Buchstaben allerdings das Porträt auf dem Avers. Eine vom Senat abgeleitete Legitimität ließ sich in dieser Anordnung sowohl auf die Stellung des Macer als auch auf seine Ausübung des Prägerechts beziehen, und möglicherweise war hier Ambivalenz abermals bewusst eingesetzt worden. Doch die Vorstellung vom Senat als maß- 101 Zur Wahrnehmung des Pertinax: Cass. Dio 74,5,1; 75,4,5; SHA Pert. 14,6. 102 Schneider (2003) insbes. 69f., Zitat auf S. 70. <?page no="78"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 70 geblicher Autorität liegt diesen Münzen axiomatisch zu Grunde und strahlt auch auf das Verständnis der frühen Edelmetallprägungen Neros mit vergleichbarer Legende zurück. 103 Das Hauptcharakteristikum der Münzprägung Domitians, nämlich die drastische Reduktion der Bildprogramme bei gleichzeitiger kontinuierlicher Aktualisierung der Legende - die hier einerseits unter dem Aspekt der Münze als Geld als Modernisierung eingeordnet wurde, andererseits eine Abkehr von den Möglichkeiten der Kommunikation und Repräsentation durch Münzen bedeutete - setzte sich weder inhaltlich, noch in der formalen Struktur durch. Nach Domitian beschleunigten sich die Münzbilder eher noch stärker als in der Zeit zuvor. Auch das spektakulär deutbare Bild Domitians in Jupiterpose wurde nicht gestoppt (Abb. 20), sondern unter Traian in völliger Analogie übernommen. 104 Scharfe Abgrenzungen sind allerdings beim Übergang von Domitian zu Nerva zu beobachten: Von Nerva existieren auf den Münzen keine Darstellungen im Panzer oder Feldherrnmantel, ebenso fehlen jegliche militärische Typen. Minerva-Typen wurden nicht mehr ausgeprägt, allein auf dem auf Nero zurückgehenden congiarium-Typ kommt sie bei Nerva als Hintergrundfigur vor. 105 Eine explizite Distanzierung von Domitian bieten schließlich die sogenannten ‚Sozialreverse‘ der Buntmetallprägung Nervas: Mit innovativen und teils auch komplexen Münzbildern werden sie von ausführlichen Legenden begleitet, die in ihrem positiven Bericht der Maßnahmen Nervas die Missstände unter seinem Vorgänger drastisch anprangern: Die Sicherstellung der Getreideversorgung für die plebs urbana (PLE- BEI VRBANAE FRVMENTO CONSTITVTO), Erleichterungen für das Fuhrwesen in Italien (VEHICVLATIONE ITALIAE REMISSA) oder die Beseitigung von Schikanen bei der Eintreibung der Judensteuer (FISCI IVDAI- CI CALVMNIA SVBLATA) sprechen verschiedenste, teils kleine Bevölkerungskreise äußerst konkret an, wobei die allen gemeinsame Kritik an der Verwaltung unter Domitian überrascht. 106 Die Münzbilder Nervas reagierten zwar nicht innerhalb eines Mediums auf Domitian, da es bei ihm keine mit diesen Aussagen korrespondierenden Münztypen gab, doch nutzte der neue Kaiser das Medium Münze, um sich von Domitian abzugrenzen. Die Bronzemünzen boten ihm nicht nur größtmögliche, sondern mit der vorrangigen Ansprache eines römisch-italischen Publikums wohl auch die für seine Repräsentationsabsichten zielgenaueste Öffentlichkeit. 103 EX SC findet sich nur noch bei RIC I² 93 (Civil Wars) mit Augustuskopf/ Quadriga r., EX SC i. A. 104 Vgl. RIC II 1 549 (Traian). 105 RIC II 1 56 (Nerva). 106 Getreideversorgung: RIC II 1 89; Fuhrwesen: RIC II 1 93; Judensteuer: RIC II 1 82 (Nerva). In diese Gruppe ist auch die erst unter Traian belegte Münze mit der Legende CIR- CENS CONST einzuordnen, vgl. Woytek (2008). <?page no="79"?> Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich 71 6. Zusammenfassung Die als herrschernah zu charakterisierende Reichsprägung Neros und Domitians lässt trotz deutlicher Veränderungen gegenüber den Vorgängerprägungen - sowie sich teils scharf voneinander unterscheidenden Phasen mit sehr eigenständigen Profilierungen - in ihren Bildprogrammen keine Grenzüberschreitungen in einer Qualität erkennen, die ein Urteil als ‚verrückte Kaiser‘ aus der Perspektive der Zeitgenossen stützen könnten. Selbst dort, wo etwa für Nero Versuche der Selbstrepräsentation als Künstler oder für Nero und Domitian Annäherungen an die göttliche Sphäre zu erkennen sind, verschleierten einerseits Ambivalenzen das Gewicht dieser Neuerungen, andererseits setzten sich die gewählten göttlichen Attribute für den Herrscher bzw. die neuen Darstellungsformen in aller Regel sofort unter den Nachfolgern fort. Aufschlussreicher für die Bedingungen der zeitgenössischen Akzeptanz beider Herrscher war der Versuch, die Ansprache der großen gesellschaftlichen Gruppen in den Bildprogrammen ihrer Münzen zu analysieren. Der sich anfangs einer allgemeinen Romidee, vielleicht sogar Senatsnähe verpflichtet gebende Nero wechselte in den letzten Jahren zu einer starken Betonung seiner persönlichen militärischen Virtus sowie Hervorhebung seiner besonderen Fürsorge für die plebs urbana. Bei dem von Beginn sich durch militärische Sieghaftigkeit und Heeresnähe legitimierenden Domitian finden sich hingegen keine Angebote für die Senatoren, und auch gegenüber der plebs urbana wird jede distanzlose Annäherung vermieden. Bemerkenswert für Staatswirtschaft und Verwaltungshandeln ist schließlich die aus finanziellen Gründen vorgenommene drastische Verschlechterung in der Substanz der Gold- und Silbermünzen unter Nero, mehr aber noch der - letztlich gescheiterte - Versuch Domitians, diese Reduktion nach über einem Jahrzehnt wieder rückgängig zu machen. <?page no="80"?> Reinhard Wolters - Martin Ziegert 72 Literaturverzeichnis Alston (1994): Richard Alston, „Roman Military Pay from Caesar to Diocletian“, JRS 84, 113-123. Barié u. Schindler (2013): Paul Barié und Winfried Schindler (Hgg.), M. Valerius Martialis, Epigramme. Lateinisch - deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Paul Barié und Winfried Schindler, 3. Aufl., Regensburg. Bastien (1992-1994): Pierre Bastien, Le buste monétaire des empereurs romains, 3 Bde., Wetteren. Bergmann (1998): Marianne Bergmann, Die Strahlen der Herrscher. Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Mainz. 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Abb. 10: RIC I² 211 (Nero): Gemini Auctions 5, 6.1.2009, 258. Abb. 11: RIC II.1 148 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7687. Abb. 12: RIC II.1 153 (Domitian): Roma Numismatics Ltd 3, 31.5.2012, 455 (www.RomNumismatics.com). Abb. 13: RIC II.1 572 (Domitian): Auktionen Meister und Sonntag 16, 27.11.2012, 1050. Abb. 14: RIC II.1 258 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 38605. Abb. 15: RIC II.1 691 (Domitian): Münzen & Medaillen Deutschland GmbH 37, 23.11.2012, 172. Abb. 16: RIC II.1 746 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7279. Abb. 17: RIC II.1 201 (Domitian): Numismatica Ars Classica NAC AG 67, 17.10.2012, 139. Abb. 18: RIC II.1 700 (Domitian): KHM, Inv.-Nr. RÖ 7262. Abb. 19: RIC II.1 274 (Domitian): Dr. Busso Peus Nachfolger 405, 2.11.2011, 2578. Abb. 20: RIC II.1 752 (Domitian): Numismatica Ars Classica NAC AG 29, 11.5.2005, 525. Abb. 21: Holt (2003) E/ A 6: Baldwin's New York Sale 27, 4.1.2012, 304 (Courtesy of A. H. Baldwin & Sons Ltd, London, www.baldwin.co.uk). Wir danken den genannten Auktionshäusern sowie insbesondere Klaus Vondrovec vom KHM in Wien für die Unterstützung. <?page no="85"?> 77 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 3 Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich <?page no="86"?> 78 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Reinhard Wolters - Martin Ziegert <?page no="87"?> 79 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Umbrüche - Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich <?page no="88"?> 80 Abb. 20 Abb. 21 Reinhard Wolters - Martin Ziegert <?page no="89"?> Sophia Bönisch-Meyer - Christian Witschel Das epigraphische Image des Herrschers. Entwicklung, Ausgestaltung und Rezeption der Ansprache des Kaisers in den Inschriften Neros und Domitians 1. Einführung: Das Image des römischen Kaisers im Medium der Inschriften Das öffentliche Image römischer Kaiser wurde zu einem nicht unerheblichen Maße durch epigraphische Monumente geprägt, die im Namen der Herrscher oder zu deren Ehren errichtet wurden. 1 Im gesamten Reich waren zahlreiche solcher Tituli zu sehen, welche den Bewohnern der Provinzen - im Zusammenspiel mit anderen textlichen und visuellen Medien - einen Eindruck davon vermitteln konnten, wie der Princeps gesehen werden wollte bzw. wie seine Herrscherrolle von den Untertanen interpretiert wurde. Insofern sind Inschriften, die sich in der einen oder anderen Form auf den Kaiser beziehen, eine Quelle ersten Ranges bei der Erforschung der kaiserlichen Repräsentation und ihrer Rezeption im Imperium Romanum. * Dieser Aufsatz wurde gemeinsam konzipiert. Die Abschnitte 1-3 stammen im Wesentlichen von C. Witschel, die Abschnitte 4 und 5 von S. Bönisch-Meyer. Für hilfreiche Anregungen während der Diskussion auf dem Freiburger Kolloquium danken wir Marianne Bergmann, Jens-Arne Dickmann, Hans Ulrich Nuber, Richard Posamentir und Volker Michael Strocka, für wertvolle Hinweise und Kritik bei der Ausarbeitung des Aufsatzes Olaf Kaper, Johannes Nollé, Michael Oberhaus, Christof Schuler, Verena Schulz, Victor Walser und Stephan Witetschek. Ein besonderer Dank für ihre Unterstützung bei der Materialsammlung gilt den beiden Hilfskräften unseres von der DFG geförderten Projekts, Judit Végh und Catharina Waschke. Für Abbildungsvorlagen sind wir Manfred Clauss, Werner Eck, Helmut Engelmann, Olaf Kaper und Ulrich Sinn zu Dank verpflichtet. Inschriftencorpora und -editionen werden in der Regel nach der Aufstellung bei François Bérard et al., Guide de l’épigraphiste. Bibliographie choisie des épigraphies antiques et médiévales, Paris 2010 4 , 19f. sowie nach der entsprechenden Liste im Supplementum Epigraphicum Graecum abgekürzt (für weitere Auflösungen s. das Literaturverzeichnis); Papyri nach John F. Oates, Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, Oxford 2001 5 ; Zeitschriften nach den Vorgaben der L’Année Philologique. Alle angegebenen Jahreszahlen beziehen sich, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, auf die Zeit nach Christi Geburt. 1 Zur Bedeutung epigraphischer Monumente für die kaiserliche Repräsentation vgl. Alföldy (1991) und (2003). <?page no="90"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 82 In Bezug auf die epigraphischen Hinterlassenschaften der beiden im Fokus dieses Bandes stehenden Kaiser Nero und Domitian lässt sich daher eine auf den ersten Blick einfach anmutende Frage formulieren. Sie lautet wie folgt: Gewinnen diese beiden Herrscher beim Blick auf das Medium der Inschriften ein von den etablierten Normen der herrscherlichen Selbstdarstellung abweichendes und darum spezifisches Profil? Und wenn ja - wie sah dieses aus? Um eine Antwort hierauf zu finden, haben wir eine Sammlung aller Kaiserinschriften, die sich mit Nero und Domitian in Verbindung bringen lassen, erstellt und möchten diese im Verlauf des vorliegenden Beitrages in verschiedene Richtungen hin auswerten. Bevor damit begonnen werden kann, soll zunächst geklärt werden, was eigentlich unter dem Terminus ‚Kaiserinschrift‘ zu verstehen ist. 2 Hierbei sind eine weiter und eine enger gefasste Definition möglich. Nach der ersteren fallen darunter alle Inschriften jeglicher Gattung und Gestalt, in denen der Name des Herrschers - ob nun in einer kurzen Nennung oder aber mit ausführlicher Titulatur - in irgendeiner Funktion (d. h. auch an eher ‚unbetonten‘ Stellen) auftaucht. Nach der enger angelegten Definition handelt es sich hingegen um Denkmäler, die als Monumente aus dauerhaftem Material nicht nur auf die unmittelbare Gegenwart, sondern auch auf die Nachwelt ausgerichtet waren und in denen der Herrscher als handelnde oder eine Ehrung bzw. Weihung empfangende Person im Zentrum des Inschriftentextes stand. Je nach Inschriftengattung konnte dies in unterschiedlichen Formen erfolgen, von denen hier nur die wichtigsten genannt seien: Nicht wenige der Botschaften, die der Kaiser bzw. die kaiserliche Kanzlei als Edikte, Briefe, Subskriptionen usw. an die Einwohner des Reiches aussandte und die den Namen sowie die Titulatur des Herrschers zumeist in einer ausführlichen Form präsentierten, wurden auch in einer epigraphischen Fassung festgehalten. 3 Sehr zahlreich waren sodann die Inschriften, mit denen der Kaiser geehrt wurde. In ihnen wurde er im Dativ (bzw. im Griechischen zumeist im Akkusativ) angesprochen. Solche Tituli waren häufig auf Statuenbasen angebracht und damit Teil eines statuarischen Monuments; 4 sie fanden sich aber auch an Gebäuden, welche zu Ehren des Herrschers errichtet wurden. 5 Kaiserliche Bauinschriften im eigentlichen Sinne waren hinge- 2 Vgl. zum Folgenden ausführlicher Witschel (2011); dort finden sich auch weitere Literaturangaben. 3 Vgl. dazu die Beiträge in Haensch (2009). 4 Zu den Statuenbasen für die Kaiser des 1. und 2. Jhs. vgl. die allerdings nicht ganz unproblematische Arbeit von Højte (2005). 5 An dieser Stelle ergibt sich also eine gewisse Überschneidung mit den kaiserlichen Bauinschriften - wie generell gesagt werden muss, dass sich die vorgestellten Kategorien nicht scharf voneinander abgrenzen lassen. So sind auch Inschriften mit Nennung des Kaisernamens im Nominativ nicht immer eindeutig einer bestimmten Gattung zuzuweisen; vgl. dazu die Diskussion bei Horster (2001) 45-49. Dieses Problem stellt sich beispielsweise bei drei Basen, welche im Kontext einer Militär- <?page no="91"?> Das epigraphische Image des Herrschers 83 gen solche Tituli, in denen der Kaiser im Nominativ oder in einer anderen Art der Formulierung als agierende Figur erschien, um auszudrücken, dass ein bestimmtes Bauwerk im Namen des Herrschers konzipiert worden war. 6 Eine Sonderform stellten die vielen zumeist als säulenartiges Monument gestalteten Meilensteine dar, die entlang der Fernstraßen des Imperium Romanum aufgestellt waren und den Namen sowie die Titulatur des Kaisers entweder im Nominativ (in seiner Funktion als nomineller Oberaufseher über den Straßenbau im Reich) oder im Dativ (als Ehrung für den Herrscher) aufführten. 7 Schließlich wurde der Herrscher auch nicht selten in Weihinschriften genannt - im Dativ, wenn ihm die Weihung direkt als einem im gesamten Reich verehrten deus praesens galt; oder aber - und insgesamt häufiger - im Genetiv, wenn die Weihung an eine Gottheit pro salute o. ä. des Kaisers gerichtet war. 8 Solche Inschriften waren häufig an Altären angeanlage im südarmenischen Ziata aufgestellt waren. Die gleichlautenden Inschriften (CIL III 6741 [= ILS 232], 6742, 6742a; Dat.: 64/ 65) auf diesen Basen nennen Nero im Nominativ und sodann den Oberbefehlshaber Cn. Domitius Corbulo sowie den Legaten der legio III Gallica im Ablativ. Es ist nicht klar, ob es sich hier um Beischriften von Statuen oder Bauinschriften oder um eine Kombination aus beidem handelt; vgl. Eck (1972/ 73) 90f.; Heil (1997) 129 mit Anm. 58; Horster (2001) 47f. Anm. 132; Alföldy (2002) 497. 6 Vgl. zu den kaiserlichen Bauinschriften zusammenfassend - mit Blick vornehmlich auf den Westen des Imperium Romanum - Horster (2001); ferner zu Kleinasien Winter (1996). 7 Zu den Meilensteinen und ihrer Interpretation vgl. Witschel (2002) sowie Rathmann (2003). 8 Beides lässt sich am Beispiel von Weihinschriften zeigen, welche für Nero in Gallien erstellt wurden. Die zuletzt genannte Praxis exemplifiziert CIL XII 512 = ILN III 22 aus Aix-en-Provence (Gallia Narbonensis): Pro salute | Neronis Claud(i) | Caesaris Aug(usti) | Ger(manici) p(atris) p(atriae) sacr(um) | [p]agus Iu(v)enalis; vgl. zu diesem Phänomen zusammenfassend Price (1980). Es gab daneben aber auch Inschriften, in denen der Kaiser sehr viel direkter als Gottheit angesprochen wurde, oftmals eingebunden in bereits bestehende Kultkontexte. Ein interessantes Beispiel hierfür liefert ein Graffito auf einem Ziegel aus einem Heiligtum in Châteauneuf im Gebiet der Allobroger (Gallia Narbonensis), in dem der einheimische Gott Limetus verehrt wurde. Hier sind zahlreiche Wandfragmente und Ziegel mit Graffiti gefunden worden, welche die zumeist kurz gehaltenen Weiheformeln der örtlichen Bevölkerung wiedergaben; vgl. dazu Mermet (1993); Rémy (1999); Witschel (2008) 69f. Dabei wurde neben den lokalen Gottheiten und der Göttin Roma häufig der lebende Kaiser angerufen, so augenscheinlich auch Nero; s. AE 1993, 1152 = ILN V 2, 463: ------? | v(otum) a(nimo) l(ibens) m(erito) [s(olvit)? ] | Neron(i) | Limet(o). Das zeigt, dass hier der Herrscher (dessen Name sogar vorangestellt wurde) vollständig in die lokale Kultpraxis eingebunden war und durchaus als eine vollgültige Gottheit wahrgenommen wurde - gerade letzteres ist in der modernen Forschung oftmals bezweifelt worden, so von Fishwick (1990); vgl. dagegen Clauss (1999) 33-35, 285-289. An dieser Stelle kann man auf eine weitere, allerdings nicht einfach zu deutende Weihinschrift mit Nennung Neros aus Melun (Gallia Lugdunensis) verweisen (CIL XIII 3013): Mercurio et Laribus | [Ti]b(erio) Claudi(o) Neroni Druso | Germanico Augusto. Ob der Name des Kaisers wirklich im Dativ aufgeführt <?page no="92"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 84 bracht, konnten aber auch auf anderen Inschriftenträgern auftreten, so an Gebäuden, die dem Herrscher alleine oder in Verbindung mit Göttern geweiht wurden. 9 Für unsere Fragestellung sind beide der oben vorgestellten Kategorien von Kaiserinschriften bedeutsam und aussagekräftig; für die in Teil 2 vorgenommenen quantitativen Betrachtungen wurden jedoch nur diejenigen Tituli herangezogen, die der engeren Definition entsprechen, da nur diese einen direkten Bezug zum Herrscher aufwiesen. Weiterhin muss an dieser Stelle kurz auf die Frage eingegangen werden, welche Aussagemöglichkeiten sich von dem Medium ‚Inschrift‘ in Bezug auf den römischen Princeps überhaupt erwarten lassen. Die epigraphischen Zeugnisse bieten im Vergleich zu anderen relevanten Quellengruppen sicherlich den Vorteil, dass es sich bei ihnen um ein in großer Zahl vorhandenes und sowohl in chronologischer wie auch in geographischer Hinsicht breit gestreutes Material handelt, in dessen Konzeption und Gestaltung auch solche Bevölkerungsgruppen involviert waren, die nur wenig im Fokus zumal der literarischen Quellen stehen, so vor allem die Bewohner der Provinzen des Imperium Romanum. An dieser Stelle muss jedoch sogleich angemerkt werden, dass es sich bei den Inschriften keineswegs um gleichsam neutrale oder ungefilterte Meinungsäußerungen von Seiten der Provinzbewohner in Bezug auf den fernen Herrscher handelte, denn fast alle inschriftlich festgehaltenen Texte unterlagen in ihrer Gestaltung recht strengen und kaum jemals durchbrochenen Konventionen. Eine der wichtigsten davon war die Tatsache, dass Kaiserinschriften kein Medium waren, um - auch nur vorsichtig formulierte - Kritik am (lebenden) Herrscher zu üben. Das ‚Sprechen über den Kaiser‘ in den Inschriften war also grundsätzlich positiv, wenn nicht gar panegyrisch konnotiert. 10 Auf der anderen Seite sollte beachtet werden, dass nur wenige epigraphische Monumente vom Herrscher in eigener Person errichtet oder auch nur im Detail konzipiert worden sind - und das gilt u. E. auch für viele der Inschriften, die im Namen des Herrschers, also unter Nennung seines Namens im Nominativ, formuliert worden sind. 11 Vielfach erfuhr der Kaiser wohl nicht einmal davon, wenn irgendwo im Reich eine neue Inschrift für ihn errichtet wurde, zumal es sich dabei in den meisten Fällen um einen und er damit den zuvor genannten Gottheiten gleichgestellt war, ist nicht ganz sicher (vgl. den Kommentar im CIL). Auffällig ist zudem die Form des Herrschernamens, denn diese entspricht in keiner Weise der offiziellen Titulatur Neros als Kaiser und auch nur teilweise derjenigen, die er als Caesar zwischen 50 und 54 führte - hier hat sich der Dedikant, der die Weihung vermutlich bald nach dem Regierungsantritt Neros vornahm, also offensichtlich einige Freiheiten genommen, die eventuell aus der Unkenntnis über die aktuelle Titulatur resultierten. 9 Vgl. Witschel (2011) 86-92. 10 Dazu Witschel (2011) 107-112. 11 Diese gewiss durchaus kontroverse Behauptung kann hier nicht näher begründet werden; vgl. dazu Witschel (2011) 82-84. <?page no="93"?> Das epigraphische Image des Herrschers 85 weitgehend routinemäßigen Vorgang handelte. Inschriften waren daher in der Regel kein direktes Sprachrohr des Herrschers, das dieser zur unmittelbaren Beeinflussung der Bevölkerung hätte einsetzen können. Das galt selbst für ideologisch bedeutsame Botschaften, die von der imperialen Zentrale ausgingen und auf vergänglichen Materialien wie Papyrus oder Holz aufgezeichnet waren, denn es lag zumeist außerhalb des direkten kaiserlichen Zugriffes, ob, wann und wie solche Mitteilungen in den Provinzen des Reiches in epigraphische Monumente gefasst und somit auf Dauer gestellt wurden. 12 Obwohl die römischen Herrscher also kaum kontrollieren konnten, wie die epigraphischen Monumente im Einzelnen gestaltet waren, kam es dennoch nicht zu einem Wildwuchs bei der Präsentation des kaiserlichen Images in den zahlreichen auf den Princeps bezogenen Inschriften, die im gesamten Reich erstellt wurden. Der Kaiser hatte nämlich durchaus gewisse Möglichkeiten, sein epigraphisches Erscheinungsbild zumindest indirekt zu steuern. Die wichtigste hiervon war die von der Zentrale - d. h. von der kaiserlichen Kanzlei in enger Absprache mit dem Herrscher - vorgenommene Festlegung derjenigen Form der Anrede des Princeps, die in allen vom Kaiserhof ausgehenden Schriftstücken Verwendung finden sollte und die daher in der modernen Forschung als die ‚offizielle Kaisertitulatur‘ bezeichnet wird. 13 Es gab zwar offenbar keinen gesetzlichen Zwang für die Untertanen, bei der Konzeption eigener epigraphischer Monumente, welche den Kaiser nannten, diese Titulatur zu kopieren, aber die meisten taten dies dennoch (wenn auch lange nicht immer in der vollständigen Form), 14 so dass sich auf diesem Feld rasch eine entsprechende Konvention herausbildete. Allerdings war es einem Bewohner des Reiches oder einer Gruppe, die eine Inschrift mit Nennung des Kaisers errichten wollte, jederzeit erlaubt, zu der offiziellen Titulatur weitere Elemente in der Ansprache des Herrschers hinzuzufügen, die diesen besonders loben sollten und damit gleichzeitig auf die Auffassung verwiesen, die der oder die Stifter einer Inschrift von dem fernen Herrscher hatte(n). Diese Epitheta können als die ‚inoffiziellen‘ Partien der Kaisertitulatur angesprochen werden. 15 Zusammenfassend lässt sich somit festhalten: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der gesamte Prozess der Inschriftenkonzeption und -produktion an den einzelnen Orten des Reiches von der kaiserlichen Zentrale gesteuert oder engmaschig überwacht worden wäre, was sich angesichts der knappen administrativen Ressourcen im Imperium Romanum wohl auch gar nicht 12 Vgl. Witschel (2011) 51-73. 13 Ein bequemer Überblick über die Entwicklung der offiziellen Kaisertitulatur im 1. und 2. Jh. findet sich bei Kienast (2011); vgl. ferner Witschel (2011) 98-100. 14 Ein Beispiel für eine ziemlich weitgehende Abweichung von der offiziellen Titulatur Neros in einer Weihinschrift aus Gallien ist o. in Anm. 8 vorgeführt worden. 15 Vgl. dazu u. die Ausführungen in Abschnitt 4. <?page no="94"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 86 hätte durchführen lassen. Das zeigt sich nicht zuletzt bei einem Blick auf ein weiteres Phänomen, das mit den Inschriften in Verbindung stand, nämlich auf die Anordnung und Durchführung von Gedächtnisstrafen, welche in den Tituli zur Tilgung der Namen der betroffenen Personen und gegebenenfalls auch von weiteren mit ihnen in Verbindung stehenden Elementen führen konnte. Da beide der hier behandelten Herrscher nach ihrem Tod einer solchen sog. damnatio memoriae verfielen, bietet es sich an, diesen Aspekt in unsere Untersuchung einzubeziehen. Daraus ergibt sich folgender Aufbau des Beitrages: Zunächst soll ein kurzer Blick auf den Gesamtbestand an Inschriften Neros und Domitians und deren Verteilung im Imperium Romanum geworfen werden, wobei auch zu fragen sein wird, wie repräsentativ das erhaltene Material für die einstmals vorhandene Menge an epigraphischen Monumenten sein dürfte (2). Danach ist auf die offizielle Kaisertitulatur Neros und Domitians einzugehen. Hierbei interessiert insbesondere, an welchen Punkten es in diesem Bereich unter den beiden Kaisern zu Neuerungen gekommen ist und wie sich diese in die Gesamtentwicklung der Kaisertitulatur während des 1. und frühen 2. Jhs. einordnen lassen (3). In Abschnitt 4 werden die inoffiziellen Titulaturelemente behandelt, die sich in den Inschriften Neros und Domitians finden lassen. Zu analysieren ist dabei, welche Facetten in der Ansprache des Herrschers von Seiten der Untertanen besonders betont wurden und ob dabei die von Nero und Domitian besonders betonten Aspekte ihrer Selbststilisierung auch in der Rezeption durch die Bevölkerung des Reiches Beachtung fanden. Den Auswirkungen der Gedächtnisstrafe, die sowohl Nero als auch Domitian traf, auf die epigraphischen Monumente der beiden Kaiser ist ein eigenes Kapitel (5) gewidmet, in dem anhand der Praxis der Eradierungen der Frage nachgegangen wird, ob sich hierbei ein systematisches Vorgehen erkennen lässt und was dies über die Funktion einzelner Titulaturelemente aussagt. Am Ende steht ein vergleichender Ausblick (6), der auch auf die eingangs aufgeworfene Problematik eingeht, inwieweit die Regierungszeiten des Nero und des Domitian in der epigraphischen Überlieferung ein spezifisches Profil gewinnen. 2. Die Verteilung der Inschriften Neros und Domitians im Imperium Romanum - Ein Überblick Im folgenden Abschnitt soll ein knapper Überblick über die Verteilung der Inschriften Neros und Domitians gegeben werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, wie repräsentativ das erhaltene epigraphische Material, das diese beiden Kaiser betrifft, für den einstigen antiken Bestand sein dürfte. Angemerkt werden muss an dieser Stelle noch, dass die vorgestellten Zahlen ausschließlich die Kaiserinschriften im engeren <?page no="95"?> Das epigraphische Image des Herrschers 87 Sinne (nach der oben in Abschnitt 1 gegebenen Definition) betreffen, welche - als Monumente, die auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet waren - einen direkten Bezug zu dem jeweiligen Herrscher aufwiesen. Eine ganze Reihe von weiteren Inschriften ist hingegen trotz der Nennung des Namens von Nero bzw. Domitian aus den genannten Gründen nicht in diesen Überblick aufgenommen worden. 16 Insgesamt sind wir hierbei - angesichts der relativ langen Regierungszeit beider Kaiser - mit eher niedrigen Zahlen konfrontiert: Bei Nero sind es etwa 175, bei Domitian hingegen ca. 170 Inschriften. Bei beiden Herrschern fällt zudem auf, dass der größere Teil der entsprechenden Tituli aus dem griechischsprachigen Osten des Imperium Romanum stammt - bei Nero ist das Verhältnis West - Ost ca. 75: 100 Inschriften, bei Domitian etwa 60: 110. Das hat sicherlich etwas mit der jeweils spezifischen Entwicklung des epigraphic habit in den einzelnen Regionen des Reiches zu tun, der in den Westprovinzen im 1. Jh. noch in Ausprägung begriffen war, 17 während im Osten schon sehr viel länger die Praxis bestand, den jeweiligen Herrscher mit epigraphischen Monumenten zu ehren. Auf der anderen Seite sind aber offenbar auch individuellere Faktoren in das Gesamtbild eingeflossen, die bisweilen die ‚Statistik‘ (die natürlich keine solche - zumindest nicht in einem mathematischen Sinne - ist, wie man sich immer wieder vor Augen halten sollte) 18 in erheblichem Maße beeinflussen können. Dies sei im Folgenden am Beispiel der Inschriften Neros erläutert. Auffällig ist hierbei zunächst die hohe Zahl entsprechender Tiuli aus einer 16 Das betrifft im Wesentlichen beschriftete Artefakte folgender Kategorien: a) Inschriften, die sicher aus der Zeit vor dem Regierungsantritt der beiden Kaiser stammen (d. h. bei Nero solche aus dem Zeitraum 50-54; bei Domitian aus der Zeit zwischen 69 und 81 - gerade im letzteren Falle sind das ziemlich viele Tituli). b) Inschriften, in denen der Name des Herrschers (bisweilen auch mit mehr oder minder vollständiger Titulatur) zwar aufgeführt wurde, aber nicht im Zentrum stand; etwa durch Verweis auf vom Kaiser ausgehende beneficia, durch die Nennung eines Priesters des Kaisers oder durch Angabe des jeweiligen Regierungsjahres (so in Ägypten). c) Inschriften nicht-monumentalen Charakters bzw. nicht-monumentaler Funktion, welche in den Bereich des sog. instrumentum domesticum gehören, also etwa Ziegelstempel oder Aufschriften auf Bleirohren. Nicht aufgenommen sind ferner Militärdiplome. Das gilt auch für Dipinti aus Pompeii, die Nero betreffen; vgl. zu diesen Mouritsen u. Gradel (1991). d) Ebenfalls nicht aufgenommen wurden in ihrer Zuweisung ganz unsichere Fragmente. 17 Besonders deutlich zeigt sich dies bei einem Blick auf die afrikanischen Provinzen, in denen im 2. und 3. Jh. Kaiserinschriften in sehr großer Zahl errichtet wurden, während dies im 1. Jh., gerade im früheren, augenscheinlich noch nicht der Fall war. So finden wir hier nur drei Kaiserinschriften mit Bezug auf Nero, und auch unter Domitian hatte sich diese Situation mit nunmehr zehn Tituli augenscheinlich nur unwesentlich verändert. Vgl. ferner zu der Situation in den Nordwestprovinzen im frühen 1. Jh. den Überblick über die von dort bekannten Inschriften des Augustus und des Tiberius bei Witschel (2008). 18 Zur Problematik der Repräsentativität des überlieferten Inschriftenbestandes vgl. die wichtigen Überlegungen von Eck (2007). <?page no="96"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 88 ganz bestimmten Region, nämlich der Provinz Achaia. 19 Von dort sind - bei einigen Zweifelsfällen - bis zu 23 Inschriften Neros bekannt. Das ist mit der höchste Wert an neronischen Kaiserinschriften für eine einzelne Provinz; nur aus Asia sind ähnlich viele Tituli dieser Art überliefert. Dieser Befund ist auch insofern bemerkenswert, als Achaia, das ja keine allzu bedeutende und ausgedehnte Provinz war, beim Blick auf die Inschriftenverteilung unter anderen Principes (etwa unter Domitian) keineswegs besonders heraussticht. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt auf der Hand: Der offen zur Schau gestellte Philhellenismus Neros gipfelte bekanntlich in seiner großen Griechenlandtour zwischen Spätsommer 66 und Ende 67, während derer der Kaiser verschiedene Orte und insbesondere Heiligtümer besuchte, an zahlreichen Agonen teilnahm und im November 66 der gesamten Provinz Achaia die Freiheit schenkte. 20 Das rief eine entsprechende Resonanz bei der Provinzbevölkerung hervor, welche sich etwa in speziell auf Nero bezogenen Typen der lokalen Münzprägung 21 oder in der Errichtung von Bauten für den Kaiser manifestierte. 22 Auch einige epigraphische Monumente sind 19 Zu den Inschriften Neros aus Achaia vgl. auch Kantiréa (2007) Tabellen Va u. Vb; Hoët-van Cauwenberghe (2007); ferner zur Eradierungspraxis u. Abschnitt 5. 20 Zu Neros Griechenlandreise vgl. Bradley (1978); Halfmann (1986) 173-177; Kaplan (1990) 305-347; Alcock (1994); Strocka (2010) 53-55. Die Datierung der Freiheitserklärung Neros für Achaia ist umstritten; sie hängt eng mit der zeitlichen Einordnung der bekannten Inschrift von Akraiphia (zu dieser s. u. Anm. 274) zusammen (vgl. die gute Darlegung der Problematik bei Clay [1982] 11-16 und Amandry [1988] 14-22). Insbesondere ist unklar, wie die in dem Dekret der Polis, das offensichtlich vor Ort formuliert worden war, im Rahmen der Titulatur Neros auftauchende, ganz ungewöhnliche Formulierung F $* - zu verstehen ist. Am ehesten ist diese - sicherlich ‚untechnisch‘ gebrauchte - Bezeichnung wohl doch im Sinne von „zum 13. Mal für die tribunicia potestas vorbestimmt/ designiert“ zu übersetzen, obwohl dies mehrfach bestritten wurde; vgl. Halfmann (1986) 176f.; Levy (1991) 189-191. Damit wollte man in Akraiphia wohl zum Ausdruck bringen, dass Nero kurz vor der Übernahme der 13. tribunicia potestas stand, man aber nicht genau wusste, ob dies bereits erfolgt war. Unter der Voraussetzung, dass Nero seine tribunizische Gewalt jeweils am 4. Dezember erneuerte (auch dies ist allerdings nicht unumstritten; vgl. u. S. 108-110), führt diese Annahme zu einer Datierung der Freiheitsproklamation Neros auf den 28.11.66, also zu Beginn seiner Griechenlandreise (so zuletzt noch einmal dezidiert Strocka [2010] 53f.). Das widerspricht zwar der expliziten Darstellung Suetons, Nero habe erst bei seiner Abreise die Freiheit Achaias verkündet (Suet. Nero 24,2), würde sich aber insgesamt besser in den Gesamtkontext einfügen. Nicht ausgeschlossen werden kann zudem, dass Sueton die Chronologie bewusst verzerrt hat, um Neros Leistungen in Griechenland zu diskreditieren. 21 Vgl. u. Anm. 23 und 284. 22 Zu der intensiven Bautätigkeit in Griechenland und den benachbarten Regionen, die Neros bereits seit dem Jahr 64 geplanter Besuch anstieß, vgl. Strocka (2010) 55-61; besonders betroffen war hiervon neben dem Stadtzentrum von Korinth (dazu u. Anm. 107) das Heiligtum von Olympia; vgl. Sinn (1993) und (2001) sowie zusammenfassend Sinn (2004) 199-202. <?page no="97"?> Das epigraphische Image des Herrschers 89 offensichtlich in diesem Kontext entstanden; 23 so neben den gleich noch zu besprechenden Altären in Athen die bekannte Stele im böotischen Akraiphia, auf der neben einem Ehrendekret der Polis für Nero auch das Einladungsschreiben des Kaisers zu der Provinzversammlung in Korinth sowie seine dort gehaltene Rede aufgezeichnet wurden. 24 Allerdings ergibt eine Sichtung der datierbaren Inschriften Neros aus Achaia, dass viele von diesen bereits lange vor der Griechenlandreise des Kaisers errichtet worden sein müssen. Das gilt insbesondere für die auffallend hohe Zahl von Statuenbasen mit Ehreninschriften für den Herrscher, der in diesen nach der üblichen Praxis im griechischsprachigen Raum im Akkusativ genannt wurde. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen (9 von 11) stammt nämlich mit Sicherheit oder zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit aus den Anfangsjahren von Neros Herrschaft, also aus der Zeit zwischen 55 und 58. 25 Da sich für diese Phase eine besondere Nahbeziehung des jungen Nero zu Griechenland nicht ausmachen lässt, ist hierin augenscheinlich eher die durchaus übliche Praxis zu fassen, einen neuen Herrscher relativ rasch nach dessen Machtübernahme mit statuarischen Monumenten zu ehren. Warum dies gerade in Achaia so intensiv geschah, muss vorerst offen bleiben; hierin spiegelt sich aber vielleicht doch eine ganz spezifische Erwartungshaltung an den Princeps wider, die dann großenteils nicht enttäuscht wurde. Das verdeutlicht schließlich der durchaus bemerkenswerte Befund in Athen. 26 Obwohl Nero keine ausgeprägte Vorliebe für diese altehrwürdige Polis erkennen ließ und sie während seiner Griechenlandtour sogar demons- 23 In diese Phase gehört augenscheinlich eine fragmentarisch erhaltene Marmortafel mit einer lateinischen Inschrift aus Korinth (gefunden im nordöstlichen Teil der Agora), die entweder zu einer Statuenbasis oder zu einem Bauwerk gehört haben dürfte (I.Korinth 81 = Højte [2005] 322f. Kat. Nero 26). In ihr wird Nero geehrt; daneben nennt die Inschrift auch den amtierenden IIvir P. Memmius Cleander. Letzterer ist in der lokalen Münzprägung Korinths unter Nero gut bezeugt; dazu Amandry (1988) 14-22. Sein Amtsjahr ist nicht genauer datiert, muss aber, da der adventus Neros auf den unter ihm geprägten Münzen gefeiert wird (so RPC I 1203), mit dessen Griechenlandreise in Zusammenhang stehen. Ebenso wird hier auf eine adlocutio des Kaisers abgehoben (so RPC I 1205). Nach Amandry (1988) 19-22 spricht daher alles dafür, dass diese Serien in das Jahr 66/ 67 (von Juni bis Juni) zu setzen sind. 24 Vgl. dazu ausführlicher u. S. 140f. 25 Dazu zählen insbesondere Statuenbasen aus Delphi, Olympia und Messene. Delphi: CID IV 138 = AE 1937, 52 = Højte (2005) 323 Kat. Nero 27 (wohl in das Jahr 55 zu datieren) und AE 1897, 90 = Højte (2005) 323 Kat. Nero 28 (Dat.: 56). Olympia: IvO 374 = Højte (2005) 324 Kat. Nero 34 (wenn diese Fragmente zu Recht auf Nero bezogen worden sind, ergibt sich eine Datierung in das Jahr 57) und IvO 375 = Højte (2005) 324 Kat. Nero 35 (wenn die Inschrift richtig ergänzt wurde, ist sie in das Jahr 58/ 59 zu datieren). Messene: Alle drei dort gefundenen Statuenbasen für Nero (IG V 1, 1449/ 50; SEG 41, 353 = Højte [2005] 323f. Kat. Nero 30-32) sind augenscheinlich zu Beginn von dessen Regierungszeit, wohl im Jahr 55, errichtet worden. 26 Vgl. hierzu allgemein Carroll (1980) 30-33; Geagan (1979) und (1984); Perrin- Saminadayar (2007). <?page no="98"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 90 trativ mied, 27 wurde in Athen eine Reihe von Inschriften für ihn angefertigt. Nachdem ihm bereits gegen Ende der 50er-Jahre das neue Bühnengebäude im Dionysostheater gewidmet worden war, 28 erfolgte im Jahr 61/ 62 eine außergewöhnliche Ehrung: Auf dem Architrav an der Ostseite des Parthenon wurde eine Inschrift aus vergoldeten Bronzebuchstaben (litterae aureae) angebracht. Diese führte den Namen Neros im Akkusativ mit seiner vollen Titulatur auf. Als Stifter fungierten der Areopag, die Boule sowie der Demos von Athen, und daneben wurden auch ein hoher Beamter und angesehener Bürger der Stadt sowie eine Priesterin in dem Text genannt. 29 Dieses Formular ist für eine Inschrift, welche an einem Gebäude angebracht war, eher unüblich; das hat zu der Vermutung geführt, dass es sich um die Kurzzusammenfassung eines Ehrendekretes für Nero handelte, durch das dieser 27 So Cass. Dio 63,14,3, dessen Erklärung hierfür aber wenig glaubwürdig wirkt (s. ferner Suet. Nero 34,4). Eher anzunehmen ist, dass Nero, der nach seinen eigenen Worten (Cass. Dio 63,8,3) ein periodonikes werden wollte, aus praktischen Gründen nur diejenigen Orte besuchte, an denen die Spiele ausgetragen wurden, die in der Kaiserzeit zum ‚Circuit‘ (periodos) zählten; und hierzu gehörten die Panathenäen im 1. Jh. nicht (so die These von Kennell [1988]). Nero wollte also nicht an „allen Spielen“ in Griechenland teilnehmen (so aber Suet. Nero 22,3: certamina [...] omnia), sondern nur an denen der ‚Großen Tour‘. Vgl. ferner Alcock (1994) 105f. mit der u. E. etwas weit hergeholten These, Nero habe ein neues, zeitgenössisches und ‚römisches Griechenland‘ (mit der Kolonie Korinth als Mittelpunkt) konstruieren wollen und deshalb bewusst die Zentren des traditionellen Griechenland, die sonst zum Pflichtprogramm jedes Reisenden gehörten, gemieden. 28 IG II/ III² 3182 = Schmalz (2009) 85-88 Nr. 107 (grundlegende Überarbeitung des Textes). Die erste, deutlich längere Zeile befand sich auf dem Fries von fünf Gebälkteilen über den Eingangstüren des Bühnengebäudes; der mittlere Block über der zentralen Ädikula enthielt zudem eine zweite Zeile auf der obersten Faszie des Architravs. Zu Beginn der Inschrift wurde - in herausgehobener und unüblicher Position - der Stifter, offenbar ein Priester des städtischen Kaiserkultes, angeführt. Wenn am Ende der Inschrift tatsächlich Tib. Claudius Novius (vgl. die folgende Anm.) als Inhaber der Strategie zum siebten Mal genannt war, dann muss die Inschrift in die Zeit vor 61 gehören, d. h. in die Jahre zwischen 54/ 57 und 60 (Graindor [1931] 12-17 hatte hingegen einen anderen Namen eingesetzt, die Inschrift in das Jahr 66 datiert und sie mit der Griechenlandreise Neros verbunden). Zum Neubau des Bühnengebäudes des Dionysostheaters in neronischer Zeit vgl. von Gerkan (1941); Perrin-Saminadayar (2007) 139-141. 29 IG II/ III² 3277 = SEG 32, 251 = Schmalz (2009) 124f. Nr. 55; dazu ausführlich Carroll (1982); ferner Oliver (1981) 417. Die Titulatur Neros weist einige ungewöhnliche Elemente auf, die offenbar bewusst gewählt worden waren, so den vorangestellten Titel . " (dazu u. Anm. 89 und 200), die Wendung D I D# / statt der üblichen Wortfolge Nero Claudius Caesar Augustus sowie die am Ende der Titulatur angehängte Filiation, die sowohl in der Positionierung als auch in der Formulierung von der Norm abweicht; vgl. Carroll (1982) 30-43. Der in der Inschrift genannte Beamte, Tib. Claudius Novius, war einer der führenden Bürger Athens im mittleren 1. Jh.; zu ihm s. u. Anm. 297. Zum historischen Kontext dieser außergewöhnlichen Ehrung Neros vgl. u. Anm. 106. <?page no="99"?> Das epigraphische Image des Herrschers 91 bekränzt werden sollte. 30 Solche Kurzfassungen von Dekreten sind zwar auch anderweitig bekannt, aber nicht in einer solch monumentalen Form. Zu letzterer passt die Ausführung der Inschrift mit litterae aureae - diese Praxis war unter Augustus aufgekommen und hatte sich rasch auch im Osten des Reiches verbreitet, wo sie vor allem in Inschriften, die den Kaiser feierten, Verwendung fand. 31 Wenige Jahre später erhoffte man sich offenbar in Athen einen Besuch Neros, als dieser im Herbst 66 nach Griechenland kam. Darauf deutet eine Serie von fünf oder sechs kleineren Altären hin, die den Namen Neros im Dativ oder Genetiv aufführen und ihn als „neuen Apollon“ feiern. 32 Dies war eine in Athen durchaus übliche Monumentform, die seit der augusteischen Zeit in Gebrauch war. 33 Keiner dieser neronischen Altäre ist genauer datiert, aber bemerkenswerterweise taucht hier fünfmal (allerdings dreimal davon im Rahmen einer Wiederverwendung des Altares) der vorangestellte Titel . " auf, was auf eine Datierung nach der Mitte des Jahres 66 und somit auf eine Verbindung mit Neros Griechenlandreise hindeuten könnte. 34 Anzunehmen ist daher, dass die Athener ei- 30 So die These von Carroll (1982) 59-63. 31 Zum Aufkommen von Inschriften mit litterae aureae und zu ihrer Verbreitung im Osten des Reiches vgl. Alföldy (1991) 297-299; Witschel (2011) 48f. mit Anm. 12; Posamentir u. Wienholz (2012) bes. 161-163, 168f. 32 (1) IG II/ III² 3278 (vgl. Benjamin u. Raubitschek [1959] 82 Anm. 74): Fragment eines Rundaltares aus hymettischem Marmor; Name des Kaisers im Dativ. (2) Schmalz (2009) 122 Nr. 152: Rhombosartig zugehauene Platte aus pentelischem Marmor; diese dürfte in einen Block aus anderem Material eingelassen gewesen sein; Name des Kaisers im Dativ. (3-4) SEG 32, 252 = Schmalz (2009) 122f. Nr. 153: Zwei angeblich identische und offensichtlich wiederverwendete Marmoraltäre (dazu u. S. 153), gefunden als Spolien in einer spätantiken Mauer. Das publizierte Exemplar ist ein blockförmiger Altar von ca. 60 cm Höhe mit glatter Oberseite (s. das Photo in ADelt 23 B1, 1968, Taf. 40b); Name des Kaisers im Genetiv. (5) SEG 44, 165 = Schmalz (2009) 123f. Nr. 154: Ein hochrechteckiger Orthostatenblock, gefunden in Zweitverwendung an einer Straße vor der (späteren) Hadriansbibliothek. In der Erstpublikation von Spetsieri-Choremi (1995) 141f. (mit figs. 5-6) zu Unrecht als „honorary stele“ bezeichnet; vielmehr wahrscheinlich Teil eines größeren Altarmonuments, das aus mehreren Steinen zusammengesetzt war; Name des Kaisers im Genetiv. (6) IG II/ III² 3229 (= 3281/ 82) = Benjamin u. Raubitschek (1959) 82 Nr. 12 = Schmalz (2009) 96 Nr. 118, 121f. Nr. 151: Block aus blauem Stein (irrtümlich als ‚Basis‘ bezeichnet); zunächst für Augustus, später für Nero, Vespasian und Titus geweiht (dazu u. S. 150f.); Name des Kaisers im Dativ. Auszuscheiden sind: (a) IG II/ III² 3279, das mit 4775 kombiniert ein hadrianisches Monument ergibt. (b) SEG 34, 1984, 182 = Schmalz (2009) 110f. Nr. 140: ein Altar von der Agora mit eradiertem Kaisernamen, von Geagan (1984) 76 Anm. 35 auf Nero ergänzt, jedoch von Schmalz a. O. Caligula zugewiesen (s. aber Agora XVIII H283, wo der Stein erneut - jedoch ohne nähere Begründung - auf Nero bezogen wird). Zu der Anrufung Neros als R ## vgl. u. S. 125-127. 33 Vgl. Benjamin u. Raubitschek (1959); Geagan (1984) 72-75; Perrin-Saminadayar (2007) 129f., 136, 138-141. 34 Vgl. Carroll (1982) 32 sowie zur Übernahme des praenomen Imperatoris durch Nero im Frühsommer 66 u. S. 104. Allerdings ist zu beachten, dass im provinzialen Kontext <?page no="100"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 92 nen Besuch Neros in ihrer Stadt erwarteten und in Vorbereitung darauf eine Reihe solcher Altäre herstellten, die den Weg des kaiserlichen Einzuges säumen sollten, um diesen mit Kulthandlungen zu begehen. 35 Ganz sicher ist dies allerdings nicht, zumal nicht klar ist, ob bzw. wann Nero seine Absicht durchblicken ließ, Athen nicht zu besuchen. Andere Faktoren haben bei der spezifischen Verteilung der Inschriften Neros, wie sie sich uns heute präsentiert, augenscheinlich ebenfalls eine Rolle gespielt. Das gilt etwa für die relativ hohe Zahl an Tituli Neros aus den drei hispanischen Provinzen (insgesamt 32). Darunter befinden sich nur wenige Ehreninschriften für den Herrscher, welche von Städten oder Einzelpersonen errichtet worden waren (maximal 6), 36 während die Masse der erhaltenen Zeugnisse aus Meilensteinen besteht (25), auf denen der Name des Herrschers - zumeist - im Nominativ angeführt war. 37 Bei den Meilensteinen handelte es sich jedoch um serienmäßig hergestellte epigraphische Erzeugnisse, die häufig ein weitgehend einheitliches Formular aufwiesen, welches wiederum zumeist in der Umgebung des Statthalters konzipiert worden war. 38 Ihre recht hohe Zahl spiegelt also keine individuellen Andieses Titulaturelement bisweilen bereits zuvor Verwendung gefunden hat; dazu u. Anm. 89. 35 So etwa Geagan (1984) 74: „It is very likely therefore that the altars were inscribed while [Nero] was touring Greece“; vgl. auch Bergmann (1998) 146. Leider ist allerdings bei keinem der neronischen Altäre der originale Aufstellungsort bekannt. Im selben Zeitraum wurde auch Messalina, die Gattin Neros, in Athen von einem Privatmann mit einer Statue geehrt: IG II/ III² 3280. 36 Aus der Baetica sind zwei Basen von statuarischen Monumenten zu Ehren Neros bekannt, die beide relativ früh in seiner Regierungszeit errichtet wurden: CIL II 1392 = CILA II 3, 818 = AE 2003, 917 = Højte (2005) 321 Kat. Nero 19 (Marchena; Dat.: 55) und CIL II 1281 = CILA II 3, 965 = Højte (2005) 321f. Kat. Nero 20 (Salpensa; Dat.: 56/ 57). In der Provinz Lusitania wurden zu Neros Ehren in Olisipo das proscaenium und die orchestra des Theaters erbaut (CIL II 183 = ILS 5640; Dat.: 57; zur Lesung vgl. Stylow [2001] 144f. mit Anm. 27, der den in der Ansprache des Kaiser verwendeten Dativ in eine Ablativ-Nennung verbessern möchte) sowie eine Statue(? ) errichtet (CIL II 184 = Højte [2005] 321 Kat. Nero 18; nicht genauer datierbar); eine weitere Ehreninschrift für Nero stammt aus Augusta Emerita(? ) (EphEp VIII 24 = I.Emerita 22 = Højte [2005] 321 Kat. Nero 17; Dat.: 61/ 62). Aus der Hispania citerior ist lediglich ein Fragment einer monumentalen Inschrift mit Nennung Neros im Dativ aus Avila namhaft zu machen (AE 2001, 1240 = I.Avila 8). 37 Aus der Provinz Hispania citerior sind neun Meilensteine des Nero bekannt; alle weisen ein Nominativ-Formular auf, stammen aber aus unterschiedlichen Jahren; s. Mil.Tarrac. 53-57; Rodríguez Colmenero u. a. (2004) 771f. Aus der Baetica gibt es sieben Meilensteine Neros mit Nennung des Kaisers im Nominativ und im Dativ (s. auch Sillières [1990] 86f. Nr. 22, 95f. Nr. 34, 100 Nr. 39, 114f. Nr. 56), während aus Lusitanien eine Serie von neun Meilensteinen stammt, von denen sieben ein mehr oder minder identisches Nominativ-Formular aus dem Jahr 58/ 59 zeigen und entlang der sog. Via de la Plata aufgestellt waren. 38 Zu der Inschriften- und Monumentgattung der Meilensteine vgl. o. Anm. 7. <?page no="101"?> Das epigraphische Image des Herrschers 93 sprachen an den Herrscher wider, sondern geht auf die Initiative einer kleinen Gruppe von Personen zurück. Letztere ist noch deutlicher in zwei Fällen auszumachen, in denen solche Personen und ihre Motive explizit benannt werden können. Zum einen handelt es sich dabei um eine Gruppe von Weihungen zum Wohle des Kaisers aus den beiden germanischen Heeresbezirken. Dort sind insgesamt fünf Inschriften Neros gefunden worden. 39 Darunter befinden sich zwei untereinander im Dekor sehr ähnliche Altäre, die beide vom Niederrhein stammen und von dort ansässigen Gruppen von Galliern (den cives Remi und den cives Lingonum) ihrer jeweiligen Hauptgottheit, dem Mars Camulus bzw. dem Mars Cicollius, pro salute Neronis gewidmet wurden. 40 Obwohl beide Weihungen nicht genauer datiert sind, lässt sich eventuell ein Bezug zu der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung im Frühjahr 65 herstellen. Ein weiteres Monument, das pro salute des Herrschers von der ortsansässigen Bevölkerung dediziert wurde, kann nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesen Zeitraum eingeordnet werden: die große Iuppitersäule aus Mainz. 41 Diese wurde von den Bewohnern der dortigen canabae öffentlich aufgestellt, woran auch der amtierende Legat des obergermanischen Heeresbezirks, P. Sulpicius Scribonius Proculus, einen gewissen Anteil hatte. 42 Durch einen Bericht des Cassius Dio wissen wir, dass Proculus und sein Bruder P. Sulpicius Scribonius Rufus über längere Zeit gemeinsam die beiden germanischen Heeresbezirke verwaltet haben, bevor sie im Jahre 67 von Nero nach Griechenland zitiert und dort vom Kaiser in den Selbstmord getrieben wurden. 43 Nachdem man in der modernen Forschung lange Zeit geneigt war, das Wirken der beiden Brüder in Germanien relativ früh während der 60er-Jahre des 1. Jhs. anzusetzen, 44 hat der Fund einer Inschrift in Köln, die von der Errichtung eines unbekannten Gebäudes im Namen Neros (der deshalb im Nominativ aufgeführt ist) kündete, gezeigt, dass Rufus noch in der ersten Hälfte des Jahres 66 in Untergermanien tätig war, denn er ist in der Inschrift ebenfalls (und zwar im Ablativ) genannt. 45 Somit wird es sehr 39 Vgl. dazu auch Flower (2006) 218-223. 40 CIL XIII 8701 = ILS 235 = AE 1980, 656 (heute in Rindern, aber eventuell aus Xanten verschleppt); AE 1981, 690 = AE 1984, 650 (Xanten); dazu Rüger (1981), dessen Hypothesen zur historischen Einordnung des Steines jedoch nicht zu überzeugen vermögen. 41 CIL XIII 11806 = ILS 9235 = AE 1980, 655; dazu Bauchhenss (1984). 42 Die Nennung des Legaten im einfachen Ablativ ohne weitere Angaben lässt allerdings nicht klar erkennen, in welcher Funktion er an der Errichtung des Monuments mitgewirkt hat; vgl. Eck (1985) 27. 43 Cass. Dio 63,17,2-4; zu den Brüdern s. PIR² S 270 u. 272. 44 Das hat vor allem Instinsky (1959) postuliert; aufgegriffen wurde es etwa von Bauchhenss (1984) 32f. 45 AE 1969/ 70, 443 = I.Köln² 249 (wiederverwendet in einem späteren Bauzusammenhang als Bodenplatte eines römischen Straßenkanals); dazu Eck (1972/ 73); Horster (2001) 375f. Kat. XXIV 1,1. Die Inschrift ist durch die Angabe der 10. imperatorischen <?page no="102"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 94 wahrscheinlich, dass die beiden Brüder direkt aus Germanien nach Griechenland abberufen worden sind. 46 In der Zeit unmittelbar davor könnten sie - vielleicht sogar gerade wegen ihrer angeblichen Involvierung in eine Verschwörung - die treibende Kraft hinter den Weihungen für das Heil Neros gewesen sein, welche verschiedene lokale Bevölkerungsgruppen am Rhein nach der Aufdeckung des Putschversuches vornahmen. Allerdings ist zu beachten, dass es aus Mainz eine weitere Weihung aus dem Jahre 55 gibt, die von einer Militäreinheit (vermutlich) ebenfalls pro salute des Nero getätigt wurde; 47 und die Formel selbst war ja durchaus geläufig und zu allen Zeiten einsetzbar. 48 In der regio VII (Etruria) war es - zumindest nach Ausweis der erhaltenen epigraphischen Zeugnisse - sogar ein einziger Mann, der für praktisch alle direkt mit Nero verbundenen Inschriften in der Region (insgesamt 6) verantwortlich war: L. Titinius Glaucus Lucretianus, ein Angehöriger der lokalen Oberschicht von Luna, der nach einer von Claudius und Nero direkt geförderten städtischen Laufbahn unter Nero eine ritterliche Karriere durchlief, die ihn unter anderem in das Amt des praefectus insularum Baliarum brachte, das er in den Jahren 63-65/ 66 bekleidete. 49 Schon zuvor, im Frühjahr 63, hatte er in seiner Heimatstadt ein statuarisches Monument für Nero, dessen Gemahlin Poppaea sowie die bereits verstorbene Tochter Claudia aufgestellt. 50 Während er auf den Balearen Dienst tat, legte er - offenbar in Reaktion auf die Nachricht von der Niederschlagung der Pisonischen Verschwörung - ein Gelübde für das Heil Neros ab, dem er sich augenscheinlich aufgrund der Förderung, die er durch den Kaiser erfahren hatte, besonders verbunden fühlte. 51 Im Gefolge seines Gelübdes errichtete er zunächst zwei weitere Ehrendenkmäler für Nero in Luna 52 sowie schließlich in der zweiten Hälfte des Jahres 66 ebendort ein großes Monument Akklamation Neros (dazu u. Anm. 94) und seiner 12. tribunicia potestas (vermutlich) in den Sommer des Jahres 66 zu datieren. P. Sulpicius Scribonius Proculus ist darüber hinaus durch ein Militärdiplom für den 17.6.65 als Oberkommandierender in Germania superior bezeugt (s. AE 1978, 658 = RMD II 79). 46 Das hat Eck (1985) 125-128 überzeugend demonstriert und damit die Frühdatierungen der älteren Forschung korrigiert. 47 CIL XIII 6820 = ILS 2491; zur Ergänzung der verlorenen ersten Zeile der Inschrift vgl. Eck (1985) 23 mit Anm. 1: [Pro salute Neronis Claudi] | [Ca]esaris Aug(usti) Ger(manici) im[p(eratoris)] | (...). 48 So auch Eck (1985) 128 Anm. 19; vgl. ferner o. Anm. 8. 49 Zu Lucretianus s. PIR² T 256 sowie zu seiner Laufbahn ausführlich Gregori (2000). 50 CIL XI 6955 = ILS 8902 = Højte (2005) 320 Kat. Nero 12. 51 Erwähnt wird dies in CIL XI 1331 = ILS 233: ex voto suscepto pro salute Imp(eratoris) Neronis quod Baliaribus voverat anno A(ulo) Licinio Nerva co(n)s(ule). 52 S. CIL XI 1332 = Højte (2005) 320 Kat. Nero 11 sowie AE 1992, 577 = Højte (2005) 320f. Kat. Nero 13: Mehrere in einem Manuskript überlieferte Inschriftenfragmente, welche in Lucca gefunden wurden, aber vermutlich aus Luna verschleppt worden sind (dazu Ciampoltrini [1992]); das Denkmal wurde errichtet [ex voto] suscept[o]. <?page no="103"?> Das epigraphische Image des Herrschers 95 für den Kaiser und die Diva Poppaea zur Erfüllung seines Gelübdes. 53 Lucretianus war darüber hinaus auch in Cosa tätig, 54 von wo zwei weitere Inschriften Neros bekannt sind, die somit ebenfalls mit seinem Wirken in Verbindung stehen könnten. 55 Interessant ist schließlich, dass sich vielleicht sogar eine schon länger bestehende Verbindung zwischen Lucretianus und den soeben erwähnten Brüdern Scribonii ausmachen lässt, 56 woraus möglicherweise auf eine Art ‚Netzwerk‘ bei der Erstellung von epigraphischen Monumenten für Nero in dessen letzten Regierungsjahren geschlossen werden kann. Beim Blick auf die regionale Verteilung der Inschriften Domitians (im Sinne der oben vorgeführten Definition) sticht die starke Massierung solcher Tituli in der Provinz Asia ins Auge, denn von hier sind um die 60 Inschriften dieser Art überliefert. Auch innerhalb der Provinz ist noch einmal eine besondere Konzentration der diesbezüglichen epigraphischen Zeugnisse auszumachen, denn etwa die Hälfte von ihnen stammt aus einem einzigen Ort, nämlich der Provinzhauptstadt Ephesos. Eine etwas genauere Analyse der darunter vertretenen Inschriftengattungen und -träger kann einige recht interessante Erkenntnisse liefern. So fällt auf, dass neben einer Gruppe von Meilensteinen (insgesamt 10), 57 Kaiserbriefen und ähnlichen Dokumenten 53 CIL XI 1331 = ILS 233 = Højte (2005) 321 Kat. Nero 14. 54 Das bezeugt eine Reihe von Inschriften sowie von Ziegelstempeln mit seinem Namen aus Cosa: AE 2003, 632-637 (womöglich lässt sich in AE 2003, 635 auch die Funktion eines [p(atronus)] c(oloniae) ergänzen); vgl. dazu die - allerdings teilweise ziemlich hypothetischen - Überlegungen von Collins-Clinton (2000) bes. 127f. und Fentress (2003) 55-62, die beide in Lucretianus den Initiator von verschiedenen Aktivitäten der neronischen Zeit in Cosa erkennen möchten, wohin er vielleicht sogar vom Kaiser selbst geschickt worden war. 55 AE 1994, 616 = AE 2003, 630 (vermutlich Teil einer Bauinschrift, die den Namen Neros - als Caesar - im Nominativ anführte und eventuell auf die Restaurierung der Basilika bzw. auf deren Umbau in ein Odeon nach einem Erdbeben, vielleicht im Jahr 51, verwies) und AE 2003, 631 (eine - stark fragmentierte - Ehrung für Nero Caesar? ). 56 Dies ist die These von Ciampoltrini (1989) u. (1992) 235f.; vgl. ferner Speidel (1994). Ciampoltrini stützt sich dabei insbesondere auf das Inschriftenfragment CIL XI 1340 aus Luna, das einen (senatorischen) Scribonius Proculus im Dativ nennt (und somit wohl als Bestandteil eines statuarischen Monuments zur Ehrung dieses Mannes anzusprechen ist), sowie auf die Tatsache, dass Lucretianus als Militärtribun der 22. Legion in Mainz zu Beginn der 60er-Jahre unter dem Oberbefehl des Scribonius Proculus gedient haben könnte (vgl. aber o. Anm. 46). Skeptisch zu diesem Vorschlag äußert sich hingegen Angeli Bertinelli (1990). 57 Die Meilensteine Domitians aus Asia gehören mehrheitlich (jedoch nicht alle) in die Zeit zwischen 90 und 92. Auf ihnen ist durchgängig die lateinische Sprache vertreten, zumeist mit einem ergänzenden griechischen Text. Der Name des Kaisers ist immer im Nominativ genannt, teilweise mit dem Zusatz vias restituit. In einem Fall (AE 1988, 1028; gefunden bei Mylasa) folgt darauf noch die - bislang singuläre - Angabe [per] Chresimum lib(ertum) pro[cur(atorem marmoribus]; dazu Herrmann (1988) 122-125. Zum Straßenbauprogramm in Asia unter Domitian vgl. ferner Dräger (1993) 204f. <?page no="104"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 96 (5) sowie Weihealtären (2) die Zahl der Statuenbasen, in deren (Ehren-)Inschriften der Name des Kaisers im Akkusativ erscheint (dem gängigen Casus für solche Ehrungen im griechischsprachigen Raum) und die daher mit Sicherheit ein Bildnis des Domitian trugen, relativ gering ist, denn es sind bislang nur fünf Stücke aus unterschiedlichen Städten (darunter keine aus Ephesos! ) bekannt. 58 Die Masse der Inschriften Domitians aus Asia lässt sich hingegen zwei weiteren Kategorien zuordnen. Dabei handelt es sich zunächst um Tituli, die an Gebäuden unterschiedlichster Art angebracht waren (auf Tafeln, Architekturteilen usw.) und in der Regel deren Errichtung bzw. Restaurierung kommemorierten (insgesamt 19). Am Beginn solcher Inschriften wurde häufig der Name Domitians angeführt, und zwar ausnahmslos im Dativ 59 und oft mit einer stark verkürzten Titulatur. Der Kaiser erscheint hier jedoch fast nie allein, sondern in Kombination mit anderen Entitäten wie der oder den Stadtgottheit(en) - diese steht dann immer an erster Stelle - oder der Polis bzw. dem Demos. 60 Dadurch wurde das entsprechende Gebäude dem Kaiser 58 (1) IAph2007, 8.236 = Højte (2005) 359 Kat. Domit. 37 = Smith (2006) 78 H22 (Aphrodisias), oben und unten profilierte Statuenbasis, darauf (in einem Stück gearbeitet) eine Art Rundbasis, auf deren Oberseite sich Dübellöcher für die Statue befinden; gefunden im Theater zusammen mit den Resten einer Statue, welche zunächst als Bildnis des jugendlichen Domitian interpretiert wurde; diese Deutung hat sich aber mittlerweile als unzutreffend erwiesen (zur Statue s. Smith [2006] 104-107 Nr. 2); Stifter: Demos. (2) Unpubliziert (Inv. Nr. 75-143) = Smith (2006) 78 H23 (Aphrodisias); Statuenbasis; gefunden als Spolie in der westlichen Stadtmauer; Stifter: Demos. (3) I.Priene 229 = Højte (2005) Kat. Domit. 59 (Priene); Rundbasis, oben und unten profiliert, auf der Oberseite Standspuren einer Bronzestatue; gefunden (offenbar in einem sekundären Kontext) bei dem kleinen Heiligtum im Hof des oberen Gymnasions; Stifter: Demos. (4) IG XII 1, 994 = IGR IV 1151 = Højte (2005) 359 Kat. Domit. 39 (Brykous auf Karpathos); Statuenbasis; Fundort unbekannt; Stifter: Demos von Brykous und Anwohner für den Demos der Rhodier. (5) I.Rhod.Per. 607 = Højte (2005) 363 Kat. Domit. 55 (Idyma; vgl. u. Anm. 237); Statuenbasis; gefunden im antiken Ruinengebiet; Stifter: koinon der Idymeer. Eventuell kommt noch I.Ilion 92b = IGR IV 211c = Højte (2005) 363 Kat. Domit. 56 aus der Nähe von Ilion hinzu; der Bezug auf Domitian (statt auf Titus) ist hier aber sehr unsicher. Die relativ geringe Zahl von Statuenbasen für Domitian aus der ansonsten inschriftenreichen Provinz Asia könnte mit der damnatio memoriae des Kaisers zusammenhängen, in deren Gefolge vermutlich viele statuarische Monumente für ihn vollständig vernichtet worden sind; vgl. dazu am Beispiel von Lycia et Pamphylia u. S. 157. 59 Bislang ist aus Asia keine einzige Bauinschrift dieser Art bekannt, die den Namen des Domitian im Nominativ anführt und ihn somit als Initiator der Baumaßnahme ausweisen würde. 60 Ein gutes Beispiel hierfür ist IAph2007, 12.314 aus Aphrodisias, ein großer Marmorblock (gefunden in sekundärer Verwendung), an dessen unterem Rand drei Faszien angebracht sind. Letztere legen nahe, dass der Block ursprünglich als Türsturz gedient hat. Die Inschrift ist auf dem Feld über den Faszien sowie auf der ersten Faszie angebracht. Sie enthält zunächst eine Weihung (im Dativ) an die Stadtgöttin Aphrodite, Domitian, die domus Augusta sowie den Demos und berichtet sodann davon, dass ein <?page no="105"?> Das epigraphische Image des Herrschers 97 gewidmet, ohne dass er - falls es sich um Tempel handelte - notwendigerweise in den jeweiligen Kult eingebunden wurde. Die meisten mit solchen Inschriften versehenen Bauten dienten aber ohnehin keinen kultischen Zwecken. Ebenso wenig muss man annehmen, dass der Kaiser aufgrund der Nennung seines Namens in der Inschrift tatsächlich in den Bauprozess involviert gewesen wäre. Wir haben in solchen Gebäudewidmungen vielmehr augenscheinlich eine (weitere) Form der Ehrung des fernen Herrschers zu sehen. 61 Einige besonders prägnante Beispiele für solche Tituli der domitianischen Zeit aus Asia seien hier kurz vorgestellt: Eine auffällige Gruppe bilden großformatige Inschriften, die in verschiedenen Orten ungefähr zur selben Zeit, nämlich im Jahr 84/ 85, an Stadttoren bzw. Bogenmonumenten angebracht wurden. 62 Beispiele hierfür kennen wir aus Hierapolis, 63 Laodikeia am Lykos 64 und Akmoneia. 65 In den ersten beiden Fällen handelt es Mann namens Adrastos verschiedene Anlagen, die mit der Wasserversorgung der Stadt in Verbindung standen, aus eigenen Mitteln errichtet und diese Inschrift angefertigt hatte „für die vorher erwähnten [Götter] und den Demos“. 61 Vgl. hierzu Price (1984a) 146-156, der von einer „honorific addition“ spricht; sowie insbesondere die Klarstellung von Burrell (2006) 440-444, die zu folgendem Schluss kommt (ebd. 442): „We can be fairly sure that such dedications were simply a form of honor“. 62 Vgl. hierzu auch Dräger (1993) 205. 63 CIL III 368 = 7059 = IGR IV 811 = AE 1969/ 70, 593; dazu Monaco (1963/ 64). Die Inschrift war in einer zweifachen Fassung auf den beiden Seiten des Prunktores am nördlichen Ende einer großen, von Kolonnaden gesäumten Plateia angebracht. Der lateinische und griechische Text ist jeweils einzeilig, wobei ersterer in Z. 1 mit deutlich größeren Buchstaben ausgeführt ist. Der Name des Kaisers Domitian war zusammen mit einer vollständigen Titulatur im lateinischen Text im Ablativ, im griechischen im Dativ, also im Wesentlichen zu Datierungszwecken, angegeben. Die Titulatur führt auf eine zeitliche Einordnung in das Jahr 84/ 85; sie ist allerdings nicht ganz korrekt wiedergegeben, denn die Angabe trib. pot. IIII (84/ 85) passt nicht zu cos. XII (ab 86) - fehlerhaft ist wahrscheinlich letztere. Als eigentlicher Bauherr (portam et turres faciendas curavit) tritt der Prokonsul Sex. Iulius Frontinus auf. 64 CIL III 14192,10 = IGR IV 847 = MAMA VI 2 = AE 1996, 1477 = I.Laodikeia am Lykos 24a-b; dazu Corsten u. Drew-Bear (1996) 31-40: Fragmente von Architekturblöcken, auf beiden Seiten des sog. Syrischen Tores angebracht. Auf der einer Seite eine zweizeilige griechische Inschrift auf dem Architrav, auf der anderen Seite eine dreizeilige lateinisch-griechische Bilingue; die lateinische Inschrift - welche in etwas größeren Buchstaben eingemeißelt ist - befindet sich in den Metopen, die griechische auf dem Architrav darunter. In dem lateinischen Text ist zunächst der Name Domitians im Dativ oder Ablativ genannt; sodann wird ausgeführt, dass der Prokonsul Sex. Iulius Frontinus die Dedikation vornahm (daraus ergibt sich die Datierung in das Jahr 84/ 85; vgl. die vorige Anm.). Der griechische Text ist ausführlicher; er nennt vor dem Kaiser (der hier mit einer vollständigeren Titulatur versehen ist) Zeus Megistos Soter als Empfänger der Widmung (beide im Dativ) und zudem den Initiator der Baumaßnahme, den kaiserlichen Freigelassenen Tib. Claudius Tryphon, der „die Türme und das Tripylon errichtete“, während Frontinus als Statthalter „das gesamte Bauwerk einweihte“. <?page no="106"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 98 sich dabei um griechisch-lateinische Bilinguen, welche sorgfältig gestaltet sind und den Namen des Kaisers im Ablativ (im lateinischen Text) bzw. im Dativ (im griechischen Text) anführen. Daraus ergibt sich, dass der Herrscher sowohl zu Datierungszwecken als auch als Empfänger der Widmung des Gebäudes genannt wurde. Zweimal ist daneben der Statthalter von Asia, Sex. Iulius Frontinus, in einer prominenten Position genannt, was vermuten lässt, dass er eine wichtige Rolle bei der Konzeption dieser Baumaßnahmen und Inschriftensetzungen gespielt hat. Eine weitere auffällige Inschrift der domitianischen Zeit befand sich auf dem Architrav an der Ostfront des Zeustempels von Aizanoi. Sie war in vergoldeten Bronzebuchstaben ausgeführt, 66 von denen sich nur die Dübellöcher erhalten haben. Auch hier stand an erster Stelle der Name der Gottheit (in diesem Falle des Zeus von Aizanoi), auf den die Ansprache des Kaisers im Dativ mit Filiation und voller Titulatur folgte. Schließlich wurde die Polis von Aizanoi als Initiator des Tempelbaues genannt. 67 Eine letzte im domitianischen Inschriftenbestand von Asia stark vertretene Denkmälergruppe sind Statuenbasen, deren Inschriften eine Weihung an den Kaiser im Dativ enthalten (insgesamt 17). Hierbei ist häufig nicht sicher, ob diese Basen ein Standbild des Domitian trugen. In einigen Fällen ist dies sogar sehr unwahrscheinlich; 68 bei diesen muss vielmehr angenom- 65 MAMA VI 251: Drei Fragmente, gefunden in sekundären Kontexten; offenbar ursprünglich angebracht an einem monumentalen Tordurchgang, wahrscheinlich am Marktplatz. Die griechische Inschrift enthält eine Widmung im Dativ an den Divus Vespasianus(? ) und Domitian; Stifterin war eine Clodia Rufilla aufgrund eines Versprechens ihres Vaters. Sie hat das „Propylon bei der Agora(? )“ errichtet und eingeweiht. Die Inschrift ist nicht genauer datierbar; sie dürfte aber wohl etwa zur selben Zeit wie die beiden zuvor genannten Tituli entstanden sein. 66 Zu diesen litterae aureae vgl. o. Anm. 31. 67 SEG 58, 1492; dazu ausführlich Posamentir u. Wörrle (2006). Die Inschrift dürfte im Jahr 92 entstanden sein (ebd. 237f.). Ebd. 242 wird angenommen, die gemeinsame Weihung an den Zeus von Aizanoi und Domitian könne hier doch als Hinweis auf eine Kultgemeinschaft von Gott und Herrscher (und eben nicht als bloße „honorific addition“; dazu o. Anm. 61) aufgefasst werden, weil dies angesichts der anderweitig gut bezeugten Nähe des Domitian zu Iuppiter/ Zeus nahe läge. Das lässt sich jedoch nicht wirklich beweisen. 68 Ein typisches Beispiel für diese Kategorie ist Milet VI 1,189 = Højte (2005) 363f. Kat. Domit. 58, eine wiederverwendete Rundbasis aus Milet. Diese war dem Domitian und dem Demos von Milet geweiht. Zwei C. Iulii Antiochoi haben auf der Basis etwas aufgestellt - was genau wird aber in der Inschrift nicht gesagt. Es dürfte sich kaum um eine Statue des Domitian gehandelt haben, obwohl dies in Milet VI 1, p. 11 u. 197 behauptet wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang I.Eph 518, eine ursprünglich auf drei Seiten beschriebene Statuenbasis aus Ephesos, gefunden im Bereich des Hafengymnasiums. Die Vorderseite der Basis enthält eine Weihung an Domitian und den Demos von Ephesos; auf der linken Nebenseite berichtet eine weitere Inschrift davon, dass Tib. Claudius Nysios - / # L L mit all seinem Schmuck errichtet habe. Vgl. dazu auch Friesen (1993) 34 Anm. 14; ferner Burrell (2006) 444 mit <?page no="107"?> Das epigraphische Image des Herrschers 99 men werden, dass die Statue einer anderen Person/ Gottheit dem Kaiser gewidmet wurde, um auch ihn zu ehren, so wie wir es bereits in Bezug auf Gebäude gesehen haben. Die Hauptmenge dieser Kategorie bildet eine Serie von 13 Basen mit Nennung des Domitian im Dativ aus Ephesos. Diese Basen 69 weisen weitgehend identische Texte in einem kurzen und einem langen Formular auf und können in den Zeitraum zwischen Sommer 88 und Sommer 91 datiert werden. 70 Obwohl die Basen allesamt in sekundären Kontexten gefunden wurden, 71 geht aus dem Text der Inschriften doch klar hervor, dass sie ursprünglich im Umkreis des provinzialen Kaiserkulttempels auf einer großen Terrassenanlage an der oberen Agora aufgestellt waren. 72 Die Basen wurden von verschiedenen Gemeinden der Provinz Asia errichtet. Die Städte hatten durch eine Gesandtschaft wohl in irgendeiner Form an den Ritualen des provinzialen Kaiserkults teilgenommen, etwa an den Einweihungsfeierlichkeiten des neuen Tempels. 73 Auch in diesem Fall bleibt unsicher, wessen Standbild die Basen trugen. Es ist nicht auszuschließen, dass auf ihnen Statuen Domitians aufgestellt waren, aber der Dativ bei der Kaisernennung (statt des Akkusativs) ist dafür eben kein sicheres Indiz. 74 So muss diese Frage letztlich offen bleiben. Klar ist hingegen, was der eigentliche Auslöser für diese massierten Inschriftensetzungen mit Nennung des Kaisers in Ephesos war, nämlich die Verleihung der ersten Neokorie an die Stadt durch Domitian recht bald nach dem Beispiel einer Statuenbasis severischer Zeit aus Sardis, auf der trotz einer Weihung an die regierenden Kaiser eindeutig die Statuen zweier mythologischer Figuren errichtet wurden. 69 Diese Steine sind gelegentlich als ‚Altäre‘ angesprochen worden, so von Dräger (1993) 124. Das kann aber nicht richtig sein, denn bei den erhaltenen Stücken handelt es sich um hochrechteckige Blöcke mit quadratischem Querschnitt (s. Friesen [1993] 29). Zumindest einer dieser Blöcke weist zudem ein separat gearbeitetes Sockelgesims sowie eine Deckplatte auf (I.Eph 234; s. Friesen [1993] 30 plate IV). Dies ist ein klares Indiz dafür, dass wir es tatsächlich mit Statuenbasen zu tun haben. 70 Die bequemste Übersicht über diese Stücke bietet Friesen (1993) 46f.; vgl. auch Højte (2005) 360-363 Kat. Domit. 41-53 sowie Mayer (2006). Der Name Domitians wurde nach seinem Tod in allen Inschriften der Serie eradiert und fast immer mit dem Namen Vespasians (als theos) überschrieben; dazu u. Anm. 361. 71 Übersichten zu den Fundorten der Basen: Friesen (1993) 29-32; Mayer (2006) 117f. 72 Vgl. etwa Burrell (2004) 61: „[the bases] (...) probably stood around this temple“. Zu der Tempelanlage s. Scherrer (2000) 92 Nr. 30. 73 So die These von Dräger (1993) 143-149; gefolgt von Posamentir u. Wörrle (2006) 241. Es ist wahrscheinlich, dass der provinziale Tempel der Sebastoi (zumeist als ‚Domitianstempel‘ bezeichnet) erst im Jahr 90 endgültig fertig gestellt wurde; in diesem Jahr wurde auch erstmals ein neokoros für den Tempel ernannt (vgl. Friesen [1993] 45-49). Die Ausübung des provinzialen Kaiserkults in Ephesos muss jedoch schon zuvor eingesetzt haben, und auch die Aufstellung von Statuen mit Weihungen an Domitian durch verschiedene Städte der Provinz begann bereits im Jahr 88, als der Bau des Heiligtumsbezirks offenbar schon recht weit gediehen war. 74 So auch Friesen (1993) 34. <?page no="108"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 100 seinem Herrschaftsantritt. 75 Diese hatte zum einen den Bau des bereits erwähnten Tempels für den provinzialen Kaiserkult durch das koinon von Asia zur Folge. Vor dem Tempel befand sich ein Altar, der auf drei Seiten mit Reliefs verziert war: An den Schmalseiten sind eine Opferdarstellung bzw. Langschilde und -schwerter zu sehen, auf der Vorderseite erbeutete Waffen(haufen), Tropaia und dazwischen ein sitzender und gefesselter Barbar. 76 An der Nordseite - also mit Blick auf den sog. Domitiansplatz - war der Terrassenmauer des Tempelbezirks eine mehrstöckige Fassadenarchitektur vorgeblendet, und diese wies im zweiten Stock Figuren von Orientalen im Hochrelief auf. 77 Da kein direkter Zusammenhang zwischen den militärischen Aktionen der domitianischen Zeit und den östlichen Feinden des Reichs (insbesondere den Parthern) zu erkennen ist, darf man annehmen, dass der Bildschmuck des Komplexes als allgemeine Chiffre der unter Domitian so stark propagierten Sieghaftigkeit des römischen Kaisers über die Welt der Barbaren zu verstehen ist. 78 Zum anderen löste die Neokorieverleihung an Ephesos auch auf der städtischen Ebene einen wahren Bauboom aus. 79 An den in diesem Kontext neu errichteten bzw. restaurierten Gebäuden wurden viele der oben vorgestellten Bauinschriften mit einer Widmung 75 Die genaue Datierung der ersten Neokorieverleihung an Ephesos ist umstritten. Einige Forscher (so Burrell [2004] 59-66) postulieren, diese sei bereits unter Nero erfolgt, nach dessen Tod aber wieder zurückgenommen worden. Diese These kann sich aber nur auf wenige und in ihrer Interpretation zudem umstrittene numismatische Zeugnisse stützen. Die Mehrheit der Forscher nimmt daher an, dass dieser Vorgang erst unter Domitian stattfand; vgl. Dräger (1993) 122-142; Friesen (1993) 41-49. Terminus ante quem ist wohl die Bauinschrift des Bühnengebäudes des Theaters (I.Eph 2034), falls diese tatsächlich eine Weihung an Domitian aufwies, was in das Jahr 85/ 86 führen würde. Eine genauere Datierung möchte Dräger (1993) 130-136 aus der Beobachtung ableiten, dass die Ausstattung des Tempelbezirks eindeutig auf die Sieghaftigkeit des Kaisers Bezug nahm. Als konkreten Anlass für die Neokorieverleihung betrachtet er daher den Chattenfeldzug des Domitian im Jahre 83 (s. u. Anm. 123) und verweist auf weitere Monumente, in denen der Erfolg des Domitian in der weit entfernten Provinz Asia gefeiert wurde (vgl. u. Anm. 129). Die Siegesnachricht aus Germanien habe das asiatische koinon veranlasst, einen neuen Provinzialtempel zu beantragen; die Genehmigung hierfür sei spätestens im Sommer 84 erfolgt. Vgl. aber die Kritik von Burrell (2004) 62f. an dieser phantasievollen Rekonstruktion. 76 S. Strocka (2010) 28 mit Abb. 55. 77 Vgl. Landskron (2005); ferner Strocka (2010) 47f. mit Anm. 251. Die in der früheren Forschung erwogene Datierung von Teilen der Architektur des Heiligtums (darunter der ‚Orientalen-Fassade‘) in das mittlere 2. Jh. ist mittlerweile revidiert worden; die gesamte Anlage inklusive Ausstattung kann durchaus in spätflavischer Zeit entstanden sein. 78 So auch Landskron (2005) 195: „[man] kann in den Figuren eine Generalisierung des Sieges der Römer bzw. des Kaisertums über Barbaren sehen“; ebenso Scherrer (2008) 41. 79 Vgl. hierzu Halfmann (2001) 36-44; Scherrer (2008) bes. 40-46. <?page no="109"?> Das epigraphische Image des Herrschers 101 an den Kaiser angebracht. 80 Die hohe Zahl domitianischer Kaiserinschriften in der Provinz Asia und insbesondere in Ephesos ist also zu einem erheblichen Maße durch eben diesen Vorgang zu erklären, der in die gesamte Region ausstrahlte. Insgesamt betrachtet ist die Zahl der erhaltenen Inschriften für Nero und Domitian im Imperium Romanum, wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts ausgeführt, jedoch nicht allzu groß - gerade auch im Vergleich zur derjenigen der vorangehenden und nachfolgenden Kaiser. 81 Das gilt ganz besonders mit Blick auf die Metropole Rom, von wo sich jeweils nur sehr wenige Inschriften der beiden Kaiser erhalten haben, 82 obwohl es nach Ausweis der literarischen Quellen zahlreiche Monumente zu Ehren dieser Herrscher gegeben haben muss, die mit entsprechenden Inschriften versehen waren. Zur Erklärung dieses Befundes ist auf die Folgen der damnatio memoriae zu verweisen, die beide Kaiser nach ihrem Tod traf. Obwohl die Gedächtnistilgung an den epigraphischen Monumenten Neros und Domitians, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. u. Abschnitt 5), keineswegs einheitlich oder systematisch durchgeführt wurde, 83 scheint sie doch dazu geführt zu haben, dass 80 So etwa I.Eph 413a-b, 415/ 16, 2034/ 35, 3008. 81 Vgl. hierzu die zu einem erheblichen Teil aus Kaiserinschriften gebildete Kurve bei Mrozek (1973). 82 Aus Rom sind gerade einmal fünf Tituli aus der Regierungszeit Neros bekannt, die nach der o. in Abschnitt 1 vorgestellten Definition als Kaiserinschriften im engeren Sinne zu verstehen sind (vgl. Eck [2002] 288). Nur eine von diesen gehörte zu einem bedeutenderen Ehrenmonument, nämlich einem großen, mehrfach veränderten Statuenpostament, zu dem in der letzten Umgestaltungsphase des Jahres 55/ 56 ein Standbild Neros hinzugefügt wurde (CIL VI 40307). Das Monument stand in einem kleinen Gebäude bei der Meta Sudans, das bei dem großen Brand von 64 zerstört und verschüttet wurde; es war daher beim Tode Neros nicht mehr zugänglich und entging dadurch der Vernichtung. Bei CIL VI 40418 = 31289 und CIL VI 36912 handelt es sich um Tafeln unbestimmter Funktion, in deren Inschriften der - nicht eradierte - Name des Nero jeweils im Nominativ angeführt ist. Schließlich gibt es noch zwei Inschriften, die aus einem ‚privateren‘ Kontext stammen müssen: CIL VI 926, eine kleine Marmortafel, deren Inschrift davon berichtet, das etwas in ho[norem Neron]is geweiht wurde; sowie CIL VI 927 = ILS 236, eine kleine Statuenbasis aus Marmor, die dem Nero und dem Silvanus geweiht war. Stifter des Monuments (einer aedicula cum imagine) war ein kaiserlicher Sklave, und auch der Fundort des Steines bei Torre de’ Schiavi könnte darauf hindeuten, dass er im Bereich eines kaiserlichen Landguts zur Aufstellung kam. Für Domitian kennen wir aus Rom ebenfalls nur sehr wenige Inschriften, nämlich maximal fünf: CIL VI 947 u. 40458 (beides Ehreninschriften), 40456 (wohl eine Bauinschrift mit Nennung Domitians im Nominativ), 449 = ILS 3617 sowie eventuell 40457 (letzteres ist jedoch sehr unsicher). Bei keiner dieser Inschriften wurde - soweit erkennbar - der Name des Kaisers eradiert, was darauf hindeuten könnte, dass sie nach dem Tod Domitians komplett entfernt wurden und nur durch Zufall ‚überlebt‘ haben; vgl. dazu u. Anm. 84. 83 Das gilt auch für Rom; vgl. dazu am Beispiel der Inschriften des Nero Flower (2006) 213-217. So sind etwa zwei Monumente der claudischen Zeit, die auch Inschriften für <?page no="110"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 102 zahlreiche epigraphische Monumente der beiden Kaiser - und gerade solche, die im öffentlichen Raum aufgestellt waren - vollständig vernichtet wurden, 84 was wiederum Auswirkungen auf die uns vorliegende Inschriftenverteilung hat. Zudem dürfen wir vielleicht annehmen, dass gerade solche Tituli bevorzugt in Gänze zerstört wurden, die besonders anstößige Bezeichnungen der Kaiser aufwiesen, 85 was wiederum heißen würde, dass uns die erhaltenen Inschriften in dieser Hinsicht ein verzerrtes Bild vermitteln. 3. Die offiziellen Titulaturen Neros und Domitians im Spiegel der Inschriften In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Besonderheiten bzw. Innovationen in der offiziellen Titulatur des Nero und des Domitian auszumachen sind. Gleichzeitig gilt es zu analysieren, wie sich diese in die längerfristige Entwicklung der Kaisertitulatur im 1. und frühen 2. Jh. einordnen lassen. 3.1. Die offizielle Titulatur Neros Neros offizielle Titulatur kann an zwei epigraphischen Dokumenten exemplifiziert werden, deren Formulierung von der kaiserlichen Kanzlei bzw. unter Mitwirkung eines Provinzstatthalters entworfen wurde und die somit die unter Nero übliche Anrede des Herrschers so exakt wie möglich wiedergeben sollten: CIL XVI 4 (Militärdiplom; gef. in Vindobona/ Pannonia superior; Dat.: 61) Nero Claudius divi Claudi f(ilius) Germanici | Caesaris n(epos) Ti(beri) Caesar(is) August(i) pron(epos) divi Aug(usti) | abn(epos) Caesar Aug(ustus) German(icus) pont(ifex) max(imus) trib(unicia) pot(estate)| VII imp(erator) VII co(n)s(ul) IIII (...). AE 1900, 18 (Tafel mit einer Bauinschrift; gef. in Augusta/ Thracia; Dat.: 61/ 62) [Nero Claudius] | divi Claudi f(ilius) | Germ(anici) Caesaris n(epos) | Ti(beri) Caesaris Aug(usti)| pronep(os) divi Aug(usti) abn(epos) | 5 Caesar Aug(ustus) Germ(anicus) | pontif(ex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) | VIII imp(erator) VIII co(n)s(ul) IIII | Nero als Caesar enthielten, nicht angegriffen worden: CIL VI 921/ 22 (= ILS 222) u. 40424. Vgl. ferner u. Anm. 85. 84 Vgl. dazu die Überlegungen von Eck (2002). Bei diesen Inschriften wurde also nicht nur der Name des Kaisers ausgemeißelt, sondern es erfolgte eine vollständige Vernichtung des gesamten Denkmals; vgl. ebd. 291. 85 Hingegen wurde der Name des Kaisers in den Fällen, bei denen er in anderen Zusammenhängen eher ‚nebenbei‘ Erwähnung fand, so in den Arvalakten oder auf Grabinschriften von Angehörigen der kaiserlichen Leibgarde, in der Regel nicht angegriffen; dazu Eck (2002) 292. <?page no="111"?> Das epigraphische Image des Herrschers 103 p(ater) p(atriae) | tabernas et praetoria | 10 per vias militares | fieri iussit per | Ti(berium) (I)ulium (I)ustum pro(curatorem) | provinciae Thrac(iae). Insgesamt hebt sich diese Titulatur nur wenig von derjenigen der Vorgänger Neros ab. Lediglich drei Elemente verdienen einen Kommentar. Zum ersten ist die ausführliche Filiation auffällig, die auf den Individualnamen des Kaisers folgt. Genannt werden alle Vorfahren Neros (durch Adoption bzw. über die mütterliche Linie) bis hin zu Augustus. Wichtig war hierbei offenbar sowohl die dynastische Legitimation des Kaisers als auch die Rückführung auf den Begründer des Principats, welche gerade in den Anfangsjahren der Regierungszeit des Nero (aber durchaus auch später) prononciert herausgestellt wurde. 86 Diese Form der ausführlichen Filiation wurde später unter den Adoptivkaisern des 2. Jhs. erneut aufgegriffen. Zum zweiten muss auf den Umgang mit dem praenomen Imperatoris durch bzw. unter Nero eingegangen werden. Nero führte - hierin eine Praxis des Tiberius, Caligula und Claudius fortsetzend - das von Augustus eingeführte praenomen Imperatoris 87 bzw. die vorangestellte Bezeichnung Imperator lange Zeit nicht in seiner offiziellen Titulatur. Dennoch wurde ihm diese bisweilen - wie schon bei den früheren Kaisern 88 - von den Untertanen beigegeben, die hierbei ihre Freiheiten bei der Gestaltung der kaiserlichen Anrede nutzten. 89 Zudem wies Nero - auch dies war mittlerweile ein einge- 86 Zu den zahlreichen Verweisen auf Augustus in der Regierungszeit des Nero vgl. Champlin (2003) 139-144. 87 Zur Etablierung eines normierten, sich zur Titulatur verfestigenden Herrschernamens - unter Einschluss des praenomen Imperatoris - durch Augustus vgl. Syme (1958) und Deininger (1972). 88 Gut bezeugt ist dies im Falle des zweiten Princeps: Tiberius hat es bekanntlich abgelehnt, das praenomen Imperatoris und den Ehrentitel pater patriae in seiner Titulatur zu führen (Suet. Tib. 26,2; s. ferner Tac. ann. 1,72,1; 2,87; Cass. Dio 57,8,1). Dennoch kennen wir einige Inschriften, die für Tiberius das praenomen Imperatoris, das man von der Titulatur des ersten Kaisers Augustus her gewohnt war, aufführen; so beispielsweise CIL VIII 10023 = 21915 = ILS 151; CIL II 4905 = ILS 152; IRT 335; ILAfr 558; weitere Nachweise bei Seager (1972) 142 Anm. 2. Vgl. hierzu auch Carroll (1982) 33-38 mit etwas anderer Wertung. 89 Aus dem Westen des Reiches lassen sich für diese Praxis nur zwei recht unsichere Belege aus Ehreninschriften für Nero anführen: Eine stark fragmentierte, auf Nero ergänzte Inschrift (CIL XI 702) aus Bologna (regio VIII; Dat.: nach dieser Ergänzung 60/ 61) sowie ein verschollener Titulus (CIL IX 4115 = Højte [2005] 320 Kat. Nero 9; Dat.: 58) aus Aequiculi (regio IV) mit einem merkwürdigen Formular, das einige Zweifel erweckt (so auch Kajava [2002] 103f. Anm. 75). AE 1948, 142 (Ptolemais/ Iudaea), eine Ehrung für Imp. Ner. Caes., ist wohl eher Nerva als Nero zuzuweisen. Etwas häufiger war die Verwendung des Titels . " am Anfang der Titulatur Neros schon vor dem Jahr 66 in den griechischsprachigen Inschriften aus dem Ostteil des Reiches, so im Rahmen einer Datierungsangabe auf einem Altar aus Doliche/ Syria (AE 1983, 933 = CCID 2), welcher im vierten Jahr der Herrschaft Neros (57/ 58) aufgestellt wurde; oder in einem ähnlichen Formular auf einem Altar (SEG 37, 1316 = I.Cilicie 85) aus Mopsuestia/ Cilicia (Dat.: 64/ 65). In Athen (Achaia) wurde Nero auf der Widmungsin- <?page no="112"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 104 spieltes Ritual - die Bezeichnung als pater patriae zunächst zurück, um sie erst Ende 55 oder Anfang 56, d. h. über ein Jahr nach seinem dies imperii, anzunehmen. 90 Auch nach diesem Zeitpunkt wurde aber der pater patriae- Titel selbst in offiziellen Schriftstücken nicht immer aufgeführt. 91 Erst im Frühsommer des Jahres 66 hat Nero, als er den armenischen König Tiridates in einer aufwändig inszenierten Zeremonie in Rom gekrönt 92 und aufgrund der als erfolgreich propagierten Friedensverhandlungen mit den Parthern den Ianustempel geschlossen hatte, 93 das praenomen Imperatoris in seine offizielle Titulatur aufgenommen, um dadurch den angeblich siegreichen Abschluss der militärischen und diplomatischen Operationen im Osten zu feiern und sich gleichzeitig erneut in die Tradition des Augustus zu stellen. 94 Die durch die Wiederaufnahme des praenomen Imperatoris in die schrift, die im Jahr 61/ 62 an der Ostseite des Parthenon angebracht wurde, am Beginn der Titulatur sogar als . " bezeichnet (IG II/ III² 3277 mit dem Kommentar von Carroll [1982] 33-41; dazu o. Anm. 29 und u. Anm. 200). Schließlich wurde Nero in Ägypten in Inschriften verschiedener Art nicht selten schon vor 66 als Imperator bzw. . " angesprochen, auch wenn diese Bezeichnung dem Individualnamen zumeist nachgestellt wurde; so in CIL III 30 = ILS 8759a (anno XI Neronis Imp(eratoris) n(ostri)) oder in SEG 48, 2038 ( ! "# ! $ % diese Vorgehensweise findet sich ferner bei den lateinischen Inschriften Neros im armenischen Ziata aus dem Jahr 64/ 65: s. o. Anm. 5). Eine solche Anordnung wurde aber nicht immer vorgenommen, wie etwa ein Text aus dem Jahr 58/ 59 zeigt (I.Deir El-Bahari 175): &' ( ) " * ! $ + , - . ! - . . Als / wird Nero im Übrigen auch in einigen weiteren Inschriften bezeichnet, s. u. Anm. 199. 90 S. hierzu Suet. Nero 8 (zu Neros erstem Auftritt vor dem Senat): ex immensis, quibus cumulabatur, honoribus tantum patris patriae nomine recusato propter aetatem („Man hatte ihn mit Ehren ohne Maß überschüttet; nur den Titel ‚Vater des Vaterlandes‘ hatte er mit Blick auf sein Alter abgelehnt“; Übers. Martinet). Zu dem Zeitpunkt der Annahme des pater patriae-Titels durch Nero vgl. Kienast (2011) 96. Auch das Amt des pontifex maximus übernahm Nero erst mit einiger Verspätung wohl im März des Jahres 55. 91 S. etwa das o. auf S. 102 angeführte Militärdiplom CIL XVI 4. 92 Der großartige Empfang des Tiridates in Rom und dessen sorgfältig inszenierte Krönung fanden wohl gegen Ende Mai 66 statt; vgl. dazu Heil (1997) 131-134; Champlin (2003) 75, 119, 126f., 221-229. 93 Zur Schließung des Ianustempels, die ebenfalls Teil der Augustus-imitatio des Nero war und die in einer Reihe von Münztypen gefeiert wurde, vgl. Champlin (2003) 140, 224. Die angesprochenen Verweise auf die Tempelschließung in der Münzprägung setzten schon mit dem Spätjahr 64 ein (s. RIC I² 50, 263 [Nero]; ebd. p. 140), aber das könnte eine Vorwegnahme eines Ereignisses gewesen sein, das zumindest Suet. Nero 13,2 (vgl. die folgende Anm.) erst mit dem großen Triumphalakt des Jahres 66 verbindet; vgl. in diesem Sinne Townend (1980) und Champlin (2003) 329 Anm. 21. 94 Vgl. hierzu Kneissl (1969) 37f.; König (1971) 42; Townend (1980) 234-236; Griffin (1984) 233 mit Anm. 72; Heil (1997) 133f.; Champlin (2003) 224. Dieser Vorgang ist in keiner Quelle explizit belegt, denn Suet. Nero 13,2 (dazu Kierdorf [1992] 178) berichtet in Bezug auf die Krönung des Tiridates (vgl. Anm. 92) lediglich folgendes: Ob quae imperator consalutatus, laurea in Capitolium lata, Ianum geminum clausit, tamquam nullo residuo bello („Deswegen begrüßte man ihn als Imperator; seinen Lorbeerkranz ließ er in den Tem- <?page no="113"?> Das epigraphische Image des Herrschers 105 Kaisertitulatur durch Nero begründete Norm wurde unter den folgenden Kaisern fast ohne Ausnahme fortgeführt, wodurch Imperator als Titel zu einem festen Bestandteil der Kaisertitulatur wurde. 95 Im Gefolge dieser Maßnahme findet sich die vorangestellte Bezeichnung des Kaisers als Imperator in einigen Inschriften aus den letzten Regierungsjahren Neros, so beispielsweise in der folgenden: CIL X 8014 (Meilenstein; gef. bei Sassari/ Sardinia; Dat.: Ende 67-Mitte 68) A Turre XVI | Imp(erator) [Ne]ro [Claudius] divi | [C]laudi f(ilius) [Ger]manici | [Caes]aris n(epos) [Ti(beri)] Caesaris | [pron(epos) di]v[i Aug(usti)] abn(epos) | 5 [Caes]ar A[ug(ustus) G]ermanic(us) | [pont(ifex) max(imus) trib(unicia) p]otes[t(ate)] XIIII | [imp(erator)] XII[-? ] [---]. Die Aufnahme des praenomen Imperatoris in die offizielle Titulatur Neros unterstrich die in der Außendarstellung seit Regierungsbeginn betonte militäpel auf dem Kapitol bringen, beide Pforten des Ianustempels schloss er, als wäre kein Krieg mehr im Gange“; Übers. Martinet). Der erste Teil der Aussage Suetons bezieht sich vermutlich auf die Annahme der 10. imperatorischen Akklamation durch Nero (so Heil [1997] 133; anders Griffin [1984] 232f., die dieses Ereignis mit der 11. imperatorischen Akklamation Neros verbindet). Entscheidend ist daher das Zeugnis der Inschriften und vor allem der Münzen (zu letzteren s. RIC I² p. 133): Auf keinem der Aurei und Denare des Nero, die in der Legende auf die tribunizische Amtsgewalt von TR P bis TR P X (63/ 64) verweisen, taucht das praenomen Imperatoris in der Titulatur auf, und dasselbe gilt für die Sesterzen mit TR P XI (64/ 65; s. RIC I² 263 u. 272 [Nero]). Der terminus post quem für die Aufnahme des praenomen Imperatoris in die offizielle Titulatur Neros ist somit nach Aussage der Münzen der Herbst 65. Mit Sicherheit verwendete Nero dieses Titulaturelement spätestens ab Herbst 66, denn es gibt einige Münztypen mit dem praenomen Imperatoris und TR P XIII bzw. XIV; der Großteil der entsprechenden Typen ist allerdings undatiert (vgl. RIC I² p. 155f.). In Hinblick auf die Inschriften ist zu beachten, dass bei diesen die Angabe des praenomen Imperatoris gelegentlich bereits vor dessen offizieller Einführung von dem jeweils für die Erstellung des Titulus Verantwortlichen in gleichsam ‚inoffizieller‘ Manier vorgenommen werden konnte (vgl. o. Anm. 89). Eine Kölner Bauinschrift aus dem Sommer(? ) 66 mit trib. pot. XII (s. o. Anm. 45) könnte der früheste epigraphische Beleg für die nunmehr ‚offizielle‘ Verwendung des praenomen Imperatoris in der Titulatur Neros sein, während eine Inschrift aus Luna, die in der zweiten Hälfte des Jahres 66 entstanden ist (mit trib. pot. XIII), den Imperator-Titel ebenfalls anführt (s. o. Anm. 53). Insgesamt ist die Zahl der Inschriften, die sich sicher in die letzten Regierungsjahre Neros datieren lassen, allerdings ziemlich klein; somit kann sich die Behauptung in RIC I² p. 133 („all inscriptions dated TR P XII and later show the praenomen Imperatoris, but none until then“) nur auf ein recht dünnes epigraphisches Material stützen. Aussagekräftiger sind daher die inschriftlich aufgezeichneten Akten der Priesterschaft der fratres Arvales, die einen recht offiziellen Charakter hatten, denn hier taucht der vorangestellte Titel Imperator für Nero erstmals in einem Eintrag aus dem Frühjahr des Jahres 66 auf, der sich zudem gut mit dem zitierten Zeugnis des Sueton verbinden lässt, denn geopfert werden sollte auf dem Kapitol ob laurum des Herrschers; s. CFA 30 col. I cd Z. 8-12. 95 Der Imperator-Titel wurde, wenn auch an unterschiedlicher Position innerhalb der Titulatur, von Galba, Otho, Vitellius und dann von Vespasian geführt: Kienast (2011) 102-110. <?page no="114"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 106 rische Komponente seiner Herrschaft, welche in seinen letzten Jahren noch einmal verstärkt wurde. 96 Obwohl sich Nero selbst für die wichtige kaiserliche Rolle des Oberbefehlshabers nur mäßig interessiert zu haben scheint und niemals selbst in den Krieg zog, wurden gerade die Auseinandersetzungen um Armenien, die Nero bereits von Claudius ‚ererbt‘ hatte, dazu genutzt, um ihn als fähigen und siegreichen Feldherren zu präsentieren. 97 Nachdem Nero die ihm in diesem Kontext angebotenen Auszeichnungen zunächst zurückgewiesen hatte, 98 gestaltete sich dies nach Eintreffen der Siegesnachrichten vom armenischen Kriegsschauplatz im Jahre 58 anders. Auch dieses Mal beschloss der Senat umfangreiche Ehrungen für den Kaiser, die er nunmehr fast alle angenommen zu haben scheint. 99 Am wichtigsten unter diesen war ein Triumphbogen für den Sieg in Armenien, der als Parthersieg deklariert wurde. Mit dem Bau dieses Bogens wurde offenbar erst im Jahre 62 ernsthaft begonnen, als Meldungen über die Anfangserfolge der Großoffensive des Caesennius Paetus während des Herbstes 61 in Rom die Hoffnung weckten, ein großer Sieg über die Parther stehe unmittelbar bevor. 100 Obwohl das Unternehmen bald darauf wegen der Niederlage des 96 Zum militärischen Image Neros vgl. Griffin (1984) 221-234; Champlin (2003) 215-219; Strocka (2010) 61-63. In dieselbe Richtung scheint auch die Aufnahme des Titels proconsul (wenn denn die entsprechende Abkürzung so richtig aufgelöst ist) in die Legenden einiger Münztypen Neros (vgl. RIC I² p. 154-156) zu weisen; dazu König (1971) 44f., 48f., 52f. In den Inschriften Neros ist dieses Element hingegen nicht bezeugt. 97 Zur Bedeutung der Operationen in Armenien für die militärische Legitimation Neros, und zwar vom Beginn seiner Regierungszeit an, vgl. Heil (1997) bes. 65-76, 79, 84. 98 Tac. ann. 13,8,1; dazu Heil (1997) 78. 99 Tac. ann. 13,41,4: Ob haec consalutatus imperator Nero, et senatus consulto supplicationes habitae, statuaeque et arcus et continui consulatus principi (...) aliaque in eandem formam decernuntur („Wegen dieser Erfolge wurde Nero als Imperator begrüßt, auf Senatsbeschluss fanden Dankesfeste statt; die Errichtung von Statuen und eines Triumphbogens [oder mehrerer Triumphbögen] und die ununterbrochene Fortdauer des Konsulats für den Princeps [...] sowie noch andere Anträge der gleichen Art wurden verabschiedet“; Übers. Heller, leicht modifiziert - offen bleiben muss, ob arcus Singular oder Plural ist); dazu Heil (1997) 92-97. Der erste Teil der Aussage bezieht sich offensichtlich auf die 4.-6. imperatorischen Akklamationen, die Nero im Laufe des Jahres 58 annahm; vgl. Griffin (1984) 231; Heil (1997) 92 mit Anm. 30. Die Regelung bezüglich des Konsulats ist so nicht durchgeführt worden; Nero war 58 cos. III, 60 cos. IV und erst 68 cos. V; vgl. Kienast (2011) 97. 100 Dazu Tac. ann. 15,18,1: At Romae tropaea de Parthis arcusque medio Capitolini montis sistebantur, decreta ab senatu integro adhuc bello neque tum omissa, dum aspectui consulitur spreta conscientia („In Rom aber wurden Ehrenmale für den Sieg über die Parther und ein Triumphbogen mitten auf den Kapitolinischen Hügel errichtet; beschlossen hatte sie der Senat, obwohl der Krieg noch nicht entschieden war, und man verzichtete auch jetzt nicht darauf, indem man auf den bloßen Augenschein bedacht war und das Bewusstsein der wahren Lage verdrängte“; Übers. Heller). Es ist wahrscheinlich, dass hier derselbe Bogen gemeint ist, dessen Errichtung bereits im Jahr 58 beschlossen worden war (s. die vorige Anm.). Die meisten Forscher (so etwa Strocka [2010] 72) <?page no="115"?> Das epigraphische Image des Herrschers 107 Paetus bei Rhandeia scheiterte und die römische Seite durch die nachfolgenden Aktionen und diplomatischen Verhandlungen bis hin zur Krönung des Tiridates im Frühsommer des Jahres 66 (s. o.) nur mühsam das Gesicht wahren konnte, wurde der Bogen fertig gestellt und somit die Sieghaftigkeit des Kaisers verkündet, der nun sogar groß angelegte Feldzüge unter seiner eigenen Leitung bis in den Kaukasus und nach Äthiopien plante, welche dann aber nicht mehr zur Ausführung kamen. 101 Nero brachte es zudem auf 12 102 oder 13 103 imperatorische Akklamationen, 104 was aber gerade im Vergleich zu den 27 seines Vorgängers Claudius nicht sonderlich auffällig war. Bemerkenswert ist eher, dass die neronische Siegesideologie in Bezug auf Armenien in den Provinzen des Reiches recht breit rezipiert wurde. 105 Dies verstehen diese Passage so, dass erst im Jahr 62 mit dem Bau des Monuments ernsthaft begonnen wurde und dieses dann im Jahr 64 fertig gestellt war, als Darstellungen des Bogens in der Münzprägung von Rom und Lugdunum aufzutauchen begannen; dazu Kleiner (1985) bes. 69-72. Diese Münzbilder sind gleichzeitig unsere wichtigste Quelle für das Aussehen des Bogens, von dem sich archäologisch fast nichts erhalten hat; vgl. aber La Rocca (1992) für die - hypothetische - Zuweisung einiger Reliefblöcke und Bauglieder an den Nero-Bogen. Die Inschrift des Bogens ist verloren gegangen. Vermutlich nahm Nero in diesem Kontext zu Beginn des Jahres 62 auch eine weitere imperatorische Akklamation (seine neunte) an; dazu Griffin (1984) 232; Heil (1997) 110 Anm. 44. 101 Vgl. Heil (1997) 159-194; Strocka (2010) 63 mit Anm. 348. Die Vorbereitungen hierfür wurden ab dem Spätjahr 66 durchaus ernsthaft und mit großer Energie vorangetrieben; Nero selbst wollte angeblich urspünglich direkt von Griechenland aus in den Orient aufbrechen (s. Cass. Dio 63,8,1-2). 102 Die 12. imperatorische Akklamation Neros ist epigraphisch nur ein einziges Mal bezeugt, und zwar durch den o. auf S. 105 im Wortlaut wiedergegebenen sardischen Meilenstein CIL X 8014, der jedoch an der entscheidenden Stelle gebrochen zu sein scheint. Die Angabe ist hier kombiniert mit trib. pot. XIV, was auf den Zeitraum zwischen Oktober/ Dezember 67 und Anfang Juni 68 führt. Der Anlass für diese imperatorische Akklamation ist nicht bekannt; am ehesten hat sie Nero aufgrund der ersten Erfolge im jüdischen Krieg angenommen; so jedenfalls Griffin (1984) 233. 103 Es ist unklar, ob Nero jemals ein 13. Mal zum Imperator akklamiert wurde (s. Griffin [1984] 300 Anm. 52; ohne Kommentar angenommen wird dies jedoch von Kienast [2011] 97 mit dem Datierungshinweis: „67 oder 68“). Literarisch oder epigraphisch ist eine 13. Akklamation nicht belegt; einziger Hinweis auf sie ist eine lokale Münzprägung von Ptolemais (Akko) in Syrien; s. RPC I 4749. Die lateinische Legende dieses Typs, der wohl zwischen 66 und 68 ausgebracht wurde, weist Nero sogar als COS IIII IMP XIIII(! ) aus (vgl. hierzu auch den Kommentar in RPC I p. 659). Cos. IIII war Nero zwischen 60 und April 68; die Angabe zur imperatorischen Akklamation auf diesem Münztyp scheint aber ein Fehler zu sein. 104 Zu den imperatorischen Akklamationen Neros vgl. Griffin (1976/ 77) 140-146 und (1984) 231-234 sowie Heil (1997) passim. Die meisten dieser imperatorischen Akklamationen (bis zu sieben) nahm Nero im Zusammenhang mit den militärischen und diplomatischen Operationen in bzw. um Armenien an (vgl. auch o. Anm. 94, 99 und 100). 105 Vgl. hierzu auch die Beobachtungen zu den Panzerstatuen Neros im Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band. <?page no="116"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 108 gilt insbesondere für den Osten, wie Beispiele in Athen, 106 Korinth, 107 Aphrodisias 108 und Kappadokien 109 zeigen. Zuletzt ist noch die Frage der Zählung der tribunicia potestas unter Nero zu diskutieren, da diese in der Forschung einige Aufmerksamkeit erregt hat. Zunächst ist umstritten, ab welchem Datum Nero seine tribunizische Gewalt zählte bzw. zu welchem Zeitpunkt er sie jeweils erneuerte. 110 Es werden Ansetzungen von Mitte Oktober (Neros dies imperii war der 13.10.54) bis 106 Für Athen ist auf die Inschrift IG II/ III² 3277 (s. o. Anm. 29 u. 89) zu verweisen, die während des (athenischen) Jahres 61/ 62 am Architrav der Ostseite des Parthenon angebracht wurde. In ihr wird Nero in ungewöhnlicher Weise als . " angesprochen und damit auf seine militärischen Qualitäten verwiesen. Man ehrte Nero in Athen - an einem Ort, an dem immer wieder auf die Überwindung orientalischer ‚Barbaren‘ erinnert worden war - also wohl in Erwartung eines großen Sieges gegen die Parther, der nach den besonders herausgestrichenen Anfangserfolgen des Caesennius Paetus im Herbst 61 tatsächlich in Reichweite schien. Vgl. hierzu Carroll (1982) 65- 74; Spawforth (1994) 234-237; Kantiréa (2007) 123-125; Perrin-Saminadayar (2007) 139; Strocka (2010) 62; Spawforth (2012) 130-132; aber auch die Zweifel von Heil (1997) 95 Anm. 38. Dass man zu dieser Zeit in Athen ein besonderes Augenmerk auf die kaiserliche Sieghaftigkeit legte, scheint auch das Präskript des Ephebendekrets IG II/ III² 1990 (ebenfalls aus dem Jahr 61/ 62) nahezulegen, denn hier wird auf die 8 Neros Bezug genommen. 107 Strocka (2010) bes. 45-53 hat wahrscheinlich gemacht, dass die sog. Gefangenenfassade, die Schaufront einer Basilika mit Stützfiguren in Form von (östlichen) Barbaren an der Nordseite der Agora von Korinth, entgegen bisherigen Annahmen in das mittlere 1. Jh. zu datieren ist. Dasselbe sollte für die östlich daran anschließenden Propylaia gelten (ebd. 74-78), die zur selben Zeit einen neuen Reliefschmuck mit der Darstellung von gefangenen ‚Parthern‘ und Waffen erhielten. Nach Strocka a. O. handelt es hierbei um Teile eines größeren Bauprogramms, das ab 64, als die Pläne für eine Griechenlandreise des Kaisers bekannt wurden (s. Tac. ann. 15,34,1 u. 15,36,1), umgesetzt worden und 66 bei der tatsächlichen Ankunft des Kaisers in Korinth weitgehend fertig gestellt gewesen sei. Die Stützfiguren und die Reliefs seien als deutliche Verweise auf den vom Kaiserhof propagierten Erfolg über die Parther in Armenien zu verstehen gewesen. 108 Interessant sind in diesem Kontext insbesondere einige der Reliefplatten aus dem ‚Sebasteion‘ von Aphrodisias, die teilweise zusammen mit den jeweils zugehörigen, beschrifteten Basen erhalten geblieben sind; dazu Smith (1987) sowie Heil (1997) 95-97. Eines der Reliefs zeigt die Unterwerfung Armeniens (in Gestalt einer nackten weiblichen Figur mit phrygischer Mütze) durch Nero (Smith [1987] 117-120 Nr. 7); die Inschrift auf der Basis (IAph2007, 9.14) benennt einerseits die R und andererseits den Kaiser. Es gibt daneben noch eine zweite Basis mit der Aufschrift R (IAph2007, 9.13); ferner ein weiteres Relief mit der Darstellung des Nero als Feldherren (Smith [1987] 127-132 Nr. 11). Vgl. hierzu auch den Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band S. 190. 109 In Caesarea in Kappadokien wurden unter Nero Silbermünzen geprägt, welche auf dem Revers die Darstellung der Siegesgöttin sowie die Legende (victoria) ARME- NIAC(a) zeigen (RIC I² 615/ 16 [Nero]). 110 Vgl. die gute Darlegung der Problematik bei Clay (1982) 11-16; ferner Griffin (1976/ 77) 138f. <?page no="117"?> Das epigraphische Image des Herrschers 109 Anfang Dezember erwogen. 111 Am 4.12., dem Tag der Wahlen für das Volkstribunat Neros (comitia tribuniciae potestatis), opferten die fratres Arvales im Jahr 57 und 58 laut der Arvalakten ob tribuniciam potestatem Neronis. 112 Als Ausgangsdatum der Zählung der tribuniciae potestates Neros ist somit wohl doch der 4.12.54 anzunehmen, obwohl auch recht gute Argumente für den 13.10. vorgebracht worden sind. 113 Verwirrung gestiftet und Anlass zu vielen Spekulationen gegeben hat aber vor allem ein Eintrag in den Arvalakten zum 1. und 3. Januar des Jahres 60, da hier die siebte tribunicia potestas Neros genannt ist, obwohl es eigentlich erst die sechste sein sollte. 114 . Von diesem Befund ausgehend nahmen einige Forscher an, 115 Nero habe Ende 59 oder im Laufe des Jahres 60 eine Manipulation bei der Zählung seiner tribunicia potestas vorgenommen, indem er in einer ‚republikanischen‘ Geste den Beginn der zweiten tribunicia potestas aus der Retrospektive auf das Datum verlegt habe, an dem die Volkstribunen der Republik ihr Amt angetreten hatten, nämlich auf den 10.12.54 - damit wäre seit dem 10.12.59 tatsächlich trib. pot. VII die korrekte Angabe gewesen. Als Alternative wurde erwogen, dass Nero 59/ 60 in einer groß angelegten Inszenierung seine tribunizische Gewalt ‚erneuert‘ und damit in der Zählung habe anwachsen lassen. 116 Gegen eine solche Rekonstruktion lassen sich jedoch schwer wiegende Bedenken ins Feld führen. So geben zwei Militärdiplome vom Juli 61 117 und vom Juni 65 118 die - nach ‚unmanipulierter‘ Zählung - jeweils korrekte siebte bzw. elfte tribunizische Gewalt an. Das entscheidende Argument liefert aber wohl die Münzprägung unter Nero, denn hier ist von der postulierten Änderung in der Zählweise der tribunicia potestas nichts zu erkennen. Somit bleibt als einzige mögliche Erklärung, für die beiden Einträge in den Arvalakten zum Januar 60 einen schlichten Fehler anzunehmen. 119 Alle weiteren Überlegungen, die an die These von der Manipulation Neros anknüpfen, 111 Vgl. Amandry (1988) 16; Kienast (2011) 97. 112 CFA 25b Z. 14-15 u. 27 Z. 20. 113 So Clay (1982) 15f. 114 CFA 28de Z. 17 u. 27. 115 So insbesondere Theodor Mommsen; zur Forschungsgeschichte vgl. Perrin (1986) 55- 58, 68f., 75. 116 So Perrin (1986). 117 CIL XVI 4 = ILS 1987; dazu Heil (1997) 94f. Anm. 37. Dieses Militärdiplom, bei dem in der Datumsangabe zwei Suffektkonsuln genannt werden, ist lange Zeit in das Jahr 60 gesetzt worden. Nunmehr liegt aber ein weiteres Militärdiplom vom selben Tag mit derselben Konsuldatierung vor: AE 1998, 1056 = RMD IV 202; vgl. hierzu den Kommentar ebd. p. 390: Das 7. tribunizische Jahr Neros „was hitherto attributed to 59/ 60 and for this reason CIL XVI 4 was dated to 60. New research has corrected this error and shown that the two consuls were suffecti in the third nundinium of 61“. S. ferner PIR² P 201 zu dem einen der beiden Konsuln, Cn. Pedanius (Fuscus? ) Salinator, cos. suff. 61. 118 AE 1978, 658 = RMD II 79. 119 So auch Clay (1982) 9f. und Halfmann (1986) 175. <?page no="118"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 110 sind damit hinfällig; insbesondere die Annahme, Nero habe nach der Loslösung von seiner Mutter durch die grandiose Erneuerung seiner tribunizischen Gewalt so etwas wie eine ‚plebeische‘ oder ‚tribunizische Monarchie‘ begründen wollen, also eine Form der autokratischen Regierung, die auf die plebs ausgerichtet gewesen sei. 120 Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass Nero als eine Art ‚Volkskaiser‘ auftrat, der in hohem Maße nach popularitas strebte, 121 aber die hieraus abgeleiteten Folgerungen zur Gestaltung der Titulatur Neros sind kaum zutreffend - in letzterer fand der ‚Neronianismus‘ eben gerade keinen Widerhall. 3.2. Die offizielle Titulatur Domitians Damit können wir uns nun der offiziellen Titulatur des Domitian und deren Widerspiegelung in den epigraphischen Zeugnissen zuwenden. 122 Als Ausgangspunkt kann hierbei erneut die beglaubigte Abschrift einer von der kaiserlichen Kanzlei ausgestellten Urkunde dienen: CIL XVI 35 (Militärdiplom; gef. in Muhovo/ Thracia; Dat.: 88) Imp(erator) Caesar divi Vespasiani f(ilius) Domitia|nus Augustus Germanicus pontifex | maximus tribunic(ia) potestat(e) VIII imp(erator) | XVII co(n)s(ul) XIIII censor perpetuus p(ater) p(atriae) | (...). Drei Elemente dieser Titulatur dürfen unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Zunächst ist auf den in dieser Form neuartigen Siegerbeinamen Germanicus hinzuweisen: Ende Juli oder Anfang August 83, nach dem unter persönlicher Anwesenheit des Kaisers erfochtenen Sieg über die Chatten, verlieh der Senat Domitian den Ehrentitel Germanicus 123 - Domitian über- 120 Diese These hat Perrin (1986) in einem umfangreichen Aufsatz zu begründen versucht. 121 So Suet. Nero 53; dazu Witschel (2006) 101f. 122 Vgl. zur Titulatur Domitians zusammenfassend Buttrey (1980) 28-39; Martin (1987a); Gering (2012) bes. 152-158. 123 Mart. 2,2; 14,170; Frontin. strat. 2,11,7; Suet. Dom. 13,3; zum Chattenkrieg Domitians und zur Verleihung des Siegerbeinamens Germanicus vgl. Kneissl (1969) 48-57; Strobel (1987) bes. 431-433; Martin (1987a) 182-187; Jones (1992) 128-131 sowie Gering (2012) 154-157. Die genaue Datierung der Verleihung des Beinamens Germanicus an Domitian ist in der Forschung umstritten: Terminus post quem hierfür ist ein Militärdiplom vom 9.6.83 (CIL XVI 29), in dem der Titel noch nicht auftaucht, terminus ante quem die Münzprägung des Jahres 84, da bereits in den ersten Emissionen vom Beginn des Jahres Germanicus fester Bestandteil der kaiserlichen Titulatur war (s. Carradice [1983] 23f.: 84.1-2). Da in dieser Frage die literarische, epigraphische und papyrologische Evidenz kaum weiterhilft (vgl. Buttrey [1980] 52-58 sowie zu den Papyri Martin [1987b]) kommt den numismatischen Zeugnissen die entscheidende Bedeutung zu: In der Reichsprägung gibt es einen (allerdings nur in einem Exemplar überlieferten) Typus, einen Aureus, welcher in die Zeit zwischen dem 14.9. und dem 31.12.83 gehört und bereits den Titel GERMANICVS angibt: RIC II² 171 (Domitian); vgl. Carradice (1983) 21-23 zu der Emission 83.3: „the issues of 84 [mit dem neuen Titel] were apparently anticipated by a third issue in 83“. Auf alexandrinischen Münzen erscheint die Nennung des Beina- <?page no="119"?> Das epigraphische Image des Herrschers 111 nahm diese Bezeichnung also nicht aufgrund einer ererbten Familientradition, sondern aufgrund eines tatsächlichen Erfolges, auch wenn dieser nach dem Tode des Kaisers von den anti-domitianisch ausgerichteten Autoren herabgewürdigt wurde. 124 Die dadurch etablierte Praxis, dass der Herrscher für besonders erfolgreiche militärische Aktionen, die in der Regel unter seiner eigenen Führung errungen worden waren, einen Siegerbeinamen verliehen bekommen konnte und diesen dann in seine Titulatur einsetzte, wurde unter Trajan noch einmal erheblich ausgebaut, der drei solcher Titel annahm (Germanicus, 125 Dacicus und Parthicus) und schließlich sogar die Bezeichnung als Optimus in seine offizielle Titulatur aufnahm. 126 Siegerbeinamen wurden in der Folge zu einem durchgängig gebrauchten Element der Kaisertitulaturen des 2. und 3. Jhs. 127 Die Annahme des Siegerbeinamens Germanicus durch Domitian war also in der Tat eine bedeutsame Innovation mit längerfristigen Auswirkungen, 128 die in verschiedenen Medien stark herausgestrichen und im Reich breit remens Germanicus regelmäßig verbunden mit dem 3. Regierungsjahr Domitians, das nach ägyptischer Zählung am 29.8.83 begann. Es gibt aber einige wenige alexandrinische Münztypen, die den Titel bereits mit dem 2. Jahr des Kaisers kombinieren: RPC II 2485 (allerdings ohne nachweisbaren Beleg) und 2488 (hiervon gibt es zumindest ein gesichertes Exemplar). Diese - eher schüttere - Evidenz wird unterschiedlich beurteilt: Für Buttrey (1980) 56, gefolgt von Strobel (1987) 433f. mit Anm. 69, ist sie ein Anzeichen dafür, dass der Siegerbeiname bereits im Sommer des Jahres 83, d. h. zwischen dem 9. Juni und 28. August (bzw. Mitte August, da die Nachricht darüber ja zuerst bis nach Ägypten gelangen musste) vergeben wurde, als der Kaiser selbst noch in Germanien weilte. Andere Forscher haben Zweifel an der Aussagekraft der numismatischen Evidenz angemeldet und möchten daher an einer späteren Ansetzung (nicht vor Herbst/ Ende 83) der Verleihung des Siegerbeinamens festhalten; so etwa Kneissl (1969) 43-48; Martin (1987b) 73 und Walser (1989) 451-453. 124 So etwa von Tac. Agr. 39,1 und Germ. 37,5. 125 Gerade in der Annahme des Siegertitels Germanicus durch Nerva und Trajan gegen Ende des Jahres 97 wird die fortdauernde Bedeutung der Innovation Domitians besonders deutlich (dazu Kneissl [1969] 58-70; Strobel [1989] 107f.): Nach einem römischen Angriff auf Markomannen und Quaden (bellum Suebicum) im Sommer 97, der wohl noch von Domitian geplant worden war, wurde bei Eintreffen der Siegesnachricht in Rom am 27.10.97 die Adoption Trajans durch Nerva verkündet (Plin. paneg. 8,2-3; 16,1); bald darauf erfolgte die Verleihung des Siegerbeinamens Germanicus an Nerva und Trajan, obwohl es sich um eine eher unbedeutende militärische Aktion gehandelt hatte, die noch dazu ohne persönliche Beteiligung der beiden Herrscher durchgeführt worden war. Kneissl (1969) 66 kommt daher zu folgendem Schluss: „Die Übernahme des Siegerbeinamens Germanicus durch Nerva [deutet] darauf hin, dass Domitians Herrschaft durchaus nicht so verhasst gewesen war wie es die antike Überlieferung vermuten lässt; denn andernfalls hätte Nerva gewiss nicht Domitians cognomen ex virtute in seine Titulatur aufgenommen“. 126 Vgl. hierzu Kneissl (1969) 58-89; Fell (1992) 39-42, 52-61, 68f.; Seelentag (2004) 240f., 281, 395; Strobel (2010) 332f. 127 Vgl. zu diesem Phänomen zusammenfassend Kneissl (1969). 128 So auch Kneissl (1969) 43, 57; Strobel (1987) 433. <?page no="120"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 112 zipiert wurde. 129 Dennoch ist nicht zu übersehen, dass sie sich sehr wohl in ältere Traditionen einfügte. Cognomina ex virtute, welche an militärische Erfolge erinnerten, hatte es schon zur Zeit der Republik gegeben, und auch nach der Etablierung des Principats geschah es einige Male, dass solche Beinamen den Herrschern bzw. deren Verwandten in offizieller Manier vom Senat angetragen wurden. 130 So führte zwar Augustus keinen Siegerbeinamen, aber seinem Stiefsohn Drusus d. Ä. wurde nach dessen Tod im Jahr 9 v. Chr. das Cognomen Germanicus postum vom Senat übertragen. 131 Die Ehrung galt auch für die Nachkommen des Drusus, und diese haben Germanicus dann tatsächlich als Namensbestandteil geführt, so seine Söhne Germanicus und Claudius sowie deren Söhne Caligula, Britannicus und Nero. Nach der Eroberung Britanniens im Jahr 43 beschloss der Senat verschiedene Ehrungen für Kaiser Claudius, darunter auch den Siegerbeinamen Britannicus. 132 Claudius scheint jedoch, wie die epigraphischen Zeugnisse ausweisen, diesen Namen zurückgewiesen bzw. nicht geführt zu haben; dafür wurde er zum Cognomen seines Sohnes. 133 Noch weiter ging im Jahr 69 Vitellius: 134 Schon bei der Ausrufung zum Kaiser durch die germanischen Truppen wurde ihm - ohne dass ein entsprechender militärischer Erfolg vorausgegangen wäre - der Beiname Germanicus verliehen. 135 Dieser wurde dann von Vitellius auch in seine offizielle Titulatur aufgenommen; auf Münzen und in den Arvalakten erscheint er daher als Aulus Vitellius Germanicus Imperator (oder Imperator Germanicus). Zudem übertrug er den Namen auch auf seinen Sohn. Auffällig ist hierbei die enge Verbindung mit dem Impera- 129 Eine Reihe von Belegen für die Rezeption der Siegesthematik unter Domitian kennen wir aus der Provinz Asia; dazu Dräger (1993) 130-136. Neben der lokalen Münzprägung einer Reihe von Städten, in der die 8 9 3 vorgeführt wurde, und der Ausgestaltung des Tempelbezirks für den provinzialen Kaiserkult in Ephesos (vgl. o. S. 100) ist hier insbesondere auf einen Altar zu verweisen, der im phrygischen Sebaste im Jahr 88/ 89 für Zeus [H F @. ] " [[9 3]] [D ] < E 3 S [ 3 ] errichtet wurde (IGR IV 684). Ein interessantes Vergleichsstück hierzu ist ein Altar aus Akoris (Aegyptus), in dessen Haupttext ausgeführt wird, der Stein sei H [ 6] [[@. [" ] 9 [ 3 D ] [ ] < E 3 [S 3]]] gestiftet worden: AE 1904, 216 = AE 1966, 499 = IGR I 1138; dazu Martin (1987b) 75. Unter allen Feldzügen, die Domitian geführt hat, kommt als Bezugspunkt hierfür nach Dräger (1993) 134f. nur der Germanensieg des Jahres 83 in Frage. 130 Vgl. zum Folgenden Kneissl (1969) 27-43. 131 S. etwa Suet. Claud. 1,3 (Senatus inter alia compluria [...] decrevit et Germanici cognomen ipsi posterisque eius); Cass. Dio 55,2,3. Flor. epit. 2,30 betont ausdrücklich, dass eine solche Ehrung hier erstmals durch den Senat erfolgte: (...) ex meritis, defuncto ibi fortissimo iuvene, ipse, quod numquam alias, senatus cognomen ex provincia dedit. 132 Cass. Dio 60,22,1-2. 133 Suet. Claud. 27,1; Eutr. 7,13,3. 134 Vgl. Kneissl (1969) 38-41. 135 S. etwa Tac. hist. 1,62,2: nomen Germanici Vitellio statim additum; Suet. Vit. 8,2: (...) cognomen Germanici delatum ab universis cupide recepit. <?page no="121"?> Das epigraphische Image des Herrschers 113 tor-Titel; das unterscheidet den Gebrauch von Germanicus bei Vitellius von der Praxis der vorangegangenen claudischen Kaiser. Für die direkten Vorgänger Domitians, Vespasian und Titus, wurde zwar trotz deren Erfolge bei der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes kein Siegerbeiname (wie etwa Iudaicus) konzipiert, aber die mediale Aufarbeitung des jüdischen Krieges war dennoch sehr umfangreich und wurde so prononciert vorgetragen, dass sie Domitian als Vorbild dienen konnte, welches er durch die Annahme des Namens Germanicus zu übertreffen versuchte. 136 Daneben scheinen für Domitian noch weitere ehrende Beinamen verwendet worden zu sein, ohne dass diese dann Eingang in seine offizielle Titulatur gefunden hätten. So feierte Martial den Herrscher, der mehrfach selbst den Oberbefehl in den Kämpfen gegen verschiedene Völkerschaften an der Donau geführt und zweimal über die Daker triumphiert hatte, 137 in der Dedikation des achten Buches seiner Epigrammata im Rahmen einer ansonsten korrekt wiedergegebenen Kaisertitulatur als Dacicus. 138 Dieser Titel ist jedoch augenscheinlich niemals durch Senatsbeschluss an Domitian vergeben worden, und auch inschriftlich ist er nicht bezeugt. Somit handelte es sich hierbei entweder um eine individuelle ‚Erfindung‘ Martials oder um den Reflex einer in Hofkreisen verbreiteten Benennung des Herrschers. Erst unter Trajan ist Dacicus dann, wie bereits gesehen, zum Bestandteil der offiziellen Kaisertitulatur geworden. Ähnliches gilt für die Akklamation des Kaisers als Invictus, welche ausschließlich bei den Dichtern der flavischen Zeit belegt ist, aber wohl auch realiter auf den Kaiser ausgebracht wurde. 139 Auch diese Bezeichnung wurde jedoch offenbar kein Bestandteil der offiziellen Titulatur des Kaisers. 140 Im Westen ist sie jedenfalls inschriftlich nicht belegt, während es aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum einige wenige Belege für die Ansprache des Domitian als gibt, 141 die aber 136 Dieser Vergleich wird sehr deutlich vorgetragen von Mart. 2,2: „Es schenkte Kreta einen großen Namen / und einen größren Africa, / den Scipio und Metellus dann als Sieger trugen; / noch einen edleren wies Dir Germanien zu, / nachdem der Rhein bezwungen war. / Bereits als Knabe, Caesar, warst Du dieses Namens wert. / Dein Bruder mit dem Vater, sie verdienten den / Triumph von Idumaea; / doch Dir allein gehört der Siegeslorbeer über Chatten! “ (Übers. Hofmann). Zur medialen Aufarbeitung in der Münzprägung vgl. den Beitrag von Reinhard Wolters u. Martin Ziegert in diesem Band S. 55 u. 59f. 137 Vgl. Strobel (1989). 138 Mart. 8 praef. (aus dem Jahr 93): Imperatori Domitiano Caesari Augusto Germanico Dacico; dazu Kneissl (1969) 49f. 139 S. etwa Mart. 7,6,7-8: rursus, io, magnos clamat tibi Roma triumphos / Invictusque tua, Caesar in urbe sonas („und wiederum bricht Rom für Dich in große Jubelrufe des Triumphes aus, / als ‚Unbesiegter‘, Caesar, preist man Dich in Deiner Stadt“; Übers. Hofmann). 140 Sie hatte somit wohl kaum einen ‚offiziellen‘ Charakter, wie dies von Strobel (1987) 436 behauptet wird. 141 S. u. Anm. 191 u. 238. <?page no="122"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 114 zu den ‚inoffiziellen‘ Anreden des Herrschers zu zählen sind (vgl. u. Abschnitt 4). Erst 100 Jahre später wurde Invictus dann unter Commodus im Jahr 192 in die offizielle Kaisertitulatur aufgenommen. 142 Die literarische Überlieferung lässt an diesem Punkt also recht deutlich erkennen, dass die Verwendung solcher zusätzlichen Bezeichnungen des Herrschers, die vor allem auf dessen militärische Qualitäten abhoben, nicht nur von diesem selbst initiiert, sondern in nicht wenigen Fällen auch ‚von unten‘, etwa aus Hofkreisen, an ihn herangetragen wurden. Das war allerdings mitnichten eine Neuheit der domitianischen Epoche, da so etwas schon unter früheren Herrschern immer wieder vorgekommen war. Cassius Dio legt beispielsweise dar, Kaiser Tiberius sei bisweilen - wegen der Erfolge des Germanicus - informell Germanicus genannt worden. 143 Sueton berichtet zudem, schon zuvor seien einige Menschen nach der Niederschlagung des pannonischen Aufstandes der Meinung gewesen, Tiberius solle mit ehrenden Beinamen (cognomina) wie Pannonicus, Invictus oder Pius versehen werden; Augustus habe dies allerdings zurückgewiesen. 144 In Bezug auf Caligula behauptet Cassius Dio - hier in deutlich polemischer Absicht - der Kaiser sei oftmals als Imperator sowie als Germanicus und Britannicus bezeichnet worden, als ob er die gesamte Keltik und Britannik unterworfen habe. 145 Den Beinamen Germanicus hatte Caligula von seinem Großvater Drusus d. Ä. ererbt, und er führte ihn daher schon vor Regierungsantritt, während sich der Titel Britannicus epigraphisch für ihn nicht nachweisen lässt. 146 Daher bleibt die Authentizität dieser Akklamation unsicher; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie gelegentlich auf ihn ausgebracht wurde. Schließlich ist zu bemerken, dass die Principes im inoffiziellen Kontext nicht selten als Invictus angeredet wurden, das zudem ein beliebtes Epitheton der Götter war. Wir finden diese Bezeichnung sowohl bei den augusteischen und den flavischen Dichtern als auch im Panegyricus des jüngeren Plinius auf Trajan; 147 und auch bei den Akklamationen, welche die plebs urbana an den Herrscher richtete, spielte sie eine gewisse Rolle. 148 Das zweite auffällige Element in der offiziellen Titulatur Domitians ist die hohe Zahl der Konsulate und der imperatorischen Akklamationen: Do- 142 Vgl. Bergmann (1998) 262-264. Im 3. Jh. wurde Invictus dann regelmäßig in der Kaisertitulatur verwendet; vgl. Berlinger (1935) 20f. 143 Cass. Dio 57,8,2. Für die Bezeichnung des Tiberius als Germanicus gibt es jedoch nur einen inschriftlichen Beleg: IG VII 3103 aus Lebadeia (Achaia); und diese könnte auf einem Irrtum des Dedikanten beruhen (so jedenfalls Kneissl [1969] 28 Anm. 11). 144 Suet. Tib. 17,2: censuerunt etiam quidam ut Pannonicus, alii ut Invictus, nonnulli ut Pius cognominaretur (...) sed de cognomine intercessit Augustus. 145 Cass. Dio 59,25,5a. 146 Vgl. Kneissl (1969) 34. 147 Zuerst bei Hor. sat. 2,1,10-12; . Zu Invictus bei den flavischen Dichtern vgl. Sauter (1934) 153-157; ferner Plinius paneg. 8,2 (Trajan als invictus imperator). 148 Dazu Clauss (1999) 260-262. <?page no="123"?> Das epigraphische Image des Herrschers 115 mitian ließ sich sehr oft zum Konsul bestimmen (insgesamt 17-mal, davon zehnmal als Kaiser in 15 Regierungsjahren) und wurde nicht weniger als 22mal zum Imperator akklamiert. 149 Das wurde ihm in der späteren Überlieferung bisweilen angekreidet, wobei sich die Kritik vor allem an der häufigen und über einen längeren Zeitraum kontinuierlichen Übernahme des Konsulats entzündete. 150 Dazu ist jedoch anzumerken, dass Domitian mit dieser Praxis durchaus in der Tradition der flavischen Dynastie stand, denn ähnliche Zahlen finden sich auch bei Titus (9 Konsulate und 17 imperatorische Akklamationen) und Vespasian (10 Konsulate und 20 imperatorische Akklamationen), so dass in diesem Bereich kein Normbruch Domitians, sondern eher eine Kontinuitätslinie auszumachen ist, die ihn mit Vater und Bruder verband. An dieser Stelle ist noch kurz auf das Problem einer möglichen 23. imperatorischen Akklamation Domitians einzugehen. Während die 22. imperato- 149 Die allermeisten der imperatorischen Akklamationen Domitians beziehen sich auf die militärischen Aktionen in Germanien und vor allem an der Donaugrenze, die zum Teil unter der persönlichen Leitung des Herrschers durchgeführt wurden; vgl. dazu Strobel (1987) und (1989). Eine besondere zeitliche Massierung in der Annahme von imperatorischen Akklamationen durch Domitian lässt sich in den Jahren zwischen 83 und 86 (3.-14. Akklamation) sowie 88/ 89 (15.-21. Akklamation) ausmachen. Nach dem Sommer 92 (22. Akklamation; s. u. Anm. 151) scheint Domitian hingegen auf weitere Ehrungen dieser Art verzichtet zu haben; zu der Frage, ob es eine 23. imperatorische Akklamation Domitians gab, vgl. u. S. 115-117. 150 So etwa bei Suet. Dom. 13,3: consulatus septemdecim cepit, quot ante eum nemo; ex quibus septem medios continuavit („Siebzehnmal war er Konsul, so oft wie keiner vor ihm. Die sieben mittleren Konsulate bekleidete er ohne Unterbrechung“; Übers. Martinet). Tatsächlich war Domitian zwischen 82 und 88 jedes Jahr Konsul (cos. VIII-XIV); vgl. Kienast (2011) 116. Nach Cass. Dio 67,4,3 soll sogar eine Designation Domitians zum Konsul für zehn aufeinander folgende Jahre vorgenommen worden sein. Dies könnte im Jahr 84 beschlossen worden sein (dazu Buttrey [1980] 37); es wurde dann aber nicht vollständig umgesetzt, denn Domitian war nach 88 nur noch dreimal Konsul (90, 92 und 95). Auch für ein solches Vorgehen gab es ein gewisses Vorbild, das zeigen kann, in welcher Weise auf diesem Feld experimentiert wurde (vgl. ferner o. Anm. 99 zu Nero), denn Suet. Vit. 11,2 berichtet in Bezug auf Vitellius Folgendes: Alliensi die pontificatum maximum cepit, comitia in decem annos ordinavit seque perpetuum consulem („am Tag der Niederlage an der Allia [d. h. am 18.7.69] übernahm er das Amt des pontifex maximus, ließ gleich für die nächsten zehn Jahre im voraus wählen und sich als Konsul auf Lebenszeit bestellen“; Übers. Martinet). Die Interpretation dieser Stelle ist allerdings nicht ganz klar, denn möglicherweise dachte Vitellius auch an eine jährliche Iteration des Konsulats, wie sie dann unter den Flaviern über weite Strecken Usus wurde; zudem reflektiert Sueton hier offensichtlich eine anti-vitellianische Tendenz. Die Annahme des Titels eines consul perpetuus durch Vitellius scheint gestützt zu werden durch eine verschollene Inschrift aus Rom (CIL VI 929 = ILS 242: A(ulus) Vitellius L(uci) f(ilius) Imperator co(n)s(ul) perp(etuus)). Für diese Inschrift sind jedoch unterschiedliche Lesarten überliefert; so gibt ein Manuskript für das Ende der Inschrift die Lesung cos. p.p. an, und letzteres könnte von den Kopisten nach Sueton in perp. verbessert worden sein; vgl. Kienast (2011) 29f. <?page no="124"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 116 rische Akklamation des Kaisers, die dieser aufgrund der Erfolge während des von ihm geleiteten Feldzugs gegen die Jazygen (expeditio Suebica et Sarmatica) im Sommer 92 angenommen hatte, 151 durch zahlreiche Quellen gut belegt ist, taucht eine 23. imperatorische Akklamation Domitians lediglich in zwei isolierten Zeugnissen auf. 152 Dabei handelt es sich zum einen um die in zweifacher Ausfertigung erhaltene Widmungsinschrift eines Nymphäums am sog. Domitiansplatz in Ephesos; 153 und zum anderen um einen Typ einer regionalen Münzprägung in der Provinz Iudäa. 154 In beiden Fällen ist dies mit der Angabe zur zwölften Übernahme der tribunicia potestas sowie des 16. Konsulats des Domitian verbunden, was auf eine Datierung zwischen dem 14.9.92 und dem 13.9.93 führt. 155 Dieselbe Kombination weisen nicht wenige weitere Inschriften Domitians auf, in denen im Gegensatz zu den genannten Zeugnissen aber die 22. imperatorische Akklamation erscheint; und einige von diesen wurden mit Sicherheit erst im Jahr 93 angefertigt. 156 Auch in zwei ebenfalls in das Jahr 92/ 93 datierten ephesischen Inschriften, die augenscheinlich zu demselben Bauprogramm gehörten wie die oben erwähnte Inschrift von dem Nymphäum am ‚Domitiansplatz‘, wird die 22. imperatorische Akklamation aufgeführt. 157 Ebenso ist diese regelmäßig in Inschriften 151 Zwischen Mitte Juni und Mitte September 92; vgl. Strobel (1989) 102. 152 Vgl. zum Folgenden insbesondere Witetschek (2014), wo alle relevanten Zeugnisse zusammengestellt sind. Wir danken Stephan Witetschek herzlich für die Übersendung seiner Studie sowie für wichtige Hinweise zu dieser Problematik. 153 I.Eph 413a-b (= AE 1966, 424a; AE 1967, 466); zu dem Gebäude vgl. Strocka (1989) 78f.; Scherrer (2000) 90 Nr. 28; Halfmann (2001) 41f. 154 RPC II 2308: In einem Typ der dritten Gruppe dieser regionalen Münzprägung, die eventuell in Caesarea maritima ausgebracht wurde, ist in der Legende die vollständige Titulatur Domitians aufgelistet, darunter TR P XII IMP XXIII COS XVI. Vgl. den Kommentar in RPC II p. 316: „On 2308 Domitian’s titulature reads IMP XXIII, although it is certain that Domitian never had a twenty-third acclamation“. 155 Die ephesischen Inschriften (s. o. Anm. 153) lassen sich wohl noch etwas genauer datieren, denn im selben Kontext wurde ein weiterer Titulus gefunden (I.Eph 419 = AE 1966, 424b), der von der Einrichtung einer „domitianischen Wasserleitung“ durch den Demos von Ephesos berichtet. Diese Baumaßnahme wurde unter der Oberaufsicht des Prokonsuls P. Calvisius Ruso vorgenommen, der mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 92/ 93 amtierte (vgl. Eck [1970] 84f. mit Anm. 45, 143), so dass seine Tätigkeit in Asia am 30.6.93 geendet haben dürfte. 156 So etwa AE 2008, 1753, ein Militärdiplom vom 10.8.93. 157 I.Eph 415/ 16 von der sog. Fontäne südlich des ‚Staatsmarktes‘; vgl. Scherrer (2000) 76 Nr. 17; Halfmann (2001) 42. Die Verbindung zu den anderen Inschriften (I.Eph 413a-b u. 419) ergibt sich durch die Nennung des Prokonsuls P. Calvisius Ruso (vgl. o. Anm. 155). Somit folgert Strocka (1989) 79 sicherlich zu Recht: „Es kann kein Zweifel sein, dass sich sämtliche Inschriften auf dasselbe Ereignis beziehen, die Anlage oder eher Erneuerung der von Marnas und Klaseas gespeisten Wasserleitung im Jahre 92/ 93 n. Chr.“ Allerdings ist auch im Falle von I.Eph 415 die Wiedergabe der Kaisertitulatur nicht völlig korrekt erfolgt, denn hier steht cos. XV, was offensichtlich ein Fehler ist (I.Eph 416 ist an dieser Stelle zerstört). <?page no="125"?> Das epigraphische Image des Herrschers 117 genannt, welche auf die 13., 14. oder 15. Übernahme der tribunicia potestas durch Domitian verweisen. 158 Schließlich fällt beim Blick auf die Münzen auf, dass in der Reichsprägung bis zum Ende der Regierungszeit des Domitian lediglich die 22. imperatorische Akklamation vermerkt wurde. 159 Das alles lässt es als unmöglich erscheinen, dass es jemals zur offiziellen Verleihung einer 23. imperatorischen Akklamation an Domitian gekommen ist. 160 Man mag vielmehr mit Blick auf die zwei abweichenden Zeugnisse an einen einfachen Fehler denken, 161 wie er gerade in der flavischen Epoche bei der Zählung der iterierten Elemente der Kaisertitulatur aufgrund ihres raschen Wechsels häufiger vorkam. 162 Gegen eine solche Annahme scheint aber zu sprechen, dass sich die Angabe der 23. imperatorischen Akklamation Domitians an zwei weit voneinander entfernten Plätzen (Ephesos und Iudäa) findet. Das könnte wiederum dafür sprechen, dass man in verschiedenen Teilen des Reiches im Herbst 92(? ) die Annahme einer weiteren imperatorischen Akklamation durch den Kaiser erwartete (was angesichts der bisherigen Praxis unter diesem Herrscher ja durchaus nahe lag) 163 und diese vor Ort bereits antizipierte, 164 wobei man dann von dem Verzicht Domitians auf eine weitere Ehrung dieser Art überrascht wurde, jedoch die bereits angefertigten Texte nicht mehr änderte. 165 Das dritte zu besprechende Element in der offiziellen Titulatur Domitians stellte eine weitere Neuerung dar. Hierbei handelt es sich um den Titel des censor perpetuus. 166 Im Jahr 85 erhielt Domitian ungefähr im April zunächst die censoria potestas 167 und war dann seit dem Herbst dieses Jahres bis zum Ende seiner Regierungszeit censor perpetuus. 168 Cassius Dio kommen- 158 Beispielsweise das Militärdiplom RMD I 6 vom 12.7.96. 159 So noch in RIC II² 817-821 (Domitian) vom Spätsommer 96. 160 So auch Buttrey (1980) 39 und Martin (1987a) 105. Anders hingegen Kienast (2011) 117, der die 23. imperatorische Akklamation Domitians offenbar als gesichert ansieht und in das Jahr 92 datiert. 161 Posamentir u. Wörrle (2006) 237 mit Anm. 35 vermuten beispielsweise einen schlichten Fehler in den ephesischen Inschriften I.Eph 413a-b. 162 Vgl. hierzu das bei Buttrey (1980) vorgestellte und diskutierte Material. Für zwei Beispiele s. o. Anm. 63 und 157. 163 Vgl. o. Anm. 149. 164 Eine solche Vorgehensweise ist auch anderweitig belegt; vgl. dazu Stylow (1989) 387- 399. 165 Das ist die These von Witetschek (2014). 166 Vgl. Martin (1987a) 192f.; Jones (1992) 107f.; Gering (2012) 153f., 214-221. 167 Den terminus ante quem hierfür stellt das Militärdiplom CIL XVI 31 vom 5.9.85 dar. 168 Der neue Titel censor perpetuus ist bezeugt in dem Militärdiplom CIL XVI 32 vom 17.2.86. Für die Feindatierung der angesprochenen Vorgänge kann die Münzprägung des Jahres 85 herangezogen werden; vgl. Carradice (1983) 25-29 (zum Edelmetall) u. 112f. (zur Bronzeprägung) sowie die wichtigen Klarstellungen von Buttrey (1975), der gezeigt hat, dass die Münzlegenden des Jahres 85 in Bezug auf die Zensur Domitians nach Eliminierung unsicher überlieferter Typen in sich konsistent sind. Beim <?page no="126"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 118 tiert dies mit den Worten, Domitian sei der erste und einzige Herrscher gewesen, der eine solche Auszeichnung empfing. 169 Das ist offenbar generell zutreffend, denn diese Bezeichnung findet sich tatsächlich nur bei Domitian als Teil der offiziellen Kaisertitulatur. Aber auch hier ist wieder auf einen gewissen Präzedenzfall in der flavischen Familie hinzuweisen: Bereits Vespasian war zusammen mit Titus im Jahr 73 Censor gewesen; und dieser Titel tauchte auch später in Inschriften der beiden Kaiser auf, obwohl es sich hierbei offensichtlich nicht um eine censoria potestas perpetua handelte. 170 Domitian ging auf diesem Feld somit einen Schritt weiter als sein Vater, aber gerade der dezidierte Verweis auf das Censoren-Amt, das ja im römischen Staatswesen eine lange Tradition hatte, passte durchaus zu der insgesamt konservativen Grundhaltung des Kaisers. Während sich die bislang behandelten Elemente also größtenteils in etablierte und gerade von seinen direkten Vorgängern ausgebaute Normen einfügten oder solche für die Nachfolger begründeten, soll Domitian darüber hinaus einen gänzlich neuen und ungewöhnlichen Titulaturbestandteil eingeführt haben, nämlich die Anrede des Herrschers als „Herr und Gott“ (dominus et deus) - und dies auch in offiziellen Schriftstücken. Das behaupten zumindest die Domitian feindlich gesonnenen, nach seinem Tod entstandenen literarischen Quellen, insbesondere Sueton: „Und er hörte es gern, dass man ihm im Amphitheater am Tag, an dem er eine öffentliche Speisung veranstaltete, zurief: ‚Unserem Herren und unserer Herrin, Glück! ‘ (...) Er zeigte sich von gleicher Arroganz, als er einen förmlichen Brief im Namen seiner Prokuratoren diktierte; er begann nämlich so: ‚Unser Herr und Gott befiehlt, dass Folgendes zu geschehen habe‘. Seitdem war es üblich, dass man ihn sogar in Briefen und im Gespräch so nannte“. 171 Edelmetall erfolgte zunächst (85.1) noch eine Prägung mit TR POT IIII IMP VIII COS XI ohne einen Hinweis auf die Zensur. In 85.2 (wohl nach April) kam es dann zur Hereinnahme der Angabe CENSORIA POTESTAT (ähnlich in 85.3: CENS POT), kombiniert mit TR POT IIII und IMP VIIII; ebenso in 85.4 (nach der Münzreform des Sommers 85). In 85.5 erscheint dies dann kombiniert mit TR POT V (d.h. nach Mitte September). In 85.6 noch vor Ende des Jahres (nach Strobel [1989] 49 etwa November/ Mitte Dezember) begegnet dann erstmals CENS P, was als cens(or) p(erpetuus) aufzulösen ist. Letzterer Titel begegnet auch in der dritten Aes-Emission des Jahres 85, was sicher macht, dass die Wahl Domitians zum censor perpetuus durch den Senat noch im Herbst 85 erfolgt sein muss, am ehesten im Oktober. 169 Cass. Dio 67,4,3. 170 Vgl. Buttrey (1980) 46; Kienast (2011) 108. Die meisten der nach 73/ 74 angefertigten Inschriften Vespasians verzichten allerdings auf eine Angabe der Censur. Auch frühere Kaiser hatten bereits die Censur übernommen bzw. einen Census durchgeführt, so Augustus nicht weniger als dreimal, beim ersten Mal 29/ 28 v. Chr. mit einer censoria potestas (s. RGDA 8,2-4; dazu Cooley [2009] 138-143); sowie Claudius im Jahr 47/ 48 (Kienast [2011] 90). 171 Suet. Dom. 13,1-2: Adclamari etiam in amphitheatro epuli die libenter audiit: Domino et dominae feliciter! (...) Pari arrogantia, cum procuratorum suorum nomine formalem dictaret epi- <?page no="127"?> Das epigraphische Image des Herrschers 119 Neben Sueton berichten auch Cassius Dio und Dion von Prusa, dass Domitian es gerne gehört habe, wenn er und ! genannt wurde, und dass diese Bezeichnungen während seiner Regierungszeit sogar im administrativen Schriftverkehr verwendet wurden. 172 In der Überlieferung ist durchaus noch zu erkennen, dass diese Begriffe vor allem aus Hofkreisen an den Kaiser herangetragen wurden. 173 So versuchte sich ein des Hochverrats verdächtigter Mann zu retten, indem er während einer privaten Audienz bei Domitian die Proskynese vollführte und ihn mehrmals ( ##" ) ‚Herr‘ und ‚Gott‘ nannte, was damals im engeren Umfeld des Herrschers offenbar schon recht üblich war. 174 Domitian scheint also - im Gegensatz etwa zu stulam, sic coepit: Dominus et deus noster hoc fieri iubet. Unde institutum posthac, ut ne scripto quidem ac sermone cuiusquam apellaretur aliter (Übers. Martinet, leicht modifiziert). 172 Cass. Dio 67,4,7; Dion Chrys. or. 45,1. Ähnliches wird im Übrigen in Bezug auf Caligula berichtet, denn Cass. Dio 59,28,8 behauptet, dieser sei am Ende seines Lebens offiziell als ! und Iuppiter angesprochen worden; und solche Termini seien auch in (offiziellen) Dokumenten verwendet worden. Hierfür findet sich aber in den erhaltenen Inschriften der Zeit keine Bestätigung. Einige Male wird Caligula zwar im Osten des Reiches als ! bezeichnet (so in I.Didyma 148 aus Didyma/ Asia oder in AE 1995, 1459 = SEG 45, 1645 aus Sardis/ Asia); und in dem Treueeid, den die Einwohner von Assos (Asia) im Jahre 37 auf den Kaiser schworen, ist als Begründung Folgendes zu lesen: „Da der Herrschaftsantritt des Caius Caesar Germanicus Augustus, der von allen Menschen mit Gebet erwartet wurde, gemeldet wird, und da die gesamte Welt in keiner Weise eine Grenze für ihre Freude findet, und da jede Stadt und jedes Volk sich beeilt, das Antlitz des Gottes zu schauen, da gleichsam die seligste Zeit für die Menschheit bevorsteht, erging folgender Beschluss (...)“ (Syll³ 797 = IGR IV 251; Übers.: Freis [1984] 11f. Nr. 8). Interessant sind in diesem Zusammenhang ferner zwei Inschriften aus Kyzikos (Asia), in denen Caligula T# bzw. 6 $ - J ! genannt wird (Syll³ 798/ 99; dazu auch u. Anm. 202). Diese epigraphischen Zeugnisse gehören aber erkennbar in den Kontext des Kaiserkults, wo zumindest in den östlichen Reichsteilen eine solche Benennung durchaus nichts Ungewöhnliches war; vgl. dazu u. Anm. 188. 173 Dies zeigen etwa die Werke der Dichter im Umkreis des Hofes, bei denen sich die Anrede dominus für Domitian und auch eine göttliche Überhöhung seiner Person in den verschiedensten Schattierungen recht häufig findet - so ist der Kaiser hier beispielsweise der divus Germanicus (Stat. silv. 1,4,4), ein deus (praesens; ebd. 4,3,128), deus noster (Mart. 7,2,6) und deus sowie dominus terrarum (ebd. 7,5,3 u. 5); s. ferner die spätere Absetzung Martials von diesen Lobpreisungen nach dem Tod des Domitian in 10,72: dicturus dominum deumque non sum. Vgl. dazu Sauter (1934); Martin (1986); Clauss (1999) 119-132. 174 Das scheint aus der Schilderung dieses Ereignisses bei Cass. Dio 67,13,3-4 hervorzugehen; vgl. dazu auch Jones (1992) 108f. Generell ist zu beachten, dass im Umkreis des Hofes überhöhende Anreden für den Herrscher schon seit dem Beginn des Principats üblich gewesen zu sein scheinen, wie man etwa an den Widmungen der Werke römischer Schriftsteller an den Kaiser ablesen kann; so Vitr. 1 praef. 1 (zur divina mens des Herrschers); Val. Max. 1 praef., wo Tiberius in eine göttliche Sphäre erhoben wird; das Rezeptbuch des Arztes Scribonius Largus, der Claudius mehrfach als deus noster Caesar anspricht (so praef. 60: tradendo scripta mea [...] deo nostro Caesari); oder Plin. nat. praef. 11 mit ähnlichen Wendungen für Titus; vgl. dazu auch Bleicken (1978) 19f. <?page no="128"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 120 Tiberius - diese Anreden bei Hofe geduldet, ja sogar gerne gehört zu haben, was ihm später immer wieder vorgeworfen wurde, 175 obwohl sich diese Praxis unter seinen Nachfolgern augenscheinlich fortsetzte. 176 Wenn sie ihm in der vollen Öffentlichkeit angetragen wurden, lehnte er sie jedoch, sofern wir an dieser Stelle eher dem Zeitgenossen Statius als Sueton glauben dürfen, 177 ebenso vehement ab, wie es die Kaiser vor ihm getan hatten, so etwa Augustus in einer ganz ähnlichen Situation. 178 Dass Domitian die Anrede dominus et deus im offiziellen Sprachgebrauch verankern wollte und dies angeblich sogar durch Zwangsmaßnahmen durchzusetzen versuchte, behaupten - darin über die Darstellung Suetons noch hinausgehend und die Domitian-feindliche Tendenz der späteren Überlieferung besonders drastisch ausmalend - zudem Eutropius, Aurelius Victor und Orosius. 179 Die angebliche Einführung der Bezeichnung dominus 175 Besonders deutlich wird dies artikuliert von Plin. paneg. 2,3 (s. ferner ebd. 24,2): Discernatur orationibus nostris diversitas temporum, (...). Nusquam ut deo, nusquam ut numini blandiamur: non enim de tyranno sed de cive, non de domino sed de parente loquimur („Unsere Reden sollen deutlich erkennen lassen, wie die Zeiten sich geändert haben [...]. Lasst uns an keiner Stelle ihm schmeicheln wie einem Gott, wie einem höheren Wesen - denn wir reden nicht von einem Tyrannen, sondern von einem Bürger, nicht von einem Herrn, sondern von unserem Vater“; Übers. Kühn). 176 So sah der jüngere Plinius, der in seinem Panegyricus auf Trajan emphatisch behauptet hatte, nie wieder einen Kaiser dominus et deus nennen zu wollen (s. die vorige Anm.), offenbar kein Problem darin, den Herrscher in seiner Korrespondenz mit Trajan regelmäßig mit domine anzureden (s. Plin. epist. 10,2,1; 10,3a,1 usw.). In seinen an den Kaiser gerichteten Briefen verwendete Plinius im Übrigen auch andere Bezeichnungen, die aus dem Bereich des überhöhenden Sprechens über den Herrscher stammten, so etwa Imperator sanctissimus (epist. 10,1,1; vgl. dazu u. S. 134-140 zur Ansprache des Domitian als sacratissimus Imperator in einigen Inschriften). 177 Statius beschreibt eine Szene im Theater anlässlich der Saturnalien, als Domitian selbst zugegen war und von den Zuschauern mit Akklamationen gefeiert wurde; s. Stat. silv. 1,6,81-84: tollunt innumeras ad astra voces / Saturnalia principis sonantes / et dulci dominum favore clamant: / hoc solum vetuit licere Caesar („Zum Himmel erheben sich unzählige Stimmen und preisen die Saturnalien des Princeps; und mit freudiger Zuneigung nennen sie ihn ihren ‚Herrn‘- das allein aber hat der Kaiser sich verbeten“; Übers. Wißmüller, leicht modifiziert). Vgl. dazu Thompson (1984); anders, aber u. E. wenig überzeugend äußert sich Scott (1936) 102-112. 178 Suet. Aug. 53,1: Augustus sei, wenn für ihn die Anrede dominus gebraucht wurde, jedesmal erschaudert. Als einmal im Theater bei dem Ausruf eines Mimen „Oh gerechter und guter Herr! “ lauter Jubel ausbrach, da die Zuschauer diese Anrede auf ihn bezogen, habe er dies sofort als ungebührliche Form der Schmeichelei (adulatio) getadelt und am nächsten Tag noch einmal in einem Edikt ausdrücklich untersagt. Ähnliches wird über Tiberius berichtet; s. Tac. ann. 2,87: (...) acerbeque increpuit eos, qui divinas occupationes ipsumque dominum dixerant („und [er] schalt diejenigen heftig, die sein Wirken als göttlich und ihn selbst als ‚Herren‘ bezeichnet hatten“; Übers. Heller); vgl. ferner Suet. Tib. 27; Cass. Dio 57,8,1-2. 179 Eutr. 7,23,2: Domitian habe als erster verlangt, ihn dominus et deus zu nennen (dominum se et deum primus appellari iussit); Aur. Vict. Caes. 11,2: Domitian habe in seiner hochmütigen Art sogar die Senatoren verpflichtet, ihn auf diese Weise anzusprechen (ac <?page no="129"?> Das epigraphische Image des Herrschers 121 et deus als zumindest halboffizielle Titulatur datieren die spätantiken Chroniken in das Jahr 85/ 86; 180 sie folgen dabei allerdings recht unkritisch der von Sueton vorgegebenen Zweiteilung der Regierungszeit Domitians in eine ‚gute‘ und eine ‚tyrannische‘ Phase, so dass diese zeitliche Einordnung, die zudem von den übrigen zur Verfügung stehenden Quellen nicht bestätigt wird, keineswegs als gesichert gelten kann. Wenn wir nun den Bestand an epigraphischen Denkmälern aus der Regierungszeit des Domitian mustern, so sehen wir uns ohnehin mit einer ganz anders gearteten Situation konfrontiert. In den inschriftlich oder anderweitig überlieferten, offiziellen Dokumenten der domitianischen Zeit findet sich die anrüchige Titulatur jedenfalls an keiner Stelle; das Gleiche gilt für die Münzen. 181 Die einzige mögliche Ausnahme ist eine bei Martial erwähnte Verordnung des Kaisers über die Sitzplätze im Theater, denn hier ist von einem edictum domini deique nostri die Rede. 182 Es ist aber sehr fraglich, ob dies die amtliche Überschrift war; eher handelt es sich um eine dichterische Umschreibung, die gut zu der panegyrischen Sprache Martials passen würde. 183 Darüber hinaus gibt es im lateinischsprachigen Teil des Reiches nur zwei inschriftliche Belege für Domitian als dominus; beide entstammen jedoch dem Milieu der kaiserlichen Sklaven bzw. Freigelassenen, für die eine solche Praxis normal war. 184 Eine Weihinschrift an Silvanus aus Süditalien, die mit einer Stiftung an das collegium Silvani verbunden war, hat ein Mann namens L. Domitius Phaon aufgrund eines Votums pro salute Domitian[i] Aug(usti) n(ostri) errichtet, während seine Stiftung pro salute optum[i] principis et domini vorgenommen wurde. 185 Eine Grabinschrift aus Rom galt einem früh verstorbenen kaiserlichen Sklaven, Olympus domin(i) Domitiani Aug(usti) ser(vus). 186 Hinzu kommt eventuell ein heute nicht mehr auffindbarer Meilenstein des Domitian aus der Baetica, dessen Inschrift laut den frühen Gewährsmännern mit der Formel D(ominus) n(oster) begonnen haben soll, was von den modernen Editoren aufgrund allgemeiner historischer Erwägungen verworfen wurde - vielleicht zu Unrecht. 187 Weitere gesicherte Fälle sind aus dem Westen des Imperium Romanum nicht bekannt. plus quam superbe utens patribus, quippe qui se dominum deumque dici coegerit); Oros. hist. 7,10,2: Domitian habe befohlen, in als „Herren und Gott“ anzureden (sowohl mündlich als auch schriftlich) und entsprechend zu verehren (dominum sese ac deum vocari scribi colique iusserit). 180 So etwa Hier. chron. ad a. 86: Primus Domitianus dominum se et deum appellari iussit. 181 Vgl. dazu Eck (1981) 347 sowie die bei Oliver (1989) gesammelten Dokumente. 182 Mart. 5,8,1; vgl. zu dem Edikt auch Suet. Dom. 8,3, wo die genannte Bezeichnung jedoch nicht vorkommt. 183 Vgl. dazu o. Anm. 173. 184 Vgl. hierzu auch Martin (1987a) 194-196; Gering (2012) 130-139. 185 CIL X 444 = ILS 3546 = InscrIt III 1,7 (Caposele/ regio III), vgl. auch u. Anm. 237. 186 CIL VI 23454. 187 CIL II 4722 (Corduba/ Baetica) aus dem Jahr 90; dazu Sillières (1990) 98 Nr. 36. <?page no="130"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 122 Etwas anders stellte sich die Situation im Osten des Reiches dar, wozu aber sogleich angemerkt werden muss, dass dort sowohl die Anrede des Kaisers als / als auch die Bezeichnung des (lebenden) Herrschers als ! bereits eine längere Tradition besaßen, 188 so dass die (vereinzelte) Anwendung dieser Begriffe auf Domitian keineswegs sonderlich heraussticht. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Inschriftendossier aus Delphi aus dem Jahr 90. Es enthält unter anderem einen Brief eines Prokonsuls von Achaia an die Amphyktionen. In diesem verweist der Statthalter auf einen an ihn gerichteten Brief des Domitian, den er mit der Bezeichnung / L [ 6 $ ]J . " einführt. Als Teil desselben Dossiers ist aber auch ein originaler Brief des Domitian an die Stadt Delphi, der ebenfalls die hier in Frage stehende Angelegenheit betraf, in Stein gemeißelt worden, und hier findet sich nun die ganz gewöhnliche Titulatur des Kaisers ohne jeden Zusatz. 189 An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine solche überhöhende Ansprache des Herrschers in der Regel nicht von diesem selbst initiiert, sondern an ihn herangetragen wurde - in diesem Falle von einem Mitglied des römischen Senats, der sich an ein griechisches Publikum wandte, das Anreden dieser Art durchaus gewöhnt war. Auch in den Datierungsformeln ägyptischer Inschriften wurde Domitian bisweilen als / bezeichnet, 190 aber erneut ist darauf zu verweisen, dass dies im vorliegenden Kontext nichts Ungewöhnliches war. Ferner wurde Domitian in einigen Inschriften aus Kleinasien von den lokalen Dedikanten als ! angesprochen. 191 In allen genannten Zeugnissen handelte es sich bei den Bezeichnungen wie dominus, / oder ! für Domitian also augenscheinlich um individuelle Zuschreibungen, welche die Stifter bzw. Initiatoren dieser epigraphischen Monumente vorgenommen hatten (vgl. dazu ausführlicher u. Ab- 188 Zur Ansprache des Kaisers als / (und bisweilen auch als ! - 6 / ) in griechischen Inschriften und Papyri vgl. van’t Dack (1974) 873f.; Hagedorn u. Worp (1980) sowie die differenzierenden Beobachtungen von Dickey (2001); ferner u. Anm. 199 zu Nero. Zur Bezeichnung des lebenden Kaisers als ! vgl. Price (1984b). 189 Für das gesamte Dossier s. Syll³ 821 (vgl. auch u. Anm. 350); für den Brief des Prokonsuls s. auch CID IV 142; für den Brief des Kaisers an Delphi Oliver (1989) 130f. Nr. 42. Zum Umgang mit dem Namen Domitians in diesem Dossier nach seiner damnatio memoriae s. u. S. 155. 190 So etwa in SEG 47, 2147 (unbekannter Fundort in Aegyptus), vgl. auch u. Anm. 237. 191 I.Priene 229 (Rundbasis für Domitian als ! - , errichtet vom Demos von Priene) und IAph2007, 11.104 (Ehreninschrift aus Aphrodisias, in der ein [---] < E - S - ! erwähnt wird, welcher mit einiger Wahrscheinlichkeit mit Domitian identifiziert werden kann; verantwortlich für die Errichtung der Statue[? ] war ein lokaler Priester namens Dionysios, Sohn des Papylos); ferner eine weiterere, bislang unpublizierte Statuenbasis aus Aphrodisias (Inv. Nr. 75-143; s. Smith [2006] 78 H23), welche vom Demos der Stadt errichtet und in deren Inschrift Domitian als angesprochen wurde. Vgl. hierzu Chaniotis (2003), den Kommentar zu IAph2007, 11.104. (und auch ebd. 6.2) sowie u. Anm. 238. <?page no="131"?> Das epigraphische Image des Herrschers 123 schnitt 4). Sie reagierten damit eventuell auf bestimmte Vorlieben Domitians, dessen autokratischer Regierungsstil vermutlich auch in den Provinzen bekannt war, aber es gibt keinerlei Beweise dafür, dass sie hierbei direkten Vorgaben aus der Zentrale folgten, zumal die von ihnen gewählten Anreden des Herrschers gerade im Osten des Reiches durchaus auch in einer lokalen Tradition standen. Jedenfalls können diese Inschriften nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass Domitian tatsächlich eine radikale Änderung der offiziellen Kaisertitulatur veranlasst hat, wie es ihm von der späteren literarischen Überlieferung vorgeworfen wurde. Vielmehr ergibt sich das Bild einer eher evolutionären Entwicklung, und somit resümiert Alain Martin sicherlich zu Recht: „Domitien innove peu en matière de dénominations impériales. (...) Domitien, par sa titulature, s’inscrit dans une continuité impériale“. 192 Dasselbe lässt sich von Nero sagen - beide Kaiser haben zwar einige Neuerungen in der offiziellen Titulatur eingeführt, aber diese bauten entweder auf bereits etablierten Praktiken auf oder wurden auch von den nachfolgenden Herrschern fortgeführt, so dass man hierin u. E. keine markanten Brüche oder Normüberschreitungen sehen kann. 4. Jenseits der offiziellen Titulatur - Formen der Anrede und Bezeichnungen des Kaisers Die Ansprache des Kaisers war keineswegs auf die offizielle Kaisertitulatur beschränkt, sondern wurde - besonders in den Kaiserinschriften nach der oben in Abschnitt 1 formulierten, weiter gefassten Definition - durch ein breites Spektrum an Zuschreibungen ergänzt, die den Kaiser z. B. auf religiöser Ebene überhöhten oder sich auf gängige Herrschertugenden bezogen. Diese hauptsächlich epigraphisch überlieferten Epitheta werden in der Forschung unter dem Begriff der ‚inoffiziellen‘ Titulaturen subsumiert, womit ganz allgemein jede Bezeichnung des Kaisers gemeint sein kann, die zusätzlich zu seiner offiziellen Titulatur gebraucht wird. 193 Obwohl der Begriff der ‚inoffiziellen Kaisertitulatur‘ ganz unterschiedliche Ansprachen und Bezeichnungen in verschiedenen Quellengattungen umfasst und daher nicht ganz unproblematisch ist, hat er sich doch als heuristisches Mittel bewährt, da er die klare Abgrenzung von der zumindest bis zur Mitte des 3. Jhs. gut bekannten offiziellen Kaisertitulatur deutlich macht. Die inoffiziellen Epitheta haben zum einen das Potential, Einblicke in die Gestaltung und Rezeption 192 Martin (1987a) 207. 193 Eine erste Definition findet sich bei Frei-Stolba (1969) 19f. Geprägt wurde der Begriff der ‚inoffiziellen Titulatur‘ von Leo Berlinger, der 1935 in der bisher einzigen Monographie zu diesem Thema einige ausgewählte, besonders häufige lateinische Epitheta des 1. und 2. Jhs. auf ihren ideengeschichtlichen Gehalt und ihre Entwicklung hin untersuchte. <?page no="132"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 124 der Repräsentation der Kaiser zu gewähren. Zum anderen bieten sie die Möglichkeit zu untersuchen, wie der Kaiser von den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im Römischen Reich gesehen bzw. dargestellt wurde, denn unsere Kenntnis der Epitheta beruht zu einem großen Teil auf epigraphischen Monumenten, die außerhalb Roms errichtet wurden. Die Verwendung einer solchen Bezeichnung oder einer Anrede erfolgte nicht beliebig, sondern wurde von der Vorstellung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen (z. B. Senatoren, Angehörigen des Militärs oder Provinzialen) von einem idealen Herrscher und ihren jeweiligen Erwartungen an den Kaiser beeinflusst. Andererseits verorteten sich die Stifter durch epigraphische Monumente, die den Kaiser verherrlichen, auch in ihren jeweiligen lokalen Kontexten. Für Nero und Domitian sind 21 bzw. 14 Inschriften mit inoffiziellen Zuschreibungen erhalten. Diese auf den ersten Blick geringe Anzahl von Belegen ist vor dem Hintergrund ihrer damnatio memoriae und der im Zusammenhang damit sicherlich in breitem Umfang erfolgten Zerstörung von Monumenten zu relativieren: Gerade angesichts der Tatsache, dass Nero und Domitian zu Staatsfeinden erklärt wurden, sind die von ihnen erhaltenen Inschriften mit inoffiziellen Titulaturen im Verhältnis zu denen anderer Kaiser aus dem 1. Jh. sogar als relativ zahlreich anzusehen, denn mit Ausnahme von Augustus sind für alle Kaiser bis Nerva nur wenige solcher Texte überliefert. 194 Das illustriert beispielsweise ein Vergleich mit Vespasian, für den trotz seiner zehn Jahre währenden Regierung gerade einmal fünf Inschriften mit inoffiziellen Epitheta überliefert sind. 195 Dieser Befund könnte darauf hindeuten, dass sowohl unter Nero als auch unter Domitian in stärkerem Maß auf diese Form der Darstellung des Kaisers in Inschriften zurückgegriffen wurde, als das für andere Kaiser des 1. Jhs. mit Ausnahme des Augustus der Fall war. 194 Dieser Befund steht in einem gewissen Gegensatz zu dem o. in Abschnitt 2 beschriebenen Gesamtbefund neronischer und domitianischer Inschriften, nach dem deren insgesamt recht niedrige Gesamtzahl besonders im Vergleich mit Inschriftenzahlen der Vorgänger und Nachfolger wesentlich deutlicher die Auswirkungen der damnatio memoriae auf die Überlieferung ihrer Monumente bezeugt. Zu den Gründen, die besonders in den Provinzen zum Erhalt der Inschriften geführt haben können, vgl. u. Abschnitt 5. 195 CIL III 32 = I.Memnonion 4 (Imp(erator) n(oster); Theben/ Aegyptus); TAM II 1188 ( F 0 ; Phaselis/ Lycia); Rizakis (2008) 189 Nr. 129 ( ! - die Titulatur spricht u. E. gegen eine Datierung nach 79; Aigios/ Achaia); SEG 56, 1762 = AE 2006, 1512 (dazu s. u. Anm. 2312) u. SEG 56, 1763 = AE 2006, 1511 ( $ J ! - F 6 ! #" ; Olympos/ Lycia). <?page no="133"?> Das epigraphische Image des Herrschers 125 4.1. Inoffizielle Epitheta für Nero Mit einer Ausnahme stammen alle inoffiziellen Epitheta Neros aus dem griechischsprachigen Osten. 196 Bezeichnungen als oder ! , die für Nero in vielfachen Variationen belegt sind, 197 waren zu seiner Zeit bereits Standardelemente der Ansprache eines Herrschers in diesem Teil des Reiches. 198 Das gilt auch für Zuschreibungen, die den Kaiser als „Herren (der Welt)“ stilisieren. 199 Interessanter sind drei auch in anderer Hinsicht bemerkenswerte Inschriften aus Akraiphia, Athen und Patara, in denen Epitheta gewählt wurden, die auf den Kaiser als obersten Feldherren Bezug nehmen. 200 Bei Nero fallen in erster Linie die Begriffe ins Auge, die auf seine Stilisierung als Apollon und Sol Bezug nehmen und ihn als R ## und T# feiern, 201 auch wenn beide Bezeichnungen keineswegs neu waren, sondern bereits für frühere Kaiser belegt sind. 202 Besonders die Be- 196 Bei der einzigen lateinischen Inschrift, in der Nero als optumus maximusque princeps bezeichnet wird, handelt es sich um eine Bronzetafel mit der Abschrift einer Gerichtsentscheidung eines Statthalters unter Otho, in der auf die Entscheidungen eines früheren (neronischen) Statthalters verwiesen wird. Die Bezeichnung war gerade aufgrund der fehlenden Namensnennung nur für einen Leser mit Hintergrundwissen auf Nero zu beziehen und wurde zudem erst postum verwendet: CIL X 7852 = ILS 5947 (aus Serri/ Sardinia, datiert auf den 18. März 69; zum Bezug auf Nero s. Frei- Stolba [1969] 28; Bradley [1978] 68-70). Vgl. auch u. Anm. 2437. Zum Kaiser als optimus vgl. auch den Beitrag von Ruurd Nauta in diesem Band, bes. S. 30. 197 Nero als Wohltäter und Retter: I.Fayoum II 147 = OGIS 668 = IGR I 1124 ( 6 . F 0 ; Fayoum/ Aegyptus). Nero als ! : I.Tralleis 39 ( ! ; Tralleis/ Asia); Forrest (1966) 203 Nr. 7 ( / ! ; Volissos auf Chios/ Asia); IGR III 986 ( ! - 6 ; Salamis/ Cyprus); I.Salamis 11 ( [! ] ). Unsicher bleibt die Inschrift IGR III 985 (Salamis), die wohl auf Nero zu beziehen ist, das Epitheton aber nicht überliefert; vorzuziehen ist zudem die Ergänzung [" ] gegenüber [ ] . Einen Hinweis auf eine noch unpublizierte Inschrift aus Mylasa (Asia) mit einer ganz und gar ungewöhnlichen Bezeichnung aus der Zeit noch vor Neros Regierungsantritt gibt Ferrary (1997) 218 Anm. 48 (der junge Nero als R - #F ). 198 Vgl. den breit angelegten Überblick bei Taeger (1960) 186-209 (Augustus), 275-278 (Tiberius), 292-294 (Caligula), 301f. (Claudius). 199 SEG 43, 1150 ( / ; Wadi Hammamat/ Aegyptus; vgl. Kayser [1993]); I.Deir El-Bahari 175 ( / ; Deir El-Bahari/ Aegyptus); IG VII 2713 Z. 55 u. 31 ( / bzw. 3 - - / ; Akraiphia/ Achaia). Vgl. hierzu auch o. Anm.1 8 8. 200 IG VII 2713 (Z. 31-32 u. 40: . " ; Akraiphia/ Achaia); IG II/ III² 3277 ( . " ; Architrav-Inschrift an der Ostseite des Parthenon in Athen; dazu o. Anm. 29, 89 u. 106); kan-I k u. a. (2008) 153 ( . " F 6 ! #" ; Patara/ Lycia); zum praenomen Imperatoris Neros vgl. o. S. 104-106. 201 Beide Zuschreibungen wurden bereits intensiv untersucht. Zur Entwicklung von der Entstehung dieser Vorstellungen bis hin zu ihrer Aufnahme in die Repräsentation Neros nach 64 vgl. Bergmann (1998) 214, 223f. 202 Bereits Augustus wurde in Asia und Achaia mit Apollon gleichgesetzt: SEG 54, 752 (Halasarna auf Kos); OGIS 457 (Alabanda); IG IV² 1116 (Megara); s. ferner u. Anm. 205 zu Athen. Zum Apollon/ Sol-Vergleich in Neros frühen Regierungsjahren (im Kontext <?page no="134"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 126 zeichnung Neros als T# war weiter verbreitet und findet sich in Inschriften aus Achaia und Kleinasien. 203 Dass diese Vorstellung in einer Weihinschrift aus Sagalassos in Pisidia bereits zu einem Zeitpunkt umgesetzt wurde, als Nero noch Caesar war, zeigt, dass man in den Provinzen bei der Ausgestaltung des kaiserlichen Images durchaus innovativ und selbständig handelte. Eine Besonderheit sind mehrere Altäre in Athen, die Nero als R ## geweiht waren. 204 Bereits für Augustus ist eine Statuenbasis mit derselben Zuschreibung aus dieser Stadt bekannt, 205 sodass die neronischen Altäre in einer bereits seit längerem etablierten lokalen Tradition standen. Da ihr Formular keine genauere Datierung zulässt, 206 könnten sie möglicherweise bereits errichtet worden sein, noch bevor Nero selbst anfing, sich als Apollon zu inszenieren. Ungewöhnlich ist allerdings neben ihrer einer Orientierung an Augustus) vgl. Bergmann (1998) 219. Caligula als T# in Asia: Syll 3 798 (Kyzikos); dazu o. Anm. 172. Anders als für Nero hat die Sol-Identifikation für Caligula selbst wohl keine Rolle gespielt. In den Provinzen findet sie sich dennoch häufiger; so gibt es neben der Inschrift aus Kyzikos erstmals für einen lebenden Kaiser auch Darstellungen Caligulas mit der Strahlenkrone in lokalen Münzprägungen, vgl. Bergmann (1998) 127-129. 203 IG VII 2713 (Z. 34: T# $ #" ) I V## ; Akraiphia/ Achaia); IGR III 345 = AE 1893, 55 (Sagalassos/ Pisidia; für Nero als Caesar); SEG 18, 566 = AE 1961, 22 (Prostanna/ Pisidia); vgl. Strocka (2010) 67. Nero wird zudem in einer beschrifteten Basis aus dem Sebasteion von Aphrodisias, deren zugehöriges Relief mit figürlicher Darstellung verloren gegangen ist, mit Helios in Verbindung gebracht: IAph2007, 9.42. Ähnliches lässt sich für Korinth vermuten: Auf den Propylaia an der Agora standen nach Paus. 2,3,2 zwei vergoldete Quadrigen, von denen eine Helios und die andere Phaeton zeigte. Nach Strocka (2010) 63-69 soll auch dies gezielt auf Nero und seine bekannten Vorlieben angespielt haben, da das später auf Phaeton umgedeutete Bildnis ursprünglich den Kaiser repräsentiert habe. Zu einer Darstellung des Sol mit den Zügen Neros (aber ohne Nennung von dessen Namen in der Inschrift) auf einem Altar in Rom (CIL VI 3719 = 31033 = ILS 1774) vgl. Bergmann (1998) 194-201. Zu einem wagenfahrenden Helios mit neronischen Gesichtszügen auf einer Panzerstatue vgl. den Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band, S. 193. 204 Fünf oder sechs solcher Altäre sind erhalten; vgl. dazu die detaillierte Aufstellung o. in Anm. 32. In fünf von diesen taucht die Anrufung Neros als R ## auf; vielleicht stand sie auch in der vollständig eradierten zweiten Zeile von IG II/ III² 3229; so Schmalz (2009) 122. Zum Befund der Athener Altäre und zu der Zuschreibung als R ## vgl. auch Hoët-van Cauwenberghe (2007) 228-233. 205 IG II/ III² 3262 + 4725 = SEG 29, 167 = Schmalz (2009) 99 Nr. 127. Die Gleichsetzung des Augustus mit Apollon in dieser Ehreninschrift ist nicht in erster Linie als ein Rückgriff auf Elemente von Augustus ´ Repräsentation zu bewerten, sondern war im Wesentlichen eine athenische Schöpfung; vgl. Hoff (1992); Kantiréa (2007) 50, 76f., 95- 98; Hekster (2011) 4. Die Bezeichnung von Mitgliedern des Kaiserhauses als „neuer Gott“ war in Athen schon früh aufgekommen, so etwa für C. Caesar als „neuer Ares“ (IG II/ III² 3250). Dabei lässt sich eine besondere Nahbeziehung der julisch-claudischen Kaiser zu Apollon ausmachen (dazu auch Geagan [1984] 76f.); so schon für Augustus (s. o.) und später für Claudius, der auf einer Statuenbasis von der Agora als Apollon Patroos angesprochen wurde (IG II/ III² 3274 = Agora XVIII H258 mit Kommentar). 206 Vgl. aber o. S. 91f. zur möglichen Datierung dieser Altäre in die Spätzeit Neros. <?page no="135"?> Das epigraphische Image des Herrschers 127 Konzentration auf Athen ihre recht große Anzahl, die doch dafür spricht, dass sie aufgrund eines konkreten Anlasses enstanden sind. Als Kontext bietet sich der erwartete (und dann doch ausgebliebene) Athen-Besuch des Kaisers während seiner Griechenlandreise im Jahr 66/ 67 an. 207 Trifft dies das Richtige, könnten die Altäre wiederum als Hinweis auf eine Auseinandersetzung der Athener mit der Selbstdarstellung Neros verstanden werden. Ganz in lokalen Kontexten verortet sind ferner Gleichsetzungen Neros mit Göttern wie W O X# ! in Achaia, ! - in Ägypten (zu beiden s. u.) und vielleicht auch R # in Kos. 208 Unter den lokal konzipierten Zuschreibungen, die unabhängig von der kaiserlichen Repräsentation entstanden und deren Sicht auf den Kaiser individuelle Züge trägt, sind zwei ungewöhnlichere Zuschreibungen hervorzuheben: Nero als ! - in Ägypten und als . " F 6 ! #" in Lykien. Der Kult des ! - , des Schlangengottes mit der Doppelkrone des Pharaos, war besonders für Alexandria charakteristisch und ist außerhalb Ägyptens nicht belegt. Die Gottheit symbolisierte die mit der Nilflut assoziierte Fruchtbarkeit des Landes und wurde sowohl von den ägyptischen wie auch von den griechischen Bewohnern verehrt. 209 Ägyptische Herrscher wurden verschiedentlich mit der Nilflut in Verbindung gebracht oder gleichgesetzt, 210 und auch Nero als ! - kann als Garant der Prosperität des Landes angesehen werden. 211 Die konkrete Gleichsetzung eines römischen Kaisers mit dem ägyptischen Schlangengott ! - begegnet nur unter Nero und war ein regionales Phänomen. Obwohl dabei auf spezifisch ägytische Traditionen zurückgegriffen wurde, deutet in diesem Fall dennoch einiges auf einen römischen Amtsträger, nämlich den praefectus Aegypti Tib. Claudius Balbillus, als (Mit-)Initiator hin. Balbillus war bereits unter Claudius als procurator in Ägypten tätig und dürfte daher mit den dortigen Verhältnissen vertraut gewesen sein, hatte gleichzeitig aber auch engere Kontakte zur kaiserlichen Familie, da er zu den Vertrauten von Neros Mutter Agrippina 207 Vgl. o. Anm. 35. Auch die o. in Anm. 205 angeführte Ehrung des Augustus mit einer Statue und der Zuschreibung als R ## in der zugehörigen Inschrift auf der Basis wird in Zusammenhang mit einem von dessen Besuchen in Athen gebracht, vgl. Schmalz (2009) 99 u. Hekster (2011) 4. 208 Aus Kos stammen die beiden Inschriften IGR IV 1061 ( R #" ) u. 1053 ( R #" , ! - ! ), in denen ein ungenannter Kaiser mit der Gottheit gleichgesetzt wird. Möglich wären aufgrund des Stifters C. Stertinius Xenophon in IGR IV 1053 Nero oder Claudius, vgl. Zimmermann (2003) 331 Anm. 61. 209 Pfeiffer (2010) 92f. 210 Zum Zusammenhang von Herrscher und Nilflut vgl. Pfeiffer (2010) 93; so wurde auch Tiberius als „Nilflut“ bezeichnet, vgl. ebd. Anm. 358 mit Belegen. Zur möglichen Dualität in der Sicht auf den Herrscher als „Bringer der Nilflut“ und als „Nil“ selbst vgl. ebd. 93f. 211 Pfeiffer (2010) 92. <?page no="136"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 128 zählte. Tacitus bringt Balbillus’ Posten in Ägypten mit der angeblichen Verschwörung Agrippinas gegen Nero im Jahr 55 in Verbindung: Nachdem Agrippina den Vorwurf der Verschwörung entkräften konnte, verschaffte sie ihren Freunden, darunter Balbillus, angesehene Ämter. 212 In dieses politische Klima fallen die folgenden Ehrungen für Nero in Ägypten, die auf Balbillus sowie seinen Vorgänger zurückzugehen scheinen, wobei möglicherweise auch Alexandriner in die Ausgestaltung einbezogen wurden: 213 Bereits in einem Entwurf der Proklamation Neros als neuer Regent vom 17.11.54, also noch bevor Balbillus die Präfektur bekleidete, wurde Nero mit dem Gott gleichgesetzt: / 0 12 3! -/ . 4 5 -- 0 .. $ / 0 16 7 / ! . 214 Der Kaiser wird hier zwar mit einer ägyptischen Gottheit gleichgesetzt, doch weist die Formulierung ! - F 0 über diese Provinz hinaus auf sein Wirken im ganzen römischen Reich hin. Aus den folgenden Regierungsjahren Neros gibt es eine ganze Reihe entsprechender Ehrungen, die mit der Amtszeit des Balbillus in Ägypten zusammenfallen: Seit 55 sind in Alexandria neue Phylennamen belegt, die neben Augustus besonders auf Nero hinweisen und unter denen sich mit Begriffen wie 8 # E" auch Anspielungen auf die dem Kaiser zugeschriebene Fruchtbarkeit des Landes finden. 215 Die Gottheit ! - erscheint zudem von 56/ 57 bis 59/ 60 als Schlange mit Krone zwischen Getreideähren und Mohnkapseln auf dem Revers alexandrinischer Tetradrachmen, deren Prägung wahrscheinlich vom Präfekten veranlasst wurde. 216 Ihre Vorderseite zeigt das Porträt Neros mit Lorbeerkranz und die Legende ( ) ! (- ) ( ). 217 In einem Ehrendekret für den Präfekten Balbillus, aufgestellt von den Bewohnern des 212 PIR² C 813. Vgl. dazu Bergmann (1998) 158 mit Hinweis auf Tac. ann. 13,21-22. 213 Eine Beteiligung der Alexandriner vermutet Pfeiffer (2010) 95-97, der auch auf die besondere Ausgestaltung des Kaiserkultes in Alexandria unter Caligula hinweist, ebd. 71f. 214 P.Oxy. VII 1021 Z. 1-13 (Oxyrrhynchos): „Zwar ist der seinen Vorfahren geschuldete und erschienene Gott Caesar zu ihnen hinübergegangen, doch ist die Erwartung und Hoffnung der Welt, der Imperator, ausgerufen worden - der Agathos Daimon der Welt, der auch der Anfang aller guten Dinge ist - Nero Caesar ist ausgerufen worden“ (Übers.: Pfeiffer [2010] 90). Zu Nero als " ! L vgl. Pfeiffer (2010) 91. 215 Darunter W , Y , @.* oder 7.! , vgl. Bergmann (1998) 146f.; Zimmermann (2003) 333; Pfeiffer (2010) 95. 216 Vgl. Bergmann (1998) 158. 217 RPC I 5210 (Taf. 186), 5219, 5230, 5240 (Taf. 187), 5249, 5260 (Taf. 187); s. ferner Geißen (1974) 46 Nr. 113 mit Abb. Zur Interpretation der Prägungen als Gleichsetzung von Kaiser und Gottheit vgl. Pfeiffer (2010) 97 mit Anm. 383 (mit weiterer Lit.). In die Jahre 56/ 57-59/ 60 gehört auch die Revers-Darstellung des sitzenden Nero mit Strahlenkrone (und der Legende Z\: 8(: ? @) 87: = <7^@<_: = ), einem Attribut, das in stadtrömischen Prägungen erst einige Jahre später erscheint; vgl. Bergmann (1998) 174 sowie zu den Deutungsmöglichkeiten der Strahlenkrone in Neros früher Regierungszeit ebd. 134. <?page no="137"?> Das epigraphische Image des Herrschers 129 Dorfes Bousiris, wird Nero - die Formulierung der oben genannten Proklamation aufgreifend - wiederum als ! - F 0 bezeichnet. 218 Der Text geht ausführlich auf die von Neros Stellvertreter in Ägypten veranlassten Wohltaten ein und erwähnt den Kaiser als obersten Euergeten außerhalb der Datierungsformel lediglich zu Beginn. 219 Dass die Verbindung von Herrscher und Nil auch unmittelbar nach Neros Sturz ihre Attraktivität behielt, zeigt das Beispiel Vespasians, in dessen Repräsentation allerdings von Nero abweichende, eigene Akzente gesetzt wurden. 220 Ein weiteres Beispiel für lokale Initiativen bei der Ausgestaltung der Kaisertitulatur findet sich auf der Bauinschrift des Leuchtturms von Patara, der 64/ 65 errichtet wurde und Nero als „Herrn über Land und Meer“ ( . - " F 6 ! #" ) feiert. 221 Von den 20 (in Z. 1 sogar 30) cm großen Buchstaben aus vergoldeter Bronze zeugen nur noch die Vertiefungen und Dübellöcher auf den Kalksteinquadern des Monuments, doch geben die erhaltenen 39 beschrifteten Blöcke noch immer einen guten Eindruck von 218 OGIS 666 = IGR I 1110 = Bernand (1992) 123 Nr. 55 (Bousiris; Dat.: 55-59); vgl. Heinen (2007) 190-196. 219 Z. 2-7: X 6 [[8 ]] D# / D I < E - | S - . " , ! - F | 0 , O ` a . |! I @b $ " c | " K ) I _ E D# / [ ]| 5 ^"#E ## („Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus Imperator, der Gute Genius der bewohnten Erde, hat neben allen anderen Wohltaten, die er Ägypten erwiesen hat, in offenkundiger Vorsorge uns als Präfekten den Tiberius Claudius Balbillus geschickt“; Übers.: Heinen [2007] 192). 220 Zimmermann (2003) bes. 328, 334 u. 336. Vielleicht in Anspielung auf die flavische Repräsentation in Ägypten ließ Vespasian nach Plin. nat. 36,58 zudem im templum Pacis in Rom eine Statue des Flussgottes Nil mit 16 spielenden Kindern aufstellen, die nach Zimmermann (2003) 337 u. 341 ägyptische Herrscher-Vorstellungen subtil nach Rom transportierte; zur Interpretation der Statue im Kontext der Getreideversorgung der Hauptstadt vgl. Pfeiffer (2010) 119. Die postulierte Gleichsetzung Vespasians mit dem Nilbringer Sarapis in Form des Ehrennamens <" ist allerdings nicht haltbar, da die Ergänzung in P.Fouad I 8 Z. 15 ( <" [ ] ) ganz unsicher ist, vgl. Pfeiffer (2010) 109 mit Anm. 476, anders Zimmermann (2003) 335f. 221 kan-I k u. a. (2008) 108 (mit Übersetzung); zur Korrektur der Lesung in Z. 7 u. 12 s. Jones (2008) 153f. und ahin (2008) 18f.: 8 D# / [ ] ! 3 D# P , | _ E D < [E] 3 [ 6 S ] [ 3] | D K , ! 3 < E ] [ 3] | , D I < E -[ S ] [ ], | O , [ F] $*[ ] | 5 - ’, g - [ ’, . "] [ ]F | 6 ! #" - [! ’], , | - J" / -[ ]J"|#[ ] [ L] # 4[+ ] | <[ ]* Y [ Z ] | 10 E[ ] 3 [ 6] [ ] | [D ] [ ] [v ] - K („Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, Sohn des vergöttlichten Claudius, Enkel des Tiberius Caesar Augustus und des Germanicus Caesar, Urenkel des vergöttlichten Augustus, oberster Priester, Inhaber der tribunizischen Gewalt zum elften Male, Konsul zum vierten Male, Herrscher/ Sieger über die Erde und das Meer zum neunten Male, Vater des Vaterlandes, hat diesen Leuchtturm zum Schutz der Seefahrenden errichten lassen durch Sextus Marcius Priscus, den kaiserlichen Legaten in propraetorischem Rang, der das Bauwerk hat ausführen lassen“). <?page no="138"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 130 den monumentalen Ausmaßen von Inschrift und Bauwerk. 222 Nero erscheint hier als Bauherr des Leuchtturms im Nominativ, die Bauaufsicht führte der Statthalter Sextus Marcius Priscus. Die Kaisertitulatur entspricht in den Zeilen 1-6 dem üblichen Standard, dessen Konventionen aber bei der Wiedergabe der imperatorischen Akklamation in Zeile 6-7 durchbrochen werden: statt des zu erwartenden, technisch korrekten . " - ! ’ (imp. IX) findet sich eine Erweiterung des Ausdrucks zu [ . "] [ ]F 6 ! #" - [! ’], während der pater patriae-Titel die Titulatur dann wieder konventionell abschließt. Inhaltlich handelt es sich dabei um ein überhöhendes Epitheton mit Bezug auf das Thema der Herrschaft über Land und Meer in Kombination mit der Zählung der imperatorischen Akklamationen. 223 Die Position der Zuschreibung . " F 6 ! #" innerhalb der Titulatur entspricht genau derjenigen der imperatorischen Akklamationen. Doch wurde hier die übliche Ausdrucksform militärischer Sieghaftigkeit innerhalb der Kaisertitulatur gesteigert, indem das Motiv der umfassenden Herrschaft über Land und Meer integriert wurde, ohne auf die Zählung der Akklamationen zu verzichten. Das Resultat ist singulär. Die innovative Formulierung mit der Betonung von Land und Meer als Herrschaftsgebiet des Kaisers erscheint gerade für Patara nicht unpassend: Die Polis war nicht nur eine bedeutende Hafenstadt, sondern zudem ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Lykiens Straßennetz. 224 Die Hilfe für Seereisende wird ebenfalls in der gut sichtbaren Bauinschrift erwähnt, 225 so dass der Bezug zwischen der Bezeichnung des Kaisers als Herr über Land und Meer und dem Monument als Unterstützung der Seefahrt deutlich wird. Auf einer abstrakteren Ebene führte die Inschrift jedem Reisenden vor Augen, dass es die Macht des Kaisers war, die den sicheren Verkehr zu Wasser und zu Land in Lykien garantierte, während gleichzeitig die Loyalität der Provinzhauptstadt gegenüber dem Herrscher publikumswirksam in Szene gesetzt werden konnte. Dabei spielte zum einen der Statthalter Sextus Marcius Priscus eine gewisse Rolle, zum anderen aber wohl auch Boule und Demos von Patara, die dem Statthalter fünf Jahre später mit der Aufstellung seiner Statue bei dem Leuchtturm dankten. 226 Der individuelle Umgang mit der Kaisertitulatur entspricht keinem von einer zentralen Stelle entworfenen 222 Die Inschrift verteilte sich auf die über sechs Schichten angeordneten Blöcke und wies eine Mindesthöhe von 3,70 m auf, wenn auch noch unklar ist, auf welcher Höhe diese Blöcke verbaut waren, vgl. kan-I k u. a. (2008) 94. 223 Anders Jones (2008) 154, der . " F 6 ! #" als einfaches Äquivalent zu . " / Imperator versteht, wofür es aber keinen Anhaltspunkt gibt. 224 Zum Stadiasmus Patarensis und zu dem Ausbau des lykischen Wegenetzes unter Claudius vgl. Adak u. ahin (2007) bes. 11-20 u. 74f. 225 kan-I k u. a. (2008) 108 Z. 8-9: - J" / -[ ]J"|#[ ] [ L] # 4[+ ] , ergänzt in Anlehnung an den Text der beim Leuchtturm aufgestellten Statuenbasis des ausführenden Statthalters Sex. Marcius Priscus, ebd. 109 Z. 9-11. 226 kan-I k u. a. (2008) 108f. <?page no="139"?> Das epigraphische Image des Herrschers 131 Formular einer kaiserlichen Bauinschrift. 227 Es stellt sich daher die Frage, ob das ungewöhnliche Formular auf eine Idee des Statthalters oder der städtischen Gremien Pataras zurückging. 228 Mittlerweile sind aus der langen Statthalterschaft des Priscus in Lykien weitere Bauinschriften mit Erwähnung seiner Beteiligung aus der Regierungszeit Neros, Galbas und Vespasians bekannt. 229 Während die Titulatur der zweiten erhaltenen Bauinschrift Neros in Lykien aufgrund ihrer Eradierung nicht mehr zur Gänze rekonstruierbar ist 230 und andere Kaiserinschriften mit Nennung des Priscus keine oder andere Epitheta aufweisen, 231 gibt es eine Parallele in einer kürzlich entdeckten Bauinschrift eines Badegebäudes in Olympos, in der ebenfalls ein Kaiser im Nominativ als „Herrscher über Land und Meer“ und der Statthalter Marcius Priscus als Ausführender erscheint. 232 Es wäre daher möglich, dass in Patara und Olympos jeweils der Statthalter bei der Ausgestaltung der Kaisertitulatur die Initiative ergriffen hat, doch ist es angesichts der weiteren genannten Zeugnisse ohne auffällige Zuschreibungen, die während der langen Amtszeit des Priscus an verschiedenen Orten Lykiens entstanden sind, plausibler, in beiden Fällen eher von lokalen Konzeptionen auszugehen. Dabei kann die Formulierung der monumentalen Leuchtturm-Inschrift durchaus als Vorbild für die Tituli kleinerer Bauwerke wie des Badegebäudes in Olympos gedient haben, das etwa fünf Jahre später entstand. Für eine Initiative auf der Ebene der Polis spricht nicht zuletzt auch die Positionie- 227 Zum Formular mit Nero im Nominativ vgl. kan-I k u. a. (2008) 110f., die vermuten, dass der Casus auf die Involvierung Neros vielleicht im Zusammenhang mit der Baugenehmigung verweist. 228 In keinem Fall kann es sich um einen Irrtum bei der Wiedergabe der Titulatur handeln - sicherlich wurde das Formular eines so bedeutenden und aufwändigen Bauwerks vor der Anbringung überprüft. Sollte es sich um eine Initiative der Stadt handeln, ist zumindest das Einverständnis des Statthalters vorauszusetzen. 229 Vgl. die Zusammenstellung bei plikçio lu (2008) u. kan-I k u. a. (2008) 112. 230 TAM II 396 mit ergänzter Lesung der eradierten Passage bei Eck (2008) 273f. Zu fragmentarisch erhalten ist außerdem die vespasianische Bauinschrift F.Xanthos VII 12. 231 Kein Epitheton findet sich in der Weihinschrift TAM II 270 (Ehrenbogen für Vespasian; Xanthos), wohl aber in TAM II 275 ( 6 . 3 ; Statuenbasis für Vespasian aus Xanthos) und plikçio lu (2008) 9f. ( . 6 - 3 ; Ehrung für Galba in Rhodiapolis). 232 SEG 56, 1762 (Olympos; Dat.: 69/ 70, vgl. Anm. 195): @. " D I j#" : . - < E - | <<$ J ! - >> | F 6 ! #" , $ / (! ) - E # I F | < * (! ) Y Z E 3 0 | . Die hier aufeinander bezogenen Begriffe $ J ! - und F 6 ! #" betreffen ganz unterschiedliche Vorstellungen, sodass es nicht verwundert, dass ihre Kombination singulär ist. Inhaltlich ist das Ergebnis alles andere als (selbst)verständlich: Warum brauchte ein „manifester Gott“ den Zusatz „zu Lande und zu Wasser“? Bedenklich stimmt zudem, dass die gesamte Z. 2 ( $ J ! ) auf Rasur steht. Man kann daher von einer Manipulation der Stelle ausgehen, deren Text ursprünglich anders gelautet hat. Dieses Problem soll an anderer Stelle ausführlich diskutiert werden. <?page no="140"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 132 rung der Zuschreibung in Patara: Inschriften von Statthaltern mit Verherrlichung des Kaisers geben in der Regel eher die technisch korrekte Kaisertitulatur wieder und fügen inoffizielle Epitheta separat vor oder hinter der Kaisertitulatur hinzu. Die eigenwillige Variante der Leuchtturm-Inschrift mit der Mischung aus Epitheton und imperatorischer Akklamation entspricht dagegen kaum der Sprache eines römischen Amtsträgers. Doch ist darüber hinaus auch die Tradition lykischer Ehrenmonumente für römische Kaiser aufschlussreich: Zwar handelte es sich bei der in Patara verwendeten Kombination um eine Neuschöpfung, die keinen Nachahmer finden sollte, doch griff das Motiv der Herrschaft über Land und Meer bereits auf frühere Vorbilder in Lykien zurück. So kennen wir zwei Statuenbasen für Augustus und Tiberius, also noch aus der Zeit vor der Einrichtung der Provinz Lycia, die der Demos von Myra im Hafen Andriake errichtete. 233 Beide werden hier mit einem identischen Formular als . " F 6 ! #" bezeichnet. Während Augustus üblicherweise als Imperator Caesar Augustus angesprochen wurde, erschienen die Namensbestandteile hier in umgekehrter Reihenfolge und mit dem Zusatz der Herrschaft über Land und Meer, was die ursprünglich Bedeutung des Imperator-Titels in einen neuen Kontext stellte. 234 Die beiden Basen aus Andriake, die ursprünglich zu einem größeren Ehrenmonument für die kaiserliche Familie gehört haben müssen, 235 belegen jedenfalls bereits vor der Errichtung des Leuchtturms (und zu einer Zeit, in der die Entwicklung der Kaisertitulatur erst ihren Anfang nahm) die individuelle Ausgestaltung des Imperator/ . " - Titels in Lykien. Der Bezug der Epiklese F 6 ! #" auf den . " -Titel ist bislang ausschließlich in diesen drei Inschriften belegt und muss daher als spezifisch lykisches Phänomen angesehen werden, wie auch die Verwendung des Motivs der Herrschaft über Land und Meer allgemein im Kontext von Bauinschriften bislang allein in Lykien begegnet. Die beiden frühen Ehreninschriften sind der Perspektive des Demos von Myra auf die Kaiser geschuldet, die - bedenkt man die Exklusivität des Befundes - 233 IGR III 719 (Doppelbasis für Augustus und Agrippa, Auszug Z. 1-5): p - < E - , p 3 P-[ ], | D . " F | 6 ! #" (! ), - . [ ] | 6 F 3 / [ ] | , Y F . IGR III 721 (Tiberius): _ E D ! - < E - , | ! L < E L P- , . [ ]" | F 6 ! #" , - . - | 6 F 3 / [ ] , | Y F . Vgl. auch die fragmentarisch erhaltene Inschrift IGR III 718. Ebenfalls in diesen Kontext gehört die Weihung SEG 57, 1665 = AE 2007, 1505 aus Tyberissos/ Lycia, die der Demos von Tyberissos und Timiussa für Augustus errichtete und in der das Motiv der Herrschaft über Land und Meer mit dem Ausdruck F 6 ! [ #" ] $ wiedergegeben wird; dazu Schuler (2007). 234 Schuler (2007) 389; zur Titulatur des Augustus in den zitierten Inschriften vgl. ebd. 386f. 235 Zum Kontext dieser Inschriften vgl. Schuler (2007) 388 Anm. 21. <?page no="141"?> Das epigraphische Image des Herrschers 133 durchaus auf die Ausgestaltung der Titulatur in Patara eingewirkt haben könnten. 236 4.2. Inoffizielle Epitheta für Domitian Die inoffiziellen Epitheta Domitians stammen ebenfalls zum größten Teil aus dem griechischsprachigen Osten, doch sind immerhin auch vier lateinische Zeugnisse erhalten. Die griechischen Zuschreibungen weisen ebenso wie bei Nero mit Begriffen wie ! , / oder größtenteils ein standardisiertes Formenrepertoire auf. 237 Ungewöhnlicher ist die Ansprache des Kaisers als ! - in der Inschrift einer vom Demos von Priene errichteten Statuenbasis, in der Domitian nicht nur als „göttlich“ bezeichnet wird, sondern zugleich mit dem Hinweis auf seine Unbesiegbarkeit auch auf die für seine Selbststilisierung so wichtigen militärischen Erfolge angespielt werden sollte. 238 Ebenso wie für Nero gibt es auch für Domitian Gleichsetzungen mit verschiedenen Gottheiten, die in einem lokalen Kontext zu verorten sind. Dazu zählt seine Assoziation mit W O X# ! in Achaia 239 (dazu ausführlicher u.) und wohl auch diejenige mit 9 D ## auf der Widmungsinschrift eines Tempels für Domitian in Anazarbos (Cilicia). 240 Die enge Verbindung oder Assoziation von Domiti- 236 Gefunden wurden die Statuenbasen für Augustus und Tiberius in Andriake, der Hafenstadt Myras. Auch wenn ihr ursprünglicher Aufstellungskontext unklar ist, ist es doch bemerkenswert, dass gerade aus Myra und seinen Gemeinden gleich mehrere frühe Ehrungen mit dem Motiv der Herrschaft über Land und Meer stammen (neben den beiden Basen aus Andriake auch SEG 57, 1665 aus Tyberissos, das eine Sympolitie mit Myra bildete, vgl. Schuler [2007] 385). 237 Domitian als ! : IGR I 862 ( ! ; Chersonesos Taurike); I.Priene 229 ( ! - ; Priene/ Asia). Domitian als / / dominus: SEG 47, 2147 ( / ; unbekannter Fundort in Aegyptus); CID IV 142 ( / L 6 $ J . " ; Brief des Prokonsuls von Achaia; Delphi/ Achaia; dazu o. S. 122); CIL X 444 = ILS 3546 = InscrIt III 1,7 (Aug(ustus) n(oster), optumus princeps et dominus; Caposele/ regio III); CIL VI 23454 (domin(us); Rom). Zur (angeblichen) Anrede Domitians als dominus et deus vgl. oben Abschnitt 3.2. Domitian als Gründer, Retter und Wohltäter: I.Priene 229 ( F # ); vermutlich auf Domitian zu beziehen ist auch die Statuenbasis I.Rhod.Per. 607 ( " ! 1 6 . ; Idyma/ Asia). 238 I.Priene 229 (s. die vorige Anm.); zu dieser und einer weiteren Inschrift aus Aphrodisias mit derselben Zuschreibung, die wahrscheinlich ebenfalls auf Domitian bezogen werden kann, s. o. Anm. 191. Zur Rezeption von Domitians Siegesideologie im Osten des Reiches vgl. ferner o. Anm. 129. 239 FD III 2, 65 (Delphi); IG II/ III² 1996 (Athen). 240 I.Anazarbos I 21 = AE 1920, 72 = SEG 50, 1360. Kaiser und Gottheit werden in dieser Inschrift aus dem Jahr 92/ 93 ohne verbindendes direkt hintereinander genannt, so dass sowohl eine enge Verbindung durch einen gemeinsamen Tempel als auch eine Gleichsetzung möglich erscheinen (Auszug Z. 1-4): @. [ " D ] [ ] ! 3 : . 3 P | [[9 L ]] < E L S L I , | - F $* - E’, . " - E’, H " - + ’, | q E , 6 <?page no="142"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 134 an mit dem Gott der guten Ernte war der Initiative des Stifterpaares L. Valerius Niger und seines Sohnes L. Valerius Varus Pollion geschuldet, die Priesterämter des (munizipalen) Roma- und Kaiserkultes bekleidet haben. Etwas stärker als unter Nero sind bei Domitian Epitheta vertreten, die den Kaiser in eine göttliche Sphäre verweisen, ohne ihn direkt als ! anzusprechen oder eine Angleichung an einen bestimmten Gott vorzunehmen: Neben dem geläufigen griechischen Begriff $ J 241 tritt dabei auch die seltenere lateinische Zuschreibung divinus auf, die zwar epigraphisch erstmals unter Domitian für einen lebenden Kaiser belegt ist, in der literarischen Überlieferung aber bereits mit herausragenden Persönlichkeiten wie Pompeius und Caesar verknüpft worden war. 242 Ebenfalls diesem Bereich zuzurechnen ist die Ansprache als sacratissimus Imperator, die in dieser Form allein für Domitian belegt ist. Die Verbindung eines religiösen mit einem aus der militärischen Sphäre stammenden Begriff erinnert an die oben erwähnte Ehrung als ! aus Priene. Der Gebrauch des Epithetons sacratissimus 243 für einen Kaiser scheint für die Zeit Domitians innovativ gewesen zu sein und ist für ihn epigraphisch, papyrologisch wie auch literarisch belegt. Das Fragment einer Patronatstafel aus Rom aus dem Jahr 82 enthält einen Teil des decretum decurionum, mit dem der Stadtrat der colonia Flavia Deultum in Thrakien beschlossen hatte, Avidius Quietus als Patron ihrer Gemeinde zu gewinnen. 244 Dieser ausführliche Typus einer Patronatstafel 245 enthält das 9 / D ## " . Ebenfalls von einer Gleichsetzung geht Burrell (2004) 221 aus. 241 CID IV 142, s. o. Anm. 237 sowie u. Anm. 311 u. 350. 242 AE 1955, 283 = AE 1973, 137 = Flower (2001) 629 (maximus divinusque princeps, Puteoli/ regio I). Diese bemerkenswerte Ehrung, welche die Stadt Puteoli im Jahr 95/ 96 für Domitian errichtete, weist zudem weitere außergewöhnliche Formulierungen auf, dazu u. S. 160. Zu divinus vgl. Taeger (1960) 47 (Pompeius bei Cicero), 81 (Caesar bei Valerius Maximus); Clauss (1999) 269-276. Claudius wird postum in den Arvalakten vom 28. Juni 54 als divinus princeps parensque publicus bezeichnet, vgl. CFA 22 Z. 8 u. 24. 243 Zu sacratissimus vgl. Hiltbrunner (1986) bes. 2, wonach der Träger des Epithetons den Göttern gleich oder ähnlich ist; vgl. auch Clauss (1999) 278. 244 CIL VI 3828 = 31692 = ILS 6105 = AE 1950, 4 = Nicols (1980) Nr. 27. Die in Deultum angesiedelten Veteranen der legio VIII Augusta waren vom Legionslegaten und späteren Patron Quietus ehrenvoll entlassen worden. Zum Phänomen, dass Gemeinden sich um einen Patron bemühten, der mit den zukünftigen Klienten bereits im Rahmen seiner administrativen Tätigkeiten in Kontakt gekommen war, vgl. Nicols (1980) 544. Eine bronzene Kopie der tabula wurde nach der Übernahme des Patronats im Haus des Avidius Quietus in Rom ausgestellt (Z. 13: in domu sua poni permittere). Zum Fundort der tabula und der Lokalisierung der domus des Quietus vgl. Eck (2010) 217. Für die Anbringung solcher tabulae an die Wand sprechen die in einigen Fällen erhaltenen Löcher, vgl. Nicols (1980) 537. 245 Nach Harmand (1957) 336 Typ 1, vgl. auch Nicols (1980) Nr. 27, 29 und 30 sowie ebd. 539 mit Anm. 17, 553f, 557f. gegen die Einschränkung Harmands, es handle sich <?page no="143"?> Das epigraphische Image des Herrschers 135 Protokoll der Sitzung, während derer die duumviri sich zu der Frage eines neuen Patrons für die Gemeinde äußerten und deren Vorschlag, das Patronat dem kaiserlichen Legaten T. Avidius Quietus anzutragen, angenommen wurde (Z. 4-8). Die Bezeichnung des Kaisers als sacratissimus Imperator bezieht sich inhaltlich auf die im folgenden Abschnitt erwähnte, aus der Perspektive der Antragsteller formulierte Versorgung der Veteranen durch Ansiedlung in der Kolonie (Z. 10: a sacratissimo Imp(eratore) in coloniam Deultum [deducti simus]). Da der betreffende Kaiser namentlich nicht genannt und die Kolonie bereits bei Plinius d. Ä. erwähnt wird, 246 wurde der Passus verschiedentlich auf Vespasian bezogen. 247 Da dieser zum Zeitpunkt der Abfassung der Tafel jedoch schon divinisiert war, stellt sich die Frage, warum die Veteranen in diesem Fall den Kaiser nicht als Divus Vespasianus angesprochen hätten; zudem deuten die unkonkrete Nennung des Kaisers und gerade auch die Verwendung eines ehrenden Epithetons eher auf den lebenden Herrscher hin. 248 Hinzu kommt, dass auch Nachdeduktionen von Veteranen unter späteren Kaiser möglich waren. 249 So ist es zwar sehr viel wahrscheinlicher, dass mit sacratissimus Imperator hier Domitian als regierender Kaiser gemeint ist, ganz ausschließen lässt sich ein Bezug zu Vespasian aber nicht. bei diesem - von Nicols als ‚Italian‘ bezeichneten - Typ nicht um ‚echte‘ Patronatstafeln. 246 Plin. nat. 4,45; vgl. dazu jedoch Mann (1983) 36, der lediglich eine frühere Planung der Kolonie annimmt. Von einer domitianischen Gründung der Kolonie geht auch Galsterer-Kröll (1972) 76 aus. 247 So bereits Ritterling (1924) 1275. Es gibt lediglich eine weitere, vergleichbare Erwähnung eines verstorbenen Kaisers, und zwar in der o. Anm. 196 zitierten Bronzetafel aus Sardinien, in der Nero postum nun gerade nicht als Divus angesprochen werden konnte. Hier ließe sich die positive Erwähnung dahingehend deuten, dass der unter Otho amtierende Statthalter Nero im Kontext eines Rechtsentscheids positiv hervorheben wollte, und - indem er die problematische direkte Namensnennung umging - auf diesen Ausweg verfiel. Für die Veteranen in Deultum stellte sich dieses Problem aber nicht. 248 Zur Identifizierung des Kaisers als Domitian vgl. Mann (1983) 36 mit Anm. 417; außerdem Hiltbrunner (1986) 1 mit Anm. 2 und Frei-Stolba (1969) 33 mit Anm. 110. Abzulehnen ist freilich Hiltbrunners Folgerung, die beiden Erwähnungen von sacratissimus bei Statius (dazu u. Anm. 269) und die beiden epigraphisch-papyrologischen Zeugnisse würden der Bezeichnung „offiziellen Charakter“ verleihen. 249 Vgl. Alföldy u. Halfmann (1973) 352 in Bezug auf diese Inschrift: „Übrigens geht aus dieser Inschrift überhaupt nicht zwingend hervor, daß die dort erwähnten Veteranen der legio VIII Augusta schon unter Vespasian nach Deultum gekommen wären. Im Text wird jener Herrscher, der die Veteranen nach Deultum schickte, ohne Namen, nur als sacratissimus imp., bezeichnet, während am Anfang des Textes der Name Domitians (...) angeführt wird. Es ist nahe liegend, daß mit dem sacratissimus imp. nicht Vespasian, sondern der vorher namentlich erwähnte Domitian gemeint ist. Anscheinend erfolgte zu Beginn seiner Herrschaft eine Nachdeduktion von Veteranen in die schon unter Vespasian gegründete Veteranenkolonie“. <?page no="144"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 136 Die Formulierung aus der Rede der duumviri, in die die Bezeichnung des Kaisers als sacratissimus Imperator eingebettet ist, gibt direkt die Perspektive der Veteranen wieder (Z. 9: cum militaverimus in leg(ione) VIII Aug(usta)). Eine Parallele für diese Art der Ansprache findet sich in einer Patronatstafel der Gemeinde Ferentinum, in der in vergleichbarer Weise die Bezeichnung des Kaisers Trajan als indulgentissimus in das decretum decurionum integriert ist. 250 Der Kaiser hatte dem Titus Pomponius Bassus, den sich die Gemeinde zum Patron wünschte, die cura der von ihm initiierten Alimentarstiftung übertragen. 251 Die Zuschreibung als indulgentissimus Imperator geht somit auf die Perspektive zurück, die der Stadtrat in Bezug auf den Kaiser im Kontext von dessen Alimentarstiftung entwickelte. 252 Die Texte der beiden Tafeln beruhen daher, obwohl sie insgesamt die formalen Kriterien einer Patronatsvereinbarung erfüllen, bei der (beiläufigen) lobenden Erwähnung des Kaisers auf individuellen Formulierungen, die sich auf die für die jeweilige Gemeinde relevanten kaiserlichen Handlungen (Veteranenversorgung, Stiftung) beziehen. 253 250 CIL VI 1492 = ILS 6106 = Nicols (1980) Nr. 29. 251 Z. 8-14: (...) T(itum) Pomponium Bassum clarissimum virum demandatam sibi curam ab indulgentissimo Imp(eratore) Caesare Nerva Traiano Augusto Germanico, qua aeternitati Italiae suae prospexit, secundum liberalitatem eius ita ordinare, ut omnis aetas curae eius merito gratias agere debeat („dass T. Pomponius Bassus, vir clarissimus, die cura, die ihm übertragen worden ist vom huldvollsten Imperator Caesar Nerva Trajan Augustus Germanicus, durch welche er [Trajan] für die Unvergänglichkeit seines Italiens Vorsorge getroffen hat, gemäß dessen liberalitas so ausführt, dass jedes Zeitalter ihm [Pomponius] für seine Fürsorge verdientermaßen Dank sagen muss“). Vgl. zur Interpretation Cotton (1984) 250f. u. Kloft (1970) 97; zu den senatorischen Beauftragten der Stiftung Trajans Eck (1979) 156-158. 252 Zum Begriff indulgentia in Zusammenhang mit der kaiserlichen Alimentarstiftung vgl. Kloft (1970) 97f. und Wierschowski (1998) 766-768; zu der gerade in diesem Text deutlich werdenden Austauschbarkeit von indulgentia und liberalitas vgl. Cotton (1984) 250f. 253 In einer dritten erhaltenen Patronatstafel desselben Typs (CIL IX 3429 = ILS 6110 = Nicols [1980] Nr. 30) wird der Kaiser gar nicht erwähnt, was noch einmal die Individualität bei der Formulierung der beiden relevanten Abschnitte der Tafeln aus Deultum und Ferentinum unterstreicht. Eine Durchsicht der bei Nicols (1980) 560 in der Appendix 1 zusammengestellten Patronatstafeln hat ergeben, dass die beiden Belege die einzigen Beispiele von Patronatstafeln mit Erwähnung des Kaisers überhaupt sind (die standardisierte Datierung nach den Konsuln ausgenommen, so Nero als Konsul in CIL VIII 8837 = ILS 6103 = Nicols [1980] Nr. 5 und CIL II 2958 = ILS 6104 = Nicols [1980] Nr. 19). Unter den Patronatstafeln der weitaus häufiger vertretenen beiden Typen ohne Wiedergabe des Protokolls (vgl. dazu Nicols [1980] 553f.) sind auch einige Exemplare anderer Kolonien erhalten (AE 1941, 79 = Nicols [1980] Nr. 2; AE 1954, 259 = Nicols [1980] Nr. 3; CIL VIII 8837; AE 1913, 40 = Nicols [1980] Nr. 6; CIL X 7845 = ILS 6107 = Nicols [1980] Nr. 28). Abgesehen von ihrer jeweils spezifischen Formulierung, die sich im wesentlichen auf die Anfrage der Gemeinde nach einem Patron und dessen Akzeptanz beschränkt, liegt in allen datierbaren Fällen ein längerer Zeitraum zwischen der Gründung der Kolonie und der Suche nach einem Patron. Die <?page no="145"?> Das epigraphische Image des Herrschers 137 Das gleiche gilt für einen weiteren Text mit dem Epitheton sacratissimus für Domitian, der sich in einem Dossier aus Philadelphia in Ägypten zum Bürgerrechtsstatus der Kinder eines Veteranen erhalten hat. 254 M. Valerius Quadratus hatte bei der legio X Fretensis in Jerusalem gedient und war im Dezember 93 ehrenvoll entlassen worden. Im Juli des darauf folgenden Jahres erhielt er vom Präfekten in Ägypten, wo sich wohl sein Grundbesitz befand, die Bestätigung der steuerrechtlichen Privilegien für seine Kinder aufgrund ihres römischen Bürgerrechts. Erhalten ist von dem Dossier, das Quadratus vermutlich als Nachweis für die lokalen Behörden seines Wohnortes erstellen ließ, 255 nur ein beidseitig beschriebenes Holztäfelchen mit den Abschriften mehrerer Dokumente. Neben der Kopie eines Edikts Domitians zur Steuer- und Zollimmunität von Veteranen und ihren Angehörigen, das auf einer Bronzetafel am Caesareum in Alexandria publiziert worden war, 256 findet sich auch die (unvollständig erhaltene) Abschrift von Privilegien für die am 28.12.93 entlassenen Veteranen der legio X Fretensis und ihre Angehörigen. Darauf folgen die Bestätigung des praefectus Aegypti sowie die ‚eidesstattliche Versicherung‘ des Veteranen Quadratus, dass seine drei Kinder während seines Militärdienstes geboren worden waren und daher gemäß der entsprechenden Privilegien das römische Bürgerrecht besaßen. 257 Abschließend verweist er noch einmal auf das beneficium des optimus princeps. Seinen Eid leistete Quadratus per I(ovem) O(ptimum) M(aximum) et Genium sacratissimi Imp(eratoris) Caesaris Domitiani Aug(usti) Germanici. 258 Während Iuppiter als römischer Schwurgott eine lange Tradition besaß, ist der Schwur beim Genius des Kaisers in diesem Kontext erstmals unter Domitian zu Tafel der Gemeinde Deultum belegt dagegen einen engeren zeitlichen Zusammenhang zwischen der gerade erfolgten Ansiedlung der Veteranen und ihrer Anfrage, was auch die lobende Erwähnung des Kaisers in den Kontext einer gerade erst erfahrenen Wohltat stellt. 254 W.Chr. 463 = CIL XVI App. 12 = C.Pap.Lat. 104 = FIRA² I 76 = AE 1950, 240 = ILS 9059 = IGLÄgypt 61a = Freis (1984) 128-130 Nr. 62 (Übers.); Philadelphia; Dat.: 2. Juli 94. Zum Dossier vgl. Lesquier (1918) 297-312; Wolff (1974) 496-503; Link (1989) 78-88 sowie zuletzt Waebens (2012) 139-143 (mit weiterer Literatur). 255 Die Abschrift des Edikts auf der Außenseite stammt vom Caesareum in Alexandria, wo auch der auf der Innenseite col. III genannte Präfekt seinen Amtssitz hatte. Gefunden wurde das Täfelchen aber in Philadelphia, wo sich der Veteran vermutlich niedergelassen hatte. 256 Außenseite col. II. 257 Innenseite col. III. Die Namen der Kinder müssen auf der in Z. 1-2 genannten Bronzetafel verzeichnet gewesen sein. Zur civitas liberorum für Kinder von Legionsveteranen in diesem Dokument vgl. Waebens (2012) 141-143. 258 Z. 11-16: M. Valerius M. f. Pol. Quadratus coram ac praesentibus eis, qui signaturi erant, testatus est iuratusque dixit per I(ovem) O(ptimum) M(aximum) et Genium sacratissimi Imp. Caesaris Domitiani Aug(usti) Germanici, in militia sibi L. Valerium Valentem et Valeriam Heraclun et Valeriam Artemin omnes tres s(upra) s(criptos) nato esse eosque in aere incisos civitatem Romanam consecutos esse beneficio eiusdem optumi(! ) principis. <?page no="146"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 138 beobachten. 259 Die aus Ägypten bekannten Schwurformeln „beim Kaiser“, die bereits seit Augustus Anwendung fanden, 260 zeigen eine gewisse Varianz in der Formulierung. So konnte unter Domitian (wie im Fall des Quadratus) der Eid zwar zusätzlich bei Iuppiter Optimus Maximus geleistet werden, aber auch allein beim @. " D 9 - < E - S 261 oder bei dessen Tyche bzw. Genius 262 . Der Kontext dieser Eidesleistungen lag im zivilrechtlichen Bereich. 263 Der Variantenreichtum allein der domitianischen Eide macht bereits deutlich, dass es keine vom Kaiser oder den Behörden eindeutig festgelegte Eidesformel gegeben zu haben scheint. 264 So ist auch das Epitheton sacratissimus, das in diesem Kontext gänzlich ohne Parallele ist, als individueller Zusatz des Veteranen zu interpretieren, und gibt daher dessen Sicht auf den Kaiser wieder. Diese Individualität bei der Ausgestaltung des Rahmenformulars wird in einem weiteren Text aus dem militärischen Milieu domitianischer Zeit, einer Deklaration zum Bürgerrechtsstatus des optio T. Flavius Longus, vom Jahr 92 aus dem Fayoum deutlich. 265 Die Zeugen des Longus, zwei Legionäre und ein Veteran, leisteten ihren Eid mit einem identischem Wortlaut, aber ohne Verwendung eines inoffiziellen Epithetons: per Iovem Optimum Maximum et Genium Imp(eratoris) Caes(aris) Do[mitiani]. 266 Dass es keine strengen überregionalen Vorgaben zur römischen Eidesformel gab, zeigt auch das Fehlen der Divi und der Penaten in beiden Veteranen-Eiden, während sie in zeit- 259 Vgl. Bömer (1966) 123. Gemäß der Stadtrechte von Malaca und Irni (s. CIL II 1963/ 64 und Lex Irn.; beide aus der Baetica) cap. 26 u. 59 sollte ein IIvir seinen Amtseid per Iovem et Div(u)m Aug(ustum) et Divom(! ) Claudium et Divom(! ) Vespasianum Aug(ustum) et Divom(! ) Titum Aug(ustum) et Genium Domitiani Aug(usti) deosque Penates schwören. 260 Vgl. Seidl (1933) 10-17 mit den Belegen von Augustus bis Tacitus. Obwohl der Eid beim Genius des Kaisers unter Domitian aufkam, findet sich weiterhin auch die Formel ohne Erwähnug des Genius, ohne dass hierbei lokal bedingte oder sonstige Unterschiede festzustellen wären, vgl. ebd. 23f. 261 Seidl (1933) 11 Anm. 7 mit folgenden Belegen: P.Oxy. 1028 (Oxyrhynchus; Dat.: 86); W.Chr. I 216 = P.Oxy. II 258 (Oxyrhynchus; Dat.: 86/ 87; Eidesformel stark ergänzt); P.Hamb. I 4 = Sel. Pap. II 249 = FIRA² III 168 = Jur. Pap. 86 (Arsinoites; Dat.: 29.3.87); PSI X 1109 (Oxyrhynchus; Dat.: 93/ 94); W.Chr. I 147 = P.Oxy. II 257 (Oxyrhynchus; Dat.: 94/ 95). 262 Neben dem hier besprochenen Text vgl. die griechische Variante in P.Hamb. I 60 = C.Pap.Jud. III 485 (Hermopolis; Dat.: 10.12.90): @. " D 9 3 < E 3 S 3 / . 263 Epikrisis: W.Chr. I 216 u. 147, P.Oxy. VII 1028, PSI X 1109; Volkszählungs-Eingabe: P.Hamb. I 60; Gestellungsversprechen: P.Hamb. I 4. 264 So aber Seidl (1933) 21 u. 38. 265 Ch.L.A. XLVI 1364 = C.Pap.Lat. 102, vgl. Campbell (1994) 10 Nr. 1 (mit Übersetzung). 266 Longus und seine Zeugen beeiden, dass er freigeboren und römischer Bürger ist und das Recht hat, in einer Legion zu dienen, Z. 3-5: Ibi caut[ores --- Fronto et Longinus Celer et L. Herennius Fuscus iurati per Iovem] Optimum Maximum et genium Imp(eratoris) Caes(aris) Do[mitiani Augusti Germanici dixerunt --- T. Flavium Longum supra scriptum] ingenuum natum et c(ivem) R(omanum) esse iusque militan[di in legione habere]. <?page no="147"?> Das epigraphische Image des Herrschers 139 gleiche Schwurformeln für Amtsträger spanischer Munizipien aufgenommen wurden. 267 Dagegen war bereits seit 5 v. Chr. unter Ägyptern die Eidesformel bei D @. " ! 3 P- W O X# ! < E verbreitet, wobei mit der in Ägypten öfters belegten Gleichsetzung von Augustus mit W O X# ! ebenfalls ein zusätzliches, inoffizielles Element Eingang in die Schwurformel gefunden hatte. 268 Literarisch bezeugt ist die zeitgenössische Bezeichnung Domitians als sacratissimus Imperator zweimal bei Statius, in den Vorworten der Bücher II und III der silvae, die in den frühen 90er-Jahren publiziert wurden. 269 Der Kaiser wird mit dieser Zuschreibung eher beiläufig und ohne Namensnennung erwähnt. In silv. 3 praef. 11-14 besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem Kaiser als sacratissimus Imperator und dem Militär: Statius hatte eine Schrift für Maecius Celer verfasst, der vom sacratissimus Imperator zu einer syrischen Legion geschickt worden war, was an die Formulierung in der Patronatstafel aus Deultum erinnert. Alle diese Zeugnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass die Anrede sacratissimus (Imperator) besonders in militärischen Kreisen beliebt war, doch ist die Überlieferung beim derzeitigem Stand noch so dünn, dass dieses Bild durch Neufunde schnell korrigiert werden könnte. Die Verwendung dieser Bezeichnung bei Statius, der sie zudem in silv. 2 praef. 16-18 in einem ganz anderen, ‚zivilen‘ Kontext verwendet, zeigt zudem, dass sie auch außerhalb soldatischer Zirkel gebräuchlich war. Die in Thrakien angesiedelten Veteranen der legio VIII Augusta gebrauchten diesen Terminus bereits im Jahr 82, so dass eine Verbreitung durch die höfische Dichtung wohl auszuschließen 267 Vgl. o. Anm. 259. 268 Zu W O X# ! s. u. S. 140-146. Die Zusammenstellung der Belege für den von Ägyptern geleisteten Eid „bei Augustus“ (s. Seidl [1933] 10f.) zeigt noch weitere Formulierungsmöglichkeiten ohne die Gleichsetzung des Kaisers mit W O X# ! auf, welche vor dem Jahr 5 v. Chr. verbreitet waren. 269 Bereits Hiltbrunner (1968) 6 wies darauf hin, dass sacratissimus Imperator augenscheinlich nur dann verwendet wurde, wenn es galt, den Kaiser anzureden oder über ihn zu sprechen, wohingegen es keine derartigen Selbstbezeichnungen eines Kaisers gibt. Stat. silv. 2 praef. 16-18: eandem exigebat stili facilitatem leo mansuetus, quem in amphitheatro prostratum frigidum erat, sacratissimo Imperatori, ni statim traderem („Der gezähmte Löwe verlangte nach derselben Leichtigkeit des Stils. Denn hätte ich ihn nicht sofort dem allerheiligsten Imperator übergeben, als der Löwe noch im Amphitheater lag, hätte er ihn kalt gelassen“). silv. 3 praef. 11-14: sequitur libellus quo splendidissimum et mihi iucundissimum iuvenem Maecium Celerem, a sacratissimo imperatore missum ad legionem Syriacam, quia sequi non poteram, sic prosecutus sum („Es folgt eine kleine Schrift, mit der ich dem äußerst trefflichen und mir höchst sympatischen jungen Maecius Celer, der vom allerheiligsten Imperator zur syrischen Legion geschickt wurde, auf diese Weise das Geleit gegeben habe, da ich ihm ja nicht folgen konnte“; Übers. Wißmüller, leicht verändert). Zur Datierung der Veröffentlichung der Bücher II und III vgl. Newlands (2002) 9 u. 34 (II u. III: 93); Shackleton Bailey (2003) 98 (II: wahrscheinlich 90), 170 (III: Spätsommer 91); Nauta (2002) 204 (III: 94). <?page no="148"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 140 ist. Es ist dagegen gut möglich, dass er im Umfeld der Armee geprägt wurde - immerhin war diese Personengruppe Domitian so eng verbunden, dass sie nach seinem Tod auf seine Aufnahme unter die Staatsgötter drang. 270 Während die frühesten sicher nachweisbaren Belege für das auf den Herrscher bezogene Epitheton sacratissimus aus der Zeit Domitians stammen, war es dann bei fast allen Kaisern des 2. Jhs. bis Septimius Severus in Gebrauch, besonders unter Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Marc Aurel. Die mit dem Ausdruck verbundene Vorstellung vom Kaiser wurde also nicht als Grenzüberschreitung empfunden, deren Gebrauch unter Domitians Nachfolgern ausgeschlossen gewesen wäre. Während das Epitheton sacratissimus allerdings für Domitian mit dem Bezugswort Imperator verwendet wurde, erhielt es unter Trajan mit dem Bezugswort princeps eine andere Nuance. Der Ausdruck bezog sich jetzt - unabhängig von der sakralen Bedeutung - nicht mehr auf den Kaiser als obersten Feldherren, sondern betonte seine Beziehung zu den anderen Senatoren. 271 4.3. Ein Fallbeispiel: Nero und Domitian als W O X# ! Für eine exemplarische Untersuchung der inoffiziellen Epitheta Neros und Domitians bietet sich die Bezeichnung als W O X# ! an, die beiden Kaisern gemeinsam ist. Als Nero in Griechenland weilte, rief er die Provinzbewohner dazu auf, am 28. November (vermutlich) des Jahres 66 so zahlreich wie möglich in Korinth zu erscheinen. 272 In der Rede, die der Kaiser an diesem Tag vor großem Publikum hielt, gewährte er der Provinz Achaia die allgemeine ‚Freiheit‘ sowie eine Befreiung von den Reichssteuern. 273 In einem selten ausführlichen Dokument sind sowohl die Einladung Neros und seine in Korinth gehaltene Rede als auch die darauf folgende Reaktion der kleinen Polis Akraiphia in Böotien auf einer ebendort gefundenen Marmorstele inschriftlich überliefert. 274 Es handelt sich um die Kopie eines Dekretes, das die Abläufe in chronologischer Reihenfolge festhält: Auf das Einladungsschreiben und die Proklamation des Kaisers folgt die Beschlussvorlage des lokalen Kaiserkultpriesters Epameinondas 275 für Boule und Demos der 270 Suet. Dom. 23. 271 Hiltbrunner (1968) 1f. mit den Belegen in Anm. 3 und der Beobachtung, dass bereits Hadrian wieder als sacratissimus Imperator bezeichnet wurde. 272 Zu der - umstrittenen - Datierung der Freiheitserklärung Neros für Achaia vgl. o. Anm. 20. 273 Zur Bedeutung und Kontext dieser Proklamation vgl. Alcock (1994) 103f. 274 Holleaux (1888) 511-514 = IG VII 2713 = Syll³ 814 = ILS 8794 = Smallwood (1967) 35-37 Nr. 64 = Oliver (1989) 572-575 Nr. 296 = Kantiréa (2007) 213f. Nr. 5. Übers.: Freis (1984) 14f. Nr. 12 und Bergmann (1998) 144f. Zur Rede Neros vgl. außerdem Jones (2000) u. Bergmann (2002). 275 Zu Epameinondas als Initiator dieses Beschlusses vgl. Witschel (2011) 57; zur Person allgemein Oliver (1971); Fossey (1979) 557-559; Kantiréa (2007) 178-180. <?page no="149"?> Das epigraphische Image des Herrschers 141 Stadt: Weil Nero, und zwar „Nero Zeus Eleutherios“, 276 den alten Zustand der Autonomie und Freiheit wiederhergestellt habe, wurde beschlossen, dass man „für jetzt den Altar beim Zeus Soter einweihen solle mit der Inschrift: Dem Zeus Eleutherios Nero in Ewigkeit“. 277 Des Weiteren sollten Kultbilder des Nero Zeus Eleutherios im Apollon-Tempel neben denen der heimischen Götter aufgestellt werden. 278 Der Grund für die Identifikation Neros mit „Zeus dem Befreier“ liegt auf der Hand, denn die Ehrung durch diesen Kult bezog sich direkt auf das Geschenk des Kaisers, der den Begriff $# ! bzw. $# ! mehrmals in seiner Rede gebraucht hatte (Z. 14 und 25). Die Herausbildung eines Kultes für W O X# ! in Griechenland kann mit dem Sieg über die Perser bei Plataiai im Jahr 479 v. Chr. in Zusammenhang gebracht werden, und der Gott wurde auch später von den Griechen mit der Überwindung einer Fremdherrschaft assoziiert. 279 Zentren des Kultes waren Plataiai selbst 280 und Athen, wo der Gott durch eine gleichnamige Stoa an der Agora und durch eine Statue präsent war. 281 Es handelte sich also um einen der alten, weit verbreiteten und demnach für ganz Griechenland wichtigen Kulte. Anspielungen auf die Beziehung zwischen den ! 6 " und Nero finden sich im Dekret aus Akraiphia gleich mehrmals; so bereits in Neros Ansprache, in der er sein Verhältnis zu ihnen als einen von zwei Gründen für sein Geschenk nennt: „Auch als Dank gegen Eure Götter, von denen ich zu Lande und zu Wasser stets Fürsorge erfahren 276 Nero wird zudem in dem Dekret der Polis mit einer Reihe von weiteren ehrenden Epitheta belegt, vgl. dazu die Belege in Anm. 199 u. 203. So ist etwa der Ausdruck a 6 L ’ 0L (...) J # ## (Z. 39-41) singulär. 277 Z. 47-49: ! L - - - - 9 6 < F E - $ "- J r 9 6 X# ! s [[8 ]] 0 0L . Das Dekret von Akraiphia liefert nur eines von vielen Beispielen, die einen engen Zusammenhang zwischen W O < und W O X# ! belegen. Dazu zählt auch die Statue des Gottes vor der Stoa an der Agora in Athen, der sowohl als W O < wie auch als W O X# ! bezeichnet wurde, vgl. Raaflaub (1985) 135-139 und Parker (1996) 239 Anm. 76 mit weiterer Literatur. Obwohl die Bezeichnung Neros als T# im griechischen Osten recht weit verbreitet gewesen zu sein scheint (s. oben S. 125f.) und auch im Dekret aus Akraphaia (Z. 34) erwähnt wird, spielte sie für den dort initiierten Kult für Nero offenbar keine weitere Rolle. 278 Z. 49-51: 6 "# $ 3 R ## 3 Z t ! / I [ L ] ! I . 279 Zum Kult des W O X# ! im 4. Jh. v. Chr. vgl. Parker (1996) 238-241; allgemein Raaflaub (1985) 125-147. 280 Ausführlich dazu Schachter (1994) 125-143 mit den Belegen; ferner Spawforth (2012) 130-138 zur römischen Epoche. 281 Zu Stoa und Statue vgl. Travlos (1971) 527-533, zum Kult des Gottes in Athen Rosivach (1987). <?page no="150"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 142 habe“. 282 Auch in der Beschlussvorlage des Kaiserpriesters wird auf diese Passage Bezug genommen: Epameinondas bringt die Wohltat Neros in Zusammenhang mit dessen „Verehrung unserer Götter, die ihm immer mit Fürsorge und Schutz zur Seite gestanden haben“; 283 auch werden die Kultbilder Neros „zusammen mit den Bildnissen unserer heimischen Götter“ aufgestellt (Z. 49-51). Nero wurde also nicht nur mit einem inhaltlich naheliegenden, sondern auch mit einem bedeutenden und ‚alten‘ Gott assoziiert, was dem antiken Betrachter sicherlich bewusst war und in seinen Augen die Bedeutung der Ehrung hervorhob. Die Inschrift dokumentiert klar die Reihenfolge der Ereignisse: Zuerst erwies Nero seine Wohltat, darauf folgte dann die Ehrung durch die Polis. Die Inschrift aus Akraiphia ist nicht nur der einzige epigraphische Beleg für den Kult des Nero Zeus Eleutherios, sondern auch für die genauen Abläufe bei der Entstehung dieser Zuschreibung. Sie steht aber nicht völlig singulär da, denn mehrere griechische Städteprägungen der neronischen Zeit bezeugen eine weitere Verbreitung der Idee: In den Legenden dieser Münzen wurde die Nennung Neros um den Kultnamen W O X# ! und Iuppiter Liberator erweitert. 284 Für Domitian überliefern zwei Inschriften aus Athen und Delphi die Bezeichnung als W O X# ! . Die Zuschreibung in einer Ephebenliste aus Athen befindet sich zwischen der Kaisertitulatur und dem Archontentitel, sodass an einer Gleichsetzung von Kaiser und Gottheit kein Zweifel bestehen kann (Auszug Z. 1-11): 285 R ! q / w. X [6] @. " D [ ] , ! 3 | : . [ ] 3 P 3, 9 [3 <] E 3 | S 3 9 - X# ! [' ] , | [ ] < " X[ J ] O | HJx y [ ] [ 6 O HJx y] $J - | 5 E [ ] )[ ]. vacat p | ! [ z ! <] " X - J | ( 1 ) 6 [Y ] < " X | J 6 $ <[ # - 282 Z. 22-23: E O ! O H L { 6 F 6 ! #" 0 . 283 Z. 35-37: E 6 . EL O ! O L . " $ 6 } 6 } . 284 Nicopolis: RPC I S-1377A mit Taf. 4. Patras: RPC I 1279/ 80 mit Taf. 65. Sikyon: RPC I 1238-1244 mit Taf. 63. Vgl. Fisher (1980) 6-9; Amandry (1988) 21f.; Levy (1991) 191-193; Bergmann (1998) 203f.; Kantiréa (2007) 81-84. Zur Verbreitung s. auch Holleaux (1938) 183. 285 IG II/ III² 1996 (mit Umzeichnung): „Zum guten Glück! Unter dem Imperator Caesar Domitian Augustus Germanicus, Sohn des Divus Vespasian, Zeus Eleutherios, Archon, schrieb der Kosmet Straton aus dem Demos Epikephisia die von ihm geleiteten und Epheben auf. Als die Theseia abgehalten wurden, waren Straton d. J. aus dem Demos Epikephisia und Menandros, Sohn des Straton aus dem Demos Epikephisia, Agonotheten und siegten in der Naumachie von Salamis. Gymnasiarchen waren Straton aus dem Demos Epikephisia und Menandros, Sohn des Straton aus dem Demos Epikephisia“. Für eine Abbildung der Inschrift s. Graindor (1924) Taf. 18. <?page no="151"?> Das epigraphische Image des Herrschers 143 I $ ] r $ " | < " X [ J 6 | 10 Y - < " [ X J ]. (Es folgt die Namensliste der Epheben). Der einleitende Text, also die Überschrift zu der Namensliste, ist größtenteils innerhalb einer tabula ansata geschrieben. Die erste Zeile mit dem Beginn der Kaisertitulatur weist größere Buchstaben auf, der Text in der tabula bis Z. 11 etwas kleinere. 286 Er stellt eine Art Protokoll zu gymnasialen Ereignissen eines (unbekannten) Jahres dar und enthält eine Auflistung der Gymnasiarchen und Epheben. Dem Protokoll vorangestellt ist die Nennung des eponymen Archon. In dem Jahr, aus dem die Aufzeichnung stammt (zwischen 84/ 85 und 92/ 93), 287 hatte Domitian als - soweit wir wissen - erster römischer Kaiser überhaupt das Archontenamt in Athen inne. 288 Nach ihm wurden die verzeichneten Ereignisse datiert, und allein in dieser Funktion wird sein Name genannt: „unter dem Imperator Caesar Domitian Augustus Germanicus, Sohn des Divus Vespasian, Zeus Eleutherios, Archon“ (Z. 1-3). Innerhalb des Textes der tabula ansata nimmt dementsprechend nicht Domitian den prominentesten Raum ein, sondern der Athener Straton mit seinen Söhnen, deren Verdienste als Kosmet, Agonotheten und Gymnasiarchen hervorgehoben werden. Das Zeugnis aus Delphi ist ebenfalls eindeutig einem athenischen Kontext zuzuordnen. 289 Es handelt sich um die Aufzeichnung einer 9  290 , einer athenischen Opfergesandtschaft unter Leitung des dortigen Apollonpriesters, die in eine Außenmauer des Schatzhauses der Athener in Delphi eingemeißelt wurde: 291 [X] 6 @[.] " [ ] D [ < E] 3 9[ | ] 3 S 3 9 - X# ! [ ] ' [ ] | [$] R! , Ž #! [! ]/ q E [/ ]| [ ] r F * R #[# ] Z ! 6 P O ‘ 3 | Z ’ [D] - / [j # ] j # Y ! 1 , P | 5 - Z [# ] [ j # ] Y ! 1- 286 Die Buchstaben der Namensliste (mehrere Blöcke über 80 Zeilen) sind noch kleiner (0,7 cm). 287 Zur Chronologie vgl. Graindor (1921) 93-95 Nr. 65 und Graindor (1924) 23 Nr. 25. 288 Devreker (1982) 515; Perrin-Saminadayar (2007) 142f.; Kantiréa (2007) 121. Zum Kaiser als eponymen Beamten einer Stadt vgl. Habicht (2005) 117 (mit weiterer Literatur). 289 Die Bezeichnung des Kaisers als W O X# ! kann daher nicht mit Domitians Tempelrestaurierung in Delphi in Zusammenhang gebracht werden - dieser Eindruck entsteht jedoch bei Kreikenbom (1992) 105. 290 Zur 9  vgl. FD III 2, p. 62-70. 291 FD III 2, 65 mit Taf. 3,1: „Unter dem Imperator Caesar Augustus Domitian Germanicus Zeus Eleutherios, Archon in Athen, kamen die Folgenden, um die dodekais bouproros zu opfern: der Herold des Apollon Pythios und Priester des Hermes Patroos, aus dem Geschlecht der Kerykes, Philon, Sohn des Philon aus dem Demos Marathon, der Opfervorsteher Polemon, Sohn des Philon aus dem Demos Marathon, der Seher Philemon aus dem Demos Azenia, der Aulosbläser Philomousos aus dem Demos Marathon. Unter dem Priester des Apollon Pythios in Athen Hipparchos, Sohn des Herodes aus dem Demos Marathon, in Delphi unter Euthydamos und Eukleidas“. <?page no="152"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 144 , " | j [#] R+ [/ , .# ] j # Y ! 1 [ ] . | [X] 6 [P ] $ [R]! [ R ## ] Z ! “ " 3 | [” 1 Y ! - ] , $ [9 #J I 7].! " 6 7. # [ ]. Die Nennung des athenischen Archon Domitian gleicht mit Ausnahme der Filiation, die in Delphi fehlt, derjenigen in Athen. Da in diesem Fall der Kontext der Inschrift bekannt ist, lassen sich noch einige Beobachtungen zur Les- und Wahrnehmbarkeit der Inschrift anfügen: Folgt man der Straße in Richtung Tempel, fällt der Blick zunächst auf die Südwand des Schatzhauses. 292 Die Breite der Mauer von über 9 m wurde ganz ausgenutzt, sodass sie von allen Außenflächen die meisten Inschriften aufweist. Das Gebäude hat nach seinem Wiederaufbau eine rekonstruierte Höhe von ca. 7,60 m, 293 und die meisten Texte befinden sich auf Blöcken, die nicht höher als etwa 3,50 m liegen. 294 Unsere Inschrift befindet sich auf halber Höhe der Mauer, in etwa 3 m Höhe (Abb. 1). 295 Die Buchstaben, auch die des Kaisernamens, sind lediglich 1,2-1,5 cm groß. Unter diesen Umständen konnte der Text von der Straße aus nur sehr schwer entziffert werden. Die Mauer war zudem zu diesem Zeitpunkt bereits dicht beschriftet, d. h. der Blick der Passanten wurde auch nicht auf diese spezielle Inschrift gelenkt. 296 Viele Texte auf der Wand sind weitere Aufzeichnungen von Opfergesandtschaften, bei denen der Archon routinemäßig erwähnt wurde. Die Inschrift diente also allein der Dokumentation der Opfergesandtschaft und nicht der Verherrlichung des Kaisers. Auch wenn die beiden Inschriften aus Athen und Delphi somit nicht primär der Kaiserverehrung bzw. dem Kaiserkult galten, belegen sie doch dessen Existenz in einer besonderen Ausprägung: Es dürfte in Athen einen Kult für Domitian gegeben haben, der diesen mit W O X# ! gleichsetzte und gleichzeitig mit der Übernahme des Archontats oder sogar davor eingerichtet worden war. 297 292 Allgemein zur Topographie vgl. Maass (1993) 168-175. Zur Lage des Schatzhauses der Athener vgl. Büsing (1994) 39f. mit Taf. 7a u. 28a. 293 Maass (1993) 169. 294 In Ausnahmefällen auch noch höher. Allein die zwölf Quaderschichten zwischen den Orthostaten und dem Triglyphenfries sind etwa 4,52 m hoch, vgl. Büsing (1994) 52 und die Maßangaben auf Taf. 6a. 295 Vgl. zur Rekonstruktion der Blöcke Maass (1993) 169f.; zu den unteren Blockreihen Bommelaer (1977) 139-157. 296 Nur neun der zahlreichen Inschriften sind kaiserzeitlich (FD III 2, 59-67). Fünf von ihnen wurden im 1. Jh. angebracht, vier im 2. Jh.; zum Zeitpunkt der Beschriftung des Mauerblocks mit der Inschrift Nr. 65 waren rund 80 Texte bereits unregelmäßig über die Mauer verteilt. Wenn auch eine exakte Angabe zur Höhe der einzelnen Blöcke nicht möglich ist, wird doch deutlich, dass unter Berücksichtigung von Schriftgröße und Komposition der Inschriften an der Mauer die Texte für einen antiken Passanten nicht ohne Weiteres zu entziffern waren. Das gilt auch für viele der Inschriften der anderen beschrifteten Flächen des Gebäudes. 297 Eine Verbindung zwischen einem Kaiser und W O X# ! begegnet auf Provinzebene schon unter Nero: IG II/ III² 1990 = Schmalz (2009) 54 Nr. 65 bezeugt für das Jahr <?page no="153"?> Das epigraphische Image des Herrschers 145 Aber welche ‚Freiheit‘ hat Domitian Athen denn überhaupt geben können, da doch die Stadt bereits seit langem civitas libera 298 war? Anders als im Fall Neros kann man sich im Falle von Domitian nicht auf eine bestimmte Handlung des Kaisers berufen, auf die dann vor Ort mit einer entsprechenden Ehrung reagiert wurde. Philostrat überliefert zwar, dass unter Domitian der einflussreiche und wohlhabende 299 Athener Tiberius Claudius Hipparchos mit der Begründung angeklagt wurde, er habe in Athen eine Tyrannis einrichten wollen, und dass er sein Vermögen an den kaiserlichen Fiskus verlor. 300 ‚Befreite‘ Domitian Athen also doch? Der Zufall der Überlieferung erlaubt es uns, das zu verneinen: Das Dokument aus Delphi nennt ebenjenen Hipparchos als leitenden Apollonpriester der 9  , der sich also zu dem Zeitpunkt, zu dem Domitian bereits als W O X# ! bezeugt ist, noch in Amt und Würden befand. 301 Es ist auch gar nicht nötig, die Zuschreibung von einer spezifischen ‚Freiheits-gebenden‘ Handlung Domitians abhängig zu machen. Domitian zeigte mit der Übernahme des Archontats als (wohl) erster römischer Kaiser außerordentliches Interesse an der Stadt, die sich daher seines besonderen Wohlwollens sicher sein und mit weiterer Förderung rechnen konnte. Dies erforderte von Seiten der Polis eine explizite Geste der Dankbarkeit. Gerade das Archontenamt war für seinen Inhaber mit erheblichen Ausgaben verbunden, die der Stadt zugute kamen. Der Kult des W O X# ! war seit langem in Athen angesiedelt und hatte im vielfältigen religiösen Leben der Stadt (auch neben anderen Zeus-Kulten) 302 einen wichtigen Platz inne. Bekannt war zudem Domitians Affinität zu Iuppiter, 303 so dass eine von einer Stadt umgesetzte Assoziation des Kaisers mit Zeus auf dessen Zustimmung stoßen musste. Die Wahl fiel auf den zu Domitians Zeit bedeutendsten athenischen Zeus-Kult, denn der Tempel für Zeus Olympios war damals noch eine Ruine. 61/ 62 (also noch vor der Freiheits-Proklamation Neros im Jahr 66! ) Tib. Claudius Novius als Priester des Nero und des W O X# ! in Plataiai (Z. 3: 8 D# D S 3 6 9 - X# ! $ L ‘## ). Das verweist zwar auf die Nähe von Kaiser- und Zeuskult, entspricht aber noch keiner Gleichsetzung des Herrschers mit dem Gott wie einige Jahre später in Akraiphia. Zu Tib. Claudius Novius vgl. Carroll (1982) 42-58; Byrne (2003) 170-173 Nr. 213; Kantiréa (2007) 175-178; Schmalz (2009) 290-292. Zur postulierten Ausübung des athenischen Kaiserkults im Anbau der Stoa des W O X# ! an der Agora, für die es aber keinen sicheren Beleg gibt, vgl. Thompson (1966) 180-187 mit Abb. 2; ihm folgen Trummer (1980) 67; Hänlein-Schäfer (1985) 85, 159f. Anm. 21 und Kantiréa (2007) 119-123. 298 Plin. nat. 4,24. 299 Nach Suet. Vesp. 13 belief sich sein Vermögen auf 100 Millionen Sesterzen. 300 Philostr. soph. 2,1,547; vgl. dazu Pleket (1961) 305; Day (1973) 242; Oliver (1981) 417f. sowie zu Hipparchos Byrne (2003) 107f. Nr. 4 und Schmalz (2009) 266-268. 301 So schon Graindor (1931) 115. 302 Travlos (1971) 402-411, 569-575. 303 Scott (1936) 133-140. <?page no="154"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 146 Domitian erfreute sich überhaupt im griechischen Osten großer Beliebtheit. 304 Noch zu Beginn des 3. Jhs. wird er im zwölften Buch der Oracula Sibyllina als Wohltäter besonders der östlichen Provinzen bezeichnet. 305 Seine den Athenern gegenüber wohlwollende Herrschaft machte auf sie offenbar den Eindruck eines freiheitlichen Regimes. 306 Die Ehrung durch den gemeinsamen Kult mit einer alten Stadtgottheit, die zudem auf die Selbstdarstellung Domitians Bezug nahm, sollte die Bindung zwischen dem Kaiser und der Stadt vertiefen. Eine ähnliche Strategie war von den Athenern schon früher angewandt worden, wie die zahlreichen Altäre für Nero als R ## aus dieser Stadt zeigen. 307 Bereits Augustus und später Antoninus Pius wurden mit dem Epitheton W O X# ! bezeichnet. Der Kult für Augustus als Zeus Eleutherios beschränkte sich auf Ägypten, wo er weit verbreitet und auch papyrologisch vielfach belegt ist. Er wird als Innovation mit Bezug auf die Befreiung Ägyptens von den Ptolemäern gedeutet, 308 war also wie im Falle Neros eine Reaktion auf eine bestimmte Tat des Kaisers. Antoninus Pius als W O X# ! ist durch insgesamt vier beinahe identische Weihinschriften bekannt, die allesamt in Sparta zu verorten sind. 309 Gemeinsam ist allen diesen Zeugnissen, dass sie auf regional begrenzte Kulte verweisen und ihre Entstehung nur im Kontext des jeweiligen lokalen Kaiserkultes verstanden werden kann. 310 304 Jones (1992) 111f. 305 Dazu Pleket (1961) 303. Vgl. dazu auch den Beitrag von Knut Backhaus in diesem Band, S. 391f. 306 So auch Graindor (1931) 116. 307 Vgl. o. S. 126f. 308 Herklotz (2007) 256-261, 272f. mit Anm. 135 und Pfeiffer (2010) 55-57 (mit den Belegen); s. ferner I.Philae II 80/ 81 sowie einen Neufund aus Schedia bei Scheuble (2009) 475f. Nr. 5 (allerdings teilweise ergänzt). 309 Drei dieser Inschriften stammen aus Sparta selbst, und für die vierte (fragmentarische) Basis aus Athen ist ebenfalls der Demos von Sparta als Stifter wahrscheinlich: IG II/ III² 3396 (Athen); SEG 11, 766; 36, 359; 41, 316 (Sparta); vgl. Cook (1965) 101 Anm. 1. 310 Weiter verbreitet war die Ansprache des Kaisers alleine als X# ! , die für Augustus auch außerhalb Ägyptens, sowie in Einzelfällen für Trajan und Hadrian bezeugt ist. Außerhalb Ägyptens gibt es aber nur drei bekannte Zeugnisse, in denen der X# ! -Titel nicht mit W O kombiniert wird: SEG 11, 923 = Freis (1984) 28-30 Nr. 20 (Übers.): Divus Augustus wird in einem Volksbeschluss zum Kaiserkult aus Gytheion (Achaia) als < X# ! bezeichnet (Z. 7-8: ! 3 D [ ]| ! 3 P 3 < E 3 < F X# ! ); IG XII² 156 (Mytilene/ Asia): @. " | D < |E L X# [ |! ] ; OGIS 457 (Zumarl Köyi bei Alabanda/ Asia): R ## | X# ! < E 3 . Zu X# ! allein s. auch Taeger (1960) 187f. Zu einer sehr fragmentarischen Inschrift aus Athen, in der Trajan als Vater Hadrians wohl als W O X# ! bezeichnet wird, vgl. Raubitschek (1945). Es gibt bislang keinen einzigen sicheren Beleg für eine Gleichsetzung Hadrians mit dieser Gottheit, vgl. schon Graindor (1934) 168f. Einige Inschriften bezeugen allerdings seine Ansprache als X# ! : IG XII² 183, 184, 185 (Lesbos); Benjamin (1963) 77 Nr. 131 (Perinthos), 132 (Abdera), 133 <?page no="155"?> Das epigraphische Image des Herrschers 147 4.4. Die inoffiziellen Epitheta für Nero und Domitian im Vergleich Ein Vergleich der Tendenzen innerhalb der inoffiziellen Zuschreibungen für beide Kaiser zeigt, dass unter Nero insbesondere auf seine Identifikation mit Apollon und Sol Bezug genommen wurde, während eine vergleichbare intensive Ansprache Domitians etwa als Iuppiter/ Zeus in den Provinzen nicht festzustellen ist. Assoziationen mit wichtigen Lokalgottheiten, die auf regionale Initiativen zurückgingen, sind für beide Kaiser belegt. Etwas auffälliger ist der Befund für militärisch konnotierte Epitheta, die die Rolle des Kaisers als Feldherr thematisierten: Während für Nero mit der Leuchtturm-Inschrift von Patara und der Architrav-Inschrift vom Parthenon in Athen immerhin zwei innovative Zuschreibungen auf repräsentativen Bauten vorliegen, finden sich überraschenderweise kaum Epitheta, die sich auf den gerade für Domitian so bedeutsamen militärischen Aspekt seiner Selbstdarstellung beziehen. 311 In dem einzigen sicheren Zeugnis aus Priene, das sich in diese Richtung interpretieren lässt, wird der Kaiser ! - genannt, was gleichzeitig seine Nähe zur göttlichen Sphäre betont. Insgesamt sind sowohl für Nero wie auch für Domitian Zuschreibungen, welche die Herrscher als göttliche Wesen charakterisieren (durch die Gleichsetzung mit einer Gottheit oder die Verwendung von Begriffen wie sacratissimus, divinus, $ J ), stärker vertreten. Bezieht man aber die Inschriften anderer Kaiser des 1. Jhs. in die Analyse ein, erscheint diese Tendenz nicht als außergewöhnlich, sondern als ein typisches Phänomen der Zeit. So gibt es für fast jeden Kaiser bis in die Mitte des 2. Jhs. Zeugnisse in den Ostprovinzen, die ihn mit Zeus oder - noch häufiger - mit einer Zeus- Epiklese assoziieren. Auch für Nero typische Gleichsetzungen wie T# oder R ## wurden für spätere Kaiser erneut verwendet, erstmals bereits unter Titus. 312 Gleichermaßen finden sich Epitheta Domitians wie sacratissimus, ! oder W O X# ! auch für Trajan. 313 Anspielungen auf militärische Erfolge der Kaiser, die besonders seit Ende (Lysimacheia), 134 (Philippi), 138 (Tomis), vgl. dazu ebd. 83 Anm. 65. Die in der Ergänzung des Inschriftenfragments IG II/ III² 1081/ 5 Z. 4 (Athen) vorgeschlagene gemeinsame Verehrung von W O X# ! und Hadrian bleibt ebenfalls unsicher. 311 Immerhin war die Kurzbezeichnung Domitians als Imperator sehr geläufig: Sowohl Veteranen wie auch Statius sprachen vom sacratissimus Imperator (vgl. o. S. 134-140), der Prokonsul Achaias vom $ J . " (CID IV 142; dazu u. Anm. 350). 312 Titus wird in der Zeit seiner Alleinherrschschaft auf einer Statuenbasis aus Demetrias (Achaia) als R ## bezeichnet (SEG 23, 450). Seit Hadrian gibt es in Kleinasien wieder die Ansprache des Kaisers als T# (s. etwa SEG 57, 1702 aus Kestros/ Cilicia; I.Erythrai II 513 aus Klezomenoi/ Asia). 313 Zu sacratissimus unter Trajan vgl. o. S. 140. Trajan wird in Achaia, Asia und Arabia genannt (IG V 1, 968, 1381; TAM V 1, 713; IGR IV 1333; IGR III 1346), sowie ! - auf der Statuenbasis IG V 1, 380 aus Kythera/ Asia (Dat.: nach 116). In einer Statuenbasis für Hadrian aus Athen wird Trajan postum wohl mit W O X# ! gleichsetzt, vgl. Anm. 310 . <?page no="156"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 148 des 2. Jhs. unter den inoffiziellen Zuschreibungen erheblich an Bedeutung gewannen, waren hingegen nicht nur unter Nero und Domitian, sondern im gesamten 1. Jh. eher selten. Nur ganz vereinzelt wurden Augustus und Tiberius mit Epitheta belegt, die eine explizite militärische Komponente besaßen 314 - dies ist keiner Weise zu vergleichen mit den inoffiziellen Titulaturen der Severer, die fast ausschließlich aus militärisch geprägten Begriffen wie fortissimus, felicissimus oder propagator imperii bestehen. Die Art und Weise, in der ein Herrscher besonders in den Provinzen v o r z u g s w e i s e gesehen wurde, war also im Lauf der Zeit Veränderungen unterworfen, die sich auch im Gebrauch inoffizieller Epitheta widerspiegeln. In diese längerfristige diachrone Entwicklung lassen sich die Zuschreibungen für Nero und Domitian, wenn man nach dem Profil ihrer epigraphischen Monumente fragt, sehr gut einfügen - die beiden Kaiser stellen in diesem Bereich also gerade keine Sonderfälle dar. 5. Der Umgang mit den Inschriften Neros und Domitians nach ihrer damnatio memoriae Die literarischen Quellen überliefern uns eine Vielzahl von Maßnahmen im Umgang mit dem Körper eines Staatsfeindes, seinen Bildnissen und sonstigen Hinterlassenschaften. 315 Eine große Rolle bei der gezielten Entehrung 314 Augustus: IGR I 901 = IOSPE II 354 ( " F 6 [ " ] ! #" ' ; Phanagoria/ Sarmatien); IGR III 719 (Myra/ Lycia, vgl. Anm. 233); SEG 57, 1665 (Tyberissos/ Lycia, vgl. Anm. 233); I.Philae II 142 = IGR I 1295 (Z. 2-4: D 6 , | W 6 L $ W - - X# ! | 7. 1 6 R ; Philai/ Aegyptus; Epigramm des Catilius, vgl. Herklotz [2007] 335-337 mit Anm. 417). Ebenfalls auf Augustus sind die fragmentarisch erhaltenen Inschriften I.Pergamon 381 = IGR IV 309 und wohl auch IGR IV 315 = I.Pergamon 383a zu beziehen ( F[ ] 6 ! [ ]#" [$] [ ] [ ] bzw. [ F 6 ! #"] $ ; Pergamon/ Asia; vgl. Schuler [2007] 389f.). Tiberius: IGR III 721 (Myra/ Lycia, vgl. Anm. 233); SEG 41, 328 (Z. 39-40: • Q 3 - ; Messene/ Achaia). 315 Vgl. dazu Arand (2002). Neben den im Folgenden zitierten Beispielen vgl. exemplarisch die folgenden überlieferten Maßnahmen: Todesart: Suet. Nero 49; Bestattung wie ein Gladiator: Aur. Vict. Caes. 11,8 (Domitian); Entfernen der Bildnisse, Vermeiden/ Tilgen des Namens: Cass. Dio 60,4,5-6 (Caligula); Aur. Vict. Caes. 17,10; HA Comm. 20,5 (Commodus). Gerade in der Literatur wurden die Namen der zu Staatsfeinden erklärten Kaiser allerdings weiterhin genannt. Dagegen wurde unter Vespasian in einer Statuenbasis aus Lydai für den letzten Statthalter unter Nero, Sex. Marcius Priscus, in der man auf seine lange Amtszeit in politisch schwierigen Zeiten verweisen wollte, das Problem der Namensnennung Neros dadurch umgangen, dass man konstatierte, Priscus sei Legat „Vespasians und aller Imperatoren seit Tiberius Caesar“ gewesen (TAM II 131): < * Y" [ ] | Z I , E [ ] | @c. " D [ ] | : . 3 < E[ ]| 3 6 " [@.| ] - _[ ]|E D , | - , | > L F . Dieselbe Formulierung findet sich <?page no="157"?> Das epigraphische Image des Herrschers 149 einer Person 316 spielten deren in der Öffentlichkeit präsentierte Bildnisse; so konnten die Statuen eines Kaisers - wenn kein echter Körper zur Verfügung stand - stellvertretend für diesen geschändet werden. 317 Dieser Zusammenhang wird in der Schilderung der Ereignisse nach Domitians Tod bei Plinius d. J. deutlich: „Welche Freude, die Köpfe mit dem hoffärtigen Gesichtsausdruck zu Boden zu schmettern, mit dem Schwert darauf loszugehen, mit Äxten zu wüten - so als ob jeder einzelne Hieb Blut fließen und Schmerz spüren ließe! “ 318 Bildnisse konnten außerdem auf eine Weise behandelt werden, welche auf eine demonstrative Entehrung der Personen abzielte, die sie darstellten. Sueton überliefert eine solche Maßnahme Neros, bei der es nicht allein auf die Entfernung der Bildnisse anderer Künstler ankam, sondern auch auf deren Verunglimpfung: „Damit aber auch nirgendwo etwas an einen anderen Sieger der heiligen Wettkämpfe erinnere oder eine Spur davon übrig bliebe, gab er den Befehl, die Statuen und Büsten aller Sieger umzustürzen, sie mit einem Haken wegzuschleifen und in die Latrinen zu werfen.“ 319 Eine solche symbolische Entehrung konnte sich auch auf die inschriftlichen Texte auf den Statuenbasen beziehen. Das zeigt eine von Elagabal angeordnete Aktion in seinem Bemühen, den Caesar Severus Alexander zum hostis zu erklären: (Elagabal) „schickte Leute ab, die auch in der Kaserne die Inschriften der Statuen Alexanders mit Kot beschmieren sollten, wie das bei Gegenkaisern üblich ist.“ 320 Monumente der Kaiser, die zu Staatsfeinden erklärt worden waren, konnten darüber hinaus auch vollständig zerstört werden, wobei das Ausmaß solauch in der Inschrift einer Statuenbasis für Priscus am Leuchtturm von Patara, mit der Boule und Demos von Patara ihn ehrten, vgl. kan-I k u. a. (2008) 109. 316 Vgl. allgemein zur damnatio memoriae Vittinghoff (1936); Kajava (1995); Pesch (1995); Hedrick (2000); Benoist (2003) u. (2004); Lefebvre (2005); Flower (2006); Benoist (2007); Benoist u. Daguet-Gagey (2008); Benoist u. a. (2009); Krüpe (2011). Zu ihren Auswirkungen auf Bildnisse vgl. u. a. Born u. Stemmer (1996) und Varner (2004), zu denjenigen auf die Münzen Howgego (1985) 5f. und Hostein (2004). In Bezug auf die literarische Überlieferung vgl. exemplarisch Levin (1985). 317 Das wird z. B. deutlich bei Cass. Dio 58,11,3 (Sejan). 318 Plin. paneg. 52,4: Iuvabat illidere solo superbissimos vultus, instare ferro, saevire securibus, ut si singulos ictus sanguis dolorque sequeretur (Übers. Kühn). 319 Suet. Nero 24: Ac ne cuius alterius hieronicarum memoria aut vestigium extaret usquam, subverti et unco trahi abicique in latrinas omnium statuas et imagines imperavit (Übers. Martinet). 320 HA Heliog. 13,7: Misit qui et in castris statuarum eius titulos luto tegerent, ut fieri solet de tyrannis (Übers. Hohl). <?page no="158"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 150 cher Vernichtungskampagnen für uns kaum mehr nachvollziehbar ist. 321 Wenn möglich wurden aber pragmatischere Strategien zur Anwendung gebracht. So konnten Inschriften und die dazugehörenden Monumente der Sicht entzogen und an anderer Stelle deponiert oder umfunktioniert werden. 322 Dies geschah beispielsweise mit einer Bauinschrift Domitians am Vereinshaus der Athleten in Olympia. 323 Sie wurde umgedreht und auf ihrer früheren Rückseite mit einem Dekor verziert, wodurch eine neue Vorderseite entstand (Abb. 2). Der doppelseitig gestaltete Stein ist nur durch Zufall bekannt geworden, und man wird mit sehr viel mehr Fällen dieser Art rechnen müssen. 324 Darüber hinaus wurden Monumente häufig umgewidmet, sodass sie sich nun auf einen anderen Kaiser bezogen und daher an Ort und Stelle verblieben. Bemerkenswerter Pragmatismus begegnet z. B. bei einem Athener Altar, der nacheinander insgesamt vier Kaisern geweiht war: 325 Vorderseite vor 14 [@. ] " D |[ ] ! 3 P 3 | < E 3 vac. 54-68/ 69-79 [[ [8] [ D# ] D[ ] [ ] [ ] ]] <<: . 3>>. [[ [- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] ]] Rückseite 79-81 [@. ]" D | < E L _ . Der zunächst nur auf Augustus bezogene Altar wurde zuerst durch Hinzufügen von Neros Namen umgewidmet. Nach Neros Tod wurde dessen Titulatur nachlässig eradiert und mit dem Cognomen Vespasians überschrieben 321 Zu den Inschriften Neros in Rom vgl. Eck (2002) sowie o. S. 101f. mit Anm. 82. Zu Domitian vgl. Martin (2007) 70 (mit Abb. 6) mit einer Übersicht über eradierte und nicht-eradierte Inschriften nach den Herrschaftsjahren des Kaisers. Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass besonders Monumente aus seinen letzten Regierungsjahren verstärkt zerstört worden zu sein scheinen. Vgl. ferner die Beobachtung von Hoët-van Cauwenberghe (2007) 247, wonach die Monumente Neros gerade in den Städten, die er während seiner Griechenlandreise besuchte, weniger zahlreich sind als in denen, die er nicht besuchte: „Les traces trop ostensibles et trop grandioses d’hommages en son honneur dans les cités qui l’ont accueilli avec grand enthousiasme, comme Olympie, ont été méticuleusement enlevées (...)“. 322 Zum Deponieren und Vergraben in Bezug auf Bildnisse vgl. Varner (2004) 5. 323 Wörrle (1995) 168 mit Taf. 14 (= AE 1995, 1406); Wörrle (2000) 91-94 mit Abb. 104 (Dat.: 84). 324 Vgl. dazu Martin (2007) 64-66 mit dem bekannten Beispiel der Inschrift einer Basis für Domitian aus Misenum (regio I), die umgedreht und für Nerva wiederverwendet wurde; ihr Text hat sich als Mörtelabdruck erhalten (AE 2000, 345a [Mörtelabdruck] u. b [Inschriftenfragment]); zu der dazugehörigen Reiterstatue vgl. den Beitrag von Anne Wolsfeld in diesem Band S. 200f. Für ein weiteres Beispiel mit vertauschter Vorder- und Rückseite s. u. S. 160. 325 IG II/ III² 3229 (= 3281/ 82) = Benjamin u. Raubitschek (1959) 82 Nr. 12 = Schmalz (2009) 96 Nr. 118, 121f. Nr. 151; vgl. dazu Geagan (1979) 387; Kantiréa (2007) 86 sowie o. Anm. 32. <?page no="159"?> Das epigraphische Image des Herrschers 151 und auf der Rückseite des Altares schließlich der Name des Titus hinzugefügt. Eine weitere, sehr geläufige Methode bestand darin, den Namen des damnatus in den Inschriften auszumeißeln. 326 Sueton überliefert sie explizit im Kontext der Beschlüsse nach Domitians Tod. 327 Es stellt sich nun die Frage, welche Wirkung epigraphische Monumente mit einer abolitio nominis auf den zeitgenössischen Betrachter haben konnten. Dies wird im Folgenden anhand der Eradierungspraxis aus den materialreichen Provinzen Achaia und Lykien vergleichend untersucht. 328 5.1. Die Eradierungspraxis in neronischen Inschriften Eine Durchsicht der Inschriften Neros aus Achaia zeigt, dass sein Name außerhalb Athens fast nirgendwo eradiert wurde. 329 Wenn es zu einer Tilgung 326 Vgl. dazu allgemein Benoist (2003) und (2004). 327 Suet. Dom. 23: Contra senatus adeo laetatus est, ut (...) novissime eradendos ubique titulos abolendamque omnem memoriam decerneret („Die Senatoren hingegen waren so froh, dass sie (...) zuletzt beschlossen, überall auf Inschriften seinen Namen auszutilgen und jedes Gedenken an ihn auszulöschen“; Übers. Martinet, leicht modifiziert). 328 Berücksichtigt werden im Folgenden nur Inschriften, deren Kaisertitulatur ausreichend gut erhalten ist, um Rückschlüsse auf die Vorgehensweise bei der Rasur zuzulassen. Noch nicht gänzlich geklärt ist in diesem Zusammenhang der Umgang mit Inschriften mit litterae aureae (vgl. zu diesen o. Anm. 31). Es ist schwer vorstellbar, dass gerade solche Inschriften mit ihren so auffälligen und großen Buchstaben wie die Architrav- Inschrift des Parthenon in Athen oder die Leuchtturm-Inschrift in Patara für Nero nicht angegriffen bzw. verändert wurden. So lässt beispielsweise der Befund am Zeustempel von Aizanoi (vgl. o. Anm. 67) auf eine gewaltsame Entfernung der Bronzebuchstaben mit dem Cognomen Domitians aus der Inschrift schließen, dazu Posamentir u. Wörrle (2006) 236 mit Abb. 10. Die monumentale Leuchtturm-Inschrift von Patara ( kan-I k u. a. [2008] 153, s. o. Anm. 221) zeigt allerdings keine vergleichbaren Spuren, was eine Entfernung aber nicht grundsätzlich ausschließt. Von einer vollständigen Abnahme der Buchstaben der Architrav-Inschrift am Parthenon (IG II/ III² 3277; dazu o. Anm. 29) nach Neros Tod gehen Carroll (1982) 31 und Hoëtvan Cauwenberghe (2007) 234 aus. Das Problem wird in der demnächst erscheinenden Monographie von Richard Posamentir („Litterae Aureae. Studien zu ausgewählten kaiserzeitlichen Bauten Kleinasiens“) erneut diskutiert. Dem Verfasser danken wir für diesen Hinweis. 329 Die damnatio memoriae Neros in Griechenland mit den hier zitierten Inschriften wurde bereits ausführlich untersucht von Hoët-van Cauwenberghe (2007). Abweichend von ihrer Liste berücksichtigen wir SEG 34, 182 = Schmalz (2009) 110f. Nr. 140 (vgl. o. Anm. 32) und IG II/ III² 1989 = SEG 34, 155 = Schmalz (2009) 48f. Nr. 55 nicht, da diese Inschriften mittlerweile auf Caligula bezogen werden. Nicht eradiert (11): IG II/ III² 3280; Schmalz (2009) 122 Nr. 152 (Athen); IG IV² 1, 604 (Epidauros); IG V 1, 376 (Sparta); IG V 1, 1449 u. 1450; SEG 41, 353 (Messene); IvO 375 (Olympia); IG VII 68 (Megara); Syll 3 809 (Delphi); SEG 45, 551 (Atrax). Eradiert (9): SEG 41, 315 (Sparta); IvO 287 (Olympia); IG VII 2713 (Akraiphia, teilweise); IG II/ III² 1990 = Schmalz (2009) 54 Nr. 65 (teilweise; s. u. S. 153); IG II/ III² 3182 = Schmalz (2009) 85-88 Nr. 107; IG II/ III² <?page no="160"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 152 kam, war hiervon zumeist nur der Namensbestandteil Nero als individuellster und charakteristischster Teil des Namens betroffen, was für die Eradierungspraxis insgesamt - auch für spätere Kaiser - typisch ist. Vereinzelt begegnen aber auch Inschriften mit großflächiger Rasur der gesamten Kaisertitulatur. 330 Der Monumenttyp beeinflusste sicherlich die Entscheidung für oder gegen eine Tilgung im dazugehörigen Text: Bei den nicht eradierten Inschriften Neros in Achaia handelt es sich um Texte auf Statuenbasen für ihn selbst 331 sowie für seine Gattin Messalina 332 und Agrippina, 333 deren Bildnisse mitsamt den zugehörigen Basen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vollständig entfernt worden sein dürften. 334 Eine ebenfalls nicht eradierte Weihinschrift aus Athen auf einer kleinen, rhombosförmigen Marmorplatte war vermutlich in einen Altar eingelassen, für den auch ein privater Aufstellungskontext in Frage kommt. Er kann nach Neros Tod entweder beseitigt oder weiterhin im privaten Kontext aufgestellt gewesen sein. 335 Einige der eradierten Inschriften Neros in Achaia erwähnen dagegen weitere Personen bzw. Gottheiten, deren Nennung zum Erhalt des Steins und entsprechend zur Rasur von Neros Namen führte. 336 3229 = Schmalz (2009) 121f. Nr. 151; IG II/ III² 3278; SEG 32, 252 = Schmalz (2009) 122f. Nr. 153 (zwei angeblich identische Altäre; ob auch der zweite, bislang unpublizierte von einer Rasur betroffen war, ist unklar); SEG 44, 165 = Schmalz (2009) 123f. Nr. 154 (alle Athen). 330 So in IG II/ III² 3229 (Athen); zitiert o. auf S. 150. Von der zweizeiligen, vollständig eradierten Inschrift für Nero kann nur der Text in Z. 1 mit den Namensbestandteilen Nero Claudius Caesar sicher rekonstruiert werden; in der zweiten Zeile könnte eine Anrufung Neros als R ## gestanden haben; dazu o. Anm. 204. 331 IG V 1, 1449 u. 1450; SEG 41, 353 (Messene); IG VII 68 (Megara); IvO 375 (Olympia); IG V 1, 376 (Sparta); SEG 45, 551 (Atrax). Die einzige Statuenbasis für Nero, die eine Rasur aufweist und daher wohl weiterhin in der Öffentlichkeit zu sehen war, ist SEG 41, 315 (Sparta); vgl. dazu Hoët-van Cauwenberghe (2007) 243. 332 IG II/ III² 3280 (Athen); IG IV² 1, 604 (Epidauros). Messalinas Name ist in beiden Inschriften ebenfalls nicht eradiert. Zur mehrfachen Vorverwendung der Basis aus Epidauros s. Hoët-van Cauwenberghe (2007) 241f. 333 Syll 3 809 (Delphi). 334 So bereits Eck u. a. (1996) 197 Anm. 560, die hervorheben, dass gerade Inschriften auf Statuenbasen eines Kaisers nicht unbedingt eradiert werden mussten, da die Statuen mitsamt ihren Basen in Gänze fortgeschafft werden konnten: „Denn sogenannte tituli honorarii brauchten nicht eradiert zu werden, da sie ohnehin nicht erhalten blieben. (...) Wenn Basen von Ehrenstatuen für Personen, deren Namenstilgung beschlossen wurde, dennoch manchmal ohne Rasur bis heute erhalten blieben, dann darf man wohl am ehesten davon ausgehen, daß die Basen beseitigt und in völlig anderem Zusammenhang, ohne daß die ursprüngliche Inschrift sichtbar war, wieder verwendet wurden - wenn man sie in Einzelfällen nicht einfach übersehen hat“. 335 Schmalz (2009) 122 Nr. 152; vgl. o. Anm. 32. 336 IG VII 2713 (Akraiphia); IvO 287 (Olympia); IG II/ III² 1990 u. 3182 (Athen). <?page no="161"?> Das epigraphische Image des Herrschers 153 Eine Besonderheit stellen die Altäre für Nero aus Athen dar, 337 die ebenfalls Unterschiede bei der Umsetzung der damnatio memoriae aufzeigen. So begegnen Altäre, die sich auch nach Neros Tod ausschließlich auf ihn bezogen, 338 während andere umgewidmet wurden. 339 Einer dieser Altäre, der Nero als R ## geweiht war, zeigt eine einzigartige Rasur, da nicht nur das Cognomen, sondern auch die Ansprache des Kaisers als R ## betroffen war (Abb. 3). Dadurch wurde eine für Nero charakteristische Zuschreibung getilgt, doch ist darüber hinaus auch denkbar, in dieser Entscheidung eine bewusste Negierung des vom Kaiser inszenierten Images zu sehen. Nero war für den Rezipienten nach seinem Tod eben n i c h t mehr der „neue Apollon“: 340 @. " | D ! 3 | H 3 < E 3 | [[8 | R ## ]]. Der Altar war nach der Kaisertitulatur Z. 1-3 ursprünglich Augustus geweiht gewesen, bevor er durch Hinzufügen des Cognomens und der Zuschreibung R ## auf Nero bezogen wurde. Nach Tilgung der anstößigen Textteile könnte er möglicherweise wieder als Augustus-Altar verwendet worden sein. 341 Wie entscheidend neben dem Monumenttyp der Kontext des Kaisernamens und nicht zuletzt dessen Sichtbarkeit war, zeigt eine Ephebenliste aus Athen. 342 In der Weihung ! q / w in Z. 1 nimmt Neros Titulatur inhaltlich wie räumlich einen herausgehobenen Platz ein, während seine zweite Erwähnung in Z. 3 durch das Priesteramt des Tiberius Claudius Novius bedingt ist. Neros Name wurde also innerhalb derselben Inschrift bei der Ausführung der Rasur unterschiedlich behandelt und nur in der prominenteren Platzierung in Z. 1 ausgemeißelt. Während die Differenzierung in diesem Fall mit dem jeweiligen Kontext des Kaisernamens erklärbar ist, gab es auch Vorgänge, die weniger leicht nachvollzogen werden können. In dem oben in Abschnitt 4.3 diskutierten Dekret aus Akraiphia 343 wurde der Name Nero, der sieben Mal genannt wird, ebenfalls nur teilweise ausgemeißelt. Es handelte sich somit um keine besonders gründliche Vorgehensweise, da Neros Name offenbar gleich an zwei Stellen übersehen wurde und daher unversehrt blieb (Z. 26 und 31). Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum dieser Text nicht einfach vollständig vernichtet wurde. Schließlich bezieht sich die Inschrift auf den ersten Blick auf einen Kult des Kaisers, der nur für 337 Vgl. zu diesen Altären auch o. Anm. 32 u. 204. 338 Schmalz (2009) 122 Nr. 152 (nicht eradiert); IG II/ III² 3278; SEG 44, 165 (der Stein wurde später als Spolie verbaut). 339 S. IG II/ III² 3229 (dazu o. S. 150) sowie den im Folgenden diskutierten Stein. 340 SEG 32, 252, vgl. o. Anm. 329. 341 Hoët-van Cauwenberghe (2007) 229; vgl. auch Kajava (2002) 103f. Anm. 75. 342 IG II/ III² 1990 (vgl. o. Anm. 297 u. 329). 343 S. o. Anm. 274. <?page no="162"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 154 kurze Zeit existiert hatte. 344 Wichtiger war aber offenbar die Konservierung der Erinnerung an die kaiserliche Gunst und an das Ausmaß der Dankbarkeit der Polis, die vielleicht auf eine Bestätigung des Privilegs durch Neros Nachfolger hoffte. Eines wird jedenfalls deutlich: Die Rasur war nicht dazu geeignet, die Erinnerung an Nero vollständig zu tilgen. Die Begleitumstände der Ehrung verwiesen vielmehr eindeutig auf ihn, und die Inschrift diente weiterhin dazu, an den Kaiser und sein Geschenk zu erinnern. 345 Vergleicht man diesen Befund mit der Eradierungspraxis in der Provinz Lycia, so zeigt sich dort ein ähnlich uneinheitliches Bild. 346 Auffällig ist hier die hohe Anzahl manipulierter Inschriften, bei denen es sich zumeist um Statuenbasen für Statthalter der neronischen Zeit handelt. 347 Die Rasur war in diesen Fällen geradezu notwendig, um die Ehrungen der römischen Magistrate durch verschiedene lykische Poleis an Ort und Stelle belassen zu können. Seltener ist eine großflächige Rasur weiterer Teile der Kaisertitulatur, die aber ebenfalls in zwei Beispielen in Lykien belegt ist: Außergewöhnlich ist die Tilgung der gesamten, viereinhalb Zeilen langen Kaisertitulatur des Bauherren Nero an einem Badegebäude in Patara. Die später als Überschreibung auf Rasur eingefügte frühe Form der Kaisertitulatur Vespasians wurde an den ursprünglichen Anfang des Textes in Z. 1 gesetzt; da sie aber wesentlich kürzer ausfiel als die umfangreiche Titulatur Neros, klafft nun zwischen der Titulatur Vespasians und dem weiteren Text der Bauinschrift 344 Vgl. Peppel (2003) 76 mit Anm. 37. 345 So auch Hoët-van Cauwenberghe (2007) 236 u. 248. Dagegen scheinen uns ihre Argumente ebd. 235f. für einen Zusammenhang von fehlender Rasur und der Nennung Neros in der Titulatur der Kaiserpriester nicht zwingend zu sein: In IG II/ III² 1990 (Athen) sind wohl die prominentere Platzierung und bessere Lesbarkeit die entscheidenden Faktoren, die zur Rasur des Namens Nero nur in Z. 1 führten. In IG VII 2713 (Akraiphia) bliebe der ebenfalls intakte Name innerhalb der ausführlich wiedergegebenen Kaisertitulatur Z. 31-33 weiterhin erklärungsbedürftig. 346 Eradiert (5): F.Xanthos VII 48 (Xanthos); IGR III 486 (Oinoanda); SEG 27, 916 (Boubon); TAM II 396 und Schuler u. Zimmermann (2012) 606 Nr. 8 (Patara). Vermutet werden kann außerdem in Analogie zur Architrav-Inschrift am Parthenon auch die (vielleicht partielle) Abnahme der Bronzebuchstaben von der Leuchtturm-Inschrift in Patara, vgl. o. Anm. 328. Nicht eradiert (2): IGR III 717 und Takmer (2007) 168 (Vorbericht zur Zollinschrift, Z. 71) (Andriake). Bei der Zollinschrift aus Andriake handelt es sich um einen umfangreichen Text, in dessen Verlauf Nero in Z. 71 genannt, aber später nicht eradiert wurde. Der Anfang des Textes ist nicht erhalten, sodass kein Vergleich mit dem Umgang seines Namens an prominenterer Stelle möglich ist. 347 Bei immerhin drei der fünf Steine mit Rasur handelt es sich um Inschriften von Statuenbasen für Statthalter: F.Xanthos VII 48 (Xanthos), IGR III 486 (Oinoanda) und Schuler u. Zimmermann (2012) 606 Nr. 8 (Patara). Dagegen weist nur eine Basis für einen Statthalter aus Andriake keine Rasur auf (IGR III 717). Die relativ hohe Dichte an manipulierten Inschriften in Lykien fällt besonders im Vergleich mit den nicht eradierten Inschriften der Nachbarregion Pisidien auf, das zu dieser Zeit noch nicht zu Lykien gehörte: IGR III 792 (Perge); Paribeni u. Romanelli (1914) 36 Nr. 38 (Attaleia); SEG 19, 765 (drei Grenzsteine aus Sagalassos). <?page no="163"?> Das epigraphische Image des Herrschers 155 eine dreizeilige Lücke (Abb. 4). 348 Aus Xanthos stammt eine Statuenbasis für einen unbekannten syrischen Statthalter, der als Patron von Demos und Boule geehrt wurde. Neros Name, der im Zusammenhang mit der Statthalterschaft genannt war, wurde mit allen Namensbestandteilen (Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus) großflächig getilgt. 349 5.2. Die Eradierungspraxis in domitianischen Inschriften Die Mehrheit der Inschriften für Domitian in Achaia blieb wie diejenigen für Nero unversehrt. 350 Hingegen wurden sowohl das Cognomen wie auch der Siegerbeiname Germanicus in einer bilinguen Bauinschrift aus Megalopolis getilgt, obwohl der Kaiser sogar den Wiederaufbau der Stoa nach einem Feuerschaden mit eigenen Geldern finanziert hatte. Nur das Cognomen wurde in einem Dossier mit Briefen des Kaisers und des Prokonsuls von Achaia aus dem Jahr 90 am Apollontempel von Delphi ausgemeißelt, dessen Aussagen zum Pythischen Agon die Gemeinde in Delphi offenbar erhalten wollte. 351 Anders wurde mit der lateinischen Bauinschrift an der Front desselben Tempels verfahren, der ebenfalls auf Kosten Domitians restauriert worden war und dessen Name mit seinen in Z. 1 immerhin 18,6 cm großen Buchstaben unangetastet blieb. 352 In Gebäude integrierte Bau- oder Weihinschriften wurden demnach häufiger, aber nicht zwangsläufig eradiert. 353 348 TAM II 396, dazu Eck (2008) 274 mit Rekonstruktion der eradierten Partie u. Abb. 1-4 zum Befund. 349 F.Xanthos VII 48 mit den noch lesbaren Buchstaben am Ende der Z. 6; vgl. ebd. p. 126 für eine Befundbeschreibung und Rekonstruktion. 350 Grundlage der folgenden Liste ist die Zusammenstellung der Inschriften Domitians in Achaia von Martin (1987a) 137 (und im Katalog), welche sicher Domitian zugeordnet werden können und bei denen der Erhaltungszustand der Kaisertitulatur Aussagen über die Vorgehensweise erlaubt. Nicht eradiert (6): IG II/ III² 1996 (Athen); FD III 2, 65 und CIL III 14203,24 = ILS 8905 = Syll 3 821a = FD III 4, 120 (Delphi); IG XII 5, 630 (Ioulis); IG VII 2495 (Theben); IG IX 2, 607 (Larisa). Nicht eradiert, aber versteckt (1): Wörrle (1995) 168 (umgedrehte Bauinschrift aus Olympia; dazu o. Anm. 323). Eradiert (3): IG V 2, 457 (Megalopolis); Inschriftendossier vom Apollontempel in Delphi aus dem Jahr 90: Syll 3 821c = Oliver (1989) 130f. Nr. 42 (Brief Domitians), Syll³ 821d+e = CID IV 142 (Brief des Prokonsuls), vgl. o. Anm. 189, 241 u. 311. Die bei Martin (1987a) 197 sowie bei Pailler u. Sablayrolles (1994) 14 gemachten Angaben, wonach etwa 35- 40% der domitianischen Inschriften eine Rasur aufweisen, können für Achaia bestätigt werden. Auf ein vergleichbares Verhältnis mit abweichenden Zahlen (zwölf Inschriften, davon fünf eradiert) kommen Pailler u. Sablayrolles (1994) 16 ebenfalls auf Grundlage der Sammlung Martins, ohne allerdings die einzelnen Inschriften zu nennen. 351 Vgl. die vorige Anm. 352 CIL III 14203,24 = ILS 8905; vgl. Anm. 350. 353 Die vollständige Entfernung von solchen Inschriften brachte einen größeren Aufwand mit sich, weshalb man dort im Unterschied zu Statuenbasen eher eine Rasur erwarten würde. Das Beispiel der umgedrehten Bauinschrift des Vereinshauses der Athleten in <?page no="164"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 156 Interessant ist dabei, dass nicht einmal eine mit dem Gebäude zusammenhängende, explizit genannte Finanzierung durch den Kaiser seinen Namen vor einer Tilgung bewahrte. Die beiden oben in Abschnitt 4.3 diskutierten Inschriften aus Athen und Delphi, in denen Domitian als eponymer Archon genannt wurde, weisen ebenfalls keine Rasur auf. In Delphi hing das sicherlich mit der Funktion der Inschrift als Dokumentation der 9  und nicht mit ihrem Anbringungsort zusammen, denn wenn eine Inschrift verändert werden sollte, schützte sie auch ihre Anbringung in großer Höhe nicht davor. 354 Ohne Tilgung blieben zudem drei Statuenbasen für Domitian als Caesar (Theben) und als Kaiser (Ioulis und Larisa), die mitsamt ihren Statuen leicht entfernt worden sein könnten. 355 In Lycia et Pamphylia, mittlerweile Doppelprovinz, wurde der Name Domitians dagegen wie derjenige Neros häufiger eradiert. 356 Bei den sechs eradierten Inschriften handelt es sich in immerhin vier Fällen um in Gebäude integrierte Baubzw. Weihinschriften, die nicht einfach entfernt werden konnten. 357 Ein eindrucksvolles Beispiel für den dabei betriebenen Aufwand ist ein Ehrenbogen in Perge mit seiner prominent platzierten Widmung an Domitian auf der Ostseite, deren sich über drei Zeilen erstreckende Kaisertitulatur mit etwa 20 cm großen Buchstaben vollständig und besonders gründlich ausgemeißelt wurde. 358 Unter den Bau-/ Weihinschriften, die an alle drei Flavier gerichtet waren, gibt es dagegen Beispiele aus Myra und Balboura, in denen der Name Domitians als Caesar nicht eradiert wurde. 359 Olympia zeigt aber, dass auch bei Bauinschriften mit einer unterschiedlichen Vorgehensweise gerechnet werden muss. 354 Das zeigen etwa die zahlreichen Inschriften an Ehrenbögen mit Rasuren und Überschreibungen, deren Ausführung einen erheblichen Aufwand erforderte. Vgl. z. B. zum Ehrenbogen für Septimius Severus und seine Söhne auf dem Forum Romanum Krüpe (2011) 228f. 355 Das gilt insbesondere für die (inzwischen verschollene) Statuenbasis aus Ioulis, über deren ursprünglichen Aufstellungskontext aufgrund sekundärer Verwendung keine Angaben gemacht werden können. Möglicherweise in situ verblieb die Basis IG IX 2, 607 (Larisa), da sie zusätzlich Domitians Ehefrau Domitia Longina galt. 356 Nicht eradiert (2): SEG 40, 1280 (Myra); IGR III 466 = AE 1978, 804 = SEG 28, 1218 (Balboura). Eradiert (6): I.Side I 34 (Side); I.Perge I 56 (Perge); SEG 53, 1579 (Melli); TAM II 1186 (Phaselis); SEG 6, 672 (Lyrboton Kome); TAM II 563 = AE 1897, 115 = OGIS 560 = IGR III 551 = ILS 8818 (Tlos). Während die Inschriftenzahlen denjenigen bei Sablayrolles u. Pailler (1994) 16 entsprechen, sind dort statt sechs nur fünf eradierte Inschriften verzeichnet. 357 Vgl. bereits Flower (1998) 162, die ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen (nicht leicht zu entfernenden) Monumenttypen und dem Vorhandensein einer Rasur hinweist. Das gilt für die Bau/ Weihinschriften I.Side I 34 (Side), TAM II 1186 (Phaselis), TAM II 563 (Tlos) und I.Perge I 56 (Perge). Bei SEG 53, 1579 (Melli) handelt es sich wiederum um eine Statuenbasis für einen Statthalter. 358 I.Perge I 56 (mit Umzeichnungen). 359 Für Belege vgl. Anm. 356. Dass man auch hier nicht von einer regelhaften Ausführung der Tilgung ausgehen kann, in der Domitian als Caesar etwa bewusst ausgeklammert <?page no="165"?> Das epigraphische Image des Herrschers 157 Analog zum Befund unter Nero wurde der Name des Kaisers in zwei Statuenbasen für Statthalter ebenfalls getilgt. Auffällig ist das Fehlen von Statuenbasen für den Kaiser selbst, die wohl gänzlich zerstört worden sind. 360 Überschreibungen des eradierten Kaisernamens, wie sie besonders aus ephesischen Inschriften für Domitian häufig belegt sind, finden sich in den hier betrachteten Provinzen nicht. 361 Eine bekannte Besonderheit der Eradierungspraxis in domitianischen Inschriften macht sich hingegen auch in diesen beiden Regionen bemerkbar, nämlich die Erweiterung der Eradierung auf den Siegerbeinamen Germanicus, der zuweilen zusätzlich zum Cognomen getilgt wurde. 362 Dieser Siegerbeiname spielte in der Selbstdarstellung Domitians bekanntlich eine bedeutende Rolle. 363 Gerade seine Eradierung belegt, dass die Veränderungen in der Titulatur und ihre Bedeutung für den Kaiser in den Provinzen durchaus aufmerksam wahrgenommen und bei der Umsetzung der Namenstilgung berücksichtigt wurden. 364 5.3. Fazit zur Eradierungspraxis Betrachtet man die absoluten Zahlen eradierter und nicht eradierter Inschriften, so lassen sich für beide Kaiser zwei allgemeine regionale Tendenzen ausmachen: Für beide gibt es in Achaia mehr nicht eradierte Inschriften als eradierte, während das Verhältnis in Lycia bzw. Lycia et Pamphylia genau umgekehrt ist. 365 Es ist daher zu beachten, dass Prozentzahlen zum Anteil eradierter Inschriften unter einzelnen Kaisern - wenn man sie denn angeben worden ist, zeigt die vergleichbare Weihinschrift eines Gebäudes I.Side I 34 aus dem Jahr 76, in der das Cognomen des Caesars Domitian wiederum getilgt wurde. 360 Das zeigt etwa ein Vergleich mit Claudius, für den aus Lycia mindestens vier Statuenbasen bekannt sind; vgl. die Zusammenstellung bei Marksteiner u. Wörrle (2002) 562 Anm. 61. 361 Eine Überschreibung mit Divus Vespasianus erfolgte in I.Eph 232/ 33, 235, 237-239, 241/ 42 (lediglich eradiert, aber nicht überschrieben wurde hingegen I.Eph 234); dazu Friesen (1993) 36f. (vgl. auch o. Anm. 70). 362 In den sechs in diesem Kontext relevanten Inschriften aus Achaia bzw. Lycia et Pamphylia blieb der Siegerbeiname Germanicus nur in den beiden Briefen des Kaisers und Prokonsuls in Delphi unversehrt: Syll³ 821 c-e. Eradiert wurde er dagegen in IG V² 457 (Megalopolis), SEG 53, 1579 (Melli), SEG 6, 672 (Lyrboton Kome) und TAM II 563 (Tlos; vgl. o. Anm. 356). 363 Vgl. dazu o. S. 110-113. 364 Besonders deutlich ist dieses Phänomen in Ephesos zu beobachten; dazu Merkelbach (1979). 365 Insofern wäre es auch methodisch problematisch, den Befund der neronischen Inschriften und Monumente aus Achaia hauptsächlich mit der engen Beziehung zwischen dem Kaiser und dieser Provinz zu erklären (vgl. dazu auch o. S. 87-92), ohne einen Vergleich mit dem Umgang mit den Monumenten anderer zu Staatsfeinden erklärter Kaiser in Achaia vorzunehmen; vgl. die vorsichtigen Schlussfolgerungen von Hoët-van Cauwenberghe (2007) 247f. <?page no="166"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 158 möchte - starken regionalen Schwankungen unterliegen: Neros Inschriften wären in Achaia in 45%, in Lycia in 71% der Fälle manipuliert; Domitians Inschriften in Achaia in 30% und in Lycia et Pamphylia in 75% der Fälle eradiert. 366 Doch sagen uns die nackten Zahlen nichts über die Gründe, die jeweils zu der Rasur führten, und auch nichts über die Voraussetzungen, die das Zustandekommen dieser Daten beeinflussten. Die Beispiele aus beiden Provinzen haben deutlich gemacht, dass es offenbar weder auf Reichsnoch auf Provinzebene eine einheitliche Eradierungspraxis oder genaue Vorgaben zur Ausführung der Tilgung gegeben hat. 367 Vielmehr zeichnen sich ganz unterschiedliche Vorgehensweisen ab, deren Anwendung maßgeblich vom Typ und der Funktion der Monumente sowie durch andere Faktoren wie der Nennung weiterer Personen auf den Inschriften, Position und Kontext der Kaisertitulatur und individuellen Entscheidungen der Ausführenden bestimmt wurde. 368 Insgesamt hat man es zudem mit überschaubaren Inschriftenzahlen zu tun, die für den ursprünglichen Inschriftenbestand kaum repräsentativ sind, 369 und deren Tendenz daher durch Neufunde schnell verändert werden kann. Zudem beruht unsere Überlieferung an epigraphischen Zeugnissen, insbesondere was den Erhalt unterschiedlicher Monumenttypen angeht, zu einem erheblichen Maß auf Zufall. Gerade die Zugehörigkeit einer Inschrift zu einem bestimmten Monumenttyp hat sich bei der Untersuchung der Eradierungspraxis aber als sehr wichtiger Faktor erwiesen. Beispielsweise resultiert in Lycia bzw. der Doppelprovinz Lycia et Pamphylia die hohe Prozentzahl eradierter Inschriften unter Nero maßgeblich aus der Errichtung zahlreicher Statuenbasen für seine Statthalter, in denen der Name des Kaisers Erwähnung fand, während die ähnlich hohe Prozentzahl unter Domitian auf Weih- und Bauinschriften zu beziehen ist. Nach der damnatio memoriae eines Kaisers gänzlich beseitigte und versteckte oder umfunktionierte Monumente wiederum werden bei solchen Angaben gar nicht berücksichtigt, da ihre Zahl in der Regel nicht genauer zu bestimmen ist. Der Anteil vollständig zerstörter Monumente bleibt somit unbekannt. Zudem muss die eingangs beschriebene Bandbreite der möglichen Schicksale von Monumenten, die den Namen eines zum Staatsfeind erklärten Kaisers trugen, davor warnen, aus der Häufigkeit von eradierten Inschriften verallgemeinernd auf die Intensität der auf sie ange- 366 Zu geographischen Unterschieden auf Provinzebene vgl. die Übersicht bei Pailler u. Sablayrolles (1994) 16f., wobei hier auch zu prüfen wäre, um welche Monumentgattungen es sich jeweils handelt. 367 So auch schon Kajava (1995) 203; Flower (2006) 213 (zur Situation in Rom): „Even within the city itself, the pattern of erasure and survival appears random and localized“; Witschel (2011) 100 Anm. 249. 368 Grundlegend zur Eradierungspraxis in Inschriften in Zusammenhang mit den jeweiligen Kontexten ist Flower (2006) bes. 212-223 (Nero) u. 240-262 (Domitian). 369 Vgl. zu diesem Problem o. S. 87 u. 101f. <?page no="167"?> Das epigraphische Image des Herrschers 159 wandten damnatio memoriae zu schließen. Auch Vergleiche zur Praxis der Gedächtnistilgung zweier Kaiser lassen sich folglich aus methodischen Gründen nicht wirklich vornehmen. 370 Die Rasur in einer Inschrift hatte zweierlei Konsequenzen: Sie konnte zum einen auf die Auslöschung der Erinnerung an eine Person abzielen, zum anderen aber barg sie das Potenzial, die Q u a l i t ä t des Erinnerns zu beeinflussen und die Entehrung des Kaisers im öffentlichen Raum symbolisch umzusetzen. 371 Die hostis-Erklärung, die sich im Entfernen von Bildnissen und Statuenbasen oder in ihrer Zerstörung, Deponierung oder Umarbeitung manifestierte, hatte eine unmittelbare Wirkung auf die Wahrnehmung des solchermaßen behandelten Kaisers durch die Bevölkerung. Neben einem kurzfristigen Eindruck aufgrund spontaner Handlungen, die zunächst vielleicht eher auf die Entfernung des Kaisers aus der Öffentlichkeit zielten, übte gerade die Eradierung auch eine langfristige Wirkung aus. Die Tilgung des Kaisernamens war besonders bei Ehrenbögen ein aufwändiger Akt, der sicherlich einigen Eindruck auf die Zeitgenossen machte. Doch die gängige Ausführung der Tilgung mit der alleinigen Rasur des Cognomens trug kaum dazu bei, die Erinnerung an den betroffenen Kaiser vollständig zu löschen - die dadurch in der Inschrift entstandene Lücke konnte vielmehr geradezu den Blick des Betrachters einfangen und die mit der Eradierung verbundenen Vorgänge in Erinnerung rufen. Leider wissen wir nicht genau, ob eradierte Passagen möglicherweise regelmäßig mit Stuck übertüncht wurden, sodass sie danach nicht mehr ohne weiteres sichtbar waren. 372 Ein Beispiel für eine Korrektur mit Stuck findet sich in einer Kartusche mit dem Namen Domitians am südlichen Eingang eines Temenos im ägyptischen Deir El-Hagar. Das Cognomen des Kaisers wurde zunächst eradiert und später mit einer Stuckschicht überdeckt, auf 370 Aus methodischen Gründen problematisch ist daher u. E. das Vorgehen bei Sablayrolles u. Pailler (1994) 14: Erstens ist die Angabe, die Inschriften Neros seien mit 11,9% weniger stark eradiert worden als diejenigen Domitians mit 35,2%, stark verallgemeinernd; die Angabe „11,9%“ lässt sich z. B. für keine der beiden hier untersuchten Provinzen bestätigen, die entweder eine deutlich über 12% liegende Zahl eradierter Steine (Achaia) oder insgesamt überwiegend manipulierte Inschriften (Lycia) aufweisen. Besonders problematisch sind aber die auf diesem Zahlenverhältnis aufbauenden Schlussfolgerungen, welche die damnatio memoriae beider Kaiser allein aufgrund der Eradierungspraxis bewerten: „Ces chiffres, tout relatifs qu ils soient, invitent à penser que la damnatio memoriae de Domitien fut trois fois plus efficace que celle de Néron. C est que sans doute durant les mois qui suivirent le suicide impérial les esprits furent habités par d autres préoccupations que par celle d abolir le souvenir du prince maudit. (...) Avec Domitien, la damnatio memoriae atteignit un degré de perfection et d efficacité qu elle n avait pas connu auparavant“. 371 Auf diese Dualität in der Wirkungsweise der damnatio memoriae wiesen schon Flower (1998) 180, Hedricks (2000) 93f. und Varner (2004) 2f. hin. 372 Vgl. auch Hoët-van Cauwenberghe (2007) 247. <?page no="168"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 160 der vermutlich mit Farbe ein neuer Name angebracht wurde (Abb. 5). 373 Ein ähnliches Vorgehen wäre beispielsweise auch für die Renovierungsinschrift Domitians am Apollon-Tempel von Delphi denkbar, die trotz prominenter Platzierung keine Rasur aufweist. In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte für die Interpretation von Eradierungen von Bedeutung. Erstens lässt sich ein mögliches Auftragen von Stuck auf eradierte Passagen aufgrund der Erhaltungsbedingungen nur noch in Ausnahmefällen nachvollziehen. Zweitens ist der Sinn einer Eradierung auch dann erklärungsbedürftig, wenn man davon ausgeht, dass eine Rasur durch späteres Auftragen von Stuck gar nicht mehr zu sehen war: Warum hätte man sich zuerst der Mühe des Ausmeißelns unterziehen sollen? Ein für diese Frage aufschlussreicher Stein ist eine Ehreninschrift eines statuarischen Monuments, das für Domitian im Jahr 95/ 96 von der Stadt Puteoli errichtet wurde. 374 Der panegyrisch anmutende Text auf der Statuenbasis wurde vollständig eradiert (Abb. 6), das Ergebnis aber weiterhin öffentlich ausgestellt. Erst unter Trajan wurde die Basis als Spolie für ein neues Bogenmonument wiederverwendet, indem auf der ursprünglichen Rückseite ein Teil eines Prätorianer-Reliefs eingemeißelt wurde. 375 Harriet Flower hat zu Recht betont, dass der entscheidende Aspekt für diese Praxis die öffentliche Manifestation von Domitians Schande durch die Gemeinde Puteoli war: „Their readiness to change was demonstrated for all to see. (...). The erasure in itself served as a type of memorial“. 376 Um die Bandbreite von Handlungsoptionen im Kontext von Eradierung zu komplettieren, ist noch auf die Möglichkeit der Gravur eines neuen Textes direkt auf der Rasur zu verweisen, was wiederum darauf hindeutet, dass man nicht grundsätzlich von einem Stuck-Auftrag ausgehen kann, der die gesamte durch die Rasur entstandene Lücke überdeckte (Abb. 7). Abschließend stellt sich die Frage, ob nicht auch eine geweißte Lücke dieselbe Konsequenz im Sehverhalten 373 Vgl. dazu Kaper (2012). Für weitere Beispiele zum Umgang mit dem Namen Domitians nach dessen damnatio memoriae in Deir El-Hagar s. ebd. 141f. mit Abb. 2. Vergleichbar damit ist die Behandlung einer Bauinschrift am Südwesttor des Kastells Böhming (Raetia), in der das Cognomen des Kaisers Commodus zunächst eradiert und nach der Wiederherstellung seines Ansehens unter Septimius Severus mit roten Buchstaben auf Stuck erneut eingesetzt wurde: CIL III 14370,2 (vgl. die Steinbeschreibung im Kommentar zu Z. 2) = ILS 5338 = IBR 291. 374 AE 1973, 137; dazu Flower (2001) bes. 629 mit rekonstruierter Lesung: [[Imp(eratori) Caesari | Divi Vespasiani f(ilio) | Domitiano Aug(usto) | German(ico), pont(ifici) max(imo), | trib(unicia) potest(ate) XV, imp(eratori) XXII, | co(n)s(uli) XVII, cens(ori) perpet(uo), p(atri) p(atriae), colonia Flavia Aug(usta) | Puteolana | indulgentia maximi | divinique principis | urbi eius admota]]. 375 Vgl. Flower (2001) 626 Abb. 1; zu dem ungewöhnlichen Formular der Inschrift ebd. 630-632. 376 Flower (2001) 645. Sie weist auch auf die Seltenheit gänzlich eradierter Inschriften hin; für Domitian scheint dies der bislang einzige bekannte Beleg zu sein (vgl. ebd. 630). <?page no="169"?> Das epigraphische Image des Herrschers 161 wie eine Rasur auslöste, nämlich den Blick gezielt auf die Manipulation zu richten. Die Eradierung war also e i n e Praxis in einem Bündel von Maßnahmen, die dazu geeignet waren, die Entehrung des Kaisers zu symbolisieren. Dabei modifizierte die Rasur des Namens das frühere Image der Kaiser in eben jenen Monumenten, die dazu beigetragen hatten, es zu schaffen. Hatten die Monumente zu Lebzeiten zur memoria - also dem ehrenden Angedenken - beigetragen, konnten sie nun dazu dienen, das Gegenteil auszudrücken und dem antiken Betrachter die Vorgänge, die zu der Gedächtnistilgung geführt hatten, in Erinnerung zu rufen. 6. Vergleichender Ausblick Die epigraphischen Monumente Neros und Domitians in ihrer jeweiligen Ausprägung lassen sich, wie wir gesehen haben, durchaus in längerfristige Entwicklungslinien einfügen. Auch bei einigen spezifischeren Elementen ihrer (offiziellen) Titulatur ist ein Traditionsbezug auszumachen, der entweder bei den unmittelbaren Vorgängern oder bei den Anfängen des Principats anknüpfte. Das gilt beispielsweise für das von Nero in seinen letzten Regierungsjahren wieder in die Titulatur aufgenommene praenomen Imperatoris, das er als erster Kaiser seit Augustus führte; oder aber für die zahlreichen imperatorischen Akklamationen, die Domitian annahm und damit auf einer von seinem Vater und seinem Bruder begründeten Praxis aufbaute. Andere Titulaturbestandteile waren zwar tatsächlich innovativ, wurden aber von späteren Kaisern fortgeführt, so etwa der unter Domitian erstmals verwendete Siegerbeiname Germanicus, der auf die persönliche Teilnahme des Kaisers an einer größeren, erfolgreich abgeschlossenen militärischen Operation verwies. Insgesamt gesehen tritt Domitian im Vergleich mit Nero auf diesem Feld etwas stärker als Neuerer hervor, aber auch die von ihm angestoßenen Veränderungen wirken im Gesamtkontext keineswegs exzentrisch - gerade im Vergleich mit den späteren Maßnahmen etwa eines Commodus, der die offizielle Kaisertitulatur mit der Einführung einer ganzen Reihe neuer Elemente in seinem letzten Regierungsjahr radikal zu verändern suchte. 377 Die inoffiziellen Titulaturbestandteile Neros und Domitians, die von der Bevölkerung an die beiden Herrscher herangetragen wurden, lassen sich ebenfalls in eine längerfristige Entwicklung einordnen, denn unter beiden Kaisern sind keine für ihre Zeit völlig außergewöhnlichen Zuschreibungen festzustellen. Unter Nero finden sich immerhin einige besonders bedeutsame Aspekte seiner Selbststilisierung - wie seine Nähe zu Sol und Apollon - in individuellen Zuschreibungen in den Inschriften wieder. Die Gleichset- 377 Vgl. dazu Witschel (2004) sowie zusammenfassend Witschel (2006). <?page no="170"?> Sophia Bönisch-Meyer Christian Witschel 162 zung Domitians mit W O X# ! kann hingegen als spezifisch athenisches Phänomen angesprochen werden, das durchaus von der bekannten Affinität des Kaisers zu Iuppiter inspiriert worden sein könnte; doch war diese Zuschreibung keineswegs neu, sondern bereits seit Augustus in Gebrauch. Domitians Annäherung an Iuppiter hat im Gegensatz zu Neros Inszenierung als Sol/ Apollon also offenbar zu keiner vergleichbaren Umsetzung in den epigraphischen Zeugnissen geführt. Noch auffälliger ist, dass kaum Epitheta überliefert sind, die auf die militärischen Errungenschaften Domitians Bezug nehmen, obwohl gerade dieser Aspekt in der Selbstdarstellung des Kaisers eine äußerst bedeutsame Rolle gespielt hat. Beide Aspekte, sowohl die Betonung sakraler wie auch das geringe Vorkommen militärisch konnotierter Epitheta, finden sich jedoch ebenso in den inoffiziellen Zuschreibungen an die Vorgänger und Nachfolger beider Kaiser, sodass sich die Nero und Domitian betreffenden Zeugnisse auch an diesem Punkt in einen größeren chronologischen Kontext einordnen lassen. Gerade Epitheta, die den Kaisern gottgleiche Eigenschaften zuschrieben, wie auch direkte Gleichsetzungen mit einzelnen Gottheiten waren bereits seit Augustus sowie in der Zeit nach Nero und Domitian weit verbreitet und somit für das gesamte 1. Jh. charakteristisch. Die Analyse ausgewählter Zuschreibungen ( . " F 6 ! #" , ! - F 0 , sacratissimus) und der Vergleich der Gleichsetzung beider Kaiser mit W O X# ! können zudem deutlich machen, welch große Rolle den lokalen Initiativen von Einzelpersonen oder bestimmten Personengruppen bei Auswahl und Ausgestaltung der inoffiziellen Zuschreibungen zukam, da jene ihrer jeweiligen Sicht auf den Kaiser mit durchaus individuell gestalteten Bezeichnungen Ausdruck verliehen. Der Vergleich der Eradierungspraxis in den Inschriften Neros und Domitians in Achaia und Lykien hat schließlich gezeigt, dass die Vorgehensweise bei der Umsetzung der damnatio memoriae in Inschriften keineswegs einheitlich und zentral geregelt war, sondern die Ausführung einer Eradierung jeweils variierte und von ganz unterschiedlichen Faktoren bestimmt wurde. Sowohl die singuläre Tilgung der Zuschreibung R ## auf einem Altar Neros aus Athen als auch die häufig auftretende Rasur des domitianischen Siegerbeinamens Germanicus können zeigen, dass man sich in den Provinzen der einzelnen Elemente einer Benennung des Kaisers und ihrer Bedeutung bewusst war und sowohl im Positiven wie im Negativen darauf zu antworten verstand. <?page no="171"?> Das epigraphische Image des Herrschers 163 Inschriftencorpora (zusätzlich zu den Angaben im Guide de l’Epigraphiste und im SEG) Adak u. ahin (2007): Mustafa Adak u. Sencer ahin, Stadiasmus Patarensis. Itinera Romana Provinciae Lyciae, Istanbul. Agora XVIII: Daniel J. Geagan, The Athenian Agora XVIII. Inscriptions: The Dedicatory Monuments, Princeton 2011. FD III 2: Gaston Colin, Fouilles de Delphes III 2. Inscriptions du trésor des Athéniens, Paris 1913. F.Xanthos VII: André Balland, Fouilles de Xanthos VII. Inscriptions d´époque impériale du Létoôn, Paris 1981. I.Anazarbos: Mustafa H. 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Abb. 2: Fragment der Bauinschrift am Vereinshaus der Athleten in Olympia (aus: U. Sinn, Georg Ladstätter, Archer Martin u. Thomas Völling, Bericht über das Forschungsprojekt Olympia während der römischen Kaiserzeit und in der Spätantike IV. Die Arbeiten im Jahre 1995“, Nikephoros 8, 1995, 290 Abb. 14/ 1 u. 14/ 2; Foto: Ulrich Sinn). Abb. 3: Altar für Nero aus Athen (aus: E. Mastrokostas, Z@\@_–\–<7? < 7Z? 7Z? S\@j—8, Athens Annals of Archaeology 3, 1970, 426 Abb. 1; mit freundlicher Genehmigung des Hellenic Ministery of Culture and Sports - Archaeological Receipts Fund). Abb. 4: Bauinschrift der Thermen in Patara (aus: Eck [2008] 274 Abb. 1; Foto: Helmut Engelmann). Abb. 5: Kartusche mit dem Namen Domitians am Temenos von Deir El-Hagar; teilweise eradiert und später mit Stuck überdeckt (Foto: Olaf Kaper). Abb. 6: Ehreninschrift für Domitian, errichtet von der Stadt Puteoli (aus: Flower [2001] 626 Abb. 2; mit freundlicher Genehmigung des University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology, Philadelphia). Abb. 7: Weihinschrift aus Lambaesis für das severische Kaiserhaus; spätere Überschreibungen der auf Geta und Plautilla bezogenen, eradierten Passagen (CIL VIII 2557 = 18050 = ILS 2354; Foto: EDCS-20600003). <?page no="184"?> Sophia Bönisch-Meyer - Christian Witschel 176 Abb. 1 Abb. 2 <?page no="185"?> Das epigraphische Image des Herrschers 177 Abb. 3 Abb. 4 <?page no="186"?> Sophia Bönisch-Meyer - Christian Witschel 178 Abb. 5 Abb. 6 <?page no="187"?> Das epigraphische Image des Herrschers 179 Abb. 7 <?page no="189"?> Anne Wolsfeld Der Kaiser im Panzer. Die bildliche Darstellung Neros und Domitians im Vergleich 1. Einleitung Die visuelle Herrschaftsrepräsentation des römischen Princeps ist in verschiedenen Bildmedien fassbar und erfordert eine entsprechend differenzierte Untersuchung aller relevanten Zeugnisse. Neben der Unterscheidung nach Gattungen ist vor allem eine medienspezifische Unterscheidung notwendig, um sämtliche Aspekte der Herrscherrepräsentation zu berücksichtigen und eine historische Auswertung zu ermöglichen. Eine mediale Einordnung erfolgt dabei anhand der Frage nach Auftraggeber und Rezipienten, Nutzungsorten und -konventionen sowie nach dem Grad der Sichtbarkeit der Aufstellung. Eine öffentlich errichtete Ehrenstatue unterscheidet sich beispielsweise von den eher am Hof kursierenden, exklusiven Kameen und Reliefs an Ehrenmonumenten besitzen einen anderen Stellenwert als in Villen aufgestellte Büsten. Je nach Medium legen bestimmte ikonographische Regeln und Darstellungskonventionen fest, welche Aussagen mithilfe welcher Rollenbilder über den Dargestellten getroffen werden können. 1 Die erhaltenen Bildnisse waren Ehrungen verschiedener sozialer Gruppen für den Princeps innerhalb eines Kommunikationssystems, welches einen Austausch zwischen beiden Parteien ermöglichte und öffentliche Loyalitätsbekundungen seitens der Untertanen erlaubte. Es handelte sich daher nicht primär um eine zentral gelenkte Selbstdarstellung des Princeps, da die Mehrheit der Bildnisse von öffentlichen Organen, Provinzstädten, * Für Hinweise und Diskussion danke ich Volker Michael Strocka, Marianne Bergmann, Ralf von den Hoff, Alexander Heinemann und Anne Kleineberg. Lisa Cordes bin ich zu Dank verpflichtet für ihre Unterstützung in allen philologischen Belangen. Die zitierte Literatur strebt keine Vollständigkeit an, sondern verweist vor allem auf neuere oder grundlegende Werke, die maßgeblich für die wissenschaftliche Diskussion sind und gegebenenfalls Hinweise auf ältere Literatur enthalten. 1 Zur Medialität des römischen Herrscherporträts s. einführend von den Hoff (2011) 22- 26. 31-42 (mit weiterführender Lit.); vgl. Fejfer (2008) 17-63 (Ehrenstatuen). 73-137 (Bildnisse in nicht-öffentlichen Kontexten). 273-383 (Gegenüberstellung von Staatsreliefs und freistehenden Statuen); Bergmann (1998) 219-221 (Unterscheidung zwischen Gattungen mit offiziellen oder poetischen Äußerungen). <?page no="190"?> Anne Wolsfeld 182 privaten Organisationen oder Individuen diverser sozialer Gruppen errichtet wurden. 2 Es gibt keine literarischen Zeugnisse über die Herstellung und Verbreitung kaiserlicher Porträts des 1. und 2. Jhs. n. Chr., aber die typologische Einheitlichkeit des archäologischen Befundes lässt den Schluss zu, dass die Porträtköpfe in der Regel nach in Rom konzipierten und gutgeheißenen Modellen kopiert wurden. Die Porträtmodelle mussten für die lokalen Produktionszentren zugänglich gewesen sein, über das finale Erscheinungsbild, d. h. Größe, Material, Darstellungsform (z. B. Togastatue, Panzerbüste) und Aufstellungsort wurde jedoch vor Ort entschieden. Vor allem auf dieser Ebene sind die Ansichten der Stifter über den Kaiser zu greifen. 3 Der Princeps war also in die Herstellung offizieller Bildnistypen involviert, die Kommunikation dieser Bildnisse innerhalb der Gesellschaft war jedoch von der Teilnahme weiterer Parteien abhängig. Bei der lokal gewählten Darstellungsform konnte es sich natürlich um Reflexe andernorts, beispielsweise in Rom erfolgter Ehrungen des Princeps handeln, die dann auf lokaler Ebene rezipiert wurden. Da Ehrungen für den Princeps stets mit einer positiven und rühmenden Aussage über den Dargestellten verbunden waren und den Konsens des Geehrten suchten, wurden selbstverständlich Darstellungsformen im Interesse des Princeps gewählt. Die durch das Herantragen diverser Darstellungsformen entstehende Kommunikation definierte also die Beziehung zwischen Stifter und Geehrtem und ermöglichte somit die Aushandlung von Herrscherrollen und -normen. 4 Im Falle von Principes, die der Damnatio Memoriae verfielen, konnten Teile der Bildnisrepräsentation (z. T. postum) schnell als Normüberschreitungen gewertet werden, d. h. als anmaßende Versuche neudefinierter Herrscherrollen, die aber durchaus sowohl beim Vorgänger als auch beim Nachfolger ohne Kritik toleriert werden konnten. 5 Die in diesem Beitrag untersuchte Darstellung des Kaisers im Panzer umfasst sämtliche Bildnisse des Princeps im Brustpanzer, in Form von groß- 2 Vgl. Zanker (1990) 104-106; zur Aufstellung s. Lahusen (2010) 110-166; Boschung (2002) 171-179; grundlegend zur Ehrenstatue in Rom s. Lahusen (1983) passim; zu durch den Princeps initiierten Stiftungen s. Fejfer (2008) 389 Anm. 75; Lahusen (1983) 101-107; Pekáry (1985) 5f. 3 Zu Vorbedingungen und Funktion der Stiftungen s. von den Hoff (2011) 20-22; Fejfer (2008) 393-429; s. auch Lahusen (1997) 57-101; zu den Rollenbildern des Princeps vgl. Witschel (2006) 87-98; Zanker (1979) 354-359; speziell zur Herstellung und Verbreitung der Porträts s. Lahusen (2010) 189-200; Rose (1997) 57f.; Smith (1996) 31-34; Pfanner (1989) 157f.; Pekáry (1985) 5f. 24; Zanker (1983) 44-50. 4 Zum Kommunikationssystem zwischen Princeps und Untergebenen s. von den Hoff (2011) 15-20; von den Hoff (2009) 239-243. 260f.; Fejfer (2008) 389. 433-435; Weber u. Zimmermann (2003) 11-40; Flaig (1992) 59-131; zu den ‚Sprechern’ auf Münzen s. Wolters (2003) 175-204; Bergmann (1998) 91-98. 5 S. Witschel (2006) 108-125; s. auch in diesem Band den Beitrag von Hose u. Fuhrer S. 11-24. <?page no="191"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 183 plastischen Statuen, freistehenden Büsten, kleinformatigen Figuren, Reliefs und Münzbildern. Sie kennt zudem keine homogene und synchrone Entwicklung in den verschiedenen Bildmedien. Es handelt sich vielmehr um eine Entwicklung bereits vorhandener Impulse, für die sowohl Nero als auch Domitian wichtige Entwicklungsstufen bilden. Ziel des Beitrags ist es, diese Veränderungsprozesse zu fassen und zu beschreiben, die von der frühen Kaiserzeit bis hin zu Domitian stattgefunden haben. Die Figur im Brustpanzer wurde aus dem hellenistischen Bildrepertoire in die römische Porträtdarstellung aufgenommen und verkörperte in der Regel den erfolgreichen Feldherrn oder Imperator. 6 In ähnlichem Maß wie die selteneren, aber nicht zwingend im Panzer auftretenden Reiterstandbilder akzentuierten diese Ehrungen die militärische virtus des Princeps. 7 2. Die vorneronische Zeit Nach den Wirren des Bürgerkrieges und Actium 31 v. Chr. wurden Darstellungen des siegreichen Octavian/ Augustus im Panzer in der öffentlichen Repräsentation von seiner fortan programmatisch genutzten Rolle als civilis princeps in der Toga abgelöst und verschwanden weitestgehend. 8 Die bekannte Augustusstatue von Primaporta, die bereits relativ früh nach der auf dem Panzerrelief dargestellten Rückgewinnung der Feldzeichen von den Parthern 20/ 19 v. Chr. entstanden sein muss, ist ein Sonderfall. Sie ist ohne Parallele und bildet auch insofern eine Ausnahme, da sie keine offizielle Ehrenstatue, sondern innerhalb einer Villa im kaiserlichen Besitz aufgestellt und somit den Blicken der breiten Öffentlichkeit entzogen war. 9 Cassius Dio berichtet in Bezug auf die in der Vorhalle des Pantheon aufgestellte Statue des Augustus, dass dieser durch einen Blitzeinschlag der Speer aus der Hand gefallen sei. Hiermit könnte also eine weitere Panzerstatue des Augustus assoziiert werden, die zudem 27 v. Chr. mit der Fertigstellung des 6 Vgl. Zanker (1979) 354; Niemeyer (1968) 47; zum Gepanzerten innerhalb des Pomeriums vgl. Koortbojian (2010) 247-274. S. auch 265 Anm. 46 zur Gleichsetzung von Panzer und Imperator; s. Fejfer (2008) 212 Anm. 75 für die Unterscheidung der Verwendung der Panzerdarstellung für die reale oder ehrende militärische Auszeichnung; vgl. auch zum Begriff Imperator: DNP 5 953f. s. v. Imperator (L. de Libero). 7 Zur Panzerdarstellung s. Cadario (2004) 109-138; Lahusen (1983) 51-53; Stemmer (1978) 133-148; zum Reiterstandbild s. Bergemann (1990) 4-9; Lahusen (1983) 56-61; s. auch Lahusen (1997) 63-65. 8 Zur Bedeutung der Toga unter Augustus: Boschung (1993) 96; Zanker (1990) 167-169. 9 Rom, Musei Vaticani, Braccio Nuovo, Inv. 2290. Von den Hoff (2011) 33 u. 23 Anm. 37 (mit Lit.); im Osten des Reichs ist für Pergamon eine Panzerstatue des Augustus als Kultbild belegt (BMCRE I 228); s. auch Schäfer (2001) 37-53; Boschung (1993) 108f. Nr. 4 Taf. 1,2. 5. 143 Nr. 75 Taf. 96. 146. Nr. 80 Taf. 120 führt drei Einsatzköpfe des Augustus auf, die möglicherweise mit Panzerstatuen in Verbindung gebracht werden können. Vgl. auch Koortboijan (2010) 262 Anm. 39 u. 40. <?page no="192"?> Anne Wolsfeld 184 Pantheon, also vor der Panzerstatue von Primaporta, entstanden sein muss. 10 Die Identifizierung der überlebensgroßen Panzerstatue von Cherchel bleibt nach wie vor umstritten, auch wenn die Forschung sich mehr oder weniger darauf geeinigt hat, dass es sich um ein julisch-claudisches Bildprogramm, stilistisch aber um ein claudisches Werk handeln muss. 11 Für Tiberius sind keine lebenszeitlichen Zeugnisse für Darstellungen im Panzer erhalten, er folgte dem Adoptivvater in seiner zivilen Rolle. Benennbare großplastische Panzerstatuen vorneronischer Zeit sind uns hingegen für drei jüngere Angehörige des julisch-claudischen Kaiserhauses überliefert: Aus dem Theaterbezirk von Caere stammt eine in der Entstehungszeit umstrittene Panzerstatue mit sicher zugehörigem Einsatzkopf des Drusus Maior, die Teil einer julisch-claudischen Statuengruppe war. 12 Eine vom Reliefschmuck her außergewöhnliche, bronzene Panzerstatue stellt möglicherweise in Wiederverwendung den von Tiberius adoptierten Germanicus dar und wurde außerhalb der Mauern von Amelia im Bereich eines städtischen Gymnasiums oder Campus gefunden. 13 Eine dritte Panzerstatue aus Sulcis auf Sardinien wird aufgrund des offenbar zugehörigen Einsatzkopfes als Drusus Minor identifiziert. 14 Eine Panzerstatue mit Porträtkopf des Claudius wurde am Forum von Tusculum gefunden. 15 Die Zugehörigkeit des Einsatzkopfes in einem frühen 10 Cass. Dio 54,1,1; Koortbojian (2010) 262f. u. a. mit der Erklärung, wieso es sich nicht um eine Statue des Augustus im Jupiterschema handelt; s. auch 260-272 zur Bedeutung und Funktion der Panzerdarstellung für Augustus. 11 Cherchel, Archäologisches Museum, Inv. 177. Post (2004) 414f. Taf. 21b (claudische Kopie nach augusteischem Original); Cadario (2004) 169f. Taf. 23,2 (in Anlehnung an Zanker [1987] 237-239: postume Statue des C. Caesar); Hölscher (1994) 100-102 Abb. 12 (postumer Augustus oder eher Claudius, Einigkeit über julisch-claudisches Bildprogramm); s. auch Fittschen (1976) 175-203 Abb. 1f. (augusteisch, Augustus). 12 Rom, Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano, Inv. 9963. Cadario (2004) 171 Taf. 26,3 (spätaugusteisch/ postum); Boschung (2002) 85-89 Nr. 25.5 Taf. 69,1 (spätaugusteisch anhand des Kopfes); Stemmer (1978) 111f. Nr. XI 1 Taf. 75,1 (aufgrund der Ausführung der Lederstreifen nicht vor 39 n. Chr.). 13 Amelia, Archäologisches Museum. Zuletzt Queyrel (2012) 427-430; Cadario (2011a) 228-229 Nr. 3.6 mit Abb. (zusammenfassend zu einer möglichen Wiederverwendung); ausführliche Darstellung bei Rocco (2008) 477f. Abb. 11-14; Laube (2006) 205f. Taf. 80,1; Cadario (2004) 174-179 Taf. 23,3; Lahusen u. Formigli (2001) 90-92 Nr. 41; zum Porträttypus Gabii und einer möglichen postumen Datierung s. Fittschen (1987) 212-215. 14 Cagliari, Museum. Laube (2006) 106f. Taf. 44 (zwischen Adoption des Tiberius u. 23 n. Chr.). Die militärische Rolle des Drusus Minor wird auch durch die Verwendung des Titels Neos Ares auf einer Inschrift von der Athener Agora betont (IG II 2 3257); s. auch Cadario (2004) 172 Taf. 28,3 (vermutlich postum); Boschung (2002) 141 Nr. 73.3. 15 Agliè, Castello, Inv. Duc. N. 2111. Von den Hoff (2009) 254 Anm. 70; Boschung (2002) 142 Nr. 77.1 (Panzerstatue mit Kopf des Claudius); Stemmer (1978) 107f. Nr. VIIIa 3 Taf. 72,4f. (trajanische Statue mit ergänztem „Augustuskopf“); Borda (1943) 24-26 Taf. 25-27 (Rekonstruktion gestützt durch stilistische Ähnlichkeit mit der Primaporta- <?page no="193"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 185 Porträttypus zur in der Datierung umstrittenen Statue muss jedoch unsicher bleiben, so dass keine eindeutig als Claudius zu identifizierende Panzerstatue erhalten ist. Kopflose Panzerstatuen, die zwar kontextuell oder stilistisch datiert, aber nicht zugewiesen werden können, sind von augusteischer bis caliguläischer Zeit in einer überschaubaren Anzahl vorzufinden 16 und wurden auch als Darstellungsform von Privatpersonen 17 genutzt. Sie gewinnen dann aber ab claudischer Zeit zahlenmäßig an Gewicht, was die steigende Tendenz der Nutzung von Panzerdarstellungen ab neronischer Zeit bereits erahnen lässt. Der häusliche, nicht öffentliche Bereich liefert uns ein leicht konträres Bild der Herrscherdarstellung im Panzer. Unter Caligula tauchen die ersten kleinformatigen Bronzebüstchen - im Schuppenpanzer - und freistehenden, großplastischen Panzerbüsten auf, die nachweislich im nicht öffentlichen Kontext zu verorten sind. 18 Ebenfalls aus caliguläischer Zeit stammt ein in situ gefundener postumer Tiberius aus einem spätantiken häuslichen Aufstellungskontext in Ephesos. 19 Die Nutzung der Büstendarstellung für Claudius belegt eine offenbar durch Umarbeitung entstandene Panzerbüste aus dem Piräus. 20 An nicht-kaiserlichen Beispielen sind lediglich für Germanicus zwei Panzerbüsten bekannt. 21 Statue und den Porträtkopf des „Augustus“); zum Porträt des Claudius im Typus Kassel s. Salzmann (1976) 252-264. 16 S. beispielsweise die sehr wahrscheinlich julisch-claudischen, aber nicht genauer datier- oder benennbaren Panzertorsi aus einer Statuengruppe aus dem Poseidonheiligtum von Tenos sowie einen Torso aus dem Heiligtum von Iria auf Naxos, s. Queyrel (2012) 417-424 Abb. 3-5. 425-427 Abb. 7; Laube (2006) 186-192 Taf. 76,1. 193-199 Taf. 78; Cadario (2004) 295-304 Taf. 36. 304-308 Taf. 38. 17 Bsp. für Privatpersonen im Panzer: M. Holconius Rufus aus Pompeji (Neapel, Nationalmuseum, Inv. 6233. Deppmeyer [2011] 136-138; Zanker [1981] 349-361 Abb. 1; s. auch Meyer [2000] 41-45 Abb. 79-73); M. Nonius Balbus aus Herculaneum (Neapel, Nationalmuseum, Inv. 6211. Wallace-Hadrill [2011] 130-134 mit Abb.; Guidobaldi [2008] 263 Nr. 53 Taf. 165); anonymer Stratege aus Aphrodisias (Geyre, Aphrodisias-Museum, Inv. 72-173 [Kopf]. 72-439 [Körper]. Smith [2006] 50 Abb. 13; Cadario [2004] 241-247; Hallett [1998] 62-69 Abb. 2f.). 18 Kleinformat: Basel, Antikenmuseum und Slg. Ludwig, Inv. BS 547. Dahmen (2001) 158 Nr. 40 Taf. 40; Lahusen u. Formigli (2001) 126f. Abb. 69,1-4; verschollen. Dahmen (2001) 159 Nr. 45 Taf. 45; Boschung (1989) 117 Nr. 40 Taf. 35,1f. 45,1; Großformat: Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek, Inv. 1453. Johansen (1995) 134 Nr. 55 mit Abb.; Boschung (1989) 118 Nr. 43 Taf. 36,1-4. 44; zu den Panzerbüsten Caligulas s. auch von den Hoff (2009) 250-254. 19 Selçuk, Ephesos-Museum, Inv. 81/ 59/ 80. Cadario (2004) 171; Megow (2000) 249-295 Abb. 5-9; Jucker (1984) 67 Anm. 98; Aurenhammer (1983) 107-126 Abb. 4-6. 20 Piräus, Museum. Von den Hoff (2009) 244 Anm. 21. 254 Anm. 70; Boschung (1987) 215 Anm. 92 und 93b; Jucker (1984) 67 Anm. 98; zum Porträt s. Salzmann (1976) 262f. 21 London, British Museum. Boschung (1989) 64 Anm. 52; Jucker (1976) 252 Anm. 81 Abb. 15f.; Paris, Musée du Louvre, Inv. Ma 3135. De Kersauson (1986) 138 Kat. 63 m. Abb. <?page no="194"?> Anne Wolsfeld 186 In der Glyptik setzen die Panzerdarstellungen des Princeps analog zur rundplastischen Büste in caliguläischer Zeit ein. 22 Die glyptischen Zeugnisse sind genau wie die Büsten ein im nicht-öffentlichen Raum genutztes Medium, welches primär aufgrund des wertvollen Materials der Steine und der panegyrischen Inszenierung im nächsten Umkreis der domus Augusta zu erwarten ist. 23 Für Caligula sind zwei Kameen mit Panzerbüsten nachgewiesen 24 , für Claudius sogar drei. 25 Nachdem für die freiplastischen Büsten die Germanicusbüste als nicht-kaiserlicher Vertreter im Panzer gesichert ist, mehrt sich nun die Präsenz der jüngeren Familienmitglieder auf Gemmen und Kameen. Allein Germanicus sind zwei Panzerdarstellungen auf kleineren Steinen zuzuweisen. Bezüglich eines dritten Steins wurden die gleichen physiognomischen Charakteristika einerseits auf Germanicus, andererseits auf Drusus Minor bezogen, dem wiederum ein weiterer Stein sicher zuzuweisen ist. 26 In einem weiteren Kameo wird der Germanicus-Sohn Nero Caesar erkannt. 27 Nicht zu vergessen ist die Anwesenheit des Germanicus im Panzer an prominenter Stelle auf der Gemma Augustea. 28 Im Mittelregister des Grand Camée de France stehen die drei Germanicussöhne, Caligula, Nero Caesar und Drusus Caesar in Panzertracht, während der bereits verstorbene Vater und Drusus Minor im oberen Register schweben. 29 Die jünge- 22 Zu den Kameen caliguläischer Zeit vgl. Fuchs (2011) 93-103. 23 Von den Hoff (2011) 39; Bergmann (2008) 13-21; Zwierlein-Diehl (2007) 126. 146f.; Megow (1997) 71-73. 24 New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. 11.195.7. Varner (2000) 112f. Nr. 13 mit Abb.; Boschung (1989) 115 Nr. 32 Taf. 29,1f.; Megow (1987) 186 Nr. A62 Taf. 15,1; St. Petersburg, Ermitage, Inv. Z 276. Megow (1976) 186f. Nr. A63 Taf. 14,11; s. auch Fuchs (2011) 98-100 zu einer kopflosen Chalzedon-Statuette im Panzer (Princeton, Art Museum [L.1996.1]); zum New Yorker Kameo und zu den medialen Charakteristika der Kameen s. auch von den Hoff (2009) 255f. 25 Paris, Cabinet des Médailles, Inv. A 10391. Vollenweider u. Avisseau-Broustet (2003) 93f. Nr. 100 Taf. 71; Megow (1987) 194 Nr. A73 Taf. 24,4; Windsor, Castle. Megow (1987) 194f. Nr. A76 Taf. 25; London, British Museum, Inv. 3596. Megow (1987) 193f. Nr. A72 Taf. 24,1f. 26 Germanicus: Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. IX a 61. Megow (1987) 279f. Nr. C20 Taf. 11,2f.; vgl. Fuchs (2011) 96f. („Caligula“); Aquileia, Archäologisches Museum, Inv. 52237. Megow (1987) 281 Nr. C24 Taf. 34,3; umstritten: Paris, Cabinet des Médailles, Inv. 253. Laube (2006) 107 Anm. 945, in Anlehnung an Vollenweider u. Avisseau-Broustet (2003) 86 Nr. 91 Taf. 68 (Drusus Minor); Megow (1987) 278 Nr. C17 Taf. 7,7 (Germanicus); Drusus Minor: St. Petersburg, Ermitage, Inv. P 1879,24. Zwierlein-Diehl (2007) 438 Abb. 632 Taf. 133; Megow (1987) 286 Nr. C30 Taf. 10,6. 27 Trier, St. Matthias. Megow (1987) 287f. Nr. C33 Taf. 13,6. 28 Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. IX a 79. Zwierlein-Diehl (2007) 149-154 Nr. 6 Abb. 610; Laube (2006) 131; Meyer (2000) 59-80 Abb. 113; Prückner (1997) 119-124 Taf. 25 Abb. 67; Zanker (1990) 232-234 Abb. 182; Scherrer (1988) 115-128; Megow (1987) 8-11. 155-163 Nr. A10 Taf. 3f. (mit ält. Diskussion). 29 Paris, Cabinet des Médailles, Inv. 264. Figurenbenennung überzeugend nach Giuliani (2010) 21 Abb. 1-5; s. auch Zwierlein-Diehl (2007) 160-166 Abb. 633; Laube (2006) 131; <?page no="195"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 187 ren Mitglieder des Kaiserhauses sind auf dem tiberisch zu datierenden Kameo in ihrer militärischen Funktion gegenüber den anderen Personen und ihrer Rolle als potenzielle Nachfolger deutlich hervorgehoben. Nachdem die Darstellungen des Octavian/ Augustus im Panzer 29-27 v. Chr. abgerissen sind, 30 fehlt der Princeps im Panzer in der Münzprägung bis Nero komplett. 31 Ein zeitlich umstrittener Germanicus-Dupondius zeigt im Avers einen Feldherrn in der Triumphalquadriga - also wohl in der toga picta - mit der Legende GERMANICUS CAESAR, auf dem Revers hingegen einen Feldherrn in Panzer mit Paludamentum und Adlerszepter im Adlocutiogestus begleitet von der Legende SIGNIS RECEPT - DEVICTIS GERM. Nachdem der Dupondius mit einer unter Caligula zur Ehren seines Vaters erfolgten Prägung verknüpft worden ist, hat R. Wolters die ungewöhnliche Stempelkombination zweier Reverstypen mit dem durch die Tabula Siariensis überlieferten Senatsbeschluss zweier aufeinander zu beziehender Ehrenbögen für Germanicus verbunden. Die Reversmotive würden demnach die jeweiligen Bogenbekrönungen in Rom und am Rhein vor Augen führen und die Prägung wäre dann kurz nach dem Beschluss 19/ 20 n. Chr. erfolgt, um diese zu illustrieren. 32 Eine zweite Panzerdarstellung des Germanicus findet sich auf einer schlecht erhaltenen, caliguläischen Didrachme aus Kappadokien von 37/ 38 n. Chr. Die Münze zeigt den Feldherrn sowohl im Avers als auch auf dem Revers beim Aufsetzen der Tiara auf den Kopf des römischen Klientelkönigs Artaxias. 33 Ansonsten sind für die vorneronische Zeit auch für die jüngeren Angehörigen der domus Augusta keine Panzerdarstellungen im Münzbild nachgewiesen. Schließlich ist noch das Auftreten einer gepanzerten Figur auf einem der Silberbecher von Boscoreale zu nennen: in der Figur, die dem sitzenden Princeps sich unterwerfende Barbaren präsentiert, wurde einerseits ein gewöhnlicher Soldat, andererseits Drusus Maior gesehen. 34 Die an einem Vollenweider u. Avisseau-Broustet (2003) 219f. Nr. 275 Taf. 27-31; Giard (1998) 17-23 Taf. 2; Megow (1987) 80f. 202-207 Nr. A85 Taf. 32,5-10. 33 (mit ält. Benennungsvorschlägen); vgl. auch Meyer (2000) 11-28 Abb. 1. 30 Letzte Exemplare: RIC I 2 251. 253 (Augustus) 31 Vgl. unten S. 196f. 32 RIC I 2 57 (Caligula); Wolters (1990) 7-15; s. auch Cadario (2004) 173. 33 RIC I 2 59 (Caligula); s. auch RIC I 2 164f. (Augustus): auf Prägungen von 15-13 v. Chr. werden dem auf einem Podium sitzenden Augustus in der Toga Lorbeerzweige von zwei zu ihm aufschauenden Figuren gereicht, die aufgrund des mitgeführten Parazoniums sehr wahrscheinlich einen Panzer tragen. Die im RIC als Soldaten angesprochenen Figuren werden von Künzl (1988) 123 Abb. 78 als Tiberius und Drusus Maior benannt und wären ein weiterer Beleg für vorneronische Panzerdarstellungen auf Münzen. 34 Paris, Musée du Louvre, Inv. MNE 955. Cadario (2004) 157 Taf. 20,2 (Drusus Maior); Zanker (1990) 229-232 Abb. 180b (Soldat); zu nennen wäre auch noch die nichtkaiserliche Panzerfigur auf dem claudisch datierten Ravenna-Relief (Ravenna, Museo <?page no="196"?> Anne Wolsfeld 188 Pferdebalteus angebrachte Bronzeapplike eines durch das Schlachtgetümmel reitenden Feldherrn identifiziert D. Boschung anhand des Porträtköpfchens als Claudius. Der Balteus zierte vermutlich eine bronzene Pferdestatue, vielleicht als Teil einer Quadriga. 35 Einem anderen Prinzip folgen die so genannten Militaria, da hier neben der militärischen Rolle der Prinzen auch der Princeps im Panzer seit augusteisch-tiberischer Zeit im Vordergrund stand. 36 Die Bildnisse Angehöriger der domus Augusta sind beispielsweise an Schwertappliken zu finden, 37 sie treten aber auch an Ehrenzeichen wie den so genannten Glasphalerae 38 auf und evozieren dort genau wie das Schwertscheidenmundblech in Bonn dynastische Zusammenhänge. Als Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Princeps als oberstem Feldherren und seiner Familie wurden die Militaria innerhalb des Heeres genutzt. Für die vorneronische Zeit sind mehrere häufig im Zusammenhang mit militärischen Siegen stehende Ehrenbögen literarisch oder numismatisch überliefert, topographisch jedoch nicht immer zu verorten. Trotz des militärischen Hintergrundes wurden für die Bögen - soweit die Bekrönung bekannt ist - Darstellungen in der Triumphquadriga mit dem Geehrten in der toga picta den Panzerdarstellungen vorgezogen. 39 Der bei Sueton erwähnte Ehrenbogen mit Tropaia an der Via Appia, 40 der Drusus Maior postum vom Senat errichtet wurde, ist auf claudischen Prägungen identifiziert worden und stellt eine Ausnahme dar. Der mit der Inschrift GERM versehene Bogen trug eine zwischen Tropaia galoppierende Reiterstatue im Panzer, die den verstorbenen Vater des Claudius, Drusus Maior, ehrte. 41 Weitere Panzerdar- St. Vitale), deren Identifizierung genau wie die der anderen Dargestellten sehr umstritten ist. Cadario (2004) 166f. Taf. 23,1; Meyer (2000) 35-41 Abb. 57; m. E. überzeugend: Dohna (1998) 295-304 (mit ält. Lit.). 35 Aosta, Archäologisches Museum. Boschung (1999) 209 Abb. 13. 36 Vgl. die Darstellung eines Prinzen in militärischer Tracht auf dem sog. Schwert des Tiberius: London, British Museum, Inv. 876. Von den Hoff (2011) 39f. Abb. 17; Cadario (2004) 159f. Taf. 22,2 (Germanicus); Dahmen (2001) 208f. Nr. Mil. 17 Taf. 207 (Germanicus)(mit. Lit.). 37 Schwertscheidenmedaillon: Brugg, Vindonissa-Museum. Dahmen (2001) 209 Nr. Mil. 19 Taf. 208 (mit. Lit.); Schwertscheidenmundblech: Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 4320. Cadario (2004) 171; Dahmen (2001) 207 Nr. Mil. 14 Taf. 207 (Livia mit Tiberius und Drusus Maior)(mit Lit. zur Diskussion um die Dargestellten); Künzl (1996) 454 Nr. M3 Taf. 44 (Julia mit Gaius und Lucius); ebenso Zanker (1990) 220f. Abb. 172 (Julia mit Gaius und Lucius); zu einer differenzierten, politisch motivierten Waffendekoration in der frühen Kaiserzeit s. Künzl (1996) 383-474. 38 Boschung (1987) 232-243 (Tiberius). 243-245 (Caligula). 245f. (Germanicus). 248-254 (Claudius). 39 Zum römischen Ehrenbogen s. Roehmer (1997); Pfanner (1983) 94-99; zum römischen Triumph u. dem Triumphator s. Künzl (1988) 85-108. 40 Suet. Claud. 1,3. 41 LTUR 1, 93 s. v. Arcus Drusi (Via Appia)(G. Pisani Santorio). <?page no="197"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 189 stellungen von Mitgliedern der domus Augusta oder des Princeps selbst auf Bogenmonumenten sind weder archäologisch, noch literarisch oder numismatisch belegt. 42 Während der Amtszeit des Augustus und des Tiberius spielte die Darstellung des Princeps im Panzer also eine untergeordnete Rolle und trat bis auf wenige Ausnahmen in den Hintergrund. Das nun vorherrschende Bild des civilis princeps in der Toga setzte sich so kategorisch vom Bild der militärischen Führer während der Bürgerkriege ab und war zudem mit dem Legitimationsaspekt der neuen Herrschaft und der damit verbundenen Idee von pax und der Wiederherstellung der res publica vereinbar. 43 Das sich dem antiken Betrachter bietende Bild ließ die jüngeren und de facto auch militärisch vielmehr aktiven Mitglieder der domus Augusta sowohl im öffentlichen als auch im eher privaten Bereich stärker in den Vordergrund treten. 44 Nach Tiberius fiel die militärisch aktive Rolle auf den Princeps zurück, was vielleicht durch den Mangel an jüngeren Mitglieder bzw. potenziellen Nachfolger der domus Augusta zu erklären wäre. Mit Caligula wurde der Kaiser erstmalig häufiger im Panzer gezeigt, wenn auch zunächst nicht in öffentlichen Ehrenstatuen. Unter Claudius wurde diese Art der Darstellung auf Kameen, in Büsten und möglicherweise auch schon in der statuarischen Darstellung fortgeführt. Die Panzerdarstellung musste seit caliguläischer Zeit also außerhalb des Militärs in der Bevölkerung in besonderer Weise auf Akzeptanz gestoßen und in der visuellen Repräsentation aufgegriffen worden sein. Ausgangspunkt ist möglicherweise ein erhöhter Legitimationsbedarf, der durch die erneut zunehmende militärische Präsenz des Kaisers gewährleistet werden konnte und schon mit der Anerkennung durch das Heer nach dem Tod des Vorgängers begann. 45 Die militärische Rolle gewann ab caliguläischer Zeit im Diskurs um den Herrscher offenbar an Gewicht. Sie diente aus der Sicht der Untergebenen dazu, eine indirekte Form der Legitimation zu schaffen - wenn auch zunächst nur im häuslichen und höfischen Kontext -, indem diese als Auftraggeber der Ehrungen das Militärische als herrschaftslegitimierende Qualität an den Princeps herantrugen. Die Panzerdarstellungen des Caligula wurden zudem möglicherweise durch sein enges Verwandtschaftsverhältnis zu dem militärisch gefeierten und mehr- 42 Vgl. LTUR 1, 77-112 zu den weiteren bekannten „arci“; vgl. auch LTUR 2, 336-342 s. v. Forum Romanum (The Imperial Period)(N. Purcell) zu den Bögen auf dem Forum Romanum. 43 Vgl. Bringmann (2002) 113-123; Zanker (1990) 96-103. 44 Vgl. von den Hoff (2011) 32-34; von den Hoff (2009) 252; Fejfer (2008) 401-404; Cadario (2004) 166. 179f.; Boschung (1999) 201-209. 45 Kienast (2011) 85 (37 n. Chr.: Caligula erhält imperatorische Akklamation). 90 (41 n. Chr.: Claudius wird von den Soldaten zum Kaiser ausgerufen). <?page no="198"?> Anne Wolsfeld 190 heitlich im Panzer dargestellten Germanicus sowie durch das junge, ‚prinzenhafte‘ und potentiell dynamische Alter bei Regierungsantritt motiviert. 46 3. Nero im Panzer Mit Nero verändert sich der Befund und es werden zwei wichtige Veränderungen fassbar: die Zahl der Statuen des Princeps im Panzer nimmt zu und er wird erstmals sowohl im Avers als auch im Revers auf Münzen als Panzerfigur bzw. -büste abgebildet. Aus dem östlichen Reichsgebiet sind zwei zu Beginn der Regierungszeit Neros entstandene Panzerdarstellungen des Kaisers bekannt. Aus der Nähe von Tralleis stammt eine durch die Inschrift auf der Plinthe benannte, heute jedoch kopflose Panzerstatue (Abb. 1), für welche die inschriftliche Nennung des p7: < D>@=9? : < zugleich einen terminus post quem festlegt. 47 Den gleichen v. a. in Kleinasien im 2. Jh. n. Chr. geläufigen Statuentypus reproduziert eine Darstellung auf einem der Reliefs aus dem Sebasteion von Aphrodisias; 48 hier wird Nero von seiner Mutter Agrippina bekränzt. Das Sebasteionrelief ist einerseits durch eine neronische Bauphase, andererseits durch den verwendeten Bildnistypus zwischen 54-59 n. Chr. zu datieren. 49 Im Gegensatz zu den mehrheitlich in idealer Nacktheit dargestellten Angehörigen der julisch-claudischen Familie auf den übrigen Platten der Reliefserie trägt Nero als aktuell regierender Kaiser den Panzer. 50 Beide kleinasiatischen Panzerdarstellungen weisen kosmische Symbole auf den Pteryges auf, welche die Verbindung von Nero und dem Sonnengott, die einerseits in der Panegyrik, andererseits durch den im Orient verwendeten Titel Neos Helios für den jungen Princeps belegt ist, aufgreifen. In einem lediglich inschriftlich nachgewiesenen Sebasteionrelief war Nero sogar zu- 46 Vgl. von den Hoff (2009) 252; Cadario (2004) 173. 179-181; s. auch weiter unten S. 205. 47 Istanbul, Archäologisches Museum, Inv. 506. Niemeyer (1968) 92 Nr. 37; Vermeule (1968) 389 Nr. 6 Taf. 12,1; Mendel (1914) 315f. Nr. 584 mit Umzeichnung; Inschrift: 87\—8@ D>@=9? : 8 p7: = D>@=9? : = D@? <@\: < =? : 8 . Zur umstrittenen Entstehung der Statue s. Bergmann (1998) 153f. Anm. 913 (frühneronisch); Stemmer (1978) 17 Anm. 62 (antoninisch); Fittschen (1970) 549 Nr. 37 (2. Jh. n. Chr.); abgesehen von der historischen Problematik einer Datierung in das 2. Jh. n. Chr. existieren typologische und ikonographische Parallelen bereits im 1. Jh. n. Chr., wie das Sebasteionrelief und die Panzerstatue eines Strategen aus Aphrodisias belegen (zum Strategen, s. Anm. 17). 48 Zum Statuentypus mit antithetischem Greifenpaar und cingulum s. Strocka (2013) 599- 601; Vermeule (1968) 389 Nr. 6; nan u. Alföldi-Rosenbaum (1966) 69 Anm. 7; zur chronologischen Verteilung der Bildmotive s. Stemmer (1978) Faltblatt zw. 152 u. 153. 49 Zu den Bildnistypen Neros s. zuletzt Bergmann (2013) 332-339; Bergmann u. Zanker (1981) 321-332. 50 Zum Sebasteion und den Reliefplatten s. Smith (2006) 44-48 sowie zuletzt Bol (2013) 182; Bergmann (2013) 335f. Abb. 20.4 zum Bildmotiv. Neben Nero wurden noch zwei Prinzen ebenfalls im Panzer dargestellt; Smith (1987) passim, bes. 127-132 Nr. 11 Taf. 24-26; vgl. auch Meyer (2011) 104-119. <?page no="199"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 191 sammen mit Helios dargestellt. 51 Die Verbindung des Sonnengottes mit einem militärischen Aspekt kennt jedoch keine direkten Vorgänger in der römischen Tradition, es finden sich lediglich einige Beispiele in mehrheitlich kaiserzeitlichen, aus Ägypten stammenden Statuetten. 52 Die militärische Rolle Neros ist im Westen bis zu den Münzprägungen von 63-65 n. Chr. nicht wirklich fassbar, da keine gesicherten Darstellungen im Panzer überliefert sind. Eine Ausnahme bildet eine Gruppe von drei oder vier motivisch und ikonographisch ähnlichen Panzerstatuen aus Narona, Olympia (Abb. 2) und Bologna sowie möglicherweise aus Durres in Albanien, für die eine Benennung als Nero plausibel ist. 53 Neben Standmotiv, Armhaltung und Manteldrapierung teilen sie sich vor allem den Panzerschmuck zweier antithetisch auf Hippokampen oder Kete reitenden, attributlosen Nereiden mit flatterndem Mantel, darunter zwei Delphine. 54 Die Form des Brustpanzers scheint hingegen nicht festgelegt - es werden sowohl der hellenistische als auch der Panzer mit gemischten Pteryges verwendet -, und auch Details wie der Pterygesschmuck finden bis auf den Ammonskopf auf der Mittelpteryx von Narona und Olympia keine Entsprechung. Zudem weisen drei der vier Statuen Spuren einer nachträglichen Bearbeitung beziehungsweise Umarbeitung am Halsausschnitt auf, die auf den Austausch des ursprünglichen Porträts und somit auf eine Umwidmung hinweisen, eine 51 SEG 31, 1981, 919. Zu Nero und der Verbindung mit dem Sonnengott s. Bergmann (2013) 340-351; Bergmann (1998) 133-230 sowie bes. 150-171 zu Darstellungen mit kosmischen Symbolen. 52 Zu den Statuetten s. Bergmann (1998) 76-79 mit Zeugnissen für regelmäßig seit dem Hellenismus im Panzer erscheinende syrische und ägyptische, teilweise solare Gottheiten, ausgenommen Helios; vgl. auch Cadario (2004) 185f.: „Il collegamento del tema astrale a un´immagine loricata potrebbe inoltre testimoniare la volontà dell´imperatore di presentarsi come Sol Invictus, sfruttano la tradizione orientale delle rappresentazione loricata della divinità solare, adottata anche per raffigurare Alessandro“; zu Panzerstatuen mit Heliosmotiv s. unten S. 192-195. 53 Narona: Split, Museum, Inv. 2264. Laube (2006) 223f. Taf. 74,5 (Nero); Marin (2004) 143- 152 Abb. 152-157 (Augustus); Olympia, Museum, Inv. 126. Bol (2013) 163f. 171-177. 181-187; Hitzl (1991) 46-49 Nr. 4 Taf. 20-25 (m. Lit.) (Nero/ Titus); Stemmer (1978) 33f. Nr. III 5 Taf. 18,1; Bologna, Museo Civico. Laube (2006) 224f. Anm. 1984 (mit ält. Lit.)(Nero); Durres, Archäologisches Museum, Inv. 4415. Cavalieri (2003) 221-241 Abb. 1-3; Koch (1995) 321-326 Taf. 71-74,1 (Nero). 54 Vgl. Hekler (1919) 217-221. Die Statuen gehören aufgrund des Panzerschmucks zu einer größeren Gruppe von Panzerstatuen, die auf Hippokampen reitende Nereiden zeigen und fast ausnahmslos in der 2. Hälfte 1. Jh. oder Anfang 2. Jh. n. Chr. zu datieren sind; s. auch Cadario (2004) 328-337 u. a. zur unterschiedlichen Gestaltung des Pterygion; Koch (1995) 324. Die hier aufgelisteten Torsi Nr. 4-6 sind vermutlich erst in flavischer Zeit oder später entstanden und entfallen daher für die Untersuchung neronischer Panzerstatuen; zur zeitlichen Einordnung dieser drei nachneronischen Statuen s. Laube (2006) 224 Anm. 1981 u. 1982. <?page no="200"?> Anne Wolsfeld 192 gängige Vorgehensweise nach der Damnatio Memoriae Neros. 55 Diese Umarbeitungsspuren sowie der möglicherweise nicht zufällig gebrochene Teil der Durres-Statue deuten in Verbindung mit der stilistischen Einordnung der Statuen in spätclaudisch-vorflavische Zeit auf Nero hin. Auch der Aufstellungskontext im olympischen Metroon 56 oder Augusteum von Narona als Teil einer julisch-claudischen Statuengalerie sowie im Theater von Bologna, stützt die Identifizierung als Mitglied des Kaiserhauses, die durch die Zeitstellung der Statuen auf Nero eingegrenzt wird. I. Laube schlägt nun eine Interpretation des Bildschmucks vor, der entgegen der geläufigen Meinung sowohl auf die Person des Dargestellten und einen konkreten Kontext zu beziehen sei, als auch mit einer allgemein übertragbaren Semantik des Sieges ohne speziellen, historischen Bezug auf eine beliebige Person in Panzertracht übertragen werden könne. 57 Die Meereswesen ermöglichen nach Laube die Bezugnahme auf Neros siegreichen Ahnen Cn. Domitius Ahenobarbus, der 42 v. Chr. in einer bedeutenden Seeschlacht überlegen war 58 , sind aber gleichzeitig Symbol von victoria und aeternitas und reihen sich damit in die allgemein anwendbaren Panzerschmuckmotive ein. 59 Die engen Entsprechungen des Statuenschemas, der Panzerschmuckmotive sowie die zeitliche Nähe sprechen für eine Zusammengehörigkeit der Statuen Narona, Olympia, Bologna und Durres unabhängig von der Form des Brustpanzers. Ihnen muss ein gemeinsamer Entwurf zu Grunde gelegen haben, der als Vorbild für die lokal aufgestellten Ausführungen diente. 60 55 Zu den Spuren einer nachträglichen Bearbeitung s. zu Narona: Laube (2006) 223; Olympia: zuletzt Bol (2013) 171-177; Bol (2011) 114f. (Nerodurch Tituskopf ausgetauscht und nicht umgearbeitet); Varner (2004) 247 Nr. 2.37; Hitzl (1991) 69f. 85f.; Bologna: Laube (2006) 224f.; Mavrojannis (1994) 336 Anm. 189. 56 Zu den Statuengruppen: Narona: Deppmeyer (2008) 30-35; Marin (2004) 70-75. Sowohl K. Deppmeyer als auch E. Marin führen die Panzerstatue als Augustus auf; Olympia: Bol (2013) 160-189; Bol (2011) 114f.; Deppmeyer (2008) 39-44; Boschung (2002) 100-105 mit Anm. 595. 57 Vgl. Stemmer (1978) 152. 58 Tac. Ann. 4,44; Suet. Nero 3; zur Verbindung der Nereiden mit Cn. Domitius Ahenobarbus s. Cavalieri (2003) 233-239; zur ‚Domitius-Ara’ s. Stilp (2001) 37-47. 54-60. 59 Laube (2006) 225. Da die Nereiden keine Waffen tragen, ist eine Interpretation als Achilles-Imitatio auszuschließen, auch wenn Mavrojannis (1994) 291-347 versucht, eine solche in anderem Zusammenhang nachzuweisen; zur Deutung der Nereiden und zur bewussten Motivwahl s. Cadario (2004) 339-341; Barringer (1995) 147f. 167. Vgl. Bol (2013) 184f. u. Strocka (2010) 65, die eine Deutung der Nereiden im Rahmen einer Hochzeit trotz fehlender Attribute in Betracht ziehen. 60 Cadario (2004) 329 u. 337 erwägt aufgrund der Verwendung pentelischen Marmors und der Herkunft dreier Statuen aus dem griechischen Raum eine zentrale attische Produktion und denkt an eine zeitliche Verbindung mit Neros Griechenlandreise; s. auch Cavalieri (2003) 233. 239-241; Koch (1995) 325. <?page no="201"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 193 Eine zweite Gruppe mit Nero zu verbindender Panzerstatuen zeichnet sich durch das gemeinsame und seltene Motiv eines Helios/ Sol in seiner Quadriga im oberen Panzerbereich anstelle des sonst häufig zu findenden Gorgoneions aus. Neben dem von Beginn seiner Herrschaft an präsenten Apollon/ Sol-Vergleich Neros in der Panegyrik und den beiden östlichen Panzerbeispielen mit kosmischer Symbolik, 61 stellt eine kopflose und barfüßige Panzerstatue aus dem Theater von Caere (Abb. 5) eine direkte Verbindung zwischen dem Sonnengott und dem Princeps her. 62 Der Wagenlenker, also eigentlich Helios/ Sol, trägt hier keine idealen Züge, sondern ist mit runder, fleischiger Physiognomie und kurzen, mit Punktbohrungen versehenen Locken gezeigt und unterscheidet sich dadurch von den weiteren Panzerbeispielen mit Heliosquadriga auf der Brust. Die Figur des Wagenlenkers lässt daher an die überlieferten, späten Bildnisse Neros 63 sowie an die literarisch dokumentierte Angleichung an den Wagen lenkenden Sol auf dem Sonnensegel des Pompeiustheaters anlässlich des Tiridates-Besuchs in Rom denken. Allerdings besteht hier ein ähnliches Problem wie hinsichtlich des Kitharödenreverses, da in beiden Fällen nicht gesichert ist, dass die Götterfigur Nero selbst darstellt. 64 Das Hauptfeld des Panzers wird von zwei, zu beiden Seiten eines Kandelabers antithetisch angeordneten Greifen eingenommen, die jeweils von einem knienden Arimaspen getränkt werden. Die hier orientalisch gekleideten Arimaspen stehen stellvertretend für östliche Barbaren und symbolisieren im Falle Neros die Parther, die sich den Greifen, d. h. der unter dem Schutz Apollons stehenden Macht Roms unterwerfen. 65 Ein der Caere-Statue in Standmotiv, Panzertypus, Manteldrapierung und Panzerschmuck weitgehend entsprechender Panzertorso findet sich in 61 Zum Vergleich Neros mit dem Sonnengott in der Panegyrik und der kosmischen Symbolik in den Darstellungen Neros s. Bergmann (2013) u. (1998) wie oben in Anm. 51. 62 Rom, Musei Vaticani, Museo Gregoriano Profano, Inv. 9948. Cadario (2011b) 176f. m. Abb. (Nero); Strocka (2010) 65 (Nero); Cadario (2004) 188-190 Taf. 26,1f. 27,1; Boschung (2002) 86 Nr. 25.8. 89 Anm. 530 Taf. 69,1 (Nero); Rose (1997) 85 (Germanicus); Fuchs (1989) 68-70 Nr. 5 (Nero); Stemmer (1978) 96f. Nr. VIIa 2 Taf. 65,1 (durch Fundort zwischen 39-41 datiert). 63 Dazu Bergmann u. Zanker (1981) 322-332 (Typus Thermenmuseum u. München). 64 Zum Kitharödenrevers s. Bergmann (1998) 185-188 und den Beitrag von Wolters u. Ziegert in diesem Band S. 52f. 63. 66f. 65 Cadario (2011b) 176f. interpretiert den Panzerschmuck als Übertragung der Ereignisse von 66 n. Chr. und als Inszenierung von Neros politisch-militärischem Erfolg, der durch Apollon/ Helios ermöglicht wurde; s. auch Cadario (2004) 193f.; Fuchs (1989) 68- 70 Nr. 5 (erste Identifizierung als Nero); zur Bedeutung der Greifen vgl. Cadario (2004) 247-251; Stemmer (1978) 152f.; Flagge (1975) 52-60; Simon (1962) 773-780; zur Verbindung von Helios mit dem Brustpanzer s. oben S. 191 Anm. 52. <?page no="202"?> Anne Wolsfeld 194 Turin. 66 Der wagenlenkende Sonnengott trägt hier jedoch keine individualisierten Züge, sondern das lange Haar und Gewand der aurigae, welches in den Sol-Darstellungen auf den Panzern aus dem Theater von Lecce und in Graz wiederkehrt. Diese beiden Torsi unterscheiden sich jedoch primär durch die Manteldrapierung und den Reliefschmuck im unteren Panzerbereich - in Lecce antithetisch auf Kete reitende Nereiden mit Waffen, in Graz Tropaion errichtende Niken. Der Torso aus Lecce kombiniert also das Solmotiv mit den für Nero bereits in der oben besprochenen Gruppe von Panzerstatuen nachgewiesenen Nereiden. 67 Ein Fragment aus Cartagena kann im Anschluss an die Statuen in Turin und aus Caere mit der Solquadriga im oberen Panzerbereich rekonstruiert werden. 68 Die Entstehungszeit der einzelnen Statuen ist umstritten. Laut M. Cadario sind die Panzertorsen mit dem Solgespann nicht gesichert einer einzigen Person zuzuweisen, sondern verteilen sich vermutlich über einen guten Teil der julisch-claudischen Zeit. V. M. Strocka hingegen ist der Ansicht, dass insgesamt fünf Panzerstatuen mit Sol-Darstellung für den jugendlichen Nero geschaffen worden sein dürften. 69 Mit Ausnahme der stark abweichenden, aber isolierten trajanischen Datierung des schlecht erhaltenen Lecce- Torsos durch A. Post, gehören die vier Panzerfiguren mit nichtindividualisierter Heliosdarstellung aufgrund von stilistischen Vergleichen am ehesten in claudische Zeit. Dass das Motiv des frontalen Solgespanns im oberen Brustbereich der Panzerstatuen auf ein gemeinsames Vorbild zurückgeht, ist aufgrund der relativen Einheitlichkeit der Motive sowie durch die enge Zeitstellung nicht zu bezweifeln. 70 Der direkte Bezug zum ‚Solgleichen‘ Nero und die stilistisch beziehungsweise kontextuell gesicherte neronische Datierung sind jedoch nur für die Statue aus Caere gegeben. Der Nachweis von Darstellungen des Princeps in Verbindung mit der Sol- Thematik ist mit Ausnahme der Strahlenkrone für die Divi Augustus und Claudius vor Nero spärlich. 71 Ein expliziter Bezug zwischen dem auf den 66 Turin, Museo di Antichità, Inv. 313. Rosso (2006) 495-497 Nr. 244 Abb. 189 (caliguläisch); Cadario (2004) 190-192 (claudisch); Stemmer (1978) 96 Nr. VIIa 1 Taf. 64,1f. (frühestens frühclaudisch). 67 Vgl. Strocka (2010) 65; Laube (2006) 148. 68 Lecce, Museo Castro Mediano, Inv. 4598. Laube (2006) 147f. 231 Nr. 36 Taf. 63,1 (vermutl. Nero); Post (2004) 446 Nr. VII 3 Taf. 34b (trajanisch); Cadario (2004) 238f. Taf. 32,4 (julisch-claudisch); Graz, Privatbesitz. Stemmer (1978) 56f. Nr. V1 Taf. 34,1 (älter als claudisch); Cartagena, Museum. Stemmer (1978) 97 Nr. VIIa 3 Taf. 65,3 (frühkaiserzeitlich, ev. vorclaudisch aufgrund fehlender Zierbohrungen). 69 Strocka (2010) 65 Anm. 364; Cadario (2004) 188-195. 70 Cadario (2004) 193 geht von einem bereits in vorneronischer Zeit geschaffenen, bekannten Statuentypus aus, der im Fall von Caere von der Nerophysiognomie beeinflusst wurde. 71 Vgl. Bergmann (1998) 123f. zu Sol in der Gesamtkomposition des Reliefschmucks auf der Panzerstatue von Primaporta u. 127-129 zu Sonderfällen unter kleinasiatischen Lo- <?page no="203"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 195 Panzerstatuen gezeigten Wagenlenker Sol und dem Princeps findet sich jedoch nur für den ambitionierten Wagenlenker Nero. Stilistisch unterscheiden sich claudische Panzerstatuen von den neronischen jedenfalls nicht grundlegend, da explizit neronische Stilmerkmale nicht überall gleichzeitig auftreten und claudisches Formengut erst nach und nach abgelöst wird. Die Panzertorsen mit Solquadriga weisen keine stilistischen Eigenschaften auf, die noch eindeutig der claudischen Zeit verhaftet sind oder bereits einem ausgeprägten, neronischen Zeitstil zugeordnet werden können, so dass eine dazwischen liegende, frühneronische Datierung durchaus möglich ist. 72 Eine Identifizierung der fünf Panzerstatuen mit Nero wäre also sowohl aufgrund der stilistischen Einordnung als auch durch die neronische Konjunktur der Solthematik plausibel. Anschließend stellt sich natürlich die Frage, auf wen die Kreation der beiden verwendeten Panzertypen und die damit verbundenen Aussagen zurückgehen. Wie schon angedeutet, muss es einen einheitlichen und zugänglichen Entwurf gegeben haben, den die lokalen Initiatoren der Ehrungen rezipieren konnten, aber nicht exakt kopierten. Denkbar ist, dass das Vorbild entweder in Rom selbst oder in einem größeren Produktionszentrum entworfen und aufgestellt worden ist und Auswärtige dann auf die Darstellung zurückgreifen konnten. Die Panzerstatuen mit der Solquadriga entsprechen sich mit Ausnahme der Statuen in Caere und Turin nicht, so dass nur das Solmotiv vom Vorbild übernommen wurde und sogar in Details umgestaltet werden konnte. Die vier Panzerfiguren mit dem Nereidenmotiv sind jedoch bis auf den Panzertypus und einige Details derart einheitlich gestaltet, dass die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass an einem zentralen Ort der Statuenkörper als Modell verfügbar gewesen sein muss. Im Gegensatz zu den für Kopien verfügbaren Kopfmodellen, die in der Regel detailgetreu und lockenidentisch wiederholt wurden, handelt es sich bei den Panzertorsen nicht um Repliken, sondern um freie Nachbildungen. Es können noch weitere Darstellungen von Gepanzerten auf Nero bezogen werden. Eine Bronzestatuette aus Opitergium (Oderzo) zeigt einen sitzenden Feldherrn im Schuppenpanzer mit vorgestreckter Hand. Diese Haltung ist als submissio-Gestus, ein Zeichen kaiserlicher clementia, zu verstehen. Frisur und Physiognomie entsprechen dem zwischen 54-59 n. Chr. verwendeten Bildnistypus Neros, so dass eine Identifizierung mit dem Princeps begründet ist. Aufgrund der durch den Bildnistypus belegten frühen Datierung kann der Gestus der Figur jedoch schwerlich auf spätere Ereignisse wie die Unterwerfung und Niederlegung des Diadems durch kalprägungen, die Caligula und den verstorbenen Germanicus mit Strahlenkrone zeigen. 72 Vgl. Stemmer (1978) 126f. <?page no="204"?> Anne Wolsfeld 196 Tiridates bezogen werden. Die Bronzefigur diente vermutlich als Pferdegeschirr-Applike und Ehrung eines verdienten Militärs. 73 Erwähnenswert sind schließlich noch zwei literarische Zeugnisse, die auf mögliche Panzerdarstellungen Neros verweisen. Plinius d. Ä. erwähnt eine ungefähr vierzig Zentimeter große Panzerfigur Neros aus Jaspis, welche trotz des negativen Befundes an Panzerdarstellungen Neros in der Glyptik eine Verwendung dieser Darstellungsform für geschnittene Steine nahelegt. 74 Laut Tacitus ließ der Senat Nero im Jahre 55 n. Chr. neben anderen Ehrungen eine Statue im Tempel des Mars Ultor aufstellen, die in den Dimensionen mit dem augusteischen Kultbild vergleichbar gewesen sein soll. 75 Für die von H. Meyer aufgrund des angeblich nicht zugehörigen Kopfes vorgeschlagene Assoziierung der bei Plinius überlieferten Statue mit der in der Regel flavisch datierten, weit überlebensgroßen Mars Ultor-Statue gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. 76 Tacitus nennt außerdem einen 58 n. Chr. anlässlich eines Erfolges im Partherkrieg vom Senat beschlossenen Ehrenbogen des Nero, der archäologisch nicht nachzuweisen ist. Ein Sesterz von 64 n. Chr. zeigt den von einer Triumphalquadriga gekrönten Bogen, so dass hier die toga picta anzunehmen und eine Panzerdarstellung des Princeps auszuschließen ist. 77 Nach den zeitlich nicht genau einzuordnenden Panzerstatuen bieten uns die neronischen Münzen ein konkreteres Bild. Die Münzprägung ist zudem das einzige Medium, welches eine unmittelbar kaiserliche oder zumindest senatorische Einflussnahme relativ wahrscheinlich macht und durch die Verbreitung v. a. der Bronzenominale nahezu allen sozialen Gruppen und Reichsteilen zugänglich gewesen ist. 78 Neben weiteren wichtigen ikonographischen Neuerungen wird mit Nero der Princeps erstmalig sowohl auf dem Avers als auch auf dem Revers in militärischer Tracht gezeigt. 79 Mit der 63-64 n. Chr. einsetzenden Buntmetall-Prägung ist Nero auf stadtrömischen 73 Venedig, Archäologisches Museum, Inv. 276. Bergmann (1998) 176 Anm. 1046; einen Bezug zwischen der Statuette und der Tiridates-Unterwerfung postulieren: Cadario (2004) 187f. Taf. 24,5; Sperti (1990) 7-35 Taf. 1-8 (ausführliche Beschreibung). 74 Plin. Nat. 37,118; s. Cadario (2004) 181. 75 Tac. Ann. 13,8,1. 76 Hobbold (1995) 22-27 Abb. 1 (Kopf zweifelsfrei zugehörig/ spätdomitianisch-frühtrajanisch); Siebler (1987) 196 Nr. A1 Taf. 1-4 (Kopf und Statue zugehörig/ flavisch); vgl. Meyer (2000) 41-47 Abb. 76-79. H. Meyer geht davon aus, dass der Statuenkörper genau wie der des Holconius Rufus in Pompeji ursprünglich ein Nerobildnis getragen hat, welches nach der Damnatio Memoriae in eine Mars Ultor-Figur beziehungsweise in einen lokalen Potentaten umgewandelt worden wäre. 77 Tac. Ann. 13,41,4 u. RIC I 2 393 (Nero); LTUR 1,101 s. v. Arcus Neronis (F. S. Kleiner). 78 Vgl. Wolters (1999) 144-169. 290-308. 79 Zur Panzerbüste Neros im Avers s. Woytek (2010) 73f.; zu den Neuerungen der neronischen Münzprägung s. Griffin (1984) 120-122. Vgl. auch den Beitrag von Wolters u. Ziegert in diesem Band S. 50-53. <?page no="205"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 197 Reverstypen reitend mit Panzer und Speer bei einer durch die Legende benannten DECURSIO gezeigt. Begleitet wird er von berittenen Soldaten oder Fußsoldaten mit vexillum. Sueton erwähnt eine solche decursio der Prätorianer, an der Nero selbst teilnahm, anlässlich seiner deductio in forum 51 n. Chr. 80 Gleichzeitig taucht der - trotz der Darstellung in der Toga - ebenfalls militärisch konnotierte, bereits unter den Vorgängern bekannte Reverstyp der adlocutio auf, der den Princeps bei einer Ansprache an die Prätorianer zeigt. 81 In den Folgejahren 64-67 n. Chr. werden die Reverstypen der Edel- und Buntmetallprägungen von einem neuen Motiv abgelöst: der Schließung des Ianus-Tempels anlässlich des von Nero ausgehandelten Rombesuchs des armenischen Thronprätendenten Tiridates. 82 Dieser neue Reverstyp wird ebenso wie das Reversmotiv einer Roma mit Victoria und Parazonium in einigen wenigen Exemplaren zusätzlich mit Nero im Panzer auf dem Avers kombiniert und gehört möglicherweise zu einer Sonderemission. 83 Hier erscheint das Motiv der Kaiserbüste im Panzer erstmals überhaupt auf einer Münze. Sowohl im Osten als auch im Westen sind unter Nero also nun Panzerstatuen des Princeps zu finden und heben sich mit über zehn Exemplaren in unterschiedlichen Medien von den selteneren kaiserlichen Panzerstatuen vorneronischer Zeit ab. Allerdings fehlen für Nero erhaltene Panzerdarstellungen in der Glyptik oder in Büstenform, die für die Vorgänger bezeugt sind. 84 Hingegen stellen die Panzerdarstellung und die auf militärische Leistungen des Princeps bezogenen Motive in der Münzprägung eine entscheidende Neuerung dar, da hier das Einverständnis der Verbreitung dieses neuen Images durch den Kaiser vorauszusetzen ist. Auch die statuarischen Zeugnisse lassen auf eine größere Akzeptanz und ein offenbar wachsendes Interesse an Panzerdarstellungen unter den lokalen Auftraggebern solcher Statuen schließen. Innerhalb kaiserlicher Statuengruppen wie in Olympia und Narona scheinen sich die Panzerstatuen Neros zudem bewusst von den 80 Suet. Nero 7; Tac. Ann. 12,41; RIC I² 103-108 (63 n. Chr.). 163-177 (64 n. Chr.)(Nero). 81 RIC I 2 95-97. 130-136 (Nero). 82 Revers mit Ianus-Tempel-Motiv: Edelmetall: RIC I 2 50. 58 (64-65 n. Chr.)(Nero); Buntmetall: RIC I² 263-271. 283-291. 300-311 (65 n. Chr.); 323-328. 337-342. 347-350 (66 n. Chr.); 353-355. 362. 366f. (67 n. Chr.)(Nero). 83 RIC I 2 263. 272 (Nero); s. auch König (1971) 44-46 Nr. 1-6. Hier wird die Emission anhand von Neros trib pot XI zwischen 10. Dez. 63-9. Dez. 64 datiert. Laut Kienast (2011) 97 datiert Neros trib pot XI jedoch von Okt./ Dez. 64-Okt./ Dez. 65 n. Chr., weswegen die erste Ianus-Tempel-Emission nicht vor 64 n. Chr. entstanden sein kann; zur Schließung des Ianus-Tempels s. Suet. Nero 13; Sutherland (1987) 97-100. 84 Vgl. Paris, Cabinet des Médailles, Inv. 276. Zwierlein-Diehl (2007) 440 Abb. 640 Taf. 139. Die auf dem Kameo dargestellten Figuren, Triptolemos im Panzer in seinem Wagen und Ceres, beide mit individualisierten Merkmalen, werden als Nero und Agrippina identifiziert. Die Identifizierung der Figuren ist jedoch strittig; zur weiteren Diskussion s. die Lit. bei Zwierlein-Diehl. <?page no="206"?> Anne Wolsfeld 198 Darstellungen der Vorgänger in der Toga oder im Jupiterschema abzusetzen. In der Münzprägung suggerierten die decursio- und adlocutio-Motive offenbar eine enge Beziehung des Princeps zum Militär, griffen allerdings verjährte Ereignisse auf, die wohl zur Zeit der Adoption dazu dienten, bei Militär und Volk Akzeptanz zu schaffen. 85 Möglicherweise handelte es sich um eine Art Stabilisierungsversuch, der ähnlich wie die Visualisierung von Neros größtem außenpolitischen Erfolg über Tiridates in den Jahren auftauchte, in denen mehrere Unglücksfälle aufeinanderfolgten, von der Niederlage seines Feldherrn im Armenienkrieg 62 bis hin zur pisonischen Verschwörung 65 n. Chr. Die Zunahme an Panzerdarstellungen in den öffentlichen Medien und die damit einhergehende Allusion militärischer Leistungsfähigkeit und Sieghaftigkeit war möglicherweise durch Neros mangelnde militärische Präsenz und das Fehlen herausragender Leistungen in der Schlacht motiviert. Diesem stand nämlich offenbar das Bedürfnis der Untergebenen nach einem Princeps gegenüber, der das Reich und seine Bewohner verteidigt, und regte demnach zu Darstellungen des Princeps im Panzer an - und war so lange nach dem Bürgerkrieg nun wohl auch nicht mehr ungebräuchlich. Man benutzte zudem im Panzerschmuck die speziell hierfür ausgewählten Meereswesen, um Nero durch die allegorische Anspielung auf Neptun und die von Cn. Domitius Ahenobarbus gewonnene Seeschlacht in die Tradition seiner siegreichen Ahnen zu stellen. Auch hinsichtlich der in den ersten Jahren seiner Regierungszeit entstandenen östlichen Panzerdarstellungen ist dieses Erklärungsmodell anwendbar, indem die Auftraggeber die zu erwartenden Qualitäten und Leistungen des neuen Herrschers thematisierten. Die Statuen mit der Solquadriga illustrierten hingegen die dauerhafte Herrschaft des in der Panegyrik gepriesenen Herrn des Goldenen Zeitalters. Da eine Entstehung nach dem Erfolg über Tiridates nicht auszuschließen ist, könnte die Solquadriga außerdem als direkte Anspielung auf eben dieses für Nero bedeutsame außenpolitische Ereignis fungieren, indem die Statuen die Darstellung vom Sonnensegel des Pompejustheaters übernahmen. 86 Für diese Überlegung würde die Kombination der Solquadriga mit der Panzerstatue sprechen, die die militärische Komponente des Ereignisses um Tiridates betont. 4. Nero/ Domitian Zu den bereits erwähnten Panzerfiguren sind wenigstens noch zwei weitere, nach der Damnatio Memoriae Neros umgearbeitete Statuen aus der Basilika 85 Zu den Ereignissen s. Suet. Nero 7. 86 S. Bergmann (1998) 181f. <?page no="207"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 199 von Velleia (Abb. 3) und dem Theater von Vaison-la-Romaine (Abb. 4) hinzu zu zählen. 87 Zweifel an der Zugehörigkeit der Köpfe zu den Statuenkörpern sind m. E. unbegründet: für Vaison wird die Zugehörigkeit von Kopf und Statue gestützt durch die gesicherte Erstfassung des Kopfes als Neroporträt, die stilistische Einordnung des Torsos in spätclaudisch-neronische Zeit sowie durch den Theaterbau an sich. Auch hinsichtlich der Statue aus Velleia sprechen der einstige Nerokopf und der ebenfalls claudisch-neronische Torso sowie der Aufstellungskontext 88 trotz des beschnittenen Einsatzstücks am Hals für eine ursprüngliche Zugehörigkeit. Ziel der Umarbeitung ist in beiden Fällen Domitian. Die Umarbeitungsstatistik lässt zudem ein Domitiansbildnis in einem frühen, vor Regierungsantritt geschaffenen Porträttypus vermuten. Bei der Statue aus Velleia handelt es sich um eine Drittverwendung, die in der etwas kümmerlichen, vorliegenden Fassung Nerva darstellt. 89 Die Wiederverwendung der Statuen wurde demnach sowohl durch die gängige Umarbeitung von Nero zu Domitian als auch durch den in diesen Fällen problemlos übertragbaren Panzerschmuck motiviert - für Vaison ein von zwei Niken flankiertes Palladion, für Velleia ein von zwei Niken flankiertes Thymiaterion. 90 Außerdem reihten sich diese beiden Statuen in domitianischer Zeit in das unter Nero erweiterte Feld der Panzerdarstellungen ein. In Velleia kontrastierte die neronische Panzerstatue ebenso wie in Narona und Olympia mit der mehrheitlich zivilen Darstellung der julischclaudischen Vorgänger. Die Anzahl neronischer Panzerstatuen beläuft sich demnach auf mehr als zehn Figuren, von denen zwei ohne weitere Schwierigkeiten auf Domitian umgewidmet werden konnten, und unterstützt die erkannte Tendenz vermehrt einsetzender Panzerdarstellungen, die sich unter den ersten beiden Flaviern Vespasian und Titus fortsetzt. 91 87 Vaison-la-Romaine, Musée Archéologique Théo Desplans, Inv. 99054.22 (Statue). Inv. 300 (Kopf). Rosso (2006) 416-419 Abb. 139 (Statue). 419-421 Abb. 140-141 (Kopf); Stemmer (1978) 77 Nr. VII 4 Taf. 50,4. 51,2; Parma, Museo di Antichità, Inv. 1952.827. Boschung (2002) 26 Nr. 2.12 Taf. 21,1-3; Stemmer (1978) 8-10 Nr. I 4 Taf. 1,4. 88 S. Deppmeyer (2008) 23. 27f.; Boschung (2002) 30-34 u. Beil. 3. 89 Zu den Umarbeitungen, Vaison: Varner (2004) 254 Nr. 2.58 Abb. 60 a-b; Bergmann u. Zanker (1981) 373f. Nr. 23 Abb. 43 a-b; Jucker (1981) 300 Anm. 170; Velleia: Varner (2004) 251 Nr. 2.50 (Nero). 263f. Nr. 5.13 Abb. 61 a-e (Domitian); Bergmann u. Zanker (1981) 394 Nr. 36 Abb. 57 a-e; zur gängigen Umarbeitung von Nero zu Domitians frühem Bildnistypus vgl. ibid. 349-360. 90 Zu den verwendeten Panzerschmuckmotiven und ihrer Bedeutung s. Stemmer (1978) 155 u. 159f. 91 Vgl. z. B. die Panzerstatuen aus Sabratha: Bonacasa (2011) 182f.; Deppmeyer (2008) 68- 73 Nr. 25 (mit Lit.); Stemmer (1978) 62 Nr. V 10 Taf. 38,1f. (Vespasian). Nr. V 11 Taf. 39,1 (Titus); aus Olympia: Boschung (2002), 100-105 Nr. 33.3 (Titus). Nr. 33.4 (Vespasian); Hitzl (1991) 52-55 Nr. 6 Taf. 30-34 (Vespasian); zum Nero/ Titus aus Olympia s. oben S. 191 Anm. 53. <?page no="208"?> Anne Wolsfeld 200 5. Domitian im Panzer Mit Domitian ist eine weitere Veränderung im Befund festzuhalten: die Panzerdarstellungen finden sich in einem erweiterten Repertoire an öffentlichen und privaten Bildträgern. Nachdem weder für Vespasian noch für Titus lebenszeitliche Statuen kolossalen Ausmaßes bekannt sind, kann ein vermutlich vom Palatin oder seiner Umgebung stammendes Bruchstück mit einer in der Rekonstruktion ca. acht Meter hohen Panzerstatue Domitians (Abb. 6) assoziiert werden. 92 Dafür sprechen sowohl die Monumentalität der Darstellung, die vermutete Herkunft vom Palatin und die stilistische Einordnung mittels der Ornamentik in flavische Zeit. 93 Martial erwähnt außerdem zahlreiche Statuen des Princeps am Aufgang zum Palatin 94 und auch einen Palatinus colossus, 95 der zumindest eine kolossale Statue Domitians auf dem Palatin voraussetzt. Zudem ist nach dem neronischen Sonnenkoloss erst wieder mit dem equus Domitiani (s. die Rekonstruktion Abb. 7) eine zu Lebzeiten eines Princeps errichtete, kolossale Statue gesichert. 96 Das Reiterstandbild, das für Domitian nach 89 n. Chr vom Senat und Volk. auf dem Forum errichtet wurde, trug zwar vermutlich keinen Panzer 97 und hielt die rechte Hand in dem von Statius als dextra vetat pugnas beschriebenen Gestus; durch die Darstellung der unterlegenen Personifikation des Rheins unter dem Huf des Pferdes und die vom Kaiser getragene Minervastatuette erhielt es aber eine militärische Färbung und veranschaulichte Domitians Sieghaftigkeit. Eine gesicherte bronzene Reiterstatue Domitians mit reich verziertem Panzer ist aus Misenum erhalten (Abb. 8) und war dort, wie eine Inschrift 92 Rom, Palazzo Farnese (verbaut in eine dekorative Fragmentkomposition u. a. aus Architekturteilen vom Palatin). Ruck (2007) 172. 280 Nr. 7 Taf. 15,3f.; Kreikenbom (1992) 106. 218 Nr. III 101; Stemmer (1971) 563-580 Abb. 1. 3-8. 93 Ruck (2007) 172 Anm. 772; Stemmer (1971) 573f. 94 Mart. 1,70,5f. 95 Mart. 8,60. 96 Die Überlieferung basiert auf Stat. Silv. 1,1 in Verbindung mit einem Sesterz-Revers von 95/ 96 n. Chr. (RIC II.1 797 [Domitian]); zur Rekonstruktion s. Coarelli (2009) 81-83 Abb. 19-21; Bergemann (1990) 164-166; Stemmer (1971) 575-579; zum equus bei Statius s. in diesem Band den Beitrag von Cordes S. 346-355. 97 Statius erwähnt in seiner Beschreibung des equus keinen Panzer, spricht jedoch in Silv. 1,1,41f. von der Brust, für deren Gestaltung Temesa all seinen Erzreichtum aufgeboten hat, was eventuell als Anspielung auf einen Brustpanzer verstanden werden könnte. Auf der Münze RIC II.1 797 ist jedoch kein Panzer zu erkennen. Zieht man zum ikonographischen Vergleich andere ruhig bewegte Reiterstatuen heran, die den Reiter ebenfalls mit der ausgestreckten Rechten zeigen, wie den Marc Aurel vom Kapitol (Rom, Musei Capitolini. Bergemann (1990) Kat. P 51 Taf. 78-80), so legen sowohl der ,Friedensgestus‘ als auch der im Fall des Marc Aurel in Tunica und Paludamentum bekleidete Princeps, eine analoge Rekonstruktion des equus Domitiani ohne Panzer nahe. <?page no="209"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 201 belegt, am Eingang zum Augustalenkolleg aufgestellt. 98 Nach der Damnatio Memoriae wurde sie in ein Bildnis Nervas umgewandelt. 99 Die genuin militärische Konnotation der Reiterstatue wurde durch das sich in der Levade befindliche Pferd und die Angriffsposition des Reiters noch gesteigert. 100 An einem Relieffragment aus Castel Gandolfo, welches Domitian in der Panzertracht zeigt, sind die Gesichtszüge mutwillig zerstört, so dass der dargestellte Kaiser erneut nur anhand der rückseitigen Frisurreste zu identifizieren ist. 101 Das Fragment stammt aus dem Areal einer kaiserlichen Villa, eine genaue Kontextualisierung in diesem Bereich und die Rekonstruktion erweisen sich jedoch als schwierig. Die von P. Liverani bemerkte Angabe von Federn im Hintergrund sowie ein Ansatzpunkt auf dem Kopf des Gepanzerten legen allerdings die Einbindung in einen größeren Zusammenhang als narrative Reliefkomposition nahe. Denkbar wären demnach eine Darstellung des von Victoria bekränzten Princeps und die Anbringung an einem der Gebäude des Areals der Domitiansvilla. 102 Nach fehlenden glyptischen Zeugnissen unter Nero, Vespasian und Titus haben sich sicher zwei mit Domitian zu identifizierende, rundplastisch gearbeitete Panzerbüstchen erhalten. Das eine ist nach der spätantiken Umarbeitung erneut an der Hinterkopffrisur zu erkennen (Abb. 9), 103 das andere weist trotz der summarischen und groben Ausarbeitung die frisurtechnischen und physiognomischen Merkmale Domitians auf. 104 Allerdings handelte es sich hier nicht um Kameen höfischer Funktion. Eine Verwendung 98 Baia, Castello Aragonese, Inv. 155743. Muscettola (2000) 29-34 Abb. 1a-e; Bergemann (1990) 82-86 Nr. P31 Taf. 56f.; Muscettola (1987) 39-66 Taf. I-VIII; zum ursprünglichen Aufstellungsort s. Camodeca (2000) 171-189 (Podium links vom Treppenaufgang, da sich hier der Negativabdruck einer nach der Damnatio Memoriae Domitians umgedrehten und für Nerva wiederverwendeten Ehrung gefunden hat); vgl. Bergemann (1990) 82 (angrenzendes Theater). 99 Varner (2004) 261f. Nr. 5,7; Bergmann u. Zanker (1981) 403 Nr. 41 sowie grundlegend 349-368 zu den Bildnistypen Domitians. 100 vgl. Tuck (2005) 221-245 mit einer alternativen Rekonstruktion als neu definiertes virtus-Bild. 101 Castel Gandolfo. Varner (2004) 113. 260 Nr. 5.2 Abb. 108; Liverani (1989) 17f. Nr. 1 Abb. 1,1-3; Magi (1968/ 69) 137-144; zur Domitiansvilla s. von Hesberg (2009) 326-333. 102 Unterschiedliche Rekonstruktionsvorschläge bei Hölscher (2009) 59 Anm. 51 (Staatsrelief); Varner (2004) 260 (Teil einer größeren Reliefkomposition); von Hesberg (2001) 245 (mögl. historisches Relief); Fittschen (1977) 66 (imago clipeata). 103 Paris, Cabinet des Médailles, Nr. 48 (Bekrönung des bâton cantoral der Sainte-Chapelle). Vollenweider u. Avisseau-Broustet (2003) 203f. Nr. 260 Taf. 134f.; Dahmen (2001) 169 Nr. 85 Taf. 85; zur Umarbeitung s. Varner (2004) 125. 268 Nr. 5.31; Bergmann u. Zanker (1981) 409f. Nr. 48 Abb. 6a-b. 104 Paris, Cabinet des Médailles, Inv. B 11318. Vollenweider u. Avisseau-Broustet (2003) 133 Nr. 156 Taf. 93; Meißner (1998) 119f. Nr. VIII.3; Megow (1987) 220f. Nr. A 109 Taf. 37,2; s. ein weiteres, wohl als Domitian zu identifizierendes, aber fragmentarisches Panzerbüstchen aus Chalzedon in Florenz, Museo degli Argenti, Inv. 454. Gagetti (2006) 199 Kat. A 26. <?page no="210"?> Anne Wolsfeld 202 der beiden Büstchen als Zepterbekrönung scheint am plausibelsten; ein solches Zepter mit Büstenbekrönung ist beispielsweise an ‚Cancelleria-Relief A’ in der Hand des Genius Senatus nachgewiesen. 105 Aufgrund des wertvollen Materials und der prominenten Platzierung auf einem mitgeführten Zepter musste es sich demnach um Loyalitätsbezeugungen gegenüber dem Princeps handeln, die Teil magistratischer Insignien waren. Von den domitianischen Bogenmonumenten ist lediglich für den Bogen am Tempel der Fortuna Redux das Aussehen der Bogenkrönung tradiert. Laut Martial handelt es sich jedoch nicht um eine militärische Darstellung im Panzer, sondern um eine von Elefanten gezogene Quadriga, die der Princeps, genau wie die von Pferden gezogene Quadriga, in der toga picta bestieg. 106 Die Münzprägung hilft dieses gattungsweise disparate Bild der dreidimensionalen Panzerdarstellung zu konkretisieren. Vor Regierungsantritt taucht Domitian im Panzer nur sehr zurückhaltend gegenüber der militärischen und sieghaften Darstellungen der Judäa-Sieger auf, da er, anders als sein Bruder Titus, an diesem Erfolg nicht beteiligt war. 71 n. Chr. erscheint er, zusammen mit Titus, auf dem Revers stadtrömischer Sesterzen und im gleichen Jahr in einer Gruppe ephesischer Prägungen mit Panzer und Ägis im Avers. 107 73-74 n. Chr. zeigen ihn stadtrömische Prägungen neben anderen Büstentypen in Panzer und Paludamentum auf dem Avers. 108 Während der eigenen Regierungszeit taucht die Panzerbüste Domitians im Avers lediglich in den letzten beiden Jahren 95/ 96 n. Chr. in einigen seltenen Stempelkombinationen auf, z. B. mit der ebenfalls raren Reversdarstellung des equus Domitiani. 109 Neben diesen nur isoliert auftretenden Panzerdarstellungen werden die militärischen Leistungen Domitians auf dem Revers schon in den frühen Jahren seiner Herrschaft thematisiert. Bereits 84-85 n. Chr. werden die ersten Bronzemünzen mit dem militärisch aktiven Kaiser und die erste Germania-Capta-Serie geprägt. 110 Ab 85 n. Chr. scheinen sich vier auf die Germanensiege bezogene Reversmotive mit dem Princeps im Panzer in der stadtrömischen Sesterzprägung etabliert zu haben und wie- 105 Zu ‚Cancelleria-Relief A’ s. beispielsweise Magi (1945) Taf. 3; zur Frage der Funktion s. Panella (2011) 255; Bergmann u. Zanker (1981) 410; Meißner (1991) 120; Megow (1987) 220f. 106 Mart. 8,65,7-10; LTUR 1, 92 s. v. Arcus Domitiani (Fortuna Redux)(E. Rodríguez Almeida); zum Gewand s. Künzl (1988) 85. 107 Rom: RIC II.1 142-154 (Vespasian); Ephesos: RIC II.1 1445-1449 (Vespasian). 108 RIC II.1 652f. 656 (Vespasian). 109 RIC II.1 792-793. 796-797. 799 (Domitian). 110 RIC II.1 205 (Domitian); Germania Capta: RIC II.1 274 (Domitian), das Reversmotiv wiederholt sich in den Folgejahren bis 88-89 n. Chr. <?page no="211"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 203 derholen sich jährlich bis zum Ende seiner Regierungszeit. 111 Die mehrheitlich aus dem Westen des Reichs stammenden militärisch konnotierten Zeugnisse sind nun nicht mehr auf großplastische Statuen und Münzen beschränkt, sondern gesichert auch im Relief, in geschnittenen Halbedelsteinen, in kolossalem Format und in Reiterstandbildern nachgewiesen. Das spärlich gesicherte, statuarische Material kann durch eine Vielzahl erhaltener flavisch oder sogar spätflavisch zu datierender Panzertorsen statistisch erweitert werden, da mit Sicherheit einige, wenn nicht sogar die meisten auf kaiserliche Darstellungen zu beziehen sind. 112 Die zwei vermutlich vor Regierungsantritt entstandenen, aus Nero umgearbeiteten Panzerstatuen suggerieren entgegen der raren Münzzeugnisse eine auch für Domitian als ‚Prinz’ übliche Darstellung im Panzer. Es lässt sich hingegen ein Mangel an Büsten, Kameen und Militaria konstatieren, so dass sich die erhaltenen Panzerdarstellungen mehrheitlich auf den öffentlichen Raum konzentrieren. Die Panzerfigur scheint sich dort nun vollends etabliert zu haben. Augenscheinlich ist die hauptsächlich in der Münzprägung durch Abhebung auf militärische Aktivität und die damit verbundenen Erfolge zu Tage tretende Siegesprogrammatik Domitians. Die misenische Reiterstatue und die anhand des erhaltenen Bestands anzunehmende hohe Anzahl von Panzerstatuen stützen diese These für die öffentliche Repräsentation; das Relieffragment aus Castel Gandolfo und die kolossale Statue vom Palatin ließen den Aspekt der militärischen virtus des Kaisers dann auch in den weniger öffentlichen Bereichen in Erscheinung treten. Der gleichzeitig Sieg und Frieden verkörpernde equus Domitani beanspruchte und dominierte zudem den zentralen Platz Roms in der Mitte des alten republikanischen Forums. Der klar nach außen getragene militärische Aspekt der Herrschaft setzte nunmehr eine umfassende Akzeptanz dieser kaiserlichen Rolle - und ein massives Bedürfnis nach ihr bei den Auftraggebern von Ehrungen - voraus, die durch die Leistungen der flavischen Vorgänger vorbereitet wurde. Der Katalysator für die einschlägig militärische Repräsentation der Flavier war sicherlich der herrschaftslegitimierende Sieg über Judäa. 113 Domitian spielte in dieser Zeit gegenüber dem älteren Bruder eine untergeordnete Rolle, was sich dann nach seinem Regierungsantritt mit kontinuierlichen militärischen 111 Exemplarisch für die vier Motive: RIC II.1: 1) 278; 2) 279; 3) 470; 4) 474 (Domitian). Diese vier Reversmotive kehren in den Buntmetall-Emissionen von 85-96 n. Chr. als Set oder einzeln wieder. 112 Vgl. z. B. die aufgrund der Ägis sicher kaiserlichen Torsi in Osimo, Museum. Laube (2006) 150 Nr. 12 Taf. 72,1; Post (2004) 446f. Nr. VII 4 Taf. 34a; Varner (2000) 163 Anm. 4; Rom, Kunsthandel. Stemmer (1978) 112f. Nr. XI 2 Taf. 75,2. 113 Zur Rolle Judäas in der Repräsentation der Flavier s. Coarelli (2009) 68-97; Eck (2006) 570-578; Millar (2005) 102-128; Beard (2003) 543-558; Pfanner (1983) 99-102; zu den Iudaea Capta-Prägungen s. exemplarisch: RIC II.1 163-169. 233-236 (Vespasian). <?page no="212"?> Anne Wolsfeld 204 Expeditionen, seiner persönlichen Anwesenheit an der Front und vier in Rom gefeierten Triumphen änderte. Die Nachfolge von Titus zu Domitian verlief zwar unproblematisch, aber offenbar bestand nun ein besonders hoher Bedarf, die höchste Position im Prinzipat durch militärische Leistungen zu untermauern. 6. Von Nero zu Domitian Von Nero zu Domitian vollzog sich also ein Wandlungsprozess hin zum Bedeutungsgewinn des militärisch aktiven und erfolgreichen Imperators. Die unter Nero noch in gewissem Sinne punktuell auftretenden militärischen Darstellungen waren unter Domitian bereits etabliert und in einer größeren Vielfalt vorzufinden. Hatte man bei Augustus diese Rolle offenbar noch kaum gefordert, so verdeutlichten die neronischen Panzerstatuen das steigende Interesse und die Akzeptanz der militärischen Rolle des Princeps. Die erst spät einsetzende Bronzeprägung Neros korrigierte dieses Bild lediglich insofern, dass sie die Wichtigkeit positiv konnotierter militärischer Ereignisse auch für Nero selbst herausstellte, indem sie nun in dem Medium erschien, das dem Kaiser am nächsten war. Nach dem Erfolg über Tiridates führte Nero 66 n. Chr. als erster Princeps nach Augustus den Imperator-Titel als Praenomen, erst mit Vespasian wurde Imperator zum festen Namensbestandteil des Princeps. Anders als seine Vorgänger entwickelte Nero erst in seiner späten Regierungszeit Ambitionen selbst ins Feld zu ziehen, Domitian hingegen brach bereits ein Jahr nach Beginn seiner Herrschaft gegen die Chatten auf, blieb während seiner gesamten Herrschaft militärisch aktiv und seine Erfolge wurden demonstrativ ins Bild gesetzt. Er verzeichnete nicht weniger als zweiundzwanzig imperatorische Akklamationen in fünfzehn Jahren und übertraf damit Augustus, Nero und seine flavischen Vorgänger. 114 Unter Nero regten die fehlende militärische Präsenz und das mangelnde Interesse des Princeps am außenpolitischen Geschehen zu Panzerdarstellungen an und stellten so die militärischen Qualitäten des Princeps gegenüber der übrigen neronischen Herrscherrepräsentation heraus. Unter Domitian hingegen wurden sie instrumentalisiert, um seine aktiv verfolgten militärischen Leistungen zu unterstreichen. Beides aber zeigt, wie sehr man spätestens ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. nicht nur die jüngeren Mitglieder der domus Augusta, sondern auch den Princeps selbst als Imperator und aktiven Feldherrn sehen wollte. Im visuellen Befund ist die erstmals in größerer Breite präsent werdende militärische Rolle eines Princeps unter Nero zu verzeichnen. Dies entspricht 114 Zur Problematik der 23. imperatorischen Akklamation Domitians s. den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel S. 115-117; Kienast (2011) 66 (Augustus). 97 (Nero). 109 (Vespasian). 112 (Titus). <?page no="213"?> Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich 205 jedoch nicht dem Bild, das die neronische Panegyrik - soweit erhalten - zeichnet, und welche hauptsächlich die Friedensideologie der aurea aetas und die Angleichung an Apollon-Sol thematisiert. Statius widmet hingegen Domitian und dem für seine militärischen Siege errichteten Ehrenmonument auf dem Forum Romanum eine ganze Silva und auch Martial rühmt die militärischen Leistungen seines Princeps. 115 Während sich die domitianische Panegyrik mit der visuellen Repräsentation deckt, differieren die militärisch konnotierten Panzerdarstellungen Neros von der friedvollen und Glück verheißenden Panegyrik. Nach 62 n. Chr. wurde der Vergleich mit dem Sonnengott neben der Panegyrik auch in die offiziellen Medien aufgenommen. 116 Parallel dazu schien jedoch weiterhin ein Bedürfnis nach einem nach römischer Tradition militärisch leistungsfähigen Princeps in der Darstellung zu wachsen, das man unter Augustus in der visuellen Kultur noch weitgehend vermisste. Wir greifen hier einen wichtigen Wandlungsprozess vom zivilen Princeps zum in erster Linie militärisch ausgerichteten Kaiser - jedenfalls in der Kommunikation durch die ihn jeweils ehrenden Stifter und Nutzer bildlicher Darstellungen. Die anfangs für die jüngeren, dynamischen Mitglieder der domus Augusta bevorzugte Panzerdarstellung wurde für den ebenfalls jungen Germanicussohn Caligula verwendet, erhielt unter Nero einen entscheidenden Impuls, der für Vespasian und Titus im Judäaerfolg reale Wichtigkeit und Authentizität erlangte und dann unter Domitian einen weiteren, für die Folgezeit ausschlaggebenden Schub erfuhr. Auffällig ist, dass die entscheidenden Entwicklungsstufen jeweils in der Regierungszeit jugendlicher Principes (Caligula, Nero, Domitian) festzumachen sind, die sich in das Bild des militärisch aktiven und dynamischen, potentiellen Thronfolgers der augusteisch-tiberischen Zeit einfügten. Die Panzerdarstellung war in spätflavischer Zeit fest in der Herrscherrepräsentation verwurzelt. Die militärische Rolle war jedoch, das haben die Ausführungen gezeigt, nicht ausschließlich an die persönlichen Interessen oder das tatsächliche militärische Verhalten des Princeps gekoppelt. Dieser wuchs vielmehr in die zunehmende Militarisierung herein, nicht zuletzt durch die Bedürfnisse derjenigen, die in ausreichendem Abstand zu den Bürgerkriegserfahrungen des Octavian/ Augustus in ehrenden Bildnissen das Militärische als Qualität des Princeps immer wieder an ihn herantrugen. 115 Stat. Silv. 1,1; Mart. 2,2; 7,1; 7,2; 8,8; 8,15; 8,78. 116 Bergmann (1998) 223f. <?page no="214"?> Anne Wolsfeld 206 Literaturverzeichnis Aurenhammer (1983): Maria Aurenhammer, „Römische Porträts aus Ephesos. Neue Funde aus dem Hanghaus 2“, ÖJh 54 Beiblatt, 105-146. Babelon (1897): Ernest Babelon, Catalogue des camées antiques et modernes de la Bibliothèque Nationale, Paris. Barringer (1995): Judith M. Barringer, Divine Escorts. Nereids in Archaic and Classical Greek Art, Ann Arbor. Beard (2003): Mary Beard, „The Triumph of Flavius Josephus“, in: Anthony J. Boyle u. William J. Dominik (Hgg.), Flavian Rome. Culture, Image, Text, Leiden, 543-558. Bergemann (1990): Johannes Bergemann, Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmäler im öffentlichen Bereich, Mainz. Bergmann (1998): Marianne Bergmann, Die Strahlen der Herrscher. Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Mainz. 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Abb. 2: Foto V. M. Strocka. Abb. 3: Forschungarchiv für Antike Plastik Nr. FA2303-04. Abb. 4: D-DAI-ROM-67.1606 (Fotoarchiv, DAI Abteilung Rom). Abb. 5: Foto Verfasser, mit Erlaubnis des Musée Archéologique Théo Desplans de Vaison-la-Romaine. Abb. 6: Rekonstruktionszeichnung nach Klaus Stemmer, „Fragment einer kolossalen Panzerstatue Domitians? Zur Kolossalität in flavischer Zeit“, AA 1971, 571 Abb. 7. Abb. 7: Zeichnung Elisabeth Raming nach: Filippo Coarelli, „I Flavi i Roma“, in: Filippo Coarelli (Hg.), Divus Vespasianus. Il bimillenario dei Flavi, Rom 2009, 80 Abb. 21. Abb. 8: Foto Verfasser, mit Erlaubnis der Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei. Abb. 9: nach Ernest Babelon, Catalogue des camées antiques et modernes de la Bibliothèque Nationale, Paris 1897, Taf. 36. <?page no="221"?> 213 Abb. 1 Abb. 2 Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich <?page no="222"?> Anne Wolsfeld 214 Abb. 3 Abb. 4 <?page no="223"?> 215 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Der Kaiser im Panzer. Nero und Domitian im Vergleich <?page no="224"?> Anne Wolsfeld 216 Abb. 8 Abb. 9 <?page no="225"?> Alexander Heinemann Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom „They never come back“, heißt es im sportlichen Sprachgebrauch von gefallenen Größen, doch die Liste der Gegenbeispiele ist lang und reicht mindestens zurück in die frühe Kaiserzeit. M. Palfurius Sura erlebte seinen ersten großen Auftritt in den 60er Jahren als Ringer an den von Nero gestifteten sportlichen Wettkämpfen, wo der Sohn eines Konsularen allerdings wohl nicht gegen einen standesgemäßen Gegner, sondern eine spartanische Jungfrau antrat. Über den Ausgang des Kampfes sind wir nicht unterrichtet, wohl aber über seine mittelfristigen Konsequenzen: Vespasian schloss Sura später aus dem Senat aus. Dieser musste über zwanzig Jahre auf seine Rückkehr in das Rampenlicht öffentlicher Wettkämpfe warten, bis er an den unter Domitian eingerichteten kapitolinischen Spielen wieder antreten konnte, wenn auch nun - seinem fortgeschrittenen Alter gemäß - in einer der rhetorischen Disziplinen. Der zum geschliffenen Stoiker gereifte Sura siegte, und das Publikum drängte den anwesenden Kaiser, ihn zur Belohnung wieder in den Senat aufzunehmen. Zwar weigerte sich Domitian, die Entscheidung seines Vaters rückgängig zu machen, dennoch scheint Palfurius Sura eine gewisse Rolle im Umfeld des Kaisers gespielt zu haben, denn bald nach dessen Tod wurde er als Denunziant hingerichtet. 1 Suras Karriere führt mitten hinein in die kommunikative und praxeologische Gemengelage öffentlicher Spiele im kaiserzeitlichen Rom: Sie ist nicht denkbar ohne die von Nero und Domitian gestifteten Feiern, bei denen Die hier vorgebrachten Überlegungen sind aus einem größeren Forschungsvorhaben zum flavischen Rom heraus entwickelt und notgedrungen ausschnitthaft. Für Diskussionen und Hinweise danke ich Dominik Dippel, Martin Kovacs, Ralf von den Hoff und insbesondere Anne Wolsfeld. Übersetzungen antiker Autoren und Inschriften sind - ebenso wie Fehler und Ungenauigkeiten - meine eigenen. 1 Zu Sura: Iuv. 4,53-55; Suet. Dom. 13,1; Cass. Dio 68,1,2; den Auftritt als Ringer überliefert Schol. Iuv. 4,53: sub Nerone luctatus est; das saftige Detail cum virgine Lacedaemonia in agone fügt hier einzig der Probus Vallae hinzu. Rutledge (2001) 253f. Nr. 70 bezweifelt die Historizität des Ringkampfes, allerdings entfiele damit der einzige überlieferte Grund für Suras Ausschluss aus dem Senat. Aus der Notiz mit Potter (2012) 255 zu schließen, dass Nero für seine Spiele spartanische Ringerinnen importiert habe, dürfte allerdings zu weit gehen. - Ein vergleichbar isolierter Auftritt eines nobilis ist jener des Senators Quintus Vitellius als Gladiator bei den Spielen zur Einweihung des Tempels des Divus Iulius im Jahre 29 v. Chr.: Cass. Dio 51,22,4. Zu diesem und vergleichbaren Fällen s. Lebek (1990) 44f.; Galsterer (1981) 433f. <?page no="226"?> Alexander Heinemann 218 Agone griechischen Typs durch- oder aufgeführt wurden; sie zeigt exemplarisch die konfliktuelle Dimension auf, die diese Veranstaltungen insbesondere für Angehörige der senatorischen Elite eröffneten; und sie berührt in der Episode um Domitian, der sich den Bitten des Publikums verweigert, die herausragende Rolle von ludi und Theateraufführungen als Orte nicht nur der Repräsentation, sondern auch der teils ritualisierten, teils spontanen Kommunikation zwischen Kaiser und Stadtbevölkerung. 2 Innerhalb dieser performativen Großereignisse stellen certamina graeca einen vergleichsweise seltenen Sonderfall dar. 3 Die Untersuchung dieser Kombinationen gymnischer, musischer und hippischer Wettkämpfe nach dem Muster griechischer, namentlich panhellenischer Agone bietet sich im Rahmen vergleichender Studien zu Nero und Domitian schon deswegen an, weil die beiden Kaiser in diesem Bereich besonders aus unserer Überlieferung herausstechen: Nero mit der Stiftung der Neronia im Jahre 60, ein zweites Mal zelebriert im Jahre 65; Domitian mit den 86 erstmals durchgeführten Capitolia zu Ehren des Jupiter, die bis in das 4. Jh. n. Chr. begangen wurden. Es soll im Folgenden präziser herausgearbeitet werden, welche kommunikativen Funktionen diese Veranstaltungen im sozialen Gefüge der urbs Roma wie auch des Imperium Romanum als Ganzem erfüllten. Dabei wird sich zeigen, dass ihre Einführung in weitaus geringerem Maße von individuellen Prägungen ihrer Stifter beeinflusst war als oft vermutet (s. Abschnitt 1). Die Behandlung von Neronia und Capitolia (Abschnitte 2 und 3) wird vornehmlich nach a) der formalen Gestaltung des Wahlkampfes durch Bauten und Bilder, b) der Zusammensetzung des Teilnehmerkreises und c) den übergeordneten politischen Intentionen der Wettkämpfe fragen und bezeichnende Unterschiede zwischen beiden Veranstaltungen herausarbeiten. Schließlich sollen beide Wettkämpfe (Abschnitt 4) mit den von Nero und Domitian veranstalteten Jugendspielen verglichen und als Teil eines komplexen Systems performativer Großereignisse verständlich gemacht werden. 1. Gymnische Agone in Rom: Kontinuitäten und Adaptionen Das Abhalten gymnischer Agone in Rom war bekanntlich nicht unumstritten. Im für uns relevanten Zeitraum überliefert Plinius der Jüngere (epist. 4,22) eine Debatte, die innerhalb der trajanischen Senatorenschicht über die 2 S. zu diesem letzten Punkt die klassische Studie von Bollinger (1969); ferner: Yavetz (1969) bes. 18-24; Flaig (1995) 118-124 sowie für den hier behandelten Zeitraum insbesondere Bartsch (1994). 3 Das Interesse an den sozialen, kulturellen und politischen Dimensionen griechischer Wettkämpfe in der römischen Kaiserzeit ist in der jüngeren Vergangenheit sprunghaft angewachsen, s. die im Einzelnen durchaus unterschiedlich orientierten Studien von Mann (2002); Newby (2005); Groot (2008); Gouw (2009); Pleket (2010); Potter (2012); Gutsfeld u. Lehmann (2013); Habermann u. a. (in Vorb.). <?page no="227"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 219 Beibehaltung der Capitolia geführt worden sein soll und bezeugt nachdrücklich den in senatorischen Kreisen gehegten Widerwillen gegen diese Einrichtung. Tacitus (ann. 14,20f.) gibt anlässlich seiner Behandlung der Neronia eine noch ausführlichere Erörterung der als bedenklich erachteten Konsequenzen solcher Innovationen, und diesen Passagen ließen sich zahlreiche weitere anfügen, deren Beurteilung griechischer Wettkämpfe von mildem Spott bis zu heftiger Ablehnung reicht. 4 Dieser in den lateinischen Quellen durchaus konsistenten und bis zu christlichen Autoren zu verfolgenden Position steht zum einen die verschiedentlich überlieferte Forderung der breiteren Stadtbevölkerung nach certamina athletarum (Hor. epist. 2,1,185f.; Suet. Aug. 44,3; Tac. ann. 14,21) entgegen, zum andern der reiche Befund zum römischen Breitensport, also der in Thermen und Palästren betriebenen individuellen Körperkultur, ergänzt um die Begeisterung für das mit dem griechischen Gymnasion verbundene intellektuelle Ambiente. Christian Mann hat diesen Widerspruch pointiert zum Ausdruck gebracht: „Die diskursive Exklusion des griechischen Athletismus aus der römischen Kultur ging (...) mit einer Inklusion in der Praxis einher.“ 5 Als punctum dolens, an dem Diskurs und Praxis aufeinandertreffen, erweist sich bei näherer Betrachtung mithin nicht das Betreiben sportlicher Übungen per se, sondern deren öffentliche Ausübung, namentlich die aktive Teilnahme an gymnischen Wettkämpfen, die für die römischen und italischen Eliten undenkbar bleibt. So lobt etwa der frühkaiserzeitliche Panegyricus auf einen Calpurnius Piso diesen zwar als herausragenden Lyraspieler (Vv. 163-177), Schwertkämpfer (Vv. 178-184), Ballspieler (Vv. 185-189) sowie Brettspiel-Strategen (Vv. 190-208); bezeichnenderweise aber übt sich selbst dieser Mann von Welt, der sich vor aller Augen hervortut „durch exklusive und raffinierte kulturelle Praktiken, die er im otium pflegt“, nicht in den etablierten Disziplinen der griechischen Athletik. 6 4 Mann (2002) 141-151; Hallett (2005) 68-76; zur Problematisierung athletischer Nacktheit in der Kaiserzeit zuletzt van Nijf (2013) 256-260. 5 Mann (2002) 146; vgl. Kaplan (1990) 330: „a curiously bi-focal attitude“. 6 Zur Laus Pisonis s. Champlin (1989), Leppin (1992) sowie den Text und Kommentar von Di Brazzano (2004); das Zitat bei Leppin (1992) 235, der die im Vergleich zu anderen Privatenkomien ungewöhnliche Fokussierung der Laus Pisonis auf den Bereich des otium herausarbeitet (ebda. 229-231); ähnlich: Bergmann (1994) 28; s. auch Champlin (1989) 118f. zur militärisch-aggressiven Qualität der von Piso praktizierten Spiele, die dem Bild eines lebensuntüchtigen viveur effektiv entgegentreten. - Das Ballspiel dürfte übrigens kaum zu den desavouierten athletischen Disziplinen zählen, begegnet es doch auch beim jüngeren Plinius (epist. 3,1,8), den wir bereits als scharfen, wenn auch resignierten Kritiker griechischer Agone nannten, als nachahmenswerte Ertüchtigung eines rüstigen Senators. Seneca hingegen (dial. 10,13,1) geißelt mit stoischem Rigorismus sowohl Ballals auch Brettspiel als Zeitverschwendung. Zum Ballspiel als Vorbereitung auf den Thermenbesuch s. ausführlich Busch (1999) 404-408, dort auch zum Selbstenkomium des Glasballspielers Ursus CIL VI 41107a = ILS 5173; prominente <?page no="228"?> Alexander Heinemann 220 Die monumentale Überlieferung weist in die gleiche Richtung: Porträtstatuen des Kaisers oder Privatporträts aus dem Westen des Reiches, die den Dargestellten konkret als Sportler charakterisieren würden, sind nicht überliefert. Offenbar ist das Rollenmuster des Athleten als öffentlich nach außen getragene Persona für diese Gruppe nicht attraktiv, weil sich keine verbindlichen statussteigernden Aussagen daran knüpfen. Vielmehr bleibt Nacktheit in der statuarischen Darstellung ein abstraktes, überepisodisches Zeichen der persönlichen Überhöhung. 7 Einen ähnlichen Befund bietet die sepulkrale Repräsentation: Während intellektuelle Tätigkeit im Laufe der Kaiserzeit so weit in das öffentliche Rollenverständnis weiter Bevölkerungsgruppen eindringt, dass sie im Grabschmuck selbstbewusst präsentiert wird, bleibt die sportliche Betätigung Erwachsener auch hier außen vor. Zwar sind aus dem 2. und 3. Jh. n. Chr. immerhin knapp 40 stadtrömische Sarkophage mit Palästraszenen überliefert, doch lassen sich von diesen nur zwei Exemplare sicher Erwachsenen zuordnen. 8 Dieser Befund darf so verstanden werden, dass physische Leistungsfähigkeit und individuelle Sieghaftigkeit im Falle von Kindern sehr wohl im Sport als einer essentiell ludischen Betätigung angesiedelt werden können. Für Erwachsene zieht man hingegen die Themen Jagd und Krieg als von tradierten virtus-Konzepten sanktionierte Bewährungsfelder vor. 9 Angesichts dieser Zurückhaltung seitens der westlichen und stadtrömischen Eliten, athletische Praktiken in ihr normatives Selbstverständnis aufzunehmen, stellt sich die Gründung von Agonen griechischen Typs durch Nero und Domitian als paradoxe Maßnahme dar, nachgerade typisch für das politische Handeln zweier Kaiser, deren öffentliche Persona und Kommunikationsformen sie wiederholt in den Konflikt mit der Senatorenschicht führen. In der Tat werden Neronia und Capitolia bis in die Gegenwart gerne auf philhellenische Vorlieben oder literarische Ambitionen ihrer Stifter zu- Ballspieler der republikanischen und kaiserzeitlichen Senatorenschicht führt Di Brazzano (2004) 330 auf; zu griechischen Ballspielen s. jetzt O’Sullivan (2012). 7 Die Funktion unterschiedlicher Trachtschemata im römischen Porträt ist in letzter Zeit mehrfach erkundet worden: Hallett (2005) 206-215; Koortbojian (2008); von den Hoff (2011); s. auch Davies (2010) zu togati. Zur Nacktheit des Kaisers und seiner Angehörigen in bildlichen Darstellungen s. Hallett (2005) 160-183; Benoist (2012); zur Nacktheit im kaiserzeitlichen Porträt insgesamt: Hallett (2005) 159-222. 8 Dimas (1998) 152-162; s. auch Backe-Dahmen (2006) 118; Amedick (1991) 82-94. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bezeichnung gymnicus in den Grabinschriften einiger Knaben hinzuweisen: CIL VI 10158-10160; 14400; 33992 (vgl. ILS 5167-5168b); vgl. ferner die in Anm. 55 aufgeführten stadtrömischen Grabinschriften von Athleten, die allesamt servilen oder libertinen Status’ sind. - Zum Intellektuellenhabitus in der sepulkralen Selbstdarstellung der Kaiserzeit s. Ewald (1999). 9 Anders Newby (2005) 41f., die die Palästrasarkophage als Zeugnis eines allgemeinen „delight in watching Greek style athletics“ wertet - womit sich die augenfällige altersmäßige Verteilung des Bildthemas allerdings nicht erklären lässt. <?page no="229"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 221 rückgeführt - was sich für Domitian ohnehin ungleich schwerer plausibel machen lässt als für Nero. 10 Im diachronen Überblick zeigt sich allerdings, dass die Spielegründungen des 1. Jhs. n. Chr. in eine lange Entwicklung eingebettet sind, die sich in mehreren Anläufen und unter variierenden politischen Vorzeichen, aber letztlich kontinuierlich vollzieht. Die Anfänge gymnischer Wettkämpfe in Rom sind spätestens mit Triumphalspielen republikanischer Zeit zu greifen, für die griechische Athleten eigens nach Rom verbracht werden. Freilich steht bei diesen Anlässen - als frühester sind die Feiern des M. Fulvius Nobilior nach seinem Sieg über die Ätoler bezeugt (187 v. Chr., Liv. 39,22,1) - nicht die aktive Aneignung der griechischen Körperkultur im Vordergrund, sondern die Zurschaustellung jener Praktiken eines unterworfenen Kulturkreises, die für diesen als besonders typisch angesehen werden. So sind diese frühen Wettkämpfe zunächst innerhalb eines ethnographischen Systems imperial konnotierter Bedeutungszuschreibungen verständlich, die das Verhältnis Roms zu den Kulturen seines Reiches definieren. 11 Anders verhält es sich mit den nach dem Sieg von Actium begründeten, alle vier Jahre in Rom abzuhaltenden ludi pro valetudine Caesaris, zu deren hybridem Programm Pferderennen sowie ein gymnicus agon, aber auch mit Kriegsgefangenen bestückte Gladiatorenkämpfe gehören. 12 Nicht nur die athletischen Wettkämpfe, auch der penteterische Rhythmus geben klar die griechische Inspiration dieser Spiele zu erkennen. Besonders hervorzuheben ist ihre Stiftung durch den Senat, die das Vorhandensein von Interessengruppen innerhalb der urbanen Elite bezeugt, die die Integration von certamina graeca in das römische Spielewesen aktiv vorantreiben. Ihre Ausrichtung auf die Figur des Kaisers schließlich weist auf bestimmende Elemente der Neronia und der Capitolia voraus. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang ferner die in Neapel begangenen Sebasta. In ihrer ungewöhnlichen Bezeichnung als ˜ # ™ I < E 0 #/ geben sie sich als den olympischen Spielen gleichgestellte italische Entsprechung zu den Agonen für Roma und Augustus (™ I < E ") zu erkennen, die das Koinon der Provinz Asia regelmäßig in Pergamon begeht. 13 Cassius Dio (55,10,9) führt ihre Gründung zwischen den 10 Mratschek (2013) 51; Newlands in diesem Band S. 319-340; s. auch Albers (2013) 147. 11 Zu certamina athletarum im republikanischen Rom s. die Synthesen bei Mann (2002) 137f. und Newby (2005) 24-27. 12 Die bleibende Bedeutung, die diesen Spielen noch lange nach dem Ende des Bürgerkriegs beigemessen wurde, erhellt nicht zuletzt ihre Erwähnung in den Res gestae (9,1); s. auch Cass. Dio 51,19,2. Ausführlich zu diesen Spielen Caldelli (1993) 21-24, ferner Mann (2002) 140; Newby (2005) 27. Eine umfassende Quellensammlung zu athletischen Praktiken im augusteischen Rom liefert Fortuin (1995). 13 Der Name der neapolitanischen Sebasta ist bezeugt IG XIV 748,3-4; vgl. IvO 56,1,7; zu seiner Erklärung s. Robert (1970) 9; anders: Lomas (1997) 125. Umfassend zu den Sebasta und ihrer Organisation Caldelli (1993) 28-37; Newby (2005) 31-33. - Zusammen mit <?page no="230"?> Alexander Heinemann 222 stadtrömischen Feierlichkeiten zur Einweihung des Augustusforums und der Verleihung des pater-patriae-Titels auf und unterstreicht damit den überregionalen Stellenwert und die hohe ideologische Bedeutung, die diesen Spielen beigemessen wurde. Es darf also nicht überraschen, wenn schon für Augustus, aber auch für Claudius und Titus die z. T. mehrfache Übernahme der Agonothesie an den Sebasta bezeugt ist - ein Zug, der an den Capitolia in institutionalisierter Form wieder begegnen wird. 14 Parallel zu diesen und späteren Spielegründungen etabliert sich in Rom die internationale Athletenvereinigung, die ‚heilige, die Laufbahn betreffende, städteübergreifende Zusammenkunft jener um Herakles‘ (P * # / L 6 - ” # ), und ihre Funktionäre - durchweg vormalige Profisportler aus den Ostprovinzen - entwickeln enge Beziehungen zum Kaiserhaus. Schon Augustus behält bereits bestehende (! ) privilegia von Athleten bei und erweitert sie noch (Suet. Aug. 45,3); zur Zeit des Claudius dann ist die / erstmals in Rom bezeugt; von Vespasian erhält sie wiederum eine Bestätigung bestehender Vorrechte, von Hadrian weitere Zusicherungen und schließlich unter Antoninus Pius einen festen Sitz in Rom - eine responsorische Abfolge von Ehrbezeugungen gegen den Kaiser und entsprechender Äußerungen seines Wohlwollens, die sich noch fortsetzen ließe. 15 Von den beiden hier näher in Augenschein zu nehmenden Wettbewerben kommen die Neronia über ihre zweite Edition nicht hinaus, und zumindest unseren senatorisch geprägten Quellen zufolge scheint ihnen niemand nachgetrauert zu haben. Dass aber an der Akzeptanz des im Jahre 86 eingeführten certamen Capitolinus schon bald nicht mehr zu rütteln ist, räumt bereits ein Senator trajanischer Zeit anlässlich der Einstellung eines Wettkampfes in Viennes seufzend ein. 16 Tatsächlich sollten die von Domitian ins Leben gerufenen Spiele noch bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert zelebriert werden. Doch griffe es zu kurz, diese Kontinuität lediglich aus der Normativität des Faktischen herzuleiten. Vielmehr ist die Attraktivität von Spielegründen Sebasta werden oft die von Augustus in Nikopolis gestifteten Aktia genannt, s. dazu Caldelli (1993) 28-37 und jüngst Pavlogiannis u. a. (2009). Als auf griechischem Boden gestifteter und an ältere Festbräuche anschließender Agon sind sie freilich in einem deutlich anderen kulturellen Kontext angesiedelt. 14 Mitglieder der Kaiserhauses als Agonotheten in Neapel: Cass. Dio 56,29,2; Suet. Aug. 98,5 (Augustus); Suet. Claud. 11,2 (Claudius); Them. or. 10 p. 139a-b (Titus); zu Titus in Neapel s. Miranda (1988). - Dass die bei Dio genannten stadtrömischen Ereignisse überhaupt den Anlass zur Gründung der Sebasta darstellten und diese auf eine Initiative des Senats zurückging, wie Caldelli (1993) 28 nicht unplausibel vermutet, lässt sich allerdings m. W. nirgends belegen. 15 Caldelli (1992) 77f.; Caldelli (1993) 100-105; Newby (2005) 34-36. Zur curia athletarum, dem stadtrömischen Sitz der / s. Caldelli (1992) und Rausa (2004). 16 Plin. epist. 4,22,3: velle etiam Romae tolli posset [sc. agona]: „Ich wünschte, in Rom ließe er sich auch abschaffen“. <?page no="231"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 223 dungen ungebrochen, wie bereits ein oft übersehenes Zeugnis aus der Regierungszeit des Trajan zeigt. Wohl aus Anlass seines letzten Dakersieges stiftet dieser in Rom ein Fest, für das nur die griechische Bezeichnung Herakleia Epinikia überliefert ist. 17 Zwar handelte es sich um eine einmalige, irgendwann zwischen den Jahren 107 und 109 abgehaltene Feier, doch offenbar räumten ihr die teilnehmenden Sportler aufgrund der engen Verbindung mit der Figur des Kaisers hohes Prestige ein. Der Fall dieser Spiele (weitere sollten folgen) ist desto signifikanter als gerade unter Trajan eine deutliche rhetorische Distanzierung von solchen Maßnahmen üblich ist, die eng mit dem Regierungshandeln Domitians verbunden werden. 18 Wie die Feier der Herakleia Epinikia zeigt, erstreckt sich diese Zurückhaltung nicht auf sportliche Wettkämpfe. Auch scheut man sich nicht, in der zeitgenössischen aes-Prägung auf den Wettkampf hinzuweisen und dabei einen ursprünglich für die Neronia entwickelten und in Rom sonst nie wieder verwendeten Reverstyp mit der Darstellung eines Preistisches mit Kranz und Stimmurne zu verwenden (Abb. 1 und 2). 19 Vor diesem Hintergrund werden die Stiftungen von Neronia und Capitolia als Etappen einer längeren Entwicklung verständlich, die einzelne Kaiserpersönlichkeiten und ihre öffentliche Stilisierung - ob als Künstler oder Philhellene - weitgehend transzendiert. 20 Trotz des erklärten Widerstandes einzelner Gruppen werden Wettkämpfe Graeco more zwischen Augustus und Trajan in nahezu jeder Generation neu aufgelegt. Dies bedeutet freilich nicht im Umkehrschluss, dass die Stiftung der hier zu besprechenden Wettkämpfe sich gewissermaßen aus einer mechanistischen Zwangsläufigkeit heraus und nur zufällig unter Nero und Domitian ereignet hätte. Vielmehr muss der 17 In der Ehreninschrift für den Ringer Titus Flavius Archibios (IG XIV 747) ist der Austragungsort der ” " # $ @. " 8 _ 3 (Z. 13) zwar nicht erhalten, doch ist die Ergänzung $ ™1 in Z. 12 mehr als nur wahrscheinlich: s. in diesem Sinne bereits Strack (1931) 134f.; ferner Clavel-Lévêque (1986) 2534 mit der in Anm. 433 genannten Lit.; Seelentag (2004) 407. 424; vorsichtig: Robert (1970) 11 m. Anm. 4. 18 Zur Absetzung von Domitian in der Imago Trajans als civilis princeps s. Seelentag (2004) passim. - Zu kaiserlichen Spielegründungen des 2. und 3. Jhs. s. Robert (1970) 9-27; Clavel-Lévêque (1986) 2498f.; Caldelli (1993) 43-52; Newby (2005) 36f. 19 RIC II 686a. 687b. 688a (Trajan); zur Chronologie s. Woytek (2010) 160; 483f. Nr. 596f.; in BMC III (1966) p. cvi sah H. Mattingly bereits den Zusammenhang zwischen der Prägung und sportlichen Wettkämpfen; den Bezug zu den Herakleia Epinikia stellen Klose u. Stumpf (1996) 105f. her. Auf die Spiele bezieht sich unter Umständen auch ein Passus der Fasti Ostienses des Jahres 107 (Frg. Hc Vidman). Die neronischen Prägungen zum certamen quinquennale, die den trajanischen als Vorbild dienen, sind RIC I² 228-248 (Nero) in Rom; RIC I² 427f. 486-488. 559-563 (Nero) in Lyon. 20 Wie problematisch derartige, auf die Persona des Kaisers reduzierte Kausalitäten tatsächlich sind, zeigt die Umkehrung des Arguments bei Robert (1970) 10, der darauf hinweist, dass ausgerechnet für den Philhellenen Hadrian keine entsprechende Spielegründung in Italien überliefert ist. <?page no="232"?> Alexander Heinemann 224 durchaus handfeste Eingriff in Festkalender, Topographie und soziale Praktiken, den diese Gründungen tatsächlich darstellten, jeweils als gezielter Versuch interpretiert werden, eine weit zurückgehende und von breiten Interessen getragene Entwicklung in einem konkreten Moment politisch fruchtbar zu machen und in spezifische Bahnen zu lenken. Genau hierin liegt die historische Aussagekraft der zu besprechenden Phänomene: Sie dokumentieren nicht eine plötzliche, von idiosynkratischen Launen diktierte Hinwendung zu griechischen Wettkämpfen, sondern die politische Instrumentalisierung eines umfassenden gesellschaftlichen Prozesses. 2. Neros Spiele: dem Kaiser ein Fest Im Jahre 60 das erste und im Jahre 65 ein zweites Mal aufgeführt, stellen die Neronia den modernen Interpreten schon im Hinblick auf ihre Chronologie vor beträchtliche Schwierigkeiten. 21 Zum einen ist ein fünfjähriger Zyklus nach den Maßstäben griechischer Agone höchst ungewöhnlich, zum andern stiftet die in der Antike übliche inklusive Zählweise, bei der ‚penteterisch‘, d. h. ‚fünfjährig‘ de facto einen Vierjahreszyklus bezeichnet, zusätzliche Unsicherheit. So besteht bis heute in der Ansetzung des Rhythmus der Neronia keine Einigkeit. 22 Wie eine knappe Durchsicht der Quellen zeigen wird, legen diese aber nicht nur einen Fünfjahreszyklus nahe, sondern erlauben zugleich eine spezifische Erklärung für diese Terminierung. Festzuhalten ist zunächst der Umstand, dass die Neronia im Fünfjahresabstand gefeiert wurden, ohne dass eine antike Quelle dies als Unregelmäßigkeit verzeichnete. So überliefert Tacitus für das Jahr 65 anstandslos die zweite Edition der Spiele: quinquennale ludicrum secundo lustro celebrabatur (ann. 16,2,2). Sueton hingegen weiß von einem Eingriff in das Festintervall: Aus Ungeduld auf einen Auftritt in Rom habe Nero den zweiten Termin der Neronia vorgezogen, dann aber - nach einer ausgedehnten Performance als Kitharöde - „den Kranz und den restlichen Teil des Wettkampfes ins nächste Jahr verschoben, um häufiger noch Gelegenheit zum Singen zu haben“: coronamque eam et reliquam certaminis partem in annum sequentem distulit, ut saepius canendi occasio esset (Suet. Nero 21,2). Unabhängig von der Glaubwür- 21 Allgemein zu den Neronia s. Caldelli (1993) 37-43; Champlin (2003) 72-75; Kaplan (1990) 327-329; zuletzt: Mratschek (2013) 51 u. Heldmann (2013) 345-355. 22 Für einen vierjährigen Rhythmus argumentiert wortreich Bolton (1948) 83-87; zustimmend Bergmann (1998) 188; ähnlich Caldelli (1993) 41f. Anders Kaplan (1990) 328f., der im Anschluss an Schumann (1930) 64 und RE XVII,1 (1936) Sp. 42 s. v. Neronia (W. Hartke) vermutet, den Spielen sei ein lustraler, d. h. tatsächlich fünfjähriger Zyklus zugrundegelegt worden. Weitere Literatur jetzt bei Heldmann (2013) 349 Anm. 114. <?page no="233"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 225 digkeit der Anekdote suggeriert nichts darin, dass die zweite Edition des Festes im Jahr 65 nicht tatsächlich den regulären Termin darstellte. 23 Einen wichtigen Hinweis liefern die in den Quellen durchaus ungleich verteilten Bezeichnungen des Festes: 24 Die bereits genannten neronischen Münzen mit Darstellung eines Preistisches verkünden schlicht CERT(amen) QUINQ(uennale) ROM(ae) CO(nstitutum). Tacitus bezeichnet die Veranstaltung durchgehend als quinquennale ludicrum oder lustrale certamen, die spätantike Lucanvita des Vacca als certamen pentaetericum. Dort wo Sueton erstmals auf den Wettkampf zu sprechen kommt und von seiner Gründung berichtet, nennt er ihn in Übereinstimmung mit den Münzen quinquennale certamen; in späteren beiläufigeren Erwähnungen ist von Neroneus agon bzw. certamen Neroneum die Rede. Eine ähnliche Differenzierung findet sich bei Cassius Dio, der, aus einem kaiserlichen Edikt ( J ) zitierend, die Gründung des Q vermerkt, den der Kaiser selbst 8 1- genannt habe. Eine aus Italien stammende Beintessera schließlich trägt die umkränzte Aufschrift 8 1 . Dort, wo die Quellen sich besonders eng an öffentlichen Dokumenten und archivalischer Überlieferung orientieren, außerdem auf den neronischen Prägungen selbst, erhält der Wettbewerb seinen Namen also von einem Fünfjahreszeitraum. Das ist eine nicht nur für römische Verhältnisse ungewöhnliche Nomenklatur - es sei denn, der eigentliche Anlass des Festes wäre in eben dieser Angabe zu suchen. Demnach würde es sich beim certamen quinquennale also weniger um ‚Spiele im Fünfjahresrhythmus‘ handeln als vielmehr um ‚Fünfjahresspiele‘. Weitgehend übersehen wurde in diesem Zusammenhang bislang der Umstand, dass die erste Edition des certamen an die Vollendung von Neros fünftem Herrschaftsjahr am 13. Oktober 59 anschließt. Wenn die Neronia in das darauffolgende Jahr fallen, dann offenbar um in der warmen Jahreszeit gefeiert werden zu können. Das certamen quinquennale wird damit als Wettkampf aus Anlass von Neros fünftem Herrschaftsjubiläum verständlich; diese Quinquennalia werden im Jahre 65 regulär das zweite Mal gefeiert. 25 Die trügerische Nähe von quinquennale/ lustrale 23 Zu den konfligierenden Fassungen Tacitus’ und Suetons s. auch Heldmann (2013) 349f., der die Schilderung Suetons als „für sich genommen plausibel“ einschätzt und eine pointierende Straffung des Tacitus vermutet. 24 Zum Folgenden s. Tac. ann. 14,20,1; 16,2,2; 16,4,1; Vacca, Vita Lucani, p. 2,15 (Endt [1909]); Suet. Nero 12,3; 21,1; Suet. Vit. 4; Cass. Dio 61,21,1; die Tessera ist IG XIV 2414,43; s. außerdem die Bleitessera Rostowzew (1903) 103 Nr. 843 mit der Legende N(eronia) II. Nicht folgen kann ich Thompson (1973) 577, für die der Ausdruck quinquennium bei Tac. ann. 14,21,2 das Fest und nicht den Zeitraum bezeichne. 25 Vgl. bereits RE XVII,1 (1936) Sp. 42 s. v. Neronia (W. Hartke): „Die fünfjährige Periode entnahm Nero dem alten römischen Lustrum (...) und verband damit die Feier der Quinquennalien und Decennalien seines Regierungsantritts.“ Für die zweite Edition von Neros Festes die Bezeichnung decennalia zu fordern, ist im Übrigen nicht zwingend, weil die einmal gewählte Nomenklatur iteriert werden kann. Antoninus Pius <?page no="234"?> Alexander Heinemann 226 zu wäre demnach der Ursprung der neuzeitlichen Verwirrung über die Terminierung des Festes. 26 Es ist die Bezeichnung des Festes selbst, die den stärksten Hinweis für diese Interpretation liefert, die zugleich eine Reihe von Eigentümlichkeiten zu erklären geeignet ist. Zu diesen gehört zunächst die Benennung der Veranstaltung nach dem Kaiser. Dass dieser, wie Sueton und Cassius Dio übereinstimmend überliefern, den Wettbewerb nach sich selbst benannt habe, wäre eine so eklatante Form der Selbstehrung, dass Zweifel an dieser Version durchaus zulässig sind. Den eingespielten Rollenverteilungen entspräche es wohl eher, wenn der Kaiser die Spiele gestiftet und der Senat vorgeschlagen hätte, sie nach ihm zu benennen. Wenn die Spiele Neros Herrschaftsjubiläum feiern sollten, erscheint dieser Schritt nahezu selbstverständlich. Auch das Fehlen jeglicher Überlieferung zur formellen Abschaffung der Spiele darf nicht überraschen: An den lebenden Herrscher gebunden, bedurften Neros Quinquennalfeiern nach seinem Tod keiner solchen Amtshandlung. In das rituelle Gefüge eines solchen Herrschaftsjubiläums und der dabei für den Kaiser abgelegten Gelübde, fügt sich ferner die bei Dio bezeugte amtliche Formulierung, die Spiele seien „für das Wohl und den Bestand der Herrschaft“ des Kaisers (H F F F 3 " . 3) ausgerichtet worden. 27 Auch die oben erwähnte Anekdote von der vorgezogenen zweiten Edition lässt sich eventuell erklären, wenn wir nämlich annehmen, dass Neros isoliert bleibender Auftritt als Kitharöde (für den es im Unterschied zu den sportlichen Wettkämpfen keines guten Wetters bedurfte) am kalendarisch korrekten Zeitpunkt im Oktober 64 stattfand. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die späte Überlieferung zu einem angeblichen Ausspruch Trajans hinzuweisen, demzufolge alle Kaiser hinter dem ersten Jahrfünft von Neros Herrschaft zurückgestanden hätten, dem (zumindest in der Sekundärliteratur) sprichwörtlich gewordenen quinquennium Neronis. Die Gründe und Wege, auf denen dieses Dictum überhaupt zustande kommt, sind kontrovers diskutiert worden und sollen hier nicht noch einmal beleuchtet werden. Ihren ursprünglichen Ausgang dürften sie nach dem hier vorgebrachten jedenfalls daher genommen haben, dass begeht sein zwanzigstes Herrschaftsjubiläum als DEC(ecennalia) II und die vota zu Beginn seines dritten Herrschaftsjahrzehnt erfolgen für die DEC(ecennalia) III, s. etwa RIC III 1008-1011 (Antoninus Pius). Zu kaiserlichen Herrschaftsjubiläen s. Heil (2009). 26 Zu bereits antiken Unsicherheiten im Zusammenhang mit penteterischen bzw. lustralen Rhythmen s. Bolton (1948) 82f. sowie CIL VI 33976 = ILS 5177 und CIL IX 2860 = ILS 5178, wo lustrum für das Intervall der alle vier Jahre gefeierten Capitolia verwendet wird. Sueton (Dom. 4,4) nennt auch diesen Agon ein quinquennale certamen. 27 Cass. Dio 61,21,1; Caldelli (1993) 38 Anm. 162 verweist auf die Ähnlichkeit zu den ludi pro salute Caesaris; die bei Nero hinzutretende Betonung der Fortdauer der Herrschaft scheint mir aber doch spezifisch auf die vota im Kontext eines Herrschaftsjubiläums zugeschnitten. <?page no="235"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 227 Nero selbst seine Herrschaft in quinquennia skandierte und diese Etappen festlich markierte. 28 Sueton zufolge handelte es sich bei dem Fest um einen Wettkampf mit musischen, athletischen und hippischen Disziplinen (einschließlich rhetorischer Agone). 29 Damit entsprach das Programm eher der Anlage der Pythischen als der Olympischen Spiele, 30 was nicht nur mit Neros zahlreichen Bezugnahmen auf Apollon im Einklang steht, sondern dem das Kitharaspiel praktizierenden Kaiser nicht zuletzt die Gelegenheit zu eigenen Auftritten bot. Auch der Siegeskranz dürfte wie in Delphi aus Lorbeer bestanden haben, zeigen doch zwei mit den Neronia zu verbindende Tesserae einen lorbeerbekränzten Nero bzw. einen Apollon mit Lorbeerzweig (Abb. 3). 31 Das griechische Gepräge der Veranstaltung stellt schließlich auch das für das certamen entworfene Münzbild heraus (Abb. 2), welches einen Preistisch mit Kranz und Stimmurne zeigt und die Neronia nachdrücklich als Kranzagon 28 Trajans Bemerkung überliefern Aur. Vict. Caes. 5,1-4 und sein Epitomator (Ps.)Aur. Vict. epit. 5,1-5. Zu ihrer Interpretation s. Anderson (1911), dessen Versuch, das quinquennium Neronis in die 60er Jahre zu verschieben von Lepper (1957) überzeugend zurückgewiesen wird. Überaus sophisticated, aber nicht unplausibel argumentiert Murray (1965) für einen Ursprung der Aussage in stoischen Kreisen flavischer Zeit. In einem Nachtrag zu Andersons Aufsatz wies bereits Haverfield (1911) 179 beiläufig darauf hin, „that Nero himself tried to divide his reign up into quinquennia by establishing in 60 a quinquennale ludicrum“. Eher verunklärend äußert sich Thompson (1973) 577f.; wenig überzeugend auch Hind (1971) 499f., der im quinquennium den Zeitraum zwischen den beiden Editionen der Neronia erkennen möchte, „which he [Nero] may well have considered to be his first quinquennium of personal power“. Weitere Literatur stellt Thornton (1989) 118 Anm. 5 zusammen. 29 Instituit et quinquennale certamen primus omnium Romae more Graeco triplex, musicum gymnicum equestre, quod appellauit Neronia; dedicatisque thermis atque gymnasio senatui quoque et equiti oleum praebuit. magistros toto certamini praeposuit consulares sorte, sede praetorum. (Suet. Nero 12,3): „Als erster in Rom begründete er auch einen alle fünf Jahre abgehaltenen Wettkampf - nach griechischer Art dreigeteilt in einen musischen, gymnischen und hippischen -, den er Neronia nannte; nach Einweihung der Thermen und des Gymnasiums stiftete er auch Öl für den Senat und den Reiterstand. Dem ganzen Wettkampf stellte er Beamte vor, ausgelost aus Konsularen, in der Stellung von Prätoren.“ 30 Vgl. Bolton (1948) 82; s. in diesem Zusammenhang Suet. Nero 23 zur Griechenlandreise Neros: Olympiae quoque praeter consuetudinem musicum agona commisit: „Er beging auch in Olympia, ganz gegen die Tradition einen musischen Agon.“ 31 Tesserae: Rostowzew (1903) 102 Nr. 836 und 103 Nr. 843 Taf. 8,53 (hier Abb. 3). Nicht mit den Neronia zu verbinden ist hingegen eine Gruppe von Bildlampen, die Guarducci (1982) 111-114 Taf. 46-53,2 und in ihrer Folge noch Newby (2005) 29 Abb. 2.1 als begleitend zu den Spielen hergestellte Verkaufsartikel interpretieren. Dagegen spricht nicht nur die hochkaiserzeitliche Chronologie des Lampentypus, sondern auch seine geographische Verbreitung mit auffälligem Schwerpunkt auf Nordafrika, s. dazu Bailey (1988) 189f. Q 1718. <?page no="236"?> Alexander Heinemann 228 ausweist. 32 Mit dem am Fuß des Tisches angelehnten Diskus wird überdies ein Sportgerät ins Bild gerückt, das von den Zeitgenossen als unmissverständlicher Hinweis auf die gymnischen Wettkampfteile und die griechische Inspiration der Veranstaltung bezogen werden musste. Eine zentrale Rolle bei der Vermittlung der Wettkämpfe in der stadtrömischen Öffentlichkeit fällt ihren Austragungsorten zu. Die rhetorischmusischen Agone finden im Pompejustheater, die gymnischen wohl in den Saepta Iulia statt, überkommene Austragungsorte auf dem Marsfeld also, welches zu dieser Zeit längst als städtischer Raum für Spiele, Aufführungen und andere Mußepraktiken etabliert ist. 33 An einschlägige frühere Nutzungen des Areals - einschließlich der unter Cäsar und Augustus errichteten hölzernen Stadien - knüpft auch der neronische Komplex von Thermen und Gymnasium an (Abb. 5), der mit der Gründung der Spiele in Verbindung stehen dürfte. Überdies fügt sich die Errichtung des Gymnasiums in jenen langen Prozess der baulichen Verfestigung des Spielewesens ein, der in republikanischer Zeit mit den ersten steinernen Strukturen am Circus Maximus einsetzt, später zur Errichtung dauerhafter Theater führt und schließlich mit den großen flavischen Spiel- und Wettkampfbauten zum Abschluss kommt. Nach allem, was wir sagen können, zeichneten sich die neronischen Neubauten durch außerordentliche Weitläufigkeit und Großzügigkeit aus. Zwar ist von den thermae Neronianae bei ihrer Erneuerung durch Alexander Severus nahezu nichts übrig geblieben, gleichwohl lässt sich zeigen, dass sie sich auf einer ähnlichen Grundfläche von ca. 190 x 120 m erhoben. 34 Weniger 32 RIC I² 228-248 (Nero); auf denselben Umstand hebt die erwähnte Tessera IG XIV 2414,43 mit der umkränzten griechischen Aufschrift 8 1 ab. - Die Einrichtung des Preistisches zum Ausstellen der Kränze ist ebenfalls griechischen Ursprungs; Paus. 5,20,1-2 beschreibt den goldelfenbeinernen Tisch im Heratempel von Olympia, der dem Phidiasschüler Kolotes zugeschrieben wurde. 33 Pompejustheater: s. u. Anm. 51; Saepta: Suet. Nero 12,4 (wo allerdings eine Verschmelzung der Ereignisse mit Neros 59 v. Chr. zelebrierten Juvenalia vorliegt). 34 Zur nahezu ausschließlich severischen Datierung der baulichen Überreste s. Ghini (1988) bes. 172; ferner Rasch (1996) 205-211, der für den neronischen Vorgänger eine deutlich kleinere Grundfläche annimmt; s. dazu jetzt auch Albers (2013) 142 m. Anm. 55. Dass die Vergrößerung eines so zentral gelegenen Bauplatzes in severischer Zeit nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen wäre, zeigt schon der Umstand, dass für das seinerzeit hinzugefügte nemus private Grundstücke aufgekauft werden mussten (Hist. Aug. Alex. 24,4). Vor allem aber gilt es bei der Rekonstruktion der neronischen Thermen, die sukzessive Bebauung des gesamten Areals zu berücksichtigen, das sich in einer Abfolge von Großkomplexen entwickelt, die jeweils eng an den Baubestand anschließen; s. dazu erhellend Grüner (2009) bes. 63-66; außerdem Ghini (1988) 173 zur daraus resultierenden, ungewöhnlichen Orientierung der Thermen auf dem Marsfeld. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Lage der severischen Thermen, eingepasst zwischen Pantheon und Domitiansstadion, am besten erklären, wenn bereits die neronischen Thermen diese Grundfläche einnahmen. <?page no="237"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 229 eindeutig lässt sich die Frage beantworten, ob der für seine Prachtentfaltung gerühmte Komplex tatsächlich den klappsymmetrischen Grundriss des sogenannten Kaisertypus begründete. 35 Das Gymnasium, nach Ausweis des Tacitus im Jahre 61 eingeweiht, ist in Rom der erste (und letzte) öffentliche Bau seiner Art überhaupt. 36 Jüngste Forschungen haben Reste eines großen Peristyls zwischen den Thermen Neros und der Portikus des Pompejustheaters erschlossen, die von den Ausgräbern überzeugend als Teil des Gymnasiums angesprochen werden. 37 Den Großteil des auf 182,5 x 98 m ergänzten Baus scheint ein ca. 2 m tiefes Wasserbecken ausgefüllt zu haben, in dem das stagnum Agrippae zu erkennen sein dürfte. Die Anlage stellt sich als gewaltige Palästra dar, die freilich um die Freiflächen für die eigentlichen physischen Aktivitäten einschließlich insbesondere der Laufbahnen zu ergänzen ist. Diese sieht das bei Vitruv (5,11,3-4) skizzierte Idealgymnasion westlich oder östlich der Palästra vor, und vieles spricht dafür, sie im archäologisch weitgehend unbekannten Gebiet zwischen Peristyl und Agrippathermen anzusiedeln (in unserer 35 So etwa Brödner (1983) 48-51; Gros (1996) 397f. und zuletzt Beste u. von Hesberg (2013) 319-321; Albers (2013) 142. Anders Rasch (1996), der nachdrücklich dafür plädiert, diese Erfindung erst in den Trajansthermen verwirklicht zu sehen. Zur Preisung der Nerothermen s. die bei Ghini (1988) 125 gesammelten Quellen, darunter das berühmte Epigramm Mart. 7,34: Quid Nerone peius? / Quid thermis melius Neronianis? („Was schlimmer als Nero? Was besser als die Neronianischen Thermen? “). 36 Die Einweihung des Gymnasiums wird von den Quellen verschieden angesetzt, entsprechend differieren auch die Angaben in der Sekundärliteratur. Das in Teilen der Forschung begegnende Jahr 62 als Zeitpunkt der Fertigstellung basiert auf Philostr. Ap. 4,47, dessen Schilderung allerdings chronologisch völlig verworren ist, s. in diesem Sinne schon Tamm (1970) 13f.; Kaplan (1990) 323. Suet. Nero 12,3 und Cass. Dio 61,21,1 erwähnen die Errichtung unmittelbar im Anschluss an die Stiftung der Neronia im Jahre 60. Eine explizite zeitliche Ansetzung liefert einzig Tacitus: ann. 14,47 berichtet von der Einweihung des Gebäudes im Jahr 61, ann. 15,22 von seiner Zerstörung durch Blitzschlag und Feuer im darauffolgenden Jahr. Diesen Angaben, die offenbar auf archivalischen Quellen beruhen, ist nicht zuletzt deswegen der Vorzug zu geben, weil sie gegenüber der naheliegenden Verknüpfung mit der Gründung der Neronia bei Sueton und Dio die lectio difficilior darstellen. Die Zerstörung des Gymnasiums scheint freilich weder total noch von Dauer gewesen zu sein: Bereits im Jahre 64 war das - neueren Hypothesen zufolge inmitten der Palästra liegende - stagnum Agrippae Schauplatz nächtlicher Lustbarkeiten: Tac. ann. 15,37. 37 Die Existenz einer Porticus in diesem Areal ist lange bekannt. Bei Lanciani (1901) Taf. 21 begegnet sie als Porticus ingens lavacro agrippa contigua, und noch Ghini (1988) 170-172 und Scaroina (2006) interpetieren sie als Randbebauung des stagnum Agrippae und mit diesem zeitgleich. Die keramischen Befunde der jüngsten Sondagen weisen jedoch auf eine Entstehung nicht vor der Mitte des 1. Jhs. hin, weswegen Filippi (2011) 46-53 die Portikus nun als das gymnasium Neronis anspricht; die Identifikation wird akzeptiert bei von Hesberg (2011) 113f.; Beste u. von Hesberg (2013) 320f. Auf Details und Probleme der Rekonstruktion hoffe ich in anderem Zusammenhang eingehen zu können. <?page no="238"?> Alexander Heinemann 230 Abb. 5 dunkelgrau schattiert). 38 Es wäre jedenfalls kaum zu erklären, wenn dieses Areal ausgespart worden wäre, zeichnet sich die fortschreitende Bebauung des kaiserzeitlichen Marsfelds doch „wie heutzutage ein Gewerbegebiet“ 39 gerade dadurch aus, dass weitgehend unverbundene Einzelkomplexe sukzessive und nur durch schmale Durchstiche getrennt nebeneinandergesetzt werden. Im Norden an die zeitgleich errichteten Thermen Neros, im Osten an die älteren des Agrippa stoßend erschließt das Gymnasium mithin als Scharnier beide Badekomplexe des Marsfeldes. 40 In der Gesamtschau stellen sich Thermen und Gymnasium Neros als auffällig rationaler Gesamtentwurf dar, der auf zwei annähernd gleich großen Grundflächen quadratischer Form nachgerade programmatisch das Badewesen römischer Prägung mit einer griechischen Sportstätte verknüpft. 41 Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang die Gesamtlänge des Peristyls bzw. der daneben zu vermutenden Sportflächen, deren Nord-Süd- Erstreckung dem Maß eines Stadions entspricht. 42 Damit kommt das Gymnasium Neros nicht nur einer Forderung Vitruvs nach, sondern ist tatsächlich für das Training der in griechischen Agonen üblichen Laufdisziplinen ausgelegt. Die Anlage war offenbar kein mit willkürlichen griechischen Benennungen versehener Lustgarten; wer der Stadtbevölkerung ein Gymnasium mit diesen Maßen stiftete, meinte es ernst mit seiner sportlichen Nutzung. Sportanlagen griechischer Nomenklatur waren bereits in spätrepublikanischer Zeit ein geläufiges Element der Villenarchitektur und sind ab dem mittleren 1. Jh. n. Chr. auch archäologisch nachgewiesen. Die ‚Gartenstadien‘ des flavischen palatium und der Villa Hadriana bezeugen die anhaltende Wertschätzung solcher Einrichtungen als Bestandteil aufwendiger Residenzkomplexe - freilich ohne notwendigerweise einer tatsächlich sportli- 38 Zu Vitruvs Idealgymnasium s. Delorme (1960) 489-497 mit der älteren Literatur und zuletzt Wacker (2004) 354-356, der enge Beziehungen zwischen Vitruvs Vorgaben und dem (in seiner Gestalt weitgehend unbekannten) Lakonikon des Agrippa auf dem Marsfeld (Cass. Dio 53,27,1) erkennen möchte. 39 Grüner (2009) 53; vgl. o. Anm. 34. 40 Filippi (2011) 53; s. auch Albers (2013) 143. 41 Einen weiteren Rückgriff auf italische Traditionen sieht Filippi (2011) 53 in der großen piscina, die offenbar als älterer Baubestand (stagnum Agrippae) integriert wurde. In deutlich kleinerem Maßstab sind Wasserbecken allerdings auch in Gymnasien des hellenistischen Ostens bezeugt, s. Delorme (1960) 311f. Zum griechischen Badewesen und seinen Bezügen zur Lebenswelt des Gymnasiums s. jetzt die Beiträge in Lucore u. Trümper (2013). 42 Filippi (2003) 49 gibt für die Porticus eine Länge von 182,5 m an. Die Laufbahn des Stadium Domitiani - einziger Anhaltspunkt für das in Rom geltende Stadionmaß - misst nach Albers (2013) 148 ca. 180 m. <?page no="239"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 231 chen Nutzung zugedacht zu sein. 43 Die Einrichtung des Gymnasiums auf dem Marsfeld liegt also im Schnittpunkt zwischen dem philhellenischen Habitus des Kaisers und der unter seiner Herrschaft vorangetriebenen Integration von Praktiken und Architekturformen der Villa in die urbane Struktur Roms. 44 Zugleich weist die Entscheidung für einen dezidiert städtischen, an tradierte Nutzungen anknüpfenden Standort - anstelle etwa einer Platzierung innerhalb der kaiserlichen Residenz - die urbane Öffentlichkeit als primären Adressaten des Gymnasiums aus. Zu diesem Befund fügt sich, dass Nero zur Einweihung des Gebäudes Öl spendet, eine Maßnahme, deren Inspiration an hellenistischen Usancen schon für Tacitus unverkennbar ist, der nicht ohne kritischen Unterton die „griechische Großzügigkeit“ der Maßnahme vermerkt. 45 Die Stiftung eines Gymnasiums bzw. des dort zu verwendenden Öls gehören zu den nachgerade typischen Elementen, mit denen hellenistische Herrscher als wohltätige Stifter gegenüber griechischen Poleis auftreten. 46 Im konkreten Fall sollte die ausdrücklich an Senatoren und Ritter gerichtete Spende die stadtrömischen Eliten offenbar dazu ermuntern, das neu errichtete gymnasium tatsächlich more Graeco zu nutzen und die aktive Teilhabe an gymnischen Praktiken in ihr normatives Selbstverständnis aufzunehmen. Die Neronia in ihrer formalen Gestaltung schlicht als Verquickung römischer und griechischer Elemente zu beschreiben, grenzte ans Banale; entscheidend für das Verständnis der pragmatischen und symbolischen Dimension der Veranstaltung ist vielmehr die spezifische Gewichtung dieser Elemente. In administrativer Hinsicht handelt es sich um ein gänzlich nach römischen Traditionen strukturiertes Fest, das in einem lustralen Zyklus abgehalten wird, in der rechtlichen Stellung seiner Ausrichter anderen ludi gleichgestellt ist und dessen angenommener Anlass - das Herrschaftsjubiläum des Kaisers - einer ausgeprägt römischen Beachtung von Jahrestagen entspricht. 47 43 Zum Gartenstadion auf dem Palatin: Riedel (2008); zur Villa Hadriana: Hoffmann (1980); Luschin (2008) 376-378. Zur Verbreitung des Typus von Villenstadien und Villenhippodromen s. Hoffmann (1980) 64-69. 44 Die eklatanteste Artikulation dieses Konzepts stellt natürlich die Domus Aurea dar: Bergmann (1994) 29f.; Champlin (2003) 200-206. 45 Tac. ann. 14,47,2: Gymnasium eo anno [61] dedicatum a Nerone praebitumque oleum equiti ac senatui Graeca facilitate. 46 Zu Neros Ölspende s. die o. Anm. 36 zitierten Quellen, die sie einhellig mit der Einweihung des Gymnasiums zusammenfallen lassen. Zu hellenistischen Ölspenden s. Ameling (2004) bes. 132f. In einigen Städten des Reiches sind Mitglieder der domus Augusta - vielleicht nicht zufällig Neros Mutter Agrippina und der auch anderweitig sportinteressierte Titus - als Gymnasiarchen bezeugt, die diese kostspielige Liturgie übernehmen: Schuler (2004) 190 Anm. 159. 47 Zu den (schon unter Augustus bezeugten) Feiern anlässlich von Herrschaftsjubiläen s. Heil (2009). - Zu den Ausrichtern des neronischen certamen s. Suet. Nero 12,3 (zitiert o. Anm. 29), demzufolge den Spielen aus den Reihen ehemaliger Konsuln erloste magistri <?page no="240"?> Alexander Heinemann 232 In den Bereich griechischer Kultur verweisen hingegen die konkreten Aktivitäten, die innerhalb dieses formalen Gerüsts angesiedelt sind und die beileibe nicht auf das Wettkampfgeschehen im engeren Sinne beschränkt sind. Mehr denn als griechischer Agon in Rom erweisen sich die Neronia als Versuch, Rom den Praktiken seiner Bevölkerung nach in eine griechische Polis zu verwandeln. Die Oberschicht geht im Gymnasion athletischen Übungen nach, bedient sich dabei des vom Herrscher gespendeten Öls und nimmt aktiv an Wettbewerben zu dessen Ehren teil. Das ehrwürdige Priesterinnenkolleg der Vestalinnen ist angehalten, den Spielen beizuwohnen - da, so der Kaiser, in Olympia schließlich auch die Demeterpriesterinnen den Wettkämpfen zuschauten (Suet. Nero 12,4). Der Kaiser selbst tritt nicht - wie das vor und nach Nero regelmäßig der Fall war - als Agonothet auf, sondern beansprucht den Status eines Teilnehmers auf Augenhöhe mit seinen Kontrahenten (Tac. ann. 16,4,2: Nero dictitans [...] se aequum adversum aemulos). In dieser Aufhebung standesbezogener Regularien für Senatoren, Priesterinnen und den Kaiser gleichermaßen liegt ein karnevalesker Zug der Veranstaltung, der eine weitere Bestätigung findet in Tacitus’ Bemerkung (ann. 14,21,4), für die Dauer der Spiele seien viele in der Stadt in griechischer Tracht umhergelaufen, später aber wieder zu normaler Kleidung zurückgekehrt. Auch hierfür mussten gesetzliche Regelungen, die für den Theaterbesuch nämlich das Tragen der Toga vorsahen, entweder kollektiv unterlaufen oder offiziell außer Kraft gesetzt werden. 48 Den kulturellen Praktiken der griechischen Welt nachzugehen war bis dahin vornehmlich dem Rückzugsraum campanischer Otiumvillen vorbehalten gewesen; die neapolitanischen Sebasta boten dafür auch ein öffentliches Handlungsfeld, das dort durch den Kaiserkult und das griechische Erbe der Stadt sanktioniert war. 49 Im Rahmen dessen, was Egon Flaig als ‚neronische Kulturrevolution‘ bezeichnet hat, werden diese Praktiken nun direkt in die urbs hineingetragen, sei es durch die Etablierung griechischer Spiele, sei es, etwas später, durch die an den Formen der Villeggiatur inspirierte Residenz. 50 Wer nahm an den Neronia teil? Nur drei Wettbewerber sind namentlich überliefert. Zu diesen gehört der eingangs erwähnte Palfurius Sura, dessen Auftritt - sollte er wirklich gegen eine spartanische Jungfrau angetreten sein - eher als reenactment mythischer Ringkämpfe etwa der Atalante mit ihren Freiern verständlich wird. Bezeugt ist ferner der junge Lucan, der mit im vorstanden, die dabei im Range von Prätoren fungierten. Letzteres ist vor dem Hintergrund der bei Cass. Dio 54,2,3 bezeugten, seit 22 v. Chr. bestehenden Regelung zu verstehen, wonach die Prätoren zu den ordentlichen Ausrichtern öffentlicher Spiele bestimmt waren, für die sie einen festgesetzten Etat aus der Staatskasse erhielten. 48 Togagebot im Theater: Suet. Aug. 44,2; s. dazu Edmondson (2008) 33. 49 Newby (2005) 31f. 50 Flaig (2003) 254-259. <?page no="241"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 233 Pompejustheater vorgetragenen laudes auf Nero einen Kranz errang. 51 Auffällig ist der hohe soziale Rang sowohl Suras als auch Lucans; noch höherstehend ist freilich der dritte bezeugte Teilnehmer, der Kaiser selbst. Jenseits dieser drei aber lassen sich keine weiteren Wettbewerber fassen. Auch unter den Ehren- und Grabinschriften erfolgreicher Athleten und Musiker im Osten des Reiches findet sich keinerlei Erwähnung der neronischen Spiele. 52 Mit der problematischen Erinnerung an ihren Stifter dürfte dieser Umstand kaum zu begründen sein, mangelt es im gleichen Quellencorpus doch nicht an Bezeugungen für die wenige Jahrzehnte später abgehaltenen domitianischen Editionen der Capitolia. 53 Auf derart schmaler Quellengrundlage sind nur vorsichtige Rückschlüsse zulässig, doch auch die Terminierung der Neronia spricht dafür, dass sie einen primär lokal und regional definierten Teilnehmerkreis ansprechen sollten. In der griechischsprachigen Welt war ein lustraler Rhythmus nicht nur unbekannt, er war auch kaum in die komplexen Reiserouten und Zeitplanungen kaiserzeitlicher Profisportler und -musiker zu integrieren, die Patrick Gouw unlängst nachgezeichnet hat. 54 Gouw weist nach, in welchem Umfang größere Wettbewerbe einander in ihrer kalendarischen Stellung berücksichtigen mussten; wenn bei den Neronia nichts davon zu erkennen ist, dann weil diese gar nicht darauf abzielten, prominent im mediterranen Festkalender zu figurieren (und wir werden noch sehen warum). Dies gilt im Übrigen erst recht, wenn man für die Neronia statt eines fünfeinen vierjährigen Zyklus annimmt: Sowohl die kurzfristige Verschiebung der zweiten Edition als auch die ursprüngliche Plazierung im vierten Jahr des olympischen Zyklus, parallel zu zahlreichen Konkurrenzveranstaltungen im östlichen Mittelmeerraum, waren wenig geeignet, Teilnehmer nach Rom zu lokken. Wieder liefern die domitianischen Capitolia die Gegenprobe: Sie liegen, ebenso wie die neapolitanischen Sebasta, die Aktia in Nikopolis und zahlreiche andere Spiele Italiens und Westgriechenlands im zweiten Jahr des olympischen Zyklus, eine abgestimmte Terminierung, die die konsekutive Teilnahme an möglichst vielen Veranstaltungen dieses geographischen Raumes ermöglicht. 51 Vacca, Vita Lucani, p. 2,15-16 (zitiert nach Endt [1909]): certamine pentaeterico acto in Pompei theatro laudibus recitatis in Neronem fuerat coronatus. 52 Selbst der Ringer und mehrfache Olympionike Tiberius Claudius Patrobios, der als personal trainer und Wettkampf-Impresario Neros begegnet, dürfte kaum als aktiver Sportler an seinen Spielen teilgenommen haben, s. dazu Gouw (2009) 420. 53 An den drei domitianischen Editionen der Capitolia sind sechs sichere und ebenso viele mögliche Teilnehmer aus dem Osten bezeugt: Caldelli (1993) Nr. 1-3. 8. 10. 12 bzw. Nr. 13-14. 16. 18-20. Auf Teilnehmer an den Capitolia wird hier und im Folgenden mit der Numerierung im prosopographischen Katalog bei Caldelli (1993) 123-161 verwiesen. 54 Zum folgenden s. die ausführliche Rekonstruktion der Festchronologien bei Gouw (2009) 17-112, insbes. die Karten 2.6 und 2.7. <?page no="242"?> Alexander Heinemann 234 In ihrer Verbindung sprechen die kalendarischen Besonderheiten des Festes, das Fehlen jeglicher Zeugnisse aus dem Osten und nicht zuletzt der traditionell eng auf Rom bezogene Charakter von Herrschaftsjubiläen dafür, in den Neronia einen Agon unter in erster Linie ortsansässigen Teilnehmern zu erkennen. Eine entsprechende Aktivierung der stadtrömischen Eliten ließ sich schon hinter Neros Ölspende an Ritter und Senatoren vermuten und ist auch für andere unter Nero abgehaltene Festlichkeiten bezeugt. Wie der Fall des Palfurius Sura vermuten lässt, dürfte der Erfolg zumindest im Hinblick auf die gymnischen Wettbewerbe begrenzt gewesen sein, doch ließ sich dem zu erwartenden Mangel an Wettkämpfern fraglos mit unfreien Athleten abhelfen, die ohnehin am kaiserlichen Hof präsent waren. 55 Die übergeordnete kommunikative Funktion des certamen lässt sich aus Neros eigenem Verhalten erschließen. Offenbar dienen die Neronia dem Kaiser als festlich sanktionierter Rahmen für die ostentative Präsentation solcher Aspekte seiner Persona, die sich innerhalb der etablierten sozialen Praktiken und Rituale der frühen Kaiserzeit nicht oder allenfalls im engeren Umfeld des Hofes vermitteln ließen. Hierzu zählen zuvörderst Neros Darbietungen als Kitharöde, ferner jene in den Disziplinen lateinischer Rede und lateinischen Gesangs. Hinzu kommen Auftritte als Wagenlenker, die sich freilich nicht sicher den Neronia zuweisen lassen; mittelfristig dürften auch Ringkämpfe geplant gewesen sein, trieb der Kaiser seine Lernbemühungen in dieser Disziplin doch nach Ausweis der Quellen mit großem Ehrgeiz voran. 56 Damit soll die besondere Bedeutung der Kitharödenrolle für Neros öffentliche Wahrnehmung und Selbstdarstellung nicht in Frage gestellt werden, aber in der Gesamtschau der Quellen wird deutlich, dass der Kaiser Exzellenz auf einer Vielzahl von Gebieten anstrebt, die sicher nicht zufällig alle drei Sparten der gymnischen, hippischen und musischen (sowie rhetorischen) Wettkämpfe abdecken; zugleich entsprechen diesen Disziplinen die göttlichen bzw. heroischen Folien des Apollon, Helios und Hercules. 57 Der bereits angesprochenen Laus Pisonis lässt sich ein - inhaltlich nicht deckungsgleiches, aber strukturell ähnlich konzipiertes - Tausendsassa-Ideal entnehmen. 58 55 Suet. Nero 45,1 bezeugt Hofringer (luctatores aulices); nach Ausweis des CIL VI 5813 = ILS 5169 genannten Heracla Caesaris palaestrita dürfte es sich dabei um Sklaven gehandelt haben, wie sie durchaus auch im Besitz von Privatleuten waren: s. CIL VI 7613 mit einem Conops palaestrit(a) Appi Silani, ferner die freigelassenen Schwerathleten L. Cornelius Pothus palestr(ita) (CIL VI 10152 = ILS 5171) und L. Cornificius L(uci) l(ibertus) Philemo pugil (CIL VI 10156 = ILS 5175). 56 Nero als Wagenlenker: Tac. ann. 14,14; Suet. Nero 24,2; Cass. Dio 63,8,2 und 14,1; s. Champlin (2003) 112-121. Ringunterricht: Suet. Nero 53; Dion. Chrys. 71,9; zu diesen Erweiterungen des performativen Radius des Kaisers s. Champlin (2003) 80f. 57 Zu diesen Stilisierungen s. Champlin (2003) 112-144. 58 S. dort insbesondere V. 161: innumeras intra tua pectora dotes und Leppin (1992) 227 zur Denkfigur des ‚carattere paradossale‘. <?page no="243"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 235 Die Neronia sind also im mehrfachen Wortsinne die ‚Neronischen Spiele‘. Der Kaiser, dessen Herrschaftsjubiläum sie markieren, nutzt buchstäblich ihre Bühne, um seine Qualitäten als Performer und allseitig ausgebildeter Könnensmensch zu kommunizieren. Das Erlangen von Siegeskränzen erweist sich dabei letztlich als Begleiterscheinung der erfolgreichen Performance, die den Ausgangspunkt für die Stiftung eines panegyrisch überhöhten Kaiserbildes darstellt. 59 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der bei Tacitus (ann. 16,4,1-2) geschilderte Zwischenfall von Neros Zurückweisung der Siegeskränze, die ihm der Senat bereits im Vorfeld des certamen anbietet, um einen Skandal zu vermeiden (ut dedecus averteret). Nicht auf die Auszeichnung kommt es an, sondern auf den Auftritt als von allen zu erlebendes Zeugnis kaiserlicher Exzellenz. Wie nachdrücklich die Rezeption des Wettkampfgeschehens in diese panegyrische Richtung gelenkt wurde, zeigt eine wenig beachtete Bleitessera, die auf dem Revers Pedo et Paetus mag(istri) nennt, in denen jene Konsulare erkannt werden dürfen, die durch das Los zu Vorstehern der Neronia bestimmt wurden. 60 Die Vorderseite ziert ein lorbeerbekränztes Bildnis Neros mit der Legende Neronis invicti. Zunächst unmittelbar auf die agonalen Erfolge des Kaisers beziehbar, konnotiert das vielfach für Götter verwendete Epitheton invictus eine umfassende Sieghaftigkeit, die den Kaiser überhaupt auszeichnet. 61 Bild und Legende der leider verschollenen Tessera bringen 59 Zur Rolle der künstlerischen Inszenierung in der öffentlichen Persona Neros s. Edwards (1994); Champlin (2003); Malitz (2004); Meier (2008); auf das Repertoire der historisch überlieferten Auftritte fokussiert hingegen Fantham (2013). 60 Rostowzew (1903) 102 Nr. 836 (verschollen); s. zu diesem Stück die Erläuterungen bei Rostowzew (1905) 60. 74. - Zu den Regelungen hinsichtlich der beiden magistri der Neronia s. o. Anm. 47. Für den auf unserer Tessera genannten Paetus kommen mehrere Konsulare der frühen Kaiserzeit in Frage, darunter A. Caecina Paetus, cos. suff. 37 (PIR² C 103) und L. Iunius Caesennius Paetus, cos. 61 (PIR² C 173). Der einzig sichere frühkaiserzeitliche Pedo konsularischen Ranges wird hingegen schon unter Claudius hingerichtet (PIR² P 635). In Frage kommen aber auch einige Ritter dieses Namens, die noch eine senatorische Karriere hätten einschlagen und einen Suffektkonsulat erringen können. Hier ist vor allem an den Tac. ann. 1,60 genannten praefectus equitum zu denken, der im Jahre 15 mit Germanicus in Norddeutschland agiert (PIR² P 220, evtl. identisch mit dem Dichter Albinovanus Pedo PIR² A 479); er hätte in den 60ern durchaus noch zum Spieleleiter erlost werden können, und seine frühe Nähe zum Kaiserhaus lässt an den ähnlich gelagerten Fall des Velleius Paterculus denken, der es aus vergleichbarer Ausgangsposition noch bis mindestens zur Prätur bringt (vgl. noch am Jahrhundertende die Karriere des jüngeren Plinius). Grundsätzlich darf es nicht überraschen, wenn auf Tesserae anderweitig unbekannte Senatoren begegnen (so auch Rostowzew [1905] 49), und dies gilt gerade dort, wo die Betreffenden nicht durch politische Prominenz, sondern das Los bestimmt werden. 61 Zur Verwendung von invictus s. Bergmann (1998) 262f. Als Götter-Epitheton ist es vor allem für Herakles, für Sol erst ab dem 2. Jh. bezeugt. Vgl. die auffällige Parallele zu unserer Tessera bei Mart. 9,23,6, wo Carus, Sieger bei Domitians Spielen in Albanum, seinen Kranz auf das invictum caput des Kaisers legt. <?page no="244"?> Alexander Heinemann 236 damit in schlagwortartiger Verkürzung ein Konzept des Kaisertums zum Ausdruck, zu dessen Vermittlung die Neronia maßgeblich dienen sollen. Eine komplementäre Form der Konsensforcierung obliegt den augustiani, einer geschlossen auftretenden Bande jugendlicher Claqueure, die, erstmals eingesetzt beim Fest der Juvenalia im Jahre 59 (Tac. ann. 14,15,5), durch einstudierte Sprechchöre und Klatscheinlagen die Rezeption der Performance beim Publikum steuern. Es wird also mitnichten versucht, den organisierten Charakter dieser Begeisterung zu verbergen, vielmehr geben die augustiani ein panegyrisches Protokoll vor, welches das - für viele schockierende, für alle ungewohnte - Schauspiel des singenden Kaisers verständlich macht. Des Weiteren können natürlich auch Wettbewerbe, in denen der Kaiser gar nicht auftritt, auf seine Erhöhung ausgerichtet sein: Bereits erwähnt wurde Lucans Sieg im Jahre 60 mit einem Loblied auf Nero; und auch anlässlich der zweiten Edition gilt die laus principis Dichtern wie Rednern als vorzüglicher Stoff (praecipua materia) für den Auftritt bei den Neronia. 62 Die oben festgestellte und auf den ersten Blick überraschende Beschränkung der Neronia auf das nähere Umfeld der urbs Roma erweist sich in Anbetracht der ihnen zugrundeliegenden Mitteilungsabsichten als durchaus sinnfällig. Es ist gar nicht beabsichtigt, international profilierte Athleten und Musiker heranzuziehen, weil die Veranstaltung in erster Linie auf die Inszenierung des Kaisers als Performer vor der stadtrömischen Öffentlichkeit abzielt. Den Neronia fällt mithin im Westen eine ähnliche Funktion zu wie der berühmten Griechenlandreise Neros, die den griechischen Eliten den römischen Kaiser als überragenden Künstler präsentieren sollte, der die kulturellen Traditionen der Ostprovinzen effektiv in seine öffentliche Erscheinung integriert hatte. 63 3. Die Welt zu Gast beim Kaiser: Domitians Capitolia Die Überlieferung zu den unter Domitian gegründeten Capitolia ist weitaus umfangreicher als für die Neronia, aber auch ungleich intensiver behandelt worden, weswegen wir uns hier kürzer fassen können. 64 Ab 86 n. Chr. regelmäßig in penteterischem Rhythmus abgehalten und umsichtig in den mediterranen Spielekalender eingepasst, erweisen sich diese zu Ehren des Jupiter abgehaltenen Spiele von ihren frühesten Editionen an als ein regel- 62 Tac. ann. 16,2,2; zu Lucans Sieg s. o. Anm. 51; sein Tod als Teilnehmer an der Pisonischen Verschwörung: Tac. ann. 15,70,1. 63 Vor diesem Hintergrund ist auch die bei Bolton (1948) 85-87 besprochene Verflechtung von vorgezogenen Neronia und Griechenlandreise zu verstehen. Zu dieser s. Alcock (1994); Meier (2008). 64 Zu den Capitolia s. die umfassende Studie von Caldelli (1993) bes. 53-120; eine Zusammenfassung des Forschungsstandes liefert Rieger (1999); s. auch Hardie (2003) 126-134. <?page no="245"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 237 rechter Magnet für Profisportler aus dem griechischsprachigen Osten. Eindrücklicher Beleg dieser offenbar sofort eintretenden Publizität und Popularität in den östlichen Reichsteilen ist die Prosopographie der Capitolioniken. 65 Einzig an den musischen Agonen nehmen auch Männer und Knaben aus dem Westen des Reiches teil, die gymnischen Wettkämpfe bleiben eine ausschließliche Domäne der Athleten aus den griechisch geprägten Provinzen. Nach dem eingangs zur ablehnenden Haltung Gesagten, welche römische Eliten der Exponierung in öffentlichen Wettkämpfen entgegenbrachten, darf das nicht überraschen; bemerkenswert ist vielmehr die Kontinuität der Verhältnisse: In republikanischer Zeit hatte man gelegentlich certamina athletarum mit eigens eingeführten Teilnehmern aufgeführt, die vor dem doppelten Hintergrund steigenden Interesses an der griechischen Kultur und Roms militärischer Affirmation im Osten zu sehen sind. In der Kaiserzeit dürfte der republikanische Eroberungsdiskurs weitgehend verebbt sein, und die Athleten strömen nun im Rahmen der periodos eigenständig nach Rom, im Kern aber ist der Vorgang der gleiche geblieben: Unter den Augen eines römischen Publikums machen aus dem Osten importierte Sportler die Wettkämpfe unter sich aus. Demnach fallen Domitians Spiele aus einer stadtrömischen Perspektive letztlich in die Kategorie von Schauspielen, spectacula, wie besonders aus der Handhabung der hippischen Disziplinen ersichtlich wird. Die Teilnahme an hippischen Wettkämpfen in Griechenland stellt für römische nobiles offenbar nie ein Problem dar. Seit archaischer Zeit eröffnet ja die Stellvertreterinstanz des Wagenlenkers dem Rennstallbesitzer die Aussicht auf den Sieg, ohne sich physisch und vor aller Augen dem Wettbewerb aussetzen zu müssen. Es überrascht daher nicht, dass bereits Tiberius (noch vor seiner Adoption durch Augustus) und knapp zwei Jahrzehnte später Germanicus erfolgreich am prestigeträchtigen Wagenrennen in Olympia teilnehmen. 66 Doch obwohl das Statusdenken römischer Eliten in diesem speziellen Bereich mit der partizipatorischen Struktur griechischer Agone vereinbar ist, sieht man bei der Konzipierung der Capitolia davon ab, in Rom einen für alle Teilnehmer offenen hippischen Wettbewerb zu begründen und lässt stattdessen die aus dem Circus bekannten, nach Farben benannten factiones antreten. 67 Dies kommt zum einen fraglos den Gewohnheiten des stadtrömischen Publikums entgegen, zum andern aber wird auf diese Weise jegliche interne Kompetition sowie der exorbitante Statuszuwachs ausgeschlossen, den der Sieg mit dem herrscherlich konnotierten 65 S. o. Anm. 53. 66 IvO 220 (Tiberius) und 221 = Ditt³ 792 (Germanicus); Kaplan (1990) 223-225; 258f. Tiberius ist auch in Thespiai als Sieger im Wagenrennen bezeugt: AE 1960, 307 = SEG 22, 385; Kaplan (1990) 469 Anm. 101. Weitere Belege bei Mann (2002) 135 Anm. 38; Champlin (2003) 285f. Anm. 32. 67 S. die Rekonstruktion des Wettkampfes bei Caldelli (1993) 78-82. <?page no="246"?> Alexander Heinemann 238 Viergespann für römische Senatoren oder andere Angehörige der Reichselite bedeuten könnte. Im markanten Gegensatz zu den Neronia wirkt man hier einer Einbindung der westlichen bzw. stadtrömischen Eliten von vorne herein entgegen. Griechischer Herkunft sind also die Teilnehmer an den gymnischen Agonen und als gräzisierend ist auch das antiquarisch gelehrte production design der Capitolia zu beschreiben: Wie schon die Neronia ist auch diese Veranstaltung ein Kranzagon, deren Programm sich in weiten Teilen an den Kanon panhellenischer Wettkämpfe anlehnt; in den frühen Editionen enthält er einige zu Suetons Zeiten bereits wieder abgeschaffte Disziplinen wie den Wettlauf junger Frauen, der sich vielleicht an den bei Pausanias (5,16,2) überlieferten olympischen Heraia inspirierte. Auch die neu geschaffenen Wettkampfbauten Stadion und Odeion (Abb. 5) weisen typologisch und nomenklatorisch auf griechische Vorbilder zurück. Dieser gräzisierenden Stilisierung entspricht weiter die persönliche Erscheinung des Kaisers, der assistiert vom flamen dialis und den sodales Flaviales in der Rolle eines Agonotheten auftritt: „Er saß dem Wettkampf vor, mit Sandalen an den Füßen, gekleidet in eine purpurne toga Graecanica und auf dem Haupt mit einem goldenen Diadem mit Bildern des Jupiter, der Juno und der Minerva“. 68 Ein purpurnes, wohl Himation-ähnliches Gewand ist im Osten schon in späthellenistischer Zeit für Agonotheten bezeugt. Anders steht es um die Büstenkrone: Nach einigen relativ versprengten literarischen Erwähnungen aus hellenistischer Zeit begegnet dieses Attribut hier zum ersten Mal nach einer langen Überlieferungslücke. Welch durchschlagenden Eindruck der Spieleleiter Domitian in diesem Aufzug vor den ostmediterranen Besuchern machte, lässt sich daran ablesen, dass das Büstendiadem - und zwar in der spezifischen Verwendung als Insignie von Spieleausrichtern - im unmittelbaren Anschluss an seine Einführung an den Capitolia Eingang in die Porträtplastik findet, wie ein flavisch-trajanischer Kopf in Aphrodisias 69 und ein nervazeitlicher aus Kyrene 70 bezeugen. Diese beiden Bildnisse stehen am Anfang einer langen Erfolgsgeschichte, die die Büstenkrone vor allem in der kleinasiatischen Porträtplastik der mittleren und hohen Kaiserzeit haben wird. Auch hier ist die geographische Verteilung der 68 Suet. Dom. 4,4: certamini praesidit crepidatus purpureaque amictus toga Graecanica, capite gestans coronam auream cum effigie Iovis ac Ionis Minervaeque. Zum Folgenden s. Caldelli (1993) 109f. und vor allem Rumscheid (2000) 7-51, bes. 9-11. 49. 69 Geyre, Aphrodisias-Museum, Inv. 79/ 10/ 260 bzw. 63-55 (Kopf); Rumscheid (2000) Nr. 5 Taf. 2,3-4 (trajanisch-flavisch); Hallett (2006) 158-160 Nr. 41 Taf. 30-31 (um die Zeitenwende). Hinsichtlich der umstrittenen Datierung liefert der schon von Rumscheid angeführte, sicher trajanische Kopf Geyre 65-224 bei Smith (2006) 232f. Nr. 111 Taf. 89- 91 mit seiner geradlinigen und sparsamen Frisurgestaltung und den härteren Inskriptionen deutlich treffendere Anhaltspunkte als die bei Hallett genannten Vergleiche, die sich allesamt kleinteiliger und sensibler bewegt geben. 70 London, British Museum, Inv. 1404; Rumscheid (2000) Nr. 27 Taf. 17,1-2. <?page no="247"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 239 Rezeption signifikant: im Westen des Reiches fasst dieses Attribut niemals Fuß. Domitians goldenes Büstendiadem zeigt die kapitolinische Trias, deren zentraler Gottheit die Capitolia gewidmet waren. Für das Selbstverständnis und die Außendarstellung der flavischen Kaiser spielen Jupiter und insbesondere sein Kult auf dem Kapitol eine zentrale Rolle, auf die noch einzugehen sein wird. Den Diademen der mit ihm auftretenden Priester ist außerdem ein Bild des Kaisers selbst hinzugefügt. Auf der rituellen Ebene ist die Verehrung des kaiserlichen genius oder seines numen gemeinsam mit der kapitolinischen Trias zu diesem Zeitpunkt bereits längst etabliert, wie die Akten der Arvalbrüder bezeugen. 71 Mit den neuartigen und offenbar vielbeachteten Büstendiademen ist eine ikonographische Lösung für die Integration des Kaisers in die religiöse Dimension der Spiele gefunden. 72 Überdies ergeben sich aus der Hinzufügung des Kaiserbildes zu jenem der Trias effektiv zwei generational abgesetzte Paare - Domitian und Minerva, sowie Jupiter und Juno -, womit das privilegierte Verhältnis des Kaisers zu Minerva eingängig unterstrichen wird. Zugleich tritt der Kaiser als Agonothet und Verleiher der Siegeskränze in einer überparteilichen Funktion auf, die nicht nur in scharfem Gegensatz zu Neros aktiver Involvierung steht, sondern auch zum Vergleich mit Jupiters Rolle als Schiedsrichter über das Weltgeschehen einlädt. Der den Siegern verliehene Eichenkranz greift diesen Parallelismus auf, indem er zugleich auf den höchsten Gott und den Kaiser verweist, dem der Eichenkranz als corona civica vorbehalten ist. 73 Die Zueignung der Spiele an Jupiter Optimus Maximus Capitolinus ist in der Tat in mehrfacher Hinsicht beziehungsreich. Zunächst bindet sie den Wettbewerb an das religiöse Zentrum der urbs Roma, dessen Kult und Tempel für die flavische Dynastie im Ganzen und Domitian im Besonderen von fundamentaler Bedeutung sind. 74 Die dramatischen Bürgerkriegsereignisse im Dezember 69, die zur Zerstörung des spätrepublikanischen Tempels geführt hatten und seine Wiedererrichtung durch Vespasian waren durch eine Vielzahl von Maßnahmen zum Neu-Gründungsakt des Imperiums unter flavischer Herrschaft stilisiert worden. Der junge Domitian hatte die Belagerung der auf dem Kapitol verschanzten Vespasianer, der er selbst nur knapp entronnen war, in Tempelstiftungen und einem Epos zum bellum 71 CFA 28 (Nero); CFA 55 (Domitian); s. Caldelli (1993) 66 m. Anm. 69. 72 Für diese Art, den - wohlgemerkt: lebenden - Kaiser in den in der Hauptstadt praktizierten Kult hineinzuweben, drängt sich der Vergleich mit dem ungleich bescheideneren Larenkult in den stadtrömischen vici auf, der in augusteischer Zeit um ein Bild des genius des Kaisers ergänzt worden war; s. dazu zuletzt Behrwald (2009) 145-150 mit der älteren Literatur. 73 Die Belege für den an den Capitolia verliehenen Eichenkranz sammelt Caldelli (1993) 106 Anm. 239. Zur Formierung der corona civica als Kaiserattribut in augusteischer Zeit s. Bergmann (2010). 74 Caldelli (1993) 62f.; zum folgenden s. demnächst Heinemann (im Druck). <?page no="248"?> Alexander Heinemann 240 Capitolinum kommemoriert. Die erneute Beschädigung des Tempels durch den Brand des Jahres 80 hatte ihm die Gelegenheit gegeben, diesen Zusammenhang noch einmal aufzugreifen. Es ist kaum vorstellbar, dass die Gründung der Spiele zu Ehren des kapitolinischen Jupiter nichts mit diesen Ereignissen zu tun haben sollte, und in der Tat werden die dynastischen Bezüge durch die Einbindung der sodales Flaviales als Teil des zeremoniellen Leitungsgremiums explizit gemacht. Einen sinnfälligen Vorläufer für die Stiftung der Spiele lieferten die - mit den Capitolia ansonsten in keiner Weise zu verbindenden - ludi Capitolini. 75 Diese waren einer (ihrerseits hochgradig konstruierten) Tradition zufolge von M. Furius Camillus zur Ehre Jupiters gestiftet worden, zum Dank für die Errettung des Kapitols vor den gallischen Horden des Brennus - eben jener Belagerung bzw. Erstürmung, mit welcher der Kapitolssturm der vitellianischen Auxiliartruppen vom Dezember 69 in flavischer Zeit parallelisiert wird. Die ideologische Überprägung des Wettbewerbs tritt an den eigens errichteten Wettkampfbauten deutlich hervor - und zwar gerade im Vergleich mit den griechischen Modellen, an denen sie sich orientieren. Nur wenig lässt sich hier über das Odeion sagen, außer dass es mit seinen ca. 100 m Bühnenlänge und einer revolutionären Dachkonstruktion offenbar darauf angelegt war, alle gedeckten Theater der griechischen Welt weit in den Schatten zu stellen. 76 Das Stadion ist im Unterschied zu seinen griechischen Vorbildern in typisch römischer Konstruktionsweise ebenerdig angelegt, die Zuschauerränge ruhen auf mächtigen Substruktionen, die als Bogenfassade die Außenhülle des Gebäudes bilden. 77 Mit seiner Errichtung knüpft Domitian an das von seinem Vater und Bruder gestiftete Amphitheater an, das gleichfalls die erste steinerne Umsetzung eines in Rom bis dahin nur ephemer genutzten Gebäudetyps darstellt. Vom Colosseum übernimmt das Stadium Domitiani auch Elemente der Fassadengestaltung, darunter in die Arkaden eingestellte Skultpuren, den Pfeilern vorgesetzte Halbsäulen sowie die Verwendung unterschiedlicher Säulenordnungen (Abb. 6 und 7). Ein weiteres Element, das an beiden Bauten begegnet, sind zentrale Zugänge an allen vier Seiten, die durch eine vorgestellte und verkröpfte Säulenstellung besonders hervorgehoben sind. Darüber thront jeweils die Statuengruppe 75 Zu diesen s. Liv. 5,50,4 und Bernstein (1998) 103-106; s. auch Galsterer (1981) 416 m. Anm 17: „ihr Fortbestehen in der Kaiserzeit ist unklar“; zuletzt Albers (2013) 147 m. Anm. 110. 76 LTUR III 359f. s. v. Odeion, Odium (P. Virgili); Gros (1996) 311f. Abb. 414; Hardie (2003) 130-133; Albers (2013) 149f. Abb. 75. Vorsichtiger hinsichtlich seiner allgemein anerkannten Lokalisierung unterhalb des Palazzo Massimo alle Colonne: Filippi (2011) 53. 77 Zum Stadion s. die alles andere als erschöpfende Vorlage der Grabungsergebnisse durch Colini (1998); wichtige Nachträge bringen LTUR IV 341-343 s. v. Stadium Domitiani (P. Virgili); Bernard u. a. (2007); zuletzt: Albers (2013) 146-149 Abb. 72-74. <?page no="249"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 241 einer (fraglos vom Kaiser gelenkten) Quadriga. 78 Formal zitieren die Zugänge damit das Motiv des Ehrenbogens, welches in Circusbauten auf eine lange Tradition zurückblicken kann, die gerade in flavischer Zeit neu aufgegriffen wird: Nur wenige Jahre vor der Einweihung des Stadions hatten Senat und römisches Volk einen Bogen für Titus an der Schmalseite des Circus Maximus gestiftet. 79 Das Stadion Domitians setzt also nicht nur einen griechischen Bautypus in typisch römischer Konstruktionstechnik um, sondern unterstreicht in der am Colosseum orientierten Fassadengestaltung dynastische Traditionen und in den monumentalen Zugängen triumphale Bezüge. Damit werden die gymnischen Wettbewerbe in einen imperial aufgeladenen Rahmen gestellt, dem auf der performativen Ebene die herausgehobene Stellung des leibhaftigen Kaisers als obersten Kampfrichters entspricht. Jedoch erschöpfen sich die politischen Interessen hinter der Einführung der Capitolia nicht in deren ideologischer Überhöhung. Kaum zu überschätzen ist die enorme Wirkung der Spielegründung im Osten des Reiches: Die Capitolia setzen Rom für die griechischsprachigen Eliten mit einem Schlag auf die sportlich-kulturelle Landkarte, wie nicht zuletzt an der Prominenz abzulesen ist, mit der siegreiche Athleten in der Heimat auf ihre Erfolge an den Capitolia hinweisen, wo diese allenfalls den olympischen Spielen nachgeordnet werden. Darüber hinaus zeigen die Namen siegreicher Athleten, 78 Zu den Eingängen am Colosseum: Rea (1988) 37-41 Abb. 8-10; zur Fassadengliederung: Jones (1993) 426-436. Die Quadriga wird von Darstellungen des Gebäudes auf Münzen sowie dem Bautenrelief des Hateriergrabes übereinstimmend überliefert, s. Rea (1988) Abb. 1-4. 6; auf der Nordostseite haben sich auch Reste ihres mutmaßlichen Podiums erhalten. Neuere Grabungen haben ergeben, dass derartige Eingangstore nicht nur in der Mitte der Langseiten des Ovals, sondern auch in der Mitte der Schmalseiten vorhanden waren: Rea (2009) 142 Abb. 20. - Am Domitiansstadion ist ein analog gestalteter Zugang am nördlichen Halbrund ergraben und heute noch an der Piazza di Tor Sanguigna zu sehen: Colini (1998) 40. 95f. Abb. 12 Taf. 4,1. 11,1. Der severische Aureus RIC IV 1 260 (Septimius Severus) mit Darstellung des Domitiansstadions zeigt ein ebensolches Tor auf der östlichen Langseite, bekrönt von einer Quadriga. - Am Kolosseum waren die verkröpften Säulen der Zugänge nach Ausweis des Haterierreliefs korinthischer Ordnung, während die Halbsäulen des Erdgeschosses tuskanisch waren. Nachdem am Domitiansstadion die Basen der Halbsäulen und die der verkröpften Vollsäulen des Zugangs verschieden gestaltet waren (attisch die einen, kleinasiatisch die anderen), hat der in Colinis Rekonstruktion (ebda. Taf. 24) vorgeschlagene Wechsel von korinthischer Ordnung am Eingang (und im Obergeschoß? ) und ionischer Ordnung an den Halbsäulen des Erdgeschosses viel für sich. Sicher nicht zufällig und im Gegensatz zum Amphiteater war an der Außenfassade des Stadions, das sich ja formal in eine griechische Tradition stellte, keine tuskanische Ordnung vertreten. 79 Den frühesten Beleg für einen Bogen im Circus stellt jener für L. Stertinius aus dem Jahr 196 v. Chr. im Circus Maximus dar, s. dazu Liv. 33,27,3-4 und Bernstein (1998) 292 m. Anm. 362; für die Kaiserzeit ist auf den kommemorativen Bogen für Germanicus im Circus Flaminius zu verweisen: s. Heinemann (2007) 80-88 mit der 82 Anm. 174 genannten Literatur. Zum Bogen des Titus im Circus Maximus s. LTUR I 108f. s. v. Arcus Titi (Circus Maximus) (P. Ciancio Rossetto). <?page no="250"?> Alexander Heinemann 242 dass ihnen vom Kaiser das Bürgerrecht gewährt wurde: Von neun bekannten Siegern der Agone des späten 1. Jhs. tragen vier den Namen „Titus Flavius“. 80 Dieses Phänomen setzt sich im 2. Jh. weiter fort, wo viele der Sieger Prae- und Gentilnomen der Adoptivkaiser aufweisen. Schon Kaiser Claudius hatte einzelne Athleten, die hohe Funktionärsstellen in der Athletenvereinigung bekleideten, mit dem Bürgerrecht ausgestattet. 81 Durch die Capitolia, deren Sieger vielfach in Schlüsselpositionen der hiera synodos aufsteigen, werden solche punktuellen Maßnahmen institutionalisiert; die Spiele locken Angehörige der östlichen Eliten, die in der Heimat über hohes soziales Kapital verfügen, in die Hauptstadt und der Kaiser bindet sie durch das persönlich verliehene Bürgerrecht an sich. Die Bedeutung des hier etablierten Nahverhältnisses für die Zeitgenossen erhellt aus dem Fall des Pankratiasten T. Ailios Aurelios Menandros aus Aphrodisias, der noch in seiner Grabinschrift betont, seinen Siegeskranz in Rom direkt aus den Händen des vergöttlichten Antoninus erhalten zu haben (CIG II add. 2810b). Die kapitolinischen Spiele werden hier als ein wichtiges Stück integrativer Reichspolitik und Netzwerkbildung verständlich. Deutlich weniger prominent nehmen sich die Teilnehmer aus den Westprovinzen aus, deren Engagement wie gesagt auf die musisch-rhetorischen Wettbewerbe beschränkt bleibt. Der hohe Anteil an anderweitig bezeugten Literaten und Künstlern sowie die Bitternis, mit der Statius (silv. 3,5,31-33; 5,3,227-233) den ausgebliebenen Erfolg an den Capitolia beklagt, sprechen zwar für das hohe professionelle Niveau des Wettbewerbs; politisches Kapital im Sinne eines erleichterten Zugangs zu öffentlichen Ämtern scheint ein Sieg an den Capitolia den Teilnehmern aus dem Westen allerdings nicht eingebracht zu haben. 82 Dies ist freilich wenig überraschend, denn insgesamt zeichnet sich diese Gruppe durch eine bescheidene Herkunft aus, die keinen 80 Caldelli (1993) Nr. 1-3. 12. 81 Caldelli (1993) 99 Anm. 210. 82 Optimistischer Caldelli (1993) 95-97. Die Prosopographie der Capitolioniken aus dem Westen des Reiches liest sich allerdings ernüchternd: L. Valerius Pudens (Caldelli [1993] Nr. 17), 13-jähriger Sieger des Knabenwettbewerbs der poetae latini ist zwar als curator rei publicae Aeserninorum bezeugt, doch liegen zwischen Sieg und Amt mindestens drei Jahrzehnte; ähnlich weit ist der Abstand beim spätantiken homme des lettres Attius Tiro Delphidius (Nr. 64). Der kleine Q. Sulpicius Maximus (Nr. 7) ist zu früh verstorben, um aus seiner lobenden Erwähnung an den Spielen von 94 n. Chr. beruflich Profit zu schlagen. Zahlreiche Sieger sind als professionelle Literaten bzw. Musiker bekannt, die keinerlei öffentliche Ämter bekleidet zu haben scheinen: L. Annaeus Florus, P. Papinius Statius, Scaevus Memor, Palfurius Sura und ein Pollio (Nr. 5-6. 9. 11. 15). Anders sieht es mit dem gebürtigen Syrer L. Aurelius Apolaustus Memphius sowie mit M. Aurelius Agilius Septentrio aus (Nr. 38 und 54), doch als kaiserliche Freigelassene gelten für sie wohl besondere Umstände, und es schiene gewagt, ihre von den ornamenta decurionatus gekrönten Laufbahnen ausschließlich auf ihre Erfolge als pantomimi zurückzuführen. <?page no="251"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 243 hochfliegenden Werdegang erwarten lässt. 83 Damit stehen die Capitolia auch hier im Kontrast zu den Spielen Neros, an dessen Agonen offenbar Vertreter der zeitgenössischen Jeunesse dorée teilnahmen. Das divergierende Bild, dass sich aus der Prosopographie östlicher und westlicher Teilnehmer an den Capitolia ergibt, erfährt eine Bestätigung von unerwarteter Stelle: In der Münzprägung Domitians begegnen weder der certamen Capitolinus noch die mit ihm verbundenen Bauprojekte. Der Befund gewinnt noch an Aussagekraft, vergleicht man ihn mit den 88 n. Chr. begangenen Säkularfeiern, auf die eine umfangreiche und differenzierte Emission der stadtrömischen Münze Bezug nimmt. 84 Argumenta e silentio sind notorisch trügerisch, doch zeigt gerade der Vergleich mit den Säkularspielen eine mögliche Erklärung für das Schweigen der numismatischen Überlieferung auf. Für die Stadtbevölkerung stellen die ludi saeculares nämlich ein Ereignis dar, an dem sie mit der Abgabe von Feldfrüchten (fruges), dem Empfang ritueller Reinigungsmittel (suffimenta) und der anschließenden rituellen Reinigung des eigenen Hauses aktiven Anteil hat. Demgegenüber sind die Capitolia letztendlich ein spectaculum unter vielen anderen, die ebenfalls kein Bildthema für die römischen Prägungen abgeben. Wenn dagegen Neros certamen mit seinem Preistisch auf städtischen semisses figuriert, dann eben auch, weil dieser Agon mit Nachdruck auf lokale Teilnahme abzielt. Jene Gruppen aber, welche als Teilnehmer an den Capitolia angesprochen werden sollen - die professionellen Musiker und Sportler der städtischen Eliten des Ostens - sind mit stadtrömischen Prägungen kaum zu erreichen. 4. Jugendspiele Eine Untersuchung zu den sportlichen und musischen Wettbewerben Neros und Domitians bliebe unvollständig, bezöge sie nicht auch die von beiden Kaisern ausgerichteten Spiele der iuventus mit ein, die seit der Reorganisation des ordo equester durch Augustus junge Männer aus der Ritterschaft und 83 Unter den sieben Teilnehmern, die sicher oder sehr wahrscheinlich aus Rom oder Italien stammen (Caldelli [1993] Nr. 6-7. 9. 11. 15. 17. 54), nimmt Palfurius Sura (Nr. 11) eine Sonderstellung ein. Zum Zeitpunkt seiner Teilnahme an den Capitolia ist er bereits seit über zwanzig Jahren aus dem Senatorenstand ausgeschlossen. Die übrigen sind deutlich einfacherer Herkunft: Apolaustus Memphius und Agilius Septentrio (Nr. 38 und 54) sind kaiserliche liberti; Sohn eines Freigelassenen ist wohl - so vermutete schon Mommsen (1887) 789 Anm. 6 - Q. Sulpicius Maximus (Nr. 7); Scaevus Memor (Nr. 9) stammt aus bescheidensten Verhältnissen (s. Schol. Iuv. 1,20 zu seinem Bruder Turnus) und ähnliches suggerieren die Lebensumstände des Kitharöden Pollio (Nr. 15, s. zu ihm Scheithauer [2007] 13). Die Familie des Statius war, wie man aus silv. 5,3,116-120 geschlossen hat, aufgrund finanzieller Nöte aus dem Ritterstand ausgeschieden, s. dazu Hardie (1983) 5f.; Newlands (2002) 30. Über den Hintergrund des L. Valerius Pudens aus Histonium (Nr. 17) lassen sich keine Angaben machen. 84 RIC II.1 595-627 (Domitian); s. hierzu ausführlich Soboczinski (2006). <?page no="252"?> Alexander Heinemann 244 solche aus dem Senatorenstand umfasste. 85 Für Nero sind Juvenalia, abgehalten in den kaiserlichen Gärten in Transtiberim, das erste Mal im Jahr 59 n. Chr. anlässlich der rituellen Bartschur des Kaisers überliefert; danach scheinen sie jährlich begangen worden zu sein. 86 In den Quellen werden sie mehrheitlich als ordinärer Budenzauber beschrieben, bei dem sich Angehörige der Oberschicht massenhaft zu Bühnenauftritten gemeldet hätten, der Kaiser höchstselbst auftrat und die bereits erwähnte Claque der augustiani erstmals in Erscheinung trat. Weniger harsch fällt das Urteil über den Agon aus, den Domitian anlässlich des Minervafestes Quinquatrus in seiner Villa in den Albaner Bergen begeht. Mit Statius’ stolzem Selbstzeugnis über einen dort errungenen Sieg ist uns sogar ein Teilnehmer namentlich überliefert. 87 Es ist bereits gesehen worden, dass die Juvenalia Neros und der Quinquatrus Domitians viel miteinander gemein haben. 88 Beide Feste werden auf privatem Boden des Kaisers abgehalten, beide verbinden Tierhatzen der iuvenes mit dramatischen Aufführungen sowie Kitharödenauftritten (Nero) und Dichter- und Rednerwettstreiten. Cassius Dio (61,19,1 und 67,14,3) nennt beide Feste / , was sich als direkte Übersetzung des lateinischen Juvenalia zu erkennen gibt. Dass auch die Spiele im Albanum als Jugendspiele konzipiert sind, bezeugen außerdem Bleitesserae, die die Darstellung eines Minervakopfes mit der Beischrift ALBAN mit der Legende IVVEN(es) AVG(ustiani oder -ustales) kombinieren (Abb. 4). 89 Zugleich belegen die Tesserae ein - wie auch immer geartetes - Fortleben der augustiani bis in flavische Zeit. 90 Ludi der iuventus konnten in Rom auf eine lange Tradition zurückblicken und nahmen im Spektrum römischer Feste insofern eine Sonderstellung ein, als sie die aktive Teilnahme wenn schon nicht der Bürgerschaft, so doch 85 Vereinfacht gesprochen setzt sich die iuventus aus den Senatorensöhnen zwischen 14 und 25 und den Rittern von 15 bis 35 zusammen; zur iuventus als einer öffentlich figurierenden Körperschaft zählt Rostowzew (1905) 61f. im Anschluss an Mommsen nur die tirones, die Knaben im Alter von 14-17 (d. h. nach Anlegen der toga virilis und vor Beginn des Militärdienstes). 86 Suet. Nero 11,1-12,1; Tac. ann. 14,15; 15,33; Cass. Dio 61,19-20; s. auch Plin. nat. 37,19. Champlin (2003) 71f. Allgemein zur depositio barbae s. Obermayer (1998) 103-114. Für die Bühnenspiele mögen die traditionellen, ebenfalls von Mitgliedern der Bürgerschaft aufgeführten fabulae Atellanae ein Vorbild abgegeben haben, die unter Tiberius als unsittlich verboten worden waren (Tac. ann. 4,14). Zu Neros Juvenalia s. jetzt auch Heldmann (2013) 340-345. 87 Suet. Dom. 4,4; Cass. Dio 67,1,2; 67,13,3; Stat. silv. 3,5,28-31. Hardie (2003) 135-142. 88 Galsterer (1981); Hardie (2003) 135f. 89 Hardie (2013). Tessera mit Minerva: Rostowzew (1903) Nr. 847 Taf. 12,3; vgl. ferner die Tessera Rostowzew (1903) Nr. 839, wo der Legende IVVEN AVG ein bekränzter Kopf mit einem Lorbeerzweig (? ) gegenübergestellt ist. 90 So schon Rostowzew (1905) 74f., der für die Zwischenzeit auf die Suet. Galba 10 erwähnte Leibgarde Galbas aus equestris ordinis iuvenes, ferner Suet. Dom. 14,3 verweist; s. auch Demougin (1988) 256f.; Hardie (2013). <?page no="253"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 245 ihrer Söhne vorsahen. 91 Damit war hier - und nur hier - jenes partizipatorische Moment gegeben, das die Agone der griechischen Welt auszeichnete und sich unter den Bürgern im Westen des Reiches letztlich nie durchsetzte. Verhaltensmäßige und juristische Schranken gegenüber der Teilnahme hochstehender Bürger an diesen Feierlichkeiten dürften durch deren vordergründig privaten Kontext leichter zu überwinden gewesen sein, 92 und so sind an den Jugendspielen beider Kaiser auch zahlreiche ältere Teilnehmer bezeugt. Die venationes hingegen sind speziell für die iuvenes bzw. die augustiani ausgelegt, weswegen diese Gruppe hier noch etwas eingehender zu beleuchten ist. Die augustiani werden in den Quellen meist als jugendliche Ritter bezeichnet. Sie hätten sich demnach mit Michail Rostowzew im Kern aus den tirones rekrutiert, d. h. den jüngsten Mitgliedern der iuventus zwischen Annahme der toga virilis und Beginn des Militärdienstes. Nicht ganz leicht einzuordnen ist demgegenüber das Zeugnis Suetons, demzufolge auch kräftige junge Männer aus der Plebs aufgenommen wurden. 93 Michael Kaplan vergleicht sie in seiner Studie zur Funktion griechischer kultureller Codes am Hof der iulisch-claudischen Kaiser mit den E # 6 I hellenistischer Königshöfe und bringt ihre Rolle (nicht ohne Überspitzung) auf den Punkt: „The augustiani were, in fact, Roman ephebes.“ 94 Gemeinsam bilden diese Teenager, die offenbar auch nach ihrer physischen Erscheinung ausgewählt werden (Tac. ann. 14,15,5: aetate ac robore conspicui; Suet. Nero 20,3: robustissimae iuventutis), eine stutzerhaft gekleidete Festgarde, die dem Kaiser bei seinen Auftritten in ausgefeilten Sprechchören und Klatschrhythmen zujubelt, ihn auf der Griechenlandreise begleitet und auch bei seinem triumphalen Wiedereinzug in Rom prominent in Erscheinung tritt. Handelt es sich in all diesen Fällen stets noch um Auftritte als „actors in the audience“, werden die augustiani an den Juvenalia selbst aktiv und beweisen sich bei der Jagd auf wilde Tiere. 95 91 Zu Jugendspielen und den oben erwähnten Atellanen als einzigen Ausnahmen von der in Rom sonst scharf gezogenen Trennlinie zwischen Publikum und Teilnehmern s. Flaig (1995) 116-118. Umfassend zu Spielen der Juventus: Galsterer (1981). 92 So auch Champlin (2003) 72. 93 Quellen: Tac. ann. 14,15; Suet. Nero 20,3; Cass. Dio 61,20,4-5. Demougin (1988) 254-258; Die variierenden Angaben der Quellen zu Anzahl und Zusammensetzung diskutiert Bartsch (1994) 209f. Anm. 15. Bablitz (2007) 126-140 bespricht die augustiani im Zusammenhang mit dem umfassender bezeugten Phänomen von Claqueuren bei Gerichtsverhandlungen. Zuletzt: Perrin (2012); Fantham (2013) 24f. 94 Kaplan (1990) 327; s. Rostowzew (1905) 66-71, der bereits strukturelle Analogien der tirones zu attischen Epheben herausarbeitet, darunter den Umstand, dass noch Cassius Dio die Annahme der toga virilis auf Griechisch als Eintrag in die Ephebenlisten wiedergibt. 95 Von den augustiani muss bei Cass. Dio 61,9 die Rede sein, wenn es dort heißt, Neros Reiterleibwache habe bei einer (überraschenderweise schon für das Jahr 55 angesetz- <?page no="254"?> Alexander Heinemann 246 Erwähnung verdient an dieser Stelle die mit stilkritischen Argumenten in claudisch-neronische Zeit datierte, über 4 m hohe Statue eines idealen Jünglings in Tunica und Trabea, die als ‚Genius (bzw. Lar) Farnese‘ bekannt und von Hanns Gabelmann plausibel als Darstellung des genius iuventutis angesprochen worden ist (Abb. 8a-c). 96 Auf einem zu Füßen der Figur lehnenden Reliefschild verweisen sprungbereit kauernde (männliche! ) Wölfe auf das Thema der Tierhatz, während die aus der Baumstammstütze schlagenden Lorbeertriebe nicht nur als Zeichen des Apollon verständlich werden, sondern auch das Motiv jugendlichen Nachwachsens konnotieren. Kolossales Format, qualitätvolle Ausführung und die spätere Aufstellung in den Caracallathermen sprechen für eine kaisernahe Verwendung der Figur; ein Zusammenhang mit Neros Juvenalia wird sich letztlich nicht belegen lassen, darf aber doch als wahrscheinlich gelten. Vordergründig scheint die Gründung von Jugendspielen durch Nero und Domitian angesichts der zeitgleich eingeführten certamina graeca eine redundante Maßnahme; Statius nimmt an beiden großen Wettbewerben Domitians teil und bestätigt damit den Eindruck einer Doppelung von Festivitäten. Tatsächlich aber stehen Juvenalia und Quinquatrus zu Neronia respektive Capitolia jeweils in einem komplementären Verhältnis. Während die letztgenannten sich teilweise an panhellenische Spiele anlehnen, schließen die jährlich abgehaltenen Jugendspiele stärker an römisch-italische Traditionen an. Die im engeren Sinne physischen Ertüchtigungen sind im einen Fall gymnische Agone, bei denen die Stadtbevölkerung professionellen Athleten zuschaut, während an den Jugendspielen die Sprösslinge der Bürgerschaft im Rahmen von Tierhatzen selbst aktiv werden. Dies hat offenkundige Konsequenzen für die Finalität und Gruppendynamik der Veranstaltung: Bei den sportlichen Wettkämpfen stehen Exzellenz und Sieg des einzelnen Athleten im Mittelpunkt, bei den venationes die kollektiven Erfolgserfahrungen der iuvenes. Und schließlich finden Neronia und Capitolia im städtischen Erlebnisraum des Marsfeldes, Juvenalia und Quinquatrus hingegen extraurban auf dem privaten Boden des Kaisers statt. Im Falle der in unserer Überlieferung weitaus präziser definierten Spiele Domitians lässt sich diese komplementäre Struktur noch weiter verfolgen: Die Capitolia stehen der Gesamtheit der freien Bürger des Reiches offen und richten sich offenbar dezidiert an Eliten der östlichen Reichshälfte, die hier ten) Festivität 400 Bären und 300 Löwen abgeschlachtet; auch in der Episode um den Konsul des Jahres 91, Acilius Glabrio, der beim Quinquatrus einen Löwen erlegt (Cass. Dio 67,14,3), ist die Tierhatz in erster Linie als Bewährung für jüngere Teilnehmer gedacht, s. Fronto p. 75, 12-17 (= ad. M. Caes. 5,37): consul populi Romani (...) leonem inter iuvenes quinquatribus percussit. Schon unter Augustus begegnen Tierhatzen mit Teilnehmern ex nobilissima iuventute (Suet. Aug. 43,2). 96 Neapel, Museo Nazionale, Inv. 5975. Ausführlich behandelt bei Gabelmann (1989), dessen Deutung und Datierung von Strocka (2010) 34 bekräftigt wird. <?page no="255"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 247 in das internationale Netzwerk des Kaisers eintreten können. Zum Quinquatrus hat hingegen eine ausgewählte, romnahe Gruppe junger Männer Zugang, für die der Wettbewerb ein normatives Programm formuliert, in dem intellektuelle und aktionale Tugenden nebeneinanderstehen. Die Wechselbeziehung zwischen literarischen und venatorischen Praktiken war für die Zeitgenossen offenbar ein virulentes Thema, wie nicht zuletzt zwei berühmte Pliniusbriefe an Tacitus zeigen, die, reich an metaphorischen Bezügen, um das Verhältnis von Jagd und literarischer Beschäftigung kreisen. 97 Plinius’ ironische Spiegelfechtereien, die Minerva und Diana gegenüberstellen, fügen sich (malgré lui) gut in das geistige Klima des domitianischen Quinquatrus - nur, dass die virtus der Jäger und das studium der Dichter und Rhetoren dort unter die gemeinsame Patronage der kaiserlichen Minerva fallen. Ähnlich wie im Falle der gymnischen Wettkämpfe sind auch hier längerfristige Entwicklungen zu verzeichnen, in die sich das Programm der neronischen und domitianischen Jugendspiele einfügt. Als männliches Bewährungsfeld reicht der hohe Stellenwert der Jagd weit in die Republik und die römische Frühzeit zurück. Bereits für die frühe Kaiserzeit lassen sich Porträtstatuen venatorio habitu nachweisen - eine davon bezeichnenderweise aus Albanum , welche die Attraktivität und Aktualität des Rollenbildes des Jägers bezeugen. 98 Die zumindest im Quinquatrus (vielleicht auch schon in 97 Plin. epist. 1,6 und 9,10; die Literatur zu diesen beiden Briefen (und ihrer Beziehung zu Tacitus’ dialogus de oratoribus) ist immens; als in unserem Zusammenhang besonders aufschlussreich seien hier Lefèvre (1978) und Edwards (2008) genannt. Zur wachsenden Bedeutung der Jagd als literarischem Gegenstand seit flavischer Zeit s. Kasulke (2000) 104-107. 98 Zur frührömischen Jagd s. Green (1996) und weitere bei Edwards (2008) 42 Anm. 12 genannte Literatur. Zum ikonographischen Befund vgl. Martini u. Schernig (2000), deren Verdikt, Jagdthemen seien in der römischen Bildwelt vor Hadrian auf die Kleinkunst beschränkt, so nicht haltbar ist; neben den hier aufgeführten skulpturalen Denkmälern sei vor allem auf die campanische Wandmalerei hingewiesen, s. Allison u. Sear (2002) 69. 74f.; hinzu kommen die zahllosen Wand- und Mosaikbilder mythischer Jäger wie Meleager oder Aktaion, in denen allerdings venatorische Aktivität in der Regel nicht den inhaltlichen Kern ausmacht. - Porträtstatuen habitu venatorio des 1. Jhs. n. Chr.: a) Albano (verschollen? ): frühkaiserzeitliche Porträtstatue eines Mannes mit Eberkopf- Statuenstütze und lang herabhängender Chlamys (Variante des Meleager? ); Lugli (1920) 48 Nr. 137; aufgeführt bei Hallett (2005) 327 Nr. 242. Die Statue ist m. W. sonst nirgends nachgewiesen. b) Rom, Palazzo Corsini: Replik des Meleager mit zugehörigem tiberischem Porträtkopf; Sichtermann (1962) 44 Taf. 19,1; Fink (1969) 247 Taf. 77,1; 79,1 (nur Kopf); de Luca (1976) 20-23 Nr. 5.24 Taf. 10. 48-49; Hallett (2005) 326f. Nr. 241. c) München, Glyptothek, Inv. 290: frühkaiserzeitliche Replik des ‚Hermes Richelieu‘, mit Jagdbeute (Hase); ein Porträtkopf war eingesetzt; Vierneisel-Schlörb (1979) 283-292 Nr. 27 Abb. 132-139. d) Rom, Vatikan, Sala degli animali 126, Inv. 403: trajanische (? ) Reiterstatuette eines Jägers; Helbig (1972) 439 Nr. 169; Bergemann (1990) 111f. Nr. P54 Taf. 83c. 84a-c. <?page no="256"?> Alexander Heinemann 248 Neros Juvenalia) angelegte Parallelisierung von Jagd und intellektueller Beschäftigung erfährt im 2. Jh. n. Chr. eine eindrucksvolle Fortsetzung, wie nur eine Generation nach Domitian die Grabstatuen für den achtzehnjährig verstorbenen M. Ulpius Crotoniensis bezeugen. Sein Vater, ein wohlhabender Freigelassener des Trajan, stellt dem bereits frei geborenen Sohn drei Statuen auf, von denen zwei ihn als togatus neben einer Trommel für Bücherrollen zeigen (der rotulus in seiner Linken ist plausibel, aber jeweils ergänzt), eine weitere hingegen als Jäger mit Chlamys und Hund. 99 Es ist dies die Zeit, in der das Bewährungsfeld der Jagd an den hadrianischen Jagdtondi ein öffentliches Monument für den Kaiser ziert; bald darauf setzen die ersten Sarkophage mit Darstellung mythologischer Jagden ein. Die Anfänge dieser Entwicklung aber müssen in Strömungen der domitianischen Zeit gesucht werden. 100 Fragt man abschließend nach übergeordneten Motiven für die enge Bindung beider Kaiser an die iuventus, fällt zunächst der Umstand ins Auge, dass weder Nero noch Domitian über einen Nachfolger verfügen. Unter Augustus, Tiberius, Claudius und auch wieder unter Vespasian hatten die Söhne des Kaisers als principes iuventutis der nachfolgenden Generation vorgestanden. In dieser Spiegelung der politischen Ordnung der Vätergeneration war das anvisierte Nachrücken der Jugend vorgezeichnet, wurden die entsprechenden Rollen eingeübt und die Gesamtkontinuität der gesellschaftlichen Verhältnisse eingängig zum Ausdruck gebracht. 101 Nicht zuletzt aus biographischen Gründen finden sich Nero und später Domitian jedoch in einem generationalen Spagat wieder, in dem sie auch als augusti weiterhin als Projektionsfläche für die nachfolgende Generation dienen müssen. Hier dürfte eine der Ursachen für ihr besonderes Engagement im Bereich der 99 Zu den togati s. Wrede (1971) 134f. Taf. 80,1.2; zuletzt: Davies (2010) 58-61 Abb. 5. Die lange Zeit nur aus alten Beschreibungen bekannte Jägerstatue hat Wrede (1981) 84 Taf. 40,2.4 identifiziert. Aufgrund der zeitlich rezenter anmutenden Frisur und leichter Abweichungen in den Gesichtszügen möchte er darin einen Bruder des Crotoniensis erkennen. Überzeugend dagegen Hallett (1995) 344, der in allen drei Statuen den gleichen Knaben erkennt. Zu untersuchen wäre, ob die Unterschiede in der Frisur notwendigerweise auf einen zeitlichen Abstand zurückzuführen oder ihre Ursachen nicht doch in einer semantischen Differenzierung zwischen dem zivilen Habitus der togati und dem mythisch überhöhenden Motiv des jungen Jägers zu suchen sind. 100 Ähnlich Gutsfeld (2000) 86f. Tuck (2005) setzt „the origins of Roman imperial hunting imagery“ ebenfalls in flavischer Zeit an; seinen Ausgangspunkt stellt jedoch eine inakzeptable Deutung der bronzenen Reiterstatue Domitians/ Nervas aus Misenum dar, die er trotz des Panzers des Dargestellten zu einer Jagdgruppe ergänzen möchte. Nicht nur fehlen dafür positive Anhaltspunkte, auch die von Tuck als inkonsistent bemängelte Erscheinung des Reiters (calcei patrici, fehlender Helm) ist durchaus mit Darstellungen des in der Schlacht kämpfenden Kaisers vereinbar. Vielmehr dürfte es äußerst schwerfallen, überhaupt Darstellungen eines behelmt kämpfenden Kaisers nachzuweisen. 101 Heinemann (2007) bes. 46-48. <?page no="257"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 249 Jugendspiele zu sehen sein. Schon deren Austragungsorte konstituieren ein Näheverhältnis zum Kaiser, das in der unmittelbar auf seine Person ausgerichteten Ansprache der Jugendlichen als augustiani oder iuvenes aug[- - -] seinen Widerhall findet. So darf in dieser besonderen Prominenz der iuventus unter Nero ebenso wie unter Domitian mit einiger Zuversicht das fortgesetzte Ausagieren eines Handlungsmusters erkannt werden, welches zunächst und vor allem den Söhnen des Kaisers eignete. 102 5. Schluss Es ist deutlich geworden, dass sich die mehrfachen Spielegründungen Neros und Domitians vor allem in ihrer zeitlichen Bedingtheit eng zusammenfinden, ereignen sie sich doch allesamt innerhalb diachron nachvollziehbarer Entwicklungen sowohl der Jugendspiele als auch der Verbreitung griechischer Wettkämpfe. Im Hinblick auf ihr unmittelbares Weiterwirken unterscheiden sie sich allerdings erheblich. Die Neronia hinterlassen so wenig Spuren, dass Trajans Aufgreifen des neronischen Münztyps für seine eigenen Spiele offenbar vollkommen unproblematisch ist. Die Capitolia hingegen werden noch über Jahrhunderte begangen, und die im Quinquatrus zelebrierten Qualitäten kommen erst in der Zeit der Adoptivkaiser zu ihrer vollen Entfaltung. Die Gründe für die so unterschiedlich ausfallende Nachhaltigkeit der Spiele dürften nicht zuletzt in den zutiefst divergierenden Intentionen hinter ihrer Stiftung liegen. Neros Projekt stellt sich - wenn wir es hinter der düsteren Tönung der Überlieferung zutreffend erfasst haben - als revolutionäres Vorhaben dar, das mit den Neronia und Juvenalia nicht nur die Inhalte, sondern auch die Praktiken öffentlicher Kommunikation umzuwälzen beabsichtigt. Nicht im Abhalten von Ringkämpfen und Kitharödenwettbewerben liegt ihre Zumutung, sondern in der Einführung eines partizipatorischen Modells, welches die Grenzen zwischen Publikum und Teilnehmern vollkommen aufzulösen droht. Tatsächlich scheint ein Teil der so angesprochenen Eliten bereit gewesen zu sein, sich auf die veränderten Spielregeln einzulassen. Palfurius Sura war nicht ganz allein. Dass Bürger und Matronen, die bei den Juvenalia und anderen Spielen Neros auf der Bühne oder in der Arena auftraten, alle unter Zwang gehandelt hätten, ist wenig plausibel und wird schon in der nerofeindlichen Tradition zurückgewiesen. Überdies sind frühere Fälle bezeugt, in denen einzelne Senatoren oder Ritter die öffentliche Exponierung nachgerade gesucht zu haben scheinen. 103 Doch Nero weitet die Partizipation auf 102 In eine andere Richtung gehen die Überlegungen bei Hardie (2003) 136f. 103 Angehörige des Ritter- und Senatorenstandes auf der Bühne oder in der Arena: Suet. Nero 11,1-12,1, der eigens betont, einige von ihnen seien „aus intakten Vermögens- und Ansehensverhältnissen“ gewesen (quosdam fortunae atque existimationis integrae). Zwang <?page no="258"?> Alexander Heinemann 250 die Gesamtheit der Bürgerschaft aus und schränkt sie zugleich durch seine eigene Teilnahme ein. Traditionell strukturierte Gruppen werden so überfordert, flexiblere frustriert. Das Grunddilemma eines offenen Wettbewerbs, an dem der Kaiser selbst teilnimmt, erweist sich als unauflöslich. Gegenüber dem neronischen ließe sich wohl nahezu jedes politische Unterfangen als konservativ beschreiben, doch bauen Domitians Spiele nun tatsächlich in hohem Maße auf kulturellen Traditionen des Westens wie des Ostens auf. Die Capitolia sind konzipiert für ein zunehmend vernetztes Reich und beziehen nach dem Tod ihres Stifters aus dem daraus erwachsenden kulturellen und politischen Stellenwert wohl die Legitimation ihres Fortbestehens. An den entscheidenden Stellen - Zueignung, Leitung und Ikonographie der Spiele - formulieren sie die unangefochtene Stellung des Jupiter Capitolinus und des Kaisers als Garanten römischer Herrschaft. Dem Erfolg nach zu urteilen, wird der Diskurs imperialer Allgewalt damit ungleich effektiver in die kulturellen Praktiken griechischer Wettkämpfe hineinverhandelt als durch Neros hellenisierenden Habitus - so effektiv, dass schon unter Trajan ein weiterer Agon begangen wird. Gegenüber diesem reichsweit kommunizierten Modell zielt der Quinquatrus Minervae nach innen und nutzt den Rahmen alljährlich abgehaltener Jugendspiele auf dem Grund und Boden des Kaisers zur Formierung einer kaisernahen, ritterlich-senatorischen Reichselite der kommenden Generation unter den Auspizien einer ebenso der virtus wie der eloquentia zugeneigten Minerva. und Bestechung stehen hingegen in Tacitus‘ Schilderung (ann. 14,14,3-4) im Vordergrund; s. ferner Cass. Dio 61,9,1; 61,19,1-20,5. Zu vereinzelten früheren Fällen s. o. Anm. 1. Dass sich Nero aus solcherlei Anlässen „ein Vergnügen“ gemacht habe, wie Meier (2008) 576f. vermutet, scheint mir diese in Neros Spielen durchaus systematisch begegnenden Maßnahmen zur Aufhebung von Standesgrenzen in der Performance zu entpolitisieren. <?page no="259"?> Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom 251 Literaturverzeichnis Albers (2013): Jon Albers, Campus Martius. 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Semis des Nero (RIC I² 244) in der Sammlung des Seminars für Alte Geschichte Freiburg. Abb. 3: nach Rostowzew 1903 Taf. 8,53. Abb. 4: nach Rostowzew 1903 Taf. 12,3. Abb. 5: Plan Verf. nach Filippi 2011, 51 Abb. 18. Abb. 6: Zeichnung Verf. nach Jones 1993 Abb. 33a (Beil.). Abb. 7: nach Colini 1998 Taf. 24. Abb. 8a (Totale): D-DAI-ROM-85.886 (Fotoarchiv, DAI Abteilung Rom). Abb. 8b (Detail: Schild): D-DAI-ROM-85.882 (Fotoarchiv, DAI Abteilung Rom), Ausschnitt. Abb. 8c (Detail: Stütze): Foto V. M. Strocka, Photothek Freiburg. <?page no="267"?> 259 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom <?page no="268"?> 260 Abb. 4 Abb. 5 Alexander Heinemann <?page no="269"?> 261 Abb. 6 Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom <?page no="270"?> 262 Abb. 7 Alexander Heinemann <?page no="271"?> 263 Abb. 8a-c Sportsfreunde: Nero und Domitian als Begründer griechischer Agone in Rom <?page no="273"?> Egon Flaig Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz. Überlegungen zum Nerobild beim Brand Roms 1 1. Die römische Monarchie - ein Akzeptanzsystem Die römische Monarchie war ein Akzeptanzsystem. 2 Das unterscheidet sie von Monarchien mit dynastischer Legitimität. Wie in den allermeisten Monarchien war die Staatsform selber unumstritten, also legitim. Tatsächlich gab es nach 27 v. Chr. niemals einen Versuch, die Monarchie im Imperium Romanum abzuschaffen. Indes, der Kaiser war keinesfalls legitim: Seine Herrschaftsbefugnis konnte ‚widerrufen’ werden, d. h. er konnte gestürzt werden. Das unterscheidet die römische ebenso wie die englische Monarchie von Monarchien mit dynastischer Legitimität, für welche die spartanische, die französische oder die japanische geradezu klassische Beispiele bieten. In Monarchien ohne dynastische Legitimität hält sich ein Monarch nur so lange wie er akzeptiert wird. Stürzt er, dann haben seine Söhne keine Chance zu überleben, geschweige denn zur Herrschaft zu kommen. In solchen Systemen bedurfte es eines höheren symbolischen und kommunikativen Aufwandes, um die Imago des Herrschers mit Merkmalen auszustatten, die Akzeptanz schufen oder erleichterten. Zudem ist es in einem Akzeptanz- System wichtig, welche maßgeblichen Gruppen die Monarchie stützen. Das waren in der Prinzipatszeit drei Sektoren: erstens der Senat, zweitens die Römer der Hauptstadt, drittens die Truppen mit römischem Bürgerrecht. Wie sehr die Monarchie für sich legitim war, zeigte sich am 21. Januar 41 n. Chr., als Caligula ermordet wurde. Der Kaiser hatte seine Akzeptanz bei der Plebs und auch beim Senat restlos verspielt. Doch die Monarchie war keine Sekunde lang bedroht. Die plebs urbana wartete, dass ihr ein neuer Kaiser präsentiert wurde; desgleichen taten die vier Stadtkohorten. Die Garde hingegen handelte selbständig: sie suchte einen überlebenden Verwandten des Ermordeten, fand ihn, brachte ihn ins Prätorianerlager und erhob ihn dort zum Imperator. Selbst wenn der gesamte Senat sich einig gewesen wäre, die Republik zu retablieren, wären die Chancen dazu gleich Null gewesen. Denn die Senatoren hätten es nicht vermocht, gegen den Willen der 1 Ich behandle einige Aspekte detaillierter in meinem Aufsatz über das Gerücht: Flaig (2003). 2 Die Konzeption des Akzeptanz-Systems findet sich entwickelt in Flaig (1992) 174-207. <?page no="274"?> Egon Flaig 266 hauptstädtischen Bürgerschaft und gegen den massiven Widerstand der Bürgersoldaten ein Regime wiederherzustellen, an das die meisten nur mit Entsetzen zurückdachten. Die Republik war ein illegitimes Regime geworden. Illegitim im historischen Sinne - deswegen, weil zwei maßgebliche Sektoren der politischen Gemeinschaft nicht bereit waren, zu ihr zurückzukehren, und weil der dritte Sektor, die senatorische Aristokratie, zwar die alten republikanischen Tugenden in ihren nostalgischen Diskursen hochhielt, jedoch überwiegend froh war, die fatalen Krisen jenes korrodierten Regimes nicht mehr erleben zu müssen. Die berühmte These Mommsens - „Es hat wohl nie ein Regiment gegeben, dem der Begriff der Legitimität so völlig abhanden gekommen wäre wie dem augusteischen Prinzipat“ 3 - ist demnach empirisch falsch. Die Monarchie war längst legitim. Illegitim war die senatszentrierte Republik. Aber besaß der Senat am 24. Januar 41 überhaupt den Willen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen? Die Magistrate handelten energisch; sie verlegten den Tagungsort des Senates aufs Kapitol und ließen dorthin auch den Staatsschatz bringen. Offensichtlich befürchteten sie einen länger dauernden Konflikt mit der Plebs und den Prätorianern. Die Stadtkohorten und wahrscheinlich auch die vigiles standen dem Senat zur Verfügung, weil sie vorerst ihren Befehlshabern gehorchten. 4 Tatsächlich machte ein Konsul den Vorschlag, die monarchielose res publica wiederherzustellen; doch im gleichen Atemzug präsentierte er sich selbst als Kandidaten. 5 Man hätte sofort beschließen können, die Republik wiederherzustellen, falls die Senatsspitze einig gewesen wäre. Stattdessen formierten sich die Anhängerschaften um die Kandidaten für das Kaiseramt. Es folgte eine traumatische Erfahrung: der Senat erwies sich als unfähig, einen Kaiser zu küren. Vor dem Kapitol warteten die Stadtkohorten, welche den Magistraten gehorchten, dass ihnen bald ihr Imperator präsentiert werde; unterdessen nahm drinnen - bei der zweiten Senatssitzung, zu der sich noch über einhundert Senatoren einfanden 6 - die Paralyse des honorigen Gremiums immer deprimierendere Formen an. Als die Stadtkohorten von der Akklamation des Claudius im Prätorianerlager hörten und als der Senat sich gegen Claudius aussprach - in der Ablehnung war das Gremium einträchtig -, da erhoben sie einmütig die signa und marschierten zum Prätorianerlager, um dem neuen Kaiser zu huldigen; und da rannten die Sena- 3 Mommsen (1887) II/ 2, 844. Die theoretische Widerlegung findet sich in Flaig (1992) 184-207. 4 Scramuzza (1940) 53 und Flaig (1992) 224-232. 5 Suet. Claud. 10,4; Zon. 11,8. Josephus nennt den Valerius Asiaticus (ant. Iud. 19,159 u. 252), zudem noch einen der beiden Konsuln (19,186f). Vielleicht wurde auch Galba von einer starken Gruppe favorisiert, jedenfalls forderten ihn - wahrscheinlich Tage später - Freunde dazu auf, zur Usurpation zu schreiten (Suet. Galb. 7,1). 6 Ios. ant. Iud. 19,248f. <?page no="275"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 267 toren um die Wette zum Prätorianerlager, um dem neuen Herrscher zu huldigen. 7 Am Spätnachmittag des 24. Januar 41 offenbarte sich spektakulär die Diskrepanz in der Handlungsfähigkeit beider Sektoren: den Senat zerrissen Rivalitäten und beraubten ihn der Möglichkeit, zu einer Entscheidung und zu einer Wahl zu kommen; die Prätorianer hingegen erhoben ihren Kaiser. Dieser Ablauf nötigt zu konzeptioneller Klärung. Wie eingangs dargelegt, ist es unabdingbar, die Legitimität der Monarchie von der Legitimität des individuellen Monarchen zu trennen. Theodor Mommsen tat in seiner verfassungsrechtlichen Analyse des augusteischen Prinzipats bekanntlich das Gegenteil: Die Illegitimität der individuellen Monarchen resultierte nach seiner Konzeption aus der Illegitimität der Institution. Logischerweise ergibt sich dann bei jedem Kaiserwechsel eine radikale Diskontinuität. Die römische Monarchie besteht konzeptionell aus einer Sukzession lauter diskreter Monarchien. So gelangte Mommsen zur Behauptung, in der augusteischen Verfassung sterbe „der Prinzipat mit dem princeps“. 8 Dass diese Aussage eine ursprungsmythische Formel ist, bedarf keines Kommentars. Indes, sie ergibt sich zwingend, wenn man die monarchische Position streng aus den strikt staatsrechtlich definierten Legitimitätskriterien der Römischen Republik ableitet. Mommsen benötigte diese Konstruktion, weil er demonstrieren wollte, dass die Volkssouveränität, sofern nicht gebändigt von Repräsentation, geradewegs illegitime Regimente produziert. Die Mommsensche Problemstellung als gültige anzuerkennen heißt, die römische Monarchie ganz konsequent als ‚Diktatur im modernen Sinne’ bestimmen zu müssen. Bekanntlich haben das sehr wenige Althistoriker getan, nicht zuletzt Alfred Heuß. 9 Doch auf diese Weise sind die politischen Konnotationen des 19. Jhs. in die Konzeptionen des Prinzipats eingewandert, angereichert durch gegenwartsgespeiste Obsessionen: als Modell diente das Verhältnis von legaler Staatsgewalt und der „revolutionären“ Bewegung, welche sich jener bemächtigt. Doch wir sitzen einem Irrtum auf, wenn wir annehmen, Augustus habe seine Monarchie ‚notdürftig verborgen’, vorgebend, er stelle die ‚Republik’ wieder her. Augustus restituierte in der Tat die ‚res publica’, doch er restituierte diese als Monarchie. Zu Recht sprechen die Autoren der Kaiserzeit von ihrem politischen System als einer ‚res publica’; denn der Begriff meinte seit 27 v. Chr. nicht eine monarchenlose Republik, sondern er meinte, dass die tradierten Institutionen wieder funktionierten. Aus diesem Grunde stand der Prinzipat auch niemals unter dem Druck einer ‚republikanischen Legitimität’. Eine solche Legitimität ist ein sinnentleerter Begriff angesichts der 7 Ios. bell. Iud. 2,11,4-5. 8 Mommsen (1887) II/ 2, 1143. 9 Indem Heuß (1964) 340 sich so eng wie möglich an die Mommsensche Problemstellung hält, definiert er den Prinzipat als „seinem verfassungspolitischen Ansatz nach eine notdürftig verhüllte Diktatur (im modernen, nicht altrömischen Sinn)“. <?page no="276"?> Egon Flaig 268 für den Historiker empirisch feststellbaren Illegitimität der senatszentrierten Republik. Die Spannungen im Umgang des Princeps mit der senatorischen Aristokratie sind daher auch nicht zu erfassen mit dem überholten staatsrechtlichen Schema ‚republikanische Legitimität contra monarchische Herrschaft’. Vielmehr handelt es sich um typische Risiken, denen die Machtelite ausgesetzt ist in einer Monarchie, welche den Monarchen unter einen hohen Druck setzt, extensiv und intensiv interagieren zu müssen. Das hat 1976 schon Paul Veyne umfassend dargelegt; 1992 habe ich dafür theoretische Begründungen und konzeptuelle Lösungen vorgeschlagen. 2. Das Problem der Normen und das Verhältnis von Transgression und ‚Aushandeln’ Drei politische Sektoren erwarteten vom Kaiser, dass er ihren jeweiligen und darum unterschiedlichen Erwartungen genügte: die Senatoren wollten einen primus inter pares, die hauptstädtischen Bürger einen aufmerksamen Patron, die Truppen einen tüchtigen Imperator. Jeder Kaiser musste allen drei Erwartungen genügen. Das war des Öfteren schwierig; aber bei zureichendem, individuellem Geschick war es machbar. Dagegen stürzten Kaiser, wenn sie sich ‚Transgressionen’ leisteten, d. h. wenn sie eine ‚Imago’ pflegten oder nicht mehr loswurden, die unvereinbar war mit fundamentalen Werten der maßgeblichen Sektoren im politischen System. Wollen wir diese Schwierigkeiten der Kaiser, unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen, begrifflich bestimmen, dann haben wir vorab eine sachliche Klärung vorzunehmen: Akzeptanz bedeutet keinesfalls ‚Aushandeln’. In der anglophonen Altertumswissenschaft grassiert die Mode, mit dem Wort „negotiation“ Explikationen zu versuchen, die Neues und bisher wenig Beachtetes ans Licht rücken sollen. Das Problem dabei ist: Es handelt sich um theoretisch wenig abgesicherte, impressionistische Versuche. Die betreffenden Autoren machen 90 Jahre nach Max Weber die Entdeckung, dass Herrschaft nur möglich ist, wenn die Beherrschten sie nicht bloß passiv erleiden, sondern aktiv mittragen. Diese vorgängige Zustimmung der Beherrschten ist aber nach Max Weber soziologisch spezifiziert: Jedweder Herrschaftsweise entspricht eine spezifische Gehorsamsmodalität. Diese ist allerdings relativ stabil. Das Theorem des Aushandelns lässt genau diese Stabilität außer Betracht. Damit wird jede konkrete Situation definierbar als ‚offen’. Doch ‚offen’ sind Situationen nur, wenn nicht von Herrschaft die Rede ist, sondern von Macht. Herrschaftsverhältnisse erbringen just die große soziale Leistung, es den Akteuren zu ersparen, unentwegt ihre Machtpotentiale gegeneinander zu erproben. Denn gerade diese Erprobung, wovon das ‚Aushandeln’ nur ein Sonderfall ist, bringt hohe politische Kosten und Reibungsverluste mit sich. All das ist in der Institutionentheorie <?page no="277"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 269 sehr gut und ausgiebig erörtert worden. Freilich wurde dieses Wissen teilweise über Bord geworfen, als die Forschungen der Microstoria in den 90er Jahren ihren Aufschwung nahmen. Die Autoren des ‚Aushandelns’ folgen der Microstoria, aber häufig ohne zu beachten, dass Institutionen dem ‚Aushandeln’ sehr enge Grenzen setzen können. 10 Herrschaftsbefugnisse werden in hochinstitutionalisierten Monarchien niemals ausgehandelt. Niemals haben römische Legionen mit ihren Imperatoren darüber verhandelt, ob sie Gehorsam zu leisten haben oder nicht. Solange sie ihn als ihren Imperator anerkannten, leisteten sie einen regulären Gehorsam. Sobald sie diesen Gehorsam verweigerten, erkannten sie ihn nicht mehr als ihren Imperator an. Die Kategorie ‚Aushandeln’ macht bei institutionalisiertem Gehorsam keinen Sinn. Für sie gibt es keinen Gegenstand, solange Institutionen das kollektive Agieren vorformen. Ein grundsätzliches Manko des „negotiation“-Ansatzes liegt in der unscharfen Konzeptualisierung. Das Wort ‚Aushandeln’ wird meist sehr unsauber gebraucht; darum entstehen fortlaufend begriffliche Verwechslungen und Missverständnisse. Man kann ‚Aushandeln’ verstehen als ‚Interpretieren einer Situation’ - im Bourdieuschen Sinne. Indes, kollidierende Interpretationen sind semantische Kämpfe, und für solche steht der Forschung inzwischen ein sehr reiches Repertoire an Konzepten und Modellen zur Verfügung. Auf dieses Inventar zu verzichten, heißt das forschende Auge trüben, ihm Sehschärfe nehmen. Ferner wird ‚Aushandeln’ oft benutzt, um Konflikte zu konturieren, die darum gehen, wie eine Regel ‚richtig zu interpretieren’ ist - im Bourdieuschen Sinne. Auch in diesem Falle handelt es sich um historische Praktiken des Deutens und um die Deutungshoheit besonderer Akteure. Das Wort ‚Aushandeln’ behindert hier das genaue kategoriale Vermessen von sozialen und politischen Kampffeldern. Schließlich heißt ‚Aushandeln’ manchmal nichts anderes als ‚Ausschöpfen von Spielräumen’. Auch hier ist das Wort irreführend. Denn es sind ja just die Spielräume, welche dem Ausschöpfen die Grenzen setzen. Erst wer die Grenzen der Spielräume beachtet, vermag mikrohistorisch die Spielmöglichkeiten im jeweiligen Raum auszumessen. Und wie verhalten sich ‚Transgression’ und ‚Aushandeln’ konzeptuell zueinander? Sie schließen sich gegenseitig theoretisch aus. Denn eine ‚Transgression’ beinhaltet das Überschreiten einer roten Linie. Deutlicher gesagt: Transgressionen sind nur möglich, wenn fixierte Erwartungen verletzt werden. Fixierte Erwartungen haben normative Funktion und Gewicht. Eine rote Linie zu überschreiten ist eine Handlung, die eine von allen geteilte und als fundamental erachtete Norm verletzt. Eine solche Norm ist nicht verhandelbar. Verhandeln lässt sich überhaupt erst auf der Basis bestimmter 10 S. hierzu Freist (2005), Holenstein (2009) und Braddick (2009). Skeptisch ist Reinhard (2005) 434; ähnlich Holenstein (2009) 25f. Anm. 72. <?page no="278"?> Egon Flaig 270 allseitig anerkannter Grundnormen. Verhandeln ist nicht mehr möglich, wenn genau eine solche Grundnorm - schwer - verletzt wird. Geschieht das, dann erfolgen Reaktionen; und dabei werden Machtmittel jenseits des Verhandelns eingesetzt; und dann verliert das Wort ‚Aushandeln’ seine definitorische Zuständigkeit. Spannend ist der Fall, wo innerhalb ein und derselben Gesellschaft eine bestimmte Norm nur von einer Gruppe geteilt wird, von einer anderen nicht. In diesem Falle handelt es sich nicht um eine verbindliche Norm; und dann ist die Linie, welche jemand überschreitet, eben nicht für alle rot. Das sind keine eitlen Überlegungen. Denn wenn wir fragen, wieso römische Kaiser stürzten, dann haben wir zu beachten, dass römische Monarchen stets einer ‚Imago’ zu genügen hatten, das heißt einem geronnenen Profil von Ansprüchen an ihr Verhalten. 3. Domitian und eine neue Herrschaftsmodalität Es soll in diesem Aufsatz vor allem um Nero gehen sowie darum, wie seine ‚Imago’ ihn um jene Akzeptanz brachte, ohne welche ein römischer Kaiser stürzen muss. Es lohnt, die ‚Imago’ Neros von der Gegenseite her zu beleuchten, nämlich von derjenigen Domitians. Besieht man nämlich dessen ‚Imago’ näher, dann wird deutlicher, welche Spielräume römische Kaiser im 1. Jh. n. Chr. bei der Ausgestaltung ihres persönlichen Regierungsstiles besaßen. Der Begriff des ‚Stiles’ beinhaltet die Möglichkeit, Variationen innerhalb definierter Grenzen zu kreieren. Die definierten Grenzen ergeben sich daraus, dass es in Monarchien einem individuellen Monarchen niemals gelingen kann, die Struktur der monarchischen Herrschaft zu verändern. In Monarchien ist es - mit wenigen Ausnahmen - völlig normal, dass die Nachfolger ostentativ einen neuen Stil einführen. Dieser neue Stil soll allerdings innerhalb einer idealen Kontur bleiben; dafür sorgen üblicherweise die Berater des neuen Herrschers. Aber dennoch soll er eine persönliche Note aufklingen lassen. Dieser persönliche Stil kann allerdings über Gebühr neue Akzente setzen. Und dann ist es nicht mehr eine Frage des Stils, sondern eine neue Modalität des Herrschens. Das berührt die Struktur der Herrschaft; und wer diese abrupt verändert, kollidiert mit der Gehorsamsmodalität wichtiger Gruppen und Sektoren. Eine neue Modalität des Herrschens auszuprobieren, löst daher in der Regel schwere Krisen aus. Denn diejenigen Gruppen, auf welche sich die monarchische Herrschaft stützt, sind nicht ohne weiteres bereit, eine neue Gehorsamsmodalität anzunehmen. Es gibt im 1. Jh. n. Chr. einen ‚rigiden’ Regierungsstil römischer Kaiser. Dieser Stil enthält ein standardisiertes Repertoire an kaiserlichen Performanzen: barsche Gesten, Ablehnung von Bitten, Verweigerung von Antwor- <?page no="279"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 271 ten, eherne Befehle. Diesen Stil pflegte als erster Tiberius; er distanzierte sich damit von dem leutseligen Augustus. Als zweiter wollte ihn Galba einführen. Freilich überzog Galba diesen Stil maßlos - so dass er stürzte. 11 Als dritter Kaiser pflegte den rigiden Stil Domitian - maßvoller als Galba, aber härter als Tiberius. Das ging lange gut. Aber in den Jahren nach 89 n. Chr. bekam Domitian mehr und mehr Schwierigkeiten. Was bei Nero so mühelos gelang, war bei Domitian unmöglich: Man konnte ihn nicht militärisch stürzen. Der einzige Versuch einer Usurpation gegen ihn, diejenige des Antonius Saturninus 89 n. Chr., scheiterte. Dieser Kaiser konnte mit einer hohen Loyalität der Truppen rechnen; 12 seinem Nachfolger Nerva wurde diese Loyalität zum Verhängnis. Es blieb nur, den bei den Truppen beliebten Kaiser im Palast zu ermorden. Hier war er verwundbar: Er war in Rom; er hatte Umgang mit den Senatoren; und er musste regelmäßig die ‚Spiele’ besuchen. Doch eben hier lag das Problem. Juvenal sagt ausdrücklich, Domitian sei gestürzt worden, nachdem die Handwerker Furcht vor ihm bekommen hatten: Sed periit postquam cerdonibus esse timendus coeperat. 13 Was bedeutet das? Wie kann ein Kaiser Furcht einflößen? Die Aussage des Dichters ähnelt jener Nachricht des Josephus, dass der Prätorianertribun Chaireas sich in dem Augenblick zur Ermordung Caligulas entschlossen habe, als er die blutigen Konfrontationen im Circus maximus miterlebte. Cassius Dio, welcher als Senator zugegen und Augenzeuge war, berichtet ebenfalls, wie es etwa zwei bis drei Wochen vor der Ermordung von Commodus zu schweren Spannungen zwischen der Plebs und dem Kaiser kam. Als der Kaiser 192 n. Chr. 14-tägige Gladiatorenspiele gab, und dabei so häufig als venator die Arena betrat wie nie zuvor, und als er dann sogar die Hemmung ablegte, als Gladiator aufzutreten, verließen die Bürger Roms während der Darbietung in Scharen das Amphitheater, während der Senat in Vollzähligkeit artig zusah. Dieser Boykott hatte eine sacro-politische Dimension; demonstrative Auszüge aus dem Circus waren später in Konstantinopel symbolische Aufkündigungen der Gemeinschaft. 14 Was Com- 11 S. Flaig (1992) 293-305. 12 Sueton sagt ausdrücklich, dass die Soldaten über seine Ermordung empört waren, wohingegen die Plebs mit Gleichgültigkeit reagierte (Suet. Dom. 23,1). 13 Iuv. 4,153f.: „Aber zugrunde ging er, nachdem er bei den kleinen Leuten Furcht zu erregen begann” (Übers. Adamietz). Vorsichtig urteilt Yavetz (1987) 144: „There are indications that hatred toward Domitian existed among the lower classes some time before his murder (...)”. 14 Dio nennt Scham und Furcht als Motive der hauptstädtischen Römer (Cass. Dio 73,20,2). Das erste verweist auf die Entehrung der ganzen res publica, das zweite darauf, dass die Plebs dem Kaiser alles zutraute, ergo ihn für komplett verrückt hielt. Meyer-Zwiffelhoffer (2006) hat aufgezeigt, wie das kaiserliche Handeln weniger als Ausdruck von Wahnsinn zu verstehen ist, denn vielmehr als Versuch, die Person des Kaisers außerhalb der Geltung menschlicher Normen zu setzen. <?page no="280"?> Egon Flaig 272 modus tat, war somit die schwerste Verletzung der politischen Semiotik des ludischen Rituals, die sich jemals ein Kaiser leistete. Von hier aus lässt sich erhellen, was in den letzten Jahren der domitianischen Ära in Rom geschah. Der Kaiser hätte bei der Plebs in der Hauptstadt beliebt sein sollen; denn er gab reichlich Spiele. Doch er war es nicht. Warum nicht? Weil er bei den ludischen Darbietungen eine kaiserliche Performanz zeigte, die aufs Höchste irritierte: Erstens war Domitian im Amphitheater parteilich; denn er bevorzugte die Waffengattung der Thraker. Aber wenn der Spielgeber parteilich war, dann konnte die Interaktion zwischen ihm und der Bürgerschaft nicht mehr frei und ungezwungen stattfinden; denn die zusehenden Römer konnten ihr Urteil über den unterlegenen Gladiator nicht mehr unbefangen äußern; sie mussten befürchten, mit dem Kaiser zusammenzustoßen. 15 Doch im Amphitheater erforderte das ludische Zeremoniell einerseits ein freies Urteil der Bürger über den Besiegten, anderseits die Eintracht von Bürgern und Spielgebern im Angesicht der Götter und der Tradition. Die vorsichtigen Versuche der hauptstädtischen Römer, die Parteilichkeit des Kaisers zu thematisieren, unterdrückte Domitian recht brutal. Zweitens hat Domitian anscheinend unterlegene Gladiatoren zu häufig töten lassen. Ein solches Verhalten ohne clementia war immer verstörend. 16 Und das macht den Satz von Juvenal verständlich: Er hatte gerade bei den einfachen Römern Furcht erregt. 17 Drittens nötigte Domitian die zusehenden Bürger, im Amphitheater bei jeder Witterung auszuharren. Egal wie das Wetter war, sie mussten jede Darbietung bis zum Ende ansehen. Nun sollte zwar nach guter alter Tradition ein sakrales Ritual nicht unterbrochen werden. Doch Domitian unterstrich diesen sakralen Charakter der Spiele übermäßig. 18 Denn die Spiele richteten sich nicht allein an die Götter; sie waren außerdem ein Forum der Interaktion zwischen Kaiser und Plebs. Wenn der Kaiser den sakralen Charakter über alle anderen Rücksichten setzte, dann transformierte er die Semantik der Spiele. Sie wurden aus einem Anlass für bilaterale Kommunikation nun einseitig, da die Plebs die Rolle des Partners in der Interaktion verlor und zur bloßen Kulisse für das kaiserliche Handeln und das ludische Geschehen degradiert wurde. Die Spiele gerieten zum Szenario einseitiger Manifestation kaiserlicher Majestät. 19 15 Suet. Dom. 10,1. Dazu Clavel-Lévêque (1984) 114. Gegenüber Titus thematisierte die Plebs eigens die Parteilichkeit des Kaisers (Suet. Tit. 8,2). 16 Mart. spect. 29; Suet. Dom. 10,1. 17 So wie einst Drusus, der Sohn des Tiberius: Tac. ann. 1,76,3. 18 Suet. Dom. 4,2; Cass. Dio 67,8,3. 19 Die „Korrektur“ der Verlosung, von der Suet. Dom. 4 berichtet, war eine solche Geste kaiserlicher Eigenmächtigkeit. <?page no="281"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 273 Viertens hatte ein besonderer Vorfall weitreichende Konsequenzen, der sich während der kapitolinischen Spiele ereignete. Das Volk bat den Kaiser, er möge den Sieger des rhetorischen Wettkampfes, der aus dem Senat ausgestoßen worden war, wieder in den Senat aufnehmen. Domitian hätte ablehnen können. Doch statt die Bitte abschlägig zu bescheiden, befahl der Kaiser Schweigen. Dieser tacete-Befehl war eine Ungeheuerlichkeit. Das muss wiederholt passiert sein. Denn noch 150 Jahre später war das ‚tacete’ in Rom ein ‚geflügeltes Wort’. Für den im 3. Jh. n. Chr. schreibenden Historiographen Cassius Dio galt das tacete als „das Wort Domitians“. Die Plebs fürchtete dieses Gebot und wurde - bei Kaisern, mit denen sie nicht zerstritten war - still, bevor es ausgesprochen wurde. Alle Kaiser vermieden es, das „Wort des Domitian“ im Circus oder im Amphitheater auszusprechen. Als Hadrian einmal drauf und dran war, im Amphitheater von diesem herrischen Gebot Gebrauch zu machen, da hob sein Herold die Hand; die Plebs wurde still, und der Herold - anstatt das „Domitian-Wort“ auszusprechen - rief: „Das wollte er! “ Hadrian belohnte ihn dafür. 20 Nichts könnte markanter das Ideal der Interaktion zwischen Kaiser und Plebs charakterisieren als dieses Tabu - die Befürchtung beider Seiten, dass dieses Wort fallen könnte. Denn mit diesem Befehl machte Domitian aus den ludi tatsächlich eine einseitige Veranstaltung der kaiserlichen Majestät, die über alle Interaktion erhaben war. Er bot das verschlossene Antlitz einer autarken Autorität. Das war nicht mehr nur eine Stilfrage. Das war eine neue Herrschaftsmodalität. Eine Herrschaftsmodalität, die nicht mehr auf dem unablässigen Konsens beruhte, nicht mehr auf den consensus universorum gestellt war. Die römische Plebs war nicht empfänglich für die reine Expression absoluter Überlegenheit der kaiserlichen Gewalt. Und auch die Plebs von Konstantinopel hat solche Expression niemals akzeptiert. Eine solche Herrschaftsmodalität hätte den Charakter der römischen Monarchie von Grund auf verwandelt. 4. Nero: Die Überkommunikation Nero pflegte einen Regierungsstil, der jenem Domitians genau entgegengesetzt war. Er betrieb Überkommunikation. Diese rettete ihn nicht, sondern irritierte. Beachten wir zunächst, dass Nero die allerbesten Startchancen hatte. Als Enkel des populären Germanicus genoss er einen enormen Vorschuss an Sympathie. Er war sehr beliebt in den ersten fünf Jahren seiner Herrschaft - von 54 bis 59 n. Chr.; diese Jahre hießen später: Quinquennium Neronis. Kein Princeps suchte so unermüdlich den Kontakt zur Plebs wie Nero. Vor allem 20 Suet. Dom. 13,1 und Cass. Dio 69,6,1f. <?page no="282"?> Egon Flaig 274 seine clementia beeindruckte die Plebs nachhaltig. Und doch sank nach dem Muttermord seine Popularität stufenweise. Das Bild von der angeblich übergroßen Popularität Neros, das noch in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Forschung vorherrschte, wird von den Quellen nicht gedeckt. 21 Tacitus berichtet nach der Ermordung Agrippinas nur noch eine einzige Szene, in der die Plebs dem Kaiser Sympathie entgegenbrachte: Als Nero 64 n. Chr. seine Abreise nach Hellas verschob, weil man ihn gebeten hatte, bei Senat und Volk zu bleiben, reagierte die Plebs positiv. Seine andere Meldung, wonach im Jahre 65 bei den Neronia die Plebeier Beifall geklatscht hätten, als Nero mit der Kithara im Theater auftrat, ist vergiftet; denn der Historiograph verschweigt nicht, dass dies unter Zwang geschah und Zuschauer bei Dissens herausgegriffen und der Hinrichtung zugeführt wurden. 22 Cassius Dio lässt seit dem Muttermord zwischen der Plebs und Nero Feindschaft bestehen; er überliefert nur eine einzige Szene, wo die Plebs zusammen mit der Aristokratie den Kaiser feierte, nämlich im Frühjahr 68, anlässlich des adventus in Rom nach der Rückkehr aus Hellas. 23 Sueton teilt überhaupt keine Szene mit, aus welcher eine besondere Sympathie der Plebs für Nero hervorginge. Es fehlen also die historiographischen Belege für Neros Popularität nach 59. In den Jahren 60 bis 65 n. Chr. vollzog sich eine Erosion des Regimes, anfangs langsam, dann immer schneller. Nero ließ im Jahre 62 erstmals Senatoren hinrichten. Er tat das gezwungenermaßen. Beide Senatoren wurden als Nachfolger gehandelt. Das war nicht die Schuld der Hingerichteten, sondern ein Effekt von Gerüchten, die in der Hauptstadt kreisten. Das Gerücht war in vorindustriellen Hauptstädten ohne Massenmedien und ohne polizeilichen Apparat eine Waffe, gegen die keine Regierung eine wirksame Abwehr besaß. Dies galt umso mehr, je mehr eine Hauptstadt sprachlich und kulturell homogen war oder sogar aus einer Einwohnerschaft bestand, die sich größtenteils als ‚Bürger’ verstanden. Gerüchte werden unter solchen Umständen immer von den Adressaten ‚gemacht’; diese müssen die fatalen Aussagen für wahr halten und weitergeben. 24 Indem die plebs urbana Gerüchte ausstreute, Nero werde abgesetzt und ein anderer werde an seiner Stelle Princeps, ließ sie dem amtierenden Kaiser keine Wahl. Er musste die putativen Rivalen zuerst verbannen und dann, wenn die Gerüchte nicht aufhörten, ermorden lassen. Die plebs urbana zwang somit den Kaiser mit Gerüchten dazu, Verbrechen zu begehen. Und mit diesen Verbrechen verlor 21 So etwa Yavetz (1969) 123-128. Entschieden gegen die opinio communis Flaig (1992) 68- 84. 22 S. Tac. ann. 15,36,4 (dass die Reichsaristokratie auch diesmal die Plebs mit Manifestationen der Sympathie überbot, ist selbstverständlich); ferner Tac. ann. 16,4,4 und 16,5,3. 23 Cass. Dio 63,20,4f. 24 S. hierzu Flaig (2003) u. Mayer (2010). <?page no="283"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 275 er die Akzeptanz beim Senat. Zuvor hatte er sie schon bei den Römern der Hauptstadt verloren. Zu dem Muttermord war noch etwas Neues hinzugekommen. Nero strebte danach, sich als Künstler und als Wagenlenker beliebt zu machen. Er war leidenschaftlicher Sänger, er dichtete, und er übte sich im Schauspielen. Allerdings verstieß eine solche künstlerische Aktivität gegen die römischen Grundwerte. Dichten war möglich. Aber Schauspieler unterlagen der Infamie, ebenso wie Gladiatoren; und Sänger wurden zu den Schauspielern gerechnet. Ein Schauspieler oder Sänger durfte keinen Waffendienst leisten, kein öffentliches Amt bekleiden; vor Gericht galt sein Zeugnis meist nichts. In Hellas war das ganz anders; dort waren diese Künstler angesehen. Aber in Rom standen sie jenseits derjenigen Linie, die ehrbare Bürger von Ehrlosen trennte. Was sollten die Senatoren von einem solchen Kaiser denken, was die konservative Bürgerschaft der Hauptstadt, und was erst die Legionen und die Garde? Was die Prätorianer über einen ehrlosen Kaiser dachten, sagte später prägnant der verhaftete Gardetribun Subrius Flavus, welcher an der pisonischen Verschwörung teilgenommen hatte: „Ich haßte dich. Keiner von den Soldaten war dir treuer, solange du es verdientest, geliebt zu werden: zu hassen begann ich dich, nachdem du zum Mörder deiner Mutter und deiner Gattin, zum Wagenlenker und Schauspieler und Brandstifter geworden warst.“ (Übers. Heller) 25 Der Offizier sprach deutlich aus, was ein römischer Kaiser niemals sein und tun durfte. Jedenfalls getraute sich Nero sehr lange nicht, öffentlich im Theater aufzutreten. Also veranstaltete er im Jahre 59 n. Chr. Iuvenalia-Spiele im privaten Rahmen; bei den Iuvenalia waren der Jugend gewisse Transgressionen erlaubt; und dort trat er als Kithara-Spieler auf. 26 Danach lud Nero immer wieder zu Darbietungen im privaten Rahmen ein; und er betrat dabei die Bühne. Aber fünf Jahre lang hielt er sich zurück und vermied öffentliche Auftritte. Im Frühjahr 64 aber konnte er es nicht mehr aushalten. Der 26jährige Kaiser gab sein Debüt auf einer öffentlichen Bühne im Theater von Neapel. Neapel war eine alte Griechenstadt; nun waren die Einwohner schon seit über 140 Jahren römische Bürger; aber man sprach gerne Griechisch und man pflegte griechische Kultur. Wir wissen nicht, wie die Neapolitaner reagierten. Als römische Bürger müssen sie entsetzt gewesen sein; als kulturelle Griechen waren sie - vielleicht - geschmeichelt. Jedenfalls passierte wenige Wochen später das Ereignis, das geradezu glühenden Hass gegen Nero hervorrief. Es war der Brand Roms. Der größte Brand in der antiken Welt brach aus in der Nacht vom 18. zum 19. Juli 64 n. Chr. Nero eilte von seinem Landsitz nach Rom; und er ergriff eine Reihe von Maßnahmen, um die Leiden und Entbehrungen zu erleichtern, welche 25 Tac. ann. 15,67,2. 26 Zu den Iuvenalia vgl. Heinemann S. 244-246 in diesem Band. <?page no="284"?> Egon Flaig 276 die Katastrophe mit sich brachte. Er öffnete das Marsfeld, die Gebäude des Agrippa und auch seine eigenen Gärten, er ließ Unterkünfte errichten und Lebensmittel heranschaffen, und er senkte den Preis des Getreides beträchtlich. Er spielte also seine Rolle als Wohltäter und guter Patron der hauptstädtischen Römer. Wenn es überhaupt möglich war, bei den Hauptstädtern verlorenes Gelände wettzumachen, Sympathien wiederzugewinnen, die Dankbarkeit der Plebs zu erhalten, dann jetzt bei diesem kollektiven Unglück. Nero nützte die Chance gut; so schien es wenigstens. Jeder andere Kaiser hätte Lob geerntet für diese Maßnahmen. Doch stattdessen verlor Nero nun den letzten Rest von Akzeptanz bei der Bürgerschaft seiner Hauptstadt. Warum? Der Brand schien am sechsten Tag bereits unter Kontrolle. Doch er flammte von neuem auf und Rom brannte nochmals drei Tage, so dass insgesamt etwa zwei Drittel der Stadt mehr oder minder schwer tangiert wurden. Dieses Wiederaufflammen des Brandes rief ein Gerede hervor: „Noch schändlicherers Gerede brachte dieser Brand mit sich, weil er in den aemilianischen Grundstücken des Tigellinus ausgebrochen war und es aussah, als wolle Nero mit der Gründung einer neuen Stadt, die nach seinem Namen zu benennen sei, Ruhm erwerben (...).” (Übers. Heller) 27 Tigellinus war einer der beiden Prätorianerpräfekten. Er war Neros mächtigster Paladin, der verhassteste zumal. Wenn in seinen Gärten der Brand erneut aufgeflammt war, dann nur deswegen, weil der Präfekt auf Befehl des Kaisers gehandelt hatte. So das Gerücht. Dieses Gerücht war von dauerhafter Wirkung. Das heißt, bei den Römern der Hauptstadt bestand ein starker Wille, diesem Gerücht auf jeden Fall zu glauben. Woher diese kollektive Entschlossenheit? Bedenken wir die Situation am 24. Juli. Nicht ohne Stolz konnten die etwa 400.000 erwachsenen Römer nach fünf Tagen mitansehen, wie das Feuer ausging; stolz, denn sie hatten den Brand besiegt - mit einem enormen Einsatz. Und eben als man glaubte, den Kampf gegen das Feuer gewonnen zu haben, da brach der Brand wieder aus. Und das zerstörte nicht nur den letzten Rest von politischem Vertrauen, sondern rief Erbitterung und Hass hervor: Nur eine böswillige Sabotage - so musste es scheinen - hatte den Sieg über das Feuer wieder zunichte gemacht. Welche politische Aussage enthält das Gerücht? Eine ungeheuerliche. Wenn der Kaiser tatsächlich ein Brandstifter war, dann war er nicht nur ehrlos wie ein Sänger, sondern dann war er ein erklärter Feind des zivilisierten Zusammenlebens, ein Feind des römischen Volkes und ein Feind der Götter. Dann verdiente er das Strafmaß für Brandstifter, nämlich dass man ihn in der Arena wilden Tieren vorwarf oder verbrannte. 27 Tac. ann. 15,40,2. <?page no="285"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 277 Aber welchen Grund sollte Nero haben, dies zu tun? Man unterstellte ihm die Absicht, Rom neu zu gründen und der neuen Stadt seinen Namen zu geben. Das traute man dem jungen Kaiser zu: Er war sehr ehrgeizig und er schreckte nicht davor zurück, diesem Ehrgeiz auf transgressorische Weise zu frönen. Warum sollte er nicht nach dem allerhöchsten Ruhm streben und als Neugründer der Stadt in die kollektive Erinnerung eingehen wollen? Und was sollte ihn davon abhalten, dazu das allergrößte Verbrechen zu wählen, nämlich die Stadt - als urbanistisches Ensemble - zu vernichten? Die ausgezeichneten Maßnahmen beim Wiederaufbau Roms, die planvolle Anlage großer Straßenachsen, die Verbreiterung der Straßen, die Vorlagerung von Kolonnaden, nicht zuletzt die aufwendigen kaiserlichen Privatbauten - deutete alles das nicht darauf hin, dass der Brand Roms dem Kaiser zuhöchst erwünscht war, weil er nun Rom umgestalten konnte? Indes, dieses Gerücht konnte erst aufkommen, als das verschönerte Rom aus den verkohlten Ruinen herauswuchs. Kehren wir zurück zu den Tagen nach dem 25. Juli 64 n. Chr. Nach Tacitus tat Nero alles, was er als Kaiser nur tun konnte, um die Schäden zu lindern. Doch es half nichts. Und so kam es zur ersten römischen Christenverfolgung: sed non ope humana, non largitionibus principis aut deum placamentis decedebat infamia, quin iussum incendium crederetur. ergo abolendo rumori Nero subdidit reos et quaesitissimis poenis adfecit, quos per flagitia invisos vulgus Chrestianos appellabat. 28 „ Aber nicht durch menschliche Hilfeleistung, nicht durch die Spenden des Kaisers oder die Maßnahmen zur Beschwichtigung der Götter ließ sich das böse Gerücht unterdrücken, man glaubte vielmehr fest daran: befohlen worden sei der Brand. Daher schob Nero, um dem Gerede ein Ende zu machen, andere als Schuldige vor und belegte die mit den ausgesuchtesten Strafen, die, wegen ihrer Schandtaten verhasst, vom Volk Chrestianer genannt wurden.” (Übers. Heller) unde quamquam adversus sontes et novissima exempla meritos miseratio oriebatur, tamquam non utilitate publica, sed in saevitiam unius absumerentur. 29 „ Daraus entwickelte sich Mitgefühl, wenngleich gegenüber Schuldigen, die die härtesten Strafen verdient hätten: denn man glaubte, nicht dem öffentlichen Interesse, sondern der Grausamkeit eines einzelnen würden sie geopfert.“ (Übers. Heller) Der taciteische Bericht stellt die weit überwiegende Mehrheit der Nero- Forschung vor ein Problem: Nicht der Brand führte zur ersten staatlich angeordneten Christenverfolgung. 30 Tacitus sagt eindeutig, Nero habe die Verfolgung nicht initiiert, weil er für den Brand einen Sündenbock brauchte, 28 Tac. ann. 15,44,2. 29 Tac. ann. 15,44,5. 30 Zur Diskussion s. Molthagen (2004) 112-140, hier 128f. <?page no="286"?> Egon Flaig 278 sondern er brauchte einen glaubwürdigen Sündenbock, weil das Volk den Kaiser selber für den Brandstifter hielt. Der Sündenbock war optimal ausgewählt, es gab überhaupt keinen besseren als judaisierende Sekten, deren Formen von Frömmigkeit und Lebensführung braven Römern und Griechen zuwider waren. Tacitus lässt keinen Zweifel, dass die Christen diese Martern verdienten - und die Plebeier als gute Römer sahen das genauso wie er. Dennoch behauptet er, die römische Plebs habe mit miseratio reagiert, als Nero seine Spektakel der Martern darbot und Christen als lebendige Fackeln die Arena und den Circus beleuchteten. Doch warum Mitleid mit diesem verabscheuten, christlichen Gesindel? Als Grund lesen wir bei Tacitus: Diese Menschen zu martern - und seien sie noch so verworfen -, entsprach nicht dem öffentlichen Wohl. In der Tat: Das öffentliche Wohl verlangte, dass man den Brandstifter strafte. Doch das war ein anderer. Die Plebs hielt die Christen für unschuldig am Brand von Rom. Auf den ersten Blick haben wir hier einen historisch seltenen Fall: Der Sündenbock-Mechanismus, der in Krisenzeiten doch immer funktionieren müsste, funktionierte nicht. Blickt man schärfer, dann funktionierte der Sündenbock-Mechanismus sehr wohl. Bloß stand der Sündenbock schon längst fest. Diese Einmütigkeit ist beeindruckend: Alle antiken Autoren halten Nero für den Brandstifer Roms, angefangen beim älteren Plinius bis hin zu Orosius; einzig Tacitus lässt sein Urteil in der Schwebe. Warum ließ das römische Volk dem Kaiser keine Chance, seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen? Wir müssen in einer Schleife der Erinnerung rückwärts. Als Rom brannte, tauchten zwei Gerüchte auf: Das zweite tauchte am sechsten Tag auf"machte den Kaiser zum Brandstifter und brachte ihm langfristig den Untergang. Doch zuvor war ein erstes emergiert, welches nun zur Geltung kommen soll. Über dieses erste Gerücht berichtet Tacitus: Quae quamquam popularia in inritum cadebant, quia pervaserat rumor ipso tempore flagrantis urbis inisse eum domesticam scaenam et cecinisse Troianum excidium (...). 31 „(...) weil sich das Gerücht verbreitet hatt, eben zu dem Zeitpunkt, da die Stadt brannte, habe er seine Hausbühne betreten und den Untergang Trojas besungen (...).“ (Übers. Heller) Nicht allein Tacitus überliefert das, sondern sämtliche erhaltene Historiographen. Wie konnte es zu diesem Gerücht kommen? Wir müssen zurück nach Neapel. Dort war Nero als Sänger aufgetreten, wenige Wochen vor dem Brand in Rom. 32 Diese Auftritte hatten eine schrille Publizität bekommen, weil Nero Münzen hatte prägen lassen, Münzen, die einmalig in der gesamten römischen Geschichte geblieben sind. Eine Münzserie zeigt eine 31 Tac. ann. 15,39,3. 32 Tac. ann. 15,33. <?page no="287"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 279 Gestalt im langen Gewand des Kitharöden, des Kithara-Spielers. 33 In der Hand hält die Figur keine Kithara, sondern die einfachere Lyra. Es ist sicherlich Apollo. Aber ein Apollo, dessen Gesichtszüge nahe an die Neros herankommen. 34 Die Münzen sind datierbar in das Jahr 64 n. Chr.; anscheinend hatte Nero sie prägen lassen, während er in Neapel öffentlich aufgetreten war. Als bronzene Asse zirkulierten diese Bilder zwar nur regional. Ihre programmatische Botschaft wird davon aber nicht beeinträchtigt: Der Kaiser bekannte sich in ihnen zu seiner Künstlerexistenz, somit zu einer Transgression, welche er in Rom noch nicht wagte. Er wollte offenbar die Römer an diesen Anblick gewöhnen, obschon zunächst nur auf dem Münzbild, um künftigen Auftritten in Rom ihren Charakter des Entsetzlichen, Transgressorischen zu nehmen. Wenn wir verwundert fragen, wie das bösartige Gerücht aufkommen konnte, Nero habe im Angesicht des brennenden Rom den Untergang Trojas besungen, dann finden wir die Antwort auf dieser Münze. Die Römer der Hauptstadt spiegelten das Wunschbild des kaiserlichen Selbst zurück, und zwar im Gerücht und auf fatale Weise. Das gespiegelte Wunschbild zeigte den Kaiser in seiner Rolle als Sänger, der das öffentliche Unglück zum Anlass für ein ästhetisches Erlebnis nahm und es als ein erhabenes Schauspiel genoss. Indem er den Untergang Trojas besang, parallelisierte er den Untergang der Mutterstadt mit dem der brennenden Tochterstadt. 35 Auch wenn das kein öffentlicher Auftritt war, Nero hatte - für alle die an das Gerücht glaubten und weiter verbreiteten - damit Position bezogen, wie er zur Fortexistenz Roms stand. Wer so etwas tat, verlor die Berechtigung, noch über die Römer zu herrschen. Als die Aufräumarbeiten dem Ende entgegengingen und erkennbar wurde, wie sehr Nero das urbanistische Gesicht der Stadt veränderte, mit breiten Straßen, großen Blickachsen und einer Überfülle von hellenistischen Portiken, da musste das Gerücht sich endgültig verfestigen; denn je schöner Rom wurde, desto offensichtlicher erschien es, dass der Kaiser sich unsterblichen Ruhm verschaffen wollte, indem er als Neugründer der Stadt diese völlig ummodelte. Der Zweck der Brandstiftung wäre demnach gewesen, Rom völlig umzugestalten. 33 RIC I² 73 (Nero), siehe Abb. 10 auf S. 78 in diesem Band. 34 Perassi (2002) hat ganz entschieden dafür gehalten, dass es sich hier um einen Apollo handle. Neros Versuch, die römische Kultur zu hellenisieren, stieß mithin auf heftigsten Widerstand bei der Plebs. Dazu Holland (2000) 148-158. Zu dieser Münze s. nun den Beitrag von Reinhard Wolters und Martin Ziegert in diesem Band S. 52f. 63. 67. 35 Laut anderen habe er Roms Untergang besungen (Cass. Dio 62,18,1). Es besteht auch die Möglichkeit, dass diese - grässlichere - Version später entstand, vielleicht am Ende der Regierung, als Nero für die plebs urbana der verhassteste Kaiser wurde, den sie jemals nach Caligula hatte. <?page no="288"?> Egon Flaig 280 Nero hätte die Entstehung dieses Gerüchts verhindern können. Er hat einen Fehler gemacht, der sich leicht ermitteln lässt. Er war nämlich nirgendwo an Brandstellen persönlich erschienen. 36 Während der republikanischen Zeit erwarteten die Bürger von römischen Konsuln, dass sie zur Brandstelle gingen, die Löscharbeiten persönlich beaufsichtigten oder gar organisierten. Und die Kaiser hielten es ebenso. Kaiser Claudius hatte sogar zwei volle Tage und Nächte eine Brandstätte beaufsichtigt. 37 Hätte sich Nero an den Brandstätten gezeigt, und emsig bewiesen, dass er die kaiserliche Rolle zu spielen imstande war, dann wäre das Gerücht gar nicht aufgetaucht. Insofern beruht das Gerücht auf einer Kette von semantischen Oppositionen: Es macht aus Nero denjenigen, der nicht seine politische Pflicht tut, sondern poetisch genießt. Der binäre Schematismus des Gerüchtes besteht aus vier Oppositionen, er setzt Präsenz gegen Absenz, Politik gegen Ästhetik, Kaiserpflichten gegen unrömisches Gebaren, Aktivität gegen Kontemplation. Ein Jahr nach dem Brand tat Nero den entscheidenden Schritt: Während eines nach ihm selber benannten Festes, nämlich den Neronia, trat der Kaiser erstmals öffentlich als Lyra-Spieler auf, im Theater in Rom; die Jury erkannte ihm den ersten Preis zu; und er ließ eine Statue von sich als Lyra-Spieler aufstellen. Zwischen 59 und 64 n. Chr. hatte Nero zunächst versucht, eine ‚Semi-Öffentlichkeit‘ für sein Künstlertum zu schaffen. Doch nach dem großen Brand bemühte er sich nicht mehr, die Tabus zu beachten. Anscheinend versuchte er nun, den schweren Kampf um seine ‚Imago‘ durchzufechten, indem er die negative Valorisierung der von ihm so leidenschaftlich betriebenen kulturellen Aktivität mit einem frontalen Angriff durchbrach. Doch er scheiterte. Im Theater kam es zu Auseinandersetzungen - das Publikum spaltete sich - die meisten störten den Applaus des kaiserlichen Fantrupps. Soldaten griffen ein und führten Zuschauer zur Hinrichtung. 38 Danach verließ der Kaiser die Hauptstadt und besuchte sie nur noch sporadisch. Gegen den Künstler auf dem Thron erhoben sich im Frühjahr 68 sämtliche Legionen des Westens. 39 36 S. dazu Koestermann (1968) 239. 37 Suet. Claud. 18,1. 38 S. dazu Flaig (2002) 361-374. 39 Zum Sturz Neros s. Flaig (1992) 240-292. <?page no="289"?> Die Imago des Kaisers und das Risiko für seine Akzeptanz 281 Literaturverzeichnis Adamietz (1993): Joachim Adamietz (Hg.), Juvenal. Satiren. Lateinisch - deutsch, München. 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Einleitung Zum Zeitpunkt ihrer forcierten Tode waren Nero und Domitian entgegen ihres schlechten Leumunds nicht bei allen Teilen der „maßgeblichen Sektoren des politischen System Roms“ 1 - Senatoren, stadtrömische Bevölkerung, Soldaten - unbeliebt. Davon zeugt selbst die von der negativen senatorischen Sprachregelung geprägte Historiographie. Gemäß Sueton waren die Soldaten über Domitians Tod konsterniert; 2 vonseiten der plebs urbana gab es Stellungnahmen für Nero: Entgegen der abolitio memoriae wurden noch lange Zeit nach seinem Selbstmord frische Blumen auf sein Grab gelegt sowie imagines und angebliche Edikte von ihm an öffentlichen Orten platziert. 3 Für Neros memoria im Osten sind die drei falschen Nerones relevant, 4 die zwischen 69 und 89 auftraten und Akzeptanz bei Kreisen der östlichen Bevölkerung, auch parthischen adligen „factions“, fanden. 5 König Vologeses I. soll sogar den Senat ersucht haben, das Gedenken an Nero zu pflegen. 6 Wie Champlin betont, steht hinter dem Auftreten von Prätendenten unter fal- Für die Einladung zum Kongress danke ich ganz herzlich Therese Fuhrer, Martin Hose, Ralf von den Hoff und Christian Witschel. Für hilfreiche Anregungen und Möglichkeiten zur Diskussion danke ich Marianne Bergmann, Egon Flaig, Johannes Heinrichs, Marek Jan Olbrycht und Josef Wiesehöfer. 1 Flaig (1992) 12. 2 Suet. Dom. 23,1. Es habe nur an Anführern - gemeint sind wohl die Praetorianer - gemangelt, sonst hätten sie ihn gerächt. Vgl. Leberl (2004) 9; Garzetti (1977) 280. Zu Domitians Beliebtheit bei der plebs urbana: Cass. Dio 67,4,5. 3 Suet. Nero 57,1. Vgl. Eck (2000) 853; Malitz (1999) 49; Goddard (1994) 77; Christ (1992) 239; Bradley (1978a) 293; Charlesworth (1950) 73. 4 Die Anzahl ist umstritten. Die Annahme, es handle sich um drei falsi Nerones, entspricht communis opinio, vgl. Champlin (2003) 10; Eck (2000) 854; Christ (1992) 239; Tuplin (1989); Gallivan (1973a); Millar (1964) 217f.; Bradley (1978a) 294f.; Pappano (1937). Die Gegenthese beruht auf der Vermutung, der zweite und dritte Prätendent, der jeweils von parthischer Seite unterstützt wurde, sei eine Person gewesen, vgl. Momigliano (1934) 741; Henderson (1905) 420. 5 Suet. Nero 57,2; Tac. hist. 2,8; Cass. Dio 66,19,3. Der erste falsche Nero erschien Anfang 69 in Achaia und Asia, der zweite zwischen Juni 79 und September 80 unter Titus, unterstützt vom parthischen Prätendenten Artabanos (III.), und der mutmaßliche dritte unter Domitian, zu einer Zeit, als Sueton nach eigener Angabe noch ein adulescens war. Vgl. Murison (2000) 183-185; Millar (1964) 217f. 6 Suet. Nero 57,2. <?page no="292"?> Sabine Müller 284 scher Identität der Wunsch nach der Rückkehr der betreffenden Person „who was very much missed“. 7 Neros an die östlichen Reichsteile gerichtete Schauseite seiner Repräsentation war demnach nicht erfolglos. 8 Entweder wurden bestimmte Elemente verstanden und im Sinne der Erwartung an ein kaiserliches Rollenverhalten akzeptiert oder die Erinnerung an seine Ostpolitik bot zumindest das Potential zur Verklärung und positiven Kontrastierung mit der Agenda seiner Nachfolger. Deren politische Linie - etwa die Rücknahme von Neros Vergünstigungen und stärkere Truppenpräsenz im kappadokischen Raum - hatte in den Zeiten der falsi Nerones offenbar in den Wirkungsgebieten der Prätendenten soweit für Unmut gesorgt, dass sie Zulauf fanden. 9 Der tote Nero wurde zum Symbol einer Politik, die sie und ihre Anhänger ihm in subjektiver Interpretation zuschrieben. Im Folgenden wird versucht, Neros und Domitians Herrschaftsrepräsentation aus der Perspektive der Bewohner der östlichen Reichsprovinzen zu betrachten, die in hellenistischen und iranischen Strukturen sozialisiert waren. 10 Dazu werden Elemente von Neros und Domitians Herrschaftsrepräsentation betrachtet, die entweder an östliche Bevölkerungskreise adressiert waren oder als hellenistisch-iranische Übernahmen gelten. Intention ist dabei nicht, die Tradition römischer Adaptionen aus östlichen Kulturkreisen nachzuzeichnen; seit der späten Republik und im Principat vor Nero und Domitian hatten solche Anleihen Eingang in die römische Kultur gefunden. Vielmehr wird der hypothetischen Frage nachgegangen, inwieweit östliche Reichsbewohner Nero und Domitian anhand ihrer Selbstdarstellung als ‚einen der ihren‘ - einen aus ihrem Erfahrungs- und Sozialisierungshorizont heraus akzeptanzfähigen Herrscher - erkannt hätten. Daran schließt sich die Überlegung, ob es auf dieser Basis möglich ist, Neros und Domitians diskursive Selbstverortung jenseits der senatorischen Sprachregelung differenzierter zu bewerten. 7 Champlin (2003) 10. Vgl. Tuplin (1989) 396-404; Charlesworth (1950) 72-76; Pappano (1937) 385. Siehe Millar (1964) 218 zu einer allgemeinen Deutung des Phänomens: „(...) it seems to reflect something more specific (...), namely the impact made on the population“. 8 Zur Definition von Repräsentation vgl. Weber u. Zimmermann (2003) 11f. 9 Galba forderte Neros Geschenke an olympische Kampfrichter und die delphische Pythia zurück (Cass. Dio 63,4,1-2), Vespasian machte die Proklamation in Korinth rückgängig. Unter ihm und seinen Söhnen wurde eine verstärkte Truppenpräsenz in Kappadokien gezeigt, zudem wurden Straßenbauprojekte im Osten begonnen. 69 nahm Vespasian ein Hilfsangebot der Parther gegen Judäa nicht an und kam seinerseits Vologeses gegen die Alani, eine transkaukasische Nomadenethnie, nicht zu Hilfe (Suet. Dom. 2). 70 nahm Titus parthische Vasallen aus der Adiabene gefangen, die den Judäern geholfen hatten, und führte sie beim Triumph mit. Vgl. Waldherr (2005) 231; Jones u. Milns (2003) 125f.; Tuplin (1989) 376-402; Jones (1984) 56f.; Garzetti (1977) 279. 291; Ziegler (1964) 78-81. 10 Zur Definition von Selbstdarstellung vgl. Weber u. Zimmermann (2003) 11. <?page no="293"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 285 Insgesamt ist bei der Untersuchung das grundlegende Problem der Quellenlage zum hellenistischen und iranischen Osten einzurechnen, das sich in zweifacher Weise zeigt: Erstens sind die indigenen Reaktionen auf die kaiserliche Schauseite gegenüber den östlichen Reichsteilen häufig nur durch den Filter der römischen Überlieferung oder von griechischen nichtzeitgenössischen Autoren überliefert. Bezüglich der iranischen Seite wiegt schwer, dass eine parthische Geschichtsschreibung nicht existiert und die kargen Zeugnisse aus arsakidischer Zeit für die Frage kaum instruktiv sind. 11 Die Überlieferungssituation ist somit stark einseitig. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass auch die Darstellung makedonischer und iranischer Herrscher in den literarischen Quellen zumeist aus griechisch-römischer, häufig späterer und tendenziöser Außensicht erfolgt. Die Autoren, die über Nero und Domitian berichten, kannten die Tyrannen- und ‚Barbaren‘-Topik, die auf östliche Herrscher angewandt worden war. Man muss einkalkulieren, dass sie sie auf die Kaiser übertrugen. 12 Da Rom sich 54-66 im Krieg gegen die Parther befand, Nero die Krönung des Arsakiden Tiridates zum armenischen König aufwändig in Rom inszenieren ließ und persönlich durch Griechenland ‚tourte‘, während Domitians Kontakte zum Osten keine vergleichbaren Dimensionen hatten, nimmt die Untersuchung zu Nero im Folgenden den überwiegenden Raum ein. 2. Nero und die panhellenischen Spiele Einige von Neros Maßnahmen der Selbstdarstellung erinnern an hellenistische Traditionen. Wie er die musischen, hippischen und gymnischen Agone der Juvenalia und Neronia einrichtete, 13 initiierte der Argeade Archelaos im 4. Jh. v. Chr. isolympische Spiele in Dion zu Ehren Zeus’ und der Musen. 14 Ptolemaios II. gründete um 280 v. Chr. isolympische Agone in Ale- 11 Zur Quellenlage vgl. Wiesehöfer (2005) 167-171; Heil (1997) 11f. 12 Zentrales Charakteristikum ist die Unmäßigkeit in allen Lebenslagen. Ein gängiges Element ist beispielsweise die Herbeiführung des Todes der (Ehe-)Frau (etwa Periandros von Korinth: Hdt. 3,50; 5,95), oft durch einen Tritt in den Leib während einer Schwangerschaft. Dessen wird auch Nero bezichtigt (Suet. Nero 35,3; Cass. Dio 63,28,1; Tac. ann. 16,7). Ebenso soll Kambyses II. seine Frau umgebracht haben (Hdt. 3,32,4). Bei Domitian handelt es sich um eine Variante des Topos: Er habe den Tod seiner Nichte Julia verursacht, indem er sie zur Abtreibung des gemeinsamen Kinds gezwungen habe (Suet. Dom. 22,2). In der Historizität bezweifelt von Strobel (2010) 77; Jones u. Milns (2003) 167. 13 Juvenalia: Tac. ann. 15,1; Cass. Dio 62,19-20; Suet. Nero 11,1. Neronia: Cass. Dio 63,21,1; Suet. Nero 12,3. Vgl. Christ (1992) 230f.; Garzetti (1977) 158. 14 Diod. 17,16,3-4; Arr. an. 1,11,1-2; Demosth. or. 19,192-193; Dion Chrys. 2,2. Vgl. Mari (2002) 55-58. Sie wurden noch von Alexander 334 v. Chr. vor Beginn des Persienfeldzugs gefeiert. Dion lag im makedonischen Stammland Pierien und beherbergte das größte makedonische Zeusheiligtum. <?page no="294"?> Sabine Müller 286 xandria im Rahmen der Ptolemaieia zu Ehren seines deifizierten Vaters Ptolemaios I. und seiner Mutter. 15 Des Weiteren sind hellenistische Züge bei Neros Einrichtung der Berufsclaqueure, Augustiani, nach alexandrinischem Modell vorhanden, 16 bei dem Bau der typisch griechischen Institution eines Gymnasions inklusive der für die Euergesie makedonischer Herrscher charakteristischen Ölspende, 17 dem Nero zugeschriebenen Plan der eponymen Umbenennung von Rom in Neropolis, 18 dem Bankettluxus der Domus Aurea 19 und der Divinisierung seiner im Säuglingsalter verstorbenen Tochter Claudia Augusta von Poppaea. 20 Die Analogie findet sich im frühen Ptolemäerreich: Das Kanopos-Dekret von 238 v. Chr. bezeugt die Apotheose der früh verstorbenen kleinen Tochter von Ptolemaios III. und Berenike II. 21 Besonders relevant ist Neros Auftreten gegenüber der indigenen Bevölkerung während seiner Hellasreise von Herbst 66 bis Dezember 67. 22 Er nahm als Sänger, Kitharoide, Schauspieler und Wagenlenker an den Olympischen, Pythischen, Isthmischen und Nemeischen Spielen teil. Zu diesem Zweck wurden alle Veranstaltungen auf ein Jahr gelegt, in Olympia speziell musische Wettkämpfe und bei den Isthmien Schauspielkonteste einge- 15 Syll.³ 390 (= Austin [2006] Nr. 256); Syll.³ 1080; SEG 13,351; Poseidipp. Ep. 76 AB; Ep. 88 AB. Vgl. Müller (2009) 177-180. 16 Cass. Dio 63,20,4-5; Suet. Nero 20,3; 25,1; Tac. ann. 14,15,4-5. Vgl. Malitz (1999) 46; Christ (1992) 230. Ursprünglich leitete sich dies wohl von der dionysischen Kultgemeinschaft ab, die Ptolemaios IV., der den Dionysoskult systematisierte und intensivierte, einrichtete (BGU VI 1211). Vgl. Hölbl (1994) 152. 17 Cass. Dio 63,21,1; Suet. Nero 12,3; Mart. 7,34. Vgl. Ameling (2007) 130f. 141. 18 Suet. Nero 55,1. Die makedonische Tradition der eponymen Benennung von Städten begann mit Philipp II., der 356 das thrakische Krenides in Philippoi umbenannte (Diod. 16,3,7; App. civ. 4,105; Strab. 7,33,1) und 341 am Hebrosufer Philippopolis gründete. Alexander setzte diese Tradition fort, die sich in hellenistischer Zeit zu einem Medium familiärer Selbstdarstellung im topographischen Rahmen zu entwickeln begann. Die Namen wurden gleichsam in die Landschaft eingeschrieben, Städte nach diversen Familienmitgliedern benannt. Den Anfang machte Kassander, der eine Stadt nach seiner argeadischen Frau Thessalonike benannte (Diod. 19,52,1), ihr dynastisches symbolisches Kapital somit in Szene setzte. Vgl. Müller (2009) 53f. 19 Suet. Nero 31,2 zufolge regnete es Blüten und Parfüm auf die Gäste herab. Vgl. Vössing (2004) 361. Ephippos von Olynth erwähnt in seiner Polemik über den Hof Alexanders in dessen letzter Phase mit Parfüm, süßem Wein und Kräutern besprenkelte Böden (Athen. 12,532 A). Siehe auch Athen. 5,196 B-C zum Festzelt Ptolemaios’ II. in Alexandria. 20 Suet. Nero 35,2; Tac. ann. 16,7. Vgl. Wiedemann (1996) 250. 21 OGIS 56, Z. 54-71; Austin (2006) Nr. 271. Vgl. Müller (2009) 289 m. Anm. 865. 375 m. Anm. 1398; Pfeiffer (2004) 558-560. 22 Zur Chronologie vgl. Bradley (1978b). Alcock (1994) 107 Anm. 5 weist darauf hin, dass Nero sicher auch noch kleinere Spiele besucht habe. <?page no="295"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 287 führt. 23 Wie schon zuvor in Rom nutzte Nero das Forum der Spiele als Plattform der Kommunikation mit weiten Bevölkerungskreisen und setzte diese Politik demnach konsequent in den östlichen Provinzen fort. 24 Auch wenn er im Vorhinein bereits als Sieger von angeblich insgesamt 1808 Preisen feststand: 25 Nero demonstrierte durch das strikte Einhalten des Reglements und sein hohes Engagement, 26 dass er die panhellenischen Spiele als ein traditionelles Herzstück der griechischen Kultur ernst nahm. 27 Damit präsentierte er sich nicht als Herr über unterworfene ‚Barbaren‘, von denen die römische Seite allenfalls die Steuerabgaben schätzte, sondern als römischer und zugleich als ihr Kaiser, der ihre Traditionen nicht für minderwertig hielt. Der Kunstraub, zu dem es ihn hinriss, 28 wurde sicherlich weniger begrüßt: Makedonische Herrscher hatten sich vielmehr in der Pose der Kulturretter gefallen, die geraubte Kunstwerke zurückbrachten. 29 Die Disziplin des Wagenrennens, die Nero wählte, galt als kostspieligelitär und konnte eine lange Reihe aristokratischer Teilnehmer aufweisen. 30 Einer der berühmtesten griechischen Sieger der Vergangenheit, an die Nero sich laut Tacitus anlehnen wollte, 31 war Alkibiades, der 416 v. Chr. in Olympia gleich sieben Wagen ins Rennen schickte und seine Erfolge durch Euripides besingen ließ. 32 Indes gab es einen großen Unterschied zu Nero: Die hippischen Agone wurden auch deswegen von der Aristokratie gewählt, weil sie keinen eigenen Körpereinsatz erforderten. 33 Stattdessen stellten Akteure wie Alkibiades oder Kyniska, Schwester des spartanischen Königs Agesilaos, 34 professionelle Wagenlenker, die in ihrem Namen und teilweise 23 Suet. Nero 23,1; Ps.-Lukian. Nero 2; 9. Zu den Isthmien dagegen Philostr. Ap. 4,24. Vgl. Malitz (1999) 94; Gallivan (1973b) 230f. 24 Vgl. Manning (1975) 167. Siehe auch Leberl (2004) 64-66; Goddard (1994) 79. 25 Cass. Dio 62,20,5; 21,1. 26 Suet. Nero 23,2-24,1. Zugleich widerspricht Sueton dieser Tradition, indem er Nero unterstellt, er habe heimlich versucht, seine Gegner zu bestechen. Die Preise für die Leistung als Kitharoide seien ihm schon vorher zugesandt worden: Suet. Nero 22,3. 27 Zur Bedeutung der Siege, die symbolisches Kapital für den Sieger und seine Stadt mit sich brachten: Pind. O. 1,99-100. 28 Cass. Dio 63,11,1; Paus. 10,7,1. Vgl. Waldherr (2005) 238; Alcock (1994) 99. 29 Alexander und Griechenland: Arr. an. 3,16,7-8; 7,19,2. Seleukos und Milet: Paus. 1,16,3. Ptolemäer und Ägypten: Satrapenstele, Z. 3-4; Pithomstele, Z. 11-12; OGIS 54, Z. 20-23; OGIS 56, Z. 10-11. 30 Vgl. Heftner (2011) 76. 31 Tac. ann. 14,14,1. Es sei eine königliche Kunst gewesen, die von führenden Persönlichkeiten aus alter Zeit ausgeübt, von Dichtern verherrlicht und den Göttern zu Ehren veranstaltet worden sei. 32 Thuk. 6,16,2; Plut. Alkibiades 11,1-3. Er gewann auch bei den Pythischen und Nemeischen Spielen (Athen. 12,534 D). Vgl. Heftner (2011) 75-79; Verdegem (2010) 171- 173; Vickers (2008) 123. 33 Vgl. Heftner (2011) 76. 34 Paus. 3,8,1; 15,1; Plut. Agesilaos 20,1. <?page no="296"?> Sabine Müller 288 mit Pferden aus ihren Gestüten antraten. 35 Der Sport erforderte zeitintensives, regelmäßiges Training und war etwas für Profis. Nero soll dies trotz seines Ehrgeizes am eigenen Leib erfahren haben, als er in Olympia die Kontrolle über seinen Zehnspänner verlor und in die Bahn geschleudert wurde. 36 Auch ein Vergleich mit den makedonischen Herrschern hinkt: Zwar gehörte die auf Außenwirkung kalkulierte Teilnahme an hippischen panhellenischen Agonen in argeadischer und hellenistischer Zeit zur jeweiligen Hellaspolitik. Doch auch die Makedonen ließen für sich siegen. Als einzige Ausnahme ist der erste argeadische Teilnehmer, Alexander I., zu nennen, der in Olympia als Läufer antrat. 37 Das Datum ist umstritten; 38 am plausibelsten erscheint jedoch, dass er 476 v. Chr. im Kontext seiner Annäherung an die griechischen Poleis auftrat, nachdem er als persischer Verbündeter im Xerxeszug gegen den hellenischen Bund verloren hatte. 39 Da es für ihn galt, in einer politischen Kehrtwende sein Reich aus der prekären Lage zu retten, war die Anerkennung seiner hellenischen Gesinnung und Herkunft elementar. 40 Er nutzte das Forum der Spiele, um vor weiten Kreisen einen Dynastiemythos zu propagieren, wonach seine Familie aus Argos kam und sich auf Herakles, Hellas’ Wohltäter, zurückführte. 41 Es ist zu betonen, dass Alexanders Herrschaft keine Autokratie war, deren distanzierende Repräsentationselemente ein persönliches Antreten eigentlich ausgeschlossen hätten. 42 Die Verbindung mit Xerxes hatte ihm zwar die Möglichkeit gegeben, seiner Position mehr Profil zu verleihen, doch bekleidete er gegenüber den einflussreichen adligen „factions“ die fragile Stellung eines primus inter pares, 43 35 Vgl. Heftner (2011) 76; Vickers (2008) 123; Alcock (1994) 100. 36 Suet. Nero 24,2; Cass. Dio 63,14,1. Dennoch wurde er zum Sieger erklärt. 37 Hdt. 5,22,2. 38 Vgl. Zahrnt (1992) 253f. Die Datierung schwankt von 505/ 500 bis 476 v. Chr. 39 Makedonien hatte sich der persischen Oberhoheit um 510 v. Chr. unterworfen (Hdt. 5,18; Iust. 7,4,1). Alexanders Schwester heiratete ins persische Königshaus ein (Hdt. 5,21,2). Alexander propagierte seine prestigiöse Verbindung mit den Achaimeniden auf seinen Münzen vgl. Heinrichs u. Müller (2008) 292-295. Zum ‚Philhellenen‘ wurde er erst, als die Perser sich zurückgezogen hatten. Herodots Berichte, er habe während des Kriegs heimlich zu Hellas gehalten (Hdt. 7,143,3; 8,136,1-2; 140-142,1), sind als spätere retuschierende Propaganda zu werten. 40 Hdt. 5,22,2; Iust. 7,2,14. 41 Hdt. 8,137-139. Vgl. Thuk. 2,99,3. Es wird vermutet, er habe Vertreter von Argos bestochen, dies zu bestätigen. Vgl. Mari (2002) 36. Zu Olympia als dem Ort im 5. Jh. v. Chr., an dem man die größtmögliche Öffentlichkeit erreichte, wenn auch ironischparodistisch: Lukian. Hdt. siv. Aet. 1-2. 42 In diesem Sinn ist auch Plut. Alexander 4,5-6 zu deuten, wonach Alexander auf einen Antritt bei den olympischen Spielen verzichtet habe, weil er dort nicht gegen andere Herrscher habe antreten können. Die Tradition wird unhistorisch sein, reflektiert aber die Gründe für den Verzicht eines autokratischen Monarchen. 43 Vgl. Heinrichs u. Müller (2008) 289-291. <?page no="297"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 289 auf welche die führenden Adelsclans selbst noch Philipp II. und Alexander festzulegen versuchten. Bei Alexander I. lag somit ein Sonderfall vor. Die anderen Mitglieder makedonischer Herrscherhäuser finanzierten ebenso wie die griechischen Aristokraten professionelle Wagenlenker. So wurde Philipp II. während der Belagerung von Poteidaia 356 sein olympischer Rennsieg gemeldet, den er auf zwei Münzserien verewigen ließ. 44 Eventuell war dies auch der Anlass für die Umbenennung seiner Frau Myrtale/ Polyxena, die im selben Jahr Alexander geboren hatte, in Olympias. 45 Nach Chaironeia stand die makedonische Hellaspolitik unter anderen Vorzeichen. Philipp machte dies deutlich, indem er im heiligen Hain von Olympia das ‚Philippeion‘ errichten ließ, das im Inneren eine Skulpturengruppe seiner Familie barg: Er war nun Hegemon über Griechenland. 46 Entsprechend nahm Alexander nicht an panhellenischen Spielen teil; die Herrschaft über Hellas machte es politisch wohl nicht mehr erforderlich. 47 Das makedonische Interesse flammte erst unter den Diadochen und ihren Nachfolgern wieder auf, als erneut um die Kontrolle über Griechenland gekämpft wurde. Die Spiele boten sich als Plattform der philhellenischen Selbstprofilierung sowie als legitimierendes Medium der Anknüpfung an die Argeaden an. 48 Zeugnisse für die Bedeutung der panhellenischen Spiele in der hellenistischen Herrschaftsrepräsentation stammen vor allem aus dem frühen Ptolemäerreich: Die Dichter Kallimachos von Kyrene und Poseidippos von Pella verherrlichen Wettkampfsiege von Ptolemäern und Ptolemäerinnen. 49 So lässt Poseidippos in einem Epigramm Ptolemaios II. sprechen: 50 44 Plut. Alexander 3,4-8; 4,9; mor. 105 A. Vgl. Mari (2002) 80f. Die frühere Serie zeigt Zeushaupt (Av.) und makedonischen Reiter mit Palmenzweig des Siegers (Rv.), die spätere Serie Apollonkopf (Av.; wohl der Bezug zu Philipps Propaganda im Dritten Heiligen Krieg: Iust. 8,2,3) und Lenker einer Biga (Rv.). 45 Plut. mor. 401 A-B. Vgl. Heckel (1981) 79-86. 46 Paus. 5,17,4; 20,9-10. Die Gruppe aus goldverziertem weißen Marmor (nicht, wie Pausanias fälschlich behauptet, Elfenbein) zeigte Philipp II., seine Eltern, Olympias und Alexander. 47 Ps.-Kallisthenes 1,18-19 ist als unhistorisch zu deuten. Vgl. Mari (2002) 232. 48 Kassander übernahm etwa den Vorsitz bei den Nemeiischen Spielen (Diod. 19,64,1). 49 Inschriften und literarische Erwähnungen von Siegesstatuen lassen erkennen, dass die Gedichte ‚echte‘ Siege widerspiegeln (Paus. 6,15,9-10; 16,2; 16,9; 17,3; 10,7,8). Vgl. Bennett (2005) 91. 50 L [ ] I E #F š#/ 6 • ` L 6 6 1. a $ Q [Z] # 1 , $ ^ P[ ], X , / I . - - $ - ! # , ##’ & " a# ` , 3 (Poseidipp. Ep. 88 AB) (Übers. Müller). Vgl. Müller (2009) 229-242. Ich danke Francesca Angiò herzlich für die Möglichkeit der Diskussion des Epigramminhalts. <?page no="298"?> Sabine Müller 290 „Als erste und einzige waren wir drei Könige in Olympia im Wagenrennen siegreich, die Eltern und ich. Von ihnen komme ich, Ptolemaios’ Namensvetter, Sohn der Berenike, aus Eordaia stammend, und meine beiden Eltern. Zum großen Ruhm meines Vaters füge ich den meinen hinzu, aber dass meine Mutter als Frau einen Rennsieg errungen hat, ist eine ganz große Sache.“ Vor dem erörterten Hintergrund ist zu folgern, dass Nero der Bevölkerung bei seiner Hellasreise zwar ein breitenwirksames Spektakel bot, dabei jedoch nur bedingt in hellenistischer Tradition stand. Sein Auftreten entsprach nicht den kulturellen Vorgaben eines Herrschers auf dem Erfahrungs- und Sozialisierungshintergrund der Zuschauer. Makedonische Monarchen hatten als Schirmherren der Spiele oder Sponsoren von Sportlern eine entscheidende Distanz gewahrt. 51 Vielleicht hinterließ aber auch gerade wegen dieses Unterschieds Neros öffentliches Erscheinen als ‚unmittelbarer‘ Kaiser einen besonders nachhaltigen Eindruck. Davon mag das Phänomen der falsi Nerones zeugen, die als Sänger und Kitharoiden aufgetreten sein sollen. 52 Anscheinend wurden diese Elemente von Neros „public profile“ im kollektiven Gedächtnis als seine Markenzeichen verstanden und erinnert. Wenig zufällig erscheint, dass der erste Prätendent seinen Zug in Achaia begann, 53 Neros griechischem Wirkungsgebiet. Bezüglich Neros triumphaler Rückkehr aus Hellas wirkt seine mit Goldsternen bestickte Chlamys wie eine hellenistische Anleihe. 54 In der Schatzkammer Mithradates’ VI. soll sich ein solcher makedonischer Schultermantel befunden haben, angeblich aus Alexanders Besitz, den Pompeius als Trophäe beim Triumph über Asien getragen haben soll. 55 Indes ist nicht für Alexander eine Sternenchlamys bezeugt, sondern für Demetrios Poliorketes. 56 Skepsis ist angebracht: Demetrios’ literarisches Porträt ist von der Sprachregelung seiner Bezwinger entstellt, die ihn als dekadentesten aller Diadochen schildert. 57 Der Prachtmantel ist Symbol der ihm zugeschriebe- 51 Nicht einmal die Siege ptolemäischer Höflinge waren wohl selbst eingefahren (Poseidipp. Ep. 74 AB; Paus. 5,8,11). 52 Dies ist von den ersten beiden Prätendenten bekannt (Tac. hist. 2,8; Cass. Dio 66,19,3). Vermutlich trat auch der dritte falsche Nero als Sänger und Kitharoide in Erscheinung, doch Suetons knapper Bericht (Nero 57,2) verrät dies nicht. 53 Tac. hist. 2,8. 54 Suet. Nero 25,1. Von einem Sternenmotiv berichtet auch Cass. Dio 63,6,2: Als Tiridates’ Krönung im Theater gefeiert wurde, bestand der Sonnenschutz aus purpurnen Vorhängen mit dem Bild Neros als Wagenlenker zwischen goldenen Sternen. 55 App. Mithr. 117; Plin. nat. 7,95. Ursprünglich sollen die Ptolemäer ihn aufbewahrt und auf Kos deponiert haben. 56 Plut. Demetrios 41,4-5; Athen. 12,535 F-536 A (Quelle ist Duris von Samos, der eine moralisierende diadochenfeindliche Tendenz zeigt). Der Mantel soll besonders prachtvoll und mit den Planeten und Tierkreiszeichen versehen gewesen sein. 57 Siehe etwa Athen. 13,577 C-F; 579 A-581 D-E; Plut. Demetrios 23,3-24,5; 27; 41,3-4; 44,3- 7; 52,3-4. <?page no="299"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 291 nen negativen J . 58 In Plutarchs als Depravationsgeschichte angelegten Vita steht er für Demetrios’ Hybris nach der Diademannahme, die ihn die Unterstützung der makedonischen Truppen gekostet habe. 59 Da die Sternenchlamys unvollendet blieb, ist sie zugleich Sinnbild seiner gescheiterten Reichspläne, Teil seines angeblichen Theaterprunks, mit dem er wie ein Schauspieler versucht habe, als König zu erscheinen, ohne wahres königliches Verhalten zu zeigen. 60 Auch in Neros Fall scheinen die antiken Autoren von einer Verkleidung auszugehen - der Kaiser als Weltherrscher -, die im Widerspruch zu seinen tatsächlichen Fähigkeiten und Leistungen stand: Er kehrte nicht mit militärischen, sondern mit künstlerischen Erfolgen zurück. Statt von einer imitatio hellenistischer Vorgaben durch Nero ist somit eher von der Adaption literarischer Modelle in den Quellen auszugehen. Zudem war auch in hellenistischen Strukturen die Legitimation des Herrschers über militärische Erfolge zentral. 61 Es ist umstritten, inwieweit Nero, dem die antiken Historiographen jegliches politische Interesse absprechen, 62 jenseits persönlicher Ambitionen eine kulturpolitische Agenda verfolgte. So wird vermutet, er habe honos und virtus des Princeps im Sinne künstlerischer Qualitäten neu definieren, die Kultur der Ostprovinzen aufwerten und integrieren wollen. 63 In jedem Fall ist seinen Auftritten ein politischer Charakter nicht abzusprechen. 64 Auch auf Münzserien Neros, die sowohl im Westen als auch in Teilen des Ostens kursierten, erscheint Apollon schreitend oder sitzend als Kitharoide beim 58 Vgl. Müller (2010b) 563f. Auf dem Porträt seiner Tetradrachmen ist weder das für ihn literarisch bezeugte prächtige Doppeldiadem (Athen. 12,536 F-536 A; Plut. Demetrios 41,4) zu sehen noch der Sternenmantel. 59 Plut. Demetrios 42,1; 44,6-7. Sie liefen zu Pyrrhos über. 60 Plut. Demetrios 41,3-5. Interessanterweise wird der Mantel anscheinend auch bei seinen späteren Besitzern literarisch zum Sinnbild ihres Versuchs stilisiert, in zu große Fußstapfen zu treten: Alexanders Spuren. Mithradates VI. verlor den Mantel im Kampf gegen die Römer; Pompeius trug ihn, als er beim Triumph mit seinem Elefantenwagen nicht durch das Tor passte (Plut. Pompeius 14,4). 61 Vgl. Müller (2011) 159-163. 168f. Ein triumphaler Einzug eines Herrschers ohne den Hintergrund eines militärischen Erfolgs wäre in makedonischen Strukturen wohl auch problematisch gewesen. Als prototypisch galt Alexanders Einzug in Babylon (Curt. 5,1,20-22). 62 Explizit: Suet. Nero 18,1; 25,3. 63 Akkulturation statt Eroberung: Tuck (2005) 241 (er sei an der militärischen Bewährung als zentralem Legitimationsfaktor gescheitert); Waldherr (2005) 241f. (Intention der Kreation einer Weltkultur für einen neuen Weltherrscher); Champlin (2003) 210-234; Malitz (1999) 50. 95f.; Alcock (1994) 106; Griffin (1984) 143-163; Syme (1958) 519 (Nero scheiterte an dem Dualismus). Keinerlei solche politische Agenda, sondern reines persönliches Künstlertum: Elbern (2010) 115; Christ (1992) 229f. 235. 241. Beziehungsweise ein Ausdruck von Selbstlob und naiver Egozentrik: Bergmann (2002) 281-283. 64 Vgl. Witschel (2004) 2. <?page no="300"?> Sabine Müller 292 Vortrag, 65 eine Abwandlung des Apollonmotivs auf augusteischen Münzen. 66 Wolters hat herausgestellt, dass Münzbildmotive vorhandene Vorstellungen von der Regierung in der Bevölkerung verstärkten und auf die Erwartungshaltung an den Kaiser Bezug nahmen. 67 Nero hatte diese Linie mit seinen öffentlichen Auftritten vorgegeben. Indes ist umstritten, ob der musizierende Apollon mit ihm identifiziert werden sollte. 68 Sein Image als Künstler-Kaiser prägte die Erinnerung an ihn allerdings so nachhaltig, dass Sueton dies tat. 69 In senatorischer Sicht deklassierte Nero sich gründlich mit seiner Art der Selbstprofilierung. 70 Das Fehlen der eigenen militärischen Leistung wird es seinen Kritikern noch leichter gemacht haben, ihn auf das selbst propagierte Image des Kitharoiden zu reduzieren. Der jüngere Plinius äußert sich abwertend zum schauspielernden Kaiser, 71 Tacitus prangert Neros Auftritte als anstößig, schändlich und unmännlich an. 72 Übereinstimmend berichten die Quellen von beschämten Aristokraten, die von Nero bei den Juvenalia auf die Bühne gezwungen wurden. 73 Das Gerücht, der Kaiser habe in seiner späten Phase sogar überlegt, beim Ringkampf anzutreten, 74 verdeutlicht, wie weit er nach Einschätzung seiner Standesgenossen von einem adäquaten öffentlichen Verhalten abgekommen war: Gymnische Agone, assoziiert mit Nacktheit, galten als dubios und unrömisch. 75 65 Apollon als Kitharoide in Patras (RPC I 1275), Thessalien (RPC I 1433; 1439), Perinthos in Thrakien (RPC I 1752). 66 Auf Münzen des Augustus, der Apollon zu seinem besonderen Schutzgott stilisiert hatte (Verg. Aen. 8,704-705), ist der Gott beim Opfern oder mit Kithara dargestellt, jedoch nicht auftretend. 67 Vgl. Wolters (2003) 201. In diesem Kontext ist wohl auch das Phänomen auf einigen im Rheinland gefundenen Denaren mit Neros Porträt zu verorten, die zwei Einhiebe auf Neros Kehle zeigen, vgl. Heinrichs (2007) 97: „Damit sollte offensichtlich nicht simpler Unmut, sondern Spott über die eitlen Sangeskünste des (toten? ) Kaisers zum Ausdruck gebracht werden“. 68 Vgl. Shotter (1996) 52. Warmington (1969) 121 geht von einem Porträt Neros als Apollon aus. Ebenso Malitz (1999) 48. 69 Suet. Nero 25,2. 70 Vgl. Malitz (2004); (1999) 41; Edwards (1994) 87-93 (Neros Rollenspiele habe die Authentizität politischer Akteure bei römischen Herrschaftsträgern in Frage gestellt); Warmington (1969) 108; Syme (1958) 517. 71 Plin. paneg. 46,4; 54,1. 72 Tac. ann. 14,14; 15,1; 16,4. Zur Verweiblichung als Element der Dekomposition Neros bei Cassius Dio vgl. den Beitrag von Verena Schulz in diesem Band S. 413-415. 73 Tac. ann. 14,14,2; 15,65; Suet. Nero 11,1; Cass. Dio 61,19,1-4. Selbst eine achtzigjährige Dame musste demnach bei einer Pantomime mittanzen. Auch soll Nero denjenigen, die ihre Identität schützen wollten, die Masken heruntergerissen und sie dem Gespött preisgegeben haben. 74 Suet. Nero 52,1. 75 Vgl. Malitz (1999) 47; Warmington (1969) 115f. <?page no="301"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 293 In Roms Führungsschicht wurden auch musische, vor allem literarische Begabungen gepflegt, jedoch nur im engen Kreis der Standesgenossen vorgeführt. 76 Schauspielerei, Musizieren und Tanzen auf der Bühne, Wagenlenken, Bildhauerei und Malerei, wofür Nero sich auch interessierte, 77 hielten römische Aristokraten für inakzeptabel und diskreditierend. 78 Es stellt sich die Frage nach der griechisch-makedonischen Sicht. Der griechisch sozialisierte Cassius Dio verurteilt Neros öffentliches Ausleben seines Künstlertums ebenso scharf wie Tacitus und Sueton. 79 Dies tat er sicher nicht nur, weil er ebenfalls die senatorische Sprachregelung vertrat: Ein Monarch, der vor Massen den Vortragskünstler gab, widersprach den Herrschafts- und Repräsentationsstrukturen der griechisch-makedonischen Kultur. 3. Nero und der Topos des Herrschers als Vortragskünstler Die Förderung von Kunst und musischen Agonen, ebenso wie von Wissenschaft, war wichtiges Medium makedonischer herrschaftlicher Selbstdarstellung. Seit den frühen Argeaden wurden griechische Künstler an den makedonischen Hof geholt. 80 Im Hellenismus bauten die Attaliden Pergamon, die Ptolemäer Alexandria zu Kulturmetropolen aus. 81 Auch wenn Mäzenaten- 76 Vgl. Malitz (2004); (1999) 41f. 44; Jones u. Milns (2003) 125; Charlesworth (1950) 70. 77 Tac. ann. 13,3; Suet. Nero 52,1. 78 Tac. ann. 14,21; 16,4,3-4; Plin. paneg. 46,4; 54,1; Nep. Epam. 1,2 (Musizieren und Tanzen sei für römische Politiker ein Laster). Vgl. Elbern (2010) 112; Malitz (2004); (1999) 42; Jones u. Milns (2003) 141; Eck (2000) 852; Barton (1994) 52. Die Assoziation mit Bühnenkünstlern, die als effeminiert und anrüchig galten, konnte schon den Ruf schädigen. Vgl. Barton (1994) 52; Edwards (1994) 83-86. In der Republik ist das Beispiel von Sullas angeblichem Lotterleben einschlägig: Plut. Sulla 2,2; 36. 79 Cass. Dio 63,1,1; 9,1-10,1. Auch in der pseudo-lukianischen Schrift Nero wird Nero als Fremdherrscher dargestellt, der sich auch durch seinen Gesang als problematische Figur erweist: ein Tyrann mit Ansätzen von Hybris (Ps.-Lukian. Nero 2). Vgl. Whitmarsh (1999) 146. 148f. 80 Insbesondere bei den Argeaden wird dies ein weiterer Aspekt ihrer Hellaspolitik gewesen sein. Alexander I. lud Pindar, Aischylos und weitere Künstler ein (Dion Chrys. 2,33), Archelaos bat Euripides, Agathon, Choirilos und den Harfenspieler Timotheos von Milet zu sich (Ail. var. 2,21; 13,4; Athen. 8,345 D; Suda s. v. Choirilos; Diog. Laert. 2,25; Plut. mor. 177 B). Philipp II. holte die Historiographen Theopompos und Anaximenes von Lampsakos sowie die Philosophen Xenokrates und Aristoteles nach Pella (Diog. Laert. 4,8-9; Athen. 6,260 B-261 A; Plut. Alexander 8,3-4). An Alexanders Hof lebten viele Künstler (Athen. 6,250 F; 12,538 F) und Literaten, etwa der Historiograph Kallisthenes von Olynth (Plut. Alexander 55,4-5) der Philosoph Anaxarchos von Abdera (Arr. an. 4,9,9) und der berühmte Kitharoide Aristonikos von Olynth (Arr. an. 4,16,6-7). Vgl. Barker (2000) 443. 81 Athen. 1,3 B; 5,203 D; Plin. nat. 35,10-11. Über das Datum der Gründung und den Gründer gibt es aufgrund der fehlenden Quellenbelege keine Einigkeit. In Frage kom- <?page no="302"?> Sabine Müller 294 tum, teils auch eigene Schriftstellerei wie etwa bei Ptolemaios I., 82 zum Image eines hellenistischen Herrschers gehören konnte, traf dies nicht auf öffentliche Bühnenauftritte als Schauspieler, Tänzer, Sänger oder Musiker zu. Argeaden, Diadochen und ihre Nachfolger ließen vielmehr professionelle Künstler im agonalen und symposialen Rahmen auftreten, stifteten ihnen mitunter Denk- oder Grabmäler, 83 übernahmen ihre Rolle aber nicht selbst. 84 Angleichungen des Herrschers an Apollon, wie etwa bei Ptolemaios II. in der höfischen Dichtung, beziehen sich auf dieses Mäzenatentum, die Patronage der Künste, nicht auf eigene Vortragskunst. 85 Überdies war Apollon in der makedonischen Kultur aufgrund seiner Inanspruchnahme durch die Propaganda Philipps II. im Dritten Heiligen Krieg und Alexanders während der Eroberung Kleinasiens auch mit militärischen Aspekten assoziiert, 86 was sich die Seleukiden in ihrem Gründungsmythos mit Apollon als Stammvater zunutze machten. 87 Nero beschwor Apollon dagegen primär als „Gott der Kultur“. 88 Plutarch macht am Beispiel von Demetrios Poliorketes deutlich, was im griechischen Diskurs den guten Herrscher ausmachte: In seinen tugendhaften Anfängen habe der begabte Demetrios sich in seiner Freizeit nicht mit Flötenspiel, Malerei, Drechseln oder Bildhauerei beschäftigt, sondern mit Erfindungen für Schiffsbau und Kriegsgeräten. 89 Der Herrscher sollte demnach primär seine Aufgabe als Landesschützer und Kämpfer verinnerlichen. Als negatives Gegenbeispiel nennt Plutarch Attalos III. von Pergamon, den letzten Attaliden, der laut antiker Tradition tyrannisch, politisch unfähig und gegen Ende mental indisponiert gewesen sei und die Amtsgeschäfte zugunsten von Gärtnern, Bildhauerei und Architektur vernachlässigt habe. 90 Wahrscheinlich konnten künstlerische Vorträge makedonischer Herrscher im geschlossenen höfischen Kreis vorkommen, worauf auch die antiken Quellen hinweisen - allerdings in entstellender Weise im Kontext moralisierender Dekadenzschilderungen. Die folgenden Beispiele zeigen, dass es men Ptolemaios I. und Ptolemaios II. Vgl. Müller (2009) 206f. Zu Pergamon vgl. Schalles (1985). 82 Zu weiteren Beispielen vgl. Wirth (2005) 363. 83 Plut. mor. 334 F-335 A (Alexander weihte dem Kitharoiden Aristonikos eine Statue in Delphi); Paus. 1,44,6 (Alexanders Schwester Kleopatra stiftete das Grab des Flötenspielers Telephanes von Samos). 84 Vgl. Elbern (2010) 115. 85 Z. B. Kall. h. 4,165-169. Vgl. Müller (2009) 189. 243f. 86 Philipp II.: Iust. 8,2,3. Vgl. Müller (2010a) 173. Alexander: Strab. 17,1,43; Rückgriff auf das Motiv: Strab. 11,11,4; Curt. 7,5,28-35. 87 Iust. 15,4,3-6. 88 Burkert (2011) 223. Siehe Sen. apocol. 4,1-2; Tac. ann. 14,14; Cass. Dio 63,20,2-6; Ps.- Lukian. Nero 2. Vgl. Champlin (2003) 114-116. 89 Plut. Demetrios 20,1-2. 90 Plut. Demetrios 20,2; Iust. 36,4,3-5; Plin. nat. 18,22; Diod. 34,3. <?page no="303"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 295 in griechisch-römischer Literatur ein Negativmodell des makedonischen Herrschers als Vortragskünstlers gab, das auf Nero übertragen werden konnte. Theopompos zeichnet, ähnlich wie Demosthenes, ein Zerrbild vom Hofleben Philipps II., der sich demnach einzig mit verkommenen Gaunern umgeben habe, die nichts anderes getan hätten als zu zechen, würfeln, prassen und anderen üblen Lastern wie dem Tanz nachzugeben. 91 Moralischer Tiefpunkt der Schilderung ist Philipps Ansinnen, selbst für die Unterhaltung seiner verdorbenen Festgesellschaft zu sorgen, indem er betrunken tanzte und Witze erzählte. 92 Dies wird ultimativ in der Tradition gesteigert, wonach Philipp auch noch für die Thessaler getanzt haben soll, die in der griechischen Literatur seiner Zeit als „licentious hedonists“ 93 galten, die schlimmsten Sittenverbrecher von allen. In Theopompos’ Polemik hingen demnach Trunksucht, Unmoral und Philipps Darbietungen unmittelbar zusammen. In einem ähnlichen Kontext steht die Überlieferung, Alexanders betagter General Polyperchon, später Kassanders Widerpart in Makedonien, habe trotz seines hohen Alters in betrunkenem Zustand immer in effeminierter Gewandung zu tanzen begonnen. 94 Der Seleukide Antiochos III., Roms Kriegsgegner, als luxussüchtiger Trinker dargestellt, 95 soll bei seinen Banketten makedonische Waffentänze aufgeführt und seine philoi zum Mittanzen gezwungen haben. 96 Auch für Alexandria gibt es ein Beispiel: Strabon zufolge trug Ptolemaios XII. den Beinamen Auletes (Flötenspieler), weil das Flötenspiel eines seiner vielen Laster gewesen sei, auf das er sich so viel eingebildet habe, dass er im Palast bei eigenen Wettbewerben angetreten sei. 97 Der historische Kern dieser topischen Abwertung Ptolemaios’ XII. als eines politisch untauglichen Herrschers - gemäß Strabon einer der drei schlechtesten ptolemäischen Könige überhaupt - ist vermutlich im Kult für 91 Athen. 5,167 A-C; 206 D; 260 A-F; 10,435 A-C; Demosth. or. 2,19. Vgl. Müller (2010a) 173f.; Pownall (2009) 245 Anm. 43. Zum tanzenden Nero: Suet. Nero 54,1. 92 Athen. 6,260 A-C. Vgl. Milanezi (2000) 407. 409. 93 Pownall (2009) 239. Vgl. Athen. 12,527 A. Siehe auch Flower (1994) 122. 94 Athen. 4,155 C. Die Erwähnung, er habe dafür ein safrangelbes Gewand und sikyonische Schuhe angezogen, deutet auf einen dionysischen kultischen Kontext hin, vgl. Herondas Mim. 8,26-33. Duris stellt Polyperchons Tanz indes als Symptom für die angeblich unmäßigen makedonischen Trinksitten dar. Mit „cross-dressing“ ist Tanzen auch in Athen. 6,252 D-E verbunden: Hierax von Antiocheia, ein Schmeichler Ptolemaios’ VIII., spielte demnach Flöte für Tänzer in Frauengewändern. Auch die Perserkönige als traditionelle Negativbeispiele werden mit Tanz verbunden: Laut Duris betrank sich der Großkönig jährlich einmal zu Ehren von Mithras und führte dann als einziger im Reich einen Tanz auf. Die Perser würden von Kindheit an tanzen lernen (Athen. 10,434 D-F). Siehe dagegen Hdt. 1,136,2. 95 Plut. Philopoimen 17,16; Liv. 36,11,1-4; Pol. 20,8,1-5; App. Syr. 16; 19; Athen. 10,43 E-F. 96 Athen. 4,155 B. 97 Strab. 17,1,11. <?page no="304"?> Sabine Müller 296 den dynastischen Stammvater Dionysos zu suchen. Das Epitheton Auletes war sicher nicht negativ konnotiert, sondern mit Ptolemaios’ Kulttitel Neos Dionysos assoziiert. 98 Die Flöte war ein charakteristisches Instrument des Dionysoskults, 99 der zu Zwecken herrschaftlicher Legitimation und als Loyalitäts- und Integrationsmittel für die Höflinge zelebriert wurde. 100 Falls Ptolemaios XII. sich im Palast als Flötenspieler gezeigt haben sollte, wird es in diesem eminent politischen Kontext seiner Inszenierung als Dionysos Epiphanes geschehen sein. Auch für Alexander lassen sich Zeugnisse finden, die ihm eigene Kunstausübung zuschreiben. Aischines erwähnt, dass er 346 v. Chr. als Zehn- oder Elfjähriger bei einem Bankett für die athenischen Gesandten in Pella zur Kithara Verse rezitierte. 101 Vermutlich führte Philipp II. seinen kleinen Sohn als Teil seiner an die Griechen gerichteten Schaupolitik vor, um die hellenische Kultiviertheit seines Hofs zu demonstrieren. Abermals handelt es sich um einen geschlossenen Kreis aus hochrangigen Zuhörern in höfischer Umgebung. Dennoch scheint selbst ein solchermaßen reglementierter Auftritt Gefahren geborgen zu haben, wenn einem jemand übel wollte: Aischines zufolge nutzte Demosthenes Alexanders Auftritt als Kitharoide prompt dazu, dem Kind Unsittlichkeit zu unterstellen und seine Moral anzuzweifeln. 102 Einem Gerücht zufolge soll Alexander sich später auch als Dichter betätigt und das Satyrdrama Agen verfasst haben, das die Ausschweifungen seines Schatzmeisters Harpalos mit seinen Hetären in Babylon verspottete. 103 Die Tradition entstand wohl im Kontext der athenischen Verarbeitung von Harpalos’ Flucht nach Athen 324 und dem folgenden Bestechungsskandal und richtete sich gegen ihn und Alexander gleichermaßen. Ebenfalls in einem negativem Zusammenhang steht die Erwähnung, Alexander habe während seines letzten Banketts eine Szene aus Euripides’ Andromache vorgeführt. 104 Die Quelle, wohl ein makedonenfeindliches Pamphlet, 105 verortet 98 Vgl. Huß (2001) 675 m. Anm. 20 u. 21; Hölbl (1994) 196. 99 Vgl. Huß (2001) 675. 100 In übersteigerter, karikaturhafter Form reflektiert bei Lukian. Calumn. 16. 101 Aischin. Tim. 168. 102 Demosthenes habe ihm unterstellt, zweideutige Verse an einen anderen Jungen gerichtet zu haben. Trotz Aischines’ Opposition zu Demosthenes ist die Aussage angesichts Demosthenes’ Haltung zu Philipp II. und Alexander (vor Gaugamela) nicht unglaubhaft. 103 Athen. 13,586 D; 595 E. Vgl. Müller (2011) 567 m. Anm. 57; Jaschinski (1981) 35f. 104 Athen. 12,537 D. Vielleicht eine Tradition, die auf die Episode des Kleitosmordes Bezug nimmt, als Kleitos aus Andromache zitiert haben soll (Arr. an. 4,8,5; Curt. 8,1,28f.; Plut. Alexander 51,5). 105 Vgl. FGrHist II D, 440. Der Autor trägt den weiblichen Namen Nikobule, vermutlich ein Pseudonym. <?page no="305"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 297 dies in einer Szenerie der Depravation: Er habe in aggressiver Weise ungemischten Wein getrunken und den Gästen aufgezwungen. In summa sind jenen Fällen makedonischer aristokratischer Auftritte als Musiker, Tänzer oder Schauspieler gemeinsam, dass sie in moralisierender Außensicht mit Sittenverfall, zumeist auch Trunksucht und einem despotischen Verhalten in Zusammenhang gebracht werden. Allerdings finden sie im symposialen Kontext vor einem höfischen Kreis statt. Dies wird auch dem historischen Kern hinter den moralisierenden Verfremdungen entsprochen haben. Da Nero vor einer breiten Öffentlichkeit auftrat, ist abermals zu konstatieren, dass er der Bevölkerung von Achaia eine Show geboten haben wird, damit aber nicht in der Tradition makedonischer Herrscher stand. 106 Neros Proklamation in Korinth und der Plan des Kanals durch den Isthmos 67 in Korinth proklamierte Nero gnädig die Freiheit für Achaia als Geschenk seiner immensen Großzügigkeit. 107 Bereits der römische Vorläuferakt, Titus Quinctius Flamininus’ Freiheitserklärung bei den Isthmien 196 v. Chr. nach dem Sieg über Philipp V., stand in hellenistischer Tradition, die ihren Ausgang in der Diadochenzeit hatte. 108 Die Parole der Bewahrung oder Restitution der griechischen eleutheria wurde im Kampf um die Kontrolle über Hellas von verschiedenen Akteuren instrumentalisiert, weil sie trotz ihrer Formelhaftigkeit - meist löste ein Fremdherrscher den anderen ab - nicht an Schlagkraft bei der griechischen Bevölkerung verlor. 109 Erstmals hatte Polyperchon 319 v. Chr. im Namen von Philipp III. und Alexander IV. die Freiheit der griechischen Städte durch den Sturz der von Antipatros und Kassander eingesetzten Oligarchien verkündet - indes ohne die makedonischen Garnisonen abzuziehen. 110 Geschickter ging Antigonos 315 mit der Proklamation von Tyros vor, wonach alle Griechen frei, autonom und ohne fremde Besatzung sein sollten. 111 Gemeint war indes die Freiheit von Kassanders Kontrolle zugunsten Antigonos’ eigener Bestrebungen. Dennoch erwies sich sein Auftreten als Philhellene als effektiv. Für seine weithin verkündete Leistung, dass die griechische Freiheit in den Frieden von 311 aufgenommen 106 Wie es Barker (2000) 444 für Athenaios’ intellektuellen Kontext auch feststellt: Die hochrangigen Gäste eines Symposions sprachen über berühmte Musiker. Sie musizierten nicht selbst. 107 Dekret von Akraiphia: Syll.³ 814, s. dazu auch den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel in diesem Band S. 140-142. Vgl. Bergmann (1998) 144f.; Gallivan (1973b) 230. Vgl. Suet. Nero 24,2; Plut. Flamininus 12,8; mor. 567 F; Cass. Dio 63,11,1; Plin. nat. 4,22; Christ (1992) 324. 108 Plut. Flamininus 11. Zu den verschiedenen Forschungspositionen bezüglich der Intention vgl. Eckstein (2008) 289-294. 109 Vgl. Wirth (2004) 24. 110 Diod. 18,55,1-4; 56,4. 111 Diod. 19,61,1-4. <?page no="306"?> Sabine Müller 298 wurde, dankte ihm die Stadt Skepsis mit kultischen Ehren. 112 In der Folgezeit versuchten Antigonos’ Konkurrenten, mit der gleichen Strategie Einfluss über Hellas zu gewinnen. 113 Trotz vielfacher Ernüchterung über die faktische Gestalt der makedonischen „Befreiungen“ behielt die Parole ihren positiven Klang. 114 So wurde das Ideal in den Konflikten um Griechenland zwischen den Erben der Diadochen weiterhin bemüht. 115 Auch im Principat erscheint die Signalwirkung als ungebrochen: Neros Proklamation fand offenbar Anklang und hinterließ ein positives griechisches Echo. 116 Dazu wird beigetragen haben, dass der Steuererlass für Achaia - wenigstens bis zur Aufhebung durch Vespasian - nicht nur ein leeres Versprechen gewesen war. 117 Neros Projekt, einen Kanal durch den Isthmos von Korinth zu bauen, blieb indes unvollendet. 118 Die Verbindung hätte eine verkehrstechnische Erleichterung bedeutet, scheiterte jedoch an den technischen Möglichkeiten. 119 In der griechischen Nachwelt wird der Plan ambivalent rezipiert; die Haltung schwankt zwischen Lob und einer ungünstigen Parallelisierung mit Dareios und Xerxes. 120 Bezüglich des Bestrebens, sich mit einem technischen Großprojekt in die Landschaft einzuschreiben, stand Nero durchaus in östlicher Herrschaftstradition. 121 Monumentale Bauprojekte inklusive technischer, möglichst spektakulärer Innovationen und Erschließungen neuer Wege gehörten zu den Mitteln der Repräsentation königlicher Größe. 122 Ein prominentes Beispiel ist der ägyptische Nilkanal, der bereits in pharaoni- 112 OGIS 6; Diod. 19,105,1. 113 Diod. 19,62,1-2. Dennoch erwies sich Antigonos’ Sohn Demetrios Poliorketes in Athen als am erfolgreichsten (Plut. Demetrios 8,1-12,2; 23; Athen. 12,536 A). Dazu vgl. Simpson (1959) 409: „We can only wonder that he had succeeded in keeping faith with the cities for so long“. 114 Vgl. Simpson (1959) 389f. 115 Vgl. Müller (2009) 139-142. 116 Plut. mor. 567 F-568 A; Flamininus 12; Paus. 7,17,3; Philostr. Ap. 5,41. Vgl. Alcock (1994) 103-107; Warmington (1969) 118; Charlesworth (1950) 73. 117 Der Steuererlass soll der römischen Kasse nicht geschadet haben: Der Gewinn aus der Provinz sei unerheblich gewesen, vgl. Malitz (1999) 97f.; Alcock (1994) 103; Garzetti (1977) 184. 118 Suet. Nero 19,2; 37,3. 119 Vgl. Waldherr (2005) 240; Shotter (1996) 49; Alcock (1994) 101. 120 Ps.-Lukian. Nero 1-2. Vgl. Whitmarsh (1999) 149. 121 In diesem Kontext steht auch die Anekdote, der Architekt Deinokrates habe Alexander vorgeschlagen, den Berg Athos in eine sensationelle monumentale Sitzstatue von ihm zu verwandeln, die mit einer Hand eine Stadt umfassen und mit der anderen aus einer Opferschale einen Fluss zum Meer gießen sollte (Strab. 14,1,23; Plut. mor. 335 C-F; Alexander 72,5-8). Zur Vorführung der Vorform eines Roboters bei der Festprozession Ptolemaios’ II. in Alexandria: Athen. 5,198 F-199 A. Zum Projekt eines magnetischen Tempels in Alexandria: Plin. nat. 34,148; 36,69. Vgl. Pfrommer (2005b) 124. 122 Vgl. Alcock (1994) 102. <?page no="307"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 299 scher Zeit gebaut, unter persischer Herrschaft durch Dareios I. und im Hellenismus von Ptolemaios II. erneuert wurde. 123 Allerdings scheint es erneut einen Unterschied in der Repräsentation des herrschaftlichen Projektleiters zu geben. Nero soll eigenhändig den ersten Spatenstich gesetzt haben. 124 Von den östlichen Herrschern ist ein solches Auftreten als ‚königliche Handwerker‘ nicht anzunehmen. Ptolemaios II. überprüfte den Kanal später auf einer Inspektionsreise. 125 Dareios I. ließ am Ufer vier tetralingue Stelen aufstellen, die von seinem Einfluss zeugten: 126 „Es kündet Dareios der König: Ich bin Perser, von Persien aus habe ich Ägypten in Besitz genommen; ich habe angeordnet, diesen Kanal zu graben von - Pirava mit Namen (ist) ein Fluss, der in Ägypten fließt, - zu dem Meer, das von Persien her kommt; darnach wurde dieser Kanal gegraben, so wie ich (es) angeordnet hatte, und es fuhren Schiffe von Ägypten durch diesen Kanal nach Persien, so wie es mein Wunsch war.“ Bezüglich der Wahrnehmung Neros in den östlichen Provinzen sind zuletzt Inschriften zu erwähnen, die Bezeichnungen als R ## , T# , W O 7# ! , . " , 3 - / 8 , / ! , . " ! , ! 6 F für Nero nennen. 127 In Ägypten standen die Epitheta ! - F 0 sowie F 6 . F 0 in der Tradition der ptolemäischen Herrschaftsrepräsentation, im ersten Fall besonders verbunden mit Alexandria. 128 Einige der Inschriften sind noch vor Neros Hellasreise datiert; in Ägypten war er nicht gewesen. 129 Dies wirft ein Licht auf die Formelhaftigkeit der Beinamen, die im Kontext von Traditionen des Umgangs mit Fremdherrschern stehen. 130 Seit der frühen Diadochenzeit war es üblich geworden, deren Wohl- 123 Unter Necho II.: Strab. 17,1,25; Diod. 1,33,8-9. Zu Dareios: DZ (Dareios, Inschriften der Suezkanalstelen); Hdt. 2,138,1; 158,2-5; Aristot. metaph. 852 B; Diod. 1,33,9-10; Plin. nat. 6,165. Zu Ptolemaios II.: Mendesstele, Z. 18-19; Pithomstele, Z. 16; Strab. 17,1,25; Plin. nat. 6,165; Diod. 1,33,11. Vgl. Müller (2009) 317-322. 124 Ps.-Lukian. Nero 3-4. Angeblich mit einem goldenen Spaten. 125 Vgl. Mendesstele, Z. 18-19: „Bei einem anderen schönen Mal, das seine Majestät veranstaltete, wurde ein Flusslauf auf der Ostseite von Kêmet gegraben, um seine Grenzen gegen die Fremdländer zu bilden, und um die Tempel zu [schützen].“ (Übers. Roeder). Vgl. Müller (2009) 322-324. 126 DZc § 3. (Übers. Schmitt). 127 R ## : SEG 32,252. T# : Syll.³ 814, Z. 34; IGR III 345. W O 7# ! : Syll.³ 814, Z. 41; 49; 51-52. . " : SEG 32,251; Syll.³ 814, Z. 31-32; 40. 3 - / 8 : Syll.³ 814, Z. 31-32. / ! : ABSA 1966, 203 Nr. 7. . " ! : I.Tralleis I 39. ! 6 F : IGR III 986. Vgl. Momigliano (1934) 732. Zu diesen und den in der folgenden Anm. zitierten Epitheta für Nero vgl. den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel in diesem Band Abschnitt 4 S.125-133. 128 OGIS II 666; 668. Vgl. P.Oxy. 7,1021. 129 Suet. Nero 19,1. 130 Eine Analogie bietet vielleicht Amélie Kuhrts These eines etablierten Verhaltensmusters der babylonischen Bevölkerung gegenüber Eroberern: Befand man sich aussichts- <?page no="308"?> Sabine Müller 300 taten mit kultischen Ehren zu vergelten. 131 Dies wurde zu einer Art Automatismus und selbst Herrschern zuteil, die vorher nichts geleistet hatten, vermutlich als Anregung, sich wohltätig zu zeigen. 132 4. Iranische Elemente in Neros Herrschaftsrepräsentation? Zentral ist Neros Zusammentreffen mit dem Arsakiden Tiridates anlässlich der großen Show seiner Krönung zum armenischen König 66 in Rom. In der Forschung galt dies teilweise als Schlüsselerlebnis Neros, das die weitere Entwicklung seines Herrschaftskonzepts hin zu östlich-iranischen Vorgaben geprägt habe. Cumont vermutete, hinter Plinius’ Erwähnung, Tiridates habe versucht, Nero in die cenae magicae einzuweisen, 133 verberge sich seine Initiation in den Mithraskult bei einem heiligen Bankett. 134 Sanford zufolge hielt Nero sich nach der Begegnung mit Tiridates für einen Herrscher iranischer Prägung und göttlich. 135 L’Orange sah in der Domus Aurea den Palast eines östlichen Sonnengottes und zog Parallelen zu sassanidischer Architektur. 136 Allen verband die These von Neros Mithras-Initiation mit den Berichten über seine ‚Hochzeiten‘ mit zwei Männern, dem Eunuchen Sporus und dem Freigelassenen Pythagoras: 137 Es habe sich um Mithraszeremonien gehandelt, durch die Nero zwei von insgesamt sieben verschiedenen Initiationsgraden erreicht habe. 138 Merkelbach konstatierte für die gesamte Krönungszeremonie und den folgenden Theaterbesuch, bei dem Tiridates zwei Stiere, Symboltiere des Mithras, schoss, 139 Züge eines Mithras-Rituals. 140 los in der Defensive, wurden die Tore geöffnet und der Fremdherrscher feierlich empfangen, der dafür rituelle Bautätigkeit an den Tempeln finanzieren musste. Das habe aber keine reale Begeisterung auf babylonischer Seite impliziert. Vgl. Kuhrt (1990). 131 Die ersten waren Demetrios Poliorketes und sein Vater Antigonos: Plut. Demetrios 8,1- 12,2; Athen. 12,536 A. Unter den Ehren befand sich auch die Umbenennung eines Monats in Demetrion (Plut. Demetrios 10,4; Diod. 20,46,2), wie sie auch in Rom üblich wurde. 132 Vgl. Walbank (1987) 375f. am Beispiel der kultischen Ehrungen für Ptolemaios III. und Berenike II. vonseiten der kretischen Stadt Itanos. Sie basierten laut Walbank darauf, dass sie „überhaupt nichts“ getan hatten. 133 Plin. nat. 30,17. Nero habe es nicht erlernen können. 134 Vgl. Cumont (1933) 145-154. Akzeptiert von Warmington (1969) 121f. 135 Vgl. Sanford (1937) 79f. 87. Ähnlich: Momigliano (1934) 706. Ebenso noch: Shotter (1996) 51-53. 136 Vgl. L’Orange (1942). 137 Suet. Nero 28,1-2; 29,1; Cass. Dio 63,13,1-2; 22,4; 28,2-3. Bei Sporus habe Nero den Mann, bei Pythagoras die Frau gespielt. 138 Vgl. Allen (1962) 104-107. 139 Cass. Dio 63,3,2. Zumindest wohl in der altiranischen Tradition jagte der Großkönig in den Wildgehegen im paradeisos mit seiner Hofgesellschaft Tiere (Plut. mor. 173 D; Xen. Kyr. 1,4,14). Es handelte sich dabei indes nicht um den beengten, sehr künstlichen Rahmen eines Theaters, der keine wirkliche Jagdleistung nötig machte. Für einen <?page no="309"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 301 Die meisten dieser Thesen sind angefochten worden. So wird den in ihrem Inhalt völlig unklaren cenae magicae keine besondere Bedeutung mehr für Nero zugeschrieben. 141 Bezüglich der Domus Aurea steht das Konzept des otium im Zentrum der Diskussion. 142 Die Anekdote über Neros gleichgeschlechtliche Heiraten wird der negativen Sprachregelung zugeschrieben: 143 Sexuelle Ausschweifungen waren ein Standardelement der Tyrannentopik. Mit Nero wurden von römischer Seite zudem ‚griechische‘ Laster assoziiert. 144 Seit der Ausgestaltung Alexanders zum prototypischen monarchischen Opfer ‚östlicher‘ Dekadenz gehörte auch die Affäre mit einem Eunuchen inklusive öffentlicher Küsse zu den Topoi. 145 In Neros Fall wird das Depravationsmotiv durch die Heiraten und seine passive Rolle als Sexualpartner eines anderen Mannes, Pythagoras, auf die Spitze getrieben. 146 Achaimeniden gehörte dies indes zu seinen Herrscherqualitäten, wie die Grabinschrift Dareios’ I. in Naqš-i Rustam (DNb) belegt: „Das ist ferner meine Tüchtigkeit, dass mein Körper kraftvoll ist (und) dass ich als Schlachtenkämpfer ein guter Schlachtenkämpfer bin (...) Als Reiter bin ich ein guter Reiter, als Bogenschütze bin ich ein guter Bogenschütze, sowohl zu Fuß als auch zu Pferd“ (Übers. Schmitt). Das Auftreten Neros als Wagenlenker und Kitharoide mag für Tiridates tatsächlich befremdlich gewesen sein (Cass. Dio 63,6,4). Gegen Shotter (1996) 33. Vgl. Waldherr (2005) 230. Die Erwähnung, Tiridates habe an Corbulo nur kritisiert, dass er es mit einem Herrn wie Nero aushalte, ist dagegen wohl ein späterer nerofeindlicher Zusatz. 140 Vgl. Merkelbach (1994) 48f. 141 So schon Charlesworth (1950) 72: Dies habe nichts mit Politik zu tun gehabt. Vgl. Vössing (2004) 364: Es habe sich um einen Austausch über Methoden gehandelt, Rausch- und Trancezustände herbeizuführen. 142 Vgl. Elbern (2010) 124-126; Witschel (2004) 2; Malitz (1999) 77-81; Warden (1981) 270f.; Manning (1975) 167; Boëthius (1960) 94-128; Charlesworth (1950) 71 (mit dem Verweis, dass Tiridates Handwerker aus Rom mitnahm, nicht umgekehrt); Toynbee (1948) 162. 143 Vgl. Barton (1994) 54. 144 Vgl. Syme (1958) 517. Zu ‚griechischen Lastern‘ vgl. Smith (1996) 233. Zur römischen Haltung zu Hellas vgl. Ziegler (2007) 156. 145 Zum Eunuchen Bagoas (dessen Existenz teilweise angezweifelt wird) als Symptom von Alexanders topischer Entartung: Curt. 6,5,23; 10,1,22-42; Plut. mor. 65 C-F; Alexander 67,4. Dikaiarchos berichtet moralisierend, die Makedonen hätten Alexander dazu gebracht, Bagoas, als er bei einem musischen Wettbewerb gewann, im Theater öffentlich zu küssen (Athen. 13,603 A-B). Suet. Nero 28,2 erwähnt ebenfalls öffentliche Küsse zwischen Nero und Sporus. Bei Cass. Dio 63,13,1 fehlt auch das schmeichlerische griechische Publikum nicht, das der Hochzeitsfeier beiwohnt und dem Paar Kinder wünscht. Eunuchen waren mit hellenistischen und persischen Höfen assoziiert und galten als notorisch triebhaft, vgl. McCloskey u. Phinney (1968) 85. Zu römischen ‚Männerhochzeiten‘ vgl. Smith (1996) 237. Siehe Mart. 12,42. Von Domitian heißt es, er habe seine Leidenschaft für den Eunuchen Earinos unterdrückt, um sich von Titus und dessen Vorliebe für Eunuchen abzusetzen, und deswegen das Kastrationsverbot erlassen (Cass. Dio 67,2,3). Zu Earinos’ Schönheit und besonderer Stellung am Hof: Mart. 9,11; 12(13); 16-17. Zum Kastrationsverbot: Mart. 6,2; 9,7(8). 146 Zur Diskreditierung durch diese passive Rolle vgl. Jones u. Milns (2003) 122. <?page no="310"?> Sabine Müller 302 Das aufwändig organisierte Ereignis der Krönungszeremonie in Rom, bei dem sich der Princeps im Triumphalgewand auf der sella curulis neben der Rostra umgeben von Feldzeichen zeigte, 147 war nicht an iranischer Tradition, sondern an Augustus’ Selbstdarstellung als Parthersieger nach seinem diplomatischen Erfolg 20 v. Chr. orientiert. 148 Entsprechend scheint in den literarischen Quellen auch Tiridates’ Rolle an Phraates IV. angeglichen zu sein, den die augusteische Sprachregelung zum devoten Bittsteller vor dem übermächtigen römischen Weltherrscher stilisiert hatte. 149 Der Eindruck, Phraates sei römischer Vasallenkönig geworden, entsprach nicht den politischen Gegebenheiten. 150 Ebenso wenig war Tiridates in der unterwürfigen Position, die ihm zugeschrieben wird. 151 Wie Heil betont, war es von seiner Seite ebenso ‚Show‘ wie vonseiten Neros, da er bereits im Besitz der Herrschaft über Armenien war, in die ihn sein König und Bruder, Vologeses I., eingesetzt hatte. 152 Der jahrelange Krieg, den Rom geführt hatte, um eben diese Entscheidung rückgängig zu machen, hatte sein Ziel verfehlt: Die Arsakiden behielten die Kontrolle über Armenien. Die römische Seite bewahrte durch die Zeremonie immerhin das Gesicht - auch wenn verliehen wurde, was Tiridates schon besaß. 153 Aufgrund dieser Erinnerung wird Nero im parthischen Gedächtnis eine positive Rolle zugekommen sein: Nicht, weil er sich angeblich dem Mithraskult verschrieb oder iranische Herrschaftstraditionen imitierte - davon ist nichts zu erkennen -, sondern weil mit seiner Regierung der politische Erfolg der Kontrolle über Armenien verbunden war, der in Rom auch noch glanzvoll abgesegnet worden war. 154 Vermutlich deswegen wurde Nero zum Symbol arsakidenfreundlicher römischer Politik stilisiert - auch wenn dies seinen tatsächlichen Intentionen gar nicht entsprochen haben wird. 155 Gerade die Linie seiner Nachfolger wird aber dazu beigetragen haben, sein Bild positiv zu verklären. Ein zweiter Grund für Neros Beliebtheit in iranischen Kreisen wird seine ehrenvolle Behandlung des Tiridates gewesen sein. Der Arsakide reiste mit 147 Suet. Nero 13,1-2; Cass. Dio 63,5,4-6,3. 148 Vgl. Rose (2005) 65f. Zu Augustus’ Darstellung als Parthersieger vgl. Ziegler (2007) 157f.; Wiesehöfer (2005) 177. 149 Iust. 42,5,10-12. 150 Vgl. Warmington (1969) 88. 151 Vgl. Ehrhardt (1998) 305. 152 Vgl. Heil (1997) 125. 130. 153 Vgl. Heil (1997) 119. 124f. 139-141; Warmington (1969) 96; Garzetti (1977) 170; Ziegler (1964) 75. Gegen: Shotter (1996) 34. 154 Vgl. Waldherr (2005) 270; Tuplin (1989) 395-404; Charlesworth (1950) 72. 155 Der Partherkrieg diente ihm zur militärischen Profilierung vgl. Heil (1997) 76. 79. 94. Nero soll über Vologeses’ Weigerung, zu ihm nach Rom zu kommen, verärgert gewesen sein und einen weiteren Krieg gegen die Parther geplant haben (Cass. Dio 63,7,2- 8,1). Vgl. Heil (1997) 147; Ziegler (1964) 77. <?page no="311"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 303 Familie, dem ganzen Hofstaat und 3000 parthischen Reitern über den längeren Landweg auf römische Kosten an, wobei er wie bei einer Ehrenprozession von den Reichsbewohnern begrüßt wurde. 156 Nero bewirtete ihn zuvorkommend und verabschiedete ihn mit reichen Geschenken. 157 Bezüglich der Krönungszeremonie machte er ihm aus iranischer Perspektive entscheidende Zugeständnisse an seine Repräsentation. Bei der ersten Huldigung vor Neapel, deren Ablauf wahrscheinlich identisch mit dem späteren Akt auf dem Forum war, 158 trat Tiridates nicht etwa als barhäuptiger, waffenloser - somit besiegter - Untergebener auf, sondern trug die Tiara, Kopfbedeckung iranischer hoher Amtsträger. 159 Vor allem aber legte er seinen akinakes, das Reiterschwert, nicht ab, sondern machte ihn nur mit Nägeln in der Schwerthülle fest. 160 Sein Bruder Vologeses hatte sich dies für ihn ausgebeten, damit der Akt nicht den Eindruck von servitus vermittelte und die arsakidische Würde gefährdete. 161 Der akinakes war traditionelles Symbol des iranischen Adels und definierte als distinktiver Trachtbestandteil Tiridates’ Status, den er damit während der Zeremonie sichtbar zur Schau trug. 162 Dies relativierte den Unterwerfungsgestus trotz Proskynese. Überdies begrüßte Nero ihn danach mit einem Kuss, 163 was nicht nur zeitgenössischen römischen Beobachtern als Geste zwischen Standesgenossen galt. 164 Gemäß Herodot und 156 Suet. Nero 30,2; Cass. Dio 63,2,1-3. Die Reise dauerte neun Monate und soll täglich 800.000 Sesterzen verschlungen haben. Vgl. Waldherr (2005) 227-228 (wie ein reisender Konsular mit Ehreneskorte); Kragelund (2000) 508; Ziegler (1964) 73. Angeblich habe Tiridates als Mithras-Anhänger das Meer nicht beschmutzen dürfen. Vgl. Elbern (2010) 70. Allerdings wählte er für die Rückreise, die er wohl selbst bezahlen musste, den kürzeren Seeweg inklusive Meeresverschmutzung (Cass. Dio 63,7,1). 157 Suet. Nero 30,2; Cass. Dio 63,6,5. Sie sollen 100 oder 200 Millionen Sesterzen wert gewesen sein, gemäß Waldherr (2005) 230 das zwanzigfache Mindestvermögen eines Senators. 158 Vgl. Heinrichs u. Müller (2008) 301; Merkelbach (1994) 49 Anm. 9. 159 Suet. Nero 13,2; Cass. Dio 63,4,1. Vgl. Wiesehöfer (2005) 178. 160 Tac. ann. 15,31; Cass. Dio 63,2,4. 161 Tac. ann. 15,31. Mit ferrum wird der akinakes gemeint gewesen sein, vgl. Heinrichs u. Müller (2008) 301; Ziegler (1964) 73f. 162 Vgl. Heinrichs u. Müller (2008) 292f. 299-302. Zum persischen akinakes: Hdt. 3,118,2; 7,54,2; Xen. an. 1,2,27; 8,29; Curt. 10,1,31. Es handelt sich um eine aristokratische Waffe, die, verfeinert und in Gold, als großkönigliche Auszeichnung an hohe Würdenträger vergeben wurde. Vgl. Wiesehöfer (2005) 191: Die parthische Aristokratie sei stets als solche erkennbar gewesen. 163 Suet. Nero 13,2. 164 Plin. paneg. 24,2. Vgl. Jones u. Milns (2003) 152. Senatoren durften den Kaiser mit einem Kuss begrüßen. Domitian hob sich in senatorischer Sicht negativ davon ab, da er Kniefall und Handkuss verlangt haben soll (Suet. Dom. 12,3). Bereits in Rhandeia war ein solcher Kuss zwischen Tiridates und Corbulo getauscht worden (Tac. ann. 15,29,1). Vgl. Ziegler (1964) 74 Anm. 220. Zum Kuss als Bekräftigung eines Rechtsakts vgl. Knippschild (2002) 65. <?page no="312"?> Sabine Müller 304 Xenophon soll es auch im Perserreich ein Zeichen von Ranggleichheit gewesen sein, 165 somit altiranische Tradition gehabt haben. In welcher Weise die römische Sprachregelung Tiridates dennoch zum demütigen Bittsteller stilisierte, zeigt deutlich die Rede, die er auf dem Forum an Nero gerichtet haben soll: „Herr, ich bin ein Nachkomme des Arsakes, Bruder der Könige Vologeses und Pakoros, und dein Sklave. Und ich bin zu dir als meinem Gott gekommen, um vor dir die Proskynese zu vollziehen wie vor Mithras“. 166 Gemäß communis opinio gelten diese Worte als authentisch, 167 doch sind Zweifel angebracht. Der ehemalige Praetor, der als Übersetzer fungierte, 168 mag eine zuvor aufgesetzte Rede im römischen Sinn wiedergegeben haben; dem arsakidischen Verständnis entsprach der Inhalt kaum. Vielmehr scheint die Rede vom westlichen Missverständnis geprägt, die Parther würden ihren König göttlich verehren und die Proskynese sei ein solches Kultritual. Dies wurde schon den Perserkönigen zu Unrecht unterstellt. 169 Dazu gesellt sich das traditionelle Klischee des sklavischen ‚Orientalen‘ vor seinem Zwingherrn. 170 Hintergrund bildet wohl die Gleichsetzung von Parthern mit Persern, somit Arsakiden mit Teispiden und Achaimeniden, in griechisch-römischer Literatur. 171 Als Konsequenz wurden auch die Klischees über das Perserreich unrelativiert auf die Parther übertragen: traditionelle Vorstellungen vom despotischen Großkönig, der sich in Hybris von seiner devoten Bevölkerung als Gott anbeten lässt. 172 165 Xen. Kyr. 1,4,27; Hdt. 1,134,1. Wohl deswegen soll bei Alexanders Einführungsversuch der Proskynese für Makedonen und Griechen ein Kuss zwischen Herrscher und Höfling Ausgleichselement gewesen sein (Plut. Alexander 54,3-4). Siehe auch die Funktion des Kusses in Arr. an. 7,11,1. 166 Cass. Dio 62,5,2: $ 1, , R " K : . # 6 Z L E # #J , 3# 0 6 #! - - $ - ! , › 6 - Y ! . (Übers. Müller). 167 Vgl. Waldherr (2005) 229; Malitz (1999) 66; Shotter (1996) 33; Garzetti (1977) 170; Warmington (1969) 121f.; Ziegler (1964) 74; Charlesworth (1950) 72; Sanford (1937) 79; Momigliano (1934) 734; Cumont (1933) 150f. (sie sei originalgetreu und in Griechisch gewesen). 168 Suet. Nero 13,2. Welche Sprache Tiridates wählte, ist nicht überliefert. 169 Curt. 8,5,5; Plut. Alexander 54,2; Ail. var. 1,21; Isok. paneg. 151. Vgl. Wiesehöfer (2005) 55; Sancisi-Weerdenburg (1987) 118. 170 Vgl. Gowing (1990) 316 zum literarischen Modell von Kaiser und Klientelkönig als Herr und Sklave (unter Verweis auf Tac. Agr. 14,2; Hist. 2,81,1). 171 Vgl. Ziegler (2007) 157. In der Forschung ist umstritten, ob die Arsakiden sich in ihrer Herrschaftsrepräsentation an die Achaimeniden anlehnten oder dies nicht vielmehr eine literarische Zuschreibung aus Fremdsicht war. Vgl. Ziegler (2007) 168. Für eine arsakidische Politik der Orientierung an den Achaimeniden argumentieren Shayegan (2011) 330-331 (erst für die späteren Arsakiden); Wiesehöfer (2005) 183-184. 172 Arr. an. 4,11,6; Plat. nom. 697 C-D; Aristot. pol. 1313 B; Isok. paneg. 150-152; Phil. 124. Vgl. Walser (1965) 19. Auch die Entwicklung des Partherreichs wurde in literarischer Stilisierung an den Aufstieg der Perser angeglichen: In beiden Fällen habe sich eine unbedeutende Ethnie aus kargen Verhältnissen mit kriegerischer Exzellenz zur Groß- <?page no="313"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 305 Da wenig wahrscheinlich ist, dass Tiridates in seiner Rede unzutreffende westliche Klischees über seine eigene Kultur wiedergab, ist bei dem überlieferten Wortlaut Vorsicht angebracht. 173 Es sieht nach einer literarischen Stilisierung aus: Wie man sich eine solche Rede eines Parthers in westlicher Perspektive vorstellte. Fernab des Stereotyps von Herr und Sklave wird Tiridates’ Position treffender durch seine ehrenvolle Behandlung beleuchtet: Er war der vom König der Könige eingesetzte Herrscher über Armenien; im Rahmen parthisch-römischer Diplomatie (nach dem Waffengang) wurde dies offiziell von Rom abgesegnet. 5. Hellenistische und iranische Elemente in Domitians Herrscherrepräsentation Domitians Herrschaftskonzept gilt als autokratische Symbiose römischer und hellenistischer Elemente. 174 Neben Maßnahmen wie der Gründung des Agon Capitolinus in griechischer, an Neros Juvenalia und Neronia erinnernder Form, 175 der Löwenjagd im Park des kaiserlichen Landsitzes, wie sie auch persischen und makedonischen Herrschern zwecks Repräsentation als idealer Jäger und Krieger diente, 176 Domitians Interesse an Bibliotheken, 177 Bautätigkeit in der Residenzstadt, gerade der Errichtung des typisch hellenischen Odeion, 178 wären sicherlich insbesondere seine Strategien zur sakralen Überhöhung seiner Position in ihrer Symbolik von Rezipienten aus östlichen Kulturkreisen verstanden worden. Zur visuellen Untermauerung von Domitians Anspruch, nicht lediglich der Erste, sondern vielmehr der Einzige zu sein, diente ihm die distanzierende Form der Begrüßung, die ihn gegenüber der Aristokratie heraushob und deswegen auch für Missstimmung sorgte. 179 Auch das ebenfalls für macht hochgekämpft, dann jedoch Symptome von Dekadenz gezeigt (zu den Parthern: Iust. 41; Strab. 11,9,2. Vgl. zu den Persern: Hdt. 1,71; 9,122; Xen. Kyr. 1,3,2). Vgl. Lerouge (2007) 173-181; Ehrhardt (1998) 302; van Wickevoort Crommelin (1998) 263 Anm. 35. 273; Wiesehöfer (2005) 182f. 192. 173 Bezüglich der Huldigung in Neapel schreibt Cass. Dio 63,2,4 nur, Tiridates habe Nero seinen Herrn genannt. Dies erscheint glaubhafter. 174 Vgl. Pfeiffer (2009) 55. 67. 79; Leberl (2004) 79; Witschel (1997) 106-108. 175 Cass. Dio 67,8,1-2. Vgl. Kühnen (2008) 160f.; Garzetti (1977) 270; zu den von Nero und Domitian gegründeten Spielen vgl. den Beitrag von Alexander Heinemann in diesem Band. 176 Cass. Dio 67,14,3. Perserkönige: Plut. mor. 173 D; Xen. Kyr. 1,4,14. Makedonen: Curt. 8,1,13-17; Plut. Demetrios 27,3. Zu Domitian und der Jagd vgl. Tuck (2005). 177 Suet. Dom. 20. 178 Suet. Dom. 4; Mart. 9,40; Stat. silv. 5,3,227-229. Vgl. Leberl (2004) 74-79; Jones u. Milns (2003) 130; Eck (1997) 749; Garzetti (1977) 282f. 179 Suet. Dom. 12,3; Plin. paneg. 24,2. Der Fußfall und Handkuss erinnern an die Proskynese. Vgl. Walser (1965). <?page no="314"?> Sabine Müller 306 die Perser und Alexander bezeugte Bankettprivileg für einen Gast, eine Speise von der kaiserlichen Tafel zu erhalten, 180 und die Betonung der Rolle der Gattin als Komplement des Herrschers mit einem eigenen öffentlichen Profil, 181 insbesondere für das Ptolemäerreich charakteristisch, 182 lenkten den Blick auf die Herausgehobenheit Domitians. Als ebenso herausgehoben präsentierte er seine Familie, indem er nicht nur sich, sondern seine Dynastie sakral überhöhte. 183 Er ließ 81 seinen Bruder Titus postum konsekrieren, 184 ebenso seinen noch vor seiner Kaisererhebung verstorbenen Sohn von Domitia, 185 später Titus’ verstorbene Tochter Julia. 186 Zusammen mit dem vergöttlichen Vater Vespasian ergab sich ein dynastisches Image der göttlichen Gens Flavia, der er einen eigenen Tempel erbauen ließ. 187 Teil dieser göttlichen Familie zu sein legitimierte und glorifizierte Domitians eigene Position. Dies erinnert an den ptolemäischen und seleukidischen Herrscherkult, in dessen Kontext auch die Verehrung der Vorfahren - mythische und ideelle Stammväter eingeschlossen - die Stellung des regierenden Monarchen heraushob und legitimierend die besondere dynastische Herrschaftsqualifikation betonte. 188 Auch für einige Formen der kultischen Ehren für die Flavier existieren Analogien im Ptolemäerreich: Die Prägung von Gedenkmünzen anlässlich der Apotheose verstorbener Dynastiemitglieder, wie sie für Domitians namenlosen Sohn und Diva Julia bezeugt ist, 189 wurde zuerst von Ptolemaios II. bekannt, der Gedenkmünzen für seine verstorbene Schwestergemahlin Arsinoë II. emittieren ließ. 190 Eine enge Bindung der konsekrierten Verwandten und des regierenden Herr- 180 Suet. Dom. 11. Vgl. Jones u. Milns (2003) 149. Zu den Persern und Alexander: Xen. an. 1,9,24-25; Plut. Alexander 28,3. 181 Vgl. Strobel (2010) 61. 73; Garzetti (1977) 266. Domitian hatte Domitia Longina, die Tochter von Neros Partherfeldherrn Corbulo, den er später beseitigt hatte (Cass. Dio 63,17,5-6), vermutlich geheiratet, um Anschluss an die Opfer Neros zu demonstrieren. Vgl. Strobel (2010) 60; Eck (1997) 746. 182 Vgl. Müller (2009) 383-386. 183 Vgl. Strobel (2010) 72; Pfeiffer (2009) 56; Leberl (2004) 52; Garzetti (1977) 267. 184 Cass. Dio 67,2,6; Suet. Dom. 2; Plin. paneg. 11,1; Sil. 3,625. Vgl. Strobel (2010) 72; Pfeiffer (2009) 62; Jones u. Milns (2003) 126. 185 Stat. silv. 1,1,97; Mart. 4,3. Vgl. Strobel (2010) 72; Pfeiffer (2009) 56; Leberl (2004) 58; Jones u. Milns (2003) 127f. 186 Mart. 6,13; 9,1. Leberl (2004) 58; Garzetti (1977) 269. Die Apotheose wird dichterisch ähnlich dargestellt wie die Konsekration von Mitgliedern des ptolemäischen Hauses in der höfischen Dichtung, vgl. Theokr. 17,45-50; 121-130. 187 Mart. 9,1; 14; 34; Suet. Dom. 5. Vgl. Leberl (2004) 59. Zur Gens Flavia als Legitimationsmittel Domitians vgl. Günther (2009). 188 Vgl. Müller (2009) 246-300. 189 Vgl. Strobel (2010) 72. 190 Vgl. Müller (2009) 365-380. Zuvor ließ er wohl anlässlich der eigenen Apotheose zusammen mit seiner Schwester zu Lebzeiten als Theoi Adelphoi Gedenkmünzen prägen, die ihr Doppelporträt und das ihrer divinisierten Eltern zeigten. <?page no="315"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 307 schers an traditionelle Gottheiten - in Domitians Fall Minerva, Jupiter und Juno - liegt im ptolemäischen Herrscherkult mit der besonderen Beziehung zum Ahnherrn Dionysos und der Assoziation der vergöttlichten Ptolemäerinnen mit Aphrodite vor. 191 Sueton zufolge trugen die Priester des Kults der Gens Flavia neben den Bildern der capitolinischen Trias auch ein Bild Domitians auf ihren Kränzen. 192 Aus dem ptolemäischen Herrscherkult sind ebenfalls Schmucksteine für Ringe oder Kameen bekannt, die Bilder der kultisch verehrten Person darstellten. 193 Das würde analog auf einen sehr hohen Grad von Domitians Sakralität verweisen. 194 Domitians sakral überhöhtes dynastisches Image spiegelte sich in seinem Palast wider, den er in der Nähe von Bauten von Augustus und Tiberius auf dem Palatin errichten ließ. 195 In Anlage und Ausgestaltung wies das Bauwerk zugleich wohl Anleihen an hellenistische Palastarchitektur auf. 196 Von ptolemäischen Anlagen ist bekannt, dass die sakral überhöhte Familiengeschichte und die Assoziation der Vorfahren ebenso wie des lebenden Herrscherpaars mit olympischen Gottheiten als Programm strategisch in den Repräsentationsräumen Ausdruck fanden. Die sakrale Atmosphäre war somit allgegenwärtig, da sie im gesamten ptolemäischen Herrschaftskonzept, wie es Ptolemaios II. maßgeblich entwickelt hatte, Ausdruck fand. 197 In Domitians Palast wurde ebenfalls die besondere Bedeutung der divinisierten Gens Flavia und der Assoziation traditioneller Gottheiten mit dem Kaiser 191 Vgl. Müller (2009) 159-172. 267-280. 192 Suet. Dom. 4,4. Vgl. Jones u. Milns (2003) 131. 193 Vgl. Müller (2009) 285 Anm. 843; Pfeiffer (2004) 105f.; Pfrommer (1998) 128. 194 Vgl. Pfeiffer (2009) 56. Auch wenn der Titel dominus et deus (Cass. Dio 67,4,7; 13,3-4; Mart. 10,72; Suet. Dom. 13; Plin. paneg. 24,2) keine offizielle Anredeform war, vgl. Eck (1997) 749; Witschel (1997) 107 und den Beitrag von Bönisch-Meyer u. Witschel in diesem Band S. 118-123. 195 Mart. 7,56; 8,36; 12,15; Stat. silv. 4,2,18-31. Vgl. Pfrommer (2005a) 103. Zu Domitian und Tiberius vgl. Strobel (2010) 76. Den Rückzug in eine erhöhte Residenz beschreibt bereits Herodot (1,98-99) als Charakteristikum einer frisch etablierten Herrschaft, deren Monarch auf Distanzierung zu Standesgenossen bedacht war. 196 Vgl. Pfeiffer (2009) 66-68; Pfrommer (2005a) 106f. Die Beschaffenheit des Palasts aus Materialien aus verschiedenen Reichsteilen, Ägypten, Ilion, Libyen oder Chios, beschrieben bei Stat. silv. 4,2,18-31, ist auch ein Zeichen imperialer Größe, wie es sich in der Gründungsinschrift Dareios’ I. in Susa ausdrückt (DSf). 197 Dies ist zu erkennen anhand des Festzelts Ptolemaios’ II. (Athen. 5,196 A-197 C), vgl. Müller (2009) 181-189; Vössing (2004) 110; Rice (1983) 30. Ein weiteres Beispiel ist das Prachtschiff Ptolemaios’ IV. (Athen. 5,204 D-206 C; Plut. Demetrios 43,4-5): Die Decks waren wie Peristyle gebaut. Eine Säulenhalle führte in die Gemächer. Es gab einen Aphroditetempel und einen Dionysos-Saal mit Porträtstatuen der königlichen Familie. Vgl. Müller (2009) 166f.; Pfrommer (2005b) 125. 127 Anm. 11 nennt zudem das Beispiel der Audienzhalle des Palasts Kleopatras VII., wie sie bei Lucan (Phars. 10,111-119) beschrieben ist. Allerdings ist unsicher, inwieweit diese Beschreibung nicht eher Topik zuzuordnen ist. <?page no="316"?> Sabine Müller 308 visualisiert. 198 Eine besondere Nahbeziehung Domitians ist zu Minerva belegt. 199 Dafür gibt es Parallelen in östlichen Kulturen, in denen diese Form der Überhöhung sich teilweise sogar in konstruierten Verwandtschaftsverhältnissen zu Gottheiten ausdrückte. Aus dem frühen Hellenismus ist das Beispiel von Demetrios Poliorketes zu nennen. 200 Anlässlich seiner ‚Befreiung‘ Athens von Kassander 304 durfte er als Kultgenosse Athenas im Parthenon wohnen und soll die Göttin als seine ältere Schwester bezeichnet haben. 201 So wie Domitian eine Statue Minervas in seinem Schlafzimmer gehabt haben soll, 202 hat Demetrios eventuell propagiert, mit seinen als Inkarnationen Aphrodites verehrten Hetären eine heilige Hochzeit zum Wohle der Stadt in Athenas Brautgemach gefeiert zu haben. 203 In einem athenischen Hymnos von 291 wurde er zudem als Sohn Poseidons und Aphrodites gefeiert. 204 Es blieb nicht bei einem Göttersohn in der hellenistischen Welt. Im Seleukidenreich ist seit Antiochos I. die Sprachregelung fassbar, sein Vater, der Dynastiegründer Seleukos, sei von Apollon gezeugt worden. 205 Teilweise wird vermutet, dass auch die Beziehung zwischen Domitian und seiner Nichte Julia mit hellenistischen Vorgaben zu erklären sei und eine Anlehnung an die ptolemäische und seleukidische Endogamie dargestellt habe. 206 Dies scheint indes sehr problematisch. Es ist umstritten, ob die Behauptung, es handle sich um eine inzestuöse Beziehung, 207 nicht vielmehr 198 Vgl. Leberl (2004) 54f.; Witschel (1997) 109; Garzetti (1977) 266. 199 Cass. Dio 67,1,2; 16,1; Suet. Dom. 15,7; Mart. 5,2; 5,53; 6,10; 7,1-2; 8,14; 9,3; Philostr. Ap. 7,24; Stat. silv. 1,1,37-40; 4,1,22. Vgl. Pfeiffer (2009) 61-63; Kühnen (2008) 160; Tuck (2005) 231f.; Leberl (2004) 49-51. 77f.; Jones u. Milns (2003) 132; Witschel (1997) 109. Auch Domitians Angleichung an Jupiter: Mart. 4,1; 5,1; 8,24; 8,39; 9,20; vgl. Pfeiffer (2009) 125; Leberl (2004) 52, und an Hercules: Mart. 9,64-65; 9,101; vgl. Kühnen (2008) 160; Tuck (2005) 232; Leberl (2004) 73 wäre in makedonischen Strukturen altbekannt gewesen. Vgl. Kühnen (2008) 21-25. 200 Bei Alexanders vermeintlicher ‚Ammonssohnschaft‘ handelt es sich um ein missverstandenes, verunglücktes Versatzteil von Kallisthenes’ Propaganda, das gegen Alexander gekehrt und in der Rezeption zusätzlich verzerrt wurde (vgl. Curt. 4,7,25-31; Iust. 11,11), daher hier nicht behandelt wird. Vgl. Müller (2007) 140-144; Badian (1996); Grimm (1978) 108. 201 Plut. Demetrios 23; 24,1. 202 Cass. Dio 67,16,1. 203 Clem. Al. 4,56,4; Plut. Demetrios 23,3-24,1. Zur Verehrung der Hetären: Athen. 6,252 F- 253 B. Vgl. Müller (2010b) 566-570. 204 Athen. 6,253 E. Anhand seiner Tetradrachmen wird deutlich, dass er ein besonderes Verhältnis zu Poseidon auch selbst propagierte. Vgl. Müller (2010b) 565. 205 Iust. 15,4,3-6. Entsprechend erschien Apollon seit der Herrschaft von Seleukos’ Sohn Antiochos I. als seleukidisches Münzreversmotiv. 206 Vgl. Pfeiffer (2009) 79. 207 Cass. Dio 67,3,2; Plin. epist. 4,11,6; paneg. 52,3; 63,7; Suet. Dom. 22,2; Iuv. 2,29,33. Philostr. Ap. 7,7 spricht sogar von Ehe. <?page no="317"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 309 Polemik der feindlichen senatorischen Sprachregelung ist. 208 Inzest als Symptom sexueller Entartung fällt durchaus in den Bereich von Tyrannentopik. 209 Überdies ist wohl keine Ehe zwischen Domitian und seiner Nichte erfolgt, da seine Frau Domitia die Rolle der Kaiserin an seiner Seite wieder aufnahm. 210 Daher sind keine Parallelen zur hellenistischen Endogamie zu erkennen, die als überhöhendes Element entsprechend nachdrücklich inszeniert wurde. In Domitians Fall lässt sich nur fassen, dass Julias postumer göttlicher Status propagiert wurde, was aber im Kontext der Sakralisierung des dynastischen flavischen Images stand. Zuletzt sei noch eine Parallele im Bereich Topik zwischen Domitian und dem Diadochen Lysimachos, König von Thrakien und Makedonien, erwähnt. Beide sollen Philosophen aus ihren Herrschaftsgebieten vertrieben haben. 211 Es handelt sich um die Variante eines Standardelements der griechischen Tyrannentopik: die Unduldsamkeit des kritikunfähigen Gewaltherrschers gegenüber der philosophischen Freigeistigkeit. Insgesamt ist zu folgern, dass Domitians sakral überhöhende Herrschaftsrepräsentation für Rezipienten der östlichen Welt verständlich war. Doch auch in östlichen politischen Strukturen war die Zugänglichkeit des Monarchen für seine Führungskreise unerlässlich. Es wurde erwartet, dass Kontakte nicht nur durch Audienzen gewährleistet waren, sondern der Herrscher zudem das Kommunikationsforum des Banketts und der höfischen Feste zum Austausch nutzte. 212 Sollten daher die Vorwürfe von senatorischer Seite zutreffen, Domitian habe sich den Führungsschichten ge- 208 Vgl. Strobel (2010) 77: Wenn kurz eine Ehe erwogen worden sei, dann aus rein dynastischen Gründen. Dagegen halten den Inzest für authentisch: Pfeiffer (2009) 58; Jones u. Milns (2003) 167; Witschel (1997) 102. 209 Vgl. Hdt. 3,31 zu Kambyses II.; Athen. 12,535 A zu Alkibiades; Athen. 14,621 A; Plut. mor. 11 A zu Ptolemaios II. An das Modell Kambyses erinnert entfernt vielleicht eine weitere Tradition zu Domitian: Kambyses wollte dem Adligen Prexaspes beweisen, dass er nicht trunksüchtig sei, indem er dessen Sohn aus weiter Entfernung mit dem Pfeil mitten ins Herz schoss (Hdt. 3,34-35). Etwas harmloser mutet Domitians Bogenkunst an: Er soll einem Sklaven zwischen den gespreizten Fingern durchgeschossen haben (Suet. Dom. 19). 210 Cass. Dio 67,3,2. Vgl. Strobel (2010) 77f. Darauf, dass Domitian auch noch hellenistische Polygamie betrieb, gibt es keine Hinweise. 211 Cass. Dio 67,13,3; Suet. Dom. 10,3; Tac. Agr. 2,2; Plin. epist. 3,11,2; paneg. 47,1. Vgl. Pfeiffer (2009) 74f.; Jones u. Milns (2003) 148; Witschel (1997) 104f. Lysimachos: Athen. 13,610 E. Vgl. Müller (2009) 48f. m. Anm. 195. Bei Lysimachos wiegt überdies schwer, dass er sich laut Legende vom einstigen Philosophenschüler (Iust. 15,3,1) zum Verfolger entwickelte. 212 Vgl. Walser (1965) 22. Siehe Hdt. 3,68,2. Für die Makedonen vgl. Plut. Alexander 51,1-2; Demetrius 42,1-4 (indes topisch verzerrt). <?page no="318"?> Sabine Müller 310 genüber abweisend und ungesellig gezeigt und sich ihnen entzogen, 213 hätte dies auch in östlichen Strukturen zu Problemen geführt. 6. Fazit Neros Selbstdarstellung in Hellas stieß auf Akzeptanz, weil der Princeps seine Wertschätzung für die griechische Tradition zeigte und mit der Freiheitsproklamation einen propagandistischen ‚Dauerbrenner‘ instrumentalisierte. Seine öffentlichen Auftritte waren dagegen ohne östliches Vorbild und für hellenistische Herrscher schwer denkbar. Auch in östlichen Strukturen kam ein Herrscher zudem nicht um die militärische Legitimation herum. Im Partherreich behielt man Nero in guter Erinnerung, da Rom unter seiner Regierung die parthische Kontrolle über Armenien abgesegnet hatte. In beiden Fällen ging es um politische Vorteile für die eigene Seite; vermutlich wurde Neros Bild auch deswegen verklärt, weil die Politik seiner Nachfolger als Verschlechterung empfunden wurde. So ist zu konstatieren, dass Nero ein in östlichen Bevölkerungskreisen beliebter ‚Fremdherrscher‘ war. Domitians sakral überhöhte Herrschaftsrepräsentation wäre für die Bewohner der östlichen Reichsteile aus ihrem Erfahrungshorizont heraus verständlich gewesen. Das machte jedoch auch ihn nicht zu einem Herrscher hellenistischer oder iranischer Couleur. 213 Plin. paneg. 49,4-8; Suet. Dom. 21. Jones u. Milns (2003) 127. 166 halten dies indes für einen Topos. Siehe dagegen Strobel (2010) 75f. Vgl. auch Witschel (1997) 106. 109. <?page no="319"?> Nero und Domitian im Licht östlicher Monarchien 311 Literaturverzeichnis Alcock (1994): Susan E. 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Alasdair Gray, Five Letters from an Eastern Empire From its inception, the new Flavian dynasty attempted to set as much distance between itself and the last of the Julio-Claudians, looking instead to Augustus as the model for the restoration of Rome and its empire. 2 Nonetheless, starting in antiquity, critics have tended to pair Nero and Domitian as emperors, for both cultivated what Shadi Bartsch has called the “theatrical paradigm” that is, imperial politics, and the emperor’s relationship to his subjects, were deeply corrupted by a general culture of role-playing and spectatorship; theatre provided a literal and metaphorical microcosm of an imperial system of control and dissimulation at all levels of society. 3 For Pliny the Younger, the dangers of the arena extended under Domitian to the senate; in both places the spectators became the spectacle under the searching gaze of Domitian, seeking for signs of treason (paneg. 33,3-4). As Tacitus comments at the end of the Agricola, with reference to Domitian’s senatorial executions, Domitian acted as a debased version of Nero: Nero at least did not watch the crimes that he ordered, whereas Domitian delighted in the suffering of his victims (Agr. 45,2). In calling Domitian the “bald Nero” (calvo … Neroni, 4,38), Juvenal’s taunt is multi-levelled and goes beyond mocking Domitian’s appearance to confirm the dominant representation of Domitian in our literary records as a tyrant, but worse than Nero and perhaps too without that emperor’s flair. For in referring to Domitian as “bald”, Juvenal targeted what seems to have been a point of sensitivity for Domitian. 4 Hair, as Gleason has shown in her fascinating study of Graeco-Roman masculinity, signified virility; a full head 1 Many thanks to all for the invitation to participate in the conference “Nero and Domitian”, especially Therese Fuhrer and Martin Hose; also to Verena Schulz for her excellent suggestions. 2 See for instance Sablayrolles (1994), especially 125-130. 3 Bartsch (1994) 1-35. At 32 she observes (referring to Pliny’s Panegyricus): “if Pliny characterizes the theater audiences during Nero’s reign as all too willing to abuse their freedom of response by praising his performances, he paints a far grimmer picture of audience constraint and fear under the searching gaze of (...) Domitian”. 4 Cf. Suet. Dom. 18,1. <?page no="328"?> Carole E. Newlands 320 of hair was associated with the inner heat that helped produce sperm. 5 Domitian’s one son died in infancy, and he seems not to have sired other children. 6 According to Suetonius (Dom. 15,1), Domitian’s failure to produce and secure an heir endangered the future of the Flavian dynasty. To be heirless and hairless were signs of weakness; as with Julius Caesar, who likewise suffered from baldness (Suet. Iul. 45,2), official portraiture shows Domitian with tidy locks combed forward, and late in his reign, like Nero he seems to have imitated Alexander the Great with abundant hair swept up from the forehead. 7 Juvenal may also have called Domitian the “bald Nero” because of the interest of both emperors not only in spectacle but in the arts in general, including the writing of poetry. Apollo, god of poetry, sported long locks of hair; baldness by contrast signified lack of artistic talent. Hair moreover was a metaphor for literary style; 8 baldness suggested a thin, meager style that seems to confirm Suetonius’ negative portrayal of Domitian as a feeble writer at best, uninterested in literature and with a preference for reading works such as Tiberius’ official reports (Dom. 20). Suetonius mentions no significant writings by Domitian - a few “bon mots” (Dom. 20) and a treatise on hair loss (Dom. 18,2), a libellus that is perhaps specifically mentioned to highlight the metaphorical significance of Domitian’s concern with baldness. On the other hand Quintilian praises Domitian as a superb epic poet, thus associating him with the most virile of ancient literary genres (inst. 10,1,90-92). Can these two opposing representations of Domitian be in any way reconciled? Perhaps not, but it is the purpose of this paper to argue that they can be better understood through the matrix of hostile Neronian representation. 9 In her major article on Domitian and literature, Kathleen Coleman rejected Bardon’s thesis that Domitian’s attitude towards the arts was substantially shaped by the need to distinguish himself from Nero as the representative of the new dynasty; she argues instead that for Domitian literary composition seems to have been a youthful activity, abandoned when he became emperor in order to devote himself fully to running the empire. 10 These two positions need not be mutually exclusive. Domitian’s abandonment of the pursuit of poetry can also be interpreted as a conscious gesture to distance 5 Cf. Gleason (1995) 68-70. 6 Cf. Suet. Dom. 3; Mart. 6,3; Jones (1996) ad loc. 7 On Domitian’s ‘Alexander/ Nero’ hairstyle see Morgan (1997) 213. Coins minted late in Domitian’s reign show his infant son playing in heaven, an ideological attempt to assert dynastic continuity through deification; see Newlands (2002) 68; Carradice (1983) 20-21. 8 Cf. Gleason (1995) 72-76; Philostr. V S 622-623. 9 On the possible influence of the negative Neronian image on Domitian’s representation cf. also Cordes in this volume. 10 Cf. Bardon (1940) 284 and Coleman (1986) 3095. Penwill (2000) discusses in detail the sources for Domitian’s writing of poetry. <?page no="329"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 321 himself from Nero, who devoted himself to the arts throughout his rule, not just in his youth. The paradigm of Nero, poet emperor, is key, I believe, for exploring the fissure in Domitian’s conflicting record as emperor of letters. Our sources reveal an imperial balancing act, or even struggle, between the ideological need to distance Domitian from the Neronian literary model and yet, on the other hand, to acquire cultural capital from some of Nero’s literary practices. Predictably later sources - Tacitus, Suetonius, Dio Cassius - condemn Domitian’s verse-making, as they did Nero’s. But these writers were seeking to make their way under new regimes by distancing themselves as much as possible from an emperor who had suffered a damnatio memoriae, and their perspective has to be treated with caution. As I shall argue here, contemporary sources also, which tend to be more laudatory, drew implicitly or overtly on the Neronian paradigm both as contrast and as a powerful, cautionary reminder of a dangerous precedent. Nero’s influence therefore shapes both positive and negative sources. Although this leads to an inevitable distortion of Domitian’s poetic reputation on both sides, it nonetheless allows us to recognize and examine important constituent force in the competing ‘mythologies’ of Domitian. The contradiction in our sources moreover seems to reflect a larger cultural conversation about the role of poetry itself in the self-definition both of the emperor and of the elite. As Bartsch points out, spectacle, both actual and metaphorical was an important aspect of both emperors’ rule. 11 But even Suetonius’ generally negative approach to Domitian shows that Domitian avoided the mistakes of his predecessor in varying the types of shows and, in particular, appealing to different levels of society. Early on in his Life of Domitian, Suetonius writes that Domitian “constantly” mounted lavish shows for the people (Dom. 4,1), spectacula assidue magnifica et sumptuosa edidit. Domitian clearly understood the cultural capital he would acquire with his people from such events; Suetonius after all admits that it was among the people, not the cultural elite, that Nero continued to be mourned (Nero 57,1). But Domitian also closely linked himself with Augustus in mounting the solemn religious festival of secular games, which were organized by an elite aristocratic body, the quindecimviri, and were important therefore to the senatorial elite as well as to the general populace (Dom. 4,3). 12 Moreover, as Coleman points out, Domitian may have given up the composition of poetry on his accession, but he continued to cultivate literary interests, in particular with his institution in Rome of Greek-style international games, namely the Capitoline games in honour of Jupiter, with athletic, music and poetry competitions. 13 These games are another major example of Domitian’s attempt to appropriate a 11 Cf. note 3 and Heinemann in this volume. 12 On the Secular Games of 88 AD see Jones (1992) 102-103. 13 Cf. Coleman (1986) 3095-3100. <?page no="330"?> Carole E. Newlands 322 Neronian concept, yet give it new social, cultural and political value, for only Nero before him had attempted to establish international games in Rome itself, the Neronia; Augustus had confined himself to establishing such games in that Hellenised city, Naples. Domitian also instituted Greek-style games in honour of Minerva at his Alban palace outside Rome, the Quinquatria, which were held yearly or almost yearly (Cass. Dio 67,1,2) and seem to have been roughly the equivalent of Nero’s Iuvenalia. The Capitoline games were presided over by Domitian clothed in imposing Greek-style dress; competitions included improvisational poetry in Greek and Latin. 14 The high-level of these literary contests is demonstrated by the poet Statius, who glories in winning the crown at the Alban games (silv. 4,2,63-67), and bitterly laments not succeeding at the Capitoline (silv. 3,5,28-33; 5,3,225-233). Domitian therefore revived the Neronian experiment of bringing international games to Rome. But we see here a substantive code-switching in the deployment of names. Nero’s games, the Neronia, were named after the emperor himself; the Capitoline games and the Quinquatria were dedicated not to the emperor but to deities special to Domitian, Jupiter, Rome’s most important deity, and Minerva, Domitian’s patron deity. The foreignness of these Greek-style games moreover was offset by their association with ancient Roman religion, for Jupiter was the deity of Rome’s most sacred hill, the Capitoline, and the name of the Quinquatria was taken from an ancient Roman festival honouring Minerva and all artisans, the Quinquatrus (Ov. fast. 3,809-848; 6,649-710). Thus although he followed Nero’s experiment by introducing international, Greek-style games, at the same time Domitian associated the games with some of the most sacred traditions of Rome. Moreover, at the games Domitian watched and judged; unlike Nero he did not perform - although as Coleman observes, the purpurea toga Graecina worn, according to Suetonius, by Domitian (Dom. 4,4), was the dress of Roman emperors in Greek cities; it also happened to be the garment worn by Nero after the Olympic games (Suet. Nero 25,1). 15 Suetonius’ negative approach to Domitian emphasises the ‘Greekness’ of the emperor’s habitus at the games, showing that Domitian’s philhellenism constantly ran the risk of blurring the boundaries between himself and Nero. Far more negative is Dio in his brief account of Domitian’s games, which says nothing about the Capitoline games but mentions popular spectacles (67,8). 16 Here we see an example of what probably was the same event but viewed from contrasting perspectives, a free dinner put on for the people that was attended by Domitian. For Statius, the sharing of a feast among all 14 See Champlin (2003) 71-73 on Nero’s games, Hardie (2003) on Domitian’s games. 15 Cf. Coleman (1986) 3097 note 56. 16 Cass. Dio 67,1,2 mentions the Quinquatria in the context of Domitian’s establishing the Alban villa as a sort of “acropolis”, that is, a separate fortification presumably typifying the emperor’s tyrannical tendencies. <?page no="331"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 323 ranks of people, including the emperor himself, is a return to the Golden Age (silv. 1,6,39-50); for Dio, the feast is a mere sop to the people for an earlier spectacle at which nearly all the participants, and some of the spectators, had died owing both to a violent storm and to Domitian’s refusal to let anyone leave (Cass. Dio 67,8,3-4). 17 Suetonius’ passage is more balanced in suggesting that this was an emperor who understood the power of spectacle, yet who adroitly attempted to appeal to all levels of society. Indeed, so successful were the Capitoline games that, unlike the Neronia, they outlasted Domitian, surviving until the fifth century. The authority to judge at the games was probably bolstered by Domitian’s reputation from his youth as an accomplished epic poet. Before Nero, for an emperor to engage in literary activity was perfectly respectable and was a further sign of cultural superiority. Alexei Zadorojnyi has argued that an emperor’s literacy, however, could often be an instrument of power that distinguished the good emperor from the bad; a preference for the written word, for instance, rather than for speech and dialogue could be the mark of an autocrat or tyrant. 18 Crucial too, I believe, was the type of written work. While Julius Caesar and Augustus wrote prose memoirs that attempted to stamp on history their version of their achievements (Suet. Iul. 56,15; Aug. 85,1), both also as young men, or when at leisure, wrote poetry, chiefly in the form of light verse or mythological poetry; for example Augustus composed epigrams in his bath, and personally dismissed his early efforts at tragedy (Suet. Aug. 85,2). Julius Caesar composed a collection of memorable sayings, a panegyric on Hercules, and a tragic drama, Oedipus, youthful works which Augustus forbade either to be published or to be placed in the public libraries (Suet. Iul. 56,7). Suetonius represents the writing of poetry as a recreational activity for the emperors and emphasises that the commentarii of Julius Caesar and Augustus were by far their most important works, a sign that their minds were mostly on serious matters. 19 Augustus’ poetry writing on the other hand was play, a welcome sign that the emperor had not just an iron fist. Presumably the writing and recitation of licentious epigrams and tragedy, a histrionic, emotional genre, would have been regarded as counter to imperial dignity unless confined strictly to recreational hours or a youth- 17 Cf. Schulz p. 418-420 in this volume. 18 Cf. Zadorojnyi (2006) 362-371. For instance according to Suetonius Domitian virtually spelled out the coercive implications of the imperial written document when he began his official letters with the authoritarian formulation dominus et deus noster hoc fieri iubet (Dom. 13,2). On contradictions in the sources over whether Domitian officially adopted this form of address see Jones (1996) ad loc.; Newlands (2002) 248-249. 19 See Zadorojnyi (2006) 359-360 for the theme in imperial biography that the emperor should exhibit professional qualities related to governance over cultural pursuits, which should be strictly delimited. <?page no="332"?> Carole E. Newlands 324 ful time of life. Nero’s mistake was to put poetry and tragedy at the heart of imperial self-representation. References to Nero’s poetry in various sources, and from the fragments that survive, suggest that, as in his dramatic performances on stage, so in his verse composition he was eclectic and prolific, writing not only an epic poem on Troy but also lighter verse such as lascivious epigrams (opus lascivum, Mart. 9,26,9-10), and possibly satire (Suet. Dom. 1,1). Our sources are divided over whether he had any real talent. Seneca calls Nero disertissime, most eloquent (nat. 1,5,6) - but then, as Nero’s former tutor, this is not surprising. In an intriguing passage Suetonius comments that he possessed some of Nero’s original notebooks and that they were full of corrections (Nero 52): itaque ad poeticam pronus carmina libenter et sine labore composuit nec, ut quidam putant, aliena pro suis edidit. venere in manus meas pugillares libellique cum quibusdam notissimis versibus ipsius chirographo scriptis, ut facile appareret non tralatos aut dictante aliquo exceptos, sed plane quasi a cogitante atque generante exaratos; ita multa et deleta et inducta et superscripta inerant. And so, being inclined towards poetry, he happily and effortlessly composed poems and did not, as some people think, publish others’ works as his own. There have come into my hands notebooks and papers with some of his well known verses, written in his own hand, so it seems quite evident that they were not copied or taken down from dictation but were written exactly as one does in the creative process; there were so many things deleted, rubbed out, and written above the lines. It is unclear whether Suetonius is suggesting here that Nero was learned and took pains to revise his work, or, alternatively, that Nero was never able to write a correct verse. What Tacitus says seems to support the latter view, namely that Nero could not even write a line of verse but had assistants to complete his lines (ann. 14,16,1); Tacitus’ Nero comes close to his Domitian here in that he “affected a zeal for poetry” (carminum quoque studium adfectavit). Further complicating our interpretation of Suetonius’ passage is his initial remark that Nero wrote with ease, sine labore, although to write “without labour” could imply carelessness (Dom. 52,1). Martial however calls Nero doctus (8,70,7) in the genre of epigram, an epithet that confirms Suetonius’ admission (Nero 7,2) that Nero had a first-rate education and was fluent in both Latin and Greek. At 9,26,9-10 Martial refers to Nero’s youthful poetry as opus lascivum, a possible compliment; Henriksén points out that lascivus is the word that Martial uses to describe his own poetry, for instance in the preface to Book 1 (9-10), lascivam verborum veritatem, id est epigrammaton linguam. Martial seems to exhibit grudging admiration for Nero’s accomplishments in his own genre of epigram, if not in governance; he is “the savage king” in epigr. 2,3. But Nero’s chief work, the mythological epic on the Troy legend, Troica, seems to have been the target <?page no="333"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 325 of mockery for its bombast. 20 Moreover, Nero could not tolerate brilliance in other writers; Lucan was forbidden to publicise his poetry, especially his epic (Tac. ann. 15,49) and eventually was driven to suicide. Domitian’s early reputation as a dedicated writer of poetry thus brought him dangerously close to Nero; unlike for Augustus, poetry was not merely play. Our contemporary sources however make positive capital out of Domitian’s composition of poetry. For one thing, Domitian seems to have confined himself to epic, the highest and most serious of literary genres. For another, contemporary writers seize on his brilliance as a poet as evidence of his support for literature. For instance, in the proem to the Achilleid Statius, seeking approval for his own new epic, praises Domitian for his success in both poetry and leadership, cui geminae florent vatumque ducumque / certatim laurus (15-16). Statius suggests here that Domitian wrote martial epic; this seems to have taken the form of a work, or works, on his own and his family’s achievements, although unlike for Nero, we do not have surviving fragments of his poetry. 21 The most effusive and overt commendation of Domitian as epic poet comes from Quintilian, in the section of his Institutio Oratoria devoted to literary history. In what I believe is a deliberate attempt to write Nero out of the literary record, he places Domitian as the climax of Rome’s distinguished epic poets (inst. 10,1,90-92): Lucanus ardens et concitatus et sententiis clarissimus et, ut dicam quod sentio, magis oratoribus quam poetis imitandus. Hos nominamus, quia Germanicum Augustum ab institutis studiis deflexit cura terrarum, parumque dis visum est esse eum maximum poetarum. Quid tamen his ipsis eius operibus in quae donato imperio iuvenis secesserat sublimius, doctius, omnibus denique numeris praestantius? Quis enim caneret bella melius quam qui sic gerit? (...) cui magis suas artis aperiret familiare numen Minerva? (...) Nos tamen sacra litterarum colentis feres, Caesar, si non tacitum hoc praeterimus et Vergiliano certe versu testamur “inter victrices hederam tibi serpere laurus”. Lucan is passionate and dynamic, most lucid in his turns of phrase and thought and, to speak plainly, to be imitated more by orators than by poets. I name these poets because imperial responsibilities have drawn Germanicus Augustus away from his initial studies, and it seemed to the gods not enough that he was the greatest of poets. What however is more sublime, more learned, finally more metrically brilliant than those works of his that he devoted himself to as a young 20 The fragments are collected in Courtney (1993) 357-359. He suggests at 359 that the Halosis Troiae, supposedly sung while Rome was burning, was part of this epic. Persius 1,93-95 may well lampoon it; Lucan parodied it in a notorious piece of bathroom humour; see Courtney (1993) 358. 21 Coarelli (2009) 82-83 has argued that an inscription from the Roman Forum preserved by humanists represents verse written by Domitian himself celebrating his military triumph against the Dacians. There are many problems with the style of the inscription, however, as well as with its provenance that make this identification tantalizing but far from certain. <?page no="334"?> Carole E. Newlands 326 man, after renouncing imperial power? For who could sing of war better than the man who, like him, wages war. (...) To whom has Minerva, his special patron, revealed more her arts? (...) But you will accept, Caesar, if we who worship the sacred pursuit of literature do not pass over this in silence but acknowledge indeed in Vergilian verse (that) “for you the ivy is entwined among the triumphant laurels”. Quintilian shapes Domitian as the antithesis of Nero in at least four ways here. First, Domitian wrote poetry only when young (iuvenis), unlike Nero who pursued the arts even more fervently as his reign progressed. Secondly, he indicates that Domitian wrote contemporary, historical epic; Nero wrote mythological epic on the Trojan war, perhaps glorifying his putative origins. Third, Quintilian significantly places Domitian in the line of literary succession next to Lucan as a writer of historical epic. And by doing so, Quintilian not only privileges historical epic over mythological, he replaces Nero as epic poet with his famous victim, Lucan. He thus writes Nero out of the literary record; Domitian is the glorious telos of Roman epic poetry, who thus makes acceptable the idea of the emperor-poet. Finally, Quintilian emphasises that Domitian’s epic was based on actual military experience; Nero’s military campaigns in the East, on the other hand, ended in disgrace. Quis enim caneret bella melius, quam qui sic gerit? (“For who could sing of war better than the man who, like him, wages war? ”), Quintilian concludes, thus implying an earlier, more positive model for Domitian, that of Julius Caesar, who, in Suetonius’ words, excelled both in eloquence and in waging war (Iul. 55,1): eloquentia militarique re aut aequavit praestantissimorum gloriam aut excessit (“In eloquence and in warfare he either equaled the glory of the most outstanding men or he exceeded it”). True, as Roche argues, Quintilian is outstandingly vague; he does not for instance name any of Domitian’s works, and indeed Roche proposes an ironic reading of this passage. 22 Set against Nero however, Quintilian’s passage puts forward a new positive image of the poet-emperor, the epic poet who, unlike Nero, does what he writes about, wages war. The writing of poetry is represented here not as a recreational pastime nor as a substitute for governance but as a worthy complement to governance, especially when undertaken in youth. The negative example of Nero shapes the positive image of Domitian, who here overtly replaces Nero in literary fame. Although Quintilian does not give us a title or exact topic for Domitian’s poetry, our few sources suggest that the emperor wrote panegyrical epic supporting the Flavian dynasty, not surprising for a family that lacked the 22 Roche (2009) 369-378 applies Quintilian’s definition of figured speech, or emphasis (inst. 9,1,14; 9,2,65), to this passage. He argues for instance that the praise of Domitian’s military achievements is double-edged, given his equivocal military success. Roche follows Penwill (2000) in arguing that Domitian’s works were so obscure as to be hidden or not exist at all. <?page no="335"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 327 distinguished traditions and origins of the Julio-Claudians. 23 Mart. 5,5,7-8 has often been taken as referring to a poem written by Domitian on the Capitoline war, when during the civil wars that eventually brought the Flavians to power, the Vitellian troops burned the Capitol and Domitian had a narrow escape. Martial instructs the imperial librarian to “place the great work of tragic Virgil next to the celestial poems on the Capitoline war” (ad Capitolini caelestia carmina belli / grande cothurnati pone Maronis opus), thereby suggesting that the work on the Capitoline wars was also epic. But as Coleman points out, it really is not certain whether Martial refers to an epic poem by Domitian, or to a poem about him by his librarian, Sextus. 24 The theme of the Capitoline wars seems to have been popular; Statius’ father recited a poem on the theme in front of Vespasian and his family (silv. 5,3,195-204). Moreover, caelestis can be an epithet for the emperor (e.g. Mart. 8 praef. 9), or it can mean “heavenly” in the sense of “sublime”. 25 Although Martial’s lines thus can mean either a poem by Domitian, or a poem about Domitian, he is certainly associating the emperor with the type of poetry, contemporary historical epic, for which Quintilian praises him. 26 Valerius Flaccus is more specific. In the proem to his epic Argonautica he suggests that Domitian is writing (or will write, the text is uncertain) a panegyrical epic on the Jewish war (Val. Fl. 1,11-13): 27 versam proles tua pandit Idumen, sancte pater, Solymo nigrantem pulvere fratrem spargentemque faces et in omni turre furentem. Your son, sacred father, makes known the conquest of Judaea, and his brother dark with the dust of Jerusalem as he scatters fire and rages upon every tower. In this poem Domitian celebrates not his own achievements, but those of his brother in Judaea. The rivalry between the two brothers that is emphasised in later sources is absent here. Valerius’ representation of the Flavians marks a strong contrast with Nero and his family: the revered father with two talented sons, harmoniously linked by strong support for one another, provides a strong, traditional family structure so unlike Nero with his difficult mother Agrippina and hated stepbrother Britannicus. As Denis Feeney comments, Valerius Flaccus here “appears to be celebrating right family 23 Thus Bardon (1940) 283. 24 Cf. Coleman (1986) 3089. 25 Cf. Penwill (2000) 67. 26 Penwill (2000) is skeptical that Domitian wrote such a poem, seeing the very idea as part of the culture of fraud that Domitian perpetuated. 27 I use Zissos’ (2008) text. He argues for pandit, not pandet at Val. Fl. 1,11 on the grounds of majority opinion; others have argued that as we do not have any other reference to a poem by Domitian on the Jewish wars, then the prospective future makes better sense. As we have seen however, all references to Domitian’s poem or poems tend to vagueness as regards title and content. See Zissos (2008) on Val. Fl. 1,11-13; 12-14. <?page no="336"?> Carole E. Newlands 328 relations after the chaos of Nero”. 28 Thus, although we do not have titles or fragments for Domitian’s poems, our sources suggest that Domitian wrote, or had a predilection for, contemporary panegyrical epic celebrating his own dynasty. 29 He may have written an epic poem on the civil wars that brought his family to power as well as a poem on the Jewish wars, foreign wars that helped consolidate the Flavians’ power and authority to rule. Valerius’ Flavian portrait makes a strong contrast with Tacitus’ snide remarks that Domitian only pretended an interest in poetry because of his jealousy of the more talented and successful Titus (hist. 4,86): studiumque litterarum et amorem carminum simulans, quo velaret animum et fratris se aemulationi subduceret (“Affecting a zeal for literature and a love of poetry with which he could veil his true mind and secretly withhold his jealousy of his brother”). Tacitus thus suggests not that the family of Vespasian was stable and strong, but that it was dangerously fractured. Tacitus also reverses here what Pliny the Elder says about the two brothers, namely that it was Titus who imitated Domitian, not vice versa (nat. praef. 5): quantus in poetica es! O magna fecunditas animi! quemadmodum fratrem quoque imiteris excogitasti (“How great you are in poetry! O great fecundity of mind! You show how you planned to imitate your brother”). For Pliny, this is a friendly rivalry that prompts high poetic aspirations and success. But Tacitus goes so far as to claim that Domitian’s reputation as a poet was false. Suetonius (Dom. 2,2) supports Tacitus’ view that poetry provided a test case for Domitian’s mastery of simulation and hypocrisy: simulavit et ipse mire modestiam in primisque poeticae studium, tam insuetum antea sibi quam postea spretum et abiectum (“He also made a wonderful pretence of modesty and especially of a love of poetry, an interest which had formerly been as upractised by him as it was later spurned and rejected”). Although Suetonius does not mention Domitian’s rivalry with Titus here, he has alluded to it in the two previous sentences. 30 Dio emphasises the theme of rivalry even more, despite the brevity of the epitome, and portrays a Domitian obsessed with jealousy for his older brother to the extent that many of his actions were prompted by insidious rivalry (Cass. Dio 67,2). Suetonius also claims that Domitian never cultivated an eloquent literary style and had little interest in the liberal arts (Dom. 20), remarks that contradict what he says in the previous sentence about Domitian’s restoration of the public libraries after they had been destroyed by fire. Suetonius has a memorable image of Domitian secluded in his study for hours with his stylus, using it however not to pen poetry, but to kill flies (Dom. 3,1). 31 As Za- 28 Cf. Feeney (1991) 335. 29 Jupiter’s prophecy in Silius Italicus’ Punica (3,618-621) praises Domitian as an outstanding poet but does not specify works or genres. 30 See Jones (1996) on Suet. Dom. 2,1. 31 Cf. also Cass. Dio 66,9,3. <?page no="337"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 329 dorojnyi comments, the anecdote is more than an indication of Domitian’s pathetic lack of talent; rather, the stylus is a symbol of his cruelty and “catand-mouse style, ever delaying and dissembling the strike against his victims”. 32 The political dissimulation that Tacitus finds a hallmark of Domitian’s regime is extended to poetry - and its lack. Quintilian’s sublime epic poet is for these writers a hypocrite; critics today have fallen in line with this representation of Domitian as a literary sham, and argue that his epic poem never existed. 33 In Tacitus and Suetonius Domitian is thus a debased version of Nero. For if Nero was public and profligate about the writing and performing of poetry, Domitian is terrifyingly secluded and secretive, a failure at writing poetry but, as his use of the stylus suggests, a dangerous hypocrite and dissembler, an actor of a different sort from Nero, but accomplished in a deadly manner. As regards Domitian’s writing of poetry, therefore, our negative sources offer a mirror image in reverse of contemporary praise. Somewhat contradicting these negative sources, however, is not only the epicists’ acknowledgement of the emperor as an esteemed poet but also the flourishing of epic poetry during the reign of Domitian. An interesting byproduct of the emperor’s interest in epic poetry is the revitalization of the poetic topos of the recusatio in Flavian poetry. None of the Flavian epicists wrote a contemporary epic, choosing instead mythological themes (Valerius Flaccus and Statius) or Republican history (Silius Italicus). In Augustan poetry the recusatio allowed a poet modestly to declare his inability to tackle epic poetry and his affiliation to less weighty genres such as pastoral or elegiac poetry. In the Flavian period the recusatio is used by epic poets in a new way, to refuse the emperor’s wish that they too write epic on the contemporary achievements of the Flavians (Val. Fl. 1,12-21; Stat. Theb. 1,16-34; Ach. 1,14-19). As Andrew Zissos comments, both Valerius Flaccus and Statius avoid “the conventional generic opposition (tenuis versus grande) of the Augustan recusatio”, opting instead for “an implicit gradation of subject matter, privileging contemporary historical - which is to say imperial - epic over its mythological counterpart”. 34 Statius and Valerius Flaccus, for instance, make a choice not between epic and elegy or some minor genre, but between two types of epic, contemporary and mythological. The recusatio allows them diplomatically to privilege and praise Domitian’s subgenre of panegyrical, contemporary epic while simultaneously rejecting it. This new form of recusatio goes against the grain of the common perception of contemporary poets as mere flatterers of the emperor; 35 it also goes against the grain of the ste- 32 Zadorojnyi (2006) 352. 33 See notes 22 and 26 above. 34 Zissos (2008) 85-86. See also Nauta (2006) 27-34. 35 White (1993) 79 argues that contemporary epic would have severely limited a poet’s freedom and would have been a form of servility. <?page no="338"?> Carole E. Newlands 330 reotype of the emperor as a coercive tyrant. The poets may not have wished to tread on the terrain that Domitian had made his own. They may also have been cautiously aware that contemporary epic on an emperor’s achievements was possibly the most ephemeral of genres. The recusatio allows them to compliment the emperor for his literary and military achievements while not deviating from their own literary trajectories. Statius silv. 4,4 provides an interesting example of the delicate interchange between the emperor’s and the poet’s wishes in this new form of recusatio (4,4,94-100): Troia quidem magnusque mihi temptatur Achilles, sed vocat arcitenens alio pater armaque monstrat Ausonii maiora ducis. trahit impetus illo iam pridem retrahitque timor. stabuntne sub illa mole umeri an magno vincetur pondere cervix? dic, Marcelle, feram? fluctus an sueta minores nosse ratis nondum Ioniis credenda periclis? Indeed I am attempting to write of Troy and great Achilles, but the bow-wielding father calls me elsewhere and shows the greater arms of the Ausonian leader. Desire draws me in that direction for a while, and fear pulls me back. Will my shoulders support that weight or will my neck be broken by the mighty mass? Speak, Marcellus, can I endure it? Or should my ship, which has been accustomed to know lesser seas, not yet be entrusted to the dangers of the Ionian? 36 Statius is about to embark on a second epic, the Achilleid, but Apollo summons him to write of Domitian’s wars. Statius, who is writing this poem in Naples, by Virgil’s tomb (51-55), plays off two important Virgilian scenes here. First, the recusatio in Virgil’s Eclogue 6,3-5, when Vergil, about to compose epic, is admonished by Apollo who, following his Callimachean model, tells him to opt for minor poetry. But as Nauta comments, it is striking that Apollo here in Statius’ poem does not have his traditional role of dissuading from arma. 37 Rather, like Domitian in the proem to the Thebaid (1,16-40), he wants an epic on a higher scale than the mythological; his preference for martial epic is indicated by the epithet arcitenens, “bow-wielding”, which connects him with arma; he is not holding his lyre. Statius evokes also a second Virgilian epiphany of Apollo, namely the terrifying, powerful god of the Delian oracle of Aeneid 3, where, as here, he is named both arcitenens (Verg. Aen. 3,75) and pater (Verg. Aen. 3,89; Stat. silv. 4,4,95). As John Miller points out, Apollo is called pater for the first time in Roman poetry here in Aeneid 3 (and only once again at Verg. Aen. 11,789). 38 The invocation of Apollo as pater occurs at the solemn moment when Aeneas consults the god about his fated destination; immediately after, the god arrives with a display of terri- 36 Text is that of E. Courtney (Oxford 1992); the translation is my own. 37 Cf. Nauta (2006) 31-32. 38 Cf. Miller (2009) 106. <?page no="339"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 331 fying power in the form of an earthquake - perhaps alluded to by Statius with timor (97). Virgil’s epic, monumental Apollo lies behind the god of silv. 4,4,95-97. Statius thus indicates the pressure he is under to please Domitian by writing of his deeds. Yet although this enterprise is compared to being on “the dangerous Ionian seas” (99-100), a striking metaphor for the stylistic and thematic challenge of contemporary epic, Statius wittily indicates that he is no Aeneas; he is not under compulsion to obey the gods. In scenes of Apollo’s epiphany to a poet, the god usually persuades the poet to follow his aesthetic credo; but despite the pressures Statius describes, he refuses to comply with what Caesar and his god want. Instead he takes on Troy, the theme of Nero’s famous epic, and leaves contemporary epic for a future date - or for Domitian. Apollo here is associated with a poetic agenda to which Statius was generally unwillingly to subscribe. Significantly, Apollo is banished from the majority of the Silvae as an inspiring deity; in the Thebaid he is represented as a troubled deity who finally departs from the poem in saying he was not worthy to be worshipped (saevus ego immeritusque coli, 9,657). In an age associated with vicious literary and political persecution, 39 Statius’ refusal in silv. 4,4 to write contemporary epic after his Thebaid hints at a greater poetic autonomy than is generally granted Statius and Martial, who have often been seen as lackeys of Domitian. 40 At the same time Statius may also be intervening in political ideology by undermining, or reducing the authority of a god who had become tarnished by his close association with Nero as his patron deity. 41 Domitian took Minerva, not Apollo, as his patron deity; she was closely associated with his games at the Alban villa, and she was the tutelary deity of Domitian’s new forum, the Forum Transitorium. 42 Martial, in the epigram in which he praises the “celestial” poem on the Capitoline wars, begins by addressing Domitian’s librarian Sextus as Palatinae cultor facunde Minervae (Mart. 5,5,1), a clear statement that in the realm of poetry the deity of the Palatine is no longer Augustus’ or Nero’s Apollo but Minerva, Domitian’s patron deity. 43 Indeed the epigram’s juxtaposition with 5,4 on drunken Myrtale who chews laurel leaves not for prophecy but to disguise her alcoholic breath undermines the importance and sanctity of Apollo’s cult in a poetic and political context; as William Fitzgerald comments, “her laurel-chewing turns her into a comic version of the Delphic priestess undergoing the presence of Apollo”. 44 The Palatine library was dedicated by Augustus to Apollo and was next to Do- 39 Cf. Coleman (1986) 3111-3115. 40 E.g. Conte (1994) 481. 41 On Palatine Apollo as Nero’s patron deity see Champlin (2003) 112-144; Miller (2000). 42 On the importance of Minerva to Domitianic ideology, see D’Ambra (1993), esp. 3-18; also Jones (1992) 99-100. 43 On the Palatine library and Sextus’ office see Howell (1995) on Mart. 5,4,1. 44 Fitzgerald (2007) 114. <?page no="340"?> Carole E. Newlands 332 mitian’s palace. Nero had increased the ideological importance of the Palatine and his bonds with Apollo by concluding his triumph there, rather than on the Capitoline at the temple of Jupiter. 45 In Mart. 5,5 it is Minerva who now symbolically presides over the Palatine as the arbiter of eloquence. The representation of Domitian as interested in epic poetry, either as poet himself or as inspirer of others, separates him from Nero, who could not tolerate rivals and wrote widely in various genres. The confinement of Domitian’s literary interests to contemporary epic may also reflect changing conditions for poetry writing among the elite, particularly after the reign of Nero. Poetry writing, as we have seen, particularly of light verse in a humorous, witty vein, was a traditional pastime of the cultural elite, and all the more so in the first century AD when leisure itself had become a sign of cultural prestige, and poetry writing one of the signs of cultural distinction. 46 Yet poetry with humour and satiric bite, such as epigram and hendecasyllables, also in this period became questionable activities for both emperor and elite. Augustus, Suetonius tells us, dabbled superficially (summatim, Aug. 85,2) in poetry, playing the occasional part of the gentleman of leisure. But although Augustus wrote epigrams safely secluded in his bath (Suet. Aug. 85,2), properly limiting his leisured activities, he also seems to have broached the boundary between public and private on at least one occasion by writing Fescennine verses against his friend and colleague Asinius Pollio (Macrobius Sat. 2,4,21). When Augustus asked Pollio why he had not sent comparable verses back, Pollio replied that he could not reply in similar vein to one with the power of life and death over him. Nevertheless, Pollio’s reply was wittily phrased: at ego taceo. non enim facile in eum scribere qui potest proscribere. As Michèle Lowrie points out, although on the face of it Pollio contrasts writing (scribere) with real political power (proscribere), his ironic witticism nevertheless became powerful through its memorability; it circulated widely. 47 But this anecdote also reveals a problem for the emperor who indulges in lascivious or scurrilous verse: is he giving licence to similar verses in turn, verses that may be too subversive for him to tolerate? If our hostile sources accuse Domitian of literary dullness, there may be a reason, namely that ‘playful’ verse had become potentially too dangerous in an autocracy for both emperor and the cultural elite. As Zadorojnyi comments, literacy made an emperor both powerful and vulnerable. 48 It was not just political discourse that was dangerous, but poetry whose jests or barbs could be taken at face value, and whose praise could be dismantled; as Fitzgerald 45 On Nero’s triumph see Miller (2000). 46 See Myers (2005) on the concept of doctum otium in Pliny the Younger and Statius. 47 Cf. Lowrie (2009) vi-vii. 48 Cf. Zadorojnyi (2006) 353. <?page no="341"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 333 comments, “praise and blame, or panegyric and invective, can seem to be two versions of the same thing”. 49 Pliny the Younger, writing under the supposedly milder conditions for literary expression in the reign of Trajan, suggests that even in leisured circumstances, and among his elite circle, the writing of short, licentious poetry had become problematic. In epist. 4,14, a letter to a friend accompanying a set of his hendecasyllabic poems composed in a variety of poetic registers ranging from jokes to invective, he attempts to forefend the objection that they be found petulantiora, “too forward and daring”, by citing distinguished senatorial writers, summi viri, as a precedent for this practice (4,14,3-4). In epist. 5,3 he cites, among distinguished Roman writers, the precedent of emperors (5,3,5-6): si non sufficiunt exempla privata, divum Iulium, divum Augustum, divum Nervam, Tiberium Caesarem. Neronem enim transeo. Despite Pliny’s attempt to mount a defence, it is clear from these two letters, which cite mostly earlier writers (going back to Ennius), that the Golden Age of free, uninhibited poetry writing had passed, even for the elite when at leisure in their villas. Instead, precisely because they were the elite, their words had more weight and were more liable to scrutiny. Domitian is not named among Pliny’s ‘poet-emperors’, and Nero is mentioned only to be dismissed for betraying the principle that art and life are quite distinct; Nero’s licentious verse reflected his licentious character. Nero therefore seems to have formed a kind of watershed in imperial poetry writing, not just because of his obsession with all kinds of literature, but because he made play problematic for emperor and elite. He opened up the possibility that lascivious verse could be both dishonourable and deadly, particularly in a culture when men’s words - and characters - could be so easily construed against them. Martial, being of lower social rank and thus scant political threat, and Statius who was probably not even of equestrian rank, could perhaps more safely play - although Fitzgerald notes that “the emperor-centric” books 5 and 8 of Martial’s epigrams are notable for their lack of obscenity; 50 Statius’ Silvae, though defined as playful (1 praef. 8-9), for the most part maintain a high level of decorum in style and theme, and in the preface to Book 4 he has to defend himself against the critics who have attacked him precisely for being playful (4 praef. 29-34). Despite his adherence to the great examples of the past, Pliny shows that the writing of light, witty or cleverly barbed verse, so central to elite self-definition, had become an ambiguous, possibly dangerous form of writing in an autocracy when not even the emperor dared practice this form of leisure. Domitian’s attachment to serious epic that celebrated his professional accomplishments allowed poetry after Nero to reclaim a place as a viable part 49 Fitzgerald (2007) 114. 50 Cf. Fitzgerald (2007) 112. <?page no="342"?> Carole E. Newlands 334 of an emperor’s cultural capital. At the same time, his restriction to epic, his apparent lack of playfulness, his lack of leisure (or the abuse of it, when he took to stabbing flies) can take us closer to the negative sources that represent Domitian as a tyrant who clamped down on the arts and free speech. And yet, as I have argued here, contemporary sources afford glimpses of another Domitian, one who oversaw the flourishing of epic in the Flavian period, one whose wishes for panegyrical epic about his deeds could be artfully but publicly declined. Indeed, a tantalizing glimpse of an emperor who could on occasion ‘play’ and in a way, moreover, that mocked himself, not others, comes from one of our negative sources, Suetonius, who mentions that Domitian wrote a lighthearted consolatory work on the premature loss of hair (Dom. 18,2). It has been generally assumed that this is a prose work, for the lines cited by Suetonius, with the exception of a citation from Homer, are written in prose, but it is possible too that the treatise was a poetic work and that what we have here is the prose introduction. This is our only literary excerpt from Domitian: 51 libello, quem de cura capillorum ad amicum edidit, haec etiam, simul illum seque consolans, inseruerit 52 : “ . "<}> & Q # ; eadem me tamen manent capillorum fata, et forti animo fero comam in adulescentia senescentem. Scias nec gratius quicquam decore nec brevius.” In the little book on hair care which he published and dedicated to a friend, he included these verses, consoling at the same time himself and the friend: “Do you not see how handsome and tall I am? Yet the same fate awaits my hair, and I suffer with a brave heart the premature thinning of my locks. You should know that nothing is more pleasing or shorter-lived than what is beautiful.” Suetonius calls the work a libellus, a word that Martial and Catullus use for their poetry collections - novum libellum (Catull. 1,1), libellis meis (Mart. 1 praef. 1). ‘Hair’ moreover had been a witty poetic topic from Callimachus’ Coma Berenices; both Statius and Martial wrote ‘hair poems’ on Domitian’s favourite Earinus (silv. 3,4; Mart. 9,16; 9,17); a work on hair care could fall into the genre of didactic poetry, like Ovid’s Medicamina Faciei. The passage that Suetonius cites is from the dedication of the libellus to a friend, and thus lines of prose are not surprising. It was a new Flavian practice to attach prose prefaces to one’s work, and Domitian may have been following that trend for his poetry. 53 Thus it is possible that Domitian may have written a partly self-mocking, sophisticated work in the Hellenistic poetic tradition. 51 See note 21 above. 52 Hom. Il. 21,108. 53 Johannsen (2006) offers a detailed study of the relationship between Statius and Martial in their innovative use of the prose preface. <?page no="343"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 335 But whether prose or poetry, Suetonius offers here a glimpse of an emperor who is not the sinister, secluded tyrant he portrays elsewhere, but one capable of play and self-deprecation. 54 That Domitian’s ‘hair’ work was not mere trivia is argued by Llewellyn Morgan, who points out that the quotation from the Iliad (21,108) that Domitian inserts is more than a cliché but is particularly apt, for it is Achilles who is speaking, and Domitian was interested in Achilles, skilled poet and warrior, as a model for his self-representation. In the context of the libellus on hair, the reference is wittily poignant, for Achilles was generally portrayed with abundant hair, such that he could pass himself off as a young woman on Scyros. 55 forti animo portrays the balding Domitian in mock-heroic style, an ‘Achilles manqué’. A more straightforwardly heroic identification between Achilles and Domitian structures the proem to Statius’ Achilleid. Yet again deferring the writing of contemporary epic, Statius gracefully suggests that his next (third! ) epic will be about Domitian; the Achilleid is a “prelude” to that great theme (Ach. 1,19), magnusque tibi praeludit Achilles. 56 Achilles here can mean both the hero and Statius’ poem; both are great, but Domitian and the poem about him will be greater. Achilles thus is represented as a model, if a slightly lesser one, for Domitian. The Achillean model moves Domitian yet again away from the Neronian paradigm. Not only is Domitian a lover of epic, he himself approximates, even surpasses, the greatest of the Greek heroes. Achilles was a particularly apt model for Domitian, since by the first century AD Chiron’s training of Achilles in the physical and liberal arts provided a persistent core model for Roman education of the young. 57 Thus when Statius praises Domitian for his brilliance in the twin arts of poetry and war (Ach. 1,15), cui geminae florent vatumque ducumque, he implicitly acknowledges the model of Achilles. Yet in the proem to the Achilleid Statius also problematizes this model for Domitian. Achilles is defined as a hero “forbidden the sky” (Ach. 1,2), that is, despite the fact that his mother was a goddess, Achilles would never be deified owing to the prophesied threat he posed to Jupiter. Domitian however was an emperor bent on deification. Moreover, Statius appropriates Achilles as a model for himself when he describes the process of poetic com- 54 Granted, Suetonius prefaces the citation from Domitian’s work with the comment that nobody was allowed to make a jest about the emperor’s baldness. And yet Mart. 5,49, a poem seemingly meant for the emperor’s ears, jokes about baldness. Again, our sources do not add up. 55 Cf. Morgan (1997) 211-213. 56 Statius uses the metaphor of “foreplay” (praeludere) also in the prefaces to Silvae 1 (praef. 9) and to Silvae 4 where he compares poetic composition to game-playing (4 praef. 29-31). 57 See Cameron (2009) 11-19. <?page no="344"?> Carole E. Newlands 336 position in terms of the imagery of the race course, or, as Nauta has suggested, war (Ach. 1,17-18): trepidum patere hoc sudare parumper / pulvere (“Allow me though fearful to sweat for a little while in this dust”). 58 Achilles is first introduced in the poem covered in sweat and dust (Ach. 1,159): ille aderat multo sudore et pulvere maior (“He was at hand, covered in sweat and dust and taller”). The poet represents himself as doing what his hero is doing; epic composition is described as athletic training, strict, controlled, yet also playful, for there is surely humour in the comparison of the ageing poet to a young heroic athlete, a humour that would excuse his appropriation of the Achillean paradigm - perhaps Domitian saw the joke. Statius’ play with Achilles in the proem suggests the complex interchange between poet and emperor. The recusatio allows him to compliment Domitian, the emperor who wears the laurels of both poetry and military triumph (Ach. 1,15-16), but also, as an elderly Achilles and therefore ostensibly no match for Domitian, to excuse himself from taking on the epic that the emperor supposedly desires. Thus Domitian’s representation as poet, as Achilles, or as Nero, was subject to a variety of responses; the malleability and subtlety of that image has been largely lost in the often crude negativity of later writers. In his discussion of Mankiewicz’s film Julius Caesar, Roland Barthes observes that hair, combed or spread across the forehead in a neat fringe, is used as the essential sign of Romanness; bald men were not allowed in this spectacle of Roman morality. 59 Juvenal’s memorable taunt of Domitian as the “bald Nero” has thus helped create a persistent image of this emperor as evil and ‘unRoman’. I have argued here that the force of the Neronian paradigm is an invitation to explore the distortions of the ‘mythology’ of Domitian, and if not to dismantle it, then to suggest at least other more open or nuanced ways of reading our sources. The code-switching between the two emperors seems to have been a fractious one and incomplete; the fissures between them expose the ideological efforts to elevate Domitian or condemn him. To sum up therefore, Juvenal’s taunt that Domitian was a “bald Nero” is cleverly multi-faceted. Coins and official portraiture late in Domitian’s reign show him with a flowing head of hair like Nero. Juvenal thus suggests the emperor’s hypocrisy, as well as his purported obsession with his capillary appearance. The taunt also suggests, I proposed at the start, his dynastic weakness; and it marks him as an emperor devoid of artistic talent but pretending otherwise. This is Nero without Apolline locks, without a modicum of talent, a fake whose subterfuge in poetry points to a consistent acting out of secrecy and deceit. Finally, baldness suggests the shaved head of a slave; 58 Cf. Nauta (2006) 32-33. 59 Cf. Barthes (2012) 19-25. <?page no="345"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 337 Juvenal perhaps flips here the notorious title of Domitian, dominus et deus (Suet. Dom. 13,2), making “master” slave. 60 The negative paradigm of Nero has largely succeeded in shaping the dominant image of Domitian as tyrant. Domitian stands out in the potent writings of Tacitus, Suetonius and Dio as a notorious persecutor of intellectuals and writers. 61 Even today his most recent biographer has dismissed Domitian’s literary interests as “pretensions”, writing that “it is highly unlikely that Domitian was genuinely interested in poetry for its own sake”. 62 I have tried to suggest in this paper that, for good or for ill, Nero is key to Domitian’s ‘mythology’; this emperor dogs Domitian’s representation in sources both hostile and agreeable to him. Nero was the first emperor to remove poetry from its status as an elite leisure pastime and to make it central to imperial self-representation. His paradigm therefore, I believe, helps explain at least some contradictions in our sources between Domitian as tyrant and persecutor of literature or as the emperor who made poetry, both in his writing and his patronage, a respectable part of his public persona. I am not here attempting to whitewash Domitian’s record, merely to suggest that recognition of the power of the Neronian paradigm can facilitate our understanding of the distortions in the sources on both sides and, furthermore, can invite us to challenge their polarity by exploring the possibility of some middle ground or new perspective. Although contemporary sources provide a significant antidote to the later sources, their vagueness can also raise the possibility of ironic readings. For instance, Quintilian’s exaltation of Domitian as the telos of epic poetry in Rome begs the question of whether he elevated Domitian because he was educating Domitian’s nephews. 63 Did he compromise his ideal of the orator as a ‘good man skilled in speaking’ to that extent? 64 Could the juxtaposition of Domitian with Lucan in Quintilian’s sequence of epic poets perhaps also be a subtle piece of cautionary advice to the emperor that great poetry, even if politically at odds with its regime, can outlast the power of hostile emperors to censor and destroy? Examining our sources through the useful filter that Nero provides will not allow us to come up with definitive answers to such questions, but it does allow us to see the contingency of the ‘historical’ record, how the same material can yield different interpretations, depending on the cultural and political biases of our sources. Thus whatever Quintilian’s relationship with 60 On this possible title see Jones (1992) 108-109; also note 18 above. 61 See the discussion in Coleman (1986) 3111-3115. 62 Jones (1992) 13. He modifies his position somewhat at 30-31, noting the lively literary culture of the period that has to be balanced against the statements of literary persecution. 63 Cf. Quint. inst. 4 praef. 2-6. 64 For critical readings of Quintilian’s passage see esp. Penwill (2000) 72-75 and Roche (2009). <?page no="346"?> Carole E. Newlands 338 Domitian, the absence of Nero in his literary history is striking; his praise of the emperor as a sublime epic poet at the very least gave him the opportunity to write Nero out of the poetic record. Moreover, it also allowed him to start the process of restoring Lucan to prominence as a writer of historical epic. 65 Let us look at one final example, one that suggests that when Nero is mentioned in a literary context, Domitian is never far behind - and vice versa. The poems of Martial and Statius on the posthumous celebration of Lucan’s birthday castigate Nero; Martial derides him as crudelis nullaque invisior umbra (“cruel and for no other death more hated”) (7,21,3), and Statius describes Nero as a “rabid tyrant” (silv. 2,7,100), condemned to endless terror in Hell, where he is pursued by the vengeful shade of Agrippina (silv. 2,7,116-119). Martial also subtly strips Nero of his cherished identification with Apollo and, as James Ker pointed out in a recent paper at the APA (2012), he transfers that honour to Lucan, vatis Apollonei (7,22,1). For Martial, Lucan is the true poet of Apollo, not Nero. The tyrannical image of Nero, persecutor of poets, seems to raise anxieties in our contemporary sources about Domitian and his own literary relationships. In their praise of Lucan and their derision of Nero, these poems of Martial and Statius draw attention to the memorializing power of poetry to seal reputations of emperors as well as writers for all time. But they also draw attention to the fact that it was under Domitian, reacting to the negative model of Nero, that the rehabilitation of Lucan could begin to take place. Were Domitian’s selffashioning as a ‘better Nero’ and his passion for historical epic possibly fuelled in part by the desire for another Lucan, one who would fulfill the poetic promise that Nero had cut short? If so, it was a risk no poet was willing to take. 65 On the rehabilitation of Lucan in the Flavian age see Newlands (2011). <?page no="347"?> Domitian as Poet, the Bald Nero (Iuv. 4,38) 339 Bibliography Bardon (1940): Henri Bardon, Les Empereurs et les Lettres Latines d’Auguste à Hadrien, Paris. Barthes (2012): Roland Barthes, Mythologies, transl. Richard Howard, New York. 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Die Ambivalenz des Herrscherlobes In der literarischen Panegyrik für Nero und Domitian spielt das Motiv der Erweiterung und Transgression von Grenzen eine zentrale Rolle. Die Dichter preisen die Entfaltung einer nie dagewesenen Pracht in der Bautätigkeit und im Euergetismus, sie beschreiben die Imposanz der Spektakel bei Spielen und Volksfesten und verwischen oder negieren bei der Darstellung des Herrschers die Grenzen zwischen Mensch und Gott. So werden Kolossalität und Glanz in der panegyrischen Dichtung ebenso wie in der bildenden Kunst wichtige ästhetische Kategorien; 1 die Monumentalisierung des beschriebenen Gegenstandes und die Inszenierung der Göttlichkeit des Kaisers sind zentrale Gestaltungsprinzipien des neronischen und domitianischen Herrscherlobes. Um die Übersteigerung des Lobes, die in der Rhetorik als %* oder amplificatio bezeichnet wird, 2 zu bewirken, kann sich die poetische Sprache eines großen Fundus an Stilmitteln und literarischen Techniken bedienen. Hierzu gehören u. a. die Komparation, die Verwendung von Metaphern und Hyperbeln oder der Einschub narrativer Einlagen, die es ermöglichen, den Princeps mit den Göttern interagieren zu lassen oder die Bewunderung darzustellen, die die Bevölkerung den Monumenten und Darbietungen des Herrschers entgegenbringt. Gerade die Übersteigerung des Lobes verleiht dem Enkomium jedoch immer auch eine gewisse Ambivalenz: Größe und Kolossalität sind an sich ambivalente Kategorien, wie ihre Verwendung in herrscherkritischen Kontexten zeigt; 3 die Darstellung der Göttlichkeit eines Herrschers wirft immer * Dieser Beitrag hat von der Diskussion nach dem Vortrag profitiert. Ich danke allen Beteiligten für wertvolle Anregungen und Kritik. Die grundlegenden Gedanken zur Bedeutung des Motivs der Erweiterung und Transgression von Grenzen in der neronischen und domitianischen Panegyrik sowie zu den spezifischen Möglichkeiten, die das Medium Literatur für die Inszenierung dieses Motivs bietet, verdanke ich Therese Fuhrer (s. auch oben S. 20f.). 1 Cancik (1965), (1990). 2 Quint. inst. 3,7. 3 Diese Ambivalenz ermöglicht es beispielsweise in Mart. epigr. 2 in ein und demselben Gedicht die Größe der Domus Aurea Neros negativ zu kodieren (4; 5-10), die der flavischen Bauten dagegen zu preisen (1f.). <?page no="350"?> Lisa Cordes 342 auch die Frage nach menschlichen Grenzen auf und kann so den Vorwurf der Hybris heraufbeschwören. Die literarischen Techniken, auf denen die amplificatio beruht, können diese Ambivalenz noch steigern. So bietet ein Vergleich, wie Ruurd Nauta betont hat, stets unterschiedliche Interpretationen an, da der Autor nie gänzlich festlegen kann, wie weit das Interpretationsspektrum des jeweiligen tertium comparationis reicht. 4 Ähnliches gilt für die Metapher, die bei verschiedenen Rezipienten unterschiedliche Konnotationen hervorrufen kann. 5 Die Gedankenfigur der Hyperbel schließlich hat ihren Platz bekanntlich im Enkomium ebenso wie in Satire und Parodie. So kann sie entweder als adäquate Beschreibung des wahrhaft Erhabenen verstanden werden oder, wenn sie dem dargestellten Gegenstand unangemessen zu sein scheint, ins Lächerliche abrutschen und einen komischen Effekt erzielen. 6 Diese gattungsinhärente Ambivalenz führte in der modernen Forschung zu kontroversen Bewertungen der neronischen und domitianischen Panegyrik. Für die einzelnen Texte wird seit langem diskutiert, inwiefern in bestimmten Äußerungen Ironie und damit versteckte Kritik am Kaiser zu finden seien. Immer wieder wird den Texten eine vom Autor intendierte Doppeldeutigkeit zugeschrieben, die einer gebildeten Leserschaft verständlich gewesen sei, welche die kunstvoll konstruierten und anspielungsreichen Texte zu dekodieren wusste. 7 Nur so sei es den Dichtern möglich gewesen, ihre kritischen Texte von der kaiserlichen Repression unbehelligt zu publizieren. Frederick Ahl prägte hierfür den Begriff des safe criticism. 8 Kaum beachtet blieb dagegen die Tatsache, dass die Ambivalenz der panegyrischen Steigerung offenbar bereits in der Antike als Grundlage für negative Umkodierungen des jeweiligen Herrscherbildes nach dem Tod des Princeps dienen konnte: Gerade jene Repräsentationsformen, die zu Lebzeiten Neros und Domitians in panegyrischen Schreibweisen als positiv konnotierte 4 Nauta (2002) 425f. 5 Vgl. die Erklärung der Metapher bei Eco (1991) 372-382, die auf seinem semantischen Modell (S. 153-173) beruht. 6 Vgl. Naschert (1998) 115f.; Nauta (2002) 425. 7 Für eine kritisch-ironische Auslegung des Herrscherlobes argumentieren etwa Ahl (1984a), (1984b); Bartsch (1994) („doublespeak“) und Merfeld (1999); dagegen u. a. Dewar (1994); Römer (1994); Geyssen (1996) und Nauta (2002). Klodt (1998), (2001) nimmt eine Zwischenposition ein, der zufolge die Gedichte zwar keine Kritik am Herrscher, aber „ein Gefühl von Bedrückung, Gefahr und Ausweglosigkeit“ vermittelten ([2001] 59). Auch Newlands (2002) 23-25 schreibt, Statius’ Silvae enthielten „anxiety as well as praise“. Sie bezeichnet die sich daraus ergebenden Spannungen mit dem Begriff der „faultlines“: Diese untergrüben den dominanten Diskurs des Lobes zwar nicht gänzlich, störten ihn jedoch. 8 Ahl (1984b). <?page no="351"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 343 Grenzerweiterung gepriesen wurden, erfahren in der späteren literarischen Diskussion eine Umkodierung als negativ konnotierte Grenzverletzung. 9 Vor diesem Hintergrund muss eine Analyse der panegyrischen Dichtung nicht nur untersuchen, mit welchen rhetorischen und literarischen Mitteln Kolossalität und Göttlichkeit des Herrschers im Text inszeniert werden, sondern stets auch fragen, auf welche Art und Weise diese ambivalenten Kategorien in panegyrischen Schreibweisen positiv kodiert werden. Unter dieser Fragestellung werde ich zunächst eine Auswahl aus Statius’ Silvae analysieren. Ruurd Nauta hat in seinen Untersuchungen zur domitianischen Panegyrik betont, dass einem Autor Möglichkeiten gegeben sind, unliebsamen Interpretationen zuvorzukommen, und hat dies an einem Beispiel aus Silvae 4,3 illustriert. 10 Diesen Ansatz möchte ich im Folgenden ausweiten. Wie ich in Abschnitt 2 und 3 zeigen werde, findet man auch in anderen Gedichten der Silvae zahlreiche Hinweise, die das Potential haben, den Rezipienten zu einer bestimmten Dekodierung - einem preferred reading - der Texte, aber auch der darin beschriebenen Herrscherrepräsentation anderer Medien zu führen und negativen Lektüren auf diese Weise vorzubeugen. Von den Beobachtungen zur statianischen Panegyrik ausgehend werde ich dann die erhaltene neronische Panegyrik untersuchen (Abschnitt 4) und fragen, ob dort vergleichbare Techniken angewandt werden bzw. wie Unterschiede und Gemeinsamkeiten möglicherweise erklärt werden können. Der Begriff des preferred reading stammt aus der Semiotik und wurde vom britischen Soziologen Stuart Hall ursprünglich im Zusammenhang mit modernen Massenmedien verwendet. 11 Laut dieser Theorie kann der Leser eines Textes durch Codes zu einer bestimmten Lektüre, dem preferred reading, geführt werden. Ob seine Lesart diesem preferred reading entspricht oder er den Text in oppositioneller Lektüre dagegen liest, hängt von seinem kul- 9 Bei den domitianischen Dichtern hat das Nerobild Kontrastfunktion für die Domitian- Enkomiastik (Schubert [1998]; Degl’Innocenti Pierini [2007]). Zuvor gepriesene Leistungen Neros erscheinen in der späteren literarischen Diskussion als Transgression des Schicklichen und Erlaubten (vgl. Stat. silv. 4,3; Mart. epigr. 2; Plin. paneg. 2,6; 46,4). Ebenso kann man nach dem Tod Domitians eine neue Sprachreglung in der Herrscherdarstellung ausmachen, in der auf Abundanz und Monumentalität verzichtet wird und frühere modi der Repräsentation negativ umkodiert werden (vgl. Mart. 10,72; 12,6; Plin. paneg. 2; 52). Eine ähnliche Strategie der Umkodierung findet sich in Senecas Apocolocyntosis, wo eben jene Verhaltensweisen des Claudius, die Seneca in der Consolatio ad Polybium noch positiv konnotiert hatte, nun als Transgression des Erlaubten kritisiert werden. Zum Konzept der Kodierung und Umkodierung von Herrschaftsrepräsentation s. auch den Beitrag von Hose u. Fuhrer in diesem Band S. 20f. Zur Dekomposition der panegyrischen Herrscherdarstellung Neros und Domitians in der Historiographie s. den Beitrag von Schulz in diesem Band. 10 Nauta (2002) 426. 11 Hall (1980) 134-138. <?page no="352"?> Lisa Cordes 344 turellen, sozialen und politischen Standpunkt ab. 12 Diese Betonung sozialer und politischer Faktoren für die Dekodierung eines Textes macht die Übertragung des Begriffs von der Erforschung moderner Medien auf das vorliegende Thema kaiserzeitlicher Herrscherrepräsentation attraktiv, ebenso wie die Bedeutung von Bildern in beiden Kontexten. 13 Legitimiert wird die Übertragung des Konzeptes durch die Ähnlichkeit der kommunikativen Grundsituation, in der sich ein Sender an eine Vielzahl von Empfängern wendet. Die Frage, ob und wie ein Rezipient trotz der gattungsinhärenten Ambivalenzen der Panegyrik zur positiven Lektüre eines Enkomiums geführt werden kann, wurde in der Forschung verschiedentlich diskutiert. So schreiben Simon Goldhill und Richard Hunter in Bezug auf die Dichtung Theokrits, dass dessen enkomiastische Eidyllia eine selektive Lektüre erfordern, bei welcher der Rezipient negative Assoziationen ausblende. 14 Carole Newlands übernimmt Hunters Ansatz für Statius’ Silvae. 15 Während solche Überlegungen vom Rezipienten ausgehen, blickt Christoph Schubert auf den Verfasser: Dieser könne die Rezeption durch ein Verfahren steuern, das Schubert „selbstinterpretierenden Text“ nennt. 16 Das im vorliegenden Beitrag angewandte Konzept des preferred reading hat im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen den Vorteil, dass es durch seine Nähe zum semiotischen Kommunikationsmodell 17 einerseits die Rolle des im Text verwendeten Codes klar herausstellt, andererseits die Möglichkeit einer oppositionellen Lektüre durch den Rezipienten nicht ausschließt. Denn dass durch bestimmte Hinweise „die absolute Eindeutigkeit des Textes“ hergestellt werden kann, wie Schubert meint, 18 ist für die meisten der panegyrischen Texte unter Nero und Domitian ganz offenbar nicht der Fall. Es fehlt bisher eine sys- 12 Man kann unterscheiden zwischen der oppositionellen Lektüre eines Textes, bei der der Leser das preferred reading zwar reproduzieren könnte, dies auf Grund seiner sozialen oder politischen Position aber nicht tut (Hall [1980] 135f.), und einem „aberrant decoding“, bei dem der Leser das preferred reading auf Grund seiner vom Sender verschiedenen (kulturellen, sozialen) Voraussetzungen nicht reproduzieren kann (Eco [1972] 105). 13 Barthes (1977) 38-40, arbeitet in diesem Zusammenhang mit dem Konzept des „anchorage“: Er betont, dass linguistische Elemente in einem Text, etwa die Überschrift eines Zeitungsbildes, das preferred reading des Bildes „verankern“ können. Die Relevanz dieser Überlegungen für das vorliegende Thema zeigt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass die literarische Panegyrik häufig die Herrscherrepräsentation anderer Medien aufnimmt und kommentiert (vgl. Stat. silv. 1,1; 4,2; 4,3; Mart. epigr. 2; Plin. paneg. 52) bzw. nach dem Tod des Herrschers umdeuten kann (vgl. Mart. epigr. 2). 14 Goldhill (1991) 279; Hunter (1996) 163-166. 15 Newlands (2002) 56. 16 Schubert (1998) 19. 17 Vgl. Hall (1980); Eco (1991). 18 Schubert (1998) 19 in Bezug auf Sen. apocol. <?page no="353"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 345 tematische Untersuchung der rhetorischen Techniken, die es ermöglichen, negativen Lektüren vorzubeugen. Diese soll hier geleistet werden. Da die problematische Frage nach der Autorintention in den allermeisten Fällen wohl niemals endgültig zu beantworten ist, soll sie im vorliegenden Beitrag außer Acht gelassen werden. Stattdessen sollen die Gedichte als Teil des medialen Diskurses ihrer eigenen Zeit verstanden werden, dessen Linien nach dem Tod der Kaiser weitergeführt, dessen Motive aber neu interpretiert wurden. 19 Unter dieser Prämisse können sie von der Person des Autors gelöst und im Gesamtkontext der Herrscherrepräsentation gesehen werden. Ins Zentrum der Untersuchung kann dann die Analyse der panegyrischen Rhetorik rücken und, damit verbunden, des persuasiven Potentials der literarischen Techniken des Herrscherlobes im Kontext des zeitgenössischen Diskurses. Die Übernahme von Halls Konzept des preferred reading steht dieser Perspektive nicht entgegen. Denn dieses hat nicht zum Ziel, Aussagen über die Präferenz des Autors zu treffen. Das preferred reading ist nach Hall die Lektüre eines Rezipienten, der den dominanten Code des Textes in nicht-oppositioneller Lesart entschlüsselt. Das ist in den vorliegenden Gedichten die Lektüre eines Lesers, der - platt gesagt - die Panegyrik als Panegyrik liest, sie also mit einem panegyrischen Code und somit affirmativ entschlüsselt. Da die panegyrische Dichtung mit einer Kommunikationsabsicht zirkuliert, die sich durch die panegyrische literarische Tradition und die zeitgenössische enkomiastische Praxis in anderen Medien (Inschriften, Statuen, Gemmen, Münzen etc.) 20 relativ fest umreißen lässt, kann man den panegyrischen Code mit einiger Berechtigung als den dominanten Code der Gedichte ansehen. 21 Das preferred reading, das diesem dominanten Code entspricht, muss jedoch nicht notwendigerweise die Präferenz des Autors ab- 19 Diesem Beitrag liegt der Diskurs-Begriff von Hose u. Fuhrer (S. 12 Anm. 6) zugrunde: Unter ‚Diskurs‘ verstehen sie einen „multiple[n] Rede-Zusammenhang (...), in den ein Autor verwickelt ist, den er aber nicht selbst verantwortet und dessen Strukturen und Funktionen ihm auch nicht notwendigerweise bewusst sein müssen (Japp [1992] 225). Gemäß den theoretischen Grundlagen der pragmatistischen Diskursanalyse sollen Texte nicht als geschlossenes System der Sinngenerierung verstanden werden, sondern als ‚aufgezeichnete Spuren einer diskursiven Aktivität‘, die innerhalb von bestimmten Kontexten stattfindet, mit denen die Texte diskursiv verknüpft sind (Angermüller [2001])“. Zur Weiterführung von bestehenden Diskurslinien und der Neuinterpretation ihrer Motive s. Hose u. Fuhrer S. 20f . 20 Siehe hierzu die Beiträge von Bönisch-Meyer u. Witschel, Wolsfeld und Wolters u. Ziegert in diesem Band. 21 Aus diesem Grund sind die Schwierigkeiten, die Morley (1992) 122 in Halls Ansatz sieht (so die Frage, wie bei bestimmten Texten der dominante Code zu ermitteln sei), beim vorliegenden Thema nicht virulent: Es handelt sich hier um eindeutig ideologisch gefärbte Texte, die mit einer festumrissenen Kommunikationsabsicht zirkulieren und - wie wir sehen werden - zahlreiche explizite Leseanweisungen geben. <?page no="354"?> Lisa Cordes 346 bilden: Es kann durchaus sein, dass dieser selbst eine oppositionelle Lektüre seiner Texte bevorzugte. Solche Überlegungen müssen jedoch in den meisten Fällen spekulativ bleiben, da eine sichere Antwort aus den Texten selbst nicht hervorgeht. Dies gilt umso mehr, als sich die Präferenz des Autors - das sei nebenbei bemerkt - im Laufe der Zeit durchaus ändern kann. Wenn etwa Martial unter Trajan schreibt, sein Domitianlob sei stets unaufrichtige Schmeichelei gewesen (Mart. 10,72), ist dies ein Dekodierungshinweis für die früheren Epigramme, die nach dem Tod Domitians unter dieser Prämisse gelesen werden sollen. Man kann von diesem Hinweis jedoch nicht notwendigerweise auf die Lektüre schließen, die Martial beim Verfassen der domitianischen Epigramme bevorzugte. Die Analyse der domitianischen Panegyrik konzentriert sich zunächst auf Statius’ erste silva über die Reiterstatue Domitians als Beispiel für die Inszenierung und positive Kodierung von Kolossalität. Danach soll der Blick auf Silvae 1,6 über die Saturnalia principis gerichtet werden, ein Volksfest, das der Kaiser an den Kalenden des Dezember für die Hauptstadtbevölkerung ausrichtete. Anhand dieses Gedichts soll gezeigt werden, welche rhetorischen und literarischen Techniken es ermöglichen, die Göttlichkeit Domitians zu inszenieren und positiv zu kodieren. Wie erwähnt, sollen die Techniken des statianischen Herrscherlobes im dritten Teil der Untersuchung mit jenen der neronischen Panegyrik verglichen werden. 2. Die positive Kodierung von Kolossalität: Statius’ Silvae 1,1 Statius’ erste silva über den equus Domitiani inszeniert aufwendig die Kolossalität der Statue. 22 Der Dichter monumentalisiert das beschriebene Standbild durch die Verwendung von Naturmetaphorik, durch Vergleiche mit mythischen Figuren und durch die Darstellung der Verwunderung, die der Betrachter beim Anblick der Statue empfindet. An mehreren Stellen tritt er dabei einer negativen Lektüre seines Enkomiums durch den Rezipienten explizit entgegen. 2.1. Ausschluss negativer Assoziationen bei Vergleichen Gleich an den Anfang des Gedichts setzt Statius einen Vergleich, wie er ambivalenter kaum sein könnte: Um die Größe des beschriebenen Reiterstand- 22 Ausführliche Deutungen dieser silva bei Cancik (1965) 89-100; Ahl (1983a) 91-102; Hardie (1983) 131f., 189-191; Geyssen (1996); Newlands (2002) 46-87; Leberl (2004) 143-167; Dewar (2008). Zum equus Domitiani s. auch Muth (2010). Zum Begriff der Kolossalität vgl. Cancik (1965) 93. <?page no="355"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 347 bildes zu illustrieren, vergleicht er es mit dem Trojanischen Pferd (8-21). Wie oben festgehalten wurde, bietet ein Vergleich stets ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten an. In diesem Fall liegen die negativen Deutungen auf der Hand: So hat Frederick Ahl in der Gegenüberstellung eine Anspielung auf die Gefahr gesehen, die Domitian für Rom darstelle. 23 Statius tritt solchen Lesarten jedoch offensiv entgegen, indem er die negativen Assoziationen, die der Vergleich beim Rezipienten wecken könnte, explizit daraus ausschließt. Er erreicht dies, indem er bei der Gegenüberstellung der Pferde zwei unterschiedliche Vergleichstypen kombiniert. In der antiken Rhetorik wird unterschieden zwischen dem Vergleich mit einem positiv konnotierten Vergleichsobjekt zum Zweck der Steigerung (Typ 1) und dem Vergleich mit einem negativ konnotierten Vergleichsobjekt zum Zweck der Kontrastierung (Typ 2). Der erste Typus spielt in der epideiktischen Rhetorik eine große Rolle, da die comparatio als Unterkategorie der amplificatio gesehen wird. 24 Bei Quintilian entspricht die Steigerung durch Vergleichung einem locus a minore ad maius, einer Argumentationsweise, die das Umfassendere durch das Geringere glaubhaft macht: Durch die Erhöhung des Geringeren (minus) wird demnach im Vergleich das darüber Stehende (maius) zwangsläufig ebenfalls gehoben. 25 Der zweite Vergleichstypus hat dagegen nicht steigernden, sondern antithetischen Charakter. Beim Vergleich des equus Domitiani mit dem Trojanischen Pferd kombiniert Statius nun diese beiden Typen. Zunächst werden die beiden Pferde in Bezug auf ihre Größe verglichen. Das Reiterstandbild Domitians ist größer und schwerer als das Trojanische Pferd. Selbst mit niedergerissenen Mauern hätte Pergamon die Statue des Kaisers nicht aufnehmen können und nicht einmal die größten Helden der Vorzeit hätten dieses Pferd führen können: hunc neque discissis cepissent Pergama muris / nec grege permixto pueri innuptaeque puellae / ipse nec Aeneas nec magnus duceret Hector. (11-13) 26 Nicht einmal mit niedergerissenen Mauern hätte Pergamon dieses aufnehmen können und nicht hätten die Jungen und unverheirateten Mädchen es in gemischter Gruppe geleiten können und nicht einmal Aeneas selbst oder der große Hektor hätte es ziehen können. Dies ist ein Vergleich des ersten Typus und eine Steigerung a minore ad maius: Zu Beginn der Passage hebt der Dichter die Ausmaße des mythischen 23 Ahl (1984a) 92. 24 Aristot. rhet. 1,9,38f. 25 Quint. inst. 8,4,9: (...) amplificatio (...), quae fit per comparationem, incrementum ex minoribus petit. Augendo enim quod est infra necesse est extollat id quod superpositum est (...). Vgl. Lausberg (1973) §§ 397, 404. 26 Der Text der Statius-Stellen folgt der Edition von Edward Courtney (reprinted with corrections, Oxford 1992), Übersetzungen nach Wißmüller (1990) und Leberl (2004). <?page no="356"?> Lisa Cordes 348 Pferdes, das schon Vergil als instar montis beschrieben hatte, 27 noch einmal hervor und berichtet, dass dessen Bau das Holz ganzer Wälder erforderte (9f.). Auf dieser Grundlage behauptet er dann, Domitians Reiterstatue übertreffe sogar dieses Pferd noch an Größe. Auf diese Weise wird die größtmögliche Steigerung der dargestellten Dimensionen bewirkt. Das zweite tertium comparationis ist die Qualität (14-16): Während das Trojanische Pferd schadete, ist der Reiter des Standbildes milde. In seinem Gesicht sieht man zwar Zeichen des Krieges, nun aber bringt er sanften Frieden: adde quod ille nocens saevosque amplexus Achivos, / hunc mitis commendat eques: iuvat ora tueri / mixta notis, bellum placidamque gerentia pacem. (14-16) Füge hinzu, dass jenes schadend war und die wilden Achiver in sich barg, dieses aber ein milder Reiter empfiehlt. Es macht Freude, das Gesicht mit den unterschiedlichen Zeichen zu betrachten: Es trägt den Krieg und den sanften Frieden. Dieser Teil des Vergleichs muss dem zweiten Typus zugerechnet werden: Die negativ konnotierten Aspekte des mythischen Pferdes, das Troja Leid und den Untergang brachte, werden für eine antithetische Gegenüberstellung mit Domitian genutzt, um dessen Milde zu betonen. Durch die Pronomina ille und hunc wird der antithetische Charakter besonders hervorgehoben. Zudem lässt ille das Trojanische Pferd wieder in den Hintergrund treten, während hic als Pronomen der präsenten Vergegenwärtigung die Aufmerksamkeit des Rezipienten zurück auf die Statue lenkt. Die Kombination zweier unterschiedlicher Vergleichstypen ermöglicht es somit zum einen, aus dem Vergleich mit dem Trojanischen Pferd den größtmöglichen Nutzen für das konstruierte Domitianbild zu ziehen: Das Enkomium betont sowohl die besondere Milde des Kaisers als auch die bisher unvorstellbaren Dimensionen, die laut Statius für die Darstellung dieses Herrschers vonnöten seien. 28 Zum anderen wird durch die Kombination der Vergleichstypen einer Lesart der Boden entzogen, die auch die negativen Aspekte des Trojanischen Pferdes auf Domitian überträgt. Der Autor schränkt das Interpretationsangebot des Vergleichs ein und setzt der Zuweisung weiterer Implikationen eine klare Grenze. 29 Mit adde (14) wendet er sich 27 Verg. Aen. 2,15. 28 Dies drückt auch die in den Vergleich eingeflochtene Gegenüberstellung von Gegenwart und Vergangenheit aus (8f.): Was die Vorzeit über Jahrhunderte hinweg bewunderte, wird nun durch Größeres und Besseres ersetzt. Hier zeigt sich die für die domitianische Herrscherrepräsentation grundlegende Gedankenfigur der Erweiterung und Transgression von Normen. 29 Dieselbe Technik wendet Statius beim Vergleich des Schwertes Domitians mit dem des Orion an, der ebenfalls der Inszenierung der Größe der Statue dient (43-45). Darin beugt er einer negativen Lesart ebenfalls vor, indem er einen Vergleich des ersten Typus mit einem antithetischen Element kombiniert: Während Orion mit seinem Schwert <?page no="357"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 349 dabei direkt an den Rezipienten und gibt ihm eine explizite Leseanweisung. 30 Auf diese Weise schwächt Statius die negative Kraft, die der ambivalente Vergleich zweifelsohne birgt, ab und beugt einer negativen Lektüre zumindest potentiell vor. Ob sich der jeweilige Rezipient tatsächlich zu einer positiven Lektüre bewegen lässt oder er den Vergleich in oppositioneller Lektüre umkodiert, ist eine andere Frage, die im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht von Interesse ist. Eine zweite Technik, die der Dichter anwendet, um das Interpretationsangebot eines Vergleichs einzuschränken, ist die Angabe zusätzlicher Informationen, die der näheren Bestimmung des Vergleichsobjektes oder der Vergleichssituation dienen. Häufig wird hierfür eine kurze, prägnante Partizipialkonstruktion gebraucht. Ein solches Vorgehen findet sich beim Vergleich des Pferdes der Statue mit dem des Kriegsgottes Mars (18-21). Auch dieser Vergleich dient der Monumentalisierung des Standbildes: Sogar das Pferd des Gottes ist nicht größer als das Domitians. Durch die Gleichsetzung der Pferde wird dabei auch eine Gleichsetzung der Reiter impliziert. exhaustis Martem non altius armis / Bistonius portat sonipes magnoque superbit / pondere (...). (18-20) Nicht höher trägt das bistonische Ross den Mars nach geschlagenen Schlachten und es besticht durch sein großes Gewicht (...). Bemerkenswert ist in dieser Passage der Ablativus absolutus exhaustis armis. Er spielt für die Inszenierung der Größe der Statue keine Rolle, sondern dient der näheren Bestimmung des Vergleichsobjektes. Beide Reiter sind abgebildet in einem friedlichen Moment nach der (erfolgreichen) Beendigung ihrer Kriege. Auch hierin kann man einen Hinweis auf das preferred reading sehen: Domitian wird nicht in jeder Hinsicht mit Mars verglichen, sondern mit dem Mars dieser konkreten Situation, in der ihm - dem Kriegsgott - der kriegerische Aspekt ein Stück weit genommen wird. Facetten wie Grausamkeit oder Kriegswut, die das Bild des Gottes durchaus auch haben kann, schließt der Dichter entsprechend dem Bild, das im Enkomium von Domitian gezeichnet werden soll, aus dem Vergleich aus. droht und Schrecken verbreitet (minatur / terret), trägt Domitian seine Waffe ruhig und zum eigenen Schutz in der Scheide (latus ense quieto securum). So wird auch hier ein positiv konnotiertes Element, die Größe des Schwertes, für die amplificatio genutzt; ein negativ konnotiertes Element, der Schrecken, den Orion mit diesem Schwert auslöst, wird der Ruhe, die der Friedenskaiser ausstrahlt, entgegengestellt und seine Übertragung auf Domitian auf diese Weise aus dem preferred reading des Vergleichs ausgeschlossen. 30 Laut Eco (1979) 11 ist die Anrede des Lesers im Text eine Strategie zur „activation of a Model Reader whose intellectual profile is determined only by the sort of interpretive operations he is supposed to perform”. <?page no="358"?> Lisa Cordes 350 2.2. Vorwegnahme möglicher Einwände und Reaktionen des Rezipienten Neben den Vergleichen mit mythischen Figuren dient die Darstellung der emotionalen Wirkung, die der equus auf seine Umgebung ausübt, der Monumentalisierung der Statue: An mehreren Stellen nimmt das Gedicht den Blickwinkel des Betrachters ein und beschreibt dessen Staunen und Scheu vor dem gewaltigen Standbild. Doch auch dieses Verfahren ermöglicht nicht nur die Inszenierung von Größe und Kolossalität. Es erlaubt dem Dichter außerdem, mögliche Reaktionen der Rezipienten zu antizipieren und gemäß der Darstellungsabsicht des Herrscherlobes darauf zu reagieren. Werfen wir beispielsweise einen Blick auf die Verse 17f. Zwischen den Vergleichen der Reiterstatue mit dem Trojanischen Pferd und dem Ross des Mars - an einer Stelle also, wo die amplificatio auf einen ersten Höhepunkt getrieben wird - betont der Dichter, die Darstellung Domitians übertreibe nicht: Nec veris maiora putes: par forma decorque / par honor. (17f.) Und glaube nicht, dass die Wahrheit überhöht wird: Gleich sind Gestalt und Zierde, gleich die Ehre. Mit dieser Aussage entgegnet Statius dem potentiellen Einwand eines Rezipienten, der die Darstellung für übertrieben halten könnte, und kommt einem möglichen Widerspruch zuvor. Wie schon beim Vergleich mit dem Trojanischen Pferd wendet er sich auch hier mit nec putes direkt und mit expliziter Aufforderung an den Rezipienten. 31 Die Bemerkung bezieht sich zunächst auf das Standbild, kann im übertragenden Sinne aber auch auf dessen Darstellung im Gedicht und damit generell auf das dort gezeichnete Domitianbild bezogen werden. Man kann hierin ein Spiel mit der panegyrischen Gattung sehen. Wenn Statius betont, die Darstellung Domitians übertreibe nicht, unterläuft er eben das, was nach Quintilian die ureigenste Eigenschaft des Lobes ist: die Steigerung und Ausschmückung des Gegenstandes. 32 Der Sprecher scheint zu sagen: „Die Darstellung könnte den Eindruck erwecken, sie übertreibe, und die Gattung der Panegyrik legt eine solche Vermutung tatsächlich nahe, aber in diesem einen Fall ist nur die Realität abgebildet.“ Auch hier geht es letztendlich also darum, wie der verwendete Code - sowohl des Gedichts als auch des Standbildes - zu entschlüsseln ist: Der Text fördert eine Lektüre, die das panegyrische Lob gera- 31 Nec putes ist zunächst als allgemeine Aufforderung zu verstehen („man glaube nicht“). In der Umgangssprache kann der Coniunctivus Imperativus jedoch auch bei einem bestimmten Subjekt erscheinen (so bereits in Ciceros Briefen, vgl. Burkard u. Schauer [2012] § 111). Die Nuance einer direkten Aufforderung an den jeweiligen Rezipienten schwingt im Ausdruck also mit. 32 Quint. inst. 3,7,6: Sed proprium laudis est res amplificare et ornare. <?page no="359"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 351 de nicht als ein solches liest, sondern wie einen der Realität verpflichteten Tatsachenbericht. Dass diese Aussage ihrerseits eine Form der amplificatio ist, liegt auf der Hand und zeigt, wie raffiniert Statius sein Herrscherlob konstruiert. Um diese Darstellungsweise richtig einschätzen zu können, lohnt es, sich die Bewertung der Hyperbel in der antiken Rhetorik genauer vor Augen zu führen: Nach Quintilian übersteigert sie stets die Wahrheit, kann aber durchaus eine Tugend sein, wenn sie ihre Grundlage in der Sache selbst hat. Ist sie dem Gegenstand, den sie beschreibt, dagegen nicht angemessen, oder übersteigt sie das rechte Maß, gleitet sie ins Lächerliche ab. 33 Vor diesem Hintergrund läge es nahe, dass der Dichter sein Lob in der vorliegenden Passage absichert, indem er die Angemessenheit einer hyperbolischen Darstellung betont und so einer Dekodierung, die diese als lächerlichen Schwulst bewertet, entgegenwirkt. Doch Statius geht sogar noch einen Schritt weiter: Ihm zufolge stellt sich die Frage nach der Angemessenheit hyperbolischer Ausdrucksweisen gar nicht, weil die Darstellung nicht übertreibt. Hier wird ein weiteres Mal ausgedrückt, dass unter Domitian neue Normen gelten: 34 Ein Enkomium für diesen Princeps kann nicht übertreiben, denn das, was gemessen an bisherigen Maßstäben die Wahrheit zu übersteigen scheint, wird unter ihm zur Realität. Mit dieser Rhetorik widerlegt das Enkomium nicht nur den einzelnen Sachverhalt - nämlich die Existenz einer Hyperbel in dieser konkreten Darstellung -, sondern weist, indem es die Möglichkeit hyperbolischen Sprechens im domitianischen Herrscherlob grundsätzlich leugnet, die Form der Hyperbel an sich zurück. Die Vorwegnahme gegnerischer Einwände, wie man sie hier findet, ist in der Rhetoriktheorie als Prolepsis bekannt. Als rhetorische Argumentationstechnik wird diese meist in Zusammenhang mit Gerichtsprozessen, also dem genus iudiciale erwähnt und behandelt. 35 Die Übertragung auf das panegyrische Lob, also das genus demonstrativum, ist somit bemerkenswert. Dies gilt umso mehr, als die Aufgabe einer epideiktischen Rede eigentlich nicht in Erörterung und Argumentation besteht, sondern - wie der Name sagt - in der Zurschaustellung der Rede über eine an sich unstrittige und im Voraus 33 Quint. inst. 8,6,67-76. Zum Abgleiten der Hyperbel ins Lächerliche vgl. auch [Long.] subl. 38. 34 Zu diesem Gedanken s. auch oben S. 348 Anm. 28 und unten S. 352 Anm. 38. 35 Quint. inst. 9,2,16: Mire vero in causis valet praesumptio, quae # ) dicitur, cum id quod obici potest occupamus. Ebenso Carm. de fig. 124-126: Z # ) : Anticipatio fit, contraria cum occupo verba. / ‚Credo, ille flebit multum et iurabit, amicos / producet testes: sed vos rem quaerere par est.‘; Rut. Lup. 2,4: Z # ) : Hoc est, cum id, quod in adversarii causa aut in iudicis opinione esse aut fore arbitramur contrarium nobis, praeoccupamus dicere et cum ratione dissolvere. <?page no="360"?> Lisa Cordes 352 feststehende Sache. 36 Im vorliegenden Fall scheint der Panegyriker dagegen auch mögliche Kritik zu antizipieren und ihr mit rhetorischen Mitteln entgegenzutreten, die ursprünglich anderen Redegattungen entstammen. Ich werde auf diesen Punkt zurückkommen. 37 Ein ähnliches Vorgehen wie in 17f. findet man bei der Darstellung des Bodens, der unter dem Gewicht der Statue ächzt (56-58). Nachdem der Dichter das Keuchen des Untergrundes beschrieben hat, führt er mögliche Erklärungen dafür an: (...) insessaque pondere tanto / subter anhelat humus; nec ferro aut aere, laborat / sub g enio (...). (56-58) (...) unter so großem Gewicht keucht die besetzte Erde; aber nicht unter Eisen oder Erz, sie müht sich unter dem Genius (...). Die vorausgegangene Ekphrasis der Statue und der Eindruck, den der zeitgenössische Rezipient beim Anblick des realen equus gewinnen konnte, legen den Schluss nahe, dass das große Gewicht der Statue von deren Material herrühre. Doch auch dieser Vermutung widerspricht der Dichter: Es sind nicht Erz und Eisen, sondern der genius des Kaisers, der den Erdboden mit seinem göttlichen Gewicht zum Ächzen bringt. Auch hier geht der Text also auf eine mögliche Reaktion des Rezipienten ein und korrigiert die Vermutung als falsch, welche die eigentlich naheliegende und rationale ist. 38 So wird der Rezipient ein weiteres Mal mit einer Leseanweisung konfrontiert, die den verwendeten Code überraschend aufbricht: Die Vermutung, der Boden unter der Statue ächze unter dem Gewicht von Erz und Eisen, folgt einem architektonischen, der Beschreibung eines Reiterstandbildes angemessenen Code. Die Erklärung laborat sub genio gehört dagegen einer ganz anderen, eher dem sakralen Bereich zuzuordnenden Sphäre an und kommt dadurch besonders unerwartet. Neben dem Staunen des Rezipienten stellt das Gedicht Scheu und Angst dar, die das Standbild auslöst - besonders eindringlich beim Auftritt des 36 Matuschek (1994) 1258. Zwar betont schon Quintilian, dass die drei rhetorischen genera nicht immer strikt zu trennen seien (Quint. inst. 3,4-7). Auch die Lobrede behandle Aspekte der Gerechtigkeit, ebenso könnten epideiktische Elemente - z. B. beim Lob eines Zeugen - auf das genus iudiciale übertragen werden. Die Übertragung einer klar dem iudicialen Bereich zugeordneten rhetorischen Technik auf das panegyrische Herrscherlob ist dennoch bemerkenswert. Zum Verhältnis der Silvae zur epideiktischen Rhetorik vgl. Newmyer (1979), der die imperialen Silvae jedoch nur am Rande behandelt, und Hardie (1983) 91-102. 37 Siehe unten S. 355. 38 Dies impliziert ein weiteres Mal die Notwendigkeit eines neuen Normensystems: Ebenso wie der Princeps alles bisher Vorstellbare und Normale übertrifft, muss auch seine Darstellung neuen Regeln folgen. Scheinbar übertriebene und unglaubwürdige Schilderungen stellen tatsächlich die einzig angemessene Beschreibung dar. <?page no="361"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 353 Marcus Curtius (66-83): Sogar der legendäre republikanische Held, der den Mut hatte, sein Leben für Rom zu opfern, erschrickt vor der gewaltigen Größe des Standbildes, wodurch diese ein weiteres Mal wirkungsvoll in Szene gesetzt wird. Der Aspekt der Furcht findet sich im Gedicht an mehreren Stellen. 39 Auch er ist ambivalent und könnte als negative Kodierung der dargestellten Größe verstanden werden. In der Curtius-Episode legt der Text jedoch ebenfalls ein preferred reading dieses Aspektes nahe. Denn Curtius erschrickt nur beim ersten Anblick der gewaltigen Statue: ac primum ingentes habitus lucemque coruscam / expavit maioris equi terque ardua mersit / colla lacu trepidans (...). (71-73) zuerst erschrak er über die gewaltige Erscheinung und das gleißende Leuchten des Pferdes, das größer als seines war, und dreimal tauchte er zitternd sein hohes Haupt in den See (...). Sobald er Domitian aber erkannt hat, freut er sich: laetus mox praeside viso (73b). Der Gesinnungswandel wird durch die Wortstellung besonders hervorgehoben, indem trepidans und laetus an der Penthemimeres direkt nebeneinander gestellt werden. 40 Der Aspekt der Furcht wird hier einerseits genutzt, um ein weiteres Mal die respekteinflößende Größe des Standbildes zu betonen, andererseits wird er gewissermaßen ‚entschärft‘: Durch ihre gewaltige Größe ist die Statue tatsächlich zunächst furchteinflößend, aber nur solange man den Kaiser nicht erkennt. Wie in den zuvor besprochenen Passagen wird die Kolossalität der Statue somit auch hier positiv kodiert, indem ihr Schattenseiten wie Bedrohlichkeit oder destruktives Potential genommen werden. 41 39 Stat. silv. 1,1,52-54; 72f. 40 Ahl (1984a) 98 will in der Gegenüberstellung von trepidans und laetus eine Anspielung auf die Verstellung gegenüber dem Kaiser sehen, die charakteristisch für die Kaiserzeit gewesen sei: Curtius fürchte sich zwar, besinne sich aber schnell und täusche Freude vor. Für diese Interpretation gibt es im Text keinen Hinweis. Die Gegenüberstellung ac primum - mox weist m. E. eher auf einen tatsächlichen Gesinnungswandel hin. 41 Es ist bemerkenswert, dass alle im Text abgelehnten negativen Lektüren in die Kategorie des Furchteinflößenden fallen, während Statius beispielsweise auf die Möglichkeit einer spottenden Lektüre nicht eingeht. So wird die Zugehörigkeit des Textes zum genus sublime auch in den angeführten negativen Lektüren nicht angetastet, die Vorbeugung der negativen Lesart bleibt gewissermaßen stilhöhenimmanent. Dass die Herrscherrepräsentation Domitians dagegen nach dessen Tod durchaus auch eine negative Umkodierung durch Verspottung erfahren konnte, belegen Mart. 11,21,1, wo der equus Domitiani ins Lächerliche gezogen wird (Rodríguez-Almeida [1982-83] 95-98, ihm folgen Nauta [2002] 438 und Seelentag [2004] 340 Anm. 45), und Plinius’ Panegyricus: Wie Hutchinson (2011) zeigt, stellt Plinius die Inszenierung von Größe und Göttlichkeit Domitians zu seinen Lebzeiten als den gescheiterten Versuch dar, Erhabenheit zu erlangen. Während Trajan in Plinius’ Darstellung eine allumfassende, auf wahrer Ehre und Göttlichkeit beruhende Erhabenheit umgibt, wird Domitians erstrebte Erhabenheit <?page no="362"?> Lisa Cordes 354 Die Curtius-Episode unterscheidet sich von den anfangs diskutierten Vergleichen. Dort begegnet uns die negative Lesart, der vorgebeugt werden soll, als potentielle Auslegung des Textes durch den Leser. In der Curtius- Episode wird uns dagegen eine negative Auslegung der Herrscherrepräsentation anhand von Curtius’ Verhalten gewissermaßen in der Praxis vorgeführt und zwar in Bezug auf die Statue selbst, nicht auf den Text. Man könnte sagen, dass der republikanische Held den Code des Standbildes zunächst falsch entschlüsselt, indem er dessen Größe als Bedrohung deutet, seinen Irrtum aber korrigiert, sobald er den abgebildeten Domitian erkennt. Für den zeitgenössischen Rezipienten stellt die silva somit einen Kommentar zur Statue dar: Negative Emotionen, die das reale Standbild beim Betrachter möglicherweise ebenso auslöste wie bei Curtius, werden als ein zu korrigierender Irrtum dargestellt. Hier zeigt sich, dass Gedichte wie Silvae 1,1 auch das Potential haben, die Dekodierung der Herrscherrepräsentation anderer Medien zu beeinflussen. 42 Wie bereits angesprochen, ist es im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, ob solche Strategien Erfolg hatten. Auch die problematische Frage nach der Intention des Autors soll außer Acht gelassen werden, etwa diejenige, ob Statius durch die vorgebliche Ablehnung einer negativen Lektüre gerade auf sie aufmerksam machen wollte, wie Ahls Deutung nahelegt. 43 Die hier dargestellten Beobachtungen sind in anderer Hinsicht von Bedeutung: Panegyrik dringt stets ins Kolossale, Übermenschliche, also in kritische Bereiche vor und geht damit immer das Risiko ein, eine negative Umkodierung zu erfahren. Die im vorliegenden Beitrag herausgearbeiteten Hinweise auf ein preferred reading zeigen, dass Statius mit einer oppositionellen Lektüre durchaus rechnet. Er nimmt diese Gefahr jedoch nicht nur in Kauf, sondern reagiert darauf, indem er das Enkomium mittels der dargestellten rhetorischen Strategien zumindest potentiell dagegen absichert. Weniger denn als safe criticism könnte man Statius’ literarische Technik als safe praise bezeichnen. Zu fragen bleibt, warum das Enkomium kritische Aspekte überhaupt anspricht. Neben der amplificatio, die, wie oben festgehalten wurde, ein charakals falsch entlarvt und durch Dämonisierung einerseits und Verspottung andererseits dekonstruiert. 42 Dieses Potential verkennt Leberl (2004) 147, wenn er schreibt, dass Silvae 1,1 „auf die Stadtrömer (...) eher keinen Einfluss gehabt haben [dürfte], da die Wirkung des equus Domitiani imposant genug gewesen sein muss“. Gewiss haben Gedichte, die das panegyrische Lob in die Beschreibung von Bauwerken kleiden (ebenso Stat. silv. 4,3; Mart. epigr. 2) auch die Funktion, die Leberl ihnen zuschreibt, nämlich die Monumente und Bauwerke im Imperium bekannt zu machen. Die obigen Ausführungen zeigen aber, dass sich ihre Bedeutung für die Herrschaftsrepräsentation darin allein nicht erschöpfen muss. 43 Ahl (1984a) 92. <?page no="363"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 355 teristisches Merkmal der Gattung ist, bietet möglicherweise Statius’ Umgang mit kontroversen Themen in den nicht-imperialen Silvae eine Erklärung. Wie Ruurd Nauta zeigt, werden auch dort kritische Aspekte häufig nicht verdrängt, sondern offensiv angegangen: 44 Das Hochzeitsgedicht in Silvae 1,2 beispielsweise verschweigt das vorherige, uneheliche Verhältnis der Brautleute und den darüber kursierenden Spott nicht, sondern besingt die Tatsache, dass sich die beiden nun ganz legal der Liebe freuen können. Statius’ Vorgehen im vorliegenden Gedicht könnte ähnlich motiviert sein: Es ist anzunehmen, dass die Aufstellung einer kolossalen Reiterstatue auf dem Forum Romanum, dem politischen Zentrum der res publica, von den Zeitgenossen keineswegs nur positiv rezipiert wurde. 45 Möglicherweise geht Statius mit der Erwähnung umstrittener Aspekte wie Größe und Position 46 der Statue auf Elemente eines zeitgenössischen, negativen Diskurses über das Standbild ein. Ein solcher Eingriff in zeitgenössische Kontroversen könnte auch die Übernahme von Argumentationstechniken erklären, die ursprünglich der iudicialen und deliberativen Rhetorik entstammen. 3. Die positive Kodierung von Göttlichkeit: Statius’ Silvae 1,6 Als Beispiel für die Inszenierung und positive Kodierung von Göttlichkeit soll im Folgenden das sechste Gedicht aus Statius’ erstem Silvenbuch betrachtet werden. 47 Darin beschreibt der Dichter die Saturnalia principis (82), ein opulentes Fest, das Domitian an den Kalenden des Dezember wohl im 44 Nauta (2002) 429. 45 Dies betonen Klodt (1998) 25 und Leberl (2004) 152, ähnlich Newlands (2002) 48. Das Urteil, die Aufstellung einer Reiterstatue sei „für die senatorische Opposition geradezu ein Sakrileg“ gewesen (so Leberl), wurde zwar von Muth (2010) 490-493 relativiert, die Aufstellung der Statue mitten auf der Forumsfläche in Verbindung mit ihren kolossalen Ausmaßen stellt aber in jedem Fall eine Neuerung dar, die zumindest in domitiankritischen Kreisen wohl nicht nur positiv rezipiert wurde. 46 Auch die Position der Statue wird durch die Curtius-Episode kommentiert. Curtius, der loci custos, kommt aus dem naheliegenden Lacus Curtius hervor und jubelt: nunc mea felix / nunc veneranda palus, cum te prope nosse tuumque / immortale iubar vicina sede tueri / concessum. (75-78) („Jetzt ist mein See glücklich, jetzt ist er verehrungswürdig, weil es ihm gestattet ist, dich in der Nähe zu wissen und deinen unsterblichen Glanz von benachbartem Platz zu betrachten.“). Auf diese Weise äußert sich der republikanische Held selbst - gewissermaßen die personifizierte Stimme der res publica - zur Aufstellung der Statue auf dem Forum Romanum. Dabei billigt er sie nicht nur, sondern begrüßt sie sogar als Besserung. 47 Zu diesem Gedicht vgl. Cancik (1965) 100-108; Nauta (2002) 397-402; Newlands (2002) 227-259; Leberl (2004) 181-199; Elm (2012) 243-246. <?page no="364"?> Lisa Cordes 356 flavischen Amphitheater für die Hauptstadtbevölkerung ausrichtete. 48 Neben der Darstellung der unermesslichen Fülle an Speisen und Geschenken, die der Kaiser in der Arena verteilen lässt, steht im Gedicht die Inszenierung der Göttlichkeit des Princeps im Vordergrund. Diese basiert auf seiner Parallelisierung mit Jupiter. Mit den Ambivalenzen, die eine solche Darstellung birgt, geht Statius auch hier bemerkenswert offensiv um und tritt negativen Lektüren derselben explizit entgegen. 3.1. Lenkung des Lesers zum preferred reading einer Metapher In den Versen 9-27 beschreibt Statius die Geschenke, die Domitian von einem über das Theater gespannten Seil auf die Besucher fallen lässt, 49 mit dem Bild des Regens. Die Metapher dient zum einen dazu, die Fülle der gebotenen Gaben anschaulich darzustellen, zum anderen ermöglicht sie die Inszenierung von Domitians Göttlichkeit, die in der Benennung des Princeps als Iuppiter noster (27) gipfelt. Um die Mechanismen zu beschreiben, mittels derer die Inszenierung und positive Kodierung der kaiserlichen Göttlichkeit in diesem Gedicht bewirkt werden, eignet sich Umberto Ecos Modell der Metapher. Dieses basiert auf seinem semantischen Modell, nach dem eine semantische Einheit, ein sogenanntes Semem, unterschiedliche Denotationen und Konnotationen haben kann, abhängig davon, in welchem Kontext dieses Semem geäußert wird. Eine Metapher ist demzufolge die Substitution eines Semems durch ein anderes. Mit dieser Substitution werden potentiell alle Denotationen und Konnotationen des substituierenden Semems auf den Kontext übertragen, in den es eingefügt wird. 50 Auf diese Weise kann die Metapher dem Textzusammenhang neue Inhalte hinzufügen. Indem Statius die in der Arena herabfallenden Geschenke als Regen bezeichnet (10: pluebant), wird das gesamte semantische Feld von pluo aktiviert. Hierzu gehören u. a. Konnotationen wie ‚Ernte fördernd‘ und damit ‚Gaben bringend‘ 51 , ‚Fülle‘ und - in einem mythisch-religiösen Kontext - die Konnotation ‚göttlicher Ursprung‘, wie das Epitheton pluvius bzw. pluvialis für Ju- 48 Möglicherweise fand das beschriebene Ereignis im Rahmen der Feierlichkeiten zu Domitians Doppeltriumph über die Chatten und Daker im Jahr 89 statt. Vgl. Nauta (2002) 396f. 49 Vgl. 10: iam bellaria linea pluebant. Dazu Vollmer (1898) 305: „Die Näschereien fielen von einem über das Amphitheater gespannten Seile unter das Volk“, mit Hinweis auf Mart. 8,78,7f. Killeen (1959) hält die linea, die Martial erwähnt, für eine Art Hängematte. 50 Eco (1991) 372-382. Zu seinem semantischen Modell vgl. Eco (1991) 153-159 mit Abb. 17. 51 Vgl. OLD s. v. pluo 1; s. auch Tib. 1,7,26. <?page no="365"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 357 piter als Spender von Regen zeigt. 52 All diese Konnotationen werden durch die Metapher des Regens bereits in Vers 10 potentiell evoziert und stehen zur Übertragung auf das beschriebene Ereignis zur Verfügung. In den folgenden Versen greift der Dichter einzelne dieser Aspekte durch Verwendung weiterer Wörter des Wortfeldes ‚Regen‘ wieder auf und rückt sie stärker in den Vordergrund. So transportieren nimbus (21) und imber (27) ebenfalls die Konnotation der Fülle. Diese wird in den Versen 21-24 weiter ausgeführt und direkt auf den ‚Regen‘ Domitians übertragen: non tantis Hyas inserena nimbis / terras obruit aut soluta Plias, / qualis per cuneos hiems Latinos / plebem grandine contudit serena. Die unangenehmen Hyaden und die aufgelösten Pleiaden überschütteten die Erde nicht mit so kräftigen Regenschauern, wie der Sturm das Volk in den latinischen Sitzreihen mit heiterem Hagel peitschte. Das Polyptoton von cadere (13, 16, 20) impliziert zudem einen anhaltenden ‚Regenschauer‘, sodass dem Rezipienten die Fülle des ‚Regens‘ anschaulich vor Augen geführt wird. Die Konnotation ‚göttlicher Ursprung‘ wird in Vers 25 mit der namentlichen Nennung Jupiters aufgenommen und ebenfalls auf den kaiserlichen ‚Regen‘ übertragen. Mit der expliziten Bezeichnung des Princeps als Iuppiter noster (27) wird die Parallelisierung Domitians mit dem höchsten Gott auf den Punkt gebracht. Hier zeigt sich die Bedeutung der Metapher für die Inszenierung der Göttlichkeit Domitians. Erst sie ermöglicht den an sich abwegigen Argumentationsgang des Herrscherlobes, das den Princeps auf Basis einer Essensspende in der Arena als Jupiter bezeichnet: Da pluo und damit die Metapher des Regens an sich bereits die Konnotation eines göttlichen Urhebers transportiert, kommt die Erwähnung des olympischen Jupiters in Vers 25 nicht unerwartet. Sie ist im zeitgenössischen poetischen Code bereits Bestandteil des evozierten Bildes. Auf Basis der metaphorischen Darstellung, die auch Domitian zum Urheber eines ‚Regenschauers‘ macht, ist es zur Parallelisierung des Princeps mit dem höchsten Gott somit nur noch ein kleiner Schritt. So wird die übersteigerte Bezeichnung des Princeps als Iuppiter noster durch die Metapher sinnvoll vorbereitet und erscheint somit in Vers 27 weniger als überraschende Neuerung denn als konsequente Weiterführung des Gedankengangs. Des Weiteren - und vor allem - schafft die Metapher durch die Darstellung der gebotenen Geschenke als ‚Regen- 52 Vgl. mit Schlapbach (2000) 1180 Tib. 1,7,26; Stat. Theb. 4,765f.; Carm. de mens. 2,46; außerdem Ov. Pont. 2,1,13f. (Jupiter als Spender von Regen, aber ohne Nennung des Epithetons). In der späteren Latinität findet man pluo persönlich konstruiert (‚es regnen lassen‘), dann wird es gewöhnlich von einem Subjekt regiert, das als göttlich verstanden wird: vgl. Tert. adv. Marc. 4,36; Arnob. nat. 1,30; Vulg. gen. 7,4. <?page no="366"?> Lisa Cordes 358 schauer‘ überhaupt erst die Basis, auf der Domitian mit Jupiter verglichen werden kann. Indem der Dichter bestimmte Aspekte des evozierten semantischen Feldes wie ‚Fülle‘ oder ‚göttlicher Ursprung‘ im Laufe der Passage explizit hervorhebt, lenkt er den Rezipienten beim ‚Lesen‘ dieses Feldes und bietet so eine dominante Deutung der Metapher an. Dabei spricht er negative Konnotationen, die das semantische Feld durchaus ebenfalls hat, auch hier direkt an und beugt ihrer Übertragung auf den ‚Regen‘ Domitians vor: So erwähnen die Verse 21-24 neben dem Aspekt der Fülle auch die damit verbundene Konnotation der Bedrohung, die ein starker Regen für Äcker und Ernten bedeuten kann (tantis Hyas inserena nimbis / terras obruit). Grando in Verbindung mit contudit (24) kann zudem ‚Verletzungsgefahr‘ konnotieren. 53 Der Übertragung dieser negativen Konnotationen auf den ‚Regen‘ Domitians tritt Statius entgegen, indem er ihn als grando serena bezeichnet und den Regenschauern der Hyas inserena antithetisch gegenüberstellt. Der Ausdruck grandine serena verdient Beachtung. Denn im semantischen Feld von grando existiert gewöhnlich kein positiver konnotativer Marker - ein ‚Hagel‘ (welcher Materie auch immer) ist stets schädlich. 54 Grando serena erscheint deshalb als Oxymoron, als eine im normalen Code der lateinischen Sprache semantisch außergewöhnliche Aussage. Ein weiteres Mal begegnet uns hier das Motiv der Transgression bestehender Grenzen: Statius zeigt, dass im panegyrischen Code des Gedichts andere Regeln gelten. Das Lob des Princeps geht über die Grenzen der natürlichen Sprache hinaus. Zudem lenkt das Oxymoron besondere Aufmerksamkeit auf das positive preferred reading der Passage. Beim Vergleich Domitians mit Jupiter spricht das Enkomium ebenfalls einen negativen Aspekt an, der im verwendeten Bild potentiell mitschwingt, nämlich die Bedrohung, die der höchste Gott für die Menschen darstellen kann: ducat nubila Iuppiter per orbem / et latis pluvias minetur agris / dum nostri Iovis hi ferantur imbres. (25-27) Jupiter soll ruhig Wolken über den Erdkreis führen und den weiten Feldern mit Regen drohen, solange nur unser Jupiter solche Regengüsse schickt. Durch die Gegenüberstellung der bedrohlichen Niederschläge Jupiters mit Domitians erfreulichem Regen (hi imbres = grando serena) wird der Übertragung der negativen Konnotationen auf den Princeps jedoch auch hier vor- 53 Auf diesen Aspekt weist Newlands (2002) 241 hin. 54 Vgl. OLD, s. v. grando. Auch im übertragenden Sinne hat grando gewöhnlich negative Konnotationen, vgl. z. B. Stat. Theb. 9,488: saxis et grandine ferri desuper infestant Tyrii. „Von oben greifen die Tyrier mit Steinen und einem Hagel aus Eisen an.“ <?page no="367"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 359 gebeugt. 55 In beiden hier diskutierten Fällen ist das Vorgehen dasselbe wie in Silvae 1,1. Auch in der sechsten silva wird ein Vergleich des ersten Typus genutzt, um die größtmögliche Steigerung an Quantität zu erreichen: Domitians ‚Regen‘ ist stärker als jeder Winterregen (21-24: non tantis - qualis); er ist so gewaltig, dass er mit den Regengüssen des höchsten Gottes verglichen werden kann. Dieser Vergleichstypus wird jedoch kombiniert mit einer antithetischen Gegenüberstellung, in der das tertium comparationis die Qualität ist: Der Regen des Princeps ist keine Bedrohung, sondern ein erfreuliches (und lukratives) Ereignis für alle Beteiligten. So bewirkt Statius auch hier zum einen die Übersteigerung des Herrscherlobes 56 und tritt zum anderen einer negativen Lesart der verwendeten Metapher entgegen. Dadurch, dass das Enkomium den Rezipienten beim ‚Lesen‘ der verwendeten Metapher leitet, indem es manche Konnotationen ‚aktiviert‘, andere explizit aus dem preferred reading ausschließt, zeigt es sich als relativ geschlossener Text. 57 Der Dichter ähnelt jenem Sprecher, der nach Eco alle möglichen Denotationen und Konnotationen des vermittelten Semems kennt und darauf bedacht ist, Ambiguitäten zu vermeiden. 58 3.2. Darstellung der Göttlichkeit des Princeps als ‚tatsächliche‘ Begebenheit Das vielleicht größte Risiko, das eine Herrscherrepräsentation birgt, die den Princeps als göttliches oder gottgleiches Wesen darstellt, ist die negative Umkodierung solcher Darstellungsweisen als anmaßende Hybris. Die Vorstellung, dass das unberechtigte Überschreiten menschlicher Grenzen Folge von Verblendung ist und den Zorn der Götter hervorrufen kann, ist in den Codes der griechischen und lateinischen Antike fest verankert. 59 So wundert 55 Den drohenden Unterton der Wetter-Metapher betont Newlands (2002) 242 stark. Dass die Metapher auch an die Blitze erinnert, die Jupiter bei anderer Gelegenheit aussendet, ist richtig. Die panegyrische Rhetorik des Gedichts bemüht sich aber darum, eine positive Lesart des ‚Regens‘ Domitians anzubieten. 56 Vgl. Cancik (1965) 103: Die Realität der kaiserlichen Welt übertrifft den Mythos. 57 Zum Begriff Eco (1979) 2-10, besonders S. 8: „[Closed texts] apparently aim at pulling the reader along a predetermined path (...).” Er betont, dass die Geschlossenheit eines Textes „aberrant decodings“ keineswegs ausschließt (S. 7): „(...) closed texts, even though aiming at eliciting a sort of ‚obedient‘ cooperation, are in the last analysis randomly open to every pragmatic accident.“ 58 Eco (1991) 140. 59 Vgl. z. B. Hes. theog. 510-570 (Prometheus); Hdt. 7,35 (Xerxes); Soph. Oid. T. 873-877 (Ödipus); Eur. Hipp. 472-475; Eur. Phoen. 182-184; Eur. Tro. 69-86; Eur. Suppl. 216-218; Ov. met. 6,146-312 (Niobe). Prominent ist das Thema auch in der griechischen Enkomiastik: Pindar warnt in seinen Epinikien immer wieder, teils mit mythischen Beispielen, vor Hybris und dem Neid der Götter, so z. B. in Pind. P. 2; P. 8; I. 5,14-16; I. 7,39-51. <?page no="368"?> Lisa Cordes 360 es nicht, dass in den literarischen Diskursen nach dem Tod Domitians eben diese Denkfigur aufgenommen und der Kritik an dessen Herrscherrepräsentation zugrunde gelegt wird. Gleich zu Beginn des Panegyricus bewertet Plinius die Inszenierung der Göttlichkeit eines Herrschers explizit als Repräsentationsform eines Tyrannen und setzt sie von derjenigen Trajans ab. Dieser nämlich wisse, dass er nur ein Mensch sei. 60 Auch im Rahmen seiner Kritik an der bildlichen Repräsentation Domitians betont Plinius, dass dieser kein Gott und eine göttliche Darstellung folglich illegitim gewesen sei: at paulo ante aditus omnes omnes gradus totaque area hinc auro hinc argento relucebat, seu potius polluebatur, cum incesti principis statuis permixta deorum simulacra sorderent. (52,3) Doch vor noch nicht langer Zeit glänzte da alles, alle Zugänge, alle Stufen, ja der ganze Platz, hier von goldenen, dort von silbernen Statuen - doch die brachten mehr Schande als Glanz! Die Gemeinschaft mit den Statuen des blutschänderischen Princeps zog die Götterbilder in den Schmutz. Während die Panegyrik zu Domitians Lebzeiten dessen Ähnlichkeit mit den Göttern inszeniert, betont Plinius stark die Unterschiede: Die Nähe zu den Statuen des „blutschänderischen Princeps“ habe den Götterbildern Schande gebracht. Dementsprechend erscheint die Vergöttlichung Domitians als anmaßendes Streben eines Menschen und kann dem Auftreten Trajans ein weiteres Mal entgegengestellt werden: Dieser wisse um seine Menschlichkeit und erlange gerade dadurch Erhabenheit, dass er keinen Platz unter den Göttern erstrebe: 61 tu delubra non nisi adoraturus intras (...). Sic fit, ut di <tibi> summum inter homines fastigium servent, cum deorum ipse non adpetas. (52,2) Du aber betrittst einen Tempel nur, um selbst anzubeten (...). Aus diesem Grund garantieren die Götter dir den höchsten Platz unter den Menschen, da du selbst keinen Platz unter den Göttern erstrebst. Die negative Umkodierung der domitianischen Repräsentationsformen basiert darauf, dass Plinius die Darstellung von Göttlichkeit als Inszenierung ohne reale Grundlage entlarvt. Indem er die Göttlichkeit Domitians als fiktiv 60 Plin. paneg. 2,3-4: Nusquam ut deo, nusquam ut numine blandiamur: non enim de tyranno sed de cive, non de domino sed de parente loquimur. (...) hoc magis excellit atque eminet, quod unum ex nobis putat, nec minus hominem se quam hominibus praeesse meminit. („Laßt uns an keiner Stelle ihm schmeicheln wie einem Gott, wie einem höheren Wesen - denn wir reden nicht von einem Tyrannen, sondern von einem Bürger, nicht von einem Herrn, sondern von einem Vater. (...) gerade dadurch ragt er noch mehr heraus, daß er sich für einen von uns hält und sich gleichermaßen bewusst ist, ein Mensch zu sein, wie ein Vorgesetzter von Menschen zu sein! “). Der Text und die Übersetzungen der Plinius-Stellen folgen der Ausgabe von Kühn (2008). 61 Dazu Hutchinson (2011). <?page no="369"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 361 dekuvriert, kann er sie zum persönlichen Wunschdenken eines vermessenen Tyrannen und damit zum Ausweis von dessen Hybris machen. Dies zeigt sich in der Schilderung von Domitians Ermordung, in der die Erwähnung der divinitas des Kaisers zunächst erstaunen mag: longe tunc illi divinitas sua, longe arcana illa cubilia saevique secessus, in quos timore et superbia et odio hominum agebatur. (49,1) Nichts nützte ihm da sein Gottsein, nichts jene Geheimgemächer und Schlupfwinkel der Bosheit, in die ihn Angst, Hochmut und der Hass auf die Menschen trieben. Indem Plinius betont, dass auch die divinitas des Herrschers seine Ermordung nicht habe verhindern können, ironisiert er dessen Darstellung als Gott: Wenn der ‚Jupiter auf Erden‘ nicht einmal sein eigenes Leben schützen konnte, scheint er wohl keine göttliche Macht gehabt zu haben. Der Ausdruck divinitas sua übermittelt an dieser Stelle also nicht den Inhalt ‚Göttlichkeit‘, sondern steht für ‚fiktive, angemaßte Göttlichkeit‘, was die Konnotation der Hybris transportiert. Die auffällige Setzung des an sich überflüssigen Reflexivpronomens sua betont die Subjektivität dieser divinitas: Plinius impliziert, dass allein Domitian nach ihr gestrebt, ja vielleicht sogar an sie geglaubt habe. Einer solchen Lektüre, die die Repräsentationsformen Domitians als Ausweis seiner Hybris deutet, beugt nun Statius vor, indem er die Göttlichkeit des Princeps als ‚tatsächliche‘ Gegebenheit darstellt. An mehreren Stellen der Silvae baut der Dichter die Fiktion auf, dass seine Darstellung von Domitian als Jupiter auf Erden gerade nicht auf der Rezeption einer offiziellen Herrscherrepräsentation basiere oder gar dem persönlichen Wunsch des Kaisers entspreche, sondern der ‚genuine‘ Eindruck sei, den die kaiserlichen Veranstaltungen auf den Rezipienten machten. So lässt er in Silvae 1,6 die Bevölkerung in der Arena die Göttlichkeit des Princeps bestätigen, indem er die Menschen ihren Dank an den Himmel richten lässt: tollunt innumeras ad astra voces / Saturnalia principis sonantes, / et dulci dominum favore clamant: / hoc solum vetuit licere Caesar. (81-84) Unzählige Stimmen erheben sich zu den Sternen, die die Saturnalien des Princeps rühmen, und rufen mit freundlicher Zuneigung „dominus“: Diese Freiheit allein verbot Caesar. Während der Dichter hier einerseits die Bescheidenheit und civilitas Domitians darstellt, indem er von der Zurückweisung des dominus-Titels berichtet, 62 unterstreicht er andererseits ein weiteres Mal die göttliche Dimension 62 Zur Ablehnung des dominus-Titels überzeugend Nauta (2002) 402, vgl. auch Bönisch- Meyer u. Witschel in diesem Band S. 118-121. Einen Überblick über die verschiedenen <?page no="370"?> Lisa Cordes 362 der gebotenen Spektakel, indem er die Zuschauer ihre Stimmen ad astra erheben lässt. Die Augenzeugen der dargestellten Ereignisse selbst scheinen von der Göttlichkeit des Princeps überzeugt zu sein, wenn sie ihren Jubel direkt zu den Sternen richten. Dasselbe Vorgehen findet man in Silvae 4,2. In diesem Gedicht beschreibt Statius ein Festmahl im Palast Domitians aus der Perspektive des Gastes. Auch hier gebraucht der Dichter Bilder des Mythos, um seinen Eindruck vom Bankett in Worte zu fassen, und stellt den Princeps so ein weiteres Mal als Jupiter auf Erden dar. Dabei schildert er die Göttlichkeit des Kaisers explizit als seinen eigenen subjektiven Eindruck und betont somit auch hier, dass Domitian Verhältnisse schafft, die dem Rezipienten ‚tatsächlich‘ göttlich erscheinen. mediis videor discumbere in astris / cum Iove et Iliaca porrectum sumere dextra / immortale merum. (10-13) Ich komme mir vor, als ob ich mitten unter den Sternen mit Jupiter zu Tisch läge und den Wein der Götter nähme, dargereicht von ilischer Hand. In beiden Fällen wird durch die Subjektivität der Beschreibung bzw. der beschriebenen Reaktion der Anwesenden gerade die Objektivität der dargestellten Göttlichkeit belegt. Auf diese Weise betont Statius genau das, was Plinius mit der Formulierung divinitas sua explizit ablehnt. 63 Während die Inszenierung der Göttlichkeit Domitians bei Letzterem als das aus Hybris erwachsene Streben eines einzelnen Menschen dargestellt wird, erscheint sie bei Ersterem als angemessene Abbildung einer von Außenstehenden bezeugten Wirklichkeit. So legitimiert Statius zum einen die Darstellungsweisen der panegyrischen Dichtung und tritt einer negativen Lektüre derselben entgegen. Zum anderen rechtfertigt er auf diese Weise die Herrscherrepräsentation in anderen Medien: Wer auf Erden Verhältnisse schafft, die tatsächlich allen Beteiligten göttlich erscheinen, der darf auch auf Münzen und in Statuen mit Attributen und Eigenschaften Jupiters versehen werden. 64 Deutungen von Vers 84 bietet Leberl (2004) 194-196. Zum Konzept der civilitas s. Wallace-Hadrill (1982). 63 Mit der Formulierung divinitas sua isoliert Plinius Domitian gegenüber einer Gemeinschaft, die im Gegensatz zu ihm selbst um die Fiktion der dargestellten Göttlichkeit weiß. Dagegen arbeitet Statius in silv. 1,6 mit einer inklusorischen Technik: Indem er die gesamte anwesende Bevölkerung die Göttlichkeit des Princeps bestätigen lässt (81- 83) und den Kaiser als Iuppiter noster (27) bezeichnet, impliziert er die Existenz einer Interpretationsgemeinschaft, in der sich alle einig sind, dass der Princeps einem Gott ähnelt. 64 Vgl. Leberl (2004) 52. Vgl. Wolters u. Ziegert in diesem Band S. 62. <?page no="371"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 363 3.3. Verwendung narrativer Einlagen zur Bestätigung der kaiserlichen Göttlichkeit Schließlich sei bemerkt, dass auch die zahlreichen narrativen Einlagen der Silvae, in denen Statius Götter und mythische Figuren zu Wort kommen lässt, als Legitimierungsstrategien in diesem Sinne verstanden werden können. Denn darin rechtfertigen die Götter selbst die Erhebung des Kaisers über menschliches Maß. Seine Taten erwecken nicht ihren Neid, sondern im Gegenteil ihren Respekt oder sogar ihre Unterordnung. Es würde im vorliegenden Zusammenhang zu weit führen, auf diesen Aspekt ausführlich einzugehen. Exemplarisch sei jedoch auf die Rede der Sibylle von Cumae in Silvae 4,3 hingewiesen, in der die Seherin die Göttlichkeit des Kaisers mit bemerkenswerter Deutlichkeit bestätigt: 65 en hic est deus, hunc iubet beatis / pro se Iuppiter imperare terris (128f.) Siehe! Dies ist der Gott, ihn hat Jupiter beauftragt, an seiner Stelle über die glückliche Erde zu herrschen. Es ist im vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung, dass im Gedicht mehrmals auf die hohe Autorität der Sprecherin hingewiesen wird. So markiert die persona des Dichters explizit den Sprecherwechsel und verordnet sich selbst angesichts der höheren Autorität Stillschweigen. 66 Auch die Sibylle selbst betont das besondere Gewicht ihrer Aussage. 67 Auf diese Weise negiert das Enkomium in Bezug auf Domitian genau das, was traditionell die Bewertung einer Tat als Hybris ausmacht, dass sie nämlich eine unrechtmäßige Anmaßung gegen den Willen der Götter ist. 68 Die Seherin selbst, deren grundlegende Eigenschaft die Kenntnis des Götterwillens ist, bestätigt, dass Domitians Darstellung als Jupiter auf Erden im Auftrag und auf ausdrücklichen Wunsch des höchsten Gottes geschieht. So legitimiert das Herrscherlob die Darstellung des Kaisers als Gott und entzieht einer Bewertung den Boden, die eine solche als Ausweis seiner Hybris deutet. Ebenso wenig wie in Silvae 1,1 spielt es hier eine Rolle, ob sich Kritiker Domitians durch eine solche Darstellung tatsächlich zu einer positiven Lektüre der kaiserlichen Selbstdarstellung bewegen ließen und ob das über- 65 Leberl (2004) 212. 66 Stat. silv. 4,3,119f.: cedamus; chely, iam repone cantus: / vates sanctior incipit, tacendum est. („Lass uns weichen; Lyra, beende nun dein Lied: eine heiligere Seherin hebt zu sprechen an, wir müssen schweigen.“) 67 Stat. silv. 4,3,141-144: nec iam putribus evoluta chartis / sollemni prece Quindecimvirorum / perlustra mea dicta, sed canentem / ipsam comminus, ut mereris, audi. („Prüfe nicht länger meine Worte, wenn sie unter den feierlichen Gebeten der Fünfzehnmänner aus den modrigen Seiten entrollt worden sind, sondern höre mich selbst in eigener Person singen, wie du es verdienst.“) 68 Vgl. Hes. theog. 510-570; Eur. Suppl. 216-231; Ov. met. 6,170-213. <?page no="372"?> Lisa Cordes 364 haupt die Absicht des Dichters war. Entscheidend ist, dass Statius sich der speziellen Mittel, die eine poetische Darstellung bietet, bedient, um ein positives preferred reading der eigenen Panegyrik, aber auch der Herrscherdarstellung in anderen Medien anzubieten. Hier zeigen sich ein weiteres Mal die spezifischen Möglichkeiten, die das Medium Literatur im Kontext der kaiserlichen Repräsentation hat. 4. Die neronische Panegyrik Auch in der Panegyrik unter Nero spielt die Übersteigerung des Lobes und die Entgrenzung des Herrscherbildes eine zentrale Rolle. Neros Zeitalter wird mit größtmöglicher Virtuosität als aurea aetas gepriesen, 69 seine Göttlichkeit durch Vergleiche mit Apoll und anderen Göttern aufwendig inszeniert. 70 Eine explizite Absicherung des Lobes, wie wir sie in Statius’ Dichtung gesehen haben, findet man in den erhaltenen Schriften der neronischen Panegyrik jedoch nur ganz vereinzelt. Die wenigen existierenden Hinweise auf ein preferred reading sind im Vergleich zu denen der domitianischen Dichtung recht subtil. Der unterschiedliche Umgang mit den Ambivalenzen des panegyrischen Lobes in der neronischen und domitianischen Literatur zeigt sich, wenn man vergleicht, wie das Motiv der langen Lebenszeit des Kaisers in Senecas Apocolocyntosis einerseits und Statius’ Silvae 4,3 andererseits inszeniert wird. Ruurd Nauta hat auf diese Stellen bereits hingewiesen. 71 Ich möchte im Folgenden noch einmal einen Blick darauf werfen, um daran weitere Beobachtungen anzuschließen. In beiden Texten wird dem Herrscher eine lange Lebenszeit prophezeit und die Weissagung wird mit einem Rückgriff auf die mythischen Figuren Nestor und Tithonus illustriert. Sen. apocol. 4,1,12-14: sponte sua festinat opus nulloque labore / mollia contorto descendunt stamina fuso; / vincunt Tithoni, vincunt et Nestoris annos. 72 Ganz von allein, scheint’s, eilt das Werk, und mühelos fließen weich die Fäden herab von der rasch sich drehenden Spindel. Sie übertreffen die Jahre des Nestor und die des Tithonus. Stat. silv. 4,3,149-152: (...) annos perpetua geres iuventa / quos fertur placidos adisse Nestor, / quos Tithonia computat senectus (...). 69 Vgl. z. B. Sen. apocol. 4,1,8f.; Calp. ecl. 1,42; 4,5-8; Buc. Eins. 2,15-38. 70 Vgl. z. B. Sen. apocol. 4,1,15-32; Calp. ecl. 4,93-95; 142-146, 158f.; 7,76-84; Buc. Eins. 1,22- 34. 71 Nauta (2002) 426. 72 Der Text der Passagen aus der Apocolocyntosis folgt der Edition von Peter T. Eden (Cambridge 1984), die Übersetzung stammt von Bauer (1981). <?page no="373"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 365 (...) in ewiger Jugend wirst du glückliche Jahre verbringen, wie Nestor sie erreicht haben soll und welche das tithonische Greisenalter zählt (...). Der Hinweis auf die mythische Figur des Tithonus ermöglicht die Steigerung des Lobes in übermenschliche Sphären. Sie birgt jedoch auch das Risiko einer negativen Umkodierung. Denn Tithonus war bekanntlich zwar unsterblich, aber nicht mit ewiger Jugend gesegnet, sodass er in einem unendlichen Alterungsprozess zusammenschrumpfte und schließlich von seiner göttlichen Ehefrau weggesperrt wurde. 73 Einer Übertragung dieser negativen Konnotation auf Domitian tritt Statius entgegen, indem er der senectus des Tithonus die perpetua iuventas des Princeps entgegenstellt. Das Verfahren ist dabei dasselbe wie in Silvae 1,1 und 1,6: Das positiv konnotierte tertium comparationis der langen Lebenszeit wird mit einem antithetischen Element kombiniert, um der Übertragung der negativen Konnotation auf Domitian vorzubeugen. Diese positive Lektüre ist wohl auch das preferred reading der senecanischen Passage. 74 Seneca aber verzichtet auf einen expliziten Hinweis. 75 Er scheint darauf zu vertrauen - vertrauen zu können? -, dass seine Rezipienten den Text auch ohne einen solchen positiv dekodierten. 76 Soweit ich sehe, findet sich in der erhaltenen neronischen Panegyrik überhaupt nur eine Stelle, wo der negativen Lektüre eines Textes in der oben dargestellten Art und Weise vorgebeugt wird: im Proömium von Lucans Bellum Civile. Auch dort führt die panegyrische Steigerung zu einer ambivalenten Äußerung. Der Dichter inszeniert die Göttlichkeit des Princeps, indem er darüber reflektiert, welche Rolle dieser nach seiner Aufnahme in den 73 Vgl. Hom. h. 5,218-238. 74 Das ist in der Forschung wenig bestritten worden. Merfeld (1999) 65 sieht in den Versen jedoch eine komische Verzerrung von Verg. ecl. 4 und „einen satirischen Seitenhieb auf die Eitelkeit Neros“. Eine kritische Interpretation bietet auch Robinson (2005). 75 Laut Schubert (1998) 19f. wird durch die Dopplung der Figuren auch hier einer negativen Lesart vorgebeugt. Demnach fange Nestors Glück Tithonus’ Unglück auf, dessen längere Lebenszeit dagegen Nestors kürzere. Dies ist zwar eine mögliche Lesart, es ist jedoch nicht richtig, dass „für eine ironisierende Lesart (...) so kein Raum“ bleibe. Eine oppositionelle Lektüre könnte ebenso gut die negativen Assoziationen des jeweiligen Mythos hervorheben, die durch die Dopplung dann sogar noch verstärkt würden. Der Vergleich mit Stat. silv. 4,3 zeigt vielmehr, dass es die Möglichkeit gegeben hätte, sehr viel deutlicher auf ein positives preferred reading hinzuweisen und negativen Assoziationen explizit entgegenzutreten. 76 In der Forschungsliteratur wird diskutiert, ob die Apocolocyntosis zur Veröffentlichung bestimmt war (so Schönberger [1990]; Schubert [1998]; zuletzt Whitton [ 2013]) oder lediglich in höfischen Kreisen gelesen wurde (Eden [1984]; Nauta [1987]). Als Argumente für die Veröffentlichung werden zu Recht die politische Funktion der Satire und die Existenz des Nerolobes angeführt, das nur so seine propagandistische Funktion erfüllen konnte (Schubert [1998] 17f.). In jedem Fall war eine negative Dekodierung der Laudes Neronis am Anfang von Neros Herrschaft und auf Grund ihrer Positionierung innerhalb der gegen Claudius gerichteten Satire eher unwahrscheinlich. <?page no="374"?> Lisa Cordes 366 Himmel ausüben werde. Nero könne wählen, ob er nach seiner Vergöttlichung den Platz Jupiters oder Apolls einnehmen wolle. Die Aussage, der Princeps könne, wenn er nur wolle, den Sonnenwagen besteigen, entspricht der zentralen Rolle der Apoll-Symbolik in der neronischen Herrscherrepräsentation. Gleichzeitig weckt sie jedoch negative Assoziationen mit Phaetons Fahrt auf dem Sonnenwagen, die bekanntlich katastrophal endete. Auf eben diese Assoziation geht Lucan ein, wenn er betont, mit Nero als Lenker habe die Erde nichts zu befürchten: seu sceptra tenere / seu flammigeros Phoebi conscendere currus / telluremque nihil mutato sole timentem / igne vago lustrare iuvet, tibi numine ab omni / cedetur (...). (47-51) 77 Ob es dir gefällt, das Zepter zu halten oder Phoibos’ feuertragenden Wagen zu besteigen und die Erde, die von dieser neuen Sonne nichts zu befürchten hat, durch dein schweifendes Licht zu erhellen - jede Gottheit macht dir Platz (...). Ich möchte auf diese viel diskutierte Stelle nicht lange eingehen und auch hier die wohl niemals endgültig zu klärende Frage außer Acht lassen, ob Lucans Beteuerung nur scheinbar beruhigen soll, tatsächlich aber auf die beängstigende Implikation, die eine subversive Lektüre hat, gerade aufmerksam macht. 78 Gianpiero Rosati und Ruurd Nauta sind bei der Analyse der Passage auch auf den Aspekt der Leserlenkung bereits eingegangen. 79 Im vorliegenden Zusammenhang ist es jedoch von Interesse, die Ähnlichkeit der hier angewandten rhetorischen Technik zu derjenigen des Statius hervorzuheben: Wie in den Silvae so wird auch hier mittels einer Partizipialkonstruktion eine zusätzliche Aussage gemacht, die nicht der amplificatio dient. Ebenso wie beim Vergleich des domitianischen Pferdes mit dem des Mars der Zusatz exhaustis armis keine Rolle für die Monumentalisierung spielt, ist auch bei Lucan die Aussage in Vers 49 nicht notwendig, um die Göttlichkeit des Princeps zu inszenieren. Sie dient allein dazu, Neros Fahrt auf dem Sonnenwagen von derjenigen des Phaeton abzusetzen und der Übertragung dieser negativen Konnotation auf den Kaiser entgegenzutreten. 80 Im Ver- 77 Übersetzung: Luck (2009). 78 Dies ist viel diskutiert worden, so bei Hinds (1987) 26-29; Duret (1988) 146-148; Dewar (1994) 210f.; Lovatt (2005) 38f. und Rosati (2008) 186f. Einen Überblick über die unterschiedlichen Tendenzen in der Deutung des Lucan-Proömiums seit der Spätantike bietet Esposito (2013). 79 Rosati (2008) 186f.; Nauta (2010) 260f. 80 In diesem Sinne unterscheidet sich die hier zitierte Lucan-Stelle vom Phaeton- Vergleich in Stat. silv. 4,3,135-138. Dort werden die Auswirkungen von Domitians potentieller Himmelfahrt ebenfalls mit derjenigen Phaetons kontrastiert. Während die Gegenüberstellung bei Lucan jedoch einen Zusatz darstellt, der allein dem Hinweis auf ein positives preferred reading dient, rückt Statius sie ins Zentrum der Aussage: Sie ist der Höhepunkt des Lobes von Domitians Führungsqualitäten (128-138) und dient der Illustration der Behauptung, Domitian sei natura melior potentiorque (135). Denn Domi- <?page no="375"?> Preferred Readings: von Seneca zu Statius 367 gleich ist Statius’ Umgang mit den Ambivalenzen, die das Lob birgt, jedoch offensiver. So spricht er beispielsweise explizit aus, welch großes Leid das Trojanische Pferd verursachte (silv. 1,1,14). Auf diese Weise artikuliert er selbst die zu entkräftende, negative Assoziation, die der Vergleich wecken könnte, um ihre Übertragung auf den Princeps dann auszuschließen. Lucans Vorgehen wirkt dagegen recht zurückhaltend: Er erwähnt den katastrophalen Ausgang von Phaetons Himmelsfahrt mit keinem Wort; die Vorwegnahme negativer Konnotationen wird bei ihm also nur gedanklich vollzogen. Erst deren Entkräftung zeigt, dass der Phaeton-Mythos zwischen den Zeilen präsent ist. Sucht man in der neronischen Panegyrik nach weiteren Hinweisen auf ein preferred reading des jeweiligen Herrscherlobes, springt die erste Ekloge des Calpurnius Siculus ins Auge. 81 Darin deutet der Dichter in einer dem Faunus in den Mund gelegten Prophezeiung den Kometen des Sommers 54 n. Chr. als glückverheißendes Vorzeichen für die Herrschaft Neros (79-83). 82 Eine abweichende, negative Lesart wird dabei nicht explizit ausgeschlossen, dennoch ist die Passage im vorliegenden Zusammenhang von Interesse. Denn führt man sich vor Augen, dass die Deutung eines Kometen niemals eindeutig war und somit politisch beeinflusst werden konnte, 83 wird klar, dass auch diese Passage auf ein preferred reading zielt - nicht des Textes, sondern eines zeitgenössischen Ereignisses. Auch hier soll der Rezipient zur ‚richtigen‘ Dekodierung eines hochgradig ambivalenten Zeichens geführt tian übertrifft bei seiner Fahrt sogar den Sonnengott selbst (Smolenaars [2006] 238). Wie Nauta (2010) 262 betont, dient die Stelle außerdem der Gegenüberstellung Domitians mit Nero, „der sich trotz Lucans beruhigenden Worten doch als neuer Phaeton entpuppt hatte“. Somit bezeugt die Passage in silv. 4,3 die Möglichkeit der negativen Umkodierung des Motivs und folgl