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Sprache im Fachunterricht

Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht

1125
2015
978-3-8233-7843-3
978-3-8233-6843-4
Gunter Narr Verlag 
Magdalena Michalak
Valerie Lemke
Marius Goeke

Sprachliche Kompetenzen sind notwendige Voraussetzungen für das Lehren und Lernen in allen schulischen Fächern. Aber wie diese Kompetenzen identifizieren und fördern - gerade in Klassen, in denen viele Schüler über geringe Deutschkenntnisse verfügen und /oder Deutsch als Zweitsprache sprechen? Dieses Studienbuch bietet einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand im Bereich Deutsch als Zweitsprache und sprachliche Förderung und führt in die Grundbegriffe und die didaktisch-methodischen Ansätze des sprachbewussten Unterrichts ein. Behandelt werden neben diagnostischen Fragen u.a. der Sprachbedarf aus fachsprachlicher Sicht und die Auswahl der Lehrmaterialien bis hin zum Ablauf einer sprachbewussten Unterrichtseinheit. Durch zahlreiche Beispiele und Übungsaufgaben mit Lösungen gewinnen Lehrkräfte aller Fächer einen neuen Blick auf ihren Unterricht: es werden Wege aufgezeigt, wie das fachliche und sprachliche Lernen miteinander verknüpft werden können.

<?page no="0"?> Sprache im Fachunterricht Magdalena Michalak Valerie Lemke / Marius Goeke Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht <?page no="3"?> Magdalena Michalak Valerie Lemke / Marius Goeke Sprache im Fachunterricht Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht <?page no="4"?> Prof. Dr. Magdalena Michalak ist Lehrstuhlinhaberin für Didaktik des Deutschen als Zweitsprache an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Valerie Lemke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kooperationsprojekt Sprachliche Bildung am Institut für Deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln und Stipendiatin an der Graduiertenschule für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln. Marius Goeke ist Sonderpädagoge mit Spezialisierung auf die Förderschwerpunkte geistige Entwicklung, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung, Lehrer für Deutsch, Sachunterricht und Gesellschaftslehre an der Schule am Rotter See. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr-studienbuecher.de E-Mail: info@narr.de Printed in the EU ISSN 0941-8105 ISBN 978-3-8233-6843-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Einleitung ........................................................................................................................ 5 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? .................................................. 9 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen ......................... 10 1.1.1 Rolle der Lehrkräfte ............................................................................................... 11 1.1.2 Funktion der Sprache im Fachunterricht .................................................................. 13 1.2 Heterogenität der Schülerschaft ............................................................................ 22 1.2.1 Zwischen DaM, DaZ und DaF ................................................................................ 23 1.2.2 Unterschiedliche DaZ-Lernertypen ......................................................................... 33 1.2.3 Die sprachlichen Kompetenzen im Fachunterricht wahrnehmen ............................... 39 1.3 Zusammenfassung ................................................................................................ 45 1.4 Übungsaufgaben .................................................................................................... 45 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? ........................................................... 47 2.1. Alltagssprache - Bildungssprache - Schulsprache ................................................ 48 2.2 Fachsprachen in der Schule .................................................................................. 55 2.2.1 Besonderheiten der deutschen Fachsprachen ........................................................... 56 2.2.2 Horizontale und vertikale Gliederung von Fachsprachen ......................................... 69 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen ................................................ 74 2.4 Zusammenfassung ................................................................................................. 83 2.5 Übungsaufgaben .................................................................................................... 83 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? ............................................................. 86 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens ........................................... 87 3.1.1 Lesen als Prozess .................................................................................................... 88 3.1.2 Herausforderungen von Schulbuchtexten für die heterogene Schülerschaft ............... 90 3.1.3 Auswahl und Aufbereitung der Texte ...................................................................... 94 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten ...................................... 96 3.2.1 Voraussetzungen der Lernenden ............................................................................. 97 3.2.2 Sprachliche Anforderungen des Textes ................................................................... 98 3.2.3 Didaktische Vorgehensweise im sprachbewussten Umgang mit Texten .................. 103 3.3 Diskontinuierliche Darstellungsformen im Fachunterricht ................................. 106 3.3.1. Bilder, Karten und Diagramme ............................................................................. 106 3.3.2 Fachsprachliche Herausforderungen von Diagrammen .......................................... 111 3.3.3 Förderung des Umgangs mit Diagrammen ............................................................ 116 <?page no="6"?> 3.3.4 Exkurs: Umgang mit ästhetischen Bildern im (Fremd-)Sprachenunterricht ............. 118 3.4 Aufgabenstellungen im Fachunterricht ............................................................... 121 3.4.1 Operatoren in Aufgabenstellungen ........................................................................ 121 3.4.2 (Fach-)sprachliche Lernziele in Aufgabenstellungen bestimmen ............................ 124 3.5 Textproduktion im Fachunterricht ...................................................................... 126 3.6 Zusammenfassung .............................................................................................. 129 3.7 Übungsaufgaben ................................................................................................. 130 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? ................................................. 132 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts ................................................ 135 4.1.1 Verknüpfung von fachlichem und sprachlichem Lernen ......................................... 135 4.1.2 Transparenz der Anforderungen ............................................................................. 137 4.1.3 Berücksichtigung der sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden ....................... 138 4.1.4 Von der Alltagssprache zur fachlichen Kommunikation ......................................... 139 4.1.5 Vermittlung von Textkompetenz ............................................................................ 140 4.1.6 Fokus auf sprachliche Strukturen .......................................................................... 142 4.1.7 Gezielte Wortschatzarbeit im fachlichen Kontext .................................................. 144 4.1.8 Anlässe zum sprachlichen Handeln durch Methodenvielfalt ................................... 150 4.1.9 Berücksichtigung sprachlicher Aspekte bei der Leistungsermittlung und -bewertung 154 4.1.10 Angemessene Lehrersprache ................................................................................. 155 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht ....... 157 4.2.1 Scaffolding ........................................................................................................... 161 4.2.2 Sprachregister angemessen anwenden können (SPRAAK) ..................................... 166 4.2.3 3-Phasen-Modell .................................................................................................. 175 4.2.4 SIOP .................................................................................................................... 178 4.2.5 Concept Mapping ................................................................................................. 184 4.3 Zusammenfassung .............................................................................................. 189 4.4 Übungsaufgaben ................................................................................................. 189 Lösungen ..................................................................................................................... 191 Glossar ......................................................................................................................... 203 Literatur ...................................................................................................................... 207 <?page no="7"?> Einleitung Die Bedeutung der sprachlichen Fähigkeiten beim erfolgreichen Lernen in der Schule haben die Internationalen Vergleichsstudien wie PISA und TIMSS mehr als einmal belegt. Diese berichten davon, dass in Deutschland vor allem SchülerInnen aus sozial benachteiligten Familien mit und ohne Migrationshintergrund nicht nur in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik, sondern auch in den naturwissenschaftlichen Fächern mit deutlich schlechteren Ergebnissen abschneiden als ihre einsprachig aufwachsenden MitschülerInnen aus Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status. Die Ursache ist nicht in den kognitiven Voraussetzungen der weniger erfolgreichen SchülerInnen zu finden, sondern vielmehr in ihren, für das schulische Lernen nicht ausreichend vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Oftmals fühlen die SchülerInnen sich unsicher, wie sie das erworbene Wissen fachgerecht in Worte fassen sollen; häufig haben sie aber auch Schwierigkeiten, Sachverhalte nachzuvollziehen, die nicht ihren sprachlichen Kompetenzen entsprechend aufbereitet sind. Die deutsche Sprache ist in jedem Fachunterricht das entscheidende Lernmedium: Die Lerninhalte werden durch Sprache vermittelt und erworben. Gleichzeitig wird die Sprache als Kommunikationsmittel in jeder Unterrichtssituation sowie als Instrument zur Leistungsüberprüfung benutzt. Da der Erwerb von Sach- und Fachinhalten durch die Sprache erfolgt, bleibt den sprachlich unsicheren bzw. den sprachlich nicht ausreichend ausgestatteten SchülerInnen die Teilhabe an der Ausbildung ihrer kognitiven Fähigkeiten verwehrt. Um dem vorzubeugen, soll jeder Fachunterricht den Lernenden Sprachhilfen anbieten und sehr bewusst auf die sprachlichen Anforderungen im Fach eingehen. Im Hinblick auf die Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem sind somit Lehrkräfte aller Fächer für die sprachliche Förderung der SchülerInnen verantwortlich (vgl. KMK 2004a). Erfreulicherweise geht die Bildungspolitik auf diese Notwendigkeit ein. In der neuen Lehrerausbildung ist eine entsprechende Professionalisierung zur sprachlichen Förderung vorgesehen. In Nordrhein-Westfalen sind Lehramtsstudierende aller Fächer und aller Schulformen dazu verpflichtet, im Rahmen ihres Studiums Veranstaltungen zum Thema Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität, Deutsch als Zweitsprache und sprachbewusste Arbeit in mehrsprachigen Klassen zu absolvieren. Entsprechende gesetzliche Veränderungen der Lehramtsausbildungen stehen auch in anderen Bundesländern an (vgl. Baumann, Becker- Mrotzek 2014: 15). Die Hochschulen haben erkannt, dass die sprachbewusste Vermittlung des fachlichen Wissens „zum Standard-Kompetenzrepertoire der Lehrkräfte gehören muss“ (Seipp, Baumann 2015: 21). Eine Unterstützung auf diesem Weg bietet den angehenden Lehrkräften und AnwärterInnen dieses Studienbuch. Das Konzept des Buches Das Ziel dieses Buches ist es, Zusammenhänge von fachlichem und sprachlichem Lernen insbesondere im Kontext des Deutschen als Zweitsprache zu verdeutlichen. Der Band versucht, Lehrkräfte aller Fachrichtungen für das Thema Sprache als Herausforderung in ihren Fächern zu sensibilisieren . Sie sollen dafür gewonnen werden, sprachliche Kompetenzen nicht vorauszusetzen oder deren Förderung an den Deutschunterricht zu delegieren, sondern den eigenen Fachunterricht sprachaufmerksam zu gestalten. Dafür bietet das Buch einen umfassenden Überblick über die Spezifika der schulsprachlichen Anforderungen in den jeweiligen Schulfächern und liefert zahlreiche didaktisch-methodische Hinweise, die es jeder Fachlehrkraft ermöglichen, die heterogene Schülerschaft - sei es SchülerInnen mit Migrationshintergrund oder <?page no="8"?> 6 Einleitung auch sprachlich schwache monolingual aufwachsende Kinder und Jugendliche - angemessen zu unterstützen und somit sprachbewusst zu arbeiten. Das Studienbuch ist in vier Teile gegliedert: 1. Deutsch lernt man im Deutschunterricht? - Im ersten Kapitel wird die Bedeutung der Sprache als Lernmedium und die Wichtigkeit einer fächerübergreifenden Sprachvermittlung für sprachlich schwache Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund thematisiert. So gilt es in einem ersten Schritt, die Lehramtsstudierenden und Lehrkräfte aller Fachrichtungen davon zu überzeugen, dass die Sprache eine Schlüsselrolle in Wissensvermittlung und -erwerb spielt. Zugleich wird gezeigt, dass jeder Unterricht immer auch Sprachunterricht ist. Dass die sprachbewusste Vorgehensweise nicht in dem Umfang möglich ist wie im Sprachenunterricht, wird berücksichtigt: Das Buch lebt von vielen Kurzübersichten, die auch Fachlehrkräften helfen, die Materialien dem sprachlichen Stand ihrer Schülerschaft anzupassen oder umgekehrt, die SchülerInnen durch gezielte Aufgaben, die mit inhaltlichen Übungen verzahnt werden, zu sprachlichen Anforderungen der Lehrmaterialien zu führen. Im Fokus des ersten Kapitels stehen die sprachlichen Voraussetzungen, die SchülerInnen in den Fachunterricht mitbringen. Es beleuchtet die folgenden Fragen: Welcher Heterogenität begegnen Lehrkräfte heute in den deutschen Schulen? Was zeichnet eine mehrsprachige Schülerschaft aus? Inwiefern ist sie Chance und Herausforderung zugleich? Welche Rolle kann in dem Kontext jede Fachlehrkraft übernehmen? Um den Lese r - Innen diesen Themenkomplex deutlich zu machen, ist das Buch von Übungen geprägt, die es den Lehramtsstudierenden und Lehrkräften ermöglichen, die Perspektive ihrer Schüle r - Innen einzunehmen und anschließend das eigene Lehrverhalten zu reflektieren. 2. Deutsche Sprache schwere Sprache? - Jeder Fachbereich verfügt über seine eigene Fachsprache und seine eigenen Kommunikationsformen, die nur im fachlichen Zusammenhang vermittelt werden können. Fragt man angehende Lehramtsstudierende oder auch aktive Lehrende nach den Spezifika von Fachsprachen, so werden meistens Fachwörter als wesentliches Charakteristikum erwähnt. Fachsprache umfasst jedoch mehr als Fachterminologie, die i.d.R. im Fachunterricht systematisch eingeführt wird. Vergleichbar dem Erwerb einer Fremdsprache, reicht es auch beim Erwerb einer Fachsprache nicht aus, allein den Wortschatz der jeweiligen Fachrichtung zu kennen. Doch worin unterscheidet sich beispielsweise die Sprache im Biologieunterricht von der im Geschichtsunterricht und worin liegen die besonderen Spezifika dieser beiden Varietäten? Welche Hinweise bieten hierfür Bildungsstandards und Lehrpläne in den jeweiligen Fächern? Auf diese Fragen will das Buch in diesem Kapitel eine Antwort geben. 3. Schulbuchtext bedeutet ein guter Text? - Viele Lehrmaterialien, die im Schulalltag Verwendung finden, berücksichtigen die sprachliche Vielfalt unserer Schülerschaft nicht, sondern sind an einsprachig deutsch aufwachsenden SchülerInnen orientiert und tragen somit schon lange nicht mehr den sprachlichen Voraussetzungen der heterogenen Lerngruppen Rechnung. Auch hier gilt es, die Lehrkräfte für das Anforderungspotenzial ihrer fachspezifischen Lehrbuchtexte und Lehrmaterialien zu sensibilisieren, sodass sie typische Verstehens- und Kommunikationsschwierigkeiten von LernerInnen mit Deutsch als Zweitsprache in fachlichen Zusammenhängen erkennen können. Das Studienbuch zeigt den Lehrenden Wege oder Methoden auf, wie sie mit den Materialien umgehen können, wie sie sprachlich zu adaptieren und für die SchülerInnen gewinnbringend einzusetzen sind. Dafür bietet das Buch Kriterienkataloge und Übungsbeispiele, die eine optimale Passung zwischen den sprachlichen Kompetenzen der Lernenden und den Materialien ermöglichen. <?page no="9"?> 7 Einleitung 4. Fachunterricht gleich Sprachunterricht? - In einem letzten Schritt wird den angehenden Lehrkräften didaktisch-methodisches Werkzeug an die Hand gegeben, damit sie ihren Unterricht sprachbewusst vorbereiten und gestalten können, ohne dabei die fachlichen Unterrichtsziele aus den Augen zu verlieren. Dafür werden aktuelle didaktische Ansätze, empirisch erprobte Methoden sowie Lerntechniken vorgestellt. Das Buch enthält zahlreiche praktische Beispiele, die in Forschungs- und Sprachförderprojekten entstanden sind und einen authentischen Einblick in den schulischen Alltag erlauben. Exemplarisch wird gezeigt, wie die sprachlichen Ziele mit den Fachinhalten bei der Unterrichtsplanung und -durchführung verknüpft werden können. Beispielhaft wird die Lehrer-Schülerbzw. Schüler-Schüler-Kommunikation im Fachunterricht analysiert. An konkreten Beispielen wird die sprachliche und fachliche Arbeit an und mit Texten präsentiert. Das Grundlagenwerk begegnet den Herausforderungen der sprachbedingten Lern- und Leistungsbedingungen für SchülerInnen mit einem sprachlichen Unterstützungsbedarf. Es führt somit in die Grundbegriffe, in aktuelle didaktische Ansätze und Methoden der sprachlichen Arbeit im Fachunterricht ein und arbeitet zugleich mit zahlreichen praxisnahen Beispielen aus verschiedenen Fächern. Es kann als ein Begleitbuch für Lehramtsstudierende in den obligatorischen Lehrveranstaltungen, als ein Leitfaden für ReferendarInnen und für aktive Lehrkräfte aller Fachrichtungen und aller Schulformen sowie als eine Orientierung für Hochschuldozen t - Innen dienen. Jedes Kapitel enthält Reflexionsaufgaben, auf die im Buch eingegangen wird sowie Übungen mit Lösungsvorschlägen, die entweder gemeinsam in Seminaren studiert oder von den Studierenden selbständig erarbeitet werden können. Ein Glossar mit den wesentlichen Begriffen kann als schnelles Nachschlagewerk benutzt werden. Das vorliegende Studienbuch leistet somit zweierlei: Es vermittelt die wichtigsten theoretischen Voraussetzungen für die Konzeption und Durchführung von sprachbewusstem Unterricht, ohne dabei zu sehr in die theoretische Diskussion einzutreten. Zugleich liefert es konkrete didaktischmethodische Hinweise, die es jeder Fachlehrkraft auch ohne Absolvierung eines Germanistikstudiums ermöglichen, aufmerksam mit Sprache umzugehen und somit jeder Schülerin/ jedem Schüler die Chance zu geben, am Unterricht teilzuhaben. Magdalena Michalak Valerie Lemke Marius Goeke <?page no="11"?> 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Einstiegsaufgabe: Wählen Sie ein Thema aus Ihrem Fachbereich (z. B. in Biologie: Wie wird aus einer Raupe ein Schmetterling? , in Mathematik: Wie werden Bruchzahlen dividiert? , in Gesellschaftslehre: Wie funktioniert das deutsche Wahlsystem? ) aus. Erklären Sie das Thema schriftlich in einer Fremdsprache. Was ist Ihnen beim Schreiben schwer-/ leichtgefallen? Wo und in welcher Form würden Sie sich Unterstützung wünschen? Beim schriftlichen Erklären hatten Sie vermutlich keine Probleme, das Phänomen fachlich korrekt zu fassen. Die aufgetretenen Unsicherheiten sind wahrscheinlich sprachlicher Natur, was möglicherweise dazu geführt hat, dass Sie sich bei der Formulierung der Erklärung mehr auf die sprachliche Form als auf die Fachinhalte konzentriert haben. Vielleicht hat Ihnen beim Schreiben das fachliche Vokabular (z.B. Metamorphose, dividieren, parlamentarische Demokratie) gefehlt oder Sie konnten die üblichen Floskeln (wie z.B. Im ersten Stadium der Entwicklung …, das Bilden eines Umkehrbruchs, Mit der Zweitstimme wählt man …) in der Fremdsprache nicht formulieren. Möglicherweise mussten Sie länger überlegen, welche Zeitform oder Textstruktur die richtige sei. Wahrscheinlich ist in Ihrer Erklärung ein roter Faden zu erkennen, sodass jeder Laie den Text verstehen könnte. Ist Ihr Text aber auch für einen Fachexperten nachvollziehbar und fachsprachlich angemessen? Hätten Sie diese Aufgabe auf Deutsch lösen müssen, hätten Sie dafür vermutlich weniger Zeit benötigt und einen präziseren und längeren Text verfasst. Mit dieser Aufgabe wollen wir Sie dafür sensibilisieren, welche Bedeutung Sprache beim fachlichen Lernen spielt. Sprache wird in jedem Fachunterricht als ein Werkzeug benutzt. Die fachlichen Inhalte werden in und durch Sprache vermittelt und erworben: Mithilfe der Sprache werden die Sachverhalte präsentiert, beschrieben und erklärt. Durch die Sprache zeigen auch die SchülerInnen, inwiefern sie die Fachinhalte verstanden haben. Um dem Fachunterricht angemessen zu folgen, benötigen somit die SchülerInnen eine hinreichende Sprachkompetenz. Wie es Ihnen als fachlicher Experte mit sprachlichen Problemen bei der Lösung der Einstiegsaufgabe ergangen ist, so ergeht es oftmals sprachlich weniger kompetenten SchülerInnen, die fachlich versiert sind, aber durch ihre sprachlichen Unsicherheiten vermeintlich schlechtere Ergebnisse erzielen. Sie verfügen über das fachliche Wissen in dem jeweiligen Bereich, können dies aber sprachlich nicht zum Ausdruck bringen. Aus ihren sprachlichen Defiziten kann man also keine Rückschlüsse auf ihre fachliche Kompetenz ziehen. Auch die Erstsprache der SchülerInnen erlaubt keine Rückschlüsse auf ihre fachlichen Fähigkeiten. Denken Sie zum Beispiel an einen Experten in seinem Fach, z.B. einen Mathematiker: Ein guter Mathematiker bleibt ein guter Fachexperte, unabhängig davon, welche Sprache seine Muttersprache ist. Wenn er jedoch nicht in der Lage ist, mathematische Sachverhalte adäquat zu formulieren, obwohl er diese thematisch erfasst hat, oder wenn er mathematischen Erklärungen fachsprachlich nicht folgen kann, so bleibt er womöglich allein mit seinem Wissen und kann sich und anderen seine Erkenntnisse nicht mitteilen. Hier muss ihm jemand eine gezielte Unterstützung anbieten. Ähnlich ist die Situation in der Schule: Die gezielte Unterstützung sollte in den regulären Fachunterricht integriert werden, denn Sprachunterricht alleine kann nicht die nötigen sprachlichen Kompetenzen vermitteln, insbesondere nicht die fachspezifischen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 18). <?page no="12"?> 10 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen Die Vermittlung von Sprach- und Fachwissen ist praktisch untrennbar miteinander verbunden (vgl. Schmölzer-Eibinger 2013: 27): Sprache ist für das Lehren und Lernen in jedem schulischen Fach unabdingbar. Sie ist die Grundlage für das Verstehen und Kommunizieren im Fachunterricht. Sie dient aber nicht allein der Verständigung, sondern ist auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet und somit die Voraussetzung für einen gelingenden Fachunterricht. Eingeschränkte Kompetenzen im Bereich Sprache führen zu Bildungsbenachteiligungen (vgl. Ahrenholz 2010a: 15; Bos et al. 2012). So erfahren insbesondere SchülerInnen aus bildungsfernen Familien und/ oder mit Deutsch als Zweitsprache sprachliche Hürden, die Folge einer mangelnden Berücksichtigung ihres aktuellen und fortschreitenden Sprachstandes bei der Unterrichtsplanung und -durchführung sind; bei den verschiedenen schulischen Übergangsphasen können sie als Folge davon institutionelle Barrieren erleben (vgl. Tajmel 2010: 169). Um fachliches Wissen zu erwerben und fachliche Inhalte in der deutschen Sprache selbst mitzuteilen, müssen alle SchülerInnen mit der bildungsrelevanten Sprache sicher umgehen können. Für erfolgreiches Lernen in jedem Fach reicht die alltagssprachliche Kompetenz der Lernenden nicht aus, denn im Laufe der Schulzeit stellt die Bildungssprache immer höhere Anforderungen an die SchülerInnen (vgl. Gogolin et al. 2011: 15). Sie wird allmählich immer komplexer und präziser und variiert von Fach zu Fach (s. Kap. 2.2). Im Deutschunterricht werden zwar basale Sprachkompetenzen vermittelt, die sprachliche Spezifik der verschiedenen Unterrichtsfächer kann aber nur in Ansätzen erarbeitet und trainiert werden. Jedes Fach verfügt über eine eigene Fachsprache und eigene Kommunikationsformen, die nur im fachlichen Zusammenhang genutzt werden. Fachsprache zu verwenden, bedeutet nicht nur, den (Fach-)Wortschatz zu gebrauchen, sondern auch die sprachlichen Handlungsmuster, z.B. die angemessene Form bestimmter Texte, sog. Textmuster, zu berücksichtigen. Insbesondere SchülerInnen, die aus ihrem Alltag diese Sprach- und Denkmuster nicht in die Schule mitbringen, brauchen hier gezielte Unterstützung zur Entwicklung der fachbezogenen Sprachkompetenz (vgl. Feilke 2010: 9). Neben den verschiedenen Kontexten, in denen die Sprache gebraucht wird, spielt auch der sprachliche Input eine Rolle. (Zweit-)Sprachenerwerb erfordert nämlich einen erheblichen Zeitaufwand sowie zahlreiche Sprech-, Schreib- und Leseanlässe. Jede angemessene Nutzung von Sprache im Unterricht erweitert die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen. In allen Lernfeldern und in allen Fächern soll Sprache bewusst verwendet und explizit vermittelt werden. Sprachliche Förderung gilt daher als eine fächerübergreifende und schulformunabhängige Aufgabe von allen Lehrkräften (vgl. APO-S I § 6 (6)). Die Schlüsselrolle einer fachsprachlichen Förderung wird in den aktuellen Kernlehrplänen betont: In der aktiven Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten, Prozessen und Ideen erweitert sich der vorhandene Wortschatz, und es entwickelt sich ein zunehmend differenzierter und bewusster Einsatz von Sprache. Dadurch entstehen Möglichkeiten, Konzepte sowie eigene Wahrnehmungen, Gedanken und Interessen angemessen darzustellen. Solche sprachlichen Fähigkeiten entwickeln sich nicht naturwüchsig auf dem Sockel alltagssprachlicher Kompetenzen, sondern müssen gezielt im naturwissenschaftlichen Unterricht angebahnt und vertieft werden. (MSW NRW 2011a: 13) Konzentriert sich Sprachförderung ausschließlich auf die Deutschstunden, kann der Unterricht den unterschiedlichen Sprachanforderungen in den verschiedenen Fächern nicht gerecht werden. Daher ist es notwendig, dass alle Lehrkräfte für die besonderen Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund in schulischen und berufs- <?page no="13"?> 11 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen schulischen Bildungsangeboten sensibilisiert werden und spezifisches Handlungswissen für einen produktiven Umgang mit Heterogenität erwerben. 1.1.1 Rolle der Lehrkräfte Die zentrale Rolle der Sprache in den Sprachfächern (Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Latein etc.) ist den SchülerInnen meist bewusst: Sie wissen, dass hier die sprachlichen Phänomene explizit beleuchtet werden. Die Sprache wird dabei zugleich als Lernmedium und Lerngegenstand betrachtet (vgl. Budde, Michalak 2014). In allen anderen Fächern bleibt die Präsenz der Sprache den SchülerInnen und nicht selten auch den Lehrkräften vielleicht verborgen, obwohl Fachexpertise immer an eine Fachsprache und an Fachkommunikation gekoppelt ist. Sprache und sprachliches Handeln sind nämlich in jedem Fachunterricht in Arbeitsanweisungen, Aufgabenstellungen, Formelsprache, Bildsprache und allgemein in Texten vorhanden. Die Gedanken der SchülerInnen sind ohne Verbalisierung nicht nachzuvollziehen. Werden die sprachlichen Formen im Unterricht nicht gezielt betrachtet, können die mangelnden Sprachkenntnisse zu fachlichen Problemen führen: Das bedeutet, dass die SchülerInnen einerseits die Texte und auch die Ausführungen der Lehrperson nicht verstehen (Textrezeption) und andererseits selbst keine angemessenen fachsprachlichen Texte ausarbeiten können (Textproduktion). Formuliert die Lehrkraft beispielsweise mündlich die Aufgabe im Mathematikunterricht, die Quadratwurzel aus Neun zu ziehen, so können die SchülerInnen diese Aufgabe nur dann lösen, wenn sie die fachliche Formulierung Quadratwurzel ziehen aus verstehen. Vermutlich ist ihnen das Wort ziehen aus dem Alltag bekannt; auch Quadrat und Wurzel benutzen sie vielleicht im alltäglichen Kontext. Die mathematische Bedeutung dieser Formulierung müssen sie jedoch neu erschließen. Verstehen die Lernenden die sprachliche Struktur, können diese aber selbst noch nicht anwenden, so besteht die Gefahr, dass sie vielleicht die Aufgabe in mathematischer Formelsprache lösen, diese jedoch nicht verbalisieren können. An dieser Stelle benötigen nicht nur SchülerInnen mit geringen Kenntnissen in der Zweitsprache Deutsch, sondern auch Kinder und Jugendliche deutscher Muttersprache aus schriftfernen Elternhäusern gezielte Unterstützung seitens der Lehrkräfte (vgl. Siebert-Ott 2006: 37). Aber wie können die Fachlehrkräfte zum Spracherwerb der SchülerInnen beitragen? Wo liegen die Grenzen der jeweiligen Fächer? Sprachlehrkräfte sind meist stärker für den Umgang mit sprachlichen Herausforderungen sensibilisiert. Deshalb sind sie eher als Lehrkräfte anderer Fächer in der Lage, angemessen auf die besondere Situation von sprachlich heterogenen Lernergruppen zu reagieren und ihren Unterricht entsprechend sprachbewusst zu gestalten. Von keiner/ keinem FachlehrerIn wird verlangt, DaZ- Experte oder SprachlehrerIn zu werden. Die Fachlehrkräfte müssen aber einen Blick dafür bekommen bzw. ein Gespür dafür entwickeln, wann die SchülerInnen ein Problem mit der Aufgabe als solcher haben, und wann es vorrangig eine sprachliche Hürde zu meistern gilt. Sie sollten nicht nur selbst aufmerksamer werden, sondern auch auf (fach-)sprachliche Strukturen und Sprachgebrauch aufmerksam machen. Dabei ist zu beachten, dass im Unterricht ein permanenter Wechsel zwischen formalisierter Fachsprache und der Alltagssprache der Lernenden stattfindet. Hierfür benötigen die SchülerInnen eine Unterstützung, damit sie die präzise Fachsprache selbst angemessen anwenden können. Lehrkräfte sprachlicher Fächer sollten den SchülerInnen basale, fächerübergreifende Sprachkompetenzen vermitteln. Fachlehrkräfte dagegen sollten diese sprachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten der Lernenden aufgreifen und fachspezifisch erweitern. Dies bedeutet, dass in sprachlichen Fächern beispielsweise die Struktur und die sprachlichen Mittel von Protokollen im Allgemeinen analysiert und geübt werden sollten; ihre Ausdifferenzierung (z.B. Versuchsprotokolle im Chemie- oder Biologieunterricht) muss in dem jeweiligen Fach stattfinden (vgl. Budde, Michalak 2014). <?page no="14"?> 12 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Im Fach Deutsch und in anderen sprachlichen Fächern steht die Sprache als Reflexionsgegenstand offensichtlich im Mittelpunkt. Mehr oder weniger bewusst vorhandenes Wissen über die Sprache wird durch die explizite Vermittlung von Regeln untermauert: Sprachliche Strukturen werden in verschiedenen Kontexten analysiert, ihre Funktionen erläutert, Regularitäten bewusst gemacht, sodass die SchülerInnen am Ende der Sekundarstufe I in der Lage sein sollen, „ihre Sprache schriftlich und mündlich bewusst und differenziert zu gebrauchen. Sie sollen sach-, situations- und adressatengerecht sprechen und schreiben und die Wirkung der Sprache einschätzen können.“ (MSW NRW 2004a: 11). In dem Kontext wird die besondere Rolle der sprachlichen Fächer für die sprachliche Bildung deutlich: Hier wird die Sprachbewusstheit entwickelt, die den SchülerInnen auch in anderen Fächern hilft zu entscheiden, welche Sprachvariante in welchen Kommunikationssituationen angebracht ist (vgl. Budde, Michalak 2014: 17-19). Hier werden auch Strategien eingeführt, die genauso effektiv im Umgang mit Fachtexten genutzt werden können. Verstehens- und Lernstrategien, die in jedem (Fremd-)Sprach(en)unterricht vermittelt werden, sind nämlich auf andere Sprachen übertragbar (vgl. Ezhova-Heer 2011). Lernen die SchülerInnen beispielsweise im Englischunterricht, Lesestile (global, selektiv oder detailliert) abhängig vom Lesezweck einzusetzen, so können sie die bekannten Lesestrategien auch im Fachunterricht erfolgreich nutzen (s. Abb. 1) 1 . Leseziel Lesestil Beispiel sich einen Überblick über das Thema verschaffen; die wesentlichen Inhaltspunkte verstehen Globales Lesen: grobes Erfassen von Kernaussagen und Gesamtstruktur des Textes Überfliegen von Zeitungsartikeln mit der Frage „Worum geht es? “; schnelles Lesen eines Textes, um zu prüfen, ob er sich für ein Referat eignet gezielt nach bestimmten Informationen suchen Selektives Lesen: Auswahl und Konzentration auf bestimmte Textteile Fahrpläne - Suche nach der Information über die Abfahrt meines Zuges; Beipackzettel eines Medikaments - Suche nach einem Inhaltsstoff alles genau wissen; alle Informationen vollständig und tiefgehend aufnehmen Detailliertes Lesen: Lesen des gesamten Textes, Erfassen aller Informationen Mietvertrag, Kochrezept, Spiel- / Bastelanleitung lesen - Wie baue ich einen Drachen? Abb. 1: Auswahl der Lesestile abhängig vom Leseziel Sprachliche Fächer alleine können jedoch die nötigen sprachlichen Kompetenzen nicht vermitteln, insbesondere nicht die fachspezifischen. Einerseits ist dies darin begründet, dass sprachliche Fächer die Fachspezifik und die damit verbundene Fachsprachlichkeit der Vielfalt an Fächern nicht abbilden können. Dazu fehlt ihnen der fachspezifische Kontext und den Sprachlehrkräften vermutlich auch das Fachwissen. Andererseits ist zu beachten, dass jeder Sprachunterricht, sei es Deutsch, Englisch, Französisch oder Latein, zugleich ein Fachunterricht ist und bestimmte fachspezifische Inhalte sowie eigene Fachsprache zu fokussieren hat. So gehören beispielsweise der Umgang mit literarischen Texten, das Verfassen von Texten, die adressaten- und zielorientiert gestaltet sind oder die Bestimmung der Wortarten und ihrer Funktion zum Kompetenzbereich des Deutschen (vgl. MSW NRW 2004). Dies setzt die An- 1 Mehr zum Beitrag der Sprachenfächer zur fachsprachlichen Förderung s. Budde, Michalak 2014. . <?page no="15"?> 13 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen wendung der angemessenen Fachbegriffe voraus, wie z.B. Lyrik, Metapher, Konjunktion, konditional, Wortarten bestimmen, Adjektiv usw. Die in den sprachlichen Fächern erworbenen Kompetenzen sind auf das Lernen in anderen Fächern anzuwenden. Dieser Transfer kann nur durch eine enge Zusammenarbeit und einen regelmäßigen Austausch der Sprachexperten und anderer Fachlehrkräfte erfolgen. Zudem ergeben sich aus dieser Kooperation andere Synergieeffekte: Die Sprachlehrkräfte bringen die Expertise im Bereich Spracherwerb und Sprachdiagnostik mit und können dadurch ihren KollegInnen helfen, den Sprachstand der Lernenden zu ermitteln, damit ihr Potenzial einzuschätzen und „die Zone der nächsten Entwicklung“ (vgl. Wygotski 1987: 83) der Kinder und Jugendlichen, d.h. ihre nächsten Entwicklungsschritte gemeinsam zu bestimmen. Denn der Unterricht hat sich nicht nur am Entwicklungsstand der SchülerInnen sondern auch an der Zone der nächsten Entwicklung zu orientieren. Auch Absprachen bezüglich der besprochenen (fach-)sprachlichen Inhalte und der sprachbewussten Vorgehensweise sind von Vorteil: Wurde im Deutschunterricht schon das Passiv besprochen? Können die Fachlehrkräfte auf dieses sprachliche Wissen bei den SchülerInnen in ihrem Fachunterricht zurückgreifen? Welche Informationen und Strategien sind aus der fachsprachlichen Perspektive beim Umgang mit nichtlinearen Darstellungsformen, d.h. Diagrammen, Tabellen, Karten etc., notwendig? Welche sprachlichen Hilfen sind insbesondere SeiteneinsteigerInnen anzubieten? 1.1.2 Funktion der Sprache im Fachunterricht Unterricht vollzieht sich über das Medium Sprache. Dabei erfüllt sie sowohl kommunikative (d.h. Austausch mit anderen) als auch kognitiv-epistemische (d.h. Erarbeitung gedanklicher Konzepte bzw. neuer Zusammenhänge) Funktionen, die wechselseitig aufeinander wirken (vgl. Schweiger 1996: 44). So wird Sprache im Fachunterricht in folgenden Zusammenhängen angewendet: • als die zu erwerbende Grundlage • als Lern- und Reflexionsgegenstand • als Lernmedium • als Kommunikationsmittel mit-/ untereinander • als Mittel zur Leistungsüberprüfung 1.1.2.1 Sprache als die zu erwerbende Grundlage Für jeden Fachunterricht benötigen die SchülerInnen ein sprachliches Handlungsrepertoire, das sie erwerben müssen. Sprache ist für sie also zunächst eine Grundlage: Sie müssen zuerst sprachliche Mittel erwerben, ihre allgemeinen sprachlichen Kompetenzen entfalten und üben, wie man mit dem Werkzeug Sprache Inhalte erschließen und vermitteln kann. Erst dieses grundlegende sprachliche Handlungsrepertoire ermöglicht es den SchülerInnen, fachliches Wissen und Können in der Sprache des Unterrichts zu entwickeln. Insbesondere bei SchülerInnen, die erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind und anfangs vielleicht gar kein Wort Deutsch verstehen, ist es offensichtlich, dass sie in erster Linie die deutsche Sprache als Grundlage erwerben müssen, bevor sie am Regelunterricht uneingeschränkt partizipieren können. Aber auch Lernende, die in Deutschland aufgewachsen sind und in ihrem Alltag der Vielfalt der deutschen Sprache nicht ausreichend begegnen, müssen häufig zuerst ihre Grundlagenkenntnisse erweitern, um dem Regelunterricht folgen zu können. Daher ist die primäre Aufgabe der Schule, die sprachlichen Kompetenzen der Schüle r - <?page no="16"?> 14 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Innen aufund/ bzw. auszubauen, „damit sie in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen handlungsfähig sind“ (KMK 2004b: 6). Im Mittelpunkt der sprachlichen Förderung stehen alle sprachlichen Fertigkeiten: Sprechen und Zuhören, Lesen und Schreiben sowie eine flüssige und angemessene Anwendung der sprachlichen Mittel in den Bereichen Aussprache und Intonation, Orthographie, Wortschatz und Grammatik (vgl. KMK 2003: 9). Im Deutschunterricht sowie in den Sachfächern zeigt sich nicht auf den ersten Blick, dass bestimmte, oft umfangreiche Sprachkompetenzen vorausgesetzt werden, die die Kinder und Jugendliche n jedoch noch nicht beherrschen. Dies wird viel deutlicher im Fremdsprachenunterricht, in dem die SchülerInnen ihre sprachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten schrittweise (und oft auch systematisch) aufbauen (vgl. Budde, Michalak 2014: 14). Hier wird die sprachliche und inhaltliche Förderung aufeinander abgestimmt. Schwieriger ist es im nicht-sprachlichen Fachunterricht. Dort müssen die sprachlichen Lernvoraussetzungen in der Unterrichtsplanung und -durchführung einbezogen werden. Jede Lehrkraft sollte daher in der Lage sein, das Sprachvermögen der SchülerInnen einzuschätzen und für ihren Unterricht geeignete Sprachhilfen anzubieten. Sie sollte überlegen, „welche sprachlichen Mittel notwendig sind, um sich Kenntnisse anzueignen (rezeptive Ebene) und was ein Lerner mündlich formulieren und schreiben können muss (produktive Ebene)“ (Baur, Schäfer 2010: 1080). 1.1.2.2 Sprache als Lern- und Reflexionsgegenstand Der Spracherwerbsprozess setzt eine bewusste Auseinandersetzung mit sprachlichen Phänomenen voraus. Stehen Sprachsystem und -gebrauch im Mittelpunkt des Unterrichts, so wird Sprache als Lernbzw. Reflexionsgegenstand angewendet. Deutlich wird dies im Kontext der sprachlichen Fächer, in denen die Untersuchung von Sprache und Sprachgebrauch explizit thematisiert wird (vgl. KMK 2003: 9; KMK 2004b: 7). Die SchülerInnen betrachten zum einen Sprache als System, indem sie über grammatische Phänomene und ihre Regelhaftigkeit im funktionalen Zusammenhang reflektieren (z.B. Was ist Passiv? Wie wird es gebildet? In welchen Kontexten wird es gebraucht? ). Die grammatischen Begriffe werden dabei nicht isoliert, sondern stets im funktionalen Kontext angewendet. Zum anderen analysieren die Lernenden Sprache im Gebrauch, wobei verschiedene sprachliche Varietäten (auch Fachsprachen) in den Blick genommen werden (z.B. Worin unterscheidet sich ein Bericht von einer Erzählung? Wie formuliert man ein Versuchsprotokoll? Welche Konstruktionen sind für Fachsprachen typisch? ). Im Sprachunterricht erwerben die SchülerInnen auch die Fähigkeit, grammatische Strukturen korrekt aufzubauen und bei Bedarf zu überarbeiten. Dieses grammatische Wissen soll zum bewussten Umgang mit Sprache beitragen und bei der eigenen Textrezeption, -produktion und -bearbeitung genutzt werden (vgl. KMK 2003: 9). Im Fachunterricht stehen dagegen fachliche Kompetenzen im Vordergrund. Die SchülerInnen erhalten dort auch die sprachliche Ausstattung, um im Fachunterricht selbständig handeln zu können. Sprache als System und die grammatische Korrektheit spielen hierbei eine untergeordnete Rolle. Für eine gelungene Fachkommunikation müssen die SchülerInnen dagegen einschätzen können, welche sprachliche Form als adäquat angesehen wird oder welche Textform den Konventionen des Faches entspricht. So sollen die SchülerInnen lernen, „fachspezifische Sachverhalte unter Verwendung geeigneter sprachlicher Mittel und Fachbegriffe adressatenbezogen“ zu präsentieren (MSW NRW 2011b: 49). Sie sollen die Fähigkeit entwickeln, (fach-)sprachliche Werkzeuge funktional passend zu gebrauchen. Folglich müssen sie über sprachliche Strukturen und den Sprachgebrauch nachdenken. Die Sprache wird auf diesem Wege zum Reflexionsgegenstand. Obwohl sprachliches Lernen das Fachlernen bedingt, werden sprachliche Mittel im Fachunterricht zu oft ausschließlich implizit vermittelt (vgl. Schmölzer-Eibinger 2013: 28). Sprachliche <?page no="17"?> 15 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen Ziele sind in jedem Fachunterricht transparent zu machen, sprachliche Strukturen gezielt zu fördern. Sprachaufmerksamkeit sollte im Fachunterricht sowohl durch die Sprachverwendung der Lehrperson als auch durch ein Bewusstmachen und Reflektieren von Sprache und Sprachgebrauch erzeugt werden. Dies zeigt folgendes Dialogbeispiel aus einem Biologieunterricht 2 , in dem die Lehrkraft einen bewussten Umgang mit Sprache einfordert (S1/ S2 - Schüler; L - Lehrerin) 3 : 1 S1: das wassertropfen nimmt 2 L: ist es der, das wassertropfen? wie sagt man? 3 S1: ähhn (.) den (---) 4 L: der 5 S1: der (.) 6 L: warum sagt man der und nicht das? 7 S2: weil(---) ähm (1.0) 8 S1: weil es so ist. (lacht) 9 S2: weil tropfen (-) 10 L: genau, er hat die richtige erklärung. kannst du es ihm sagen, warum? 11 S2: weil sie ist der (zeigt auf Tropfen) 12 S1: ich weiß, ich weiß 13 L: wegen tropfen, ne (-) man muss hinten gucken Beim Verfassen eines Versuchsprotokolls tauschen sich die Schüler über das durchgeführte Experiment aus. Sie sollen ihre Ergebnisse schriftlich formulieren; dabei werden sie von der Lehrerin sprachlich gelenkt: Die Lehrperson macht Sprache zum Thema beim fachlichen Lernen und regt die Lerner dazu an, darüber nachzudenken, aus welchen Elementen ein zusammengesetztes Nomen (Wassertropfen) besteht und welcher Teil des Kompositums über das Genus des Wortes entscheidet (Zeile 13). Sie steuert die fachliche Kommunikation, sodass sie einen aufmerksamen Umgang mit Sprache einfordert. Zugleich wird der Erwerb von fachlichen Inhalten durch die Vermittlung sprachlicher Kompetenzen, die eine präzise Formulierung erlauben, unterstützt. Sprache ermöglicht aber nicht nur sprachliche, sondern auch fachliche Reflexionsprozesse: Formuliert man einen fachlichen Gedanken sprachlich aus und präzisiert ihn, so wird er der Überarbeitung zugänglich. Dies ist die Voraussetzung für weitere Lernprozesse. 1.1.2.3 Sprache als Lernmedium In allen Situationen, in denen die SchülerInnen durch Sprache kognitive Fertigkeiten und Fähigkeiten im Unterricht erwerben, dient Sprache als Medium des Lernens, also als Hilfsmittel (vgl. Fritzsche 1980). Sie wird hierfür sowohl rezeptiv (Lesen und Zuhören) als auch produktiv (Sprechen und Schreiben) gebraucht. Die Themen des Unterrichts werden sprachlich entwickelt: Konkrete und abstrakte Sachverhalte werden im Medium der Sprache dargestellt und in Sinnzusammenhänge gebracht. Sie werden sprachlich aufgefasst und verständlich gemacht, reflektiert, analysiert und erklärt. Mithilfe der Sprache werden Fakten und Ansichten ausgetauscht, Kriterien und Bewertungen formuliert, Interessen und Bedürfnisse geäußert, Wünsche 2 Der Dialog wurde 2013 im Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Rahmen des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung der Universität zu Köln aufgenommen. 3 Die in diesem Buch angeführten Unterrichtsbeispiele sind GAT (gesprächsanalytischer Transkription) folgend transkribiert (vgl. Selting et al. 2009). <?page no="18"?> 16 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? und Meinungen ausgedrückt und auch (fachliche) Probleme gelöst. Durch und in Sprache werden Sichtweisen eröffnet und Handlungsmöglichkeiten erschlossen. Die Verstehensbasis bildet für die SchülerInnen die Alltagssprache. Aus dieser entwickelt sich im Lernprozess die präzise und fachlich angemessene Sprache, in der das Verstandene widergegeben und kritisch betrachtet wird. Denn das fachliche Lernen erfolgt in konzeptioneller und überwiegend auch medialer Schriftlichkeit (s. Kap. 2.3). Die fachlichen Inhalte werden in einer komplexen Sprache mündlich und/ oder meistens textgestützt vermittelt, was erhebliche Herausforderungen an die Lernenden stellt. Texte vermitteln zu über 90% Faktenwissen (vgl. Jitendra et al. 2001), die Darstellung der Zusammenhänge nimmt jeweils den geringsten Teil ein. Die Aufgabe der SchülerInnen ist es oft, das Verstandene wiederzugeben und selbständig kritisch zu betrachten, Relationen selbst zu erarbeiten und diese - mündlich oder schriftlich - auszuformulieren. Dies illustriert ein Beispiel aus einem Lehrwerk für den Fachunterricht Chemie (s. Abb. 2). In Aufgabe 1 werden die Jugendlichen aufgefordert zu erklären, welche Funktion der Koks beim Hochofenprozess hat. Die hierfür notwendigen Informationen sollen sie den chemischen Reaktionen in Formelsprache entnehmen und Zusammenhänge selbst erkennen. In den Aufgabenstellungen, die selbstverständlich sprachlich gestaltet sind, können die geforderten sprachlichen Handlungen mithilfe von sogenannten Operatoren (z.B. berechnen, sich informieren, beschreiben, erklären, analysieren etc.) explizit genannt oder als W-Fragen (welche, woraus, wozu usw.) implizit angeboten werden. Die SchülerInnen müssen also wissen, welche Sprachhandlungen sich hinter welchen Operatoren und hinter den W-Fragen verbergen. Beispielsweise wird in der Aufgabe 1 (s. Abb. 2) erwartet, dass zuerst Koks definiert wird, um im nächsten Schritt seine Rolle in dem Prozess zu erklären. Dabei ist zu erwarten, dass der Lernende auf die im Ofen stattfindenden Reaktionen eingeht. Zu beachten ist, dass einige wichtige Informationen häufig en passant geliefert werden, wie z.B. die Definition von Gichtgasen: Gichtgase, so nennt man die im Hochofen entstehenden Gase (…). In naturwissenschaftlichen Fächern und in Mathematik lernen die SchülerInnen auch durch eine Formelsprache, die erst erworben werden muss. Diese muss in Verbalsprache transformiert werden: Die Lernenden müssen wissen, wofür die Buchstaben, Zahlen oder Pfeile stehen. In dem Lehrwerkauszug aus dem Bereich Chemie stehen beispielsweise Fe 2 0 3 für Eisenoxid oder CO für Kohlenstoffmonooxid. Die Aussage im Text „Im Hochofen wird Eisenoxid durch Kohlenstoff oder Kohlenstoffmonooxid zu Eisen reduziert.“, die die chemischen Reaktionen eher abgekürzt beschreibt, muss auch in einer in Formelsprache präzise dargestellten Reaktion verstanden bzw. in eine solche übertragen werden können (s. Abb. 2). Des Weiteren werden in dem Lehrwerkauszug vier Reaktionen aufgeführt, die zeigen wie Eisenoxid durch Kohlenstoff oder Kohlenstoffmonooxid zu Eisen reduziert werden kann. Die SchülerInnen müssen hier nachvollziehen können, dass das Reaktionsschema die Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte der Reaktion zeigt und dass die Anzahl der Atome dem Gesetz der Erhaltung der Masse folgen muss. Gerade das Erklären der Formelsprache verknüpft das fachliche und fachsprachliche Lernen. Dies veranschaulicht das folgende Beispiel aus einem Mathematikunterricht (aufgenommen in einer Kölner Realschule, 7. Klasse). Die Lehrerin (ML) erläutert mündlich Ungleichungen am Beispiel L = {x|x<2}: ML: bei ungleichungen hat man (-) hat man ALSO nicht nur ein (-) wenn EINe lösung da ist, nicht nur EINe äh: m (--) sondern unendlich VIELe lösungen. deshalb kann ich in die lösungsmenge auch nicht reinschreiben, das is die zwei, sondern (---) man schreibt die lösungsmenge anders (-) man schreibt (-) die zahlen müssen eine beDINGung erfüllen. <?page no="19"?> 17 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen UND das schreibt man SO: die lösungsmenge ist die menge aller varIAblen x (-) die die bedingung erfüllen (---) die müssen kleiner als zwei sein. Damit begründet die Lehrerin zunächst, warum die neue Schreibweise erforderlich ist. Danach wird der grundlegende Unterschied zur bekannten Schreibweise von Mengen als ein neuer Aspekt benannt: Eine unendliche Menge kann nicht aufgezählt, sondern muss durch eine Bedingung beschrieben werden. Die Lehrerin führt die neue Schreibweise ein und präsentiert, wie man die Formel liest. Erst im Anschluss daran erarbeiten die SchülerInnen Beispiele in den Heften. Die Erklärung der Formelsprache erfolgt also in mehreren Schritten durch Sprache. Informationen werden auch durch grafische Darstellungsformen transportiert, die fachspezifisch eingesetzt werden können. Die Erschließung und Vermittlung so zusammengestellter Inhalte findet selbstverständlich durch Sprache statt. Karten werden beispielsweise in Geschichte (als historische Quellen) oder in den Sozialwissenschaften (als thematische Karten für die räumliche Darstellung statistischer Daten oder als Belege) unter verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlicher Funktion eingesetzt und dienen als Ausgangspunkt für konkrete sprachliche Handlungen wie z.B. für das Erklären oder Argumentieren. Tabellen und Diagramme, die nicht nur Bildverstehenskompetenz, sondern auch ein gewisses mathematisches Wissen voraussetzen, dienen als Grundlage für naturwissenschaftliche (z.B. Stoffbilanz des Hochofenprozesses - s. Abb. 2, Tabelle 1) und auch geisteswissenschaftliche (z.B. visuelle Darstellung grammatischer Regeln) Fächer. Bilder sollen das Verstehen erleichtern und bestimmte Textinhalte veranschaulichen. Dabei sind oft graphische und sprachliche Elemente miteinander verwoben (s. Schema eines Hochofens, Abb. 2). Graphische Elemente können insbesondere im Kontext des Lernens in der zweiten Sprache zur Erklärung neuer Wörter, als Vorentlastung eines Hör- oder Lesetextes oder auch als Anregung für ein Unterrichtsgespräch oder eine Textproduktion benutzt werden (vgl. Hallet 2010: 35f). Sie werden auch zur Visualisierung der eigenen Wissens- oder Lernorganisation (z.B. durch im Unterricht erstellte Poster, Darstellungen grammatischer Phänomene oder Tafelbilder) eingesetzt und werden in dieser Form als Ausgangspunkt für die weitere Textproduktion genutzt. Das fachliche Lernen setzt also eine umfangreiche Textund/ oder Lesekompetenz voraus. Diese Kompetenzen hängen auch mit der Leistungsfähigkeit der SchülerInnen in verschiedenen Unterrichtsfächern zusammen, was Schulleistungsstudien wie PISA 2003 oder IGLU bzw. TIMSS 2011 bestätigen: Wer gut im Lesen ist, kann auch gut mathematische bzw. naturwissenschaftliche Fragestellungen lösen bzw. umgekehrt (vgl. Bos et al. 2012). Da mittels Sprache fachliche Lernprozesse vollzogen werden, ergibt sich daraus die didaktische Konsequenz, Fach- und Sprachenlernen miteinander zu verbinden. Fachliches Lernen ist auf vielfältige Zugänge zu sprachlichen Mitteln und Sprachhandlungen im Fachunterricht angewiesen. Durch sprachliche Hilfestellungen und gezielte Unterstützung (z.B. durch die bewusste Vermittlung von Schreibstrategien, die systematische Zusammenstellung von für eine bestimmte Sprachhandlung notwendigen Verben oder die Nutzung von Wörterbüchern) kann der Zugang zu fachlichen Lernzielen ermöglicht werden. <?page no="20"?> 18 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Abb. 2: Ausschnitt aus einem Chemielehrwerk: Eisengewinnung im Hochofen (Freiling-Fischer et al. 2013: 153) <?page no="21"?> 19 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen 1.1.2.4 Sprache als Kommunikationsmittel Fachliche Lernprozesse erfolgen in schriftlicher und/ oder mündlicher Kommunikation. Durch Sprache wird wechselseitige Verständigung geschaffen, um Kontakte zu knüpfen, diese zu halten und sich mitzuteilen. Eine Kommunikationssituation beinhaltet alle Mitteilungen der KommunikationspartnerInnen. Sie umfasst einerseits den Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden und andererseits die Interaktion der Lernenden untereinander. Als Beispiel kann das Präsentieren dienen (F - DaZ-Förderlehrkraft, AR/ IM - Hauptschüler mit DaZ, 7. Klasse; Ausschnitt Michalak 2007- 2014/ Projekt SPRAAK): 1 F: nee du sollst nicht vorlesen. das haben wir vorher abgesprochen. du 2 darfst draufgucken aber nicht vorlesen. 3 AR: ok (.) ähm (3.0) was wollt ich sagen? 4 F: nenn das THEma. worüber willst du sprechen? 5 AR: ALso 6 IM: [und sach was machst du] 7 AR: ja ok (---) 8 F: [du hast dir vorher überlegt was du vortragen möchtest] 9 AR: [u: nd das thema i: : : st (---) ] he? 10 F: genau (-) du hast di: vorher überlegt was du vortragen möchtest und das 11 machst [du jetzt ( )] 12 AR: [es geht u: m (.) Haie] 13 F: gut. (-) dann erzähl was drüber gelesen [hast.] 14 AR: [ok ] 15 (2.0) w(h)as soll ich s(h)agen (--)? 16 IM: ja was da vorne STEHT. 17 AR: ja ok. (1.0) die HAIe (-) ä: hm (1.0) sind was ganz besonderes (--) Die Lehrkraft fragt nach, steuert das Gespräch und zugleich unterstützt sie den Schüler AR (Zeile 8). Die Äußerungen des Lernenden werden aufgegriffen (Zeile 10) und dialogisch weiterentwickelt (Zeile 13). Eine Rückmeldung oder Nachfragen geben auch andere Schüler wie IM und tragen somit dazu bei, den Redner zum Sprechen zu motivieren (Zeile 16) oder die Äußerung/ die Unterrichtskommunikation besser zu strukturieren (Zeile 6). An dem Beispiel wird ebenfalls sichtbar, dass die Institution Schule einen spezifischen Rahmen für die Kommunikation bildet: Die SchülerInnen erfahren die schulische Kommunikation nicht unbedingt als freiwillig (Schulpflicht, vgl. Ehlich 2012: 333). Die Rollen der KommunikationspartnerInnen mit ihren spezifischen Rechten und Pflichten sind eindeutig definiert. Diese ungleiche Rollenverteilung zwischen Lehrenden und SchülerInnen fördert nicht unbedingt die Eigeninitiative der Lernenden und kann zum Motivationsverlust führen (vgl. Reinmann, Mandl 2006: 625; Becker-Mrotzek 2012: 105). Die Gespräche werden überwiegend in Großgruppen organisiert, in denen das Rederecht lehrerzentriert verteilt ist und Themen zweckorientiert bearbeitet werden (vgl. Becker-Mrotzek, Vogt 2009: 160). Meistens folgt einer Lehrerfrage eine Schülerantwort, die die Lehrkraft anschließend bewertet (sog. Initiation- Reply-Evaluation-Schema nach Mehan 1979). So beträgt der Redeanteil der Lehrenden im Durchschnitt fast zwei Drittel aller Äußerungen (vgl. Richert 2005). Auf Lehrerfragen folgen kurze Antworten, für die zu wenig Zeit im Unterricht eingeplant wird (vgl. Schmölzer- Eibinger 2013: 29). Es findet zu wenig aktives sprachliches Handeln auf SchülerInnenseite, zu wenig Austausch der SchülerInnen untereinander statt. Die Lehrkraft gilt oft als einziges sprachliches Vorbild für die SchülerInnen. <?page no="22"?> 20 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Damit Kommunikation gelingen kann, müssen SchülerInnen Strategien entwickeln, die es ihnen ermöglichen, sich einzubringen, auf die KommunikationspartnerInnen einzugehen und den Gesprächsverlauf selbst zu steuern. Hierfür benötigen sie entsprechende sprachliche Mittel als Unterstützung, z.B.: • Vorschläge machen: Ich würde gern …, Wir könnten doch …, Man könnte versuchen, … zu … • Argumente formulieren: Man muss bedenken, dass …, Dafür spricht, dass …, Ich halte nichts davon, … zu … • Zweifel ausdrücken: Es ist unwahrscheinlich dass …, Ich frage mich, warum …, Es ist nicht auszuschließen, dass ... • eigene Meinung formulieren: Ich bin davon überzeugt, dass …, Ich würde die These aufstellen, dass …, … steht für mich fest. Das Potenzial der sprachlichen Förderung verbirgt sich im Dialog und im interaktiven Austausch: Ein Gespräch gibt beiden PartnerInnen die Gelegenheit, Signale wahrzunehmen und auf sie sprachlich angemessen zu reagieren. Es muss jedoch den SchülerInnen zugetraut werden, als GesprächspartnerInnen die Initiative zu ergreifen. Durch offenen Unterricht oder Projektunterricht, durch Partner- oder Gruppenarbeit, durch kooperative Arbeitsformen, durch Scaffolding (s. Kap. 4) oder Coaching ändert sich das Rollenverhältnis von Lehrenden und SchülerInnen (vgl. Becker-Mrotzek 2012: 105). Den SchülerInnen wird ein höherer Redeanteil überlassen. Sie erhalten die Möglichkeit, selbst zu Wort zu kommen, sich an den Aushandlungsprozessen zu beteiligen, ihr Wissen zu konstruieren und auch den anderen Lernenden sprachliche Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Sie können sich austauschen und zugleich korrigieren. Sprachliche Hilfestellungen, wie Wortlisten, Satzanfänge oder Textmuster können hierbei gemeinsam erarbeitet werden (s. Kap. 4). Bei der Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit ist zu beachten, dass die Kommunikation in mehreren Sprachen erfolgen kann. Denn Denk- und Arbeitssprache der SchülerInnen müssen nicht unbedingt identisch sein. Die Sprache, in der die Aufgabenstellungen formuliert und die Ergebnisse aufgeschrieben werden, ist Deutsch. Lösen SchülerInnen, die eine gemeinsame Erstsprache sprechen, zusammen eine Aufgabe, so kann es vorkommen, dass sie die Resultate in dieser Sprache erarbeiten. Es findet ein kommunikatives Codeswitching statt: Als Arbeitssprache gilt für sie oft ihre Erstsprache, in der die organisatorischen Anteile der Kommunikation stattfinden (vgl. Rehbein 2011). Dabei gehen die SchülerInnen kreativ mit beiden Sprachen um und wechseln zwischen den Sprachen, indem beispielsweise fachliche Ausdrücke auf Deutsch gebraucht werden (vgl. Grießhaber et al. 1996: 11f.). Den Kindern und Jugendlichen soll es überlassen werden, welche Sprache sie bevorzugen. 1.1.2.5 Sprache als Mittel zur Leistungsüberprüfung Durch Sprache werden die Leistungen der SchülerInnen überprüft. Die Lernenden geben ihr Wissen mündlich oder schriftlich wieder. Dabei sollen sie die Sprache angemessen gebrauchen (MSW NRW 2011b: 49); die grammatische Korrektheit ist dagegen im Kontext des fachlichen Lernens nicht ausschlaggebend. Allerdings sieht die Realität anders aus: Beurteilen die Lehrkräfte die Leistungen der SchülerInnen, orientieren sie sich nämlich doch an deren sprachlichen Kompetenzen und verlieren aufgrund der sprachlichen Defizite den Blick für die fachlichen Inhalte. So belegt Tajmel (2010: 172), dass fachlich richtige Schülerantworten mit sprachlichen Fehlern tendenziell auch fachlich schlechter beurteilt werden. Um dem entgegenzuwirken, ist eine differenziertere Beurteilung notwendig, die nach folgendem Leitfaden erfolgen kann (in Anlehnung an Tajmel 2013: 207): <?page no="23"?> 21 1.1 Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen • Verstehen Sie, was die Schülerin/ der Schüler prinzipiell sagen möchte? • Welche fachlichen Aussagen formuliert die Schülerin/ der Schüler? • Welche fachlichen Unstimmigkeiten sind in der Schüleraufgabe zu finden? • Werden passende Begriffe gebraucht? Wenn nein, geben Sie an, welche Wörter nicht passen. • Wodurch wird die Kommunikation beeinträchtigt? Welche sprachlichen Fehler unterlaufen der Schülerin/ dem Schüler? (Defizite, z.B. Syntax, Kasus, Genus, Orthographie) • Wo macht sie/ er keine Fehler? (Ressourcen, z.B. Syntax, Kasus, Genus, Orthographie) Für die SchülerInnen bedeutet das, dass die fachlichen und fachsprachlichen Anforderungen transparent gemacht werden müssen. Sinnvoll wäre es hierfür, die SchülerInnen bei jeder Aufgabe mit sprachlichen Brücken (Wortlisten, Satzanfänge, typische Redewendungen, Textmuster etc.) zu unterstützen, damit sie lernen, ihr Fachwissen präzise zu formulieren (s. Kap. 4). Des Weiteren bietet es sich an, bei der Leistungsüberprüfung vielfältige Kanäle zu nutzen und den SchülerInnen durch verschiedene Darstellungsweisen die Möglichkeit zu geben, ihre Kenntnisse zu kommunizieren. Eine Leistungsüberprüfung kann nicht nur in kontinuierlichen Texten, sondern auch durch diskontinuierliche Darstellungsformen (z.B. Diagramme, Schaubilder oder Concept Maps) erfolgen (s. Kap. 3.6), wodurch die notwendigen verbalen Anteile reduziert werden. Dies kann dazu beitragen, dass die fachlichen Stärken der SchülerInnen in den Mittelpunkt rücken. Auch Rückmeldungen zu den eigenen Leistungen erhalten die SchülerInnen von den Lehrkräften sprachlich formuliert. Lehrerkommentare weisen spezifische Strukturen, Formulierungs- und Handlungsmuster auf, mit deren Hilfe Lehrkräfte bemüht sind, den SchülerInnen in ihrer Rolle als Adressat gerecht zu werden und sie somit explizit anzusprechen (vgl. Jost et al. 2011). Der Lernende muss verstehen, welche seiner Stärken der Lehrende hervorhebt und was die konkreten weiteren Vorgehensschritte sein könnten (s. Abb. 3: Zuerst die Für- und dann die Wider-Argumente nennen). Der Schüler weiß vermutlich selbst, dass er noch Schwierigkeiten mit der Groß- und Kleinschreibung hat oder die Grapheme <f> und <v> verwechselt (s. Abb. 3). Zu überlegen wäre daher, welche Strategien ihm helfen können, diese Fehler zu vermeiden und ihm diese als Tipps anzugeben. Denn „[v]erbale Beurteilungsäußerungen sollten als konstruktive Kritik und mit Hinweisen auf zukünftiges Verhalten formuliert sein, zum Beispiel in Form konkreter Überarbeitungsvorschläge“ (Becker-Mrotzek; Böttcher 2012: 88). Ein guter Lehrerkommentar charakterisiert sich durch eine eindeutige Formulierung, durch transparente Kriterien, klare Hinweise und eine für die SchülerInnen verständliche Sprache. Gerade bei dem letzten Aspekt ist zu berücksichtigen, dass beispielsweise SeiteneinsteigerInnen (zu dem Begriff s. Kap. 1.2.2) fachlich in der Regel keine Schwierigkeiten haben werden, aber komplexe Lehrerkommentare in der deutschen Sprache nicht unbedingt verstehen werden. <?page no="24"?> 22 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Abb. 3: Beispielhafter Lehrerkommentar zu einem kurzen argumentativen Schülertext, 9. Klasse, Hauptschule (Michalak 2006-2011/ Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund) Betrachtet man die Sprache in den verschiedenen genannten Zusammenhängen in der Institution Schule, so lassen sich didaktische Konsequenzen fächer- und schulstufenübergreifend formulieren: Um die SchülerInnen sprachlich zu fördern, ist jeder Unterricht sprachbewusst zu gestalten. Dabei geht es darum, die Sprachlichkeit des Lernens und Lehrens selbst zu reflektieren und auf diesem Wege sprachliche Mittel verfügbar zu machen (vgl. Feilke 2012: 13). Dies erfordert vielfältige didaktische Konzepte und differenzierte Vorgehensweisen, die es den Lehrkräften ermöglichen, die Ressourcen der SchülerInnen zu nutzen und ihre verschiedenen Ausgangslagen zu berücksichtigen. 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Heterogenität ist Realität in den Klassenzimmern aller Schulformen. Sie wirkt sich in mehreren Dimensionen aus: Die SchülerInnen unterscheiden sich u.a. in Bezug auf ihr Geschlecht, ihre Interessen, ihre Motivation sowie auf ihre kognitive und emotionale Leistungsfähigkeit (vgl. Michalak 2012a: 57). Sie sind verschieden hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft (bildungsnah versus bildungsfern), was - wie die internationalen Vergleichsstudien TIMSS und PISA aufgezeigt haben - die Leistungen der SchülerInnen beeinflussen kann. Zudem kommt ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen aus den verschiedensten Kulturen mit unterschiedlichen Erstsprachen, mit den entsprechenden Traditionen, Lebensvorstellungen und Erwartungen an die Institution Schule (vgl. Michalak 2010a: 356). Die SchülerInnen bringen heute verschiedene sprachli- <?page no="25"?> 23 1.2 Heterogenität der Schülerschaft che Voraussetzungen und Lernbedürfnisse mit, die ihren Zugang zu den fachlichen Inhalten beeinflussen und die in jedem Unterricht zu berücksichtigen sind: In einem Klassenraum sitzen Kinder und Jugendliche, die vielleicht erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind, neben solchen, die von Geburt an Deutsch sprechen. Eine zentrale Prämisse für einen produktiven Umgang mit Heterogenität besteht darin, diese unterschiedlichen Lernausgangslagen überhaupt wahrzunehmen (vgl. KMK 2004b: 11). Das Wissen darüber, wie verschiedene sprachliche Lernvoraussetzungen den Lehr- und Lernprozess beeinflussen und wie sie im Unterricht zu beachten sind, hilft den Lehrenden, das Lernangebot an den Fähigkeiten der SchülerInnen auszurichten. Im Folgenden stehen die sprachlichen Entwicklungsstände und die damit verbundenen Lernpotenziale der SchülerInnen im Fokus. 1.2.1 Zwischen DaM, DaZ und DaF Einstiegsaufgabe: Wie sieht Ihr persönlicher Lebensweg unter dem Aspekt „Mehrsprachigkeit und sprachliche Vielfalt“ aus? Skizzieren Sie diesen auf einer Zeitachse und überlegen Sie sich, in welcher Zeit und wie intensiv Sie sich mit der jeweiligen Sprache beschäftigt haben. Welche Sprache benutzen Sie in welchen Kontexten? Versuchen Sie, Ihre Sprachkenntnisse einzuschätzen. Beziehen Sie bitte nicht nur die Sprachen ein, die Sie in der Schule, d.h. systematisch gelernt haben, sondern auch Ihre Mutter-/ Zweitsprache und Dialekte sowie solche Sprachen, mit denen Sie auf andere Weise intensiv Kontakt hatten, beispielsweise bei einem längeren Auslandsaufenthalt oder durch einen nahen Verwandten oder Bekannten mit anderer Herkunftssprache etc. Sprachlernbiografien verlaufen sehr individuell und werden durch viele unterschiedliche Faktoren geprägt. Dies ist an unserem Beispiel (s. Abb. 4) zu sehen: Die Studentin ist in Deutschland geboren und hat Deutsch von Geburt an und in der Schule gelernt. Ihre Erstsprache ist also Deutsch. Die Studentin ist eine DaM- (Deutsch als Muttersprache) Lernende; sie ist aber in ihrem Leben mit dialektalen Varietäten des Deutschen sowie mit mehreren Sprachen in Kontakt getreten. Zwar beherrscht sie diese unterschiedlich gut, jedoch ist an der Skizzierung ihres sprachlichen Lebensweges zu sehen, dass sie auch als Muttersprachlerin keineswegs einsprachig (monolingual) ist. Genauso verhält es sich mit der Mehrsprachigkeit Deutschlands: Deutschland gehört zu den Ländern, die offiziell als einsprachig gelten, „es de facto aber längst nicht mehr sind“ (Apeltauer 1997: 22f.). Durch Migration und Globalisierung gibt es viele Menschen in Deutschland, die sowohl als Mutterbzw. Erstsprachenlernende als auch als Zweitsprachenlernende mehrsprachig aufwachsen bzw. mit zahlreichen Sprachen in Kontakt stehen. Diese Vielfalt von Sprachen wird sprachenübergreifende oder äußere Mehrsprachigkeit genannt (vgl. Ossner 2006: 59). <?page no="26"?> 24 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Abb. 4: Beispiel einer Sprachlernbiografie einer Studentin Aus den unterschiedlichsten Motiven werden Sprachen gelernt oder bereits erworbene Sprachkenntnisse erhalten. Gründe für Mehrsprachigkeit, ob gesellschaftlich oder individuell intendiert, gibt es viele: schulische oder berufliche Anforderungen, der Umzug in eine anderssprachige Region, der Aufenthalt in einem anderssprachigen Land, Partner mit einer anderen Erstsprache oder andere Lebensumstände, wie Flucht oder Vertreibung aus dem eigenen Land usw. (vgl. Apeltauer 1997: 25). Unsere Studentin im obigen Beispiel hat im Rahmen der Institution Schule Englisch, Französisch und Spanisch als Fremdsprachen gelernt. Mit der Aufnahme ihres Studiums wurde sie im Rahmen der Institution Universität im Kontext des wissenschaftlichen Arbeitens erneut mit dem Englischen und als Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums mit der Aneignung des Lateinischen konfrontiert. Neben beruflichen, schulischen oder politischen Gründen sind häufig auch Beziehungen, vor allem familiäre, Motiv für die Aneignung von Sprachen. Die Studentin beschreibt in ihrer Sprachlernbiographie, dass sie durch ihre Großeltern dem Aachener Plattdeutsch begegnet ist und so den Varietätenreichtum ihrer eigenen Muttersprache kennengelernt hat (sog. innere Mehrsprachigkeit, vgl. Ossner 2006: 53). Auch Freundschaften prägten ihre sprachliche Entwicklung: Durch ihre Freundinnen erlernte sie einzelne türkische Begriffe oder Phrasen. Diese beiden Zugänge zur Sprache zeigen, dass sich Menschen um die Aneignung und den Erhalt von Sprachen als Ausdruck und Wahrung von eigener Identität bemühen (vgl. Apeltauer 1997: 25). Sprachen sind auch immer Identitätskennzeichen - als Wahrung von familiären Traditionen und regionaler Zugehörigkeit (Lernen des Aachener Plattdeutschs) oder Identitätskennzeichnen für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (beispielsweise Ghettodeutsch als Identitätskennzeichen für Jugendliche, vgl. Keim 2004: 210). Die Sprachen, die sich ein Mensch angeeignet hat, werden häufig nicht alle auf dem gleichen Niveau beherrscht. Unsere Studentin macht keine Angaben bezüglich der Kenntnisse in ihrer <?page no="27"?> 25 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Erstsprache Deutsch. Da sie das Abitur in der deutschen Sprache abgelegt hat und zurzeit auf Deutsch studiert, ist davon auszugehen, dass sie über umfangreiche rezeptive und produktive Kompetenzen in der Erstsprache verfügt. Dies erlaubt ihr einen kompetenten Umgang mit komplexeren, wissenschaftlichen oder fachlichen Texten. Im Gegensatz dazu kann sie vermutlich das Aachener Plattdeutsch nur verstehen; vielleicht fehlt ihr die Gelegenheit, diese Varietät im Alltag zu benutzen, aber trotzdem gebraucht sie selbst bis heute die auf der Skizze erwähnten Floskeln. Ihre Fremdsprachenkenntnisse im Französischen schätzt sie als schlecht und bruchstückhaft ein, während sie ihre Spanischkenntnisse zur damaligen Schulzeit als sehr gut bezeichnet. Die einzelnen Fertigkeiten innerhalb einer Sprache können unterschiedlich stark entwickelt werden. So merkt die Studentin an, dass sie Englisch in der Schule gut verstehen, lesen und schreiben, aber nicht gut sprechen konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte sie vermutlich wenige Möglichkeiten, auf Englisch mündlich zu kommunizieren. Durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit konnte sie hingegen im Erwachsenenalter ihre rezeptiven Fähigkeiten (Leseverstehen) im Englischen erweitern. Ihre Einschätzung eigener Sprachkenntnisse deckt sich mit Belegen aus der Literatur: Man kann beobachten, dass durch längeren Nicht-Gebrauch sprachliche Fertigkeiten verloren gehen. Solche Verluste lassen sich zuerst bei den produktiven Fertigkeiten beobachten, während rezeptive davon weniger betroffen sind. (Apeltauer 1997: 26) Welche Sprachen gelernt, erhalten oder vergessen werden, entscheiden der alltägliche Gebrauch und die Funktion der Sprache. Dies kann dynamischen Veränderungen unterworfen sein (vgl. ebd.). Hat sich die Studentin mit Abschluss des Abiturs vielleicht noch darüber gefreut, Englisch nie wieder lernen zu müssen, muss sie mit Aufnahme ihres Studiums feststellen, dass das Englische als Lingua franca sie vielleicht doch ein Leben lang begleiten wird. Die Sprachlernbiographie der Studentin verdeutlicht charakteristische Merkmale des Erwerbskontextes eines DaM-Lernenden. Von Mutterbzw. Erstsprache wird gesprochen, wenn der Erwerb der Sprache von Geburt an erfolgt und ohne vorherige Spracherfahrung zusammen mit dem Sprechen erlernt wird (vgl. Boysen 2012: 28). Dies umfasst ungefähr den Zeitraum bis zum vierten Lebensjahr. Ein Kind, das das Deutsche erst ab dem zweiten Lebensjahr erwirbt, ist somit ebenfalls noch ein Muttersprachler des Deutschen. Der Erstspracherwerb erfolgt durch die alltägliche Kommunikation, in der Interaktion mit den Bezugspersonen (vgl. Ahrenholz 2010a: 6). Dies sind meist die Eltern, Großeltern und Geschwister und bei Eintritt in den Kindergarten auch oft die ErzieherInnen (ebd.: 3). In diesem Kontext der Sprachaneignung erhalten die Lernenden keinen strukturierten und gezielten sprachlichen Input (vgl. Boysen 2012: 28). Sie lernen die Sprache ungesteuert. Den Kindern wird die Sprache als Ganzes angeboten, die Eltern überlegen nicht, in welcher Reihenfolge die Kinder die sprachlichen Strukturen des Deutschen erwerben, ob sie beispielsweise zuerst den Akkusativ oder Nominativ lernen. Jedoch stellen sich die Bezugspersonen meist intuitiv auf den Kenntnisstand des Kindes ein und bieten der/ dem LernerIn sprachliche Unterstützungshandlungen an (vgl. Ahrenholz 2010a: 10). Erstsprachenlernende erwerben somit von Geburt an ein implizites Sprachwissen, d.h. ein intuitives Wissen über die Sprachstruktur und den Sprachgebrauch, ein Sprachgefühl, das ihnen ein problemloses Produzieren und Verstehen von sprachlichen Äußerungen ermöglicht. Unterstützt wird der Erwerb der impliziten Grammatik bei muttersprachlichen Deutschlernenden meistens noch über vielfältige Zugänge zum Deutschen, wie den Besuch von Vereinen und kulturellen Stätten (Museen, Theater usw.) und das Vorlesen von Büchern in der deutschen Sprache. Die Spracherfahrungen mit der Schriftlichkeit über Literatur, wie das Nachsprechen von Reimen, das Singen von Liedern, das Erzählen von Geschichten und Witzen und das Vorlesen von Büchern werden unter dem Begriff „literale Erfahrungen“ zusammengefasst (vgl. Schulte-Bunert 2012: 123). Die Quantität und Qualität der Spracherfahrungen, nicht nur <?page no="28"?> 26 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? der literalen, ist jedoch auch immer von der sozialen Herkunft der SchülerInnen abhängig. So gibt es auch bei den einsprachigen SchülerInnen Unterschiede hinsichtlich erhaltener Unterstützungshandlungen. Dabei spielt die Motivation seitens der Eltern eine große Rolle: „Denn gerade die Eltern sind sprachliche Vorbilder für ihre Kinder und leben ihnen (…) eine bestimmte Einstellung zur Sprache vor“ (vgl. Boysen 2012: 41). Die meisten DaM-Lernenden verfügen bei Schuleintritt über gute Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb des Deutschen und somit für den Erwerb der Bildungssprache: Sie besitzen in der Regel mindestens sechs Jahre Spracherfahrung im Deutschen, haben häufig einen umfangreichen Wortschatz aufgebaut und „den Wort- und Satzakzent der deutschen Sprache verinnerlicht“ (vgl. Schulte-Bunert 2012: 122). Zudem haben sie meistens bereits im Vorschulalter eine implizite Grammatik in der deutschen Sprache entwickelt: „Sie wissen intuitiv, was für eine Wortart oder welche (Flexions-)Form des Wortes an einer bestimmten Stelle stehen kann“ (vgl. ebd.). Dies sind wichtige Voraussetzungen für den Schulbeginn, die von Zweitsprachenlernenden oft zuerst nachgeholt werden müssen. Das Deutsche ist mit Schulbeginn nicht mehr nur Kommunikationssprache, sondern auch Medium für das Lernen in der Schule und somit Bildungssprache. Die Kommunikationssprache, die mit Ausblick auf Kapitel 2 als BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) bezeichnet wird, ist die Sprache, wie sie im Alltag, also in sozialen Interaktionen, benutzt wird (vgl. Apeltauer 1997: 18). Der Begriff Bildungssprache, der häufig analog zu dem Begriff CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) gebraucht wird, bezeichnet hingegen die Sprache der Bildung, die alle für den Erkenntnisgewinn notwendigen sprachlichen Fähigkeiten umfasst und auch im Unterricht gebraucht wird. Damit ist beispielsweise die Kompetenz gemeint, kognitiv anspruchsvollere Texte zu verstehen, zu verarbeiten und zu produzieren (vgl. ebd.). Diese Differenzierung des Deutschen in Kommunikations- und Bildungssprache bzw. Lernmedium ist von Bedeutung, da mit diesen beiden unterschiedlichen Varietäten des Deutschen unterschiedliche Anforderungen an die Lernenden verbunden sind (vgl. Haberzettl 2009: 83). Die Herausforderung für deutsche SchülerInnen mit guten und weniger guten sprachlichen Kompetenzen besteht mit Eintritt in die Schule darin, aufbauend auf ihren alltagssprachlichen Fähigkeiten (BICS) die Bildungssprache (CALP) zu entfalten und das Deutsche als Medium für das Lernen verstehen und anwenden zu können (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 4). Diese Unterscheidung ist auch für den Fachunterricht relevant, da für die Vermittlung der Fachinhalte sowohl Kompetenzen in BICS als auch in CALP ausschlaggebend sind: „Kinder, die die Unterrichtssprache nur unzureichend verstehen, können auch die in dieser Sprache vermittelten Inhalte nicht lernen“ (vgl. Belke 2012: 6). Die Sprache des Fachunterrichts mit ihren spezifischen Besonderheiten stellt somit für alle SchülerInnen eine Herausforderung dar. Betrachtet man die Sprachlernbiografie der Studentin in unserem Beispiel, so wird sichtbar, dass sie neben dem Deutschen als Mutterbzw. Erstsprache mehrere Fremdsprachen, und zwar Englisch, Spanisch, Französisch und Latein gelernt hat. Der Erwerb einer Fremdsprache unterscheidet sich wesentlich von dem Erwerb einer Mutterbzw. Erstsprache. Bei dem Erwerb einer Fremdsprache (z.B. des Englischen oder des Deutschen als Fremdsprache - DaF 4 ) findet die Sprachaneignung nicht von Geburt an statt, sondern zu unterschiedlichen Zeitpunkten, beispielweise in der Primar- oder Sekundarstufe oder in Sprachkursen an Privat- und Volkshochschulen, bei Auslandsaufenthalten im Erwachsenenalter (vgl. Boysen 2012: 29). Im Gegensatz zum DaM erfolgt die Sprachaneignung im DaF und allen weiteren Fremdsprachen überwiegend im Unterricht. Die erworbenen Kenntnisse haben für die Bewältigung des Alltags häufig keine hohe Bedeutung, weshalb beim Fremdsprachenerwerb auch von einer institutio- 4 Bei den Erläuterungen wird DaF stellvertretend für den Fremdsprachenerwerb genannt, was eine Abgrenzung zwischen dem Deutschen als Erst-/ Zweit- und Fremdsprache verdeutlichen soll. <?page no="29"?> 27 1.2 Heterogenität der Schülerschaft nellen Sprachaneignung gesprochen wird (vgl. Ahrenholz 2010a: 12). Dies ist auch in der Sprachbiografie der Studentin zu sehen. Sie lernte ihre Fremdsprachen erst mit Eintritt in die Sekundarstufe I, also wesentlich später als das Deutsche als Muttersprache, und überwiegend in der Institution Schule im Unterricht. Nur bezüglich des Spanischen berichtet sie zusätzlich von Urlaubsaufenthalten, während derer sie Spanisch gesprochen hat. Es ist zu vermuten, dass sie durch diesen Kontakt auch anders motiviert war, die spanische Sprache zu lernen. DaM-Lernende erwerben in ihren ersten Lebensjahren ein implizites Sprachwissen in der deutschen Sprache, das erst beim Eintritt in die Schule durch explizite Regeln ergänzt wird. DaF-Lernende lernen dagegen das Deutsche gesteuert, indem sie sich explizites Sprachwissen über die deutsche Sprache aneignen (vgl. Boysen 2012: 29). Im Fremdsprachenunterricht erhalten sie einen strukturierten und gezielten sprachlichen Input, d.h. dass ihnen sprachliche Normen und Strukturen explizit und didaktisch aufbereitet vermittelt werden. Grundlage des Unterrichts ist meist ein Lehrwerk, das einer Progression vom Einfachen zum Schwierigen folgt und den LernerInnen ein schrittweises Hineinwachsen in die Fremdsprache ermöglicht. Die Lehrwerke bauen meistens auf Erwerbsstufenmodellen (vgl. Diehl et al. 2000: 364) auf. Eine solche Erwerbsreihenfolge von sprachlichen Strukturen ist beispielsweise für die Kasus des Deutschen belegt: Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv (vgl. Glumpler, Apeltauer 1997: 14). Die Lehrwerke für das Deutsche als Fremdsprache, beispielsweise „geni@l“ oder „Prima“, richten sich nach dieser Progression und bieten den Lernenden somit zunächst Übungen zum Akkusativ an und nicht zum Dativ oder wie dies früher üblich war, zu allen vier Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ) gleichzeitig. Eine Besonderheit des Fremdsprachenunterrichts ist, dass die SchülerInnen eine in etwa homogene Gruppe bilden, alle also ungefähr den gleichen Lernstand in der Fremdsprache haben und zur Not auf ihre Erstsprache zurückgreifen können, um auftretende Probleme zu klären. Diese Sprache beherrschen meistens auch die Fremdsprachenlehrenden, sodass sich die SchülerInnen bei Unsicherheiten an sie in ihrer Erstsprache wenden können. Die SchülerInnen haben abhängig vom Alter in der Regel umfangreiche Kompetenzen in ihrer Erstsprache erworben und verfügen über kognitives Wissen, auf das sie zurückgreifen können (vgl. Schmölzer-Eibinger 2006a: 130). Bei DaF-Lernenden - ähnlich wie bei DaM-Lernenden - findet folglich eine Anpassung an den Kenntnisstand der SchülerInnen statt, sodass den Lernenden meist nur solche sprachlichen Aufgaben gestellt werden, die sie mit ihren verfügbaren Sprachkompetenzen bewältigen können (vgl. Ahrenholz 2010a: 13). Die Herausforderung für DaF- Lernende besteht darin, die Fähigkeit zum automatisierten und korrekten Sprachgebrauch auch durch den Unterricht zu entwickeln. Sie müssen im Unterricht lernen, sowohl im Alltag adäquat zu kommunizieren (BICS) als auch komplexere sprachliche Handlungen (CALP) in der Fremdsprache auszuführen. Es gelingt jedoch nicht immer, alle Fertigkeiten, d.h. Sprechen, Hörverstehen, Leseverstehen und Schreiben, beim schulischen Fremdsprachenlernen gleichermaßen zu entwickeln. Dies hat unsere beispielhafte Studentin in ihrer Sprachbiografie auch festgehalten: So schätzt sie ihre Englischkenntnisse im Schriftlichen in der Schule gut ein, der ‚Smalltalk‘ im Englischen (BICS) fällt ihr dagegen schwer. Sie liest und schreibt in ihrem Studium Fachtexte in der englischen Sprache; solche Texte (CALP) stellen jedoch für sie eine Herausforderung dar. <?page no="30"?> 28 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Abb. 5: Text eines Hauptschülers (Michalak 2006-2011/ Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund). Ich Heiße Mohamed: Meine Eltern kommen aus dem Libernon und ich komme aus Deutschland und bin in Lübeck geboren. Ich habe Zwei Schwestern und drei Brüder mein Schwestern Heißen Meyada (14), Nesrin (10) meine Brüder Asis (15), Bilal (11), Mustafa ist 4 Jahre alt. Meine Hobbys sind ins Juz gehen Fußballspielen und Tischtenis spielen. Ich ware schon in Dänemark. Ich habe viele freunde die aus einem anderen Land kommen. Ich bin öfters mit Aiham, Hoger, Juan, Walid und Leon im Jugentzentrum und chillen bis 19.00 oder 20.00 Uhr. Ich rede arabisch weil meine Eltern aus Libernon kommen und da redet man arabisch. Deutsch rede ich mit mein Freunden, Englisch rede ich nur in der Schule. Ich esse gerne Türkisches essen. Ich gucke öfters Arabisch filme. Wo ich klein war, ware ich in Dänemark bei mein Couseng wir haben da Arabisch und Deutsch gesprochen. <?page no="31"?> 29 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Ein weiterer Erwerbskontext, der zwischen Mutterbzw. Erstsprache und Fremdsprache liegt und Charakteristika beider aufweist, ist der Erwerb einer Sprache als Zweitsprache. Der Schülertext eines Lernenden mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zeigt spezifische Merkmale dieses Erwerbskontextes (s. Abb. 5). In vielen Klassen in Deutschland sitzen SchülerInnen wie Mohamed, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, eine oder sogar mehrere andere Mutterbzw. Erstsprachen haben und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) lernen. Der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache liegt bei ca. 30 % aller SchülerInnen (vgl. Ahrenholz 2010a: 4). Die Erstsprache von Mohamed ist das Arabische. Er beherrscht diese Sprache, weil seine Eltern aus dem Libanon kommen und Arabisch sprechen. Damit unterstreicht er den funktionalen Sprachgebrauch des Arabischen als Kommunikationssprache: Er spricht Arabisch, weil er mit seinen Eltern und Verwandten kommunizieren will. Arabisch ist daher seine Herkunfts- / Familiensprache - eine Sprache, die vorwiegend zu Hause angewandt wird. Mohamed betont, dass er viele Freunde aus verschiedenen Ländern hat, mit denen er seine Freizeit verbringt. Es ist zu vermuten, dass er sich mit ihnen hauptsächlich in einer für sie alle bekannten Sprache verständigt - auf Deutsch. Damit benutzt er seine Zweitsprache Deutsch nicht nur in der Schule, sondern auch mit seiner Peergroup. Der Erstspracherwerb bezieht sich häufig nicht nur auf eine Erstsprache, wie es nun bei der Studentin (Erstsprache Deutsch, s. Abb. 4) und Mohamed (Erstsprache Arabisch) der Fall ist, sondern durchaus auf mehrere Erstsprachen (vgl. Rösch 2011: 11). Erwirbt ein Mensch von Geburt an nur eine Erstsprache, so wird dies als monolingualer Erstspracherwerb bezeichnet. In Abgrenzung dazu spricht man von einem bilingualen (trilingualen) Erstspracherwerb, wenn von Geburt an mehrere Erstsprachen gleichzeitig erworben werden (vgl. Ahrenholz 2010a: 5). So können Kinder aufwachsen: a) mit zwei unterschiedlichen Erstsprachen beider Eltern (Die Mutter spricht z.B. Polnisch und der Vater Marokkanisch.) in einer einsprachigen Umgebung (Die Familie lebt z.B. in Deutschland.), b) mit der gleichen Erstsprache beider Eltern (Die Erstsprache beider Eltern ist z.B. Japanisch.) und einer anderen Umgebungssprache (Sie leben z.B. in Österreich.) oder c) in einer zweisprachigen Umgebung (Die Familie lebt beispielsweise in Belgien.). Die Mehrsprachigkeit ist somit sowohl durch familiäre als auch geografische Kontexte bedingt (vgl. Riehl 2009: 77). Zu welchem Zeitpunkt Mohamed das Deutsche erworben hat, wird aus seinem Text nicht offensichtlich. Doch es ist zu vermuten, dass er sich die deutsche Sprache erst mit Eintritt in eine Institution, wie den Kindergarten oder die Grundschule, angeeignet hat. Zu Hause hat der Junge Arabisch gesprochen und daher hatte er vor Eintritt in eine Institution möglicherweise wenig Gelegenheit, die deutsche Sprache zu gebrauchen. Deutsch lernte er somit wesentlich später und zeitlich versetzt zu seiner Erstsprache Arabisch. So ist für ihn Deutsch eine Zweitsprache. Denn ab dem vierten Lebensjahr wird nicht mehr von einem bilingualen Erstspracherwerb gesprochen, sondern in Erst- und Zweitspracherwerb differenziert (vgl. Ahrenholz 2010a: 5). Ab diesem Alter liegt aufgrund der bereits erworbenen Sprachkenntnisse und des bereits erworbenen Weltwissens eine veränderte Erwerbssituation für die Aneignung einer weiteren Sprache vor (vgl. ebd.). Im Gegensatz zum Erstspracherwerb, der parallel zur allgemeinen Entwicklung verläuft (vgl. Rösch 2011: 16), setzt der frühe Zweitspracherwerb dann ein, wenn ein Kind in seiner allgemeinen Entwicklung vorangeschritten ist (d.h. zwischen 3-6 <?page no="32"?> 30 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Jahren; vgl. Ehlich 2005a 5 ). So konnte Mohamed beim DaZ-Erwerb auf bereits erworbenes Weltwissen (neuronale und kognitive Ressourcen) als auch auf bereits erworbenes sprachliches Wissen (Sprachkenntnisse des Arabischen) sowie das metasprachliche Wissen, d.h. das Wissen über die Sprache (Wissen über die sprachlichen Strukturen des Arabischen), zurückgreifen. Auch für Mohameds Eltern ist Deutsch eine Zweitsprache. Der Junge macht zwar keine Angaben dazu, ob und inwiefern seine Eltern die deutsche Sprache beherrschen. Da sie aber seit Jahren in Deutschland leben (Mohamed ist in Deutschland geboren), ist es anzunehmen, dass sie Deutsch können und es vielleicht u.a. in beruflichen Kontexten regelmäßig gebrauchen. Sie haben es vermutlich erst nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik in einem Deutschkurs, etwa in einem sog. Integrationskurs (vgl. Kaufmann 2010) und im Alltag erlernt. Der Erwerb einer Zweitsprache im Erwachsenenalter unterscheidet sich jedoch in einigen Aspekten, denn er ist u.a. durch die Lernerfahrungen geprägt, die die erwachsenen Lernenden in ihrer Heimat gesammelt haben. Sie haben eigene kulturgeprägte Vorstellung von Sprachenlernen und -vermittlung und stellen auch andere Erwartungen an die Institution Schule (z.B. bezogen auf die Lehrerrolle, die Lehr-und Lernmethoden, vgl. Michalak 2010b). Sie verfügen bereits über Strategien in ihrer Erstsprache und vielleicht in anderen Fremdsprachen, die sie beim Spracherwerb bewusst nutzen können. Durch die beruflichen und familiären Verpflichtungen haben sie jedoch oft im Alltag nicht genug Zeit zur Verfügung, um sich mit der Sprache so intensiv zu beschäftigen, wie gewünscht. Wie der Erstspracherwerb erfolgt auch die Aneignung der Zweitsprache durch alltägliche Kommunikation (vgl. Ahrenholz 2010a: 6). Im Kindergarten geschieht dies vor allem durch die Interaktion im Spiel mit anderen Kindern oder auch durch die Kommunikation mit den ErzieherInnen. Der frühe Zweitspracherwerb scheint dabei eine Mischform zwischen Erst- und Zweitspracherwerb zu sein: Kindergartenkinder mit frühem Zweitspracherwerb in Deutsch zeigen etwa beim Aufbau des Genus- und Kasussystems Parallelen zu Kindern mit deutschem Erstspracherwerb, während sie sich beim Erwerb der Satzstruktur und der Präpositionen wie ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Zweitspracherwerb verhalten. (Kaltenbacher, Klages 2006: 82) In einigen Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen werden auch Zusatzkurse für Deutsch als Zweitsprachenlernende angeboten. Hier wird Deutsch nicht nur durch alltägliche Kommunikation, wie beim DaM, sondern zusätzlich durch speziellen Unterricht, wie beim DaF, erworben. Dies geschieht zum einen in DaZ-Kursen (sog. DaZ-Förderunterricht), die parallel zum Regelunterricht erfolgen und zum anderen in sogenannten Internationalen Vorbereitungsklassen/ Förderklassen (IFK), die überwiegend in Sekundarstufen angeboten werden. In den Intensivkursen bekommen die SchülerInnen eine gezielte Sprachförderung: Durch die systematische Vermittlung des Deutschen werden sie über einen Zeitraum von ca. einem oder zwei Jahren auf den Regelunterricht vorbereitet (vgl. Decker 2010). Bei DaZ-Lernenden können daher durchaus gemischte Aneignungskontexte auftreten, die sich sowohl auf außerschulische Kontexte (Sprachaneignung im Alltag) als auch auf schulische Kontexte (Sprachaneignung im Unterricht) beziehen und damit Merkmale beider Erwerbskontexte aufweisen (vgl. Ahrenholz 2010a: 7). Während bei DaM- und DaF-Lernenden in der Regel im Unterricht eine Anpassung an den Kenntnisstand der Sprachlernenden stattfindet und diese nur solche Aufgaben gestellt bekom- 5 Ehlich (2005a) unterscheidet hierbei drei Altersphasen für den Spracherwerb: 0-3 Jahre - Erstspracherwerb, 3-6 Jahre früher Zweitspracherwerb; 6-12 Jahre - Zweitsprachenerwerb von Kindern. Rösch (2011: 11) thematisiert zusätzlich den Zweitspracherwerb von Jugendlichen und Erwachsenen, d.h. nach der Pubertät. <?page no="33"?> 31 1.2 Heterogenität der Schülerschaft men, die sie mit ihrem vorhandenen sprachlichen Wissen bewältigen können (vgl. Boysen 2012: 28-30.), werden DaZ-Lernende in der Schule häufig mit einem umfangreichen sprachlichen Input und umfassenden Anforderungen konfrontiert. Dies betrifft u.a. die Sprechgeschwindigkeit, den Wortschatz oder die angewandten Sprachstrukturen (vgl. Ahrenholz 2010a: 13). Um dem vorzubeugen, ist die Ausgangslage der SchülerInnen mit DaZ bei der Unterrichtsplanung und -durchführung zu berücksichtigen. Während DaM-Lernende über sechs Jahre Spracherfahrung, einen umfangreichen Wortschatz und eine implizite Grammatik verfügen und meistens intuitiv passende Formulierungen gebrauchen können (vgl. Schulte-Bunert 2012: 122), müssen DaZ-Lernende gezwungenermaßen dieselben sprachlichen Aufgaben mit ungleichen Voraussetzungen erfüllen. Kinder mit DaZ kommen häufig ohne ausreichende (insbesondere schriftlich geprägte) Deutschkenntnisse in den Kindergarten und in die Schule. Sie verfügen eventuell über literale Erfahrungen in ihrer Erstsprache, häufig fehlen ihnen aber literale Erfahrungen im Deutschen als Zweitsprache. Zumeist haben sie auch einen geringeren Wortschatz in der deutschen Sprache im Vergleich zu DaM-Lernenden (vgl. Ahrenholz 2010b: 17). Zudem haben sie zwar eine implizite Grammatik in ihrer Erstsprache erworben, was eine gute Basis für den Zweitspracherwerb ist, aber nicht unbedingt im Deutschen als ihrer Zweitsprache. Dies bedeutet, dass die basalen Sprachkompetenzen (BICS) der Zweitsprachenlernenden nicht den BICS-Kompetenzen von Erstsprachenlernenden in der deutschen Sprache entsprechen (vgl. Boysen 2012: 44). Unter Umständen gelingt es den Zweitsprachenlernenden nicht, ein den Erstsprachenlernenden gleichwertiges Sprachgefühl zu entwickeln (vgl. Michalak 2008: 9). Während DaM-Lernende, je nach sozialer Herkunft, literalen Erfahrungen usw., häufig ‚nur‘ die Aufgabe haben, auf der Basis ihrer alltagssprachlichen Kompetenzen (BICS) die bildungssprachlichen Kompetenzen (CALP) aufzubauen, müssen DaZ-Lernende Kenntnisse in beiden Kompetenzbereichen des Deutschen entwickeln (vgl. Michalak; Bachtsevanidis 2012: 4). Zudem müssen sie die Sprache und den fachlichen Inhalt gleichzeitig lernen, sie sind also gezwungen, das Lernen des Deutschen als Zweitsprache und das Lernen in der Zweitsprache Deutsch miteinander zu verknüpfen (vgl. Budde, Schulte-Bunert 2009: 4-6). Für die Bewältigung dieser doppelten Herausforderung haben die DaZ-Lernenden im Unterschied zum Fremdsprachen- und Muttersprachenunterricht nur wenig Zeit und häufig erhalten sie dafür auch nur wenig Unterstützung (vgl. Rösch 2011: 17). Sie sehen sich stattdessen mit einem Unterricht konfrontiert, der für muttersprachliche Lernende konzipiert ist und der sie trotz der ungleichen Voraussetzungen im Vergleich zu den DaM-Lernenden, an den sprachlichen Leistungen dieser misst (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 4). Das Passiv ist beispielsweise ein grammatisches Phänomen, das in zahlreichen Fachtexten auftritt und für die Fachsprache im Fachunterricht charakteristisch ist. Es stellt eines der größten Probleme für DaZ-Lernende dar, zumal passivische Konstruktionen in anderen Sprachen nicht so häufig gebraucht werden wie im Deutschen. Während sich auch DaM-Lernende das Passiv erst in einem Alter von sieben bis neun Jahren aneignen, erweist sich der Erwerb dieser Sprachkonstruktion für DaZ-Lernende aufgrund ihrer fehlenden Spracherfahrung als eine sehr große Herausforderung. DaM-Lernende entwickeln im Gegensatz zu DaZ-Lernenden lange vor der aktiven Benutzung dieser sprachlichen Konstruktion eine rezeptive Kompetenz für diese (vgl. Rösch 2003: 33). Kinder, die DaZ lernen, hören in ihrem Alltag aufgrund fehlender Spracherfahrungen und fehlender Sprachvorbilder sehr viel weniger Passiv als DaM-Lernende. Die Möglichkeit, zunächst eine rezeptive Kompetenz für diese Sprachstruktur auszubilden, um diese dann aktiv zu verwenden, ist kaum gegeben. DaZ-Lernende benötigen zur Aneignung dieser Sprachkonstruktion eventuell kognitive Hilfsmittel, beispielsweise explizites Sprachwissen über das Passiv und über dessen Bildung und Verwendung, da sie nicht, wie DaM- Lernende, auf ihr Sprachgefühl zurückgreifen können (vgl. Michalak 2008: 3). <?page no="34"?> 32 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? DaM DaZ DaF Erwerbszeitpunkt Erwerbsprozesse von Geburt an ab dem 4. Lebensjahr; Erwerbsprozesse oft bei Eintritt in die Institutionen (Kita, Grundschule usw.) Aneignung zu unterschiedlichen Zeitpunkten, z.B. Sek I, Universität Ort der Sprachaneignung alltägliche Kommunikation; in der Familie, unter Freunden etc. alltägliche Kommunikation; z.T. auch durch Förderung in Form von Zusatzunterricht im Unterricht Sprachlicher Input vielfältige Varietäten des Deutschen; keine geplante Progression, ungesteuert keine geplante Progression, ungesteuert (im Zusatzunterricht: systematisch) geplante Progression, meist gesteuert; Input hauptsächlich im Unterricht (Lehre r - Innen als Sprachvorbild) angeboten Funktion des Deutschen Kommunikation im Alltag; ab Schuleintritt: Lernmedium und Lerngegenstand (Bildungssprache) Kommunikation im Alltag; ab Schuleintritt: Lernmedium und Lerngegenstand (Bildungssprache) Sprache ist hauptsächlich Lerngegenstand; Kommunikation im Unterricht Voraussetzungen der Lernenden in der deutschen Sprache SuS verfügen über mindestens sechs Jahre Spracherfahrung im DaM. Sie haben ausreichend Zeit und vielfältige Zugänge zum Erwerb des Deutschen (=literale Erfahrungen in DaM). SuS verfügen häufig über umfangreichen Wortschatz SuS haben bereits im Vorschulalter eine implizite Grammatik entwickelt. SuS kommen häufig ohne mündliche und schriftliche Deutschkenntnisse in den Kindergarten/ in die Schule. Sie haben eventuell literale Erfahrungen in ihrer Erstsprache; in der Zweitsprache fehlen diese aber häufig. SuS haben häufig geringen Wortschatz in Zweitsprache; dafür aber ein Vokabular in ihrer Erstsprache. SuS haben eine implizite Grammatik in ihrer Erstsprache erworben; teilweise auch in der Zweitsprache. SuS haben umfangreiche sprachliche Kompetenzen in der Erstsprache, sie verfügen über literale Erfahrungen in ihrer Erstsprache und umfangreiches kognitives Wissen. SuS verfügen über umfangreichen Wortschatz in der Erstsprache; den Wortschatz im Deutschen bauen sie systematisch auf. SuS verfügen über implizite Grammatik in der Erstsprache; der Erwerb des Deutschen wird oft durch explizites Wissen (durch Vermittlung von Regeln) unterstützt. Ziele bei der Sprachvermittlung Weiterentwicklung von sprachlichen Kompetenzen (CALP), um sprachlich und fachlich angemessen zu handeln. Fehlende Spracherfahrung (auch im Bereich BICS) nachholen, CALP entwickeln, um sprachlich und fachlich angemessen zu handeln Kommunikation auf verschiedenen Niveaus (sprachliche Tiefe) sowohl in BICS als auch in CALP Abb. 6: Die drei Erwerbskontexte DaM, DaZ und DaF im Überblick (SuS=SchülerInnen) text on k Erwerbs <?page no="35"?> 33 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Die Erwerbskontexte DaM, DaZ und DaF unterscheiden sich zwar in einigen Aspekten, es gibt aber auch Berührungspunkte zwischen diesen. Vor allem DaZ hat Gemeinsamkeiten zu den beiden anderen Erwerbskontexten und verfügt über Merkmale beider. Die Tabelle (s. Abb. 6) zeigt die drei Erwerbskontexte und ihre wesentlichen Merkmale auf einen Blick. Die Unterscheidung zwischen DaM, DaZ und DaF ist zwar hilfreich, um die verschiedenen Erwerbskontexte voneinander abzugrenzen und um möglichst viele Sprachbiographien potenzieller SchülerInnen zu beschreiben, die Ihnen als Lehrkräften im Unterricht begegnen können. „Im Zeitalter von Internet, Satellitenfernsehen, Billigflügen und umfangreichen Austauschprogrammen hat sich diese Unterscheidung allerdings ansatzweise aufgelöst“ (vgl. Ahrenholz 2010a: 10). So lernen die Kinder in Deutschland in der Grundschule zwar das Englische im unterrichtlichen Kontext, jedoch werden sie mit diesem auch in ihrem Alltag an vielen Stellen konfrontiert. Viele Kinder hören beispielsweise englischsprachige Musik oder spielen Computerprogramme, die mit englischen Sprachfunktionen, wie Untertitel und Dialoge, arbeiten. Des Weiteren gibt es zahlreiche Produkte, die mit englischen Begriffen oder Anglizismen werben. Bei der Nutzung von Internet oder Handys begegnen Kindern und Jugendlichen viele Wörter, die aus dem Englischen stammen (surfen, Software, downloaden usw.). In realen Lernbiographien können sich die hier skizzierten Sprachaneignungsformen also durchaus mischen. Dies zeigt auch der Text von Mohamed (s. Abb. 5). Er lernt Deutsch als Zweitsprache, Arabisch als Erstsprache und Englisch als Fremdsprache. Bei ihm liegen somit alle drei Erwerbskontexte vor. Mohamed beschreibt, wann er mit wem welche Sprache spricht. Ob ihm das Englische jedoch wirklich nur in der Schule begegnet und nicht auch im Alltag in Form von englischsprachiger Musik oder ob er mit seinen Geschwistern nicht vielleicht auch einen Sprachmix des Arabischen und des Deutschen gebraucht, wie er mit seinem Cousin in Dänemark auch Arabisch und Deutsch spricht, ist aus dem Text nicht ersichtlich. Die Wahrnehmung der sprachlichen Heterogenität und das Wissen über die drei Erwerbskontexte sind für den Sprach- und Fachunterricht von größter Bedeutung: Dieses Wissen sensibilisiert Lehrkräfte aller Fächer für die ungleichen sprachlichen Voraussetzungen, die die SchülerInnen mit in den Unterricht bringen. Vor allem der Situation von DaZ- und DaM- Lernenden, die je nach sozialer und sprachlicher Herkunft, nicht die entsprechenden sprachlichen Voraussetzungen mitbringen, die die Institution Schule von ihnen fordert, muss Rechnung getragen werden. Denn an dieser Stelle ist besonders zu betonen, dass nicht der Migrationshintergrund für die Sprachkenntnisse entscheidend ist: Unabhängig von der familiären Sprachsituation erzielen Kinder aus bildungsnahen Familien im Mittel bessere Testleistungen: Ein mehrsprachig aufwachsendes Akademikerkind hat im Durchschnitt also bessere Aussichten auf gute und sehr gute Testleistungen als ein einsprachig aufwachsendes Kind aus einer Nicht-Akademiker-Familie. (Zöller et al. 2006: 61) Somit sind nicht unbedingt eine vom Deutschen abweichende Erstsprache oder ein Migrationshintergrund die Ursache für schlechtere Schulleistungen, sondern die soziale Herkunft, wovon ein- und mehrsprachige SchülerInnen gleichermaßen betroffen sind (vgl. Gruhn, Haberzettl 2013). Zugang zur Sprache und zur Schriftlichkeit, literale Erfahrungen sowie die Intensität der Kontakte in der Zielsprache sind für die sprachliche Entwicklung besonders bedeutsam. 1.2.2 Unterschiedliche DaZ-Lernertypen Die Gruppe der DaZ-Lernenden ist keineswegs homogen: Zweitsprachenlernende unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Erstsprachen und ihrer Kenntnisse in diesen, ihrer kognitiven und kulturellen Kompetenzen, ihrer basalen sprachlichen Vorkenntnisse (BICS) und insbesondere <?page no="36"?> 34 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? in Bezug auf ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten in der Zweitsprache (vgl. Boysen 2012: 39). Am Unterricht nehmen sowohl SchülerInnen teil, die nicht in Deutschland geboren wurden und häufig erst zu Beginn oder während der Schulzeit in die Bundesrepublik eingewandert sind (sogenannte Seiteneinsteiger) als auch SchülerInnen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind (sogenannte hier geborene DaZ-Lernende 6 ) und Deutsch als Zweitsprache lernen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 4). Die unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden Gruppen erfordern verschiedene didaktisch-methodische Herangehensweisen. 1.2.2.1 SeiteneinsteigerInnen Innerhalb dieser Gruppe von DaZ-Lernenden wird differenziert zwischen jenen SeiteneinsteigerInnen, die bereits in ihrem Herkunftsland eine schulische Ausbildung begonnen haben und in der eigenen Erstsprache alphabetisiert sind und den SeiteneinsteigerInnen, die trotz ihres Alters noch nicht in ihrer Erstsprache alphabetisiert wurden und auch in ihrem Herkunftsland nie eine Schule besucht haben (vgl. Schulte-Bunert 2012: 124). Die erste Gruppe der alphabetisierten SeiteneinsteigerInnen bringt für den Fachunterricht Vorerfahrungen mit, die positiv in das Unterrichtsgeschehen eingebracht werden können: Zum einen haben sie bereits ein Sprachsystem in der Erstsprache aufgebaut und können mit der Sprache bewusst umgehen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). Sie haben Erfahrungen mit bestimmten Methoden des Lesenlernens gemacht und das Schreiben als sprachanalytische Tätigkeit kennengelernt, worauf in der Alphabetisierung in der Zweitsprache zurückgegriffen werden kann (vgl. Schulte-Bunert 2012: 124). Sie wissen, wie ein Text graphisch organisiert ist (Sätze, Absätze, Überschriften etc.) und können selbst Texte gestalten. Die SchülerInnen verfügen somit über metasprachliche Fähigkeiten. Zum anderen bringen diese Seiteneinsteige r - Innen das in ihrer Erstsprache aufgebaute kognitive System mit. Sie verfügen über ein bestimmtes Weltwissen und kennen Lerntechniken und Denkstrukturen, die für das Lernen im Fachunterricht relevant sind und dieses unterstützen können (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). Abhängig von ihrem Alter kennen die SeiteneinsteigerInnen die Fachinhalte, die in der deutschen Schule behandelt werden, eventuell auch schon aus der Schule in ihrer Heimat. Dies kann sich positiv auf die Teilnahme im Fachunterricht auswirken: Wenn die Seiteneinsteige r - Innen die fachlichen Inhalte kennen, fällt es ihnen auch leichter, die Fachterminologie und die Konstruktionen, die für die Fachkommunikation in dem jeweiligen Bereich erforderlich sind, anzuwenden. Das zeigt der Beispieltext (s. Abb. 7), der von einem Schüler einer Berufsschule verfasst worden ist. Nach eigenen Angaben wendet er die deutsche Sprache ausschließlich während der Ausbildung an. Im Alltag spricht er dagegen überwiegend seine Erstsprache Russisch (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). Die Aufgabe des Schülers bestand darin, anhand einer bildlichen Darstellung zu beschreiben, wie ein Schreibtisch aufgebaut wird. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe konnte der Schüler auf seine Erfahrungen aus dem in der Heimat erlernten Beruf als Schlosser zurückgreifen und die in Praktika auf Deutsch erworbenen fachsprachlichen Kompetenzen nutzen. So verwendet er zahlreiche Fachbegriffe, wie Platte, Dübel, Vinkel Platte, Kabelabdeckung, trocknen oder schrauben. Er benutzt fachtypische Satzkonstruktionen, wie unpersönliche Formen und das Passiv mit Modalverben (muss verbunden werden). Der Schüler kennt das Textmuster einer Bauanleitung, da er die einzelnen Arbeitsschritte durchnummeriert sowie temporale (Nacht dem Kleben) und kausale (Wail das Klebe muss schön trocknen) Satzkonstruktionen gebraucht. Dies weist auf eine hohe fachsprachliche Kompetenz hin. 6 Es handelt sich dabei um Kinder und Jugendliche der zweiten und dritten Generation von MigrantInnen. <?page no="37"?> 35 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Trotzdem verfügt der Schüler insgesamt nur über basale Fähigkeiten im Deutschen. Ihm gelingen beispielsweise die korrekte Bildung einfacher Sätze mit Verbzweitstellung, die Konjugation von Verben (wir muss zusamen kleben) und die Flexion von Nomen (das Klebe) nicht. Somit braucht er Unterstützung im Bereich der Alltagssprache, um die Struktur der deutschen Sprache zu verinnerlichen. Fachsprachlich kann er auf sein breites Weltwissen und auf seine Abb. 7: Text eines Seiteneinsteigers - Anleitung für den Aufbau eines Schreibtisches (Michalak 2006-2011/ Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund). Rekonstruktion des Textes: 1. Platte und Vorne Bret wir muss zusamen kleben, die beide teil Verbindut zwischen mit duzen Dübel und mit dem Klebe. Nacht dem Kleben müssen Sie 30 minuten Warden, Wail das Klebe muss schön troknen. 2. Zur der Platte der Schraube fest geschrauben müssen. (werden) 3. Zur Vordere bret kommt die Vinkel Platte und der 4 Dübel, und Vier Sschlossel. 4. Die Wand platte und die obereste Platte muss Vest ferbunden werden mit den Schloss. 5. hin zu kommt die Vordere Bret. Die Wand Brete und die Vordere Bret kommt zur obereste Platte. 6. Die Kabel abdekung rein geschtekt (Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). <?page no="38"?> 36 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? schriftlichen und mündlichen Kompetenzen in der Erstsprache aufbauen, was für die sprachliche Förderung unbedingt zu nutzen ist. SeiteneinsteigerInnen schneiden bei Untersuchungen nach einem zweibis dreijährigen Schulbesuch in Deutschland daher auch oft besser ab als hier geborene DaZ-Lernende, da sie beim ersten Kontakt mit der Zweitsprache bereits kognitiv weiter entwickelt sind und über erstsprachliche Kompetenzen verfügen, auf die sie zurückgreifen können. Auf der anderen Seite haben sie jedoch noch weniger Zeit als hier geborene DaZ- Lernende, um die Zweitsprache zu erwerben (vgl. Boysen 2012: 39f.). Die fachlichen und fachsprachlichen Vorkenntnisse, die die alphabetisierten SeiteneinsteigerInnen mitbringen, eröffnen den Fachlehrkräften besondere Möglichkeiten, die SchülerInnen schon durch kleine Hilfestellungen fachlich und fachsprachlich zu unterstützen. So können die Lehrkräfte: • das Vorwissen der SeiteneinsteigerInnen aktiv nutzen. Die SchülerInnen geben die Inhalte vielleicht mit einfacher Sprache und mit noch nicht zutreffenden Formulierungen, dafür aber inhaltlich korrekt wieder. Hier bietet sich schon die Möglichkeit an, die fachsprachlichen Entsprechungen als Unterstützung z.B. in einer Mindmap gemeinsam zu erarbeiten (z.B. anstatt schwitzen das Wort transpirieren anwenden). Zugleich kann auch das vorhandene Wissen über Textstrukturen in der Erstbzw. einer Fremdsprache genutzt werden, denn die Strategien, die beim Schreiben und Lesen angewendet werden, sind auf andere Sprachen übertragbar. So bietet es sich an, darüber zu reflektieren, wie z.B. bestimmte Textformen strukturiert sind: Wie ist ein Protokoll aufgebaut? Wie gliedere ich es? Enthält es die eigene Meinung? Welche Satzverbindungen sind dabei typisch? Was ist dem Adressaten schon bekannt? • mit den SchülerInnen gemeinsam Fachwortschatz und Sprachbausteine in Fachtexten sprachkontrastiv betrachten, „indem beispielsweise typische Satzstrukturen, die für die jeweiligen Sprachen wichtig sind, in beiden Sprachen zusammengestellt werden“ (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 6). Dies ermöglichen selbsterstellte Wortlisten oder die Methode der Sprachmittlung (d.h. der sinngemäßen und adressatenorientierten Übersetzung der wesentlichen Inhalte), die in Partner- oder Gruppenarbeit unter SchülerInnen mit derselben Herkunftssprache genutzt werden kann. • den SchülerInnen zweisprachige Wörterbücher (auch online) zur Verfügung stellen, damit sie die Bedeutung der Fachtermini, die sie in ihrer Erstsprache bereits kennengelernt haben, beim Lernen der Fachtermini der Zweitsprache selbständig nutzen können (vgl. ebd.). • die Etymologie von Fachtermini angeben. Häufig sind Fachbegriffe auch Fremdwörter, weil sie „aufgrund ihrer Herkunftssprache (meist Griechisch, Lateinisch oder Englisch) für das Deutsche untypische Wortbausteine (Morpheme) enthalten (antibiotisch, Synthese, Crossing over)“ (Gaebert, Bannwarth 2009: 156). Viele Fachbegriffe sind Internationalismen, d.h. dass sie in mehreren Sprachen ähnlich klingen (z.B. Deutsch: Demokratie, Englisch: democracy, Französisch: démocratie, Polnisch: demokracja). In den Lehrwerken wird häufig weder eine Übersetzung der Fremdwörter vorgenommen (z. B. Meiose), noch wird auf die Herkunft der Fachtermini verwiesen (vgl. ebd.). Für SeiteneinsteigerInnen könnte ein solcher Verweis jedoch einen wichtigen Bezugspunkt zu der eigenen Herkunftssprache herstellen und eine wichtige Brücke zu den zu erlernenden Fachtermini und deren Erläuterung schlagen. <?page no="39"?> 37 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Häufig wird dieses besondere Potenzial, das alphabetisierte SeiteneinsteigerInnen für den Unterricht mitbringen, aber aufgrund ihrer unzureichenden basalen Sprachkompetenzen in der Zweitsprache nicht erkannt. Die SchülerInnen können dann Aufgaben nicht korrekt lösen, weil sie die Arbeitsanweisung auf Deutsch nicht verstanden haben oder ihre schriftsprachlichen Kompetenzen noch ausgebaut werden müssen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). Folglich können sie aufgrund ihrer sprachlichen Defizite ihr fachliches Können nicht unter Beweis stellen (vgl. Chlosta, Schäfer 2010: 280), was zum Teil fatale Folgen für diese SchülerInnen hat: Sie werden auf unterfordernde Schulstufen oder Schulformen verwiesen, obwohl sie über weitaus höhere kognitive Fähigkeiten verfügen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 5). Als Fachlehrkraft ist es für die Beurteilung der Schülerleistungen daher von entscheidender Bedeutung, herauszufinden, ob die auftretenden Schwierigkeiten bei SeiteneinsteigerInnen fachlicher oder sprachlicher Natur sind. Neben den SeiteneinsteigerInnen, die alphabetisiert wurden, gibt es jedoch auch diejenigen, die trotz ihres Alters in ihrer Erstsprache noch nicht alphabetisiert sind 7 und auch in ihrem Herkunftsland nicht zur Schule gegangen sind. Diese Gruppe von SeiteneinsteigerInnen stellt eine besondere Herausforderung für die Lehrkräfte dar: Sie müssen das System Schule erst einmal kennenlernen und haben weder schriftsprachliche Kompetenzen in ihrer Erstsprache, noch ausreichend Zeit, um diese zu erwerben (vgl. Schulte-Bunert 2012: 124). Für diese SchülerInnen stellen die oben aufgeführten Unterstützungshandlungen keine Hilfestellung dar. Diese Lernenden können mündlich ihre sprachlichen Kompetenzen erweitern, vor allem den Wortschatz ausbauen. Gleichzeitig müssen sie aber ihre Erfahrungen mit Schrift nachholen und phonologische Bewusstheit entwickeln, also die Fähigkeit z.B. einen Anlaut oder einen Reim zu erkennen und ein Wort auf Silbenebene zu segmentieren. Diese SchülerInnen müssen zuerst das Schreiben und Lesen erlernen. 1.2.2.2 Hier geborene DaZ-Lernende Im Gegensatz zu den SeiteneinsteigerInnen werden die hier geborenen DaZ-Lernenden in der Zweitsprache Deutsch alphabetisiert. Anschließend durchlaufen sie das gesamte deutsche Schulsystem (vgl. Boysen 2012: 40). Es handelt sich um diejenigen MigrantInnen der zweiten oder dritten Generation, die in Deutschland geboren sind, aber zunächst in ihrer Herkunftssprache sozialisiert wurden. Der weitere Erwerb ihrer Erstsprache wird jedoch in der Schule kaum oder gar nicht unterstützt; sie besuchen auch keinen Fachunterricht in der Erstsprache 8 . Hier geborene DaZ-Lernende können fachsprachliche Inhalte meistens nicht in ihrer Erstsprache interpretieren, denn sie können nicht auf fachsprachliche Kompetenzen aus ihrer Erstsprache zurückgreifen. Sie müssen nicht nur die sprachlichen Kompetenzen in ihrer Zweitsprache aufbauen, sondern auch ihr (Fach-)Wissen gleichzeitig mit ihren einsprachig aufwachsenden MitschülerInnen entwickeln (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 6). Dies stellt für diese DaZ- SchülerInnen eine große Herausforderung dar, da sie zugleich sprachliche und inhaltliche Kompetenzen erwerben müssen. Deshalb hilft es dieser Gruppe von DaZ-Lernenden nicht, Fachinhalte und Fachbegriffe in der Erstsprache zu erklären oder sprachliche Phänomene mit ihrer Erstsprache kontrastiv zu betrachten: Hinter den neuen Begriffen verbergen sich nämlich für sie neue Bedeutungskontexte, die sie im schulischen Lernprozess noch erwerben müssen. 7 Eine weitere Untergruppe bilden hier Personen, die zwar in ihrer Erstsprache alphabetisiert wurden, aber keine lateinische Schrift kennen, d.h. sie schreiben z.B. kyrillisch oder arabisch. Diese Lernenden haben also Erfahrungen mit Schrift, müssen aber ein anderes Schreibsystem erlernen (vgl. Ritter 2010: 1117). 8 Ausgenommen sind hier SchülerInnen, die am Unterricht in bilingualen Schulen teilnehmen. <?page no="40"?> 38 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Hier geborene DaZ-Lernende entwickeln durch den mündlichen Gebrauch des Deutschen im Alltag zunächst basale Fähigkeiten (BICS) in der deutschen Sprache. Sie können sich dadurch zwar häufig konzeptionell mündlich gut ausdrücken, jedoch bereitet ihnen der schriftsprachliche und damit auch fachsprachliche Ausdruck Schwierigkeiten (vgl. ebd.). Ihre Unsicherheiten fallen zunächst nicht auf, da die SchülerInnen sich zum einen mündlich auszudrücken wissen und zum anderen Vermeidungsstrategien entwickelt haben, diese Schwierigkeiten zu verbergen. Ihre sprachlichen Defizite im Bereich der konzeptionellen Schriftlichkeit bleiben somit häufig für die Lehrkräfte unentdeckt. Daher spricht man in diesem Zusammenhang von sogenannten verdeckten Sprachschwierigkeiten (vgl. Knapp 1999). Die Folgen dieser Sprachschwierigkeiten zeigen sich spätestens beim Übergang in die Sekundarstufe bei der Bearbeitung von komplexeren schriftsprachlichen Handlungen im fachsprachlichen Kontext. Die sprachlichen Stärken und Schwächen von hier geborenen DaZ-Lernenden kann der nachfolgende Schülertext verdeutlichen (s. Abb. 8). Die Definition des Wortes Meer ist von einer in Deutschland geborenen Hauptschülerin russischer Herkunft der 7. Klasse verfasst worden (Michalak 2007-2014/ Projekt SPRAAK). Der Text der Schülerin zeigt, dass sie über alltagssprachliche, basale Sprachkompetenzen verfügt. Sie bildet einfache, grammatisch korrekte Sätze mit wenigen Unsicherheiten. Sie beherrscht die Flexion der Verben (leben Lebenswesse, gesehen hat), die Deklination (mit einer Insel, verschiedene Dinge) sowie den Gebrauch von Präpositionen (mit einer Insel, im Meer) weitgehend sicher. Der Schülerin fehlt jedoch das Wissen über die Textform Definition und deren Funktion: Sie orientiert sich nicht an den Lese r - Innen und deren Wissen, sondern schreibt alle ihre Assoziationen zu dem Begriff Meer in Form eines Gedankenstroms einfach unverbunden auf. Dabei setzt sie Ausrufezeichen ein, die in einem sachlichen, informierenden Text nicht zu erwarten sind. Zahlreiche alltagssprachliche Formulierungen (Das ist so wie …; hat was mit … zu tun) werden ohne Verknüpfungen unstrukturiert aufgelistet. Die im Text angewandte Deixis (da) und Verallgemeinerungen (schöne Dinge) gehören auch zu der alltagssprachlichen Varietät. Die Schülerin scheint nicht zu wissen, wie die Textform Definition aussieht und ihr fehlt auch die Kenntnis der situationsangemessenen und adressatengerechten Kommunikation. Abb. 8: Text einer hier geborenen DaZ-Lernenden (Michalak 2007-2014/ Projekt SPRAAK): Definition des Wortes „Meer“. Rekonstruktion des Textes: Meer! Meer hat was mit Wasser zutun! Das ist so wie ein Strand! Es hat was mit einer Insel zutun! Im Meer leben Lebenswesse wie zum Beispiel: Fische, Walle, Aal, Delphin, usw. Da kann man schöne Dinge erleben dieman nie zuvor gesehen hat. Im Meer leben auch verschiedene Pflanzen und Lebenwese. (Michalak, Bachtsevanidis 2012: 6) <?page no="41"?> 39 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Dies ist ein Hinweis für die sprachliche Unterstützung von hier geborenen DaZ-Lernenden: Die Fachlehrkräfte sollten dieser Gruppe von DaZ-Lernenden • die Unterschiede zwischen Alltags- und Fachsprache, zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit vermitteln. Sie müssen klären, wann die alltagssprachliche und wann die fachsprachliche Variante gebraucht wird und wie man situationsangemessen und adressatengerecht kommuniziert (vgl. Michalak 2013a: 373). • nicht nur Fachvokabular, sondern auch fachsprachliche Muster auf Satz- und Textebene vermitteln. Sie sollten den SchülerInnen zeigen, was den besonderen Sprachduktus in dem jeweiligen Fachunterricht ausmacht. Welche Elemente enthält die Definition eines Wortes im biologischen/ physischen/ geschichtlichen/ … Kontext? Die Lehrkräfte sollten den SchülerInnen für die Textproduktion Satz- und Textmuster zur Verfügung stellen, damit sie die fachsprachliche Variante einüben können (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 6). • Hilfestellungen zu schwierigen fachsprachlichen Strukturen (lange, verschachtelte Sätze, Attribute) geben und ihnen geeignete Textverstehensstrategien vermitteln (s. Kap. 4). Die Ausführungen zeigen, dass selbst die Gruppe der DaZ-Lernenden nicht homogen ist und innerhalb dieser Gruppe weiter binnendifferenziert werden muss. So sind nicht alle Fördermaßnahmen für jeden DaZ-Lernenden gleichermaßen geeignet. Zu beachten ist auch, dass die sprachliche Entwicklung von SchülerInnen mit DaZ zum einen durch ihre Erstsprache beeinflusst werden kann und zum anderen bestimmte Regularitäten aufweist. 1.2.3 Die sprachlichen Kompetenzen im Fachunterricht wahrnehmen Das Wissen über die Herkunftssprachen der SchülerInnen sowie über die Spracherwerbshypothesen hilft den Lehrkräften, die Kompetenzen der Lernenden einzuschätzen und den Unterricht gezielt vorzubereiten. 1.2.3.1 Bedeutung der Erstsprache Das bereits verfügbare sprachliche Vorwissen in der Erstsprache spielt eine Rolle beim Zweitspracherwerb. Dies ist die Grundannahme der Kontrastivhypothese (Fries 1945, Lado 1957): Ähnliche Elemente zwischen Erst- und Zweitsprache führen zu Lernerleichterungen. Sind bestimmte sprachliche Strukturen in beiden Sprachen identisch, können diese Muster leichter auf die Zielsprache übertragen werden. Dieser positive Transfer beschleunigt den Spracherwerb. Lernschwierigkeiten lassen sich dagegen nach der Kontrastivhypothese durch Unterschiede zwischen der Ausgangs- und Zielsprache erklären (vgl. Tekin 2012: 56). Die Kontraste zwischen den Sprachen führen zu einem negativen Transfer, zu sog. Interferenzen. Interferenzen zwischen zwei Sprachen gibt es auf allen Ebenen, z.B. bei der Aussprache, Rechtschreibung, Wortbildung oder den Satzstrukturen. So kennt beispielsweise ein polnischer Muttersprachler keine Artikel aus seiner Erstsprache und wird diese vermutlich im Deutschen auslassen. Aus dem Polnischen sind ihm - ähnlich wie anderen SprecherInnen slawischer Sprachen - auch keine langen, gerundeten Vokale bekannt; demzufolge wird er wahrscheinlich den Unterschied bei der Aussprache von Stadt und Staat, Pollen und Polen, Kamm und kam usw. nicht wahrnehmen. Dem Polnisch sprechenden Lernenden werden aber einige Phänomene der deutschen Sprache bekannt vorkommen. Denn Polnisch, wie auch andere slawische Sprachen und Deutsch, ist eine flektierende Sprache, in der bestimmte Klassen von Wörtern nach Kategorien, wie Kasus, Numerus oder Tempus gebeugt werden. Der Wortstamm bleibt zwar erkennbar, verschmilzt aber mit dem Suffix (z.B. bei (dem) Student-en). Die Endung <?page no="42"?> 40 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? kann eine oder mehrere grammatische Bedeutungen haben, z.B. -en steht für Dativ Singular, aber auch für die Pluralform (vgl. Graefen, Liedke 2008: 90). Das Türkische dagegen als eine agglutinierende Sprache (wie auch Ungarisch, Finnisch oder Japanisch) bedient sich eindeutiger Endungen, d.h. jedes Suffix besitzt nur eine grammatische Bedeutung (s. Abb. 9; vgl. Tekin 2012: 74). Ein türkischer Muttersprachler muss daher lernen, die verschiedenen grammatischen Inhalte der Suffixe im Deutschen auseinanderzuhalten. Türkisch Deutsch Erläuterung araba das Auto Wortstamm araba-lar die Autos + Pluralsuffix araba-lar-ımız unsere Autos + Possessivsuffix (1. Ps. Pl.) araba-lar-ımız-da in unseren Autos + Lokalangabe (sog. Lokativ) Abb. 9: Hauptmerkmale der agglutinierenden Sprachen am Beispiel des Türkischen (Tekin 2012: 74) Ein Türkisch sprechender Muttersprachler wird keine Schwierigkeiten mit der Endverbstellung in deutschen Nebensätzen haben (z.B.: Ich habe erfahren, dass der Zug 30 Minuten Verspätung hat.), denn im Türkischen steht das finite Verb auch am Ende des Satzes. Die Zweitverbstellung könnte ihm aber Probleme bereiten, weil ihm diese Struktur aus dem Türkischen nicht bekannt ist. So konnte Haberzettl (2005) nachweisen, dass Kinder mit Türkisch als Erstsprache die Verbendstellung in den Nebensätzen im Deutschen schneller erworben haben als Kinder mit russischer Erstsprache, in der dieses Phänomen nicht vorkommt. Spricht ein Lerner etwa Chinesisch, so ist er an eine sehr stark fixierte Abfolge der Elemente im Satz gewöhnt. Das Deutsche dagegen verfügt zwar über feste Abfolgeregeln (wie z.B. die Zweitstellung des finiten Verbs: Wir fahren heute in Urlaub.), bietet aber hier mehr Möglichkeiten (vgl. Graefen, Liedke 2008: 100). So kann z.B. eine adverbiale Bestimmung oder ein Objekt auch am Satzanfang stehen (Heute fahren wir in Urlaub.). Der Einfluss der Erstsprache ist insbesondere bei den SeiteneinsteigerInnen zu beobachten, die gerade in der Anfangsphase ihres Zweitspracherwerbs häufig auf ihre Ausgangssprache zurückgreifen. Daher lohnt es sich, die Struktur der Herkunftssprachen der SchülerInnen kennenzulernen, um sie gezielter unterstützen zu können, aber auch um den Unterricht sprachbewusster vorzubereiten. Bei SchülerInnen mit romanischen, germanischen oder slawischen Herkunftssprachen ist davon auszugehen, dass sie die Bedeutung von Wörtern griechischer oder lateinischer Herkunft (z. B. Anarchie, Antibiotikum, Horoskop, Gentechnologie, organisieren, ökonomisch, Thermometer, pathologisch, Symbiose usw.) aus ihrer Erstsprache ableiten können, da sie in ihren Erstsprachen ähnlich klingen. SchülerInnen hingegen mit Arabisch als Erstsprache erschließen sich solche Wörter nicht automatisch, da im Arabischen weit weniger Wörter vorhanden sind, die aus dem Griechischen oder Lateinischen entlehnt wurden (vgl. Michalak 2013b: 311). Die heutige Spracherwerbsforschung geht davon aus, dass Strukturunterschiede zwischen den Sprachen und Interferenzen nicht die einzige Ursache für Fehler und Unsicherheiten beim Zweit- oder Fremdsprachenlernen sind. Darauf wies schon die Identitätshypothese hin, die dem Transfer von der Erstsprache keinerlei Bedeutung beim Zweitsprachenerwerb zusprach (vgl. Dulay, Burt 1974). Vielmehr wurde angenommen, dass der Erst- und Zweitsprachenerwerb nach denselben universalen Prinzipien, d.h. völlig identisch verlaufen (vgl. Günther, Günther 2004: 104). Die Fehler in der Zweitsprache entstehen demnach intralingual (d.h. innersprach- <?page no="43"?> 41 1.2 Heterogenität der Schülerschaft lich) und sind der Identitätshypothese zufolge ausschließlich auf die Zweitsprache zurückzuführen (vgl. Tekin 2012: 47). Ein differenzierteres Bild des Zweitspracherwerbs bietet die Interlanguage-Hypothese, die den Einfluss der Erst- und Zweitsprache mitberücksichtigt. 1.2.3.2 Lernersprache Die Äußerungen von Zweit-/ FremdsprachenlernerInnen weisen systematische Zusammenhänge auf. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung der Interlanguage-Hypothese (Selinker 1972). Ihre Grundannahme besteht darin, dass die Lernenden ihr eigenes Übergangssystem, die sog. Lernersprache (Interlanguage/ Interimsprache) entwickeln und sich dadurch der Zielsprache nähern. Dieses individuelle Sprachsystem eines Zweit-/ Fremdsprachenlernenden beinhaltet sowohl Merkmale der Erstals auch der Zielsprache, sowie lernersprachliche, von den beiden Sprachen unabhängige Elemente (vgl. Knapp-Potthoff 2007: 379). Die Lernersprache ist dynamisch und variabel, situations- und aufgabenspezifisch und systematisch zugleich, denn die Lernenden erschließen sich die Zielsprache Schritt für Schritt (vgl. Günther, Günther 2004: 106). Neben den Elementen der Erstsprache sind in den Äußerungen der Lernenden auch Einflüsse anderer Sprachen zu finden. Dies verdeutlicht ein weiterer Schülertext (s. Abb. 10): Bei der Verschriftlichung des Wortes trmine lässt der Autor - wie es im geschriebenen Arabischen üblich ist - den Vokal <e> aus. Zudem orientiert er sich vermutlich an der Schreibweise des Englischen, wie bei comme oder Doctor. bb. 10: Text eines Lerner (Erstsprache Arabisch, erste Fremdsprache Englisch in der Schule in der Heimat Syrien). Rekonstruktion des Textes (Michalak 2 0 07 / In t e gr a tio n s kurse): Hallo veg’ehts god Danke Ich könne am Montag nicht comme. Ich habe ein trmine mit Doktor. was nach den Hausaufgaben Ich viel Arbiet (mochte) eindlich sofort. s Sorg habe A <?page no="44"?> 42 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? An den Fehlern der Lernenden lässt sich auch erkennen, dass sie bestimmte Regelmäßigkeiten der Zielsprache schon erworben haben und diese auf andere Phänomene übertragen (vgl. Tekin 2012: 156). Auf diese Weise entstehen Übergeneralisierungen. In unserem Textbeispiel (Abb. 10) ist es die Konjugation des Modalverbs können, das in dem Schülertext wie ein regelmäßiges Verb gebeugt wird (könne). Solche Fehler entstehen durch falsche Analogieschlüsse innerhalb der Zielsprache, d.h. durch sog. intralinguale Interferenzen (vgl. ebd.). Lernschwierigkeiten können auch dazu führen, dass die SchülerInnen für sie schwierige Strukturen oder solche, bei deren Anwendung sie noch unsicher sind, vermeiden (vgl. Knapp-Potthoff 2007: 379). Ist der Lernende bei der Anwendung der Flexionsformen unsicher, so könnte er nichtflektierte oder -konjugierte Formen, sog. Simplifizierungen gebrauchen, z.B. Ich arbeiten heute (vgl. Kleppin 2000: 33). Um die Sprachkompetenz der SchülerInnen korrekt einschätzen und die Fehler der Lernenden richtig deuten zu können, ist also nicht nur Wissen über die Herkunftssprachen der SchülerInnen, sondern auch über typische Merkmale lernersprachlichen Verhaltens, über die Regularitäten der deutschen Sprache oder über Spracherwerbsprozesse hilfreich. 1.2.3.3 Erwerbssequenzen Aus aktuellen Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung wissen wir, dass sprachliche Strukturen in einer Zweitsprache in einer bestimmten Reihenfolge erworben werden. Dabei sind typische lernersprachliche Zwischenstadien, sog. Erwerbssequenzen zu erkennen (vgl. Grießhaber 2014: 109). Diese festen Abfolgen grammatischer Strukturen werden von den Lernenden unabhängig vom Alter, von der Erstsprache und von deren Intelligenz nacheinander erworben. Das Lerntempo, in dem die Lernenden die Sequenzen durchlaufen, ist individuell verschieden; die Erwerbsgeschwindigkeit bestimmter Phänomene im Deutschen hängt u.a. von der Erstsprache der Lernenden ab (vgl. Haberzettl 2005). Die Erstsprache verändert aber die wesentlichen Erwerbsschritte in der Zweitsprache Deutsch nicht. Es gibt Belege dafür, dass der Erwerb der Verbalflexion (d.h. Konjugation und Bildung der Zeitformen), der Satzmodelle (d.h. der Satzstellung) sowie der Kasusformen chronologisch erfolgt (vgl. Diehl et al. 2000; Pienemann 1986). Die Reihenfolge der Erwerbsphasen kann auch durch den Unterricht nicht willkürlich verändert werden; die gezielte Vermittlung kann den Erwerb der nächsten Stufe lediglich beschleunigen (vgl. Diehl et al. 2000: 111; Grießhaber 2010a: 154). Empirische Befunde von Diehl et al. (2000) haben gezeigt, dass Lernende mit Französisch als Erstsprache die Verbalflexion des Deutschen in sechs Phasen erwerben (s. Abb. 11). Anfangs benutzen sie Sätze, ohne die Verbform zu analysieren, wie Ich heiße …, Ich wohne …, Ich bin ... Diese sog. Chunks werden als Ganzes (oft auswendig) gelernt und angewendet. In der nächsten Phase werden die Formen von regelmäßigen Verben im Präsens erworben, d.h. die LernerInnen erkennen, dass das finite Verb dem Subjekt angepasst wird: wir machen, er sagt, du wohnst. Anschließend nehmen die Lernenden die Formen von unregelmäßigen Verben im Präsens wahr, wie z.B. nehmen - du nimmst, sehen - er sieht, und unternehmen erste Versuche, diese zu gebrauchen (vgl. Diehl et al. 2000: 142). Zugleich beginnen sie, die Klammerstruktur des Deutschen in Form von flektierten Modalverben mit Infinitiven (z.B. ich will kommen, er soll schreiben, wir müssen gehen) zu erschließen. Die vierte Phase umfasst den Erwerb der analytischen Zeitform Perfekt (haben/ sein als Hilfsverb mit Partizip Perfekt, z.B.: er hat gemalt, sie ist gekommen). Hierbei müssen sie entscheiden, welches Hilfsverb (haben oder sein) in welcher flektierten Form angewendet werden sollte. Des Weiteren müssen sie das Partizip Perfekt nach bestimmten Regeln bilden und dabei zwischen schwachen und starken Verben (gekauft vs. gegessen) bzw. trennbaren und untrennbaren Verben (eingekauft vs. vergessen) unterscheiden (vgl. Kniffka, Siebert-Ott 2009: 50). Die Bildung von Partizip Perfekt (regelmäßige vs. unregelmäßige Verben) bereitet den Lernenden bestimmte Schwierigkeiten. Diehl et al. (2000: 147) haben hierbei eine Tendenz zu <?page no="45"?> 43 1.2 Heterogenität der Schülerschaft Abb. 11: Erwerbssequenzen für die deutsche Sprache (Diehl et al. 2000: 164) Zusammensetzungen aus ge-Präfix, Verbstamm im Präsens und Suffix -en (z.B. *er hat gesagen) festgestellt. Der Erwerb von Präteritum (er kam, sie sang) wie auch von anderen Verbformen (Plusquamperfekt, Konjunktivformen und Passiv) erfolgt erst später. Dies liegt u.a. darin begründet, dass gerade in der gesprochenen Sprache bestimmte Formen bevorzugt und damit häufiger angewendet werden (wie z.B. Perfekt in der Alltagssprache versus Präteritum in der Schriftlichkeit). Vergleicht man die Entwicklung der Verbalformen und der Satzstellung, lassen sich Zusammenhänge feststellen. Zu Beginn des Zweitspracherwerbs werden Hauptsätze mit Verbzweitstellung gebildet. Diese werden zuerst aneinandergereiht, oft auch mit Konjunktionen, wie und, oder, aber. In der zweiten Erwerbsphase der Satzstellung verwenden die Lernenden auch W-Fragen (Was machst du? Wohin geht Christina? ) sowie Entscheidungsfragen mit Verberststellung (Wohnst du in Berlin? Kochen Sie gern? ). Anschließend wird die Satzklam- <?page no="46"?> 44 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? merstruktur des Deutschen erworben, was an die Flexion der Modalverben in Verbindung mit infiniten Verbformen gekoppelt ist (s. Abb. 11). Die Verbalklammer betrifft auch andere Formen, in denen das finite Verb an der zweiten oder ersten Stelle im Satz steht und die weiteren Prädikatsteile sich am Ende des Satzes befinden (z.B. Anne macht das Licht aus. Können wir uns morgen treffen? Ich habe Zitronen gekauft.). In der nächsten Phase versuchen die Lernenden, Nebensätze anzuwenden und realisieren, dass das finite Verb hierbei am Ende des Satzes steht (z.B. Ich habe gehört, dass heute Gewitter kommt. Er hat gefragt, wann du morgen anrufst.). Die ersten Konjunktionen, die dabei angewendet werden, sind - ähnlich wie beim Erstspracherwerb - weil und dass. In der letzten Phase nehmen die Lernenden wahr, dass am Satzanfang vor dem finiten Verb nicht nur das Subjekt, sondern auch andere syntaktische Elemente stehen können. Sie erwerben also die sog. Inversion (z.B. Gestern hat es (=Subjekt) geregnet. Mit Sandra möchte ich (=Subjekt) gern Kaffee trinken.). Der Kasus, der durch das Verb bestimmt wird (sog. Verbvalenz), wird in vier Phasen erworben. Relativ lange im Vergleich zu den beiden anderen Bereichen wird der Nominativ als einziger Kasus angewendet (vgl. Kniffka, Siebert-Ott 2009: 54). In der zweiten Phase werden Nominativ-, Akkusativ- und Dativformen beliebig angewendet und oft vertauscht. Erst in der nachfolgenden Phase werden das Subjekt und ein Objekt durch Flexionsendungen systematisch markiert (z.B. Der Lehrer schaltet den Computer ein.). Dabei wird häufiger der Nominativ mit dem Akkusativ angemessen gebraucht. Erst in der nächsten Erwerbsphase werden auch Dativformen systematisch gekennzeichnet. Zu betonen ist, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Erwerbssequenzen sehr fließend sind. Das bedeutet, dass die Formen in der jeweiligen Phase noch nicht korrekt beherrscht werden. Es kann zu Übergangsphänomen kommen, die zwar aus grammatikalischer Sicht noch nicht richtig sind, aber bereits den Anforderungen einer höheren Sprachlernstufe entsprechen. Dies ist an unserem beispielhaften Schülertext (s. Abb. 10) zu sehen. Der Autor verwendet noch Chunks (vegehts? god Danke; Ich habe viel Arbiet). Zugleich kennt er die Konjugation der regelmäßigen Verben (könne, habe) und versucht schon, das Modalverb mit einem anderen Verb am Ende des Satzes anzuwenden (Ich könne … comme.). Der Lerner benutzt Hauptsätze mit Subjekt an erster Stelle; diese sind allerdings noch nicht miteinander verknüpft. Als Subjekt werden in dem Text Formen gebraucht, die nicht markiert werden müssen (Ich-Form im Gegensatz zu der Schüler, wo der Artikel auf den Nominativ hinweist). Die Verteilung von Kasusformen scheint noch beliebig zu sein (Ich habe ein trmine mit Doktor.). Da die Satzstrukturen in einer chronologischen Reihenfolge erworben werden, können sie für die Ermittlung des Sprachstandes genutzt werden (vgl. Grießhaber 2014: 110): Die Erwerbsstufen werden bei der Entwicklung von Diagnoseinstrumenten berücksichtigt (s. Profilanalyse nach Grießhaber, Tulpenbeet, Beobachtungsbögen für den Fachunterricht, vgl. dazu Michalak 2012a). Bei der Analyse von Schüleräußerungen werden Fehler als entwicklungsspezifische Notwendigkeiten betrachtet. Die Einschätzung der Erwerbsstufe sowie der rezeptiven Kompetenzen der SchülerInnen ermöglicht es, festzustellen, ob ihre Sprachkompetenzen für die Bewältigung fachlicher Aufgaben ausreichend sind. Auf dieser Grundlage kann die Lehrkraft entscheiden, welche fachsprachlichen Strukturen im nächsten Schritt vermittelt werden müssen und welche Strukturen eventuell vereinfacht werden sollten. <?page no="47"?> 45 1.4 Übungsaufgaben 1.3 Zusammenfassung In der Institution Schule erfüllt Sprache mehrere Funktionen (Lerngrundlage, -medium, -gegenstand, Kommunikationsmittel und Mittel zur Leistungsüberprüfung). Die in diesen Kontexten angewandten fachsprachlichen Ausprägungen stellen eine Herausforderung für alle SchülerInnen dar. Ausreichender Wortschatz, Kenntnisse komplexer Satzstrukturen und typischer Textsorten und die Fähigkeit, in Unterrichtssituationen angemessen zu kommunizieren, sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an jedem Unterricht. Bei der Unterrichtsplanung und -durchführung hat jede Lehrkraft zu beachten, dass SchülerInnen nicht nur verschiedene fachliche, sondern auch unterschiedliche sprachliche Ressourcen mitbringen, die von dem Erwerbskontext der deutschen Sprache abhängig sind (DaM, DaF, DaZ). Insbesondere SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen benötigen daher sprachliche Hilfen in jedem Fachunterricht. Besonders benachteiligt sind dabei Lernende mit DaZ: Sie stehen vor der Aufgabe, zugleich die Zweitsprache (Lernen der Zweitsprache) und die Inhalte in der Zweitsprache zu lernen (Lernen in der Zweitsprache). Diese Aufgabe müssen sie häufig mit unzureichenden sprachlichen Vorkenntnissen und ohne die Unterstützung der Lehrkraft bewältigen und werden zudem noch an den Leistungen der einsprachigen deutschen SchülerInnen gemessen. SchülerInnen mit DaZ bilden jedoch keine homogene Gruppe: SeiteneinsteigerInnen und hier geborene DaZ-Lernende bringen unterschiedliche fachliche und fachsprachliche Kompetenzen mit, die Einfluss auf didaktisch-methodische Entscheidungen im Fachunterricht haben (Frage nach dem Einsatz der Erstsprache, Vermittlung sprachlicher Muster, Nutzung des schon erworbenen Fachwissens etc.). Die Auseinandersetzung mit den Herkunftssprachen der SchülerInnen, die Analyse ihrer sprachlichen Unsicherheiten und angewandten Strategien können jeder Lehrkraft helfen, den Unterricht gezielter zu planen. 1.4 Übungsaufgaben 1. Nennen und erläutern Sie die hier dargestellten Funktionen von Sprache. 2. Was unterscheidet die Erwerbskontexte bei DaM, DaZ und DaF? Wie wirken sie sich auf die Sprachkompetenz im Deutschen aus? 3. Recherchieren Sie, welche verschiedenen Formen von Sprache (Symbol-, Verbal- und Formelsprache) für Ihr Fach relevant sind. 4. Betrachten Sie noch einmal den Schülertext (Abb. 7). Schätzen Sie die Kompetenzen des Lerners, ausgehend von den Erwerbssequenzen nach Diehl et al. (2000, s. Abb. 11), ein. 5. Lesen Sie den folgenden Schülertext (Abb. 12). a. Beschreiben Sie, was der Schüler fachlich und sprachlich schon kann. b. Bestimmen Sie den Kontext, in dem der Schüler die Sprache erworben hat. Begründen Sie Ihre Meinung. <?page no="48"?> 46 1 Deutsch lernt man im Deutschunterricht? Abb. 12: Schülertext: Erklärung des Satzes des Pythagoras (Michalak 2013/ Sommerschule des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln). Rekonstruktion des Textes: Das Dreieck muss die Geradeecke haben. Quadrat einer kurzen Wand plus Quadrat die andere kurzen Wand mussen Qwadrat der längste Wand geben. Im gegebenfalls ist das nicht Pitagoras Dreieck. <?page no="49"?> 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Einstiegsaufgabe: Lesen Sie den Text und überlegen Sie, wer das Rezept verfasst haben könnte. An wen ist es adressiert? Woran machen Sie Ihre Vermutungen fest? Stellen Sie sich vor, Sie sind Koch und wenden sich an Ihre Fachkollegen. Beschreiben Sie für sie die Zubereitung eines Obstsalates, sodass das Rezept inhaltlich der vorgelegten Version entspricht. Für welche Formulierungen haben Sie sich entschieden? Wo sind Unterschiede zu dem Ausgangstext deutlich? Wie macht man einen Obstsalat? Für den Obstsalat braucht man eine Apfelsine, einen Apfel, ein paar Weintrauben, eine Banane und ein paar Erdbeeren. Du kannst aber auch anderes Obst nehmen. Vergiss nicht, zuerst das Obst richtig zu waschen. Dann bereite alles vor: Bei der Apfelsine die Haut abziehen und sie in Stücke schneiden. Die Kerne und das Drumherum aus dem Apfel rausnehmen. Den Apfel in kleine Stücke schnippeln. Die Weintrauben zupfen und in zwei Hälften schneiden. Die Kerne aus den Trauben popeln. Die Schale von der Banane abmachen und die Banane klein schneiden. Wenn du willst, kannst du noch Zucker reintun. Zum Schluss mische alles. Tue es in eine schöne Schüssel rein und leg mal ein paar Erdbeeren oben drauf. Fertig! Abb. 13: Ausgangstext: Rezept für einen Obstsalat (in Anlehnung an eine 2012 am Kölner Sprachfest präsentierte Aufgabe des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung) In beiden Textversionen wird dasselbe Thema behandelt: Beschrieben wird die Zubereitung eines Obstsalates. Unser Ausgangstext sowie Ihre nach unseren Vorgaben verfasste Textversion stellen die Instruktion (Anleitung) zur Herstellung eines solchen Obstsalates dar. Doch obwohl die beiden Texte inhaltlich vergleichbar sind, unterscheiden sie sich gegebenenfalls stark voneinander und wirken unterschiedlich auf den Leser. Die Verfasser der beiden Texte verfügen vermutlich über anderes Fachwissen und über andere Erfahrungen (hier im Bereich Kochkunst und Umgang mit Kindern). Während Sie in Ihrem Rezept die Perspektive eines Fachexperten, d.h. eines Kochs, eingenommen haben, vermuten wir in dem Ausgangstext (Abb. 13) einen Erwachsenen als Autor, der einem Kind die Zubereitung eines Obstsalates erklärt. Den Ausgangstext hätte ein Laie verfassen können. Es wäre aber auch möglich, dass eine Köchin oder ein Koch ihr/ sein Lieblingsrezept ihrem/ seinem Kind beschreibt. Auch die AdressatInnen der beiden Rezepte unterscheiden sich voneinander: Kinder oder Fachpublikum. In den beiden Texten ist folglich die Rollenkonstellation der beteiligten Personen verschieden: Die KommunikationspartnerInnen stehen in einem unterschiedlichen Verhältnis zueinander. Doch woran machen wir die Vermutung fest, dass dasselbe Thema in zwei unterschiedlichen Kontexten zwei verschiedenen Adressatengruppen erklärt wird? Es sind die vielfältigen sprachlichen Mittel, d.h. Begriffe, inhaltlich zusammenhängende Ausdrücke und auch feststehende Formulierungen, die uns anzeigen, in welcher Situation wir uns befinden, mit wem und worüber gerade gesprochen wird. Auffällig ist zunächst der Wortschatz. Während im Ausgangstext vom Kern und dem Drumherum die Rede ist, haben Sie sich wahrscheinlich für die Formulierung Entfernung des Kerngehäuses entschieden. Die Unterschiede im Wortschatz umfassen nicht nur die verwendeten Nomen. Die Verben rausschnei- <?page no="50"?> 48 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? den, schnippeln, reintun und mischen können in der Fachsprache durch entfernen, schneiden, verfeinern und umrühren ersetzt werden. In dem fachsprachlich formulierten Text haben Sie eventuell ganze Nomen-Verb-Verbindungen ausgetauscht, wie z.B. die Haut abziehen - filetieren, Kerne aus den Trauben popeln - Trauben entkernen, Schale abmachen - schälen, die den Vorgang präziser und sprachökonomischer beschreiben. Auch Adjektive müssen angepasst werden: das Obst richtig versus gründlich waschen. Nicht nur der Wortschatz, sondern auch die verwendeten Satzkonstruktionen zeigen uns, dass wir mit unterschiedlichen Sprachregistern zu tun haben. Im Gespräch mit einem Kind bevorzugen wir eine direkte Anredeform (du als Subjekt) und Aktivsätze (Wenn du willst, kannst du noch Zucker reintun.). In diesem Kontext werden häufig Ellipsen angewendet, d.h. Satzteile ausgelassen, wodurch ein grammatikalisch unvollständiger Satz gebildet wird (z.B. Die Äpfel in kleine Stücke schnippeln.). Auch Imperativformen sind üblich (Vergiss nicht …; Mische alles …). In einem fachsprachlich formulierten Text dominieren dagegen unpersönliche Formen mit man (man nimmt …) oder mit Passivsätzen (Die Weintrauben werden vom Stängel getrennt und halbiert.). Des Weiteren wird ein Fachtext durch Nominalisierungen verdichtet, wie z.B. anstatt Wenn du willst … gebrauchen wir fachsprachlich den Ausdruck nach Wunsch. Auf der textuellen Ebene helfen Gliederungsmerkmale, wie zuerst, dann, fertig, den Text besser zu strukturieren und zu verstehen. In einem fachlichen Text würden wir hierbei vermutlich andere, uns aus schriftlichen Anleitungen bekannte Formulierungen erwarten, wie in einem ersten Schritt, anschließend, zum Schluss. Bei den beiden Textversionen handelt es sich um unterschiedliche Ausprägungen bzw. funktionale Varietäten der deutschen Sprache. Der Ausgangstext ist ein Beispiel für die Verwendung der Alltagssprache, während das von einem Koch formulierte Rezept der fachsprachlichen Varietät zuzuordnen ist. Dies belegt, dass wir Sprache abhängig von ihrer Funktion, von dem Thema und der Konstellation der Kommunikationspartner variieren (vgl. Halliday 1978). Dieser Sachverhalt ist auch auf das Lernen in der Schule zu übertragen: Je nachdem, mit wem (mit einer Deutsch- oder Physiklehrkraft/ mit einer Lehrkraft oder einem Schulkameraden/ mit einem Auszubildenden oder einem Meister) und worüber (über Biologie, Literatur oder Geschichte) wir sprechen, verwenden wir unterschiedliche sprachliche Mittel (Alltagssprache/ Fachsprache; formelle/ informelle Sprache). Wir bedienen uns folglich unterschiedlicher sprachlicher Varietäten, sog. Register (vgl. Morek, Heller 2012: 17). In unserem Beispiel wurde das alltagssprachliche dem fachsprachlichen Register gegenübergestellt. Auch sprachliches Handeln in der Schule unterscheidet sich von der Kommunikation im Alltag. In der Schule haben wir mit alltagssprachlichen und fachsprachlichen Registern zu tun, jedoch auch mit weiteren Varianten der dort verwendeten Sprache. Doch welchen Sprachen begegnen die SchülerInnen in der Institution Schule? Welche Anforderungen stellen die verschiedenen sprachlichen Ausprägungen an die Lernenden und insbesondere an diejenigen mit DaZ? Über welche sprachlichen Register sollen die SchülerInnen unseren Erwartungen zufolge verfügen? 2.1. Alltagssprache - Bildungssprache - Schulsprache Im Alltag gebrauchen wir Sprache, um andere zu verstehen und uns selbst verständlich zu machen. Dem Kommunikationspartner werden private oder sachliche Informationen ungezwungen und locker weitergegeben. Dieser Austausch erfolgt meist mündlich und dialogisch. Zu den Merkmalen der Alltagssprache gehören Emotionalität und subjektive Bewertung, ausdrucksstarke und bildreiche Begriffe (vgl. Riesel 1970: 84). Die Sprache in alltäglichen Kontexten ist durch starke und direkte Situationsbezüge geprägt. Die Strukturen sind auf sprachliche Handlungen mit einem wahrnehmbaren Gegenüber ausgerichtet, sodass seine Reaktionen in die eigenen Aktivitä- <?page no="51"?> 49 2.1. Alltagssprache - Bildungssprache - Schulsprache ten eingeplant und die Inhalte in der Interaktion ausgehandelt werden (vgl. Maas 2008: 332). Das hat zur Folge, dass wir in alltäglicher Kommunikation beispielsweise auf Personen oder Gegenstände direkt verweisen und inhaltlich leere Bezeichnungen, wie der da, das Ding da, drauf machen verwenden (vgl. Eroms 2008: 116). Dadurch wird der Situationskontext sichtbar. Die Konzentration auf den kommunikativen Erfolg bewirkt, dass die sprachliche Korrektheit stark in den Hintergrund rückt (vgl. Klein 1992: 29f.). Beim Eintritt in die Grundschule können die Kinder auf die ihnen vertraute Alltagssprache noch zurückgreifen, denn zu Beginn der Grundschulzeit entspricht die Kommunikation in der Schule der Alltagssprache. Im Laufe der Grundschulzeit entwickelt sich die in der Schule angewandte Sprache zu einer komplexen und durch Schriftlichkeit geprägten Sprache, die auf Erkenntnisgewinn, Wissensvermittlung und -aneignung ausgerichtet ist. Dies stellt die Kinder vor eine große Herausforderung: Sie werden plötzlich mit einer Varietät des Deutschen konfrontiert, die zwar auf der Alltagssprache basiert, die aber die Gesetzmäßigkeiten einer Standardsprache und im Laufe der Zeit einer formalisierten Fachsprache aufweist. Diese Sprache muss natürlich erlernt werden. Das folgende Beispiel veranschaulicht, welche Anforderungen die Sprache in Bildungskontexten an die SchülerInnen stellen kann: Im Unterricht zum Thema Bionik erforschen die Lernenden den Lotuseffekt. Hierfür tragen sie zunächst eine dünne Schicht Mehl mit einem feinen Pinsel auf ein Blatt eines Blumenkohls auf und anschließend setzen sie darauf einen Wassertropfen mit einer Pipette. Zwei Schülerinnen mit DaZ (S1, S2) werden bei der Verschriftlichung des Experiments und dessen Ergebnisse von der Lehrkraft (L) begleitet 9 : 1 L: was habt ihr denn bei der ersten skizze? was, was macht ihr da zuerst? 2 das müsst ihr AUFschreiben. 3 S1: muss ma: : n (---) ähm (---) aufschütten, den müll. 4 L: mehl 5 S1: mehl, mehl. 6 L: aufschütten ist ein bi: : sschen (--) ähm das macht man (--) eher mit MÜLL. 7 S1: dann VOLLschütten. 8 L: was habe ich (-) mit dem P IN sel gemacht? 9 S1: aso: : 10 S2: mehl drauf gemacht. 11 L: drauf gemacht. (--) genau. AUFgetragen nennt man das. mehl aufgetragen. Bevor der Text zu Papier gebracht wird, werden die Formulierungen mündlich ausgehandelt. Die Lehrerin weist die Schülerinnen darauf hin, dass sie sich bei der Verschriftlichung an einer bestimmten Reihenfolge und an der Skizze orientieren sollten (Zeile 1, 2). Bei der Beschreibung des Experiments nutzen die Schülerinnen ihre alltagssprachlichen Kompetenzen, indem sie die Formulierung aufschütten vorschlagen (Zeile 3). Die Lehrkraft versucht, diesen Sprachgebrauch zu korrigieren und erklärt mit einem Beispiel, dass dieses Wort in anderen Kontexten passend wäre (Zeile 6). Diese Kollokation, d.h. die bestimmte Verbindung sprachlicher Einheiten (Müll aufschütten), scheint auch der Schülerin bekannt zu sein; sie verspricht sich nämlich und sagt Müll anstatt Mehl. Die Zusammenstellung der beiden Wörter ist somit korrekt; im fachlichen Kontext ist sie jedoch nicht angemessen. Die Lehrerin greift es nicht weiter auf und erwartet von den Schülerinnen eine andere Bezeichnung. Die Schülerin (S1) scheint die Einwände jedoch nicht 9 Das Unterrichtsgespräch wurde im Rahmen des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln in der Sommerschule 2013 aufgenommen. <?page no="52"?> 50 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? genau zu verstehen, da sie der Lehrerin im Gegenzug das Verb vollschütten 10 anbietet. Daraufhin startet die Lehrkraft, einen neuen Anlauf, einen passenden Ausdruck zu finden (Zeile 8), ohne ein weiteres Mal auf die Schülerin einzugehen. Die Schülerin bedient sich wieder der Alltagssprache und benutzt eine Formulierung, die als Passepartout-Wort in jeder Situation eingesetzt werden kann: drauf machen. Da auch diese Formulierung für die Lehrkraft nicht angemessen ist, versucht sie nicht, erneut mit den beiden Schülerinnen gemeinsam eine Vokabel zu finden, sondern stellt ihnen das passende Ausdrucksmittel in Form eines korrektiven Feedbacks einfach bereit (Zeile 11). Diese Form der Rückmeldung findet häufig in Spracherwerbssituationen zwischen Erwachsenen und ihren Kindern statt. Bei einem solchen Vorgehen nimmt der eine Gesprächspartner (hier die Lehrkraft) die Formulierung des anderen (hier der Schülerin S2) auf und bietet diesem direkt die angemessene Variante seiner Formulierung (Drauf gemacht. Genau. Aufgetragen, nennt man das.) an. Der Dialog zeigt, dass in der Institution Schule von den SchülerInnen ein anderer Sprachgebrauch als in Alltagssituationen erwartet wird. Die Lernenden können vielleicht bestimmte Phänomene verstehen und diese sprachlich wiedergeben. Sie tun dies aber in erster Linie in der für sie gewohnten Alltagssprache und sind sich nicht immer darüber bewusst, dass die von ihnen produzierten Strukturen im schulischen Kontext nicht angemessen sind. Beide Schülerinnen können noch nicht nachvollziehen, was die Lehrkraft von ihnen einfordert, und bieten ihr trotz Einwänden und Nachfragen immer wieder alltagssprachliche Formulierungen an. Der Dialog verdeutlicht, über welche Sprachkenntnisse die Schülerinnen (nicht) verfügen. Der Lehrerin gelingt es nicht, die entsprechende Formulierung durch steuernde Fragen von den SchülerInnen zu erfahren, weil sie diese noch nicht beherrschen. Ihnen fehlt es an Wissen über Konventionen bezogen auf den Sprachgebrauch in verschiedenen situativen Zusammenhängen (vgl. Michalak 2013c). Demzufolge greifen sie auf die ihnen aus dem Alltag bekannten Bezeichnungen zurück. Die Institution Schule schafft für das Lehren und Lernen besondere sprachliche Anforderungen, für die die alltagssprachlichen Kompetenzen nicht ausreichen. Vielmehr sind hier bildungsrelevante Sprachkompetenzen gefordert. Die in diesem Kontext gebrauchte Sprache wird unter dem Begriff der Bildungssprache gefasst. Diese Bezeichnung - aufgegriffen von Gogolin (2006) - geht auf Habermas (1977) zurück, der mit der Bildungssprache das Sprachregister definierte, in dem man mit den Mitteln der Schulbildung ein grundlegendes Orientierungswissen erwerben kann. Bildungssprache wird heutzutage als ein sprachliches Register verstanden, das dem Wissenstransfer dient und nicht nur für die Institution Schule, sondern für jeden Bildungskontext grundlegend ist: Bildungssprache ist die Sprache, in der besonderes Wissen auf eine besondere Weise behandelt wird. Besonderes Wissen heißt: Wissen, das über das Alltagswissen hinausgeht - sowohl was die Herkunft des Wissens betrifft als auch im Hinblick auf die Breite und Tiefe der Verarbeitung. (Ortner 2009, 2227) Mit diesem Begriff wird auf die Verbindung zwischen den sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden und ihrem potenziellen Bildungserfolg hingewiesen (vgl. FöRMIG 2004-2009). Zugleich deutet diese Bezeichnung hin „auf die Verantwortung des Bildungssystems dafür, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu den entsprechenden sprachlichen Fähigkeiten erhalten“ (Gogolin, Michel 2010: 375). So steht die Bildungssprache im Fokus des aktuellen Diskurses über Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem, durchgängige Sprachbildung, fachübergreifende Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Der Begriff ist zu einer 10 Verben mit Präfixen (aufschütten, vollschütten, zuschütten usw.) stellen für DaZ-/ DaF-Lernende eine Hürde dar (vgl. Topalović, Michalak 2012). <?page no="53"?> 51 2.1. Alltagssprache - Bildungssprache - Schulsprache zentralen Leitvokabel und „die explizite Vermittlung der Bildungssprache als kulturelles Kapital“ (vgl. Feilke 2012: 4f.) zu einem erklärten Bildungsziel der Schule geworden. Die sprachliche Struktur der Bildungssprache wird durch ihre spezifischen Funktionen bestimmt. Die Bildungssprache dient in erster Linie dem Wissenstransfer (Morek, Heller 2012) und „fungiert […] als innersprachliche Verkehrssprache zwischen den Fachsprachen und vor allem für die Schriftlichkeit außerhalb der Fachsphären“ (Ortner 2009: 2229). Sowohl in der Schule als auch in außerschulischen Kontexten vermittelt die Bildungssprache zwischen der Alltagssprache und der Sprache spezieller Wissensgebiete, einschließlich der Wissenschaft (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2013: 14). Sie übernimmt auch die epistemische Funktion und gilt damit als ein Werkzeug des Denkens (vgl. Morek, Heller 2012: 75). Dies bedeutet, dass besonderes Wissen in und durch Bildungssprache erworben wird (vgl. Ortner 2009: 2227). Die Funktion der Bildungssprache geht aber darüber hinaus: Die (fehlenden) bildungsrelevanten Sprachkompetenzen können Bildungsungleichheiten hervorrufen. Denn: Die Bildungssprache ist […] ein Inventar von sprachlichen Mitteln, das einerseits für Bildungsprozesse eingesetzt wird, in dem aber zugleich in erheblichem Umfang schon Vorverständnisse konserviert worden sind. Sie ist deshalb gleichermaßen ein Bildungskapital. (Feilke 2012, 11) Bildungssprache wird damit als kulturelles Kapital angesehen, das jedoch nicht alle SchülerInnen mitbringen. Nicht alle Lernenden haben gleichermaßen Zugang zur Bildungssprache und können auf reichhaltige Spracherfahrungen zurückgreifen, die ihnen einen angemessenen Umgang mit diesem Register ermöglichen. Dies betrifft sowohl SchülerInnen mit DaZ als auch mit DaM. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Erwerb von bildungssprachlichen Fähigkeiten, vor allem konzeptionell schriftlicher Kompetenzen (s. Kap. 2.3), vom Elternhaus auf sehr unterschiedliche Weise unterstützt wird (vgl. Morek, Heller 2012: 77). Einige SchülerInnen erhalten einen reichhaltigen Input von ihrer Familie, andere erfahren sehr wenig Unterstützung von Zuhause. In bildungsorientierten Familien werden die Kinder sprachlich gefördert, wodurch der Erwerb der Bildungssprache bereits im frühen Vorschulalter beginnt. Der Zugang und Umgang mit der Schrift, das Vorlesen, Reimspiele, Theaterbesuche, eine gezielte Auswahl der Fernsehprogramme, die Begegnung mit verschiedenen sprachlichen Varietäten usw. spielen hier eine Rolle. Entscheidend für die Entstehung und Erklärung von Bildungsungleichheiten ist jedoch nicht, dass SchülerInnen mit ungleichen Bildungsvoraussetzungen in die Institution Schule kommen. Ausschlaggebend ist hierbei, wie die Schule mit diesen Ungleichheiten umgeht. Es scheint, dass entsprechende implizite schulische Erwartungen an die sprachlichen Fähigkeiten der SchülerInnen meist weder im Fachnoch im Sprachunterricht explizit thematisiert bzw. vermittelt werden […], sich aber dennoch durch implizite Erwartungen in lehrerseitigen Bewertungen und Notengebungen niederschlagen. (ebd.: 78) Bildungsungleichheit und Bildungsbenachteiligung entstehen somit in der Schule auf dreierlei Art und Weise: 1. Der Gebrauch der Bildungssprache wird nicht explizit thematisiert, sodass die SchülerInnen gar nicht wissen, dass sie ein anderes sprachliches Register verwenden sollen als jenes, das ihnen im Alltag zur Verfügung steht. 2. Bildungssprachliche Fähigkeiten werden nicht explizit vermittelt. Die SchülerInnen erhalten prinzipiell weder im Deutschnoch im anderen Fachunterricht Lerngelegenheiten, bildungssprachliche Fähigkeiten zu erwerben. <?page no="54"?> 52 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? 3. Bildungssprachliche Fähigkeiten werden trotz der unfairen Bedingungen in 1. und 2. einfach vorausgesetzt und darüber hinaus sogar benotet. Linguistisch weist die Bildungssprache besondere Eigenschaften auf, durch die sie sich von der Alltagssprache abgrenzen lässt. Sie bezieht sich auf fächerübergreifende Kommunikationskompetenzen (vgl. Budde, Michalak 2014: 21), auf den gemeinsamen sprachlichen Nenner verschiedener Schulfächer (vgl. Meyer, Prediger 2012: 2). Dieser Ansatz geht auf das Konzept „der wissenschaftlichen Alltagssprache“ von Ehlich (1995) zurück, das die gemeinsame sprachliche Grundlage für alle Fächer sowie eine Zusammengehörigkeit von sprachlichem und nichtsprachlichem Handeln vorsieht. Die Bildungssprache basiert auf der Alltagssprache. Dies wird dadurch deutlich, dass allgemeinsprachliche Lexik in Texten aller Fachbereiche die höchste Frequenz aufweist. Bestimmte Strukturen der Alltagssprache werden in der Bildungssprache bevorzugt und teilweise in spezieller Bedeutung angewendet (vgl. Fluck 2006). Die Bildungssprache orientiert sich jedoch stark an der Schriftsprache und unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem Register der Alltagssprache. Sie enthält einen hohen Anteil monologischer Formen, wie z.B. Aufsätze, Referate oder Vorträge. Sie ist nicht mehr - wie die Alltagssprache - in Situationen und Kontexte eingebunden: Während in der unmittelbaren Gesprächssituation - wie es in der Alltagskommunikation meist der Fall ist - beide Gesprächspartner präsent sind und die Wirksamkeit der eigenen sprachlichen Äußerung durch Nachfragen sofort überprüft werden kann, muss im Schriftlichen die Reaktion des Lesers antizipiert werden. Der Schreiber/ Sprecher muss seine Äußerungen präzise formulieren und sich überlegen, ob seine Mitteilung für den Leser/ Zuhörer nachvollziehbar ist. Im Bereich des Wortschatzes werden in der Bildungssprache daher eindeutigere, präzisere Ausdrücke als in der Alltagssprache verwendet (auftragen versus drauf machen). Die Bedeutung der Wörter ist durch exakte Definitionen festgelegt. Auch bestimmte Wortbildungsregularitäten oder Entlehnungen aus fremden Sprachen sind für die Bildungssprache kennzeichnend. Auf der Satzebene findet man in der Alltagssprache viele Hauptsätze, während in der Bildungssprache komplexere Sätze wie Konditional- oder Relativsätze überwiegen. Auch erweiterte Attribute oder unpersönliche Formen, wie z.B. Passiv- oder Man- Sätze, sind für die Bildungssprache charakteristisch. Die Bildungssprache umfasst sprachliche Formate und Prozeduren von Sprachhandlungen, wie sie beim Beschreiben, Erklären, Vergleichen, Interpretieren oder Analysieren auftreten. Diese kognitiv-sprachlichen Diskursfunktionen sind für den Unterricht zentral (vgl. Vollmer, Thürmann 2013: 46). Sie besitzen einen gemeinsamen, fächerübergreifenden Kern, aber auch eine domänenspezifische Ausprägung. Dies ist am Beispiel einer Erklärung sichtbar. Diese enthält immer ein Explanandum und ein Explanans, d.h. es muss unterscheidbar sein, was erklärt werden soll und welche Aussagen zur Erklärung des Sachverhalts dienen (vgl. Jahr 2000: 391). Dieser Aufbau ist im folgenden Satz zu finden: „Die Heizungsrohre sind geplatzt, weil es heute Nacht Frost gegeben hat und weil die Glaswatteverkleidung für die Heizungsanlage nicht geliefert worden ist.“ (vgl. ebd.: 391) Der zu erklärende Sachverhalt (das Explan andum), hier der Funktionsausfall der Heizung, wird durch erklärende Aussagen (das Explan ans), hier die Ursachen für den Funktionsausfall (Frost und fehlende Glaswatteverkleidung) charakterisiert. Diese sprachliche Struktur der Erklärung ist in allen Fachrichtungen gleich. Trotzdem unterscheidet sich eine Erklärung im Mathematikunterricht ganz wesentlich von einer Erklärung im Fach Geschichte, in dem z.B. die zeitliche Einbettung die entscheidende Rolle spielt (vgl. Michalak 2013c: 214). Die Bildungssprache erfasst nun durch ihre fachspezifische Überformung die fachlichen Spezifika von Erklärungen, aber auch die oben beschriebenen, fächerübergreifenden bildungsrelevanten sprachlichen Strukturen und Gemeinsamkeiten. <?page no="55"?> 53 2.1. Alltagssprache - Bildungssprache - Schulsprache Tückisch wäre es zu denken, dass der Gebrauch der Bildungs- und Alltagssprache in der Schule eindeutig getrennt werden kann. Die SchülerInnen nutzen die Alltagssprache und bauen ihre bildungssprachlichen Kompetenzen darauf auf. Der komplexen Sprache können sie sich schrittweise nähern. So unterscheiden sich ihre mündlichen Äußerungen untereinander von Mitteilungen, die an die Lehrkraft gerichtet sind. In einem schriftlichen Text, der nach stilistischen Konventionen (Versuchsbeschreibung oder eine Definition im Lexikon) formuliert wird, wird der Unterschied noch deutlicher: 1. Ein Kind sagt beim Experiment in der Kleingruppe und zeigt dabei auf die Stecknadeln: „Guck, der bewegt sich. Die da sind nicht hängen geblieben.“ 2. Dasselbe Kind berichtet der Lehrerin: „Wir haben herausgefunden, die Stecknadeln bleiben an dem Magneten hängen.“ 3. Das Kind schreibt in einer Versuchsbeschreibung: „Unser Experiment zeigt, dass Magnete einige Metalle anziehen.“ 4. Aus einem Kinderlexikon: „Magnetische Anziehung tritt nur zwischen Eisenmetallen auf.“ (Gibbons 2002, zit. nach Quehl, Scheffler 2008: 67) Ausgehend von der Alltagssprache mit deiktischen Elementen (Beispiel 1: der, die da) bezieht sich der Sprecher auf einen konkreten Fall. Wendet sich das Kind an die Lehrerin, die an dem Experiment nicht unmittelbar beteiligt war, versucht es, den Vorgang sprachlich zu präzisieren und kontextentbunden zu formulieren. Ähnlich wie in den Äußerungen 3 und 4 werden keine gemeinsamen Erfahrungen vorausgesetzt. Die angewandte Sprache wird abstrakter. Durch syntaktische Mittel (Nominalisierung: magnetische Anziehung) und fachsprachlich angemessenere Formulierungen (Anziehung tritt auf) werden die Informationen verdichtet. Der unterschiedliche Sprachgebrauch in Lehr- und Lernsituationen und im Alltag bringt didaktische Konsequenzen mit sich. Diese ergeben sich zum einen aus der Spezifik dieser Register, ihrer Struktur und Funktion. Zum anderen spielen die sprachlichen Ressourcen der SchülerInnen eine wichtige Rolle. Nicht alle SchülerInnen bringen zwar bildungssprachliche Erfahrungen mit, die meisten verfügen aber über alltagssprachliche Kompetenzen. Diese Rahmenbedingungen können im Unterricht bewusst genutzt werden, um zwischen der Sprache des Verstehens und der Sprache des Verstandenen zu differenzieren (vgl. Gallin, Ruf 2010: 22). Verstehensresultate und damit menschliche Erkenntnisse sind in der Sprache des Verstandenen (Bildungssprache und Fachsprache) festgehalten. Diese Sprache ist ökonomisch und effizient. Sie setzt breite Vorkenntnisse voraus, die in ihr verdichtet werden. Die Sprache des Verstehens dagegen ist die Sprache, in der Erkenntnisse in einer Sprachvariante festgehalten werden, die den eigenen sprachlichen Ressourcen entspricht (z.B. Alltagssprache). Sie ist den SchülerInnen zugänglicher; durch sie können die Lernenden in einem ersten Schritt die Sachinhalte für sich verständlicher auslegen. Der Unterricht sollte sich immer von der Sprache des Verstehens zur Sprache des Verstandenen bewegen, d.h. von der Alltagszur Bildungs-/ Fachsprache. Die SchülerInnen sollten zunächst die Gelegenheit haben, ihr Verständnis und ihre Beobachtungen mit den ihnen verfügbaren sprachlichen Kompetenzen zu beschreiben. Erst dann sollte die Darstellung der Inhalte über das Register der fächerübergreifenden Bildungssprache in dem der Fachsprache erfolgen. Die SchülerInnen sollten damit die Möglichkeit erhalten, denselben Erkenntnisweg zu gehen wie Fachleute oder Forscher, die sich mit einer Forschungsfrage befassen: Auch die Forscher bedienen sich singulärer, vorläufiger Sprechweisen, wenn sie in der ‚Vorschau-Perspektive‘ in unbekannte Gebiete vorstoßen. Erst wenn alles klar und gesichert ist, entstehen in der ‚Rückschau‘ erklärende Publikationen, die sich der regulären Fachsprache bedienen. (Gallin, Ruf 2010: 22) <?page no="56"?> 54 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Rincke (2010b: 60) spricht in diesem Zusammenhang auch von dem didaktischen Vorrang des Inhalts vor der Form. Ein Unterricht, der sich darauf beschränkt, Inhalte nur in der Sprache des Verstandenen (Bildungs- und Fachsprache) zu vermitteln, „überlässt Bildung dem Zufall und produziert reihenweise Schädigungen“ (vgl. Gallin, Ruf 2010: 22). Die weitere didaktische Schlussfolgerung ist der Spezifik des schulischen Lernens geschuldet. „Im schulischen Kontext lebt die Bildungssprache vor allem als Schulsprache“ (vgl. Ortner 2009: 2229). Diese sog. Schulsprache bezieht sich auf das Lehren und wird für didaktische Zwecke eingesetzt (vgl. Feilke 2013: 113). Sie schließt nicht nur Sprach- und Sprachgebrauchsformen, sondern auch Spracherwartungen ein (vgl. Feilke 2012: 5). Im Gegensatz zur Bildungssprache ist das Register der Schulsprache unmittelbar an die Institution Schule gebunden und hat auch nur hier ihren Ort. Schulsprache beinhaltet sprachliche Mittel, die der Organisation des Schulalltags dienen, wie „Holt eure Bücher raus.“ oder „Wer hat die Hausaufgaben für heute gemacht? “, aber auch Sprachformen, die ausschließlich für didaktische Zwecke in der Schule gebraucht werden (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2013: 14). So handelt es sich beispielsweise bei einer Erörterung oder Erzählung einer Bildergeschichte um Textformen, die außerhalb der Schule keine Bedeutung haben. Zugleich wird die Schulsprache durch schulsprachliche Erwartungen seitens der Lehrkräfte beeinflusst, die häufig von den kommunikativen Erwartungen und Anforderungen von Texten abweichen (vgl. Feilke 2013: 114). Erklärt ein Schüler den Witz einer Bildergeschichte mit einem Satz: „Der Witz besteht in Bild 5“ (vgl. ebd.), so hat er die für den Witz relevante Bildsequenz zwar erkannt und die Aufgabe korrekt gelöst. Seine Antwort entspricht aber nicht den Erwartungen der Lehrkraft, die eine ausführliche Erklärung erwartet hat. SchülerInnen müssen demnach häufig einen Text oder eine Aufgabe künstlich expandieren, um der Lehrkraft eigenes Wissen zu präsentieren. Diese Expandierungserwartung oder „Explizitheitserwartung“ im Sinne von Feilke (2013) ist zumeist nicht kommunikativ begründet, sondern dient der Darstellung von Wissen. Sprache wird hierbei als Instrument zur Leistungsüberprüfung gebraucht, was auch für jeden Fachunterricht gilt (vgl. Antos 1996: 194). Nur die SchülerInnen, die diese Erwartungshaltung der Lehrkräfte kennen, können mit dieser umgehen. Sie wissen, dass sie der Lehrkraft einen möglichst ausführlichen und korrekten Text anbieten müssen, um damit eine gute Note zu erzielen. Für die didaktische Vorgehensweise bedeutet dies, dass die Lehrkräfte ihre Erwartungen an die SchülerInnen transparent machen sollten. Zum einen müssen sie den SchülerInnen zeigen, welche Sprache sie verwenden sollen. Zum anderen sollen sie den Lernenden die funktionale Einbindung des Registers verdeutlichen. Bildungssprache erfüllt keinen Selbstzweck. Denn es geht nicht darum, etwas möglichst „kompliziert“ oder „schwierig“ auszudrücken. Beim Schreiben eines Versuchsprotokolls soll beispielsweise Passiv nicht zum Thema einer isolierten Übung werden, sondern es soll begründet werden, warum solche Konstruktionen in Protokollen zu verwenden sind (vgl. Feilke 2012: 12). So kann den SchülerInnen deutlich gemacht werden, dass im Passiv die Handlung bzw. der Vorgang im Vordergrund steht und nicht die handelnde Person. Mithilfe von Versuchsprotokollen sollen durch Experimente gewonnene Erkenntnisse der Nachwelt zugänglich gemacht werden. Es ist nebensächlich, wer diese Erkenntnisse gewonnen hat. Zentral ist die Frage, wie sie gewonnen wurden. Im Versuchsprotokoll steht also die Handlung im Fokus, nicht der Handelnde. Damit ist der Gebrauch von Passivformen funktional bedingt. Der Leser eines Versuchsprotokolls soll anhand dieses Protokolls in die Lage versetzt werden, den Versuch zu wiederholen und dabei die gleichen Ergebnisse zu erzielen. Der Erkenntnisweg muss nachvollziehbar sein und genau dies müssen die SchülerInnen erfassen. Nur so ergeben sich Kontexte, „[…] in denen der Formgebrauch ebenso wie deren Reflexion pragmatisch motiviert ist“ (vgl. ebd.). <?page no="57"?> 55 2.2 Fachsprachen in der Schule 2.2 Fachsprachen in der Schule Einstiegsaufgabe: Lesen Sie die folgende Formel: E = mc 2 Versuchen Sie, diese zu erklären. Überlegen Sie, welche Kompetenzen bei der Erschließung und Erklärung der Formel benötigt werden. Die Äquivalenz von Masse und Energie ist die berühmteste Formel der Welt, die sich aus der Relativitätstheorie herleitet. Um Einsteins Satz in seiner prägnanten und präzisen Form lesen zu können, müssen wir zunächst über mathematisches Wissen verfügen. Vorausgesetzt wird, dass die LeserInnen eine Gleichung erschließen können. Die Symbole werden nicht wie einzelne Buchstaben und Zahlen ohne Verknüpfung gelesen, sondern stehen für bestimmte Operationen (Multiplikation und Potenz). Dieser Code muss den RezipientInnen bekannt sein. Hinzu kommt das Wissen darüber, wofür die einzelnen Buchstaben stehen. Das kleingeschriebene c bedeutet weder die Abkürzung für das chemische Element Kohlenstoff (Latein: carboneum), noch ist es das römische Zahlzeichen für den Wert 100. Es ist das Formelzeichen für Lichtgeschwindigkeit: Energie ist gleich der Masse multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Die Groß- und Kleinschreibung ist hierbei von besonderer Bedeutung. Fachexperten nutzen nicht nur die Buchstaben als solche, sondern auch ihre Schreibweise (Groß- oder Kleinbuchstabe), um bestimmte Einheiten, Größen und Konstanten innerhalb von Gleichungen nach den Konventionen des jeweiligen Faches darzustellen. Die Versprachlichung der Formel hängt also mit deren Fachlichkeit zusammen. So erfordert die Erschließung und Erklärung der Formel neben Kenntnissen aus der Mathematik auch Kenntnisse aus dem Bereich Physik: Die Gleichung besagt, dass Masse und Energie gleichwertig sind und dass Materie und Energie ineinander umgewandelt werden können (vgl. Großmann 2012). Die Bildungssprache ist keine einheitliche Sprachvariante: Im Laufe der Schulzeit wird sie komplexer und sie differenziert sich immer stärker abhängig von der Schulstufe bezüglich Abstraktionsniveau, Sprachform und KommunikationsteilnehmerInnen (vgl. Roelcke 2010: 30f.). Sie variiert von Fach zu Fach und wird zu einer Fachsprache. Dies verdeutlicht die Einstiegsaufgabe, die Ihnen als LeserInnen die sprachliche und fachliche Komplexität von Erklärungen fachspezifischer Sachverhalte veranschaulichen sollte. Die Sprache wird hier sowohl fächerübergreifend (Formelzeichen, Gleichung) als auch domänenspezifisch (Symbole, Interpretation) angewendet. Sie ist von dem fachlichen Wissen geprägt und daran gebunden. Dabei variiert die Darstellungsform der Sprache, indem die Formel verbal erklärt wird. Fachinhalt und Fachsprache, Fachdisziplin und Fachdiskurs sind untrennbar miteinander verbunden. Dies zeigt die Spezifik der Fachsprachen. Fachsprache ist eine Sprachvariante, die in einem Fachbereich gebraucht wird. Sie umfasst sprachliche Mittel und Formen, mit denen sich Fachexperten über ein Fachgebiet optimal verständigen können (vgl. Hoffmann 1982: 2). Daher gibt es mehrere Fachsprachen, z.B. die Fachsprache der Wirtschaft, des Handels, der Politik und auch die Fachsprache der Linguistik, der Chemie, der Kunst oder der Philosophie. Sie ist durch eine besondere Distribution von Redemitteln gekennzeichnet. Im Gegensatz zur Alltagssprache ist sie aber sehr eng und präzise an bestimmte Denkweisen oder logische Arbeitsweisen des jeweiligen Fachbereichs geknüpft. Ohne Kenntnis der Denkstrukturen kann von Beherrschung der Sprache eines Faches nicht die Rede sein. Fachsprache steht im Dienste der Genauigkeit und Objektivität, der Sachlichkeit und Logik, der Klarheit und Fasslichkeit (vgl. Hoffmann 1984: 239). Dies bestimmt die sprachlichen Formen: Die sprachlichen Mittel werden in der Fachkommunikation fachbezogen und meist kontextentbunden gebraucht, um präzise und knapp (Sprachökonomie) Sachverhalte . <?page no="58"?> 56 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? zu erläutern. Ein Begriff bezieht sich dabei auf eine bestimmte Erscheinung (Eindeutigkeit) und wird durch seine Definition abgegrenzt (Exaktheit) (vgl. Roelcke 2009: 11f.). Im schulischen Kontext begegnen die SchülerInnen mehreren Fachsprachen. Während in der Grundschule viele Fachrichtungen, beispielsweise Geographie und die naturwissenschaftlichen Disziplinen der Chemie, Biologie sowie Physik noch gemeinsam in einem Fach, dem sogenannten Sachkundeunterricht, erteilt werden, findet beim Eintritt in die Sekundarstufe meistens eine domänenspezifische Differenzierung dieser Fächer statt. Mit dieser Ausdifferenzierung in die unterschiedlichen Fachrichtungen ist eine Orientierung an den entsprechenden wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen und damit auch an den sprachlichen Ressourcen, derer sich die Fachbereiche auf unterschiedliche Weise bedienen, verbunden (vgl. Riebling 2013: 39). Die jeweiligen Fachsprachen haben sich über mehrere Jahrhunderte hinweg aus den unterschiedlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung entwickelt und stellen zugleich einen Teil der Tradition jedes Faches dar. Auch im Zusammenhang des schulischen Lernens unterscheiden sich die spezifischen sprachlichen Mittel, die innerhalb der einzelnen Fächer verwendet werden. So gibt es beispielsweise Textformen, wie die Beweisführung in der Mathematik, die Interpretation von Gedichten im Fach Deutsch oder diskontinuierliche Darstellungsformen (Grafiken, Diagramme oder Tabellen), wie die Blütendiagramme in der Biologie oder Karten in der Geographie, die eng mit den Inhalten der Fachdisziplinen verknüpft sind und in anderen Fächern nicht anzutreffen sind. Eine Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen im Deutschunterricht reicht folglich nicht aus, um die SchülerInnen auch im Fachunterricht in ihrem Spracherwerb zu unterstützen. Die Sprachenfächer können die fächerübergreifende Kommunikationskompetenz vermitteln. Sie können es jedoch nicht leisten, fachsprachliche Varietäten domänenspezifisch außerhalb ihres Fachbereichs situationsgerecht zu betrachten (vgl. Budde, Michalak 2014: 20). Es ist „schwer, Kinder und Jugendliche durch bloßes Nachdenken über Fachsprachen im Deutschunterricht zu einer selbstständigen Verbesserung ihrer fachkommunikativen Kompetenz selbst zu bewegen - geschweige denn ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, wie sie dies erreichen können“ (Roelcke 2009: 7). Diese Aufgabe kann nur der Fachunterricht selbst aufgrund seiner eigenen historisch gewachsenen Diskurskulturen übernehmen und zur Entwicklung dieser fachbezogenen Teilkompetenzen beitragen. 2.2.1 Besonderheiten der deutschen Fachsprachen Als Grundlage für die Entwicklung pragmatischer und kognitiver Kompetenzen in der fachlichen Kommunikation gelten Kenntnisse der spezifischen Eigenschaften der Fachsprachen. Strukturelle Besonderheiten der Fachsprachen im Bereich des Wortschatzes, der Grammatik und des Textes tragen zur Effizienz der Fachsprachen bei (vgl. Roelcke 2009: 11). Diese spezifischen Merkmale (vgl. Abb. 17) können für die SchülerInnen zur Herausforderung werden. 2.2.1.1 Merkmale im Bereich des Wortschatzes 11 Auf der Wortebene sind dies vor allem Fachtermini, wie gerinnen, Nahrung, Speiseröhre oder unverdaulich (s. Abb. 14). Einige dieser Vokabeln müssen als neue Fachbegriffe gelernt werden, wie z.B. Nahrung als Synonym für Essen und Trinken. Auch Entlehnungen aus anderen Sprachen - insbesondere aus dem Lateinischen, Griechischen und Englischen - sind üblich, z.B. Kohlenhydrate. Die neuen Fachbegriffe, die ausschließlich der betreffenden Fachsprache 11 Die fachsprachlichen Phänomene werden in den folgenden Unterkapiteln hauptsächlich an Beispielen erläutert, die sich auf den doppelseitigen Lehrwerksauszug aus dem Fach Biologie beziehen (s. Abb. 14). <?page no="59"?> 57 2.2 Fachsprachen in der Schule angehören (sog. intrafachlicher Fachwortschatz, vgl. Roelcke 2010: 57), werden im Unterricht erklärt. Denn die Bedeutung des Fachwortschatzes ist in Form verschiedener Definitionstypen festgelegt. Es kommt jedoch häufig vor, dass die Fachbegriffe mithilfe von Vokabular definiert werden, das selbst zuerst erläutert werden müsste (vgl. Snow 2010: 452). Andere Wörter sind den SchülerInnen vermutlich aus dem Alltag bekannt, wie z.B. fettarm oder unverdaulich. Solche Begriffe kommen in der Allgemeinsprache vor, sind jedoch in der Fachsprache präzisiert (vgl. Wille 1978: 183f.). Zu einer Herausforderung für die Lernenden können Begriffe werden, die ihnen zwar aus dem Alltag geläufig sind, aber im Fachkontext eine neue Bedeutung erhalten. In dem Textauszug aus dem Lehrwerk kann in diesem Sinne etwa das Wort Stärke (im Alltag: körperliche Kraft, Macht, in Chemie/ Biologie: eine organische Verbindung als Reservestoff in pflanzlichen Zellen) oder Eiweiß (im Alltag: Bestandteil des Hühnereis, in Chemie/ Biologie: eine organische Verbindung) gerade für diejenigen sprachlichen AnfängerInnen problematisch werden, die über die nötige Sachkompetenz noch nicht verfügen. Viel deutlicher ist es am Beispiel des Wortes Koks (s. Abb. 2) zu sehen, mit dem die meisten SchülerInnen heutzutage vermutlich die pulverförmige Rauschdroge und nicht den kohlenstoffhaltigen Brennstoff assoziieren. Solche Bedeutungsveränderungen betreffen auch Kollokationen, d.h. spezifische inhaltliche Wortkombinationen bzw. Anordnung der Wörter. Dies kann exemplarisch am Beispiel der Kraft verdeutlicht werden. Während man im Alltag z.B. von Muskel-, Seh- oder Willenskraft spricht, ist der Begriff Kraft in der Physik anders definiert: In der Physik hat man keine Kraft, sondern man kann lediglich die Wirkung von Kräften in Form von Bewegungsänderungen, Verformungen oder Materialumwandlungen beobachten (vgl. Bannwarth et al. 2007: 27). Daher sagt man in der Physik, dass eine Kraft auf etwas ausgeübt wird (vgl. Rincke 2010a: 247). Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass die SchülerInnen nicht nur das eine Wort und dessen Konzept lernen müssen, sondern auch die Kollokationen, also typische sprachliche Verbindungen, die fachlich angemessen sind. Die Lernenden verknüpfen solche Fachbegriffe mit Konzepten aus dem Alltag, die von den Konzepten des Faches divergieren und demzufolge im fachlichen Kontext nicht mehr tragbar sind. Dies sollte bei der Einführung des Fachvokabulars berücksichtigt werden. Denn Fachbegriffe umfassen ganze Bedeutungssysteme. Die SchülerInnen müssen also sowohl das mit einem Fachwort bezeichnete Konzept kognitiv durchdringen als auch den dazugehörigen Fachterminus erlernen. Fachinhalt und Fachtermini sind im Fachunterricht untrennbar miteinander verbunden. Nicht nur alltägliche Begriffe können im fachlichen Kontext eine Bedeutungsveränderung erfahren, sondern auch einmal eingeführte Fachtermini. In der Grundschule wird der Begriff der Multiplikation im Mathematikunterricht als fortgesetzte Addition eingeführt, bedeutet also die Vergrößerung von Zahlen. In der weiterführenden Schule erfährt der Begriff im Kontext der Bruchzahlen eine Bedeutungsveränderung. Beim Rechnen mit Brüchen greift das Konzept der Multiplikation als Vergrößerung von Zahlen nicht mehr, sondern kann Gegenteiliges bewirken: Multiplizieren kann bei Brüchen zur Bildung von immer kleineren Anteilen führen, folglich verkleinern (vgl. Hefendehl-Hebeker, Prediger 2006: 3f.). Die Mathematik und die Naturwissenschaften fordern von den Lernenden, dass sie mit den Fachtermini je nach Bedingung variabel umgehen (Bedingungsdenken) und nicht an ihnen als starre Bezeichnung für eine Bedingung (Schubladendenken) festhalten (vgl. Bannwarth et al. 2007: 8). Ein weiteres Merkmal der Fachsprachen auf der Wortebene sind Metaphern, d.h. sprachliche Ausdrücke, deren traditionelle Bedeutung in einen anderen Zusammenhang übertragen wird. Solche assoziativen Denkstrukturen werden in der Fachsprache angewendet, „indem neu entdeckte oder geschaffene Gegenstände, Sachverhalte oder Vorgänge mit bereits bekannten in Verbindung gebracht, miteinander verglichen und gegebenenfalls mit deren Bezeichnungen gekennzeichnet werden“ (vgl. Roelcke 2010: 75). <?page no="60"?> 58 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? <?page no="61"?> 59 2.2 Fachsprachen in der Schule Abb. 14: Doppelseitiger Auszug aus einem Lehrwerk, Bereich Biologie 5./ 6. Klasse Hauptschule (Sudeik, Vorwerk 2008: 178f.) <?page no="62"?> 60 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? In diesem Sinne werden beispielsweise Eigenschaften, die sich auf menschliche Merkmale wie Psyche, Intelligenz oder Selbständigkeit beziehen, auf naturwissenschaftliche Sachverhalte übertragen (vgl. ebd.). So wird das Wort der Magen als ein handelndes Subjekt in der Formulierung Der Magen sammelt die zerkaute Nahrung gebraucht. Die bildlichen Übertragungen helfen, verschiedene, auch komplexe Erfahrungsbereiche zu strukturieren und greifbar zu machen (vgl. Peyer; Künzli 1999: 179). Ist die Analogie zur ursprünglichen Bedeutung des Ausdrucks sehr eng, können Metaphern vermutlich helfen, einen Sachverhalt besser zu verstehen. Dies ist jedoch meistens nicht der Fall: Durch ihre Kontextabhängigkeit können Metaphern Anlass für Missverständnisse sein (vgl. Roelcke 2010: 74). Um sie zu erschließen, ist häufig kulturelles Wissen notwendig, das insbesondere Lernende mit DaZ erst bewusst erwerben müssen. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen und sie eventuell zu erläutern. Auch bei der Wortbildung weisen Fachsprachen charakteristische Merkmale auf. Viele Fachtermini sind Komposita, d.h. zusammengesetzte Wörter, wie z.B. Gallenblase (Galle + Blase), Blinddarm (blind + Darm) oder Speicheldrüse (Speichel + Drüse). Sie können auch aus mehreren Einheiten bestehen, z.B. Bauchspeicheldrüse (Bauch + Speichel + Drüse) oder Dünndarmwand (dünn + Darm + Wand) (s. Abb. 14). Komposita sind nicht nur Zusammensetzungen von Nomen (Mageninhalt = Magen + Inhalt), sondern auch von Adjektiven (silbriggrau = silbrig + grau), von Nomen mit Adjektiven (gasförmig = Gas + förmig) oder Adjektiven mit Nomen (Dickdarm = dick + Darm). Der am meisten verbreitete Worttyp im Deutschen sind sog. Determinativkomposita, d.h. Zusammensetzungen, in denen der letzte Bestandteil (sog. Grundwort oder Determinatum) der Kern des ganzen Wortes ist. Er determiniert das Bestimmungswort (sog. Determinans) und legt seine morphosyntaktischen und semantischen Merkmale fest (vgl. Eisenberg 2006: 226). So bestimmt das Grundwort Säure die grammatischen Kategorien des Wortes: Salzsäure ist wie Säure ein feminines Substantiv und wird genauso flektiert, obwohl das Wort Salz Neutrum ist (das Salz). Die letzte Einheit bestimmt auch die Wortart des Kompositums. So ist bei dem zusammengesetzten Wort kraftvoll das Grundwort ein Adjektiv (voll) und das Bestimmungwort ein Nomen (Kraft). In ihrer Zusammensetzung verbinden sie sich zu einem Adjektiv. Die Reihenfolge der Bestandteile ist für die Bedeutung des Determinativkompositums relevant: Das Bestimmungswort erläutert die Bedeutung des Grundwortes näher. Taschengeld ist daher nicht mit Geldtasche austauschbar. Diese Besonderheiten müssen von den SchülerInnen erkannt werden. Bei einigen Komposita führt die Zusammensetzung von zwei Wörtern zu einer völlig neuen Bedeutung, die nicht aus der Verbindung der Grundbedeutung der beiden Wörter ermittelt werden kann (vgl. Michalak 2009a: 38). In der Biologie gibt es hierfür zahlreiche Beispiele: Der Walfisch ist kein Fisch, die Hainbuche keine Buche und die Ochsenzunge nicht die Zunge des Ochsen (vgl. Gaebert, Bannwarth 2009: 155). Die Bedeutung solcher Wörter muss praktisch komplett neu erlernt werden. Fachlehrkräfte sollten daher das sprachliche Vorwissen der SchülerInnen, das unmittelbar mit dem fachlichen Vorwissen verknüpft ist, einbeziehen und sie darauf hinweisen, dass Komposita wie Schildkröte im fachlichen Kontext neue Bedeutungen zugewiesen werden können, die sich nicht aus der Verbindung von Bestimmungs- (Schild) und Grundwort (Kröte) herleiten lassen. Auch Wortbildungen über Prä- und Suffixe sind für die Fachsprachen typisch. Mit Wortbildungsaffixen (ent-, zer-, -ung, -keit usw.) werden neue Wörter generiert: entziehen, zerlegen, Fettzerlegung, Verdauungsflüssigkeit. Solche Wortbausteine haben häufig eine fachliche Bedeutung: <?page no="63"?> 61 2.2 Fachsprachen in der Schule In der Biologie sind Enzyme durch die Wortendung ‚-ase’ gekennzeichnet, Zuckerverbindungen enden auf ‚-ose’. Das Enzym Amylase katalysiert die Spaltung des Stärkemoleküls Amylose. (Prechtl 2014: 93) Die Bedeutung einiger Affixe lässt sich semantisch erklären, was den Lernenden die Erschließung des Wortschatzes erleichtern kann (vgl. Buhlmann, Fearns 2000: 29; Donalies 2007: 84- 86): Das Präfix entbezeichnet beispielsweise einen Vorgang, der vermieden oder aufgehoben wird (entfernen, entziehen). Mit der Vorsilbe erwird markiert, dass ein Vorgang beginnt (erblühen, ertönen), wogegen veru.a. ein Ende der Tätigkeit signalisiert (verblühen, verklingen). Mit dem Präfix zerwerden verschiedene Arten der Zerstörung bezeichnet (zerlegen, zerspalten). Adjektive werden mit -los oder -frei gebildet, um die Abwesenheit von Stoffen oder Gegenständen auszudrücken (bedingungslos, bleifrei). Das Suffix -lich modifiziert die Bedeutung eines Wortes im Sinne einer Abschwächung oder Verallgemeinerung (säuerlich, süßlich) (vgl. Eisenberg 2006: 272). Manche Suffixe können terminologische Oppositionen bilden: lösbar (was gelöst werden kann) versus löslich (was sich löst). Daher sagen wir löslicher und nicht lösbarer Kaffee, aber eine lösbare Aufgabe (vgl. Michalak 2009a: 38). Für derartige inhaltliche Kombinierbarkeit sprachlicher Einheiten, d.h. die sog. Kollokationen, müssen die SchülerInnen sensibilisiert werden. 2.2.1.2 Merkmale im Bereich der Syntax Auf der Satzebene begegnen den SchülerInnen zahlreiche Merkmale der konzeptionellen Schriftlichkeit, die zu einer Erhöhung der Informationsdichte führen. Charakteristisch sind komplexe Satzstrukturen wie Konditionalsätze (s. Abb. 14: Wenn man gleichzeitig isst und redet, besteht die Gefahr des Verschluckens.), Relativsätze (Darüber hinaus tötet die Salzsäure Bakterien ab, die mit der Nahrung in den Magen gelangen.) oder Finalsätze (Damit ein Nahrungsbrocken nicht in die Luftröhre gelangt, legt sich beim Schlucken der Kehldeckel über die Öffnung der Luftröhre). Die Tatsache, dass die Sätze häufig mit dem Nebensatz beginnen, erschwert das Verständnis. Hinzu kommt, dass die Wenn-dann-Beziehung in Konditionalsätzen auch ohne die Konjunktion formuliert werden kann: Kaut man beispielsweise Knäckebrot längere Zeit im Mund, (…) stellt man fest, … Diese Konstruktion setzt voraus, dass die Lernenden erkennen, dass es sich um Bedingungsätze handelt. Die Sätze sind oft lang und verschachtelt wie z.B. Kaut man beispielsweise Knäckebrot längere Zeit im Mund, ohne zu schlucken, stellt man fest, dass es einen etwas süßlichen Geschmack bekommt. Um SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen das Verständnis zu erleichtern, lohnt es sich, den komplexen Satz in kürzere Hauptsätze zu zerlegen: Man kaut beispielsweise Knäckebrot längere Zeit im Mund. Man schluckt es nicht. Dann stellt man fest: Es (d.h. das Knäckebrot) bekommt einen etwas süßlichen Geschmack. Auch eine Wenn-dann-Konstruktion wäre an dieser Stelle hilfreich: Wenn man beispielsweise Knäckebrot längere Zeit im Mund kaut und (wenn man es) nicht schluckt, dann stellt man fest,... . Des Weiteren gehen häufig Nebensätze in Nominalisierungen auf und sind dann nicht mehr über Konjunktionen wie als, wenn, falls, obwohl etc. erkennbar. Eine Unterstützung für sprachlich schwächere Lernende ist es, solche Nominalisierungen in Sätze umzuwandeln, wie z.B. auf dem Weg durch den Körper = wenn die Nährstoffe durch den Körper wandern; beim Kauen im Mund = wenn man das Essen im Mund kaut; beim Schlucken = wenn/ während man die Nahrung schluckt. Dabei wird sichtbar, dass präpositionale Ausdrücke (Nach dem Schlucken rutscht die Nahrung nicht von allein in den Magen.) sich durch Hauptsätze mit Adverbien (Man schluckt die Nahrung. Danach rutscht sie nicht von allein in den Magen.) oder Nebensätze mit bestimmten Konjunktionen (Nachdem man die Nahrung geschluckt hat, rutscht sie nicht von allein in den Magen.) ersetzen lassen. Für die Lernenden ist es hilfreich, ihnen die <?page no="64"?> 62 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? synonyme Bedeutung solcher Konjunktionen, Adverbien und Nominalisierungen mit entsprechenden Präpositionen zu verdeutlichen und sie auf deren Gebrauch (Stellung der Wörter im Satz, notwendige Verbform, d.h. ein konjugiertes oder infinites Verb, oder Verbindungen mit einem bestimmten Kasus) hinzuweisen. Die bekannten Formulierungen können tabellarisch zusammengestellt (s. Abb. 15) und nach Bedarf bei der Textrezeption und/ oder -produktion regelmäßig eingesetzt werden. In der Fachsprache kommen häufig komplexe Nominalgruppen mit Linksund/ oder Rechtsattributen vor. Sie sind auch in dem Lehrwerksauszug (s. Abb. 14) vorhanden, z.B. in süß schmeckendem Zucker, die Gefahr des Verschluckens, einen festgelegten Weg durch den Körper. Attribute erschweren den Verstehensprozess von fachsprachlichen Texten durch ihre Komplexität, da sie zum Teil ganze Teilsätze in einem Satz miteinander verdichten. Auch hier kann die Auflösung von komplexen Nominalgruppen in Sätze oder mehrere Teilsätze den SchülerInnen als Hilfestellung für deren Verständnis dienen. In der Grundschule und zu Beginn der Sekundarstufe beginnt das Fachlernen, indem an die Erfahrungen der SchülerInnen angeknüpft wird. So werden die Lernenden durch die Formulierung wir angesprochen. Fachtexte werden dagegen meist in unpersönlicher Form verfasst. Hierfür werden das unpersönliche Pronomen man (Deswegen kann man sogar im Handstand ein Glas Wasser mit einem Schlauch trinken.) oder Passivkonstruktionen (Das geronnene Eiweiß wird von der Verdauungsflüssigkeit teilweise verdaut.) verwendet. Durch den Gebrauch von Passivsätzen wird der Vorgang der Handlung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt (s. Kap. 3.1). Dies stellt die SchülerInnen jedoch vor die Herausforderung, dass sie das konjugierte Hilfsverb (hier werden) und das bedeutungstragende Verb (hier verdaut) zunächst erkennen und beide miteinander verbinden müssen (vgl. Kuchenreuther 2012: 189). Notwendigerweise müssen sie mit der Satzklammer im Deutschen vertraut sein (d.h. finites Verb an der zweiten Stelle in Aussagesätzen, infinite Verbform am Ende des Satzes). Auch die Satzstellung in der Fachsprache weist charakteristische Merkmale auf. In zahlreichen Sätzen erscheint das Subjekt nicht wie üblich am Satzanfang, sondern nach dem finiten Verb. Durch diese bestimmte Anordnung im Satz werden ein Satzglied oder einzelne Wörter inhaltlich hervorgehoben, wie z.B.: Bei der Verdauung im Dünndarm (Bezug zu vorherigem Satz) werden Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate (Subjekt) in kleine Bestandteile zerlegt (s. Abb. 14). Eine solche Hervorhebung, die sog. Topikalisierung, hat die Funktion, die Information zu kennzeichnen, die im Kontext schon bekannt ist und auf die Bezug genommen wird. <?page no="65"?> 63 2.2 Fachsprachen in der Schule Abb. 15: Übersicht über die Entsprechungen der wichtigsten Konjunktionen, Adverbien und Präpositionen (A: Akkusativ, D: Dativ, G: Genitiv) Semantische Bedeutung Konjunktion (+ Nebensatz) Adverbien Präpositionen kausal: Ursache, Begründung für ein Geschehen bzw. für eine Aussage weil; da deshalb; deswegen; daher wegen + G; auf Grund + G; auf Grund von + D; aus + D; vor + D; mangels + G temporal: Zeitpunkt, Zeitdauer während als; wenn immer wenn nachdem; sobald seitdem; seit bis bevor; ehe währenddessen damals; da dann; danach; daraufhin seitdem; seither bis dahin davor; vorher; zuvor während + G bei + D; in + D; mit + D bei jedem + D nach + D seit + D bis + D; bis zu + D vor + D konditional: Voraussetzung, Bedingung (real/ nicht real) wenn; falls; im Falle/ vorausgesetzt, dass dann bei + D; mit + D; durch + A; unter + D; im Fall + G; im Falle von + D final: Zweck, Ziel, Motiv, angestrebte Wirkung damit; um … zu dazu; dafür zu + D; für + A, zwecks + G konsekutiv: Folge eines Sachverhalts bzw. Geschehens so … dass sodass infolgedessen; folglich; deshalb; deswegen; daher infolge + G; infolge von + D konzessiv: unwirksamer Gegengrund bzw. Einwand zu einem Sachverhalt obwohl; zwar … aber; auch wenn trotzdem; dennoch; allerdings trotz + G; ungeachtet + G; auch bei + D modal: Art und Weise indem; dadurch, dass …; ohne dass; anstatt dass …/ anstatt … zu; wie, als je … desto/ umso dadurch; damit; dabei durch + A; mit + D; unter + A; mittels + G; ohne + A; anstatt + G nach + D; entsprechend + D; laut + G/ D; gemäß + D; zufolge + D bei + D; mit + D; durch + A; unter+ D <?page no="66"?> 64 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? 2.2.1.3 Merkmale im Bereich des Textes Auf der Textebene finden sich Wiederaufnahmeelemente, die zur Kohärenz des Textes beitragen: Mehrere Wörter oder Wortgruppen verweisen inhaltlich auf denselben Sachverhalt. So entsteht der rote Faden des Zusammenhangs. Die LeserInnen müssen erkennen, dass beispielsweise ein Nahrungsbrocken, ein Bissen, ein Speisebrocken und die Nahrung auf das Gleiche hindeuten und synonym gebraucht werden (s. Abb. 14, linke Spalte, dritter Absatz). Eine solche Verweiskette kann durch verschiedene Wortarten wie z.B. Pronomina gebildet werden. So müssen die SchülerInnen identifizieren, dass sich z.B. das Pronomen sie auf die ganze Wortgruppe diese Bestandteile der Nährstoffe aus dem vorhergegangenen Satz bezieht (s. Abb. 14, rechte Spalte, zweiter Absatz). Der Verweis selbst kann ausschließlich über das Kontextwissen gelingen, das durch den gelesenen Text gesichert ist (vgl. Heringer 2011: 62). Das Verstehen von Personalpronomina ist insofern schwierig, als die Bezugswörter vieler Pronomina nur durch die Kenntnis des grammatischen Geschlechts der Wörter nachvollziehbar sind (vgl. Bergunde 2010: 233). Gelingt die Zuordnung zum Handlungsträger oder Bezugswort nicht, kann das Textverständnis erschwert werden. Als Wiederaufnahmeelemente können auch Adverbien fungieren. So sollte beispielsweise die Formulierung von dort auf einen Ort verweisen. In dem vorherigen Satz (s. Abb. 14: Der Dickdarm entzieht den unverdaulichen Nahrungsresten das Wasser.) ist jedoch der Ort auf den ersten Blick nicht erkennbar. Der Bezug erschließt sich vielmehr daraus, dass im davor stehenden Satz auf den Dickdarm verwiesen wird, als auf den Ort, wohin die unverdaulichen Bestandteile der Nahrung gelangen. Adverbien verweisen oft auf ganze Sätze oder Satzteile. Die Herausforderung bei der Texterschließung besteht darin, diese Bezugselemente herauszufiltern. In der Zusammenstellung: Die kräftigen Magenmuskeln können sich zusammenziehen. Dabei kneten sie den Magengehalt durch. verweist das Adverb dabei auf das Sich-Zusammenziehen der Magenmuskeln. Es deutet auf den parallelen Verlauf der in beiden Sätzen beschriebenen Prozesse hin. Jede schulische Fachsprache umfasst eine charakteristische Auswahl an Textmustern bzw. Textformen. Die Schulbuchtexte unterscheiden sich hier jedoch von den Fachaufsätzen (vgl. Buhlmann, Fearns 2000). In Lehrbuchtexten werden Methoden anschaulich beschrieben; eine kritische Betrachtung der Forschungsergebnisse findet dagegen nicht statt. Es wird „dort mehr definiert, beschrieben und erklärt als diskursiv argumentiert“ (Prechtl 2014: 96). Die Informationen werden als Faktenwissen dargestellt; die Zusammenhänge oder die kritische Diskussion der Erkenntnisse müssen die SchülerInnen selbst leisten. Allen Fachsprachen, auch denen im schulischen Kontext, ist der Gebrauch verschiedener Darstellungsformen gemeinsam. Neben der verbalen Repräsentationsform, den sog. linearen Texten, haben wir bisher noch die Formelsprache (s. Einstiegsaufgabe zu Kap. 2.2) betrachtet. Solche symbolisch-algebraischen Darstellungsformen stellen ein Spezifikum der Fachsprache im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften dar. Aufgrund ihrer Abstraktheit sind sie ein äußerst schwieriger Lerngegenstand in diesen Unterrichtsfächern (vgl. Meyer, Prediger 2012: 4). Auch Abbildungen, Diagramme, Grafiken, Karten, Skizzen und Tabellen sind für Fachsprachen charakteristisch. Die Funktion solcher diskontinuierlichen oder nichtlinearen Darstellungsformen besteht darin, komplexe Sachverhalte kurz, prägnant und übersichtlich zu erläutern (vgl. Haible 2011: 4). In Lehrbüchern finden sich diskontinuierliche Darstellungsformen in Kombination mit Texten oder als ihre Ergänzung. Die Verknüpfung der beiden Sprachformen und der damit intendierte Wechsel zwischen den Darstellungsformen sollen als Stütze <?page no="67"?> 65 2.2 Fachsprachen in der Schule dienen und das Erfassen von Informationen erleichtern (vgl. Ainsworth 2006). Daher werden nichtlineare Repräsentationsformate meist als sog. Lern- oder Visualisierungshilfen eingesetzt. Dabei wird jedoch häufig verkannt, dass Abbildungen, Diagramme oder Tabellen - ebenso wie lineare Textformen - nicht ohne weiteres nachzuvollziehen und deshalb nicht unbedingt einfach zu verstehen sind (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2012: 130). Ihre Potenziale können nur dann genutzt werden, wenn bereits fachsprachliches oder methodisches Vorwissen zum Erschließen solcher Formen vorhanden ist. Hierfür ist neben der schriftsprachlichen Kompetenz die Bildkompetenz, die sog. visual literacy, notwendig. Damit ist die Fähigkeit gemeint, visuelle Botschaften zu verstehen, selbst solche zu erstellen und diese kommunikativ nutzen zu können (vgl. Lewalter 1997: 44). Die Bilder sollen an das Vorwissen der Rezipienten anknüpfen, damit diese nachvollziehen können, worauf die Abbildungen referieren. Des Weiteren müssen die SchülerInnen lernen, u.a. Pfeile, Symbole, Legenden und Farben zu deuten. Eine nichtlineare Darstellungsform repräsentiert einen Sachverhalt meist nicht aufgrund von Ähnlichkeiten, sondern von Analogierelationen (s. Kap. 3.3.1). Demzufolge kann der Rezipient bei dem Versuch, ein Bild, ein Diagramm oder eine Karte etc. zu verstehen, nicht auf kognitive Schemata zurückgreifen, die der täglichen Wahrnehmung entsprechen (vgl. Schnotz, Dutke 2004: 72). Bilder erfordern eine „primär holistische Zugangsweise" (Ehlich 2005b: 59), d.h. einen ganzheitlichen Zugang. Während lineare Texte im Deutschen von links nach rechts gelesen werden, ist die Lesereihenfolge bei Bildern und Tabellen nicht starr festgelegt. Die LeserInnen bzw. BetrachterInnen des Bildes können meist frei entscheiden, an welchem Punkt der Abbildung, Grafik oder Tabelle sie mit der Betrachtung beginnen. Dies ist auch in dem Lehrwerksauszug bei der Darstellung der Verdauungsorgane und der Stationen der Verdauung der Fall (s. Abb. 14). So wird aus den beiden Abbildungen nicht unbedingt ersichtlich, ob die Betrachtung dieser von oben nach unten oder von unten nach oben zu erfolgen hat. Auch die Zuordnung der einzelnen Bilder rechts ist nicht offensichtlich und ohne Lektüre des Textes nicht möglich. Während in der verbalen Darstellung auf der rechten Seite des Lehrwerks die Informationen durch sprachliche Mittel auf Wort-, Satz- und Textebene explizit und im Zusammenhang erklärt werden, muss sich der Betrachter der Abbildung die Verknüpfungen selbst erschließen. Auch die Abbildungen alleine sind nicht eindeutig zu verstehen. Betrachtet man die Vergrößerung der Speiseröhre (Stationen der Verdauung 7b), so ist dort ein Nahrungsbrocken zu sehen. Dem Bild ist aber nicht deutlich zu entnehmen, dass hier Kontraktionen abgebildet sind, die die Nahrung nach unten drücken. Das bedeutet, dass das Bild ohne den dazugehörigen Text nicht zu erschließen ist. Hierfür ist auch die Kompetenz erforderlich, die Informationen der textuellen und bildlichen Elemente miteinander zu verknüpfen (vgl. Schnotz 2002: 80). Versucht man, den Text und die bildliche oder tabellarische Darstellung in Verbindung zu setzen, können falsche Rückschlüsse gezogen werden. Der Lehrwerkstext informiert beispielsweise: Besonders fette Speisen bleiben länger im Magen als fettarme Gerichte. Dabei wird auf die Tabelle (Verweildauer einiger Speisen im Magen) verwiesen. Der Sachverhalt wird jedoch verkürzt dargestellt, denn entscheidend ist nicht alleine der Fettgehalt der Speisen, sondern u.a. die Art ihrer Zubereitung (Wird das Gericht gekocht/ gebraten/ frittiert? Wird zusätzlich Öl/ Butter/ Mayonnaise etc. verwendet? ). Die Tabelle enthält aber keine Zusammenstellung des Fettgehalts der Gerichte. Sie weist auch nicht auf den Grund der Verweildauer der Speisen im Magen hin. Bei der Betrachtung der Tabelle im Kontext des Textes könnte folglich der falsche Eindruck entstehen, dass z.B. ein hartes Ei fetter als ein weiches Ei ist, da es länger im Magen verdaut wird. Ähnlich könnte man meinen, dass rohe Äpfel zu fettigen Speisen gehören. Die Verarbeitung von diskontinuierlichen Darstellungsformen wird durch die individuelle Verarbeitungskapazität und das Vorwissen der RezipientInnen beeinflusst. Wie beim Leseverstehen bringen die BetrachterInnen ihre eigene Biographie und Erfahrung mit, sodass das <?page no="68"?> 66 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Bildverstehen immer kulturell und individuell verschieden erfolgt. Dammann-Thedens und Michalak (2011) zeigen dies exemplarisch anhand der Rezeption von narrativen Bilderbüchern ohne Text. Ein Bild, auf dem die Mutter sich an ihren Sohn wendet und ihre Absicht mit zeigender Geste betont (s. Abb. 16), wird von SchülerInnen mit DaZ (5./ 6. Klasse, Hauptschule) unterschiedlich interpretiert: Schüler 1: „Da kommt die Mutter und schreit ihn an.“ Schüler 2: „Seine Eltern sagen zu ihm, dass er mitkommen soll.“ (ebd.: 89) Abb. 16: Zeigende Geste (Wiesner 2007: 26) Abhängig davon, ob die betrachtete Darstellungsform den bisher kennengelernten nichtlinearen Repräsentationsformen entspricht, wird mehr oder weniger Zeit für ihre Erfassung benötigt. Je umfangreicher das Vorwissen und je größer die Vielfalt der von den Lernenden kennengelernten nichtlinearen Darstellungsformen, desto eher können sie auch komplexe Formen rezipieren (vgl. Schnotz, Dutke 2004: 92). Bilder werden also umso besser verstanden, je eher die LeserInnen ein geeignetes kognitives Schema abrufen können. Liegen aber solche kognitiven Schemata nicht vor, besteht die Gefahr eines zu oberflächlichen Analysierens und eines fehlerhaften Verstehens. Werden SchülerInnen zur Erschließung der diskontinuierlichen Darstellungsformen nicht befähigt, kann es zum sogenannten „Abrutschen am Bild“ (vgl. Weidenmann 2004: 6) und zu Verständnisproblemen kommen. Dies betrifft sowohl Schemata, Grafiken, Karten und Diagramme als auch Abbildungen und ästhetische Bilder. Weidenmann geht dabei davon aus, dass das Bildverstehen ebenso wie das Leseverstehen ein Prozess ist, bei dem Bedeutungen neu generiert werden (vgl. ebd.). Das Betrachten eines Bildes erfasst mehr als den Vorgang des bloßen Abbildens. Die Bildkompetenz darf daher beim schulischen Lernen nicht vorausgesetzt werden und die nichtlinearen Darstellungsformen müssen im Unterricht explizit betrachtet werden. Die Konsequenz für den Unterricht besteht also darin, dass Lehrkräfte bildnerische und tabellarische Darstellungen mit den SchülerInnen besprechen und ihnen Möglichkeiten zur Aushandlung von Inhalten bieten sollen. Dies ist vor allem im Kontext des Fachunterrichts von Bedeutung, da die unterschiedlichen Fachrichtungen besondere diskontinuierliche Darstellungsformen bevorzugen. In der Geographie sind beispielsweise Karten, in den Sozialwissenschaften Grafiken oder Karikaturen und in der Biologie Mikroskopiezeichnungen von zentraler Bedeutung, weshalb im Fachunterricht selbst die Erfassung domänenspezifischer Repräsentationsformen erfolgen muss. Die SchülerInnen sollen aber nicht nur die verschiedenen Darstellungsformate rezipieren, sondern auch zwischen ihnen wechseln und sie kompetent verwenden können. Dies zeigen zum Beispiel die Bildungsstandards des Faches Biologie: Zum Kommunizieren im Fach Biologie werden vielfältige Texte und andere Informationsträger verwendet, wie etwa Bilder, Grafiken, Tabellen, fachliche Symbole, Formeln, Gleichungen und Graphen. Schülerinnen und Schüler erfassen den Informationsgehalt der verschiedenen Träger, beziehen sie aufeinander, verarbeiten sie und äußern sich dazu. Diese Fähigkeiten sind wesentlicher Bestandteil einer erweiterten Lesebzw. Verstehenskompetenz. (KMK 2004c: 11) <?page no="69"?> 67 2.2 Fachsprachen in der Schule Die Lernenden sollen zwischen den verschiedenen Formen flexibel wechseln, diese aktiv gebrauchen und nachvollziehen können. Die in einem Experiment ermittelten Werte werden zuerst tabellarisch dargelegt, von dort in ein Diagramm eingetragen und anschließend verbal interpretiert (vgl. Prechtl 2014: 95). Dies braucht Übung und Unterstützung seitens der Lehrenden. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Darstellungsformen kann für die SchülerInnen in zweierlei Hinsicht auch eine Lernchance darstellen. So werden im Mathematik- und naturwissenschaftlichen Unterricht die unterschiedlichen Darstellungsformen schon länger zur Binnendifferenzierung genutzt. Mit dem Wechsel zwischen den verschiedenen Darstellungsformen können unterschiedliche Lernertypen angesprochen werden. Während sich der eine Schüler fachliche Zusammenhänge über Schemata oder Tabellen erschließt, hilft dem anderen eventuell die Verschriftlichung der Inhalte in einem linearen Text mehr, weil in der schriftlichen Form die Inhalte fachsprachlich explizit entfaltet werden. Die unterschiedlichen Darstellungsformen können folglich als Mittel zur Binnendifferenzierung im Unterricht verwendet werden. Des Weiteren stellt der Wechsel zwischen den Darstellungen eine Möglichkeit zur Vertiefung und Vernetzung der inhaltlichen Konzepte dar (vgl. Meyer, Prediger 2012: 4). Meyer und Prediger gehen im Mathematikunterricht erst dann davon aus, dass eine Schülerin/ ein Schüler den mathematischen Inhalt sprachlich und fachlich durchdrungen hat, wenn sie/ er diesen in den verschiedenen Darstellungsformen darlegen kann. Die Tabelle (s. Abb. 17) gibt einen Überblick über die Besonderheiten von Fachsprache in den unterschiedlichen Fächern und auch in ihrem unterschiedlichen Auftreten. Damit können Sie jeweils für Ihr Fach feststellen, auf welche Phänomene Sie besonders zu achten haben. <?page no="70"?> 68 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Sprachliche Phänomene Beispiele aus verschiedenen Fächern Wortebene Fachwörter (oft Entlehnungen aus anderen Sprachen) Kohlenhydrate (B), basisch, oxidieren (C), konjugieren (D), Patrizier (G), Textur (K), Kathete (M), Allokation (S), dribbeln (Sp) Wörter aus dem Alltag mit Bedeutungsveränderung Aufstand (G), Alkohol, Koks, sauer, Stoff (C), Eiweiß (B), Wurzel, rational (M), Diät, abnehmen (P) , Atlas (erster Halswirbel) (Sp) Zusammengesetzte Fachwörter Wärmeenergie (C), Berichterstattung (D), Familienbildnis (K), teilerfremd (M), Bundesregierung, erwerbstätig (P), Lichtgeschwindigkeit (Ph), Muskelkater (Sp) Fachspezifische Abkürzungen und Kurzwörter PSE (C), f, m, n (D), Äq. (E), v. Chr. (G), kgV, sin (M), NATO, Hartz IV (P), EPO (Sp) Satzebene Funktionsverbgefüge (Feste Nomen-Verb- Verbindungen) Widerstand leisten (G); Arbeit verrichten (Ph), eine Abstimmung durchführen, in Kraft treten, Verhandlungen führen (P), zu Ende bringen (übergreifend) Nominalisierungen nach Erhitzen der Proteine (B), das Bestreben der Moleküle (C), das häufig vorkommende Erbeben (E), das Lösen der Gleichung xy (M), beim Aufwärmen (Sp) Passiv Im Jahre 410 wurde Rom von den Westgoten geplündert. (G); Der erste Summand wird um zwei erhöht. (M); Es wird eine Spannung angelegt. (Ph) Attribute Carcassonne mit doppeltem Mauerring aus dem 13. Jh., vollendet vom französischen König als Ausgangspunkt für die Unterwerfung und Kontrolle der umgebenden Region (G), der größte gemeinsame Teiler, (M), Abpfiff des Spiels (Sp), die zu lösende Aufgabe (übergreifend) Komplexe, verschachtelte Sätze Der Dünndarm ist in der Lage, alle Nährstoffe, die vom Magen weitergeleitet werden, in ihre Bausteine zu zerlegen. (B) Textebene Fachspezifische kontinuierliche Textformen Erörterung (D), Versuchsprotokolle, Exkursionsberichte (N), Beweis, Textaufgaben (M), politische Reden, Pressemitteilungen (S), Trainingspläne (Sp) Überwiegende diskontinuierliche Textformen ästhetische Bilder (D, K), Karten (G, E), Schemata, Schaubilder (N), Grafiken, Diagramme (E, S) Mittel zur inhaltlichen und sprachlichen Verknüpfung von Texten Wiederaufnahme durch Pronomen: Aber auch bei niedriger Temperatur wird Wasser zu Wasserdampf. Dieser Vorgang dauert länger. (SU) Wiederaufnahme durch Adverbien: Die elektrische Energie wird über Überlandleitungen transportiert, dabei gehen 5 % der Energie als Wärme an die Umgebung. (Ph) Abb. 17: Einige Besonderheiten der schulischen Fachsprachen mit Beispielen aus folgenden Fächern: B: Biologie, C: Chemie, D: Deutsch, G: Geschichte, E: Erdkunde, K: Kunst, M: Mathematik, N: Naturwissenschaften, P: Politik, Ph: Physik, SU: Sachunterricht, S: Sozialwissenschaften, Sp: Sport. <?page no="71"?> 69 2.2 Fachsprachen in der Schule 2.2.2 Horizontale und vertikale Gliederung von Fachsprachen Einstiegsaufgabe: Betrachten Sie die zwei Lehrwerksauszüge zum Thema „Römer“. Aus welchem Fachbereich stammen die Texte? Was unterscheidet sie? Stellen Sie Vermutungen an, welche Aufgaben zu den Texten angeboten werden. Text A Ein Brief an Germanen Mini grüßt Ursula in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium! Du wunderst dich sicher, dass wir in Rom und nicht in Pompeji sind. Also, das kam so: Mein Opa Romulus und Oma Terentia haben uns zur Hochzeit von Tante Paula eingeladen. Und weil Mutti ihre kleine Schwester so gern hat, hat sie Vati überredet, die Einladung anzunehmen. [...] Die Hochzeit war sehr aufregend. Opa Romulus hat uns erzählt, dass er und Oma Terentia Paula nicht gern aus dem Haus lassen, weil sie so ein liebes Mädchen ist. Darum hat er sie auch noch nicht mit zwölf Jahren verheiratet, sondern bis zu ihrem 16. Geburtstag gewartet, bis er ihr einen Bräutigam ausgesucht hat. Ich finde es ja eigentlich nicht richtig, wenn die Väter den Mann aussuchen, den die Töchter heiraten. Wir Mädchen sollten doch auch ein Wort mitzureden haben. Aber Quintus Fabius ist sehr nett und sieht wirklich gut aus und ich glaube, Paula mag ihn sehr gern. [...] (Fischer et al. 2005: 212) Text B Erlaubnis zu einem Bauprojekt (111 n. Chr.) Brief des Pilinius (62 - 113 n. Chr.), Statthalter in Bithynia, an Kaiser Trajan (98 - 117 n. Chr.) und die Antwort: Die Bewohner von Prusa, o Herr, haben ein unhygenisches und altmodisches Bad. Deshalb halten sie es für wichtig, eine neue Anlage zu bauen, und ich meine, Du könntest ihnen ihren Wunsch erlauben. Geld für den Bau wird nämlich ihnen zur Verfügung stehen, zunächst die Summen, die ich von Privatleuten gerade […] eintreibe. (Sauer 2008: 130) Beide Textauszüge stammen aus dem sechsten Schuljahr. Vermutlich haben Sie schnell erkannt, dass es sich bei Text A um einen fiktionalen Brief aus dem Deutschunterricht und bei Textversion B um ein historisches Schreiben aus dem Geschichtsunterricht handelt. In beiden Texten wird das Leben im Römischen Reich thematisiert. Obwohl dasselbe Thema behandelt wird, unterscheiden sich die Texte in ihrer Sprachform. Auch ihre Einbettung in den Unterricht und die damit verbundene Funktion sowie die Arbeitsweisen sind unterschiedlich. Darauf weisen die sprachlichen Mittel hin. Die Formulierungen in dem informellen Brief aus dem Deutschunterricht stilisieren die Sprache der Römer. Der Stil ähnelt sehr stark der Alltagssprache unserer Zeit, worauf die Bezeichnungen Mutti, Opa oder ein liebes Mädchen hindeuten. In dem fiktionalen Schreiben wird der fiktive Alltag im Alten Rom dargestellt. Dies sind Mittel, derer sich die Literatur bedient. Die historische Einbettung und die Wahrnehmung des Briefes als ein Beleg der zeitgenössischen Realität sind für den Deutschunterricht nicht so relevant, wie dies im Geschichtsunterricht der Fall ist. Das Thema ist im Fach Deutsch vielmehr ein Anlass, um bestimmte Phänomene zu fokussieren und diese zu üben. So gehören zu dieser Einheit in dem Lehrwerk (s. Fischer et al. 2005: 212-214) Aufgaben zum Zusammenfassen des Textes. Es werden Lern- und Arbeitsstrategien im Umgang mit Sachtexten thematisiert. Es bietet sich ebenfalls an, den <?page no="72"?> 70 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Text sprachlich zu analysieren und Elemente informeller Briefe (z.B. ihren Aufbau, Anrede- und Grußformeln, typische Redewendungen) auszuarbeiten. Auch eine literarische Analyse und eine Interpretation des Textes wären denkbar. Beim Historischen Lernen dagegen setzen sich die Lernenden mit Ausschnitten aus der Vergangenheit bewusst auseinander. Sie eignen sich bestimmte Zeiterfahrungen deutend an und entwickeln zugleich die Kompetenz zu dieser Deutung weiter (vgl. Rüsen 2008: 61). Als Ausgangspunkt dienen historische Quellen und Darstellungen, anhand derer sich die Schüle r - Innen das Wahrgenommene erschließen. So ist der zweite abgebildete Brief eine historische Quelle, ein zeitgenössischer Beleg, mit dessen Hilfe die Lernenden die Fakten rekonstruieren und anschließend beschreiben sollen. Nach der Klärung des historischen Sachverhalts wird das Beschriebene interpretiert, um im nächsten Schritt die Ereignisse in einen größeren historischen Zusammenhang einzuordnen (vgl. Jeismann 2000: 63f.). Die historische Einbettung, d.h. die präzisen Angaben zum Autor und zu dem Zeitpunkt, wann er lebte und den Brief verfasste, spielen eine wichtige Rolle. Die hier angewandte Sprache ist die Sprache der damaligen Zeit. Im Unterricht müssen die SchülerInnen die Beschreibung, die Interpretation und die Einschätzung der geschichtlichen Bedeutung der Fakten leisten. Die beiden Textversionen zeigen, dass es die EINE Fachsprache nicht gibt. Trotz aller Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Fachsprachen von Fachbereich zu Fachbereich. Im Deutsch- und Geschichtsunterricht, im Physik- und Sportunterricht, im Politik- und Kunstunterricht usw. gebrauchen wir verschiedene Sprachformen und -mittel. Die Fächer bedienen sich auch anderer Denk- und Arbeitsweisen, die sich in den sprachlichen Mitteln widerspiegeln. Die beiden Texte sind demzufolge ein Beispiel für die horizontale Gliederung von Fachsprachen. Diese signalisiert, dass unterschiedliche fachliche Kommunikationsbereiche (z.B. Geographie, Philosophie, Chemie oder Musik) nebeneinander bestehen (vgl. Roelcke 2010: 29f.). Damit wird den sprachlichen und fachlichen Unterschieden zwischen den jeweiligen Fachsprachen in den einzelnen Fachrichtungen und -bereichen Rechnung getragen. Aus der Perspektive des schulischen Lernens bedeutet dies zum einen, dass die SchülerInnen diese verschiedenen Fachsprachen zumindest ansatzweise erwerben müssen, um an der Kommunikation in den einzelnen Fächern im Unterricht teilhaben zu können. Sie müssen die unterschiedlichen sprachlichen Varietäten in den einzelnen Fachbereichen wahrnehmen und selbst angemessen gebrauchen. Sie sollen in der Lage sein, sich beispielsweise mit demselben Thema mithilfe domänenspezifischer Sprachmittel auseinanderzusetzen. Zum anderen zeigt die horizontale Gliederung von Fachsprachen, dass zur Unterstützung der Lernenden ein intensiver Austausch zwischen Sprachlehrkräften und Lehrenden in anderen Fachbereichen erforderlich ist. Deutschlehrkräfte allein können es nicht immer rechtzeitig leisten, die für die anderen Fächer relevanten sprachlichen Phänomene oder Textformen im Sprachunterricht zu besprechen: Deutsch-KollegInnen schlagen beim Einblick in mathematisch-naturwissenschaftliche Fachtexte gelegentlich die Hände über dem Kopf zusammen: ‚Manche Satzkonstruktionen werden im Deutschunterricht erst Jahre später behandelt, als sie im Fachunterricht schon eingesetzt werden.‘ (Bergunde 2010: 234) Fachlehrkräfte sollten daher dafür sensibilisiert werden, dass sie das Verstehen und den aktiven Gebrauch von fachsprachlichen Strukturen seitens der SchülerInnen nicht voraussetzen dürfen. Wenn die Fachlehrkräfte zum Beispiel wissen, dass Relativsätze, Passivkonstruktionen oder gar der Konjunktiv im Deutschunterricht erst später behandelt werden, müssen sie beim Gebrauch dieser sprachlichen Mittel Verständnisschwierigkeiten einkalkulieren und Hilfen geben. Dazu ist <?page no="73"?> 71 2.2 Fachsprachen in der Schule es gar nicht nötig, den Deutschunterricht zu antizipieren. […] Es reichen hier und da kleine sprachliche Erläuterungen ohne Anspruch auf Systematik. (ebd.) Der Dialog zwischen den Lehrenden verschiedener Fächer kann in vielerlei Hinsicht zur Förderung der SchülerInnen beitragen. So können sich Sprach- und andere Fachlehrkräfte austauschen • über die sprachlichen Kompetenzen der jeweiligen SchülerInnen, • über die in ihrem Fach vorausgesetzten sprachlichen Strukturen und • über mögliche Übungen zu sprachlichen Schwerpunktbereichen für den Sprachunterricht bzw. Hilfestellungen im Fachunterricht. Nur wenn Fach- und Sprachlehrkräfte 12 wissen, welche sprachlichen Kompetenzen in ihren jeweiligen Fachbereichen erforderlich sind, können sie sich gegenseitig unterstützen und gegebenenfalls sogar bezüglich gemeinsamer Inhalte absprechen. So können die im Sprachunterricht thematisierten Inhalte (Passiv oder Lesestrategien) im Fachunterricht nochmals aufgegriffen und in Übungen, die an den Sprachunterricht anschließen, vertieft werden. Durch den gezielten Austausch können die Fachlehrkräfte auch erfahren, auf welche Kompetenzen, die die SchülerInnen bereits in Sprachenfächern erworben haben, sie im Fachunterricht zurückgreifen können (vgl. Budde, Michalak 2014: 21). Mit Unterstützung der Fachlehrkräfte kann die Vermittlung von Lesestrategien zur Entschlüsselung komplexer Texte dagegen im Sprachunterricht am Beispiel fachsprachlicher Texte unterschiedlicher Fachrichtungen (z.B. Sozialwissenschaften, Geschichte usw.) erfolgen. Durch eine solche gegenseitige Beratung entstehen Synergien, von denen sowohl die SchülerInnen als auch die Lehrkräfte profitieren können. Fachsprachen unterscheiden sich nicht nur je nach Fach, sondern auch innerhalb des jeweiligen Fachbereichs. Abhängig von dem Adressaten und der kommunikativen Situation werden verschiedene Sprachmittel in dem jeweiligen Fach angewendet. So gebraucht eine Erzieherin andere sprachliche Mittel, wenn sie einem Kleinkind die Zubereitung eines Obstsalates beschreibt, als ein Koch, der sich an seine Fachkollegen wendet. Diese Vielfalt der Fachsprachen wird als ihre vertikale Schichtung bezeichnet. Ihre Gliederung erfolgt jeweils auf den kommunikativen Ebenen innerhalb eines einzelnen Fachs (vgl. Roelcke 2010: 34). Auf der vertikalen Ebene variieren die Fachsprachen „je nach dem Adressaten und den damit verbundenen Abstraktionsstufen, das heißt dem Grad der textuellen Komplexität […].“ (Kuchenreuther 2012: 188f.) Die vertikale Gliederung der Fachsprachen ist auch in den schulischen Fächern erkennbar. Mit zunehmendem Alter der SchülerInnen und damit der Klassenstufe steigt der Abstraktionsgrad der Fachsprache in Schulbüchern und somit wachsen auch die Anforderungen an die sprachlichen Kompetenzen der SchülerInnen an. Dies wird bei Betrachtung verschiedener Lehrwerksauszüge sichtbar. Klasse 3: „Der Franz ist mit seiner Mama und mit seinem Papa fast immer zufrieden. Nur wenn es ums Fernsehen geht, muss er sich über die beiden ärgern. Weil sie Fernseh-Muffel sind! Kabel-Fernsehen haben sie nicht legen lassen, eine Satelliten-Schüssel wollen sie auch nicht. Oft beschwert er sich bei der Mama: „Alle Kinder haben Kabel. Oder eine Satelliten-Schüssel. Und ich bin dauernd der Blöde.“ (Urbanek 2006: 145) 12 Gemeint sind nicht nur Deutschlehrkräfte, sondern auch Lehrende für moderne und alte Fremdsprachen, da in jedem Sprachunterricht sprachliche Regularitäten sowie Lern- und Arbeitsstrategien beim Sprachenlernen diskutiert werden (vgl. Budde, Michalak 2014). <?page no="74"?> 72 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Klasse 5: „Die Simpsons gelten als erfolgreichste und bekannteste Zeichentrickserie der Welt. Sie spielt in Springfield in den USA. In Deutschland werden schon seit 1990 fast täglich Folgen dieser Serie ausgestrahlt. Mittlerweile gibt es die Simpsons auch als Comic- Heft und auf unzähligen anderen Dingen wie Kalendern, Tassen usw.“ (Krull 2006: 160) Klasse 10: „Durch die Verfügbarkeit eines eigenen Fernsehers erhöht sich der tägliche Fernsehkonsum um etwa eine Stunde - werktags von zweieinhalb auf etwa dreieinhalb Stunden und an Wochenenden auf vier bis fünf Stunden. Diese Kinder verbringen damit pro Jahr mehr Zeit vor dem Fernseher als im Schulunterricht.“ (Schurf 2010: 144) Die Texte entstammen Lehrwerken aus drei verschiedenen Schulstufen: Klasse 3, 5 und 10. Alle drei Auszüge behandeln dieselbe Thematik, und zwar das Medium Fernsehen. Die Texte unterscheiden sich - bezogen auf die sprachlichen Mittel und den Abstraktionsgrad - jedoch deutlich voneinander. Während der erste Text noch stark an die Lebenswelt der SchülerInnen anknüpft, sind die nachfolgenden Texte deutlich stärker kontextentbunden formuliert. So enthält der erste Text noch persönliche (der Franz mit seiner Mama und seinem Papa) und alltagssprachliche Formulierungen (sich ärgern, Fernseh-Muffel, der Blöde). Der Text für die 5. Klasse ist hingegen schon etwas komplexer. Direkter Bezug zu eigenen Erfahrungen ist nicht erkennbar. Der Wortschatz ist zudem weniger umgangssprachlich geprägt (z.B unzählige anstatt viele). Verdichtete oder unpersönliche Formen wie Attribute (erfolgreichste und bekannteste Zeichentrickserie) oder Passivkonstruktionen (werden … ausgestrahlt) sind vorhanden. Auf der Textebene finden sich erste Ansätze komplexer Verweise: So muss das Pronomen sie im zweiten Satz als Bezugnahme auf Zeichentrickserie (und nicht: Simpsons) im ersten Satz erkannt werden. Allerdings werden in diesem Textbeispiel noch alltagssprachliche Formulierungen (Dinge) gebraucht oder viele kurze Sätze aneinandergereiht, was in dem dritten und letzten Textauszug nicht mehr der Fall ist. Hier finden sich nicht mehr sequenzierte Sätze, sondern lediglich lange, komplexe Satzkonstruktionen. Eingeleitet wird das dritte Textbeispiel durch eine komplexe Nominalgruppe (durch die Verfügbarkeit eines eigenen Fernsehers), sodass hier zunächst das Subjekt des Satzes (der tägliche Fernsehkonsum) vom Lernenden ermittelt werden muss. Der Satz verfügt jedoch nicht nur zu Beginn, sondern auch am Ende über eine Hervorhebung, in der die Zeitspanne für den Fernsehkonsum präzisiert wird. Die genannte Nominalisierung muss von den RezipientInnen als Ursache für die Erhöhung des Fernsehkonsums erkannt werden. Durch Komposita (Fernesehkonsum, Schulunterricht) oder Attribuierung (Verfügbarkeit eines eigenen Fernsehers) werden die Informationen verdichtet. Der zweite Satz stellt trotz seiner Kürze eine Herausforderung an die Lese r - Innen dar: Er beginnt mit einem Verweis auf den vorigen Satz (diese Kinder), in dem die Kinder gar nicht explizit erwähnt werden. Im ersten Satz wird nicht genannt, wessen Fernsehkonsum steigt. Die SchülerInnen müssen hier die Sätze aufeinander beziehen und die gedankliche Verknüpfung selbst herstellen. Das Wort damit muss ebenfalls als Bezugnahme auf alle zeitlichen Angaben im vorherigen Satz erschlossen werden. Diese Unterschiede in den Ausprägungen innerhalb einer Fachsprache müssen die Schüle r - Innen nicht nur im Schriftlichen wahrnehmen. Die vertikale Gliederung der Fachsprachen findet sich im Unterricht nicht nur in den Schulbüchern, sondern auch in der mündlichen Unterrichtskommunikation. Mit zunehmender Klassenstufe verwenden Lehrkräfte komplexere sprachliche Strukturen auch in der mündlichen Kommunikation mit den SchülerInnen. Dies ist nicht nur in längeren Präsentationsphasen, sondern auch bei präziser Formulierung der Arbeitsaufträge oder der Fragestellungen der Fall. Auch von den Lernenden wird verlangt, dass sie ihre Äußerungen mündlich fachsprachlich angemessen formulieren, z.B. in einem Vortag oder Referat. Die Lehrkräfte sind dabei Lernbegleiter, aber auch Wegbereiter und gelten für die SchülerInnen als sprachliches Vorbild und ExpertInnen beim Gebrauch der Fachsprache. <?page no="75"?> 73 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen Daraus ergeben sich Konsequenzen für das didaktisch-methodische Vorgehen. Die vertikale Gliederung von Fachsprachen erfordert von Lehrkräften, dass • sie die Präsentation der Fachinhalte und fachsprachlicher Strukturen ihres Faches dem Alter der SchülerInnen anpassen (didaktisch reduzieren) und auch den Schüle r - Innen aus bildungsbenachteiligten Familien mit und ohne DaZ die Gelegenheit bieten, sich die Inhalte zu erschließen; • sie den SchülerInnen ihrem Alter entsprechend auch komplexere inhaltliche Gedankengänge und sprachliche Strukturen zutrauen und anbieten; • sie es als Bildungsauftrag der Schule wahrnehmen, die Lernenden zum angemessenen Umgang mit den fachsprachlichen Varianten zu befähigen; • sie bei der Aufbereitung der Thematik persönliche und fachliche Machtgefälle zwischen ihnen und den SchülerInnen (Experten-Laien-Kommunikation) überwinden und somit eine lernförderliche Umgebung schaffen. <?page no="76"?> 74 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen Einstiegsaufgabe: Die Tabelle zeigt zwei Textversionen in zwei unterschiedlichen Sprachvarianten (Michalak 2009b: 15). Welcher Text stellt die gesprochene und welcher die geschriebene Sprache dar? Welche sprachlichen Mittel sind charakteristisch für die jeweilige Variante? Textversion A Textversion B Gustav wütet in der Karibik und nimmt danach Kurs in Richtung New Orleans. Dort werden die schlimmen Erinnerungen an Hurrikan Katrina wach, der vor genau drei Jahren New Orleans verwüstete. Orkane in unseren Breiten sind um einiges schwächer als tropische Wirbelstürme. Ja, ok. Also ich erzähle euch jetzt über Hurrikane, Taifune und Zyklone … Ähm … Also Gustav - so heißt der Hurrikan - tobt in der Karibik und dann zieht er nach New Orleans. Die Leute dort denken an die schlimme Zeit von Hurrikan Katrina und ähm … Ach ja, und der, na der Hurrikan Katrina hat vor genau drei Jahren New Orleans total kaputt gemacht. Ja. Aber bei uns gibt’s auch Orkane, ne? Die sind bloß schwächer als Stürme in, in tropischen Gebieten. So. Mündliche Kommunikation funktioniert anders als schriftlicher Austausch. Dies verdeutlichen die beiden Textversionen: Text A ist ein Beispiel für geschriebene Sprache, während Textversion B Charakteristika gesprochener Sprache zeigt. Ein Indikator hierfür sind die verwendeten sprachlichen Mittel. Überbrückungsphänomene und Pausenfüller wie Partikel (ja, ne, also, ähm, so usw.) oder Wiederholungen (und der, na der) kennzeichnen die Mündlichkeit. Während der Sprecher in Textversion B den Wahrnehmungsraum mit seinem Zuhörer unmittelbar teilt und das Publikum in seine Äußerung miteinbezieht (ich erzähle euch), ist der Schreiber in Textversion A von seinem Leser abgekoppelt bzw. räumlich getrennt. Der Schreiber muss nicht unmittelbar agieren, er braucht im Gegensatz zu dem Sprecher keine Pausen zu füllen. Dafür muss der Schreiber jedoch sicherstellen, dass der potenzielle Leser seinen Text auch ohne unmittelbare Hilfestellungen und Reparaturverfahren in Form von Nachfragen nachvollziehen kann. Hierfür muss er seine Gedanken präzise formulieren. Die raumzeitliche Trennung von Leser und Schreiber wirkt sich auch auf die Vertrautheit der Kommunikationspartner aus. Während wir in Textversion B persönliche Anredeformen finden (Also, ich erzähle euch), dominieren in Textversion A unpersönliche Konstruktionen (z.B. man, es und Passivsätze). Des Weiteren sind in Textversion B zahlreiche umgangssprachlichere Formulierungen (toben, kaputt machen) vorhanden, während in Textversion A eindeutigere Begriffe wie wüten und verwüsten verwendet werden. Textversion A ist deutlich kompakter und kürzer als Textversion B. So werden in Textversion A die Informationen durch prägnante Formulierungen im Nominalstil, wie die schlimmen Erinnerungen an Hurrikan Katrina, und feste Verbindungen, wie Kurs in Richtung X nehmen, verdichtet. Die beiden Äußerungen lassen sich als mündlich bzw. schriftlich in zweierlei Hinsicht klassifizieren: medial und konzeptionell (s. Abb. 18). Zum einen wird im Sinne von Koch und Oesterreicher (1994: 587) das Medium der Realisierung berücksichtigt. <?page no="77"?> 75 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen konzeptionell mündlich konzeptionell schriftlich Nähe Distanz Face-to-Face-Interaktion räumliche und zeitliche Trennung Vertrautheit der Kommunikationspartner Fremdheit der Kommunikationspartner Dialog Monolog Kommunikative Kooperation keine Kommunikationsmöglichkeit; Antizipation seitens des Referenten erforderlich freier Sprecherwechsel kein Sprecherwechsel Emotionalität Objektivität Situationsgebundenheit Situationsentbundenheit spontan reflektiert, geplant Themenflexibilität Themenfixiertheit Abb. 18: Mündlichkeit und Schriftlichkeit (nach Koch, Oesterreicher 1994; Günther 1997, 2010) Als mündlich wird eine sprachliche Äußerung bezeichnet, die durch das Artikulationsorgan in Form von Lauten (phonisch) produziert wird. Schriftlich ist eine sprachliche Äußerung hingegen, wenn sie durch Buchstaben in Form von Schrift festgehalten wird (graphisch). Zum anderen beziehen sich die beiden Termini auf die Konzeption der Äußerung, auf die Art des Denkens (vgl. Jeuk 2010: 54). Bei der konzeptionellen Ausprägung der Sprache werden also die Struktur und Beschaffenheit des Textes berücksichtigt. In unserem Beispiel liegen beide Textversionen verschriftet (graphisch) vor, sie sind also medial schriftlich, und doch haben wir herausgearbeitet, dass Textversion B im Gegensatz zum Text A Merkmale von Mündlichkeit <?page no="78"?> 76 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? trägt. Textversion B ist somit medial schriftlich, aber von ihrer sprachlichen Konzeption mündlich. Textversion A dagegen ist sowohl medial als auch konzeptionell schriftlich. In der medialen Dimension von sprachlichen Äußerungen ist der Unterschied zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit dichotomisch. Eine sprachliche Äußerung kann entweder nur mündlich (phonisch) oder nur schriftlich (graphisch) sein. In der konzeptionellen Dimension ist der Unterschied hingegen graduell und kann mehrere Konzeptionsmöglichkeiten mit Abstufungen beinhalten (vgl. Günther 2010: 14). So wird ein Vortrag immer mündlich gehalten, aber schriftlich konzipiert. Seine Konzeption kann variieren, je nachdem, vor wem er präsentiert wird (ein Vortrag vor MitschülerInnen versus ein an Fachexperten gerichteter, wissenschaftlicher Vortrag). Eine SMS oder ein Pinnwandeintrag bei Facebook sind dagegen zwar medial schriftlich, in ihrer Konzeption aber mündlich. Die Unterscheidung und Wahrnehmung der medialen und konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit sind für das schulische Lernen von großer Bedeutung. Denn die SchülerInnen kommen mit meist altersgemäß entwickelten, alltagsprachlichen Kompetenzen in die Schule. Die Alltagssprache ist überwiegend als konzeptionell mündlich einzuordnen. Hier findet die Kommunikation dialogisch statt; der Sprecherwechsel und die Themenentwicklung sind nicht festgelegt. Produktion und Rezeption sprachlicher Äußerungen sind unmittelbar miteinander verzahnt: Sprecher und Hörer handeln die Entwicklung und auch die Thematik der Gesprächssituation aus. Der Zuhörer gibt dem Sprecher unmittelbar eine Rückmeldung. Begleitend zeigt er zum Gespräch sprachliche (kommentierende Bemerkungen, wie aha, ja, genau) und nonverbale Reaktionen (z.B. Nicken oder Schütteln des Kopfes, Blickkontakt, Lächeln). Sein Verhalten hat Auswirkungen auf den Fortgang des Gespräches, denn er kann das Sprecherverhalten durch Nachfragen beeinflussen. Hat er den vom Sprecher beschriebenen Sachverhalt nicht verstanden, kann er eingreifen und Rückfragen stellen (vgl. Koch, Oesterreicher 1986: 19f.). Aus der dialogischen Struktur und dem geringen Planungsaufwand im Mündlichen ergeben sich eine gewisse Vorläufigkeit und Prozesshaftigkeit von mündlichen Äußerungen: […] die Organisation der Rede ist am Fortgang des Gesprächs orientiert, nicht an der formalen Struktur des sprachlichen Produkts; zur Herstellung von Kohärenz und Kohäsion werden in der mündlichen Erzählung andere (und häufig nichtsprachliche) Mittel verwendet als in der schriftlichen Textproduktion. (Günther 1997: 65) Die Bildungs-, Schul- und Fachsprache orientieren sich dagegen stark an der Schriftlichkeit. In erster Linie ist es die mediale Schriftlichkeit, die den Wissenserwerb beeinträchtigt, das das Lernen überwiegend textgestützt erfolgt. In Schulbüchern und anderen Arbeitsmaterialien begegnen die Lernenden Texten, denen sie Informationen entnehmen müssen. Das Wissen wird in der Schule nicht nur anhand von Texten dargeboten, sondern auch schriftlich verarbeitet. In allen Fächern müssen die SchülerInnen nicht nur Texte verstehen, sondern auch selbst produzieren. Durch das aktive Lesen und Schreiben von Fachtexten erleben sie eine Einführung in die Konzepte der unterschiedlichen Fachrichtungen (vgl. Fenkart 2010: 200). Für eine erfolgreiche Kommunikation im Fachunterricht benötigen die Lernenden daher eine umfangreiche Textkompetenz (vgl. Riedel 2004: 77). Die Lehrkräfte der verschiedenen, nicht-sprachlichen Fächer dürfen nicht voraussetzen, dass die SchülerInnen als kompetente ‚fertige‘ LeserInnen bzw. SchreiberInnen in die (insbesondere weiterführende) Schule kommen und Texte aus den ihnen vielleicht gänzlich neuen oder unbekannten Fachbereichen ohne gezielte Anleitung und Unterstützung verstehen und/ oder schreiben können. Im Schriftlichen sind der Schreiber und der Leser räumlich und zeitlich voneinander getrennt, was der Schreibende bei der Planung und Überarbeitung seines Textes einbeziehen und wofür er genug Zeit berücksichtigen muss (vgl. Koch, Oesterreicher <?page no="79"?> 77 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen 1986: 20). Im Mündlichen werden grammatische Unsicherheiten häufig durch Vermeidungsstrategien kompensiert. Die SchülerInnen werden auf einen falsch gebrauchten Artikel oder ein nicht korrekt konjugiertes Verb in mündlichen Äußerungen kaum hingewiesen. Im Schriftlichen dagegen wird dies sofort als Fehler eingeschätzt (vgl. Jeuk 2010: 54). Auch dieser Aspekt sollte in jedem Fachunterricht berücksichtigt werden: Die SchülerInnen benötigen einerseits Lese- und Schreibstrategien, um mit Fachtexten umgehen zu können. Sie sollen Schritt für Schritt lernen, formale Fehler wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Andererseits sollte im Unterricht immer genug Zeit dafür eingeplant werden, Texte zu erschließen und vor allem selbst zu planen, zu verfassen sowie zu überarbeiten. Aber nicht nur die mediale Schriftlichkeit ist für das schulische Lernen entscheidend. Die Sprache in der Schule entwickelt sich im Laufe der Zeit zu konzeptioneller Schriftlichkeit. Dies betrifft nicht nur die verschriftlichten Texte: Auch wenn sich die schulische Kommunikation mündlich vollzieht, hat sie tendenziell die Merkmale konzeptioneller Schriftlichkeit. Während die Betrachtung in der Grundschule primär auf eigenen Erfahrungen basiert, werden die alltagssprachlichen Bezüge in höheren Stufen durch abstrakte und praxisferne Darstellungen und Analysen ersetzt (vgl. Schmölzer-Eibinger 2006a: 137). Den SchülerInnen „wird […] abverlangt, dass sie eine Entwicklung von einem konkreten, assoziativen und illustrativen Sprachgebrauch zu einem abstrakten und situationsentbundenen bewältigen.“ (Michalak 2008: 9). Aus den Kommunikationsbedingungen ergeben sich Konsequenzen für die verwendeten Versprachlichungen in den schriftlichen Kommunikationssituationen, die die SchülerInnen angemessen gebrauchen sollten. Sie müssen lernen, dass gelungene schriftlich geprägte Äußerungen so explizit sein müssen, „dass sie kontextfrei verständlich“ (Günther 1997: 65) sind. Beim Schreiben müssen sie die Belange und das Wissen der LeserInnen antizipieren und sich überlegen, was sie für die LeserInnen versprachlichen müssen, damit diese ihren Text ohne ihre Hilfe nachvollziehen können (vgl. Koch, Oesterreicher 1986: 20). „Aus der relativen Situationsentbindung und dem dadurch erforderlichen (und möglichen) Planungsaufwand erklärt sich die Kompaktheit, Komplexität und Informationsdichte von sprachlichen Äußerungen (Texten).“ (Koch, Oesterreicher 1986: 22) Es darf nicht vergessen werden, dass der Unterschied zwischen verschiedenen sprachlichen Varietäten, die als konzeptionell schriftlich gelten, graduell ist. Dies entspricht auch der vertikalen Schichtung der Fachsprachen. Beim schulischen Lernen bedeutet dies, dass die Schüle r - Innen ihre Ausdrucksweise auch stufenweise entwickeln müssen. Ausgehend von der Alltagssprache präzisieren sie ihre Formulierungen (in Anlehnung an Riebling 2013: 48): 1. Das Holzstäbchen glühte noch. Als ich es in einem Reagenzglas mit mehr Luft gehalten habe, hat die Spitze angefangen, wieder zu brennen. 2. Wenn man ein glimmendes Holzstäbchen in einem Reagenzglas hält, das mehr Sauerstoff enthält als die Luft, so flammt dieses wieder auf. 3. Wird ein glimmender Holzspan in einem Reagenzglas mit einem höheren Sauerstoffanteil als in der Luft vorhanden gehalten, kann ein Aufglühen des Holzspans beobachtet werden. 4. Hält man einen an der Luft nur glimmenden Holzspan in einem Gasgemisch, dessen Sauerstoffgehalt wesentlich größer ist als der der Luft, so kann durch Aufglühen des Spans, der so genannten Glimmspanprobe, das Vorhandensein von Sauerstoff nachgewiesen werden. Während im ersten Satz noch ein persönlicher Handlungsbezug zu erkennen ist, erfolgt eine Entpersonalisierung durch man und Passiv-Konstruktionen in den nächsten Sätzen. Es folgt <?page no="80"?> 78 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? eine sprachliche Verdichtung und der Anteil an fachsprachlichen Konstruktionen nimmt zu. Gerade die letzte Variante wird oft erst in schriftlichen Texten ausgearbeitet. Wie wirken sich die schriftsprachlichen Anforderungen der Schule nun auf die DaZ- Lernenden aus? An diesen immer höher werdenden Anforderungen der schulsprachlichen Register scheitern insbesondere viele DaZ-Lernende. Für die Bewältigung der Unterrichtskommunikation in verschiedenen Fächern müssen sie einen differenzierten und variablen Sprachgebrauch anstreben. Beim Eintritt in die Schule können sie ihre alltäglichen Sprachkenntnisse aktiv nutzen, wodurch sie imstande sind, sich anfangs im Unterricht gut zu verständigen. Falls sie sich in der mündlichen Kommunikation unsicher fühlen, kaschieren sie es durch Vermeidungsstrategien: Die Spezifik der Alltagssprache, d.h. der konzeptionellen Mündlichkeit, erlaubt ihnen, durch Mimik und Gestik sowie durch direkte Verweise auf Gegenstände oder Personen eigene Defizite zu verbergen. Sätze, die nicht zu Ende geführt werden, werden im Mündlichen von den GesprächspartnerInnen aufgegriffen. Wörter, deren Genuszuweisung z.B. nicht bekannt ist, oder den SchülerInnen nicht geläufige Satzstrukturen können vermieden werden. Den Lehrkräften fallen diese Schwierigkeiten der DaZ-Lernenden daher häufig nicht auf. Die SchülerInnen können sich zwar mündlich verständigen, aber dies bedeutet häufig, dass falsche Rückschlüsse auf die Entwicklung ihrer schriftsprachlichen Kompetenzen gezogen werden: Ihre schriftlichen Kompetenzen werden allzu oft als genauso gut eingeschätzt. Diese sog. verdeckten Sprach-schwierigkeiten (vgl. Knapp 1999) fallen erst zu dem Zeitpunkt auf, wenn in der Schule komplexere schriftsprachliche Kompetenzen benötigt werden 13 . Die falsche Einschätzung der sprachlichen Kompetenzen kann nur dadurch vermieden werden, dass in Absprache mit Sprachlehrkräften regelmäßig eine Förderdiagnostik durchgeführt wird. Diese Diskrepanz zwischen alltäglichen Kommunikationsfähigkeiten und den sprachlichen Anforderungen beim schulischen Lernen versuchte Cummins (2000) durch das Konzept der Sprachhandlungskompetenzen für unterschiedliche Zwecke zu erklären: Die grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten (BICS: Basic Interpersonal Communicative Skills) erlauben es, alltägliche Kommunikationssituationen zu bewältigen. Sie sind kontextentbunden und beziehen sich auf sprachliches Handeln in der (meist) mündlichen Interaktion. In der Schule werden jedoch weitere Sprachkompetenzen gefordert, die Cummins als CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) bezeichnet (s. Abb. 20). Mit CALP sind kognitiv-akademische Sprachfähigkeiten gemeint, d.h. die für das schulische Lernen notwendigen sprachlichen Kompetenzen. Diese Fähigkeiten beziehen sich auf alle Fertigkeiten, d.h. die erlernten und geübten Techniken für komplexes Hör- und Leseverstehen, Sprechen und Schreiben. Sie umfassen beispielsweise die Fähigkeit, kognitiv anspruchsvollere Texte zu verstehen, zu verarbeiten und zu produzieren sowie an schriftsprachlich geprägter Kommunikation teilzunehmen (vgl. Rösch 2011: 16). Sie entwickeln sich unabhängig von der jeweiligen Sprache (vgl. Jeuk 2010: 2). Der zeitliche Rahmen ist für die Entfaltung der sprachlichen Kompetenzen von Bedeutung. BICS entwickeln sich unabhängig von der Erstsprache der Lernenden relativ schnell. So verfügen die Lernenden binnen kurzer Zeit (ca. zwei Jahre) über ausreichende Kenntnisse, um im Alltag sprachlich zu handeln (vgl. Apeltauer 2001: 632). Der Erwerb der grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten ist damit jedoch nicht vollständig abgeschlossen; BICS werden kontinuierlich ausgebaut. CALP hingegen entwickeln sich wesentlich langsamer und bedürfen selbst bei Erstsprachenlernenden mehrerer Jahre. Der Erwerb von CALP-Kompetenzen in der Zweitsprache nimmt zwischen fünf und sieben Jahren in Anspruch (vgl. ebd.). Dies bedeutet aber nicht, dass nach diesen Erwerbszeiträumen kein weiteres Sprachlernen mehr stattfindet. 13 Die durch verdeckte Sprachschwierigkeiten verursachten Leistungseinbrüche bei DaZ-Lernenden sind insbesondere am Anfang der 3. und 5. Klasse zu beobachten. <?page no="81"?> 79 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen Die Register sind so weit angeeignet, dass die SchülerInnen dadurch ihren Alltag bewältigen und Bildung erwerben können. Der Spracherwerbsprozess erfolgt aber lebenslang (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2012: 52). Durch die Unterscheidung zwischen BICS und CALP versuchte Cummins einen Bezug zur kognitiven Entwicklung der Lernenden herzustellen: Mit der Beschreibung dieser unterschiedlichen Sprachkompetenzen sind verschiedene Anforderungen an die Lernenden verbunden (vgl. Haberzettl 2009: 83). Während sich BICS auf die Charakteristika konzeptioneller Mündlichkeit beziehen, bildet die konzeptionelle Schriftlichkeit den Bezugspunkt für CALP 14 . Die Herausforderung für SchülerInnen mit guten und weniger guten Deutschkenntnissen, mit und ohne DaZ, besteht mit Eintritt in die Schule darin, aufbauend auf ihren alltagssprachlichen Fähigkeiten (BICS), kognitiv-akademische Sprachkompetenzen (CALP) zu entfalten und das Deutsche als Medium für das Lernen verstehen und anwenden zu können (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 4). Kommen Kinder mit DaM in die Schule, brauchen sie meist im Bereich der Grammatik, des Wortschatzes oder der Aussprache keine grundlegenden Sprachkompetenzen mehr zu erwerben. Sie können sich daher auf den Erwerb der Schriftlichkeit und der fachlichen Inhalte konzentrieren und somit ihre CALP entwickeln (vgl. Jeuk 2010: 52). Die DaZ-SchülerInnnen benötigen zusätzlich eine Unterstützung im Bereich BICS, um erst anschließend die kognitiv-akademischen Sprachfähigkeiten zu entfalten. Der zeitversetzte Beginn des Zweitspracherwerbs sowie unterschiedliche Intensität und Vielfalt der Sprachkontakte auf Deutsch (s. Kap. 1.2) können dazu führen, dass die grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten bei DaZ-Lernenden weniger ausgeprägt sind als bei gleichaltrigen MuttersprachlerInnen. Begriffe, wie z.B. Kran (vgl. Grießhaber 2013: 66), die zum Grundwortschatz der Grundschule gehören und den DaM-SchülerInnen aus ihrer Kindheit selbstverständlich bekannt sind, können für Lernende mit DaZ eine Herausforderung darstellen. Ihnen fehlt infolgedessen eine ausbaufähige alltagssprachliche Basis für die Begriffsbildung in der Zweitsprache. Für die Lehrkräfte ergibt sich daraus die Konsequenz, in jedem Fachunterricht auch die Kenntnisse alltäglicher Begriffe sicherzustellen. Es gilt zu klären, ob den SchülerInnen die Bedeutung der Vokabel aus dem Alltag bekannt ist. Die hier geborenen DaZ-SchülerInnen haben dagegen zwar BICS-Fähigkeiten in ihrer Erstsprache und in der Zweitsprache meist erworben; die Entfaltung von CALP beginnt aber zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre grundlegenden Kompetenzen noch nicht ausreichend entwickelt sind. Das Erkennen ihrer Sprachschwierigkeiten und die damit verbundene gezielte Förderung ihrer Sprachkompetenzen sind somit auch für viele hier geborene DaZ-Lernende wichtig, damit sie ihre BICS kontinuierlich ausbauen und darauf ihre CALP aufbauen können. Der Schwerpunkt der Förderung sollte bei dieser Zielgruppe jedoch überwiegend im Bereich der für den Schulerfolg notwendigen CALP-Kompetenzen liegen. Im Fokus sollen dabei der Umgang mit Texten sowie die Textproduktion stehen. Denn Schwierigkeiten mit der komplexen Sprache in Kombination mit fehlenden Strategien des schulischen Wissenserwerbs können zu einer unzureichenden Textkompetenz führen. Bei DaZ-Lernenden sind diese Defizite beispielsweise daran erkennbar, dass sie einzelne Sätze oder ganze Passagen der Textvorlage abschreiben und Inhalte unstrukturiert wiedergeben (vgl. Schmölzer-Eibinger 2006a: 140; Michalak 2012b: 78-81). Auch in schriftlichen Texten stützen sie sich gern auf die Alltagssprache und verwenden konzeptionell mündliche Ausdrucksmittel. In dem beispielhaften Text einer DaZ-Lernerin sind solche sprachlichen Ausprägungen zu finden (s. Abb. 19): Die Schülerin gebraucht verallge- 14 In der Literatur werden häufig die Begriffe BICS und CALP als Synonyme für die Alltagssprache und Bildungssprache (vgl. Gogolin et al. 2003) oder für die konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit (vgl. Siebert-Ott 2006) verwendet. <?page no="82"?> 80 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? meinernde, alltagssprachliche Formulierungen, wie ziemlich viel oder manche. Auch Ergänzungen zu dem schon Gesagten in Form von Nachschüben, die die gesprochene Sprache kennzeichnen, sind in ihrem Text vorhanden: Manchmal auch bist zu seinem Tod. Der Gebrauch des definiten Artikels vor Personennamen (der Julius Cäsar) gilt als umgangssprachlich. Aus dem Text geht ebenfalls die Emotionalität hervor, die typisch für die Face-to-Face- Kommunikation ist. Dies ist dem Satz: dass stimmt überhaupt nicht und dem darauf folgenden kurzen Argument Das gab auch vor Julius Cäsar. zu entnehmen. Auch der abschließende Satz, der das Ende der Erklärung markiert, wurde aus der alltagssprachlichen Kommunikation übernommen: Das war‘s. Die Lernerin beherrscht zwar BICS, aber ihr sind die Konventionen beim Gebrauch fachsprachlicher Formulierungen beim Verfassen von Texten nicht bekannt. Vermutlich hindern sie diese fehlenden Kenntnisse des Sprachgebrauchs daran, einen sprachlich komplexeren und angemessenen Text zu schreiben. Daher sollte die Vermittlung der Textkomptenz, die für die Erschließung der konzeptionellen Schriftlichkeit notwendig ist, im Mittelpunkt ihrer Förderung stehen. Abb. 19: Text einer hier geborenen DaZ-Schülerin zum Thema Kolosseum (Sommerschule 2012 des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln). Rekonstruktion des Textes: Das Kolosseum liegt in der Hauptstadt von Italien Rom. Das Kolosseum ist fast kaput weil das Kolosseum älter als 2000 Jahren ist. Das ist schon ziemlich viel. In das Kolosseum haben die Gladiatoren gekämpft. Manchmal auch bist zu seinem Tod. Manche denken dass der Julius Cäsar die Gladiatoren kämpfen erfunden hat, aber dass stimmt überhaupt nicht. Das gab auch vor Julius Cäsar. Das war‘s Für die Vermittlung von Textkompetenz braucht die Schülerin Unterstützung, um zuerst Ideen zu sammeln, den Text zu planen und eigene Argumente überzeugend zusammenzustellen. Ähnlich wie die meisten hier geborenen DaZ-Lernenden soll sie grammatische Strukturen kennenlernen, die es ihr erlauben, komplexe Texte zu entschlüsseln oder einen kohärenten und gut strukturierten Text anzufertigen. Dazu zählen u.a. solche grammatischen Phänomene, wie z.B. die Wortbildungsregeln (wie Gladiatoren kämpfen anstatt Gladiatorenkämpfe), die Ge- <?page no="83"?> 81 2.3 Sprachliche Kompetenzen und fachliches Lernen nuszuweisung und der Gebrauch von bestimmten/ unbestimmten Artikeln (die Gladiatoren), die Deklination von Nomen und Adjektiven (z.B. in das Kolosseum), der Gebrauch von Präpositionen, eine Vielfalt an Konjunktionen, der richtige Gebrauch der Satzklammer (s. Nachschub im Text), die Verwendung von Passivkonstruktionen im Deutschen oder die Anwendung von verschiedenen Wiederaufnahmeelementen im Text (vgl. Topalović, Michalak 2012). Die sprachlichen Unsicherheiten bei SeiteneinsteigerInnen sind offensichtlicher als bei hier geborenen DaZ-Lernenden (s. verdeckte Sprachschwierigkeiten). Für sie wird häufig eine frühe Förderung initiiert. SeiteneinsteigerInnen bringen meist, je nach Alter und Bildung, schon kognitiv-akademische Sprachkompetenzen in ihrer Erstsprache mit (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 4). Diese können auf die Zweitsprache übertragen werden. Diese Annahme formulierte auch Cummins (2000) in seiner Interdependenzhypothese: Das Beherrschen der CALP in der Erstsprache unterstützt die Entwicklung der kognitiv-akademischen Sprachfähigkeiten in der Zweitsprache. Den Förderschwerpunkt bei SeiteneinsteigerInnen bilden somit zunächst BICS, damit sich die Lernenden im Alltag zurechtfinden und diesen bewältigen können. Bei der Entwicklung ihrer CALP können die SchülerInnen auf ihre Kenntnisse in der Erstsprache zurückgreifen. Daher sollten sie eine Wertschätzung ihrer bereits vorhandenen Kompetenzen erfahren und diese in den Unterricht einbringen können. Die folgende Tabelle fasst die beschriebenen Aspekte von BICS und CALP noch einmal zusammen: BICS Basic Interpersonal Communication Skills CALP Cognitive Academic Language Proficiency grundlegende Kommunikationsfähigkeiten kognitiv-akademische Sprachfähigkeiten Funktion: Sprache zur Bewältigung der Alltagskommunikation Sprache in Lernkontexten, für den Erwerb der fachlichen Inhalte und die Bewältigung komplexer sprachlicher Handlungen Grundlage für den Erwerb von CALP bauen auf den BICS auf Erwerbsdauer: etwa zwei Jahre zwischen fünf und sieben Jahren Hier geborene DaZ-Lernende: BICS in der Erst- und Zweitsprache entwickelt, häufig aber weniger ausgeprägt als bei DaM-Lernenden Herausforderung: mit geringeren BICS- Kompetenzen CALP auszubilden aufgrund ihrer gut entwickelten BICS falsche Einschätzung ihrer CALP-Fähigkeiten Herausforderung: Verdeckte Sprachschwierigkeiten SeiteneinsteigerInnen: BICS in der Erstsprache entwickelt; meist keine oder wenig ausgeprägte BICS in der Zweitsprache CALP häufig in der Erstsprache entwickelt, gute Basis für die Entwicklung von CALP in der Zweitsprache; meist keine CALP in der Zweitprache Schwerpunkt der Förderung: • kontinuierliche Erweiterung von BICS- Kompetenzen bei hier geborenen DaZ- Lernenden • bei SeiteneinsteigerInnen • bei bildungsfernen hier geborenen DaZ- Lernenden und DaM-Lernenden • Entwicklung von CALP-Kompetenzen bei SeiteneinsteigerInnen in späteren Erwerbsphasen - als Ziel Abb. 20: BICS und CALP im Kontext DaZ <?page no="84"?> 82 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? Für beide LernerInnengruppen gilt, dass sie eine doppelte Herausforderung zu bewältigen haben. Sowohl die hier geborenen DaZ-Lernenden als auch die SeiteneinsteigerInnen müssen die sprachlichen Kompetenzen in der Zweitsprache erwerben und sich zugleich die Inhalte in und durch diese Sprache aneignen. Die Unterscheidung von BICS und CALP ist für den Fachunterricht äußerst relevant, da für die Vermittlung von Fachinhalten beide Kompetenzen eine entscheidende Rolle spielen. Bisher haben wir gezeigt, inwiefern die Sprache in Lernkontexten eine Herausforderung für die SchülerInnen darstellen kann. Wie gehen Lehrkräfte aber derzeit mit den Schwierigkeiten der Lernenden um? Welche Erwartungen stellen Sie an die Kinder und Jugendlichen? Aktuelle Entwicklungen deuten auf zwei Tendenzen hin: Viele Lehrkräfte neigen dazu, ihr Sprachverhalten dem der SchülerInnen anzupassen. Infolgedessen vereinfachen sie ihren Sprachgebrauch und bieten den SchülerInnen nur einfache sprachliche Strukturen an. Diese Vereinfachung hat jedoch fatale Folgen. So hat eine Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung von 2006 gezeigt, dass der Bildungserfolg auch von der Erwartung in die Fähigkeiten der SchülerInnen abhängt: „Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund lernen schlechter, weil weniger von ihnen erwartet wird.“ (vgl. Michalak 2010b: 230) Den SchülerInnen wird kein reichhaltiger sprachlicher Input angeboten, wodurch sie unterfordert und demotiviert werden. Ziel der Bildungsinstitution Schule ist es, SchülerInnen zum Erwerb von komplexeren sprachlichen Strukturen zu befähigen. Daher gilt es, den SchülerInnen auch Lerninhalte in anspruchsvoller Sprache zu präsentieren, damit sie von den Lehrkräften als (ihre zumeist einzigen) Sprachvorbilder profitieren können. Lehrkräfte sollten immer wieder ihren eigenen Sprachgebrauch reflektieren und sich darum bemühen, den SchülerInnen im Hinblick auf den Erwerb von konzeptionell schriftlichen und CALP-bezogenen Sprachkompetenzen Vorbild zu sein. Im Gegensatz dazu zeigen die meisten Lehrkräfte folgendes Verhalten: Sie überlassen die SchülerInnen einfach sich selbst und fahren mit ihrem Unterricht unabhängig von der sprachlichen und kulturellen Heterogenität ihrer Klasse wie gewohnt fort. Die Lernenden erhalten hier zwar denselben Input wie ihre einsprachigen MitschülerInnen, aber keine Hilfestellung, sich diesen zu erschließen oder im aktiven Gebrauch zu üben. Dies kann die SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen überfordern. Um dem entgegenzuwirken, sollen Fachinhalte in der jeweiligen Fachsprache bei gleichzeitigem Angebot von erforderlichen Strukturen und passendem Wortschatz vermittelt werden. Auf diese Weise kann sprachliches Lernen effektiv in authentischen fachbezogenen Kontexten erfolgen. Die sprachliche Unterstützung schließt nicht nur die schriftliche Kommunikation im Unterricht ein, sondern auch Hilfestellungen (Satzanfänge, Wortlisten usw.) im mündlichen Unterrichtsgespräch. Denn die steigende Komplexität der konzeptionell schriftlichen Anteile in der mündlichen Unterrichtskommunikation kann für die SchülerInnen auch eine Herausforderung darstellen (vgl. Belke 2009: 5). An dieser Stelle sei auch noch einmal auf einen wichtigen Hinweis von Günther (2010: 10) verwiesen. Er diskutiert die Forderung „Sprich in ganzen Sätzen“ und weist darauf hin, dass sie sich darauf bezieht, im medial (phonisch realisierten) Mündlichen konzeptionell schriftliche Merkmale zu verwenden. So merkt Günther an, dass die Forderung, die auch „Sprich schriftlich“ lauten könnte, „in den Kontexten angemessen ist, […] wo es um Diskurse von konzeptioneller Schriftlichkeit geht, insbesondere um monologische Strukturen und Explikationen, etc.“ (ebd. 19) Das heißt, wenn es um Gesprächssituationen geht, die sich im Kontext konzeptioneller Schriftlichkeit bewegen, wie Vorträge oder Antworten auf komplexe Fragen, hat diese Forderung durchaus ihre Berechtigung. In Gesprächssituationen, in denen interaktive Strukturen vorliegen, wie z.B. die im schulischen Kontext häufig erfolgende Erlebniserzählung im Morgenkreis, ist ein solcher Auftrag jedoch unangemessen. So liegt es ganz in der Natur des Gesprächsanlasses, dass die GesprächsteilnehmerInnen Nach- <?page no="85"?> 83 2.5 Übungsaufgaben fragen stellen. Dies betrifft ebenso die W-Fragen, wie „Wo warst du? - In der Schule.“ Als Lehrkraft gilt es folglich, Gesprächsanlässe zu reflektieren und zu überlegen, in welchen kommunikativen Kontexten die Forderung „Sprich schriftlich“ angemessen ist. 2.4 Zusammenfassung Für die Bewältigung der Kommunikationssituationen im Alltag werden grundlegende Sprachfähigkeiten (BICS) gebraucht, die sich auf die Anwendung der Alltagsprache beziehen. Mit diesen Kompetenzen sind Kinder zu Beginn ihrer Schulzeit meistens ausgestattet. Doch dann übernimmt Sprache allmählich eine andere Funktion: Sie dient nicht nur als Medium der Kommunikation, sondern vor allem der Wissensvermittlung und -aneignung. Dies hat zur Folge, dass in diesen Kontexten andere Sprachvarianten gebraucht werden, die sich in ihrer situativ-funktionalen Verwendung und in ihren besonderen sprachlichen Mitteln unterscheiden. In allen Situationen, in denen Bildung erworben wird, begegnen wir der Bildungssprache. Mit diesem Begriff wird auf eine fächerübergreifende Sprache verwiesen, die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Fachdomänen aufweist und die zugleich die Voraussetzung für den Bildungserfolg darstellt. Die sprachlichen Mittel werden im Laufe der Schulzeit zunehmend komplexer; ausgehend von der konzeptionellen Mündlichkeit orientiert sich die Sprache immer stärker an konzeptioneller Schriftlichkeit. Im Kontext des Lernens in verschiedenen Fächern variiert die Sprache in der Schule je nach Fach und nähert sich den Fachsprachen - im Sinne ihrer horizontalen und vertikalen Gliederung an. Die Schulsprache hingegen ist an die Institution Schule gebunden und dient didaktischen Zwecken und der Organisation des Schulalltags. Für das Lernen im schulischen Kontext sind Sprachhandlungskompetenzen notwendig, die schriftsprachliche Fertigkeiten mit einschließen. Diese werden als kognitiv-akademische Sprachkompetenzen (CALP) bezeichnet. Die kognitiven und schriftsprachlichen Fähigkeiten können aus der Erstsprache in die Zweitsprache übertragen werden. Die Spezifik des schulischen Lernens hat zur Folge, dass bestimmte sprachliche Formen (wie z.B. zusammengesetzte Wörter, komplexe Nebensätze, Passivkonstruktionen, Berichte oder Versuchsprotokolle) in jedem Fach domänenspezifisch fokussiert werden sollten. 2.5 Übungsaufgaben 6. Was unterscheidet die Alltagsvon der Fachsprache? Vergleichen Sie ihre Funktion und ihre sprachlichen Besonderheiten. 7. Analysieren Sie Bildungsstandards bzw. Kernlehrpläne für Ihr Fach. Was ist in Ihrem Fach sprachlich besonders schwierig? 8. Recherchieren Sie im Grammatik-Duden oder in anderen Grammatikbüchern, welche Arten von Attributen es gibt. Suchen Sie jeweils Beispiele aus Ihrem Fach. 9. Welche Textformen sind für Ihre Fachrichtung charakteristisch? Welche Hinweise finden Sie hierfür in den Bildungsstandards und Kernlehrplänen aus Ihrem Fach? 10. Betrachten Sie noch einmal die Grafik zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit (s. Abb. 18). Erläutern Sie die Unterschiede zwischen medialen und konzeptionellen Aspekten der Sprache. Ordnen Sie folgende sprachliche Handlungen je nach Medium und Konzept ein: eine SMS an einen Freund, ein Redebeitrag im Seminar, ein Schulbuchtext zum Thema Demokratie, ein wissenschaftlicher Artikel zum Thema Demokratie, eine tele- <?page no="86"?> 84 2 Deutsche Sprache schwere Sprache? fonische Bewerbungsanfrage, ein Bewerbungsschreiben, Unterhaltung unter SchülerInnen. 11. Stellen Sie sich vor, die SchülerInnen sollen in Ihrem Unterricht Referate zu einem fachlichen Thema halten. Welche konzeptionell schriftlich geprägten Ausdrucksformen würden Sie mit ihnen einüben? Welche Aspekte der Mündlichkeit würden Sie dabei mit den Lernenden besprechen? 12. Vorgegeben ist folgende Tabelle (Abb. 21). Transformieren Sie die darin enthaltenen Informationen in andere Ihnen bekannte Darstellungsformen. Abb. 21: Beispielhafte Tabelle aus dem Fach Religion 13. Lesen Sie den folgenden Schülertext (Abb. 22). Welche Formulierungen wurden der konzeptionellen Mündlichkeit entnommen? <?page no="87"?> 85 2.5 Übungsaufgaben Abb. 22: Schülertext zu Geschichte über Romulus und Remus, 6. Klasse, Hauptschule (Michalak 2006-2011/ Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund). Rekonstruktion: Die Mutter hat ihn kinder ihn ein Korp getan und ihn Floss er heißt tiber sie schwommen weg Die Kinder kammen ein wolf entgegen und die Wölfen hat sie milch gegeben und auf gewasen (gewachsen) Die männer waren jetz erworden Der Romulus hat sein Bruder gehtötet weil er über die mauer gegangen ist er hat gesagt wer über meine mauer geht den Bringe ich um und sein Bruder gleubte das nicht und ging über die mauer und tötet sein Bruder. <?page no="88"?> 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Einstiegsaufgabe: Untersuchen Sie ein Lehrwerk Ihrer Wahl aus einem der von Ihnen bevorzugten Schulfächer. Welche Rolle spielen Texte in dem Schulbuch? Inwiefern wird in den Aufgaben auf die Texte eingegangen? Welche Hinweise finden Sie in dem Lehrwerk, die den Lernenden beim rezeptiven und produktiven Umgang mit Texten helfen? Vermutlich haben Sie bei der Analyse des ausgewählten Schulbuches festgestellt, dass Texte die bedeutsamste Informationsquelle in beinahe jedem Fach sind. Durch schriftliche Texte erwerben die SchülerInnen das fachliche Wissen. Sie können sich selbst neue Inhalte erschließen und auf dieser Basis die Wirkungszusammenhänge, die den behandelten Ereignissen bzw. Erscheinungen zugrunde liegen, erarbeiten. Selbst dort, wo Texte durch Visualisierungen (Diagramme, Karten, Schaubilder etc.) ergänzt oder illustriert werden, bieten sprachliche Passagen die zentralen Informationen an. Texte ermöglichen den SchülerInnen auch den Zugang zur Fachkommunikation mit ihren sprachlichen Besonderheiten. Sie dienen als Einführung in Denk- und Arbeitsweisen der unterschiedlichen Fachrichtungen. Zudem sind Schulbuchtexte die Grundlage für die Textproduktion der Lernenden: In schriftlichen Texten können sie ihr Wissen den anderen mitteilen oder die fachlichen Inhalte diskutieren, wozu sie in den anschließenden Aufgaben aufgefordert werden. Anregungen zur Reflexion der fachsprachlichen Kommunikation außerhalb des Sprachunterrichts sind in Lehrwerken jedoch immer noch zu selten vorhanden. Die in den Fachlehrmaterialien angebotenen Aufgaben sind überwiegend mündlich zu lösen; die meisten Fachlehrwerke enthalten leider wenige Aufgaben, die schriftlich bewältigt werden sollen oder explizit zum Schreiben anregen. Das Wissen der Lernenden wird dennoch meist schriftlich überprüft. Hinweise auf den Umgang mit Texten oder gezielte Übungen zur Textrezeption und/ oder -produktion kommen in Schulbüchern im Fachunterricht auch seltener vor, als es erforderlich erscheint (vgl. Grießhaber 2008: 233). Betrachtet man verschiedene Lehrwerke, wird deutlich, dass der kompetente Umgang mit schriftsprachlich geprägten Texten ein entscheidender Faktor für den schulischen Erfolg ist. Daraus ergibt sich, dass die Lernenden die Fähigkeit besitzen sollen, sowohl Texte selbständig zu lesen und die entschlüsselten Informationen für andere nachvollziehbar darzustellen, als auch über die Inhalte, die Formulierungen und die Struktur der Texte zu reflektieren und sich mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2010: 1131). Diese Fähigkeit, die sich gleichermaßen auf das Lesen und Schreiben bezieht, wird als Textkompetenz bezeichnet. Sie umfasst „jene Schemata, Strategien und Techniken, die nötig sind, um den mit textueller Kommunikation verbundenen Anforderungen gerecht zu werden“ (Portmann-Tselikas 2002: 14). Sie stellt eine konzeptuelle Basis für alle Lern-Lehrprozesse im Unterricht dar und kann von der Erstauf die Zweitsprache übertragen werden (vgl. ebd.). Die durch Schrift geprägte Kommunikation schließt den fachbezogenen Austausch in jedem Fachunterricht ein, was selbstverständlich das LehrerInnenverhalten bei sprachbewusster Didaktisierung von Fachtexten und beim sprachlich reflektierten Umgang mit Lehrmaterialien bedingt: Dafür müssen Lehrpersonen aller Fächer verstehen, wie beim Lesen Wissen aus Texten (re-)konstruiert wird, welche Hürden beim Verstehen von Texten entstehen können, wie durch (epistemisches) Schreiben Wissen kognitiv durchdrungen wird oder wie (konservierendes) <?page no="89"?> 87 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens Schreiben (z. B. Notizen machen) angeleitet sein muss, damit es sich positiv aufs Fachlernen auswirkt etc. (Schmellentin et al. 2012: 2) Bevor wir uns diesen Aspekten widmen, betrachten wir die Rolle der Texte im Fachunterricht näher. 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens Die SchülerInnen begegnen in der Schule verschiedenen Texten, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. In sprachlichen Fächern setzen sie sich überwiegend mit literarischen Texten auseinander, wie z.B. mit einem Gedicht, einer Erzählung oder einem Roman. In solchen Genres wird der Einsatz von sprachlichen Mitteln abgewogen und gezielt eingesetzt, um eine bestimmte (d.h. beispielsweise ästhetische, moralische, politische oder unterhaltende) Wirkung zu erzielen. Sie sind u.a. durch Fiktionalität, Vieldeutigkeit, Symbolik, Bildhaftigkeit oder Metaphorik gekennzeichnet (vgl. Jost 2010: 20f.) und erfordern ein interessengeleitetes Leseverhalten (vgl. Heinemann, Heinemann 2002: 171). In den meisten Fächern werden dagegen Sachtexte eingesetzt, die in der „Alltagswelt“ anzusiedeln sind (vgl. Adamzik 2004: 64f.). Dazu gehören unterschiedliche Texte, wie z.B. Lehrbuchtexte, Bedienungsanleitungen, Zeitungsartikel, Gesetzestexte, Lexikonartikel, wissenschaftliche Artikel oder Fachtexte (vgl. Christmann, Groeben 2002: 150). Die einzelnen Texte haben zwar ihre Besonderheiten, sie erfüllen aber alle die gleiche Funktion: Sie vermitteln Fakten und Erkenntnisse, geben Informationen über Gegenstände, Ereignisse, Sachverhalte und Probleme der Wirklichkeit wieder. Sachtexte sind so formuliert, dass die LeserInnen einen Vorgang (in einer Bedienungsanleitung), eine Handlung (in einem Bericht) oder auch eine Meinung (in einer Rezension) nachvollziehen können. Die sprachlichen Mittel haben in Sachtexten somit die Funktion, die Aussagen sachlich und möglichst genau zu vermitteln. Anhand der Sachtexte können sich die RezipientInnen eine eigene Vorstellung oder ein eigenes Urteil über einen Sachverhalt bilden (vgl. Adamzik 2004: 64f.). Im Unterricht wird jedoch nicht nur an einzelnen Texten gearbeitet, sondern mit Lehrwerken, die verschiedene Sachtexte sowie - überwiegend in sprachlichen Fächern - literarische Texte enthalten. So gelten Schulbücher als eine Mischform unterschiedlicher Materialien, Textformen (Fragestellungen, darbietende Autorentexte, Arbeitsanweisungen usw.) und diskontinuierlicher Darstellungsformen (Bilder, Diagramme, Tabellen, Formeln etc.) (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 14). Lehrbücher werden als Textart zwischen dem Sachbuch und dem wissenschaftlichen Fachbuch eingeordnet (vgl. Wiater 2003: 12, Niederhaus 2011a: 16). Sie fungieren ausschließlich als Lehr-Lern-Medium (vgl. Baurmann 2009: 14f.): Didaktisch ausgerichtet sind sie in die entsprechenden Curricula der einzelnen Bundesländer eingebunden und bilden die zu erreichenden Lehr- und Lernziele ab. Sie gelten zudem als eine der bedeutendsten Ressourcen im Fachunterricht (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 13). Wissenschaftliche Befunde weisen auf unterschiedliche Tendenzen - je nach Fach, Schulstufe und Schulform - zum Einsatz von Schulbüchern im Unterricht hin. Einige Untersuchungen belegen, dass Lehrkräfte dazu neigen, das Schulbuch als Leitmedium für Unterrichtsplanung und -gestaltung zu verwenden. Böhm und Hehlmann (2000: 477) nehmen sogar an, dass Lehrbücher nicht nur zur Unterstützung oder Ergänzung zum Unterricht dienen, sondern diesen sogar in Teilen ersetzen (vgl. Niederhaus 2011a: 18). Andere Studien konnten jedoch nachweisen, dass vor allem Lehrkräfte in naturwissenschaftlichen Fächern das Lesen von Fachtexten vermeiden und Inhalte überwiegend über das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch vermitteln (vgl. Riebling 2013: 40). <?page no="90"?> 88 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Das Schulbuch soll aber nicht nur vom Lehrpersonal, sondern vor allem von den SchülerInnen genutzt werden. Sie sollten es zur Bearbeitung von Hausaufgaben, zur Vorbereitung auf Klausuren oder zur Nachbereitung von versäumtem Unterrichtsstoff verwenden. Häufig stellt das Lehrbuch - neben der Lehrkraft - sogar die einzige fachspezifische Informationsquelle für die SchülerInnen dar (vgl. Niederhaus 2011a: 19). Die Beschaffenheit der Texte in Verbindung mit mangelnden Lesestrategien kann hier jedoch zu einer Hürde werden und ist möglicherweise der Grund dafür, dass die Lehrbücher von den SchülerInnen nicht in Anspruch genommen werden (vgl. Merzyn 1994). Denn das Textverstehen hängt zum einen von dem Text selbst, seiner Struktur, dem Wort- und Bildmaterial, zum anderen von den sprachlichen und fachlichen Kompetenzen und dem Weltwissen der RezipientInnen ab. 3.1.1 Lesen als Prozess Einstiegsaufgabe: Überfliegen Sie den folgenden Text innerhalb von 30 Sekunden. Worum geht es? Wie kommt es dazu, dass Sie - obwohl zehn Wörter durch Zahlen ersetzt wurden - den Text verstehen können? In einem zweiten Schritt lesen Sie den Text noch einmal. Versuchen Sie, die zehn Zahlen durch passende Wörter zu ersetzen. Wie sind Sie zu den Lösungen gekommen? Welches Wissen hat Ihnen dabei geholfen, den Text zu erschließen? Gauck ermutigt Migranten 1 Lehrerberuf 26.04.2012 | 10: 54 Uhr Frankfurt/ Main (dapd). 2 Joachim Gauck will mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Lehrer gewinnen. „Es gibt so viele Schulen, die Unterstützung brauchen“, 3 er am Donnerstag in der Frankfurter Paulskirche zum zehnjährigen Bestehen 4 Stipendienprogramms für engagierte Schüler aus Zu wandererfamilien. In Frankfurt hat beispielsweise 5 die Hälfte aller Jugendlichen eine Zuwanderungsgeschichte. In einigen Jahren würden 6 Biografien die Mehrheit sein. Die Lehrerzimmer seien darauf 7 nicht vorbereitet, jedenfalls an den meisten Orten nicht. Der Bildungsbereich sei aber nur ein Beispiel von vielen, in 8 junge Menschen mit Migrationserfahrung eine wichtige Rolle spielen könnten, betonte der Bundespräsident. Für 9 Arbeitswelt in Zeiten der Globalisierung sind gerade 10 mit Ihren speziellen Lebensläufen gut gerüstet , sagte Gauck an die Stipendiaten gerichtet. dapd Abb. 23: Zeitungsartikel (http: / / www.derwesten.de/ nachrichten/ gauck-ermutigt-migranten-zum-lehrerberuf-id6594132.html) In dem beispielhaften Zeitungsartikel wurden zehn einzelne Wörter durch Zahlen ersetzt. Es ist jedoch zu vermuten, dass Sie trotzdem keine Schwierigkeiten hatten, die Kernaussagen des Textes zu erfassen. Wahrscheinlich konnten Sie feststellen, dass es hierfür nicht nötig ist, jedes Wort im Einzelnen zu verstehen. Möglicherweise haben Sie den Text als Ganzes betrachtet - „ “ <?page no="91"?> 89 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens und Strategien angewendet, die Ihnen das Verständnis des Artikels ermöglicht haben. Die Überschrift, die Struktur des Textes, das Bild, der Einsatz Ihres Wissens über Joachim Gauck als Bundespräsidenten sowie über die migrationsbedingten Veränderungen in der deutschen Gesellschaft waren bei der Entschlüsselung des Textes sicher hilfreich. Zudem hat das vorgegebene Leseziel (hier: sich einen Überblick über das Thema zu verschaffen; die wesentlichen Inhaltspunkte zu verstehen) Ihren Lesestil (globales Lesen) offenbar geprägt (vgl. Abb. 1). Die lückenhaften Stellen im Text haben Sie sicherlich nicht isoliert, sondern im Kontext des Satzes und des ganzen Textes betrachtet. Vermutlich haben Sie auch Ihr sprachliches Wissen (Reflexion über die Stellung der einzelnen Satzglieder, Analyse der üblichen Wortverknüpfungen oder der Schreibweise etc.) genutzt, um die einzelnen fehlenden Wörter aufzulösen. Die Aufgabe macht uns bewusst, wie RezipientInnen zum Textverstehen gelangen: Die Bedeutung des Textes wird im Leseprozess konstruiert, in dem „die sprachlichen Informationen des Textes und die Wissensbestände des Lesers interagieren“ (Budde et al. 2012: 88). Der Leseprozess verläuft dabei auf verschiedenen Ebenen, die sich gegenseitig bedingen und unterstützen (vgl. Rosebrock, Nix 2008): Auf der Ebene der basalen Fertigkeiten werden Buchstaben und Wörter entschlüsselt und Bedeutungen zugeordnet. Die identifizierten Wörter werden aufgrund semantischer (Wortbedeutungen) und syntaktischer (Satzstrukturen) Relationen zu größeren sinnvollen Informationseinheiten, sog. Propositionen, auf der Satzebene verbunden. Auf der Textebene werden die so herausgefilterten Informationen in Bezug gesetzt, verdichtet, miteinander verknüpft oder als übergeordnete Proposition neu entworfen (vgl. Budde et al. 2012: 87). Darauf aufbauend wird eine individuelle kohärente mentale Repräsentation des Textes entwickelt (vgl. Schmellentin et al. 2012: 3). Die textinternen Verknüpfungen werden durch sprachliche Mittel auf der Textoberfläche (Wiederaufnahmeelemente wie z.B. Wortwiederholungen, Pro-Formen, Ober-/ Unterbegriffe, vgl. Richter, Christmann 2002: 30-32) hergestellt. Dies erfordert von den LeserInnen ein bestimmtes grammatisches Wissen, was beim Entschlüsseln der fehlenden Vokabeln in unserem Zeitungsartikel sichtbar wird (s. Abb. 23). Betrachtet man beispielsweise die sechste Lücke, stellt man fest, dass hier kein Verb fehlt, denn die beiden Klammern im Satz (finites Verb würde an der zweiten Stelle + Infinitiv sein am Satzende) sind besetzt. Das Subjekt ist auch vorhanden (Biografien). Vielmehr sollte das Subjekt näher bestimmt werden. Die genannten Biografien knüpfen an den vorherigen Satz an, in dem Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte angesprochen werden. Die Biografien stehen stellvertretend für Lebensläufe anderer Jugendlicher mit Migrationshintergrund: Gemeint sind dabei Biografien keiner konkreten Gruppe von SchülerInnen, sondern eine Art von Biografien. So lässt sich daraus schließen, dass unter sechs als Verweis das Wort solche, d.h. Biografien von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte, fehlt. Ähnlich lässt sich das fehlende achte Wort entschlüsseln: Hier handelt es sich um das Relativpronomen dem, das in Verbindung mit der Präposition in auf den Bildungsbereich verweist. Am Ende des Textes erleichtert der Hinweis darauf, dass sich Gauck an die Stipendiaten gerichtet hat, die Entschlüsselung der zehnten Lücke. Der Bundespräsident sprach sie nämlich direkt an, indem er die Höflichkeitsformel, d.h. dritte Person Plural Sie gebrauchte. Fehlen solche Verweise auf der Textoberfläche, müssen die LeserInnen ihr Wissen einsetzen und die Verknüpfungen selbst durch logische Schlussfolgerungen erschließen. Grammatisches Wissen hilft, unbekannte Wörter zu dekodieren. Denn in einem passenden Kontext werden Vokabeln schneller erkannt als isolierte Begriffe (vgl. Lutjeharms 2010: 978). Orientiert man sich an der Rektion der Verben, d.h. den festen Verbindungen von Verben mit einem Kasus oder mit einer Präposition, kann man die erste Lücke in dem beispielhaften Zeitungsartikel lösen (vgl. Abb. 23). Das Verb ermutigen verlangt eine Ergänzung (ausschließlich) mit der Präposition zu. Die Markierung der direkten Rede sowie die Satzstellung (ein Satzbaustein - fehlendes Element - Subjekt er als nächster Satzbaustein) weisen dagegen <?page no="92"?> 90 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? darauf hin, dass sich hinter der Zahl drei ein Verb der Redewiedergabe (sagen, behaupten, meinen etc.) verbirgt. Hinzu kommt, dass der Zeitungsartikel in Form einer kurzen Berichterstattung verfasst wurde. Demzufolge berichtet er über Vergangenes - üblicherweise bei dieser Textsorte im Präteritum: Das passende Verb sollte daher im Präteritum eingesetzt werden: sagte, behauptete oder meinte. So benötigen die RezipientInnen bestimmtes Textsortenwissen, um sich an den formalen Strukturen eines Textes orientieren zu können (vgl. Budde et al. 2012: 88). Überschriften, eine kurze vorangestellte Zusammenfassung, hervorgehobene Informationen oder eine passende Abbildung können ebenso als wertvolle Verstehenshilfen dienen, „weil sie eine Erwartungshaltung auslösen, die den Einsatz der Dekodierprozesse unterstützt“ (Lutjeharms 2010: 978). Nicht alle Informationen werden im Text explizit ausformuliert. Die LeserInnen müssen diese Leerstellen im Text füllen und mithilfe eigener Wissensbestände (Alltags-, Fach-, Erfahrungs-, Handlungswissen etc. sowie sprachliches Wissen) ergänzen. Dies wird Inferenzbildung genannt (vgl. ebd.). Inwiefern das Vorwissen das Antizipieren sowie Einordnen der Informationen unterstützt und inwiefern sich dabei das Sprach- und Weltwissen gegenseitig beeinflussen, wird am Beispiel der zweiten Lücke in unserem Zeitungsartikel deutlich: Auf den ersten Blick fehlt in diesem Satz keine Information. Dies ist auch der Analyse der Satzstellung zu entnehmen - nach dem Subjekt (Joachim Gauck) folgt das finite Verb (will) als ein Teil des Prädikats (will gewinnen). Im mündlichen Sprachgebrauch wäre es möglich, vor den Namen den bestimmten Artikel zu setzen (*der Joachim Gauck); in der geschriebenen Sprache, in der Zeitungsartikel verfasst werden, gilt eine derartige Formulierung jedoch als nicht angemessen. Gesucht wird also nach einem Wort, das das Gleiche wie Joachim Gauck ausdrückt, bzw. nach einer Bezeichnung, die durch den Namen (als sog. Apposition) erweitert wurde, wie z.B. Vater, Fußballspieler, Komponist, Bundeskanzler oder Ministerpräsident. Neben dem sprachlichen Wissen ist hierbei das allgemeine Wissen ausschlaggebend: Man muss die Funktion von Joachim Gauck als Bundespräsidenten kennen, um das passende Wort zu identifizieren. Leseverstehen umfasst also zum einen die textgeleiteten Prozesse (botttom-up), bei denen sprachstrukturelles Wissen (wie z.B. Flexionsmorpheme, Wortbildungen, syntaktisches Wissen) entscheidend ist. Zum anderen schließt es die wissensbasierten und erwartungsgesteuerten Prozesse (top-down) ein (vgl. Christmann, Groeben 2002: 169-172). Dies bedeutet, dass die LeserInnen ihr sprachliches Wissen und Weltwissen in jeder Phase des Leseprozesses einsetzen müssen (vgl. Budde et al. 2012: 88). Hierfür müssen sie aber ihr Wissen und ihre Kompetenzen dementsprechend (auch fachspezifisch) auf- und ausbauen. Die kompetenten LeserInnen überwachen auch den eigenen Verstehensprozess: Sie verfügen über verschiedene Lesestrategien, die ihnen helfen, eventuelle Defizite im Verstehensprozess zumindest teilweise auszugleichen. Weniger kompetente LeserInnen benötigen hierfür eine explizite Unterstützung, um eine Vielfalt an Strategien kennenzulernen, eine umfangreiche Textkompetenz auszubilden und den Leseprozess selbst bewusst zu steuern. 3.1.2 Herausforderungen von Schulbuchtexten für die heterogene Schülerschaft Betrachtet man die Schulbuchtexte unter dem Aspekt der heterogenen Schülerschaft, so stellt in erster Linie die Beschaffenheit des Textes eine Herausforderung insbesondere für Lernende mit geringen Deutschkenntnissen dar. Bislang liegen jedoch nur wenige empirische Analysen von Lehrbüchern unter besonderer Berücksichtigung sprachlicher Merkmale vor (vgl. Ahrenholz 2013: 90). Untersuchungen belegen aber, dass viele Jugendliche ihre Schulbücher aufgrund der sprachlichen Gestaltung und Komplexität kaum nutzen (vgl. Niederhaus 2011a: 21). Dabei gelten vor allem Physikbücher als unverständlich (vgl. Starauschek 2003: 135; Merzyn 1994: 236). So zeigte Merzyn (1994) auf, dass Lehrbuchtexte im Physikunterricht den Lehren- <?page no="93"?> 91 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens den als Grundlage für die Unterrichtsvorbereitung dienen; die SchülerInnen selbst hingegen diese kaum in Anspruch nehmen. Laut Aussagen der LehrerInnen und SchülerInnen liegt dies darin begründet, dass die Texte zu schwierig seien. „Am stärksten kritisiert wird die Sprache und Verständlichkeit der Schulbuchtexte.“ (ebd.: 236). Starauschek (2003: 135, 143) belegte in einer Studie mit Vergleichsgruppen, dass SchülerInnen ein Physiklehrwerk viel häufiger nutzen, wenn es ihrem Sprachstand entspricht und an der Alltagssprache anknüpft. Beerenwinkel und Gräsel (2005: 30) zeigten, dass auch Chemiebücher nicht ohne Unterstützung zur Erarbeitung von fachlichen Inhalten genutzt werden können. Verstehensschwierigkeiten lassen sich nicht nur für den naturwissenschaftlichen Fachunterricht, sondern auch für den gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht konstatieren: Tests zum Leseverstehen im Geschichtsunterricht belegen, dass Schulbücher aus diesem Fachbereich von den SchülerInnen nicht ausreichend verstanden werden (vgl. von Borries 2010 nach Niederhaus 2011a: 21). Analysiert man die Lernmaterialien, so sind diese Ergebnisse nicht überraschend. Denn im Fachunterricht werden die SchülerInnen mit Texten konfrontiert, die spezifische Merkmale der deutschen Fachsprachen enthalten (vgl. Snow 2010). Ein großer Anteil an Fachtermini sowie verschachtelten Sätzen werden für viele Lernende zu einer Hürde (vgl. Wolf et al. 1999 nach Niederhaus 2011a: 21). Schon 1989 zeigte Graf in einer Untersuchung für den Fachunterricht Biologie in den Klassen 5 bis 10, dass den SchülerInnen in diesem Fach eine Vielzahl an biologischen Fachtermini begegnet: „Für die Klassen 5 und 6 reicht die Spanne von 1595 bis 2360 für die Klassen 7-10 von 1481 bis 3818.“ (Graf 1989: 173) Angenommen, dass ein Schulbuch im Laufe des Schuljahrs vollständig bearbeitet wird, würde es umgerechnet auf Unterrichtsstunden bedeuten, dass die SchülerInnen 8 bis 32 neue Fachbegriffe pro Unterrichtsstunde lernen müssten (vgl. ebd.). Prekär ist aber nicht nur die große Menge an Fachvokabular. Fast die Hälfte aller biologischen Fachtermini wird in jedem Lehrwerk nur ein einziges Mal verwendet (vgl. ebd.). Die Jugendlichen erhalten damit kaum Gelegenheiten, die Fachbegriffe zu festigen, miteinander zu verknüpfen und zu wiederholen. Diese Problematik wird zusätzlich durch die Inkonsistenz der Fachbegriffsverwendungen in Schulbüchern verschärft. So zeigen Oleschko und Moraitis (2012: 24) exemplarisch an Texten aus dem Fachbereich Geschichte, dass die Schulbuchautoren innerhalb eines Lehrwerks keine einheitlichen Begriffe für ein fachliches Phänomen gebrauchen. Merzyn (1999) fand heraus, dass die Fachwortschatzdichte in Physikbüchern nur unzureichend an die unterschiedlichen Adressaten, d.h. an die SchülerInnen, angepasst ist. Die Analyse hat gezeigt, dass die Anzahl an Fachbegriffen je nach Alter oder Schulform - wider Erwarten - nicht differenziert wird. Die sprachliche Ausgestaltung der Schulbuchtexte kann insbesondere für SchülerInnen mit DaZ zu einer Herausforderung werden. Durch das Lesen eignen sie sich einerseits die Sprache an; andererseits ist der Erwerb umfassender Sprachkenntnisse die Voraussetzung für das Lesen. So „stehen [sie] den komplexen kommunikativen Anforderungen, die das Ver- und Bearbeiten schriftlicher Texte an sie stellt, hilflos gegenüber“ (Riedel 2004: 78). Beim Lesen in einer Zweit-/ Fremdsprache spielt der Umfang des Wortschatzes, den die LeserInnen beherrschen, eine entscheidende Rolle. Solange sie über keine mentalen Repräsentationen für die Wörter oder Wortbausteine (d.h. Morpheme) verfügen, haben sie beim Dekodieren keinen lexikalischen Zugriff. Sie nehmen die Wörter nicht als Ganzes auf, sondern lesen Buchstabe für Buchstabe. Hierfür braucht das Arbeitsgedächtnis mehr Aufmerksamkeit, was den Verstehensprozess verlangsamen kann. <?page no="94"?> 92 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Sogar sehr geübte Lesende einer Zweitsprache lesen […] [die Wörter] langsamer als […] [in der] Muttersprache, was wohl auf geringere Automatisierung der unteren Verarbeitungsebenen zurückzuführen ist. Allerdings wird für das Wiedererkennen weniger Festigung verlangt als für den Abruf bei der Sprachproduktion. (Lutjeharms 2010: 979) Die langsame Worterkennung oder Fehldeutungen können wiederum zu einem langsamen Satzverständnis führen. Daher ist für das Lesen im Unterricht mehr Zeit einzuplanen. Erkennen die SchülerInnen die Bedeutung der Wörter nicht, so fällt es ihnen schwerer, eine Verknüpfung mit anderen Wortgruppen herzustellen. Übungen, die die Oberflächenmerkmale von Texten stark berücksichtigen, können daher für Zweitsprachenlernende hilfreich sein: Beim Lesen soll geklärt werden, worauf sich beispielsweise Pronomina beziehen, welche Synonyme für die Bezeichnung des gleichen Phänomens (auch Ober- oder Unterbegriffe) im Text benutzt werden, warum etwas geschehen ist und welche Auswirkungen sich daraus ergeben (vgl. Rösch 2011: 192). Auch Kenntnisse der Satzstruktur müssen daher so weit erworben sein, dass sie automatisch erkannt und verarbeitet werden können (vgl. ebd.). Verlangt die Worterkennung zu viel Aufmerksamkeit, fehlen Ressourcen für die Analyse der syntaktischen Relationen. Dies beeinträchtigt auch das Verstehen auf der Textebene: Der rote Faden des Textes geht verloren. Deshalb greifen LeserInnen in einer Zweit-/ Fremdsprache häufig auf die Strategie des Inferierens, d.h. auf die Hypothesenbildung zurück, um eine unmittelbare Sinnentnahme zu erzielen. Diese Strategie ist für das Lesen der Fremdsprache insofern von Bedeutung, als auch muttersprachlich geübte Lesende beim Lesen in einer neuen Sprache anfänglich schwache Lesende sind und sich kompensatorisch für Kenntnislücken und ungenügende Automatisierung der Fertigkeit auf das Infeieren verlassen müssen. Das Textverständnis ist beim inferierenden Lesen aber oft sehr ungenau (Bernhardt 1993), was neben der Überforderung bei unzureichenden Sprachkenntnissen demotivierend wirken kann. (Lutjeharms 2010: 976) Dieses kompensatorische ‚Erraten der Inhalte‘ wird jedoch automatisch eingesetzt und führt daher nicht immer zu einem gestörten Leseprozess (vgl. ebd.: 979). Für die Unterrichtsplanung ist es wichtig zu beachten, dass SchülerInnen je nach Erwerbskontext des Deutschen, je nach Geschlecht und Schulform andere Rezeptionsstrategien zum Verstehen von Sachtexten bevorzugen. So konnte nachgewiesen werden, dass bei HauptschülerInnen mit Migrationshintergrund stilles Lesen sowie Vorlesen im ersten Rezeptionsdurchgang zu besseren Ergebnissen führen als das Aktivieren von Vorwissen. Für HauptschülerInnen mit DaM ist hingegen das Aktivieren von Vorwissen in einem Unterrichtsgespräch ein wesentliches Element des Textverstehens (vgl. Grütz et al. 2007: 77f.). Bei den Verfahren der zweiten Textbegegnung zeigen HauptschülerInnen mit und ohne DaZ gleiche Präferenzen: Lesen sie den Text noch einmal, profitieren sie dagegen von einem Unterrichtsgespräch über die Textinhalte am meisten. Schriftorientierte Verfahren wie das Herausschreiben von Schlüsselwörtern müssen bei HauptschülerInnen erst eingeführt werden (vgl. ebd.: 73). Auch geschlechtsspezifische Unterschiede sind zu vermerken: Während Mädchen mit der Aktivierung von Vorwissen besser abschneiden, erreichen die Jungen mit den Verfahren des stillen Lesens und Vorlesens bessere Ergebnisse bei der Rezeption von Sachtexten (vgl. ebd.: 77). Im Gegensatz dazu ist die Methode des Vorlesens bei leistungsstärkeren SchülerInnen nicht adäquat: Bei den RealschülerInnen sind nämlich im ersten Rezeptionsdurchgang die Verfahren der Aktivierung von Vorwissen sowie das stille Lesen am effektivsten. Im zweiten Rezeptionsdurchgang empfiehlt es sich, über den Inhalt zu sprechen oder die Schlüsselwörter herauszuschreiben. Das Unterstreichen von Schlüsselwörtern muss jedoch insbesondere bei Jungen eingeübt werden (vgl. ebd.: 79). r <?page no="95"?> 93 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens Die sprachliche Heterogenität der Schülerschaft und ihre Präferenzen beim Umgang mit Texten finden in den Lehrwerken allerdings wenig Berücksichtigung. Sowohl die Schulbücher als auch die im Unterricht meist eingesetzten Lehr- und Lernmaterialien sind für SchülerInnen mit DaM entwickelt worden und richten sich somit nicht nach den spezifischen Bedürfnissen der sprachlich heterogenen Schülerschaft, vor allem nicht nach den Bedürfnissen von Lernenden mit DaZ. In den Lehrwerken fehlen gezielte Übungen, um den grundlegenden Gebrauchswortschatz differenziert auszubauen. Aufgaben, die die Entwicklung von schriftsprachlichen Kompetenzen - auch im fachlichen Kontext - fokussieren, sind rar (vgl. Kuhs 2010: 321). Die neueren Schulbücher thematisieren zwar die Anwendung von verschiedenen Strategien, die das Textverstehen begünstigen können. Sie betrachten es aber isoliert in dem jeweiligen Fach. Bisher wurde auch kein Versuch unternommen, die beim Sprachenlernen erworbenen Kompetenzen beim Umgang mit Texten auf die weiteren Fächer zu übertragen (vgl. Budde, Michalak 2014: 21). Auch eine curriculare Systematisierung der Lesestrategien ist noch nicht erfolgt. Die sprachlichen Ausprägungen der Texte sind an ihre Fachlichkeit gekoppelt. Daher können die Schwierigkeiten beim Umgang mit Texten und insbesondere bei der Bedeutungskonstruktion nicht nur sprachlicher, sondern auch fachlicher Natur sein (vgl. Bergunde 2010: 235). Hierbei sind in erster Linie (Alltags-)Vorstellungen zu nennen, die die SchülerInnen in den Fachunterricht mitbringen. Bei den Begriffen Kraft (Physik) oder Multiplikation (Mathematik) divergieren die alltäglichen und fachlichen Auffassungen voneinander und können daher für die Lernenden zur Herausforderung werden. Beerenwinkel et al. (2006) haben naturwissenschaftliche Lehrwerke unter dem Aspekt der häufig auftretenden Fehlvorstellungen von SchülerInnen untersucht und dabei herausgefunden, dass nur sehr wenige Schulbücher bekannte Alltagsvorstellungen explizit aufgreifen. In keinem der Schulbuchtexte erhalten die SchülerInnen Hinweise darauf, sich kritisch mit ihren eigenen Fehlvorstellungen auseinanderzusetzen. Die fehlende Integration von SchülerInnenvorstellungen in Lehrbuchtexten wird als äußerst problematisch erachtet: Das Vorwissen der Einzelnen beeinflusst grundlegend, welche Informationen der Umgebung wahrgenommen und wie sie interpretiert werden […]. Ein Nichtaufgreifen dieser Vorstellungen ebenso wie von Fehlkonzepten, die sich im Unterricht entwickeln, kann zu weitreichenden Lernschwierigkeiten führen (z.B. Duit 1995, Treagust et al. 2000). (Beerenwinkel et al. 2006: 358) Liest man einen Text in anderen Sprachen, wird dort häufig Wissen vorausgesetzt, über das nur MuttersprachlerInnen bzw. Personen verfügen, die in dem jeweiligen Kulturumfeld aufgewachsen sind. Vorwissen ist nämlich kulturabhängig und an Konventionen gebunden. Hinzu kommt, dass sowohl die Form eines Textes als auch bestimmte sprachliche Elemente kulturspezifische Merkmale aufweisen. So können sich Probleme beim Textverstehen aufgrund eines mangelnden Hintergrundwissens fachlicher oder kultureller Art ergeben (vgl. Kuchenreuther 2012: 195). In erster Linie geht es dabei um kulturspezifische sprachliche Gestaltung. Wird in einem Text beispielsweise erwähnt, dass eine Person in einer Villa wohnt, so würden DaM- Lernende an ein wohlhabendes, vornehmes, in einer schönen Gegend liegendes Haus denken. Ein Rezipient polnischer Herkunft würde sich dagegen unter dem Begriff ein ganz normales Einfamilienhaus vorstellen. Aber nicht nur das sprachliche Wissen ist hier entscheidend: Wird in einem Lehrwerk auf das Harz-Gebirge als Beispiel für ein Mittelgebirge hingewiesen, kann dies eventuell zu Textverständnisschwierigkeiten führen (vgl. ebd.: 201). SchülerInnen, die aus einem anderen Land kommen, aber vermutlich auch Lernende aus Deutschland, kennen diese Form von Gebirge vielleicht nicht. Die Abgrenzung zum Hochgebirge geschieht fachlich durch die Baumgrenze, die in Deutschland bei 1500-1700 m liegt. In den nördlichen Randalpen liegt diese Grenze bei 1700 m, in den Zentralalpen bei 2600 m. Eine nicht eindeutige bildliche <?page no="96"?> 94 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Darstellung, auf der die Höhe des Berges sowie die für ein Mittelgebirge in Deutschland typische Baumgrenze nicht erkennbar sind, unterstützt daher die LeserInnen in ihrem Leseprozess nur beschränkt. Solche Wissensbereiche können wegen ihrer kulturellen Bedingtheit nicht als bekannt vorausgesetzt werden, sodass für das Verständnis des Textes die Erläuterungen seitens der Lehrkraft notwendig sind (vgl. ebd.: 196). Lehrkräfte sollten sich bei der Auswahl der Arbeitsmaterialien daher auch immer fragen, inwiefern für das Verständnis der Materialien oder für die Bewältigung der Aufgaben kulturell bedingtes Weltwissen vorausgesetzt wird. Aufgrund zu vieler wenig angereicherter oder nur schwer vorstellbarer Informationen kann der Arbeitsspeicher im Gehirn schlichtweg überfordert sein (vgl. Bergunde 2010: 236). Was gilt es nun angesichts dieser Erkenntnisse für die Fachlehrkräfte in der Unterrichtsvorbereitung zu tun? Da empirisch nicht gesichert ist, inwieweit Lehrwerke von Lehrkräften genutzt werden, stellen wir im Folgenden für die Unterrichtsvorbereitung nicht den Umgang mit ganzen Schulbüchern, sondern den Umgang mit einzelnen Lehrwerks- und Arbeitsmaterialien, vor allem mit Texten, in den Fokus der Aufmerksamkeit. 3.1.3 Auswahl und Aufbereitung der Texte Die größte Herausforderung für Lehrkräfte besteht darin, einen geeigneten Text für den Unterricht auszuwählen und diesen für die heterogene Schülerschaft aufzubereiten (vgl. Fenkart 2010: 201). Bei der Auswahl der Texte sollen mehrere Aspekte berücksichtigt werden (s. Abb. 24). Der Leistungsstand und die sprachlichen Kompetenzen der SchülerInnen sind dabei ausschlaggebend. So können sich die Lehrkräfte - je nach Schulstufe - für kurze Sachtexte von wenigen Sätzen bis hin zu einem Sachbuch entscheiden. Auch die Gliederung des Textes ist von großer Bedeutung: Ein geeigneter Text zeichnet sich durch eine klare Struktur aus, denn ein übersichtlicher Aufbau unterstützt die Texterschließung. Bei der Textauswahl bilden also die Textgliederung, Einteilung in Absätze, Hervorhebungen und visuelle Ordnung ein entscheidendes Kriterium (vgl. BMBF 2007: 27). Explizite Verknüpfungen helfen, lokale Kohärenz herzustellen, d.h. den Zusammenhang zwischen einzelnen Wörtern, Wortgruppen oder aufeinander folgenden Sätzen zu erkennen, so etwa zwischen drei Ausdrücken wie Joachim Gauck, Bundespräsident und er (vgl. ebd.: 24). Die Relationen zwischen den einzelnen Textteilen und anderen Darstellungsformen sollen sichtbar bzw. explizit formuliert sein (vgl. ebd.: 26f.). Ein guter Text soll keine überflüssigen Informationen enthalten: Ist der Text zu umfangreich, verlieren die RezipientInnen den roten Faden. Ist er zu prägnant, fehlen verständnisfördernde Erklärungen (vgl. Groeben 1982: 187). Im Folgenden nähern wir uns der Textauswahl und -aufbereitung unter besonderer Berücksichtigung der sprachlichen Perspektive, denn: „[i]n fachlichen Texten erscheinen Sachverhalte in sprachlich komplex verschlüsselter Form“ (Riedel 2004: 79). Im Hinblick auf die sprachschwachen Lernenden sollten die Fachlehrkräfte die für den Unterricht ausgewählten Lehrbuchtexte genauer analysieren, um fachsprachliche Elemente und Merkmale konzeptioneller Schriftlichkeit zu erkennen und eventuelle Verstehensschwierigkeiten zu antizipieren (vgl. Kuchenreuther 2012: 204). Dafür sind die fach- und schriftsprachlichen Strukturen auf Wort-, Satz- und Textebene zu untersuchen (vgl. Michalak 2013d: 13; s. auch Kap. 3.2). Werden die Herausforderungen eines Textes auf diesem Wege ausgearbeitet, so bieten sich zwei Vorgehensweisen an: Zum einen kann der Text an die Lernenden angepasst werden (vgl. Schmellentin et al. 2012: 3). In diesem Fall wird der Text vereinfacht und die SchülerInnen erhalten ihn in einer Form, die ihren sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten entspricht. Zum anderen können die Lernenden an einen anspruchsvollen Text herangeführt werden. Hier findet keine Vereinfachung statt, sondern die SchülerInnen werden in ihrer Textverstehenskompe- <?page no="97"?> 95 3.1 (Sach-)Texte als Grundlage des schulischen Lernens tenz dadurch geschult, dass ihnen sprachliche Hilfen angeboten und Texterschließungsstrategien vermittelt werden (vgl. Leisen 2010a: 215). Beide Formen der Passung zwischen Lernenden und Text haben ihre Vor- und Nachteile. Kriterien für die Auswahl der Sachtexte Kriterium Leitfragen der Einfachheit Ist der Text leicht verständlich/ adressatengerecht/ anschaulich? Enthält er wenige/ viele ungeläufige Wörter/ Fachbegriffe? Werden die Fachbegriffe einheitlich gebraucht? der Kürze Ist die Länge des Textes angemessen für die Lernergruppe? Enthält der Text keine überflüssigen Informationen? Enthält der Text viele deskriptive Elemente? Gibt es keine wörtlichen Wiederholungen? der Gliederung Ist der Text klar strukturiert? Ist der Text in Absätze unterteilt? Werden wichtige Informationen hervorgehoben? Werden ausreichend Beispiele genannt? anregender Zusätze Ergänzen visuelle Elemente (Bild, Karte, Grafik etc.) den Text? Passt das Bild zu den Inhalten des Textes? Stellt es die Inhalte eindeutig dar? Braucht das Bild zusätzliche Erläuterungen? Abb. 24: Kriterien für die Auswahl von Sachtexten, orientiert an Groeben 1982, Michalak 2013d Eine Textvereinfachung kann durch die Reduzierung von fachsprachlichen Merkmalen und die Tilgung sprachlicher und fachlicher Hürden erzielt werden, sodass die Inhalte den SchülerInnen zugänglicher sind. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass fachsprachliche Texte nicht beliebig verändert bzw. vereinfacht werden können. Dies geht nämlich häufig mit einer Ungenauigkeit der beschriebenen Inhalte einher. Grießhaber (2010b: 42) zeigt dies exemplarisch an der sprachlichen Entlastung einer mathematischen Textaufgabe, die - trotz sprachlicher Vereinfachung - von vielen SchülerInnen nicht gelöst werden konnte. Als Beispiel nennt er eine Aufgabe, in der der ursprüngliche Satz „Wie groß ist der umbaute Raum, wenn die Dicke der Wände nicht berücksichtigt wird? “ zur folgenden Frage reduziert wurde: „Wie groß ist das Volumen der Wohnung? “ (vgl. Melsek o.J.: 14, zitiert nach Grießhaber 2010b: 43). Diese Umformulierung vereinfacht zwar den Text sprachlich (kein Nebensatz wie in der ursprünglichen Aufgabenstellung). Sie führt aber zugleich zu einer sachlich tiefgehenden Veränderung: Die erste Version enthält nähere Informationen und Einschränkungen (ohne Berücksichtigung der Dicke der Wände), wogegen der in der zweiten Variante angewandte Begriff das Volumen umfangreicher und dadurch weniger präzise ist. Bei der sprachlich entlasteten Variante (Wie groß ist das Volumen der Wohnung? ) können daher die RezipientInnen daraus schließen, in der Aufgabe zuerst das Volumen der Wände berechnen und dies anschließend bei der Gesamtberechnung berücksichtigen zu müssen. Diese Deutung ist mit der sprachlichen Vereinfachung jedoch sicher nicht beabsichtigt worden (vgl. Grießhaber 2010b: 44). Werden die Texte sprachlich reduziert, erfolgt die Vermittlung der Inhalte in diesem Fall weitgehend durch die Alltagssprache. Der schriftsprachliche Anteil in der mündlichen und schriftlichen Unterrichtkommunikation wird verringert. Dies kann dazu führen, dass die Sprachkenntnisse der SchülerInnen auf dem BICS-Niveau verfestigt werden. Dadurch wird auch das fachliche Verständnis begrenzt. Die sprachliche Textvereinfachung widerspricht daher dem Bildungsziel der Institution Schule, denn die SchülerInnen sollen zum Ende der <?page no="98"?> 96 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Schulzeit fachsprachlich angemessen kommunizieren können. Die Heranführung der Lernenden an die fachliche und sprachliche Komplexität von Texten und ihre eigenständige Erschließung ist somit die vordringlichste Aufgabe des Unterrichts aller Fächer (vgl. Leisen 2010a: 215). Die Arbeit an Texten sollte daher nicht mit der Intention unterlassen werden, eine Überforderung der SchülerInnen zu vermeiden. Vielmehr sollen sie gezielt auf ihre berufliche Laufbahn vorbereitet werden, indem sie dazu befähigt werden, komplexe, fachbezogene Texte autonom zu entschlüsseln und auch selbst welche zu schreiben. Bei sehr anspruchsvollen Texten, die die SchülerInnen trotz Unterstützungshilfen selbständig nicht erfolgreich erschließen können, ist dennoch eine Anpassung in Form der Textvereinfachung (oder evtl. die Auswahl eines alternativen Textes) gegebenenfalls erforderlich (vgl. ebd.: 216). Für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind formale Veränderungen am Text ebenso eine gute Hilfe, um ihnen den Zugang zum Text zu gewährleisten. Das Vergrößern und die Veränderung der Schrift, das Hervorheben von wichtigen Informationen durch Fettdruck und Unterstreichung, das Aufteilen des Textes in mehrere Abschnitte, die nacheinander präsentiert werden oder die besondere Kennzeichnung und das Einfügen von Absätzen sind daher insbesondere für den inklusiven Unterricht zu empfehlen. Diese Mittel stellen jedoch besonders für diese Schülergruppe keine ausreichende Hilfe dar. In diesem Fall steht die Lehrperson im Spannungsfeld, einen Zugang zu Texten zu ermöglichen, diese aber nicht ihres Sinnes zu entfremden. Hier ist ein höheres Maß an Textentlastung notwendig und eine Kürzung oder auch Umformulierung der Texte bzw. das Neuverfassen von Informationen didaktisch zu rechtfertigen. 15 Die Heranführung der Lernenden an fachliche Texte und damit die gezielte Textarbeit ist die wünschenswerte Form der Passung zwischen Lernenden und Text. Sie erfolgt durch Übungen, die das Textverständnis unterstützen. Dazu gehören u.a. die Orientierung an Lesestilen, die Vermittlung von Texterschließungsstrategien oder das Anbieten von Hilfestellungen, wie die Übersetzung fachsprachlicher Formulierungen in die Alltagssprache, Definitionen von ausgewählten Begriffen oder das Ausdeuten von fachlichen Formeln mit Beispielen (vgl. Bergunde 2010: 236). Solche Textaufbereitung nimmt zwar bei der Planung und Durchführung des Unterrichts viel Zeit in Anspruch; die Vorgehensweise fruchtet jedoch langfristig. Zum einen erhalten die Lernenden die Möglichkeit, die deutsche Sprache in fachlichen Kontexten bewusst zu erwerben. Zugleich werden sie durch die gezielte Einübung der Textverstehensstrategien zur selbständigen Auseinandersetzung mit komplexen Texten befähigt. Zum anderen werden die SchülerInnen durch die aktive Texterschließung in fachliche Konzepte eingeführt, sodass durch eine aktive Textarbeit im Fachunterricht das fachliche Lernen selbst gefördert wird (vgl. Fenkart 2010: 200). 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten Den Ausgangspunkt für die Vorbereitung unterstützender Übungen für den sprachbewussten Umgang mit Texten im Fachunterricht bildet die Analyse der Lernvoraussetzungen sowie der sprachlichen Anforderungen der Unterrichtsmaterialien (vgl. Kniffka 2012: 216). Erst im Anschluss an diese beiden Schritte erfolgt die konkrete Unterrichtsplanung, in der fachliche und sprachliche Übungen miteinander verknüpft werden. 15 Eine Hilfe, wie man mit Texten im sonderpädagogischen Unterstützungsrahmen umgehen kann, um sie z.B. Menschen mit geistiger Behinderung so verständlich wie möglich zu machen, bietet der Ratgeber „Leichte Sprache“ (www.bmas.de). Auch handlungs- und produktionsorientierte Zugänge zu Texten sind für den inklusiven Unterricht zu empfehlen (vgl. Haas et al. 1994). <?page no="99"?> 97 3.2.1 Voraussetzungen der Lernenden Bei der Einschätzung der Lernvoraussetzungen unter fachlicher, kultureller und sprachlicher Perspektive ist eine enge Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Sprachlehrkräften und Lehre - Innen anderer Fächer anzustreben, um einen Austausch über die sprachlichen Kompetenzen der SchülerInnen zu ermöglichen. Gemeinsam können detaillierte Aussagen über die (fach-) sprachlichen Fähigkeiten der SchülerInnen gemacht werden, denn diagnostische Verfahren, die insbesondere für den Fachunterricht ergiebig wären, gibt es bislang kaum. Als erste Orientierung für die Einschätzung der Lernvoraussetzungen können die folgenden Leitfragen dienen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 10). Die Voraussetzungen, die die SchülerInnen für den zu lernenden Sachverhalt mitbringen, sind zuerst aus fachlicher Perspektive zu betrachten: • Welches fachliche Vorwissen haben die Lernenden in Bezug auf die Thematik? • Welches Wissen bringen sie diesbezüglich auch aus anderen Fächern mit? • Handelt es sich um ein Thema, das den Lernenden auch in alltäglichen Situationen begegnet? • Falls eine Thematik beleuchtet wird, die den SchülerInnen aus alltäglichen Kontexten bekannt ist: Sind aus der entsprechenden Fachliteratur eventuell Schüler- oder Fehlvorstellungen bekannt, die mit den in den Texten beschriebenen Fachinhalten divergieren können? Unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Herausforderungen sind folgende Aspekte zu beachten: • Sind die in dem Text thematisierten Wissensbereiche (z.B. Bergbau, Forstwirtschaft, Fischfang, Feuer machen) allen SchülerInnen gleichermaßen bekannt? Welche Bereiche müssen explizit erläutert werden? • Sind die für den Text relevanten (auch fachlichen) Traditionen (z.B. Darstellungsformen) oder Rituale (z.B. Anredeformen) den Lernenden bekannt? • Könnten eventuell bestimmte Wörter von den SchülerInnen mit unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen anders gedeutet werden (z.B. das Wort Villa)? Aus sprachlicher Perspektive sind folgende Fragen zu überlegen: • Welche sprachlichen Strukturen bringen die Lernenden schon mit? • Über welches sprachliche Vorwissen verfügen die Lernenden zu dem Thema (z.B. bekannte Fachbegriffe, Formulierungen, Textsorten)? • Welche sprachlichen Hilfestellungen brauchen sie bei der selbstständigen Texterschließung/ für die selbständige Textproduktion? • Welche (komplexen) sprachlichen Konstruktionen müssen noch thematisiert bzw. geübt werden, damit die Lernenden erfolgreich und adäquat an der Kommunikation partizipieren können? Um eine optimale Passung zwischen Lernenden und Text zu erreichen, ist der Text anschließend mit Blick auf die heterogene Schülerschaft hinsichtlich der sprachlichen Anforderungen zu analysieren. r 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten <?page no="100"?> 98 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? 3.2.2 Sprachliche Anforderungen des Textes Einstiegsaufgabe: Betrachten Sie den folgenden Lehrwerksauszug aus dem Sachunterricht für die 3. Klasse. Welche Herausforderung stellt der Text mit allen seinen Elementen für die SchülerInnen dar? Beachten Sie bitte fachliche und sprachliche Aspekte. Welche Fragen ergeben sich aufgrund Ihrer Analyse für einen Unterricht, in dem dieser Text verwendet werden soll? Abb. 25: Auszug aus einem Schulbuch für den Sachunterricht, 3. Klasse (Meier 2007: 100) <?page no="101"?> 99 Werden die fachsprachlichen Merkmale analysiert, so muss zunächst der Text als Ganzes in seiner gesamten sprachlichen Komplexität und in seiner Einbindung in den fachlichen Kontext in den Blick genommen werden (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 10). Als erste Orientierung können daher die folgenden Fragen dienen: • An wen ist der Text adressiert? • Welche kommunikative Funktion hat der Text? (appellieren, informieren etc.) • Wie wird das Thema in dem Text entfaltet? (darstellend, argumentativ oder erklärend) • Welche Textsorte liegt vor? • Wie ist der Text aufgebaut? • Welche Funktion hat das Bild für die Texterschließung? Der vorliegende Lehrwerkauszug (s. Abb. 25), der uns im Folgenden als Grundlage für die exemplarische Analyse von sprachlichen Anforderungen in (Sach-)Texten dient, richtet sich an DrittklässlerInnen und wird fachlich dem Sachkundeunterricht der Grundschule zugeordnet. Es handelt sich um einen beschreibenden (deskriptiven) Informationstext: Erläutert wird, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Feuer entstehen kann. Thematisch ist der Text in die Lebenswelt der SchülerInnen eingebunden. Es ist anzunehmen, dass die Lernenden in ihrem Alltag das Entzünden eines Feuers bereits in verschiedenen Kontexten (Kerzen, Kamin oder Zigarette anzünden oder ein Lagerfeuer machen) beobachten konnten. Anknüpfend an dieses fachliche Vorwissen sollen die SchülerInnen durch den Text lernen, die Bedingungen für die Entstehung eines Feuers möglichst detailliert und präzise zu erklären. Der gesamte Text ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten und dritten Teil werden die Fachinhalte in rein verbaler Form dargelegt, während sie im zweiten Abschnitt mithilfe einer Abbildung grafisch präsentiert sind. Das Bild dient in diesem Fall zur Unterstützung des ersten Textabschnittes, es illustriert zentrale Begrifflichkeiten dieses Abschnitts. Nachdem diese erste Orientierung erfolgt ist, kann der Text nun sprachlich genauer untersucht werden. Diese Analyse kann sich auf folgende Fragen stützen, die der Fokussierung dienen: • Welche Begriffe bzw. sprachliche Strukturen müssen für das Textverstehen unbedingt bekannt sein? • Welche Wörter (Schlüsselwörter und ihre Wiederaufnahme) und Satzkonstruktionen müssen unbedingt vorab bzw. während des Unterrichtsgeschehens thematisiert werden? • Welche Schwierigkeiten können bei der Texterschließung auftreten? • Wie kann das Textverständnis zusätzlich unterstützt werden? Bei der genauen linguistischen Analyse von Fachtexten auf der Wort-, Satz- und Textebene (s. Abb. 26) können zahlreiche fachsprachliche Merkmale auftreten, die zu der falschen Annahme führen würden, dass der Text in dieser Form nicht im Unterricht eingesetzt werden kann. Da der Fachunterricht zum Verständnis komplexer Texte anleiten soll, muss vielmehr überlegt werden, inwiefern die untersuchten fachsprachlichen Besonderheiten auch wirklich zur Herausforderung für die SchülerInnen werden können und welche sprachlichen Hilfen die Lernenden für das Textverständnis benötigen. Dafür ist es wichtig, die Textbetrachtung mit der Analyse der LernerInnenvoraussetzungen zu verknüpfen. So soll eingeschätzt werden, welche Begriffe und Konstruktionen für die Lernenden neu und für das Textverständnis unabdingbar sind. Es ist abzuwägen, welche dieser Strukturen eventuell vernachlässigt werden können. Folglich ist beispielsweise nicht jedes Kompositum genau zu analysieren, wenn dieses für das Textverständnis und die zentrale Textaussage nicht notwendig ist. 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten <?page no="102"?> 100 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Sprachliche Ebene Leitfragen Wortebene Sind Fachbegriffe enthalten, die eine Herausforderung darstellen? Werden sie durchgängig einheitlich benutzt? Werden alltagssprachliche Ausdrücke gebraucht, die im fachlichen Kontext eine andere Bedeutung/ Konnotation haben? Kommen fachspezifische Abkürzungen vor? Werden Wörter metaphorisch gebraucht? Werden Komposita verwendet? Mit welchen Affixen (wie zer-, miss-, -bar) werden die Wörter gebildet? Satzebene Ist die Satzstellung ungewohnt für die Lernenden? Ist die Satzkonstruktion komplex/ verschachtelt? Werden Informationen mithilfe von Nominalisierungen/ erweiterten Attributen verdichtet? Sind Passivkonstruktionen vorhanden? Textebene Ist der Aufbau des Textes für die SchülerInnen nachvollziehbar? Welche Verknüpfungsmittel (wie dieser, damit, infolgedessen) enthält der Text und worauf beziehen sie sich? Werden Wörter durch Fügungen ersetzt, die inhaltlich in keinem direkten Bezug zueinander stehen (z.B. Fügt daneben einen Tropfen Wasser hinzu. Umrandet beide Flecken mit einem Rotstift.)? Welche inhaltlichen Lücken müssen von den RezipientInnen gefüllt werden? (Inferenzbildung) Ist der Text durch ein Bild ergänzt? Welche Rolle spielt es? Ist das Bild nachvollziehbar? Abb. 26: Leitfragenkatalog zur Analyse fachsprachlicher Strukturen auf Wort-, Satz- und Textebene (vgl. Michalak 2013d: 14) Mithilfe eines Leitfragenkatalogs kann nun abschnittsweise die Analyse der sprachlichen Komplexität des Textes „Wie ein Feuer entsteht“ (s. Abb. 25) erfolgen: Im ersten Textabschnitt wird beschrieben, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Feuer entstehen kann. Diese Voraussetzungen werden zwar durch Aufzählungszeichen deutlich hervorgehoben, jedoch nicht alle explizit genannt (muss vorhanden sein/ erreicht werden vs. kann nicht brennen). Des Weiteren kann das Textverständnis durch die Verwendung abstrakter Begriffe, wie Bedingung, Entzündungstemperatur oder Zufuhr, die sich nicht aus dem Kontext erklären lassen, erschwert werden (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 10). Dabei ist der Begriff Bedingung für das Verstehen des ersten Textabschnittes zentral. Es geht hierbei um das Bedingungsgefüge, also um die Wenn-dann-Beziehung, die sich hinter diesem Wort verbirgt, und von den SchülerInnen als eine solche erkannt werden muss. Die Lernenden müssen hierfür eine bestimmte grammatische Konstruktion, nämlich Bedingungssätze, kennen: Schon auf die Frage ‚Wann (oder: Unter welchen Bedingungen) entsteht Feuer? ‘, erwartet man die Antwort ‚Wenn Brennmaterial vorhanden ist, usw.‘ Der Lerner muss hier also eine anspruchsvolle Transformationsleistung erbringen. (ebd.) Betrachtet man die weiteren im Text aufgezählten Bedingungen für die Entstehung des Feuers, fällt der Begriff Entzündungstemperatur, ein komplexes und mehrdeutiges Kompositum, auf. Viele SchülerInnen assoziieren das Wort Entzündung vermutlich eher mit Infektionen des <?page no="103"?> 101 Körpers, also mit der Entzündung von Körperregionen. Hier muss den Lernenden erklärt werden, dass die Entzündung in dem Kontext brennen bedeutet. Wie schon angedeutet, weicht die Beschreibung der dritten Bedingung Ohne die Zufuhr von Sauerstoff kann kein Feuer brennen. von den anderen Satzkonstruktionen ab und ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Voraussetzung für die Entstehung des Feuers wird hier nicht direkt genannt, sondern sie muss zuerst entschlüsselt werden: Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist, entsteht kein Feuer. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Sauerstoff auch vorhanden sein muss. Dafür müssen die RezipientInnen die verneinende Konstruktion ohne verstehen, die in dem Satz an die Negation kein Feuer gekoppelt ist. Auch die Topikalisierung, d.h. die Hervorhebung der Bedingung im Vorfeld des Satzes, kann insofern für das Verständnis hinderlich sein, dass die RezipientInnen das Subjekt erst erkennen müssen, um den Inhalt des Satzes nachvollziehen zu können. Des Weiteren ist die Nominalisierung Zufuhr relativ anspruchsvoll: Das Wort stellt eine Ableitung des Verbs (zu)führen dar und stammt nicht, wie man auch denken könnte, von dem Verb fahren. Es tritt auch in der Alltagssprache kaum auf, sodass man annehmen kann, dass es die SchülerInnen ohne Hilfestellung nicht erschließen werden können. Auch das Kompositum Sauerstoff bedarf einer näheren Erläuterung seitens der Lehrkraft. Die Zusammensetzung von mehreren Wörtern führt häufig zu einer neuen Bedeutung, die sich nicht aus der Verbindung der Grundbedeutung der beiden Vokabeln ermittelt lässt (vgl. Kap. 2.2): Bei dem Kompositum Sauerstoff müssen die SchülerInnen erkennen, dass es sich um ein chemisches Element, ein Gas, handelt und nicht um ein Gewebe, das wie beispielsweise eine Zitrone sauer ist (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 11). Der erste Abschnitt enthält auch einige anspruchsvolle syntaktische Strukturen, deren Verständnis seitens der DrittklässlerInnen eventuell überprüft werden sollte: einen Relativsatz mit einer Präposition (…, bei der er zu brennen beginnt.), eine Passivform mit einem Modalverb (muss erreicht werden) oder eine komplexe Nominalisierung (ohne die Zufuhr von Sauerstoff). Auch die Verknüpfungsmittel und ihre Funktion, wie das auf die Temperatur hinweisende Relativpronomen (eine Entzündungstemperatur, bei der …), das sich auf den Stoff im vorherigen Satz beziehende Personalpronomen (Jeder Stoff …, bei der er …) oder das Demonstrativpronomen diese, das auf die Entzündungstemperatur hindeutet, müssen vielleicht gemeinsam entschlüsselt werden. Die SchülerInnen müssen hier erkennen, auf welche Satzelemente im Hauptsatz sich die Verweiswörter (das Relativpronomen der und das Personalpronomen er) beziehen. Nur bei einer richtigen Zuordnung kann der Satz korrekt verstanden werden (vgl. ebd.: 11). Zur Unterstützung des Textverständnisses werden im zweiten Abschnitt die Inhalte aus dem ersten Textteil durch ein Bild veranschaulicht (s. Abb. 25). Jede Bedingung wird visualisiert und zusätzlich beschriftet, was die Annahme unterstützt, dass das Bild als Hilfestellung zur Texterschließung fungiert. Das Brennmaterial ist gut zu erkennen. Zu Verwirrung und Missverständnissen kann hingegen die Darstellung des Sauerstoffs in Form eines Blasebalgs führen (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 12): Mit diesem Gerät wird zwar ein Luftstrom erzeugt; die Beschriftung Sauerstoff suggeriert jedoch, dass mithilfe eines Blasebalgs Sauerstoff entstehen kann. Der Text weist darauf hin, dass Sauerstoff ein Teil der Luft ist. Der Zusammenhang zwischen dem Blasebalg, der Erzeugung des Luftstroms und der Sauerstoffzufuhr müsste den LeserInnen verdeutlicht werden. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass den wenigsten SchülerInnen, unabhängig davon, ob sie Deutsch als Mutter- oder Zweitsprache erwerben, der Blasebalg bzw. dessen Funktion bekannt sind. Im Unterricht muss dies daher erklärt werden. Auch der Begriff Entzündungstemperatur, abgebildet als Streichholzzündung, bedarf näherer Erläuterung, da diese Darstellungsweise höchstwahrscheinlich nicht eindeutig mit der erzeugten Wärme in Verbindung gebracht wird. 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten <?page no="104"?> 102 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Der dritte Teil des Textes hat auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur Entstehung des Feuers. Vielmehr dient er als eine Ergänzung zu den vorherigen Teilen: Hier wird erklärt, welche Stoffe zum Heizen (nicht) geeignet sind. Diese werden aufgezählt. Daher finden sich in dem Abschnitt einige Fachbegriffe, wie Spiritus, Styropor, Kunststoff, Heizöl und Erdgas, deren Kenntnis für die SchülerInnen der ganzen Klasse sichergestellt werden muss. Den DaZ- Lernenden, die eventuell keine Erfahrungen im Umgang mit Tieren in der deutschen Sprache mitbringen, müssen die im Text vorkommenden, relativ einfachen Begriffe wie Stroh oder Heu aus dem Alltag nicht unbedingt bekannt sein. Auch solche Wörter können daher nicht als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Ein wichtiger Begriff in diesem Kontext ist das Wort Stoff, das in gänzlich unterschiedlichen Zusammenhängen in dem Text erscheint. Vermutlich ist der Terminus den SchülerInnen aus dem Alltag in Verbindung mit Textilien bekannt. In dem Text steht der Begriff aber für konkretes Material. So wird er im ersten Textabschnitt als Oberbegriff für verschiedene Arten von Stoffen (jeder Stoff) gebraucht. In weiteren Texteilen wird das Verständnis durch das vermehrte Vorkommen des Wortes Stoff in den Wortkombinationen Sauerstoff, Kunststoff und entzündlicher Stoff beeinträchtigt. Mit dem Kompositum Sauerstoff fungiert der Stoff als Bezeichnung für ein Gas. Die Zusammensetzung Kunststoff bezeichnet dagegen alle festen, künstlich synthetisierten Materialien, zu denen Plastik und Styropor gehören (s. Abb. 25). Die SchülerInnen müssen diese Zugehörigkeit auch erkennen. Die zusammengesetzten Substantive (Sauerstoff, Kunststoff) können insbesondere für SeiteneinsteigerInnen problematisch sein, falls ihnen aus ihrer Erstsprache andere Bezeichnungen für diese Substanzen bekannt sind, die auch auf das Wort Stoff nicht hinweisen (z.B. aus dem Italienischen: ossigeno, aus dem Polnischen: tlen für Sauerstoff). Beim entzündlichen Stoff muss das Substantiv Stoff als übergeordneter Begriff für alle Heizmaterialien wahrgenommen werden. Der Terminus Stoff stellt auch in anderen Kontexten eine besondere Herausforderung dar. Dessen Mehrdeutigkeit zeigt Rittersbacher (2010: 114) im Zusammenhang mit dem Themengebiet Ernährung und Verdauung auf, wo sich für diesen Begriff ein Wortfeld von 15 unterschiedlichen Stoffen ergibt. Diese semantischen Unterschiede können zur Verunsicherung und Verwirrung der SchülerInnen führen, wenn sie noch keine festen Vorstellungen von diesem Begriff erworben haben (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 12). Auf der Satzebene ist auf relativ komplexe Attribute hinzuweisen. Ein erweitertes Attribut (Nicht alle leicht entzündlichen Stoffe) oder ein attributiv verwendetes Partizip Perfekt (behandeltes Holz) bedürfen eventuell einer Erläuterung. In dem dritten Abschnitt sind auch Nominalisierungen (zum Heizen, bei ihrer Verbrennung, zu Explosionen) zu beachten. Bei ihrer Entschlüsselung müssen die LeserInnen erkennen, „dass die hier groß geschriebenen Ausdrücke eine Handlung benennen und keine reinen Objektbezeichnungen im eigentlichen Sinne sind“ (ebd.). Zugleich müssen sie gedanklich die Textkomprimierung, die durch die Verwendung von Nominalisierungen erzielt wird, rückgängig machen bzw. nachvollziehen können. Solche Ausdrücke werden für die SchülerInnen verständlicher, wenn man sie denominalisiert: um zu heizen‚ wenn man sie verbrennt, weil sie explodieren können (vgl. ebd.). Auf der Textebene ist noch die Verwendung rückverweisender Bezüge hervorzuheben. Betrachten wir hierfür den folgenden Satz (s. Abb. 25): Nicht alle leicht entzündlichen Stoffe sind zum Heizen in einem Haushalt geeignet. Manche verbrennen viel zu schnell und geben nur für kurze Zeit Wärme ab. <?page no="105"?> 103 Die RezipientInnen müssen an dieser Textstelle nachvollziehen können, dass das Wort manche den Bezugsausdruck leicht entzündliche Stoffe im vorherigen Satz wiederaufnimmt und erst auf diese Weise seine Bedeutung im Kontext erhält (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 12). Im darauf folgenden Satz wird mit dem Wort dazu noch einmal auf diese Stoffe verwiesen, die als Heizmaterial nicht geeignet sind. Eine solche Form der Wiederaufnahme findet sich auch in dem Satz: Andere Stoffe sind sehr gefährlich, weil es bei ihrer Verbrennung zu Explosionen kommen kann. Hier muss erkannt werden, dass es sich mit dem Possessivartikel ihrer um einen Rückverweis auf den sprachlichen Ausdruck andere Stoffe handelt. Diese syntaktische und semantische Vertextungsstruktur hilft den LeserInnen, den inhaltlichen Zusammenhang des Textes zu erschließen. Solch eine ausführliche Analyse der sprachlichen Anforderungen des Textes bildet die Basis für die sprachbewusste Aufbereitung eines komplexen Sachtextes, der sowohl SchülerInnen mit DaM als auch mit DaZ als Lerngrundlage für fachliche Inhalte dienen soll. Die genaue Betrachtung der sprachlichen Anforderungen auf der Wort-, Satz- und Textebene liefert den Fachlehrkräften detaillierte Hinweise darauf, welche sprachlichen Elemente einer weiterführenden Erklärung bedürfen und an welchen Stellen das Textverständnis sichergestellt werden sollte. 3.2.3 Didaktische Vorgehensweise im sprachbewussten Umgang mit Texten Ausgehend von der schülerorientierten und textbasierten Bedarfsanalyse erfolgt schließlich die Unterrichtsplanung. Selbstverständlich stehen in jedem Fachunterricht die Fachinhalte im Mittelpunkt. Der Text dient als Grundlage und/ oder Unterstützung für die inhaltliche Arbeit. Es ist zu überlegen, wie diese beiden Komponenten - das fachliche Lernen und die unterstützende Textarbeit - miteinander verzahnt werden können. Langfristig sollen die SchülerInnen lernen, Texte für den Wissenserwerb gezielt zu nutzen und sie selbständig zu erfassen. In jedem sprachbewussten Fachunterricht ist es somit anzustreben, die Lernenden zum autonomen, kompetenten Umgang mit Sachtexten zu befähigen. Ihnen sollen Wege gezeigt werden, wie sie dem Text selbständig Informationen entnehmen, diese miteinander in Beziehung setzen, die Textinhalte mit bereits vorhandenem Wissen verknüpfen, reflektieren und präzise wiedergeben können. Das bedeutet, dass die SchülerInnen lernen müssen, zentrale von nebensächlichen Informationen zu unterscheiden und Argumentationsstränge nachzuvollziehen. Dies macht eine Auseinandersetzung nicht nur mit den Fachinhalten, sondern auch mit der Textstruktur erforderlich, die sich letztlich auch auf die Schreibkompetenz der Lernenden positiv auswirkt. Da sich Sachtexte auf die Wissensbestände der RezipientInnen beziehen, müssen diese vorher aktiviert und die neuen Informationen in die vorhandenen Strukturen eingebettet werden, damit diese verstanden werden. Daher knüpft der sprachbewusste Unterricht, in dem fachliche und sprachliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden sollen, an das Vorwissen der SchülerInnen an und bindet dieses ein. Das Vorwissen der Lernenden kann u.a. durch Brainstorming, Mindmapping, Formulierung eigener Vermutungen zum Textinhalt oder die Suche nach Analogien im Wissen aktiviert werden. Die Ergebnisse einer solchen Hinführung zum Text können auch als Vorentlastung des Textes dienen, indem nicht nur die bekannten Fachinhalte, sondern auch die für das Textverständnis hilfreichen sprachlichen Strukturen festgehalten und eventuell ergänzt werden können. Hinweise und der Austausch über den Aufbau des Textes unterstützen das Textverständnis. So können die in Bild und Text dargestellten Bedingungen für die Entstehung des Feuers in Verbindung gesetzt werden (s. Abb. 25). Die einzelnen Punkte können dem Bild zugeordnet werden. Die Gattungskompetenz ist auch im Fachunterricht zu thematisieren. Bei der Präsentation von Texten ist es unverzichtbar, Angaben zur Textsorte und zur Herkunft der schriftlichen 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten <?page no="106"?> 104 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Quellen zu machen, damit die SchülerInnen mit ihnen bewusst und kritisch umgehen können. Dies hat eine Bedeutung für die fachliche Auseinandersetzung mit Texten: So müssen die SchülerInnen im Geschichtsunterricht z.B. lernen, dass ein privater Brief eine andere Aussagekraft als eine politische Rede hat; ein Gesetzestext weist auf den Sollzustand hin, während eine Lebenserinnerung eher über die Wirklichkeit - jedoch aus der Perspektive einer einzelnen Person - berichtet (vgl. Rox-Helmer 2010: 185). Diese Unterschiede müssen die RezipientInnen wahrnehmen und den Standpunkt sowie die Absichten der AutorInnen kritisch hinterfragen. Erst eine bewusste Auseinandersetzung einerseits mit Quellen, die die Vergangenheit überliefern (z.B. Tagebücher, Chroniken oder historische Karten) und andererseits mit Darstellungen, die die historischen Ereignisse (auch wissenschaftlich fundiert) interpretieren (z.B. Darstellungstexte in Sachbüchern, Texte von Historikern oder Tabellen), ermöglicht die Rekonstruktion der Geschichte (vgl. Grosch 2005: 63-66). Die Unterscheidung verschiedener Textformen und das Wissen über unterschiedliche Grade von Fiktionalität sind daher eine Voraussetzung für das Wirklichkeitsbewusstsein als Teil des Geschichtsbewusstseins (vgl. Pandel 2010: 89f.). Auch Wortschatz steht bei der Hinführung zum Text im Mittelpunkt. Begriffe, die für die Texterschließung ausschlaggebend sind, können vorab in einem Unterrichtsgespräch gemeinsam erläutert werden. Bei der Erklärung des Fachvokabulars ist es vorteilhaft, die erwähnten Bezeichnungen mit Oberund/ oder Unterbegriffen zu verbinden, da diese helfen, die Referenzen im Text zu erkennen. So werden in dem exemplarischen Schulbuchtext über die Entstehung des Feuers die Textelemente Plastik und Styropor durch ihr Hyperonym, d.h. ihren Oberbegriff, Kunststoff wieder aufgenommen; die beiden Textelemente haben die gleiche Referenz (vgl. Linke et al. 1996: 216). Bei der Unterrichtsplanung kann die Textstruktur als Orientierung für den Unterrichtsablauf genutzt werden. Der beispielhafte Schulbuchtext (s. Abb. 25) wurde bei der Analyse der sprachlichen Anforderungen in drei Abschnitte unterteilt, die sich thematisch (Abschnitt 1 und 2: Bedingungen für die Entstehung eines Feuers und Abschnitt 3: die zum Heizen (un-)geeigneten Materialien), in ihrer Darstellungsform von Fachsprache (verbal und grafisch) und in ihrer sprachlichen Komplexität unterscheiden. Diese drei Textabschnitte können als Grundlage für die Unterrichtsplanung genommen und als drei separate Unterrichtseinheiten mit einem Stundenumfang von insgesamt ca. drei bis vier Unterrichtsstunden geplant werden (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012). Dabei ist es ein wesentliches Prinzip des sprachbewussten (Fach-)Unterrichts, dass auch nichtlineare Darstellungsformen wie Bilder aktiv von den SchülerInnen genutzt und erschlossen werden. In deren Rezeption müssen sie jedoch von der Lehrkraft unterstützt werden: Den SchülerInnen sollen die gleichen Inhalte in verschiedenen Darstellungsformen präsentiert werden. Zudem sollen sie die Möglichkeit erhalten, Fachinhalte in unterschiedliche Darstellungsformen selbst zu transformieren. Neben diesen Prinzipien können die folgenden Leitfragen als Orientierung für die Integration von sprachlichen Lernphasen in eine sprachbewusste Unterrichtseinheit dienen: • Wie können die sprachlichen Ressourcen sowie die fachlichen Kompetenzen der Lernenden effizient genutzt werden? • Wie kann/ muss der Text vorentlastet werden, um den Lernenden das Textverständnis zu erleichtern? • An welcher Stelle sollte neues fachspezifisches Vokabular eingeführt werden? • Welche Lesestrategien/ Lesestile sollen die Lernenden in den einzelnen Unterrichtsphasen einsetzen? • Welche Strukturen (z.B. Satzkonstruktionen) aus dem Text müssen die Lernenden produktiv anwenden können? <?page no="107"?> 105 Der Blick in die gängige Unterrichtspraxis hinterlässt den Eindruck, dass beim Umgang mit Texten im Fachunterricht die SchülerInnen allzu oft dazu aufgefordert werden, direkt nach der Lektüre des Textes alle Wörter zu unterstreichen, die sie nicht verstehen. Dabei werden eine gezielte Hinführung zum Text und der Austausch darüber vernachlässigt, was die Lernenden dem Text schon entnehmen konnten. Durch eine solche defizitorientierte Vorgehensweise wird die Aufmerksamkeit der RezipientInnen auf das Nicht-Verstandene gelenkt und ihre fachsprachlichen Ressourcen werden nicht genutzt. Um das Textverstehen effektiv zu unterstützen, ist bei der Unterrichtsplanung vielmehr zu überlegen, welche Strategien eingesetzt werden könnten. Kompetenzbereich Lesen Teilziele im Leseprozess Strategien zum Erreichen der Teilziele die Leseabsicht klären Lesestil auswählen (überfliegend, selektiv, genau) Textgehalt auf grundlegender Verstehensebene erfassen Fremd- und Fachwörter erschließen Kenntnisse der Wortbildung anwenden; „typische“ Präfixe (lat.: ad-, anti-, bi-…; griech.: mono-, meta-, pro-) und Suffixe nutzen (-ium; -gramm; -kratie; -tomie …); Internationalismen erkennen; Wortfamilien erfassen; Wörterbücher und Grammatiken nutzen; grammatische Darstellungen selbst erstellen (Lernergrammatik); Fachwortlisten führen zentrale Informationen und Aussagen ermitteln: • zentrale Begriffe ermitteln • Techniken des Markierens und Notierens von Informationen zielbezogen anwenden 5bzw. 6-Schritt-Lesemethode; vorhandene Bilder und Abbildungen als Semantisierungshilfe nutzen; Ober- und Unterbegriffe formulieren; Tabelle anlegen; Informationen entsprechend zuordnen; Techniken zum Wörterlernen/ Vokabellernen einsetzen; Verstehensinseln bilden, verstandene und nicht verstandene Textpassagen kennzeichnen; Fachbegriffe notieren (Vokabelheft, Lernkartei); Wortfelder anlegen; Mindmap/ Concept Map erstellen Informationen miteinander in Beziehung setzen Tempusformen erfassen und Informationen zeitlich zuordnen; sprachliche Gliederungs- und Strukturierungsmittel erfassen, z.B. Temporaladverbien, Kausalverknüpfungen; Konjunktionen Inhalt des Textes erfassen, Gesamtaussage reflektieren Kenntnisse über Textsorte und Textstruktur nutzen und mit Text in Beziehung setzen; Informationsgehalt strukturiert wiedergeben: • argumentativ mit These, Argument, Beispiel; • Lehrtext in Tabellenform nach festgelegten Kriterien (Daten, Ort, Person, Ereignis oder Lebensraum, Nahrung, Verhalten) usw. Abb. 27: Fächerübergreifende Lesestrategien (Budde, Michalak 2014: 25; vgl. auch Budde et al. 2012: 90f.) 3.2 Hinweise für den sprachbewussten Umgang mit Texten <?page no="108"?> 106 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Die geeigneten Strategien hängen von der jeweiligen Ebene des Leseprozesses ab (s. Abb. 27). Diese sollen nicht als ein einziger Lösungsweg, sondern als eine mögliche Auswahl zur Verfügung gestellt werden, damit die RezipientInnen ihr Strategienrepertoire individuell auf- und ausbauen können. So können verschiedene Lesestile, die abhängig von dem Leseziel verwendet werden (vgl. Abb. 1), bewusst berücksichtigt werden. Durch verschiedene Worterschließungsstrategien können die SchülerInnen lernen, eigenes Sprachwissen in mehreren Sprachen zu nutzen. Auch die Anschlusskommunikation nach der Lektüre des Textes, in der die RezipientInnen die Inhalte in Partner- oder Gruppenarbeit ‚aushandeln‘ und sprachlich präzisieren können, spielt eine bedeutende Rolle. Da das Lernen aus Texten durch Schreibprozesse unterstützt wird, sind Strategien des Textlesens möglichst an entsprechende Schreibaufgaben zu koppeln (vgl. Budde, Michalak 2014: 25). 3.3 Diskontinuierliche Darstellungsformen im Fachunterricht Als Ergänzung oder Unterstützung zu den Texten werden in jedem Fachunterricht verschiedene visuelle Darstellungen angewendet. Bilder, Grafiken, Diagramme oder Tabellen gehören zu den gängigen Lehrmaterialien, die als Belege oder Quellen dienen. Der kompetente Umgang mit solchen Formaten ist aber nicht nur für eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht, sondern auch für eine erfolgreiche Bewältigung des Alltags von Bedeutung. Die meisten Schreibaktivitäten von Erwachsenen im Alltag beziehen sich beispielsweise auf das Schreiben von nichtlinearen Darstellungsformen, wie Listen, Tabellen oder Formularen (vgl. Philipp 2013). Da sie andere Strukturen aufweisen und anders organisiert sind als Fließtexte, bedürfen sie einer gezielten Einführung im Unterricht. Solche diskontinuierlichen Formate erfordern den Einsatz unterschiedlicher Strategien. Das bedeutet, dass durch die andersartige Struktur der verschiedenen Darstellungsformen die RezipientInnen unterschiedlich vorgehen müssen (vgl. OECD 2011: 44f.). Die üblichen Lesestrategien können daher nicht einfach auf diskontinuierliche Darstellungsformen übertragen werden (vgl. Michalak, Müller 2015). Der Umgang mit solchen Repräsentationsformen muss explizit geschult werden. 3.3.1. Bilder, Karten und Diagramme Einstiegsaufgabe: Betrachten Sie folgende Bilder. Worin unterscheiden sie sich? Wie schätzen Sie den Schwierigkeitsgrad der Bilder ein? Welches Wissen müssen die SchülerInnen mitbringen, um sie zu verstehen? <?page no="109"?> 107 Abb. 28: Verschiedene Bildarten (Quelle: Henke et al. 2002: 200; Bremm et al. 2009: 152; M P FS 2013: 32) 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="110"?> 108 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Diskontinuierliche Darstellungsformen präsentieren Inhalte nicht primär sprachlich, sondern durch Symbole, Formen und räumliche Anordnung (vgl. Vonderau 2010: 270). Sie können sowohl textuelle als auch bildliche und grafische Elemente beinhalten, die aufeinander verweisen oder sich ergänzen (s. Kap. 2.2.1). Dabei fasst die Bezeichnung diskontinuierliche Darstellungsformen verschiedene visuelle Darstellungstypen zusammen, die unterschiedlich unterteilt werden können. 16 Sie werden gegliedert in realistische Bilder wie Fotos oder Zeichnungen und in abstrakte Bilder (vgl. Weidenmann 1990: 143), durch die Sachverhalte visualisiert werden und die keine Ähnlichkeit mit dem Dargestellten besitzen (vgl. Schnotz 1994: 95). Geht man von der Funktion diskontinuierlicher Darstellungsformen aus, so schließt der Begriff sowohl künstlerische Bilder wie Gemälde oder Werbespots sowie informierende Bilder wie Karten oder Diagramme ein. Künstlerische Bilder, die dem ästhetischen Genuss und der Erzeugung von Emotionen dienen und die offen für unterschiedliche Rezeptionsweisen sind, werden hauptsächlich im Kunstunterricht sowie in sprachlichen Fächern (insbesondere im Rahmen des Literaturunterrichts) behandelt. Informierende Bilder dagegen, die funktionalisiert sind und „ausschließlich zum Zweck des Wissenserwerbs konstruiert wurden“ (Weidenmann 1990: 143), werden in fast allen Unterrichtsfächern zur Wissensvermittlung eingesetzt. Zu der Gruppe der informierenden Bilder zählen verschiedene Bildarten, die nach ihrem Abstraktionsgrad differenziert werden. Dies zeigen die unterschiedlichen Darstellungen in der Einstiegsaufgabe (s. Abb. 28). Das erste Beispiel - eine Karikatur aus einem Lehrwerk für Philosophie (Henke et al. 2002: 200) - gehört zu der Gruppe der Abbilder. Solche Bilder werden auch als darstellende realistische Bilder bezeichnet. Sie besitzen die gleichen räumlichen und visuellen Merkmale, wie die Objekte, die sie darstellen (vgl. Niederhaus 2011a: 63). Abbildungen sind daher ikonische Zeichen, die über ihre Ähnlichkeit zum Referenzobjekt identifiziert und wahrgenommen werden (vgl. Ernst 2004: 190). Sie stellen jedoch nur einen Ausschnitt der Realität dar; dabei kann entweder die Farbgebung anders gestaltet sein (wie z.B. Schwarz-Weiß-Bilder) oder die realen Objekte oder Situationen können skizzenhaft oder schematisch dargestellt werden, wie es bei einer Karikatur der Fall ist. Die Herausforderung bei der Rezeption einer Karikatur besteht daher darin, die Spezifik dieser Gattung zu berücksichtigen: Das Ziel einer Karikatur ist es, die RezipientInnen zum Nachdenken zu bewegen. Eine Karikatur ist eine Form der Satire, durch die gesellschaftliche Werte, Entwicklungen oder politische Verhältnisse kritisch betrachtet werden. Die RezipientInnen müssen also das Bild der Realität zuordnen und in den aktuellen, thematischen Kontext einbetten, wofür ein umfangreiches Wissen erforderlich ist. Eine Karikatur übertreibt und verzerrt bewusst die Wirklichkeit, um die Widersprüche aufzuzeigen und sie auf den Punkt zu bringen. Diese Pointe muss von den RezipientInnen entschlüsselt werden. Unter Abbildungen fallen neben Karikaturen unter anderem Fotos (z.B. Luftbilder), Zeichnungen (z.B. Comics) oder auch grafische Symbole (z.B. Stadtwappen) (vgl. Huber, Stallhofer 2010: 225). Sie schaffen einerseits Anreize zum Hinschauen und Weiterlesen, andererseits wirken sie veranschaulichend. Unterstützt wird außerdem die räumliche Orientierung (vgl. Becker-Mrotzek et al. 2006: 29f.). Karten, technische Zeichnungen, Schaltpläne etc. klassifiziert Weidenmann (1994: 13) als schematische Bilder. Sie visualisieren wie die Gruppe der Abbilder zwar konkrete Ausschnitte 16 Die Kombination aus textuellen, bildlichen und grafischen Elementen sowie die unterschiedliche Gewichtung dieser Aspekte bei der Analyse führen dazu, dass es in der Literatur keine einheitliche Bezeichnung für diese Darstellungsformen gibt (vgl. Michalak, Müller 2015). Steht ihr visueller Anteil im Vordergrund der Betrachtung, so werden sie als Bilder angesehen (vgl. Weidenmann 1994; Schnotz 2002). Gelten die textuellen Eigenschaften von Diagrammen, Tabellen oder Grafiken als Ausgangspunkt der Betrachtung, werden sie als Texte klassifiziert (vgl. Baumert et al. 2001). <?page no="111"?> 109 der Realität, bedienen sich dazu jedoch anderer Mittel. Dies ist am Beispiel der geographischen Landkarte (s. Abb. 28, Bremm et al. 2009: 152) zu sehen: Sie bildet Migrationsbewegungen auf der ganzen Welt ab. Zur Darstellung dieser Bewegungen werden einfache grafische Elemente, wie Pfeile unterschiedlicher Farbmarkierungen, schraffierte Flächen und Linien verschiedener Art (gerade, gezackt, gebogen) verwendet. Diese Darstellungsmittel sind arbiträre, d.h. willkürliche, Zeichen. Es besteht somit kein Zusammenhang zwischen dem gewählten Zeichen und dem dargestellten Objekt. So könnte zur Darstellung der Zäune, Mauern, Minenfelder usw. beispielsweise auch eine gekräuselte anstatt einer gezackten Linie gewählt werden. Der Abstraktionsgrad schematischer Bilder ist somit höher als bei Abbildern. Die Herausforderungen, eine Landkarte zu lesen und zu interpretieren, gehen deutlich aus ihrer Definition hervor: Die Karte ist eine in die Ebene abgebildete, maßstäblich verkleinerte, vereinfachte und erläuterte Darstellung der Erdoberfläche oder eines Teils von ihr zu einem bestimmen Zeitpunkt. (Böhn 1999: 76) Karten werden nach dem Prinzip des Grundrisses aus der Vogelperspektive angefertigt, das in einer Einführung in das Kartenverständnis vermittelt werden muss. Die RezipientInnen müssen nicht nur die Symbole, Zeichen und Farben entschlüsseln, sondern auch u.a. die geltenden Maßstäbe erkennen sowie die aus dem verwendeten Maßstab resultierende Vereinfachung der geografischen Objekte nachvollziehen (vgl. ebd.: 78). Auch die Orientierung auf der Karte (Himmelsrichtungen, Windrose etc.) ist wesentlich für ihre Erschließung. Erst auf dieser Basis kann die thematische Einbindung der dargestellten Inhalte erfolgen. Das dritte Beispiel, ein Diagramm aus dem Bereich Sozialwissenschaften (vgl. M P FS 2013: 32), gehört zu den logischen Bildern (s. Abb. 28). Diese stellen Zusammenhänge zwischen qualitativen und quantitativen Merkmalen eines Sachverhalts grafisch dar (s. Schnotz 1994). Somit visualisieren sie abstrakte Strukturen, Relationen, Mengen und Abläufe. Sie sind Zeichensysteme, die auf Konvention beruhen. Im Gegensatz zu realistischen Bildern ist das Verhältnis von Bild und Sachverhalt bei logischen Bildern also nicht abbildhaft, sondern logischstrukturell. Die in logischen Bildern angewandten Zeichen ähneln „zwar dem dargestellten Sachverhalt nicht in ihrer konkreten Erscheinungsform […], [sind] jedoch mit ihm auf einer abstrakteren Ebene durch gemeinsame Strukturmerkmale verbunden“ (Schnotz 2002: 65). Im Vergleich zu Abbildern stellen sie somit eine abstraktere Form ikonischer Zeichen dar, die ausschließlich durch bewusstes Sehen wahrnehmbar sind (vgl. ebd.: 65-67). Logische Bilder sind daher schwieriger zu verarbeiten als Abbilder. Zu den logischen Bildern zählen Tabellen sowie verschiedene Diagrammtypen wie u.a. Balken-/ Säulen-, Kreis-, Linien- oder Flussdiagramme (vgl. Schnotz 1994: 95). Sie treten in den Lehrwerken und Lehrmaterialien aller Schulstufen und beinahe aller Fächer auf. Im Gegensatz zu den natürlichen Bildern übernehmen sie nicht nur eine illustrative, sondern auch eine Wissen konstruierende Funktion (vgl. Roelcke 2010: 99). Die Herausforderung beim Umgang mit logischen Bildern besteht - ähnlich wie bei schematischen Bildern - darin, zahlreiche „piktorale Codes“ (Weidenmann 2004: 7) zu erschließen, mit denen die Informationen in einem Diagramm besonders komprimiert und effektiv dargestellt wurden. Die Rezeption von logischen Bildern setzt auch mathematisches Wissen (z.B. Prozentsatz) voraus. Denn in diesen Darstellungsformen werden statistische Werte zu einer bestimmten Fragestellung in Zahlen abgebildet (vgl. Merz-Grötsch 2006: 33), die in ein kartesisches Koordinatensystem eingetragen werden. Zahlenangaben und Größenbeziehungen werden in Diagrammen durch unterschiedliche Längen- und Breitenausdehnung der geometrischen Formen wie Kreise, Quadrate oder Rechtecke umgesetzt, wodurch verschiedene Diagrammtypen entstehen. Das Diagramm zu Aktivitäten im Internet (s. Abb. 28) ist ein Balkendiagramm, in dem 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="112"?> 110 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? mehrere Variablen nebeneinander dargestellt werden, wodurch die Werte besser in Beziehung zu setzen sind (vgl. Merz-Grötsch 2006: 33). Erst durch das Vergleichen und das Erkennen von Zusammenhängen können aus Zahlenangaben Aussagen abgelesen werden (vgl. Köck, Stonjek 2005: 65). Das Bildverstehen ist wie das Textverstehen ein Transformationsprozess, in dem Bedeutungen von Individuen generiert werden. Wie beim Leseverstehen bringen die BetrachterInnen ihre eigenen Biografien, fachliche und sprachliche Erfahrungen mit, sodass das Bildverstehen immer individuell erfolgt. Die in allen Bildformen angewandten Darstellungscodes sind in hohem Maße konventionalisiert (vgl. Weidenmann 1994: 16). Daher gilt für alle visuelle Darstellungsformen: Wie etwas abgebildet wird, ist oft durch kulturelle Darstellungskonventionen festgelegt. So wurde die für unsere Kultur übliche Darstellung nach dem Prinzip der Zentralperspektive erst in der italienischen Frührenaissance eingeführt. (Weidenmann 1991: 13) Dies bedeutet, dass die SchülerInnen • mit den unterschiedlichen Darstellungscodes erst vertraut gemacht werden müssen und • je nachdem in welchem Land sie aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, aufgrund der kulturellen Spezifik der Bilder, eventuell andere Darstellungscodes gewohnt sind und in diese neu eingeführt werden müssen. Dies gilt insbesondere für SeiteneinsteigerInnen. Auch die fachliche Domänenspezifik der Bilder ist zu beachten. Karten oder auch Kartogramme spielen als spezifische Medien der Geografie eine herausragende Rolle, wogegen Karikaturen sicher im Politikunterricht häufiger eingesetzt werden. Die Bildbetrachtung unterscheidet sich ebenfalls je nach Fach. So kommen diskontinuierliche Texte im Fremdsprachenunterricht häufig als Sprech- und Schreibanlass zum Einsatz, während sie im Geschichtsunterricht als Quellen des Wissens über die Vergangenheit dienen (vgl. Rox-Helmer 2010: 189). Bei der Rezeption eines Diagramms in sprachlichen Fächern stehen die Beschreibung und Interpretation der dargestellten Informationen im Vordergrund, wogegen in sozialwissenschaftlichen Fächern sowie im Geografieunterricht auch die Beurteilung und Bewertung des Diagramms sowie der Inhalte zu dessen Analyse gehören (vgl. Michalak, Müller 2015). Die Domänenspezifik zeigt sich auch in der Anzahl der eingesetzten Bilder, die in Abhängigkeit von der Fachrichtung variiert (vgl. Niederhaus 2011b: 3). Bis zu einem gewissen Grad entwickelt sich die Bildverstehenskompetenz durch den alltäglichen Umgang mit visuellen Darstellungen. Für das tägliche Handeln ist die erste Bildwahrnehmung, d.h. das natürliche Bildverstehen im Sinne von Weidenmann (2004: 6), lebensnotwendig, um eine Situation möglichst schnell einzuschätzen und einzuordnen. Dabei kommt es zu automatischen Such- und Identifizierungsprozessen durch die blitzschnelle Auswertung von Reizen (Licht, Größen, Perspektiven usw.). Die RezipientInnen identifizieren zunächst einzelne Informationen durch automatisierte visuelle Routinen und organisieren diese anschließend in übergeordnete Strukturen (vgl. Ullrich et al. 2012: 13). Infolge dieser visuellen Wahrnehmung entsteht zuerst eine mentale Repräsentation. Nach dem natürlichen Bildverstehen erfolgt das indikatorische Bildverstehen, da die BetrachterInnen „nach Indikatoren für bestimmte Absichten des Bildautors“ (Weidenmann 2004: 6) suchen. Dies bedarf einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Dargestellten. Diese Form der Bildverarbeitung erfolgt im Gegensatz zum natürlichen Bildverstehen bewusst und erfordert von den RezipientInnen einen höheren Ressourceneinsatz, da ihnen die Botschaft des Bildes nicht unmittelbar zugänglich ist, sondern erst entschlüsselt werden muss: <?page no="113"?> 111 Das Verstehen logischer Bilder hängt also entscheidend davon ab, ob die sprachlich oder bildhaft kodierten Informationen erfasst und verstanden werden und ob die Lernenden das Material intensiv genug verarbeiten können […]. (ebd.: 8) Fachliches Wissen kann somit erst durch eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der visuellen Darstellung konstruiert werden (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 35). Für die Unterrichtspraxis bedeutet dies, dass für den Umgang mit allen Bildformaten ausreichend Zeit einzuplanen ist. Des Weiteren müssen die Struktur und die Spezifik der diskontinuierlichen Darstellungsformen explizit behandelt werden. Die Fähigkeit, mit komplexen Bildern - auch im Sinne der Vermittlung von visual literacy - kompetent umzugehen, sollte im Unterricht bewusst trainiert werden. Das tiefergehende Bildverstehen erfordert angemessene sprachliche Kompetenzen. Denn für die Überführung des Wahrgenommenen in ein mentales Modell sind semantische Verarbeitungsprozesse notwendig (vgl. Ullrich et al. 2012: 13). Die visuell-räumlichen Relationen werden auf semantische Relationen übertragen. Gerade für sprachlich weniger versierte Lernende kann die Verbalisierung eigener Wahrnehmung aufgrund ihrer unzureichenden Sprachkompetenzen zu einer Herausforderung werden. Insbesondere die Transformation der erschlossenen Informationen und deren Interpretation in einen kohärenten Text kann für die SchülerInnen eine Hürde darstellen (vgl. Michalak, Müller 2015). 3.3.2 Fachsprachliche Herausforderungen von Diagrammen Um die fachlich-methodischen und sprachlichen Herausforderungen bei der Auswertung von Diagrammen zu erarbeiten, betrachten wir die Statistik „Aktivitäten im Internet - Schwerpunkt: Kommunikation 2013“ genauer (s. Abb. 28). Diese ist der JIM-Studie aus dem Jahr 2013 entnommen, in der seit 1988 regelmäßig Daten zum Medienumgang der Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren in Deutschland erhoben werden (vgl. M P FS 2013: 7). Für die 2013er Studie wurde aus der Grundgesamtzahl der ca. 6,5 Millionen Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren in der BRD eine repräsentative Stichprobe von 1200 deutschsprachigen Mädchen und Jungen telefonisch befragt (vgl. ebd.: 4). Die erfassten Daten wurden u.a. in Form von Diagrammen aufbereitet. Bei der ausgewählten Grafik handelt es sich um ein Balkendiagramm. Es präsentiert den zeitlichen Internet- Nutzungsumfang im Bereich „Kommunikation“, einer von insgesamt vier Kategorien in der Studie, welche unterschiedliche Online-Tätigkeiten zusammenfassen. In der Befragung ordneten die Jugendlichen dem Bereich „Kommunikation“ sowie den anderen drei Bereichen jeweils ihren zeitlichen Nutzungsumfang zu. Die Grafik „Aktivitäten im Internet - Schwerpunkt: Kommunikation 2013“ präsentiert ausschließlich die Ergebnisse aller Befragten (n=1200) zur regelmäßigen Nutzung (täglich/ mehrmals pro Woche) in Prozent. Für die Auswertung ist somit die Gesamtzahl der Befragten (n=1200 als 100%) zu berücksichtigen, um die angegebenen Werte interpretieren zu können. Die Angaben zum Alter der Befragten sind dem Diagramm selbst nicht zu entnehmen. Ebenfalls lässt sich aus der Grafik nicht erschließen, wie groß die jeweiligen befragten Geschlechtergruppen waren. Dies setzt Wissen über die Spezifik der Studie voraus. Auf die Überschrift folgt der Hinweis täglich/ mehrmals pro Woche. Schließlich folgt ein Koordinatensystem, auf dessen Y-Achse (Ordinate) Unterkategorien wie „Online- Communities nutzen“, „E-Mails empfangen und versenden“ aufgelistet sind. Zu jeder dieser Unterkategorien gibt es drei Balken in verschiedenen Farbtönen (im Original: Grüntönen), an deren Ende jeweils eine Zahl steht. Die Bedeutung der drei verschiedenen Farbtöne, welche für die Balken verwendet wurden, wird in einer Legende erklärt, die sich auf der rechten Seite in 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="114"?> 112 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? der Mitte des Koordinatensystems befindet. Dabei stehen das helle Grün für die Gesamtzahl der Befragten (jeweils erster Balken), das Dunkelgrün für die Mädchen (jeweils zweiter Balken) und der mittlere Grünton für die Gruppe der Jungen (jeweils dritter Balken). Auf der X- Achse (Abszisse) sind wiederum im gleichmäßigen Abstand die Zahlen 0, 25, 50, 75 und 100 aufgeführt. Dass es sich bei den Zahlen an den einzelnen Balken und auf der Abszisse um Prozentwerte handelt, lässt sich ausschließlich der Angabe rechts unter dem Diagramm entnehmen. Das Diagramm enthält neben der Information „Angaben in Prozent“ sowie dem Hinweis „Basis: alle Befragten, n=1.200“ lediglich noch die Quellenangabe „JIM 2013“. Was bzw. wer sich hinter der Abkürzung „JIM“ und hinter den 1.200 Befragten konkret verbirgt, kann nur entnommen werden, wenn man zusätzlich die Soziodemografie der Studie liest. Diese Informationen müssten für die Auswertung des Diagramms den RezipientInnen evtl. zur Verfügung gestellt werden. 17 Die LeserInnen müssen wahrnehmen, dass jeweils der erste Balken keine Differenzierung in Jungen und Mädchen vornimmt, sondern sich auf alle Befragten bezieht. Betrachtet man bei jeder Unterkategorie ausschließlich den jeweils ersten Balken sowie die daran anschließenden Prozentwerte, fällt auf, dass die Reihenfolge der Unterkategorien nach dem zeitlichen Nutzungsumfang von besonders häufig bis selten geordnet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die genannten Aktivitäten auf regelmäßige kommunikative Tätigkeiten der Jugendlichen im Internet (täglich/ mehrmals pro Woche) beziehen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Ergebnisse der einzelnen Gruppen wahrzunehmen und diese anschließend miteinander zu vergleichen, was vor allem sprachlich präzise mithilfe adversativer Verknüpfungen (z.B. während, im Gegensatz zu, im Vergleich zu, mehr als …) erfolgen sollte. Dabei ist die Rangliste der Aktivitäten zu beachten (z.B. an der ersten Stelle; am häufigsten …). Ebenfalls sollten die Mengenbzw. Häufigkeitsangaben (z.B. drei Viertel der Jugendlichen, die Hälfte, der Anteil regelmäßiger Nutzer variiert zwischen …, eine überdurchschnittliche Nutzung von …) entsprechend versprachlicht werden. Im nächsten Schritt sollen die RezipientInnen (Un-)Regelmäßigkeiten (z.B. kaum Auffälligkeiten zeigt …, … ist auffallend, steigt an …) und Relationen entdecken und diese auch sprachlich formulieren, wie z.B.: Analysiert man die Maxima und Minima der Gesamtwerte, fällt auf, dass die Jugendlichen soziale Netzwerke am häufigsten (75%) nutzen. Die Hälfte der Jugendlichen verschickt regelmäßig E-Mails. Ein Drittel nutzt Chatangebote. Der Kurznachrichtendienst Twitter ist dagegen ein Randphänomen und wird von 5% der Befragten täglich oder mehrmals pro Woche genutzt. Auffälligkeiten zeigt die geschlechtsspezifische Betrachtung der Ergebnisse: Jungen tauschen sich viel häufiger als Mädchen via Skype aus, indem sie Sofortnachrichten versenden oder ohne Bildübertragung telefonieren. Im Vergleich zu den Mädchen unterhalten sich die Jungen auch viel häufiger über Spielplattformen. Die kritische Betrachtung der Ergebnisse sowie das Ableiten von Schlussfolgerungen aus der Analyse können den SchülerInnen Schwierigkeiten bereiten, da diese Schritte nicht nur eine 17 Aus diesem Grund wurde für die Untersuchung, aus der die im Folgeunterkapitel analysierten Schülertexte (Abb. 29, 30) stammen, die Quellenangabe des Balkendiagramms „Aktivitäten im Internet - Schwerpunkt: Kommunikation 2013“ durch folgende Informationen ergänzt: „Quelle: JIM (Jugend, Information, (Multi-)Media) 2013, Angaben in Prozent Basis: alle Befragten (12bis 19-Jährige), n = 1.200“. <?page no="115"?> 113 detaillierte Auseinandersetzung mit der visuellen Darstellung voraussetzen, sondern auch ein umfangreiches Wissen erfordern. So ist festzustellen, dass die Grafik zu Ergebnissen der JIM- Studie nichts über die Nutzungsdauer der jeweiligen Aktivitäten aussagt. Die zeitliche Kategorie täglich/ mehrmals pro Woche, die im Diagramm angegeben ist, gibt ausschließlich Hinweise zur Nutzungsfrequenz. Jungen nutzen zwar eine größere Bandbreite und somit unterschiedlichere kommunikative Aktivitäten im Internet als Mädchen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie sich zugleich länger als Mädchen im Internet aufhalten. Des Weiteren differenziert das Diagramm nicht nach dem Alter. Es ist jedoch zu vermuten, dass gerade unter Jugendlichen in der Altersspanne von 12 bis 19 Jahren Unterschiede in den bevorzugten Kommunikationsformen im Internet bestehen. Anhand der Grafik ist auch eine Betrachtung je nach Schulform nicht möglich. Dies kann das Gesamtbild über die kommunikativen Aktivitäten der Jugendlichen verzerren, da es wenig differenziert. Wie werten Lernende solche Diagramme aus? Betrachten wir am Beispiel von zwei Schülertexten, wie kompetent sie mit der Grafik aus der JIM-Studie umgehen und worin ihre Unsicherheiten liegen (s. Abb. 29, 30). Die SchülerInnen mit DaZ bekamen die Aufgabe, das Diagramm schriftlich auszuwerten. 18 Abb. 29: Text der Schülerin A mit DaZ. Rekonstruktion des Textes: In diese Grafik geht es um Aktivitäten im Internet. Am erste Stelle sind Online-Communities wie z. B. Facebook, studiVZ nutzen mit 75% von 100. An zweite Stelle ist E-Mails emfangen und versenden mit 48%. In der Grafik sehen wir noch die Kategorien Chatten, also chatrooms besuchen, über Skype Sofortnachrichten versenden, über Skype telefonieren (ohne Bild, Sich mit anderen Internet- Nutzern in Multi-User- Spielen unterhalten, Instant-Messenger wie z.B. ICQ oder MSN nutzen. An der vorletzten Stellen ist die Kathegorie: Über Skype mit Video telefonieren mit 11% von 100 und an letzte Stelle Twitter nutzen mit 5% von 100. 18 Die Schülertexte entstanden im Rahmen der Untersuchung zum Umgang mit diskontinuierlichen Darstellungsformen in der Sommerschule 2014 des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln. 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="116"?> 114 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Schülerin A geht zwar auf den Titel der Grafik ein, versäumt jedoch die Kommunikation in den Mittelpunkt zu stellen (Abb. 29). Es fehlen Informationen zu der Quelle, zu der Fragestellung der Untersuchung, zu dem Zeitpunkt und Ort der durchgeführten Studie sowie zu der Diagrammform. Bei ihrer Auswertung orientiert sich die Schülerin A fachlich und sprachlich sehr stark an dem Diagramm und seiner Struktur. So listet sie die einzelnen Balken in der Abfolge auf, in der sie im Diagramm abgebildet sind. Am Anfang sowie am Ende des Textes erwähnt sie die prozentualen Angaben der kommunikativen Tätigkeiten im Internet; dabei berücksichtigt sie aber nur die Gesamtgruppe der Jugendlichen. Weitere Aktivitäten werden lediglich aufgezählt. Eine Ausdifferenzierung nach Geschlecht vernachlässigt sie gänzlich. Es werden keine Zusammenhänge beschrieben; Maximal- und Minimalwerte werden nicht genannt. Der Schülerin A gelingt es nicht, die dargestellten Sachverhalte zu abstrahieren. In ihrer Auswertung gebraucht sie ausschließlich Hauptsätze, die vom Aufbau des Diagramms geleitet werden. Dabei verwendet sie Sprachmaterial, das überwiegend aus dem Diagramm übernommen wird (z.B. An zweite Stelle ist E-mails emfangen und versenden mit 48 %.). Sie variiert die Lexik nicht und kombiniert die der Grafik entnommenen sprachlichen Mittel durchweg mit dem Verb sein. Eine Interpretation der Daten ist nicht vorhanden. Abb. 30: Auswertung des Diagramms - Text einer Schülerin B mit DaZ. Rekonstruktion des Textes: Ich sehe eine Grafik Aktivitäten im Internet. Auf der Grafik steht über Internet. Was spielen/ benutzen gern Jungs. Und was spielen/ benutzten Mädchen, aber dass ist im Prozent. Z.B. ich weiß schon dass das Mädchen am meisten sind im Facebok als Jungs. Ich bin nicht oft im Internet, weil ich keine Zeit dafür habe. Ich finde besser zur Schule regelmäßig gehen und was lernen. Eine andere Tendenz bei der Auswertung der Diagramme zeigt der Text der Schülerin B (s. Abb. 30). Im ersten Teil ihres Textes nennt sie wesentliche Elemente des Diagramms, wie beispielsweise (wenn auch nicht vollständig) den Titel des Diagramms (Ich sehe eine Grafik Aktivitäten im Internet), die Art der Angaben (aber dass ist im Prozent) und versucht abstrahierend zu beschreiben, was dargestellt wird (Auf der Grafik steht über Internet. Was spielen/ benutzen gerne Jungs, Und was spielen/ benutzen Mädchen). Allerdings bricht ihre Auswertung an dieser Stelle ab. Die Schülerin schließt ihre eigenen Erfahrungen ein und geht zu ihrer subjektiven Meinung über. Dies ist eine bevorzugte Vorgehensweise vieler SchülerInnen bei der Auswertung von Diagrammen unabhängig von den in der Aufgabenstellung benutzten Operatoren: <?page no="117"?> 115 Die Textsorte der Bildbeschreibung ist vor allem in unteren Klassen oft unbekannt, so dass der Operator ‚beschreiben‘ bei Schaubildern von Lernenden häufig falsch angereichert wird. Dies bedeutet, dass sie die Ebene der Beschreibung, vor allem wenn sie sprachliche Schwierigkeiten haben, aber auch Fachwissen fehlt, verlassen: Sie belehren, (be-)werten und interpretieren statt zu beschreiben. Sie versuchen aber auch ihre Textproduktion mit (Welt)Wissen anzureichern, wenn sie den Eindruck haben, dass sonst ihr Text zu kurz sei. (Oleschko 2012: 12) Auch andere Untersuchungen belegen ähnliche fachlich-methodische und sprachliche Hürden bei der Auswertung von Diagrammen, die für SchülerInnen ohne Hilfe der Lehrkraft nicht zu bewältigen sind. Meistens fehlen nicht nur genaue Angaben zu der abgebildeten Erhebung, sondern auch eine abstrahierende Zusammenfassung des Dargestellten (vgl. ebd.; Michalak, Müller 2015). Auf der sprachlichen Ebene wenden die Lernenden u.a. unspezifische Verben sowie konzeptionell mündlich geprägte Formulierungen (z.B. drauf tun statt auftragen, essen anstatt sich ernähren, Jungs anstatt Jungen) an. Sie haben Schwierigkeiten, logische Verknüpfungen (z.B. im Gegensatz zu …, je … desto …, wenn …, dann …) angemessen zu gebrauchen (vgl. Oleschko 2012: 12). Obwohl das Verstehen von Bildern aufgrund ihrer unterschiedlichen Abstraktionsniveaus und ihrer kultureller und fachlicher Domänenspezifik eine Heranführung der Lernenden an diese erfordert, findet im Schulalltag häufig keine aktive Bildarbeit im Unterricht statt. So wird angenommen, dass Bilder im Gegensatz zu Texten leichter zu verstehen sind, weil sie weniger sprachliche Mittel beinhalten (vgl. ebd.). Diese Fehlannahme ist für die Schülerinnen jedoch mit zum Teil fatalen Folgen verbunden: • Das Erscheinungsbild von Schulbüchern hat sich radikal verändert, da es lange Zeit viel stärker von kontinuierlichen Texten geprägt war. In die modernen Lehrwerke wird eine große Anzahl an Bildern integriert. Auf den Doppelseiten eines Lehrbuchs sind meist kleine Textblöcke mit grafischen sowie bildlichen Elementen vorhanden (vgl. Rosebrock, Nix 2008: 89f.). Durch das Prinzip einer solchen Multimodalität sind die Anforderungen der vielfältigen Darstellungsformen gestiegen. Dies ist mit einer Komprimierung und Verkürzung der Lehrwerkstexte verbunden (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 37), was die Schüle r - Innen aber in ihrem Verständnisprozess nicht hinreichend unterstützt. • Die SchülerInnen werden nicht zu einem selbständigen und kritischen Umgang mit Bildern unterschiedlicher Art befähigt, das Bildverstehen im Zeitalter der Visualisierung wird als Kulturtechnik nicht vermittelt (vgl. Weidenmann 2004: 7; Weidenmann 1991: 16). • Dadurch dass Bilder im Unterricht nicht aktiv erschlossen werden, kann es leicht zur oberflächlichen Betrachtung der visuellen Darstellungsformen und zu Verständnisproblemen seitens der SchülerInnen kommen (vgl. Weidenmann 2004: 6). Dies führt dazu, dass Lernende mit und ohne DaZ Schwierigkeiten haben können, Aufgaben zu Auswertung von diskontinuierlichen Darstellungsformen zu bewältigen (vgl. Oleschko 2012: 12). Daraus ergibt sich die didaktische Notwendigkeit, die SchülerInnen im Umgang mit diskontinuierlichen Darstellungsformen zu unterstützen. Eine mögliche Analysehilfe bedarf dabei fachlich-methodischer und sprachlicher Elemente: Die Lernenden benötigen ausreichendes Vorwissen sowohl über den dargestellten Sachverhalt als auch über den Aufbau der Diagramme. Insbesondere die schriftliche Auswertung der Diagramme setzt eine ausreichende Sprachkompetenz voraus (vgl. Michalak, Müller 2015). 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="118"?> 116 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? 3.3.3 Förderung des Umgangs mit Diagrammen Bislang gibt es nur wenige empirisch basierte Forschungsarbeiten, die sich mit diskontinuierlichen Darstellungsformen im Fachunterricht auseinandersetzen und konkrete Fördermöglichkeiten für deren Einsatz im Fachunterricht aufzeigen. So entstanden beispielsweise im Rahmen des KMK-Projektes ProLesen u.a. Materialien zum Umgang mit diskontinuierlichen Darstellungsformen im Geografieunterricht (vgl. Huber, Stallhofer 2010) sowie in ökonomischen und rechtlichen Kontexten (vgl. Vonderau 2010). Hinweise für die Praxis liefert ebenfalls Niederhaus (2011b), die exemplarische Aufgaben zum Verstehen von Grafiken analog zum 3-Phasen- Modell zur Förderung der Textkompetenz nach Schmölzer-Eibinger und Langer (2010) entwickelt hat. Abb. 31: Analyseraster für Diagramme (vgl. Michalak, Müller 2015) Einige didaktisch-methodische Empfehlungen zum Einsatz von Schaubildern im Politikunterricht formuliert auch Oleschko (2012). Zur Unterstützung des Rezeptionsprozesses beim Verstehen von Schaubildern nennt er den Einsatz von „expliziten Steuerungscodes“, wie Pfeilen, farbigen Hervorhebungen, Ausschnittsvergrößerungen oder Schraffierungen (vgl. ebd.: 12f.). Für die schriftliche Textproduktion, die auf der Grafik basiert, schlägt er vor, Satzbausteine oder die zu verwendenden Wörter dem Schaubild hinzuzufügen (vgl. ebd.: 13). Einen weiteren Ansatz für die Förderung von diskontinuierlichen Darstellungsformen bieten Michalak und Müller (2015). Sie plädieren für eine gesteuerte Betrachtungsweise von diskontinuierlichen Darstellungsformen, die es den SchülerInnen ermöglicht, die Inhalte des Diagramms fachlich-methodisch und sprachlich zu erarbeiten und damit das dargestellte Phänomen besser zu durchdringen. Hierfür entwickelten die Autorinnen das Konzept der Sprach- Fach-Netze, das auf dem Ansatz der Concept Maps (vgl. Cañas et al. 2005; Haugwitz, Sand- <?page no="119"?> 117 mann 2009) basiert. Es wird angenommen, dass die von den RezipientInnen vorgenommene Visualisierung der Inhalte das Verstehen der Grafik erleichtert. Die Auseinandersetzung mit der Grafik beginnt in diesem Modell mit der Aktivierung des fachlichen und sprachlichen Vorwissens der Lernenden, um an ihre Vorerfahrungen anzuknüpfen und möglicherweise eine Vorentlastung anzubieten. Anschließend erfolgt die Arbeit an einem Diagramm in drei Schritten (vgl. Michalak, Müller 2015): 1. Analyse mithilfe von Leitfragen: In einem ersten Schritt wird ein Diagramm auf vier Ebenen (Orientierung, Beschreibung, Erklärung und Beurteilung/ Bewertung) analysiert (s. Abb. 31). Dies erfolgt anhand von Leitfragen, die an die jeweilige Darstellungsform (d.h. die Diagrammart und ihre thematische Ausrichtung) sowie an das fachliche und sprachliche Wissen der Lernenden angepasst werden. Die Leitfragen lenken das Aufschreiben von Stichpunkten und geben den roten Faden bei der Betrachtung einer Grafik vor. Dabei werden sowohl fachliche Zusammenhänge als auch die Struktur und der Aufbau der grafischen Darstellung berücksichtigt. Als Pendant zu den Fragen werden Satzanfänge angeboten (s. Abb. 31), die von den RezipientInnen als Hilfestellungen bei der Textproduktion genutzt werden können. Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Ebenen ist unterschiedlich: In der Phase der Erklärung , die mit der Ebene der Beschreibung eng verknüpft ist, sind Informationen einzusetzen, die über die in einem Diagramm dargestellten Sachverhalte hinausgehen. Diese beiden Ebenen stellen auch höhere sprachliche und fachliche Anforderungen an die Lernenden als die Phase der ersten Orientierung. Die letzte Phase kann nur aufbauend auf den vorherigen Ebenen bewältigt werden und setzt kritisches Urteilsvermögen sowohl über das Diagramm selbst als auch über die abgebildeten Daten voraus. 2. Erstellung eines Sprach-Fach-Netzes: Anhand der Leitfragen wird eine Visualisierung aller Diagramminhalte in ihrer Komplexität auf einen Blick von den Lernenden selbst erarbeitet. Dieser stark strukturierte Zwischenschritt erleichtert die anschließende Produktion von Texten. In diesen so entstandenen Sprach-Fach-Netzen werden - wie in einer Concept Map - die Relationen zwischen den einzelnen Elementen mithilfe von Linien und Pfeilen individuell abgebildet, Hierarchien und Abhängigkeiten der Elemente zueinander bildhaft dargestellt und sprachlich vorformuliert (s. Abb. 32). Die Erstellung eines Sprach-Fach- Netzes erfolgt in Gruppen- oder Partnerarbeit, um in Aushandlungsprozessen das Thema besser durchdringen zu können. 3. Mündliche oder schriftliche Zusammenstellung der Ergebnisse: Anschließend wird das Sprach-Fach-Netz als eine Visualisierung der erarbeiteten Inhalte eingesetzt, um diese den MitschülerInnen zu präsentieren. Es dient auch als ein Notizzettel, d.h. als Grundlage für die Verschriftlichung eigener Ergebnisse (vgl. Michalak, Müller 2015). 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="120"?> 118 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Abb. 32: Beispielhaftes Sprach-Fach-Netz (vgl. Müller, Michalak 2015) Die Auswertungshilfe von Michalak und Müller (2015) befindet sich derzeit in der empirischen Überprüfung. Bisher zeigt sich, dass die Fragen im Analyseraster einer Orientierung bei der Betrachtung der Grafik dienen; Die Beziehungen zwischen den einzelnen Aspekten werden erst durch die individuelle Visualisierung in Sprach-Fach-Netzen für die RezipientInnen erkennbar, was sich in der Analysetiefe der anschließend verfassten Texte niederschlägt. Dies ist insbesondere beim Umgang mit komplexen Diagrammen zu beobachten. 3.3.4 Exkurs: Umgang mit ästhetischen Bildern im (Fremd-)Sprachenunterricht Im Kontext des Sprachenlernens haben vor allem realistische Bilder eine lange Tradition (vgl. Reinfried 2007). Sie werden dazu verwendet, den Zugang zur Zielsprache zu erleichtern. Darüber hinaus dienen sie der Visualisierung und Lernorganisation (vgl. Hallet 2010: 33-41). Bilder wie z.B. ein Gemälde, Fotos, eine Skulptur oder eine Performance, die ein Geschehen bzw. Gegenstände und Personen realistisch oder symbolhaft abbilden, bieten jedoch mehr Potenzial für das Sprachenlernen und sollten nicht auf Sprech- oder Schreibimpulse reduziert werden. Sie ermöglichen ästhetisches Lernen sowie die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Kontext der Sprache, indem eigene Erfahrungen mit fremden Perspektiven verglichen werden können. Solche Bilder erwecken Vorstellungen, die keine sprachlich ausformulierten Gedankenbahnen vorgeben. Sie bieten den SchülerInnen die Freiheit, selbst Sprache zu finden und sich je nach individuellem Sprachstand schrittweise dem Bild zu nähern. Da es keine sprachlichen Verständnisbarrieren gibt, können die Lernenden auf Bilder sowohl in der Erstals auch in der Zielsprache reagieren: Sie können ihre Assoziationen auf eigene Erfahrungen beziehen, entsprechend ihrem sprachlichen Niveau äußern und sich so sukzessive die Bilder entschlüsseln (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2011: 98). <?page no="121"?> 119 Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Erschließung von Bildern eine Anforderung an die Lernenden stellt, deren Bewältigung nicht dem Zufall zu überlassen ist. Die Rezipien t - Innen neigen nämlich dazu, die Mehrdeutigkeit der Bildsymbole möglichst schnell zu reduzieren. Sie betrachten also ein Bild nach dem „Ökonomieprinzip“ und zwar nur so lange, bis sie meinen, das Bild verstanden zu haben. Dies bedeutet, dass sich die perzeptuelle Verarbeitung auf Bildelemente beschränkt, für die bereits Schemata und Modelle bereitstehen (vgl. Weidenmann 1988: 118). Zudem belegen verschiedene Studien, dass die Intensität der Bildverarbeitung vom individuellen Interesse der BetrachterInnen, ihrem allgemeinen und bildspezifischen Vorwissen abhängt. Auch Wissen darüber, mit welchen Strategien unterschiedliche Bildarten zu erschließen sind, unterstützen das Bildverstehen (vgl. ebd.; Hoppe et al. 2004). Vor diesem Hintergrund ist eine gezielte, tiefere Auseinandersetzung mit Bildern im Unterricht sehr wünschenswert (vgl. dazu Ansätze der Museumspädagogik, z.B. Dehn et al. 2008; Rymarczyk 2010). Für die didaktische Perspektive bedeutet dies, den Rezeptionsprozess beim Umgang mit Bildern zu intensivieren und zu verlangsamen. Bilder sind so darzubieten, dass sie nicht gleich als normalisiert, d.h. bekannt und langweilig, abgewertet werden. Durch den ersten Blickkontakt soll das Interesse der Lernenden geweckt werden: Die RezipientInnen sollen sich auf das Bild einlassen und seine Widersprüchlichkeiten erst einmal erkennen können (vgl. Dehn et al. 2008: 227). Die Auswahl der geeigneten Präsentationsformen (s. Abb. 33) sowie die Integration von Wissensbeständen der BetrachterInnen in den Unterricht tragen zudem beträchtlich zur intensiven Auseinandersetzung mit Bildern bei. Zugleich wird der Prozess der Bilderschließung durch und in Sprache begleitet, indem die volle Bedeutung und Interpretation von Bildern erst sprachlich entfaltet wird (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2012). Hierfür sind den Lernenden sprachliche Hilfen anzubieten: Für die Bildbeschreibung sowie Formulierung von Zusammenhängen im Bild benötigen die Lernenden bildspezifische Ausdrucksmittel, wie z.B. rechts oben, im Vordergrund, in der Totale, bei den Bildübergängen. Für die Beschreibung der Wirkung von Bildern sowie für ihre Interpretation ist gerade im Kontext DaZ ebenfalls entsprechender Wortschatz zu vermitteln: Das Bild erinnert mich an …, Ich assoziiere es mit …, Wenn ich das Bild sehe, denke ich an … . Die Kommunikation mit den Mitschüle r - Innen spielt ebenfalls für die Dekodierung von Bildern eine wesentliche Rolle: Werden mehrere Bilder (wie z.B. Bildergeschichten oder narrative Bilderbücher ohne Text 19 ) betrachtet, so können die Leerstellen zwischen den einzelnen Bildern überhaupt erst im kommunikativen Austausch enträtselt werden. Die Lernenden kommunizieren über Wertungen, die sie miteinander aushandeln. Nur in einem Aushandlungsprozess durch Sprache können Mehrdeutigkeiten [der Bilder] […] auf literaturdidaktischer Ebene angemessen thematisiert werden. […] Sprache bietet zugleich auch die Möglichkeit, auf eigene Verstehensprobleme hinzuweisen und im Austausch mit anderen Lernenden Lösungsmöglichkeiten hierfür zu suchen. (Dammann-Thedens, Michalak 2012: 136) Dammann-Thedens und Michalak (2012) belegen, dass gerade die Parallelität von Bilderschließung und sprachlicher Transformation insbesondere für DaZ-Lernende eine Herausforderung darstellen kann. Bei der ersten Bildbetrachtung benötigen sie oft mehr Zeit und Aufmerksamkeit, um die Bedeutung der einzelnen Elemente im ganzen Bildkontext wahrzunehmen. Bei diesem ersten Rezeptionsdurchgang richten SchülerInnen mit DaZ ihre Aufmerksamkeit stark auf die Erkennung des Dargestellten und sie versuchen, zuerst ihre visuellen Eindrücke in Begriffe zu fassen. Sie konzentrieren sich darauf, dargestellte Gegenstände und Personen zu 19 Bei narrativen Bilderbüchern ohne Text handelt es sich um komplexe und umfangreiche Bildergeschichten, die für Jugendliche und Erwachsene geeignet sind (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2011, 2012). 3.3 Diskontinuierliche Da arstellungsfor en im Fachun nterricht m <?page no="122"?> 120 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Mögliche sprachliche und visuelle Aufgabenformate Sprachliche Hilfen Rezeptionsphase: Vor der Lektüre Rezeptionsstil: Globales Bildlesen Ziele: erster Blick auf das Buch; Hinführung zum Thema; Erwartungshaltung aufbauen die Titelseite des Buches betrachten und Bildsorte antizipieren; den Titel des Buches betrachten; Vermutungen zu der Thematik anstellen; Eindrücke und Ideen zum Inhalt und zur Darstellungsform (Farbgebung, Anordnung) notieren; einzelne, isolierte Bilder aus dem Bilderbuch betrachten Sprachliche Vorentlastung durch Wortschatzarbeit (Mindmap oder Assoziogramm) Rezeptionsphase: Während der Erstrezeption Rezeptionsstil: Orientierendes Bildlesen Ziele: erste Wahrnehmung der Bilder, der Gesamtstruktur und der Kernaussagen der Geschichte Erstrezeption im Stillen; erste Hypothesen zum Inhalt der Bilderzählung formulieren lassen; einfache W- Fragen, die zeitliche, räumliche und inhaltliche Gliederung der Geschichte erfassen, beantworten; ästhetische Wahrnehmung der Bilderzählung: Was gefällt dir, was nicht? Was ist positiv, was nicht? Sprachliche Formulierungen zum Ausdruck der Wahrnehmung anbieten (Mir gefällt, mir gefällt nicht) Rezeptionsphase: Während der Folgerezeption(en) Rezeptionsstil: Detailliertes Bildlesen Ziele: Zweiter Blick ins Buch; Erfassen aller Informationen; intensive Auseinandersetzung mit den Bildern und der gesamten Geschichte; Begleitkommunikation Folgerezeption(en) in Partnerarbeit; das Dargestellte sprachlich formulieren; einzelne Bilder und Bildsequenzen beschreiben; Fragen zum Inhalt beantworten; nichteindeutige Stellen deuten; Zwischentitel vorgeben, die den einzelnen Bildpassagen zugeordnet werden; verschiedene Titel zu einem Bild vorgeben, von denen ein unpassender Titel aussortiert werden soll; verschiedene Bilder anbieten, von denen ein Bild aussortiert werden soll, das nicht in der Geschichte auftritt; zentrales Bild individuell auswählen und eigene Auswahl begründen; ein bevorzugtes Bild auswählen und ihre Auswahl begründen Erarbeitung von bildspezifischem Vokabular: im Vordergrund, im Vergleich zum ersten Bild, in der Nahaufnahme, im unteren Teil des Bildes etc.; Wiederholung und Einsatz des bisher zusammengestellten Wortschatzes; Erarbeitung und Bereitstellung von Kohäsionsmitteln zur Formulierung von zeitlichen, räumlichen und kausalen Zusammenhängen Rezeptionsphase: Im Anschluss an das Bildlesen Rezeptionsstil: Detailliertes Bildlesen Ziele: Anschlusskommunikation; Reflexion und Vertiefung des Rezipierten Bilder szenisch darstellen/ Gesichtsausdrücke, Empfindungen etc. erklären; Gedanken von Protagonisten in Sprechblasen formulieren; Geschichte aus der Perspektive verschiedener Protagonisten verfassen (z.B. als innerer Monolog); ein Text zum Bilderbuch verfassen; mündliches Erzählen zum Bilderbuch; ein Hörspiel zu der Bilderzählung herstellen; eine Rezension oder einen Kommentar zu einer Bildsequenz schreiben; Briefe oder Postkarten aus der Sicht eines Protagonisten verfassen Schreibaufträge (z.B. Leseempfehlungen) in Form von Lückentexten anbieten oder Textbausteine zusammenstellen; typische Formulierungen für die jeweilige Textform zusammenstellen Abb. 33: Aufgabenformate für intensive Auseinandersetzung mit Bildern am Beispiel Bilderbücher ohne Text für Sekundarstufe (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2011, 2012) <?page no="123"?> 121 3.4 Aufgabenstellungen im Fachunterricht benennen bzw. diese in einfachen Sätzen aufzuzählen (vgl. ebd.: 136f.). Hierbei gebrauchen sie die ihnen geläufige Sprachvariante - die Alltagssprache. Die Zusammenhänge zwischen Bildelementen oder einzelnen Bildern werden erst in den nachfolgenden Rezeptionsdurchgängen erkannt und sprachlich ausformuliert. Erst hier wird die Sprache komplexer und ausdifferenzierter eingesetzt (vgl. ebd.). Gerade dieser Schritt erfolgt meistens nicht selbständig und ungesteuert, sondern muss angeleitet werden. Daher empfiehlt es sich, Lernenden mit geringeren Sprachkenntnissen angemessene Verstehensstrategien im Umgang mit ästhetischen Bildern in vier Phasen anzubieten: vor der Lektüre, während der Erstrezeption, während der Folgerezeptionen und im Anschluss an das „Lesen“ (vgl. Dammann-Thedens, Michalak 2011, 2012; s. Abb. 33). 3.4 Aufgabenstellungen im Fachunterricht In jedem Fachunterricht kommen Arbeitsblätter mit verschiedenen Aufgaben zum Einsatz. Die Aufgaben sind mit Arbeitsanweisungen versehen, die häufig in Form von kurzen Texten formuliert sind und die von den SchülerInnen selbständig erschlossen werden müssen. Die Aufgabenstellungen beziehen sich sowohl auf kontinuierliche als auch auf diskontinuierliche Darstellungsformen und/ oder verbinden beide Repräsentationsformate miteinander. Nicht selten werden diese schriftlichen Handlungsaufforderungen von den Lehrkräften selbst formuliert. Die Herausforderung ist es, die konzipierten Arbeitsanweisungen eindeutig und treffend zu beschreiben und zugleich die Lernenden sprachlich und fachlich angemessen zu unterstützen. Zudem erfordert die heterogene Schülerschaft differenzierte Lernumgebungen. Daher sollen Aufgaben und ihre Formulierungen - ähnlich wie Texte und Bilder - von den Lehrkräften hinterfragt und im Hinblick auf die sprachlich heterogene Schülerschaft eventuell modifiziert werden (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 27). Im Folgenden werden Aspekte näher ausgeführt, die im Rahmen der sprachbewussten Unterrichtsforschung im Zusammenhang mit Aufgabenstellungen diskutiert werden. 3.4.1 Operatoren in Aufgabenstellungen Die unbefriedigenden Ergebnisse der großen internationalen Vergleichsstudien wie TIMSS und PISA haben entscheidend zur Veränderung der deutschen Aufgabenkultur beigetragen (vgl. Wiater 2011: 32). Im Zuge der Kompetenzformulierung wurden Aufgaben entwickelt, die als Anregung für kompetenzorientierten Unterricht dienen. Sie erfüllen aber verschiedene Funktionen: Während mit Lernaufgaben das Wissen aufgebaut wird, erlauben Übungsaufgaben seine Festigung und Vertiefung. Anwendungsaufgaben ermöglichen den Transfer von Wissen auf neue Situationen. Testaufgaben machen dagegen das Wissen sichtbar bzw. überprüfen dieses (vgl. Meier et al. 2013: 14). Sollen die SchülerInnen die Aufgaben selbständig bearbeiten, müssen sie die Schlüsselwörter in den Aufgabenstellungen verstanden haben. Zu diesen Kernbegriffen gehören sog. Operatoren, die inhaltsbezogene Denk- und Sprachhandlungen bezeichnen. Operatoren sind Handlungsaufforderungen in Form von Verben in der Imperativform (z.B. beschreibe …, beurteile …, erklärt ..., stellen Sie … dar) oder in Form von W- Fragen oder Substantiven (z.B. wie …, warum …, Beobachtung: …, Erklärung: …) (vgl. ebd.: 15). <?page no="124"?> 122 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? Operatoren im Aufgabentext Schülertätigkeiten Analysieren Sie ... Zerlegen und Herausstellen einzelner Aspekte (z. B. des Inhalts, der Struktur, der Wirkungsweise) von Aussagen, bildlichen Darstellungen, Kunstwerken, Multimediaanwendungen, Texten Begründen Sie ... Beweisen Sie ... Weisen Sie nach ... Bestätigen einer Aussage durch Anwendung logischer Schlussregeln, Angabe stützender Argumente Beschreiben Sie ... Kennzeichnen der Beschaffenheit eines Gegenstands oder einer Erscheinung, des Ablaufs eines Vorgangs oder Verfahrens, des Aufbaus eines Systems unter Verwendung der jeweiligen Fachsprache in der Regel in Sätzen Beurteilen Sie ... Werten Sie ... Stellung nehmen zu einem Sachverhalt oder Problem unter Bezug auf Kriterien einer Kategorie Definieren Sie ... Festlegen des Gebrauchs von Zeichen, Wörtern, Begriffen Erklären Sie ... Bestätigen der Gültigkeit einer Schlussfolgerung, der Korrektheit eines Verfahrens, der Funktionalität einer Wirkungsweise durch Rückführung auf bekannte Gesetze, Modelle Erläutern Sie ... Verdeutlichen eines Sachverhalts, Vorgangs, Begriffs, Gesetzes, einer Arbeitsweise in anschaulicher Form unter Nutzung von Beispielen Geben Sie ... an Nennen Sie ... Formulieren von Fakten oder Ergebnissen angestellter Überlegungen ohne Darstellung des Gedankengangs bzw. Lösungswegs und ohne Begründungen, Wertungen Skizzieren Sie ... Festhalten wesentlicher Sachverhalte in knapper Textform bzw. durch grafische Veranschaulichung auch frei Hand Untersuchen Sie ... Kennzeichnen von Eigenschaften eines Objekts, Aufdecken von Beziehungen zwischen Objekten, Sachverhalten Vergleichen Sie ... Verdeutlichen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Objekten, Sachverhalten, Prozessen, Systemen unter einem bestimmten Aspekt (z. B. Aufbau, Eigenschaften, Wirkungsweise, Gestaltungsweise, Quantität) Abb. 34: Allgemeine Operatoren für Klassenstufen 5 bis 10 der Mittelschule (SMK 2008: 3) Zwar lassen sich allgemeine Operatoren herausarbeiten (s. Abb. 34), ihre eigentliche Anwendung kann aber je nach Fach variieren. So unterscheidet sich die sprachliche Handlung ‚Beschreiben‘ im Deutschunterricht, die sich meist auf informierende Texte über eine Person oder einen Gegenstand bezieht, von den Bildbeschreibungen im Kunstunterricht oder den Versuchsbeschreibungen in naturwissenschaftlichen Fächern. Zugleich basieren Aufgaben mit diesem Operator auf die fächerübergreifenden sprachlichen Grundlagen einer Beschreibung „wie z.B. die informative Grundfunktion und die sachliche Darstellung, die allgemeine Struktur, die Fokussierung vom Allgemeinen zum Einzelnen oder der Gebrauch typischer Zeitformen“ (Budde, Michalak 2014: 10). Des Weiteren gibt es Operatoren, die spezifisch für eine Fächergruppe sind und in dieser auch erläutert werden müssen (z.B. Berechnen in Mathematik und den Naturwissenschaften, Erörtern in den sprachlichen oder geisteswissenschaftlichen Fächern). <?page no="125"?> 123 3.4 Aufgabenstellungen im Fachunterricht Das Verständnis von Operatoren wird auch dadurch erschwert, dass sie oft mehrere sprachliche Teilprozeduren umfassen. Der Operator eine Grafik auswerten impliziert, dass sie vorher beschrieben, interpretiert und anschließend kritisch beurteilt werden soll. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Operatoren das Ende eines Lernprozesses widerspiegeln und nicht den Prozess des Lernens an sich. Wie allerdings der Lernprozess selbst in Hinblick auf fachsprachliche Hürden vonstattengeht, bleibt zunächst unerschlossen. (Oleschko, Moraitis 2012: 34) Die Operatoren beschreiben somit eine sprachliche Handlung in einer sehr allgemeinen Form (vgl. Tajmel 2011: 1), sodass unklar bleibt, über welche (fach-)sprachlichen Mittel die Schüle r - Innen verfügen müssen, um diese ausführen zu können: Was genau müssen die Lernenden beispielsweise können, wenn sie die Variabilität von Lebewesen erklären oder einfache historische Situationen unter Berücksichtigung von Motiven und Folgen beurteilen sollen? Diesen Aspekt problematisiert schon Antos (1996) in seinen Ausführungen: In den Sachfächern wird geschrieben - und zwar ohne methodische Vorbereitung und ohne systematische Vorgabe von routinisierbaren Schreibprozeduren. Die Fähigkeit des Schreibens wird in den Sachfächern faktisch als gegeben unterstellt. Teilweise werden sogar schreibcurriculare Fähigkeiten vorausgesetzt, die in Deutsch erst später behandelt werden. (ebd.: 195) Dies stellt sowohl die Lehrkräfte als auch die Kinder und Jugendlichen vor erhebliche Herausforderungen. Während jede Lehrkraft selbst beurteilen muss, ob die von den Lernenden erbrachte Leistung dem Standard entspricht, ist für die SchülerInnen nicht transparent, welche sprachliche Leistung von ihnen erwartet wird (vgl. Tajmel 2011: 1). Dies ist insofern problematisch, als Tajmel (2010) in einer Untersuchung zeigen konnte, dass Fachlehrkräfte die sprachliche Form der SchülerInnenäußerungen mitbewerten. So erhielten Lernende, deren Antworten zwar fachlich korrekt aber sprachlich nicht angemessen waren, in ihrer Untersuchung im Durchschnitt weniger Punkte. Die Fachlehrkräfte konnten die Kriterien ihrer sprachlichen Beurteilung nicht nennen, sodass sich die Erwartungen an die sprachlichen Leistungen der Schülertexte je nach Lehrkraft stark unterschieden: „Der sprachliche Erwartungshorizont liegt […] nur unbewusst und unkonkret vor.“ (Tajmel 2011: 5) Diese Problematik wird durch den Umgang mit Operatoren seitens der Lehrplanautoren zusätzlich verstärkt. Aus der Analyse von Kompetenzformulierungen für die Grundschule geht hervor, dass bis zu 194 unterschiedliche Operatoren verwendet werden, die sich in ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit deutlich unterscheiden (vgl. Thürmann 2012: 9). Die meisten (ca. 66%) werden nur ein- oder zweimal von den Lehrplanautoren verwendet (vgl. ebd.). Insgesamt ergibt sich für die Lehrkräfte ein diffuses Bild unterschiedlicher Operatoren, [...] ohne dass die ‚ Formate‘ sprachlichen Handelns (Textsorten, Genres, konzeptuelle/ mediale Mündlichkeit oder Schriftlichkeit, Korrektheit, Differenziertheit, Kohärenz, Register etc.) auch nur angedeutet werden. (ebd.: 5) Die Aufgabe der Lehrkräfte besteht daher darin, die Operatoren für sich selbst und für die SchülerInnen aufzuschlüsseln und die durch sie intendierte Sprachhandlung näher zu beschreiben. Zudem sollte ihr Gebrauch an verschiedenen Beispielen den Lernenden verdeutlicht werden. Im Sinne der Transparenz werden damit die an die SchülerInnen gestellten Anforderungen klar definiert. Die einheitliche Anwendung von Operatoren in allen Klassenarbeiten oder Präsentationen wird dabei vorausgesetzt. Auch der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad ist je nach Altersstufe der Schülerinnen zu beachten: Die Beschreibung eines Versuchs ist in der Sekundarstufe viel komplexer als im Sachunterricht der Grundschule zu erwarten ist. Zudem stellen die unterschiedlichen sprachlichen Handlungen verschiedene Anforderungen an die Lernen- <?page no="126"?> 124 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? den: Beschreiben oder Berichten werden deskriptiv eingesetzt, während Begründen oder Argumentieren den Lernenden eine höhere kognitive Leistung abverlangen. 3.4.2 (Fach-)sprachliche Lernziele in Aufgabenstellungen bestimmen Für die Lehrkräfte stellt sich die Frage, wie die fachspezifischen Sprachhandlungen und die hierfür erforderlichen sprachlichen Mittel für die mündlichen sowie schriftlichen Textproduktionen im Fachunterricht genau erfasst werden können. Hierfür hat Tajmel (2011, 2013) ein Raster zur Konkretisierung sprachlicher Lernziele entwickelt, das als Analyseinstrument von allen Fachlehrkräften bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung eingesetzt werden kann. Es hilft, die fachsprachlichen Anforderungen für sich selbst und vor allem für die SchülerInnen sichtbar zu machen. Auf diese Weise können nicht nur die erforderlichen sprachlichen Mittel identifiziert, sondern auch sprachliche Lernziele formuliert werden. Dem Raster liegen fünf Dimensionen zugrunde, die anhand von Leitfragen beschrieben werden (in Anlehnung an Tajmel 2011: 8): • Orientierung an Lehrplänen: Welche Kompetenz soll im Rahmen der Aufgabe erworben werden? Hierbei wird anhand der Bildungsstandards bzw. der Rahmenpläne (oder evtl. der Schulbücher) für das jeweilige Fach die zu erwerbende Kompetenz festgelegt. • Identifikation der Sprachhandlung: Welche Sprachhandlung ist mit dieser Kompetenzformulierung verbunden? In welchem Modus (schriftlich/ mündlich) soll diese erfolgen? An dieser Stelle wird die auszuführende Sprachhandlung (Beschreiben, Erklären, Beurteilen usw.) identifiziert und deren Ausführungsmodus (geschrieben oder gesprochen) konkretisiert. Sowohl die Orientierung an den in dem Lehrplan enthaltenen Operatoren als auch die Ausformulierung eines eigenen Erwartungshorizonts (s. nächster Schritt) können dabei hilfreich sein. Zu beachten ist, dass ein Operator mehrere Teilprozesse intendieren kann. Aus der fachlichen Perspektive ist zu überlegen, ob der ausgewählte Operator dafür geeignet ist, das neu erworbene Wissen in den bisherigen gesamten Fachkontext einzubinden (vgl. Oleschko, Moraitis 2012: 35). • Ausformulierung der erwarteten Leistungen: Wie wird der Erwartungshorizont sprachlich ausformuliert? Der Erwartungshorizont der Lehrkraft wird verschriftlicht. Das bedeutet, dass ein Text verfasst werden sollte, der fachlich und sprachlich unsere Erwartungen für die jeweilige Klassenstufe erfüllen sollte. Zu beachten ist, dass die Formulierung dem Alter der SchülerInnen entsprechend erfolgt. • Analyse der erforderlichen sprachlichen Mittel: Welche sprachlichen Mittel auf Wort-, Satz- und Textebene beinhaltet dieser Erwartungshorizont? Hier wird ausgearbeitet, welche sprachlichen Mittel die zu erwartende Leistung impliziert. Die verwendeten (fach-)sprachlichen Mittel auf Wort-, Satz- und Textebene werden so detailliert wie möglich erfasst. Dabei können sprachliche Mittel unterschieden werden, die durch das fachliche Thema (fachsprachliche Verben, Nomen und Adjektive) und solche, die durch die Anwendung des Operators (die für die sprachliche Handlung typischen Strukturwörter und Konnektoren) bedingt sind. • Ausformulierung der fachsprachlichen Lernziele: Wie lautet nun die um die fachsprachlichen Lernziele erweiterte Kompetenz? Hier gilt es, die zu erwerbende Kompetenz mit ihren fachsprachlichen Merkmalen erneut auszuformulieren und sprachliche Schlüsselmerkmale zu fokussieren. <?page no="127"?> 125 3.4 Aufgabenstellungen im Fachunterricht Im Folgenden finden Sie das ausgefüllte Raster für eine exemplarische Aufgabe aus dem Geschichtsunterricht, in der der Fachbegriff ‚Gladiator‘ erläutert werden soll. Im historischen Kontext sollen dabei die Personen und ihre Funktionen in der Gesellschaft beschrieben werden. Datum: Thema: Gladiatoren Klasse: 5/ 6 Hauptschule Standard aus dem Lehrplan „Die SuS können einfache historisch-politische Fachbegriffe sachgerecht erläutern und anwenden.“ „Die Schülerinnen und Schüler können wichtige Personen und Gruppen in den jeweiligen Gesellschaften, ihre Funktionen und Handlungsmöglichkeiten beschreiben“ (MSW NRW 2011c: 43) Sprachhandlung Erläutern, Beschreiben/ schriftlich Ausformulierter Erwartungshorizont Gladiatoren waren im antiken Rom Berufskämpfer, die zur Unterhaltung des Volkes in Amphitheatern auf Leben und Tod gegeneinander oder gegen Tiere kämpften. Meist waren es Sklaven, Kriegsgefangene oder verurteilte Verbrecher, die in Gladiatorenschulen für solche Kämpfe ausgebildet wurden. Sie traten in unterschiedlicher Ausrüstung an. Die einen kämpften mit Schwert und Schild, andere hatten einen Dreizack und ein Netz. Wenn ein Gladiator unterlegen war, wurde entschieden, ob er am Leben bleiben oder sterben sollte. Die Stellung eines Gladiators war noch unter einem Sklaven. Da Gladiatoren gut versorgt und verehrt wurden, wollten auch viele freie Bürger Gladiatoren werden. Sprachliche Mittel Wortebene: Gladiatoren, antik, zur Unterhaltung, Berufskämpfer, Amphitheater, auf Leben und Tod, gegeneinander kämpfen, kämpfen gegen jemanden, Sklaven, Kriegsgefangene, Gladiatorenschulen, ausbilden für etwas, antreten, Ausrüstung, Schwert, Schild, Dreizack, Netz, im Kampf unterlegen sein, am Leben bleiben, versorgt, verehrt werden Satzebene: Nomen der n-Deklination (Sklave), Nomen dekliniert wie ein Adjektiv (der Kriegsgefangene), Passivkonstruktionen (ausgebildet wurden, wurde entschieden), Nominalkonstruktionen (zur Unterhaltung des Volkes) Relativsätze (…, die ...), Kausalsätze (weil …) Textebene: informativer Text, sachliche Darstellung; Textstruktur - Einordnung, Merkmalsnennung, Funktion, Beschreibung, Beispiel; Verweiswörter - Pronomina (sie, die einen, die anderen…), Konjunktionen (weil) und Relativpronomina (die); Anwendung der Präteritumform (traten … an, wurde entschieden, kämpften…) Erweiterter Standard mit sprachlichen Lernzielen Die SuS erklären den Begriff Gladiator, indem sie den Begriff zeitlich (im antiken Rom) und unter Nennung von Merkmalen (Sklaven, Waffen) funktional (Berufskämpfer, zur Unterhaltung) einordnen. Sie verwenden Relativ- und Kausalsätze, das Präteritum und den für die Beschreibung von Kämpfen sachbezogenen und fachsprachlichen Wortschatz (kämpfen, unterlegen sein, antreten). Der Zusammenhang wird durch Konjunktionen und Pronomen hergestellt. Abb. 35: Fachsprachliche Anforderungen im Bereich Gesellschaftslehre (Sachkompetenzen 1 und 6) am Beispiel schriftlicher Erläuterung zum Thema „Gladiatoren“(SuS = Schülerinnen und Schüler) für Hauptschule Doppeljahrgang 5/ 6 <?page no="128"?> 126 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? 3.5 Textproduktion im Fachunterricht Die Bedeutung des rezeptiven Umgangs mit Texten ist für das schulische Lernen offensichtlich. Im Fachunterricht stellen die SchülerInnen aber auch Texte her: Sie schreiben u.a., um sich auszutauschen bzw. mitzuteilen oder etwas für sich als Erinnerungshilfe bzw. als Grundlage für die weitere Arbeit zu notieren. Das Schreiben wird im Fachunterricht bislang jedoch leider eher wenig gezielt eingesetzt (vgl. Thürmann 2012: 13). Vor allem Fachlehrkräfte des naturwissenschaftlichen Unterrichts nutzen überwiegend das Unterrichtsgespräch, um Inhalte zu vermitteln (vgl. Riebling 2013: 41f.). Gründe hierfür werden vor allem in der Fülle des Lernstoffs und dem dazu vergleichbaren niedrigen Pensum an Stunden gesehen (Schramm et al. 2013: 295). Werden die Inhalte in einem Unterrichtsgespräch herausgearbeitet, fertigen die Lernenden überwiegend Mitschriften an, um die wichtigsten Informationen festzuhalten. Dabei werden jedoch keine kohärenten Texte produziert, sondern lediglich Einzelwörter als Stichworte oder einfache, verkürzte Sätze notiert bzw. herausgeschrieben, in denen Artikel, Präpositionen oder Konnektoren fehlen: „Nashorn hat aufgestaute Energie  Rivale, Konkurrent.“ (Hanser 1999: 201 zit. Nach Schmölzer-Eibinger, Langer 2010: 205) Durch dieses sog. konservierende Schreiben wird Wissen aufbereitet, um es zu einem anderen Zeitpunkt zu verwenden (vgl. Fix 2008: 10). Dabei wird das Potenzial des Schreibens für das fachliche Lernen nicht ausgeschöpft. Arbeitsaufträge zum Schreiben von Texten treten hingegen gar nicht oder nur in reproduzierender Form auf (vgl. Schmölzer-Eibinger, Langer 2010: 205). Dies ist insofern problematisch, als die Leistungsüberprüfung der Lernenden überwiegend in schriftlichen Testsituationen erfolgt, in denen die Lehrkräfte hohe Erwartungen sowohl an die fachliche Ausdifferenzierung des Themas als auch an die sprachliche Form der Texte der SchülerInnen stellen und die sprachlichen Leistungen dieser mitbewerten (vgl. Tajmel 2010: 174). Die Lernenden sind bei der Vorbereitung auf schriftliche Prüfungen überwiegend auf sich selbst gestellt, denn es wird von ihnen erwartet, dass sie in der Unterrichtsnachbereitung den mündlich erarbeiteten Unterrichtsstoff in die konzeptionelle Schriftlichkeit transferieren (vgl. Riebling 2013: 43). Eine Erwartung, der die meisten Lernenden mit dem Auswendiglernen ganzer Lehrbuchsätze und -passagen begegnen, um diese dann in der Prüfungssituation wiedergeben zu können. Werden die SchülerInnen im Unterricht ausschließlich nach Fakten gefragt, so können sie ihr fachliches und fachsprachliches Wissen nur reproduzieren (vgl. Nieswandt 2010: 258) mit der Folge, dass ihre Präkonzepte durch Unterricht kaum Veränderung erfahren und oft bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben (vgl. Schramm et al. 2013: 295). Dabei wird auch übersehen, dass das Schreiben zwar in sprachlichen Fächern Lerngegenstand ist, in anderen Fächern aber als Lernmedium fungieren kann. Während des Schreibens laufen nämlich Prozesse ab, die für das Lernen, Verstehen und Behalten ergiebig sind. Das Denken wird durch das Schreiben vorangebracht: Die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, die schriftliche Ausarbeitung von Gedanken oder ihre konzeptionelle Weiterentwicklung begünstigen das Lernen. So funktioniert Schreiben heuristisch als eine Strategie, um Probleme zu lösen. Werden dadurch neue Erkenntnisse gewonnen, übernimmt es eine epistemische Funktion (vgl. Fix 2008: 10). Das Schreiben von Texten ermöglicht also eine stärkere kognitive Durchdringung und damit den Erwerb von neuen fachlichen Inhalten. Zudem fördert es die Entwicklung der Schreibkompetenz der Lernenden, was insbesondere im Kontext DaZ und des sprachbewussten Fachunterrichts als Ressource betrachtet wird (vgl. Schmölzer- Eibinger 2013: 33; Thürmann 2012: 13): Die schriftliche Textproduktion verbindet das fachliche mit dem (fach-)sprachlichen Lernen. Alle Lernenden werden gleichermaßen fachlich und sprachlich aktiviert. Solche lernförderlichen Effekte durch das Schreiben von Texten konnten beispielsweise für den Geschichtsunterricht (vgl. Hartung 2013) oder für den Mathematikun- <?page no="129"?> 127 3.5 Textproduktion im Fachunterricht terricht (vgl. Stephany et al. 2013) empirisch belegt werden. Wie kommt der lernförderliche Effekt durch das Schreiben von Texten jedoch zustande? Bei der Textproduktion handelt es sich um einen Problemlösevorgang, der aufgrund seiner Komplexität besondere Lernprozesse seitens der Lernenden evoziert (vgl. Pohl, Steinhoff 2010: 9). Dabei liegt das didaktische Potenzial der Textproduktion insbesondere in der schriftlichen Realisierung. In der Schrift verlangsamt sich nämlich der Produktionsprozess: Da Sprache sichtbar gemacht wird, kann sie effektiver als ein Werkzeug benutzt werden. Die Gedanken bzw. die mündlichen Äußerungen werden durch das Medium der Schrift materialisiert und können somit schriftlich verändert werden (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2012: 15). Die Verschriftlichung der Inhalte oder Argumente in einer Aufgabe führt dazu, dass auch die Aussagen präzisiert werden. Die angewandte Sprache wird komplexer und eindeutiger. Dies wird deutlich beim Vergleich einer mündlichen Aussage der Schülerin A (s. unten 20 ) mit ihrem Text (s. Abb. 29), den sie zu derselben Grafik verschriftlicht hat: SA: ja, auswerten kenn ich. ähm also die grafik geht um inter- (seufzt) aktivitäten im internet (-) und ähm ganz oben, also die ähm person die (-) ich bin grad durcheinander ähm, am meisten wird äh online kommunikation, wie zum beispiel facebook und so weiter genutzt, deswegen steht sie auch ganz oben (lacht). ähm an der zweite stelle sind (-) ist email empfang und versenden (-), das benutzt auch ähm ? arbeiten? , die ähm im Internet arbeiten (---) und (--) dann geht’s immer weiter und ähm vorletzte ist, ähm, über skype mit video telefonieren, das ist halt vorletzte, weil nicht alle wollen die kamera einschalten und sich zeigen. weiter und twitter nutzen ist am letz an der letzten stelle Bei der mündlichen Auseinandersetzung mit dem Diagramm merkt man, dass der Adressat die Grafik sieht. So wird auf die Informationen ganz oben verwiesen. In dem Text ersetzt die Schülerin dies durch die Formulierung am erste Stelle/ an zweiter Stelle (s. Abb. 29). Schriftlich spricht sie auch von Kategorien, die mit genaueren prozentualen Angaben beschrieben werden. Im Mündlichen kommt dies nicht vor; die Hierarchisierung wird im Gespräch durch weniger genaue Markierungen vorgenommen: ganz oben, am meisten, vorletzte. Die Aufzählungen werden mit und so weiter oder dann geht’s immer weiter unterbrochen. Im Schriftlichen werden die unterschiedlichen Formen der Kommunikation entweder genannt (z.B. Face, studivz) oder ganz vermieden. Im Schreibprozess können die generierten Ideen in einzelne Elemente zerlegt, neu eingeordnet und verändert werden: Je mehr etwas sprachlich auf den Punkt gebracht werden muss, umso mehr werden Widersprüche des bereits Formulierten deutlich; diese müssen dann in der Folge beseitigt werden, was wiederum zu neuen Widersprüchen führt usw. […]. (Fix 2008: 7) Dies sorgt zwar für Schwierigkeiten beim Formulieren, ist aber für den kognitiven Prozess gewinnbringend. Die Verzögerung des Schreibprozesses ermöglicht somit eine besondere Planung „[...] und die Nutzung externer bzw. zusätzlicher Wissensspeicher (neben dem Langzeitgedächtnis)“ (vgl. Pohl, Steinhoff 2010: 9). Durch die schriftliche Fixierung von Gedanken können neue Wissenseinheiten aktiviert werden, ohne dass bereits abgerufene Informationen verloren gehen. Dies entlastet die Arbeitsgedächtniskapazität und ermöglicht die Aktivierung neuer Informationen. Die mediale Schriftlichkeit eröffnet auch ein besonderes Reflexionspo- 20 Die Aussage der Schülerin A wurde vor der Verschriftlichung des Diagramms aufgenommen (s. Abb. 29). Dies geschah im Rahmen der Untersuchung zum Umgang mit diskontinuierlichen Darstellungsformen in der Sommerschule 2014 des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln. <?page no="130"?> 128 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? tenzial (vgl. ebd.: 10): Schriftlich fixierte Ideen bzw. aktivierte Wissensbestände können immer wieder überarbeitet werden. Durch diese Vorläufigkeit des Schreibens ergibt sich sein Überarbeitungspotenzial (vgl. ebd.: 9). Dadurch dass SchreiberInnen und LeserInnen nicht in einem gemeinsamen Raum handeln (räumliche und zeitliche Trennung), kann der Schreiber seinen Text so lange überarbeiten, bis er ihn für den Leser als angemessen erachtet. Das Medium der Schrift beeinflusst das Schreiben auch konzeptionell: Durch die räumlich-zeitliche Trennung von Schreiber und Leser (zerdehnte Kommunikationssituation) ist der Textverfasser dazu gezwungen, sich an den Adressaten anzupassen. Dies ermöglicht den sprachlichen Lernprozess: Da Gestik und Mimik zur Unterstützung der Kommunikation nicht eingesetzt werden können, benötigt der Schreiber ein spezifisches Inventar an sprachlichen Mitteln, um seine Gedanken präzise auszuformulieren. Dies hat die Anwendung komplexer sprachlicher Strukturen zur Folge. Das eigene Wissen muss für den Leser im Text sprachlich entfaltet werden, was hermeneutische Lernprozesse bewirkt. Des Weiteren muss das Wissen des Lesers im Text antizipiert werden, woraus sich soziale Lernprozesse ergeben (vgl. ebd.: 10). Wie sind die Potenziale des Lernens durch Schreiben zu nutzen? Das Schreiben muss vorbereitet werden, wobei die einzelnen Teilprozesse des Schreibens (Textplanung, -entwurf, -überarbeitung und -produktion) gezielt ausgearbeitet und strukturiert werden sollten. Die Auswahl der angewandten Textform hängt mit der jeweiligen Schreibfunktion zusammen: Ein Plakat oder eine Inhaltsangabe dienen beispielsweise der Aufbereitung und Präsentation von Wissen für sich und andere. Ein Lexikonartikel eignet sich dafür, die wichtigsten Informationen zu einem Thema herauszuarbeiten und diese in kompakter Form zusammenzustellen. Soll ein Experiment von anderen Lernenden exakt nachvollzogen werden können, wird eine Vorgangsbeschreibung mit chronologischen Verweisen angefertigt. Sollen sich die SchülerInnen in historische Zusammenhänge hineinversetzen, sind Tagebucheinträge aus der Perspektive einer historischen Figur zu empfehlen (vgl. Budde, Michalak 2014: 26). Lesen und Schreiben können dabei miteinander verknüpft werden. Denn es konnte bewiesen werden, dass die Verbindung der Lektüre eines Sachtextes mit der Aufgabe, selbst einen solchen zu verfassen, zu einer erfolgreichen Verarbeitung des Gelesenen führt (vgl. Fix, Schmidt-Barkow 2005): Entwerfen die Lernenden vor der Lektüre des Sachtextes einen eigenen Text, aktivieren sie dabei ihr eigenes Wissen. Lesen sie zuerst den Ausgangstext und verfassen erst nach dessen Lektüre einen eigenen Sachtext, orientieren sie sich stark an der Vorlage, ohne eigenes Wissen einzubringen. Zudem konnten Priemer und Schön (2004: 89) am Beispiel der Aufgaben im Physikunterricht nachweisen, dass SchülerInnen, die den Text in eigenen Worten verfassen, bessere Lernerfolge in einem fachinhaltlichen Nachtest erzielen, als diejenigen, die die Vorlage im Wesentlichen kopieren. Entscheidend ist für das Lernen durch Schreiben nicht nur, dass Schreiben und Lesen miteinander verknüpft werden, sondern auch wie SchülerInnen in dem Schreibprozess unterstützt werden. So zeigte Berkemeier (2010) auf, wie HauptschülerInnen beim Schreiben von Sachtextezusammenfassungen gefördert werden können. Mit den entsprechenden Hilfestellungen gelingt es ihnen, epistemische Effekte beim Schreiben zu erreichen. Hierbei müssen sie jedoch in verschiedene Teilprozesse der Textproduktion angeleitet werden: Die Lernenden formulierten beispielsweise Stichwörter und wurden in dieser Schreibphase durch Fragen gesteuert. Sie fertigten Visualisierungen auf der Grundlage einer gegebenen Stichwortliste an und erhielten eine kriterienorientierte Rückmeldung von BetreuerInnen, die sie bei der Bearbeitung ihrer eigenen Texte berieten (vgl. ebd. 221). Mit solchen fächerübergreifenden Schreibstrategien können die SchülerInnen bei der Konstruktion von Wissen in jedem Fach sinnvoll unterstützt werden (vgl. Abb. 36). <?page no="131"?> 129 3.6 Zusammenfassung Kompetenzbereich Schreiben Teilziele im Schreibprozess Strategien zum Erreichen der Teilziele Informationen fixieren; Wissen für sich und andere aufbereiten und darstellen Zusammenfassung, Inhaltsangabe oder Abstract verfassen; Protokoll anfertigen; wesentliche Inhalte fixieren, z.B. mit Schaubild, Grafik; Lernplakat oder Lernkartei für sich und andere in der Planungsphase Ideen finden und strukturieren Clustering; Assoziationsketten bilden; Mindmap erstellen in der Entwurfsphase Text strukturieren und ausgestalten Textsorte als musterhafte Vorlage; vorgegebene Satzstrukturen als Vorlage (Satzschalttafeln); aufbereitete Texte (sprachliche Hilfen, z.B. durch Scaffolding und gezielte Aufgaben); Paralleltexte nutzen in den Phasen der Textüberarbeitung kriterienorientierte Überprüfung vornehmen: • Funktion, Adressat, Situation • Stil, Satzstruktur, Textkohärenz Umstell-, Ergänzungs- und Erweiterungsproben vornehmen; Satzmuster erkennen und nutzen; Feedback-Verfahren nutzen: Peer-Feedback, Textlupe oder Schreibkonferenz; Sprachrichtigkeit durch Nachschlage- und Regelwerk überprüfen Abb. 36: Fächerübergreifende Schreibstrategien (Budde, Michalak 2014: 27) Abschließend noch ein wichtiger Hinweis: Die Schreibkompetenz darf weder mit der Schriftsprachentwicklung in der Grundschule noch in einer anderen Schulstufe unabhängig von der gewählten Schulform als einfach zu bewältigen vorausgesetzt und als abgeschlossen betrachtet werden. Ihre Entfaltung - insbesondere in Bezug auf fachspezifische Fähigkeiten - ist ein lebenslanger Prozess (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2012: 52). Folglich muss ihre Entwicklung über die Dauer der gesamten Schulzeit und damit als ein Teil einer Lernkultur in allen Fächern gefördert werden. 3.6 Zusammenfassung Das fachliche Lernen in nahezu jedem Unterricht erfolgt textgestützt. Hierbei spielen für die Arbeit in sprachlichen Fächern (Deutsch oder Fremdsprachenunterricht) literarische Texte eine wichtige Rolle, während für den Unterricht in anderen Fächern Sachtexte von großer Bedeutung sind. Dies setzt einen angemessenen rezeptiven wie produktiven Umgang mit verschiedenen Textarten voraus: Zum einen sollen die SchülerInnen Texte als Informationsquelle nutzen. Dadurch werden sie zugleich in Denk- und Arbeitsweisen des jeweiligen Faches eingeführt. Texteschreiben initiiert zum anderen Lernprozesse: Durch die eigene Textproduktion (Notizen, Mitschriften etc.) wird neues Wissen aufbereitet, um es später wieder zu verwenden. Das Schreiben von Texten (Argumente zusammenstellen, Ideen konzeptionell weiterentwickeln usw.) ermöglicht den Lernenden auch, das Wissen besser zu durchdringen. Dies spricht dafür, Schreiben in den Fachunterricht zu integrieren. Durch das Schreiben kann der Erwerb von <?page no="132"?> 130 3 Schulbuchtext bedeutet guter Text? neuem Wissen (Schreiben als Lernmedium) und der Erwerb von neuen sprachlichen Strukturen (Schreiben als Lerngegenstand) erzielt werden. Demzufolge ist die Textkompetenz, die sich sowohl auf die Textrezeption als auch -produktion bezieht, für den schulischen Erfolg ausschlaggebend. Diese soll in jedem Unterricht ausgebaut bzw. gefördert werden. Daraus ergibt sich für alle Lehrkräfte die didaktische Notwendigkeit, vor dem Unterricht die Schulbuchtexte unter dem Aspekt möglicher sprachlicher, fachlicher und kultureller Herausforderungen für die Zielgruppe zu analysieren. Solch eine Untersuchung der Texte sollte anhand bestimmter Kriterien erfolgen und im Hinblick auf die fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der Lernenden reflektiert werden. Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung der Spezifik des Lesens von SchülerInnen mit DaZ sind die passende Vorgehensweise, unterstützende Übungen und die zu thematisierenden Lesestrategien auszuwählen, um die Lernenden an die Texte heranzuführen. Auf diese Weise sollen nicht nur lineare Texte, sondern auch Schaubilder, Karten, Diagramme etc. aufbereitet werden. Alle im Unterricht eingesetzten Darstellungsformen sind ebenfalls in Verbindung mit den anschließenden Aufgaben zu betrachten, denn in den Aufgabenstellungen werden sprachliche Handlungen durch sog. Operatoren festgelegt, die auch die fachsprachlichen Anforderungen an die Lernenden bestimmen. 3.7 Übungsaufgaben 14. Stellen Sie literarische Texte den Sachtexten gegenüber und ergänzen Sie die Tabelle. Literarische Texte Sachtexte Funktion Einsatz der sprachlichen Mittel Beispielhafte Texte 15. Welche Anforderungen stellt das Lesen an die Lernenden in der Zweitsprache? 16. Welche Strategien wenden Sie selbst beim Lesen eines wissenschaftlichen Textes an? 17. Warum sollte man die SchülerInnen im Fachunterricht Texte schreiben lassen? Überlegen Sie, welche medialen und konzeptionellen Faktoren der Schriftlichkeit für die Anregung von fachlichen und sprachlichen Lernprozessen von Vorteil sein könnten. 18. Welche Strategien setzen Sie selbst ein bzw. welche erachten Sie als hilfreich, um ein Versuchsprotokoll zu schreiben? 19. Wählen Sie ein Lehrwerk aus Ihrem Fach aus und betrachten Sie darin die Formulierungen der Aufgabenstellungen. In welcher Form werden die Operatoren überwiegend angewendet (als Verben oder W-Fragen bzw. nominale Bezeichnungen)? Welche sprachlichen Handlungen intendieren sie? 20. Wählen Sie einen Ausschnitt aus einem Lehrwerk Ihres Faches. Untersuchen Sie den Text mithilfe der Leitfragen aus dem Kap. 3.2. <?page no="133"?> 131 3.7 Übungsaufgaben 21. Lesen Sie die folgende Aufgabe aus dem Musikunterricht (7./ 8. Klasse): Stellt einen Komponisten der Barockzeit in einem Komponistenporträt als Kurzvortrag vor. Legen Sie für diese Aufgabenstellung die (fach-)sprachlichen Lernziele mithilfe des Rasters von Tajmel (2011, s. Abb. 35) fest. 22. Betrachten Sie den folgenden Schülertext mithilfe des Analyserasters von Michalak und Müller (2015, s. Abb. 31). Vergleichen Sie ihn mit den Schülertexten aus dem Kapitel. Was gelingt dem Schüler schon sehr gut? Welche Ansätze lässt seine schriftliche Auswertung fachlich und (fach-)sprachlich erkennen? Abb. 37: Auswertung eines Diagramms zu Internetaktivitäten der Jugendlichen von einem Schüler mit DaZ (Sommerschule 2014 des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln). Rekonstruktion des Textes: Die „Aktivitäten im Internet - Schwerpunkt: Kommunikation 2013“ wollten sich informieren wie oft die Jugendlichen täglich/ mehrmals pro Woche im Internet surfen. Die Angaben wurden in Prozent geschrieben. Alle Befragten sind (12bis 19-Jährige). Es wurden ca. 1.200 Leute befragt. Die meisten Jugendlichen befinden sich im Online-Communities wie z.B. Facebook. 75% der befragten besitzen Facebook. Die Mädchen benutzen mehr Online- Communities als die Jungs. Die wenigsten der Befragten besitzen Twitter. Die Mädchen benutzen wieder mehr Twitter als die Jungs. <?page no="134"?> 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Einstiegsaufgabe: Stellen Sie anhand der bisherigen Ausführungen in dem Studienbuch Aspekte der Lern- Lehrbedingungen für den Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen zusammen. Welche didaktischen Konsequenzen ergeben sich daraus? Die Aufgabe jedes Fachunterrichts ist es, in erster Linie fachliche Inhalte zu vermitteln und alle SchülerInnen in ihrem Erkenntnisgewinnprozess zu unterstützen. 21 Der Schlüssel hierfür - und damit auch für den Lernerfolg - ist die Sprache, die in jedem Unterricht als Lernmedium genutzt wird. Sie wird funktional im Kontext des jeweiligen Faches gebraucht. Sprachliche Fächer können die Lernenden in diesem Zusammenhang nur eingeschränkt unterstützen, indem sie die fächerübergreifenden sprachlichen Grundlagen vermitteln. Jedes Fach bevorzugt jedoch eigene (fach-)sprachliche Zugänge und logische Arbeitsweisen, die fachspezifisches Kontextverständnis voraussetzen (vgl. Budde, Michalak 2014: 20). Hier wird das fachliche Lernen durch das sprachliche Lernen begleitet: Die bewusste Anwendung von sprachlichen Mitteln und die explizite Betrachtung von Sprachstrukturen in jedem Fachunterricht helfen den Lernenden, die Denk- und Arbeitsweisen des Faches zu verstehen sowie eigene (fach-)sprachliche und damit auch fachliche Kompetenzen zu entfalten. In den bisherigen Ausführungen haben wir versucht, die Bedeutung der Sprache aus drei verschiedenen Perspektiven zu betrachten: • Fokus auf das Fach und die Spezifik des fachlichen Lernens: Jedes Fach stellt in dem jeweiligen Bereich typische sprachliche Anforderungen an die Lernenden. Dazu gehören nicht nur der fachgebundene Wortschatz, sondern auch (und vor allem) die sprachlichen Strukturen, domänenspezifische Textformen sowie der Umgang mit ihnen, charakteristische sprachliche Handlungen usw. Diese sprachlichen Kontexte, die sowohl den mündlichen als auch den schriftlichen Gebrauch einbeziehen, sind den Kindern und Jugendlichen aus dem Alltag meistens nicht bekannt. Trotz der Unterschiede zwischen einzelnen Fachgebieten (s. horizontale Gliederung der Fachsprachen, Kap. 2.2.2) gibt es viele sprachliche Mittel, die allen Fächern gemeinsam sind. Die Fokussierung dieser Gemeinsamkeiten aller Fachsprachen, d.h. der sog. Bildungssprache, ist für die Förderung aller SchülerInnen in allen Fächern von Vorteil. Des Weiteren ist die vertikale Dimension der Fachsprachen in der Schule zu beachten: Von der Primarstufe bis zum Schulabschluss sollen die SchülerInnen an die Vielfalt und Komplexität der Fachsprachen schrittweise herangeführt werden. Da das fachliche Lernen meist anhand von Texten erfolgt, ist zudem die Kompetenz, mit Texten rezeptiv und produktiv umzugehen, konsequent zu entwickeln. • Fokus auf die Lernenden: Die umfangreichen sprachlichen Fähigkeiten, die für die Bewältigung der Kommunikation in jedem Fachunterricht notwendig sind, können nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Dabei ist die sprachliche Heterogenität der Lernenden zu beachten: Nicht jedes Kind verfügt beim Schuleintritt über altersgemäß entwickelte Sprachkenntnisse im Deutschen. Hinzu kommt, dass die im Unterricht angewandte Sprache für manche SchülerInnen nicht die Herkunftssprache ist. Die Unsicherheiten bei 21 In der sonderpädagogischen Förderung steht neben den fachlichen Inhalten gleichberechtigt ein Förderaspekt, der sich nach den jeweiligen Förderschwerpunkten der LernerInnen richtet. <?page no="135"?> 133 der Anwendung der deutschen Sprache liegen häufig nicht in einer defizitären Sprachentwicklung begründet 22 , sondern resultieren aus der spracharmen (Sprach- und Lese-)Sozialisation der SchülerInnen mit/ ohne DaZ, die wiederum mit dem sozioökonomischen Status der Familien zusammenhängen kann. Diesen Lernenden fehlen vielfältige Vorerfahrungen in der deutschen Sprache, die für den späteren konzeptionell schriftlichen Spracherwerb und somit für die Aneignung der verschiedenen fachsprachlichen Varietäten äußerst wichtig sind. Eine andere Gruppe bilden SeiteneinsteigerInnen, die zwar auf die schon erworbenen fachlichen Kompetenzen in ihrer Erstsprache zurückgreifen können, diese aber auf Deutsch noch nicht versprachlichen können. Wenn die Lernenden nicht in der Lage sind, sich präzise und prägnant auszudrücken, können sie ihr fachliches Wissen nicht wiedergeben bzw. sich an der fachbezogenen Kommunikation nicht beteiligen. Da die SchülerInnen unterschiedliche Sprachvoraussetzungen und -erfahrungen mitbringen, steht jeder Unterricht vor der Herausforderung, an den aktuellen Sprachstand und die individuelle Lernsituation der einzelnen SchülerInnen anzuknüpfen. • Fokus auf die Lehrkräfte: Erst wenn die Kompetenzen der Lernenden wahrgenommen sowie die spezifischen Sprachprobleme und deren Ursachen und Gründe mithilfe von Sprachstandserhebungen oder Lesetests bestimmt werden, können die Inhalte und Ziele einer individuellen Förderung festgestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften der sprachlichen Fächer und denen der Sachfächer notwendig. In diesem Sinne sollen weder die Fachlehrkräfte zu Deutschlehrenden werden, noch die Lehrkräfte der sprachlichen Bereiche Inhalte des Fachunterrichts sprachlich vermitteln. Sie sollen sich gegenseitig unterstützen und entlasten. Nur durch die gemeinsame Arbeit aller Lehrkräfte kann es vermieden werden, dass die Verantwortung für die sprachliche Bildung der SchülerInnen an die einen oder anderen delegiert wird. Zudem ist der Sprachgebrauch der Lehrenden zu reflektieren, denn sie gelten für die Lernenden als Sprachvorbilder. Zugleich müssen sie eine Sprache anwenden, die für die SchülerInnen verständlich ist. Die Lehrenden orientieren sich zwar an den Bildungsstandards für die jeweiligen Fächer, die auch die kommunikativen Kompetenzen fachbezogen beschreiben. Sie selbst haben jedoch unterschiedliche (auch hohe) Ansprüche an die sprachlichen Fähigkeiten der SchülerInnen. Während einige Lehrkräfte die schriftsprachlichen Gebrauchsnormen sowohl für die gesprochene als auch für die geschriebene Sprache als Maßstab setzen, beziehen die anderen diese Regeln nur auf schriftliche Texte (vgl. De Carlo 2009: 76). Darüber hinaus fließen allzu oft die sprachlichen Leistungen der SchülerInnen in die Beurteilung ihrer fachlichen Leistungen ein (vgl. Tajmel 2010). Für die Unterrichtsplanung und -durchführung spielt daher die genaue Beschreibung des eigenen Erwartungshorizonts eine entscheidende Rolle. Aus den genannten Elementen ergeben sich verschiedene Aspekte der Lern-Lehrbedingungen für die sprachbewusste Vorbereitung und Gestaltung jedes Fachunterrichts. Diese - wie Sie vermutlich bei Ihrer Zusammenstellung in der Einstiegsaufgabe gemerkt haben - sind miteinander eng verzahnt und bestimmen gemeinsam didaktische Prinzipien für die Arbeit in sprachlich heterogenen Klassen (s. Abb. 38). 22 Eine Lern- und Entwicklungsstörung kann auch die Sprache, deren Entwicklung und Gebrauch umfassen. Der Förderschwerpunkt Sprache aus dem Bereich der Sonderpädagogischen Förderung liegt vor, „wenn der Gebrauch der Sprache nachhaltig gestört und mit erheblichem subjektiven Störungsbewusstsein sowie Beeinträchtigungen in der Kommunikation verbunden ist und dies nicht alleine durch außerschulische Maßnahmen behoben werden kann.“ (AO-SF 2014: 2f.) 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? <?page no="136"?> 134 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Lern- Lehrbedingungen aus sprachlicher Sicht didaktische Hinweise und Prinzipien für den sprachbewussten Fachunterricht Fokus auf das Fach und die Spezifik des fachlichen Lernens verschiedene Funktionen der Sprache im Fachunterricht fachliches und sprachliches Lernen miteinander verbinden; sprachliche Mittel explizit vermitteln; fachliche und sprachliche Reflexionsprozesse anregen; mündliche und schriftliche Kommunikation durch sprachliche Mittel unterstützen; Sprech- und Kommunikationsanlässe für die SuS schaffen Spezifik der Alltags-, Bildungs- und Schulsprache den SuS Unterschiede zwischen den Registern verdeutlichen/ bewusst vermitteln; bildungssprachliche Erwartungen transparent machen; Lernprozesse von der Sprache des Verstehens zur Sprache des Verstandenen gestalten Herausforderungen der Fachsprachen in der Schule; horizontale und vertikale Gliederung der Fachsprachen sprachliche Besonderheiten auf Wort-, Satz- und Textebene der jeweiligen Fachsprache gezielt vermitteln (horizontal); Strategien für den Umgang mit fachspezifischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Darstellungsformen (Bildern, Diagrammen usw.) anbieten und bewusst üben; verschiedene Darstellungsformen als Mittel der Binnendifferenzierung nutzen; den SuS abhängig von ihren Kompetenzen und ihrem Alter einen angemessen fachsprachlichen Input anbieten (vertikal) Texte als Grundlage schulischen Lernens Schulbuchtexte auf ihre Eignung prüfen; die SuS in der Rezeption von fachlichen Texten unterstützen - durch schrittweise Textheranführung ausgehend vom Verstandenen, durch geeignete Lesestrategien und einen ausreichenden Zeitrahmen; Schreiben als Medium des fachlichen Lernens nutzen Aufgabenstellungen Operatoren bewusst auswählen und klar definieren (auch in Absprache im Kollegium); einen Erwartungshorizont ausformulieren, fachliche und sprachliche Lernziele transparent machen Fokus auf die Lernenden Heterogenität der Schülerschaft: SuS mit DaM, mit DaZ - hier geboren und SeiteneinsteigerInnen Mehrsprachigkeit die unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der SuS berücksichtigen; didaktisch-methodische Unterstützung abhängig von den Sprachlernbiographien der SuS wählen; Kompetenzen der SuS in ihrer Erstsprache wahrnehmen und einbeziehen; Erstsprachen als Denk- und Arbeitssprache zulassen sprachliche Kompetenzen der SuS und fachliches Lernen BICS und CALP die SuS im Erwerb konzeptioneller Schriftlichkeit unterstützen; schrittweise zur konzeptionellen Schriftlichkeit hinführen; insbesondere hier geborene DaZ-Lernende im Erwerb von CALP fördern; den SuS den Erwerb von fachsprachlichen Strukturen ermöglichen <?page no="137"?> 135 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts Fokus auf die Lehrkräfte Rolle der Lehrkräfte Sprachvorbilder und -beraterInnen; enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften aller Fächer Sprache zur Leistungsüberprüfung im Fachunterricht eigene Erwartung an fachliche und fachsprachliche Leistungen der SuS klar definieren; fachliche und fachsprachliche Anforderungen den SuS transparent machen; verschiedene Darstellungsweisen (Texte, Diagramme, Schaubilder usw.) für die Leistungsüberprüfung nutzen Lehrersprache auf eigenen Sprachgebrauch achten, Sprache bewusst verwenden; eigenen Sprechanteil im Unterricht reduzieren; den SuS durch Methodenvielfalt Anlässe zum sprachlichen Handeln anbieten Abb. 38: Zentrale Aspekte der Lern-Lehrbedingungen in sprachlich heterogenen Klassen, die im sprachbewussten Fachunterricht zu beachten sind (SuS=SchülerInnen) 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts Das folgende Kapitel ist ein Resümee der bisherigen Ausführungen. Hier werden die didaktischen Grundsätze für einen sprachbewusst gestalteten Fachunterricht gebündelt beschrieben und an Beispielen erläutert bzw. konkretisiert. Die Reihenfolge der genannten Kriterien bildet keine Rangordnung; vielmehr ergeben sich aus den einzelnen Elementen die Gesamtgrundzüge des sprachbewussten Fachunterrichts, der sowohl für Lernende mit DaZ als auch für DaM- SchülerInnen mit sprachlichem Nachholbedarf gedacht ist. Hierbei sind die Anforderungen der Allgemeinen Didaktik wiederzufinden, denn Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts korrespondieren mit den Merkmalen guten Unterrichts nach Meyer (2005: 17f.). Besonders solche Kriterien wie klare Strukturierung, lernförderliches Klima, hoher Anteil echter Lernzeit, Methodenvielfalt, individuelles Fördern oder klare Leistungserwartungen sind in jedem sprachbewusst gestalteten Fachunterricht zu finden. 4.1.1 Verknüpfung von fachlichem und sprachlichem Lernen Fachliches und sprachliches Lernen sind miteinander gekoppelt und unterstützen sich gegenseitig. Immer wenn fachliche Phänomene erworben werden, findet zugleich auch sprachliches Lernen statt. Dabei ist Sprache an die fachlichen Inhalte gebunden. Das hat zur Folge, dass weder sprachliche Phänomene isoliert betrachtet, noch sprachliche Teilkompetenzen im Fachunterricht kontextunabhängig auf-/ ausgebaut werden sollten. Im Vordergrund steht ein bewusster Umgang mit Sprache beim gleichzeitigen fachlichen Lernen. In authentischen fachlichen Kommunikationssituationen müssen die Lernenden bestimmte Aufgaben mithilfe von Sprache bewältigen. Sprachliches Lernen wird somit in funktionale Zusammenhänge eingebettet. Bei der Integration sprachlicher Lern- und Übungsphasen sollten daher immer die fachlichen Inhalte im Fokus des fachlichen Lernens stehen, denn diese bilden das Ziel eines jeden Fachunterrichts. Damit eventuelle sprachliche Hürden das fachliche Lernen nicht einschränken, benötigen die Lernenden sprachliche Hilfen, die sie an die angemessene Fachkommunikation heranführen. <?page no="138"?> 136 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Erzählen Beschreiben Erklären Argumentieren Definition Schilderung von Handlungsketten nach dem Prinzip eines zeitlichen Nebeneinanders Aufgliederung eines Themas nach dem Prinzip eines räumlichen Nebeneinanders, ohne es in logische, kausale oder zeitliche Zusammenhänge zu setzen Darstellung inhaltlicher Zusammenhänge als kausale Schlussfolgerungen aus Behauptungen, Fakten und Bedingungen; Phänomene identifizieren Begründete Darstellung von Ursache und Wirkung; Schlussfolgerungen, die aufeinander bezogen werden Modalität der Themenentfaltung subjektbezogen, emotional, szenisch, perspektivisch, stimmungsvoll, narrativ sachlich, informierend, anschaulich, objekt- oder prozessbezogen, deskriptiv ggf. mit explikativen Anteilen genau und sachlich, referierend, informierend, deskriptiv mit narrativen Anteilen problembzw. objektbezogen, sehr stark adressatenorientiert, argumentativ mit deskriptiven Anteilen Beispiele für schulische Textsorten Erlebnis-, Nacherzählung, Reizwort-, Bildergeschichte, Berichte, Protokolle Bild-, Vorgangsbeschreibung, Anleitung, Rezept, Inhaltsangabe, Praktikumsbericht, Versuchsprotokolle Texte in Lehrbüchern, Enzyklopädien, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Texte, Referate, Vorträge Erörterung, Kommentar, Leserbrief, Rezension, Interpretation, Diskursreferat, Streitgespräch Textstruktur Orientierung mit Einführung der Aktanten/ Episoden mit Komplikation, Höhepunkt, Auflösung, Schluss, ev. mit Evaluation übersichtliche, geordnete Reihenfolge (vom Ganzen zu Teilen, nach W-Fragen usw.) geordnet, logische Reihenfolge (vom Allgemeinen zum Einzelnen etc.), Beschränken auf Wesentliches Einleitung zum Sachverhalt und zur Problemfrage, Darstellung verschiedener Standpunkte und Argumente, Begründung der eigenen Position Verknüpfungsmuster und dann und/ oder aus x lässt sich y folgern/ aus x ergibt sich y x weil y typische sprachliche Mittel Zeitangaben; Präteritum, kurze Sätze, abwechslungsreiche Satzmuster Ortsangaben, viele Attribute, bildliche Vergleiche, einfache, aneinandergereihte Sätze, Präsens in genereller Bedeutung, bei Vorgängen: Passiv, Imperativ, Indefinitpronomen Fachwörter und Fachtermini, Informationsverdichtung, Präsens/ Präteritum, Kausalangaben (Konditional-, Konzessiv-, Finalangaben), meist Präsens Abb. 39: Schulische Textmuster (in Anlehnung an Fix 2006: 106-108; Kürschner 2003: 226-228) <?page no="139"?> 137 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts 4.1.2 Transparenz der Anforderungen Die fachlichen sowie sprachlichen Anforderungen, die an die SchülerInnen im Fachunterricht gestellt werden, müssen zuerst klar definiert werden. So empfiehlt es sich, einen Erwartungshorizont für jede Unterrichtsstunde bzw. jede Aufgabe auszuformulieren, in dem auch sprachliche Kompetenzerwartungen ausgearbeitet werden. Dies setzt u.a. voraus, dass sich die Lehrkraft mit spezifischen sprachlichen Handlungen in ihrem Fach befasst sowie verschiedene Textmuster und -formen kennt (s. Abb. 39). Dieser Schritt ist die Basis für die Formulierung der fachlichen und sprachlichen Ziele, die den SchülerInnen transparent gemacht werden sollten. Durch entsprechende Hinweise auf die fachlichen Kompetenzerwartungen und ihre Verknüpfung mit konkreten sprachlichen Mitteln, Strategien oder Textsorten können die Lernenden ihr Vorwissen bewusster nutzen und ihre (fach-)sprachlichen Fähigkeiten erweitern (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 214). Die ausformulierten fachlichen und sprachlichen Ziele umrahmen jede Unterrichtseinheit: Zu Beginn der Stunde werden sie den Lernenden explizit erklärt. Am Unterrichtsende werden sie noch einmal aufgegriffen, um gemeinsam mit den SchülerInnen zu reflektieren, inwiefern die genannten fachlichen und sprachlichen Ziele erreicht wurden (vgl. ebd.: 217). A Die Schüler bekommen im Unterricht verschiedene Aufgaben. Was sollen sie machen? Weißt du, was die Sätze bedeuten? Schreib deine eigene Definition. 1. Erkundet die Natur. _______________________________________________________ 2. Schlage den Begriff im Wörterbuch nach. _____________________________________ 3. Notiere die wesentlichen Informationen in Stichpunkten. _________________________ 4. Beschriftet die Bilder. _____________________________________________________ 5. Fertigt ein Versuchsprotokoll an. ____________________________________________ 6. Trage die Ergebnisse in das Lösungsblatt ein. __________________________________ 7. Vervollständige die Sätze. _________________________________________________ B Brauchst du eine kleine Hilfe? Dann suche die richtige Definition (a-g) zu den Sätzen (1-7). a. Ich habe die Aufgabe gemacht. Jetzt schreibe ich meine Lösung auf das Blatt. b. Wir haben ein Experiment gemacht. Dann schreiben wir, was wir dafür brauchen, wie wir es gemacht haben und was das Ergebnis war. c. Ich soll die Sätze zu Ende schreiben. d. Ich soll ein Wort im Wörterbuch suchen. e. Wir untersuchen die Natur. f. Ich schreibe die wichtigsten Informationen kurz auf. g. Wir schreiben auf, was die Zeichnungen darstellen. Abb. 40: Beispiel einer Aufgabe (A) mit einer möglichen Differenzierung (B) für die Einführung unterrichtsspezifischen Wortschatzes (Michalak 2009c: 45) Die Transparenz der sprachlichen Anforderungen betrifft auch die Analyse der Aufgabestellungen. Dabei sind insbesondere die Auswahl und die genaue Erläuterung der Operatoren zu beachten, die sich auf die fachspezifischen sprachlichen Handlungen (z.B. Argumentieren, Benennen, Beschreiben, Erläutern, Interpretieren) beziehen. Schon in der Grundschule können und sollten die unterrichtsspezifischen Kernbegriffe vermittelt werden, mit denen die Schüle r - Innen in allen Fächern, speziell im Bereich der Aufgabenstellung, immer wieder konfrontiert <?page no="140"?> 138 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? werden. Dabei gilt es zu überprüfen, ob die SchülerInnen die Aufgabenstellungen und die intendierten sprachlichen Handlungen richtig verstehen können (vgl. Abb. 40). 4.1.3 Berücksichtigung der sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden Die sprachlichen Anforderungen bzw. Erwartungen beim fachlichen Lernen sind mit den Lernvoraussetzungen der SchülerInnen in Bezug zu setzen, um im Sinne von Meyer (2005: 17) individuelles Fördern zu ermöglichen. Demzufolge berücksichtigt ein sprachbewusster Fachunterricht die individuellen Kontexte, in denen die SchülerInnen die deutsche Sprache erwerben bzw. erworben haben. Ihre Analyse erlaubt, die Materialien gezielt aufzubereiten und eventuelle sprachliche Hilfen zusammenzustellen. Bei SchülerInnen mit DaM sowie bei hier geborenen Lernenden mit DaZ ist das Augenmerk primär auf den Ausbau bzw. die Entwicklung des komplexeren, konzeptionell schriftlich geprägten Sprachgebrauchs, d.h. CALP, zu legen (s. Kap. 1.2, 2.3). Sie benötigen fachsprachliche Strukturen sowie Muster, um sich in der komplexen Sprache fachspezifisch und -angemessen auszudrücken. Bei hier geborenen DaZ- LernerInnen ist jedoch zu beachten, dass unter Umständen ihre basalen Kompetenzen in der deutschen Sprache, d.h. BICS, nicht in ausreichender Form ausgebildet sind. Seiteneinsteige r - Innen mit DaZ verfügen meist über umfangreiches fachliches und sprachliches Wissen und können auf ihre fachlichen Kompetenzen zurückgreifen, die sie im Unterricht in ihrem Herkunftsland erworben haben. Sie bringen auch vielfältige sprachliche Erfahrungen und die damit verbundene Fähigkeit mit, verschiedene Strategien einzusetzen. Sie kennen fachspezifische Textsorten; die Fachbegriffe im Deutschen können sie eventuell über ihre Erstsprache entschlüsseln. Ihnen fehlen jedoch Erfahrungen im Gebrauch der deutschen Alltagssprache, d.h. BICS. Außerdem ist die Herkunft der SchülerInnen für die Unterrichtsplanung ausschlaggebend, da kulturelle Besonderheiten sowie die bevorzugten, oft kulturell bedingten Lernstile einen Einfluss auf Unterrichtsplanung und -durchführung haben. Ausgehend von dem Sprachstand der Lernenden sind die Lehr- und Lernmaterialien daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie eine sprachliche Herausforderung für die SchülerInnen darstellen können. Darauf abgestimmt werden ihnen sprachliche Hilfsmittel angeboten. Des Weiteren gilt es, die Mehrsprachigkeit sowie verschiedene sprachliche Erfahrungen der SchülerInnen im Fachunterricht zu nutzen. In Phasen der Gruppenarbeit können die Lernenden ihre Erstsprache in der Kommunikation mit ihren MitschülerInnen effektiv einsetzen und sich gemeinsam auf diesem Wege die Fachinhalte erarbeiten. In einem nächsten Schritt formulieren sie ihre Erkenntnisse mit sprachlichen Mitteln, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, in der deutschen Sprache. Zweisprachige Wörterbücher und Glossare sind insbesondere in der Arbeit mit SeiteneinsteigerInnen förderlich. Um eine Brücke zwischen der Erstsprache und der deutschen Fachsprache zu schlagen, bietet es sich an, die Herkunft der Fachtermini mit den SchülerInnen zu erkunden. Sind diese Begriffe den Lernenden aus ihrer Erstsprache bekannt, weil sie die gleiche sprachliche Basis haben (z.B. Latein, Griechisch, Englisch), können insbesondere SeiteneinsteigerInnen davon profitieren. Ebenso stellt man Verbindungen zu anderen (Fremd-)Sprachen (auch zum Englischen oder Lateinischen) für alle Lernenden unabhängig von ihrer Erstsprache her. Das Erreichen all dieser LernerInnengruppen kann nur über Binnendifferenzierung gelingen, die u.a. durch veränderte Unterrichtsformen realisiert wird. Differenziert wird u.a. • im Anforderungsgrad: Dies bedeutet, dass Gruppen von SchülerInnen unterschiedliche Lernangebote erhalten. Sie können auch eventuell selbst wählen, wie viel Unterstützung sie benötigen bzw. welche Aufgaben sie in einem bestimmten Bereich wählen wollen (s. Abb. 40). Ein passendes Lernangebot kann auch für den Einzelnen gestaltet werden. Der Anfor- <?page no="141"?> 139 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts derungsgrad kann ebenfalls durch die Auswahl bevorzugter Vorgehensweisen für einzelne SchülerInnen gesteuert werden. • im Aufgabenbereich, d.h. nicht alle angegebenen Aufgaben müssen von allen SchülerInnen gelöst werden, • in den Zeitvorgaben, d.h. gleiche Aufgaben sind in unterschiedlicher Zeit zu bewältigen. Insbesondere für sprachlich schwache SchülerInnen sollte für die Lösung aller Aufgaben ausreichend Zeit eingeplant werden, damit sie an der Unterrichtskommunikation erfolgreich teilnehmen können. Gerade SchülerInnen mit DaZ benötigen für die Verarbeitung und demzufolge auch für die Produktion sprachlicher Äußerungen mehr Zeit. Förderung innerhalb des Regelunterrichts kann auch durch differenzierte Rückmeldungen im Unterrichtsgespräch, durch Lektüreempfehlungen oder Hinweise auf ergänzende Internetnutzung erfolgen. 4.1.4 Von der Alltagssprache zur fachlichen Kommunikation Im sprachbewusst gestalteten Fachunterricht wird der Übergang von der Alltagssprache zum Fachdiskurs, von der konzeptionellen Mündlichkeit zur konzeptionellen Schriftlichkeit konsequent unterstützt und forciert. Abhängig von den inhaltlichen und sprachlichen Vorkenntnissen der SchülerInnen baut der Unterricht das Wissen vom Konkreten zum Abstrakten auf. So bietet es sich an, zunächst mit konkretem Anschauungsmaterial (z.B. gesammelte Pflanzen, Fossilien, Bildkarteien, Fotos) zu arbeiten oder Experimente durchzuführen, bevor auf eine abstraktere Ebene übergegangen werden kann (vgl. Kniffka 2012: 217). Da die Lernenden alltagssprachliche Kenntnisse mitbringen, ist in diesem Lernprozess die Alltagssprache gezielt zu nutzen und zu entfalten. Analog zu der konkreten fachbezogenen Lernphase sollten die Schüle r - Innen in einem ersten Schritt die Möglichkeit erhalten, ihre Verstehensprozesse mit ihren eigenen Worten auszudrücken, bevor sie (fach-)sprachliche Elemente in der abstrakten Lernphase verwenden. Die Lernenden sollen explizit dazu angeregt werden, sich über die (verstandenen) Fachinhalte zuerst in der ihnen bekannten Sprachvariante auszutauschen. In diesem Prozess kann die Lehrkraft die ihnen fehlenden sprachlichen Brücken erkennen und den SchülerInnen gezielt Sprachhilfestellungen geben, um sie schrittweise an die Fachsprache heranzuführen. Die zielgerechte Förderung umfasst auch das Kennenlernen unterschiedlicher, für das Fach relevanter Kommunikationssituationen und dadurch die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen der Alltags- und der Fachsprache. So können sich die Lernenden z.B. mit zwei sprachlich unterschiedlich geprägten Texten mit gleichen Fachinhalten (s. Kap. 2.3 Einstiegsaufgabe: Texte A und B zum Thema ‚Hurrikane‘) auseinandersetzen und untersuchen, auf welche Weise die gleichen Informationen wiedergegeben werden können (s. Abb. 41). Erst nach einer derartigen Einführung von fachlichen Formulierungen können die SchülerInnen selbst die Sprachebenen - von der Alltagsüber die Bildungszur Fachsprache - wechseln. Nur so kann die Lehrkraft sicher gehen, dass im Unterricht nicht zu schnell auf eine abstrakte fachsprachliche Ebene aufgestiegen wird, obwohl die Lernenden die fachlichen Konzepte kognitiv und sprachlich noch nicht durchdrungen haben. <?page no="142"?> 140 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Ein Thema - zwei Äußerungen Um einen Text besser zu verstehen, lohnt es sich, ihn zu „übersetzen“. Lies die Formulierungen in M 5 (s. Kap. 2.3 Einstiegsaufgabe Text B). Finde ihre Entsprechungen (Wörter, ganze Ausdrücke oder Sätze) in dem anderen Text (s. ebd. Text A) und übertrage sie in die Leerzeilen. 1. Hurrikan Gustav zieht nach New Orleans. _____________________________________ 2. Die Leute dort denken an die schlimme Zeit von Hurrikan Katrina. _________________ 3. ein Sturm, der alles platt macht _____________________________________________ 4. …. Abb. 41: Ausschnitt einer Aufgabe, in der die Alltagssprache mit den fachlichen Ausdrücken in Verbindung gesetzt wird (Michalak 2009b, Unterrichtsmaterial M5 leicht verändert) 4. 1.5 Vermittlung von Textkompetenz Da das fachliche Lernen textgestützt erfolgt, kommt der Arbeit an Texten in jedem Fachunterricht besondere Bedeutung zu. Dies stellt jedoch bestimmte Herausforderungen an die Schüle r - Innen, weshalb die Lernenden an die Texte im fachbezogenen Kontext herangeführt werden müssen. Der angemessene Umgang mit der Schriftlichkeit setzt die Vertrautheit mit einer Vielfalt an Sachtexten sowie ein Verständnis für ihre Funktion und Struktur voraus. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, die Texte unter dem fachlichen und sprachlichen Aspekt gezielt auszuwählen und sie hinsichtlich eventueller sprachlicher Stolpersteine zu untersuchen. Die Texte sollen den RezipientInnen ermöglichen, den Textaufbau bei der Erschließung bewusst zu nutzen und den Textinhalt kleinschrittig zu erarbeiten. Die Betrachtung des Zusammenspiels zwischen Sätzen und Wörtern bei der Themenentfaltung sowie die bewusste Wahrnehmung der angewandten fachlichen und allgemeinsprachlichen Mittel sind dabei von besonderer Relevanz. Währenddessen sollen die SchülerInnen genug Zeit erhalten, um eventuelle sprachliche Hürden im Umgang mit Texten zu erkennen und zu reflektieren. Dies kann z.B. durch ein Feedbackgespräch begünstigt werden (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 219). Zusätzliche sprachliche Unterstützungen, Visualisierungen oder andere Erklärungen, die den SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden, sollen an ihren sprachlichen Wissensstand anknüpfen. Gemeint ist hier nicht nur die Bereitstellung des Fachvokabulars, sondern vielmehr die Unterstützung der SchülerInnen durch die Bewusstmachung von fachspezifischen Wortverknüpfungen oder sprachlichen Strukturen, durch die Zusammenstellung von typischen Satzanfängen oder durch die Orientierung am Aufbau von spezifischen Fachtextsorten (s. Kap. 4.2). Zugleich ist bei der Textarbeit davon abzusehen, immer wieder das Nichtverstandene und das Detail zum Ausgangspunkt des Verstehens zu nehmen. Zu vermeiden ist der klassische Fehler seitens der Lehrkräfte, die Arbeit am Text mit der defizitorientierten Aufgabe zu beginnen: „Unterstreiche die Wörter, die du nicht verstanden hast.“ Auf diesem Wege kann die bei den Lernenden schon vorhandene mentale Basis nicht aktiv zur Sinnkonstruktion genutzt werden (vgl. Michalak 2008: 14). Den Lernenden werden Strategien angeboten, „damit sie beim Lesen von Fachtexten selbstständig sprachliche Barrieren überwinden können“ (Thürmann, Vollmer 2013: 219). Dies zielt darauf ab, den SchülerInnen zum autonomen Lernen im schulischen und außerschulischen Bereich zu verhelfen. Es soll ihnen bewusst gemacht werden, welche Lesestile und -techniken man je nach Leseabsicht gezielt anwenden kann. Das kann durch schrittweise Erschließung der Texte je nach fachunterrichtlichem Lesezweck im Unterricht unterstützt werden: Durch eine <?page no="143"?> 141 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts thematische (und sprachliche) Einführung vor dem Lesen kann ein Globalverständnis des Textes erreicht werden, das zum Ausgangspunkt für differenzierte Textarbeit wird. Vor dem Lesen wird nicht nur das Vorwissen aktiviert, sondern auch eine Texterwartung aufgebaut bzw. werden Verstehensziele formuliert. Diese können nach der Lektüre des Textes überprüft und ergänzt werden (s. Abb. 42). Die Bezüge zum Vorwissen und zu der Erfahrungswelt der SchülerInnen sollen nicht sofort durch enge Fragen und Aufgaben eingeschränkt werden; das Lesen sollte eher als ein hypothesen- und wissensgeleiteter Prozess genutzt werden (vgl. Michalak 2008: 14). Die Lernenden können den Text selektiv lesen und dabei kurze W-Fragen beantworten oder zu einzelnen Textabschnitten Überschriften formulieren, die zugleich als kurze, vorangestellte Inhaltsangaben dienen. Nach dem Lesen bieten sich Aufgaben zum vertieften Verständnis, zum Behalten der Informationen oder zur Weiterarbeit mit den Rezeptionsergebnissen an. In dieser Phase unterstützt das Schreiben von Zusammenfassungen und Kommentaren u.a. den Verstehensprozess wirkungsvoll. Durch die enge Verknüpfung von Schreiben und der Textarbeit werden die SchülerInnen schrittweise zur konzeptionell schriftlichen Sprache hingeführt. Vorbereitung von Präsentationen oder kurzen Vorträgen, Transformation der Inhalte von einer Darstellungsform in eine andere sowie Erklärungen für verschiedene Adressaten begünstigen diese Entwicklung. „Nicht-sprachliche Zeichensysteme“ (Filme, Tabellen, Schemata, Schaubilder, Diagramme etc.) sollen deswegen berücksichtigt werden, weil sie die Übertragung der Informationen von einer Darstellungsform in eine andere ermöglichen und den SchülerInnen dadurch andere Zugänge bieten (Thürmann, Vollmer 2013: 222). Abb. 42: Beispiel einer Aufgabe, in der Leseerwartungen formuliert werden. Thema: Entstehung von Feuer (Michalak 2012) <?page no="144"?> 142 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Im Fachunterricht ist auch Zeit dafür einzuplanen, die Bedeutung unbekannter Wörter aus dem Kontext zu entnehmen, durch Wortbildungselemente zu erschließen oder von der Herkunft der Vokabeln abzuleiten. Die selbständige Arbeit sollte dabei durch Recherchen im Internet sowie durch Nutzung verschiedener Hilfsmittel wie Wörterbücher, Lexika und Nachschlagewerke erleichtert werden. Als LernberaterInnen sollen die Lehrkräfte die SchülerInnen dazu ermuntern, eigenständig und bewusst weiter zu lernen, nachzuschlagen und zu wiederholen. Durch die Bereitstellung von Lese- und Schreibstrategien sollen den SchülerInnen Räume für individuelle Zugänge zu Texten und damit zur Sprache geöffnet werden. Denn es gibt nicht DIE Strategien, die für jeden effektiv wären. Ihre Zweckmäßigkeit hängt mit der Persönlichkeit der Lernenden zusammen: Manche Lernende müssen dazu angehalten werden, sich mehr zuzutrauen und kontextuelles Raten einzusetzen; andere müssen lernen vorsichtiger zu sein und schneller zum Wörterbuch zu greifen. Sie sollten sich daher des eigenen Strategieeinsatzes beim Lesen und dessen Erfolgschancen bewusst sein. Beim Strategieeinsatz sind gute Lesende - wie auf allen Ebenen der Verarbeitung - erfolgreicher, weil sie mehr Hinweise gleichzeitig verarbeiten können. Schwache Lesende brauchen daher entsprechend mehr Sprachkenntnisse, um eine vergleichbare Sinnentnahme zu erreichen. Strategietraining ist eine der Möglichkeiten, sich wiederholt und zielgerichtet mit der Textvorlage zu beschäftigen, was auf jeden Fall zum Spracherwerb beiträgt. (Lutjeharms 2010: 981) 4.1.6 Fokus auf sprachliche Strukturen Einstiegsaufgabe: Stellen Sie sich in der Gruppe 23 nach dem Alter geordnet auf. Reflektieren Sie Ihre Vorgehensweise: Wie sind Sie zu einer Lösung gekommen? Wonach haben Sie Ihre Kommili tonInnen gefragt? Welche Rolle spielte Grammatik bei der Aufgabenlösung? Das primäre Ziel der Aufgabe ist die Aufstellung der richtigen Reihenfolge, die beispielsweise bei der Aufteilung in Gruppen genutzt werden kann. Ist Ihnen jedoch aufgefallen, dass damit auch bestimmte grammatische Phänomene geübt werden können? Formulierung und Reaktion auf W-Fragen (Wie alt bist du? , Wann/ In welchem Monat/ An welchem Tag bist du geboren? ), Anwendung von Präpositionen in Verbindung mit Bezeichnungen von Monaten, Tagen oder Uhrzeiten (im Januar, am 20. Februar, um 17 Uhr), Adjektivsteigerung und Vergleich (Du bist jünger/ älter als ich/ er.). Die Einübung von sprachlichen Strukturen erfolgt hier ohne vorangestellte umfangreiche Erarbeitung der grammatischen Regeln und ohne Überfrachtung mit grammatischen Termini, dafür aber eingebettet in konkrete, für die Lernenden relevante Situationen. Der Kontext, den ebenfalls jeder Fachunterricht liefert, ist für die sprachliche Förderung essentiell. Sprachhandlungen können in fachlichen Themen aufgehen, funktional erklärt und geübt werden. Fachsprachliche Strukturen und ihre kommunikative Funktion können in diesem Zuge transparent gemacht bzw. vermittelt werden. Der Fachunterricht soll damit nicht zum Grammatikunterricht werden. Hier geht es weder um die explizite Vermittlung von Regularitäten der deutschen Sprache, noch um systematische Grammatikübungen. Erst in der richtigen Anwendung des grammatischen Wissens, eingebettet in den Kontext gemeinsamen Handelns und mit direktem Sachbezug, kann sich ein Können herausbilden (vgl. Ossner 2006: 35). Vielmehr handelt es sich also um den reflektierten Um- 23 Die Aufgabe ist für die Arbeit in einer Lehrveranstaltung gedacht. <?page no="145"?> 143 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts gang mit sprachlichen Strukturen und um die bewusste Wahrnehmung von Sprachmustern mit dem Hauptaugenmerk auf die sog. Textgrammatik (vgl. Michalak 2008: 15). Die Merkmale von Textformen und fachspezifischen Sprachhandlungen werden hervorgehoben und bewusst gemacht. Die Entschlüsselung von bestimmten Formulierungen begünstigt sowohl die Textrezeption als auch die -produktion (s. Abb. 43). Unterstützt wird auch die Entwicklung eines Bewusstseins für die Kohärenz der Texte, indem beispielsweise syntaktisch komplexe Aussagen dekonstruiert (zum Lösen und Trennen von Stoffen = um Stoffe zu lösen und zu trennen, beim Verdampfen und Verkochen von Wasser = während das Wasser verdampft und verkocht usw.) oder sprachliche Routineausdrücke (z.B. zum einen … zum anderen…; Nach Aussage des Autors …; Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass…) zur Verfügung gestellt werden. Textgliederungsmuster, eine Zusammenstellung der Satzanfänge oder des (fach-)spezifischen Wortschatzes sind dabei besonders hilfreich. Werden derartige grammatische und textuelle Gebrauchsmuster im Fachunterricht funktional eingeübt, können die Lernenden in konkreten Kommunikationssituationen darauf zurückgreifen. Die Sensibilisierung für den Gebrauch von sprachlichen Mitteln steuert die Aufmerksamkeit der SchülerInnen, sodass sie bewusst auf Sprachstrukturen achten, die ihrem individuellen Lernstand entsprechen (vgl. Huneke; Steinig 2005: 153). Hierbei benötigen insbesondere Lernende mit DaZ eine gezielte Unterstützung, da sie nicht in jedem Fall über intuitive und automatisierte Kenntnisse in der deutschen Sprache verfügen. Finde die richtige Erklärung für die unterstrichenen Ausdrücke. Bilde dabei aus den einzelnen Wörtern Sätze: a) Hier entstanden steinerne Gebilde. Gebilde/ hier/ entstanden/ sind/ Stein/ sie/ aus Hier __________________________________. Sie sind ___________________ Stein. b) Sie sind von besonderer Schönheit. sind/ besonders/ sie/ schön _______________________________________________________________________. c) Die Säulen entstanden aus gelösten Teilchen von Salzen und Mineralien. Teilchen von Salzen und Mineralien/ gelöst/ entstanden/ sich/ haben/ die Säulen/ daraus Teilchen von Salzen und Mineralien haben sich _______________. Daraus entstanden ______________________________________. Abb. 43: Beispiel einer Aufgabe für die Dekonstruktion von komplexen Strukturen (Kuchenreuther, Michalak 2008: 35) Der reflektierte Umgang mit grammatischen Strukturen im Fachunterricht erfordert von der Lehrperson grundlegendes Wissen über den Sprachgebrauch sowie eine gewisse Flexibilität, um auf bestimmte Phänomene sofort eingehen zu können. Wie das folgende Beispiel zeigt, besteht die Herausforderung für die Lehrkraft darin, Situationen zu erkennen, die als eine Lernchance für die sprachliche Förderung genutzt werden können (L - Lehrerin; GS - Grundschüler; ) 24 : 24 Der Dialog wurde 2013 bei der Erprobung von Lehrmaterialien zum Thema „Wie Feuer entsteht“ im Sachunterricht in einer Kölner Grundschule aufgenommen (Michalak, Lemke 2013). <?page no="146"?> 144 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? 1 L: so: : : wer kann mir noch einmal sagen was feuerfest heißt? 2 GS: (meldet sich eifrig) das ist wenn die feuer so tanzen die machen ein fest. 3 L: nee das heißt es nicht. wer kann es richtig erklären? Bei der Erschließung des Wortes feuerfest nutzt der Grundschüler sein Wissen über die Bedeutung des Nomens Fest. Die Lehrkraft greift diese Schüleraussage nicht auf und verschenkt damit eine Lernchance. An dieser Stelle wäre es wünschenswert, die Äußerung sprachreflexiv zu betrachten. Der Schüler könnte dazu aufgefordert werden, seinen Ansatz zu erklären. So könnte die Mehrdeutigkeit des Wortbausteins fest in dem zu erklärenden Wort aufgezeigt werden. Auch die anderen Lernenden sollen in den Erklärungsprozess einbezogen und damit zur Reflexion über den Sprachgebrauch angeregt werden. Auf diese Weise kommt es zu einer Wertschätzung der Schülerleistung, da sein Erklärungsansatz zeigt, dass er die grundlegende Struktur von Komposita verstanden und somit ein Bauprinzip von Wörtern gelernt hat. 4.1.7 Gezielte Wortschatzarbeit im fachlichen Kontext Die Grundlage jeder sprachlichen Verständigung sind die Wortschatzkenntnisse. Für die alltägliche Kommunikation genügen schon etwa 2000 Wörter (vgl. Ender 2007: 68f.). Sie beziehen sich auf das Alltagsleben und auf den Erfahrungsraum der Lernenden (ich, meine Familie, meine Freunde, miteinander leben, alltägliche Tätigkeiten, Orientierung in der Umgebung usw.). Für die Verständigung und den Austausch im schulischen Bereich ist dagegen ein erheblich umfangreicheres Repertoire an Wortschatz notwendig (vgl. ebd.). Folglich muss das Vokabular in der Breite (Anzahl der bekannten Vokabeln) sowie in der Tiefe (formale, morphologische, syntaktische, semantische bzw. konzeptuelle Detailinformationen zu einem Wort und seinem Gebrauch) schrittweise erweitert werden (vgl. ebd.: 69). Eine gezielte Wortschatzarbeit in jedem Fachunterricht kann dazu einen erheblichen Beitrag leisten. Dabei handelt es sich nicht nur um die Vermittlung des Fachvokabulars, sondern auch um die Einführung und Anwendung typischer Formulierungen der Schulsprache wie z.B. Operatoren (Berichten, Erläutern, Präsentieren usw.) oder auch semantischer Einheiten, die für bestimmte sprachliche Handlungen charakteristisch sind (z.B. bezugnehmend auf …, dagegen spricht, dass …, daraus lässt sich schließen, dass …). Beim Lesen und Hören wird der sog. passive Wortschatz (Verstehenswortschatz) aktiviert, d.h. die Bedeutung der Wörter ist rezeptiv verfügbar. Bei den mündlichen und schriftlichen Äußerungen wird dagegen der aktive Wortschatz (Mitteilungswortschatz) produktiv verwendet. Der rezeptive Wortschatz ist immer größer und nimmt auch stärker zu als der produktive (vgl. ebd.: 69): Es ist leichter, ein Wort wiederzuerkennen, als es in einer Äußerung zu benutzen. Das Verstehen von Wörtern bildet jedoch die Grundlage für den adäquaten Gebrauch des Vokabulars, denn jedes neue Wort gelangt zuerst in den rezeptiven Puffer und kann erst nach Erklärung, Definition und Ausdifferenzierung produktiv angewendet werden. Wichtig ist dies für das didaktische Vorgehen, denn im Unterricht muss zuerst Wortschatz angeboten werden, damit er in einem nächsten Schritt beim Hören oder Lesen wiedererkannt und anschließend beim Sprechen oder Schreiben gebraucht werden kann. Die gezielte Einführung neuer Wörter findet im Kontext des fachlichen Lernens nicht immer bewusst statt: In einem Schuljahr werden ca. 3000 neue Wörter eingeführt, aber nicht explizit vermittelt oder thematisiert (vgl. Apeltauer 2008: 244). Die SchülerInnen müssen sich daher die unbekannten lexikalischen Einheiten (den sog. potenziellen Wortschatz 25 ) mithilfe 25 Der potenzielle Wortschatz eines Lernenden umfasst alle abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter, die für ihn zwar vollkommen neu sind, die er aber aufgrund der Kenntnisse des Grundwortes und der entsprechenden Wortbildungsregeln erschließen kann (Bohn 2003: 24). <?page no="147"?> 145 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts ihres bisherigen Wortschatzes und durch ihr Welt- und Sprachwissen aus dem Zusammenhang entschlüsseln. Sprachlich versierte Lernende können diese Aufgabe mühelos bewältigen, da sie bei abgeleiteten oder zusammengesetzten Wörtern die Bedeutung der Bestandteile kennen sowie die Regelmäßigkeiten der Wortbildung in der deutschen Sprache wahrnehmen. Sprachlich schwache SchülerInnen und Lernende mit DaZ benötigen jedoch meist explizite Unterstützung, um Strategien der Worterschließung im Deutschen effektiv zu nutzen. Insbesondere sind dabei Kenntnisse der Wortbildungsregeln (dass z.B. durch das Suffix -los aus Nomen Adjektive mit der Bedeutung ohne die jeweilige Eigenschaft gebildet werden: bargeldlos), der grammatischen Eigenschaften von Begriffen (dass z.B. das Verb fragen eine feste Verbindung mit der Präposition nach verlangt) oder der Bedeutungsverwandtschaften (dass z.B. lösen als Synonym zu enträtseln gilt) hilfreich. Mehrdeutige Begriffe (z.B. der Absatz als Erhöhung der Schuhsohle oder Abschnitt eines Textes oder Verkauf oder Ablagerung) bzw. homonyme Nomen, die verschiedene Artikel haben (z.B. der/ das Erbe, der/ die Kiefer) können auch zu Unsicherheiten nicht nur bei Lernenden mit DaZ führen. Die systematische Wortschatzarbeit in jedem Unterricht hat aufgrund der Spezifik des Zweitsprachenerwerbs für Lernende mit DaZ einen hohen Stellenwert. Erwerben Kinder ihre Erstsprache, haben sie genug Zeit, neue Lebensbereiche zu entdecken und den dazugehörigen Wortschatz zu erweitern bzw. zu vertiefen. Ihr Weltwissen bauen sie gleichzeitig durch die Ausbildung von Konzepten (d.h. Wortbedeutungen) auf. Beim Zweitsprachenerwerb dagegen bestehen bereits viele Vorstellungen in der Erstsprache (vgl. Michalak 2009d: 23). Beim Aufbau des Lexikons in der Zweitsprache müssen die Lernenden neue zielsprachliche Wörter entweder an bereits vorhandene Konzepte anbinden oder neue erstellen. Oft stehen die Schüle r - Innen vor der Herausforderung, nicht nur die Aussprache und Schreibweise neuer Vokabeln in der Zweitsprache (z.B. auf Deutsch: Organisation - auf Polnisch: organizacja [orgaɲiˈzatsja]) zu erwerben. Spezifische Anwendungen, Assoziationen und Kombinationsmöglichkeiten der Wörter müssen ggf. neu erlernt werden. Wenn Wörter aufgrund einer ähnlichen Bedeutung oder ihrer Zugehörigkeit zu einem Sachfeld verknüpft sind, kann die Wahl eines semantisch ähnlichen, aber im Kontext nicht passenden Wortes zu Fehlern führen (z.B. Was kann ich für Sie tun? - und nicht: machen). Unsicherheiten können auch entstehen, wenn Wörter zwar in der Erst- und Zweitsprache ähnlich klingen, aber eine andere Bedeutung haben oder in anderen Zusammenhängen gebraucht werden. Als Beispiel kann hier aus dem Polnischen das Wort autopsja [awˈtopsja] dienen, das als Bezeichnung für (eigene) Erfahrung benutzt wird. Dies kann zu Interferenzen im Deutschen führen (z.B. *Ich kenne etwas aus meiner eigenen Autopsie). Im Sinne der Obduktion - wie im Deutschen Autopsie - wird üblicherweise die polnische Entsprechung sekcja zwłok [ˈsektsja zvwok] gebraucht, obwohl hier der Begriff autopsja in fachlichen Kontexten auch im Polnischen vorkommt. Den Gebrauch dieser Begriffe in beiden Sprachen müssen also die Lernenden für sich ausdifferenzieren. <?page no="148"?> 146 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Abb. 44: Beispiel für Wortschatzarbeit zum Thema Fußball (DaZ-Förderunterricht 2014 im Rahmen des Kooperationsprojektes Sprachliche Bildung an der Universität zu Köln) Die Begegnung mit einem neuen Wort ist nicht immer geplant, da neue Vokabeln oder Formulierungen in der Unterrichtskommunikation spontan verwendet werden. Auch in solchen Situationen hat jedoch die Lehrkraft die Aufgabe, die Bedeutung des neuen Vokabulars zu erklären und es so einzuführen, dass die SchülerInnen an ihr bereits vorhandenes Vorwissen anknüpfen können. Bezieht sich ein Begriff auf konkrete Gegenstände und Vorgänge, ist er sensorisch erfahrbar und dadurch einfacher zu erklären bzw. zu erschließen (vgl. Michalak 2009d: 23): Wörter wie Pipette oder kleben lassen sich relativ leicht mithilfe von Bildern bzw. Realien oder durch Gestik bzw. Pantomime einführen. Bei abstrakten Ausdrücken, hinter denen sich gesamte Konzepte verbergen (wie etwa das Wort Demokratie), bieten sich andere Techniken für die Darbietung und Erklärung des Wortschatzes an (vgl. Meerholz-Härle 2008: 6-8, s. auch Abb. 44): • auditive Mittel (z.B. bei der Darstellung der Unterschiede zwischen flüstern und schreien), • verbale Mittel: • Beispiele (literarische Texte = zum Beispiel: eine Fabel, eine Kurzgeschichte, ein Roman), • Definitionen und Umschreibungen (arbeitsunfähig ist jemand, der infolge einer Krankheit nicht arbeiten kann), • Synonyme, d.h. Wörter mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung (z.B. adipös und fett), • Antonyme, d.h. Wörter mit gegensätzlicher Bedeutung (z.B. beladen und entladen), <?page no="149"?> 147 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts • Graduierungen und Skalen (z.B. oft - manchmal - selten - gar nicht), • übergeordnete Begriffe (z.B. Die Tulpe ist eine Blume.), • kontextuelle Ableitung, • Übersetzungen in die Erst- oder eine andere Fremdsprache. Durch Analyse der Wortbildungsregeln oder der grammatischen Zusammenhänge können die SchülerInnen dazu angeregt werden, unbekannte Wörter zu erschließen sowie Internationalismen zu entdecken. Dadurch ermöglicht man den Lernenden, sich in der Zukunft abgeleitete und zusammengesetzte Wörter selbstständig aus ihrem Ursprung verständlich zu machen. So sind die Veranschaulichung der Bestandteile von Komposita (s. Abb. 45) hilfreich oder Hinweise darauf, dass z.B. Ableitungen mit dem Präfix unals Negation bzw. Antonym zu dem Basiswort fungieren: ungültig (vgl. Eisenberg 2006: 250). Negierend wirken ebenfalls die Präfixe de-/ dis- oder il-: desorganisieren, disfunktional, illegal (vgl. Donalies 2007: 80). Auch semantische Unterschiede bei Verben, die durch das Präfix ihre Bedeutung verändern, sollen in der Wortschatzarbeit hervorgehoben werden. Denn z.B. begehen und entgehen drücken Unterschiedliches aus: Die Ergänzungen be-, ver- und erdes Basisverbs erläutern eine Tätigkeit näher, die von dem substantivischen Kern bestimmt wird (bestauben, verkabeln) bzw. die eine Eigenschaft hervorruft (befähigen, erwärmen) (vgl. ebd.: 84). Verkann auch auf eine Umwandlung hindeuten wie z.B. verfilmen, verschrotten (vgl. ebd. 85). Das Präfix entbezeichnet die Tätigkeit des Entfernens (entfliehen, entmachten), wohingegen zerauf eine Zerstörung hinweist (zerlegen, zerspalten) (vgl. Eisenberg 2006: 264). Abb. 45: Veranschaulichung der Bestandteile von Zusammensetzungen am Beispiel des Wortes Blume (aus dem Deutschunterricht, 3. Klasse Grundschule) Als Unterstützung beim Wortschatzerwerb - insbesondere für Lernende mit DaZ - dienen Hervorhebungen bestimmter grammatischer Informationen. Da die korrekte Genuszuweisung (d.h. das grammatikalische Geschlecht) im Deutschen schwierig ist, sollen die neuen Nomen mit dem entsprechenden Artikel zusammengestellt werden. Von der Singularform eines Nomens kann man kaum auf seine Pluralform schließen (z.B. das Haus - die Häuser/ die Maus - die Mäuse); daher sollten immer auch die Pluralformen der Substantive angegeben werden. Da sich der Wortstamm bei der Flexion von starken Verben verändert, sollten bei dieser Gruppe von Verben die Form der 3. Person Singular im Präsens (wie z.B. fahren - er fährt, nehmen - er nimmt) sowie die Form des Partizip Perfekts (z.B. fahren - gefahren, nehmen - genommen) genannt werden. Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, welchen Kasus oder welche Präposition einige Wörter verlangen wie z.B.: <?page no="150"?> 148 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? • bei den Verben: jemanden stören; sich interessieren für + Akkusativ, • bei den Nomen: Angst vor + Dativ; Interesse an + Dativ, • bei den Adjektiven: jemandem/ einer Sache überlegen sein; interessiert sein an + Dativ. Mit Wortschatzarbeit sind allerdings nicht nur die Präsentation und Erklärung unbekannter Wörter gemeint. Wortschatz muss geübt und angewendet werden, eine einfache Erklärung reicht nicht aus. Denn Wortschatzübungen dienen auch dem Identifizieren, dem Behalten, dem gezielten Abrufen und dem situationsgerechten Gebrauch lexikalischer Einheiten (vgl. Köster 2011: 1025). Dies kann durch eine ein- oder zweisprachige Vokabelauflistung nicht erreicht werden. Es handelt sich um Aufgabenformate, die kognitionspsychologische Grundsätze des vernetzten und mehrkanaligen Lernens berücksichtigen und dadurch optimale Behaltensleistungen ermöglichen (vgl. Michalak 2009a: 34). Den Ausgangspunkt für entsprechende Übungen bildet die Struktur des mentalen Lexikons, also eines Teils unseres Gehirns, in dem die lexikalischen Einheiten der Sprache, ihre Verstehens- und Verwendungsregeln, d.h. unser Wortwissen, in organisierter Form gespeichert werden (vgl. Köster 2011: 1022f.). Diese Wortvernetzungen konstituieren sich aus formalen und inhaltlichen Beziehungen zwischen den Wörtern: So wissen wir, dass an bestimmten Stellen in deutschen Sätzen ein Verb stehen muss, und dass manche Begriffe besser passen als andere. Zusätzlich können auch Sinneseindrücke die Aktivierung von Begriffen bewirken. Eine Lautkette essen wird deshalb in bestimmten grammatischen, aber auch von Hunger oder Gerüchen bestimmten Kontexten ohne Probleme als die Tätigkeit essen verstanden werden, in anderen als die glanzvolle Metropole des Ruhrgebiets. (Roche 2005: 64) Solche Netzwerke muss man sich auf zahlreichen Ebenen vorstellen. Dazu gehören z.B. (vgl. Michalak 2009a: 36): • semantische Netze: Wörter werden in Feldern verknüpft, wenn sie eine synonyme (bzw. antonyme) Bedeutung tragen oder sinnverwandt sind (sog. Wortfelder, d.h. inhaltlich verwandte Wörter zu einem Thema wie z.B. Buch, Veröffentlichung, Lehrwerk, Roman usw.). • Begriffsnetze: Lexikalische Einheiten können nach begrifflichen Merkmalen wie Teil/ Ganzes (Hand - Finger), Über-/ Unterordnung: (Obst - Apfel) oder komplementäre Beziehungen (Salz - Pfeffer) vernetzt werden. • Sachfeldernetze: Lexikalische Einheiten werden in Sachfeldern verknüpft, die ähnlich wie beim Brainstorming alle zum Thema passenden Vokabeln beinhalten (z.B. zum Sachfeld Sitzmöbel zählen Stuhl, Hocker, Sessel, Bank, Sofa u. a.). • morphologische Netze: Wörter werden in Wortfamilien gruppiert, wenn sie einen gleichen Wortstamm (d.h. die gleichen etymologischen Wortwurzeln) haben, z.B.: spiel-: Spiel, Spielplatz, Spielfeld, spielen, Spielzeug, verspielt usw. • syntagmatische Netze: Wörter werden in größeren Einheiten, in denen sie vorkommen, gespeichert, z.B.: Zähne putzen/ Salat putzen, aber Zähne kann man nicht waschen. • Verknüpfungen in Wortklassen mit gleichen syntaktischen Funktionen: Lexikalische Einheiten werden anhand ihrer Funktion geordnet, z.B.: Adjektive - Nomen - Verben. • Klangnetze: Wörter werden nach ihrer Phonem-, Silben- oder Graphemstruktur geordnet, z.B. Reime: Nase - Hase. • Assoziationsnetze: Lexikalische Einheiten können an Konnotationen also assoziative Bedeutung gebunden sein, z.B.: die Farbe Rot wird mit Liebe oder Gefahr verknüpft. <?page no="151"?> 149 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts • affektive Netze: Lexikalische Einheiten sind mit eigenen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Emotionen verknüpft, die das Abrufen der Wörter beeinflussen, z.B. Ferien - Sonne. Die Vielfalt und Struktur der Vernetzungen eines Wortes entscheiden darüber, wie sicher es im Gedächtnis aufbewahrt und wie gut bzw. schnell es abgerufen werden kann (vgl. Bohn 2003: 82). Neue Informationen werden in das vorhandene Weltwissen und sprachliche Wissen eingebettet. Dabei interagieren die Erst- und Zweitbzw. Fremdsprachen miteinander (vgl. Köster 2011: 1023). Eine gehirngerechte Wortschatzarbeit berücksichtigt somit die oben genannten kognitionspsychologischen Aspekte. Demzufolge sollte der Wortschatz (vgl. Bergmann 2005: 16; Meerholz-Härle 2008: 19): • nicht losgelöst, sondern in sinnvollen Bedeutungszusammenhängen gelehrt und gelernt werden, • in möglichst vielen Bezugssystemen, die sich an der möglichen Strukturierung im mentalen Lexikon orientieren, präsentiert und abgespeichert werden, • in Übungen angeboten werden, die das Visualisieren, Ordnen und Assoziieren von Begriffen ermöglichen, • im Unterricht nicht nur erklärt, sondern auch durch Übungen automatisiert und aktiv in vielfältigen Situationen angewendet werden, • strukturiert werden, um begriffliche Vernetzungen zu verdeutlichen, • mit bildhaften Vorstellungen verknüpft werden, • sowohl kognitiv als auch unter Berücksichtigung aller Sinne verarbeitet werden, • mit persönlichen Inhalten (Einstellungen, Präferenzen etc.) gefüllt werden. Da gerade Begriffe und ihre Definitionen im Kontext fachlichen Lernens eine entscheidende Rolle spielen, erscheint es naheliegend, vielfältige Wortschatzübungen in den Fachunterricht aufzunehmen. Hierfür eignen sich u.a. folgende Aufgabenformate: • Zuordnungsübungen von Begriffen bzw. ihrer visuellen Darstellung zu deren Definitionen, • Zuordnungsaufgaben von Antonymen bzw. Synonymen, von Ober-/ Unterbegriffen, • Zusammenstellung von Begriffsnetzen (z.B. durch eine Mindmap), • Vergleich der Paraphrasierungen bzw. Definitionen von Fachvokabular, • Analyse der Wortbausteine, • Ergänzen von Lückentexten mit getilgten Fachbegriffen, • Herausfiltern von Fachbegriffen in einem Text. Nicht zuletzt sollte das ein- oder zweisprachige Wörterbuch bei der Wortschatzarbeit eingesetzt werden. Die SchülerInnen können mit dessen Hilfe die Mehrdeutigkeit der Wörter überprüfen oder beispielhafte Kontexte, in denen die Vokabeln vorkommen, kennenlernen bzw. herausfinden. Die Wörterbucharbeit muss allerdings geübt werden. So müssen die SchülerInnen lernen, unter welchem Eintrag nachzuschlagen ist. Bei Ableitungen sind häufig der Stamm (z.B. herzlos von Herz oder bei unregelmäßigen Formen die Basisform wie bist  sein) zu erkennen und nachzuschlagen. Diese Arbeitsschritte sollten unbedingt als Übungen in den Unterricht eingebunden werden, sodass Wörterbucharbeit zu einem Ritual wird (s. Abb. 46). <?page no="152"?> 150 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Abb. 46: Beispiel einer Aufgabe für Wörterbucharbeit, 4. Klasse (Michalak 2009d: M3) 4.1.8 Anlässe zum sprachlichen Handeln durch Methodenvielfalt Sprachliche Kompetenzen der Lernenden können nur dann gefördert werden, wenn der Redeanteil der Lehrkraft reduziert wird und die SchülerInnen selbst hingegen Sprache aktiv gebrauchen. Der sprachbewusste Fachunterricht muss daher vielfältige Sprech- und Schreibanlässe für die Lernenden schaffen. Dies ist im Frontalunterricht nicht möglich. Förderung der Sprachentwicklung bedeutet automatisch, dass die SchülerInnen möglichst oft dazu aktiviert werden sollen, in mündlichen wie auch in schriftlichen Arbeitsphasen selbständig zu arbeiten und zugleich sprachlich zu handeln. Dazu eignen sich schülerzentrierte, kooperative Lernsettings <?page no="153"?> 151 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts wie offener Unterricht, Partner- und Gruppenarbeit, in denen sich die Lernenden mit ihren MitschülerInnen über die Inhalte austauschen und über diese verhandeln (vgl. Kniffka 2012: 217). Beim kooperativen Lernen entwickelt sich positive Abhängigkeit: Den einzelnen Schüle r - Innen wird bewusst, dass sie miteinander verbunden sind und nur gemeinsam das Ziel erreichen können. Dafür müssen sie einander unterstützen, was durch gegenseitige Ermutigung und wechselseitige Hilfestellungen erfolgt (vgl. Johnson, Johnson 2008). Offene Aufgabenformate (z.B. Projektunterricht, entdeckendes Lernen, Lernen durch Lehren) motivieren die Lernenden dazu, ausführlichere und komplexere Äußerungen zu formulieren. Gerade die Aushandlungsprozesse erweisen sich dabei als besonders fördernd. In solchen Kontexten nehmen sie verschiedene kommunikative Rollen (z.B. Moderator, Fachexperte, Berichterstatter) ein und lernen dadurch, sprachliche Mittel differenziert zu gebrauchen. In schriftlichen Arbeitsphasen, die fester Bestandteil eines sprachbewussten Unterrichts sind, sollen die SchülerInnen dazu angeleitet werden, ihre Erkenntnisse, Erläuterungen oder Begründungen aufzuschreiben und zu überarbeiten. Sowohl bei der Produktion als auch bei der Überarbeitung der geschriebenen Texte empfiehlt es sich, Methoden kooperativen Schreibens (vgl. Schmölzer Eibinger 2012: 166f.) wie z.B. Textlupe 26 oder Schreibkonferenz 27 zu nutzen. Um die SchülerInnen bei der Formulierung komplexer zusammenhängender Äußerungen zu unterstützen, sind ihnen sprachliche Muster und Strukturen anzubieten. Diese können auf Wandplakaten oder als Checklisten zusammengestellt werden, die in Produktionsphasen beim mündlichen und schriftlichen Ausformulieren genutzt werden können (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 219). Den SchülerInnen soll genug Zeit zur Verfügung gestellt werden, ihre Aussagen inhaltlich und sprachlich ausführlich auszuarbeiten (vgl. ebd.). Dies betrifft sowohl die Vorbereitung mündlicher als auch schriftlich formulierter Aussagen. Der Zeitfaktor spielt auch bei der Lehrer-Schüler-Interaktion eine wichtige Rolle: SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen benötigen mehr Zeit, um ihre Gedanken zu versprachlichen. Es lohnt sich, ein paar Sekunden abzuwarten, bis sie zu Wort kommen. Dies setzt auch voraus, dass die Lehrkraft ihre eigene Sprache überdenkt und Arbeitsanweisungen nachvollziehbar und präzise formuliert. Im Folgenden wird eine Auswahl von allgemeinen Methoden vorgestellt, die die Interaktionsmuster variieren, authentische Kommunikationssituationen für die SchülerInnen schaffen und dadurch ihren Redeanteil erhöhen (vgl. Mattes 2011). 4.1.8.1 Partnerbriefing Der englische Begriff Partnerbriefing bedeutet, dass man seinen Partner mit Informationen versorgt (vgl. Mattes 2011: 50). Die sich aus dieser Vorgehensweise ergebenden Lernchancen reichen von der Stärkung der Kompetenz zur Teamarbeit bis zu hier besonders wichtigen Beiträgen zur Stärkung der Lese- und Textkompetenz. Darüber hinaus initiiert die Methode mehrere Sprachhandlungen in kurzer Zeit, da sie zugleich das Sprechen und Präsentieren fördert (vgl. ebd.). 26 Textlupe ist ein kriterienorientiertes Textüberarbeitungsverfahren: . Die Lernenden betrachten die Texte der MitschülerInnen durch eine Textlupe, d.h. mithilfe eines strukturierten Bogens, in dem sie ihre Eindrücke und Beobachtungen eintragen (1. Das hat mir gut gefallen. 2. Hier stört mich etwas. 3. Hier habe ich noch Fragen.). Auf diese Weise enthält der Schreibende detaillierte Überarbeitungsvorschläge (vgl. Böttcher, Wagner 1993: 26.). 27 Schreibkonferenzen fördern kreatives Schreiben, indem die VerfasserInnen eine Rückmeldung von MitschülerInnen zu eigenen Textentwürfen erhalten. In Kleingruppen werden die Texte besprochen, durch Korrekturzeichen und Fragen bzw. Verbesserungsvorschläge inhaltlich und sprachlich kommentiert, damit sie im Anschluss von den AutorInnen überarbeitet werden können (vgl. Becker- Mrotzek, Böttcher 2012: 35f.). <?page no="154"?> 152 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Die Klasse wird in zwei Gruppen eingeteilt, denen unterschiedliche Materialien eines Themas zur Verfügung gestellt werden (s. Abb. 47, Pkt. 1). Eine Differenzierung ist zwischen den Gruppen bzw. den Lernenden, die später ein Paar bilden, je nach Leistungsstand anhand der Materialien möglich. Dabei können sogenannte „Novizen-Experten-Teams“ gebildet werden, in denen sprach- oder leistungsschwächere SchülerInnen von sprachlich- oder leistungsstärkeren Lernenden unterstützt werden können (vgl. Neumann, Steinhoff 2015: 77). Die Materialien der Gruppen sollten über eine gemeinsame Basis verfügen bzw. sich ergänzen. Wenn man z.B. einen Text aufteilt, ist darauf zu achten, dass die beiden Texte unabhängig voneinander verständlich sind. Abb. 47: Schema der Methode: Partnerbriefing Nach der Erarbeitungsphase sollen die SchülerInnen den Text alleine, in eigenen Worten ihrem Briefingpartner zusammenfassend erläutern (s. Abb. 47, Pkt. 2). Je nach Leistungsstand bzw. Material muss für mehrmaliges Lesen bzw. für die Erarbeitung der Aufgabe genug Zeit eingeplant werden (vgl. Mattes 2011: 50). Das Briefing kann mithilfe von Kommunikations- oder Gesprächsregeln angepasst werden. Die Partnerarbeit, also das Briefing (s. Abb. 47, Pkt. 2), ist in drei Phasen gegliedert (a, b, c). In der ersten Phase berichtet Partner A seinem Briefingpartner von dem Inhalt seiner Materialien. Dieser Inhalt muss von Partner B zusammengefasst werden. In einer zweiten Phase wechseln die PartnerInnen ihre Aufgaben, wodurch der Text des Partners B im Mittelpunkt steht. In der sich anschließenden dritten Phase tauschen sich die PartnerInnen über die bearbeiteten Materialien aus. Zum Abschluss werden die Ergebnisse gemeinsam vom Briefingsteam präsentiert (s. Abb. 47, Pkt. 3; vgl. Mattes 2011: 50). Die Vorgehensweise kann je nach Gruppe differenziert werden: In der einfacheren Variante können die PartnerInnen nach dem Briefing ihr eigenes Material nochmals vor der Klasse präsentieren. In der anspruchsvolleren Variante müssen die Lernenden das Material ihres Briefingpartners darbieten. Partnerbriefing bietet somit verschiedene Kommunikationsanlässe: • in Einzelarbeit: Lesen und Verstehen des ersten Textes sowie dessen schriftliche Zusammenfassung bzw. ihre Vorbereitung (z.B. Notizen), • in Partnerarbeit: mündliche Zusammenfassung des ersten Textes, Hören und Verstehen der Zusammenfassung des Briefingpartners sowie die mündliche Zusammenfassung der rezipierten Inhalte, Diskussion der Inhalte der beiden Texte, • im Forum: Präsentieren der Ergebnisse. <?page no="155"?> 153 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts 4.1.8.2 Kooperatives Partnerinterview Das kooperative Partnerinterview basiert auf dem Prinzip des Lernens durch Lehren (vgl. Mattes 2011: 5f.). Die Grundlage für diese Methode ist das herkömmliche Partnerinterview, in dem sich die Teilnehmenden gegenseitig befragen und anschließend die Ergebnisse vor einer Gruppe vorstellen. Im kooperativen Partnerinterview steht jedoch die Arbeit an Texten im Mittelpunkt. Hierfür eignen sich alle Textsorten. Die Lernenden lesen den zu behandelnden Text und bereiten dazu Fragen für ihren Interviewpartner schriftlich vor (s. Abb. 48, Punkt. 1). Dieser bearbeitet parallel das gleiche Material aus seiner Perspektive. Wird die Methode zum ersten Mal eingeführt, empfiehlt es sich, Verständnisfragen zu formulieren, die den SchülerInnen als Vorbild dienen können. Abb. 48: Schema der Methode kooperatives Partnerinterview In der zweiten Phase (s. Abb. 48, Pkt. 2) interviewen sich die SchülerInnen gegenseitig mithilfe der zusammengestellten bzw. formulierten Fragen. Dabei übernehmen sie abwechselnd die Rolle des Befragten (Lerner) und des Fragenden (Lehrer). Nach dem Durchlauf sollten die PartnerInnen die gegebenen Antworten prüfen. Bei Wissenslücken kann der Fragende dem Befragten helfen, eine Antwort im Text zu finden bzw. diese zu formulieren. Bei dem Vorgehen ist eine Differenzierung je nach Lerngruppe hinsichtlich der geplanten Zeit oder der Präsentationsform der Ergebnisse möglich. Wenn eine Präsentation im Plenum oder in Gruppen mündlich erfolgen soll, stellen die SchülerInnen die Antworten ihres Partners vor (Perspektivwechsel). Die Lernenden werden dadurch nicht nur beim Antworten, sondern auch zuvor beim Herausarbeiten und bei der Formulierung von Fragen im Textverständnis gefordert und gefördert (vgl. Mattes 2011: 54). Zudem werden die sprachlichen Aushandlungsprozesse beim Verstehen unterstützt. 4.1.8.3 Expertenpuzzle Expertenbzw. Gruppenpuzzle wird auch als „Jigsaw Method“ bezeichnet (vgl. Aronson 2002). Diese Methode setzt sich aus zwei unterschiedlichen Phasen zusammen, in denen die Gruppenzusammensetzung wechselt (vgl. ebd.: 215). Hierfür werden sich ergänzende Materialien a, b, c wie z.B. Filmsequenzen, Textabschnitte, Teiltexte ausgeteilt. Die einzelnen Gruppen werden zu Experten für ihr Material (s. Abb. 49, Pkt. 1). In jeder Expertengruppe beschäftigen sich die Lernenden mit einem Teilaspekt des Gesamtthemas. Beim Gesamtthema China im Fach Erdkunde können sich die Teilthemen beispielsweise auf Aspekte der Kultur, der Umwelt, der Politik und der Wirtschaft beziehen. Auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Texten zu einem Thema ist möglich. Die Expertengruppen bearbeiten in einem ersten Schritt ihr Themengebiet. Diese erste Teilphase kann alternativ als Gruppenarbeit oder Einzelarbeit gestaltet oder sogar als Hausaufgabe ausgelagert werden. <?page no="156"?> 154 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Abb. 49: Schema der Methode Expertenpuzzle Im zweiten Schritt werden die Gruppen gepuzzelt, sodass in den neu entstandenen Gruppen (Gesamtgruppe) jeweils mindestens ein Experte (a, b und c) zu jedem Teilthema zur Verfügung steht (s. Abb. 49, Pkt. 2). In jeder neu entstandenen Gruppe ist somit jedes Teilthema durch einen (oder auch mehrere) Experten vertreten und es wird vom jeweiligen Experten vorgestellt. So werden beispielsweise aus drei Gruppen mit vier SchülerInnen, die jeweils zu den unterschiedlichen Aspekten des Unterrichtsgegenstandes (a, b und c) arbeiten, im zweiten Schritt vier Gruppen je drei TeilnehmerInnen oder - wie abgebildet (s. Abb. 49, Pkt. 2) - drei Gruppen. Durch die Gruppenverteilung können sprachschwache Lernende durch sprachstarke MitschülerInnen unterstützt werden. Doppel- oder Mehrfachbesetzungen von Experten in Schritt 2 können je nach Lerngruppe individuell gestaltet werden. Um eine weitere Kommunikationsmöglichkeit zu schaffen, sollte im Sinne der positiven Abhängigkeit eine alle Teilthemen verbindende Aufgabe (z.B. zum Thema Perspektiven auf China) gestellt werden. Dadurch ergeben sich weiterführende und den Lerninhalt vertiefende Kommunikationsanlässe, z.B. eine Präsentation, Verfassen eines neuen zusammenhängenden Textes von allen Gruppenmitgliedern gemeinsam mit Einbezug aller Teilthemen (s. Abb. 49, Pkt. 3). Durch die Methode der Expertenpuzzles werden somit mindestens zwei Kommunikationssituationen geschaffen, in denen intensive, aber zeitökonomische Facharbeit möglich ist (vgl. Mattes 2011: 80). Wenn sich eine Präsentation anschließt, können die anderen Gruppen ergänzend mitarbeiten, wodurch ein weiterer Sprechanlass entsteht (vgl. Aronson 2002: 217). 4.1.9 Berücksichtigung sprachlicher Aspekte bei der Leistungsermittlung und -bewertung Da die SchülerInnen über verschiedene sprachliche Voraussetzungen verfügen und sich stets individuell entwickeln, ist es notwendig, bei der Überprüfung ihrer Lernerfolge, den ablaufenden Sprachlernprozessen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dies bedeutet, dass die sprachbewusste Förderung möglichst individuelle Leistungsmaßstäbe - insbesondere im Kontext des Lernens in der Zweitsprache - setzen soll. Eine ergebnisorientierte Bewertung kann durch eine prozessorientierte Leistungsrückmeldung ergänzt werden. Statt einer Klausur bieten sich beispielsweise mehrere Rückmeldungsgespräche an. Auch verschiedene Aufgabenformate wie ein Forschertagebuch oder ein Lernportfolio, in denen Lernende diverse Arbeitsaufträge in ver- <?page no="157"?> 155 4.1 Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts schiedenen Darstellungsformen bearbeiten und ihre eigenen Zugänge zur Sprache nutzen können, ermöglichen eine prozessorientierte Leistungsbeurteilung. Hierbei sieht sich die Lehrkraft der Herausforderung gegenüber, die fachlichen Leistungen der SchülerInnen unabhängig von ihren sprachlichen Kompetenzen zu erfassen: Die Einschätzung der fachlichen Stärken der Lernenden soll nicht durch ihre sprachlichen Unsicherheiten, die entwicklungsspezifische Notwendigkeiten im Spracherwerbsprozess sind, beeinträchtigt werden. Dies erfordert u.a. einen aufmerksamen Umgang mit sprachlichen Fehlern im Unterricht: Sie sind als Lernanlässe zu nutzen und in die sprachliche Förderung zu integrieren, indem z.B. verwendete alltags- und fachsprachliche Formulierungen gegenübergestellt werden oder indem die Schüleräußerungen durch korrektives Feedback sprachlich verbessert werden. Bei der Berichtigung schriftlicher Schülerarbeiten ist zu überlegen, was die SchülerInnen durch die Lehrerkorrektur lernen sollen. Eine angemessene Rückmeldung zu den sprachlichen Kompetenzen der Lernenden, die Wege der weiteren Entwicklung möglichst anschaulich aufzeigt (z.B. mit Hinweisen auf konkrete angemessene Formulierungen oder mit Verweisen auf einen bespielhaften Text und seine Struktur) kann den Lernprozess effektiv steuern. Der Spracherwerb wird intensiviert, indem die Lehrkraft den SchülerInnen ganz gezielt solche Hilfen liefert, die für die Fortschritte in verschiedenen Sprachlernphasen erforderlich sind. Zudem ist abzuwägen, wie ergiebig die gängigen Formate der Leistungsüberprüfung in dem jeweiligen Fach für die (fach-)sprachliche Weiterentwicklung der SchülerInnen sind (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 214f.). Ein Schüler mit geringen Deutschkenntnissen wird vermutlich keinen umfangreichen, präzise formulierten argumentativen Text verfassen können. Er kann jedoch die Ergebnisse seiner Arbeit auf eine andere Art und Weise darlegen. Stellen sich die Lehrkräfte auf die individuelle Entwicklungsdynamik der Lernenden (insbesondere mit DaZ) ein, ist den SchülerInnen nach Möglichkeit eine Vielfalt an Formen für das Erbringen fachlicher Leistungen anzubieten (vgl. ebd.): lineare oder nichtlineare Darstellungsformen, mündliche oder schriftliche Aufgaben in Einzel- oder Gruppenarbeit, Projektarbeit, Wissensquiz usw. So können die Lernenden beispielsweise zwischen einer Präsentation, einer Collage, einer Tabelle, Tests, mündlicher Mitarbeit oder Lerntagebüchern als Formate für die Lernerfolgsüberprüfung wählen. 4.1.10 Angemessene Lehrersprache Lernende, denen es an Gesprächskontakten in der deutschen Sprache mangelt, „werden nicht mit einer derartigen Sprachenvielfalt konfrontiert, wie es bei den einsprachig aufwachsenden Kindern der Fall ist“ (Michalak 2008: 12). Zum einen haben sie - ähnlich wie viele SchülerInnen aus bildungsfernen Familien in der Erstsprache Deutsch - kaum sprachliche Vorbilder in der Zweitsprache, von denen sie die richtigen Sprachmuster übernehmen könnten. Zum anderen fehlt ihnen häufig „die Sprachlehrinstanz der Eltern oder Erwachsenen“ (vgl. Graf 1989: 127), die die Äußerungen der Kinder und Jugendlichen auf Deutsch ergänzen oder korrigieren können. Diese Rolle müssen daher die Lehrkräfte übernehmen. Vor diesem Hintergrund gilt es für jede Lehrperson, das eigene Sprachverhalten zu reflektieren und sprachliche Mittel bewusst anzuwenden. An der ersten Stelle steht die Frage nach der Verständlichkeit und Angemessenheit des sprachlichen Inputs. Lehrersprache muss an die Lerngruppe angepasst sein und das vorlegen, was man von der Schülersprache erwartet. Geht man von der horizontalen Gliederung der Fachsprachen aus, so wird in der Primarstufe aus gutem Grund anders kommuniziert als in der Oberstufe. Zudem ist zwischen drei Sprachregistern zu unterscheiden, die Lehrkräfte in verschiedenen Unterrichtssituationen differenziert anwenden (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 217): <?page no="158"?> 156 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? • dem umgangssprachlichen bzw. informellen Register bei den Absprachen hinsichtlich der Lernorganisation (z.B. Habt ihr alle das Lehrbuch dabei? ; Nehmt eure Hefte raus.; Wie findet ihr denn nun nach den ersten Erfahrungen die Gruppenarbeit? ), • der bildungssprachlichen Variante bei der Beschreibung von Lernwegen oder bei Erklärungen von Bedeutungen (z.B. in einer Arbeitsanweisung: Beschreibe die nächsten Schritte des Vorgangs.) sowie • dem fachsprachlichen Register bei der Anwendung fachspezifischer Begriffe und Formulierungen (z.B. im Sportunterricht: Kugel stoßen). Auch das Sprechtempo und die Anwendung nonverbaler Mittel (Gestik, Mimik und verschiedene Visualisierungsmethoden) sollten sich an dem sprachlichen Niveau der SchülerInnen orientieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Lehrersprache simplifiziert werden sollte. Vielmehr geht es darum, durch den angemessenen sprachlichen Input der Lehrkraft das Verständnis seitens der Lernenden zu sichern und ihnen sprachliche Brücken in Form von Verständnishilfen bereitzustellen. Hilfreich ist zudem, wenn der angewandte Wortschatz gezielt ausgewählt wird und gelegentlich z.B. Internationalismen eingesetzt werden, damit die Schüle r - Innen ihre mehrsprachigen Ressourcen nutzen und zumindest grob die wesentlichen Aussagen erfassen können. Themenwechsel oder der Übergang in die nächste Unterrichtsphase können durch Betonung wichtiger Elemente oder durch beabsichtigte Stimmführung akzentuiert werden. Den Verstehensprozess erleichtern bewusste Gliederung (als Nächstes, in einem nächsten Schritt betrachten wir… usw.) sowie redekommentierte Formulierungen (z.B. und das ist besonders zu beachten) (vgl. Thürmann, Vollmer 2013: 218). Werden fachlich komplexe Sachverhalte dargestellt, kann die Lehrkraft bewusst eingesetzte Wiederholungen, kurze Zusammenfassungen bisheriger Ausführungen sowie ausgewählte Erklärungstechniken wie Umschreibungen bzw. Paraphrasierungen anwenden. Gerade die Darstellung der Inhalte auf mehrere Arten eröffnet den SchülerInnen durch den Wiederholungseffekt unterschiedliche sprachliche Zugänge zu einem Sachverhalt, sodass die Lernenden ihr Verständnis kontrollieren und eventuelle Unsicherheiten überbrücken können. Sachlich formulierte Aussagen, präzise Aufgabenstellungen und eindeutige Anweisungen gehören ebenso zum guten, sprachbewussten Unterricht. Verschachtelte Formulierungen sind insbesondere in der Arbeit mit sprachlich weniger versierten Lernenden zugunsten klarer Äußerungen zu vermeiden. Zugleich soll die Lehrersprache die SchülerInnen sprachlich anregen und Beispiele für den Sprachgebrauch anbieten (vgl. Echevarria et al. 2008: 80). Gibbons (2006: 287) belegte, dass Lehrkräfte dazu neigen, die konzeptionell mündlichen Sprachvarianten zu benutzten. Dadurch erleichtern sie zwar ihren SchülerInnen das Verständnis, sie vernachlässigen es aber, ihnen die Bildungssprache und die im jeweiligen Unterrichtskontext angemessene Sprachvariante zu vermitteln. Differenziert die Lehrperson fachsprachliche Muster in ihren Äußerungen, haben die Lernenden die Chance, vielfältige sprachliche Routinen kennenzulernen und anschließend in angemessenen Kontexten anzuwenden. In schriftlichen Arbeitsaufträgen oder Zusammenstellungen der Ergebnisse an der Tafel ist darauf zu achten, nicht in Stichworten, sondern „zusammenhängend und normgerecht zu formulieren, um den Schülern Sprachmodelle zur eigenen Verwendung anzubieten.“ (Thürmann, Vollmer 2013: 218) Des Weiteren kommt der Lehrkraft die Aufgabe zu, die Unterrichtsinteraktion so zu gestalten, dass ihr eigener Redeanteil verringert wird und dafür den SchülerInnen mehr Zeit für eigene Beiträge zur Verfügung steht. Dies kann zum einen durch schülerzentrierte Methoden (s. Kap. 4.1.8) erreicht werden. Zum anderen bietet es sich an, die im Unterricht gestellten Fragetypen zu reflektieren. Generell laufen der sprachlichen Aktivierung der Lernenden alle geschlossenen Aufgabenformate zuwider; diese sollten durch offene Fragen ersetzt werden (vgl. Sommer 1981: 19-21): <?page no="159"?> 157 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht • Als Antwort auf eine Entscheidungsfrage sind ja bzw. nein vollkommen ausreichend. W-Fragen lassen hingegen mehrere Möglichkeiten der Beantwortung zu. • Eine Wissensfrage (z.B. Wie nennt man …? ; Wann kann man …? ) zielt auf die Reproduktion der bereits gelernten Fakten und kann eventuell mit einem Wort beantwortet werden. Im Gegensatz dazu stellen Denkfragen (z.B. Was würde geschehen, wenn …? ; Was meint ihr? ) die Lernenden vor neue Situationen und fordern sie auf, mithilfe von vorangegangenen Erfahrungen geeignete Informationen für die Lösung neuer Probleme zu finden. Sie regen zu längeren Erläuterungen bzw. Begründungen an. • Konvergente Fragen (z.B. Welche Entwicklungen haben … ermöglicht? ) zielen auf nur eine Lösung ab, während divergente Fragen (z.B. Was hättest du in der Situation von … getan? ) mehrere Denk- und Lösungswege zulassen (vgl. ebd.). Die zehn Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts zeigen, dass die Art und Weise, wie sprachliche Lernförderung in fachlichen Kontexten angeregt wird, durch zwei Faktoren bestimmt wird: durch die Anforderungen, die der Unterricht an die SchülerInnen stellt sowie durch die Anlässe, die der Fachunterricht zum sprachlichen Lernen bietet. Die Herausforderung für die Lehrkräfte liegt bei der Unterrichtsplanung und -durchführung darin, die genannten Grundsätze konsequent zu beachten und sie in jeden Fachunterricht zu integrieren. Wie dies geschehen kann, zeigen einige didaktisch-methodische Ansätze, die im Folgenden erläutert werden. 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Einstiegsaufgabe: Formulieren Sie den Erwartungshorizont für die folgende Aufgabe aus dem Fachunterricht AWT (Arbeit-Wirtschaft-Technik) für die 5. Klasse: Beschreibe, wie die Gänge beim Fahrrad gewechselt werden. Überlegen Sie dabei, inwiefern die folgende Wortschatzliste bei der Aufgabenlösung für die SchülerInnen hilfreich wäre. Wortschatzliste: absteigen, bremsen, drehen, eben, das Fahrrad, der Gang, die Gangschaltung, das Gefälle, die Geschwindigkeit, hoch, das Kettenblatt, der Kraftaufwand, niedrig, das Pedal, der Pedalwiderstand, die Steigung, treten, die Übersetzung, der Zahn. Bei der obigen Aufgabe ist die Beschreibung eines bzw. mehrerer Vorgänge gefordert. Dabei müssen die AutorInnen nicht nur den Bau eines Fahrrads, sondern auch den Zusammenhang zwischen den Neigungen auf dem Fahrradweg und dem Geschwindigkeitswechsel berücksichtigen. Die einzelnen Schritte beim Gangwechsel werden in einer zeitlichen Reihenfolge wiedergegeben. Somit entsteht ein Text, der all die Relationen kausal und chronologisch beschreibt. Dieser muss auch so verfasst werden, dass die LeserInnen die Vorgänge ohne Visualisierungen bzw. ohne Zugriff auf eigene Erfahrungen nachvollziehen können. Vermutlich haben Sie bei der Formulierung Ihres Erwartungshorizontes für diese Aufgabe gemerkt, dass es insbesondere für die Darstellung der Relationen zwischen dem Gefälle und der Gangschaltung nicht ausreichend ist, mit einer derartigen Wortschatzliste wie beigefügt zu arbeiten. Einzelne Wörter ohne Kontext, ohne begriffliche Vernetzungen, ohne Einbindung in Satzstrukturen, ohne Hinweise auf den Textaufbau sind wenig nützlich: Den SchülerInnen mit geringeren Deutschkenntnissen helfen derartige Vokabellisten kaum, eine zusammenhängende <?page no="160"?> 158 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Äußerung zu formulieren. Ihnen fehlen gerade die syntagmatischen Relationen zwischen den Wörtern (d.h. die Verbindung von Wörtern zu Wortgruppen) sowie die Verknüpfungen zwischen den Sätzen, die den gedanklichen Bauplan eines Textes sowie seinen inhaltlichen Zusammenhang als einen roten Faden markieren. Dies visualisiert eine beispielhafte Definition eines Realschülers mit DaZ (s. Abb. 50): Bei der Arbeit zum Thema „Köln und die Römer“ wurden den Jugendlichen für die Erklärung des Wortes Therme drei lexikalische Einheiten ohne Einbindung in einen situativen Kontext zur Verfügung gestellt - warmes Wasser, Schwimmbad, sich treffen. Der Lernende hält sich an die Vorgaben und versucht alle Wörter anzuwenden. Es entsteht jedoch kein kohärenter Text, der den Erwartungen an eine Definition entsprechen würde (vgl. Michalak 2013c: 240). Abb. 50: Erklärung des Wortes Therme mit sprachlicher Hilfestellung in Form einzelner Begriffe (warmes Wasser, Schwimmbad, sich treffen) (Michalak 2013: 240). Rekonstruktion des Textes: Therme: Eine therme ist warmes Wasser die in einem Schwimbard. Therme: Eine therme ist warmes Wasser die in einem Schwwimbard, Fruher hatten sich die anderen getroffen haben. die Therme: Eine Therme ist einem Schwwimbad. Fruher hatten sich die Romen dort getroffen. Für die Lösung solcher beispielhaften Aufgaben benötigen die Lernenden Hilfestellungen, die viel breiter angelegt sind und die zugleich die Prinzipien der sprachbewussten Arbeit im Fachunterricht einschließen. Aber wie kann es gelingen? Wie kann die sprachbewusste Arbeit im Fachunterricht konkret aussehen? Welche didaktisch-methodischen Vorgehensweisen sind besonders effektiv? Mittlerweile gibt es einige Konzepte, die sprachliches und fachliches Lernen miteinander zu verknüpfen und die besondere Situation von Zweitsprachenlernenden zu berücksichtigen versuchen. Sie setzen verschiedene Schwerpunkte ein - abhängig von den Kontexten, in denen sie entwickelt wurden. Die ersten didaktisch-methodischen Ansätze für den bewussten Umgang mit Sprache im Fachunterricht kamen aus der Fremdsprachendidaktik. Am bekanntesten ist dabei das Konzept des bilingualen Sachfachunterrichts, das auch unter dem englischen Begriff CLIL (Content and Language Integrated Learning) bekannt ist. Die deutsche Bezeichnung umschreibt dabei nicht das Konzept selbst, „sondern das damit intendierte langfristige Ziel“ ( Rösch 2013: 30): Der Sachfachunterricht bzw. der Unterricht in mehreren Sachfä- <?page no="161"?> 159 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht chern oder einer Fächerkombination wird in einer Fremdsprache durchgeführt, wobei als Ausgangspunkt und inhaltliche Orientierung die Vorgaben des jeweiligen Sachfaches und seiner Didaktik gelten. Die Lernenden sollen dabei fachspezifischen Wortschatz, fachspezifische Redemittel und Kommunikationsstrategien sowie Fachterminologie in Deutsch und der Zielsprache erwerben, um in dem jeweiligen Sachfach in beiden Sprachen sachgerecht kommunizieren zu können. (Niedersächsisches Kultusministerium 2014: 8) Im bilingualen Sachfachunterricht ist Sprache in authentische Sprachanlässe eingebettet, in denen sie transparent gemacht wird (vgl. Rösch 2013: 43). Die funktionale Anwendung der Fremdsprache erfolgt somit in lernerautonomen und aufgabenorientierten Lernszenarien (vgl. Sudhoff 2011: 6). Im Mittelpunkt der Arbeit steht aus sprachlicher Sicht die Vermittlung von Arbeits- und Lernstrategien sowie Wortschatzarbeit (Niedersächsisches Kultusministerium 2014: 8f.). Um Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden, werden die Inhalte durch verschiedene Methoden anschaulich gemacht: durch Visualisierung, Konkretisierung (d.h. die Auswahl von exemplarischen, konkreten Phänomenen und Situationen), Elementarisierung (d.h. Übertragung der Sachverhalte auf handelnde Personen) sowie durch Dialogisierung (wie Rollenspiele, Tagebucheinträge etc.) (vgl. ebd.: 9). Da es sich um fachliches Lernen in einer Fremdsprache handelt, ist die Progression der sprachlichen Inhalte für die gesamte Lerngruppe einfacher zu bestimmten als im Kontext von DaZ. Den SchülerInnen wird ausschließlich das sprachliche Repertoire zur Verfügung gestellt, das für das fachliche Lernen auf ihrem sprachlichen Niveau relevant ist (vgl. Rösch 2013: 43). Zudem setzt die Arbeit nach diesem Modell die Bilingualität der Lehrkraft sowie ihre entsprechende Qualifizierung voraus: Sie sollte „über die Lehrbefähigung sowohl im Sachfach als auch in der Arbeitssprache verfügen, damit sie nicht nur die notwendige Sachfachkompetenz, sondern auch den Blick für die sprachlichen Notwendigkeiten des bilingualen Unterrichts hat, um ggf. sprachfördernd eingreifen zu können“ (Niedersächsisches Kultusministerium 2014: 7). Im deutschsprachigen Raum wird das bilinguale Unterrichtsangebot insbesondere in der englischen Sprache gestaltet (vgl. Beese; Benholz 2013: 42) und richtet sich hauptsächlich an GymnasiastInnen. Da sich sowohl die Voraussetzungen und Bedürfnisse der mehrsprachigen Lernenden (z.B. bezüglich ihrer sprachlichen Heterogenität, ihrer Lernmotivation) als auch der Lehrenden aus der DaZ-Perspektive erheblich von den Bedingungen des Lernens in einer Fremdsprache im bilingualen Sachfachunterricht unterscheiden, sind die im Rahmen von CLIL ausgearbeiteten Methoden und gewonnenen Erkenntnisse nur bedingt auf den Fachunterricht unter dem Aspekt DaZ übertragbar. Im Kontext des bilingualen Sachfachunterrichts entwickelte Josef Leisen (2010b) in den frühen 1990er das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts, das heutzutage insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern populär ist (vgl. Prechtl 2014: 103; Meyer 2014: 67). Ursprünglich bezog sich dieser stark vom Fachlichen ausgehende Ansatz auf den Sach fachunterricht in der Fremdsprache Deutsch z.B. in Auslandsschulen. Das Konzept wurde ausgebaut bzw. auf andere Lernzielgruppe ausgeweitet und richtet sich mittlerweile an sog. „sprachschwache“ Lernende, zu denen sprachschwache SchülerInnen mit DaM sowie Lernende mit Migrationshintergrund zählen (vgl. Leisen 2010b: 1f.). In seinem Handbuch für den sprachsensiblen Unterricht stellt Leisen (2010b) zum einen allgemeines sprachdidaktisches Hintergrundwissen für Fachlehrkräfte zusammen, die einen reflektierten Umgang mit Sprache in ihrem Fachunterricht anstreben. Zum anderen bietet er ihnen 40 Methoden-Werkzeuge an: eine Sammlung von Unterrichtsvorschlägen, Arbeitsblättern und anderen praxisorientierten Materialien, die sich auf konkrete Anforderungssituationen im Fachunterricht beziehen (vgl. Budde 2012: 134), aber nicht unbedingt aufeinander aufbauen. Das Konzept ist zwar fachspra- - <?page no="162"?> 160 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? chendidaktisch, aber nicht DaZ-didaktisch orientiert, da es den unterschiedlichen Spracherwerbsbiografien der SchülerInnen nicht Rechnung trägt (vgl. Rösch 2013: 26). Für die Förderung der Sprachlichkeit im Fachunterricht ist der Ansatz zwar zukunftsweisend; er setzt aber eine enge Zusammenarbeit mit einer Sprachbzw. DaZ-Lehrkraft voraus, die die Fachlehrkräfte bei der Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse von Lernenden mit DaZ unterstützen müssen. Ein integriertes Fach- und Sprachenlernen, das sich an den Ressourcen der Lernenden orientiert, bietet dagegen das Konzept des Dialogischen Lernens nach Ruf und Gallin (2010). Gemäß den Fachrichtungen der Autoren ist das pädagogische Modell zwar vorrangig für den Deutsch- und Mathematikunterricht konzipiert worden, kann jedoch auch auf andere Unterrichtsfächer übertragen werden (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2013: 72). Ein zentrales Element dieses Ansatzes bildet die Orientierung an den SchülerInnen. Den theoretischen Rahmen liefert Wagenscheins Unterscheidung zwischen der Sprache des Verstehens und der Sprache des Verstandenen (vgl. Gallin, Ruf 2010: 21). Der Unterricht soll sich demnach von den SchülerInnen und ihrer „Schülersprache“ zur Fachsprache bewegen (vgl. ebd.: 25f.). Das Konzept geht von der Sprache als Schlüsselelement aus: Durch Sprache gelangen die Lernenden zu einer Lösung. Der Lernprozess wird dabei als ein „Lernen, das auf eigenen Wegen erfolgt“ (ebd.: 23) definiert und ist somit bildlich mit einer Reise vergleichbar. Zu Beginn jeder „Lernreise“ steht eine Fragestellung, die sich aus einer Kernidee (z.B. ein Bildimpuls oder eine Geschichte) entwickelt und mit der sich die SchülerInnen auf ihren Weg begeben bzw. die Reise antreten (vgl. Schmölzer-Eibinger et al. 2013: 72). Die „Lernreise“ erfolgt in drei Phasen, was eine gewisse Lernautonomie voraussetzt (vgl. Gallin, Ruf 2010: 22): 1. die singuläre Standortbestimmung: Wo stehe ich? 2. der divergierende Austausch: Was sagt meine Lehrkraft zu meinem Standpunkt und wie kann sie mir helfen, zum Ziel zu gelangen? 3. die reguläre Einsicht: Was ist die fachliche Norm bzw. das Ziel? Der eigene Lernprozess wird gemäß der Reisemetapher in einem Reisetagebuch dokumentiert, in dem jeder Lernende die Geschichten seiner persönlichen Begegnung mit den Fachinhalten erzählt (vgl. Ruf, Gallin 2011: 49). Dadurch ist das epistemische Schreiben für dieses Konzept von wesentlicher Bedeutung. Zugleich kommt dem Dialog eine Schlüsselrolle zu: Es wird davon ausgegangen, dass sich Verstehen im Gespräch ereignet (vgl. ebd.: 25). Das dialogische Prinzip impliziert eine Auseinandersetzung mit dem Stoff, den erzählenden Austausch mit den MitschülerInnen sowie mit den Lehrkräften und soll alle zum Lernen auffordern (vgl. ebd. 14). Die Lehrenden, die den sprachlichen und fachlichen Lernprozess der SchülerInnen unterstützen und begleiten, geben ihnen Empfehlungen für die Weiterentwicklung. Ihre umfangreichen Rückmeldungen erfolgen überwiegend schriftlich (vgl. Schmölzer-Eibinger 2013 et al.: 72). Dialogisches Lernen ist ein sehr anspruchsvolles Modell, „das von LehrerInnen und Schüle r - Innen die Bereitschaft zu intensiver Auseinandersetzung verlangt“ (ebd.: 77). Es nutzt zwar die Ressourcen der Lernenden, ist stark konstruktivistisch angelegt und verspricht nachhaltige Lernerfolge. Es erfordert aber eine starke Motivation seitens aller Beteiligten. Da für die Lösungen von Aufgaben, für die Beobachtung eigener Lernwege und die Arbeit mit einem Reisetagebuch schon eine gewisse Sprachkompetenz vorausgesetzt werden muss, bietet dieses pädagogische Konzept nur eingeschränkt die Möglichkeit einer gezielten DaZ-spezifischen Sprachförderung im Regelunterricht an. Fünf weitere didaktisch-methodische Lern- und Lehrkonzepte, in denen sprachbewusste Arbeit im Fachunterricht forciert wird, die aber unterschiedliche Schwerpunkte setzen, werden im Folgenden ausführlich mit praktischen Beispielen erläutert. <?page no="163"?> 161 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht 4.2.1 Scaffolding Der Begriff Scaffolding (engl.: Baugerüst, -gestell,) stammt ursprünglich aus der Erstsprachenerwerbsforschung und bezeichnet in dem Zusammenhang sprachliche Hilfen, mit denen Erwachsene ihre Kinder in der Interaktion unterstützen (vgl. Wood et al. 1976). Solche sprachlichen Brücken werden den Kindern vorübergehend angeboten, bis sie eine sprachliche Handlung selbst ausführen können (vgl. Kniffka 2012: 213). Dies schließt an die Theorie der „Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski 1987) an: Die kompetenten SprachbenutzerInnen helfen den weniger kompetenten PartnerInnen deren (nicht nur) sprachliche Fähigkeiten durch Interaktion zu entfalten (vgl. Kniffka 2012: 213). Diesen Grundgedanken überträgt Pauline Gibbons (2002) auf das fachliche Lernen in der Zweitsprache: Ähnlich wie beim Erstsprachenerwerb werden den Lernenden Scaffolds, also zeitlich begrenzte sprachliche Hilfen, im Fachunterricht zur Verfügung gestellt. Diese sollen ihnen helfen, neue Konzepte und Inhalte sprachlich und fachlich zu erschließen und sich zugleich neue sprachliche Varietäten anzueignen (vgl. ebd.: 10). Durch Scaffolding werden keine konkreten Lösungen, sondern Strategien und Techniken vermittelt, von denen die SchülerInnen langfristig profitieren, indem sie diese bei selbständiger Bewältigung anspruchsvollerer Aufgaben anwenden können (vgl. Kniffka 2010: 1). Das Ziel eines Unterrichts nach dem Scaffolding-Prinzip ist eine durch die Abfolge mehrerer Arbeitsschritte gewährleistete Annäherung an die Fachsprache - von der konzeptionellen Mündlichkeit zur konzeptionell geprägten Schriftlichkeit - und somit eine Aneignung von Fachinhalten (vgl. Gibbons 2006: 270). Die sprachlichen und fachlichen Komponenten sind miteinander verwoben: Das sprachliche Lernen wird im Kontext des Fachunterrichts eingebunden und mit dem Gebrauchskontext verknüpft. Scaffolding nach Gibbons (2002, 2006) besteht aus vier Bausteinen: 1. Bedarfsanalyse, 2. Lernstandsanalyse, 3. Unterrichtsplanung, 4. Unterrichtsinteraktion. Die ersten drei Schritte bezeichnet Gibbons (2002) als „Makro-Scaffolding“, den vierten Baustein als „Mikro-Scaffolding“. Die Bedarfsanalyse bildet den Beginn jeder Unterrichtsvorbereitung: In einem ersten Schritt wird der Sprachbedarf der geplanten Unterrichtseinheit aus der fachlichen Sicht ermittelt. Das bedeutet, dass das Unterrichtsmaterial auf seine sprachlichen Anforderungen hin untersucht wird. In die Analyse werden alle zu behandelnden und zu produzierenden Texte einbezogen (vgl. Kniffka 2012: 215). Hierbei werden die fachsprachlichen Phänomene auf der Wort-, Satz- und Textebene aus sprachdidaktischer Perspektive betrachtet. Solch eine Reflexion der sprachlichen Anforderungen in der jeweiligen Unterrichtseinheit gibt Hinweise darauf, auf welche Textelemente besonders geachtet werden muss, welche sprachlichen Mittel erklärt werden müssen und an welchen Stellen das Textverständnis sichergestellt werden sollte (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 13). Eine ausführliche Bedarfsanalyse wurde am Beispiel des Textes „Wie ein Feuer entsteht“ im Kapitel 3.2.2 durchgeführt. Anschließend wird der Blick auf die (fach-)sprachlichen Voraussetzungen der SchülerInnen gerichtet: Bei der Lernstandserfassung wird der Sprachstand der Lernenden analysiert und mit den Erkenntnissen der Bedarfsanalyse verglichen (vgl. Kniffka 2012: 216). Es ist festzustellen, ob ihnen die für die Unterrichtseinheit notwendigen Strukturen schon vertraut sind und wo sie gegebenenfalls noch Unterstützung benötigen. Die Voraussetzungen der SchülerInnen sind ebenfalls unter der fachlichen und kulturellen Perspektive zu betrachten. Als eine <?page no="164"?> 162 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? erste Orientierung für die Einschätzung der Lernvoraussetzungen können bestimmte Leitfragen dienen (s. Kap. 3.2.1). Gleichwohl ist hierbei ein enger Austausch mit Fachkollegen, insbesondere mit Sprachlehrkräften zu empfehlen, um den sprachlichen Lernstand der SchülerInnen breiter zu erfassen und an die bereits in anderen Fächern erworbenen sprachlichen Kompetenzen anzuknüpfen. Die Bedarfsanalyse und die Lernstandserfassung bilden die Grundlage der Unterrichtsplanung, die durch folgende Aspekte bestimmt ist (vgl. Gibbons 2002, Kniffka 2012: 216- 218): • Die Vorerfahrungen und das Vorwissen der SchülerInnen sind einzubeziehen. Assoziogramme, Mindmaps, Erfahrungsberichte usw. entlasten zum einen das Thema sprachlich und fachlich und steigern zum anderen die Effektivität von Lernprozessen. • Abhängig von den fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der Lernenden wird entsprechendes (Zusatz-)Material herangezogen. Den Einstieg können passendes Anschauungsmaterial bzw. die Veranschaulichung des Themas durch die von den Schüle r - Innen durchgeführten Experimente erleichtern. • Liegen insbesondere die Lehrwerktexte weit über dem Sprachstand der Lernenden, werden sog. vermittelnde Texte eingesetzt. Kniffka (2012: 217) bezeichnet diese Texte treffend als „Brückentexte“, da sie die Kompetenzlücke der SchülerInnen schließen sollen. • Die Aufgaben werden in einer aufeinander aufbauenden Reihenfolge angeboten: vom Konkreten zum Abstrakten, vom Einfachen zum Komplexen, von der Alltagszur Fachsprache, wodurch die Ressourcen der SchülerInnen optimal genutzt werden können (s. Abb. 51). • Es werden Arbeitsformen wie Kleingruppenarbeit festgelegt, die das sprachliche Handeln in der Interaktion fördern. • Orientiert an dem Sprachstand der SchülerInnen sind die Darbietungsformen der neuen Inhalte auszuwählen: Sprachlich unsichere Lernende benötigen gegebenenfalls umfangreichere kontextuelle Hilfestellungen. • Die Sprache im Unterricht sollte nicht vereinfacht, sondern angereichert werden. Der sprachliche Input soll damit etwas über dem sprachlichen Kompetenzniveau der Lernenden liegen. Damit erhalten sie die Möglichkeit, eigene Sprachkompetenzen zu erweitern. • Eingeplant wird auch metasprachliche und metakognitive Reflexion, die die sprachliche Entwicklung der Lernenden fördert. <?page no="165"?> 163 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Abb. 51: Ablaufmodell einer sprachlich nach den Scaffolding-Prinzipien unterstützten Unterrichtseinheit am Beispiel des Themas „Wie ein Feuer entsteht“ (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 14) <?page no="166"?> 164 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Wie der Unterricht fachlich vom Konkreten zum Abstrakten und sprachlich von der konzeptionellen Mündlichkeit zur konzeptionellen Schriftlichkeit geplant werden kann, zeigt das Beispiel des Ablaufmodells für das Thema „Wie ein Feuer entsteht“ (s. Abb. 51). Es wird deutlich, dass die Struktur des Textes den Unterrichtsablauf mitbestimmt: Bereits bei der Bedarfsanalyse wurde der Ausgangstext in drei Passagen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad gegliedert (s. Kap. 3.2.2, Abb. 25). Diese Abschnitte stellen zugleich drei didaktisch-methodische Etappen für die Unterrichtsdurchführung dar (vgl. Michalak, Bachtsevanidis 2012: 13). So kann der Einstieg ins Thema in der Gruppe bei konkreten Beispielen ansetzen und in einem alltagssprachlich mündlichen Register beginnen, damit die SchülerInnen ihre aktuellen Sprachkompetenzen nutzen, sich schrittweise der angemessenen Sprachvariante nähern können und immer komplexere Aufgaben bekommen. Wird der Unterschied zwischen alltags- und fachsprachlichen Formulierungen den SchülerInnen bewusst gemacht, können sie - durch ein entsprechend vorbereitendes Vorgehen und orientiert an dem Ausgangstext - eine „Übersetzung“ vornehmen (s. Abb. 52). Damit werden nicht die einzelnen Begriffe, sondern ganze Formulierungen und Satzstrukturen eingeübt, die in künftigen Produktionen verwendet werden können. Durch die Interaktion in Gruppenbzw. Partnerarbeit wird der Spracherwerb dadurch gefördert, dass die Lernenden gemeinsam mögliche Lösungen aushandeln (vgl. ebd.). Dabei sind fachliches und sprachliches Lernen miteinander verzahnt, obwohl die Fachinhalte leitend sind. Abb. 52: Beispiel einer Aufgabe zur Gegenüberstellung konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit (4. Klasse, Sachunterricht, Thema: Entstehung von Feuer, Michalak 2012) <?page no="167"?> 165 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Die letzte Phase des Scaffolding nach Gibbons (2002) umfasst das Mikro-Scaffolding - die Unterrichtsinteraktion, die in dem Konzept von dem üblichen Frage-Antwort-Schema abweicht (vgl. Bachtsevanidis 2011: 59). Bei einer aktivierenden Lehrer-Schüler-Interaktion steht die Sprache des Lehrenden und des Lernenden sowie deren Angemessenheit, Korrektheit und Fachlichkeit im Blickpunkt. Die gestellten Fragen können so modifiziert werden, dass deren Beantwortung eine komplexere Äußerung verlangt (vgl. Kniffka 2012: 219). Kurze Schülerantworten sollten dagegen mit Nachfragen erweitert werden, sodass die Lernenden explizit zu längeren fachlichen Antworten ermutigt werden und eine sprachliche und fachliche Basis der weiteren Arbeit von den SchülerInnen ausgeht (vgl. Bachtsevanidis 2011: 60). Im Mikro- Scaffolding sollten direkte Hilfen wie passende Begriffe bzw. Formulierungen angeboten werden, die SchülerInnen anschließend in ihre fachsprachlichen Äußerungen einbinden können. Solche Muster können in den Nachfragen indirekt bereitgestellt werden, sodass die Lernenden sie in ihren Antworten übernehmen bzw. aktiv benutzen können. Umschreibungen in den Äußerungen der SchülerInnen sollten aufgegriffen und durch die Lehrkraft in fachsprachlich angemessener Weise wiedergegeben werden. Zusätzlich sollten die Aussagen der Schüle r - Innen von der Lehrperson rekodiert werden, um die Bedeutung und Wichtigkeit der Fachsprache im jeweiligen Kontext zu erläutern. Dabei ist zu beachten, dass insbesondere sprachlich weniger versierten Lernenden mehr Planungszeit für Antworten und die Verbalisierung eigener Gedanken zur Verfügung gestellt werden muss (vgl. ebd. 2011: 60). Durch Scaffolding (s. Zusammenstellung in Abb. 53) werden die Lernenden - ausgehend von ihren bisherigen Kompetenzen - an die fachliche Kommunikation herangeführt. Die Förderung ist konstruktivistisch angelegt und fokussiert stark die mündliche Kommunikation als Ausgangspunkt der fachlichen und sprachlichen Arbeit. Es eröffnet zwar die Möglichkeiten für die Entwicklung der Schreibkompetenz; diese sind aber im Fachunterricht noch stärker auszubauen. Diese Vorgehensweise ist sicher zeitaufwändiger als herkömmliche Unterrichtsplanung, dafür verspricht sie aber - was in empirischen Studien nachgewiesen wurde (vgl. Hammond, Gibbons 2005) - eine effektive langfristige Unterstützung. Hierfür ist es jedoch nötig, dass die Lehrkräfte über ein umfangreiches sprachliches Professionalisierungswissen verfügen, um den Unterricht optimal planen und durchführen zu können. Gerade das Anbieten der unterstützenden Scaffolds erfordert von den Lehrkräften die Fähigkeit, sprachfördernde Lernsituationen zu erkennen, diese aufzugreifen und die Äußerungen der Lernenden (fach-)sprachlich gezielt zu unterstützen. Dies setzt zugleich eine gewisse Flexibilität bei der Unterrichtsgestaltung voraus, um z.B. auf die Äußerungen der Lernenden in der jeweiligen Lernsituation gezielt einzugehen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der Begriff Scaffolding heutzutage in der Didaktik in vielen Kontexten ausschließlich als Synonym für Scaffolds, d.h. das sprachliche Gerüst als Unterstützung, verstanden wird, sich jedoch nicht unbedingt auf das umfangreiche didaktischmethodische Konzept von Gibbons (2002, 2009) bezieht. Satzanfänge bzw. Textbausteine, die damit gemeint sind und die in der Unterrichtskommunikation den SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden, reichen jedoch nicht aus, um sie von der konzeptionellen Mündlichkeit an die konzeptionelle Schriftlichkeit heranzuführen. <?page no="168"?> 166 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Scaffolding Begriffsbestimmung aus dem Englischen: Baugerüst, impliziert eine vorübergehende Hilfestellung Vertreter Pauline Gibbons (2002, 2009), in Deutschland von Gabriele Kniffka (2012) aufgegriffen Theoretischer Rahmen temporäre Unterstützung (Scaffolds) in der Kind-Erwachsenen-Interaktion beim Erstsprachenerwerb (Wood et al. 1976); Zone der nächsten Entwicklung (Wygotski 1987) Zielsetzung Hinführung der Lernenden durch temporäre sprachliche Hilfen (Scaffolds) an neue Varietäten, Erwerb des WIE (knowing how) einer sprachlichen Handlung Zentrale Prinzipien Unterrichtsplanung ausgehend von den Lernenden und den Anforderungen der Unterrichtskommunikation; durchgängige Förderung sprachlicher und fachlicher Kompetenzen; Entwicklung der Sprachkompetenz von der mündlich geprägten Alltagssprache zur konzeptionell schriftlichen Sprachvariante parallel zur Entwicklung der Fachkompetenz von der konkreten Anschauung zur abstrahierenden Distanz; besondere Berücksichtigung von Lernenden mit DaZ Herzstück Vier Bausteine: Makro-Scaffolding - (1) Bedarfsanalyse, (2) Lernstandsanalyse, (3) Unterrichtsplanung sowie Mikro-Scaffolding - (4) Unterrichtsinteraktion Vorteile fachübergreifend einsetzbar; Nutzung der sprachlichen Ressourcen der SchülerInnen; direkte Unterstützung durch passende Begriffe; Herangehensweise vom Mündlichen zum Schriftlichen; Ermutigung zu längeren Äußerungen; schrittweise Hinführung an die angemessene Fachsprache Herausforderungen starke Fokussierung der mündlichen Kommunikation gegenüber dem Schreiben; keine gezielte Hinführung an fachspezifische Textformen; ausgebildete Lehrkräfte, die mit der Sprachstandsdiagnose vertraut sind und die Interaktion im Unterricht sprachfördernd aufgreifen können; Zeitaufwand bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung Abb. 53: Prinzipien des Scaffolding nach Gibbons (2009) 4.2.2 Sprachregister angemessen anwenden können (SPRAAK) Der didaktisch-methodische Ansatz SPRAAK von Magdalena Michalak (2010c, 2012b, 2013c) rückt die Entwicklung der Fähigkeit in den Vordergrund, die Sprache dem situativen Kontext entsprechend, sach- und adressatengerecht zu gebrauchen, d.h. Sprachregister angemessen anwenden zu können. Durch sprachreflexive Übungen lernen die SchülerInnen, sprachliche Mittel je nach KommunikationspartnerInnen und Situation zu variieren und dabei die fachspezifischen Kommunikationskonventionen zu beachten. Auf diesem Wege werden sie auch dazu befähigt, im Fachunterricht selbst spezifische Diskursbzw. Textformen aktiv zu erwerben und diese zu gebrauchen. Das Modell verknüpft das fachliche und sprachliche Lernen miteinander und richtet sich insbesondere an sprachlich schwächere SchülerInnen mit/ ohne DaZ. Der Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist die Annahme, dass die Sprache, der die Schüle r - Innen beim schulischen Lernen begegnen, keine einheitliche Sprachvariante ist (vgl. Michalak 2013c: 232). Zum einen verändert sie sich im Laufe der Schulzeit auf der vertikalen Ebene, <?page no="169"?> 167 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht d.h. innerhalb eines Faches und sie wird immer komplexer (vgl. Roelcke 2010: 30f., s. Kap. 2.2.2): Behandelt man das gleiche Thema in der Primar- und Sekundarstufe, so werden unterschiedliche sprachliche Mittel erwartet bzw. gebraucht. Zum anderen unterscheidet sich die Sprache auf der horizontalen Ebene, d.h. sie differiert von Fach zu Fach (vgl. Roelcke 2010: 32-42). Jeder Fachbereich bevorzugt spezifische sprachliche Strukturen, Ausdrücke oder Textformen und schafft somit seine eigenen Kommunikationskonventionen. Die Wahrnehmung der verschiedenen sprachlichen Ausprägungen und ihre Anwendung in fachlichen Kommunikationssituationen entsprechend den kulturellen Erwartungen stellen ein schwieriges Unterfangen für die Lernenden dar. Die Voraussetzung dafür sind die Vertrautheit mit sprachlichen Routinen und Textmustern sowie die Fähigkeit, diese automatisiert einzusetzen. Hierfür sind eine intensive Auseinandersetzung mit der Ausdrucksvielfalt und -variabilität der deutschen Sprache in verschiedenen situativen Kontexten erforderlich. Gerade solche Erfahrungen, die mit der Quantität und Qualität der Kontakte in der Zielsprache zusammenhängen, fehlen den SchülerInnen mit DaZ oft (vgl. Michalak 2015: 112). Selbst Lernenden mit DaZ, die im Bereich Grammatik und Wortschatz die Zielsprache fast perfekt beherrschen, unterlaufen Fehler in der Anwendung der situationsangemessenen Sprache (vgl. Michalak 2010c: 43). Ausgehend von einer solchen Auffassung von Sprache und Sprachgebrauch bildet die systemisch-funktionale Registerlinguistik (Halliday 1985, 2004) den theoretischen Rahmen für den SPRAAK-Ansatz. So wird auf den Registerbegriff zurückgegriffen, der dem Orgelspielen entlehnt ist: Die Sprache wird wie bei der musikalischen Tonabstimmung der Orgel geregelt; das sprachlich-kommunikative Verhalten wird situativ und kontextspezifisch bestimmt (vgl. Michalak 2010c: 42). Sprachregister bezeichnet in diesem Sinne eine lexiko-grammatische Ausprägung, die konventionalisiert ist und als typisch für bestimmte Situationen empfunden wird (vgl. Halliday 1989: 38). Der Begriff umfasst die Komplexität der sprachlichen Unsicherheiten von (sogar fortgeschrittenen) Lernenden mit DaZ, zeigt den Zusammenhang von Textkompetenz und Spracherwerb auf und liefert dadurch eine wichtige Perspektive für die Konzepte der Sprachförderung von SchülerInnen mit DaZ (vgl. Michalak 2010c: 41f.). Der Begriff bezieht somit Situation, Sprachgebrauch und Sprachbenutzer gleichermaßen ein (vgl. Michalak 2012b: 69). Der situative Kontext wird durch drei Parameter konstituiert, die sich gegenseitig bedingen (vgl. Halliday 2007: 121): • field of discourse, d.h. diskursives Sprachgebrauchsfeld/ Thema: Was passiert? • style of discourse, d.h. Diskursstil in Abhängigkeit vom Kommunikationspartner/ Adressatenorientierung: Wer ist involviert? • mode of discourse, d.h. Diskursmodus/ sprachliche Mittel: Wie ist die Situation sprachlich gestaltet? Das Kriterium field reflektiert die Aussage, d.h. die propositionalen Inhalte einer Äußerung und damit fachspezifische Sachverhalte eines Faches. Sprachliches Merkmal des field ist u.a. die Lexik (vgl. Michalak 2013c: 234): Wird das Wort Landkarte im Alltag definiert, scheint das Beispiel der von einer Hauptschülerin verfassten Erklärung (s. Abb. 54) angebracht zu sein. Im Geografieunterricht dagegen sind in einem solchen Text bestimmte thematische Hinweise (z.B. zeichnerische Darstellung, maßstäbliche Verkleinerung bzw. Abbildung einer Erdoberfläche) zu erwarten. Die Dimension Diskursmodus beschreibt die Sender-Empfänger- Beziehung und damit die Orientierung an den AdressatInnen. Wird das jeweilige Thema einem Kleinkind und einem Fachexperten aus dem Bereich erläutert, so werden anderes Wissen, andere Interessen und Erwartungen der RezipientInnen vorausgesetzt und andere sprachliche Strukturen als angemessen erachtet (vgl. Michalak 2013c: 234). In einer Definition im fachli- <?page no="170"?> 168 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? chen Kontext werden z.B. sachliche, distanzierte und unpersönliche Formulierungen gefordert, die der formellen Sprache entsprechen (vgl. dazu Abb. 54: kannst du kucken). Zudem sollten dabei die VerfasserInnen nicht assoziativ vorgehen, sondern den typischen Aufbau einer Definition (Einordnung, Beschreibung der wesentlichen Merkmale, vom Allgemeinen zu den Beispielen) beachten, um den Rezipienten „durch den Text zu führen und sein Verständnis durch Orientierungsmarken zu fördern“ (Esselborn-Krumbiegel 1999: 122). Abb. 54: Erklärung des Wortes Landkarte verfasst von einer Hauptschülerin der 6. Klasse, die Deutsch als ihre Zweitsprache erwirbt (Kölner Sommerschule 2012). Rekonstruktion des Textes: Mit der Landkarte kannst du kucken wo z.B. wo Deutschland oder andere Ländern sind oder auch Meere und Oceanen sind, die Landkarte ist auch meistens große und farbig da stehen auch die Hauptstädte von den Ländern, rote punkte bedeuten die Hauptstäde. Schließlich beschreibt die Dimension mode die sprachliche Ausgestaltung der Äußerungen abhängig von der Funktion der Sprache. Dies schließt den Sprachkanal (gesprochen vs. geschrieben) sowie auf einen bestimmten Zweck ausgerichtete rhetorische Redemittel ein (vgl. Halliday 1989: 12). So hat z.B. das Thema einer Beschreibung einen Einfluss auf die Auswahl der geeigneten sprachlichen Mittel und Fachbegriffe: In Beschreibungen einer Grafik werden andere sprachliche Ausprägungen erwartet als in einer Wegbeschreibung im Alltag, einer Bildbeschreibung im Kunstunterricht, einer Pflanzenbeschreibung im Biologieunterricht, einer Vorgangsbeschreibung eines Experiments im Physikunterricht oder einer Beschreibung von Bewegungen im Sportunterricht. (Michalak 2015: 114) Diese drei Kategorien sind insofern für die Kommunikation in einzelnen Unterrichtsfächern relevant, als sie ihre Entsprechungen in den Beschreibungen der sprachlichen Kompetenzen der Bildungsstandards finden (s. Abb. 55). Sowohl in der Grundschule als auch in der Sekundarstufe sollen die Lernenden diese verschiedenen sprachlichen Aspekte in unterschiedlichen Kommunikationssituationen wahrnehmen und selbst fachspezifisch ausdifferenziert nach sprachlichen Handlungen (Beschreiben, Darstellen, Erklären, Präsentieren usw.) berücksichtigen können (vgl. KMK 2004b: 6; MSW NRW 2011b: 48). <?page no="171"?> 169 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Die SchülerInnen sollen präsentieren, darstellen, erklären … (MSW NRW 2011b: 48) Dimensionen der Sprachregister nach Halliday (1989) „fachspezifische Sachverhalte diskursives Sprachgebrauchsfeld/ Thema (field) unter Verwendung geeigneter sprachlicher Mittel und Fachbegriffe Diskursmodus/ sprachliche Mittel (mode) adressatenbezogen.“ Diskursstil/ Adressatenorientierung (style) Abb. 55: Dimensionen der Sprachregister nach Halliday im Kontext der (fach-)sprachlichen Kompetenzerwartungen in der Sekundarstufe I am Beispiel der Gesellschaftslehre (Michalak 2015: 114) Die geforderten sprachlichen Kompetenzen beim fachbezogenen Lernen gehen daher über die Kenntnisse von Vokabeln oder feststehenden Phrasen hinaus. Vielmehr beziehen sie die Auswahl der kontextangemessenen sprachlichen Mittel, den Adressatenbezug sowie den Gebrauch der adäquaten Diskursbzw. Textformen mit Berücksichtigung ihrer geforderten Funktion in verschiedenen Kommunikationssituationen ein (vgl. Decker-Ernst, Oomen-Welke 2013: 30; Michalak 2012b: 70f.). Hieran knüpft das SPRAAK-Modell an. Die Förderung des Sprachregistergebrauchs setzt beim Rezipieren spezifischer Diskurs- und Textformen an. Durch Zuhören und Lesen lernen die SchülerInnen Merkmale einzelner Textformen kennen und sie erfahren, was Textqualität in schriftlicher und mündlicher Kommunikation bedeutet (vgl. Michalak 2013a: 375). Diese Vorgehensweise stützt sich auf die Annahme, dass sprachliche Kompetenzen sich nicht primär durch Sprechen und Schreiben entfalten, sondern durch aktive rezeptive Tätigkeiten (vgl. Input-Hypothese, Krashen 1985: 98f.). So weiß ein Kind, dem viele Märchen vorgelesen wurden (rezeptive Tätigkeit des Kindes), dass die Erzählung eines Märchens (produktive Tätigkeit des Kindes) mit dem Satz Es war einmal anfängt. Für den Unterricht bedeutet dies, dass SchülerInnen zuerst sprachliche Routinen und Diskurs-/ Textmuster kennenlernen müssen, um diese selbst angemessen anwenden zu können (vgl. Michalak 2013c: 239). Zudem können die Sprachstrukturen bzw. sprachlichen Mittel den Lernenden erst in der Sprachverwendung bewusst und entfaltet werden (vgl. Output-Hypothese, Swain 1985). Daraus ergibt sich für die Lehrkraft die Konsequenz, bei der Unterrichtsvorbereitung verschiedene Diskurs- und Textformen genau zu analysieren (s. als Hilfe Abb. 39). Diese Hinführung an die sprachlichen Handlungsmuster erfolgt im SPRAAK- Konzept durch den Dreischritt Bewusstmachung - Vergleich - eigene Produktion. In jeder Phase wird dabei auf die drei Dimensionen der Sprachregister (Thema, Adressatenorientierung und sprachliche Mittel) eingegangen. Dieses Vorgehen wird nicht einmalig im Unterricht durchgeführt, sondern die einzelnen Schritte werden vor jeder Arbeit mit und an Texten bzw. in der fachbezogenen Kommunikation thematisiert (vgl. Michalak 2013a: 375). Bewusstmachung der Diskursbzw. Textform und -struktur In einem ersten Schritt wird den SchülerInnen bewusst gemacht, was eine Diskursbzw. Textform in dem jeweiligen inhaltlichen Situationskontext charakterisiert. Hierbei wird auf das vorhandene Wissen der SchülerInnen zurückgegriffen, indem inhaltliche Ideen zu dem jeweiligen Thema gesammelt und eigene Sprachressourcen aktiviert werden (field). Die in einer Mindmap oder durch eine andere Form der Visualisierung zusammengestellten Informationen und Vokabeln werden strukturiert (z.B. durch Sortierung nach Oberbegriffen, durch Zuordnung zu W-Fragen) 28 . Aufgeschrieben werden nicht nur einzelne Wörter, sondern auch die für 28 Beispielhafte Materialien dazu sind in Michalak 2009b zu finden. <?page no="172"?> 170 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? das Thema spezifischen Redemittel (mode). Auch die textuellen Zusammenhänge und Strukturen werden reflektiert. Abb. 56: Rolle des Vortragenden, Beispiel aus dem DaZ-Förderunterricht in einer Hauptschule, (Michalak 2007-2014/ Projekt SPRAAK) Im Mittelpunkt des Unterrichtsgesprächs stehen die Fragen nach der Funktion des Textes (informierend, sachlich usw.) und nach dem Adressaten sowie nach der von dem Verfasser des Textes zu erfüllende Rolle (style). Die Lernenden tauschen sich darüber aus, was die Adressa t - Innen eventuell zu dem Thema schon wissen und wie man auf sie eingehen sollte (vgl. Michalak 2013c: 241). Die Ergebnisse der gemeinsamen Diskussion werden in Plakaten bzw. an der Tafel (s. Abb. 56) festgehalten, die während der ganzen Förderung ergänzt werden. Beim Lesen eines Textes werden die SchülerInnen dazu angeleitet, verschiedene Erschließungsstrategien anzuwenden (s. Abb. 27), um die wesentlichen Informationen des Textes herauszuarbeiten und zugleich den Textaufbau wahrzunehmen. Die sprachlichen und inhaltlichen Informationen, die zu Unterrichtsbeginn zusammengestellt werden, werden im Verlauf der Unterrichtseinheit vervollständigt und zum Schluss noch einmal aufgegriffen, reflektiert und nach Möglichkeit um neue Erkenntnisse aus dem Unterricht ergänzt. Abb. 57: Beispiel aus dem DaZ-Förderunterricht in einer Hauptschule - eine von den Lernenden selbständig angefertigte Gegenüberstellung von zwei Textformen (Michalak 2007- 2014/ SPRAAK) <?page no="173"?> 171 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Vergleich durch Diskursbzw. Textgegenüberstellung In einem zweiten Schritt steht der Vergleich unterschiedlicher Äußerungen bzw. Texte im Vordergrund. Durch die Rezeption verschiedener Textversionen, die gegenübergestellt werden, werden die Lernenden auf die Verwendung besonderer sprachlicher Routinen und Fachbegriffe (mode) sowie die Textstruktur (style) aufmerksam gemacht: Zum einen betrachten die Schüle r - Innen die Unterschiede zwischen verschiedenen Textformen, z.B. Notizen versus Zusammenfassung (vgl. Abb. 57). Zum anderen werden gute versus nicht konforme Beispieltexte (z.B. konzeptionell mündlich versus konzeptionell schriftlich) miteinander verglichen. Solche zu analysierenden Äußerungen enthalten zwar die gleichen fachlichen Informationen, unterscheiden sich aber in der Wahl der sprachlichen Mittel bzw. im Textaufbau. In Partner- oder Gruppenarbeit wählen die SchülerInnen die angemessenere Textversion aus und sie begründen ihre Entscheidung. Verglichen wird auch die Funktion der Texte (style). Die Lernenden markieren die typische Reihenfolge (z.B. in einer Definition, Argumentation etc.) und sortieren Elemente aus, die die jeweilige Textform nicht enthalten darf (Kommentare, eigene Erfahrungen, eigene Meinung etc.). Durch die Sprachbetrachtung erarbeiten die SchülerInnen eine mögliche Gliederung der jeweiligen Diskurs-/ Textform und sie stellen die typischen Formulierungen aus den Texten zusammen, um auf diese Musterbausteine bei eigener Textproduktion zurückgreifen zu können (vgl. Michalak 2013c: 242, s. Abb. 58). Diese Vorgehensweise ermöglicht, Abb. 58: Beispiel für eine Ausarbeitung der für eine Argumentation spezifischen Gliederung sowie der sprachlichen Formulierungen, Deutschunterricht, Förderschule Lernen (Schulz 2012) <?page no="174"?> 172 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? angemessene Formulierungen sowie passende Textstrukturen sichtbar zu machen. SchülerInnen erhalten damit die Chance, selbst zu entdecken, wann welcher Text besser geeignet ist und warum dies der Fall ist (vgl. Michalak 2013a: 377). Ergänzend ist darauf einzugehen, wer als Adressat die Äußerung verstehen soll (vgl. Michalak 2013a: 375). Der sich ergebende Unterschied wird durch die Reflexion darüber verdeutlicht, wie die thematisierten fachlichen Inhalte einem Erwachsenen (z.B. einer Lehrperson) und einem Kleinkind (z.B. eigenen Geschwistern) zu erklären, zu präsentieren bzw. zu berichten sind. Auf diesem Wege werden das fachliche und sprachliche Vorwissen der EmpfängerInnen analysiert. Eigene Sprachproduktion Nach intensiver inhaltlicher und sprachlicher Vorarbeit erfolgt als dritter Schritt die Sprachproduktion. Die in den vorherigen Vorgehensphasen gesammelten Textbausteine bzw. eine gemeinsam erarbeitete Checkliste (s. Abb. 59) können beim selbstständigen Formulieren von eigenen Äußerungen als Orientierungshilfe genutzt werden. Solche Textmuster zeigen prototypisch auf, wie ein Text strukturell aufgebaut werden kann. Eine Zusammenstellung von textkonstruierenden Elementen wie Konnektoren und Adverbien kann ebenfalls als Unterstützung dienen. Zudem können Synonyme, Oberbzw. Unterbegriffe und andere stellvertretende Formulierungen zusammengestellt werden, die als Wiederaufnahmeelemente in einem kohärenten Text eingesetzt werden können (z.B. das Fahrrad - es, das Rad, das Bike, das Mountainbike, das Fahrzeug, das Kinderrad, das Klapprad). Solche Referenzübungen sind zugleich eine unterstützende Erschließungsstrategie, die bei der Textrezeption hilfreich ist (vgl. Michalak 2013a: 378). Abb. 59: Beispiel einer von den Lernenden mit DaZ erstellte n Checkliste für Erklärungen im Geschichtsunterricht (Goeke 2012) Die Textproduktion erfolgt in kooperativen Arbeitsformen in folgenden Schritten: Ideen sammeln, aussortieren, gliedern, ergänzen, den Text verschriftlichen, korrigieren und überarbeiten. Sprachlich schwächere SchülerInnen können zuerst einzelne Textbausteine zu einem kohärenten Text zusammenfügen. Je nach Leistungsniveau wird eine unterschiedliche Anzahl an Textausschnitten sowie an unpassenden Formulierungen angeboten, die auszusortieren sind. Werden die Ergebnisse eigener Textproduktion präsentiert, erhalten die Vortragenden ein Feedback, das die Beurteilungskriterien der erwähnten Checkliste enthält. In den Aufgaben sollten die SchülerInnen auch dazu aufgefordert sein, verschiedene Texte je nach AdressatInnen zu verfassen und damit die Texte fachlich und sprachlich je nach Erfahrungshintergrund und Sprachressourcen der RezipientInnen zu variieren. Hierfür bieten sich auch Rollenspiele an. <?page no="175"?> 173 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Bei diesem didaktischen Vorgehen kommt der Lehrkraft eine besondere Rolle zu. In der Kommunikation mit der Lehrperson werden die SchülerInnen mit einem formalen Register konfrontiert, lernen dadurch nicht nur den Unterschied zwischen Alltagssprache und der konzeptionellen Schriftlichkeit kennen, sondern ausgehend von den sprachlichen Mitteln nehmen sie auch die Rollenbeziehungen zwischen der Lehrkraft und den SchülerInnen wahr. Daher ist es wichtig, dass die Lehrkraft ihre eigene Sprache nicht an die Sprachvarianten der Schülerschaft anpasst (vgl. Michalak 2013a: 378f.). Abb. 60: Beispiel einer Definition, die nach Bewusstmachung von Textfunktion und -struktur von einem Hauptschüler mit DaZ (7. Klasse, Erstsprache Türkisch), im DaZ-Förderunterricht selbständig verfasst wurde (Michalak 2007-2014/ Projekt SPRAAK). Textrekonstruktion: Rucksack. Ein Rucksack ist ein Prakitsches wie, Sachen zu transpordieren zb. Bücher, Blaystadion 2 (Playstation 2), und andre Sachen es gibt verschiedene Farben und Marken. SPRAAK ist ein didaktisches Konzept, das eine ganzheitliche Sprachförderung in jedem Fachunterricht bietet (s. Zusammenstellung in Abb. 61). Die Vorgehensweise fokussiert die für das jeweilige Fach spezifischen Formulierungen und sprachlichen Handlungsmuster, die sich in der jeweiligen Unterrichtsituation ergeben. Dabei spielt die Textstruktur eine wichtige Rolle, was der Tatsache Rechnung trägt, dass das fachliche Lernen sich an der konzeptionellen Schriftlichkeit orientiert und stark textbasiert erfolgt. Die Vermittlung von Lese- und Schreibstrategien bildet einen wichtigen Baustein, um autonomes, selbstgesteuertes Lernen anzubahnen. Durch die Konzentration auf die drei Dimensionen von Registern werden die sprachlichen Anforderungen beim schulischen Lernen, die auch in den Bildungsstandards gefordert werden, ausdifferenziert. Durch gezielte Sprachreflexion und Betrachtung von bestimmten sprachlichen Elementen der fachlichen Kommunikation werden die SchülerInnen bei der Erschließung der Fachinhalte und beim Erwerb der fachspezifischen Denk- und Darstellungsweisen unterstützt. Im Vordergrund steht nicht die normativ verstandene grammatische Richtigkeit, sondern der funktionale Sprachgebrauch, der für den Fachunterricht von großer Bedeutung ist (s. Abb. 60). Das Modell erweist sich als effektiv in Hinblick auf die Entwicklung sowohl mündlicher als auch schriftlicher Kompetenz in der Primar- und Sekundarstufe sowie im Förderschwerpunkt Lernen (vgl. Michalak 2013c). Gerade die starke Musterorientierung, das Anbieten und <?page no="176"?> 174 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Trainieren von Textbausteinen und einer festen Reihenfolge der sprachlichen Formulierungen ermöglicht insbesondere den schwachen Lernenden einen deutlichen fachlichen und sprachlichen Lernzuwachs (vgl. Schulz, Michalak 2015). Die starke Ausrichtung auf Textmuster verlangt jedoch eine klare Beschreibung der sprachlichen Routinen für die spezifischen Diskurs- und Textformen, der sich auch die Fachlehrkräfte bei der Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung bedienen könnten. Dies setzt ein linguistisches Wissen bzw. ein Reflexionsvermögen über die fachspezifischen Textroutinen und sprachdidaktische Kompetenzen seitens der Lehrenden voraus. Zudem müssen die Lehrkräfte mit dem Konzept der Register im Sinne von Halliday (1989) vertraut sein, um den didaktischen Ansatz nachvollziehen zu können. Des Weiteren ist zu beachten, dass die (fach-)sprachliche Förderung nach dem SPRAAK-Prinzip mehr Zeit bei der Unterrichtsplanung- und -durchführung als bei der herkömmlichen Vorgehensweise beansprucht. Sprachregister angemessen anwenden können (SPRAAK) Begriffsbestimmung SPRAAK - Sprachregister angemessen anwenden können Der Begriff Sprachregister verweist auf die theoretische Konzeption, die dem Ansatz zugrunde liegt. Vertreter Magdalena Michalak (2010, 2012, 2013) Theoretischer Rahmen Notwendigkeit der intensiven Auseinandersetzung mit vielfältigen Sprachvarianten im schulischen Lernkontext; systemisch-funktionale Theorie und Sprachregister (Halliday 1985, 2004); Input-Hypothese (Krashen 1985); Output-Hypothese (Swain 1985) Zielsetzung die Förderung der Fähigkeit, situationsangemessen und adressatengerecht im Fachunterricht zu kommunizieren, selbst fachspezifische Diskursbzw. Textformen zu erwerben und adäquat zu gebrauchen Zentrale Prinzipien Sensibilisierung der SchülerInnen für situationsangemessenen Sprachgebrauch durch Sprachreflexion; Bewusstmachung bzw. Betonung der Funktion der jeweiligen Diskurs-/ Textform und ihrer kommunikativen Relevanz; Übungsabfolge vom rezeptiven zum produktiven Sprachgebrauch; starke Musterorientierung; besondere Berücksichtigung von SchülerInnen mit DaZ Herzstück Fokussierung der drei Dimensionen von Sprachregistern: Thema, Adressatenorientierung und sprachliche Mittel, die mit einer klaren dreischrittigen Vorgehensweise verbunden sind: (1) Bewusstmachung der Diskursbzw. Textstruktur und -funktion, (2) Vergleich durch Textgegenüberstellung, (3) eigene Sprachproduktion Vorteile des Ansatzes integratives Sprach- und Fachlernen; fachübergreifend einsetzbar; Kombination von rezeptiven und produktiven Sprachübungen; funktional angelegt; Orientierung an sprachlichen Routinen und Textmustern - besondere Unterstützung für sprachlich schwache Lernende; Förderung der Sprachaufmerksamkeit Herausforderungen ausgebildete Lehrkräfte, die mit der Registertheorie sowie Merkmalen verschiedener Diskurs- und Textformen vertraut sind; Zeitaufwand für die Unterrichtsvorbereitung und -durchführung Abb. 61: Prinzipien des SPRAAK-Ansatzes <?page no="177"?> 175 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht 4.2.3 3-Phasen-Modell Das 3-Phasen-Modell von Sabine Schmölzer-Eibinger (2006b, 2011, 2012) ist ein didaktisches Konzept zur Förderung der Textkompetenz. Damit liegt das Hauptaugenmerk auf einem bestimmten Aspekt der sprachlichen Kompetenz, der für das fachliche Lernen in einer Zweitsprache besonders relevant ist. Der Ansatz ist zwar primär auf die spezifische Situation des Lernens in der Zweitsprache Deutsch ausgerichtet, kann aber auch im Kontext von DaM mit dem Ziel eingesetzt werden, die rezeptiven und produktiven Fähigkeiten der SchülerInnen im Umgang mit Texten in jedem Fachunterricht aufzubauen und zu erweitern. Die Lernenden sollen darin unterstützt werden, „die Texte, mit denen sie im Unterricht konfrontiert werden, besser zu verstehen, sich über diese Texte zu äußern, selbst kohärente Texte zu schreiben und Texte als ein Instrument des Lernens zu nutzen“ (Schmölzer-Eibinger 2011: 13). Den Ausgangspunkt für dieses Modell bildet die These, dass Texte als Grundlage bzw. Medium des Lernens dienen. Daher gilt die Textkompetenz als eine Schlüsselkompetenz des Lernens, die die SchülerInnen zum sprachlichen Handeln in jedem Fach befähigt (vgl. ebd.: 191). Bei der Bewältigung der Anforderungen im Umgang mit Texten sind häufig insbesondere Lernende mit DaZ überfordert: Ihre Unsicherheiten bestehen nicht darin, einzelne Begriffe nicht zu verstehen, sondern den Text als Sinnganzes wahrzunehmen, den Texten relevante Informationen zu entnehmen und diese mit eigenem Vorwissen zu verknüpfen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2006b). Die theoretische Grundlage für den Ansatz bilden die Prinzipien der Literalen Didaktik: Das 3-Phasen-Modell ermöglicht den Lernenden integriertes Sprach- und Sachlernen sowie reflexives Handeln mit Texten durch authentische Lernsituationen (vgl. Schmölzer- Eibinger 2011: 192). Die drei Phasen - Wissensaktivierung, Arbeit an Texten und Texttransformation - beziehen sich aufeinander und verknüpfen Lese-, Sprech- und Schreibaktivitäten in kooperativen Aufgaben eng miteinander. Dabei kommt dem Schreiben eine besondere Bedeutung zu. Die sprachlichen und kognitiven Anforderungen werden schrittweise erhöht. Der Lerneffekt hängt somit maßgeblich mit der spezifischen Aufgabentypologie und -reihenfolge zusammen (vgl. ebd.: 193). Für die gesamte Arbeit mit dem Konzept ist es empfehlenswert, einen Rahmen über eine Unterrichtsreihe zu spannen. Erste Phase: Wissensaktivierung In der ersten Phase werden die Gedanken und Assoziationen, die mit dem Thema in Verbindung stehen, aktiviert. Durch assoziatives Sprechen bzw. Schreiben werden vorhandene Kenntnisse der SchülerInnen aufgerufen, um neue Informationen daran anknüpfen zu können (vgl. Schmölzer-Eibinger 2012: 173). Hierfür können verschiedene themenbezogene Impulse wie Bilder, Cartoons, Gegenstände oder Zitate als Ausgangspunkt für Einzel- oder Gruppenarbeit verteilt oder in der Klasse ausgehängt werden (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 195-197). Die SchülerInnen sollen dabei alles, was ihnen zu dem Sprech- oder Schreibstimulus spontan einfällt, sagen bzw. aufschreiben. Bei dem Arbeitsauftrag können die SchülerInnen auch verschiedene Rollen wie z.B. die eines Kritikers oder Reporters übernehmen, was ihnen beim Abbau von Redeblockaden durch Einnahme der Rolle bzw. Selbstdistanzierung helfen kann. Der Redebzw. Schreibfluss sollte nicht unterbrochen werden. Wird das vorhandene Vorwissen verschriftlicht, so sollten ganze Sätze - auch in der Erstsprache - aufgeschrieben werden. Dabei können jedoch orthographische oder grammatische Normen vernachlässigt werden. In Bezug auf DaZ oder sprachlich schwache Lernende erhält dies eine besondere Brisanz, da mit diesem Vorgehen eine demotivierende Erfahrung des Scheiterns vermieden wird und somit Schreibblockaden abgebaut werden können (vgl. ebd.: 194). Tragen die Lernenden ihre Gedanken auf Plakate ein, können diese für die weitere Arbeit genutzt werden, da sie zusätzlich neue Assoziationen hervorbringen. <?page no="178"?> 176 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Sowohl die Zeitvorgaben als auch die angebotenen Impulse sind der Lerngruppe anzupassen. Zu beachten ist, dass die bei der Wissensaktivierung zusammengestellten Informationen in den nächsten Phasen aufgegriffen werden sollten (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 202). Zweite Phase: Arbeit an Texten Der Kernbereich des Modells, Arbeit an Texten, ist in drei Stufen - Textkonstruktion - Textrekonstruktion - Textfokussierung und Textexpansion - gegliedert, in denen Aufgaben jeweils zu unterschiedlichen Aspekten des rezeptiven und produktiven Umgangs mit Texten im Vordergrund stehen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2012: 176). So werden mündliche und schriftliche Aktivitäten sowie inhaltliche und sprachliche Elemente miteinander verwoben (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 192). Bei der Textkonstruktion wird an Fragmenten eines Textes gearbeitet, indem sie ergänzt bzw. erweitert werden. Die Aufgabe der SchülerInnen besteht darin, kohärente, sachangemessen und sprachlich konforme Texte zusammenzustellen (ebd.: 197). Hierfür können verschiedene Aufgabenstellungen in Partnerbzw. Gruppenarbeit angeboten werden (vgl. Schmölzer- Eibinger 2011: 197-199; 2012: 176): • Die vorgegebenen ersten Sätze des Textes werden mit eigenen Sätzen fortgesetzt und als ein zusammenhängender Text aufgeschrieben. • Der erste Teil des Textes wird um einen Satz erweitert. Der Partner bekommt ausschließlich den letzten Satz zu lesen, den er weiter ergänzt. Das Blatt wird dem nächsten Schüler weitergegeben, der genauso verfährt. Der so entstandene Text wird vorgelesen, gemeinsam überarbeitet und im Anschluss mit dem Originaltext verglichen. • Die letzten Abschnitte des Textes werden vorgegeben. Die Lernenden vervollständigen diese um passende Teile, die vorher stehen könnten. • Ergänzt werden die Anfangs- und Endsätze eines Textes. • Vorgegeben werden Absätze eines jeden Textabsatzes. Diese werden zu einem kohärenten Text ergänzt. • Präsentiert wird jeder zweite Satz des Textes. Nach jedem Satz soll ein neuer eingefügt werden. • Die SchülerInnen erhalten Lückentexte, in denen Präpositionen und/ oder Konjunktionen getilgt wurden. Diese sind zu ergänzen. Die Lösung der Aufgaben erfordert sowohl sprachliche als auch fachliche Kenntnisse zu dem jeweiligen Thema: Die Lernenden müssen Vermutungen über die Leerstellen im Text aufstellen, Sinnzusammenhänge erfassen und dabei ihr zuvor aktiviertes Vorwissen einfließen lassen. Beim durchgängigen Lesen, bei der Überprüfung und vielleicht beim Revidieren der zu ergänzenden Texte wird die Aufmerksamkeit auf die lokale und globale Ebene des Textes gelenkt. An die verschiedenen Aufgabenbeispiele schließen sich immer vergleichende und Überarbeitungsphasen sowie die Arbeit mit dem Originaltext an. Hier steht die Fähigkeit des kritischen Umgangs mit Texten im Mittelpunkt; die Rückmeldungen der anderen Lernenden können für eine Überarbeitung genutzt werden. Da die Aufgabenform den SchülerInnen ermöglicht, den Umfang und den Inhalt eigener Texte selbst zu steuern, ist die komplexe Anforderung immer am Sprach- und Wissensstand orientiert (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 196). Bei der Textrekonstruktion werden Textteile, die durcheinander geraten sind, ‚repariert‘ (vgl. Schmölzer-Eibinger 2012: 177). Fragen nach der Textstrukturierung und -kohärenz werden in den Vordergrund gerückt (vgl. Wolff 2002: 385). Hierfür bieten sich Aufgaben an, <?page no="179"?> 177 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht welche die Fähigkeiten fördern, logische Abfolgen in einem Text zu erkennen und selbst herzustellen (vgl. Kern 2000): • Anordnen der Textfragmente in der richtigen Reihenfolge; • Absatzpuzzle - Die SchülerInnen lesen in Einzelarbeit verschiedene Abschnitte eines Textes und erläutern den Inhalt ihres Abschnitts einer Kleingruppe. Die Gruppe bringt gemeinsam die Textfragmente in eine logische Reihenfolge. Anschließend erfolgt ein Vergleich der Ergebnisse verschiedener Gruppen und mit dem Originaltext; • Dictogloss - Ein mehrmals gehörter Text wird in Kleingruppen sowohl inhaltlich als auch grammatisch möglichst genau rekonstruiert. Lernen erfolgt dabei im Dialog, da die Schüle r - Innen bei der gemeinsamen Erarbeitung des Textes über die gehörten Sprachstrukturen sprechen und zugleich über den sprachlichen Output reflektieren (vgl. Stollhans 2012: 620). In Aufgaben zur Textfokussierung und Textexpansion wird mit vollständigen Texten gearbeitet. Bei der Textfokussierung üben die SchülerInnen, wichtige Informationen in einem Text zu erkennen, diese nach Relevanz zu selegieren und miteinander zu verknüpfen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2012: 178). Hierbei stehen in verschiedenen Aufgabenformaten unterschiedliche Lesestile im Fokus (vgl. ebd.; Schmölzer-Eibinger 2011: 200): • Schriftliche Zusammenfassung eines Abschnittes bzw. Textes in nur einem Satz, • Formulierung bzw. Zuordnung von Überschriften zu Textabschnitten, • Gliederung des Textes in Themenbereiche und Formulierung passender Unterüberschriften, • Markierung von Schlüsselwörtern, Kernaussagen oder Schlüsselpassagen, • Ergänzung des Textes durch bildliche Darstellungen, Diagramme, Reaktionsgleichungen etc. Aufgabenstellungen zur Textfokussierung sind somit auf die Erarbeitung zentraler Aussagen ausgerichtet. Bei der Textexpansion werden dagegen die Kernaussagen des Textes zu einem kohärenten Text erweitert (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 212). Dritte Phase: Texttransformation In der dritten Phase des Modells, der Texttransformation, werden Bedeutungen aus den jeweiligen Kontexten herausgelöst und in neue Kontexte transferiert . Das Ziel ist es, die Texte zu interpretieren, zu verändern und in neuen Zusammenhängen zu nutzen (vgl. Schmölzer- Eibinger 2012: 179). Dies kann geschehen, indem man Informationen aus mehreren Kontexten (Sachtext, Gedicht und Filmbeitrag) in einem neuen Text formulieren bzw. zusammenführen lässt. Hierfür können beispielsweise verschiedene Texte zum gleichen Thema angeboten werden, deren Aussagen die SchülerInnen zusammenstellen und für eigene Argumentationstexte nutzen können (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 214). Der Fokus der Arbeit kann auch auf die Textsorten gelegt werden, indem Sachtexte in literarische Texte (z.B. in eine Phantasieerzählung, eine Fabel, eine Kriminalgeschichte oder in einen szenischen Text mit mehreren Rollen) oder umgekehrt umgewandelt werden (vgl. ebd. 215). Das 3-Phasen-Modell, das auf alle Fächer übertragbar ist, konzentriert sich auf die Schriftlichkeit und die Förderung der Textkompetenz (s. Zusammenstellung in Abb. 62). Diese wird durch die steigende Komplexität der Aufgaben stetig und schrittweise aufgebaut und gleichzeitig gefordert. Der Ansatz ist stark konstruktivistisch angelegt und nutzt kooperative Lernformen, die eine unterstützende Interaktion sichern. Hierbei werden die mündlichen Kompetenzen der SchülerInnen nicht explizit ausgebaut, sondern als ein Mittel für die Aushandlungsprozesse <?page no="180"?> 178 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? genutzt. Durch die intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Textformen zu einem Thema wird die Fähigkeit der Fokussierung und Selektierung von Bedeutungen, der Hypothesenbildung sowie deren Testung geschult. Dies kann für den Fachunterricht eine Herausforderung darstellen, da in dem Zusammenhang auch mit Textsorten (z.B. Märchen, Abenteuergeschichte) gearbeitet wird, die für das jeweilige Fach nicht typisch sind. Hierfür sind bestimmte linguistische und sprachdidaktische Kompetenzen seitens der Lehrenden erforderlich, um den Unterricht angemessen vorbereiten zu können. Desto hilfreicher ist für Lehrkräfte, die mit dem 3-Phasen-Modell arbeiten wollen, die zusammengestellte Aufgabentypologie zur Förderung der Textkompetenz (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011: 203-216). Die Auswahl der Übungen, die Unterrichtsplanung und -durchführung nach dem 3-Phasen-Modell nehmen mehr Zeit in Anspruch als herkömmliche Ansätze. Des Weiteren ist bei diesem Konzept zu beachten, dass ein starker Grad an Motivation insbesondere zum Schreiben seitens aller Beteiligten vorausgesetzt wird. 3-Phasen-Modell zur Förderung von Textkompetenz Begriffsbestimmung Der Name des Modells leitet sich von der Struktur der Vorgehensweise ab, die aus drei Phasen besteht. Vertreter Sabine Schmölzer-Eibinger (2006b, 2011, 2012) Theoretischer Rahmen Textkompetenz als ein Instrument des Lernens; Unsicherheiten von DaZ- Lernenden auf der Textebene, Literale Didaktik Zielsetzung Förderung der Textkompetenz im Fachunterricht, d.h. schrittweiser Aufbau der Fähigkeit, mit Texten rezeptiv und produktiv umzugehen; besondere Berücksichtigung von Lernenden mit DaZ Zentrale Prinzipien Integriertes Sprach- und Sachlernen; authentische Sprachpraxis; Sprachaufmerksamkeit und -reflexion; Verbindung von rezeptiven und produktiven Tätigkeiten; Kooperation; Fokus auf Schreiben; Anknüpfung an das Vorwissen der Lernenden; spezifische Abfolge und Kombination der Aufgaben und Sozialformen Herzstück 3-Phasen mit spezifischen Aufgabenformaten, Zielen und Sozialformen bestehend aus: (1) Wissensaktivierung, (2) Arbeit an Texten und (3) Texttransformation Vorteile Anwendung in jedem Fachunterricht, Strukturierung mit klar definierten, aufeinander aufbauenden Aufgabentypen; Integration von Lese- und Schreibaufgaben im Fachunterricht Herausforderungen ausgebildete Lehrkräfte, die mit dem Konzept vertraut sind; starke Motivation der SchülerInnen zum Schreiben bzw. Aufbau der Motivation, Hinführung zum Thema durch Arbeit mit den für den Fachunterricht untypischen Textformen (z.B. freie Assoziationen, eigene Meinung zum jeweiligen Thema, literarische Texte); Zeitaufwand bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung Abb. 62: Prinzipien des 3-Phasen-Modells 4.2.4 SIOP Das Konzept SIOP ist in den USA von Jana Echevarria und Mary Ellen Vogt (1998, 2008) entwickelt worden. Anders als die bisher skizzierten didaktisch-methodischen Ansätze bezieht sich SIOP nicht auf die Entfaltung bestimmter sprachlicher (Teil-)Kompetenzen, sondern bietet einen Leitfaden für die ganzheitliche Planung und Durchführung eines sprachbewussten Unter- <?page no="181"?> 179 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht richts an: Ziel des Modells ist die Konzipierung von Unterrichtseinheiten, die den unterschiedlichen Spracherwerbsbiografien der SchülerInnen mit ihren spezifischen Lernbedürfnissen Rechnung tragen und in denen integratives Sprach- und Fachlernen stattfindet. Dies wird durch das detaillierte SIOP-Unterrichtsprotokoll (engl.: Sheltered Instruction Observation Protocol) erreicht, das als ein Kriterienkatalog fungiert und die Formulierung von sprachlichen Lernzielen und die Initiierung von sprachlichen Lernanlässen und Übungsformen einfordert (vgl. Beese; Benholz 2013: 41f.). Das klar strukturierte Protokoll ist ursprünglich als ein Forschungs- und Beobachtungsinstrument für die Evaluation des Unterrichts entwickelt worden (vgl. Echevarria et al. 2008: 15). Es setzt sich aus acht übergeordneten Komponenten mit 30 Unterpunkten zusammen, nach denen der Unterricht geplant und gestaltet wird (vgl. ebd.: 16): 1. Unterrichtsvorbereitung Im Planungsprozess sind die Lehrkräfte aufgefordert, fachliche (1) und sprachliche (2) Lernziele zu formulieren sowie die fachlichen Konzepte gemäß dem Alter und dem sozialen und sprachlichen Hintergrund der SchülerInnen auszuwählen (3). Um verschiedene Lernertypen anzusprechen, sollen unterschiedliche sprachliche und nichtsprachliche Materialien und Visualisierungsformen wie Bilder, Modelle, reale Gegenstände usw. genutzt werden (4). Das Material wird an das sprachliche Niveau der Lernenden angepasst. Durch die Vermittlung von geeigneten Strategien (z.B. Texterschließungsstrategien) können die SchülerInnen an das Material sprachlich herangeführt werden (5). Die Lehrkräfte wählen Aktivitäten und Übungen aus, die für die Lernenden funktional von Bedeutung sind und ihnen authentisches, am Fachgegenstand ausgerichtetes Sprachlernen ermöglichen (6) (vgl. Beese 2010). Die auf diesem Wege festgelegten fachlichen und sprachlichen Ziele werden sprachlich angemessen für die Zielgruppe formuliert und im Klassenraum transparent gemacht (s. Abb. 63). Abb. 63: Sprachliche und fachliche Lernziele im Biologieunterricht, 7./ 8. Klasse einer Realschule <?page no="182"?> 180 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? 2. Aufbau von Hintergrundwissen Hier gilt es, Verbindungen zwischen den Vorerfahrungen bzw. dem Vorwissen und dem neu zu erwerbenden fachlichen Wissen aufzubauen (7). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Lernenden eventuell über kein Vorwissen zu der jeweiligen Thematik verfügen und dieses im Unterricht erst aufgebaut werden muss (vgl. Echevarria et al. 2008: 57). Durch Wiederholungen werden Verknüpfungen von bereits erworbenen Fachinhalten z.B. in einer vergangenen Unterrichtstunde zu den neu zu lernenden Fachkonzepten aufgebaut (8). Der für das fachliche Thema erforderliche Fachwortschatz - auch Operatoren oder Diskursfunktionen (vgl. Beese 2010: 2) - wird explizit durch Hervorhebungen, durch schriftliche und mündliche Darbietungen sowie durch Wiederholungen vermittelt (9). 3. Verständnissichernder Input SIOP-basierter Unterricht schließt den reflektierten Einsatz und Gebrauch der eigenen Lehrersprache ein. Lehrkräfte sind hier aufgefordert, ihre Sprache dem sprachlichen Niveau der Lernenden anzupassen (10), indem sie reflektieren, wie sie sprechen (Pausen, Sprechtempo, klare Artikulation) und was sie sagen (verwendeter Wortschatz, syntaktische Komplexität) (vgl. Echevarria et al. 2008: 80). Zudem sollten die SchülerInnen einen reichhaltigen sprachlichen Input geboten bekommen. Des Weiteren sind die Aufgabenstellungen verständlich und eindeutig zu formulieren (11). Um Fachinhalte verständlich zu vermitteln, werden verschiedene Techniken (z.B. der Einsatz von Gestik und Mimik) und Repräsentationsformen (z.B. grafische Darstellungen) genutzt (12). 4. Strategien Lehrkräfte werden zum einen dazu angehalten, selbst Strategien effektiv zu nutzen. Zum anderen sollen sie den Lernenden metakognitive, kognitive und soziale Strategien vermitteln und sie darin unterstützen, ein reichhaltiges Spektrum an Lernstrategien einzusetzen (13). Damit lernen die SchülerInnen, ihren Lernprozess selbst zu überwachen und zu optimieren. Zusätzlich verwenden die Lehrkräfte „Scaffolding techniques“ (14), um die SchülerInnen in ihren fachlichen und sprachlichen Lernprozessen zu unterstützen und sie zur nächsten Zone der Entwicklung im Sinne von Wygotski (1978) zu führen (vgl. Echevarria et al. 2008: 100). Als verbale Unterstützungstechniken werden Umschreibungen, Definitionen, korrektives Feedback und das Verwenden von Protokollen Lauten Denkens empfohlen. In diesem Rahmen führt die Lehrkraft vor, wie sie beispielsweise selbst eine Strategie verwendet oder einen Text produziert. Zudem werden Aufgaben und Fragen mit einem höheren kognitiven Anspruch gestellt (15). Die SchülerInnen werden ebenfalls dazu animiert, eigene Fragen zu stellen. 5. Interaktion Der Unterricht soll die Erhöhung des Redeanteils der SchülerInnen anstreben und Lerngelegenheiten schaffen, die es den Lernenden ermöglichen, Bedeutungen fachlich und sprachlich auszuhandeln. Dafür sollen ihnen vielfältige Interaktions- und Diskussionsmöglichkeiten angeboten werden (16). Dies kann durch die Auswahl unterschiedlicher Sozialformen geschehen, die den Redeanteil der SchülerInnen erhöhen und unterschiedliche Lernertypen ansprechen (17). Den Lernenden muss dabei ausreichend Zeit gegeben werden, eigene Antworten zu formulieren (18). Schließlich sollen den SchülerInnen Materialien in ihrer Erstsprache bereitgestellt werden, die ihnen gegebenenfalls die Erschließung von wichtigen fachlichen Konzepten auch in ihrer Erstsprache ermöglichen (19) (vgl. Beese 2010: 2; Echevarria et al. 2008: 128). <?page no="183"?> 181 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht 6. Übungen und Anwendungen Die SchülerInnen üben das Gelernte an neuen Materialien und übertragen es auf neue Kontexte. Die Lehrkräfte sollen Übungsanlässe schaffen, in denen die neuen Inhalte durch unterschiedliche Handlungen (Ordnen, Klassifizieren, Beobachten, Experimentieren, Analysieren etc.), durch vielfältige Materialien (reale Gegenstände, Bilder usw.) und verschiedene Übungsformen (kinästhetisch, visuell, verbal usw.) trainiert und angewendet werden (20). Ebenso sollen Aktivitäten berücksichtigt werden, die kreatives Schreiben (z.B. Tagebucheintrag aus der Sicht eines Protagonisten), alternative Textformen (z.B. Reisebucheintrag oder Leserbrief im naturwissenschaftlichen Unterricht) und alternative Sozialformen (kooperatives Lernen, Plenumsdiskussionen usw.) umfassen (vgl. Echevarria et al. 2008: 141). Aufgaben zur Anwendung sollten möglichst viele sprachliche Fertigkeiten einschließen und in unterschiedlicher medialer Ausgestaltung (schriftlich, mündlich, digital) erfolgen (22). Auf diese Weise bekommen die SchülerInnen die Gelegenheit, in verschiedenen medialen Formen zu kommunizieren und das neu erworbene Wissen sowohl mündlich als auch schriftlich anzuwenden. 7. Umsetzung der Stunde Diese Komponente des Protokolls fokussiert pädagogisches Handeln, das die konkrete Umsetzung der geplanten Lernziele und Aktivtäten unterstützt. So soll die Lehrkraft durch ihr Verhalten, zum Erreichen der fachlichen (23) und der sprachlichen Lernziele (24) in der jeweiligen Unterrichtsstunde beitragen. Die Lernziele sind explizit in das Unterrichtsgeschehen einzubeziehen, indem die SchülerInnen über sie untereinander diskutieren oder am Ende der Stunde mit der Lehrkraft darüber reflektieren, warum ein Lernziel eventuell nicht erreicht wurde. Dies setzt jedoch voraus, dass die Lernziele schülergerecht formuliert werden (s. Abb. 64). Des Weiteren soll die Beteiligung der Schülerinnen an der Unterrichtsstunde durch kooperative Methoden wie Think-Pair-Share 29 auf 90-100 % erhöht werden (25) (vgl. Echevarria et al. 2008: 155). Unter Beteiligung werden hier sowohl rezeptive („aktives Zuhören“) als auch produktive Aktivitäten („Schreiben“, „Lesen“, „Bewegen“) verstanden. Bei überwiegend rezeptiven Tätigkeiten, wie beim Schauen eines Films oder beim Anhören einer Präsentation können die SchülerInnen beispielsweise durch Beobachtungsaufträge oder Leitfragen zum aktiven Zuhören angeleitet werden. Der letzte Punkt dieser Komponente bezieht sich auf ein angemessenes Lerntempo. Die Lehrkraft soll eine Balance finden zwischen der Geschwindigkeit, mit der sie den jeweiligen Lernstoff präsentiert, und den Fähigkeiten der SchülerInnen (26). Dies hängt sowohl mit der Komplexität der Fachinhalte als auch mit dem sprachlichen und fachlichen Vorwissen der Lernenden zusammen. 29 Das Think-Pair-Share erfolgt in drei Schritten: Beim ersten Schritt („Think“) beschäftigt sich zunächst jeder Einzelne mit einer Frage oder einem Thema und notiert sich Stichpunkte dazu. Im zweiten Schritt („Pair“) tauschen sich die SitzpartnerInnen miteinander aus und vergleichen Notizen und eigene Gedanken. Im dritten Schritt („Share“) erfolgt der Austausch im Plenum. Unsichere und ängstliche sowie sprachschwache Lernende erhalten durch diese Methode die Möglichkeit, zunächst ihre Gedanken sprachlich zu formulieren, um sich dann am Unterrichtsdiskurs zu beteiligen (vgl. Konrad, Traub 2008: 151). <?page no="184"?> 182 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Lernzielformulierungen für den Mathematikunterricht 6. Klasse der Gesamtschule für die Lehrkraft: für die SchülerInnen: fachlich Die SuS stellen einfache Bruchteile auf verschiedene Weise dar: handelnd, zeichnerisch an verschiedenen Objekten, durch Zahlensymbole und als Punkte auf der Zahlengerade. Die SuS deuten sie als Größen, Operatoren und Verhältnisse und nutzen die Methode des Erweiterns und Kürzens zum Vereinfachen der Brüche. Ich kann Brüche auf verschiedene Weise darstellen, z.B. sie in einen Kreis einzeichnen oder auf einem Zahlenstrahl anordnen. Ich kann mit Brüchen Anteile und Verhältnisse beschreiben. Ich kann Brüche erweitern und kürzen. sprachlich Die SuS können unterschiedliche Darstellungsformen von Brüchen mündlich erklären. Ich kann einen Bruch unterschiedlich darstellen (z.B. mithilfe von Figuren) und meinem Sitznachbarn mündlich erklären. Die SuS können anhand eines Beispiels eine Rechengeschichte zu einer Verteilungssituation verfassen. Die SuS können das Verfahren der Erweiterung und Kürzung von Brüchen mündlich erklären und dabei korrekt zwischen Bruch und Bruchzahl unterscheiden. Ich kann eine Rechengeschichte dazu schreiben, wie ich etwas verteile (z.B. 3 Pizzen für 4 Kinder). Ich kann meinem Sitznachbarn mündlich erklären, wie man Brüche erweitert und kürzt. Ich kann zwischen Bruch und Bruchzahl unterscheiden. Abb. 64: Lernzielformulierungen am Beispiel Mathematik (Grundlage: MSW NRW 2004b: 20), SuS=Schülerinnen und Schüler 8. Wiederholung und Leistungsüberprüfung In der achten Komponente hat die Lehrkraft vier Elemente zu berücksichtigen: Durch unterschiedliche Übungsformen (z.B. Formulieren von Umschreibungen und Definitionen durch die SchülerInnen, Anfertigung individueller Wortschatzhefte) werden die für den jeweiligen Fachinhalt bzw. die für ein fachliches Konzept erforderlichen fachsprachlichen Strukturen wiederholt, um sie zu festigen. Zudem erhalten die SchülerInnen dadurch eine Orientierung, welche fachsprachlichen Lerninhalte beim Lernen zu fokussieren sind (27). Dies betrifft ebenso die fachlichen Konzepte, die gezielt wiederholt und forciert werden (28). Die Reflexion über die fachlichen Inhalte kann u.a. durch folgende Satzanfänge eingeleitet werden (vgl. Echevarria et al. 2008: 170): • Ich habe entdeckt/ gelernt, dass ... • Ich habe immer noch nicht verstanden, wie/ warum ... • Ich habe immer noch eine Frage zu ... • Ich möchte immer noch wissen, ... Ein weiterer Aspekt bezieht sich auf das regelmäßige Feedback zu den schriftlichen und mündlichen Leistungen der SchülerInnen (29), das durch die Lehrkraft oder durch die SchülerInnen der Klasse als sogenanntes Peer-Feedback erfolgen kann (vgl. ebd.: 171). Der letzte Punkt umfasst die Kontrolle des Lernerfolgs der fachlichen und sprachlichen Lernziele (30). <?page no="185"?> 183 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Insgesamt stellt das SIOP-Modell mit dem SIOP-Protokoll ein klar strukturiertes Konzept für Lehrkräfte bereit, das sprachliches und fachliches Lernen miteinander verbindet und fächerübergreifend einsetzbar ist (vgl. Beese 2010: 3). Es ist ein ganzheitlicher Ansatz: Es werden nicht einzelne sprachliche Aspekte gefördert, sondern das unterrichtliche Geschehen wird als Gesamtkonzept betrachtet und ausführlich geplant (s. Zusammenstellung in Abb. 65). Ein Vorteil des Konzeptes ist auch, dass es sehr praxisorientiert ist und dass zahlreiche Materialien mit exemplarischen Unterrichtsvideos 30 vorhanden sind. Die Arbeit nach dem Modell setzt jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit dem SIOP-Protokoll voraus, das wertvolle Hinweise für eine sprachsensible Unterrichtsgestaltung liefert. SIOP kann daher erfolgreich sein, „wenn es eingebettet ist in ein Programm systematischer Aus- und Fortbildung von Lehrkräften aller Fächer“ (Beese 2010: 4). Dies erfordert zugleich den Erwerb von fachsprachlichem und DaZ-spezifischem Wissen und Kenntnisse sprachfördernder Lernstrategien (vgl. Beese; Benholz 2013: 42). SIOP Begriffsbestimmung SIOP (engl. Sheltered Instruction Observation Protocol) - Unterrichtsprotokoll, das dem Modell zugrunde liegt SIOP-Modell - Konzept zur Unterrichtsplanung, -durchführung und -evaluation Vertreter Jana Echevarria, Anne Graves, Mary Ellen Vogt (1998, 2004, 2008) Theoretischer Rahmen Zone der nächsten Entwicklung (Wygotski 1978); Input-Hypothese (Krashen 1985), Output-Hypothese (Swain 1985); Protokoll - Kriterienkatalog als Leitfaden für die Unterrichtsplanung und -durchführung Zielsetzung konsequente Verzahnung von sprachlichem und fachlichem Lernen; besondere Berücksichtigung der Lernsituation von Zweitsprachenlernenden durch strukturierte Planung, Durchführung und Evaluation des Unterrichts Zentrale Prinzipien durchgängige und gleichberechtige Förderung sprachlicher und fachlicher Kompetenzen; Einsatz des strukturierten Unterrichtsprotokolls; Planung des Unterrichts hinsichtlich fachlicher, sprachlicher und methodischer Aspekte; handlungsorientiertes, aufgabenbezogenes und anwendungsorientiertes Lernen, um den aktiven Erwerb von sprachlichen und fachlichen Kompetenzen zu ermöglichen Herzstück SIOP-Protokoll bestehend aus 8 Komponenten (Unterrichtsvorbereitung, Aufbau von Hintergrundwissen, verständlicher Input, Strategien, Interaktion, Anwendung, Umsetzung der Stunde, Wiederholung und Leistungskontrolle), die mit 30 Unterpunkten ausdifferenziert werden. Vorteile klar, strukturiertes Vorgehen für Lehrkräfte; fächerübergreifend einsetzbar; Förderung fachsprachlicher Kompetenzen in jeder Unterrichtsstunde; das Protokoll auch als Basis für die Unterrichtsevaluation Herausforderungen ausgebildete Lehrkräfte, die mit dem SIOP-Protokoll vertraut sind; intensive Auseinandersetzung und stetige Fortbildung im Umgang mit dem Protokoll; enge Zusammenarbeit mit Sprach- und insbesondere DaZ-Lehrkräften ist wünschenswert; zeitlicher Aufwand Abb. 65: Prinzipien des SIOP-Modells 30 Weiterführende Informationen (Bücher, Filme usw.) finden Sie auf der folgenden Internetseite: http: / / siop.pearson.com. <?page no="186"?> 184 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? 4.2.5 Concept Mapping In den naturwissenschaftlichen Fächern hat sich die Methode des Concept Mapping etabliert, welche die SchülerInnen beim Wissenserwerb und Aufbau von Konzepten unterstützen soll (vgl. Prechtl 2014: 101). Concept Maps (s. Abb. 66) sind Begriffslandkarten bzw. -netze, die aus Begriffen eines Themengebiets bestehen und Zusammenhänge zwischen den Begriffen bzw. Konzepten veranschaulichen (vgl. Behrendt, Reiska 2001: 9). Sie wurden Ende der 60er Jahre in den USA von Joseph Novak (1977) ursprünglich als ein Diagnoseinstrument entwickelt; schnell wurde jedoch ihr Potenzial als eine Lehr- und Lernstrategie erkannt und nachgewiesen (vgl. Haugwitz, Sandmann 2009: 90). Die Methode fördert somit nicht direkt die Entwicklung von sprachlichen Kompetenzen; sie bietet jedoch vielfältige Möglichkeiten für sprachliche Differenzierung sowie Unterstützung in jedem Unterricht. Abb. 66: Beispiel einer Concept Map aus dem Bereich Physik (Behrendt, Reiska 2001: 11) Die Grundlage für die Methode bildet die konstruktivistisch angelegte Assimilationstheorie von Ausubel (1963, 1968): Lernende generieren das Wissen aktiv im Lernprozess. Lernen erfolgt durch die Integration von neuen Konzepten und Propositionen (d.h. die Bedeutung von Aussagen mit einem Wahrheitswert - wahr oder falsch) in bereits vorhandene Wissensstrukturen. Das Wissen ist somit als ein Netzwerk von Begriffen organisiert, die durch Relationen eng miteinander verwoben sind (vgl. Behrendt, Reiska 2001: 9). Um die SchülerInnen beim Ausbau ihrer individuellen kognitiven Strukturen zu unterstützen, soll der Stoff im Lernprozess durch sog. Advance Organizer (vor-)strukturiert werden (vgl. Novak, Cañas 2008: 3-5). Dies kann durch den expliziten Aufbau von kognitiven Vernetzungen in Form von Concept Maps geschehen (s. Abb. 67): Durch die grafische Darstellung werden die Begriffe bzw. wesentliche Konzepte zusammengestellt und durch Relationen in Verbindung gebracht (vgl. Haugwitz, Sandmann 2009: 90). Die Verknüpfungen werden durch Linien mit Pfeilen markiert und mit koordinierenden Wörtern bzw. Formulierungen (Linking Words) beschriftet, die zusammen mit den Begriffen eine Proposition abbilden. Visualisiert werden nicht nur Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen, sondern auch Hierarchien zwischen verschiedenen Ebenen (vgl. Novak, Cañas 2008: 11). <?page no="187"?> 185 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht Abb. 67: Bestandteile einer Concept Map Der optimale Einsatz von Concept Maps als Lernhilfe erfordert Kenntnisse über die Vorgehensweise und den Nutzen dieses Ansatzes. Daher empfiehlt es sich, die Lernenden vorab gezielt in diese Methode einzuführen. Für das Erstellen des ersten Begriffsnetzes bietet es sich an, den Themenbereich einzuschränken und schon bekannte Inhalte auszuwählen. Hierfür ist es hilfreich, Kernfragen zu formulieren, die eine Eingrenzung des Themas bzw. der Fragstellungen ermöglichen (vgl. Novak, Cañas 2008: 11). In einem nächsten Schritt werden die Inhalte auf zentrale Begriffe in dem jeweiligen Bereich - meistens 15 bis 25 - reduziert. Diese Konzepte werden zuerst aufgelistet und anschließend vom Allgemeinen zum Speziellen sortiert. So wird eine erste Hierarchie aufgebaut, die jedoch in Abhängigkeit von den sich ergebenden Relationen modifiziert wird (vgl. ebd.: 12). In einem nächsten Schritt entsteht der erste Entwurf einer Concept Map. Ist die Struktur der Inhalte festgelegt, werden Verknüpfungen zwischen den Begriffen hinzugefügt. Diese optische und inhaltliche Zuordnung hilft insbesondere die komplexen Relationen zwischen den Inhalten in einem Bereich zu veranschaulichen (vgl. Budde, Michalak 2014: 26). Zudem zeigen die markierten Verbindungen, inwiefern die Lernenden die Verknüpfungen zwischen den Ebenen verstanden und somit die Inhalte durchdrungen haben. Novak und Cañas (2008: 12) betonen in diesem Zusammenhang, dass ein Begriffsnetz mehrmals überarbeitet werden muss, bevor die Endversion einer Concept Map entsteht: Die vorhandenen Konzepte werden umgestellt, Relationen umstrukturiert oder die Strukturen können mit neuen Begriffen ergänzt bzw. erweitert werden. Aus diesen Gründen ist es zweifellos von Vorteil, eine Concept Map mithilfe eines Computerprogramms 31 zu erstellen (s. Abb. 68). 31 Zum Downloaden unter http: / / cmap.ihmc.us (vgl. Novak, Cañas 2008: 14). <?page no="188"?> 186 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? Abb. 68: Concept Map zum Thema Vögel, mit eingebauten Bildern, Webseiten, Videos usw., erstellt mit dem Programm CmapTools (Novak, Cañas 2008: 14) Sind die SchülerInnen mit der Methode vertraut, stellen Begriffsnetze vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Unterricht verschiedener Klassenstufen bereit (vgl. Behrendt, Reiska 2001: 10). Hier kann man je nach fachlichem und sprachlichem Niveau der Lernenden und je nach Lernziel variieren bzw. differenzieren. Die Lehrkraft kann entscheiden, ob die SchülerInnen selbst alle passenden Begriffe zu dem jeweiligen Thema ergänzen, die Fachtermini zu einem vorgegebenen Kernbegriff wie z.B. Atom aufschreiben oder nur vorgegebene Begriffe z.B. als Merkzettel (s. Abb. 69) anwenden sollten (vgl. Behrendt, Reiska 2001: 10). Die eigenständige Begriffswahl ist kognitiv anspruchsvoller und beeinflusst den Lerneffekt positiv (vgl. Haugwitz, Sandmann 2009: 91). Für sprachschwache Lernende können Begriffe mit Bildern unterstützt werden. Auch die Struktur kann vorgegeben werden, indem die Platzierung der einzelnen Begriffe vorab durch die Lehrkraft bestimmt wird. Werden die Relationen vorgegeben, sind die SchülerInnen dazu aufgefordert, die Struktur des Begriffsnetzes zu bilden. Dies beinhaltet eine (fach-)sprachliche Orientierung für sprachlich unsichere Lernende, denn die Fachtermini (d.h. Begriffe) und die dazugehörigen Satzbausteine (d.h. Relationen) können bei der Produktion mündlicher und/ oder schriftlicher Äußerungen genutzt werden. Concept Mapping kann in verschiedenen Unterrichtsphasen angewendet werden, um Wissen zu strukturieren und darzustellen (vgl. Kinchin et al.: 2000): Begriffsnetze können zu Beginn einer Unterrichtsreihe eingesetzt werden, um - ähnlich wie durch Mindmaps 32 - das Vorwissen der SchülerInnen zu aktivieren. Die bereits im Gedächtnis verankerten Begriffe werden 32 Mindmaps sind in Abgrenzung zu Concept Maps weniger geordnet und weniger geplant im Aufbau. Sie dienen als schriftliche Unterstützung eines Brainstormings: Ausgehend von einem Thema bzw. Begriff werden wichtige Informationen und freie Assoziationen hinzugefügt. Dabei kann sich eine Struktur ergeben, es können aber auch weitere Assoziationsketten entstehen (vgl. Budde, Michalak 2014: 26). <?page no="189"?> 187 4.2 Didaktisch-methodische Ansätze für den sprachbewussten Fachunterricht gruppiert und miteinander verbunden, wodurch der Lernstoff systematisiert bzw. neu geordnet wird. Eine Concept Map kann auch zu jedem Sachtext erstellt werden. So eine grafische Darstellung zeigt, inwiefern die Lernenden die Inhalte des Textes erfasst haben: Die SchülerInnen reduzieren das Geschriebene auf das Wesentliche und geben die verstandenen Strukturen kurz und übersichtlich wieder. Zugleich können Begriffsnetze als Grundlage für weitere Textproduktionen dienen: Anhand einer Concept Map können die Lerninhalte rekonstruiert werden. Dabei werden die festgehaltenen Begriffe und Relationen als sprachliche und strukturelle Stütze für den zu verfassenden Text bzw. für die Präsentation genutzt. Die Arbeit mit Begriffsnetzen schafft zudem andere Kommunikationsanlässe: Wird eine Concept Map im Plenum oder insbesondere in der kooperativen Form in Gruppen-/ Partnerarbeit erstellt, regt dies eine Diskussion über die Bedeutung der Konzepte und die Richtigkeit der Verknüpfungen an (vgl. Behrendt, Reiska 2001: 10). Bei der Ergebnissicherung können sich SchülerInnen in Partnerarbeit verschiedene Concept Maps gegenseitig mündlich erklären. Für die Wiederholung der Fachinhalte und -begriffe sind nicht nur selbst erstellte Concept Maps geeignet, sondern auch Lücken-Maps, in denen einzelne Begriffe bzw. Relationen ergänzt werden oder sog. Experten- Maps, d.h. vorgefertigte Begriffsnetze, die erläutert werden müssen (vgl. Haugwitz, Sandmann 2009: 90f.). Am Ende einer Unterrichtsreihe eignen sich Concept Maps dafür, einen Überblick über geknüpfte Wissensnetze zu gewinnen, die Arbeit der SchülerInnen zu würdigen und das erworbene Wissen zu sichern. Somit stellen sie eine alternative, weniger textlastige Möglichkeit für die Leistungsüberprüfung dar, die besonders für Lernende mit weniger Erfahrung in der deutschen Sprache zu empfehlen ist. Schließlich können auf dieser Grundlage die Leistungen der Lernenden bewertet werden. Behrendt und Reiska (2001: 9) schlagen vor, bei der Bewertung eines Begriffsnetzes „die Anzahl aller Begriffe und aller Propositionen, die Richtigkeit der Propositionen, die Vernetzung und die fachliche Richtigkeit der Propositionen“ zu berücksichtigen. So werden Aussagen aus der Alltagswelt (z.B. „Kühlschrank ist ein Haushaltsgerät.“) geringer bewertet als fachlich (und fachsprachlich) angemessene Formulierungen (z.B. „Lux ist die Einheit für Beleuchtungsstärke.“) (ebd.). Abb. 69: Concept Map mit vorgegebenen Begriffen als Merkzettel (Behrendt, Reiska 2001: 11) Concept Mapping ist kein Unterrichtskonzept, sondern eine Strategie bzw. Methode, die das fachliche und fachsprachliche Lernen unterstützen kann (s. Zusammenstellung in Abb. 70). Das Lernen mit Concept Mapping hat einen positiven Einfluss auf das Verständnis, das Behal- <?page no="190"?> 188 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? ten von Informationen und das Anwendungswissen. Eine hohe Effektivität der Methode konnte insbesondere für die Behaltensleistung nachgewiesen werden (vgl. Haugwitz, Sandmann 2009: 92f.). Die Vorgehensweise hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, wenn es um die Verlagerung komplexer Inhalte ins Langzeitgedächtnis geht (vgl. Novak, Cañas 2008: 2). Concept Mapping wird bereits in vielen Fächern insbesondere zum Verständnis von komplexen Sachverhalten erfolgreich herangezogen. Die bisherigen Studien beziehen sich jedoch auf die fachlichen Inhalte. Das Potenzial der Methode hinsichtlich der sprachlichen Förderung wurde bisher allerdings noch nicht ausgeschöpft und bleibt leider noch ein Forschungsdesiderat. Gerade jedoch das Organisieren und Strukturieren von Wissen mithilfe einer Concept Map - was Parallelen zum Aufbau des mentalen Lexikons aufweist (s. Kap. 4.1.7) - kann sehr gut für die Wortschatzarbeit in Anspruch genommen werden. So kann das Wortwissen in organisierter Form und vernetzt gelernt werden. Die SchülerInnen setzen sich mit dem Fachvokabular (Begriffe) auseinander und können zugleich auf vorgefertigte Satzstrukturen (Relationen) zurückgreifen. Während in der Arbeit mit linearen Texten die relevanten Begriffe und deren Zusammenhänge erst extrahiert werden müssen, bieten Concept Maps eine übersichtliche Darstellungsform für die wichtigsten Konzepte und deren Relationen an. Dies kann insbesondere für Lernende mit geringeren Deutschkenntnissen genutzt werden, um sie an die Fachsprache heranzuführen. In Kombination mit linearen Texten und ergänzenden Textbausteinen können Concept Maps als eine Grundlage für die eigene Textproduktion dienen. Concept Mapping Begriffsbestimmung Concept Map (engl.) - Begriffslandkarte, -netz Concept Mapping - Methode zur Darstellung von Zusammenhängen verschiedener Begriffe bzw. Konzepte; zum Strukturieren, Organisieren bzw. visuellen Darstellen von Informationen und Wissen Vertreter Joseph Novak (1977, 2008), Alberto Cañas (2006) Theoretischer Rahmen konstruktivistische Assimilationstheorie (Ausubel 1963, 1968): Lernen durch Verknüpfung von neuen Begriffen mit den vorhandenen Wissensstrukturen Zielsetzung Unterstützung von Wissenserwerb und Aufbau von Konzepten durch grafische Ausarbeitung bzw. Darstellung von Zusammenhängen von Begriffen, Aufbau von kognitiven Vernetzungen, Erschließung und Visualisierung von Textinhalten Zentrale Prinzipien Reduktion der Inhalte auf Wesentliches, Erkennen der Relationen zwischen den Begriffen; Strukturierung, Organisation und Visualisierung der Inhalte Herzstück Concept Map als eine grafische Darstellung der Konzepte, die drei Komponenten abbilden: Begriffe, Relationen und Propositionen Vorteile fachübergreifend einsetzbar; durch eingeschränkte sprachliche Hürden wird fachliches Wissen forciert; Möglichkeit der sprachlichen Orientierung für SchülerInnen mit nicht ausreichenden Erfahrungen in der deutschen Sprache; Förderung fachsprachlicher Kompetenzen auf Wort- und Satzebene; vielseitiger Einsatz (Lehr- und Lernhilfe z.B. für Texterschließung oder Ergebnissicherung, Leistungsüberprüfung und -beurteilung) Herausforderungen bisher noch keine expliziten Lernarrangements für die explizite Berücksichtigung der sprachlichen Förderung; keine Textmuster für eigene Sprachproduktionen, Einführung der Lernenden in die Methode Abb. 70: Prinzipien von Concept Mapping <?page no="191"?> 189 4.4 Übungsaufgaben 4.3 Zusammenfassung Die Vorbereitung und Gestaltung sprachbewussten Unterrichts geht von den Inhalten des jeweiligen Faches und der Spezifik des fachsprachlichen Lernens aus. Die Gütekriterien eines solchen Unterrichts stimmen zwar mit den Prinzipien guten Unterrichts nach Meyer (2005: 17f.) überein; eine Ausweitung der Transparenz ist aber in Bezug auf sprachliche Anforderungen und Lernziele zu vollziehen. Ausgehend von den spezifischen sprachlichen Handlungen in dem jeweiligen Fach sind die nötigen (fach-)sprachlichen Kompetenzen und ein darauf basierender Erwartungshorizont zu formulieren. Das didaktisch-methodische Vorgehen bzw. die Auswahl geeigneter Methoden richtet sich zum einen nach den individuellen Lernvoraussetzungen der SchülerInnen, zum anderen - in Abhängigkeit von den festgelegten Lernzielen - nach den sprachlichen Anforderungen des jeweiligen Themas. Hierbei spielen verschiedene Formen der Differenzierung eine wichtige Rolle. Entscheidend ist auch der Aufbau der zu vermittelnden Inhalte: vom konzeptionell Mündlichen zur konzeptionellen Schriftlichkeit, vom Konkreten zum Abstrakten. Hierfür sollten die Lehrkräfte die Lehrmaterialien entsprechend den Lernvoraussetzungen der SchülerInnen aussuchen und sprachliche Hürden in der Unterrichtskommunikation bedenken. Daran anknüpfend sind die didaktisch-methodischen Konzepte auszuwählen. Methoden, die einen hohen Anlass zu sprachlichem Handeln bieten, sind für den sprachbewussten Fachunterricht besonders wertvoll. Wichtig ist jedoch, für eine adäquate Balance zu sorgen: Obwohl die Lehrperson ihren Sprechanteil möglichst gering halten sollte, dient sie trotzdem - gerade durch ihren Sprechanteil - als Vorbild in der fachlich angemessenen Kommunikation. Während es im täglichen Unterricht wertvoll ist, sprachliches und fachliches Lernen zu verknüpfen, kann dies bei der Leistungsermittlung kontraproduktiv sein. Die Einschätzung des fachlichen Vermögens der SchülerInnen sollte nicht durch ihre sprachlichen Fähigkeiten beeinflusst werden. Denn wenn man Leistungen realistisch bewerten will, um der sprachlichen Heterogenität der SchülerInnen gerecht zu werden, muss man fachlich und sprachlich getrennt beobachten. Die in dem Kapitel beschriebenen didaktisch-methodischen Ansätze zeigen, wie das fachsprachliche Wissen von der Alltagssprache zur konzeptionellen Schriftlichkeit durch die Fokussierung bestimmter sprachlicher (Teil-)Kompetenzen, die gezielte Wortschatzarbeit, die intensive Auseinandersetzung mit Texten oder durch den Einsatz verschiedener Darstellungsformen aufgebaut und erweitert werden kann. Die skizzierten Konzepte zeigen, wie man fachliches und sprachliches Lernen effektiv integrieren kann. Sie stellen jedoch keine Patentrezepte für die sprachliche Förderung dar. 4.4 Übungsaufgaben 23. Lesen Sie noch einmal die zehn Prinzipien des sprachbewussten Fachunterrichts. Welche Anforderungen stellt er an die Fachlehrkräfte? 24. Betrachten Sie den Unterrichtsentwurf einer Stunde, die Sie bereits durchgeführt haben. Welche Prinzipien sprachbewussten Unterrichts sind schon vorhanden? Welche könnten Sie noch integrieren? 25. Stellen Sie Wörter zusammen, die zu dem Wortfeld den Ball schießen gehören. 26. Welche Semantisierungsmethoden sind geeignet, um die unterstrichenen lexikalischen Einheiten 33 zu erklären? Begründen Sie Ihre Meinung. 33 Die Beispielsätze stammen aus den bisher in dem Studienbuch zitierten Lehrwerktexten. <?page no="192"?> 190 4 Fachunterricht gleich Sprachunterricht? a. Nicht alle leicht entzündlichen Stoffe sind zum Heizen in einem Haushalt geeignet. b. In sogenannten Winderhitzern werden die Gichtgase, so nennt man die im Hochofen entstehenden Gase, verbrannt. c. Sie wird durch Muskelbewegungen der Speiseröhre schubweise weitergedrückt. d. Die Bewohner von Prusa, o Herr, haben ein unhygienisches und altmodisches Bad. Deshalb halten sie es für wichtig, eine neue Anlage zu bauen. e. Durch die Verfügbarkeit eines eigenen Fernsehers erhöht sich der tägliche Fernsehkonsum um etwa eine Stunde. 27. Analysieren Sie die Textform Definition. a. Welche sprachlichen Mittel sind für die Formulierung einer Definition nötig? b. Wie würden Sie das Verfassen einer Definition in Ihrem Unterricht trainieren? 28. Betrachten Sie noch einmal den Schülertext (Abb. 54). Welche drei Hilfestellungen würden Sie dem Lernenden anbieten, damit er seine Textkompetenz weiterentwickeln kann? 29. Wie ist eine Concept Map aufgebaut? Nutzen Sie für die Erklärung die Abbildung 67. 30. Die Frage „Gibt es Pflanzensamen, die vom Wind getragen werden? “ erfordert von den SchülerInnen lediglich eine Ja/ Nein-Antwort. a. Wie könnte diese Frage anders gestellt werden, damit sie die Lernenden ausführlicher und kognitiv anspruchsvoller beantworten müssen bzw. können? b. Welche Fragetechniken bzw. welches Fragenrepertoire könnten Sie in Ihren Unterricht integrieren, um Ihre SchülerInnen zu ausführlicheren Antworten zu führen? <?page no="193"?> Lösungen Kapitel 1 Aufgabe 1: Funktion der Sprache Erläuterung zu erwerbende Grundlage Erwerb der deutschen Sprache (s. SeiteneinsteigerInnen); Sprache als Handlungsrepertoire, ohne das Fachunterricht nicht möglich ist Lern- und Reflexionsgegenstand Sprache und Sprachgebrauch als Thema des Unterrichts; das Sprechen über Sprache; Analyse und Reflexion von Form und Funktion Lernmedium Erwerb von kognitiven Fertigkeiten und Fähigkeiten/ von Wissen durch Sprache; das Denken mit und durch Sprache; Sprache als Werkzeug (mündlich/ schriftlich, in Texten/ Unterrichtsgesprächen, rezeptiv/ produktiv) Kommunikationsmittel schriftlicher/ mündlicher Austausch mit Lehrkräften/ MitschülerInnen: der aktive Sprachgebrauch Leistungsüberprüfung Eigene Leistungen widergeben (schriftlich in Tests, Klausuren oder mündlich in Vorträgen, Unterrichtsgesprächen); Sprache als Instrument zur Leistungsbeurteilung/ Lehrerkommentare: das Beurteilen durch Sprache Aufgabe 2: Die drei Erwerbskontexte unterscheiden sich durch: • den Erwerbszeitpunkt: DaM: von Geburt an; DaZ: ab dem 4. Lebensjahr; DaF: unterschiedlich, meistens erst in der Schule; • die Art der Aneignung von Sprache: DaM: durch alltägliche Kommunikation; DaZ: durch alltägliche Kommunikation unter Umständen auch Förderung; DaF: im Unterricht; • den sprachlichen Input: DaM: ungesteuert, keine Progression; DaZ: ungesteuert, keine Progression im Alltag, in Förderung systematisch; DaF: geplante Progression, gesteuert; • die sprachlichen Voraussetzungen zu Schulbeginn bzw. beim Erwerb des Deutschen: DaM: i.d.R. 5 Jahre Erfahrung, vielfältige Zugänge zur Sprache, umfangreicher Wortschatz, Sprachgefühl in der deutschen Sprache; DaZ: häufig Erfahrungen überwiegend in der Erstsprache; DaF: umfangreiche sprachliche Kompetenzen und literale Erfahrung in der Erstsprache, keine in der deutschen Sprache; • die Ziele bei der Sprachvermittlung: DaM: Förderung von CALP; DaZ: Förderung zuerst von BICS dann von CALP; DaF: sowohl Förderung von BICS als auch von CALP. <?page no="194"?> 192 Lösungen Auswirkung auf die Sprachkompetenz im Deutschen: Die Lernenden bringen unterschiedliche sprachliche Voraussetzungen mit. Diese reichen von keinen oder sehr geringen bis zu fortgeschrittenen Deutschkenntnissen. Außerdem verfügen sie - je nach Erwerbskontext - über unterschiedliches Sprachwissen und -können. Während bei DaF-Lernenden häufig das Wissen über die Sprache ausgeprägt ist und diese sich gern der sprachlichen Regeln bedienen, verfügen Lernende mit DaM und DaZ eher über Sprachkönnen (implizites Wissen), wobei es DaZ-Lernenden häufig nicht gelingt, ein den DaM-Lernenden gleichwertiges Sprachgefühl in der L2 zu entwickeln. SeiteneinsteigerInnen können auf Strategien zurückgreifen, die sie beim schulischen Lernen in ihrem Herkunftsland erworben haben. Aufgabe 3: Exemplarische Lösung für das Fach Geschichte, Klassenstufe 5/ 6, Realschule (vgl. MSW NRW 2011d): Verbalsprache: Schulbuchtexte mit Sachtexten über eine bestimmte Zeit, Überlieferungen, Texte aus unterschiedlichen Epochen und Zeitabschnitten (Quellen); Graphische Elemente: Bildquellen wie Geschichtskarten und deren Legenden, Fotos, Plakate, Zeitleisten, Schaubilder, Statistiken, Verfassungsschemata, Dokumentar- und historisierende Spielfilme. Aufgabe 4: Verbalbereich: III-VI Der Lernende scheint sich im Verbalbereich auf der Stufe III zu befinden, da er zahlreiche zweigliedrige Prädikate, hier insbesondere Modalverben mit Infinitiven (müssen sie 30 Minuten warten, muss schön trocknen, muss verbunden werden), verwendet. Des Weiteren verwendet er eine Passivkonstruktion mit Modalverben (Schraube fest geschrauben müssen werden), die darauf hindeutet, dass er mit dem Erwerb der anderen Verbalbereiche (hier insbesondere dem letzten Bereich ‚übrige Formen‘) bereits begonnen hat bzw. mit diesen experimentiert. Satzmodelle: Bereich III-V Er setzt die Verbalklammer (wir muss zusammen kleben, müssen sie 30 Minuten warten, muss schön trocknen, muss verbunden werden) ein. Die Verwendung eines Nebensatzes (wail der Klebe muss schön trocknen) und einer Inversion (Nach dem Kleben müssen sie 30 Minuten warten) deutet auf den Übergang zu dem Erwerb weiterer Satzmodelle hin. Kasus: Bereich II Der Lernende verteilt die Kasusformen noch beliebig, obwohl er schon Nomen mit verschiedenen Präpositionen (zur der Platte) anwendet. Aufgabe 5: a) fachlich: Der Schüler scheint, den Satz des Pythagoras mathematisch korrekt verstanden zu haben. Dies ist seinen Ausführungen und der korrekten Zeichnung sowie der korrekten mathematischen Formel zu entnehmen. sprachlich: Der Schüler kennt den Aufbau bzw. die Form einer mathematischen Definition/ eines Merksatzes. Er kann den Inhalt graphisch und in mathematischer Formelsprache darlegen. Er versucht bildungsbzw. fachsprachliche Strukturen zu verwenden (Qwadrat muss geben für ergeben) zu verwenden. Er bemüht sich, Fachtermini anzuwenden (Dreieck, Qwadrat und Pitagoras Dreieck); verwendet Umschreibungen (z.B. Wand für Seite, gerade Ecke für rechter Winkel bzw. 90 ° -Winkel), um das eigene mathematische Wissen zu verbalisieren. Er gebraucht einen korrekten Satzbau mit Subjekt-Prädikat-Objekt, ebenso Modalverben mit der <?page no="195"?> 193 Lösungen Satzklammer (muss Qwadrat der längsten Wand geben). Die Streichungen (erste, zweite und dritte Wand) zeigen, dass der Schüler in der Lage ist, den eigenen Text kritisch zu betrachten und zu überarbeiten. b) DaF oder Seiteneinsteiger mit DaZ, da der Schüler die Struktur einer Definition und das mathematische Wissen verinnerlicht hat und sein mathematisches Wissen zeigt. Seine Probleme sind rein sprachlicher Natur. Anstatt präzise Fachtermini zu gebrauchen, umschreibt er einige Begriffe. Einige Umschreibungen sind wörtliche Übersetzungen (Interferenzfehler) aus der Erstsprache (hier: Polnisch - Wand, gerade Ecke). Die Schreibweise (Qwadrat) lässt vermuten, dass der Lernende auf Wörter/ Formulierungen zurückgreift, die in seiner Erstsprache evtl. auch vorkommen, aber anders geschrieben werden. Kapitel 2 Aufgabe 6 Alltagssprache Funktion: Verständigung im Alltag, kommunikativer Erfolg Besonderheiten: Emotionalität und subjektive Bewertung, Expressivität der Lexik und Bildhaftigkeit, einfacher Wortschatz und einfache Sätze, häufig Partikel (ja, bloß, halt), Pausenfüller (ähm, ach ja, so), umgangssprachliche (gucken, cool finden) und persönliche Formulierungen (ich glaube) Fachsprache Funktion: fachbezogene Kommunikation, Erkenntnisgewinn Besonderheiten: Genauigkeit, Objektivität, Sachlichkeit, Klarheit, Sprachökonomie, Verknüpfung mit bestimmten Denkweisen oder logischen Arbeitsweisen des jeweiligen Fachbereichs, Fachtermini, Merkmale der konzeptionellen Schriftlichkeit, komplexe und längere Satzstrukturen, unpersönliche Formulierungen (es, man, Passiv), keine persönlichen Kommentare. Aufgabe 8 Attribute (vgl. Granzow-Emden 2014: 219-292) am Beispiel des Faches Biologie a) Adjektivattribute: z.B. ökologisches Gleichgewicht; Partizip I-Formen als Adjektive: ein singender Vogel; Partizip II-Formen als Adjektive: gelöste Teilchen; b) Genitivattribute: die Gefahr des Verschluckens; ein Wissenschaftler der Universität; c) Präpositionalattribute: das Auftreten von Borkenkäfern; das Experimentieren mit Gummibärchen; d) Appositionen: Gregor Johann Mendel, der Entdecker der sogenannten mendelschen Regeln; die Universität Köln; e) Nebensätze als Attribute: Relativsatz: Gregor Johann Mendel, der die nach ihm benannten mendelschen Regeln der Vererbung entdeckte, begann seine Forschung im Garten eines Klosters. dass-Satz: Die Vorstellung, dass der Mensch vom Affen abstammt, gefällt einigen Menschen nicht. Temporaler Attributsatz: Die Monate, wenn die sogenannten Frühblüher blühen, sind der Februar und der März. Indirekte W-Frage: Die Frage, wer der Erfinder des Mikroskops ist, konnte geklärt werden. Indirekte Satzfrage: Die Frage, ob diese Untersuchungsmethode wirklich geeignet ist, konnte noch nicht geklärt werden. <?page no="196"?> 194 Lösungen Infinitivsatz: Das Experiment, die Konsistenz von Gummibärchen mithilfe von Essigsäure zu erforschen, ist gescheitert. Aufgabe 9 Exemplarische Lösung für das Fach Sport, Sekundarstufe II (vgl. MSW NRW 2014: 23f., 33): strukturierte schematische Darstellung von Raumwegen, Trainingspläne (z.B. Gruppentrainingsplan, Mehrjahresplan, Jahrestrainingsplan usw.), Lerntagebuch, Trainingstagebuch, Portfolio, Begriffserklärungen (z.B. den Begriff Adaptation erläutern), Auswertung von Diagrammen (z.B. Herzfrequenzkurven), Beschriftung von schematischen Darstellungen (z.B. des Kniegelenks), Erstellung einer Zeitleiste (z.B. zur Geschichte des Sports), Anfertigen von Zeichnungen (z.B. zeichnerische Darstellung des Aufbaus eines Sarkomers), Aufgabenstellungen mit Operatoren (z.B. Erläutern, Beschreiben, Nennen, Argumentieren wie Pro-und Contra- Diskussion zur Freigabe von Doping). Aufgabe 10 Mediale Dimension - Realisierungsform: • phonisch (hörbar - mündliche Realisierung der Sprache); • graphisch (lesbar - schriftliche Realisierung der Sprache); • dichotomisch (Entweder-oder-Beziehung: Eine sprachliche Handlung ist entweder phonisch oder graphisch). Konzeptionelle Dimension - gewählte Ausdrucksweise: • konzeptionell mündlich - Kommunikationsbedingungen: dialogisch, kontextgebunden, spontan, vertraut, Gestik, Mimik, einfache Syntax, geringes Maß an sprachlicher Kompaktheit, Wiederholungen); • konzeptionell schriftlich - Kommunikationsbedingungen: monologisch, situationsentbunden, reflektiert, komplexe Syntax, höheres Maß an sprachlicher Kompaktheit und merkmalsreicher Lexik; • Kontinuum - graduelle Beziehung (mehr oder weniger): Eine sprachliche Handlung kann mehr oder weniger konzeptionell mündlich oder schriftlich sein. Beispiele: eine SMS an einen Freund - medial schriftlich, konzeptionell mündlich; Redebeitrag im Seminar - medial mündlich, konzeptionell eher schriftlich; ein Schulbuchtext zum Thema Demokratie - medial schriftlich, konzeptionell eher schriftlich; ein wissenschaftlicher Artikel zum Thema Demokratie - medial schriftlich, konzeptionell schriftlich; eine telefonische Bewerbungsanfrage - medial mündlich, konzeptionell schriftlich; ein Bewerbungsschreiben - medial schriftlich, konzeptionell schriftlich; Unterhaltung unter SchülerInnen - medial mündlich, konzeptionell mündlich. <?page no="197"?> 195 Lösungen Aufgabe 11 Mündliche Erklärung eines durchgeführten Versuchs • zu übende Ausdrucksformen: Textmuster (Aufbau des Textes: Durchführung, Versuchsaufbau, Versuchsskizze, Beobachtung, Ergebnis), Satzanfänge (z.B. Es wird ein Experiment/ ein Versuch zum/ zur ... durchgeführt; Die Fragestellung lautet …; Es ist zu vermuten, dass ...passieren wird/ eintritt.; Für die Versuchsdurchführung benötigt man ...; Die Skizze zeigt den Versuchsaufbau. Man kann sehen, dass …; Es kann beobachtet werden, dass ...; Insgesamt zeigt das Experiment in Bezug auf die Fragestellung, dass ... .; Das Ergebnis des Experiments stimmt nicht mit der Hypothese überein, da es zeigt, dass ... .) (vgl. Freiling et al. 2013: 43). • Aspekte von Mündlichkeit: Vortragssituation (nachvollziehbare Darstellung des Experiments für Lernende, die es nicht kennen, Strukturierung des Textes, Hervorhebung wichtiger Elemente bzw. der Übergänge, Freiraum für Rückfragen), Auswahl des Registers (Elemente der Fachsprache), visuelle Unterstützung des Vortrags durch Plakate (Ihre Gestaltung, Strukturierung, lesbare Schrift etc.), rhetorische Gestaltung von Vorträgen (Sprechen vor einer Gruppe üben; Nicht nur zur Tafel sprechen; nicht ganze Texte vorlesen; mit Moderationskarten und Stichpunkten arbeiten usw. Aufgabe 12 Beispiel: Zeitstrahl Aufgabe 13 konzeptionell mündlich konzeptionell schriftlich hat kinder ihn ein korp getan legte die beiden Kinder in einen Korb sie schwommen weg sie wurden vom Fluss davon getragen die Wölfen hat sie Milch gegeben die Wölfin säugte Romulus und Remus auf gewasen aufgezogen Der Romulus Romulus weil er über die Mauer gegangen ist weil er die Mauer überquerte sein Bruder gleubte das nicht sein Bruder hielt das nicht für möglich ging über die Mauer überschritt/ überquerte die Mauer <?page no="198"?> 196 Lösungen Kapitel 3 Aufgabe 14 Literarische Texte Sachtexte Funktion Unterhaltung, politische Bildung, Moralbildung, ästhetischer Genuss („fiktionale Welt“) Informationenvermittlung über Ereignisse und Sachverhalte der Wirklichkeit („Alltagswelt“), genaue und sachliche Vermittlung von Faktenwissen und Erkenntnissen, Urteilsbildung zu einem Sachverhalt Einsatz der sprachlichen Mitteln Reim, Ironie, Fiktionalität, Metaphorik, Bildhaftigkeit, Symbolik, Vieldeutigkeit eindeutige Referenz auf die Wirklichkeit, sachliche, exakte und objektive Darstellung von Sachverhalten, adressatengerechte Darstellung von Vorgängen, Handlungen und Meinungen Beispielhafte Texte Gedicht, Erzählung, Anekdote, Roman, Drama, Ballade, Novelle, Tragödie, Fabel Lehrbuchtexte, Fachtexte, Bedienungsanleitungen, Werbetexte, Zeitungsartikel, Lexikonartikel, Gesetzestexte, wissenschaftliche Artikel Aufgabe 15 Anforderungen im Bereich des Sprachwissens: • ausreichendes sprachliches Wissen auf Wort-, Satz- und Textebene als Voraussetzung, • Buchstaben- und Wortebene: Identifikation und Bedeutungszuordnung, • Satzebene: Bildung von Propositionen (Beispiel: Joyce reitet auf einem Pferd. zu REITEN JOYCE PFERD) und Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen, • Textebene: inhaltliche Verbindung von Sätzen und Erkennen von sprachlichen Verknüpfungsmitteln (Personalpronomen, Konnektoren), • Bildung von mentalen Repräsentationen des Textes. Anforderungen im Bereich des Weltwissens: • Kulturspezifisches Weltwissen zu dem jeweiligen Thema ist erforderlich. Aufgabe 16 Lösungsbeispiel: 1. Überfliegendes Lesen bei der Recherche, um möglichst schnell zu überprüfen, ob ein Text relevante Informationen z.B. für ein Referat enthält. 2. Selektives Lesen, um Textpassagen auszuwählen, die für das eigene Thema bzw. die eigene Fragestellung relevant sind. 3. Detailliertes Lesen, um Textpassagen genau zu rezipieren. Hierbei können insbesondere folgende Strategien hilfreich sein: Notizen und Exzerpte anfertigen, zentrale Begriffe und Definitionen von Fachbegriffen notieren, unbekannte Fachbegriffe klären durch Nachschlagen im Glossar, Internet oder in der Fachliteratur, interessante Zitate aus Texten notieren, wichtige Sachverhalte aus Texten in andere Darstellungsformen (z.B. Tabellen, Abbildungen, schematische Skizzen etc.) überführen. 4. Weiterverarbeitung des Gelesenen: Nutzung für die eigene Textproduktion (z.B. Hausarbeiten, wissenschaftliche Publikationen), Überführung des Gelesenen in andere Darstellungsformen (PowerPoint Präsentation, Plakate usw.). <?page no="199"?> 197 Lösungen Aufgabe 17 Bedeutsame mediale Faktoren Bedeutsame konzeptionelle Faktoren Materialisierung bzw. Verschriftlichung von Gedanken bewirkt fachliches Lernen, indem Gedanken sprachlich formuliert werden müssen („Reflexionspotenzial“). Räumlich-zeitliche Trennung von Leser und Schreiber bewirkt sprachliches Lernen, indem Aussagen präzisiert werden müssen. fachliches Lernen, indem durch die Fixierung von Gedanken zusätzliche Wissensspeicher angezapft und neue Wissenseinheiten aktiviert werden können („Planungspotenzial“) fachliches und sprachliches Lernen, indem das eigene Wissen für den Leser im Text sprachlich entfaltet werden muss fachliches Lernen, indem generierte Ideen der Überarbeitung zugänglich werden („Überarbeitungspotenzial“) (vgl. Pohl, Steinhoff 2010) soziales und sprachliches Lernen, indem das Wissen des Lesers im Text antizipiert und für diesen sprachlich angemessen dargestellt werden muss Durch Schreiben von Texten im Fachunterricht können das fachliche und fachsprachliche Lernen zugleich gefördert werden. Die schriftliche Textproduktion unterstützt sowohl die Entwicklung der (fachbezogenen) Schreibkompetenz als auch das Denken der SchülerInnen. Zudem erhalten die Lernenden mehr Zeit, um sich mit dem Lernstoff auseinandersetzen zu können. Alle Lernenden werden durch die schriftliche Textproduktion gleichermaßen fachlich und sprachlich aktiviert, während an der mündlichen Unterrichtskommunikation häufig nur wenige SchülerInnen partizipieren. Aufgabe 18 1. Vor dem Schreiben • Textmuster vergegenwärtigen: Recherche (Was gehört zu einem Versuchsprotokoll? ) • Mindmap anfertigen: Was weiß ich schon über das Thema, das ich experimentell bearbeiten will? • Während der Versuchsdurchführung: den ersten Entwurf anfertigen, in dem zu den einzelnen Aspekten eines Versuchsprotokolls (z.B. Durchführung oder Beobachtung) Notizen angefertigt werden. 2. Während des Schreibens • mithilfe des ersten Entwurfs das ausführlichere Versuchsprotokoll verfassen; • in Musterprotokollen nach Verben und nach Satzstrukturen suchen, die als Vorlage dienen können (Verben: aufsteigen, sich absetzen, sich bilden, auflösen; Satzstrukturen für die einzelnen Phasen (Durchführung: Man gibt .../ Zuerst/ Danach; Beobachtung: Man kann beobachten, dass …; Ergebnis: Wenn ..., dann .. .., Der Versuch zeigt, dass ...). 3. Nach dem Schreiben, z.T. auch schon während des Schreibens: Überarbeitung des Protokolls hinsichtlich folgender Aspekte: • Sind alle Aspekte enthalten, die zu einem Versuchsprotokoll gehören? • Ist die räumlich-zeitliche Chronologie der Ereignisse korrekt dargestellt? • Kann ein anderer Schüler mithilfe des Protokolls den Versuch eigenständig durchführen? • Ist der Versuchsaufbau so kompliziert, dass eine Versuchsskizze erforderlich ist? • Ist in der Beobachtung nur das beschrieben worden, was auch tatsächlich beobachtet werden konnte? <?page no="200"?> 198 Lösungen • Ist das Protokoll verständlich, objektiv, kurz und knapp verfasst worden? Oder sind wertende, subjektive Aussagen darin enthalten? • Ist das Protokoll in der Fachsprache verfasst worden? Ist diese korrekt verwendet? • Eventuell: MitschülerInnen ausprobieren lassen und dann das Protokoll überarbeiten. Aufgabe 21 Klasse: Lehrplan Sekundarschule Sachsen- Anhalt Jahrgangsstufe 7/ 8 Thema: Musik im Wandel der Zeit; Kompetenzbereich Musikalische Kreativität Datum: Standard aus dem Lehrplan „Die Schülerinnen und Schüler können ein Künstlerporträt einer Musikpersönlichkeit erstellen und präsentieren“. Sprachhandlung/ gesprochen oder geschrieben medial mündlich (Präsentieren), konzeptionell schriftlich Ausformulierter Erwartungshorizont Georg Friedrich Händel wurde am 5.März 1685 in Halle an der Saale geboren. Er war ein deutscher Komponist im Barock. Er komponierte 42 Opern und andere musikalische Werke. Sein berühmtestes Werk ist „Messias“ mit dem weltbekannten Chor „Halleluja“. Händel war ausgebildeter Musiker. Schon mit neun Jahren begann er zu komponieren. 1702 nahm er in Halle ein Studium der Rechtswissenschaften auf, wurde aber auch Organist am Hellenser Dom. Im Jahre 1705 wurde seine erste Oper uraufgeführt. Seine Werke umfassten alle Genres der damaligen Zeit. Im Jahr 1752 erblindete Händel fast vollständig, trotzdem musizierte und komponierte er weiter. Händel starb am 14.April 1759 in London (vgl. Schröder 2008: 9, 123; Marx 2009: 586f.). Sprachliche Mittel Wortebene: Barock, Komponist, komponieren, uraufgeführt, Opern, Chor, Genre, musizieren Satzebene: Passivkonstruktionen, Infinitivsätze, Genitivattribute (alle Genres der damaligen Zeit), Adjektive als Attribute (sein berühmtes Werk) Textebene: Präteritum, Verwendung von Personalpronomen (er) und Possessivartikel (sein) als Wiederaufnahmeelemente; Konjunktionen (auch Relativpronomen möglich); chronologische Textstruktur mit Auflistung der wichtigsten Werke Erweiterter Standard mit sprachlichen Lernzielen Die Lernenden erstellen ein Künstlerporträt von Georg Friedrich Händel, indem sie sein Leben und Schaffen chronologisch skizzieren. Seine Werke werden aufgezählt bzw. mit dem Titel erwähnt. Die SchülerInnen verwenden dazu durchgängig Präteritum, Passivkonstruktionen und den sachbezogenen und fachsprachlichen Wortschatz. Der Zusammenhang wird durch Konjunktionen und Pronomen hergestellt. <?page no="201"?> 199 Lösungen Aufgabe 22 Fachliche Kompetenzen des Schülers: 1. Phase: Orientierung • korrekte Nennung von Titel, Alter der Befragten, Stichprobengröße, Einheiten (Prozent) und zeitlicher Nutzungsumfang (täglich/ mehrmals), • Beachtung der Quelle zur Auswertung des Diagramms und demzufolge korrekte Deutung der Variablen n, • Versuch einer Formulierung der Fragestellung, die der Untersuchung zugrunde liegt. 2. Phase: Beschreibung • Abstraktion der dargestellten Werte durch Angabe von minimalem (die wenigsten der Befragte) und maximalem Wert (Die meisten Jugendlichen) des Diagramms, • Erfassung der drei Balken (Gesamt/ Mädchen/ Jungen), • Formulierung von Aussagen zur Stichprobe (Die meisten Jugendlichen befinden sich im Online-Communities.), • Anführen von Vergleichen, die sich auf Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen (Die Mädchen benutzen mehr Online-Communities als die Jungs.) beziehen. • Eine Erklärung und kritische Betrachtung der Ergebnisse sind noch nicht vorhanden, aber beschreibende Elemente als Voraussetzung dafür werden korrekt angewendet. (Fach-)sprachlich Kompetenzen des Schülers: • Anwendung von Passivkonstruktionen (Die Angaben wurden in Prozent geschrieben, Es wurden ca. 1.200 Leute befragt.), • Gebrauch indirekter Fragen (...wollten sich informieren wie oft die Jugendlichen täglich/ mehrmals pro Woche im Internet surfen.), • korrekte Formulierung sprachlicher Vergleichskonstruktionen (Die Mädchen benutzen mehr Online-Communities als die Jungs.), • korrekte Anwendung von Mengenangaben (75% der befragten) und Mengenpronomina (meisten, wenigsten) zur Beschreibung der maximalen und minimalen Werte, • Gebrauch angemessener Verben, • Anwendung differenzierter sprachlicher Mittel, die nicht nur aus dem Diagramm übernommen wurden. Kapitel 4 Aufgabe 23 Empathie und Sensibilisierung für die Situation von sprachschwachen Lernenden; Kenntnisse über Erst-und Zweitspracherwerb und insbesondere unterschiedliche Spracherwerbsbiographien (hier geborene Lernende mit DaZ und SeiteneinsteigerInnen); Kenntnisse über die Besonderheiten der deutschen Sprache und insbesondere der eigenen Fachsprache und ihrer unterschiedlichen Funktionen im Unterricht; Wissen über konzeptionelle und mediale Mündlichkeit und Schriftlichkeit; Erfassen des Sprachstands der Lernenden und Bedarfsanalyse anhand der Unterrichtsmaterialien; Kenntnis sprachfördernder Lernstrategien und Übungs- und Sozialformen; Kenntnisse geeigneter didaktisch-methodischen Ansätze; zeitaufwändige Unterrichtsplanung; Kooperation mit Sprachbzw. DaZ-Lehrkräften. <?page no="202"?> 200 Lösungen Aufgabe 25 Beispiellösung aus dem Bereich Sport: Wortfeld (den Ball) schießen - treffen, spielen, passen, lupfen, abziehen, tunneln, flanken, schlenzen, zirkeln, köpfen, heben, stoßen, dribbeln, ballern, knallen. Aufgabe 26 Wie ein Wort erklärt werden sollte, hängt von den sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden ab. Mögliche Wege der Worterklärung: • Sie können leicht brennen. (Paraphrasierung = Umschreibung), • Visualisierung durch ein Bild/ eine Zeichnung oder Analyse der Wortbausteine (Wind + erhitzen), • nach und nach (Synonyme), nachspielen (Leute werden schubweise in Disko reingelassen.) oder Analyse der Wortbausteine (Schub + weise), • aus diesem Grund (Synonym); Er war krank und konnte deswegen nicht kommen. (Kontextualisieren = in einem Kontext einbetten), • Weil ein eigener Fernseher vorhanden ist (Denominalisierung = Übertragung in einen Satz); Analyse der Wortbausteine (verfügbar+ keit); In der Bibliothek ist noch ein Exemplar verfügbar. (Kontextualisierung) Aufgabe 27 a) Für die Formulierung einer Definition erforderliche sprachliche Mittel (vgl. Michalak 2013c): Bausteine einer Definition Sprachliche Mittel 1. Nennung des zu definierenden Begriffs Ein(e).... 2. (Semantische) Einordnung des Begriffs in dessen Oberkategorie (Gattung) Ein(e)...ist ein(e).... Instrument, Verkehrsmittel, Kleidungsstück.... 3. Funktion des zu definierenden Begriffs ...welches/ das für … benutzt wird./ Damit kann/ … mit welchem/ mit dem … / Es ist (ein/ e) …, den/ in der/ in dem ... 4. Beschreibung kennzeichnender Merkmale X hat .../ ist .../ Typisch/ Kennzeichnend für x ist ... 5. Optional: Beispiele zur Verdeutlichung Zu ... gehören ... Als Beispiel kann ...gelten. Weitere charakteristische Merkmale • Präsens, • Verschiedene Nebensatzarten: Relativ-, Kausal- und Finalsätze, • Orientierung am (Nicht-)Wissen des Lesers. b) Man kann die Textsorte der Definition über das „Registermodell zur Förderung von Textkompetenz“ einführen und üben. Eine Übungsabfolge könnte wie folgt aussehen: <?page no="203"?> 201 Lösungen Übungsphase Vorgehensweise Bewusstmachung der Textstruktur und der Textfunktion 1. Übung: Funktion von Definitionen Leitfrage: Wann werden Begriffsdefinitionen verwendet? Kontexte entwickeln, z.B. einen Begriff der Klasse, der Oma, der Schwester erklären. Vergleich durch Textgegenüberstellung 2. Übung: Gute und nicht angemessene Definitionen miteinander vergleichen Die SchülerInnen vergleichen gute und nicht konforme Definitionen und analysieren, was eine gute Definition ausmacht. 3. Übung: Analyse von guten Definitionen Zwei angemessen formulierte Definitionen werden vergleichend analysiert. Dafür können die Merkmale der Textsorte jeweils farbig in den beiden Texten markiert werden. 4. Übung: Erstellung einer Checkliste zum Verfassen von Definitionen Die Oberbegriffe/ Kategorien der Checkliste werden gemeinsam in die richtige Reihenfolge auf einem Plakat notiert. Die sprachlichen Mittel (auf Karteikärtchen) werden anschließend zugeordnet bzw. dazugeschrieben. 5. Übung: Anwendung der Checkliste I In dieser Übung werden die guten Definitionen zerschnitten. Diese sollen mithilfe der Checkliste in die richtige Reihenfolge gebracht werden. 6. Übung: Anwendung der Checkliste II Die Lehrkraft modelliert den Einsatz der Checkliste, indem sie gemeinsam mit der Klasse eine Definition verfasst und zeigt, wie sie die Checkliste dabei verwendet. Eigene Textproduktion 7. Übung: Anwendung der Checkliste III Mithilfe der Checkliste werden eigene Definitionen verfasst. Dafür dürfen die Formulierungstipps verwendet werden. Die Checkliste dient zur Überprüfung (Wurde alles berücksichtigt? ). SchülerInnen korrigieren sich gegenseitig (Fokus weg von der Lehrkraft). 8. Übung: Schrittweise Abbauen der Hilfen Nachdem mehrere Definitionen mit Hilfen verfasst wurden, werden diese nun schrittweise weggenommen. Erst die sprachlichen Hilfen, dann die Oberbegriffe. 9. Übung: Authentische Bewährungsprobe der Definition Die SchülerInnen erklären ihre Begriffe in Form des Spiels „Tabu“. Sind die Begriffe gut erklärt, können sie von den Mitspielern des Teams erraten werden. Aufgabe 28 Folgende Hilfestellungen sind möglich: • Textmuster analysieren: Der Schüler sollte lernen, wie eine Definition im Geografieunterricht aufgebaut ist und was den besonderen Sprachduktus im Geografieunterricht ausmacht. Dafür kann der Lernende eine Musterbegriffsdefinition analysieren. Hilfreiche Fragen: Welche inhaltlichen und sprachlichen Anforderungen hat eine Definition/ Erklärung zu erfüllen? Wie ist sie aufgebaut? Welche sprachlichen Mittel sind charakteristisch? • Funktion des Schreibens thematisieren: Der Schüler sollte wahrnehmen, dass sich sein Text an einen Leser richtet, der nicht unmittelbar präsent ist. Dafür muss der Schüler den Adressaten, dessen fachliches und sprachliches Wissen während der Textproduktion reflektieren und überlegen, ob das Geschriebene für den Leser nachvollziehbar ist. Hilfreiche <?page no="204"?> 202 Lösungen Fragen: Habe ich den Adressaten berücksichtigt? Ist mein Text auch für jemanden verständlich, der ihn zu einem späteren Zeitpunkt liest? • Register des Fachunterrichts Geografie thematisieren: Der Schüler muss den situationsangemessenen Sprachgebrauch von Fachsprache erwerben. Dafür muss er die Unterschiede zwischen Alltags- und Fachsprache und Mündlichkeit und Schriftlichkeit entdecken. Er muss lernen, wann die alltagssprachliche und wann die fachsprachliche Variante gebraucht wird und wie man situationsangemessen und adressatengerecht kommuniziert. Hilfreiche Fragen: Wie sprechen die Geografen? Welcher Sprachgebrauch ist für den Fachunterricht Geografie angemessen? Wann gebrauche ich Alltags- und wann Fachsprache? Aufgabe 30 a) Alternative Fragenformulierung (vgl. Echevarria et al. 2008: 103): Welche Pflanzensamen eignen sich eher dazu, vom Wind getragen zu werden, die glatten oder die mit Struktur? Warum denkst du so? b) Mögliches Fragenrepertoire (vgl. Echevarria et al. 2008: 120): Erzähl mir mehr über .../ Was meinst du mit..? / Was noch? / Woher weißt du das bzw. nimmst du deine Annahme? / Warum ist das wichtig? / Warum denkst du so? / Woran erinnert dich das? / Was hast du über ... gelernt? <?page no="205"?> Glossar Affix: Element, das an den Stamm oder an die Wurzel eines Wortes angehängt wird. Formen der Affigierung: Präfix - vor dem Wortstamm (z.B. verboten, Untat), Suffix - nach dem Wortstamm (Kindheit, glücklich), Zirkumfix - vor und nach dem Wortstamm (Gerede, gelehrig) aktiver Wortschatz: auch Mitteilungswortschatz/ produktiver Wortschatz; alle Wörter, die ein Sprecher aktiv (mündlich oder schriftlich) gebraucht Alltagssprache: Sprache, die in der alltäglichen Kommunikation verwendet wird und durch unmittelbare Situationsbezüge (einfacher Wortschatz, Einsatz von Gestik und Mimik) geprägt ist Antonym: Gegensatzwort (z.B. hell - dunkel, kalt - warm, Trauer - Freude) Attribut: Teil eines Satzgliedes, das sich meistens auf ein Wort bzw. eine Wortgruppe bezieht und diese näher bestimmt (z.B. durch Adjektive - der schöne Mann, durch Adverbien - Sie fehlt sehr oft) äußere Mehrsprachigkeit: Multilingualismus, Anwendung mehrerer (Fremd-)Sprachen; Sprachenvielfalt innerhalb eines Landes durch Migration und Globalisierung BICS: engl. Basic Interpersonal Communicative Skills, grundlegende Sprachfertigkeiten, die die Bewältigung der Alltagskommunikation und einen unmittelbaren persönlichen Austausch ermöglichen Bildungssprache: Sprache, die in unterschiedlichen Bildungskontexten verwendet wird und durch ein hohes Maß an konzeptioneller Schriftlichkeit (fachbezogener Wortschatz, komplexe sprachliche Strukturen, formelles Register) geprägt ist CALP: engl. Cognitive Academic Language Proficiency, schulbezogene, kognitiv-akademische Sprachfähigkeiten, die für das Lernen in unterschiedlichen Bildungskontexten (z.B. für das Verstehen von komplexen Texten) notwendig sind CLIL: engl. Content and Language Integrated Learning, bilingualer Sachfachunterricht, Ansatz aus der Fremdsprachendidaktik, bei dem der Sachfachunterricht in einer schulischen Fremdsprache (meist Englisch) durchgeführt wird Codeswitching: auch Sprachwechsel genannt, Erscheinung, bei der ein Sprecher innerhalb einer Äußerung die Sprache wechselt (z.B. vom Türkischen ins Deutsche) DaF: Deutsch als Fremdsprache, überwiegend im Unterricht systematisch und gesteuert erworben, die Lernenden in der Klasse greifen auf die gleiche Erstsprache zurück. DaM: Deutsch als Muttersprache, Deutsch ist die Erstsprache und wird von Geburt an ungesteuert erworben. Es ist Kommunikations- und Unterrichtssprache zugleich. DaZ: Deutsch als Zweitsprache, Deutsch wird zeitversetzt (ab einem Alter von ca. 4 Jahren) nach einer anderen Erstsprache (z.B. Polnisch) als zweite Sprache meist ungesteuert erworben. Es ist Kommunikations- und Unterrichtssprache zugleich. Deixis: sprachliches Zeigen, Bezugnahme auf Personen, Zeiten oder Orte mit Hilfe von Wörtern mit hinweisender Funktion (z.B. da, der da, dieser, jener, dort, hier, heute) Demonstrativpronomen: hinweisendes Fürwort (z.B. dieses Auto) Determinativkompositum: zusammengesetzte Wörter, wobei das letzte Wort die Zusammensetzung semantisch und grammatisch bestimmt (z.B. der Erdbeerkuchen: ein Kuchen mit Erdbeeren, grammatisch bestimmt das Grundwort Kuchen, dass die Wortzusammensetzung maskulin ist). Dialogisches Lernen: didaktisches Modell nach Ruf und Gallin (2010), in dem die Entwicklung der fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der SchülerInnen von der Schülersprache (Sprache des Verstehen) zur Fachsprache (Sprache des Verstandenen) angebahnt wird. Wichtige Elemente bilden das epistemische Schreiben (Reisetagebuch) und der Austausch (Verstehen im Gespräch) mit den MitschülerInnen sowie der Lehrkraft. diskontinuierliche Texte: nichtlineare/ nicht kontinuierliche Texte, nicht fortlaufend geschriebene Texte (z.B. Diagramme, Tabellen, Bilder, Karten, Karikaturen) bzw. verschiedene Formen von Text-Bild- <?page no="206"?> 204 Glossar Kombinationen, in denen grafische Darstellung und Text aufeinander bezogen sind und nur in Kombination verstanden werden können epistemisches Schreiben: Form des Schreibens, die zur Strukturierung, Vertiefung und zum Erwerb von neuem Wissen eingesetzt wird Erstsprache: Muttersprache, Sprache, die ein Mensch von Geburt an erwirbt, ihr Erwerb verläuft parallel zur allgemeinen Entwicklung; Erwirbt ein Kind z.B. von Geburt an Deutsch und Russisch, hat es zwei Erstsprachen (bilingualer Erstspracherwerb). Erwerbsphase/ -sequenz: feste Abfolge von grammatischen Strukturen, die beim Spracherwerb nacheinander durchlaufen wird (z.B. Kasuserwerb: Nominativ >Akkusativ>Dativ>Genitiv) Explanandum: Teilstruktur einer Erklärung; Sachverhalt (Gegenstand, Begriff, Ereignis), der erklärt wird Explanans: Teilstruktur einer Erklärung; Aussage, die zur Erklärung eines Sachverhaltes (Explanandum) dient Fachsprache: in einem bestimmten Fachgebiet verwendete Sprache, spezifische sprachliche Mittel und Formen (Fachwörter, häufige Satzkonstruktionen, Fachtextsorten), mit denen sich Fachexperten über ein Fachgebiet optimal verständigen können finites Verb: nach Person und Numerus markierte Form eines Verbs (z.B. geh-t, geh-st) Homonyme: Wörter, die gleich geschrieben und ausgesprochen werden, aber unterschiedliche Bedeutungen besitzen (z.B. Berliner als Einwohner der Stadt Berlin oder als Krapfen) Hyperonym: sprachlicher Ausdruck, der anderen Ausdrücken übergeordnet ist und einen Oberbegriff bildet (z.B. Verkehrsmittel - Auto, Bus, Fahrrad; Obst - Apfel, Kirsche, Banane) Hyponym: sprachlicher Ausdruck, der anderen Ausdrücken untergeordnet ist und einen Unterbegriff bildet (z.B. Auto, Bus, Fahrrad - Verkehrsmittel; Apfel, Kirsche, Banane - Obst) Inferenz: auch Leerstellen im Text genannt, Auslassungen, die der Leser durch Hypothesen und Schlussfolgerungen mittels Sprach- und Weltwissen ergänzen bzw. schließen muss infinites Verb: Verbform, die keine Person- und Numerusmarkierung trägt (z.B. gehen - Infinitiv, geredet - Partizip II, lachend - Partizip I) innere Mehrsprachigkeit: Sprachenvielfalt innerhalb einer Sprache, dialektale und soziale Varietäten sowie verschiedene Stilebenen einer Sprache Interferenz: negativer Transfer, Übertragung von sprachlichen Strukturen von einer Sprache auf die andere Kollokation: Anordnung in bestimmter Reihenfolge, regelmäßiges bzw. häufiges Auftreten eines Wortes in der Verbindung mit bestimmten anderen Wörtern (z.B. Sahne + schlagen, Hund + bellen) Komparation: Steigerung von Adjektiven und Adverbien, z.B. schön/ oft (Positiv) - schöner/ öfter (Komparativ) - am schönsten/ am häufigsten (Superlativ) kommunikatives Schreiben: Form des Schreibens, die zur Verständigung von Schreiber und Leser, die räumlich und zeitlich getrennt voneinander sind, dient, z.B. Schreiben von Briefen oder Kommentaren Kompositum: Wort, das aus mehreren Wörtern zusammengesetzt ist (z.B. Apfelkuchen, krankfeiern) Konditionalsatz (Bedingungssatz): Nebensatz, der eine Bedingung enthält bzw. angibt, unter welcher Bedingung etwas geschieht (z.B. Wenn es brennt, dann kommt die Feuerwehr.) Konjunktion: unflektiertes Wort, das Sätze und/ oder Satzglieder miteinander verbindet (z.B. und, oder, obwohl, weil) konzeptionelle Mündlichkeit: mündlich konzipierte Sprache, die medial mündlich oder schriftlich bzw. phonisch oder graphisch realisiert werden kann und durch Nähe (s. Mündlichkeit) geprägt ist. Aus den kommunikativen Bedingungen ergeben sich die Merkmale der Sprache: umgangsprachliche/ informelle Ausdrücke, direkte Rückfragen usw. Beispiele: Chatten, informeller Brief, Gespräch konzeptionelle Schriftlichkeit: schriftlich konzipierte Sprache, die medial mündlich oder schriftlich bzw. phonisch oder graphisch realisiert werden kann und durch Distanz geprägt ist. Aus den kommunikativen Bedingungen ergeben sich die Merkmale der Sprache: formelle Ausdrücke, hohe Kompaktheit und Komplexität usw. Beispiele: Referat, Vortrag, Sachbuchtext. <?page no="207"?> 205 Glossar Lernersprache: Interimsprache, Interlanguage, Sprache, die Lernende beim Zweit-/ Fremdsprachenerwerb entwickeln. Sie enthält Elemente der Erst- und Zweit-/ Fremdsprache sowie solche, die sich aus dem Erwerbsprozess ergeben. Lexem: lexikalisches Wort, Einheit des Wortes, die die begriffliche Bedeutung trägt, ein Lexikoneintrag Lexik: auch Lexikon genannt; gesamter Wortschatz (Wörter und feste Wortverbindungen) einer Sprache mentalen Repräsentationen: kognitive innere Repräsentation bzw. individuelle innere Abbildung, z.B. eines Wortes mentales Lexikon: kognitive, innere Repräsentation des Wortschatzes im Langzeitgedächtnis, Speicherort, wo das Wissen über Wörter (Aussprache, Schreibweise, Bildung, Bedeutung, Verwendung im Satz) gespeichert ist metasprachliche Fähigkeiten: die Fähigkeit, mündliche und schriftliche Sprachäußerungen betrachten und reflektieren zu können, das Sprechen oder Schreiben/ Nachdenken über Sprache Morphologie: Teilgebiet der Grammatik, das sich mit der inneren Struktur bzw. dem Bau von Wörtern und Wortformen unter besonderer Berücksichtigung der Inhaltsseite, d.h. mit der Wortbildung und der Formenlehre (Flexion), befasst Modalverb: Verben, die sich mit einem Vollverb im Infinitiv verbinden und modale Aspekte ausdrücken; im Deutschen: dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen Mündlichkeit: sprachliche Äußerungen in Situationen, die durch emotionale und raumzeitliche Nähe geprägt sind und die gleichzeitige Präsenz von Sprecher und Hörer erfordern Nominalisierung: Substantivierung, Bildung eines Substantivs aus anderen Wortarten (z.B. dumm - Dummheit; weil es regnet - wegen des Regens) passiver Wortschatz: Verstehenswortschatz, rezeptiver Wortschatz, alle Wörter, die ein Sprachbenutzer verstehen kann Personalpronomen: Wort, das für ein Nomen steht (z.B. der Mann - er) Possessivartikel: Wörter, die bei bzw. vor einem Nomen stehen (mein Haus) und Besitzverhältnisse näher beschreiben Possessivkompositum: zusammengesetztes Wort, das eine Person oder eine Sache nach ihrer Eigenschaft beschreibt. Die Bedeutung des Possesivkompositums kann seinen Bestandteilen nicht entnommen werden (z.B. Dickkopf, Löwenzahn). Possessivpronomen: Wort, das für ein Nomen steht (z.B. mein Auto  meins) potenzieller Wortschatz: alle Wörter, die sich ein Sprecher mit Hilfe seines Sach- und Sprachwissens selbstständig erschließen kann, z.B. bei zusammengesetzten (Haustür = Haus + Tür) oder bei abgeleiteten Wörtern (Freund - befreundet) Präposition: Wort, das andere Wörter zueinander in Beziehung setzt und ein bestimmtes Verhältnis (räumlich - in, vor, zeitlich - seit, vor) markiert Pronomen: Wort, das für ein Nomen steht oder es näher bestimmt, s. Personal-, Demonstrativ- und Possessivpronomen Proposition: Bedeutung einer Aussage, die richtig oder falsch ist, sinntragende Informationseinheit bestehend aus mehreren Wörtern, die den wesentlichen Gehalt einer Information wiedergibt (z.B. Joyce fährt am Wochenende ans Meer.  FAHREN JOYCE MEER) Register: sprachliche Varietäten, die je nach Kommunikationssituation und dem Kommunikationspartner angewendet werden und für diese Situation als angemessen empfunden werden (vgl. Halliday 1978) Rektion: die Eigenschaft eines sprachlichen Elementes, den Kasus der anderen Wörter festzulegen (z.B. Sara (Nominativ) schenkt Marius (Dativ) ein Buch (Akkusativ). oder fragen nach + Dativ) Relativpronomen: Pronomen, welches einen Nebensatz einleitet und sich auf Substantive oder Pronomen des Hauptsatzes oder auf den ganzen übergeordneten Satz bezieht (Das ist Andreas, der gerne Schokolade isst.) Relativsatz: Nebensatz, der durch ein Relativpronomen eingeleitet wird (Das ist Andreas, der gerne Schokolade isst). <?page no="208"?> 206 Glossar Satzklammer: Verbklammer, Konstruktion, bei der das finite Verb an zweiter Stelle (ist, kann) und die infinite Verbform (gegangen, malen) am Ende des Satzes stehen (z.B. Anna ist nach Hause gegangen; Sonja kann schöne Bilder malen.) Schriftlichkeit: sprachliche Äußerungen in Situationen, die durch emotionale und raumzeitliche Distanz von Schreiber und Leser geprägt sind. Der Sprachgebrauch muss dekontextualisiert werden und für den Leser nachvollziehbar sein. Schulsprache: Sprache, die an die Institution Schule gebunden und auf das Lehren und Lernen in dieser bezogen ist (z.B. Erörterung als Textsorte, die nur in der Schule geschrieben wird) Seiteneinsteiger: Kinder und Jugendliche, die nicht in Deutschland geboren sind und in die Schule in Deutschland quer einsteigen. Sie bringen meistens Schulerfahrungen aus ihrem Herkunftsland mit, müssen erst ihre Deutschkenntnisse aufbauen. Sprachsensibler Unterricht: Ansatz aus dem Sachfachunterricht von Josef Leisen, richtet sich an sprachschwache Lernende, bietet 40 Methoden als Werkzeug für integriertes Sprach- und Fachlernen syntagmatische Verbindungen: lineare, räumliche (in der geschriebenen Sprache) und zeitliche (in der gesprochenen Sprache) Reihenfolge von sprachlichen Zeichen (z.B. die Verknüpfung von Wörtern zu Wortgruppen: Der Mann trinkt Bier aber nicht * Der trinkt Mann Bier; die Verknüpfung von Lauten: / w/ +/ a/ + / l/ = Wal, aber nicht */ l/ + / w/ + / a/ ) Syntax: Satzlehre, Grammatikbereich, der sich mit dem Bau und der Gliederung von Sätzen beschäftigt. Sie gibt die Regeln vor, wie Wörter zu Sätzen kombiniert werden können. Synonyme: sprachliche Ausdrücke, die bedeutungsgleich und gegeneinander austauschbar sind (z.B. Knabe - Junge, erhalten - bekommen, Entschädigung - Abfindung) Textproduktion: Texte schreiben, eigenständige Entwicklung eines zielgerichteten, adressatenbezogenen und sprachlich differenzierten Textes und seine Verschriftlichung Textrezeption: Texte lesen und verstehen, Prozess der aktiven Wissensverarbeitung mithilfe von Texten. Aufnahme und Verständnis von Informationen aus einem Text Topikalisierung: das Hervorheben einzelner Wörter oder eines Satzglieds durch bestimmte Anordnung im Satz, meistens durch Voranstellung (z.B. Für Kinder wird es immer wichtiger ein I-Phone zu besitzen. Anstelle von Es wird für Kinder immer wichtiger ein I-Phone zu besitzen.) visual literacy: Fähigkeit, visuelle Botschaften (z.B. Bilder, Diagramme, Fotos, Karikaturen) zu verstehen, selbst zu erstellen und kommunikativ nutzen zu können Weltwissen: Wissen, das unterschiedliche Wissensformen (z.B. Alltags-, Fach-, Sprach-, Handlungswissen) umfasst. Es ist kulturell gebunden. Wortfeld: Wörter gleicher Wortart, die inhaltlich miteinander verwandt sind bzw. sich auf den gleichen Inhalt beziehen (z.B. Wortfeld Frau: Weib, Fräulein, Hausfrau, Dirne, Ehefrau, Witwe, Dame usw.) Zone der nächsten Entwicklung/ der proximalen Entwicklung: Bereich zwischen dem gegenwärtigen Entwicklungsstand eines Kindes und dem Entwicklungsstand, den es durch Unterstützung erreichen könnte (vgl. Wygotski 1978) Zweitsprache: Sprache, die zeitversetzt (ab dem 4. Lebensjahr) nach dem Erwerb der Erstsprache meist ungesteuert erworben wird und die Sprache der Umgebung ist. <?page no="209"?> Literatur Adamzik, Kirsten (2004): Textlinguistik. Eine einführende Darstellung. Tübingen: Niemeyer. Ahrenholz, Bernt (2010a): Erstsprache - Zweitsprache - Fremdsprache. In: Ahrenholz, Bernt; Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler: Schneider, 3-16. Ahrenholz, Bernt (2010b): Bildungssprache im Sachunterricht der Grundschule. 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Matthias Granzow-Emden Deutsche Grammatik verstehen und unterrichten bachelor-wissen 2., überarbeitete Auflage 2014 X, 310 Seiten €[D] 17,99 ISBN 978-3-8233-6883-0 Diese neuartige Einführung in die deutsche Grammatik verbindet schulgrammatisches Wissen und neuere Grammatikmodelle in anschaulicher und verständlicher Weise miteinander. Insbesondere Lehramtsstudierende können sich damit die Kenntnisse und Kompetenzen aneignen, die sie für ihr Studium und ihren künftigen Beruf brauchen; erfahrene Lehrkräfte bekommen wichtige Impulse für neue Wege im Deutschunterricht. Die funktional orientierten Erklärungen und die zahlreichen systematisch gestalteten Tabellen im Bereich der Verben, Nomen/ Nominalgruppen, Präpositionen und Pronomen eignen sich darüber hinaus für DaF-/ DaZ-Kurse sowie für die autodidaktische Aneignung des Deutschen als Fremd- oder Zweitsprache. <?page no="225"?> Sprachliche Kompetenzen sind notwendige Voraussetzungen für das Lehren und Lernen in allen schulischen Fächern. Aber wie diese Kompetenzen identifizieren und fördern - gerade in Klassen, in denen viele Schüler über geringe Deutschkenntnisse verfügen und/ oder Deutsch als Zweitsprache sprechen? Dieses Studienbuch bietet einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand im Bereich Deutsch als Zweitsprache und sprachliche Förderung und führt in die Grundbegriffe und die didaktisch-methodischen Ansätze des sprachbewussten Unterrichts ein. Behandelt werden neben diagnostischen Fragen u.a. der Sprachbedarf aus fachsprachlicher Sicht und die Auswahl der Lehrmaterialien bis hin zum Ablauf einer sprachbewussten Unterrichtseinheit. Durch zahlreiche Beispiele und Übungsaufgaben mit Lösungen gewinnen Lehrkräfte aller Fächer einen neuen Blick auf ihren Unterricht: Es werden Wege aufgezeigt, wie das fachliche und sprachliche Lernen miteinander verknüpft werden können. ISBN 978-3-8233-6843-4