Bilinguale Programme in Kindertageseinrichtungen
Umsetzungsbeispiele und Forschungsergebnisse
1024
2016
978-3-8233-7902-7
978-3-8233-6902-8
Gunter Narr Verlag
Anja Steinlen
Thorsten Piske
Im deutschsprachigen Raum mangelt es bisher nicht nur an konkreten Untersuchungen zu der Frage, wie sich die sprachlichen Fähigkeiten von bilingual betreuten Kindergartenkindern entwickeln, sondern auch an Erfahrungsberichten darüber, wie bilinguale Angebote möglichst gewinnbringend in den Kindergartenalltag integriert werden können. Dieser Sammelband präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse zur Effektivität verschiedener bilingualer Programme, zum Verständnis und zur Produktion formelhafter Wendungen sowie zu rezeptiven Grammatik- und Wortschatzkenntnissen von Kindern in der Fremdsprache. Darüber hinaus umfasst er Erfahrungsberichte zur konkreten Umsetzung bilingualer Angebote aus der Sicht einer Kita-Leitung, eines Trägers und der wissenschaftlichen Begleitung, und er enthält eine Auswertung von Interviews mit Erzieherinnen aus verschiedenen bilingualen Einrichtungen.
<?page no="0"?> Multilingualism and Language Teaching 2 Anja Steinlen / Thorsten Piske (Hrsg.) Bilinguale Programme in Kindertageseinrichtungen Umsetzungsbeispiele und Forschungsergebnisse <?page no="1"?> Bilinguale Programme in Kindertageseinrichtungen <?page no="2"?> Multilingualism and Language Teaching Herausgegeben von Thorsten Piske (Erlangen), Silke Jansen (Erlangen) und Martha Young-Scholten (Newcastle) Band 2 <?page no="3"?> Anja Steinlen / Thorsten Piske (Hrsg.) Bilinguale Programme in Kindertageseinrichtungen Umsetzungsbeispiele und Forschungsergebnisse <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2016 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 2197-6384 ISBN 978-3-8233-6902-8 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Thorsten Piske Vorwort: Was bilinguale Kitas (unter anderem) leisten können 7 A. Zur Förderung von Mehrsprachigkeit durch bilinguale Angebote an Kitas und Schulen Henning Wode Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita: Zur Genese, Entwicklung und Lösung einer europäischen Bildungsherausforderung 19 B. Erfahrungen aus der Praxis Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen Erfahrungen bei der Einführung der frühen Zweisprachigkeit in einem bilingualen Kindergarten 51 Alexandra Häckel Der bilinguale Ansatz aus der Sicht von deutschsprachigen und englischsprachigen Erzieherinnen 69 C. Forschungsergebnisse und Umsetzungsbeispiele aus bilingualen Kitas in Deutschland Petra Burmeister „Put your shoes on! “ heißt „Putz deine Schuhe! “: Wie Kinder in deutsch-englisch bilingualen Kita-Gruppen formelhafte Sprache verstehen und produzieren 97 Martina Weitz, Andreas Rohde Wortschatzuntersuchungen in deutsch-englisch bilingualen Kindertageseinrichtungen in Deutschland 117 Anja K. Steinlen Die rezeptive englische Grammatik- und Vokabelentwicklung in einem bilingualen Kindergarten 139 <?page no="6"?> Alexandra Häckel, Thorsten Piske Welche Rolle spielen Faktoren wie fremdsprachliche Kontaktzeit, Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund beim frühen Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindertageseinrichtungen? 161 D. Ergebnisse des EU-ELIAS Projekts aus vier europäischen Ländern Anja K. Steinlen Die Entwicklung des Englischen und des Deutschen von Kindern mit Migrationshintergrund in bilingualen Kindergärten 197 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter Bilinguale Kindergärten: Der Einfluss des Zweitspracherwerbs auf den Erstspracherwerb Deutsch bei Kindern im Vorschulalter 219 Kristin Kersten "Early Language and Intercultural Acquisition Studies": Forschungsergebnisse des ELIAS Projekts in bilingualen Kitas 239 E. Erste Ergebnisse aus bilingualen Krippengruppen Anja K. Steinlen, Subrina Powell, Anke Schilk, Veronika Musilova Interaktionen zwischen englischer Erzieherin und Kindern in einer bilingualen Krippe 261 Subrina Powell Erfahrungsberichte einer englischsprachigen Erzieherin in einer bilingualen Krippe 281 Autorenverzeichnis 287 Personenregister 291 Sachregister 302 <?page no="7"?> Thorsten Piske - Universität Erlangen-Nürnberg Vorwort: Was bilinguale Kitas (unter anderem) leisten können Wissenschaftliche Untersuchungen zum Zweitspracherwerb haben immer wieder gezeigt, dass "Frühbeginn" beim Erlernen von Zweit-/ Fremdsprachen (L2) nicht automatisch zu größeren Lernerfolgen führt, sondern dass auch so genannte „frühe Lerner“ gewöhnlich nur dann größere Fortschritte beim Erlernen einer neuen Sprache zeigen, wenn sie über einen längeren Zeitraum und in anschaulichen und authentischen Situationen kontinuierlich intensiven Kontakt zu dieser Sprache haben und wenn sie ihren sprachlichen Input vornehmlich von solchen Personen erhalten, die selbst über eine hohe Kompetenz in der L2 verfügen (z.B. Winitz et al. 1995, Flege et al. 1999, Piske et al. 2001, Piske 2007, 2013, 2014). Diese Bedingungen für größere Lernfortschritte sind bei "Fremdsprachen-AGs", die an einer stetig wachsenden Zahl von Kindertageseinrichtungen (in diesem Band auch als Kitas, Kindergärten oder Kindertagesstätten bezeichnet) in Deutschland angeboten werden, in der Regel nicht gegeben, denn die meisten dieser AGs zeichnen sich dadurch aus, dass Kinder für nur ca. 30 bis 60 Minuten pro Woche z.B. durch Singen, Reimen und Spielen in fremdsprachliche Aktivitäten eingebunden werden. Kinder, die einmal in der Woche für eine relativ kurze Zeit Kontakt zu einer Fremdsprache haben, entwickeln gewöhnlich zwar ein größeres Bewusstsein für und Neugier auf fremde Sprachen (z.B. Schmid- Schönbein 2001); mit größeren Fortschritten im Verständnis und der Produktion der jeweiligen Fremdsprache sollte aber nicht gerechnet werden (vgl. z.B. Piske 2007). Betrachtet man dagegen, wie (fremd)sprachliche Betreuung an Kindertageseinrichtungen mit bilingualen Angeboten (wie sie in diesem Band beschrieben werden) erfolgt, so wird schnell deutlich, dass die eingangs genannten Bedingungen für das erfolgreiche Erlernen von Fremdsprachen an Kitas mit bilingualen Programmen viel eher gegeben sind als an Einrichtungen, die einmal pro Woche Fremdsprachen-AGs von 30 bis 60 Minuten Dauer anbieten. Die bilingualen Kindertageseinrichtungen, deren Arbeitsweise und Wirksamkeit in diesem Band dargestellt und untersucht werden, zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie Kindern nicht nur einmal pro Woche, sondern dauerhaft und kontinuierlich Kontakt zu einer L2 bieten, da die fremdsprachigen ErzieherInnen täglich für einen längeren Zeitraum anwesend sind. Entscheidend ist darüber hinaus, dass die Fremdsprache in diesen Einrichtungen fester Bestandteil des alltäglichen Kindergartengesche- <?page no="8"?> 8 Thorsten Piske hens ist und dabei nicht - wie oft befürchtet - „schulstundenartig“ unterrichtet, sondern in Routinesituationen als Alltagssprache erlebt und gelernt wird (siehe auch Burmeister sowie Ufert et al. in diesem Band). Durch Betreuungskräfte, die die Fremdsprache möglichst als Erstbzw. Muttersprache (L1) sprechen, soll den Kindern darüber hinaus nicht nur die Fremdsprache selbst, sondern auch die jeweilige Kultur nahe gebracht werden (vgl. Wode 2009). Ein wesentliches Merkmal sehr vieler bilingualer Kindertagesstätten ist das sogenannte „Eine-Person-Eine-Sprache-Prinzip“ (One person - One language, vgl. Döpke 1992, Nauwerck 2005). Hierbei verwenden die fremdsprachigen ErzieherInnen ausschließlich die Fremdsprache, die deutschsprachigen Kräfte sprechen nur Deutsch. Mit anderen Worten: Eine Sprache ist eindeutig einer Person zugeordnet. Dabei zeichnet sich die Kommunikation zwischen der fremdsprachigen Betreuungskraft und den Kindern zunächst in der Regel auch durch Zweisprachigkeit aus. So spricht z.B. eine englischsprachige Erzieherin bzw. ein englischsprachiger Erzieher zwar nur Englisch mit den Kindern, die Kinder selbst sprechen mit ihm/ ihr jedoch zumeist. Deutsch. Weiterhin ist wichtig, dass die Fremdsprache in bilingualen Kitas in Situationen eingebunden wird, die für die Kinder relevant sind. Damit die Kinder die fremdsprachige Erzieherin bzw. den fremdsprachigen Erzieher verstehen, wird das Gesagte entsprechend kontextualisiert, d.h., die Sprache wird durch Handlungen, Gesten und Mimik unterstützt. Schließlich ist noch zu beachten, dass der Sprachgebrauch - nicht zuletzt durch die hohe Kompetenz der fremdsprachigen ErzieherInnen in der L2 - authentisch ist und die L2 für die Kinder ein natürliches und selbstverständliches Medium der Kommunikation im Kindergartenalltag darstellt (vgl. auch Burmeister sowie Ufert et al. in diesem Band). Insgesamt betrachtet bieten bisher nur relativ wenige Kindertageseinrichtungen in Deutschland bilinguale Programme an, um Kindern das frühe Erlernen einer Fremdsprache schon vor der Grundschulzeit zu ermöglichen. Nach einer vom "Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V." (FMKS) veröffentlichten Statistik betrug der Anteil aller bilingual arbeitenden Kindertagesstätten im Jahr 2014 bundesweit lediglich ca. 2 Prozent; das waren ca. 1035 Kindertagesstätten. Allerdings weisen die vom FMKS ermittelten Zahlen auch darauf hin, dass die Zahl an bilingualen Kindertagesstätten in Deutschland stetig steigt. So stellt die Zahl von ca. 1035 Kitas im Jahr 2014 eine Verdreifachung gegenüber der Zahl bilingual arbeitender Kitas aus dem Jahr 2004 dar. Dabei lernen die meisten Kinder in Kitas mit bilingualen Angeboten Englisch als Fremdsprache. Es gibt in Deutschland aber natürlich nicht nur Kitas mit deutsch-englischen Angeboten, sondern auch bilingual arbeitende Kitas, in denen Kinder Fran- <?page no="9"?> Vorwort 9 zösisch, Dänisch, Spanisch, Türkisch, Russisch, Sorbisch, Italienisch, Plattdeutsch und einige weitere Sprachen lernen 1 . Fragt man Eltern oder ErzieherInnen nach ihren Erfahrungen mit bilingualen Kita-Programmen, so wird häufig berichtet, dass es den Kindern in solchen Programmen viel Freude bereitet, eine neue Sprache zu lernen. Zwei Hauptziele des vorliegenden Bandes bestehen deshalb darin, a) zu untersuchen, inwieweit Kinder aus Kitas mit bilingualen Angboten im Verlauf der Kita-Zeit auch tatsächlich Fortschritte beim Erlernen einer Fremdsprache zeigen und b) Antworten auf Fragen zu geben, die Eltern, ErzieherInnen oder auch Träger von Kindertageseinrichtungen häufig im Zusammenhang mit bilingualen Kindertageseinrichtungen stellen, wie etwa: − Leiden die Deutschkenntnisse von Kindergartenkindern, wenn sie schon ab dem 3. Lebensjahr eine Fremdsprache lernen? − Sind bilinguale Kita-Angebote auch für Kinder mit einem so genannten "Migrationshintergrund" geeignet, die eventuell mit anderen Erstsprachen als Deutsch oder mehrsprachig mit anderen Erstsprachen und Deutsch aufwachsen? − Wieviel Kontakt zu einer Fremdsprache sollte Kindern in bilingualen Kitas geboten werden, damit sie auch tatsächlich Fortschritte beim Erlernen einer Fremdsprache machen können? − Welche Bedingungen sollten an einer Kita erfüllt sein, damit ein Kind gleichzeitig wirksam und in einer altersgemäßen Weise in seiner gesamten mehrsprachigen Entwicklung gefördert werden kann? − Vor welchen Herausforderungen steht eine Kita, wenn sie beabsichtigt, ein bilinguales Angebot einzuführen? − Welche Herausforderungen ergeben sich für ErzieherInnen in der täglichen Arbeit in bilingualen Kitas? Die nachfolgenden Kapitel dieses Buches umfassen Erfahrungsberichte aus der bilingualen Kitapraxis und wissenschaftliche Untersuchungen, deren Ergebnisse viele konkrete Antworten auf diese und weitere Fragen ermöglichen. Henning Wode leitet Teil A dieses Buches ein, indem er einen Überblick über Forschungsergebnisse präsentiert, die zumeist an einer Kindertageseinrichtung und einer Grundschule in Schleswig-Holstein erzielt worden sind, die sich beide in ihrer Arbeitsweise am bilingualen Ansatz der so genannten "frühen Immersion" orientieren. Henning Wode bezieht sich in seinem Beitrag vor allem auf die Ergebnisse von Habilitationsschriften und Dissertationen sowie von unveröffentlichten Staatsexamens- und Magisterarbeiten, die seit Anfang/ Mitte der 1990er Jahre am Englischen Seminar der Universität Kiel entstanden sind. Einige der von ihm angesprochenen Punkte, etwa die Entwicklung des L2-Wortschatzes oder der L2-Grammatik bei Kindern in Kitas mit Immersionsangeboten, werden in anderen Kapiteln 1 Vgl. http: / / fmks-online.de/ aktuelles.html (25.08.2016). <?page no="10"?> 10 Thorsten Piske dieses Bandes weiter vertieft. Seine Ausführungen zu Ergebnissen aus Grundschulen mit Immersionsangeboten zeigen, wie Kinder nach der Kindergartenzeit kontinuierlich mehrsprachig weiter gefördert werden können. Henning Wodes gesamter Beitrag dient insbesondere dem Ziel zu verdeutlichen, welche Rolle bilinguale Angebote an Kitas und Schulen im Zusammenhang mit der Sprachenpolitk der EU und insbesondere der 3 + - Sprachenformel spielen können. In Teil B des vorliegenden Bandes stehen Erfahrungen aus der Praxis im Vordergrund. Zunächst erläutern Detlef Ufert, Anke Schilk und Anja Steinlen am Beispiel eines Kindergartens, der seit 2004 deutsch-englisch bilingual arbeitet, vor welchen Aufgaben und Herausforderungen Kitas stehen, die ein bilinguales Angebot einführen wollen. Darüber hinaus wird in diesem Beitrag darauf eingegangen, welche Punkte bei der praktischen Umsetzung eines bilingualen Angebots beachtet werden sollten und zwar von Seiten des Trägers als auch der Kita-Leitung. Abschließend werden die Ergebnissse eines Elternfragebogens zum bilingualen Angbot an der betreffenden Kita vorgestellt, die u.a. Aufschluss darüber geben, wie zufrieden die Eltern und deren Kinder mit dem bilingualen Angebot sind und welche Gründe die Eltern dazu veranlasst haben, ihr Kind in einer bilingualen Kita anzumelden. In einem weiteren Kapitel zu Erfahrungen aus der Praxis fasst Alexandra Häckel die Ergebnisse von Erzieherinneninterviews zusammen. Diese Ergebnisse spiegeln die Sichtweise sowohl fremdsprachiger als auch deutschsprachiger Erzieherinnen zur Einführung, zur Umsetzung und zum Erfolg bilingualer Angebote in Kitas wider. Der Beitrag liefert u.a. Hinweise darauf, welche Befürchtungen Erzieherinnen bezüglich möglicher Veränderungen im Arbeitsalltag haben können, wenn in ihrer Einrichtung ein bilinguales Programm neu neu eingeführt werden soll, und er geht darauf ein, welche Veränderungsvorschläge zur Umsetzung bilingualer Angebote Erzieherinnen aufgrund der von ihnen gemachten Erfahrungen haben. Ab Teil C des vorliegenden Bandes werden Forschungsergebnisse zu unterschiedlichen Fragestellungen zusammengefasst. Dabei werden in insgesamt vier Kapiteln als erstes Untersuchungsergebnisse aus bilingualen Kitas in Deutschland vorgestellt. Diese Kitas bieten zwar alle deutsch-englische Programme an, zeichnen sich in Bezug auf die konkrete Umsetzung dieser Programme aber durch einige Unterschiede aus, die z.B. für die Entwicklung bestimmter Aspekte der Englischkenntnisse der bilingual betreuten Kinder von Bedeutung sein können. Teil C beginnt mit einem Kapitel von Petra Burmeister, in dem zunächst erläutert wird, wie fremdsprachige ErzieherInnen in Kitas mit bilingualen Angeboten agieren sollten, damit die von ihnen betreuten Kinder die neue Sprache verstehen können. Danach stellt die Verfasserin ein Datenerhebungsverfahren, den so genannten „Formeltest“ vor, mit dem überprüft <?page no="11"?> Vorwort 11 werden kann, inwieweit Kinder in bilingualen Kindertageseinrichtungen fremdsprachliche formelhafte Wendungen aus täglich wiederkehrenden Routinesituationen auch außerhalb dieser Kontexte verstehen und produzieren können. Die von Petra Burmeister vorgestellten Forschungsergebnisse, die in Untersuchungen in einer Betriebskindertagesstätte in Hannover erzielt wurden, zeigen, wie schnell Kinder in Kitas mit bilingualen Angeboten Aktivitäten folgen können, die in einer Fremdsprache angeboten werden und dass sie formelhafte Wendungen, etwa in der englischen Sprache, nach einer gewissen Zeit auch außerhalb vertrauter Kontexte verstehen und angemessen auf Deutsch wiedergeben können. Als nächstes untersuchen Martina Weitz und Andreas Rohde in einer Pilotstudie, von welchen Faktoren die Entwicklung des englischen Wortschatzverständnisses bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkindern abhängig ist. Sie vergleichen die Ergebnisse, die Kinder aus drei Kindertagesstätten im British Picture Vocabulary Scale II (Dunn et al. 1997) erzielt haben und ziehen die vorläufge Schlussfolgerung, dass die Entwicklung des Wortschatzes in einer Fremdsprache bei bilingual betreuten Kindergartenkindern maßgeblich durch die Qualität des L2-Inputs bzw. durch die Art der Interaktion zwischen den Kindern und den zweitsprachigen Betreuungskräften beeinflusst wird. Sie betonen in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, dass sich Kindertagesstätten bei der Planung und Implementierung bilingualer Programme mit den Gelingensbedingungen solcher Programme vertraut machen. Im nachfolgenden Beitrag untersucht Anja Steinlen neben dem Verständnis des englischen Wortschatzes auch das Verständnis der englischen Grammatik bei Kindern in einer bilingualen Kita in Melsdorf bei Kiel. Sie geht zunächst auf Forschungsergebnisse zur möglichen Bedeutung von Faktoren wie Kontaktzeit zur Fremdsprache, Alter und Geschlecht bei der fremdsprachlichen Entwicklung von Kindern ein und präsentiert dann die Ergebnisse einer eigenen Studie. Hier zeigt sich, dass sich die Ergebnisse sowohl zum grammatischen als auch zum lexikalischen Hörverstehen, die die bilingual betreuten Kinder der Melsdorfer Kita in zwei Bildzeigetests erzielten, mit zunehmenden Kontakt zum Englischen deutlich verbesserten, dass diese Ergebnisse aber weder vom Geschlecht noch vom Alter der Kinder abhängig waren. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen anschließend Alexandra Häckel und Thorsten Piske, die Kinder in drei Kitas mit deutsch-englisch bilingualen Angeboten in Baden-Württemberg in Bezug auf ihr Verständnis des englischen Wortschatzes und der englischen Grammatik untersuchten. Auch bei den Kindern dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass sich das lexikalische und grammatische Verständnis mit zunehmender Kontaktdauer verbesserte, dass sich eine höhere tägliche Kontaktzeit aber vor allem auf das Verständnis fremdsprachlicher Grammatikkenntnisse positiv auszuwir- <?page no="12"?> 12 Thorsten Piske ken schien. Ein besonders interessantes Ergebnis der Studie von Alexandra Häckel und Thorsten Piske ist darüber hinaus, dass Kinder deutscher Herkunft und Kinder mit einem so genannten Migrationshintergrund in den Tests zum Verständnis des englischen Wortschatzes und der englischen Grammatik sowie in Untersuchungen zum Deutschen gleich gut abgeschnitten haben. Dieses Ergebnis zeigt, dass Kinder ohne und mit Migrationshintergrund in Bezug auf ihre (fremd)sprachliche Entwicklung in gleicher Weise von bilingualen Kita-Programmen profitieren können. Teil D des vorliegenden Bandes stellt Ergebnisse vor, die im Zusammenhang mit einem multilateralen EU-Comenius-Projekt mit dem Titel Early Language and Intercultural Acquisition Studies (ELIAS) erzielt und bereits in zwei englischsprachigen Bänden (Kersten, Rohde, Schelletter, Steinlen 2010a, b) beschrieben worden sind. Im ELIAS Projekt wurden über 400 Kinder aus ingesamt zehn bilingualen Kindergärten sowie einem monolingual englischen Kindergarten in Belgien, England, Deutschland und Schweden untersucht. Die Ergebnisse des Projekts bestätigen die Ergebnisse, die in weniger umfangreichen Untersuchungen in bilingualen Kitas in Deutschland erzielt worden sind und haben darüber hinaus einige weitere Ergebnisse zu Fragestellungen erbracht, die in den in Teil C dieses Bandes vorgestellten Studien nicht untersucht worden sind. Im ersten von drei Kapiteln zu Ergebnissen aus dem ELIAS Projekt vergleicht Anja Steinlen bilingual betreute Kindergartenkinder, die mit der Majoritätensprache eines Landes aufwachsen (z.B. Deutsch in Deutschland) mit Kindern, die einen so genannten Migrationshintergund aufweisen und deren Familiensprache zumeist nicht der Majoritätensprache entspricht. Wie schon in der Studie von Alexandra Häckel und Thorsten Piske werden dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen den Ergebnissen festgestellt, die Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in Englischtests zum grammatischen und lexikalischen Verständnis und in Deutschtests erzielt haben. Anja Steinlen schließt aus diesem Ergebnis, dass Kitas mit bilingualen Angeboten ein sehr gutes Lernumfeld bieten, um es Kindern mit einem so genannten Migrationshintergrund zu ermöglichen, neben ihrer/ ihren Familiensprache/ n und einer Majoritätensprache (wie dem Deutschen) schon früh deutliche Fortschritte beim Erlernen einer Fremdsprache zu erzielen. Im folgenden Beitrag untersuchen Anja Steinlen und Christina Schelletter mit Hilfe des "Sprachentwicklungstests für dreibis fünfjährige Kinder" (SETK 3-5, Grimm et al. 2001) die Deutschkenntnisse von Kindern in zwei unterschiedlichen bilingualen Kita-Kontexten, nämlich a) von deutschen Kindern aus deutsch-englischen Kitas in Deutschland und b) von englischdeutschen Kindern aus einer englisch-deutschen bilingualen englischdeutschen Kita in England. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich die Deutschkenntnisse der Kinder in beiden Kontexten trotz des frühen intensiven Kontakts zum Englischen altersgemäß entwickelten. Auch die <?page no="13"?> Vorwort 13 Ergebnisse dieser Studie lassen also die Schlussfolgerung zu, dass Mehrsprachigkeit in bilingualen Kitas sehr wirksam gefördert werden kann. Im letzten Beitrag von Teil D dieses Bandes fasst Kristin Kersten die vielfältigen Ergebnisse des EU-basierten Comenius Projekts ELIAS zusammen. Dabei geht sie insbesondere auf vier Teilstudien ein, in denen die folgenden Fragen im Vordergrund standen: Wie entwickelt sich die Erstsprache Deutsch bei Kindern in bilingualen Kindergärten in Deutschland? Wie entwickelt sich die Zweitsprache Englisch bei Kindern in verschiedenen europäischen bilingualen Kindergärten? Lassen sich Einflussfaktoren auf die sprachliche Entwicklung der bilingual betreuten Kinder identifizieren? Welche Aspekte interkultureller Kompetenz entwickeln sich im bilingualen Kindergartenkontext? Wie entwickeln sich Naturbegegnungen und der Erwerb von umweltbezogenem Fachwissen in der L2 in einem Konzept zur „grünen Immersion“? Insgesamt zeigen die von Kristin Kersten präsentierten Ergebnisse sehr deutlich, in welch hohem Maße Zweitspracherwerb, interkulturelles Lernen und Umweltlernen bereits bei Kindern im Kindergartenalter stattfinden kann, wenn sie eine bilinguale Kindertagesstätte besuchen. Nicht nur Kindergartenkinder erhalten in immer mehr Einrichtungen die Möglichkeit in bilingualen Programmen eine Fremdsprache zu erlernen, sondern auch die Zahl von Krippengruppen, in denen schon Kinder unter drei Jahren bilingual betreut werden, nimmt immer mehr zu. Forschungsergebnisse zu bilingual betreuten Krippenkindern liegen aus Deutschland bisher kaum vor. Teil E des vorliegenden Bandes widmet sich mit zwei Beiträgen bilingualen Krippen. Zunächst dokumentieren Anja Steinlen, Subrina Powell, Anke Schilk und Veronika Musilova mit Hilfe eines Beobachtungsbogens die Charakteristika des fremdsprachlichen Inputs, den ErzieherInnen Krippenkindern bieten und die Reaktionen der Kinder darauf. Alles in allem bestätigt die Dokumentation Erfahrungsberichte, nach denen Krippenkinder zwar oft noch nonverbal auf die fremdsprachlichen Äußerungen von ErzieherInnen reagieren, dass sie durch den frühen Kontakt zu einer Fremdsprache aber nicht überfordert zu sein scheinen, sondern Freude und Unbefangenheit beim Umgang mit dieser Sprache zeigen. Der Band schließt mit einem in englischer Sprache verfassten Erfahrungsbericht, in dem die fremdsprachige Erzieherin Subrina Powell ihre sehr persönliche Sicht auf die bilinguale Betreuung von Kindern unter drei Jahren wiedergibt. Sie geht dabei u.a. auch auf ihre Erfahrungen und Ansichten zu verschiedenen Fragen und Befürchtungen ein, die im Zusammenhang mit der Einführung bilingualer Angebote im Krippenbereich immer wieder geäußert werden. Insgesamt betrachtet weisen die in diesem Band vorgestellten Forschungsergebnisse und Erfahrungsberichte klar darauf hin, dass Kinder in Kitas mit bilingualen Angeboten in Bezug auf bestimmte Teilkompetenzen <?page no="14"?> 14 Thorsten Piske deutliche Fortschritte in ihrer fremdsprachlichen Entwicklung machen können. Dabei ist zu beachten, dass die Fremdsprache in bilingualen Kitas nicht wie in Schulstunden unterrichtet wird, sondern dass die Kinder der neuen Sprache in für sie alltäglischen Situationen und speziell geplanten interessanten Aktivitäten auf eine natürliche, authentische und spielerische Art und Weise begegnen. Besonders wichtig ist auch, dass weder die deutsch-englisch bilingual betreuten Kinder deutscher Herkunft noch deren Altersgenossen mit einem so genannten Migrationshintergrund in den hier vorgestellten Studien Defizite bezüglich der Entwicklung ihrer Deutschkenntnisse gezeigt haben. Dieses Ergebnis ist vor allem im Hinblick auf die Eignung bilingualer Kita- Einrichtungen als Einrichtungen zur effizienten Förderung von Mehrsprachigkeit relevant. Würde eine deutsch-englisch bilinguale Betreuung an einer deutschen Kita auf Kosten der deutschen Sprache erfolgen, wäre diese Art der sprachlichen Betreuung ineffizient und kontraproduktiv. Eine Aufgabe, vor der Familien stehen, in denen Kinder mit Sprachen aufwachsen, die nicht der Majoritätensprache eines Landes entsprechen, besteht im Zusammenhang mit der Förderung von Mehrsprachigkeit darin, die Familiensprache/ n zuhause so zu unterstützen, dass sie sich bei ihren Kindern altersgemäß entwickeln können. An den Kitas, an denen die hier vorgestellten Studien durchgeführt worden sind, werden von den Kindern teilweise bis zu zwanzig unterschiedliche Familiensprachen gesprochen. Wichtig ist, dass die ErzieherInnen allen Sprachen, die die Kinder ihrer Einrichtungen sprechen, mit Wertschätzung und Interesse begegnen, auch wenn die aktive Förderung aller Familiensprachen in einer bilingualen Kita nur eingeschränkt möglich ist. Anja Steinlen und ich danken den studentischen Hilfskräften Ida Dresemann, Maximilian Feske, Lisa Langenbucher, Daniela Müller, Lea Pöschik und Barbara Winkler für die tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts für diesen Band. Ein besonderer Dank geht auch an die Kinder und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas, an denen die in diesem Buch vorgestellten Untersuchungen durchgeführt wurden. Literatur Döpke, S. 1992. One parent one language. An interactional approach. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. Dunn, L[loyd] M., Dunn, L[eota] M., Whetton, C. & Burley, J. 1997. The British Picture Vocabulary Scale. 2. Auflage. Windsor: National Foundation for Educational Research (NFER-Nelson). Flege, J.E., Yeni-Komshian, G. & Liu, S.H. 1999. Age constraints on second language acquisition. Journal of Memory & Language 41, 78-104. <?page no="15"?> Vorwort 15 Grimm, H., Aktas, M. & Frevert, S. 2001. SETK 3-5: Sprachentwicklungstest für dreibis fünfjährige Kinder: Diagnose von Sprachverarbeitungsfähigkeiten und auditiven Gedächtnisleistungen [Manual]. Göttingen: Hogrefe. Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C. & Steinlen, A.K. K. 2010a. Bilingual preschools Vol. I: Learning and development. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier. Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C. & Steinlen, A.K. K. 2010b. Bilingual preschools Vol. II: Best practices. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier. Nauwerck, P. 2005. Zweisprachigkeit im Kindergarten. Konzepte und Bedingungen für das Gelingen. Freiburg: Filibach Piske, T. 2007. Wichtig ist nicht nur ein früher Beginn: Zum Erlernen von Fremdsprachen an Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. In: Plieninger, M. & Schumacher, E. (Hrsg.), Auf den Anfang kommt es an - Bildung und Erziehung im Kindergarten und im Übergang zur Grundschule. Schwäbisch Gmünd: Gmünder Hochschulreihe Band 27, 133-151. Piske, T. 2013. Frühbeginn allein ist nicht genug: Welchen Einfluss haben Faktoren wie Alter, sprachlicher Input, Geschlecht und Motivation auf die Ausspracheentwicklung und die grammatischen Kenntnisse von Zweitsprachenlernern? In: Bürgel, C. & Siepmann, D. (Hrsg.), Sprachwissenschaft - Fremdsprachendidaktik: Neue Impulse. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 117-144. Piske, T. 2014. Empirische Befunde zur Rolle des Alters beim Zweitspracherwerb. In: Böttger, H. & Gien, G. (Hrsg.), The Multilingual Brain. Zum neurodidaktischen Umgang mit Mehrsprachigkeit. Eichstätt: Eichstaett Academic Press, 20-32. Piske, T., MacKay, I.R.A. & Flege, J.E. 2001. Factors affecting degree of foreign accent in an L2: A review. Journal of Phonetics 29, 191-215. Schmid-Schönbein, G. 2001. Didaktik: Grundschulenglisch. Berlin: Cornelsen. Winitz, H., Gillespie, B., & Starcev, J. 1995. The development of English speech patterns of a 7-year-old Polish-speaking child. Journal of Psycholinguistic Research, 24, 117-143. Wode, H. 2009. Frühes Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindergärten und Grundschulen. Braunschweig: Westermann. <?page no="17"?> A. Zur Förderung von Mehrsprachigkeit durch bilinguale Angebote an Kitas und Schulen <?page no="19"?> Henning Wode - Universität Kiel Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita: Zur Genese, Entwicklung und Lösung einer europäischen Bildungsherausforderung Abstract Spätestens als Anfang der 1990er Jahre die Umwandlung der EWG von einer Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Einheit Europäische Union (EU) vollzogen wurde, stellte sich den Mitgliedsländern eine gewaltige bildungspolitische Herausforderung: Es galt die EU so zu gestalten, dass die sprachliche und die kulturelle Vielfalt erhalten bleibt. Das war nur zu erreichen, indem über die nationalen Bildungssysteme der Mitgliedsländer Mehrsprachigkeit beträchtlich intensiver als bisher üblich gefördert würde. Daher beschloss man, dass in Zukunft jedes Kind in der EU die Chance haben sollte, im Laufe seiner Schulzeit mindestens drei Sprachen in Wort und Schrift auf einem funktional angemessenen, d.h. berufstauglichen Niveau zu lernen. Dieser Bericht fasst die bislang vorliegenden Forschungsergebnisse und praktischen Erfahrungen aus der Erprobung in Schleswig-Holstein zur Frage zusammen, ob und wie weit sich dieses Ziel mit Hilfe der Immersionsmethode erreichen lässt. 1 Zielsetzung Die Forderung, Kinder sollten mindestens drei Sprachen auf berufstauglichem Niveau lernen, lässt sich leicht aufstellen und medienwirksam beschwören. Diejenigen aber, die sie umsetzen sollen, müssen sich im Stich gelassen fühlen, wenn ihnen nicht auch gesagt wird, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. Denn schließlich kann jeder Absolvent des deutschen Bildungssystems aus eigener Erfahrung nachvollziehen, dass sich mit den bislang üblichen Methoden, Fremdprachen in der Schule durch stundenweisen Unterricht zu vermitteln, die Ziele der EU nicht einmal annähernd erreichen lassen (z.B. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003). Beträchtlich ertragreichere Ansätze sind erforderlich. Die in diesem Band zusammengestellten Beiträge entstammen direkt oder indirekt einer Reihe von Projekten, die seit den frühen 1990er Jahren am <?page no="20"?> 20 Henning Wode Englischen Seminar der Universität Kiel mit dem Ziel initiiert wurden, durch empirische Forschung zu prüfen, ob sich die in vielen Ländern so überaus erfolgreiche Methode der Immersion (IM) auch im deutschen Bildungssystem erfolgreich nutzen lässt, um der durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung der EU bedingten Herausforderung nach einer Intensivierung der Fremdsprachenvermittlung auf hohem Niveau gerecht werden zu können. Dazu wurde nach und nach auf der Grundlage von IM eine Konzeption entwickelt, deren Grundgedanke ist, dass die Kinder bereits mit drei Jahren in der Kita immersiv an eine neue Sprache herangeführt werden, dass IM in der Grundschule möglichst intensiv, d.h. in allen Fächern bis auf das Fach Deutsch, kontinuierlich weitergeführt wird und dass mit Beginn der Sekundarstufe I die zweite zusätzliche Sprache nach dem Modell des nicht nur in Deutschland äußerst erfolgreichen Bilingualen Unterrichts (BU) europäischer Prägung vermittelt wird. Umgesetzt wurde das Vorhaben, indem ab 1991 zunächst in der Sekundarstufe I der BU in Schleswig-Holstein eingeführt und wissenschaftlich intensiv begleitet wurde (Überblicke z.B. in Wode 1994a, Wode et al. 1996, Wode et al. 1999, Burmeister 1994, 1998, Lohmann 1998, Daniel 2001, Burmeister & Daniel 2002). 1996 folgte der zweite Schritt, indem in der AWO- Kita Altenholz englische IM für 3-6-jährige Kinder eingeführt wurde. 1999 wechselte der erste IM-Jahrgang aus der AWO-Kita in die benachbarte Claus-Rixen-Grundschule und wurde dort in allen Fächern bis auf Deutsch immersiv auf Englisch unterrichtet (Überblicke z.B. in Wode 2001a, 2004a, 2009a, 2013, Wode et al. 2002, Fischer 2006, Burmeister & Pasternak 2004). Im Zentrum dieses Bandes steht die Zeit in der Kita. Die Beiträge stammen gewissermaßen aus der zweiten und dritten Generation, da ihnen Projekte zu Grunde liegen, die entweder von ehemaligen MitarbeiterInnen unserer Kieler Arbeitsgruppe in Weiterentwicklung des Kieler Ansatzes an ihren neuen Wirkungsstätten durchgeführt wurden oder aus kongenialen Überlegungen in anderen europäischen Ländern entstanden sind. 2 Zur Ausgangslage So wie sich die Entwicklung derzeit in Deutschland vollzieht, kann der Eindruck entstehen, dass das zentrale Ziel und die Dringlichkeit der frühen und intensiven Fremdsprachenvermittlung noch immer nicht hinreichend durchschaut werden. Folgende Punkte drängen sich in diesem Zusammenhang besonders auf: In allen Bundesländern dominiert derzeit in der Grundschule das Modell des stundenweise erteilten Unterrichts mit einem wöchentlichen Angebot von ein bis drei Stunden für die erste Fremdsprache (Kultusministerkonferenz 2013). In der Regel ist es Englisch, seltener eine andere Sprache. In selt- <?page no="21"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 21 samer Eintracht geben sich Eltern, Lehrkräfte und die Kultusministerien mit dieser Lösung zufrieden, obwohl niemand ernsthaft annehmen kann, dass mit diesem Modell das Niveau an Fremdsprachenkenntnissen, das durch die Europäisierung und Globalisierung geradezu erzwungen wird, auch nur in Ansätzen erreichbar ist. Diese Schwäche ist schon lange bekannt (z.B. Sauer 2000, Böttger 2009). Beträchtlich leistungsstärkere Ansätze werden gebraucht. Vor diesem Hintergrund muss es verwundern, dass man sich bei der Suche nach angemessenen Lösungen schon in den 1990er Jahren (und davor) nicht an den international erfolgreichsten Modellen, insbesondere an den immersiven aus Kanada, orientiert hat. Aufgedrängt hätte sich ein systematischer Vergleich des jeweils erreichbaren Niveaus im Verbund mit einer praxisorientierten Erprobung, ob denn diese international besonders erfolgreichen Modelle auch im deutschen Schulsystem, ggf. nach entsprechenden Modifikationen, ähnliche Ergebnisse bringen. Insgesamt wirkt die Entwicklung in Deutschland in sich widersprüchlich: Im öffentlichen Bildungssystem dominiert mit dem herkömmlichen Fremdsprachenunterricht ein unzulänglicher Ansatz, weshalb es von privater Seite vermehrt zu Neugründungen von bilingualen Kitas und Schulen kommt. Diese privaten Einrichtungen erfreuen sich oft regen Zulaufs, wenn moderne leistungsfähige Ansätze, insbesondere IM, eingesetzt werden. Da das Schulgeld nicht unerheblich ist, bleibt jedoch den Kindern weniger gut situierter Eltern der Zugang oft verwehrt; folglich verschärft sich die bekannte Kluft im Hinblick auf den Zugang zu den Bildungsressourcen (z.B. IGLU 2006: Bos et al. 2007; PISA 2012: OECD 2013). Diese Situation wird man aber wohl vorübergehend hinnehmen müssen, damit die leistungsstärkeren Ansätze auch in Deutschland erprobt werden, so dass sie später auch im öffentlichen Bildungssystem eingesetzt werden können (Wode 2009a). In diesem Beitrag wird geschildert, wie die obige Problematisierung dazu geführt hat, dass im Rahmen einer auf einen längeren Zeitraum hin ausgelegten Kette von Projekten am Englischen Seminar der Universität Kiel versucht worden ist, das Modell der kanadischen IM für Französisch im deutschen Bildungssystem für die Frühvermittlung des Englischen und anderer Sprachen zu übertragen. Was konnte unverändert übernommen werden? Was musste modifiziert werden? Was ließ sich verbessern? 3 Politische Rahmenbedingungen: Die 3 + -Sprachenformel der EU Es ist ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte Europas, dass Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt derart positiv gesehen werden, dass beides als Grundlage der Sprach- und Bildungspolitik in der EU dienen konnte, indem festgeschrieben wurde, dass jedes Kind die Chance erhalten sollte, im Laufe seiner Schulzeit mindestens drei Sprachen auf einem funktional angemesse- <?page no="22"?> 22 Henning Wode nen, sprich berufstauglichen Niveau zu lernen (z.B. Europäische Kommission 2003). Berücksichtigt wurden dabei nicht nur die großen Sprachen, sondern auch die weniger weit verbreiteten. Lediglich das luxemburgische Bildungssystem dürfte derzeit in Europa diesem Anspruch gerecht werden (Wode 1995a). Alle anderen - auch das deutsche - müssen in erheblichem Maße weiter entwickelt werden. Nur: in welcher Weise und auf der Grundlage welcher Erfahrungen und/ oder Forschungsergebnisse könnte das geschehen? Durch die Europäisierung und Globalisierung besteht der Kern der Herausforderung darin sicherzustellen, dass bis zum Ende der Schulzeit für alle drei Sprachen, mündlich wie schriftlich, ein funktional angemessenes Niveau erreicht wird, das auch tatsächlich den Anforderungen entspricht, die heute auf dem Arbeitsmarkt gestellt werden. Was dabei unter “funktional angemessen“ verstanden werden muss, lässt sich unschwer an den Stellenannoncen in den großen Tageszeitungen ablesen. Dort finden sich u.a. Formulierungen wie: „...von den Bewerbern/ Bewerberinnen wird erwartet, dass sie Englisch verhandlungssicher beherrschen“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.05.2006). Das gegenwärtige Bildungssystem in Deutschland kann den Anforderungen der 3 + -Sprachenformel deshalb nicht gerecht werden, weil der Fremdsprachenunterricht zu spät einsetzt (ab Klasse 3 in den meisten Bundesländern), die Zahl der angebotenen Sprachen zu gering ist (es wird zumeist Englisch, Französisch und Spanisch angeboten) und die herkömmlichen Methoden des stundenweise erteilten lehrgangsorientierten Unterrichts (zumeist zweistündig in den Grundschulen) nicht effektiv genug sind. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man zum Vergleich die geradezu atemberaubenden Ergebnisse heranzieht, die bereits seit Jahren in vielen Ländern in Europa und Übersee mit IM erzielt werden (siehe für einen Überblick z.B. Wesche 2002). Die praktischen Erfahrungen und die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die seit Mitte der 1990er Jahre in der Altenholzer Erprobung von früher englischer IM bei deutschen Kindern gewonnen wurden, zeigen deutlich, dass sich IM auch im deutschen Bildungssystem erfolgreich einsetzen lässt. 4 Was ist IM und was leistet diese Methode? Der Grundgedanke von IM ist, dass die zu lernende Sprache nicht wie bei herkömmlichen Arten von lehrgangsorientiertem Unterricht als Lehrgegenstand fungiert, sondern sie dient in der Kita als Arbeitssprache bzw. in der Schule als Unterrichtssprache, indem der Unterricht in den anderen Fächern in der neu zu lernenden Sprache durchgeführt wird. Auf diese Weise sind die Kinder gezwungen bzw. erhalten die Chance, sich die neue Sprache <?page no="23"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 23 eigenständig anzueignen. Dies minimiert einerseits die Kosten für zusätzliche Stunden und damit zusätzliches Personal, wie es für den stundenweise erteilten Unterricht nicht zu vermeiden ist, und andererseits erhöht sich die verfügbare Zeit in einem Ausmaß, wie es für den stundenweisen Unterricht schlechterdings unerreichbar ist, nämlich durch die gleichzeitige Nutzung einer Unterrichtsstunde für zwei Fächer, d.h. für das Sachfach und für die Sprache. Wie schon erwähnt, gilt IM weltweit als die mit Abstand leistungsfähigste und am intensivsten erforschte Methode der Fremdsprachenvermittlung (Überblicke z.B. in Genesee 1987, Rebuffot 1993, Wode 1995a, Wesche 2002). Wissenschaftlich ist nachgewiesen, dass bei IM − die neue Sprache weit erfolgreicher als bei der herkömmlichen lehrgangsorientierten Methode gelernt wird; − die Muttersprache nicht leidet, sondern sogar profitiert; − das Sachwissen der immersiv unterrichteten Fächer nicht leidet, sondern sich langfristig oft noch besser als im Regelunterricht entwickelt; und − der frühe Erwerb einer weiteren Sprache unter IM-Bedingungen die kognitive Entwicklung der Kinder nicht gefährdet, sondern längerfristig fördert. Der Terminus IM kommt ursprünglich aus Kanada. Bekannt wurde die Methode in den 1960er Jahren, und zwar vor allem durch die hervorragenden Ergebnisse, die sich mit früher intensiver IM für Französisch in der Kita mit Weiterführung in der Grundschule für 5-jährige anglophone kanadische Kinder erzielen ließen (Lambert & Tucker 1972). Nach und nach stellte sich heraus, dass der methodische Kunstgriff, die neue Sprache nicht zu unterrichten, sondern die Kinder sie sich eigenständig aneignen zu lassen, vielfach variiert werden kann, u.a. nach dem Alter der Kinder bei Beginn des IM-Unterrichts (early immersion vs. late immersion), nach der Anzahl der Stunden bzw. der immersiv unterrichteten Fächer (total immersion vs. partial immersion) oder ob der gesamte Unterricht in der neuen Sprache abzuhalten sei oder modular, indem nur ausgewählte Themenbereiche in der neuen Sprache unterrichtet werden, wie es teilweise bei CLIL-Programmen (content and language integrated learning-Programmen) geschieht. Mit diesen Optionen bietet sich ein relativ breites Spektrum immersiver Unterrichtsansätze. Für die Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems wäre dringend erforderlich, dass die verschiedenen IM-Alternativen genauer im Hinblick darauf überprüft werden, welche Variante in welcher Situation für welche Populationen von Lernern am besten geeignet ist, d.h. am meisten Erfolg verspricht. Da schon viele Studien im Rahmen der frühen IM und des BU durchgeführt wurden, lässt sich bereits verlässlich abschätzen, welche Ergebnisse sich mit ihnen erzielen lassen, insbesondere für Kinder, deren Erstsprache der Umgebungssprache entspricht, v.a. wenn sie <?page no="24"?> 24 Henning Wode schon zu Beginn ihrer Schullaufbahn ein frühes partielles IM-Programm besuchen (z.B. Zaunbauer et al. 2013). Für CLIL gilt das leider nicht; es fehlt nach wie vor an hinreichend umfangreichen und detaillierten Dokumentationen zur Entwicklung von Kindern unter den teilweise sehr unterschiedlichen Bedingungen, unter denen CLIL umgesetzt wird. Dessen ungeachtet sind allerdings im Hinblick auf die EU-Sprachpolitik und die 3 + -Sprachenformel die frühe intensive IM und der BU besonders attraktiv, weil sie sich hervorragend ergänzen. Einerseits erhöht sich durch frühe IM die Zeit beträchtlich, die den Kindern für ihren täglichen Kontakt zur neuen Sprache zur Verfügung steht, und andererseits kann mit Hilfe von Krippe/ Kita die Frühvermittlung wesentlich früher als in der 3. oder 4. Klasse der Grundschule begonnen werden, so dass sich die für eine erfolgreiche Vermittlung einer zweiten Fremdsprache im Sekundarbereich erforderliche Dauer gleichsam von selbst ergibt, nämlich durch die drei Jahre in der Kita plus die vier Jahre in der Grundschule (z.B. Wode 1998a, b, 2001c, 2002). IM/ BU, gleichgültig in welcher Ausprägung, liefern nur dann die bereits skizzierten Ergebnisse, wenn eine bestimmte Faktorenkonstellation gegeben ist (z.B. Wode 2008, 2009a). Beispielsweise führt IM nicht nur in den angelsächsisch geprägten Schulsystemen in Nordamerika, sondern auch in der Erprobung in Schleswig-Holstein dann zu den genannten Ergebnissen, wenn der Kontakt zur neuen Sprache in Kita und Schule − für mehrere Jahre kontinuierlich gegeben ist - für Deutschland hat sich die Spanne von 6-7 Jahren bewährt; − hinreichend intensiv ist, d.h. einen möglichst hohen Anteil der täglichen Unterrichtszeit umfasst - in den deutschen Halbtagsschulen sollten es mindestens 60-70% der Regelunterrichtszeit sein bzw. in der Kita der ganze Tag; und − strukturell möglichst vielfältig ist, also nicht modular wie bei manchen CLIL-Programmen auf einzelne Sachbereiche beschränkt wird, sondern möglichst die ganze Sprache umfasst und kein Thema und keine Situation ausgespart wird. Wie weit man von den Zielen der 3 + -Sprachenformel entfernt bleibt, wenn diese drei Kriterien nicht erfüllt sind, zeigen die Erfahrungen in Deutschland mit herkömmlichem stundenweisen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule: Ein Beginn in der 3. oder 4. Klasse setzt viel zu spät ein; ein bis drei Stunden Englisch pro Woche, 10-15 Minuten täglich oder eine wöchentliche einbis zweistündige Arbeitsgemeinschaft ist bei weitem nicht intensiv 5 Erfolgsfaktoren und Anpassungen an das deutsche Bildungssystem <?page no="25"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 25 genug. Und wenn dabei inhaltlich nur einzelne thematische Teilbereiche und nicht das ganze Fach in der neuen Sprache behandelt werden, ist obendrein der L2-Input nicht annähernd vielfältig genug. Von den o.g. drei zentralen Steuerungsfaktoren ist die hohe Intensität im deutschen Schulsystem nicht im gleichen Maße von vornherein gegeben wie in den angelsächsisch geprägten. Letztere sind Ganztagsschulen; in Deutschland dominieren noch immer Halbtagsschulen. Folglich kann sich hinter einer Angabe wie 60-70% der täglichen Unterrichtszeit absolut gesehen ein recht drastischer Unterschied im tatsächlichen Kontakt zur neuen Sprache verbergen, je nachdem ob es sich um Ganz- oder Halbtagsschulen handelt. Bei der Konzipierung der IM für die Altenholzer Einrichtungen war es daher wichtig, einen Ausgleich für diese systemimmanente geringere Intensität zu schaffen. Diese Möglichkeit bietet sich über die Angebotsdauer. Im kanadischen Ansatz beginnt IM im Kindergarten im Alter von fünf Jahren. In Deutschland lässt sich die Gesamtdauer ohne größeren Aufwand verlängern, indem die gesamte Kitazeit ab dem Eintrittsalter von drei Jahren einbezogen wird. Die vorliegenden Ergebnisse nicht nur aus Schleswig- Holstein bestätigen, dass diese Ausweitung die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder sehr fördert (z.B. Wode 2004b, 2010). 6 Das Altenholzer IM-Modell Das Altenholzer IM-Modell ist ein aufeinander abgestimmter Verbund aus Kita und Grundschule. Die Kinder kommen mit drei Jahren in die Kita. Dort werden die Gruppen nach dem Prinzip eine-Sprache-pro-Person betreut. Von den beiden gesetzlich vorgeschriebenen ErzieherInnen spricht eine ausschließlich Englisch mit den Kindern, die andere Deutsch. Die englischsprachige Kraft versteht aber zumeist so viel Deutsch, dass die Kinder sich mit ihren Anliegen auch auf Deutsch an sie wenden können. Herausfinden müssen die Kinder, welche fremdsprachlichen Ausdrücke was bedeuten. Dabei wird die Arbeitsweise in der Kita so ausgerichtet, dass die zu lernende Sprache möglichst intensiv, d.h. als Arbeitssprache, in der Gruppe dient. Allerdings wird in der Kita kein Kind dazu gezwungen, Englisch zu sprechen und an den auf Englisch durchgeführten Aktivitäten teilzunehmen. Jederzeit kann auf Angebote ausgewichen werden, die auf Deutsch stattfinden, indem die Kinder Aktivitäten der deutschsprachigen Erzieherin wahrnehmen oder andere, auf Deutsch geführte Gruppen besuchen. Im Gegenzug haben auch die Kinder dieser Gruppen die Möglichkeit, die auf Englisch geführten Aktivitäten zu besuchen und so vom Englischangebot zu profitieren. Mit dem Übertritt in die Grundschule erhalten die Kinder ihren Unterricht zu rund 70% immersiv auf Englisch, denn alle Fächer, bis auf Deutsch, <?page no="26"?> 26 Henning Wode werden auf Englisch unterrichtet. Bekanntlich lebt gerade der Unterricht in der Grundschule vom Klassengespräch. Die Kinder werden daher ermuntert, auch ihrerseits Englisch zu verwenden. Diese Wendung hin zum Sprechen bewältigen sie problemlos. Im Folgenden werden die Ergebnisse von Arbeiten vorgestellt, die zumeist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung von IM-Kitas (Befunde aus der deutsch-englischen Kita in Altenholz bei Kiel und der deutsch-französischen Kita in Rostock) und aus der Claus- Rixen-Grundschule in Altenholz bei Kiel entstanden sind. 7 Die Zeit in der Kita : Die Entwicklung des Wortschatzes und der Aussprache 7.1 Die Entwicklung des Wortschatzes an Beispiel von formelhaften Wendungen Bis zum Ende der Kita ist das fremdsprachliche Hörverstehen dem eigenen Sprechen beträchtlich voraus. Innerhalb von etwa sechs Wochen nach Beginn der Kita kann der Tagesablauf in der Regel in der neuen Sprache bewältigt werden (z.B. Petit & Rosenblatt 1994, Petit 1996, Westphal 1998, Berger 1999, Wode 2001a, 2009a, Wode & Girotto 2008). Besonders schnell werden formelähnliche Ausdrücke gelernt, die häufig wiederkehrende ritualhafte Aktivitäten bezeichnen, etwa Grüßen, sich Verabschieden und Ermahnungen (z.B. ruhig zu sein, die Zähne zu putzen, aufzuräumen, usw). Natürlich durchschauen die Kinder zu diesem Zeitpunkt die interne Struktur dieser Wendungen noch nicht. Sie verknüpfen mit ihnen aber Aspekte, die tatsächlich mit den Situationen, in denen diese Äußerungen typischerweise fallen, zu tun haben (z.B. Vesterbacka 1991, Weber & Tardif 1991, Westphal 1998, Tiefenthal 1999, Maibaum 2000, Wode 2001a). Kleine Kinder verweigern sich oftmals, wenn man sie direkt nach der Übersetzung eines Ausdrucks fragt, weil sie - meistens zu Recht - annehmen, der Frager wisse es als Erwachsener doch längst. Bettet man jedoch die gleiche Frage in ein Rollenspiel, etwa mit Handpuppen ein, machen kleine Kinder in der Regel begeistert mit (z.B. Weber & Tardif 1991, Gurtner et al. 1995, Westphal 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999, Wode 2001a, Wode & Girotto 2008, siehe auch Burmeister in diesem Band). Rollenspiele mit einer Handpuppe und die Art, wie der Test durchgeführt wird, eignen sich, um Aufschluss darüber zu gewinnen, welche Bedeutung die Kinder mit formelhaften Wendungen tatsächlich verbinden und wie komplex und ambig die Aufgabe ist, sich die Bedeutung eigenständig zu erschließen, etwa im Falle von Grußformeln wie guten Morgen, bon jour, good morning, buon giorno etc. Dies wird im Folgenden an ausgewählten Beispielen zum L2-Französischen aus der Rostocker deutsch-französisch bilingualen IM-Kindertagesstätte Rappelkiste illustriert (Westphal 1998). Unter den Übertragungen der deut- <?page no="27"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 27 schen Kinder fanden sich neben den normgerechten Beispielen auch viele weniger normgerechte (Tabelle 1). Nr. französische Wendung deutsches Äquivalent Kind Ausgewählte Übersetzung der Kinder 1 on va chanter une chanson lasst uns ein Lied singen GL tschüs Schuhe 2 on va jouer lasst uns etwas spielen ABI, L Hände waschen waschen gehen guten Tag 3 on range maintenant lasst uns aufräumen I 'ne Orange 4 on va dehors lasst uns rausgehen I dann gehen wir raus 5 on rentre wir gehen wieder rein A,B C aufräumen Eisenbahn spielen Tab. 1: Übertragungen ausgewählter formelhafter Wendungen in Übersetzungsexperimenten mit Handpuppen bei deutschen Kindern aus dem deutschfranzösisch bilingualen IM-Kindergarten Rappelkiste in Rostock. Fortlaufende Nummerierungen der Beispiele finden sich links. Die Kinder sind durch Großbuchstaben anonymisiert (Wode 2001a nach Westphal 1998). Häufig verwendete Wendungen werden gleichsam als Formeln sehr früh und schnell gelernt. Obwohl es oft den Anschein hat, als würden die Kinder diese Formeln bereits im zielsprachigen Sinne benutzen und verstehen, so zeigt Tabelle 1 doch, dass diese Einschätzung falsch ist, weil die einzelnen Kinder recht unterschiedliche Aspekte der Gesamtsituation mit diesen formelhaften Wendungen verbinden (siehe auch Burmeister in diesem Band). Meistens ist in solchen Experimenten die individuelle Variation zwischen den Kindern recht groß. Zielgerechte Übertragungen sind anfangs nicht notwendigerweise in der Mehrzahl. Allerdings verdeutlicht schon ein flüchtiger Blick auf Tabelle 1, dass trotz der interindividuellen Variation und trotz der Tatsache, dass nicht alle Übertragungen der Kinder normgerecht sind, oft dennoch ein Aspekt des Gesamtkontextes herausgegriffen wird, der auch tatsächlich in der Situation von Belang ist (siehe auch Burmeister in diesem Band). So überträgt Kind I die Aufforderung on va dehors in (4) normgerecht. In (1) hat Kind L sich offenbar verhört und chanson mit chausson (Hausschuh) verwechselt; Kind G hingegen missdeutet in (1) das Singen eines Liedes <?page no="28"?> 28 Henning Wode beim Abschied als Verabschiedungsritual und nennt entsprechend tschüs. Ähnlich missdeutet Kind I in (3) on range als Orange. Dass die Kinder A und B on va jouer in (2) als Hände waschen bzw. waschen gehen erläutern, dürfte daran liegen, dass man sich beim Spielen die Hände oft schmutzig macht und sie daher waschen muss. Das Beispiel (5) ist deshalb besonders interessant, weil es zeigt, dass die Deutung der Formeln durch die Kinder offenbar auch stark von ihren ganz persönlichen Neigungen abhängen kann: So überrascht es kaum, dass die Kinder A und B on rentre in (5) als aufräumen missdeuteten, schließlich muss bei Beendigung einer Aktion auch aufgeräumt werden. Kind C aber verbindet die Formel (5) mit Eisenbahn spielen, seiner Lieblingsbeschäftigung. Insgesamt sind die ersten Semantisierungsversuche in der Regel alles andere als völlig zielgerecht. Die Kinder greifen einen Aspekt aus dem Gesamtkontext heraus, und zwar einen, der ihrer Einschätzung bzw. ihrer Erwartung, aber nicht notwendigerweise der zielsprachigen Norm entspricht. Zumeist bemerken die Gesprächspartner diese Abweichungen von der zielsprachigen Norm gar nicht, so dass die Kommunikation von den Beteiligten als gelungen empfunden wird. Darüber hinaus erkennt man unschwer an der Art, wie die Kinder die formelhaften Wendungen erläutern bzw. übersetzen, wie überragend wichtig der Kontext dafür ist, dass die Kinder sich die Bedeutung des Gehörten überhaupt erschließen können. Es dürfte sich also um eine ganz entscheidende psycholinguistische Voraussetzung dafür handeln, dass nicht nur Kinder sich überhaupt die Strukturen einer Sprache - immersiv - erschließen können. 7.2 Die Entwicklung des Wortschatzes am Beispiel des rezeptiven Wissens von Bezeichnungen von konkreten und sichtbaren Objekten Der passive Wortschatz von Kindern in einer IM-Kita wirkt schon deshalb als sehr beachtlich, weil die Kinder bereits von Anfang an viel verstehen. Dieses frühe Vokabular ist auf das, was die Kinder täglich erleben, ausgerichtet. Entsprechend werden Vokabeln, die zum Beispiel häufig benutzte Gegenstände, Speisen oder Aktivitäten bezeichnen, besonders früh und schnell aufgenommen (z.B. Westphal 1998, Maibaum 2000, Wode 2001a 2004a, 2009a, Wode & Girotto 2008, Rohde 2010). In der eigenen Produktion der Kinder finden sich die ersten englischen Wörter/ Ausdrücke in der Regel als Einsprengsel in ihren deutschen Äußerungen. In Anlehnung an rezeptive Wortschatztests wie den Peabody Picture Vocabulary Test (Dunn, Dunn & Williams 1997) wurde zunächst ein Test für Französisch für die französisch-deutsche IM-Kita in Rostock entwickelt (Westphal 1998) und anschließend für die Altenholzer Kita für Englisch modifiziert (Tiefenthal 1999, Maibaum 2000). Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Kinder eignen sich das Vokabular auf altersgemäße Weise erfolgreich <?page no="29"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 29 und problemlos an, und ihr rezeptives Wortwissen verbessert sich in Abhängigkeit mit der L2-Kontaktdauer (siehe auch Steinlen, dieser Band). In Weiterführung dieser ersten Arbeiten haben Rohde und seine Mitarbeiterinnen den Test British Picture Vocabulary Scale II (Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997) in weiteren Kitas in anderen Gegenden Deutschlands eingesetzt. Die Ergebnisse decken sich mit denen aus Altenholz und Rostock. Allerdings ergab sich erwartungsgemäß, dass das Vokabular der Kinder im Einzelnen individuell sehr variieren kann und zwar in Abhängigkeit von den Aktivitäten und Themen, die die Kinder in ihrer Kita erleben sowie in Bezug auf die Qualität und Quantität des fremdsprachlichen Inputs (Rohde 2010, siehe auch Weitz & Rohde in diesem Band). Untersuchungen mit Hilfe des British Picture Vocabulary Scale oder ähnlichen Testverfahren liefern zwar Hinweise darauf, ob ein Testwort gelernt wurde, aber nicht dahingehend, wie dies geschieht. Dieser Frage sind wir mit Hilfe der Ansätze des fast mapping und der lexikalischen Prinzipien nachgegangen. 7.3 Die Entwicklung des Wortschatzes am Beispiel des fast mapping und der lexikalischen Prinzipien Manche Forscher schätzen, dass Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren bereits bis zu rund 14.000 Wörter rezeptiv in ihrer L1 beherrschen (z.B. Templin 1957, Carey 1982, Fenson et al. 1993). Selbst wenn es nur die Hälfte wäre, kann sich kein Kind beim Erwerb eines neuen Wortes so viel Zeit nehmen, wie es ihm z.B. in den herkömmlichen Formen von Fremdsprachenunterricht üblicherweise eingeräumt wird. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Zuordnung einer Bedeutung zu einer neu gehörten Lautkette (also ein Wort) in dem Moment erfolgen kann, wenn das Kind sie zum ersten Mal hört. Dieses Phänomen heißt fast mapping und wurde erstmals von Carey & Bartlett (1978) nachgewiesen. Man nimmt heute an, dass Kinder bei derartigen kurzfristigen Entscheidungen lexikalischen Prinzipien folgen. Es handelt sich um Strategien, die auf bestimmten Annahmen beruhen, die es den Kindern erlauben, ohne langwieriges Prüfen davon auszugehen, dass ein Wort z.B. ein Klassenbegriff und kein Name ist; dass sich ein Wort auf ein ganzes Objekt und nicht auf einen Teil davon bezieht oder dass ein Objekt nur eine einzige Bezeichnung hat, ein unbekanntes neues Wort daher ein neues Objekt bezeichnen muss (z.B. Markman 1989, 1994, Überblick in Rohde 2005). Entwickelt wurde die Forschung zum fast mapping und zu den lexikalischen Prinzipien am L1-Erwerb kleiner Kinder ab dem Alter von 18 Monaten. Als Ausgangspunkt diente das Quinesche Paradoxon (Quine 1960). Am Beispiel von englisch dog (Hund) argumentiert Quine, dass der Wortschatz einer Sprache gar nicht lernbar wäre, wenn der Lerner bei jedem neuen Wort darauf angewiesen wäre, sorgfältig zu prüfen, was genau es wohl bedeutet, <?page no="30"?> 30 Henning Wode indem er geduldig darauf wartet, bis sich weitere Situationen ergeben, aus denen sich die genaue Bedeutung präzisieren ließe. Wie viele Hunde müsste man beispielsweise gesehen haben, ehe man entscheiden könnte, was einen Hund/ dog definiert, etwa seine Farbe, seine Größe, sein Gebiss, dass er ein Fell hat, dass er bellt, dass er vier Beine hat oder auf Grund anderer Eigenschaften? Vielmehr scheint es, dass Lerner neuen Wörtern spontan eine erste Bedeutung zuordnen, die in dem Sinne vorläufig ist, dass sie im Laufe der Zeit korrigiert und/ oder präzisiert werden kann. Im Rahmen der Kieler Arbeiten zu IM-Kitas übertrugen Andreas Rohde und Christine Tiefenthal am Ende der 1990er Jahre den Ansatz des fast mapping in Verbindung mit lexikalischen Prinzipien aus der L1-Forschung auf die Forschung zum frühen L2-Erwerb in Kitas. Sie konnten an den Altenholzer IM-Kitakindern im Alter zwischen 3-6 Jahren bestätigen, dass das fast mapping und die lexikalischen Prinzipien nicht auf den L1-Erwerb beschränkt sind, sondern auch für den L2-Erwerb, und damit vermutlich für alle Spracherwerbstypen, gelten. Unabhängig von der Wortklasse wurden fast mapping-Prozesse aufgezeigt (Tiefenthal 2009), und die lexikalischen Prinzipien greifen im frühen L2-Erwerb mindestens so scharf wie im L1- Erwerb (z.B. Rohde 1999, 2005, Rohde & Tiefenthal 2000, 2002). Die Untersuchungen zum fast mapping ließen sich mit Hilfe der Daten aus der frog story (siehe Abschnitt 8) bis zum Ende der Grundschule fortführen. Es zeigte sich, dass es auch dort unvermindert zu fast mapping kommt und dass damit auch die lexikalischen Prinzipien im Grundschulalter zur Verfügung stehen (z.B. Bazak 2006, Güldensupp 2008, Schweers 2009). Insgesamt steht Kindern das fast mapping also mindestens mit Beginn der Kita, d.h. im Alter von drei Jahren, vermutlich aber auch bereits früher, zur Verfügung. Darüber hinaus muss die Fähigkeit zum fast mapping nicht nur für die Zeit der Grundschule, sondern auch danach lebenslang erhalten bleiben, wie der Erwerb einer neuen Sprache auch im späteren Alter (wie z.B. durch Austauschschüler) zeigt. 7.4 Die Entwicklung der Aussprache während der Kita-Zeit Nicht nur unter Nichtfachleuten dominiert immer noch die Auffassung, dass kleine Kinder eine zweite oder dritte Sprache schnell und mühelos auf L1- Niveau lernen. Das soll insbesondere für die Aussprache gelten. So sollen kleine Kinder anders als ältere Kinder (und erst recht als Erwachsene) vorgehen und folglich über andere Fähigkeiten verfügen, die uns, wenn wir älter werden, verloren gehen (z.B. Lenneberg 1967). Jedoch haben sich kritische Stimmen schon früh geregt (z.B. Wode 1981, 1994b, 2003, 2009b, Harley 1986, Harley & Wang 1997, Ioup et al. 1994, Flege 1995, 2002). Bereits in den ersten Berichten zur deutschen IM für französische Kita-Kinder im Elsass hieß es, dass in ihrem Deutsch die von französischen Sprechern bekannten Interferenzen auftreten (Petit & Rosenblatt 1994, Petit 1996). Die Untersu- <?page no="31"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 31 chungen aus Altenholz bestätigen dies (z.B. Berger 1999, Tonn 1999, Wode 2001a, 2003, 2009b). Schon mit drei Jahren zeigen sich Interferenzen, die von älteren Lernern bekannt und für den L2-Erwerb charakteristisch sind, gleichgültig ob diese Sprache innerhalb oder außerhalb schulischer Institutionen gelernt wird. Das heißt, dass schon die Dreijährigen die neue Sprache mit dem für ihren sprachlichen Hintergrund typischen Akzent sprechen. Daran ändert sich auch bis zum Ende der Kitazeit wenig (Petit 1996, Berger 1999, Tonn 1999, Wode 2001a, b, 2003, 2009a, b, Wode & Girotto 2008). Darüber hinaus kommt es zu diesen Interferenzen, gleichgültig ob die Kinder von L1- oder L2-anglophonen Sprechern betreut wurden. Doch wie erschließen sich die Lerner die Aussprache einer neuen Sprache ohne Erklärungen, da die meisten Artikulationsbewegungen nicht direkt von außen zu beobachten sind? Die Forschung zur Lautwahrnehmung bei Kleinstkindern hat gezeigt, dass sie ab der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres nicht mehr auf jene lautlichen Kategorien reagieren, die in ihrer L1 nicht vorkommen, d.h. sich wie ältere Jugendliche und Erwachsene verhalten (z.B. Werker et al. 1981, Werker & Tees 1984a, b, Best et al. 1988, Wode 1994b, 1995b). Die Das bedeutet, dass die Entwicklung der der Lautwahrnehmung, die bei der Geburt universell auf alle Sprachen zugeschnitten ist, wird also auf die Sprache(n) der Umgebung des Kindes (zumeist die Familiensprache) ausgerichtet. Für die Altersfrage sind diese Forschungsergebnisse in zweifacher Hinsicht sehr wichtig: Zum einen zeigen sie, dass die Annahmen über kritische Lernzeitspannen, wenn überhaupt haltbar, drastisch revidiert werden müssen. Eingrenzungen auf die Zeit der Pubertät (z.B. Lenneberg 1967) oder das Alter um sechs Jahre (z.B. Long 1990) treffen nicht zu. Andererseits zeigen die Studien zur Lautwahrnehmung auch, dass es sich bei diesen perzeptorischen Entwicklungen nicht, wie seit Lenneberg (1967) immer wieder behauptet wurde, um biologische Veränderungen in dem Sinne handelt, dass eine Fähigkeit durch Abbau oder Umwandlung verloren geht. Werker und ihre MitarbeiterInnen (z.B. Werker et al. 1981, Werker & Tees 1984a, b) konnten nämlich in einer Serie von Experimenten nachweisen, dass die zu Grunde liegende Fähigkeit nicht verloren geht. Sie bleibt erhalten, wird aber durch die sich im Gedächtnis herausbildenden Kategorien der Sprache(n) der Umgebung, also der L1, in die ein Kind hineingeboren wird, so überlagert, dass die ursprüngliche Fähigkeit, selbst wenn sie benötigt wird, nicht mehr so schnell wie erforderlich aktiviert werden kann. Das macht insofern Sinn, als für den täglichen Umgang natürlich vor allem die Sprache der Umgebung im Gedächtnis schnell abrufbar sein muss. Diese perzeptuellen Entwicklungen lassen sich als Erklärung für das Auftreten und die Systematik der lautlichen Interferenzen im L2-/ L3- Erwerb nutzen: Trifft ein Lerner auf einen Laut, den es in seiner zuvor gelernten Sprache nicht gibt, ersetzt er ihn nach einer bestimmten Systematik <?page no="32"?> 32 Henning Wode durch einen anderen. Bereits in Wode (1981) war am Beispiel des L2- Erwerbs des Englischen durch deutschsprachige Kinder gemutmaßt worden, dass Lerner dabei gleichsam nach einem perzeptorischen Äquivalenzverfahren vorgehen. Das heißt, dass Lerner die Laute der neuen Sprache darauf hin prüfen, ob und in welchem Ausmaß sie wie die Laute der zuvor gelernten Sprache(n) klingen. Diejenigen Laute aus der neuen Sprache, die identisch mit denen aus der L1 oder anderer zuvor gemeisterter Sprachen sind, machen keine Probleme; sie lassen sich für einander substituieren und sind in der neuen Sprache auf Anhieb zielgerecht. Anders verhält es sich mit denjenigen L2-Lauten, die sich nur zum Teil mit bereits beherrschten Lauten oder mit keinem decken. Zwei Fälle sind hier zu unterscheiden. Sind zwei Laute zwar nicht identisch, aber einander doch in einem kritischen Mindestmaß ähnlich, so wird der neue Laut durch den ähnlichen aus der bekannten Sprache ersetzt. Dieser Fall ist als Interferenz oder negativer Transfer bekannt. Findet sich für einen Laut der neuen Sprache kein bereits beherrschter, der wenigstens hinreichend ähnlich ist, so wird der neue nach einer Entwicklungssequenz erworben, die sich mit der aus dem L1-Erwerb deckt. Man erkennt: Die Grundlage für den Lauterwerb ist die Lautwahrnehmung und nicht die Produktion, und zwar auch bei IM. Es ist die Lautwahrnehmung, die es Lernern gleich welchen Alters ermöglicht, sich ein Lautsystem eigenständig anzueignen, die jedoch auch zu Transfereffekten in der Aussprache bei Kita-Kindern (und älteren Kindern) führt (Wode 1988/ 93, 1994b, 1995b, 2003, Flege 1995, 2002). 7.5 Die Entwicklung der Grammatik Die Produktion von fremdsprachlichen Sätzen in der neuen Sprache entwickelt sich im Vergleich zu den anderen Bereichen wie Wortschatz und Aussprache beträchtlich langsamer. Sie bleibt bis zum Ende der Kita-Zeit rudimentär. In der L2-Entwicklung von Sprachen wie Englisch, Deutsch oder Französisch kann es auch bei intensiver IM in der Kita mehr als zwei Jahre dauern, ehe die ersten Funktionswörter, z.B. Präpositionen oder Konjunktionen, auftauchen. Verben fehlen anfangs fast völlig. Ihre Flexion und die Pluralbildung der Substantive entwickeln sich noch später. Diese Entwicklungen ziehen sich in der Regel bis weit in die Grundschulzeit hinein (z.B. Petit & Rosenblatt 1994, Petit 1996, Imhoff 2002, Sieh-Böhrnsen 2004, Wode 2004a, 2009a, Meyer, N. 2005, Strand 2007, Bley 2008, Meyer, M. 2009, Döring 2010). Für die rezeptive Grammatik zeigen neuere Untersuchungen, dass IM- Kita-Kinder beispielsweise Nomen im Singular und Plural (cat-cats) sowie unterschiedliche Präpositionen (in-on) voneinander unterscheiden und die korrekte Wortstellung erkennen (siehe Burmeister & Steinlen 2008, Steinlen et al. 2010; Häckel, dieser Band, Steinlen, dieser Band). Diese im Kita-Alltag wenig sichtbaren Entwicklungen im Grammatikbereich sind in noch stärke- <?page no="33"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 33 rem Maße als der rezeptive L2-Wortschatzerwerb abhängig von einer kontinuierlichen L2-Kontaktdauer, einer hohen Intensität sowie einer guten Qualität des L2-Inputs. 8 Die Zeit in der Grundschule Die Erprobung in der Grundschule sollte Informationen zu vier zentralen Fragen liefern: − Welches Niveau erreichen die IM-Kinder für die L2 bis zum Ende der Grundschule (8.1)? − Kommt es zu Defiziten in der Entwicklung der L1, also des Deutschen, insbesondere des Leseverständnisses (8.2)? − Wie verläuft die Entwicklung der L2, insbesondere in Bezug auf die Verwendung von Komposita im Englischen (8.3)? − Verläuft die L2-Entwicklung bei „Späteinsteigern“, d.h. von Kindern ohne englische Vorkenntnisse aus der Kita, anders als die von Kindern mit englischen Vorkenntnissen (8.4)? 8.1 Das Englisch-Niveau am Ende der Grundschule: CYLE (Cambridge English: Young Learners) Um Rückschlüsse auf das Niveau der englischen Leistungen der Altenholzer IM-Kinder im weltweiten Maßstab ziehen zu können, wurden die CYLE Tests (Cambridge Young Learners‘ English-Tests) eingesetzt, und zwar vor allem wegen deren Verwendung bei einer großen Anzahl von Probanden. Die Anbieter von CYLE sprechen von über 300.000 getesteten Kindern pro Jahr weltweit. Für die Altenholzer IM-Kinder wurde CYLE in seiner anspruchsvollsten Version, der flyer-Version, verwendet. Sie ist für 12-16-Jährige konzipiert, die mindestens 250 Stunden Englischunterricht durchlaufen haben und zwar unabhängig davon, welche fremdsprachlichen Vermittlungsmethoden angewendet wurden. Die Durchführung und Auswertung der Testdaten erfolgt ausschließlich durch MitarbeiterInnen des Vertreibers, weder Vertreter der Schule/ des Lehrerkollegiums noch die wissenschaftlichen Mitarbeiter- Innen durften bei den Interviews oder ihrer Auswertung zugegen sein. Die Ergebnisse werden durch eine Anzahl von wappen-ähnlichen shields für jedes Kind dargestellt, fünf Wappen können maximal erreicht werden. Allerdings wurden selbst auf Anfrage hin keine weiteren Auskünfte zu Teilleistungen, zur Struktur der Fehler, zu Einzelheiten des Bewertungsverfahrens etc. erteilt. An der Claus-Rixen-Schule wurden bisher mehrere Jahrgänge mit CYLE getestet (Thielking 2006, Wode 2009a). Die Leistungen der Altenholzer IM- Kinder, obwohl erst 10-11-jährig, gehörten in allen Jahrgängen mit zur Spit- <?page no="34"?> 34 Henning Wode ze des jeweiligen Testjahrgangs, sie erreichten rund 3,5 Wappen, im Vergleich zu den drei Wappen, die die Norm darstellen. 8.2 L1-Lesefähigkeiten: HAMLET 3-4 Diese beeindruckenden Englischkenntnisse scheinen nicht zu Lasten der L1, in diesem Fall des Deutschen, zu gehen: Die Altenholzer IM-Kinder wurden in der 4. Klasse mit Hilfe des HAMLET 3-4 (Hamburger Lesetest, Lehmann et al. 1997) auf ihre Lesefähigkeiten im Deutschen getestet, und zwar in Bezug auf die Lesegeschwindigkeit und das Leseverständnis. Bei der Lesegeschwindigkeit gab es kaum Unterschiede zwischen den IM- und den Nicht- IM-Kindern. Beim Leseverständnistest schnitten die IM-Kinder besser ab als die Nicht-IM-Kinder, und zwar sowohl im Vergleich zu den Normwerten des HAMLET als auch im Vergleich mit Nicht-IM-Klassen aus Kiel und Umgebung. Insgesamt lagen die bislang überprüften vier IM-Jahrgänge in ihren Ergebnissen rund 5% über dem bundesdeutschen Durchschnitt der ausschließlich auf Deutsch unterrichteten Probanden, die als repräsentativ für deutsche Kinder dieser Altersstufe gilt (Bachem 2004, von Berg 2005, Rowold 2011, Lossin 2009b, siehe auch Zaunbauer et al. 2012, 2013). Es kommt also in der Entwicklung des Deutschen nicht zu Defiziten, zumindest nicht in Bezug auf das deutsche Leseverständnis. Lücken in im Wortschatz sind normal, und zwar sowohl in der L1 sowie in einer L2 oder L3. Jede Sprache verfügt über Regeln, mit deren Hilfe bei Bedarf aus den Zwängen des Augenblicks heraus nach bestimmten Regeln neue Wörter gebildet und verstanden werden können, im Englischen sind dies z.B. Präfigierungen (z.B. ex-husband, pre-war), Suffigierungen (hopeless, statement), Komposita als Verbindung zweier eigenständiger Wörter (z.B. blackbird, air pollution) oder Konversion (Nullableitung), wie to hit - a hit, open - to open. Solche Wortbildungsregeln generieren eine unendliche Anzahl von Wörtern in einer Sprache. Die eben genannten Beispiele verdeutlichen, wie überaus wichtig es ist, dass sich die Kinder auch im IM-Unterricht Wortbildungsregeln aneignen, um nicht ausschließlich auf das in der Schule erlebte Vokabular angewiesen zu sein. Die Anwendung von Wortbildungsregeln stellt dabei nur eine Im Folgenden steht die Verwendung endozentrischer Komposita im Mittelpunkt, also Wörter, bei denen das zweite Glied die Oberklasse des Genannten und das erste die Unterklasse bezeichnet, wie z.B. in steamboat oder flowerpot. Diese tauchen als fremdsprachliche Wortbildungsstrategie 8.3 Die Entwicklung des produktiven englischen Wortschatzes am Beispiel von Komposita Strategie dar, die die IM-Kinder für solche Zwecke einsetzen (z.B. Steigenberger 2006, Daschke 2007, Joswig 2007, Rosen 2008). <?page no="35"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 35 am frühesten auf und stellen bis zum Ende der 4. Klasse auch den einzigen Typ lexikalischer Neubildungen dar, der sich in den Erzählungen der IM- Kinder in ausreichender Zahl findet, so dass geschlussfolgert werden darf, dass dieser Wortbildungstyp zumindest in seinen Grundzügen bereits produktiv beherrscht wird (z.B. Garbsch-Rathjen 2010, Wode, 2013, i. Vorb., Klawitter-Reese 2014). Die Daten für diese linguistischen Analysen in der Grundschule wurden mit Hilfe der Bildergeschichte “Frog, where are you? ” (Mayer 1969) erhoben. In 24 Bildern wird gezeigt, wie ein Frosch von einem Jungen und seinem Hund gefangen und in ein Marmeladenglas gesteckt wird und des Nachts, als der Junge und der Hund schlafen, davonläuft. Am nächsten Morgen suchen der Junge und der Hund nach dem Tier und erleben im Wald diverse Abenteuer. Die Aufgabe der Kinder besteht darin, einer Interviewerin die Bilder auf Englisch zu beschreiben bzw. eine Geschichte daraus zu entwickeln. Kind und InterviewerIn sitzen einander dabei an einem Tisch so gegenüber, so dass letztere die Bilder nicht einsehen kann. (a) Komposita zum Ende der 1. Klasse der Claus-Rixen-Schule frog babies, baby frog(s), bee wick, beehive, tree stem, bee nest (Nest), bee hawk, frog children, wee running, outgo (b) Komposita zum Ende der 4. Klasse der Claus-Rixen-Schule barn owl, baby frogs, mouse hole, hamster hole, frog family, bee have, tree hole, bedroom, window-sill, earth hole, beehive, mouse hole, bee have, bedtime, glass jar, frog babies, frog mother, tree hole, frog children, Biber hole, beestock, dock kiss, bee hide (hide), frog woman, pet frog, frog lady, bee hutch, girlfriend, bee house (Haus), bee stucks, moon light, skunk hole, owl hole Tab. 2: Komposita zum Ende der 1. und 4. Klassenstufe der Claus-Rixen-Schule (1. Jahrgang), Entlehnungen aus dem Deutschen sind kursiv. Tabelle 2 zeigt die Komposita, die in der 1. Klasse und in der 4. Klasse des 1. Jahrgangs der Claus-Rixen-Schule belegt sind. Bei der Auswertung wurden alle englischen Komposita berücksichtigt sowie solche, die englische Elemente enthalten, und zwar gleichgültig wie zielgerecht bzw. gebräuchlich sie sind. In vielen Fällen produzierten die Kinder Annäherungen an die englischen Zielwörter, so dass man ahnt, was gemeint ist. So finden sich an Stelle von window-sill auch window-sild, window-silt, window-silk, aber auch window-bench. In den ersten drei Fällen kann aus phonologischen Gründen geschlossen werden, dass sill gemeint ist, folglich werden diese Token window-sill zugerechnet. In Fällen wie window-bench hingegen geht das Kind offensichtlich vom deutschen Wort Fensterbank aus. Deshalb werden derartige Bildungen als eigenständige Wörter gewertet. <?page no="36"?> 36 Henning Wode Ausgeschlossen wurden Wörter, die lexikalisiert aus der L1 entlehnt bzw. entlehnbar sind (z.B. Bienenstock). Schon in der 1. Klasse fangen die IM-Kinder an, eigenständig Komposita zu bilden, dies gilt allerdings nicht für alle Kinder. Ob daraus folgt, dass sie noch nicht dazu in der Lage sind oder die Beispiele es nicht hergeben, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Doch schon zum Ende der 2. Klasse gleicht das Bild dem, das sich für die 4. Klasse bietet, nämlich dass nun jedes Kind Komposita produziert und dass im Hinblick auf ihre Struktur der Rückgriff auf das Deutsche als der L1 der Kinder (bzw. als ihre stärkere Sprache) eine gewichtige Rolle spielt. Doch wurden Komposita lexikalisiert gelernt, d.h. als eine Einheit? Sind sie vom Kind eigenständig gebildet worden? Aus welcher Sprache stammen die Elemente des Kompositums? Bei solchen Entscheidungen gibt es oft mehrere Alternativen. Wenn ein Kind z.B. beehive für Bienenkorb verwendet, kann das Wort nur lexikalisiert aus dem Englischen gelernt sein. Bee house hingegen muss ein eigenständig gebildetes Kompositum sein, wobei die Konstituente house auch das deutsche Haus sein kann. Findet man Bienenhaus/ Bienen house, stammt auf jeden Fall der erste Teil aus dem Deutschen, während der zweite aus dem Deutschen oder Englischen kommen kann, und vor allem muss das Kompositum vom Kind eigenständig gebildet worden sein, da weder die deutsche noch die deutsch-englische Mischform der gängigen Norm entspricht. Besondere Bedeutung kommt dem Alter der Kinder und deren Weltwissen zu, wie Komposita wie bee house, bee nest oder bee home verdeutlichen. Welche L1-englischen Kinder, die z.B. in Lower Manhattan oder Downtown Chicago aufwachsen, würden wissen, dass Bienenkorb auf Englisch beehive heißt? Wenn sie es nicht wissen, bleibt ihnen als Ausweg nur die Wortbildung oder eine Paraphrase. In der Tat fanden sich die obigen drei Komposita bee house, bee nest und bee home in einem Test mit der „Froschgeschichte“, den Kristin Kersten 1999 und 2002 nach dem Altenholzer Muster in einer amerikanischen Schule im Stadtgebiet von Minneapolis mit Grundschulkindern der Klassenstufen 1-4 durchgeführte. Noch bis in die 4. Klasse kannten nur ca. drei Viertel dieser amerikanischen Kinder das Wort beehive. In allen Klassenstufen behalfen sich die anderen Kinder unter anderem mit bees’ nest, bees’ home (1. Klasse), bumble bee tree, bees’ nest, bee stack (2. Klasse), bee’s nest, bee thing (3. Klasse) oder hornets’ nest, bumble bees’ nest, bees’ hive, bee hole (4. Klasse). Darüber hinaus kam bee nest in allen vier Klassenstufen vor (Rasch 2007). Offensichtlich gehen die L1-englischen Kinder nicht anders vor als die deutschen IM-Kinder. Um zu ermitteln, ob und wie die von den IM-Kindern produzierten Komposita von englischen SprecherInnen verstanden werden, haben studierende erwachsene englische MuttersprachlerInnen aus mehreren anglophonen Ländern (USA, Großbritannien, Australien und Südafrika) per E-Mail <?page no="37"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 37 oder Telefon befragt. Die InformantInnen kannten weder die Froschgeschichte noch die Bilder. Die Bewertungen der Komposita finden sich Tabelle 3. I. Eindeutig native-like pet frog, glass jar, waterfall, girlfriend, boyfriend, barn owl, mouse hole, headache, bedroom, moon light, window-sill, beehive, bedtime, wasp nest II. Eindeutig unintelligible frog glass, outgo, Bienen hole, Bienennest, Bienen hive, stunk hole, window-silf, window-sild, window-silk, window-silt, window bench, bee wick, wee running, bee stick, bee stickes, bee stucks, bee-Stock, bee have, bee hide III. Unsicher, ob native-like (a) frog noise, skunk hole, frog family, earth hole, dog kiss, tree hole, owl hole, hamster hole (b) baby frog, lady frog, tree stem, bee nest Tab. 3: Akzeptanzbewertung von IM-Komposita durch erwachsene L1- SprecherInnen des Englischen. Alle Komposita stammen aus der 1. und 4. Klasse des 1. Altenholzer Jahrgangs (Wode i. Vorb. nach Lossin 2009a, Gregor 2010). Die Reaktionen der InformantInnen lassen sich in drei Gruppen unterteilen, nämlich in eindeutig I. native-like (also korrekt), II. eindeutig unverständlich, also unenglisch; und III. unsicher, ob native-like. Die Komposita unter III. lassen sich weiter unterteilen: So enthält IIIa die Fälle, in denen die Informanten meinten, sie entsprächen nicht dem gängigen Englisch, waren jedoch nicht in der Lage, diese Entsprechungen zu nennen. Für die Belege unter IIIb hingegen konnten englische Begriffe genannt werden, z.B. tadpole für baby frog. Bei den Bewertungen spielte die Naturnähe der englischsprachigen Personen eine große Rolle, wie Nachfragen ergaben. Die deutschenglisch gemischten Komposita waren für die Anglophonen kaum verständlich, es sei denn, sie ließen sich wie bei Bienen oder Biber von der lautlichen Ähnlichkeit leiten (siehe Wode, 2013). 8.4 Späteinsteiger: Holen sie ihre Rückstände auf? Obwohl ursprünglich nicht vorgesehen, lässt es sich nicht vermeiden, dass sich aus verschiedenen Gründen in den IM-Klassen auch „Späteinsteiger“ finden, d.h. Kinder ohne oder mit wesentlich geringeren Englischkenntnissen als diejenigen Kinder aus einer dreijährigen bilingualen Kita. Jedoch muss verlässlich abgeschätzt werden, ob und in welchem Umfang Späteinsteiger in eine IM-Klasse integriert werden können. In den Altenholzer IM- Klassen hat es immer wieder Kinder gegeben, die bei Eintritt in die 1. Klasse <?page no="38"?> 38 Henning Wode über keinerlei Englischkenntnisse verfügten, weil sie aus einer Kita kamen, in der kein Englisch angeboten wurde. Auch hat es gelegentlich Fälle gegeben, wo Kinder mit relativ geringen Englischkenntnissen aus einem stundenweise erteilten lehrgangsorientierten Unterricht erst in der 2. Klasse in eine IM-Klasse gewechselt sind. All diese Kinder haben ihre Rückstände ohne besondere Förderung überwunden und standen gegen Ende der 4. Klasse den Kindern mit drei Jahren IM in der Kita in nichts nach. Allerdings sollte daraus nicht gefolgert werden, dass beliebig viele Späteinsteiger in eine IM-Klasse integriert werden können bzw. dass auf die IM-Kita verzichtet werden kann. Die Altenholzer Erfahrungen zeigen, dass die - sprachliche - Integration nur dann gelingt, wenn die Kinder mit dreijähriger IM-Erfahrung in der Mehrheit sind und schon auf Grund ihrer größeren Anzahl das Klassengeschehen dominieren. Es steht zu vermuten, dass die Späteinsteiger von diesen Dominanzverhältnissen profitieren. Deshalb empfiehlt es sich, dass die Anzahl der Späteinsteiger nicht mehr als ein Drittel der gesamten Klasse ausmachen sollte (Wode 2004a, 2009a). 9 Schluss: Ausblick und Desiderata Alles in allem decken sich die bislang aus Deutschland vorliegenden Ergebnisse mit denen aus anderen Ländern, in denen mit IM gearbeitet wird (z.B. Genesee 1987, Wesche 2002). Des Weiteren stimmt die sprachliche Evidenz der IM-Kinder mit den Beobachtungen zum natürlichen L2-Erwerb überein, wie sie seit den frühen 1970er Jahren von der Spracherwerbsforschung zusammengetragen worden sind (Überblick in Wode 1988/ 1993). Deshalb lässt sich folgern, dass bei IM den Kindern nichts abverlangt wird, wozu ihnen die Lernfähigkeiten fehlen oder über die sie nur in eingeschränktem Maße verfügen. Deshalb ist IM auch nicht nur für besonders begabte Kinder geeignet, denn sie setzt keine besondere biologisch bedingte Sprachbegabung auf Seiten der Kinder voraus. Jedes normale Kind kann sich unter IM- Bedingungen erfolgreich eine weitere Sprache eigenständig aneignen. Das gelingt deshalb so erfolgreich, weil der fremdsprachliche Zugriff im IM- Unterricht auf die gleiche Weise erfolgt wie in natürlichen Situationen außerhalb des Unterrichts. Das hat zur Folge, dass Kinder ihre Sprachlernfähigkeiten so einsetzen können, wie es von der Natur aus vorgegeben ist. Dem entspricht auch das beachtliche Leistungsniveau des IM-Unterrichts, und zwar sowohl für die Fremdsprache sowie für die L1 und die Inhalte der immersiv unterrichteten Fächer (siehe dazu auch Kuska et al. 2010, Zaunbauer et al. 2012, 2013). Folglich kann es keine kind- und altersgemäßere Methode für den Erwerb weiterer Sprachen neben der Muttersprache/ den Muttersprachen geben als IM. <?page no="39"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 39 Allerdings weist die IM-Forschung noch immer ein großes Manko auf: Nicht nur in Deutschland basieren die Erfahrungen und die Forschungsergebnisse vor allem auf Untersuchungen zu Kindern aus bildungsnahen Familien. Das sind zum überwiegenden Teil einsprachige Kinder, die die jeweilige Schulsprache als Landessprache altersgemäß beherrschen (z.B. Wode 2009, Zaunbauer et al. 2012, 2013), in beträchtlich geringerem Maße auch bilinguale Kinder aus autochthonen Minderheiten (z.B. Sorben in der Lausitz), die zwar ihre Herkunftssprache mehr oder minder gut sprechen, die aber vor allem auch die Landessprache als Schulsprache altersgemäß beherrschen. Leider ist noch zu wenig darüber bekannt, wie mit bestimmten Sonderfällen, insbesondere mit Kindern mit Migrationshintergrund, am besten zu verfahren ist (siehe jedoch Genesee & Fortune 2014). So haben die westlichen Industrienationen die gleiche enttäuschende Erfahrung wie Deutschland mit der Beschulung solcher Kinder gemacht (siehe z.B. Stanat et al. 2010 oder Schwippert et al. 2012). Einem überproportional großen Teil von ihnen bleibt der akademische Erfolg in der Schule des Gastlandes versagt, und sie haben oftmals Probleme, die Sprache des Gastlandes so gut zu lernen, dass sie auch in der Schule so erfolgreich wie ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund abschneiden können. Diese Misserfolge sind nicht durch biologische Defizite, unzureichende Begabung oder Unzulänglichkeiten im kognitiven Bereich bedingt. Es scheint, dass vielen dieser Kinder das erforderliche Vorwissen über Sinn und Funktionsweise von Schule und Bildung fehlt. Das hatte bereits die UNESCO-Studie von 1976 (Skutnabb-Kangas & Toukomaa 1976) am Beispiel von kinderreichen finnischen Migrantenfamilien in Schweden gezeigt. Die finnischen Kinder, die in der schwedischen Schule überproportional nicht reüssierten, waren in der Regel die jüngeren Geschwister, die vor der Übersiedlung nach Schweden in Finnland noch keinen Kindergarten, geschweige denn die Grundschule, besucht hatten. Letzteren fehlte daher das Wissen, um das einordnen zu können, was sie in der schwedischen Schule erlebten und um sich auf dieser Grundlage Schwedisch immersiv aneignen zu können. Dass sich dieser Schwäche auch in Deutschland beikommen lässt, zeigen u.a. die jüngsten Ergebnisse zur Kieler Kita Mosaik (z.B. Apeltauer 2004, Kuyumcu & Kuyumcu, 2004, Landeshauptstadt Kiel 2007). Hier geht es allerdings nicht um immersiven Fremdsprachenerwerb, sondern um den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache, die jedoch, wie die neuere Forschung aufzeigt, methodische und spracherwerblichen Parallelen aufweisen (z.B. Haataja & Wicke 2009). So wird in die Kita Mosaik seit ca. 2001 fast nur noch von türkisch-sprachigen Kindern besucht. Ein Ziel dieser Kita ist, letztere als Vorbereitung auf die Schule an Deutsch als Schulsprache heranzuführen und dabei dafür zu sorgen, dass die Kinder ihr Türkisch nicht verlieren, sondern es angemessen weiter entwickeln können. Wenn Kinder sprachliche Defizite haben, kann ihr späterer Erfolg in der Schule dennoch gesichert <?page no="40"?> 40 Henning Wode werden, indem diese Defizite vor Eintritt in die Grundschule, also während der Kita-Zeit beseitigt bzw. zumindest verringert werden. Das kann nur dann zügig genug gelingen, wenn dafür diejenige Sprache herangezogen wird, die die Kinder am besten beherrschen. Das ist i.d.R. ihre Herkunfts- / Familiensprache. Mit dieser Begründung wird derzeit auch in anderen Ländern, z.B. in Nordamerika, intensiv und sehr erfolgreich experimentiert. Es bestätigt sich dabei, dass unter bestimmten Umständen längerfristig ein höherer Lernerfolg auch für die IM-Sprache und die immersiv unterrichteten Fächer erzielt wird, wenn anfangs die - besser beherrschte - Herkunfts-/ Familiensprache benutzt wird und nicht sofort und exklusiv die Sprache des Gastlandes, z.B. Deutsch. Auf diese Weise lassen sich am schnellsten die kognitiven Voraussetzungen schaffen, damit die Kinder den Schulbetrieb durchschauen und dieses - zügig gelernte - neue Wissen nutzen können, um sich aus der täglichen Interaktion, wie sie sie erleben, die Struktur der neuen Sprache zu erschließen. Die Erfahrung zeigt, dass die Kinder auf diese Weise einerseits ihre Herkunftssprache beträchtlich ausbauen, weil sie in der Kita thematisch an vieles herangeführt werden, was zu Hause in der Familie kaum thematisiert wird. Andererseits können sie dieses erweiterte Wissen dazu nutzen, um mit ihm die Vorgänge und Situationen in der Schule und im Unterricht besser zu verstehen und die verwendeten L2-Ausdrücke zu deuten. Dessen ungeachtet verfügt kaum ein Land über derart günstige Voraussetzungen für den Einsatz von immersiven Unterrichtsformen wie Deutschland, und zwar insbesondere für die besonders leistungsfähigen mit angemessen langer Dauer, hoher Intensität und strukturell reichhaltigem Input: Die Kita beginnt mit drei Jahren; die Krippe noch früher; die Lehrerausbildung ist darauf ausgelegt, dass die Lehrkräfte die Lehrbefähigung für mehr als ein Fach haben müssen; und der Umbruch beim Übergang zur Sekundarstufe I ergibt eine überaus passende zeitliche Gliederung für die Umsetzung der 3 + -Sprachenformel. In der Lehrerausbildung ist daher die Wahl einer Fremdsprache und eines Faches, das sich immersiv unterrichten lässt, heute bereits ohne weiteres möglich. Insgesamt gibt es daher derzeit kein wirklich überzeugendes inhaltliches oder methodisches Argument, weshalb (nicht nur) in Deutschland immersive Lehrverfahren nicht flächendeckender eingesetzt werden, damit möglichst bald möglichst viele Kinder von IM/ BU profitieren und letztendlich am Ende ihrer Schullaufbahn zwei Fremdsprachen auf funktional adäquatem Niveau beherrschen. Literatur Apeltauer, E. 2004. Sprachliche Frühförderung von zweisprachig aufwachsenden türkischen Vorschulkindern. Sonderheft 1 der Flensburger Papiere zur Mehrsprachigkeit und Kulturenvielfalt. Flensburg: Universität Flensburg. <?page no="41"?> Frühvermittlung von Fremdsprachen durch Immersion ab Kita 41 Bachem, J. 2004. Lesefähigkeiten deutscher Kinder im frühen englischen Immersonsunterricht. MA, Universität Kiel (unveröffentlicht). Bazak, U.J. 2006. Fast mapping und Wortschatzlücken im frühen Immersionsunterricht. MA, Universität Kiel (unveröffentlicht). Berger, C. 1999. 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Erfahrungen aus der Praxis <?page no="51"?> Detlef Ufert - Universität zu Kiel Anke Schilk - Kindergarten Melsdorf Anja K. Steinlen - Universität Erlangen-Nürnberg Erfahrungen bei der Einführung der frühen Zweisprachigkeit in einem bilingualen Kindergarten Abstract Am Beispiel des bilingualen Kindergartens in Melsdorf bei Kiel gibt dieser Beitrag Hinweise darauf, wie Träger, ErzieherInnen, sowie Eltern einen bilingualen Kindergarten einrichten können, welche Aufgaben zu erfüllen sind und was allgemein beim Aufbau eines solchen Kindergartens zu beachten ist. Aus der Sicht des kommunalen Trägers berichtet der damalige Bürgermeister von Melsdorf über dessen Erfahrungen bei der Organisation eines bilingualen Kindergartens und beschreibt, wie organisatorische Hürden überwunden werden konnten. Anschließend erörtert die Leiterin des Kindergartens Melsdorf wichtige Punkte bei der Umsetzung der frühen Zweisprachigkeit, beispielsweise die Funktion der englischsprachigen Erzieherinnen und Erzieher, die Kommunikation im Team, die Einbindung der Eltern sowie die Funktion der deutschsprachigen Kräfte. Zum Schluss wird über die Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung berichtet und die Ergebnisse eines Elternfragebogens zur Einführung der frühen Zweisprachigkeit im Kindergarten Melsdorf vorgestellt. 1 Einleitung In Deutschland arbeiten immer mehr Kindergärten bilingual, laut FMKS sind es mittlerweile ca. 2% aller Kindertagesstätten, die nach dem Prinzip „eine Person - eine Sprache“ arbeiten (FMKS 2014). Die Tendenz ist steigend. Vielerorts wird nach Erfahrungsberichten gefragt, beispielsweise zum Beginn der Frühvermittlung einer Fremdsprache im Kindergarten und welche Hürden dabei zu überwinden sind. In diesem Erfahrungsbericht wird die Geschichte des Kindergartens Melsdorf, mit seinen Kindern, deren Eltern und dem pädagogischen Personal auf dem Weg zur zweisprachigen Arbeit berichtet. Dabei stehen die Erfahrungen des kommunalen Trägers, der Kindergartenleitung sowie der wissenschaftlichen Begleitung im Mittelpunkt. Der erste Teil gibt die Sicht des kommunalen Trägers und die Erfahrung bei der Organisation eines bilingualen Kindergartens wieder, insbesondere in Bezug auf die Überwindung organisatorischer und personeller Hürden. Anschließend erörtert die Leiterin des Kindergartens Melsdorf die Aufgaben <?page no="52"?> 52 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen der englischsprachigen ErzieherInnen, die Verständigung im Team, die Einbindung der Eltern sowie die Aufgaben der deutschsprachigen Kräfte. Zuletzt wird die Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung dargestellt und die Ergebnisse eines Elternfragebogens zur Einführung der frühen Zweisprachigkeit im Kindergarten Melsdorf präsentiert. 2 Der Kindergarten aus der Sicht des Trägers Es ist sicher eine eher seltene Konstellation, dass jemand, der sich im Rahmen des Studiums und der Promotion mit dem natürlichen Zweitsprachenerwerb befasst hat, als ehrenamtlicher Bürgermeister und Kommunalpolitiker die Möglichkeit wahrnehmen kann, gestalterischen Einfluss zu nehmen und zur Verwirklichung eines zweisprachigen Kindergartens beizutragen. Diese Umstände trafen hier jedoch zusammen. Im Folgenden sollen aus Sicht eines Kindergartenträgers, in diesem Fall einer kommunalen Gemeinde, einige Gesichtpunkte und auch Hürden angesprochen werden, die dabei zu berücksichtigen sind: Melsdorf (ca. 1800 Einwohner) liegt direkt am Stadtrand von Kiel. Von der sozialen Zusammensetzung der Einwohner her ist der Ort eine Mittelschicht-Gemeinde mit einem geringen Anteil an nichtdeutschen Bürgern. Viele Eltern sind hier, wie anderswo auch, sehr bestrebt, ihren Kindern eine möglichst gute Förderung zukommen zu lassen. Der Kindergarten wird daher sehr viel mehr als früher auch als Ort des Lernens gesehen - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass in anderen Ländern die Kindergartenzeit stärker für die Vermittlung von (Er)kenntnissen genutzt wird als bei uns. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Angebote (auch in der Fremdsprache) dem Alter und dem Entwicklungsstand der Kinder bzw. des einzelnen Kindes angemessen sind. Der Kindergarten Melsdorf ist ein Beispiel dafür, wie dies gelingen kann. Auf dem Wege zu einem zweisprachigen Kindergarten mussten zunächst die zuständigen Gremien für das Vorhaben gewonnen werden. Im Fall der Gemeinde Melsdorf, wo die Kommune Träger des Kindergartens ist, musste der Schul-, Kultur- und Sozialausschuss überzeugt werden, danach die Gemeindevertretung, die letztlich das Beschlussgremium ist. Nun sitzen in solchen Gremien gewählte Bürgerinnen und Bürger, denen in der Regel das Thema früher Fremdsprachenerwerb im Kindergarten verständlicherweise zunächst fremd ist. Mit derartigen Fragen haben sich Gemeindevertreter gewöhnlich vorher nicht beschäftigt. Wenn man Glück hat, sind einige jüngere Leute dabei, die als Eltern einen Bezug zum Thema haben, oft jedoch sitzen in solchen Gremien ältere Personen, die zu solchen Fragen mitunter wenig Zugang haben. Hier tauchen Fragen und Vorbehalte auf, die diskutiert und nach Möglichkeit ausgeräumt werden müssen. Die Fragen sind <?page no="53"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 53 dabei sowohl pädagogischer als auch organisatorischer Natur, wie beispielsweise: Werden die Kinder durch die Einführung einer Fremdsprache im Kindergarten nicht überfordert? Wollen die Eltern das überhaupt? Wo soll das Personal herkommen? Wie stehen die Kindergartenleitung und das bisherige Personal dazu? Was kostet das die Gemeinde und die Eltern? Wie kann so ein Angebot langfristig gesichert werden? Da sich über pädagogische Fragestellungen in derartigen Gremien unendlich lange Diskussionen führen lassen, kann es hilfreich sein, wenn die Eltern und die Kindergartenleitung ein solches Konzept bereits befürworten oder sogar, wie in unserem Falle, vorschlagen, und die Gremien sich auf „rein“ organisatorische Fragen beschränken können. Deshalb ist anzustreben, dass zunächst die Kindergartenleitung und das Personal sowie die Eltern sich darüber klar werden, dass ein zweisprachiges Angebot eingeführt werden soll, um danach an den Träger heranzutreten. Von zentraler Bedeutung für den Träger sind die personellen Fragen, die für die Umsetzung notwendig sind, denn im Falle von Mehrkosten wäre es schwer, Gremien zur Zustimmung zu bewegen. Im Kindergarten Melsdorf konnte eine kostenneutrale Lösung gefunden werden, d.h., es gab keine Mehrkosten, da die eingestellten Kräfte nicht zusätzliche Kräfte waren, sondern als reguläre Gruppenleitung oder Zweitkraft eingestellt wurden. In Melsdorf war von Anfang an klar, dass englische Muttersprachler eingestellt werden sollten. Dass dies nicht einfach werden würde, war allen bewusst. Allerdings bewarb sich auf die Ausschreibungen Mitte 2004 und Anfang 2005 in einer Kieler Tageszeitung durchaus eine Reihe in Frage kommender BewerberInnen. Schwierigkeiten zeigten sich erst bei der Ausschreibung Ende 2005. Zu diesem Zeitpunkt war der Markt in der Kieler Region mit KandidatInnen mit der Muttersprache Englisch offenbar „leer gefegt“, und es bedurfte großer Anstrengungen, eine dritte Kraft mit der Muttersprache Englisch zu finden. Es gibt drei Gründe, weshalb sich die Suche nach MuttersprachlerInnen, die entsprechende Stellen im Kindergarten einnehmen können, als schwierig gestalten kann: - Es gibt nur wenige geeignete Personen. Dies ist allerdings regional sehr unterschiedlich. - Der- oder diejenige Kraft muss über entsprechende pädagogische Eignung oder Ausbildung verfügen und bereit sein, sich nebenbei durch Fortbildungen zu qualifizieren. - Die Bezahlung in einem Kindergarten ist häufig nicht attraktiv. Neben einer Stellenanzeige in der Zeitung bietet die Stellenbörse des FMKS (http: / / www.fmks.eu) eine Möglichkeit, eine geeignete Person zu finden. Aber auch Kontakte zu Vereinen, Verbänden oder Firmen können hilfreich sein. <?page no="54"?> 54 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen Eine adäquate Bezahlung und Ausbildung von Kindergartenpersonal ist derzeit nur selten gegeben. Dass eine wichtige Funktion des Kindergartens auch ein Bildungsauftrag ist, wurde zwar bereits 1970 vom Deutschen Bildungsrat betont, aber diese Erkenntnis hatte lange Zeit keine Konsequenzen, und man beschränkte sich vorwiegend auf die Betreuungsfunktion. Das änderte sich erst zum Ende der 1990er Jahre mit Vergleichsstudien wie PISA und der Erfahrung, dass in anderen OECD-Staaten der frühkindlichen Bildung ein weitaus höherer Stellenwert als in der Bundesrepublik zukommt und in vielen Ländern Vorschuleinrichtungen dem Bildungssystem zugeordnet werden. Die Anerkennung von Kitas als Bildungseinrichtungen beginnt sich bei uns zwar auch immer mehr durchzusetzen, allerdings werden sie organisatorisch und verwaltungsmäßig häufig immer noch als „Betreuungsstätten“ behandelt. Auch in der Politik erkennt man zunehmend die Bedeutung bilingualer Angebote im frühen Kindesalter. Die Unterstützung ist jedoch in der Regel ideeller Natur, denn Kosten darf ein solches Angebot nicht verursachen. Nur wenige Kommunen bzw. Regionen oder auch spezielle EU-Programme finanzieren Immersionsangebote mit separaten Mitteln. Das betrifft vor allem das Saarland und Baden-Württemberg, wo es spezielle zweisprachige Bildungsprogramme mit Deutsch und Französisch gibt. Normalerweise wird es also kaum möglich sein, den fremdsprachlichen Input über zusätzlich finanzierte Kräfte zu bezahlen. Um den von den Bundesländern gesetzten Standards für das Kindergartenpersonal zu entsprechen und so auch die Voraussetzungen für Zuschüsse zu den Personalkosten zu schaffen, muss bei der Einstellung von MuttersprachlerInnenn deren berufliche Qualifikation anerkannt werden. Grundsätzlich kommen dabei zwei verschiedene Stellentypen für die Beschäftigung in Frage, d.h. eine Stelle als ErzieherIn oder als sozialpädagogische(r) AssistentIn. 2 Bei der Einstellung einer fremdsprachlichen Kraft muss man ggf. den Kampf mit der Bürokratie aufnehmen, denn die Flexibilität der Verwaltung lässt mitunter zu wünschen übrig. Natürlich sollen und müssen gewisse Standards eingehalten werden. Daran besteht kein Zweifel, denn nur so kann eine Qualitätssicherung stattfinden, aber es gibt Spielräume bei der Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise, die je nach MitarbeiterIn sehr unterschiedlich ausgelegt und ausgenutzt werden können. Die Anerkennung von Bildungsnachweisen in der Bundesrepublik Deutschland ist Sache der einzelnen Bundesländer. Zuständig sind für: 2 Diese Berufsbezeichnungen werden in Schleswig-Holstein verwendet. Im Falle eine(r) Fremdsprachenassistent(in) wird jedoch kein Arbeitsvertrag mit dem Kindergartenträger geschlossen, denn diese Stelle wird über den Sozialpädagogischen Austauschdienst aus EU-Mitteln finanziert und organisiert. <?page no="55"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 55 - Nicht-akademische berufliche Abschlüsse: Industrie- und Handelskammer (www.ihk.de), Regierungspräsidien. Des Weiteren bietet die Arbeitsagentur online (www.arbeitsagentur.de) zu allen Fragen der Anerkennung von Bildungsnachweisen weiterführende Hinweise. Bei ausländischen Bildungsnachweisen, die für die Funktion einer Erzieherin oder einer sozialpädagogischen Assistentin anerkannt werden sollen, ist es üblich, eine Nachprüfung bzw. Nachschulung in Rechtskunde und einen Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse zu verlangen sowie die Anerkennung von ausreichender praktischer Arbeit mit Kindern in der Altersgruppe 3-6 Jahren abhängig zu machen. Hier wird häufig eine erfolgreich abgeschlossene Praktikumsphase für die Anerkennung gefordert. Es gibt darüber hinaus Möglichkeiten der berufsbegleitenden Nachqualifizierung, z.B. für pädagogische Assistenten. Probleme können beispielsweise entstehen, wenn bei der Einrichtung einer bilingualen Kita und der Beschäftigung von MitarbeiterInnen aus dem Ausland die gewünschte Flexibilität von den Behörden nicht gegeben ist: So hat man es oft aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten mit mehreren Behörden zu tun, denn die für die Betriebserlaubnis zuständige Behörde ist in der Regel nicht zuständig für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Hierfür muss man sich fast überall an die Kultusministerien wenden, denn im Ausland sind Abschlüsse, die mit denen einer Erzieherin oder einer sozialpädagogischen Assistentin vergleichbar sind, meist akademische Abschlüsse, z.B. mit einem BA (Bachelor of Arts). Hier sollten die zuständige Behörde für die Anerkennung des Abschlusses und die Stelle, die die Betriebserlaubnis gibt, eng zusammenarbeiten, damit es kein „Zuständigkeitsgerangel“ gibt. In Melsdorf wurden den fremdsprachlichen Mitarbeiterinnen zunächst befristete Arbeitsverträge auf ein Jahr ausgestellt, um zu sehen, wie das bilinguale Konzept im Rahmen dieses Projekt anlief. Nachdem diese erste Phase zufriedenstellend verlaufen war, wurden alle Verträge entfristet. Wenn eine Fremdsprache im Kindergarten eingeführt werden soll, ist es unerlässlich, dass der Träger auch über Nachhaltigkeit nachdenkt, denn ein immersiv arbeitender bilingualer Kindergarten darf - vor allem im Sinne der Kinder - keine Idee sein, die wegen mangelnder Planung oder Bemühungen nach einem vielleicht stürmischen Anfang dann plötzlich wieder aufgegeben wird. Entscheidet man sich für ein bilinguales Konzept, ist eine langfristige Planung unerlässlich. Dazu gehört selbstverständlich auch die Frage, wie das bilinguale Konzept des Kindergartens in der folgenden Grundschulzeit weitergeführt oder aufgenommen wird. Es wird wohl nur in Ausnahmefällen möglich sein, von Anfang an mit einem fertigen Konzept und einer entspre- - Hochschulabschlüsse: Kultusministerien oder in einzelnen Fachrichtungen die Landesprüfungsämter (zu weitere Informationen siehe www. bildungsserver.de). <?page no="56"?> 56 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen chenden personellen Ausstattung sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule starten zu können. Die Etablierung eines Immersionskonzepts in Kindergarten und Schule wird vielmehr ein langjähriger Prozess sein, der eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Diskussion beinhaltet und der erheblich mehr organisatorische Arbeit (besonders im Personalbereich) beinhaltet als bei einem einsprachigen Konzept. Als in Melsdorf mit der Einführung der Zweisprachigkeit im Kindergarten begonnen wurde, hielt sich das Interesse der Grundschule an diesem Konzept - wir haben hier im Ort eine kleine Grundschule mit insgesamt ca. 60 Kindern - zunächst in Grenzen und man wollte - so mein Eindruck - hier zunächst kein Neuland betreten. Um für die ersten Schulkinder, die im Kindergarten mit der englischen Sprache vertraut wurden, ein weiteres Angebot für die Grundschule machen zu können, wurde von Seiten der Gemeinde dann eine weitere Kraft mit Englisch als Muttersprache gesucht, die zusätzlich zu dem normalen Schulunterricht für jede Klasse zumindest eine Stunde Englisch pro Woche unterrichtet. Die Eltern hatten dafür im Schulhalbjahr pro Kind 25 € zu bezahlen. Trotz der Mehrkosten nahmen alle Schulkinder an diesen Stunden teil. Zum heutigen Zeitpunkt hat sich die Situation etwas verändert. Zum einen wurde in Schleswig-Holstein Englisch als Unterrichtsfach in der Grundschule ab Klasse 3 nach und nach etabliert. Aber auch bei den Lehrkräften der Grundschule ist eine zunehmend positive Einstellung für einen Ausbau des Englischangebots zu verzeichnen. Obwohl der Einfluss der Gemeinde auf die weitere Förderung der erworbenen Sprachkompetenz der Kinder in der Grundschule gering ist (da die Kommune hier keine Zuständigkeit besitzt), werden weiterhin Gespräche zwischen Kindergarten, Grundschule und Kommune geführt, die, so hoffen alle Beteiligten, dazu führen, dass Kindergarten und Grundschule in Hinblick auf den kontinuierlichen Erwerb der englischen Sprache enger zusammenarbeiten. 3 Der Kindergarten aus der Sicht des Kindergartenteams Im Oktober 2004 wurde die erste englische Muttersprachlerin eingestellt und auf Wunsch der Elternschaft zeitgleich die Öffnung des damals noch zweigruppigen Hauses eingeführt, damit alle Kinder Kontakt zu der englischsprachigen Pädagogin haben konnten. Im Februar 2005 wurde eine dritte Gruppe eröffnet, und eine zweite Muttersprachlerin konnte als Gruppenleiterin eingestellt werden. Im September desselben Jahres kam eine Sprachassistentin hinzu, so dass alle drei Gruppen mit einer englisch sprechenden Kraft besetzt waren. Da die Sprachassistentin den Kindergarten nach acht Monaten wieder verließ und eine andere Stelle im Haus frei wurde, konnten die Gruppen so umstrukturiert werden, dass eine weitere englischsprechende Kraft fest eingestellt wurde. Somit arbeitet seit Februar 2005 in allen drei <?page no="57"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 57 Gruppen eine englischsprechende Kollegin. 2011 wurde eine altersübergreifende Gruppe mit Kindern zwischen 1-6 Jahren eingerichtet, die ebenfalls durch eine deutsche und eine englischsprachige Kraft betreut wird. Diese wurde im späteren Verlauf zur Krippengruppe. Ein Anbau im Jahre 2013 ermöglichte eine Krippengruppe sowie eine Außengruppe, die beide durch die Öffnung täglich ab der Mittagszeit Kontakt zur englischen Sprache haben. 2015 kam eine zweite Krippengruppe hinzu. Bevor im Folgenden Näheres über die Erfahrungen mit der frühen Zweisprachigkeit berichtet wird, sei hier darauf hingewiesen, dass die Geschichte des Kindergartens Melsdorf nur ein Beispiel dafür ist, wie eine Einrichtung zweisprachig arbeiten kann: Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, mit der frühen Zweisprachigkeit umzugehen, sie umzusetzen, sie zu leben. Jede Einrichtung sollte einen eigenen Weg suchen, mit dem sie optimal arbeiten kann, damit die pädagogische Arbeit nicht erschwert wird und damit vor allem deren Qualität, die stets im Vordergrund stehen sollte, gewährleistet bleibt. 3.1 Am Anfang Die ersten Schritte beinhalteten mehrere Teamgespräche sowie den Besuch eines Fachtages in Altenholz zur frühen Zweisprachigkeit, bei dem das Team nähere Informationen zu diesem Thema erhielt. Es gab von Seiten des Teams unterschiedlichste Reaktionen; von „oh, toll“ bis „oh, Gott“. Zunächst wurden erste Gespräche mit dem Bürgermeister geführt, da er derjenige war, der zuerst auf das Team zugekommen war und gefragt hatte, ob es Interesse hätte, die frühe Zweisprachigkeit in den Kindergarten einzuführen. Von seiner Seite kam während der gesamten Zeit große Unterstützung. Parallel dazu hospitierten mehrere Mitarbeiterinnen in Kindergärten, in denen die frühe Zweisprachigkeit bereits eingeführt war. Im Vordergrund dieser Hospitationen stand das Aufarbeiten der Erfahrungen und des Gelernten. Es wurden viele Gespräche im Team geführt, die unter anderem folgende Fragen behandelten: Wie soll die frühe Zweisprachigkeit in unserem Kindergarten konkret ablaufen? Wie gut muss das Englisch der einzelnen Mitarbeiterinnen sein? Wie werden die Kinder reagieren, wie die Eltern? Mit der Zeit kristallisierte sich heraus, dass das Team gerne die frühe Zweisprachigkeit in den Kindergarten-Alltag integrieren wollte. Es stellte sich dann allerdings die Frage, wie dies finanziell durchzuführen sei. Im Gegensatz zum Saarland (z.B. Hammes-Di Bernado 2005) werden solche Projekte in Schleswig- Holstein nicht gefördert, und ein Sponsor war nicht in Sicht 3.2 Der Einstieg in die frühe Zweisprachigkeit Dann kündigte eine Kollegin und damit musste sich das Team für oder gegen die Einführung der frühen Zweisprachigkeit entscheiden. Es sagte ge- <?page no="58"?> 58 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen schlossen „ja“. Daraufhin wurden Gespräche mit dem Träger und den Elternvertretern geführt, die durchweg sehr positiv reagierten. Die Ausschüsse der Gemeinde wurden informiert, die dem Projekt ebenfalls sehr wohlwollend gegenüberstanden. Nun wurde es ernst: Es wurde ein erster Elternabend veranstaltet, auf dem verschiedene Mitglieder des Vereins für frühe Mehrsprachigkeit in Kindertagesstätten und Schulen (FMKS) und eine Mutter, deren Kinder sowohl einen bilingualen Kindergarten als auch eine bilinguale Schule besucht hatten, von den bisherigen Erfahrungen und den Lernerfolgen der Kinder berichteten. Sabine Devich-Henningsen, die damalige Leiterin des Kindergartens in Altenholz, der schon seit 1996 die frühe Zweisprachigkeit praktiziert, schilderte ebenfalls ihre Erfahrungen aus Sicht der Kindergartenleitung. Die Elternschaft in Melsdorf war begeistert von der Idee der frühen Zweisprachigkeit im Kindergarten. Da aber vorerst nur eine englischsprachige Kraft in einer Gruppe arbeiten sollte, kam die Sorge auf, dass nicht alle Kinder von der Fremdsprache profitieren könnten. Das Team einigte sich schließlich darauf, die Öffnung des Kindergartens vorzuziehen, 3 die eigentlich erst für das kommende Jahr angedacht war: Seit Oktober 2004 wird im Kindergarten Melsdorf halboffen gearbeitet. 4 Daraufhin folgten einige Sitzungen mit den Ausschüssen, um die Einführung der frühen Zweisprachigkeit sowie deren Durchführung im Kindergarten vorzustellen. In einem weiteren Elternabend erklärten sich die Eltern einverstanden, sowohl die Öffnung des Hauses als auch die frühe Zweisprachigkeit einzuführen. Es wurde abgesprochen, regelmäßige Elterngespräche und Elternabende zu veranstalten. Das Team erstellte in Absprache mit den ElternvertreterInnen dann eine Kurzkonzeption, die folgende Aspekte umfasste: 5 3 „Der Begriff „offene Arbeit“ umschreibt ein pädagogisches Konzept, das sich seit Ende der 1970er Jahre in deutschen Kindertagesstätten wachsender Beliebtheit erfreut…. So wurden vielerorts die üblichen so genannten Stammgruppen aufgelöst und den Kindern die Möglichkeit eingeräumt, sich in frei gewählten Spielgruppen mit selbst gewählten Aktivitäten zu befassen, (…) z.B. in Funktionsräumen, die beispielsweise Bau- und Bewegungsräume, Künstlerwerkstätten etc. umfassen.“ (http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Offene_Arbeit_(Kindergarten), Zugriff: 28.8.16. 5 Das pädagogische Konzept des Kindergartens Melsdorf kann auf der Internetseite http: / / www.kindergarten-melsdorf.de abgerufen werden (Zugriff: 28.8.16). Der Begriff „halboffene Arbeit“ bedeutet, dass die Kinder eine feste Bezugsgruppe für einen Teil des Tages haben, Angebote und Tagesabläufe orientieren sich an den Themen der Kinder. Kleingruppen zu bestimmten Themen werden gruppenübergreifend gebildet, und jeder Raum beinhaltet mehrere Funktionen, beispielsweise Essen, Rollenspiel, Kreatives, Bauecke, Leseecke, usw. (siehe http: / / schulamtfrankfurt.bildung.hessen.de/ A03/ SLB01/ E_1.1/ Kap_3.pdf.3, Zugriff: 28.8.16). 4 <?page no="59"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 59 - Den Kindern soll das „Sprachbad“ (Immersion) in der neuen Sprache ermöglicht werden (siehe Wode in diesem Band). - Die Kinder haben auf freiwilliger Basis den Kontakt zur Person bzw. Sprache (siehe Wode in diesem Band). - Es soll konsequent nach dem Prinzip „eine Person - eine Sprache“ gearbeitet werden (siehe Baker 2000, Döpke 1992, FMKS 2014, Ronjat 1913). - Die englischsprachige MitarbeiterIn sollte möglichst MuttersprachlerIn sein, um die Fremdsprache „mit dem Herzen“ sprechen zu können, aber auch um die jeweilige Kultur seines/ ihres Heimatlandes entsprechend einbringen zu können. Nach der Ausschreibung der Stelle in einer Kieler Tageszeitung stellten sich fünf BewerberInnen vor, die im Kindergarten zunächst zur „Probe arbeiteten“, um zu sehen, wie sie in das Team passten, wie ihr Englisch war (da auch Bewerber dabei waren, die keine Muttersprachler waren) und wie sie - auf Englisch - mit den Kindern umgingen. Durch großes Glück wurde eine sehr kompetente Mitarbeiterin gefunden, die sowohl Erfahrungen im Umgang mit jüngeren Kindern als auch mit der Bilingualität hatte: Zum einen wuchs sie selbst zeitweise zweisprachig auf, zum anderen hatte sie Englisch bereits in Kitas und Schulen angeboten. Diese Mitarbeiterin begann ihre Arbeit im Kindergarten Melsdorf im Oktober 2004. 3.3 Die erste Zeit der frühen Zweisprachigkeit Während der ersten Tage waren die Kinder sehr aufgeregt und kamen immer wieder in den Raum, in dem die englischsprachige Erzieherin arbeitete. Die Kinder riefen „good morning“, kicherten und liefen wieder weg. Nach einer Woche beruhigte sich die Situation. Einige Kinder suchten die Nähe zur englischsprachigen Erzieherin, nahmen an ihren Aktivitäten teil und versuchten erste Dialoge mit ihr. Es gab jedoch auch Situationen wie die folgende: Die englische Muttersprachlerin bat einen Jungen, ihr einen Stift zu reichen, doch er verstand sie nicht. Nachdem sie ihre Bitte zweimal wiederholt hatte, sah der Junge sie an, machte „puh“, zuckte mit den Achseln und sagte im Weggehen: „Das ist mir viel zu anstrengend hier.“ Unerwartet schnell jedoch verstanden die Kinder sich wiederholende Aussagen und Fragen wie beispielsweise „it’s tidy up time“, „newsround“, „good morning“ oder „how are you“. Nach den anfänglichen Fortschritten fand nach ungefähr drei Monaten plötzlich ein Stillstand statt. Diese „stumme“ Phase verunsicherte viele. Das Team beschloss jedoch, zunächst einmal abzuwarten. Diese Geduld wurde belohnt, denn nach ungefähr sechs Monaten fingen die Kinder auf einmal an, für andere, häufig neue Kinder zu übersetzen und zeigten dabei einen erstaunlichen Wortschatz. Ältere Kinder begannen, Äußerungen - wie beispielsweise „du, ist jetzt tidy up time? “ - gegenüber der englischsprachigen <?page no="60"?> 60 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen Erzieherin zu benutzen. Die Monate ohne offensichtliche Veränderungen waren offenbar nur äußerlich „still“. Auch im Team selbst war es zuerst sehr unruhig. Einige Mitarbeiterinnen verstanden die englische Muttersprachlerin nicht immer, sagten dies jedoch nicht, so dass Missverständnisse und Spannungen entstanden. Schon die Verständigung zwischen deutschen Muttersprachlern gestaltet sich zuweilen schwierig; zwei verschiedene Sprachen und ein Kommunikationssystem, bei dem jeder in seiner Muttersprache bleibt, machen die Verständigung nicht immer einfach. Hinzu kamen kulturelle Unterschiede, die auf den ersten Blick nicht so deutlich waren: So kommt beispielsweise eine der Mitarbeiterinnen aus Trinidad. In ihrem Raum ist es immer ein wenig lauter als in den anderen Räumen. Zunächst beanstandeten einige deutsche Kolleginnen, dass die Kinder in diesem Raum zu sehr tobten, während dies für die Mitarbeiterin ein ganz normaler Zustand war, da in Trinidad mit Bewegung und Lautstärke ganz anders umgegangen wird als in Deutschland. Während dieser ersten Phase waren die Eltern sehr euphorisch - fast schon ehrgeizig. Häufig versuchten gerade neue Eltern, ihren Kindern englische Wörter oder Redewendungen beizubringen, die diese dann am Morgen vor der englischsprachigen Erzieherin produzieren sollten. Einige Kinder veranlasste dies, sich zunächst vorsichtshalber von der englischen Muttersprachlerin zurückzuziehen, da sie sich überfordert fühlten. Nach diesen Erfahrungen haben wir es uns zur Regel gemacht, besonders in den Erstgesprächen zum Kindergartenbeginn mit den Eltern detailliert über das Konzept und den Sinn der frühen Zweisprachigkeit zu sprechen und darüber hinausgehend den Eltern nahe zu legen, zuhause die Familiensprache intensiv zu pflegen und ihre Kinder nicht zu drängen, Englisch zu sprechen. 3.4 „… und heute“ Inzwischen ist die frühe Zweisprachigkeit im Kindergarten Melsdorf etwas ganz Alltägliches. Jedoch hat sich in den Jahren auch einiges geändert: So sind die Öffnungszeiten erweitert worden, der Kindergarten kann nun von 7.00 bis 16.00 Uhr besucht werden. Des Weiteren gibt es drei Elementargruppen, davon eine Gruppe mit englischsprachiger Leitung, sowie zwei Krippengruppen (siehe Powell et al. in diesem Band). Über die Woche haben die Kinder ab der Mittagszeit, bedingt durch das Prinzip der Öffnung, Kontakt zur englischen Sprache. Rückblickend hat sich gezeigt, dass eine Reihe von Maßnahmen förderlich für die Ein- und Durchführung der frühen Zweisprachigkeit in unseren Kindergarten war und ist: - Die Einbindung des Trägers bzw. der Gemeindeausschussmitglieder in die Arbeit und in den Alltag des zweisprachigen Kindergartens hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen: Einige Ausschussmitglieder verbrachten ei- <?page no="61"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 61 nen Vormittag im Kindergarten und verließen diesen begeistert. Durch das dort gewonnene bessere Verständnis für die Arbeit und die besonderen Anforderungen an das Team ist es für den Träger einfacher, personelle und organisatorische Entscheidungen im Sinne des pädagogischen Konzepts des Kindergartens Melsdorf zu treffen. - Regelmäßige Gespräche im Team erwiesen sich in der Vorbereitungszeit als absolut notwendig. Der tägliche Ablauf wurde immer wieder reflektiert; dabei stolperte das Team mehr als einmal über Missverständnisse. Zu Beginn mussten Absprachen immer wieder angeglichen und Verbesserungen gesucht werden. In Gesprächen sowie in Teamsitzungen wurde beispielsweise dazu übergegangen, wichtige Informationen in beiden Sprachen abzugleichen. Zudem haben sich hausinterne Teamfortbildungen als sehr effektiv erwiesen, da dies eine Möglichkeit ist, unverbindlich Verständigungslücken und Missverständnisse aufzudecken und allen Mitarbeiterinnen einen gemeinsamen Wissensstand zu ermöglichen. Zudem entwickelte sich beim gemeinsamen Lernen in diesen Teamfortbildungen ein starkes „Wir-Gefühl“. - Auf den Teambesprechungen wurde insbesondere in den ersten Jahren mit allen Mitarbeiterinnen gemeinsam die gegenwärtige Situation reflektiert, um zu gewährleisten, dass alle Kolleginnen denselben gemeinsamen Wissenstand hinsichtlich der Kinder besitzen und um gegebenenfalls Änderungen zu besprechen. An einigen Besprechungen nahm auch Frau Dr. Steinlen teil, die das Projekt „Frühe Zweisprachigkeit“ an unserem Kindergarten wissenschaftlich begleitet, um mit dem Team sowohl die Ergebnisse der Sprachstandserhebungen als auch den weiteren Verlauf der wissenschaftlichen Begleitung zu besprechen. Inzwischen jedoch sind diese regelmäßigen Reflektionen seltener geworden: Die Kolleginnen kennen sich sehr gut, die Beziehungsebene stimmt, und die englische Sprache ist so etabliert, dass es kaum noch interkulturell oder sprachlich bedingte Missverständnisse gibt. - Es sollte berücksichtigt werden, dass die englischsprachigen Erzieherinnen besonders belastet sind und eine unendliche Geduld aufbringen müssen. Dies betrifft insbesondere Situationen, in der sie in der englischen Sprache bleiben müssen, obwohl das Kind sie nicht gleich versteht. Um es den englischsprachigen Muttersprachlerinnen ein wenig leichter zu machen, wurde sich darauf geeinigt, dass sie in unserem Kindergarten ausschließlich englisch sprechen, auch in den Dienstbesprechungen oder bei hausinternen Fortbildungen - soweit möglich. Deutsch wird mit den Eltern nur unter Ausschluss der Kinder gesprochen. Des Weiteren wurden Mimik und Gestik der deutschsprachigen und der englischsprachigen Mitarbeiterinnen angeglichen, um zu unterstützen und um Missverständnisse zu vermeiden. Wenn notwendig, springt die deutsche Kraft auf ein verabredetes Zeichen der englischsprachigen Kollegin ein, um zu übersetzen. In den letzten Jahren hat sich die besondere Belastung der englischsprachigen Kräfte jedoch deutlich vermindert, da sich die Kolle- <?page no="62"?> 62 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen ginnen eingearbeitet haben, inzwischen sehr gut kennen und damit die Zusammenarbeit im Team „fließt“. - Regelmäßige Elterngespräche sind ebenfalls sehr wichtig. Dies beinhaltet sowohl das Erstgespräch mit angehenden Kindergarteneltern, in dem nicht nur das pädagogische Konzept des Kindergartens im Allgemeinen, die frühe Zweisprachigkeit sowie das Prinzip der Immersion im Speziellen besprochen werden, sondern auch, warum die englischsprachigen Erzieherinnen vor den Kindern nicht deutsch sprechen und was Eltern tun können, wenn Gesprächsbedarf besteht, das Gespräch aber nicht auf Englisch geführt werden soll. Es empfiehlt sich, dies in regelmäßigen Einzelgesprächen fortzuführen. Inzwischen ist die englische Sprache und das Konzept der Immersion bei Kindern, Eltern und der Gemeinde etabliert, d.h., die Abläufe und Arbeitsweisen sind bekannt, so dass die Zweisprachigkeit für die Eltern eine weniger große Hürde als zu Beginn darstellt, als die Aufklärungsarbeit einen größeren Raum einnahm. - In den ersten Jahren wurden verstärkt Elternabende für einen allgemeinen Informationsaustausch zum Thema „Frühe Zweisprachigkeit“ genutzt: Frau Dr. Steinlen informierte die Eltern dann beispielsweise über den aktuellen Verlauf der wissenschaftlichen Begleitung, und die Eltern berichten ihrerseits von den Erfahrungen und dem Umgang ihrer Kinder mit der englischen Sprache zuhause. Da Frau Dr. Steinlen nun nicht mehr vor Ort ist, finden diese thematisch gebundenen Elternabende nur noch sehr selten statt. Dies ist jedoch auch dadurch bedingt, dass der Diskussions- und Informationsbedarf über die frühe Zweisprachigkeit in den letzten Jahren bei den Eltern stark abgenommen hat. - Am Anfang wurde jeder Versuch der Kinder, von der englischen Sprache in die deutsche zu übersetzen, sehr unterstützt und gelobt. Dies hatte zur Folge, dass gerade neue Kinder kein Englisch mehr verstehen mussten, da sie häufig eine deutsche Übersetzung hörten. Es wurden lange Gespräche mit den Kindern geführt, und sie wurden ersucht, ihre Kompetenz nur zu nutzen, wenn sie ausdrücklich darum gebeten wurden. So wurde es besser. Die Kinder hatten jedoch schnell ein neues Betätigungsfeld gefunden: Sie begannen sich über die Bedeutung englischer Wörter auszutauschen und benutzten untereinander englische Redewendungen. Nach nunmehr über zehn Jahren ist für das Team und die Kinder die frühe Zweisprachigkeit selbstverständlich geworden. Im Alltag fällt es nicht mehr auf, dass in zwei Sprachen gelebt wird. Selbst die Eingewöhnung neuer Kinder wird inzwischen von den englischsprachigen Mitarbeiterinnen genauso durchgeführt wie von den deutschsprachigen - mit einer Ausnahme: Kinder, für die Deutsch eine Zweitsprache ist, werden von einer deutschsprachigen Kollegin eingewöhnt, um sie nicht zu überfordern. Insgesamt sind die Erfahrungen mit solchen Kindern, soweit dies bei den wenigen Migrantenkindern im Kindergarten Melsdorf (5%) gesagt werden kann, sehr positiv. Ihre Sprachentwicklung verläuft in der Muttersprache und im Deutschen normal. Wie <?page no="63"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 63 auch bei den deutschen Kindern hängt der Kontakt, den die Kinder zur englischsprachigen Person aufnehmen, vor allem von Sympathie und Antipathie ab und weniger von der Sprache. Seit dem Frühjahr 2007 werden die Kinder in den Schulspielstunden zur Vorbereitung auf die Schule, in der eine deutsche und eine englische Kraft zusammenarbeiten, zum Sprechen der englischen Sprache motiviert, selbstverständlich nur auf freiwilliger Basis. Einigen Kindern fällt das Sprechen der englischen Sprache sehr leicht, andere äußern sich nur sehr wenig. Die Leichtigkeit im Umgang mit der englischen Sprache hat sich in den letzten Jahren gesteigert, da nun immer mehr Kinder seit dem Krippenalter engen Kontakt mit der neuen Sprache haben. Das fördert auch die Sprechfreude, und immer mehr englische Äußerungen fließen ein, etwa: „It’s true we go in? “. Auch werden Fragen von den englischsprachigen Erzieherinnen wie z.B. „What’s that? “ nun nicht mehr nur mit einzelnen Wörtern, sondern in ganzen Sätzen beantwortet („It’s a bird.“). Am Schluss des Schulprojekts erzählen die Kinder immer wieder, dass es ihnen Freude macht, die englische Sprache zu sprechen, auch wenn es am Anfang ungewohnt ist. Auch die Eltern des Melsdorfer Kindergartens haben das Leben mit zwei Sprachen gut angenommen: Ganz selbstverständlich kommen sie morgens in den Gruppenraum und grüßen, je nachdem auf wen sie treffen, auf Deutsch oder auf Englisch. Vielen Eltern macht es Spaß, mit den Muttersprachlerinnen englisch zu sprechen und so ihre verschütteten Schulkenntnisse aufzubessern. Eltern, die keine oder wenig Englischkenntnisse haben, wenden sich im Zweifelsfalle an eine deutschsprechende Kraft („Kannst du mir mal helfen, ich verstehe nicht, was da auf dem Zettel steht“) oder gehen mit der englischsprachigen Pädagogin in das Büro, da dort unter Ausschluss der Kinder deutsch gesprochen werden kann. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Zahl der „Büro-Gespräche“ sehr reduziert, da die Eltern weniger Hemmungen haben nachzufragen bzw. immer seltener den Wunsch äußern, das Gespräch auf Deutsch führen zu wollen. Insgesamt ist die Rückmeldung der Elternschaft über diese zwölf Jahre der frühen Zweisprachigkeit in unserem Hause sehr positiv. Auch das Team steht der frühen Zweisprachigkeit nach wie vor sehr positiv gegenüber. Viele kulturell bedingte Andersartigkeiten haben sich mit der Zeit angeglichen, und Missverständnisse wurden aus dem Weg geräumt. Wie aber in jedem anderen Team auch muss sich immer wieder neu ausgetauscht, besprochen und organisiert werden. Menschen sind alle unterschiedlich, und in einem so emotionalen Beruf wie unserem gibt es mehr als eine Ebene, auf der Zusammenarbeit stattfindet, die unabhängig von der Sprache ist. Da das Konzept der Immersion etabliert ist und das Prinzip „eine Person - eine Sprache“ stringent durchgeführt wird, ergeben sich mittlerweile keine Zusatzbelastungen mehr. Einzig die Mitarbeitersuche gestaltet sich als sehr schwierig, da die Erfahrung gezeigt hat, dass es wenig Sinn hat, „berufsferne“ Personen <?page no="64"?> 64 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen einzuarbeiten, da diese eine zusätzliche Belastung für das Team darstellen sowie Kräfte einzustellen, die die englische Sprache nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschen und dann der personengebundenen Sprachvermittlung nicht nachkommen können. Insgesamt kann rückblickend klar gesagt werden, dass die frühe Zweisprachigkeit eine überzeugende Ergänzung unseres pädagogischen Konzepts ist und für alle Beteiligten eine Bereicherung darstellt. Der Kindergarten Melsdorf wird seit März 2005 wissenschaftlich begleitet. Das bedeutet, dass eine Sprachwissenschaftlerin mit fundierten Kenntnissen des (Fremd)Sprachenerwerbs regelmäßig den Kindergarten besucht, mit den Kindern spielt, regelmäßigen Kontakt zu den Eltern hält, den Erzieherinnen vor Ort mit Rat und Tat zur Seite steht und die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder beobachtet und dokumentiert. Durch einen beruflichen Wechsel bedingt ist seit 2012 eine wissenschaftliche Hilfskraft vor Ort, die die Sprachstandserhebungen regelmäßig durchführt. 4.1 Die wissenschaftliche Begleitung Die wissenschaftliche Begleitung, die in Melsdorf durchgeführt wird, ist Teil des „Forschernetzwerkes Bilinguale Kitas“ (www.bilikita.org) sowie des ELIAS Projekts (Early Language and Interactional Acquisition Studies, www.elias.bilikita.org), einem von der EU finanzierten Comenius-Projekt, das in vier europäischen Ländern u.a. die (fremd/ sprachliche) Entwicklung von Kindern in bilingualen Kindergärten untersuchte (siehe mehr dazu in Kersten et al. 2010, Kersten in diesem Band). Die Untersuchungen umfassen regelmäßige teilnehmende Beobachtungen mit dem Ziel, die zweisprachige Kita zu beschreiben sowie das Verhalten der Kinder zu dokumentieren (siehe z.B. den Beobachtungsbogen von Eufinger et al. 2008). Außerdem werden Fragebögen zum familiären und sprachlichen Hintergrund der Kinder erhoben (z.B. Steinlen 2006) und Informationen zur Konzeption und Organisation der Kita (Gruppenkonzepte, Öffnungszeiten, L2-Kontaktmöglichkeiten und -zeiten etc.) gesammelt sowie regelmäßige Gespräche mit Kindern und dem Kita-Team geführt. Um zu dokumentieren, wie sich die fremdsprachlichen Fähigkeiten entwickeln, werden in regelmäßigen Abständen Sprachstandserhebungen in Bezug auf die Entwicklung der englischen rezeptiven Grammatik- und Wortschatzkenntnissedurchgeführt (siehe Steinlen in diesem Band zu den Ergebnissen aus Melsdorf). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können einerseits ErzieherInnen und Eltern wertvolle Einsichten 4 Der Kindergarten aus der Sicht der wissenschaftlichen Begleitung <?page no="65"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 65 über den Lernprozess der Kinder und den Nutzen bestimmter Methoden liefern und daher zeitnah nutzbar gemacht werden. Andererseits trägt die Forschung zur Theoriebildung im Bereich des Sprachenlernens und -lehrens bei.Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des Elternfragebogens aus den Jahren 2005 bis 2007 vorgestellt, der sowohl die Funktion hatte, die Eltern des Kindergartens Melsdorf in das Projekt der frühen Zweisprachigkeit einzubinden als auch umfangreiche Informationen für die Analyse der Ergebnisse der Sprachstandserhebungen zu liefern. Nicht zuletzt gaben die Ergebnisse außerdem Aufschluss darüber, wie zufrieden die Eltern mit der Einbindung der englischen Sprache in den Kindergartenalltag waren. 4.2 Die Ergebnisse des Elternfragebogens Die zu dieser Studie gehörenden Fragebögen wurden zwischen Juli 2005 und Juni 2006 an die Eltern verteilt und zwischen August 2005 und Januar 2007 zurückgegeben. Die Ergebnisse der Befragung beruhen auf 81 Fragebögen. Im ersten Teil des Fragebogens wurde nach Name und Geburtsdatum des Kindes gefragt, wann es in den Kindergarten kam und welcher Kindergartengruppe es zugehört. Des Weiteren wurde nach der Muttersprache (L1) des Kindes gefragt. Die Mehrzahl der Kinder (95%) wuchs in einem monolingual deutschsprachigen Elternhaus auf, die anderen Kinder hatten zusätzlich einen schwedischen, italienischen, arabischen, türkischen, polnischen oder portugiesischen Sprachhintergrund. Insgesamt zeigte sich, dass die große Mehrzahl der Kinder (97%) sehr gerne in den Kindergarten geht und sich dort sehr wohl fühlt. Je älter die Kinder sind, desto mehr erzählen sie zu Hause vom Kindergartenalltag (94%). Bevorzugte Themen sind dabei Spielkameraden, Tagesgeschehen, besondere Aktivitäten und natürlich die Erzieherinnen. Vergleichbare Zahlen wurden bei einer ähnlichen Fragebogenaktion in einem monolingualen deutschen Kindergarten in einem Nachbarort erhoben (Steinlen 2007). Durch das zusätzliche Angebot der englischen Sprache im Kindergarten wird also die Freude der Kinder an ihrem Kindergartenalltag nicht getrübt. Laut Eltern denken 84% der Kinder in Melsdorf darüber nach, dass es andere Sprachen außer Deutsch gibt. Dieser hohe Anteil ist sicher dem Umstand zu verdanken, dass der Kindergarten bilingual geführt wird. In dem schon erwähnten monolingual geführten Kindergarten dachten (laut Eltern) nur 57% der Kinder über andere Sprachen nach (Steinlen 2007). Zuhause wurden englische Wörter von 70% der Melsdorfer Kinder verwendet, wobei am häufigsten Lieder, Farben, Zahlen und Tiernamen sowie auch Phrasen, z.B. stop it, tidy up time, yes, no, hello, good morning, bye-bye genannt wurden. Es ist bekannt, dass Kinder, die einen bilingualen Kindergarten besuchen, in der Fremdsprache nur wenig produzieren. Wenn sie dies tun, sind diese Produktionen im Allgemeinen durch Einbis Zweiwortsätze bzw. feste <?page no="66"?> 66 Detlef Ufert, Anke Schilk, Anja K. Steinlen Phrasen charakterisiert (z.B. Wode 2006, 2009, Steinlen 2008, Steinlen 2012, Häckel 2013, Wode in diesem Band). Viele Gründe wurden von den Eltern in Bezug auf die Frage angegeben, welche Vorteile es haben mag, eine Fremdsprache schon im Kindergarten zu lernen: Am häufigsten wurden Faktoren genannt wie „weniger Berührungsängste beim Erlernen einer neuen Sprache“, „spätere Vorteile in Schule und Beruf“, „Verständigung im Urlaub“, „offenerer Umgang mit anderen Menschen und Kulturen“, „leichtes (spielerisches) Erlernen der Sprache“, „Relevanz von Englisch als Weltsprache“. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht könnte ergänzt werden (siehe Leidner 2007: 32-33), dass die zweisprachigen Kinder es später leichter haben, sich weitere Sprachen anzueignen (z.B. Wode 2006, 2009), dass sie mehr Praxis haben, Gespräche aufrechtzuerhalten (Sharpe 2001), dass sie mehr Wortbewusstsein zeigen, d.h. darum wissen, was ein Wort ist und wie ein Wort funktioniert, um Bedeutungen von der Erstsprache auf die Zweitsprache zu übertragen (Bialystok 2001), und dass sie durch den steten Kontakt mit der Fremdsprache in der Lage sind, sprachliche Unterscheidungen zu treffen und Strategien zu entwickeln, um sich über Ausdrucksnot hinwegzuhelfen. Wie Triarchi-Herrmann (2003) anmerkt, ist dies eine metasprachliche Fähigkeit, die eine wichtige Voraussetzung für sprachliche Kompetenz bildet. Eine weitere Frage des Elternfragebogens bezog sich auf die persönliche Haltung der Eltern in Bezug auf die Fremdsprache Englisch, denn „Eltern üben, wie in allen Bereichen der Erziehung, auch hinsichtlich der bilingualen Bildung Vorbildfunktion aus. Ihre Einstellungen und ihr Verhalten prägen das Kind und wirken sich positiv oder negativ auf den Lernprozess aus“ (Nauwerck 2005: 171). Dies gilt auch für den frühen Fremdsprachenerwerb: Die Ergebnisse des Fragebogens zeigen für 69% der befragten Eltern eine positive oder sehr positive Haltung zum Englischen, neutral geben sich 28%, und nur 2% der Eltern äußern eine negative Einstellung (die leider nicht näher erläutert wurde). Die grundsätzlich positive Haltung der Eltern ist sicher darin zu begründen, dass Englisch als Weltsprache in unserer Gesellschaft ein hohes Prestige genießt. Des Weiteren besteht die Elternschaft in Melsdorf aus vielen Akademikern, die ihren Kindern die Wichtigkeit des Fremdsprachenlernens vermitteln und somit die Tendenz zu einem höheren Lernniveau ihrer Kinder verstärken möchten (siehe Abschnitt 1 und auch Wode 2009). 96% der befragten Eltern befürworten die Fortsetzung von Englisch in der Grundschule mit folgenden Argumenten: „Sprachkenntnisse müssen gepflegt werden, damit sie nicht verloren gehen“, „… damit die Kinder im Klang der englischen Sprache bleiben, sie als Alltägliches und Selbstverständliches empfinden“, „… um Erlerntes aktiv weiter einsetzen zu können und den Lernprozess fortzuführen“. Viele Eltern würden es jedoch begrü- <?page no="67"?> Erfahrungen bei Einführung der Zweisprachigkeit 67 ßen, wenn in der Grundschule Englisch nicht als Unterrichtsfach angeboten werden würde, sondern Fächer oder ein Teil des Schulcurriculums über einen längeren Zeitraum in der Fremdsprache unterrichtet würden, um eine Kontinuität des frühen Fremdsprachenerwerbs zu gewährleisten. Bisher wird jedoch in der Grundschule in Melsdorf Englisch nur als ein eigenständiges Fach mit zwei Stunden pro Woche ab der 3. Klasse angeboten, so wie es der Lehrplan in Schleswig-Holstein vorschreibt. Des Weiteren zeigt die Fragebogenaktion, dass 98% der befragten Eltern mit der Durchführung des Projekts der frühen Zweisprachigkeit im Kindergarten Melsdorf sehr zufrieden sind. Dieses Ergebnis bestärkt die Mitarbeiterinnen, dass die Vermittlung der Fremdsprache Englisch in das pädagogische Konzept des Kindergartens und damit in den Kindergartenalltag sehr gut eingebunden ist. An diesen Ergebnissen hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert, wie eine informelle Durchsicht der Elternfragbögen aus den Jahren 2007 bis 2015 zeigen konnte. Literatur Baker, C. 2000. A parents' and teachers' guide to bilingualism. Clevedon: Multilingual Matters. Bialystok, E. 2001. Bilingualism in development: Language, literacy, and cognition. New York: CUP. Döpke, S. 1992. One parent one language. An interactional approach. Amsterdam & Philadelphia: Benjamins. Eufinger, E., Neugebauer, C. Schulz-Schneider, F. & Steinlen, A.K. 2008. Beobachtungsbogen für die Dokumentation der englischen Sprachkenntnisse während der Kindergartenzeit. http: / / www.fmks-online.de/ download.html (15.08.16). FMKS (Verein für frühe Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V.) 2011. Leitfaden für die Entstehung eines zweisprachigen (bilingualen) Kindergartens. http: / / www.fmks-online.de/ download.html (15.08.16). FMKS (Verein für frühe Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V.) 2014. Bilinguale Kitas in Deutschland. http: / / www.fmks-online.de/ download.html (15.08.16). Häckel, A. 2013. Untersuchungen zur sprachlichen Entwicklung deutsch-englisch bilingual betreuter Kita-Kinder. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Hammes-Di Bernardo, E. 2005. Kindergärten / Grenzraum Nachbarländer: Französisch - Nachbarsprache und Partnersprache. http: / / www.fmks-online.de/ download.html (15.08.16). Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C., Steinlen, A.K. (Hrsg.). 2010. Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development. Vol. II: Best Practices. Trier: WVT. Leidner, M. 2007. Englisch im Kindergarten. München: Reinhardt. Nauwerck, P. 2005. Zweisprachigkeit im Kindergarten. Konzepte und Bedingungen für das Gelingen. Freiburg: Filibach. Ronjat, J. 1913. Le développement du langage observez chez un enfant bilingue. Paris: Champion. Sharpe, K. 2001. 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Drei Themenkomplexe standen im Fokus der leitfadengestützten Interviews, nämlich die grundsätzliche Haltung zur bilingualen Betreuung, der Einfluss von Lernmaterial auf das Lernverhalten der Kinder und das Lernverhalten der Kinder. Die Ergebnisse zeigten trotz unterschiedlicher pädagogischer Konzepte in der Praxis und Umsetzung der bilingualen Betreuung kaum Unterschiede: So wurde der bilingualen Ansatz werder als Eingriff in den bisherigen Ablauf des Kindergartentages empfunden noch wurden in Bezug auf die verschiedenen Lernergruppen (Mädchen vs. Jungen bzw. Kinder mit und ohne Migrationshintergrund) Unterschiede in Bezug auf die Entwicklung des Deutschen oder des Englischen angegeben. Insgesamt geben leitfadengestützte Interviews einen detaillierten Einblick in die Umsetzung des „eine-Person-eine-Sprache-Prinzips“ und bieten Erklärungsmöglichkeiten von quantitativen Untersuchungsergebnissen. 1 Einleitung Im Zuge der Globalisierung und der wachsenden internationalen Zusammenarbeit nimmt der Erwerb von Fremdsprachen sowie auch vom interkulturellen Verständnis eine zunehmend wichtigere Bedeutung ein (z.B. Kersten 2005: 22). Dabei rückt die Verantwortung des Bildungssystems maßgeblich in den Vordergrund, denn nicht nur effizientere Methoden zur Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen sind notwendig, auch ein früherer Beginn ist unumgänglich. Denn durch einen früheren Beginn, so z.B. Wode (2009: 17), wird a) die erste Fremdsprache ausreichend lange gefördert und b) genügend Zeit gewonnen, um auch eine zweite Fremdsprache zu erlernen. Ziel soll es dabei sein, Fremdsprachenkenntnisse auf ein funktional angemessenes Niveau zu bringen, d.h., die Fremdsprache soll funktional <?page no="70"?> 70 Alexandra Häckel den Ansprüchen des späteren Lebens genügen (siehe auch Wode, dieser Band). Funktional voll einsetzbar ist eine Sprache in unserer industriell geprägten Welt erst, wenn sie mündlich und schriftlich beherrscht wird und auch über den Umgang in alltäglichen Situationen in der Familie, bei religiösen Anlässen, sonstigen Festen oder im elementaren Umgang mit Behörden hinaus verwendet wird. (Wode 2009: 107) Zur Erfüllung dieser Bedingungen kommt dadurch auch der vorschulischen Bildung - Kindertagesstätten und Krippen - eine tragende Rolle zu, mit der deutlichen Forderung „…[…] stärker in das Bildungssystem integriert [zu] werden, um Schwächen in der schulischen Bildung [zu] beseitigen, zumindest aber zu mildern. Als einer der Schwerpunkte gelten dabei die Sprachförderung im Allgemeinen und die Förderung von Mehrsprachigkeit im Besonderen“ (Wode 2005: 2). Im Fokus stehen dabei Kindertagesstätten, die bilinguale Angebote in ihr pädagogisches Konzept integrieren, denn Untersuchungen zu bilingualen Verfahren haben in den vergangenen Jahren wiederholt gezeigt, dass bilingual betreute Kinder größere Fortschritte beim Erlernen einer Fremdsprache zeigen (z.B. Winitz et al. 1995, Piske 2007, Steinlen 2009, Steinlen et al. 2010a , Häckel 2013, Häckel et al. 2014, Häckel & Piske 2011, 2012) als Kinder, die lediglich ein bis zwei Stunden pro Woche zum Beispiel in Form einer AG 6 mit der Fremdsprache konfrontiert sind (vgl. Piske 2007, 2013). Darüber hinaus zeigen bisherige Untersuchungen, dass sich eine bilinguale Betreuung nicht automatisch negativ auf den Sprachstand im Deutschen auswirkt (siehe Steinlen et al. 2010b, Häckel & Piske 2011, Häckel 2013). Bilingual betreute Kinder haben einen kontinuierlichen und intensiven Kontakt zur Fremdsprache. Orientiert an dem Prinzip „eine-Person-eine- Sprache“ (d.h., eine Erzieherin spricht nur Deutsch, die andere Erzieherin nur die Fremdsprache), ist eine Sprache eindeutig einer Person zugeordnet. Dadurch wird die Fremdsprache in den alltäglichen Ablauf des Kindergartengeschehens eingebettet, und die Kinder erleben die Fremdsprache in natürlichen und authentischen Situationen. Da das bilinguale Verfahren auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht, haben die Kinder somit die Möglichkeit, insbesondere auch den Kontakt zur Fremdsprache selbst zu bestimmen (vgl. Döpke 1992). 7 6 In einer AG werden meist einmal pro Woche in einem Zeitraum von ein bis zwei Stunden fremdsprachige Lieder gesungen, Reime gesprochen und Spiele gespielt. 7 Genauere Informationen zur Umsetzung bilingualer Verfahren finden sich u.a. in Wode (1995, 2009), Kersten (2005), Piske (2007), Kersten et al. (2010a, b, c) und Häckel (2013). <?page no="71"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 71 In Deutschland können Kita-Einrichtungen 8 zum Teil sehr unterschiedlich organisiert sein. So unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer pädagogischen Konzeption und in der Organisation ihrer Gruppen (offen/ halboffen/ geschlossen, vgl. Regel & Wieland 1993, Huppertz 1998, Liegle 2010) sowie in der Anzahl an zu betreuenden Kindern und der Anzahl an ErzieherInnen. Außerdem kann der Standort der Einrichtung für die Zusammensetzung der Kinder entscheidend sein, zum Beispiel was die sprachlichen und sozio-ökonomischen Hintergründe betrifft 9 . Aufgrund dieser Unterschiede gibt es keine starren Vorgaben, wie ein bilinguales Verfahren zu funktionieren hat bzw. umzusetzen ist. Vielmehr muss dieses den organisatorischen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden und in das jeweilige pädagogische Konzept integriert werden. Eigene Richtlinien können dabei die Anzahl an fremdsprachigen ErzieherInnen sowie den täglichen zeitlichen Input der Fremdsprache betreffen. So zeigen Untersuchungsergebnisse, dass die Intensität des fremdsprachlichen Inputs zwar Einfluss auf die Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten nimmt, dass aber selbst bei einem geringen täglichen Input von lediglich ein bis zwei Stunden pro Tag durchaus eine Entwicklung in den fremdsprachlichen Fähigkeiten zu erwarten ist (Häckel & Piske 2011, 2012, Häckel 2013, Häckel et al. 2014). Verschiedene Untersuchungen haben bereits die Sprachentwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder thematisiert (z.B. Kersten 2008, Steinlen 2008, 2009, Steinlen & Rogotzki 2009, Steinlen et al. 2010 a, b, Tiefenthal 2009, Rohde 2010, Häckel & Piske 2011, 2012, Häckel 2013, Häckel et al. 2014). Im vorliegenden Beitrag soll der Schwerpunkt daher nicht auf der Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten der Kinder liegen, sondern der Frage nachgehen, wie die ErzieherInnen - sowohl die fremdsprachige(n) als auch deutschsprachige(n) - den bilingualen Ansatz einschätzen und beurteilen. Die Sichtweise erfahrener deutschsprachiger und englischsprachiger ErzieherInnen zur Einführung, Umsetzung und zum Erfolg des bilingualen Ansatzes ist von maßgeblicher Bedeutung nicht nur für die Etablierung weiterer bilingualer Kindertagesstätten, sondern auch für Eltern, die vor der Entscheidung stehen, ihr Kind eine bilinguale Kindertagesstätte besuchen zu lassen. Des Weiteren können Rückmeldungen von ErzieherInnen auch weitere Rückschlüsse über die Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten der bilingual betreuten Kindergartenkinder ermöglichen. 8 Mit Kita-Einrichtungen sind Kindertageseinrichtungen / Kindertagesstätten gemeint. 9 Untersuchungen zur sprachlichen Entwicklung bei bilingual betreuten Kindern mit und ohne Migrationshintergrund sind u.a. nachzulesen in Häckel & Piske (2011) und Häckel (2013). <?page no="72"?> 72 Alexandra Häckel 2 Methode Zwischen September 2006 und Juli 2009 wurde in zwei deutsch-englisch bilingualen Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg eine wissenschaftliche Begleitung durch die Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd durchgeführt 10 . Dabei stand im Wesentlichen die Entwicklung der rezeptiven Fähigkeiten im Englischen bei den bilingual betreuten Kindergartenkindern im Vordergrund (Häckel & Piske 2011, 2012, Häckel 2013, Häckel et al. 2014). Daneben sollte aber auch die Sichtweise der Eltern und der Erzieherinnen zum bilingualen Ansatz erfragt werden, um Rückschlüsse darauf ziehen zu können, ob das Lernumfeld im Hinblick auf die Entwicklung fremdsprachlicher Fähigkeiten von Bedeutung ist und ob eine bestimmte Konzeption unter Umständen einen besonders förderlicheren Einfluss hat (vgl. Arnsperger 2008, Häckel 2013). In diesem Beitrag werden die Ergebnisse zur Sichtweise der Erzieherinnen zum bilingualen Ansatz vorgestellt (vgl. dazu auch Häckel 2013). Bei den Einrichtungen handelt es sich um die Montessori-Gruppe des Evangelischen Johanneskindergartens in Schwäbisch Gmünd-Herlikofen und um das Kinderhaus Französische Allee in Tübingen (vgl. Tabelle 1). Informationen / Organisationsstruktur Herlikofen Tübingen Pädagogische Konzeption Montessori Offene Arbeit Organisation der Gruppen Geschlossen Offen Anzahl der Kinder (3 - 6 jährige) ca. 25 ca. 82 Zahl der Gruppen 1 5 Zahl der englischsprachigen Mitarbeiterinnen (insgesamt) 1 3 Englischer Input pro Tag 1-2 Stunden 4-6 Stunden Sprachlicher Hintergrund der englischsprachigen Mitarbeiterin(nen) Deutsch (Anglistikstudium) Englisch Tab. 1: Informationen über die Organisationsstruktur und über die englischsprachgen Mitarbeiterinnen in den Kita-Einrichtungen Herlikofen und Tübingen im Vergleich. 10 Finanziert wurde die wissenschaftliche Begleitung durch eine halbe Stelle an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und durch die Stiftung Ravensburger Verlag. <?page no="73"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 73 Im Johanneskindergarten in Herlikofen gibt es zwei Gruppen, die beide geschlossen arbeiten. Lediglich in der Gruppe, die auch die Montessori- Pädagogik verfolgt, findet eine bilinguale Betreuung statt. Die englischsprachige Betreuerin verfügt allerdings über keine Ausbildung in der Montessori-Pädagogik, so dass diese besondere Form der Pädagogik nicht gezielt in die bilinguale Arbeit eingebracht wird. Die Erstsprache der englischsprachigen Betreuerin ist Deutsch, doch weist sie durch ihr Anglistikstudium und mehrere Auslandsaufenthalte im englischsprachigen Raum eine hohe fremdsprachliche Kompetenz auf. Der tägliche Input, den die Kinder in der Montessori-Einrichtung im Englischen erhalten, ist mit nur ein bis zwei Stunden pro Tag vergleichsweise gering. Demgegenüber arbeitet das Kinderhaus Französische Allee offen. Lediglich zu einer kurzen Gruppenzeit am Morgen findet eine geschlossene Zusammenkunft zur Begrüßung mit ca. 10 Kindern pro Gruppe statt. Danach wird das Haus jedoch wieder für alle geöffnet. Durch mittlerweile drei englischsprachige Betreuerinnen erhalten alle Kinder täglich bis zu sechs Stunden englischsprachigen Input. Eine Betreuerin arbeitet täglich vier Stunden im Kinderhaus, die beiden anderen Betreuerinnen sind täglich sechs Stunden anwesend. Die englischsprachigen Betreuerinnen in dieser Einrichtung sind alle native speakers des Englischen, verfügen aber alle auch über eine hohe Kompetenz im Deutschen. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die fremdsprachigen Betreuerinnen in keiner der beiden Einrichtungen eine Ausbildung als Erzieherin haben. Allerdings wurden sie hinsichtlich ihrer pädagogischen Qualitäten in der Zusammenarbeit mit und Betreuung von Kindergartenkindern überprüft. 11 Die Interviews wurden mit den zwei deutschsprachigen Erzieherinnen (Erzieherin A und B) der Montessori-Gruppe in Herlikofen und einer deutschsprachigen Erzieherin (Erzieherin C) 12 und einer englischsprachigen Betreuerin des Kinderhauses Französische Allee in Tübingen durchgeführt. Außerdem fließen in diesen Beitrag Aussagen der bilingualen Betreuerin des Herlikofener Kindergartens mit ein. Diese basieren auf einer Selbsteinschätzung, da die Interviewerin gleichzeitig die bilinguale Betreuerin der Herlikofener Kindergartenkinder war. Zum Interviewzeitpunkt war die bilinguale Betreuung in der Montessori-Gruppe seit einem Jahr erfolgt, im Kinderhaus Französische Allee waren seit der Einführung bereits 2 ½ Jahre vergangen. 11 12 Deutsch war für die deutschsprachige Erzieherin (c) des Kinderhauses Französische Allee nicht die Muttersprache, allerdings sprach sie fließend Deutsch. Aufgrund der fehlenden beruflichen Ausbildung wird im Methoden- und Untersuchungsteil von fremdsprachigen bzw. englischsprachigen Betreuerinnen gesprochen. Der Einfachheit halber und auch im Hinblick auf die Erzieherinnenausbildung, wird in der Überschrift bewusst von „englischsprachigen Erzieherinnen“ gesprochen. <?page no="74"?> 74 Alexandra Häckel Tab. 2: Überblick über die befragten Personen und die für die Analyse verwendeten Begrifflichkeiten sowie L2-Kontaktdauer zum Zeitpunkt des Interviews. Zur Ermittlung der Einstellungen zum bilingualen Ansatz der deutschsprachigen Erzieherinnen und englischsprachigen Betreuerinnen, wurde eine informelle leitfadengestützte Befragung durchgeführt 14 . Dabei wurde schwerpunktmäßig auf drei Themenkomplexe Bezug genommen: a) die grundsätzliche Haltung zur bilingualen Betreuung, b) der Einfluss von Lernmaterialien bzw. der Lernumgebung und c) das Lernverhalten der Kinder 15 . Die Interviewfragen waren überwiegend dieselben. Lediglich Fragen zum Einfluss der pädagogischen Konzeption und zur Weiterführung des Ansatzes in der Grundschule mussten speziell auf die jeweilige Einrichtung 13 Aufgrund der Selbsteinschätzung könnten die Aussagen vom Leser in Frage gestellt werden. Nichtsdestotrotz soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Selbsteinschätzung selbstkritisch erfolgte und nicht zum Ziel hatte, Ergebnisse oder Darstellungen zu beschönigen. 14 Die leitfadengestützte Befragung enthielt Fragen, die im Vorfeld festgelegt wurden. Allerdings wurde das Interview offen gehalten, so dass wichtige Aspekte, die während des Interviews aufkamen, mit in die Befragung aufgenommen werden konnten. 15 Im Anhang können die Fragen zu den jeweiligen Themenkomplexen des leitfadengestützten Interviews im Detail entnommen werden. Befragte Personen Verwendete Begriffe L2-Kontaktdauer zum Zeit-punkt des Interviews deutschsprachige Erzieherin (Montessori-Gruppe) (Gruppenleiterin) Erzieherin A 1 Jahr deutschsprachige Erzieherin (Montessori-Gruppe) Erzieherin B englischsprachige Betreuerin (Montessori-Gruppe) (Selbsteinschätzung) 13 fremdsprachige Betreuerin deutschsprachige Erzieherin (Französische Allee) Erzieherin C 2 ½ Jahre englischsprachige Betreuerin (Französische Allee) (erste fremdsprachige Kraft) fremdsprachige Betreuerin <?page no="75"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 75 hin formuliert werden. Die Erzieherinnen wurden einzeln und getrennt voneinander befragt. Die Aussagen wurden während des Interviews sowohl verschriftlicht als auch auf Band aufgenommen. Die Verschriftlichung war wichtig, um während des Interviews bestimmte Details, die die Interviewte erwähnte noch einmal ansprechen bzw. aufgreifen zu können. Die Aufnahme gewährleistete während der Transkription und Auswertung die Vollständigkeit der Aussagen sowie die Möglichkeit, spontane Gefühlsäußerungen mit aufzunehmen. Die Transkription erfolgte durch wortgetreue Übersetzung in Schrift, allerdings wurde auf die Transkription von dialektalen Einfärbungen und Hesitationsmarkierungen wie ähm oder äh verzichtet. 3 Ergebnisse der Erzieherinneninterviews Die Analyse der leitfadengestützten Interviews ergab sowohl sehr ähnliche Einstellungen, Haltungen oder Sichtweisen zum bilingualen Ansatz als auch deutliche Unterschiede. Im Folgenden werden die Antworten zu den drei Themenkomplexen präsentiert. 3.1 Themenkomplex: Grundsätzliche Haltung zur bilingualen Betreuung (1) Wie war Ihre Einstellung zur Einführung des bilingualen Ansatzes? - Welche Probleme sahen Sie bei der Umsetzung? - Welche Erwartungen hatten Sie hinsichtlich des Projekts? Die Einstellung zur Einführung des bilingualen Ansatzes war für zwei der deutschsprachigen Erzieherinnen (Erzieherin A aus der Montessori-Gruppe und Erzieherin C aus dem Kinderhaus Französische Allee) und für beide englischsprachigen Betreuerinnen positiv. Lediglich eine Erzieherin der Montessori-Gruppe (Erzieherin B) war skeptisch, insbesondere in Bezug auf die Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch war. Da hab ich zuallererst an die Kinder mit Migrationshintergrund gedacht, die sowieso zweisprachig aufwachsen, weil viele von ihnen ja auch in Deutsch, im Lernen des Deutschen noch Probleme haben und ja, wenn diese dritte Sprache dazukommt, ob das nicht mehr verwirrt. Da es der Interviewerin wichtig erschien, hakte sie an dieser Stelle nach und wollte wissen, ob sich diese Angst oder Befürchtung im Laufe der Zeit bestätigt hatte. Die Erzieherin antwortete knapp aber bestimmt: Nein, dieser Punkt hat sich nicht bestätigt. Als problematisch sahen die Kräfte des Kinderhauses Französische Allee anfänglich nicht die Eingewöhnung der Kinder in Bezug auf das bilinguale Angebot an, sondern Schwierigkeiten, die unmittelbar mit ihrer eigenen Arbeit und mit der Zusammenarbeit im Team zusammenhingen. So war die Sorge, die englischsprachige Betreuerin zu verstehen und mit ihr zu kom- <?page no="76"?> 76 Alexandra Häckel munizieren für die deutschsprachige Erzieherin (C) anfänglich groß, da ihre eigenen Kenntnisse in der englischen Sprache sehr gering waren. Auch war ihr nicht von Anfang an klar, was von ihr fremdsprachlich erwartet wurde. Ich habe kein Englisch in der Schule gelernt, meine Fremdsprache war Deutsch, deshalb waren ziemlich große Sorgen da, ob ich das überhaupt selber schaffe. Eine große Erleichterung war jedoch die Erkenntnis des „eine Person-eine- Sprache-Prinzips“, wonach von den deutschsprachigen Erzieherinnen erwartet wurde, die L2 zu verstehen (aber nicht zu produzieren) und sie in der deutschen Sprache bleiben durften bzw. sogar sollten. Aber mich hat immer beruhigt, dass die deutschen Erzieherinnen Deutsch sprechen sollen. Zudem berichtete die Erzieherin von einem Englischkurs, der den Erzieherinnen zu Beginn des Projekts in Form von zehn Sitzungen angeboten wurde. Allerdings hob sie hervor, dass sie das meiste im bilingualen Alltag erlernt hatte. Zuerst war es ein bisschen schwierig, aber mit der Zeit hab ich schon selber die Sprache gelernt, also soweit gelernt, dass ich zumindest verstehen kann, was die englische Kollegin sagt. Von daher gewöhnte sie sich im Verlauf von an die neue Situation und entwickelte, wie auch die Kinder, ein Verständnis für die Fremdsprache, das im Rahmen des Kindergartenkontexts ausreichte. Beide fremdsprachigen Betreuerinnen betonten ebenfalls die anfängliche Sorge, dass die zweisprachige Kommunikation zwischen ihnen und den deutschsprachigen Erzieherinnen schwierig werden könnte. Doch zeigte sich nach wenigen Wochen, dass sich die deutschsprachigen Erzieherinnen an die Präsenz der Fremdsprache in der Einrichtung gewöhnt hatten und komplexere Gespräche mit den englischsprachigen Kolleginnen, wenn die Kinder nicht anwesend waren, auch auf Deutsch geführt werden konnten, da das „eine-Person-eine-Sprache-Prinzip“ nur vor den Kindern galt. Insbesondere die fremdsprachige Betreuerin der Tübinger Einrichtung, die mit ihrer Rolle als bilinguale Betreuerin neu in der Kita anfing, sah anfänglich eventuelle Schwierigkeiten im Team auf sie zukommen, zum einen dadurch bedingt, da der bilinguale Ansatz zu einer Neustrukturierung des gesamten Kinderhauses führte und manche Erzieherinnen skeptisch gegenüber der Einführung waren. Zum anderen verfügten die Erzieherinnen über unterschiedliche Kenntnisse im Englischen: Ich war mir nicht sicher, wie das Team so damit umgeht. Ich wusste auch nicht, wie die Englischkenntnisse von den Kolleginnen sind und, ja, ich hatte auch gehört, dass nicht jeder gleich begeistert war. Derartige Ängste wurden von den deutschsprachigen Erzieherinnen in Herlikofen nicht geäußert. Eine Aussage zum Thema „Erwartungshaltung“ zu Beginn der Einführung, wurde lediglich von Erzieherin (B) der Montessori-Gruppe gemacht. Diese erhoffte sich von den Kindern nach einem Jahr bilingualer Betreuung mehr Produktion in der englischen Sprache. Ich habe eigentlich erwartet, dass irgendwann die Kinder auch mal was Englisches einfließen lassen. Die anderen <?page no="77"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 77 Befragten gaben an, generell offen und neugierig auf den Umgang mit der Fremdsprache, sowie deren Entwicklung bei den Kindern gewesen zu sein. (2) Wie hat sich Ihre Sichtweise verändert? Welche Erwartungen sind erfüllt oder auch nicht erfüllt worden? Beide deutschsprachigen Erzieherinnen (A und B) der Montessori- Gruppe bewerteten den Verlauf der bisherigen bilingualen Betreuung zwar positiv, dennoch empfanden beide eine zu geringe sprachliche Entwicklung der Kinder im Hinblick auf produktive Fähigkeiten. [D]ie Kinder haben auf jeden Fall einen positiven Zugang zur englischen Sprache bekommen, das hat sich erfüllt. Sie haben auch eine gute Akzeptanz im passiven Englisch und ansonsten beobachte ich recht wenig aktives Englisch. Aber das kann auch damit zusammenhängen, dass ich ja genügend Deutsch spreche. Also da haben sich meine Erwartungen nicht so erfüllt, denn es ist ja immerhin ein Jahr jetzt her (Erzieherin B). Demgegenüber sahen die deutschsprachige Erzieherin (C) und die fremdsprachige Betreuerin des Kinderhauses Französische Allee ihre Erwartungen an die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder als erfüllt, sogar als übertroffen an. Die Erwartungen, die wir uns vorgestellt haben, dass die Kinder die englische Sprache verstehen, die sind erfüllt […] zumindest im Rahmen des Kindergartenlebens. (Erzieherin C). 16 (3) Wie hat sich der Rhythmus des Kindergartenvormittags durch die eingeschalteten Fremdsprachensequenzen verändert? Keine der drei deutschsprachigen Erzieherinnen empfand die bilinguale Betreuung als Eingriff in den bisherigen Ablauf des Kita-Alltags. Alltägliche Aktivitäten und Arbeiten mit den Kindern wurden nicht beeinträchtigt. So äußerte sich die deutschsprachige Erzieherin (B) der Montessori-Einrichtung folgendermaßen: [A]lso ich finde, das beeinträchtigt unseren Ablauf nicht. Ich finde es positiv. [W]enn Sie kommen, dann ist das auch ziemlich unauffällig. Zudem sprach die deutschsprachige Erzieherin (C) des Kinderhauses Französische Allee von einer Eingliederung der fremdsprachlichen Betreuerinnen in das Alltagsgeschehen: [A]lso wir teilen uns einfach das offene Haus. Das Einzige, was wir jetzt immer wieder haben, das sind die englischen Anteile in den Kreisen. [U]nd sonst hört man hier einfach zwei Sprachen […] und es werden englische Bücher genauso wie deutsche Bücher vorgelesen. Aber der Rhythmus vom Gesche- 16 Es sei an dieser Stelle auf zwei Faktoren hingewiesen, die die unterschiedliche Erwartungshaltung unter Umständen erklären. Der Interviewzeitpunkt in Herlikofen fand bereits nach einem Jahr bilingualer Betreuung statt, in Tübingen fand das Interview 2 ½ Jahre nach Beginn der bilingualen Betreuung statt. Außerdem war der tägliche fremdsprachliche Kontakt in Tübingen deutlich höher als in Herlikofen, d.h., die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder zum Zeitpunkt der jeweiligen Interviews unterschied sich wesentlich (vgl. Häckel & Piske 2011, 2012, Häckel 2013, Häckel et al. 2014) <?page no="78"?> 78 Alexandra Häckel hen ist derselbe geblieben. Beide fremdsprachlichen Kräfte hatten zwar keinen Vergleich zur Situation vor der Einführung des bilingualen Ansatzes, doch empfanden sie nicht, dass ihre Anwesenheit von den deutschsprachigen Erzieherinnen als störend empfunden wird. (4) Erhielten Sie bisher Rückmeldung von den Eltern (egal welcher Art) auf die bilinguale Betreuung? Können Sie Veränderungen bei den Eltern feststellen? Auch in Bezug auf Rückmeldungen der Eltern zum bilingualen Ansatz konnte keine der Befragten von negativen Äußerungen berichten. Anfänglich gab es sowohl in der Montessori-Gruppe als auch im Kinderhaus Französische Allee Eltern, die offenbar weniger Interesse zeigten als andere, doch änderten die meisten im Verlauf der bilingualen Betreuung ihre Einstellung zum Positiven hin. Die fremdsprachigen Betreuerinnen berichteten Ähnliches. So fühlten sie sich anfänglich nicht nur vom Team, sondern auch von einigen Eltern sehr beobachtet und auf den Prüfstand gestellt. Dies änderte sich jedoch, nachdem die Eltern sahen, dass ihre Kinder einen natürlichen Zugang zur Fremdsprache erhielten, der in den Kindergartenalltag eingebettet ist. So äußerte die fremdsprachige Betreuerin der Tübinger Einrichtung: Also, ich denk, ganz am Anfang, da war’s ja mit den Eltern ähnlich wie mit dem Team, dass man erst mal schon beäugt wurde, und die mussten sich schon auch erst mal daran gewöhnen. [I]m Großen und Ganzen denke ich, dass die meisten mittlerweile begeistert sind oder es gut finden, zumindest, weil die merken, dass die Kinder jetzt von der Deutschfähigkeit her nicht weniger lernen 17 . (5) Würden Sie eine Weiterführung dieser fremdsprachlichen Methode auch in der Schule befürworten? / Hätten Sie eine Weiterführung dieser fremdsprachlichen Methode in der Schule ebenfalls befürwortet? 18 Beide deutschsprachigen Erzieherinnen der Montessori-Gruppe konnten sich eine Weiterführung des bilingualen Verfahrens in der Grundschule vorstellen. Allerdings zeigte sich Erzieherin (B) etwas skeptisch, was die Realisierbarkeit anging. Also, ich fände das auf alle Fälle wichtig oder richtig, wenn das fortgeführt würde in der Schule. Mal ganz abgesehen von der realen Durchsetzungsmöglichkeit. Aber es wäre sicher für die Kinder sehr schön. Die Möglichkeit, die Kinder auch in einer Grundschule mit bilingualem Zug weiter zu fördern, wurde in Tübingen bereits 2008 realisiert. So wurde zeitgleich mit der Einschulung des ersten Jahrgangs der bilingual betreuten 17 Ergebnisse zur Sichtweise und Einstellung der Eltern der bilingual betreuten Kindergartenkinder sind Häckel (2013) zu entnehmen. 18 Diese Frage musste an das Kinderhaus Französische Allee angepasst werden, da nach einiger Zeit an einer Tübinger Grundschule ein deutsch-englisch bilingualer Zug entstand. Viele der bilingual betreuten Kindergartenkinder wurden nach der Kindergartenzeit dort eingeschult. <?page no="79"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 79 Kinder im Kinderhaus Französische Allee ein bilinguales Profil in einer Grundschule im Einzugsgebiet eingerichtet 19 , in der die Fächerverbünde Mensch, Natur und Kultur sowie Bewegung, Spiel und Sport in Englisch unterrichtet werden. Daher wurden die deutschsprachige Erzieherin (C) und die fremdsprachige Betreuerin des Kinderhauses Französische Allee gefragt, ob sie eine solche Weiterführung befürworten. Beide Kräfte betrachteten die Fortführung in der Grundschule als sehr sinnvoll, wodurch die Kinder auf ihre im Kindergartenalter erworbenen fremdsprachlichen Kenntnisse aufbauen konnten. Da waren alle natürlich dafür. Geschlossene Meinung. Weil sonst sind unsere Bemühungen hier einfach umsonst. Die fremdsprachige Kraft äußerte sich in ähnlicher Weise. Ich denke, das ist sinnvoll. Es wäre schade, wenn das alles verloren ginge. Ferner berichtete die deutschsprachige Erzieherin aus Tübingen von dem Erfolg der bilingualen Grundschule, der sich auch in der Nachfrage widerspiegelte, die die Eltern den Erzieherinnen mitteilten. So nahm der Anteil der Kinder, die die bilinguale Schule besuchen wollten, jährlich zu. Es waren letztes Jahr schon mehr Kinder als im ersten Jahr und dieses Jahr war es sogar schon an der Grenze des Möglichen. Es war wirklich so, wir haben 17 Kinder gezählt, die in die bilinguale Schule gehen wollten, die Schule konnte uns aber nur 15 Plätze geben. (6) Würden Sie einer Weiterführung des bilingualen Ansatzes (in der Kita) zu stimmen? Alle vier Befragten befürworteten diese Frage deutlich. Auf die Frage, welche Aspekte sie aus pädagogischer Sicht verändern bzw. beibehalten würden, hätten die Erzieherinnen der Montessori-Gruppe jedoch bestimmte methodische Aspekte verändert. So wünschte sich Erzieherin (B) mehr englischsprachiges Material, da dies die Motivation der Kinder erhöhe. Erzieherin (A) wünschte sich mehr Teilnahme im Stuhlkreis bzw. die Durchführung von Aktivitäten in Kleingruppen, da dies die Verwendung von Reimen bzw. Fingerspielen erhöhe. Die deutschsprachige Erzieherin (C) des Kinderhauses Französische Allee äußerte sich zufrieden mit dem Ansatz und würde am pädagogischen Ablauf nichts verändern. (7) Welche der durchgeführten englischsprachigen Aktivitäten und Materialien haben sich besonders bewährt? - Lieder - Bücher - Spiele 19 Grundschule an der Hügelstraße (http: / / www.huegelschule.de, 29.08.2016) 3.2 Themenkomplex: Der Einfluss von Lernmaterial auf das Lernverhalten der Kinder <?page no="80"?> 80 Alexandra Häckel - Montessori-Material (wenn ja, welche? ) 20 - Basteln andere Materialen Alle vier Befragten betonten insbesondere die Bedeutsamkeit von Liedern, da diese den Zugang zur Fremdsprache erleichtern und erhöhen. Aber auch das Vorlesen von Büchern und die Durchführung von einfachen Sprachspielen mit Wiederholungen seien wichtige Methoden, um Kindern die Fremdsprache näher zu bringen und die Motivation zu erhöhen. In Bezug auf Montessori-Material hatte sich für Erzieherin (B) der Montessori-Gruppe insbesondere die Verwendung von Dimensions- und Sinnesmaterialien 21 bewährt. Die deutschsprachige Erzieherin (C) des Kinderhauses Französische Allee betonte auch, dass durch Lieder oder Spiele Aufmerksamkeit für interkulturelle Aspekte erzeugt werden könne. Dies war aufgrund der native-speaker-Betreuung im Kinderhaus sehr gut möglich. Nicht nur, dass die Lieder auf Englisch sind, sondern auch noch zur Sprache dazugehören, mit denen wahrscheinlich die englischen oder amerikanischen Kinder auch aufwachsen. Das gefällt mir ganz arg, dass man nicht nur rein sprachlich lernt, sondern auch durch Lieder ein Stückchen von der Kultur mitbekommt. Die fremdsprachige Betreuerin des Kinderhauses Französische Allee wies darauf hin, dass es wichtig ist, dass Aktivitäten in einen bestimmten thematischen Kontext eingebunden werden. Auch der fremdsprachliche Input muss und kann sich an den alltäglichen Themen des Kita-Alltags orientieren und diese mit aufgreifen. Zum Beispiel ist es auch in der Fremdsprache möglich, Lieder, Spiele oder Bastelaktivitäten zu jahreszeitlichen Themen oder Festtagen durchzuführen. Wichtig ist, dass Kinder über eine Aktivität oder auch über die Kombination verschiedener Aktivitäten einen Bezug zum Thema (z.B. Frühling/ spring) herstellen können. Dies steigert die Sinnhaftigkeit des fremdsprachlichen Inputs und die Motivation der Kinder und damit auch den Erfolg der Aktivität. (8) Welche Leitsätze/ Aspekte von Montessori unterstützen die fremdsprachliche Methode des „eine Person - eine Sprache-Prinzips“ ? 22 / Welche Leitsätze 20 Nur Montessori-Gruppe 21 Dimensions- und Sinnesmaterialien sind Montessori-Materialien, die sinnliche Erfahrung und Sprache direkt miteinander verbinden, z.B. Geschmacksfläschchen. Es werden verschiedene Geschmäcker (sweet, sour, bitter…) probiert, wobei die Kinder die Geschmäcker herausschmecken und benennen sollen. Dadurch wird das sinnlich Erfahrene gleichzeitig auch sprachlich benannt. In der Fremdsprache erhält das Kind dabei fremdsprachlichen Input, z.B. this tastes sweet in direkter Verbindung mit dem Erleben. 22 Montessori-Gruppe <?page no="81"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 81 der pädagogischen Konzeption ihres Kinderhauses unterstützen die fremdsprachliche Methode des „eine Person - eine Sprache-Prinzips“? 23 Eine zentrale Fragestellung war, ob das Lernumfeld im Hinblick auf die Entwicklung fremdsprachlicher Fähigkeiten von Bedeutung ist und ob eine Konzeption unter Umständen einen förderlicheren Einfluss nimmt (Arnsperger 2008, Häckel 2013). Im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse zur Entwicklung rezeptiver Fähigkeiten zeigte sich, dass die Kinder des Kinderhauses Französische Allee deutlich bessere Ergebnisse erzielten als die Kinder der Montessori-Gruppe. Allerdings hatten die Kinder des Kinderhauses Französische Allee auch einen deutlich höheren täglichen fremdsprachlichen Input (Häckel 2013). Inwiefern eine pädagogische Konzeption (Montessori/ Offene Arbeit) dabei einen förderlichen Einfluss nahm, ist im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse daher nicht zu bestimmen. Dennoch sollen verschiedene Aspekte genannt werden, die in der jeweiligen Konzeption von Bedeutung sind und aus Sicht der befragten Erzieherinnen die fremdsprachliche Methode unterstützen. So konnten beide Erzieherinnen (A und B) der Montessori-Gruppe die sensiblen Phasen 24 , das individuelle Lerntempo und auch die polarisierte Aufmerksamkeit 25 als zentrale Aspekte der Montessori-Pädagogik benennen. Die deutschsprachige Erzieherin (B) der Montessori-Einrichtung etwa äußerte: Gerade wegen der sensiblen Phasen ist es besser, den bilingualen Ansatz zu machen, weil ja nicht alle Kinder zum gleichen Zeitpunkt die sensible Phase des Fremdsprachenerwerbs zum Beispiel haben. Und wenn es dann über einen längeren Zeitraum eine Person gibt, von der sie die Fremdsprache lernen können, dann wird diese Phase mit dem bilingualen Ansatz eher abgedeckt. Die deutschsprachige Erzieherin (C) und die fremdsprachige Betreuerin der Tübinger Einrichtung 23 Kinderhaus Französische Allee 24 (Nach Montessori) Zeiträume in der Entwicklung eines Menschen (Kindesalter), in denen bestimmte Lernerfahrungen mühelos gemacht werden können. Zu einem späteren Zeitpunkt erfordert das Lernen bestimmter Fähigkeiten größere Anstrengung bzw. ist das Erlernen bestimmter Fähigkeiten nicht mehr möglich (vgl. Fischer 2000: 43). Was den Erwerb von Zweitsprachen betrifft, so ist die Existenz von sensiblen Phasen durch die Zweitspracherwerbsforschung nicht bewiesen (z.B. Flege et al 1997, 1999, Flege & Liu 2001). Allerdings führte Montessori die sensiblen Phasen nicht nur auf rein biologische Phänomene zurück, sie erachtete auch die Motivation als einen bedeutungsvollen Faktor (vgl. Fischer 2000). 25 (Nach Montessori) Eine didaktisch-vorbereitete Umgebung - was ein typisches Merkmal von Montessori-Einrichtungen ist - ermöglicht dem Kind eine auf seine Fähigkeiten abgestimmte Form der Beschäftigung und Berücksichtigung seines individuellen Lerntempos. Dieser Umgebung kommt das Prinzip des „Übungsfeld der Freiheit“ in der Freiarbeitszeit zu, d.h. „Freie Wahl der Arbeit“, „Freie Wahl der Zeit“, „Freie Wahl der Sozialform“ und „Freie Wahl des Ortes“. Wird dieses Prinzip nicht gestört, kann sich das Kind voll und ganz auf seine Beschäftigung einlassen und zu höchster Konzentration gelangen (Polarisation der Aufmerksamkeit, z.B. Wichmann 2007: 141). <?page no="82"?> 82 Alexandra Häckel erwähnten beide die offene Konzeption des Kinderhauses, also das freie Bewegen im Haus und die Möglichkeit, vielfältige Aktivitäten wahrzunehmen, als förderlich und unterstützend, da dadurch den Kindern ein vielfältiger Kontakt sowohl zur deutschen als auch zur englischen Sprache geboten würde. So betonte die englischsprachige Betreuerin: Das offene Haus an sich erlaubt einen vielfältigen Kontakt zum Englischen, aber immer in einem bestimmten Kontext. Damit meinte sie, dass alle angebotenen englischsprachigen Aktivitäten stets eingebettet in ein bestimmtes Thema sind, das gerade im Kita- Alltag behandelt wird. Dadurch sind auch die englischsprachigen Aktivitäten in einem offenen Haus fester Bestandteil des Kita-Alltags und durch die Einbettung in bestimmte Themenfelder auch für die Kinder sinnstiftend. (9) Beobachten Sie eine Vorliebe der Kinder für eine bestimmte Didaktik des bilingualen Ansatzes? Generell erwähnten die Erzieherinnen keine bestimmte Aktivität, die alle Kinder bevorzugen würden, da verschiedene Kinder sehr unterschiedliche Vorlieben hätten. Erzieherin (B) der Montessori-Gruppe merkte jedoch an, dass vielen Kindern fremdsprachige Aktivitäten gefielen, die in einer Kleingruppe durchgeführt werden, z.B. etwas basteln, malen, zusammen singen etc. Auch beobachtete sie, dass verschiedene Aktivitäten, die im Stuhlkreis durchgeführt werden, etwa Singen, Reime aufsagen oder Storytelling, den Kindern Freude bereitete. Die fremdsprachige Betreuerin der Tübinger Einrichtung schätzte ebenfalls Singspiele und Kreisspiele in der Fremdsprache grundsätzlich als sehr beliebt bei den Kindern ein. Generell beobachtete sie, dass Kinder, die in eine Aktivität so involviert sind, dass sie nicht merken, in welcher Sprache diese durchgeführt wird, am meisten Spaß haben. 3.3 Themenkomplex: Das Lernverhalten der Kinder (10) Wie erleben Sie den Kontakt zwischen den Kindern und der fremdsprachigen Betreuerin? Die Erzieherinnen der Montessori-Gruppe empfanden den Kontakt zwischen den Kindern und der fremdsprachigen Betreuerin als sehr positiv und vertrauensvoll. Allerdings betonte Erzieherin (B), dass die Kinder die fremdsprachige Betreuerin nicht als Autorität wahrnahmen. Der Kontakt ist vertrauensvoll und irgendwie selbstverständlich. Aber sie nehmen Sie nicht als Autorität wahr. Also, wenn sie ein Problem hätten, dann würden sie sich nicht an Sie wenden, sondern an uns. Die fremdsprachige Betreuerin der Montessori- Gruppe wies darauf hin, dass es durchaus auch Situationen gab, in denen Kinder auf sie zukamen, beispielsweise bei Konflikten, Trostsuche oder auch organisatorischen Fragen. Doch auch sie bestätigte, dass den Kindern Status- Unterschiede zwischen ihr und den deutschsprachigen Erzieherinnen bewusst war. Sie sah diese Unterschiede jedoch nicht in der Sprache begrün- <?page no="83"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 83 det, sondern in der geringen täglichen Anwesenheit von nur 1-2 Stunden. Die deutschsprachige Erzieherin (C) des Kinderhauses Französische Allee nahm keine Unterschiede hinsichtlich des Kontakts wahr, den die Kinder zu deutschen Erzieherinnen oder fremdsprachigen Betreuerinnen hatten. Insgesamt hatten die fremdsprachigen Betreuerinnen sogar einen besonderen Stellenwert bei den Kindern, da sie eine andere Sprache verwendeten. Die englischsprachigen Betreuerinnen sind sehr beliebt im Haus, weil sie was Besonderes sind. Das verstärkt ein bisschen das Interesse, weil es noch ein Stück was anderes ist als nur eine Erzieherin. Die fremdsprachige Betreuerin in Tübingen sah ebenfalls keine Unterschiede im Kontakt der Kinder zu deutschen Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen. Sie sah auch das Verhältnis zwischen Kind und fremdsprachiger Betreuerin nicht in der Sprache begründet, sondern in der persönlichen Bindung. Manche haben einen besseren Draht zu der Einen oder Anderen. Ferner nahmen die Kinder die fremdsprachigen Betreuerinnen genauso als Autorität wahr wie die deutschsprachigen Erzieherinnen. So betonte die fremdsprachige Betreuerin des Kinderhauses Französische Allee: Wenn die Kinder sich aber an das Englische gewöhnen, sind wir genauso wie die Anderen. Die kommen genauso zu uns, wenn sie sich verletzt haben, wenn es einen Konflikt gibt oder sonst was. Ich denke, da machen sie keine großen Unterschiede. (11) Inwiefern hat sich die Einstellung der Kinder in Bezug auf die Fremdsprache im Laufe der bilingualen Betreuung verändert? Erzieherin (A) der Montessori-Gruppe teilte die Kinder in zwei Gruppen ein, eine Gruppe die am Englischen interessiert war und eine, die kein Interesse zeigte. Einige Kinder, die sind ganz begeistert von der Fremdsprache und andere interessieren sich auch gar nicht dafür. Die fremdsprachigen Betreuerinnen in Tübingen und Herlikofen sahen hingegen eine deutliche Veränderung bei vielen Kindern. Die fremdsprachige Betreuerin der Tübinger Kita betonte: Ich würde sagen, ein Bewusstsein hat sich entwickelt. […] Bei den Kindern, die schon länger hier sind, dass die Englisch können. [D]as finden sie auch toll und sind richtig stolz darauf. Insofern ist die Einstellung positiver, bewusster geworden. So entwickelten die Kinder offenbar ein Bewusstsein für die Existenz fremder Sprachen, insbesondere der englischen Sprache. Auch berichteten Eltern, dass ihre Kinder die englische Sprache auch außerhalb des Kita- Alltags wahrnahmen, z.B. im Radio (vgl. Häckel 2013). Außerdem entstand bei den Kindern offenbar ein Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten, die sie im Lauf der Zeit im Englischen entwickelt hatten. Das Verstehen und das Wiederholen englischer Phrasen, die im Alltag aufgrund sprachlicher und organisatorischer Routinen wiederkehrend vorkamen (scaffolds), z.B. put your shoes on, sit down, thank you etc. (z.B. Burmeister 2006, Kersten et al. 2010c, Steinlen et al. 2013) unterstützte dieses Bewusstsein. Außerdem zeigte sich in den Untersuchungsergebnissen, dass sich ihre rezeptiven Fähigkeiten <?page no="84"?> 84 Alexandra Häckel weit über das Verständnis sich täglich wiederholender Phrasen hinaus entwickelt hatten, wodurch die Kinder auch komplexeren Input verstanden, d.h. Input, der nicht durch scaffolds oder außersprachliche Hilfsmittel (z.B. Burmeister 2006, Wode 2009, Kersten et al. 2010c, Steinlen et al. 2013) unterstützt wird. (12) Sehen Sie geschlechtsspezifische Differenzen? Wenn ja, was glauben Sie woran liegt es? In der Öffentlichkeit wird oft die Ansicht vertreten, dass Mädchen sprachbegabter seien als Jungen. Eine der in diesem Forschungsvorhaben untersuchten Fragestellungen war, ob bei Mädchen und Jungen im Vorschulalter Unterschiede in ihrer sprachlichen Entwicklung festgestellt werden können. Dabei erbrachte die Analyse der Untersuchungsergebnisse zur Entwicklung der rezeptiven Fähigkeiten der bilingual betreuten Mädchen und Jungen aber keine eindeutigen Ergebnisse hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede. Vielmehr zeigte sich, dass pauschale Aussagen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden kritisch betrachtet werden müssen, weil die sprachliche Entwicklung von Mädchen und Jungen durch viele Faktoren beeinflusst wird und nicht einfach aus einer rein biologischen Perspektive erklärt werden kann (Häckel 2013, vgl. auch Häckel & Piske in diesem Band). Die Beobachtungen der Befragten zum Sprachkontakt und zum Lernverhalten von Jungen und Mädchen ergaben, dass lediglich Erzieherin (B) Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen im Umgang mit der Fremdsprache sah. So fand sie, dass sich Mädchen eher mit der englischen Sprache beschäftigten. Ohne das jetzt genau überprüft zu haben, würde ich meinen, dass die Mädchen mehr darauf ansprechen als die Jungen. Die fremdsprachige Betreuerin der Montessori-Gruppe konkretisierte die Annahme von Erzieherin (B). So war sie der Meinung, dass insbesondere während der Freiarbeitszeit mehr Mädchen den Kontakt zu ihr suchten als Jungen. In Kleingruppen oder im Stuhlkreis empfand sie die Jungen hingegen als genauso motiviert, d.h., die Jungen hatten auch Spaß, englische Lieder zu singen oder Reime aufzusagen oder einem englischen Buch zu lauschen. Grundsätzlich sah sie allerdings weniger die Sprache, sondern vielmehr die persönliche Bindung der Mädchen zur fremdsprachigen Kraft als ausschlaggebend an. So berichtete sie, dass die Jungen insgesamt oft unter sich oder mit sich selbst beschäftigt waren und meist wenig Interesse zeigten, sich mit einer Erzieherin (ob deutsch- oder englischsprachig) zu beschäftigen. Demgegenüber berichteten die Tübinger Kräfte, dass sie keine Unterschiede im Lernverhalten oder im Sprachkontakt zwischen Jungen und Mädchen beobachtet hätten. <?page no="85"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 85 (13) Sehen Sie Unterschiede im Lernverhalten zwischen Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern, deren Erstsprache Deutsch ist? Wenn ja, welche? Da es sowohl in der Montessori-Gruppe in Herlikofen als auch im Kinderhaus Französische Allee Kinder mit Migrationshintergrund gab, wurde auch der Frage nachgegangen, ob das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen eines Migrationshintergrunds 26 einen möglichen Einfluss auf die fremdsprachliche Entwicklung bei bilingual betreuten Kindergartenkindern ausübt. Weder in dieser Untersuchung noch in Untersuchungen, die zusätzlich den soziokulturellen Hintergrund mit einbezogen, konnten wesentliche Unterschiede in den Ergebnissen zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt werden (Rohde 2010, Steinlen et al. 2010a, Häckel & Piske 2011, Häckel 2013, Häckel & Piske, dieser Band, Steinlen, dieser Band). In Bezug auf die Frage, ob die deutschsprachigen Erzieherinnen bzw. fremdsprachigen Betreuerinnen Unterschiede im Lernverhalten zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund beobachteten, wurde Unterschiedliches berichtet. So sah Erzieherin (A) der Montessori-Gruppe einen Vorteil bei Kindern mit Migrationshintergrund, da diese die fremdsprachliche Situation der englischsprachigen Betreuerin besser nachvollziehen konnten. Ja, auf alle Fälle hab ich den Eindruck, dass Migrantenkinder einen besseren Zugang zur Fremdsprache haben. Das kann vielleicht auch daran liegen, dass sie sich mit der fremdsprachlichen Betreuerin besser identifizieren können und da meinen: ’Ja, wir sitzen im selben Boot’. Die deutschsprachige Erzieherin (B) aus Herlikofen und die deutschsprachige Erzieherin (C) aus Tübingen beobachteten jedoch keine Unterschiede. Die fremdsprachige Betreuerin aus Tübingen sah hingegen einen Unterschied sowohl zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund als auch bei Kindern mit Migrationshintergrund, deren Deutsch kaum bzw. gar nicht entwickelt war und Kindern mit Migrationshintergrund, die bereits gut deutsch sprachen. So zeigten Kinder mit Migrationshintergrund zunächst Vorteile gegenüber deutschen Kindern, weil sie bereits eine zweite Sprache von zuhause mitbrachten. Viele gingen deutlich ungehemmter mit der Fremdsprache um und konnten somit die Präsenz des Englischen schneller akzeptieren. Allerdings betonte die fremdsprachige Erzieherin, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die ohne Deutschkenntnisse in die Kita kamen, zunächst sehr viel mehr mit der deutschen Sprache beschäftigt waren und sich ihr eher widmeten, während Kinder, deren Deutsch bereits gut entwickelt war, einen leichteren Zugang zum Englischen fanden, weil sie auf zwei relativ stabilen Sprachen aufbauen konnten. Diese 26 In der Untersuchung wurden Kinder in die Gruppe „Vorliegen eines Migrationshintergrunds“ eingeteilt, wenn mindestens ein Elternteil eine Zuwanderungsgeschichte hatte und/ oder außer Deutsch zuhause eine weitere Sprache gesprochen wurde. <?page no="86"?> 86 Alexandra Häckel Auffassung teilte auch die fremdsprachige Betreuerin der Montessori- Gruppe. Demnach waren insbesondere die Kinder, die bereits zwei Sprachen konnten, deutlich mutiger, sich auch in der Fremdsprache zu äußern bzw. sie auszuprobieren. Bei Kindern mit Migrationshintergrund, die hingegen keine Deutschkenntnisse in den Kindergarten mitbrachten, beobachtete auch sie, dass diese Kinder den Kontakt zur Fremdsprache eher mieden. Da der Kontakt zum Englischen jedoch auf Freiwilligkeit basierte, war es dem Kind überlassen, wann und wie viel Kontakt es zur fremdsprachigen Betreuerin suchte. 4 Schlussfolgerungen Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Untersuchung standen die Sichtweisen der deutschsprachigen Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen der Montessori-Gruppe in Schwäbisch Gmünd-Herlikofen und des Kinderhauses Französische Allee in Tübingen zur bilingualen Betreuung in ihrer jeweiligen Einrichtung. Befragt wurden zwei deutschsprachige Erzieherinnen aus Herlikofen und eine deutschsprachige Erzieherin sowie eine fremdsprachige Betreuerin aus Tübingen. Die Sichtweise der fremdsprachigen Betreuerin aus der Herlikofener Einrichtung erfolgte durch eine Selbsteinschätzung, da sie gleichzeitig sowohl die bilinguale Betreuerin als auch die Interviewerin war. Wie im Methodenteil dargestellt wurde, sind die hier vorgestellten Interviews nur ein Aspekt einer größeren Untersuchung, in deren Mittelpunkt die Untersuchung des englischen Grammatik- und Wortschatzverständnisses bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkindern stand (Häckel 2013). Die Befragung der deutschsprachigen Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen wurde durchgeführt, um neben der rein quantitativen Darstellung der fremdsprachlichen Entwicklung der bilingual betreuten Kindergartenkinder auch Aussagen von deutschsprachigen Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen zu erhalten, die direkt das Lernumfeld und die Konzeption der bilingualen Kitas bzw. die bilinguale Betreuung betreffen. Die Interviews wurden mit Hilfe eines leitfadengestützten Fragebogens durchgeführt, der drei Themenkomplexe beinhaltete: - (I) grundsätzliche Haltung zur bilingualen Betreuung, - (II) der Einfluss von Lernmaterial auf das Lernverhalten der Kinder und - (III) das Lernverhalten der Kinder. Jeder Themenkomplex bestand aus vorformulierten Fragen, wobei Fragen, die sich während des Interviews ergaben, aufgegriffen wurden. Diese Befragung sollte Aufschluss darüber geben, ob sich die pädagogischen Konzeptionen mit dem bilingualen Ansatz vereinbaren ließen und inwieweit eine bestimmte pädagogische Konzeption einen förderlicheren Einfluss auf die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder zu haben schien. <?page no="87"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 87 Um die Ergebnisse der Interviews besser interpretieren zu können, ist die Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf den bilingualen Ansatz zwischen den beiden Einrichtungen notwendig. So wiesen beide Einrichtungen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Eine Gemeinsamkeit war, dass in beiden Einrichtungen die Kinder täglich und über einen längeren Zeitraum sowohl in der deutschen als auch in der englischen Sprache betreut wurden. Dabei sprachen die englischsprachigen Betreuerinnen nur englisch und die deutschsprachigen Erzieherinnen nur deutsch. Es wurde also das „eine-Person-eine-Sprache-Prinzip“ umgesetzt (z.B. Döpke 1992). Eine zweite Gemeinsamkeit war, dass in beiden Kitas die fremdsprachige Betreuerin in das Alltagsgeschehen eingebunden war. Dadurch war die englische Sprache, ähnlich wie die deutsche Sprache, in Situationen eingebettet, die authentisch und für die Kinder relevant waren. Außerdem konnten die Kinder meist frei entscheiden, ob sie an englischsprachigen oder deutschsprachigen Aktivitäten teilnehmen. Die Unterschiede zwischen den Kita-Einrichtungen zeigten sich zunächst in der täglichen L2-Kontaktzeit. Während die Kinder der Montessori-Gruppe in Herlikofen einen täglichen Kontakt von 1-2 Stunden zum Englischen hatten, wurden die Kinder des Kinderhauses Französische Allee 4-6 Stunden täglich in der englischen Sprache betreut. Ein weiterer Unterschied bezog sich auf die Anzahl der fremdsprachigen Betreuungskräfte. So wurden die Kinder in Herlikofen von einer fremdsprachigen Kraft betreut, in Tübingen wurden die Kinder von insgesamt drei fremdsprachigen Kräften betreut. Ein dritter Unterschied bezog sich auf die sprachlichen Hintergründe der fremdsprachigen Betreuungskräfte. Die fremdsprachigen Kräfte in Tübingen waren native-speakers mit guten Kenntnissen in der deutschen Sprache. Die fremdsprachige Betreuerin in der Montessori-Gruppe war kein native-speaker des Englischen, wies aber aufgrund mehrerer Auslandsaufenthalte und einem Anglistikstudium eine hohe Kompetenz im Englischen auf. Ein vierter Unterschied zeigte sich in der Gruppengröße der zu betreuenden Kinder. Dabei hatte die Montessori-Einrichtung mit einer Gruppengröße von 25 Kindern die geringste Anzahl an zu betreuenden Kindern. Die Einrichtung in Tübingen betreute 82 Kinder. Zuletzt unterschieden sich die Einrichtungen im Hinblick auf die Konzeption. So arbeitete die Herlikofener Gruppe nach Montessori, die Tübinger Einrichtung orientierte sich am Konzept der offenen Arbeit. Inwiefern eine der beiden pädagogischen Konzeptionen einen förderlicheren Einfluss auf die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder hatte, ist schwer zu sagen. Da die aufgezählten Unterschiede zwischen den Einrichtungen so groß sind, können kaum Aussagen dazu getroffen werden, ob Unterschiede in der fremdsprachlichen Entwicklung der Kinder beider Einrichtungen vor allem auf die jeweiligen pädagogischen Konzeptionen zurückzuführen waren. Möglich sind aber Aussagen dazu, welche fremd- <?page no="88"?> 88 Alexandra Häckel sprachlichen Fähigkeiten unter bestimmten Bedingungen entwickelt werden können (Häckel 2013). Festzuhalten ist, dass beide Einrichtungen den bilingualen Ansatz in ihre jeweilige Konzeption einarbeiten konnten. Des Weiteren hat sich in den Interviews gezeigt, dass die Einrichtungen trotz unterschiedlicher pädagogischer Konzepte bezüglich der Praxis und Umsetzung der bilingualen Betreuung große Gemeinsamkeiten aufwiesen. Dies liegt mitunter daran, dass sowohl die Montessori-Pädagogik als auch die offene Arbeit ähnliche pädagogische Prinzipien verfolgen. So war Montessori im Hinblick auf die Ausgestaltung des Konzepts der offenen Arbeit richtungweisend und einflussreich, wonach Prinzipien wie das Übungsfeld der Freiheit und die vorbereitete Umgebung in beiden Konzepten zu finden sind (z.B. Regel 2006). Letztlich betrachteten die Erzieherinnen einzelne Aspekte der jeweiligen Konzeption als förderlich. So empfanden beide Erzieherinnen aus Tübingen das offene Haus insbesondere während des Freispiels als förderlich für die sprachliche Entwicklung der Kinder, weil es dabei nicht nur zu einer personenbezogenen sprachlichen Trennung kommt, sondern auch zu einer räumlichen Trennung von Deutsch und Englisch. Des Weiteren können die Kinder selbst entscheiden, ob sie eine Aktivität auf Deutsch oder Englisch durchführen wollen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema ist die Sprache somit stets in einen bestimmten Kontext eingebettet. Dies erleichtert es den Kindern, sich auf die Sprache und die Aktivität einzulassen. Spezifisches Montessori-Material wurde während der bilingualen Betreuung in der Herlikofener Einrichtung wenig bzw. nur begrenzt verwendet. Dadurch konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden, wie sich dieses auf die fremdsprachlichen Fähigkeiten der Kinder hätte auswirken können. Die geringe Verwendung von Montessori-Material ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die bilinguale Betreuung in der Freiarbeitszeit meist auf eine Stunde begrenzt war und zum anderen auf die Tatsache, dass die fremdsprachige Kraft keine Ausbildung in der Montessori- Pädagogik hatte. Dennoch sahen die Erzieherinnen die vorbereitete Umgebung als unterstützend für die pädagogische Arbeit auch in der Fremdsprache an. So ergaben sich ständig auch für die fremdsprachige Betreuerin spontane Situationen, in denen sie die Fremdsprache sinnvoll mit den Kindern verwenden konnte, wie zum Beispiel beim gemeinsamen Malen, beim Spielen von Brett- oder Kartenspielen oder beim gemeinsamen Spiel in der Puppenecke oder im Einkaufsladen. Grundsätzlich waren beide Einrichtungen so organisiert, dass die bilinguale Betreuung problemlos in den alltäglichen Ablauf integriert werden konnte. Wie aus den Erzieherinterviews auch deutlich wurde, empfand keine der befragten deutschsprachigen Erzieherinnen den bilingualen Ansatz als Eingriff in den bisherigen Ablauf des Kindergartentages. Dieses <?page no="89"?> Erfahrungen bilingualer Erzieherinnen 89 Ergebnis lässt vermuten, dass der bilinguale Ansatz nach dem „eine-Personeine-Sprache-Prinzip“ in unterschiedlichste Kita-Konzeptionen integriert werden kann. Wie auch in der Einleitung bereits betont wurde, gibt es für die Implementierung eines bilingualen Verfahrens in eine Kita-Einrichtung keine Vorgaben. Wichtig ist, dass dieses den organisatorischen Gegebenheiten vor Ort angepasst wird. 27 Neben den Fragestellungen zur Organisation und Umsetzung vor Ort wurde auch das Lernverhalten einzelner Lerngruppen (Geschlecht und Migrationshintergrund) erfragt. Es zeigte sich ein sehr einheitliches Bild in der Einschätzung der Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen zu diesen Lerngruppen. Während lediglich eine Erzieherin (Erzieherin B aus Herlikofen) Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen wahrnahm, sahen die anderen Befragten keine Unterschiede im Lernverhalten und hinsichtlich des Kontakts zur Fremdsprache. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Untersuchungsergebnissen. So wurden in Tübingen keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen festgestellt; in Herlikofen konnten Unterschiede im lexikalischen Bereich festgestellt werden, wonach die Mädchen höhere Identifikationsraten erzielten als die Jungen. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Wahrnehmung von Erzieherin B, dass Mädchen den Kontakt zur fremdsprachigen Betreuerin eher suchten als die Jungen (Häckel 2013). Auch in Bezug auf die Aussagen der deutschsprachigen Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen zum Lernverhalten von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zeigen die Untersuchungsergebnisse kein anderes Bild. So sahen die Erzieherinnen keine Schwierigkeiten im Lernen bzw. im Umgang mit der Fremdsprache bei Kindern mit Migrationshintergrund. Vor allem die Kinder, die bereits zwei altersadäquat entwickelte Sprachen haben, würden ungezwungen und offen mit der zusätzlichen Fremdsprache in der Kita umgehen. Jene Kinder, deren Deutsch noch nicht oder wenig entwickelt ist, würden zunächst allerdings noch den Kontakt zur englischen Sprache meiden. Diese Aussagen spiegeln sich auch in den Gruppenergebnissen und Einzelergebnissen der Sprachstandserhebungen wider. In einem Vergleich zeigten Kinder mit Migrationshintergrund in den Gruppenergebnissen keine Unterschiede zu Kindern ohne Migrationshintergrund in der Entwicklung ihrer fremdsprachlichen rezeptiven Fähigkeiten. Die Einzelergebnisse zeigen jedoch, dass Kinder, deren Deutschkenntnisse kaum bzw. weniger gut entwickelt waren, geringere Identifikationsraten in den Englischtests erzielten als Kinder mit Migrationshintergrund, deren Deutschkenntnisse bereits auf altersadäquatem Niveau lagen (Häckel 2013). Insgesamt betrachtet ermöglichen die Aussagen der Erzieherinnen und fremdsprachigen Betreuerinnen einen genaueren Einblick dazu, wie das 27 Einen aufschlussreichen Beitrag zur Einrichtung einer bilingualen Einrichtung stellt der Artikel von Kölschbach (2013) dar. <?page no="90"?> 90 Alexandra Häckel „eine-Person-eine-Sprache-Prinzip“ (Döpke 1992) in der jeweiligen Einrichtung umgesetzt wurde und wie das Lernverhalten einzelner Lerngruppen aussah. Zudem ergeben sich aus den Aussagen weitere Erklärungsmöglichkeiten für die quantitativen Untersuchungsergebnisse zur fremdsprachlichen Entwicklung im Bereich der englischen Grammatik und des englischen Wortschatzes (Häckel 2013). Bei der Untersuchung der Frage, wie sinnvoll die Forderung danach ist, frühe Mehrsprachigkeit durch bilinguale Angebote in Kindertagesstätten zu fördern, sollten nicht nur Ergebnisse von Untersuchungen zur fremdsprachlichen Entwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder betrachtet, sondern auch die Erfahrungen deutsch- und fremdsprachiger Erzieherinnen berücksichtigt werden: Wie wird die bilinguale Betreuung erlebt und umgesetzt? Was kann verbessert oder verändert werden? Dabei ist es wichtig, dass das „eine-Person-eine-Sprache-Prinzip“ (Döpke 1992) in das bereits bestehende Konzept einer Einrichtung eingearbeitet wird. Außerdem müssen den Erzieherinnen Ängste genommen werden, die wegen möglicher Veränderungen im Arbeitsalltag aufkommen könnten. Letztlich muss das Kind in seiner gesamten Entwicklung und nicht nur hinsichtlich seiner sprachlichen Entwicklung gefördert werden. Literatur Arnsperger, S. 2008. 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Welche Erwartungen hatten Sie hinsichtlich des Projekts? (2) Wie hat sich Ihre Sichtweise verändert? Welche Erwartungen sind erfüllt oder auch nicht erfüllt worden? (3) Wie hat sich die Rhythmik des Kindergartenvormittags durch die eingeschalteten Fremdsprachensequenzen verändert? (4) Erhielten Sie bisher Rückmeldung von den Eltern (egal welcher Art) auf die bilinguale Betreuung? Können Sie Veränderungen bei den Eltern feststellen? (5) Würden Sie einer Weiterführung dieser fremdsprachlichen Methode auch in der Schule befürworten? / Hätten Sie eine Weiterführung dieser fremdsprachlichen Methode in der Schule ebenfalls befürwortet? 28 (6) Würden Sie einer Weiterführung des bilingualen Ansatzes zustimmen? Welche Aspekte würden Sie aus pädagogischer Sicht verändern bzw. beibehalten? II. Der Einfluss von Lernmaterial auf das Lernverhalten der Kinder (7) Welche der durchgeführten englischsprachigen Aktivitäten und Materialien haben sich besonders bewährt? — Lieder — Bücher — Spiele — Montessori-Material (wenn ja, welche? ) 29 — Basteln — andere Materialien (8) Welche Leitsätze / Aspekte von Montessori unterstützen die fremdsprachliche Methode des „eine Person - eine Sprache-Prinzips“? 30 / Welche Leitsätze der pädagogischen Konzeption ihres Kinderhause unterstützen die fremdsprachliche Methode des„eine Person - eine Sprache-Prinzips“? 31 (9) Beobachten Sie eine Vorliebe der Kinder für eine bestimmte Didaktik des bilingualen Ansatzes? 28 Diese Frage musste an das Kinderhaus Französische Allee angepasst werden, da nach einiger Zeit an einer Tübinger Grundschule ein deutsch-englisch bilingualer Zug entstand. Viele der bilingual betreuten Kindergartenkinder wurden nach der Kindergartenzeit dort eingeschult. 29 Nur Montessori-Gruppe 30 Nur Montessori-Gruppe 31 Nur Kinderhaus Französische Allee <?page no="94"?> 94 Alexandra Häckel III. Das Lernverhalten der Kinder (10) Wie erleben Sie den Kontakt zwischen den Kindern und der fremdsprachigen Betreuerin? (11) Inwiefern hat sich die Einstellung der Kinder in Bezug auf die Fremdsprache im Laufe der bilingualen Betreuung verändert? (12) Sehen Sie geschlechtsspezifische Differenzen? Wenn ja, was glauben Sie woran liegt es? (13) Sehen Sie Unterschiede im Lernverhalten zwischen Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern, deren Erstsprache deutsch ist? Wenn ja, welche? Tab. 3: Interview-Leitfaden für die Erzieherinnen der Montessori-Gruppe und des Kinderhauses Französische Allee in Tübingen. <?page no="95"?> C. Forschungsergebnisse und Umsetzungsbeispiele aus bilingualen Kitas in Deutschland <?page no="97"?> Petra Burmeister - Pädagogische Hochschule Weingarten „Put your shoes on! “ heißt „Putz deine Schuhe! “: Wie Kinder in deutsch-englisch bilingualen Kita - Gruppen formelhafte Sprache verstehen und produzieren Abstract In diesem Beitrag wird diskutiert, ob und wie Kinder in deutsch-englisch bilingualen Kindergartengruppen formelhafte Wendungen aus täglich wiederkehrenden Routinesituationen (z.B. Tidy up! am Ende einer Mahlzeit) außerhalb dieser Kontexte verstehen und produzieren können. Die Daten wurden mit Hilfe einer Puppe erhoben, die vorgab, kein Englisch zu verstehen und die die Kinder darum bat, ihr die Bedeutung der Formeln zu nennen bzw. deutsche Phrasen ins Englische zu übertragen. Es hat sich gezeigt, dass die Formeln in der Mehrzahl der Fälle auch außerhalb der Routinesituationen verstanden bzw. produziert werden konnten. 1 Einleitung In Deutschland gibt es über 1.000 zweisprachige Kindertageseinrichtungen (Verein für Frühe Mehrsprachigkeit an Kitas und Schulen FMKS e.V. 2014: 1), die nach dem Prinzip „eine-Person-eine Sprache“ arbeiten, d.h., eine der GruppenerzieherInnen spricht mit den Kindern Deutsch, während die/ der andere ausschließlich eine Fremdsprache verwendet (Döpke 1992, Nauwerck 2005). Ziel ist es, beide Sprachen, d.h. das Deutsche und die jeweilige Fremdsprache, zu fördern. Dabei wird die Fremdsprache - analog der Immersionsmethode - nicht systematisch unterrichtet, sondern fungiert als Umgangssprache in den üblichen Routinen und Aktivitäten an den Kindertagesstätten (Kitas) (z.B. Wode 1995, 2009, Burmeister 2006a, b). Langjährige Beobachtungen in deutsch-englisch zweisprachigen Kitas haben gezeigt, dass die Kinder - zum Teil bereits nach wenigen Tagen - auf Ansprache der native-speaker-Erzieherin situationsgerecht reagieren und den auf Englisch durchgeführten Kita-Routinen und Aktivitäten folgen können (z.B. Burmeister & Steinlen 2008, Burmeister 2009, 2011, Kersten et al. 2010, Kersten 2012, Steinlen et al. 2013). <?page no="98"?> 98 Petra Burmeister Doch wie muss die fremdsprachige Erzieherin agieren, damit sie von den Kindern verstanden wird? Wie entwickeln sich die (fremd-)sprachlichen Fähigkeiten der Kinder? Um diese immer wieder gestellten Fragen beantworten zu können, bedarf es systematischer Forschung mit Datenerhebungsverfahren, die den spezifischen Erfordernissen des Kita-Kontextes gerecht werden. Solche Untersuchungen sind im Rahmen des Forschungsnetzwerkes "Mehrsprachigkeit im Kindergarten" sowie des von der EU geförderten Projekts ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies) durchgeführt worden (Kersten et al. 2010, siehe auch Kersten, dieser Band). Neben systematischen Beobachtungen des Kita-Alltags und der von den native-speaker-ErzieherInnen angewandten Strategien mit Hilfe eines eigens entwickelten Beobachtungsinstruments (Weitz et al. 2010) wurden altersgerechte Methoden zur Überprüfung des Grammatik- und Wortschatzverständnisseserprobt und angewandt. So konnten die Kinder ihr Verständnis von Wörtern oder Handlungen dadurch demonstrieren, dass sie auf das entsprechende Bild zeigten (Rohde 2010, Steinlen et al. 2010). Will man jedoch überprüfen, ob und wenn ja, wie die Kinder englische Wörter und Phrasen aus dem Kita-Alltag losgelöst von den jeweiligen Aktivitäten verstehen, ist es notwendig, dass sich die Kinder bereitwillig verbal äußern. Aus diesem Grunde wurde ein solches, auf den Einsatz von Puppen basierendes Datenerhebungsverfahren in der vorliegenden Pilotstudie in Anlehnung an Weber & Tardif (1991b) erprobt und angewandt. Im Folgenden wird zunächst skizziert, welche Faktoren dazu beitragen, dass sich die Kinder so schnell ‚einen Reim’ auf die fremdsprachlichen Äußerungen der Erzieherinnen machen können. Danach wird anhand von Daten aus einer deutsch-englisch zweisprachigen Kindertagesstätte gezeigt, welchen ‚Reim’ sich Kinder auf englischsprachige Äußerungen machen, die in regelmäßig wiederkehrenden, stark ritualisierten Situationen (z.B. beim gemeinsamen Mittagessen) verwendet werden. Es wird exemplarisch dargestellt, ob und wie Kinder zwischen drei und sechs Jahren solche formelhaften Wendungen verstehen bzw. ob und wie sie diese (re)produzieren können. Bei Formeln, auch formelhafte Wendungen, formulaic sequences, routines oder chunks genannt, handelt es sich um „words and word strings which appear to be processed without recourse to their lowest level of composition” (Wray 2002: 4). Erwachsene Muttersprachler können nach Wray (2002) auf zahlreiche solcher, als Ganzes gespeicherte, Wörter oder Phrasen, z.B. auf Begrüßungs- und Abschiedsformeln, Höflichkeitsfloskeln, Kollokationen oder Idiome zurückgreifen, ohne größere Energie in das ‚Abrufen‘ der einzelnen Elemente aus dem Gedächtnis aufwenden zu müssen. Auch Zweitsprachenlernern kommt dieser Verarbeitungs’vorteil‘ zugute: Sie haben die Möglichkeit, in vergleichsweise kurzer Zeit idiomatisch klingende Ausdrücke zu verstehen bzw. produzieren, ohne die unter Umständen sehr kom- <?page no="99"?> Formeln in der Kita 99 plexe Struktur analysieren oder bilden zu müssen (Wray 2002). Für Kinder, die ihre Muttersprache lernen sowie für junge L2-Lernende haben Formeln laut Wray (2002) vor allem eine soziale Funktion, da sie mit ihnen die Umwelt (für ihre Zwecke) manipulieren können, z.B. sit down, give me (…), I want (…). Unsere Beobachtungen des Kita-Alltags in den untersuchten zweisprachigen Gruppen haben gezeigt, dass diese soziale Funktion auch bei der Verwendung von Formeln seitens der native-speaker-Erzieherinnen eine große Rolle spielt. Die Formeln fungieren dabei als verbale bzw. organisatorische Gerüste (s.u.), die den Kindern helfen, der Struktur und Kultur des Kita-Alltags zu folgen und zu verstehen. 2 Fremdsprachliches Handeln und Verstehen in zweisprachigen Kindergärten Um herauszufinden, welche Faktoren dazu beitragen, dass sich die meisten Kinder innerhalb kurzer Zeit an fremdsprachlichen Aktivitäten in zweisprachigen Einrichtungen beteiligen können, müssen die Kinder in möglichst vielen Kindergartensituationen und -aktivitäten, über einen möglichst langen Zeitraum, möglichst genau beobachtet werden. Aus den Daten solcher systematischer Beobachtungen in ethnographischen Langzeitstudien der nordamerikanischen Immersionsforschung wurden Anfang der 1990er Jahre Bedingungen abgeleitet, die erfüllt sein müssen, damit fremdsprachliche Situationen verständlich sind. Im Folgenden werden diese Bedingungen, die auch im Rahmen der eigenen wissenschaftlichen Begleitung zweisprachiger Kindergartengruppen identifiziert wurden, beschrieben. 32 2.1 Gerüste als Verständnishilfe Die Forschung hat gezeigt, dass sich die Kinder - besonders in der Anfangszeit - auf die von den Erzieherinnen bereitgestellten ‚Gerüste’ (scaffolds) verlassen, um sich Bedeutungen in fremdsprachlichen Situationen zu erschließen (z.B. Bruner 1975, Weber & Tardif 1990, 1991a, b, Peregoy 1991, Gibbons 2002, Burmeister 2006a, 2009, 2011, Kersten et al. 2010). Es handelt sich dabei um nonverbale, verbale sowie um organisatorische scaffolds. Bei non-verbalen Gerüsten handelt es sich um paralinguistische Mittel wie Gestik, Mimik, Körpersprache, Intonation sowie Medien, z.B. Bilder, Fotos oder Realia, mit denen die native-speaker-Erzieherin die jeweilige Situation so anschaulich gestaltet, dass diese ‚für sich selbst’ spricht (Weber & Tardif 32 Es handelt sich um die wissenschaftliche Begleitung der englisch-deutsch bilingualen Gruppen der Betriebskindertagesstätte der Medizinischen Hochschule Hannover von 2006 bis Ende 2008. An dieser Stelle sei der Wilhelm-Hirte-Stiftung, Hannover, für die Förderung der Forschung herzlich gedankt. <?page no="100"?> 100 Petra Burmeister 1990: 58) und - wie in einem Stummfilm - auch ohne Sprache verständlich wäre (z.B. Stevens 1983, Snow 1990, Burmeister 2006a, 2010, Steinlen et al. 2013). Die Situation, in der die Erzieherin ein Kind mit Hilfe einer deutlichen, einladenden Geste an einen Tisch bittet, auf dem ein Zeichenblock mit Malstiften liegt, ist ebenso anschaulich wie ein schmerzverzerrtes Gesicht, Jammern und das Halten des Armes, wenn sich die Erzieherin den Ellbogen gestoßen hat. ‚Stummfilmtechniken’ wie diese werden von den meisten Erzieherinnen scheinbar unbewusst eingesetzt, wenn ihnen bekannt ist, dass die Kinder ihre Sprache nicht verstehen. In monolingualen Vergleichsgruppen jedoch verwenden Erzieherinnen deutlich weniger solcher Strategien zur Kontextualisierung (Tardif 1991, Pelletier 1998). Um den Kindern zu ermöglichen, eine Verbindung zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten herzustellen, werden zudem verbale Gerüste verwendet, etwa die besondere Betonung von Schlüsselwörtern: So zeigt die native-speaker-Erzieherin z.B. auf den Frosch in einem Bilderbuch und sagt dabei: „Look! That’s a little FROG“. So können die Kinder, aufgrund möglicherweise angeborener lexikalischer Strategien (z.B. Rohde 2005) sehr schnell die Bezeichnungen für Dinge erschließen, vorausgesetzt die Beziehung zwischen dem Wort und dem Bezeichneten wird in eindeutiger Weise veranschaulicht (Burmeister 2006b, 2007, Steinlen et al. 2013). Weitere verbale Gerüste sind etwa die wortwörtliche Wiederholung eigener Äußerungen (self-repetition), die Übertragung von Einwort-Sätzen bzw. muttersprachlichen Äußerungen der Kinder in die Fremdsprache (paraphrase), und das Anbieten von sprachlichen Modellen (linguistic modeling). Diese Strategien sind in fremdsprachlichen Kita-Programmen deutlich häufiger zu beobachten als in monolingualen Einrichtungen (Tardif 1994). Auch die Umgebungssprache der Kita, im vorliegenden Fall das Deutsche, fungiert als verbales Gerüst, das den Kindern hilft, sich einen ‚Reim‘ auf die Fremdsprache zu machen. Die native-speaker-Erzieherin versteht die Umgebungssprache, und die Kinder sprechen die Erzieherin in der Umgebungssprache an. In den in dieser Studie untersuchten altersgemischten Gruppen, in denen es Kinder gibt, die schon länger mit der Fremdsprache Kontakt haben, während andere erst kürzlich in die zweisprachige Gruppe gekommen sind, wird häufig von den älteren Kindern übersetzt. So sagte eine native-speaker-Erzieherin während einer Sportaktivität zu den Kindern: „Put your legs together! “. Als die jüngeren, mit Englisch unerfahrenen, Kinder nicht reagierten, übersetzte ein älteres Kind: „Ihr sollt die Beine zusammen machen! “ Neben verbalen und non-verbalen Gerüsten erleichtern organisatorische scaffolds in Form von täglich wiederkehrenden, ritualisierten Situationen, z.B. Morgenkreis, gemeinsame Mahlzeiten oder gemeinsames Aufräumen, den Kindern die Gewöhnung an den Tagesablauf in der Kita und helfen ihnen dabei, die ‚Kultur’ des Kindergartens zu verstehen (Weber & Tardif <?page no="101"?> Formeln in der Kita 101 1991a). Als Signale für den Beginn und das Ende von Routinesituationen, von Weber & Tardif treffend „meaning-marker“ genannt (1991a: 100), fungieren bestimmte Lieder, Gesten oder formelhafte Wendungen, z.B. „Time for breakfast! “, „Let’s go outside“ oder „It’s tidy-up time! “. Laut Weber & Tardif (1991b) bringen Kinder solche Formeln sehr schnell mit der jeweiligen Routinesituation in Verbindung, verstehen Formeln bzw. Versatzstücke aus Formeln und produzieren diese auch eigenständig. 3 Der Formeltest Der Formeltest ist ein Erhebungsverfahren zur Untersuchung des Verständnisses und der Produktion formelhafter Wendungen in deutsch-englischen zweisprachigen Kita-Gruppen. Es wird untersucht, ob und wie die Kinder Formeln, die in täglich wiederkehrenden Routinesituationen (z.B. beim gemeinsamen Mittagessen) verwendet werden, außerhalb dieser Kontexte verstehen, und ob und wie sie formelhafte Wendungen außerhalb der Routinesituationen (re)produzieren können. Darüber hinaus wurde der Einsatz von Puppen als Elizitierungsinstrument mündlicher Daten im Kita-Kontext erprobt. 3.1 Design des Formeltests Das Untersuchungsdesign basiert auf einer Studie, die Sandra Weber und Claudette Tardif (1991b) in zwei Kindergartengruppen mit Immersion in der Zweitsprache Französisch in Edmonton (Alberta, Kanada) durchgeführt haben. Im Unterschied zu den hier untersuchten hiesigen bilingualen Kindergärten, in denen eine Erzieherin Deutsch und die andere Englisch spricht, wird von allen Erzieherinnen in kanadischen Programmen mit vollständiger Frühimmersion (Early Total French Immersion) ausschließlich die Fremdsprache verwendet. Außerdem entsprechen kanadische ‚kindergartens‘ eher deutschen Vorschulklassen, da die Kinder durchschnittlich fünf Jahre alt sind, wenn sie eine Early French Immersion Kindergarten-Gruppe besuchen. Die täglichen Routinen in den von Weber & Tardif (1991b) untersuchten Gruppen sind dennoch denen hiesiger bilingualer Gruppen sehr ähnlich. Auch in den kanadischen Gruppen finden sich Morgenkreise mit Begrüßungsritualen und Liedern, gemeinsame Mahlzeiten, freie Spielphasen und Gruppenprojekte, die eine Vielzahl von sprachlichen und organisatorischen Gerüsten für die Kinder bieten. So wie in der Studie von Weber & Tardif (1991b) wurden auch die Kinder in den hier untersuchten Kita-Gruppen jeweils einzeln von einer Puppe ‚befragt‘. Das Interview besteht aus zwei Teilen, wobei der erste auf das Hörverständnis und der zweite auf die Produktion der formelhaften Wendungen zielt. Während Verständnis- und Produktionsteil bei Weber & Tar- <?page no="102"?> 102 Petra Burmeister dif mit einem Abstand von mehreren Monaten durchgeführt wurden, wurden beide Teile in der hiesigen Untersuchung aus Zeitgründen kombiniert. Analog zu Weber & Tardif (1991b: 220) zielt der Formeltest auf folgende Aspekte: − Überprüfung von Hörverständnis: Inwiefern verstehen die Kinder die in Routinesituationen verwendeten Formeln außerhalb dieser Situationen? − Überprüfung der Sprechfähigkeit: Inwiefern können die Kinder formelhafte Wendungen außerhalb der üblichen Kontexte selbst (re)produzieren? − Erprobung der Eignung des Einsatzes von Puppen für die Datenerhebung bei Kita-Kindern. 3.2 Die Rolle der Puppen Die Kinder werden jeweils einzeln von einer 70 cm großen Puppe interviewt. Die Annahme ist, dass ein Kind einer schüchternen Puppe, die vorgibt die Fremdsprache nicht zu verstehen, so bereitwillig helfen wird, wie einem jüngeren Kind, das neu in der zweisprachigen Gruppe ist (Weber & Tardif 1991b). Das befragte Kind nimmt gegenüber der Puppe somit eine Expertenposition ein, die noch dadurch verstärkt wird, dass die Puppe sich als jeweils jünger ausgibt. Um die Wahrscheinlichkeit einer Identifikation mit der Puppe zu erhöhen, haben es die Kinder, dem Anraten der Erzieherinnen folgend, jeweils mit einer ‚gleichgeschlechtlichen’ Puppe zu tun. Als warm-up begrüßt die Testleiterin jedes Kind und fragt, ob es der Puppe bei der Lösung eines Problems helfen könnte. Dann platziert die Testleiterin die Puppe so vor sich, dass nur noch die Puppe und nicht mehr sie selbst zu sehen ist. Die Puppe begrüßt dann das Kind, fragt nach seinem Namen und Alter und berichtet dem Kind, dass sie seit wenigen Tagen die Kita in der Nachbarschaft besucht, und dass eine Erzieherin dort nur Englisch spricht. Die Puppe beklagt sich, dass sie gar nichts versteht und bittet das Kind um Hilfe. Danach fragt sie zunächst die Items des Verständnisteils ab. Um das Kind auf den Produktionsteil hinzuleiten, fragt die Puppe/ Interviewerin, ob er oder sie denn auch schon etwas auf Englisch sagen kann. Anschließend werden die Items des Produktionsteils abgefragt. Von jedem Interview, in dem die hier vorgestellten Daten erhoben wurden und das durchschnittlich zwei Minuten dauerte, wurden eine Videoaufnahme sowie eine Audioaufnahme angefertigt, die jedoch nur in die Datenanalyse einbezogen wurde, wenn die Qualität der Videoaufnahme nicht ausreichte. <?page no="103"?> Formeln in der Kita 103 3.3 Formeltest-Items Die Interview-Items in dieser Studie stammen wie bei Weber & Tardif (1991b) aus täglich wiederkehrenden Routinesituationen in den Kindergartengruppen und wurden in Absprache mit den Erzieherinnen der jeweiligen Gruppen zusammengestellt. Die wichtigsten Auswahlkriterien waren Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Verwendung von Formeln in Aktivitäten, an denen möglichst alle Kinder teilnahmen. Nur so konnte davon ausgegangen werden, dass etwas überprüft wurde, das die Kinder (theoretisch) auch leisten konnten. Um die Kinder nicht zu überfordern, wurde die Anzahl der Items auf je fünf beschränkt (Weber & Tardif 1991b). Die Items für den Verständnis- und Produktionsteil der diesem Beitrag zugrundeliegenden Daten werden im Folgenden aufgelistet und kurz erläutert. Verständnis-Items: 1. What do you want to drink? Do you want tea or cocoa? (Was wollt ihr/ willst du trinken? Möchtet ihr/ möchtest du Tee oder Kakao? ) 2. Clean up! bzw. Tidy up! (Aufräumen! ) 3. Get your cups! (Holt eure Tassen! ) 4. Take your shoes off! (Zieht eure/ zieh deine Schuhe aus! ) 5. Sit down! (Setzt euch! / Setz dich! ) Die Verständnis-Items stammen aus alltäglichen Routineaktivitäten. Beide Fragen in Item 1 (What do you want to drink? Do you want tea or cocoa? ) wurden im Rahmen des gemeinsamen Frühstücks immer direkt nacheinander gestellt und gelten daher als ein Item. Auch die Formel Get your cups! (Item 3) wurde regelmäßig im Kontext der Mahlzeiten gebraucht und signalisierte den Kindern, sich ihre Tassen aus den Regalen zu holen. Die Aufforderung Tidy up! bzw. Clean up! (Item 2) wurde von der britischen Erzieherin bzw. der US-amerikanischen Erzieherin am Ende von Mahlzeiten und Aktivitäten verwendet. Take your shoes off! (Item 4) hörten die Kinder nach dem Eintreffen in der Kindertagesstätte bzw. nach Aufenthalten im Außengelände. Die Aufforderung Sit down! (Item 5) begegnete ihnen regelmäßig in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, z.B. bei Sitzkreisen. Produktions-Items 1. Kann ich bitte Zahnpasta haben? (Can I have toothpaste, please? ) 2. Danke. (Thank you.) 3. Der Schmetterling ist rot. (The butterfly is red.) 4. Kann ich raus? (Can I go outside? ) 5. Ich möchte zur Toilette. (I want to go to the bathroom/ toilet.) Das erste Item stammt aus dem täglichen Zahnputzritual, bei dem die nativespeaker-Erzieherinnen mit den Kindern die Bitte „Can I have toothpaste, please! “ regelrecht eingeübt hatten. Auch „Danke! “ hatten die meisten Kinder schon auf Englisch (re-)produziert, da in dieser Kindertagesstätte viel Wert auf Höflichkeit gelegt und das „Thank you.“ - besonders im Rahmen der gemeinsames Mahlzeiten - eingefordert wurde. Item 3 „Der Schmetterling ist <?page no="104"?> 104 Petra Burmeister rot.“ stammt nicht aus einer bestimmten Routinesituation, sondern ist ein einfacher Aussagesatz, den die Kinder in dieser Form nicht unbedingt gehört haben müssen. Er besteht jedoch aus Elementen (butterfly, red), die den Kindern aus Memory-Spielen, Zeichenaktivitäten, Bilderbüchern oder Liedern kannten. Auch die Frage in Item 4 („Kann ich raus? “) war den Kindern bekannt, da die native-speaker-Erzieherinnen diese Frage der Kinder häufig auf Englisch übertragen hatten und nachsprechen ließen. Dasselbe trifft auf Item 5 zu. 3.4 Ablauf eines Formeltests Im Folgenden wird der typische Ablauf der Interviews am Beispiel des Mädchens N gezeigt, die zum Erhebungszeitpunkt vier Jahre und acht Monate alt war. Das Mädchen kam mit drei Jahren und zwei Monaten nach Deutschland (ihre Muttersprache ist Serbisch), und sie besuchte zum Testzeitpunkt seit einem Jahr und sieben Monaten eine der deutsch-englischen Gruppen. Notation: I = Interviewerin; N = Kind; kursiv = Englisch; (…) = Kommentar; / = setzt neu ein bzw. wird unterbrochen; # = kurze Pause (max. 2 Sekunden); […] = phonetische Umschrift. I = Was heißt das denn, wenn die sagt „What do you want to drink? “ N = Ehm das heißt, „wenn / Willst du was trinken“. I = Und wenn die sagt “Do you want tea or cocoa? “ Was heißt das dann? 33 N = „Willst du Kakao oder # Tee“. I = Und was heißt das, wenn die sagt „Clean up? “ N = Ehm # / I = oder manchmal sagt die „Tidy up“, was heißt das dann? N = „Aufräumen“. I = Und was heißt das, wenn die sagt „Get your cups“? N = Ehm, „Trink was“. I = Und was heißt das, wenn die sagt „Take your shoes off“? N = Ehm, „Zieh deine Schuhe an“. I = Und wenn sie sagt „Sit down“, was soll man denn dann machen? N = „Hinsetzen“. I = Und wenn du jetzt was auf Englisch fragen willst, zum Beispiel mittags beim Zähneputzen, wenn du sagst „Kann ich bitte Zahnpasta haben“. Was heißt das auf Englisch? N = „Toothpaste [tuθpleıst] please“. 33 Wie in 3.1.3 geschildert, werden die beiden Fragen „What do you want to drink? Do you want tea or cocoa? ” zusammen gestellt und als ein Item (Item 1) gewertet. In diesem Interview hat das Kind die zweite Frage nicht abgewartet, sondern sofort geantwortet. Aus diesem Grund ist das Item 1 nicht zusammenhängend. <?page no="105"?> Formeln in der Kita 105 I = Und was heißt denn „Danke“ auf Englisch? N = “Thank [dæŋk] you“. I = Und was heißt denn “Schmetterling”? Weißt du das? N = „Butterfly“ I = Und was heißt denn „Der Schmetterling ist rot“? N = Ehm, weiß ich nicht. I = Weißt du, was „rot“ heißt? N = „Red“. I = Na, siehst du! Dann weißt du auch, was „Der Schmetterling ist rot“ heißt. N = Yes. I = Was denn? N = (lacht) Ja! I = Was heißt denn, wenn du sagen willst, auf Englisch, “Kann ich raus“? N = Ehm, “Can I play outside please”. I = Du kannst ja schon richtig gut Englisch! N = Ja! I = Was heißt denn „Ich möchte zur Toilette.“ auf Englisch? N = Ehm, I / Weiß ich nicht. I = Was heißt denn „Toilette“? N = Toilet. I = Und was heißt denn / Was würdest du denn machen, wenn du auf die Toilette musst, und da ist nur G (die englische Erzieherin) und die versteht das Deutsche nicht? N = Ehm, dann muss man das an Englisch sagen. I = Kannst du das schon auf Englisch sagen? N = Nö. 3.5 Versuchspersonen Die ersten Formeltests sind zwischen April 2008 und Juni 2008 in vier Kindertagesstätten mit altersgemischten zweisprachigen deutsch-englischen Gruppen durchgeführt worden. 34 Es wurden insgesamt 174 Kinder zwischen drei und sechs Jahren interviewt. Diesem Beitrag liegen die Daten aus zwei deutsch-englisch bilingualen Gruppen aus der Betriebskindertagesstätte der Medizinischen-Hochschule in Hannover zugrunde, die im Februar 2006 mit dem Teilimmersions-Projekt begonnen hatten. Die native-speaker- Erzieherinnen (eine aus den USA, eine aus England) waren als zusätzliche Kräfte in den Gruppen tätig und jeweils während der Kernarbeitszeit zwi- 34 Es handelt sich um zwei Kindertagestätten in Norddeutschland (Kiel und Hannover) und um zwei Einrichtungen in Baden-Württemberg (Herlikofen und Tübingen). <?page no="106"?> 106 Petra Burmeister schen 8: 00 und 16: 00 anwesend. 35 In beiden zweisprachigen Gruppen waren jeweils 23 Kinder. Von den insgesamt 46 Kindern konnten krankheitsbedingt nur 38 Kindern interviewt werden. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren diese Kinder (17 Mädchen, 21 Jungen) durchschnittlich vier Jahre und neun Monate alt (das jüngste Kind war drei Jahre und fünf Monate alt, die ältesten Kinder sechs Jahre und fünf Monate). Insgesamt sind sechs Kinder mit einer anderen Sprache als Deutsch aufgewachsen. Die durchschnittliche Kontaktdauer zur Fremdsprache in der Kita betrug zum Datenerhebungszeitraum 19 Monate. Von den 38 Kindern waren 10 bereits 26 Monate in den Gruppen, d.h. seit Beginn des zweisprachigen Programms im Februar 2006; acht Kinder hatten zwischen fünf und 11 Monaten Kontakt zum Englischen und 20 Kinder zwischen 14 und 23 Monaten. Es gilt zu beachten, dass bisher lediglich deskriptive Ergebnisse aus diesen beiden Gruppen vorliegen. Die statistischen Analysen unter Einbezug von Variablen wie Alter, Geschlecht oder Kontaktzeit zum Englischen sowie die Vergleiche mit den Ergebnissen aus den anderen drei Einrichtungen stehen noch aus. 4 Ergebnisse 4.1 Datenauswertung Wie bereits erwähnt, basiert die vorliegende Untersuchung auf dem Datenerhebungsdesign der Studie von Weber & Tardif (1991b); die Ergebnisse können jedoch aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen (vollständige Immersion in Kanada vs. Teilimmersion in Deutschland; unterschiedliches Alter der Kinder, unterschiedliche Umgebungssprachen) nicht verglichen werden. Auch die Datenanalysemethode wurde auf das in unserer Studie elizitierte Sprachmaterial zugeschnitten. So haben Weber & Tardif alle Äußerungen der Kinder als gelungen eingestuft, die aus semantischer und soziolinguistischer Sicht akzeptabel waren: „any interpretation that respected most of the general and conventional meaning (…) were accepted.“ (1991b: 224). Nicht-gelungene Äußerungen wurden von Weber & Tardif nicht in die Datenauswertung einbezogen. Um ein differenzierteres Ergebnis zu erhalten, haben wir die in den hiesigen deutsch-englisch zweisprachigen Gruppen erhobenen Daten auf der Basis eines vierstufigen Kategoriensystems analysiert, in dem zwischen zwei Kategorien - ‚gelungene‘ und ‚nicht gelungene‘ Äußerungen - unterschieden wird (siehe 4.1.1.) 35 Die native-speaker-Erzieherinnen in den bilingualen Gruppen der Betriebskindertagesstätte der Medizinischen Hochschule Hannover wurden als zusätzliche Kräfte von der Wilhelm-Hirte-Stiftung, Hannover, finanziert. <?page no="107"?> Formeln in der Kita 107 Um die Reliabilität der Analyseergebnisse zu erhöhen, haben zwei Forscherinnen, die aufgrund der regelmäßigen teilnehmenden Beobachtung die situativen Kontexte in den Gruppen gut einschätzen können, die Daten zunächst unabhängig voneinander analysiert. Dann wurden die Ergebnisse verglichen. Im Falle fehlender Übereinstimmung hätten die jeweiligen Datensätze dann noch einmal gemeinsam analysiert und ausgewertet werden können. Da die Analyseergebnisse beider Forscherinnen jedoch übereinstimmten, wurde auf die Prüfung der Interrater-Reliabilität verzichtet. 4.1.1 Ergebnisse der Verständnis-Interviews In der Analyse des Interviewteils, in dem es um das Formelverständnis ging, wurden folgende vier Kategorien gebildet: Äußerungen wurden als ‚gelungen‘ kategorisiert, wenn es sich 1) um wortwörtliche Übersetzungen oder Paraphrasen handelte (z.B. „Holt eure Tassen.“ bzw. „Holt die Tassen.“ für Get your cups! ) und 2) um Äußerungen, die situationsangemessen waren (z.B. „Du sollst was trinken.“). Als ‚nicht gelungen‘ wurden 3) solche Äußerungen gewertet, die keinen erkennbaren Zusammenhang zu der Situation aufwiesen („Bilder“ für „Get your cups! “) sowie 4) Äußerungen, mit denen das Kind zu verstehen gab, dass es die Antwort nicht kannte („Weiß ich nicht.“ oder „Nein“). In Tabelle 1 Werden die Ergebnisse zusammengefasst. Verständnis- Items ‚Gelungene’ Äußerungen ‚Nicht gelungene‘ Äußerungen Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4 wortwörtlich bzw. paraphrasiert situationsangemessen kein Situationsbezug Antwort nicht gewusst What do you want to drink? 36,8 % 26,3 % 0 % 36,8 % Do you want tea or cocoa? 36,8 % 29,0 % 0 % 34,2 % Clean up! / Tidy up! 63,2 % 10,5 % 2,6 % 23,7 % Get your cups! 27,0 % 21,6 % 8,1 % 43,2 % Take your shoes off! 52,6 % 28,9 % 0 % 18,4 % Sit down! 89,5 % 0 2,6 % 7,9 % Tab 1: Prozentualer Durchschnitt an ‚gelungenen‘ und ‚nicht gelungenen‘ Äußerungen im Verständnisteil des Formeltests. Ähnlich wie in den Ergebnissen der kanadischen Untersuchung von Weber & Tardif (1991b) zeigen auch diese Daten, dass die Kinder die Bedeutung <?page no="108"?> 108 Petra Burmeister von formelhaften Phrasen anscheinend aus der jeweiligen Situation bzw. aus den Handlungserwartungen der native-speaker-Erzieherinnen ableiteten und - wie das untenstehende Beispiel zeigt - die konventionelle Bedeutung der einzelnen Wörter oft gar nicht verstanden. Bei den situationsangemessenen Äußerungen zu Item „Get your cups! “ finden sich z.B. „Trink was.“, „Wagen [Servierwagen mit Tassen] wegbringen.“ oder „Dann will die, dass die Kinder abräumen.“ Immerhin 43,2% der Kinder konnten diese täglich wiederkehrende Formel gar nicht verstehen bzw. haben aus anderen Gründen keine Antwort gegeben. Auffällig ist weiterhin, dass die kürzeren Formeln („Clean up! / Tidy up! “ oder „Sit down! “) besser verstanden wurden als längere („What do you want to drink? Do you want tea or cocoa? “/ „Get your cups“). Eine Ausnahme stellt „Take your shoes off! “ dar, da diese Formel vergleichsweise häufig verstanden wurde (52,6%). Es ist zu vermuten, dass neben der Ausspracheähnlichkeit zwischen „shoes“ und „Schuhe“ auch die Verwendungshäufigkeit dieser Formel eine Rolle gespielt hat, da die Situation des An- und Ausziehens der Schuhe des Öfteren im Tagesablauf vorkam. Dass besonders die jüngeren Kinder „Schuhe anziehen“ statt „ausziehen“ gesagt haben (siehe 3.1.4), lässt vermuten, dass sie in Situationen, die nur jeweils eine Handlungsoption erlauben (man zieht die Schuhe entweder aus, wenn man in das Gebäude möchte oder an, um hinaus zu gehen) keine Relevanz darin sahen, zwischen „put your shoes on“ und „take your shoes off“ zu unterscheiden. 4.1.2 Ergebnisse des Produktions-Interviews Auch die Daten im Produktionsteil wurden in vier Kategorien eingeteilt. Es wurden ‚gelungene‘ Äußerungen 1) unterschieden nach wortwörtlichen Übersetzungen und Paraphrasen sowie 2) nach englischen Äußerungen, die dem Kontext entsprechen. ‚Nicht-gelungene‘ Äußerungen sind 3) falsche Übersetzungen, die nicht situationsangemessen sind sowie 4) solche, die zeigen, dass das Kind keine Antwort wusste (oder geben wollte). In Tabelle 2 sind die ‚gelungenen’ und ‚nicht gelungenen‘ Äußerungen verzeichnet. <?page no="109"?> Formeln in der Kita 109 Produktions-Items ‚Gelungene’ Äußerungen ‚Nicht gelungene Äußerungen Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4 wortwörtlich bzw. paraphrasiert situationsangemessen kein Situationsbezug Antwort nicht gewusst Kann ich bitte Zahnpasta haben? 78,9 % 5,3 % 0 % 15,8 % Danke. 57,9 % 0 % 0 % 42,1 % Der Schmetterling ist rot. 65,8 % 0 % 2,6 % 31,6 % Kann ich raus? 13,2 % 13,2 % 0 % 73,6 % Ich möchte zur Toilette. 31,6 % 2,6 % 0 % 65,8 % Tab. 2: Prozentualer Durchschnitt an ‚gelungenen‘ und ‚nicht gelungenen‘ Äußerungen im Produktionsteil des Formeltests. Vermutlich lag es am täglichen gezielten ‚Üben’ mit allen Kindern (siehe Kapitel 3.1.3), dass die Frage „Kann ich bitte Zahnpasta haben“ in so vielen Fällen wortwörtlich übersetzt (Can I have toothpaste, please? “) bzw. paraphrasiert („Toothpaste please.“) wurde (78,9%). Auch die formelhafte Frage „Can I go outside? “ (Item 4 „Kann ich raus? “) ist im Kita-Alltag eingeübt worden, jedoch weniger systematisch als Item 1 (13,2%). Vielmehr sind einzelne Kinder, die auf Deutsch gefragt haben, ob sie nach draußen dürften, von der native-speaker Erzieherin gebeten worden, diese Frage doch auf Englisch zu stellen. Die Erzieherin hat den Kindern dann bei Bedarf die englische Frage ins Ohr geflüstert. Es ist also anzunehmen, dass einige Kinder nicht häufig genug mit dieser Formel in Kontakt gekommen sind. Es wäre jedoch falsch, von der Produktion solcher Formeln auf den Stand des Spracherwerbs zu schließen, da man Wendungen wie „Can I have toothpaste, please? “ auswendig lernen und situationsadäquat anwenden kann, ohne die zugrundeliegende komplexe Struktur erworben zu haben (z.B. Wode 1988/ 1993, Wray 2002). Dies kann auch an Item 3 "Der Schmetterling ist rot" illustriert werden (65,8%). Wie zu erwarten, konnte die Mehrzahl der Kinder butterfly und red isoliert produzieren. Jedoch ist lediglich sieben (älteren) Kindern die Produktion des Satzes „The butterfly is red.“ gelungen. Zwei Kinder haben red attributiv verwendet („Red butterfly.“). Dieses Item illustriert, dass die Kinder die (vermeintlich) ‚einfache’ Struktur „X is Y“ erst vergleichsweise spät erwerben, während sie eine Konstruktion wie „Can I have toothpaste, please? “ als Ganzes lernen können, ohne die komplexe interne Struktur erworben zu haben. <?page no="110"?> 110 Petra Burmeister Item 5 („Ich möchte zur Toilette.“) ist in durchschnittlich 34% der Fälle richtig übertragen worden, wobei jeweils das Wort „toilet“ und nicht „bathroom“ genannt wurde. Es lässt sich hier nur spekulieren, ob die dem Deutschen ähnliche Aussprache (Toilette - toilet) dazu geführt hat, dass die Kinder dieses Wort dem unseren Beobachtungen nach von den nativespeaker-Erzieherinnen häufiger verwendeten Wort „bathroom“ vorgezogen haben. „Danke“ (Item 2) ist vor allem von älteren Kindern richtig übersetzt worden. Es ist erstaunlich, dass immerhin 42,1% der Kinder das englische Wort für „Danke“ nicht kannten, obwohl „thank you“ ein hochfrequenter Ausdruck im Kita-Alltag dieser Einrichtung war. Auch hier wären genaue Analysen der Interaktionen im Kita-Alltag hilfreich, die zeigen könnten, ob und in welchen Kontexten die Kinder „thank you“ verwenden bzw. dazu angehalten werden, sich auf Englisch zu bedanken. 4.2 Zum Einsatz der Puppen Wie oben erwähnt, war eines der Ziele dieser Studie, den Einsatz von Puppen zur Elizitierung von Daten bei Kita-Kindern zu erproben. Die positiven Erfahrungen von Weber & Tardif (1991b) hinsichtlich dieses Verfahrens können wir bestätigen, da die überwiegende Mehrheit ‚unserer‘ Kinder der Puppe gerne Auskunft gab. In keinem Fall zeigte ein Kind Angst vor der Puppe. Es ist zu vermuten, dass es zudem wichtig war, die Puppe als den jeweils jüngeren ‚Interviewpartner‘ vorzustellen, da sich die Kinder so in der Expertenposition des/ der Älteren befanden. Weber & Tardif (1991: 221) betonen, dass eine „jüngere” Puppe zudem glaubwürdiger erscheint: An adult is already expected to know most of the answers and thus arouses suspicion and distrust, too often asking test or pseudo rather than authentic questions. A puppet who is younger than the child can naively ask questions that sound foolish coming from an adult. 5 Zusammenfassung Beobachtungen in deutsch-englisch zweisprachigen Kindertagesstätten haben wiederholt gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder den in der Fremdsprache angebotenen Aktivitäten bereits nach wenigen Tagen folgen können (z.B. Burmeister & Steinlen 2008, Burmeister 2009, 2011, Kersten, Steinlen, Tiefenthal, Wippermann & Flyman Mattsson 2010, Kersten 2012, Steinlen et al. 2013, siehe auch Kersten in diesem Band, Häckel in diesem Band). Langjährige internationale Erfahrungen mit zweisprachigen Einrichtungen im Elementarbereich bestätigen dies: In einer Langzeitstudie in kanadischen Kindergärten mit Immersion in der Zweitsprache Französisch stellten Weber & Tardif (1990, 1991a, b) fest, dass die Fremdsprache sehr bald zu einem selbstverständlichen Teil des Kindergartenlebens wird: <?page no="111"?> Formeln in der Kita 111 For most of the immersion students, the second-language feature quickly became a natural, normal aspect of classroom life, something they just took for granted. (Weber & Tardif 1990: 56) Voraussetzung ist, dass der fremdsprachliche Kontext so gestaltet wird, dass die Kinder verstehen, worum es jeweils geht. Zum einen helfen dabei die ErzieherInnen, indem sie verbale, non-verbale und organisatorische Gerüste liefern, die die fremdsprachlichen Handlungen und Situationen veranschaulichen. Zum anderen konstruieren die Kinder auf der Basis ihrer Erfahrungen und Beobachtungen sowie innerhalb der Interaktion ihr ‚Skript’ des Kindergartenlebens (Nelson 1986, Pelletier 1998). Aus täglich wiederkehrenden Phasen, wie z.B. Frühstück, Morgenkreis oder freie Spielzeit, leiten die Kinder entsprechende (dort angemessene bzw. erwünschte) Handlungsmuster ab. Sehr frühe, situationsadäquate Reaktionen der Kinder zeigen, dass sie die formelhaften Wendungen, mit denen die native speaker- ErzieherInnen Routinesituationen initiieren oder beenden, offensichtlich als entsprechende Handlungssignale interpretieren (Weber & Tardif 1991a, Pelletier 1998). Die Frage ist, ob und inwieweit die Kinder die Formeln auch außerhalb der jeweiligen Situationen verstehen und produzieren können und wie man das überhaupt überprüfen kann. Weber & Tardif (1991b) gingen diesen Fragen im Kontext der kanadischen Frühimmersion mit Französisch als Zielsprache nach. Dazu interviewten sie die Kinder mit einer Puppe, die vorgab, die Fremdsprache in der Kita nicht zu verstehen und daher die Hilfe der Kinder benötigte. In der vorliegenden Pilotstudie wurde das Design von Weber & Tardif (1991b) repliziert, um zu überprüfen, inwieweit die Kinder in hiesigen zweisprachigen Kita-Gruppen die zum Teil mehrfach am Tag verwendeten formelhaften Wendungen verstehen und auch reproduzieren können. Die ersten - zunächst deskriptiven - Ergebnisse dieser Untersuchung entsprechen denen in Weber & Tardif (1991b): Die Mehrzahl der formelhaften Wendungen wurde außerhalb der jeweiligen Routinesituationen verstanden und angemessen auf Deutsch wiedergegeben. Auffällig ist, dass besonders die jüngeren Kinder die wortwörtliche Bedeutung der Formeln offenbar nicht kannten, und sie die für sie bedeutsamen Charakteristika der jeweiligen Situation zu Grunde legten, wie z.B. die Übersetzung des Items „Get your cups! “ mit „Trink was“ verdeutlicht. Auch im Bereich der Produktion hat sich gezeigt, dass die meisten Kinder deutsche Äußerungen angemessen ins Englische übertragen konnten. Diskussions- und Forschungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Frage, ob und wenn ja wie Formeln mit Kindergartenkindern gezielt ‚eingeübt’ werden sollten oder ob systematisches Üben vernachlässigt werden sollte. Die hohe Trefferquote bei der Übersetzung von „Kann ich bitte Zahnpasta haben! “ ins Englische deutet darauf hin, dass viele Kinder <?page no="112"?> 112 Petra Burmeister diese Formel auswendig gelernt hatten. In den Videoaufnahmen der Interviews ist zudem zu beobachten, dass die Kinder stolz darauf waren, solche Sätze produzieren zu können. Hier sind weitere Untersuchungen vonnöten, in denen der Gebrauch von Formel nach Übungsphasen und ohne Übungsphasen verglichen wird. Insgesamt deuten die hier vorgestellten deskriptiven Ergebnisse, so wie die Ergebnisse von Weber & Tardif (1991b), darauf hin, dass die Kinder alltägliche Kita-Routinen durchaus unterschiedlich interpretieren. Dies könnte u.a. daran liegen, dass Kontexte, in denen native-speaker- Erzieherinnen formelhafte Wendungen verwendeten, für die Kinder nicht immer so verständlich und anschaulich waren, wie es die Erzieherinnen vermuteten. Wie in Weber & Tardif (1991b) angeregt, könnte die Analyse von Daten zum Verständnis und zur Produktion von Formeln daher ErzieherInnen dabei helfen, ihre in den jeweiligen Situationen angewandten Kontextualisierungsstrategien zu überdenken bzw. deren Anwendung zu intensivieren oder zu schärfen. Eigene Unterrichtsbeobachtungen aus dem Schulkontext wiesen z.B. darauf hin, dass Kinder die kreisende Bewegung auf dem Bauch, mit der die Lehrerin Hunger verdeutlichen wollte, von den Kindern als ‚lecker‘ interpretiert wurde. Hier hätte zusätzliche, eindeutige Mimik sicherlich zur Veranschaulichung beigetragen. Laut Weber & Tardif (1991b) könnte das in der vorliegenden Untersuchung angewandte Elizitierungsinstrument, also die hilflose Puppe, die die Kinder um Rat fragt, gut in den Kita-Alltag integriert werden. Die Puppen könnten regelmäßig eingesetzt werden, um die (sprachliche) Entwicklung der Kinder zu beobachten und zu diagnostizieren: „Classroom teachers could set up a puppet station for interviewing and recording the children individually or in small groups.“ (Weber & Tardif 1991b: 232). Insgesamt verdeutlichte die in dieser Pilotstudie angewandte Datenerhebungssowie Analysemethode, wie wichtig es ist, die Abläufe und Rituale in den Kita- Gruppen gut zu kennen. Ohne solche Einblicke wäre es nicht möglich gewesen, Items zusammenzustellen, die das überprüfen, was die Kinder auch leisten können bzw. die Äußerungen der Kinder im Kontext zu interpretieren. Zu diesem Schluss kamen auch Weber & Tardif: Had the researchers not spent a considerable amount of time in the classroom, the choice of protocol items may well have been outside the context of actual language use in the classroom. (…) In order to interpret the responses made by the students, it was often necessary to frame the discourse in the context in which it had been used. Relations between contexts, meanings, intentions, and language use need to be well understood in any assessment of language proficiency. (Weber & Tardif 1991b: 233) Literatur Bruner, J. 1975. The ontogenesis of speech acts. Journal of Child Language 2 (1), 1-20. <?page no="113"?> Formeln in der Kita 113 Burmeister, P. 2006a. Frühbeginnende Immersion. In: Jung, U.O.H. (Hrsg.), Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt am Main: Peter Lang, 385-391. (Bayreuther Beiträge zur Glottodidaktik, 2). Burmeister, P. 2006b. Immersion und Sprachunterricht im Vergleich. 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Im vorliegenden Artikel werden Einflussfaktoren für einen erfolgreichen frühen Fremdsprachenerwerb identifiziert und sowohl anhand einer Fragebogenerhebung zur Inputqualität als auch einer Studie zum Erwerb des rezeptiven Wortschatzes (mit Hilfe des British Picture Vocabulary Scale II) in drei bilingualen Kindergärten überprüft. Vorläufige Ergebnisse, die auch in Folgestudien bestätigt werden konnten, weisen auf einen Zusammenhang zwischen der Qualität des L2-Inputs bzw. der Interaktion zwischen den Kindern und den L2-Erziehern und der L2-Wortschatzentwicklung hin. 1 Vorbemerkungen Das „zusammenwachsende Europa“ (vgl. Wode 1995: 10) stellt besondere Anforderungen an seine jungen Bürger: „Junge Europäer sollten zusätzlich zu ihrer Muttersprache (L1) mindestens zwei Sprachen so weit lernen, dass sie funktional für die Ansprüche des späteren Lebens ausreichen“ (Wode et al. 1999: 1). Etliche Jahre bevor der Englischunterricht bundesweit in die Grundschulen einzog, reagierten eine Reihe von Kindertageseinrichtungen auf die europäische Herausforderung und versuchten, eine andere Sprache als die L1 der Kinder in den Kita-Alltag zu integrieren. So wurden - nicht selten durch Elterninitiativen - zweisprachige Programme in Kindertagesstätten eingerichtet. 36 Der Vorteil, den Kitas in dieser Hinsicht gegenüber Schulen haben, ist offensichtlich: Es gibt hier keine Bildungsstandards, an 36 Die meisten dieser bilingualen Einrichtungen sind auf der Homepage des „Vereins für frühe Mehrsprachigkeit in Kindergarten und Schule“ (FMKS) gelistet. Anders als Einrichtungen, die eine Fremdsprache z.B. in wöchentlich stattfindenden Kursen einsetzen, führt der FMKS nur solche Programme auf, die eine zweite Sprache mit höherer Intensität anbieten (vgl. www.fmks-online.de). <?page no="118"?> 118 Martina Weitz & Andreas Rohde denen sich Kita-Kinder messen lassen müssen. Eine Zweitsprache (L2) wie Englisch kann ungezwungen in den deutschen Kita-Alltag integriert werden, da nicht befürchtet werden muss, dass die Kinder wichtige Fachinhalte in der Fremdsprache nicht verstehen und einem Lehrplan nicht gerecht werden könnten. Mit anderen Worten, Englisch (oder eine andere Zielsprache) kann hier selbst für größte Zweifler keinen ernsthaften Schaden anrichten. Zudem wissen wir aus den bisherigen Erfahrungsberichten und seit den Ergebnissen des zweijährigen EU-Projektes ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies, Kersten et al. 2010a, 2010b, siehe auch Kersten in diesem Band), dass Kinder in der Kita tatsächlich Englisch lernen (vgl. auch Tiefenthal 1999, Rohde & Tiefenthal 2000, Rohde 2005). Auf diese Weise leisten bilingual deutsch-englische Kitas den wichtigen Beitrag, Englischkenntnisse früh anzubahnen, um die Basis für bessere Zweitsprachenkenntnisse im schulpflichtigen Alter zu schaffen. Dieser Beitrag ist höchst willkommen, denn die DESI-Studie 37 hat gezeigt, dass die von den KultusministerInnen beschlossenen nationalen Standards im Hinblick auf den Englischunterricht weit von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler entfernt sind (Kerstan 2006). Fremdsprachenkenntnisse bereits früh anzubahnen und den Erwerb einer weiteren Sprache in den Kita-Alltag zu integrieren, könnte demnach auch im weiteren schulischen Verlauf zu verbesserten Kompetenzen in der Zweitsprache führen. 2 Das Ziel von Wortschatzuntersuchungen Generell zeichnet sich in bilingualen Kita-Programmen ab, dass zunächst die L2-Produktion deutlich hinter dem L2-Hörverständnis zurückbleibt (Tiefenthal 1999, Rohde 2005). Anders als später im Schulunterricht sind die Kinder nicht gezwungen, die L2 zu benutzen. Sie verstehen zwar die Äußerungen der englischen Kitakraft, verhandeln jedoch Bedeutung ihrerseits weiterhin auf Deutsch und benutzen auch untereinander ihre Umgebungssprache Deutsch. Wenn die Kinder ihrerseits beginnen, die L2 zu nutzen, so erfolgt das zunächst in Form einzelner Wörter bzw. formelhafter chunks (Tiefenthal 1999). Aus diesem Grunde erschien es für die hier vorgestellte Studie am sinnvollsten, die frühen Englischkenntnisse im Hinblick auf den rezeptiven Wortschatz zu testen, und zwar mit Hilfe eines Tests, der nicht speziell auf die Gegebenheiten einer Kita zugeschnitten ist, sondern einen rezeptiven Wortschatz abfragt, der repräsentativ für das Umfeld und die Bedürfnisse von dreibis sechsjährigen Kindern ist. Im Folgenden wird zunächst auf die Organisation von deutsch-englisch bilingualen Programmen in Kindertagesstätten sowie auf den Einsatz des 37 DESI = Deutsch Englisch Schülerleistungen International, vgl. DESI-Konsortium 2006 für weitere Informationen. <?page no="119"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 119 Englischen im Hinblick auf die Komponenten Input und Interaktion eingegangen, die im L2-Erwerb eine erhebliche Rolle spielen (vgl. z.B. Håkansson 1986, Larsen-Freeman & Long 1991, Lyster & Ranta 1997, Wesche & Ready 1985). Details zur Organisation und zum Einsatz des Englischen wurden in den drei hier vorgestellten Kitas mit Hilfe eines entwickelten Fragebogens sowie anhand eigener Beobachtungen ermittelt. Nachdem die unterschiedlichen Ergebnisse der Wortschatzuntersuchungen in den drei Kindertagesstätten vorgestellt werden, sollen die ermittelten Daten zur Organisation und zum Einsatz der L2 Englisch als Erklärung für die unterschiedlichen Wortschatzergebnisse herangezogen werden. Langfristiges Ziel unserer Untersuchungen ist es, konkretere Aussagen darüber treffen zu können, welches Englisch-Niveau bzw. welche Niveau- Spanne in bilingual deutsch-englischen Kita-Einrichtungen erwartet werden dürfen. Je besser wir die Zusammenhänge zwischen der Organisation der Kita, dem fremdsprachlichen Input und dem L2-Wortschatzerwerb der Kinder verstehen, desto verlässlichere Vorhersagen lassen sich für den Erfolg bilingualer Programme treffen. Ein genaueres Verständnis der möglichen Erfolgsfaktoren könnte bei der Planung und Einführung weiterer zweisprachiger Programme von Nutzen sein. Auf Grundlage der hier vorgestellten Ergebnisse wurden auch innerhalb des im Anschluss durchgeführten EU-Projektes ELIAS Daten zur Wortschatzentwicklung sowie Informationen zur Organisation und dem angebotenen Input erhoben (Rohde 2010a, Weitz 2015, Weitz et al. 2010, siehe auch Kersten in diesem Band). Die im Folgenden diskutierten Überlegungen zur Inputqualität und -quantität in bilingualen Kindergärten stellten somit einen wichtigen Ausgangspunkt für die Inputstudie im ELIAS Projekt dar (vgl. Weitz 2015, siehe auch Kersten in diesem Band). 3 Die Organisation bilingual deutsch-englischer Kindertagesstätten In deutschen Kindergärten ist es gesetzlich geregelt, dass jede Gruppe von jeweils zwei Fachkräften betreut wird. Möchte man eine oder mehrere bilinguale Gruppen einrichten, in der außer der L1 Deutsch auch die L2 Englisch (oder jede beliebige andere Sprache) gesprochen wird, so kann idealerweise neben der L1 Deutsch-Kraft (L1D) eine L1 Englisch-Kraft (L1E) eingesetzt werden. Jedes Kind hat auf diese Weise die Möglichkeit, sich bei Bedarf an die L1D zu wenden und auf Deutsch zu kommunizieren. Es wird demnach kein Kind gezwungen, ausschließlich mit der L1E zu interagieren. Es ist von Vorteil, wenn die L1E die L1 der Kinder versteht, damit sie auf die Kinder besonders dann eingehen kann, wenn diese Kummer und Sorgen haben. Die L1E sollte jedoch darauf verzichten, selbst die L1 der Kinder zu benutzen, <?page no="120"?> 120 Martina Weitz & Andreas Rohde weil die Motivation der Kinder, sich mit ihr auf Englisch zu verständigen, leiden würde (vgl. Rohde 2007). Die Kinder lernen Englisch dadurch, dass sie es in authentischen, alltäglichen Kontexten hören, z.B. während sie frühstücken, drinnen und draußen spielen, basteln, malen, sich im Morgenkreis Bücher anschauen, gemeinsame Aktivitäten planen etc. Das Englische wird als Medium eingesetzt, um Aktivitäten oder alltägliche Abläufe zu erklären oder sprachlich zu begleiten und auf Bedürfnisse, Wünsche sowie emotionale Befindlichkeiten zu reagieren. Da die Zielsprache nicht formal gelehrt, sondern in Alltagssituationen verwendet wird, um sich über authentische Inhalte auszutauschen, kann die Erwerbssituation mit der eines natürlichen Zweitsprachenlerners verglichen werden. Es handelt sich jedoch um einen Sonderfall des natürlichen L2- Erwerbs, da Englisch zwar innerhalb der Kita als Umgebungssprache genutzt wird, außerhalb dieser jedoch Deutsch gesprochen wird, wodurch die L2-Input-Intensität in bilingualen Einrichtungen weitaus geringer ist als im natürlichen L2-Erwerb (vgl. Rohde 2005: 157). Die im Vergleich zum natürlichen L2-Erwerb geringere Input-Intensität in bilingualen Kindergärten kann zuweilen erhöht werden, wenn L1englischsprachige Kinder in eine zweisprachige Gruppe aufgenommen werden. Erfahrungsgemäß sind die deutschsprachigen Kinder zudem motivierter, die L2 Englisch verstärkt als Kommunikationsmittel zu nutzen, da die englischsprachigen Kinder - anders als die L1E - zur selben peer group gehören. Diverse Studien zeigen, dass Lerner in Interaktionen mit anderen Lernern Wissen konstruieren und sich gegenseitig z.B. durch genügend Wartezeit, Erklärungen und andere Hilfestellungen im Lernprozess unterstützen (vgl. Ohta 2001). Auch vorläufige Ergebnisse des ELIAS Projektes weisen auf einen Zusammenhang zwischen der rezeptiven Grammatikentwicklung im Englischen und der Anzahl englischsprachiger Kinder in der Gruppe hin (Weitz 2015, siehe auch Kersten in diesem Band). Wichtig ist bei der Organisation bilingualer Gruppen weiterhin, dass sich die L1D und die L1E alle Aktivitäten teilen und keine sich ausschließlich auf bestimmte Angebote spezialisiert. Mit anderen Worten, bestimmte Aktivitäten werden nicht ausschließlich von einer Kraft angeboten, weil dies dazu führen würde, dass auch die L2 Englisch für die Kinder nur an festgelegte Kontexte gebunden ist. Persönliche Interessen könnten bei einer stark personengebundenen Verteilung von Aktivitäten außerdem dazu führen, dass manche Kinder relativ selten mit der L1E und somit auch mit der englischen Sprache in Kontakt treten. <?page no="121"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 121 4 Input - Interaktion - Output 4.1 Input In der Kita ist entscheidend, wie die L2 Englisch für die Kinder eingesetzt wird, da die L1E in der Regel das einzige Sprachmodell für das Englische darstellt. Idealerweise benutzt die L1E das Englische mit Unterstützung von Mimik und Gestik, wiederholt ihre Äußerungen und benutzt vor allem am Anfang auch sprachliche Formeln, mit Hilfe derer sich die Kinder an die täglichen Routinen gewöhnen können (vgl. Burmeister in diesem Band). Dabei ist zu beachten, dass die Kinder nicht jedes einzelne Wort des Inputs verstehen müssen. Wichtig ist, dass sie die Absicht hinter einer Äußerung erfassen und dass sie nicht resignieren, wenn sie Äußerungen nur teilweise oder gar nicht verstehen. Oft begleitet Sprache lediglich längst bekannte Kontexte, so dass der genaue Wortlaut einer Äußerung durch die Vertrautheit mit einem Kontext nicht entscheidend ist. Die Lerner müssen zunächst nicht verstehen, was die Lehrkraft sagt, sondern was sie meint: Wenn die L1E beispielsweise sagt: „It’s pack-up time“ ist zunächst sekundär, was die einzelnen Wörter bedeuten; entscheidend ist die Absicht, die hinter der Äußerung steht, nämlich die Kinder dazu zu bringen, ihre Spielsachen oder den Basteltisch etc. aufzuräumen. Wie die L1 der Kinder kann auch das Englische in Aktivitäten, die einen sprachlichen Fokus beinhalten, eingebunden werden. Das ist z.B. der Fall bei Spielen, die auf der Methode der total physical response (TPR, vgl. Richards & Rodgers 2001: 73ff.) basieren. Zum Beispiel werden einem Kind Verben wie run oder swim zugeflüstert, wobei das Kind dann die entsprechende Aktivität ausführen bzw. simulieren muss. Die anderen Kinder erraten dann die Aktivität. Eine andere Möglichkeit ist beispielsweise, dass den Kindern auf Bildern jeweils zwei Gegenstände gezeigt werden und dann die entsprechenden Komposita erraten werden müssen (house + boat = houseboat, foot + ball = football etc.). Derartige Aktivitäten stärken nicht nur den Wortschatz, sondern auch das Sprachbewusstsein. 4.2 Interaktion Um Input zu verstehen, bedarf es häufig Nachfragen oder Klärungen. Wie wichtig diese Art der Interaktion ist, wird in der folgenden Episode deutlich, in der ein Kita-Kind mit einer englischsprachigen Studentin spricht (Tiefenthal 1999): Kind: Ich wusste nicht, dass du heute kommst. Studentin: I come every Monday. Kind: Was ist Monday? Studentin: Monday, Tuesday, Wednesday... Kind: Ah, du meinst die Tage. <?page no="122"?> 122 Martina Weitz & Andreas Rohde Das Kind verhandelt die Bedeutung der Äußerung „I come every Monday“ auf Deutsch. Die Studentin hingegen spricht weiterhin Englisch und gibt dem Kind Hilfestellung, indem sie durch das Aufzählen weiterer Wochentage deutlich macht, worum es ihr geht (vgl. auch Burmeister 2006, Lightbown & Spada 2006, Kersten 2010). Bedeutungsverhandlungen, die im Kita-Kontext, wie auch dieses Beispiel zeigt, häufig in zwei Sprachen ablaufen können, führen zu einigen relevanten Modifikationen, die als positiv für die Verständnissicherung und den L2- Erwerb angesehen werden (Fujimoto et al. 1986, Gass & Alvarez-Torres 2005, Long 1985). Durch den Hinweis auf ein Verständnisproblem auf Seiten des Kindes, kann die L1E das Verständnis auf unterschiedliche Arten unterstützen: Sie kann einzelne Wörter anhand von Objekten, Bildern, Mimik oder Gestik kontextualisieren, Synonyme oder ähnliche Wörter anbieten, Vergleiche anstellen, weitere Erklärungen nutzen, u.v.m. Inputmodifikationen, die aus Interaktionen entstehen, werden in der Literatur häufig als qualitativ besonders hochwertig angesehen, u.a. da die Aufmerksamkeit der L2-Lerner gerade durch die zunächst fehlgeschlagene Kommunikation auf bestimmte Lexeme oder sprachliche Strukturen gelenkt wird (z.B. Gass & Varonis 1994, Loschky 1994, Ellis et al. 1994, Pica et al. 1987). Ein solcher Fokus erhöht somit auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Lerner den angebotenen Input in seine Interimssprache integriert. 4.3 Output Wie bereits erwähnt, kann es mehrere Monate dauern, bis die Kita-Kinder selbst englischsprachige Wörter oder gar kurze Äußerungen produzieren. Der eigene Output, d.h., die eigene Sprachproduktion ist erforderlich, um die Aussprache und die grammatischen Strukturen der L2 Englisch zu erwerben. Darüber hinaus testet der Lerner durch seinen Output seine Hypothesen über fremdsprachliche Strukturen und wird sich der spezifischen Probleme bewusst, die er mit der L2 hat (vgl. Gass 2003, Swain 1985). Es ist offensichtlich, dass Output elementarer Bestandteil des L2-Erwerbs ist und auch im schulischen L2-Unterricht eine wichtige Rolle spielt. In der Kita, selbst wenn diese dem oben beschriebenen idealtypischen Modell entspricht, spielt die eigene Produktion der Kinder zunächst eine sekundäre Rolle. Da in der Regel jeglicher Zwang und Druck fehlt, selbst L2 Englisch- Äußerungen zu produzieren, verharren die Kinder für eine ausgedehnte Phase in der Zuhörerrolle. Anders als Input und Interaktion scheint der Output-Komponente im Kita-Alltag zunächst weniger Relevanz zuzukommen. Gerade wiederkehrende Aktivitäten können jedoch genutzt werden, um die Kinder zur eigenen L2-Produktion zu ermutigen. So kann die L1E die Kinder auffordern, Phrasen wie „It’s pack up time“, „Can I go to the bathroom, please? “, „What’s your favourite colour? “ o.Ä. selbst zu produ- <?page no="123"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 123 zieren und sie dadurch bei der L2-Lautproduktion und der Automatisierung von L2-Äußerungen unterstützen. In Bezug auf Fehlerkorrekturen von L2-Äußerungen betonen aktuelle Studien im inhaltsbasierten Unterricht besonders den positiven Charakter von expliziten Korrekturen (z.B. Lyster 2007, Lyster & Ranta 1997). Auch Swain (1985) thematisiert die Problematik, dass Schülerinnen und Schüler in kanadischen Immersionsklassen zwar rezeptiv muttersprachlichen-ähnliche L2-Kompetenzen erwerben, produktiv jedoch Fossilisierungen aufweisen, die auch nach langem und intensivem L2-Kontakt bestehen bleiben. Auch sie fordert daher einen stärkeren Fokus auf „verständlichen Output“, d.h. eine zielsprachengerechte Produktion der L2. Gerade in der Kita jedoch scheint es wichtig zu sein, jegliche Art von L2-Produktion positiv zu unterstützen und Fehler nicht explizit, sondern implizit zu korrigieren, etwa durch recasts, d.h. eine zielsprachengerechte Wiederholung der Äußerung. Dies hat vor allem motivationale Gründe: Da die eigene kreative L2- Produktion in der Kita zunächst selten auftritt, sollten die Kinder stets in ihren Versuchen, die L2 produktiv zu gebrauchen, bestärkt werden. Solche impliziten Verbesserungen sind auch in Studien zum caretaker talk, dem Input den jüngere Kinder im L1-Erwerb erhalten, häufiger als explizite angeführt (vgl. Brown & Hanlon 1970, Sokolov & Snow 1994). 5 Drei Kindertageseinrichtungen im Vergleich Ethnographische Beobachtungen sowie ein entwickelter Fragebogen dienten in drei Kitas (im Folgenden als A, B und C anonymisiert) dazu, genauere Aussagen über die Organisation und den Einsatz des Englischen treffen zu können. Der Fragebogen wurde auf der Basis der bereits beschriebenen Leitprinzipien zur Umsetzung bilingualer Kindergartenprogramme erstellt und von der Leitung der Kindergärten bzw. den wissenschaftlichen BegleiterInnen (UniversitätsmitarbeiterInnen) der jeweiligen Kita ausgefüllt. Die Prinzipien ergaben sich aus Merkmalen, die in der Fachliteratur als „best practices“ für den bilingualen Kitasowie Schulkontext angeführt werden (z.B. Kersten et al. 2010c, Massler & Ioannou-Georgiou 2010) sowie aus eigenen Beobachtungen. Anhand der ausgewählten Fragen (u.a. zur Gruppenstruktur, zur Gruppengröße, zum Team, zur Verteilung der Aktivitäten, zu den Kindern, zu qualitativen Merkmalen der sprachlichen Interaktion zwischen L1E und den Kindern etc.) konnten besonders in Bezug auf drei Kategorien grundlegende Unterschiede zwischen den Kitas festgestellt werden: a) Input, b) Interaktion und c) Verhältnis zur L1E. Die Kinder der drei untersuchten Kitas lassen sich der oberen Mittelschicht zuordnen. Die Eltern haben in vielen Fällen akademische Abschlüsse und genießen einen überdurchschnittlich hohen sozialen Status. Darüber <?page no="124"?> 124 Martina Weitz & Andreas Rohde hinaus sind nur vereinzelt Kinder aus mehrsprachigen Familien zu verzeichnen; in dieser Studie ergab es sich, dass insgesamt nur ein bilingual deutsch-französisches Kind getestet wurde; alle anderen Kinder waren monolinguale L1-Deutsch-SprecherInnen. Da sich die Kitas in Bezug auf den sozio-ökonomischen Status kaum voneinander unterscheiden, kann diese Variable im Weiteren unberücksichtigt bleiben. Auch in Bezug auf andere Faktoren, etwa Gruppengröße oder Anzahl und Arbeitszeiten der L1E, ließen sich anhand des Fragebogens keine großen Unterschiede feststellen. Sobald es jedoch Unterschiede gab und diese qualitative oder quantitative Auswirkungen auf den L2-Input hatten, werden sie im Folgenden beschrieben und zur Interpretation der Ergebnisse herangezogen. 5.1 Kita A Diese Kita wird von 18 Kindern im Alter von ein bis sechs Jahren besucht. Hinzu kommen 17 Hortkinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, die ab ca. 12 Uhr in die Kita kommen. Insgesamt sind jeweils drei Betreuungskräfte für die beiden Gruppen verantwortlich, wobei eine dieser Kräfte eine L1E ist, die sich sowohl um die Kitaals auch um die Hortkinder kümmert. Die L1E spricht mit den L1D ausschließlich Deutsch. Aufgrund der Sprache im Team, dem Betreuungsschlüssel (d.h. der Anzahl der L2-Fachkräfte und der Anzahl der betreuten Kinder) und der Anwesenheitszeit der L1E kann der englischsprachige Input für die Kita-Kinder auf ca. 30% ihres gesamten sprachlichen Inputs in der Kita geschätzt werden. Er ist sowohl syntaktisch als auch lexikalisch abwechslungsreich und reichhaltig und nicht nur an ausgewählte Aktivitäten gebunden, sondern wird in allen Kita-Kontexten eingesetzt. Es ließen sich jedoch mehrere Situationen beobachten, in denen kleinere Gespräche, Aufforderungen und z.B. Ermahnungen beim Essen von der L1E auf Deutsch formuliert wurden. Das „eine-Person-eine-Sprache“-Prinzip wird daher nicht konsequent eingehalten.Sprachliche Korrekturen sind ausschließlich in Form von implizitem korrektivem Feedback zu verzeichnen, d.h., die L1E wiederholt die L2- Äußerungen der Kinder zielsprachengerecht, ohne sie explizit zu verbessern und auf den Fehler hinzuweisen. Weiterhin ergeben sich zwischen den Kindern und der L1E zahlreiche Bedeutungsverhandlungen, in denen die Kinder Nachfragen anstellen und beide Seiten interessiert an den Aussagen des jeweils anderen sind. Die Kinder wenden sich häufig an die L1E, die sehr zuvorkommend auf alle Kinder eingeht. Das Verhältnis zwischen den Kindern und der L1E ist äußerst positiv. Das zeigt u.a. die Tatsache, dass sich die Kinder mit ihren Problemen vorwiegend an die L1E wenden, obwohl diese zumindest in der überwiegenden Zahl der Fälle darauf in ihrer L1 Englisch reagiert. <?page no="125"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 125 5.2 Kita B Neben einer Krippe umfasst Kita B zwei bilinguale Gruppen, eine deutschenglische und eine deutsch-französische. Beide bilinguale Gruppen werden von jeweils drei Kräften betreut, von denen jeweils eine L1E bzw. eine L1 französische Kraft ist. Die deutsch-englische Gruppe besteht aus 23 Kindern. Der englischsprachige Input beläuft sich hier ebenso wie in Kita A auf etwa 30%. Da sich die Kinder in der Regel jedoch sieben Stunden in der Kita aufhalten, ist die Quantität des Inputs für die einzelnen Kinder, zumindest theoretisch, erheblich höher als in Kita A. L1E und die L1D sprechen untereinander meist Deutsch und selten Englisch. Der L2-Input besteht sehr häufig aus Anweisungen oder Aufforderungen. Äußerungen der Kinder werden meist explizit korrigiert, d.h., dass die Kinder auf ihre Fehler hingewiesen werden. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass der Input häufig an mehrere Kinder zugleich gerichtet und weniger individuell ausgelegt ist. Diese Punkte weisen bereits darauf hin, dass Bedeutungsverhandlungen bzw. Gespräche nur sehr selten stattfinden. Das Englische wird vorwiegend für den Zweck der Informationsvermittlung eingesetzt und kaum zur Interaktion mit den Kindern. Die Kinder suchen in der Gruppe den Kontakt deutlich häufiger mit den L1D als mit L1E. Letztere kann zwar nicht als unfreundlich bezeichnet werden, jedoch entsteht bei allen BeobachterInnen der Gruppe der Eindruck einer gewissen Gleichgültigkeit. L1E hält sich zwar an das „eine Person - eine Sprache“-Prinzip (vgl. Döpke 1992); durch das Kommunikationsverhalten von L1E werden jedoch die Möglichkeiten des Inputs und der Interaktion in keiner Weise ausgenutzt. 5.3 Kita C Kita C ist im Vergleich der drei Kitas mit Abstand die größte. Insgesamt beherbergt sie ca. 100 Kinder, die auf fünf Gruppen aufgeteilt sind, von denen zwei mit je 20 Kindern bilingual deutsch-englisch geführt werden. Anders als in Kita A und B sind für jede Gruppe zwei statt drei Kräfte verantwortlich, von denen in den beiden englischsprachigen Gruppen jeweils eine L1E ist. Die Kinder halten sich täglich durchschnittlich fünf Stunden in der Kita auf. Beide L1E halten sich an das „eine Person - eine Sprache“-Prinzip; die gemeinsame Sprache mit den L1D ist grundsätzlich Englisch. Somit ergibt sich eine höhere Inputquantität als in den beiden anderen Kitas. Sie kann in beiden Gruppen mit 50% beziffert werden. Der Input ist in beiden Gruppen reichhaltig und abwechslungsreich. Zahlreiche unterschiedliche Aktivitäten sorgen für eine große Anzahl sprachlicher Kontexte. Darüber hinaus setzen beide L1E Spiele ein, in der sprachliche Merkmale des Englischen besonders hervorgehoben werden (siehe 4.1). Die Kinder werden häufig individuell angesprochen und seltener, wie im Falle der Kita B, als <?page no="126"?> 126 Martina Weitz & Andreas Rohde Gruppe. Es kommt sehr häufig zu Bedeutungsverhandlungen. Rückmeldungen zu Fehlern der Kinder werden überwiegend in der Form von recasts, d.h. implizitem korrektivem Feedback (siehe 4.3) gegeben. Die beiden L1E sind äußerst beliebt. Jedoch werden L1E und L1D gleichermaßen geschätzt, so dass die Kinder sich mit ihren Problemen und Sorgen an beide Kräfte wenden. 6 Der British Picture Vocabulary Scale II (BPVS II) Um das rezeptive L2-Vokabelwissen von Kita-Kindern zu ermitteln, wurde der British Picture Vocabulary Scale II (BPVS II, Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997) in den drei Kitas A, B und C eingesetzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der BPVS entwickelt wurde, um den Umfang des rezeptiven Wortschatzes englischer L1-Lerner zu ermitteln. Er ist ein standardisiertes Testinstrument, das den Wortschatz von dreibis 15-jährigen L1-Sprechern bestimmen kann. Er basiert auf dem US-amerikanischen Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT, Dunn, Dunn & Williams 1997) und trägt den kulturellen Besonderheiten Großbritanniens Rechnung. Da sich die L1- SprecherInnen in den untersuchten Kindergärten weitgehend am britischen Englisch orientieren, wurde der BPVS ausgewählt. Die einzelnen Sets sind Altersstufen zugeordnet, das erste Set beispielsweise wurde für zweieinhalb bis dreijährige Kinder konzipiert, Set 2 für vierbis fünfjährige etc. Verwendet man jetzt den BPVS für den L1-Erwerb Englisch, so kann mit dem Set begonnen werden, das sich auf die jeweilige Altersspanne des Probanden bzw. der Probandin bezieht. Macht das Kind jedoch mehr als einen Fehler, so wird mit dem nächstfrüheren Set begonnen, das dann als Startset fungiert. Daraufhin wird so lange getestet, bis acht Fehler gemacht werden. Das Set, in dem acht oder mehr Fehler zu verzeichnen sind, wird zum sog. ceiling set. Alle richtigen Antworten ergeben zusammen den Rohwert. Mit Hilfe des Rohwerts kann dann ein Altersäquivalent ermittelt werden, d.h., es kann festgestellt werden, welcher Wert für eine bestimmte Altersstufe erwartbar ist. So kann z.B. ermittelt werden, ob ein Wert dem Durchschnitt einer Altersgruppe entspricht oder ob er möglicherweise darüber oder darunter liegt (Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997: 16). Der BPVS II ist nicht nur für den L1-Erwerb Englisch standardisiert worden, sondern auch für L2-Lerner, die Englisch in Großbritannien erwerben (EAL = English as an Additional Language) und daher unterschiedlichste L1- Hintergründe haben können. Für EAL wurde der BPVS II mit Hilfe von 410 Testpersonen an 77 Schulen standardisiert. Die Daten wurden individuell und unter den gleichen Bedingungen wie zuvor für die monolingualen englischen Testgruppen erhoben. Für jede Altersgruppe konnte statistisch signi- <?page no="127"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 127 fikant gezeigt werden, dass der Wortschatz der L1-Standardisierungsgruppe dem der EAL-Gruppe überlegen ist (Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997: 37). Weiterhin nimmt diese Abweichung mit steigendem Alter zu. Während sich die Differenz der Altersäquivalente bei Vorschulkindern auf zehn Monate beläuft, so beträgt sie für die fünfbis sechsjährige Vergleichsgruppe ungefähr eineinhalb Jahre und für Siebenbis Achtjährige sogar fast zwei Jahre (ebd.). 7 Probleme bei der Übertragung des BPVS II auf L2-Lerner im deutschsprachigen Raum Beim Einsatz des BPVS II in bilingualen Kindergärten in Deutschland ergeben sich einige Schwierigkeiten. Ein Vergleich zwischen EAL-Kindern und deutschen Kindergartenkindern ist nicht ohne weiteres möglich, da für letztere das Englische nicht die umgebende Sprache ist. Im Prinzip würde ein Testinstrument benötigt, das sowohl den Altersfaktor als auch die L2-Input- Intensität mit einbezieht und mit Hilfe von Longitudinalstudien genau für den entsprechenden Kita-Kontext standardisiert wird (Rohde 2005: 162). Bisher haben aber nur wenige Studien verglichen (vgl. auch Häckel & Piske in diesem Band), wie in unterschiedlichen Kindergartenkontexten Englisch gelernt wird und inwieweit die individuellen Bedingungen des jeweiligen Kindergartens eine Rolle spielen. Die hier vorgestellte Studie soll gerade zu dieser Frage einen Beitrag leisten, indem zunächst mit Hilfe des BPVS II ermittelt wird, wie unterschiedlich die Leistungen der Kinder in unterschiedlichen Kindergartenkontexten tatsächlich sind, um dann erste Überlegungen anzustellen, wie es zu diesen Unterschieden kommen kann. Diese vorläufigen Untersuchungen wurden, wie bereits erwähnt, innerhalb des ELIAS Projektes anhand einer größeren Datenbasis weitergeführt (Kersten et al. 2010a, 2010b, siehe auch Kersten in diesem Band). Die ersten Bemühungen, Wortschatzerhebungen in einer deutschen Kita durchzuführen, waren darauf gerichtet, den tatsächlich erworbenen Wortschatz der Kinder zu ermitteln (siehe z.B. Maibaum 1999, Tiefenthal 1999). Mit Hilfe der L1E wurden Wortlisten erstellt, die möglichst umfassend das in der Kita benutzte Vokabular enthalten sollten. Aus diesen Listen wiederum wurden dann Bildkarten angefertigt, die zumeist Gegenstände enthielten. Die Kinder wurden dann im Test entweder gebeten, die abgebildeten Objekte auf Englisch zu benennen oder die Bedeutung englischer Wörter oder Phrasen ins Deutsche zu übersetzen. In Bezug auf die L2- Produktionder eliziterten Objektwörter erwiesen sich die Kinder jedoch größtenteils als zu schüchtern. Aus diesem Grund wurde dann erstmals der BPVS II versuchsweise in Kita C eingesetzt, da er den rezeptiven Wortschatz ermittelt. Zudem spielen Wortfelder, wie bereits erwähnt, keine Rolle; viel- <?page no="128"?> 128 Martina Weitz & Andreas Rohde mehr wird ein für eine bestimmte Altersstufe repräsentativer Wortschatz erfragt, so dass er weiterreichende Aussagen zulässt als über den Erwerb bzw. fehlenden Erwerb von Wortlisten eines bestimmten Kindergartens. Für die deutschen Kinder ergab sich dabei jedoch das Problem, dass der als repräsentativ ermittelte L1-Wortschatz zuweilen nicht dem alltäglichen Wortschatz der L2-Kinder entspricht. So waren z.B. die Wörter gate und drum aus dem ersten Set problematisch für einige Kinder, was dazu führte, dass sie im ersten Set unweigerlich zwei Fehler machten. Interessant ist hierbei, dass es in Kita C ein recht großes und auffälliges Eingangstor gab. Es wurde aber offenbar kaum von den L1E-Kräften benannt, so dass eine Reihe von Kindern das Wort gate nicht nachhaltig dem entsprechenden Bild hätten zuordnen können. Ein weiteres Problem betrifft Wörter wie lock oder eagle. Beide werden aufgrund ihrer lautlichen Ähnlichkeit mit den Wörtern „Locke“ bzw. „Igel“ von deutschen Kindern häufig fehlerhaft den Abbildungen einer Metallfeder bzw. einem Pfau mit ausgebreitetem Gefieder zugeordnet. Da der Test nicht speziell für deutsche L1-Sprecher konzipiert wurde, können solche L1-Einflüsse durch die zur Verfügung stehenden Distraktoren nicht ausgeschlossen und an den eben aufgeführten Stellen sogar eher begünstigt werden (vgl. auch Couve de Murville et al. 2016 für weitere kritische Anmerkungen zum Testinstrument). 8 Testergebnisse und Diskussion Die im Folgenden diskutierten Testdaten wurden in den Kitas A, B und C mit den folgenden Kindern erhoben: Kita A: 13 L1-deutschsprachige Kinder (6 Mädchen, 7 Jungen), 3-27 Monate L2- Kontakt (durchschnittliche L2-Kontaktzeit: 18,5 Monate), 2; 11-6; 3 Jahre (durchschnittliches Alter: 4; 4 Jahre) Kita B: 18 L1-deutschsprachige Kinder, 1 französisch-deutsch bilingualer Junge (insgesamt 11 Mädchen, 8 Jungen), 10-46 Monate L2-Kontakt (durchschnittliche L2-Kontaktzeit: 30 Monate), 3; 6-7; 0 Jahre (durchschnittliches Alter: 5; 3 Jahre) Kita C: 17 L1-deutschsprachige Kinder, 22 Monate L2-Kontakt, 4; 0-6; 11 Jahre (durchschnittliches Alter: 5; 5 Jahre) Die Testdaten wurden von zwei TestleiterInnen mit jeweils einem Kind in einem separaten, ruhigen Raum in der jeweiligen Kita erhoben. Während das Kind von einem/ einer TestleiterIn befragt wurde, notierte der/ die andere die Antworten der Kinder auf den entsprechenden BPVS-Bögen und fügte, falls nötig, Bemerkungen über die Verfassung des Kindes oder sonstige Besonderheiten hinzu. Im Folgenden werden die Testdaten wiedergegeben, die mit dem BPVS II in den drei Kitas erhoben wurden. Da für viele der getesteten Kinder kein <?page no="129"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 129 Altersäquivalent angegeben werden kann (aufgrund zu niedriger Werte), werden zunächst ausschließlich die Rohwerte verwendet. Aus Platzgründen werden nicht die Ergebnisse der einzelnen Kinder angezeigt, sondern Durchschnittswerte verschiedener Gruppen von Kindern mit vergleichbarer Kontaktzeit, um einen Gesamtvergleich zu ermöglichen. Zusätzlich zur L2- Kontaktzeit kann auch das Alter einen Einfluss auf den L2-Erwerb haben. Einigen Studien zufolge haben ältere Lerner bezüglich des Lernanstiegs zunächst einen Vorteil gegenüber jüngeren Lernern (vgl. Singleton & Ryan 2004, Snow & Hoefnagel-Höhle 1978). Als Gründe für einen solchen Vorteil werden häufig metalinguistisches Wissen, das Zugreifen auf Problemlösungsstrategien oder größeres Erinnerungsvermögen angeführt (vgl. Rohde 2010b). Da im vorliegenden Datensatz (d.h. in Kita A und B) die älteren Kinder auch eine längere L2-Kontaktzeit aufweisen, kann der Faktor Alter zunächst vernachlässigt werden, muss jedoch bei einem Vergleich der drei Kitas bei ähnlicher Kontaktzeit Berücksichtigung finden. 8.1 Kita A In Kita A gelingt es nur drei Kindern, einen deutlich höheren Rohwert als 8 zu erzielen. Es sind große Differenzen bei gleicher Kontaktzeit zu beobachten. Während zwei der Kinder mit 27 Monaten L2-Kontakt einen Rohwert von 27 und 35 aufweisen, finden sich bei den anderen drei Kindern mit gleicher Kontaktzeit nur 7 und 8 korrekte Antworten. Das dritte Kind mit einem besseren Ergebnis (25 korrekte Antworten) ist eines mit 16 Monaten L2- Kontakt. Bei den ermittelten Durchschnittswerten in Abbildung 1 wurden möglichst gleich viele Kinder mit homogener Kontaktzeit in drei Gruppen unterteilt. Die erste und zweite Gruppe umfassen jeweils vier Kinder mit 2-7, bzw. 15-16 Monaten L2-Kontakt, während die dritte fünf Kinder mit 27 Monaten L2-Kontakt beinhaltet. Der kontinuierliche Anstieg der Durchschnittswerte 6,6, 11,75 und 16,8 ist deutlich von den drei Kindern mit höheren Werten geprägt, da diese genau in die mittlere und höchste Kontaktzeitgruppe fallen. Deshalb von einer willkürlichen Verteilung zu sprechen, würde jedoch nicht die Tatsache erklären, dass in der Gruppe mit geringster Kontaktzeit keines der Kinder und in der mittleren Gruppe nur ein Kind einen höheren Wert erreicht. Es ist also ein Zusammenhang von rezeptivem Wortschatzerwerb und L2-Kontaktzeit zu vermuten. <?page no="130"?> 130 Martina Weitz & Andreas Rohde Abb. 1: Kita A: BPVS-Durchschnittswerte für drei verschiedene L2-Kontaktzeiten (durchschnittliche Rohwerte auf der Y-Achse, L2-Kontaktzeitgruppen auf der X-Achse). 8.2 Kita B In Kita B übertrifft nur eines der fünf Kinder, die eine Kontaktzeit zwischen 10 und 12 Monaten aufweisen, mit 21 korrekten Antworten einen Rohwert von 7-8. Der deutsch-französisch bilinguale Junge mit 19 Monaten L2- Kontakt erreicht einen Rohwert von 14. Die Kinder, die 24 Monate mit der L2 in Kontakt sind, weisen sehr differierende Ergebnisse auf. Während zwei der Kinder mit 24 Monaten L2-Kontakt Rohwerte von 6-7 nicht übersteigen, erreicht ein anderes mit der gleichen Kontaktzeit einen Rohwert von 23. Vergleicht man letzteren Wert mit zwei Kindern, die selbst nach 42 und 43 Monaten L2-Kontakt nicht mehr als 7-8 korrekte Antworten aufweisen oder mit den Werten zweier Kinder, die nach 41 bzw. 46 Monaten L2-Kontakt nur einen Rohwert von 22 bzw. 19 erreichen, wird deutlich, dass eine längere L2- Kontaktdauer nicht immer ausschlaggebend für ein besseres Ergebnis ist. Die anderen sechs Ergebnisse der Kinder mit 40-46 Monaten L2-Kontakt weisen ein relativ einheitliches Bild auf, da sie zwischen 26 und 43 bekannten Wörtern bzw. zwischen dem vierten oder sechsten Set variieren. <?page no="131"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 131 Abb. 2: Kita B: BPVS-Durchschnittswerte für drei verschiedene L2-Kontaktzeiten (durchschnittliche Rohwerte auf der Y-Achse, L2-Kontktzeitgruppen auf der X-Achse). Um die Durchschnittswerte in Abbildung 2 zu erfassen, wurden folgende L2-Kontaktzeitgruppen mit vergleichbarer Gruppengröße und nicht zu stark variierender L2-Kontaktzeit zusammengestellt: Die erste Gruppe von 10-12 Monaten L2-Kontakt umfasst fünf Kinder, in die zweite Gruppe fällt ein Kind, das 19 Monate L2-Kontakt aufweist und vier Kinder mit 24 Monaten L2-Kontakt, und die dritte beinhaltet zehn Kinder mit einer Kontaktzeit von 40-46 Monaten. In Abbildung 2 ist deutlich zu erkennen, dass die Durchschnittswerte bei längerer Kontaktzeit kontinuierlich ansteigen und sich demnach der rezeptive Wortschatz im Durchschnitt mit steigendem L2- Kontakt in Kita B vergrößert. Es sei jedoch erneut angemerkt, dass es aufgrund der sehr geringen Probandenzahl nicht möglich ist, repräsentative Aussagen über einen Zusammenhang zu treffen, sondern dass nur von Tendenzen gesprochen werden kann. 8.3 Kita C Alle Kinder in Kita C weisen eine einheitliche L2-Kontaktdauer von 22 Monaten auf, so dass eine Darstellung verschiedener L2-Kontaktzeitblöcke wie für Kita A und B nicht möglich ist. Jedoch variieren hier, wie auch in den anderen Kitas, die Rohwerte der einzelnen Probanden; es werden jedoch insgesamt erheblich höhere Werte erreicht als in den Kitas A und B. Während sechs Kinder sehr niedrige Were von 7-9 korrekten Antworten aufweisen, erreichen die anderen elf Kinder Rohwerte zwischen 22 und 55. Diese <?page no="132"?> 132 Martina Weitz & Andreas Rohde elf Kinder weisen demnach einen durchschnittlichen Rohwert von 33,6 auf, während in Kita A der höchste Wert lediglich bei 35 liegt und auch in Kita B dieser nur von einem Kind mit einem Rohwert von 43 übertroffen wird. Abb. 3: Kita C: Die erreichten BPVS-Rohwerte für insgesamt 17 Kinder nach einer Kontaktzeit von 22 Monaten, geordnet nach steigendem Alter (Rohwerte auf der Y-Achse, Kinder auf der X-Achse). Um die Ergebnisse der drei Kitas miteinander in Beziehung setzen zu können, werden die Durchschnittswerte der Kinder mit möglichst homogener Kontaktzeit errechnet. Da alle Ergebnisse aus Kita C auf einem L2-Kontakt von 22 Monaten basieren, müssen die Kinder der anderen beiden Kitas in möglichst deckungsgleiche Vergleichsgruppen eingeteilt werden. Es ist hierbei zu beachten, dass die Unterteilung von Gruppen nur bedingt homogen sein kann und angesichts der wenigen Testpersonen sehr stark von individuellen Ergebnissen geprägt ist. Da das durchschnittliche Alter in Kita C zudem höher ist als in den beiden anderen Kitas und das Alter, wie bereits erwähnt, einen Einfluss auf die L2-Kompetenz haben kann, werden bei diesem Vergleich nur die Kinder bis zu 6; 3 Jahren aus Kita C berücksichtigt (dieses Alter entspricht dem ältesten Kind aus Kita A). <?page no="133"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 133 Abb. 4: Die drei Kitas im Vergleich anhand ähnlicher L2-Kontaktdauer- Zuordnungen (durchschnittliche Rohwerte auf der Y-Achse, L2- Kontaktzeitgruppen der drei Kitas auf der X-Achse). In Abbildung 4 wird ein Unterschied zwischen den Kitas erkennbar. Kita C (20,4) übertrifft Kita B (12,5) mit einem durchschnittlichen Rohwert von 7,5, während Kita A mit 16,7 zwischen den beiden liegt. Ein solcher Vergleich ist jedoch auf mehreren Ebenen problematisch, da es weder möglich ist, Kinder mit exakt gleicher L2-Kontaktzeit noch mit exakt gleichem Alter gegenüber zu stellen. Eine Annäherung an möglichst gleiche Gruppen wurde dadurch gewährleistet, dass aus Kita A und B sowohl Kinder mit längerer als auch mit kürzerer L2-Kontaktzeit als in Kita C berücksichtigt und die älteren Kinder aus Kita C nicht mit in die Berechnungen aufgenommen wurden. Selbst bei einheitlicher L2-Kontaktdauer ist jedoch zu beachten, dass sich die Gruppen auch hinsichtlich der Intensität unterscheiden, mit der die Fremdsprache in der Kita eingesetzt wird. Kita C weist hier mit 50% die höchste L2-Intensität auf. 9 Altersäquivalent Wie zuvor erwähnt, bietet der BPVS II Altersäquivalente englischer L1- und EAL-SprecherInnen, die es ermöglichen, die erhobenen Daten mit dem Alter der Kinder in Beziehung zu setzen. Das Altersäquivalent zeigt das Alter eines L1-Lerners bzw. das eines natürlichen L2-Lerners des Englischen (EAL = English as an Additional Language) an, der im Durchschnitt das gleiche Ergebnis wie die Testperson erreicht, so dass überprüft werden kann, inwie- <?page no="134"?> 134 Martina Weitz & Andreas Rohde In Kita A konnten die Ergebnisse dreier Kinder mit EAL-Kindern verglichen werden. Diese deutschen Kinder liegen danach im Durchschnitt lediglich 9 Monate hinter den EAL-Werten zurück, d.h., ein gleichaltriges EAL- Kind erreicht denselben Wert wie ein Kind aus Kita A 9 Monate früher. In Kita B konnten die Rohwerte von neun Kindern in die Berechnung eingehen: Hier liegt die Diskrepanz bei 23 Monaten und ist somit deutlich größer. In Kita C weisen insgesamt 11 Kinder Rohwerte auf, die einen EAL-Vergleich erlauben. Im Durchschnitt liegt die Differenz zum EAL-Altersäquivalent wie in Kita A bei 9 Monaten. Interessanterweise können hier zwei Kinder sogar Werte aufweisen, die besser sind als die durchschnittlichen EAL-Daten, d.h., zwei der Kinder aus Kita C erreichen höhere Werte für ihren rezeptiven Wortschatz als gleichaltrige EAL-Kinder, die in Großbritannien Englisch als L2 lernen. Auch unter Berücksichtigung des Alters der Kinder kann demnach festgestellt werden, dass in Kita A und C durchschnittlich die höchsten Ergebnisse erzielt werden, die deutlich näher an den EAL-Werten liegen. Außerdem weist die geringe EAL-Differenz auch über den Kita-Vergleich hinaus auf ein erfolgreiches Sprachenlernen in bilingualen Einrichtungen hin. Diese positiven Erkenntnisse konnten anhand der weitaus größeren ELIAS-Datenbasis von neun bilingualen Kindergärten in Schweden, Belgien und Deutschland in Bezug auf den rezeptiven Wortschatz- und Grammatikerwerb bestätigt werden (vgl. Rohde 2010a, Steinlen et al. 2010, siehe auch Kersten in diesem Band). 10 Fazit Trotz der gebotenen Vorsicht aufgrund der geringen Datenbasis lässt sich konstatieren: Je eher eine Kita in der Lage ist, die idealtypischen Merkmale eines bilingualen Programms zu realisieren, desto besser fallen die Ergebnisse für den rezeptiven englischen Wortschatz aus. In Kita A ist zu beobachten, dass die L1E trotz gegenteiliger Angaben im Fragebogen in etlichen Situationen Deutsch statt ihrer L1 Englisch spricht, vor allem in Kontexten, in denen Konflikte gelöst werden müssen. Auf diese Weise entspricht das Verhalten der L1E nicht dem Ideal-Prinzip, tatsächlich mit den Kindern nur ihre L1 Englisch zu gebrauchen. In Kita B fehlen englischsprachige Bedeutungsverhandlungen fast vollständig; der anhand des Fragebogens ermittelte Input weist darauf hin, dass die L1E der Struktur der Sprache mehr Beweit das Ergebnis der Testperson von dem der L1bzw. EAL-Vergleichsgruppe abweicht oder mit ihm übereinstimmt. Die zuvor mit Hilfe des Rohwertes dargestellten Ergebnisse ermöglichten zwar einen direkten Vergleich des Wortschatzumfangs der einzelnen Kinder, welche Aussagen dies über das L2-Niveau des individuellen Lerners erlaubt, bleibt jedoch unklar. <?page no="135"?> Wortschatzuntersuchungen in bilingualen Kitas 135 deutung beimisst als ihrer Funktion als Kommunikationsmedium. Interaktionen, in denen auf individuelle Kinder eingegangen wird, sind selten nachzuweisen. Konflikte werden darüber hinaus häufiger von den beiden L1D gelöst. Lediglich in Kita C halten sich die L1E an das Prinzip „eine Person - eine Sprache“. Darüber hinaus bemühen sie sich um einen reichhaltigen und abwechslungsreichen Input, stärken durch sprachliche Aktivitäten das Sprachbewusstsein der Kita-Kinder und verhandeln Bedeutung grundsätzlich in ihrer L1 Englisch, selbst wenn die Kinder in diesen Verhandlungen Deutsch sprechen. Im obigen Beispiel (siehe 4.2) zeigt sich, dass auch auf diese Weise erfolgreich interagiert werden kann und das Hörverständnis der Kinder gefördert wird. Die Testergebnisse spiegeln die beschriebenen Unterschiede in der Input- und Interaktionsqualität innerhalb der verschiedenen Kitas wider: Kita C, deren Fragebogenauswertung auf eine nahezu vollständige Umsetzung der idealtypischen Merkmale eines bilingualen Programms schließen lässt und in der von der höchsten L2-Intensität ausgegangen werden kann (aufgrund des Erzieher/ Kind-Schlüssels sowie der Einhaltung des „eine Person - eine Sprache“-Prinzips), weist die höchsten Werte im rezeptiven L2-Wortschatz auf, gefolgt von Kita A, in der gerade der häufig fehlende L2-Gebrauch in Konfliktsituationen auf eine weniger natürliche Verwendung der Sprache hinweist. Auch in Kita B, in der der rezeptive L2- Wortschatz am geringsten ist, scheint die Qualität der Interaktionen und des Inputs sowie das fehlende enge persönliche Verhältnis zur L1E den Wortschatzerwerb zu beeinflussen. Es muss in dieser Analyse jedoch berücksichtigt werden, dass insgesamt lediglich 49 Kinder getestet werden konnten. Darüber hinaus differiert die L2-Kontaktdauer unter den Kindern in unterschiedlichem Maße, so dass die vorliegenden Ergebnisse lediglich Tendenzen zeigen und repräsentative Aussagen an dieser Stelle nicht formuliert werden können. Die vorliegende Studie ist als Pilotstudie und wichtige Grundlage für die Wortschatzuntersuchung und die Inputstudie zu verstehen, die innerhalb des ELIAS-Projektes durchgeführt wurden (vgl. Rohde 2010, Weitz et al. 2010, Weitz 2015, Weitz et al. 2010, siehe auch Kersten in diesem Band). Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse zur Relevanz von quantitativen und qualitativen Inputfaktoren wurden unter anderem das Input Quality Observation Scheme (IQOS, Weitz et al. 2010, Weitz 2015, Weitz et al. 2010, Weitz 2012, Weitz 2015) als ein quantitatives Beobachtungsinstrument entwickelt. Des Weiteren kann durch den „Inputintensitätsfaktor“, der Informationen zur Gruppengröße, Anwesenheit der Kinder, Anwesenheit der L1E und Öffnungszeiten der Kita berücksichtigt, die genaue fremdsprachliche Inputintensität genauer berechnet werden (Weitz et al. 2010, Weitz 2015, Weitz et al. 2010: 30f.). Bereits die ersten Analyseergebnisse für bilingual deutsch-englische Programme in deutschen Kindertageseinrichtungen weisen darauf hin, dass die <?page no="136"?> 136 Martina Weitz & Andreas Rohde erreichbare L2-Kompetenz der Kita-Kinder stark davon abhängt, inwieweit den empfohlenen Prinzipien für die Handhabung des Englischen in den jeweiligen Einrichtungen Folge geleistet wird. Auch Berechnungen mit dem IQOS lassen auf einen Zusammenhang zwischen dem Faktor Input und dem rezeptiven L2-Erwerb schließen (Weitz et al. 2010, Weitz 2015, Weitz et al. 2010, Weitz 2015). Es ist daher bei der Planung und Implementierung bilingualer Programme dringend anzuraten, sich mit diesen Prinzipien vertraut zu machen, um wichtige Zusammenhänge im L2-Erwerb zu verstehen und das Potenzial bilingualer Programme tatsächlich auszunutzen. Literatur Brown, R. & Hanlon, C. 1970. Derivational complexity and order of acquisition in child's speech. In: Hayes, J.R. (Hrsg.), Cognition and the development of language. New York: Wiley and Sons, 11-53. Burmeister, P. 2006. Immersion und Sprachunterricht im Vergleich. In: Pienemann, M., Keßler, J.-U. & Roos, E. (Hrsg.), Englischerwerb in der Grundschule. Ein Studien- und Arbeitsbuch. Paderborn et al.: Schöningh (UTB), 197-216. Couve de Murville, S., Kersten, K., Maier, E., Ponto, K. & Weitz, M. 2016. 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Die Ergebnisse der Tests bestätigen die Vermutung, dass sich sowohl das grammatische als auch das lexikalische Hörverständnis der Kinder mit steigendem Kontakt zur englischen Sprache deutlich verbessert hat. Das Geschlecht und das Alter der Kinder hatten dabei keinen Einfluss auf die Testergebnisse. Insgesamt zeigt die Studie, wie sich das lexikalische und grammatische Hörverständnis im Englischen bei bilingual betreuten Kindergartenkindern während der ersten zwei Jahre entwickelt und liefert ErzieherInnen sowie Eltern wertvolle Einsichten über den fremdsprachlichen Lernprozess von Kindern in bilingualen Einrichtungen. 1 Einleitung Schon im Jahre 2003 wurde von der EU gefordert, dass europäische Kinder während ihrer Schullaufbahn mindestens zwei Fremdsprachen auf einem funktional angemessenen Niveau beherrschen sollten (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003). Vor allem seit den Ergebnissen von PISA-E bezieht sich die Bildungsdiskussion in Deutschland dabei nicht nur auf schulische Einrichtungen, sondern auch auf vorschulische Institutionen. In den letzten Jahren haben sich deshalb immer mehr Kindertagesstätten 39 (Kitas) entschlossen, Kindern schon ab dem Alter von drei Jahren (oder früher) eine weitere Fremdsprache anzubieten 40 , so wie beispielsweise der 38 Rohde (2010) folgend werden Zweitsprache und Fremdsprache synonym verwendet, die Abkürzung lautet L2. 39 In diesem Beitrag werden die Begriffe „Kindertagesstätte“ und „Kindergarten“ synonym verwendet. 40 Die Homepage des FMKS bietet eine ständig aktualisierte Auflistung bilingual arbeitender Kindergärten in Deutschland an. <?page no="140"?> 140 Anja K. Steinlen Kindergarten Melsdorf (Schleswig-Holstein), der den Ausgangspunkt dieser Studie bildet. Die Funktionsweise dieses Kindergartens wird genauer von Ufert, Schilk & Steinlen in diesem Band geschildert. Deshalb soll an dieser Stelle nur auf einige Merkmale dieses bilingualen Kindergartens eingegangen werden: Zum Erhebungszeitpunkt arbeiteten im Kindergarten Melsdorf jeweils eine deutsche und eine englische Erzieherin in drei Gruppen. Bei der Umsetzung des bilingualen Angebots gingen diese beiden Erzieherinnen nach dem Prinzip „eine Person eine Sprache“ vor (z.B. Döpke 1992, Baker 2000, Nauwerck 2005), wobei sie als Muttersprachlerinnen ihre jeweilige Sprache und Kultur vertraten. Die englische Sprache wurde den Kindern also nicht in Unterrichtsform vermittelt, sondern als Alltagssprache; das Gesagte wurde durch Handlungen, Gesten und Zeigen unterstützt, also durch die so genannte „Kontextualisierung“. Die Kinder erwarben durch dieses Verfahren die neue Sprache Englisch auf demselben Wege wie ihre Erstsprache (L1), nämlich über die jeweilige Situation (siehe z.B. Steinlen 2008b, Wode 2001, 2006, 2009). Seit dem Jahr 2006 wird der bilinguale Kindergarten Melsdorf wissenschaftlich begleitet, und es werden dort seither regelmäßig Tests zum rezeptiven englischen Grammatik- und Wortschatzerwerb 41 durchgeführt. Die vorliegenden Daten aus dem Kindergarten Melsdorf wurden als Teil des deutschen Forschungsnetzwerkes „Bilinguale Kitas“ erhoben, ein Vorläufer des europäischen ELIAS Projekts (mehr dazu findet sich in Teil D dieses Bandes). In Bezug auf das lexikalische Hörverstehen stützt sich diese Arbeit auf einen Wortschatztest, der aus dem von Henning Wode (Universität Kiel) Anfang der 1990 Jahre gegründeten „Kieler Projekt zur Frühvermittlung von Sprachen“ hervorgegangen ist (Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999). Der Grammatiktest ist eine veränderte Version des „Reception of Syntax Test“ (PROST, Au-Yeung et al. 2000, Howell et al. 2003). Beide Tests werden in Abschnitt 2.2. ausführlich beschrieben. Der Fokus dieser Studie richtet sich - in Anlehnung an andere Untersuchungen - auf den Einfluss der Variablen L2-Kontaktdauer, Alter und Geschlecht auf die Entwicklung des rezeptiven Grammatik- und Wortverstehens im Englischen in einem bilingualen Kindergarten. Im Folgenden werden die bisherigen Forschungsergebnisse zu diesem Thema vorgestellt: 41 Im Folgenden werden die Begriffe Lexikon und Wortschatz synonym verwendet. Der verwendete Test bezieht sich auf rezeptives Wortbzw. Vokabelwissen, d.h., er testet nur die Breite des Vokabelwissens ab, nicht die Tiefe. 1.1 Zum englischen rezeptiven Wort- und Grammatikerwerb in bilingualen Kitas <?page no="141"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 141 1.1.1 L2-Kontaktdauer Es ist ein Gemeinplatz, dass mit einer längeren Kontaktdauer zur Fremdsprache auch eine höhere L2-Kompetenz einhergeht. Für den bilingualen Kita-Kontext ist dies zum Beispiel in Untersuchungen zur L2-Aussprache (z.B. Wode 2009), zum fast mapping (Rohde & Tiefenthal 2002, Tiefenthal 2009, 2016) oder zu lexikalischen Prinzipien (Rohde 2005, 2016) gezeigt worden. Auch in kleineren Studien zum rezeptiven fremdsprachlichen Wortschatzbzw. Grammatikerwerb in bilingualen Kitas wurde über den positiven Einfluss der L2-Kontaktdauer berichtet (siehe Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999, Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009). Selbiges ist auch aus größeren Untersuchungen bekannt: In Bezug auf den rezeptiven Erwerb englischer Wörter untersuchte beispielsweise Rohde (2010) im Rahmen des ELIAS Projekts 220 Kinder zwischen drei und sechs Jahren, welche bilinguale Kindergärten in vier europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Großbritannien und Schweden) besuchten. Die Kinder wurden mit Hilfe des British Picture Vocabulary Scale II (Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997) zweimal im Abstand ca. eines dreiviertel Jahres getestet. Rohdes (2010) Ergebnisse zeigten, dass sich der rezeptive englische Wortschatz mit steigender L2-Kontaktzeit und L2-Intensität sehr positiv entwickelte (siehe auch Schelletter & Ramsey 2010). Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich auch für den ELIAS-Grammatiktest (Kersten et al. 2010), an dem 148 Kinder aus den gleichen bilingualen Kitas wie bei Rohde (2010) teilnahmen: Auch hier war ein signifikanter Unterschied in den Werten beim ersten und zweiten Testzeitpunkt zu verzeichnen (siehe Steinlen et al. 2010). In ihrer Studie zu drei deutsch-englisch bilingualen Kindergartengruppen untersuchte Häckel (2013, vgl. auch Häckel & Piske in diesem Band) unter anderem die Entwicklung des rezeptiven englischen Worterwerbs und der englischen Grammatik mit Hilfe eines computergestützten Bildzeigetests (Steinlen & Wettlaufer 2005). Die 58 Kinder hatten eine durchschnittliche Kontaktdauer zur englischen Sprache von zehn Monaten zum 1. Testzeitpunkt (T1), 26 Monaten zu T2 und 34 Monaten zu T3. Die Ergebnisse zeigten eine positive Entwicklung beim rezeptiven Wort- und Grammatikerwerb über die drei Testzeitpunkte hinweg; als wichtigste Faktoren wurden der L2- Kontakt und die L2-Intensität (Stundenzahl pro Tag) genannt (vgl. auch Weitz & Rohde in diesem Band). Insgesamt wirkt sich die L2-Kontaktdauer also positiv in Bezug auf die fremdsprachliche rezeptive Wort- und Grammatikentwicklung im bilingualen Kindergartenkontext aus. Allerdings beeinflusst auch das Alter den rezeptiven L2-Grammatik- und Worterwerb. 1.1.2 Alter In der Literatur ist im Zusammenhang mit der critical period hypothesis (z.B. Lenneberg 1967, Scovel 1988) immer wieder darauf hingewiesen worden, <?page no="142"?> 142 Anja K. Steinlen dass das Lebensalter einen sehr bedeutenden Einflussfaktor für den Zweitspracherwerb darstellt: Im Allgemeinen seien Lerner, die erst als Jugendliche oder Erwachsene damit beginnen, eine Zweitsprache zu erwerben, weniger erfolgreich beim Erlernen einer L2 als so genannte „frühe L2 Lerner“, also Lerner, die sich bereits als Kinder eine Zweitsprache aneignen. Es wird angenommen, dass das menschliche Gehirn im Verlaufe der ersten Lebensjahre noch verschiedenen Reifungsprozessen unterworfen ist, die u. a. dazu führen, dass das Gehirn eines Erwachsenen durch ein erheblich geringes Maß an „Plastizität“ gekennzeichnet ist als das Gehirn eines Kindes (z.B. Lenneberg 1967, Neville et al. 1992, siehe auch Piske 2007, 2013, 2015 für eine kritische Würdigung dieses Themas). Je größer der Lernerfolg in einer Fremdsprache also sein soll, desto früher sollte damit begonnen werden. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, eine Fremdsprache schon im Kindergarten anzubieten. Auf der anderen Seite ist nicht bekannt, ob sich bis zu einem wann auch immer angesetzten Beginn der kritischen Phase ältere und jüngere Kindergartenkinder in ihrer fremdsprachlichen Leistung voneinander unterscheiden: So berichten Maibaum (1999), Tiefenthal (1999), Westphal-Rathcke (1998) und Rohde & Tiefenthal (2002), dass in ihren L2- Wortschatztests die älteren Kindergartenkinder bei gleicher L2- Kontaktdauer besser abschnitten als die jüngeren Kinder (siehe auch Natorp 1975). Diese Ergebnisse, so die Autorinnen und Autoren, könnten sowohl auf die kognitive Reife der Kinder als auch auf ihre Testteilnahmestrategien zurückgeführt werden, die für jüngere Kinder weniger entwickelt sein mögen als für ältere Kinder (siehe Cenoz 2003). Auch Häckel (2013) berichtete von Alterseffekten; jedoch wiesen ältere Kinder in ihrer Studie nur in zwei von drei untersuchten Einrichtungen bessere Werte in den Tests auf als jüngere Kinder. Dieser Unterschied wurde vor allem in den Untersuchungen zur Grammatik, weniger in den Untersuchungen zum Wortschatz festgestellt. Häckel (2013) schlussfolgerte deshalb, dass die kognitive Reife der Kinder (und die tägliche L2-Kontaktdauer) beim rezeptiven L2-Grammatikerwerb eine größere Rolle zu spielen scheinen als beim rezeptiven L2-Worterwerb. <?page no="143"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 143 1.1.3 Geschlecht In Deutschland wird schon seit längerem eine Debatte über Leistungsunterschiede von Jungen und Mädchen in Schulen geführt (z.B. Christ & Gumbel 1991, Herrmanny 2006, Bos et al. 2008). Dabei wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Jungen Mädchen gegenüber sprachlich im Nachteil sind, sowohl was den Erwerb ihrer Erstsprache angeht als auch in Bezug auf ihre schulischen Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch (z.B. Klieme 2006). So berichtete Schmid-Schönbein (1978) hinsichtlich des Hörverständnisses im gesteuerten Fremdsprachenunterricht für Vorschulkinder, dass Mädchen signifikant bessere Leistungen erbrachten als Jungen. Für den bilingualen Kindergartenkontext zeigten die bisherigen Arbeiten solche geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht: Bei Tests zum rezeptiven L2-Grammatikerwerb wiesen Jungen und Mädchen keine Unterscheide auf (z.B. Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009, Steinlen et al. 2010, Häckel 2013). Gleiches gilt für den rezeptiven L2-Worterwerb (z.B. Natorp 1975, Rohde & Tiefenthal 2002, Rohde 2010, Häckel 2013). Es scheint also, als sei die Diskussion um geschlechtsspezifische fremd/ sprachliche Leistungen noch nicht abgeschlossen (vgl. dazu auch Piske 2013). 1.1.4 Forschungsfragen In Anlehnung an bereits erwähnte Studien der Immersions- und Kitaforschung sind folgende Fragen in diesem Beitrag von besonderem Interesse: (a) Wie entwickeln sich die rezeptiven lexikalischen und grammatischen Kenntnisse in einer bilingualen Kita? (b) Wie beeinflussen Variablen wie das Alter der Kinder, ihr Geschlecht und ihre Kontaktzeit zur neuen Sprache Englisch die Ergebnisse? 2 Methode 2.1 Versuchspersonen Insgesamt nahmen 28 Kinder aus dem bilingualen deutsch-englischen Kindergarten in Melsdorf an der Studie teil, davon vierzehn Mädchen und vierzehn Jungen. Die Auswahl der 28 Kinder beruht auf der sogenannten matched subgroup technique (z.B. Flege et al. 1999, Flege 2009), eine Methode, die verwendet wird, um Beeinflussungen (confounds) zwischen Variablen in Untergruppen von größeren Gruppen zu vermeiden (siehe auch Piske 2012). Die Kinder dieser Studie hatten alle einen deutsch-monolingualen Hintergrund und nach den Angaben der Eltern keine Hörprobleme. Zum Zeitpunkt von T1 hatten die Kinder eine Kontaktdauer zur englischen Sprache von 10-15 Monaten (Mittel (M): 12,4 Monate, Standardabweichung (SD) = <?page no="144"?> 144 Anja K. Steinlen 1,0 Monat), und sie waren zwischen 48 und 74 Monate alt (M: 5,0 Jahre, SD = 7,7 Monate). Acht Monate später wurden die Kinder zu T2 erneut getestet. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kinder zwischen 55 und 82 Monate alt (M: 5,08 Jahre, SD = 8,2 Monate), und ihre Kontaktdauer zum Englischen betrug 17-21 Monate (M: 20,0 Monate, SD = 0,9 Monate). Um den Einfluss des Alters näher zu untersuchen (siehe Abschnitt 3.2), wurden die 28 Kinder aus dem Kindergarten Melsdorf in zwei gleich große Untergruppen geteilt, die sich nur im Durchschnittsalter voneinander unterschieden: Vierzehn Kinder waren zum Zeitpunkt von T1 (also mit ca. 12 Monaten L2-Kontakt) durchschnittlich 4,05 Jahre alt (48-59 Monate, SD: 3,7 Monate); die anderen vierzehn Kinder waren zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 5,06 Jahre Monate alt (60-74 Monate, SD: 4,8 Monate), d.h. dreizehn Monate älter. Zum Zeitpunkt von T2 (mit ca. 20 Monaten L2-Kontakt) waren die Kinder beider Gruppen entsprechend acht Monate älter. 2.2 Durchführung Da Kindergartenkinder sowohl hinsichtlich ihrer kognitiven als auch ihrer motorischen und sozialen Fähigkeiten sehr heterogen sind, musste ein Testformat gefunden werden, das allen Alterstufen gerecht wurde. In der Forschung haben sich deshalb Bildzeigetests etabliert, die das passive Verständnis von Wortschatz und Grammatik von Kindergartenkindern abprüfen (z.B. Angermaier 1977, Grimm & Schöler 1978, Grimm 2001). Wie sich auch in Melsdorf herausstellte, war unser Material zu den Hörverständnistests kindgemäß, denn sowohl die älteren als auch die jüngeren Kinder nahmen mit Freude an den Tests teil. Im Gegensatz zu anderen Bildzeigetests wurde in Melsdorf nicht mit Bildkarten gearbeitet (z.B. Maibaum 1999, Natorp 1975, Tiefenthal 1999, Westphal-Rathcke 1998, Rohde 2010, Steinlen et al. 2010), sondern mit einem computergestützten Test (Steinlen & Wettlaufer 2005). Dieses Verfahren hat zum einen den Vorteil, dass die Ergebnisse automatisch gespeichert werden können und damit die Analyse erleichtert wird. Zum anderen sind Kinder, laut Friend & Keplinger (2003), computergestützten Verfahren gegenüber mindestens ebenso aufgeschlossen wie gegenüber Tests, die in Buchform durchgeführt werden (siehe auch Häckel 2013). Um das passive Verständnis von grammatischen Phänomenen des Englischen zu überprüfen, wurde für den bilingualen Kindergarten Melsdorf eine modifizierte Version des Reception of Syntax Test (PROST, Au-Yeung et al. 2000, Howell et al. 2003) verwendet. 42 Dieser Test wurde ursprünglich für 42 Der PROST wurde mit sechs Kindergartenkindern aus Melsdorf pilotiert. Problematisch bei der Ursprungsversion des PROST war es, dass er beendet wird, wenn das Kind mehr als zwei Fehler pro grammatischer Kategorie macht. Dies war bei fast allen Pilotkindern aus Melsdorf der Fall, und damit war es nicht möglich, Identifikationsra- <?page no="145"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 145 monolingual englischsprachige Kinder konzipiert bzw. für Kinder, die die englische Sprache in England als L2 bzw. als weitere Sprache erwerben. Au- Yeung et al. (2000) und Howell et al. (2003) folgend wurden die Kinder in Melsdorf zu sieben grammatischen Phänomenen 43 getestet: Wortstellung (SVO), die Artikel a/ many (DET), Anbzw. Abwesenheit der Flektionsmarkierung Plural -s (PLU), 3. Person Singular Personalpronomen Maskulinum/ Femininum he/ she (PRO), 3. Person Singular Possessivpronomen Maskulinum/ Femininum his/ her (POSS), Präposition in/ on (PREP) und affirmative/ negative Sätze (NEG). Insgesamt wurden 42 Elemente getestet (7 grammatische Kategorien x 3 Bildpaare x 2 Testpräsentationen pro Bildpaar). Der in Melsdorf verwendete rezeptive englische Wortschatztest wurde in seiner ursprünglichen Version mit Bildkarten in einer bilingual deutschfranzösischen und einer deutsch-englischen Kindertageseinrichtung als Teil des „Kieler Projekts zur Frühvermittlung von Sprachen“ verwendet (Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999). In dem in Melsdorf durchgeführten computergestützten Wortschatztest (Steinlen & Wettlaufer 2005) sahen die Kinder insgesamt vier Bilder auf dem Monitor; die lexikalischen Kategorien beinhalteten Farben, Obst, Tiere, häufig verwendete Objekte aus dem Kindergartenalltag, Küchenutensilien, Körperteile und Verben (letztere wurden in keiner der früheren Arbeiten getestet). Drei bis fünf Wörter wurden pro Kategorie abgefragt; insgesamt handelte es sich um 57 Begriffe. Die Kinder wurden einzeln in einem ruhigen Raum getestet, den sie vorher kannten (siehe Crain & Thornton 1998 zur Bedeutung einer kinderfreundlichen Umgebung während der Testdurchführung). Auf dem Bildschirm, dem ein touch screen vorgeschaltet war, sah das Kind beim Grammatiktest zwei Bilder und beim Wortschatztest vier Bilder. Das Kind wurde dann gebeten, auf das Bild zu zeigen, das dem Satz „Show me ___“ entsprach, wobei die Lücke in diesem Satz eine Phrase des Grammatiktests bzw. ein Wort des Wortschatztests enthielt. Durch das Berühren eines Bildes auf dem touch screen erkannte der Computer die Antwort automatisch. Im Grammatiktest kontrastierten die Bilder in einer grammatischen Zieldimension (z.B. die Anbzw. Abwesenheit der englischen Pluralflektionsmarkierung -s wie beispielsweise in cat vs. cats); im Wortschatztest entstammten die ten für die grammatischen Phänomene zu vergleichen oder die Ergebnisse eines der zwei Teile eines grammatischen Phänomens zu untersuchen (z.B. die Identifikation der Präpositionen „in“ vs. „on“). Dieser Umstand führte dazu, dass das Erhebungsverfahren zum rezeptiven Grammatikverstehen neu gestaltet wurde. 43 Der Begriff der grammatischen „Phänomene” ist auf Pienemann (1998: 18) zurückzuführen, da der von Au-Yeung et al. (2000) und Howell et al. (2003) verwendete Begriff der “syntactic categories” nicht auf alle getesteten Strukturen zutrifft (z.B. auf die Präpositionen in/ on). <?page no="146"?> 146 Anja K. Steinlen vier Bilder je einem lexikalischen Feld (z.B. Tiere). Beim Grammatiktest wurde jedes Bilderpaar zweimal getestet, und jedes Bild war einmal die korrekte Antwort; dieses Verfahren wurde beim Wortschatztest mit jeweils vier Bildern zu einem Wort jedoch nicht angewendet. Dem jeweiligen Test waren vier Trainingseinheiten vorgeschaltet, um die Kinder mit dem Prozedere vertraut zu machen: Alle Trainingseinheiten zeigten zwei bzw. vier Bilder; das Kind hörte dann ein Wort, das auf eines der zwei bzw. vier Objekte passte. Insgesamt dauerte jeder Test nicht länger als fünf Minuten. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 L2 Kontakt und Gesamtergebnisse Im Folgenden wird zuerst der Einfluss der Kontaktdauer zum Englischen auf die Ergebnisse des Grammatik- und Wortschatztests untersucht. Wie Abbildung 1 zeigt, unterschieden sich die Identifikationsraten, die für den Grammatiktest und für den Wortschatztest nach 12 bzw. 20 Monaten L2- Kontaktdauer erreicht wurden, signifikant: 44 Zwischen T1 und T2 verbesserte sich die Leistung um 12%. Schon nach durchschnittlich einem Jahr Englisch im Kindergarten waren die Kinder also in der Lage, sowohl englische Wörter als auch englische grammatische Strukturen zu erkennen. Nach weiteren acht Monaten stieg diese Fähigkeit deutlich an. Die Sprachkompetenz verbesserte sich also mit zunehmender Kontaktdauer zum Englischen. 44 Die T-Tests für gepaarten Stichproben ergaben T (27) = -6.951 für den Wortschatztest und T (27) = -9.086, beides p<0.05. <?page no="147"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 147 Abb. 1: Gesamtergebnis der Identifikationsraten des Grammatiktests (rechts) und des Wortschatztests (links) in Prozent, verglichen nach einer L2-Kontaktdauer von 12 Monaten (weiße Säule) bzw. 20 Monaten (schwarze Säule). 3.2 Geschlecht und Alter Abbildungen 2 und 3 illustrieren die Ergebnisse zum möglichen Einfluss der Variablen Geschlecht und Alter der Probanden auf die Ergebnisse der beiden Tests nach zwölf und zwanzig Monaten Kontaktdauer zur englischen Sprache: Die Analysen ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen für den Grammatik- und den Wortschatztest. Nur beim Grammatiktest, der nach 12 Monaten L2-Kontaktzeit stattfand, schnitten die Jungen besser ab. 45 Diese Ergebnisse zeigen, dass das Geschlecht der Kinder nur im Einzelfall Einfluss auf die Testergebnisse hatte. 45 Die unabhängigen Varianzanalysen ergaben folgende Ergebnisse: F(1,27) = 1.385 (LEX1), F(1,27) = 2.171 (LEX2), F(1,27) = 0.367 (GRA2); p>0.05 für alle. Signifikante Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen wurden für GRA1 gefunden (F(1,27) = 8.057, p<0.05). 0 20 40 60 80 100 LEX GRA % korrekt Identifikationsrate: 12 / 20 Monate L2-Kontakt L2: 12 Monate L2: 20 Monate <?page no="148"?> 148 Anja K. Steinlen Abb. 2: Identifikationsraten des Grammatiktests (GRA) und des Wortschatztests (LEX) in Prozent, verglichen nach einer L2-Kontaktdauer von 12 Monaten (links) bzw. 20 Monaten (rechts) für Mädchen (weiße Balken) und Jungen Kinder (schwarze Balken). Wie Abbildung 3 zeigt, schnitten die jüngeren und älteren Kinder in allen Tests sehr ähnlich ab. Statistische Tests ergaben nur für den Wortschatztest, der nach 12 Monaten L2-Kontaktzeit stattfand, signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. 46 Neue englische Wörter bzw. grammatische Strukturen wurden von den älteren Kindern also nicht schneller gelernt als von den jüngeren Kindern. Des Weiteren erzielten sowohl die älteren Kinder als auch die jüngeren Kinder nach 20 Monaten Kontakt zum Englischen signifikant bessere Ergebnisse als nach 12 Monaten. 47 Beide Gruppen unterschieden sich in der prozentualen Verbesserung zwischen Test 1 und Test 2 46 Die Ergebnisse unabhängiger Varianzanalysen zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Kindern für LEX2 (F (1,27) = 2.412), für GRA1 (F (1,27) = 0.045 und für GRA2 (F (1,27) = 0.487), p>0.05 für alle. Für LEX1 war der Unterschied signifikant (F (1,27) = 5.000, p<0.05). 47 Die T-Tests für gepaarte Stichproben ergaben signifikante Unterschiede zwischen den Ergebnissen, die nach 12 bzw. 20 Monaten L2-Kontakt gefunden wurden. Für die jüngeren Kinder zeigten sich signifikante Unterschiede sowohl zwischen den beiden Wortschatztests (t(13) = 5.664) als auch zwischen den Grammatiktests (t(13) = 5.235, p<0.05 für beide). Ein ähnliches Ergebnis wurde auch für die älteren Kinder gefunden (Grammatiktests: (t(13) = 4.574, Wortschatztests: (t(13) = 7.179, p<0.05 für beide). 0 20 40 60 80 100 LEX 1 GRA 1 LEX 2 GRA 2 % korrekt Jungen & Mädchen: 12 / 20 Monate L2-Kontakt Mädchen Jungen L2 Kontakt: 12 Monate L2 Kontakt: 20 Monate <?page no="149"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 149 also nicht, d.h., die „Lernrate“ in Bezug auf die L2-Kontaktzeit schien altersunabhängig stabil zu sein. Abb. 3: Identifikationsraten des Grammatiktests (GRA) und des Wortschatztests (LEX) in Prozent, verglichen nach einer L2-Kontaktdauer von 12 Monaten (links) bzw. 20 Monaten (rechts) für vierjährige (weiße Balken) und fünfjährige Kinder (schwarze Balken). 3.3 Grammatische Phänomene und lexikalische Kategorien Schon während der Tests fiel auf, dass die Kinder einige Kategorien besser identifizierten als andere. Dies wird in Abbildung 4 illustriert: Beispielsweise waren zu T1 sowie auch zu T2 die Identifikationsraten von SVO und Präpositionen höher als von Personalpronomen und Possessivpronomen. 48 Des Weiteren zeigt Abbildung 4, dass die grammatischen Kategorien in Abhän- 48 Die Ergebnisse der Varianzanalysen für das grammatische Hörverständnis zeigten signifikante Unterschiede in der Identifikation der einzelnen Kategorien zu T1 (F (6,195) = 6.122, p < 0.05) und für Test 2 (F (6,195) = 20.137, p<0.05). Posthoc-Tests zeigten zu T1 signifikante Unterschiede zwischen POSS - DET, NEG, PREP, SVO und zwischen NEG - PLU, PRO (p<0.05 für alle). Zu T2 gab es signifikante Unterschiede zwischen PRO - DET, NEG, PLU, PREP, SVO, zwischen POSS - DET, NEG, PLU, PREP, SVO und zwischen NEG - SVO (p<0.05 für alle). 0 20 40 60 80 100 LEX 1 GRA 1 LEX 2 GRA 2 % korrekt Alter: 12 / 20 Monate L2-Kontakt jung alt L2 Kontakt: 12 Monate L2 Kontakt: 20 Monate <?page no="150"?> 150 Anja K. Steinlen gigkeit der steigenden L2-Kontaktzeit besser identifiziert wurden. 49 Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass erhöhter Kontakt zu einer L2 das grammatische Hörverständnis generell verbessert. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Die Pronomina im Allgemeinen wurden nach 20 Monaten L2- Kontaktzeit nicht besser als nach 12 Monaten identifiziert. Abb. 4: Identifikationsraten des Grammatiktests für die getesteten grammatischen Phänomene (alphabetisch geordnet). Die schwarzen Säulen zeigen die Ergebnisse für Test 1 an (nach 12 Monaten L2-Kontakt), die weißen für Test 2 (nach 20 Monaten L2-Kontakt). In Bezug auf den Wortschatztest wird aus Abbildung 5 ersichtlich, dass sowohl zu T1 als auch zu T2 die Kategorien „Farben“, „Körper, „Objekte“, „Obst“, „Tiere“ und „Verben“ besser identifiziert wurden als „Küchenobjekte“. 50 Insgesamt gibt es also beim L2-Spracherwerb Wortfelder, die den Kin- 49 Die T-Tests für gepaarten Stichproben ergaben signifikante Unterschiede zwischen folgenden grammatischen Kategorien, die nach 12 bzw. 20 Monaten L2-Kontakt getestet wurden: t(27) = -3.401 für DET, -3.618 für NEG, -4,920 für PLU, -3.759 für PREP und -2.962 für SVO (p<0.05 für alle), jedoch keine signifikanten Unterschiede für POSS und für PRO (t(27)= -1.187 bzw. 0.000, p>0.05 für beide). 50 Die Ergebnisse der Varianzanalysen für das grammatische Hörverständnis zeigen signifikante Unterschiede in der Identifikation der einzelnen Kategorien für Test 1 (F (6,195) = 13.696, p < 0.05) und für Test 2 (F (6,195) = 16.089, p<0.05). Posthoc-Tests zeigten für Test 1 signifikante Unterschiede zwischen Küche - Farben, Körper, Objekte, 0 20 40 60 80 100 DET NEG PLU POSS PREP PRO SVO % korrekt Grammatische Kategorien: L2 (12 Monate - 20 Monate) Test 1 Test 2 <?page no="151"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 151 dern leichter fallen als andere. Hinsichtlich des L2-Kontakts zeigen alle lexikalischen Kategorien eine Verbesserung hinsichtlich ihrer Identifikation. 51 Die einzige Ausnahme sind die Küchenutensilien, die nach 20 Monaten L2- Kontakt nicht wesentlich besser als nach 12 Monaten L2-Kontakt identifiziert wurden. Abb. 5: Identifikationsraten des Wortschatztests für die lexikalischen Kategorien (alphabetisch geordnet). Die schwarzen Säulen zeigen die Ergebnisse für Test 1 an (nach 12 Monaten L2-Kontakt), die weißen für Test 2 (nach 20 Monaten L2-Kontakt). Obst, Tiere, Verben und zwischen Farben - Körper (p<0.05 für alle). Für Test 2 gab es signifikante Unterschiede zwischen Küche - Farben, Körper, Objekte, Obst, Tiere, Verben und zwischen Körper - Tiere (p<0.05 für alle). 51 Die T-Tests für gepaarte Stichproben ergaben signifikante Unterschiede zwischen folgenden lexikalischen Kategorien, die nach 12 bzw. 20 Monaten L2-Kontakt getestet wurden: t(27) = -2.294 für Farben, -2.261 für Körper, -6.828 für Objekte, -3.038 für Obst, -4.590 für Tiere und -3.610 für Verben (p<0.05 für alle), jedoch keinen signifikanten Unterschied für Küchenutensilien (t(27)= -1.419, p>0.05). 0 20 40 60 80 100 Farben Körper Küche Objekte Obst Tiere Verben % korrekt Lexikalische Kategorien: L2 (12 Monate - 20 Monate) Test 1 Test 2 <?page no="152"?> 152 Anja K. Steinlen 4 Diskussion In dieser Studie wurde die rezeptive englische (L2) Grammatik- und Vokabelentwicklung von 28 Kindern in einer bilingualen deutsch-englischen Kita mit Hilfe eines computergestützten Bildzeigetests untersucht. Der Fokus lag dabei auf den möglichen Einfluss der Variablen L2-Kontaktdauer, Alter und Geschlecht auf die erzielten Ergebnisse. Nicht überraschend beeinflusste erhöhter L2-Kontakt die Identifikation englischer Wörter und grammatischer Phänomene positiv: Je länger der L2- Kontakt war, desto besser waren die Ergebnisse. Ein solcher Befund ist aus einer Fülle von Studien bekannt (aus dem bilingualen Kita-Kontext siehe z.B. Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999, Rohde & Tiefenthal 2002, Rohde 2005, Burmeister & Steinlen 2008, Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009, Wode 2001, 2006, 2009, Rohde 2010, Steinlen et al. 2010, Weitz und Rohde 2010, Häckel & Piske 2011, Häckel 2013, Häckel et al. 2014). Des Weiteren scheinen sich rezeptives grammatisches und lexikalisches Können gegenseitig zu bedingen: Korrelationsanalysen deuten darauf hin, dass sich die Devise „je größer das Vokabular, desto komplexer die Grammatik“ (siehe Burns 1957) auch beim frühen Fremdsprachenerwerb im bilingualen Kindergarten Melsdorf bestätigte. Gleiches ergaben auch andere Studien zum Zweitspracherwerb (z.B. Harrington 1992, Martin & Ellis 2012). In Bezug auf Geschlechtsunterschiede im L1-Erwerb wurde häufig festgestellt, dass Mädchen früher sprechen und in der Sprachentwicklung weiter sind als Jungen (z.B. Blank-Mathieu 1999). Ähnliche Befunde zeigten sich auch beim Fremdsprachenerwerb: So untersuchte z.B. Schmid-Schönbein (1978) den gesteuerten englischen Fremdsprachenerwerb für Vorschulkinder und fand heraus, dass Mädchen signifikant bessere Ergebnisse beim Hörverständnistest erzielten als Jungen. Dass Mädchen Jungen im Fremdsprachenlernen überlegen sind, konnte in dieser Studie jedoch nicht bestätigt werden: Hier schnitten Mädchen und Jungen zu beiden Testzeitpunkten und bei beiden Testarten gleich ab. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in anderen kleineren und größeren Studien aus dem bilingualen Kita-Kontext berichtet (z.B. Maibaum 1999, Tiefenthal 1999, Rohde & Tiefenthal 2002, Rohde 2005, Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009, Rohde 2010, Steinlen et al. 2010, Häckel & Piske 2011, Häckel 2013, Häckel et al. 2014). Für die Kindergärten in Melsdorf (Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009) und in Altenholz (Maibaum 1999, Tiefenthal 1999) sind diese Ergebnisse wahrscheinlich dem überdurchschnittlichen sozioökonomischen Status der Eltern zuzuschreiben (siehe auch Ufert, Schilk & Steinlen in diesem Band), da bekannt ist, dass die Leistungsentwicklung von Kindern mit gleichen Lernausgangslagen und vergleichbarem Lernpotenzial umso günstiger verläuft, je höher der sozioökonomische Status der Eltern ist (z.B. Genesee 1987). <?page no="153"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 153 In einigen Studien zum frühen Fremdsprachenerwerb im Kindergartenalter wurde berichtet, dass ältere Kinder in den Tests besser abschnitten als jüngere Kinder, so zum Beispiel in Natorp (1975), die mit Hilfe eines französischen rezeptiven Wortschatztests in einem deutsch-französischen Kindergarten die Leistungen von fünfbis siebenjährigen mit denen von dreibis vierjährigen deutschen Kindern verglich. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich auch bei Häckel (2013): In ihrem rezeptiven Vokabel- und Grammatiktest schnitten Kinder im Alter von vier Jahren besser ab als Sechsjährige; jedoch traten diese Altersdifferenzen für den Grammatiktest klarer hervor als für den Wortschatztest. In der vorliegenden Untersuchung wurden solche Unterschiede nicht gefunden. Hier schnitten die älteren und jüngeren Kindern gleich ab, auch in Bezug auf ihre „Lernrate“. Eine mögliche Erklärung für diese Ergebnisse mag in der Tatsache begründet liegen, dass die älteren Kinder nur dreizehn Monate älter als die jüngeren Kinder waren, d.h., dass die Altersdifferenz zwischen beiden Gruppen im Vergleich zu den von Häckel (2013) untersuchten Gruppen zu gering ausfiel. Auch der Altersdurchschnitt der jüngeren Gruppe mag eine Rolle gespielt haben: In dieser Studie waren die jüngeren Kindern fast viereinhalb Jahre alt. Gerade bei dreijährigen Kindern (wie bei Natorp 1975) liegen vermutlich noch andere kognitive Strategien hinsichtlich ihrer L2/ L1-Verarbeitung zugrunde als bei älteren Kindern. Es ist auch möglich, dass sich die dreijährigen Kinder noch stärker Einige lexikalische Kategorien bzw. grammatische Phänomene wurden von den Kindern dieser Studie besser identifiziert als andere. Dieses Ergebnis zeigte sich sowohl nach zwölf Monaten als auch nach zwanzig Monaten L2-Kontaktzeit. In Bezug auf den Grammatiktest wurden ähnliche Ergebnisse auch zum Reception of Syntax Test mit EAL-Kindern (English as an additional language) berichtet, d.h. mit Kindern, die in England Englisch als Zweitsprache lernen (Howell et al. 2003). Gleiches zeigt sich auch in der Studie von Häckel (2013): So wurden die Präpositionen in/ on schnell korrekt identifiziert, ebenso die affirmativen/ negierten Sätze. Kaum Zuwachsraten wurden jedoch für die Pronomina ermittelt. Ein ähnliches Ergebnis ergab sich in der vorliegenden Studie. Auch hier waren zu beiden Testzeitpunkten die Identifikationsraten von SVO und Präpositionen höher als die der Pronomina. Anscheinend sind einige grammatische Phänomene schwieriger zu meistern als andere (siehe auch Steinlen et al. 2010 für das ELIAS Projekt). Dabei scheint die Erwerbssituation, d.h., ob die L2-Zielsprache gleichzeitig Umgebungssprache ist oder nicht, keine Rolle zu spielen (vgl. zum Beispiel die EAL-Kinder in England, Howell et al. 2003, mit den deutschen Kindern in bilingualen Kitas in Deutschland, Häckel 2013). Auch die L1 der Kinder mit dem Kindergartenalltag vertraut machen und ihre sozialen/ motorischen/ kognitiven Fähigkeiten stärker entwickeln müssen und damit der Fremdsprachenerwerb mehr als bei älteren Kindern in den Hintergrund rückt (siehe z.B. Natorp 1975). <?page no="154"?> 154 Anja K. Steinlen scheint keine Rolle zu spielen. Im ELIAS Projekt nahmen Kinder nicht nur mit L1 Deutsch, sondern auch mit L1 Französisch und Schwedisch an dem rezeptiven ELIAS-Grammatiktest teil: Unabhängig von der L1 wurden Pronomina wesentlich schlechter identifiziert als Wortstellung, Präpositionen oder affirmative/ negierte Sätze (siehe Steinlen et al. 2010). Doch warum wurden Pronomina trotz längerer L2-Kontaktzeit nicht besser identifiziert? In der Kita Melsdorf wurden die Interaktionen zwischen den englischsprachigen Mitarbeiterinnen und den deutschen Kindern aufgenommen. Die informellen Analysen zeigten, dass die englischsprachigen Mitarbeiterinnen eher den Namen einer Person verwendeten anstatt eines Pronomens (also Laura’s cat statt her cat). Diese Strategie ermöglichte es den Kindern, auch tatsächlich zu verstehen, über wen die englischsprachige Mitarbeiterin spricht, wenn sie mit dem Kind über eine dritte Person sprach. Damit sind jedoch die Pronomina im Input unterrepräsentiert. Aus der Literatur sind solche Substitutionen bisher nur von Pronomen der 1. oder 2. Person Singular bekannt (z.B. Snow & Ferguson 1977, Snow 1986), jedoch nicht für die 3. Person Singular. In Bezug auf den rezeptiven Wortschatztest zeigten sich ähnliche Tendenzen, denn auch hier wurden einige Bereiche besser als andere identifiziert: So fielen die Identifikationsraten für Küchenutensilien zu beiden Testzeitpunkten wesentlich geringer aus als die für Farben oder Tiere. Gleiches wurde auch in anderen Studien berichtet (z.B. Maibaum 1999, Tiefenthal 1999). Verschiedene Gründe können als Erklärung hierfür herangezogen werden. So ist auch aus dem L1-Erwerb bekannt, dass Farben, Tiere und Obst zu den ersten Wörtern gehören, die Kinder lernen (z.B. Szagun 2006). Es scheint hier also Parallelen zwischen Erst- und Fremdspracherwerb zu geben. Zum anderen ergab eine informelle Analyse des Inputs in Melsdorf, dass Wörter aus den Bereichen Farben, Tiere und Obst im Kindergartenalltag häufiger verwendet wurden als Wörter aus dem Küchenbereich. Ein dritter Grund betrifft die phonologische Ähnlichkeit zwischen deutschen und englischen Wörtern (siehe auch Häckel 2013). So wurden innerhalb der lexikalischen Kategorien die besten Ergebnisse für die Wörter green und brown bei den „Farben“, fish und cat bei den „Tieren“, banana beim „Obst“, guitar und teddy bear bei den „Objekten“ und kiss und sing bei den „Verben“ erzielt. Dies ist deutlich auf die ähnliche phonologische Struktur zwischen den englischen Wörtern und deren deutschen Äquivalenten zurückzuführen: Je ähnlicher ein Wort in der Fremdsprache ist, desto schneller wird es gelernt (siehe auch Taylor 1976). Wie eine informelle Analyse des Inputs zeigte, benutzten die englischsprachigen Erzieherinnen gerne Wörter dieser Art, um Kindern den Einstieg in die englische Sprache zu erleichtern. Eine solche Strategie scheint demnach angemessen zu sein, um die Kinder an die neue Sprache heranzuführen. <?page no="155"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 155 Jedoch lag die Identifikationsrate für einige englische Wörter trotz phonologischer Ähnlichkeiten unter den Erwartungen. Beispielsweise besteht eine phonologische Ähnlichkeit zwischen paper-Papier, aber paper wurde zu T1 nur zu 48% korrekt identifiziert. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass auch die Frequenz im Input eine große Rolle spielt: So sind sich butterfly-Schmetterling oder duck-Ente phonologisch nicht ähnlich, wurden in den Tests aber sehr gut identifiziert. Diese Begriffe fielen häufig bei Bastel- und Leseaktivitäten und waren den Kindern deshalb sehr vertraut. Gleiches gilt für Vokabular aus dem Wortfeld „Küchenutensilien“ (z.B. spoon, fork, bottle): Diese wurden weniger häufig verwendet, da nur einmal pro Woche gemeinsam gekocht wurde, während die Kinder zu jedem Frühstück aufgefordert wurden, sich „a cup“ zu holen. Insgesamt gibt es also verschiedene Möglichkeiten, um die Kinder mit neuen Wörtern vertraut zu machen. Welche Wörter von den Kindern behalten werden, mag davon abhängen, wie die neuen Wörter eingeführt werden oder ob der Kontext, in dem sie eingeführt wurden, für die Kinder besonders spannend war (siehe Tiefenthal 2009). Gerade hier spielen also individuelle Präferenzen im Kindergartenalltag eine große Rolle (siehe Apeltauer 2006, Burmeister & Steinlen 2008). 4.1 Einschränkungen der Studie Kritisch ist an dieser Stelle anzumerken, dass an dieser Studie nur 28 Kinder teilnahmen, die aus einem größeren Datenpool mit Hilfe der matched subgroup technique herausgefiltert wurden. Eine weitaus größere Anzahl von Versuchspersonen wäre nötig, um die Ergebnisse zu generalisieren. Hier können jedoch die Daten des EU-geförderten ELIAS Projekts als Vergleichsgrundlage herangezogen werden, da zwischen den verwendeten Tests eine gewisse Ähnlichkeit besteht (siehe Rohde 2010, Steinlen et al. 2010). Des Weiteren wurde in dieser Studie nur von Gruppenergebnissen berichtet: Die individuelle Variation war in allen Tests und zu jedem Testzeitpunkt sehr groß. Viele Faktoren beeinflussen Testergebnisse, beispielsweise die Situation im Kindergarten zur Testzeit (z.B. Wochentag, Aktivitäten des Kindes vor dem Test, die Beziehung zu den Erzieherinnen, Präferenzen im Kindergartenalltag, Tagesform des Kindes), die kindliche Biographie (z.B. sprachlicher Hintergrund, sozioökonomischer Status der Eltern), der Charakter des Kindes (z.B. introvertiert/ extrovertiert), die Situation zuhause (z.B. Scheidung, Geburt eines neuen Geschwisterkindes) und natürlich die Testsituation selbst (siehe Burmeister & Steinlen 2008 für eine Zusammenfassung dieser Faktoren und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse von Tests im Kindergarten). Abgesehen von diesen Faktoren scheint es aber auch individuelle „Spracherwerbsstile“ (siehe Szagun 2006) zu geben, die nicht nur im Erstspracherwerb, sondern auch im Fremdsprachenerwerb zum Tragen kommen. So mögen die Interessensgebiete der Kinder bestimmen, welche lexika- <?page no="156"?> 156 Anja K. Steinlen lischen Kategorien besonders gut verstanden werden: Ein Mädchen, das sich den überwiegenden Teil des Tages am Maltisch aufhielt, hatte nach zwölf Monaten L2-Kontaktzeit keine Probleme, alle Farben richtig zu identifizieren, mochte aber kein Obst und hatte die englischen Wörter dieser Kategorie dementsprechend auch nach 20 Monaten nicht korrekt identifiziert. Manchmal schienen Interessensgebiete, die als typisch männlich oder weiblich gelten, einen Einfluss auf die Testergebnisse zu haben: So wurde das Wort aircraft besser von Jungen als von Mädchen identifiziert. Umgekehrt zeigten Mädchen im Grammatiktest bessere Ergebnisse für her football als Jungen, die anscheinend den Besitz eines Fußballs für Jungensache hielten (im Grammatiktest sahen die Kinder u.a. zwei Bilder, auf jedem Bild war ein Junge bzw. ein Mädchen mit einem Fußball). Ein fünfjähriger Junge kommentierte die Bilder in folgender Weise: „Jungen spielen Fußball, Mädchen nicht“. Konsequent identifizierte er zu jedem Testzeitpunkt her football als his football. Auch hier wäre eine weitere Untersuchung von Nöten, um die Tests nach geschlechtsspezifischen Antworten auszuwerten. Insgesamt weisen die Befunde dieser Untersuchung darauf hin, dass sich das fremdsprachliche Verstehen von Kindergartenkindern in Hinblick auf ihre Grammatik und ihr Vokabular verbessert, je länger sie mit der L2 im Kontakt sind. In einem bilingual geführten Kindergarten können Kinder also eine neue Sprache ohne bewusste Anstrengung und formelle Instruktionen lernen. Überraschend sind diese Ergebnisse insofern, als dass die Umgebungssprache dieser Kinder außerhalb des Kindergartens nicht englisch sondern deutsch ist, d.h., dass die Kinder weniger fremdsprachlichem Input ausgesetzt waren als beispielsweise Kinder, die eine neue Sprache im Kindergarten lernen, die gleichzeitig Umgebungssprache ist. Die vorliegende Studie bestätigt die Resultate aus anderen Projekten, dass möglichst früher Beginn, dauerhafter Kontakt zu qualitativ hochwertigem fremdsprachlichem Input und der häufige und ungezwungene Einsatz der Fremdsprache die Schlüssel zum Erfolg beim Erlernen einer bis dato unbekannten Sprache sind. 5 Dank An dieser Stelle soll sowohl dem Team des Kindergartens Melsdorf als auch den Kindern für ihre enthusiastische Teilnahme herzlich gedankt werden. Literatur Angermaier, M.J.W. 1977. Psycholinguistischer Entwicklungstest (PET). Weinheim: Beltz. <?page no="157"?> Rezeptive Wortschatz- und Grammatikentwicklung 157 Apeltauer, E. 2006. Wortschatz- und Bedeutungsvermittlung im Vorschulbereich. KiTa Spezial: Sprachförderung als Handlungskonzept in der Kindertageseinrichtung. Sonderausgabe 1, 5-9. Au-Yeung, J., Howell, P., Davis, S., Sackin, S. & Cunniffe, P. 2000. Introducing the Preschoolers' Reception of Syntax Test (PROST). Proceedings of the Conference on Cognitive Development. 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Braunschweig: Westermann. <?page no="161"?> Alexandra Häckel - Kurt-Tucholsky-Schule, Hamburg Thorsten Piske - Universität Erlangen-Nürnberg Welche Rolle spielen Faktoren wie fremdsprachliche Kontaktzeit, Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund beim frühen Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindertageseinrichtungen? 52 Abstract Der vorliegende Beitrag präsentiert Untersuchungsergebnisse zur fremdsprachlichen Entwicklung deutsch-englisch bilingual betreuter Kindergartenkinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren. Die Daten der Kinder wurden an drei Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg erhoben, die sich u.a. in Bezug darauf unterschieden, wie lange die Kinder täglich Kontakt zur Fremdsprache Englisch hatten. Vorgestellt werden Ergebnisse zur Entwicklung der rezeptiven Fähigkeiten im Bereich des englischen Wortschatzes und der englischen Grammatik. Dabei wird nicht nur der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die tägliche Kontaktdauer zur Fremdsprache für die Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten der bilingual betreuten Kindergartenkinder hatte, sondern es wird auch analysiert, inwieweit ihre fremdsprachliche Entwicklung durch die Variablen Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund beeinflusst zu sein schien. 1 Einleitung Empirische Untersuchungen zur sprachlichen Entwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder wurden in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt durchgeführt (z.B. Rohde 2005, Steinlen 2008, 2009, Steinlen & Rogotzki 2009, Tiefenthal 2009, Kersten et a. 2010a, Häckel & Piske 2011, 2012, Häckel 2013, Häckel et al. 2014, Wörle 2013). Dabei wurden zumeist Kinder in deutsch-englischen, aber auch Kinder in deutsch-französischen Programmen (z.B. Wörle 2013) im Hinblick auf unterschiedliche Fragestellungen untersucht. Allerdings ist man bisher nur in wenigen Studien der Frage 52 Die hier vorgestellten Untersuchungen sind durch Forschungsgelder der Stiftung Ravensburger Verlag, der Stadt Heidenheim, der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und durch Gelder für das EU-Comenius-Projekt Early Language and Intercultural Acquisition Studies - ELIAS (Projektnummer 142355-LLP-1-2008-1-DE- COMENIUS-CMP) unterstützt worden. <?page no="162"?> 162 Alexandra Häckel, Thorsten Piske nachgegangen, welche Bedeutung die tägliche Kontaktdauer zur Fremdsprache und Variablen wie Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund für die fremdsprachliche Entwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder haben könnten. 53 Untersuchungen zum möglichen Einfluss von Variablen wie Alter und Geschlecht auf die sprachlichen Leistungen von Kindergartenkindern sind vor allem deshalb relevant, weil in der Forschungsliteratur zum Spracherwerb immer wieder - und bedauerlicherweise manchmal auch recht undifferenziert - die Annahmen vorgetragen werden, dass sich Frühbeginn quasi automatisch positiv auf das Erlernen neuer Sprachen auswirkt und dass Mädchen gegenüber Jungen grundsätzlich einen Vorteil beim Erlernen von Sprachen haben. Dabei ist allerdings anzumerken, dass empirische Untersuchungen bisher eher uneinheitliche Ergebnisse hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung von Variablen wie Alter und Geschlecht für den Erfolg beim Erlernen von Fremdsprachen erbracht haben, so dass in weiteren Studien vor allem geklärt werden muss, unter welchen Bedingungen jüngere gegenüber älteren Lernern bzw. weibliche gegenüber männlichen Lernern Vorteile oder auch Nachteile beim Sprachenlernen zeigen (vgl. dazu z.B. die Forschungsüberblicke in Grotjahn & Schlak 2013 sowie in Piske 2013, 2014). Außerdem lässt die Forschungsliteratur häufig den Eindruck entstehen, als würden Kinder mit einem so genannten Migrationshintergrund automatisch eine Risikogruppe im Hinblick auf die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten darstellen (vgl. z.B. Baumert & Schümer 2001, Stanat 2006, Dubowy et al. 2008, Chudaske 2012). In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob es tatsächlich der Migrationshintergrund als solches ist, der sich auf die sprachliche Entwicklung von Kindern auswirkt oder ob sprachliche Fähigkeiten nicht viel eher durch Variablen beeinflusst werden, die mit der Variable Migrationshintergrund korrelieren, etwa der sozioökonomische Hintergrund oder das Bildungsinteresse, das bei Eltern von Kindergartenkindern oder Schulkindern erkennbar ist (vgl. dazu z.B. Steinlen & Piske i. Dr.). Der vorliegende Beitrag widmet sich dem möglichen Einfluss verschiedener Faktoren auf die Entwicklung fremdsprachlicher Fähigkeiten bei bilingual betreuten Kindergartenkindern, wobei die folgenden vier Fragen vornehmlich untersucht werden: − Wie entwickelt sich das Wortschatz- und Grammatikverständnis in Abhängigkeit von der Kontaktzeit zur Fremdsprache? − Wie wirkt sich das Alter der Kinder auf die Ergebnisse aus? 53 Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf die Kapitel von Anja Steinlen in Teil C dieses Bands sowie auf Untersuchungen von Rohde (2010) und Steinlen et al. (2010a) im Rahmen des in vier europäischen Ländern durchgeführten ELIAS Projekts (Kersten et al. 2010a, b, siehe auch Kersten in diesem Band), in dem ebenfalls Daten zum Einfluss der L2-Kontaktdauer sowie zum möglichen Einfluss eines Migrationshintergrunds auf die fremdsprachliche Entwicklung von Kindergartenkindern erhoben wurden. <?page no="163"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 163 − Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? − Gibt es Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund? 54 2 Methode 2.1 Merkmale der drei bilingualen Kindertageseinrichtungen Die Untersuchungen zur fremdsprachlichen Entwicklung deutsch-englisch bilingual betreuter Kindergartenkinder wurden an drei Kindertageseinrichtungen mit deutsch-englisch bilingualer Betreuung durchgeführt. Dabei handelte es sich um die Montessori-Gruppe des evangelischen Johanneskindergartens in Schwäbisch Gmünd-Herlikofen, das Kinderhaus Französische Allee in Tübingen und das Kinderhaus Damaschkestraße in Heidenheim an der Brenz. Die drei Einrichtungen unterscheiden sich z.B. hinsichtlich ihrer allgemeinen Organisationsstruktur, der pädagogischen Konzeption, der Anzahl der be- 54 Als Kinder mit Migrationshintergrund wurden in der vorliegenden Untersuchung diejenigen Kinder eingeteilt, bei denen a) zumindest ein Elternteil eine Zuwanderungsgeschichte hatte und/ oder b) darüber hinaus zu Hause außer Deutsch noch eine weitere Sprache gesprochen wurde. Merkmale Herlikofen Tübingen Heidenheim Pädagogische Konzeption Montessori Offene Arbeit Offene Arbeit Organisation der Gruppen geschlossen offen offen Träger evang. Kirche Stadt Stadt Anzahl der Kinder (3 - 6 jährig) ca. 25 ca. 82 ca. 60 Zahl der Gruppen 1 5 3 Zahl der englischsprachigen Mitarbeiterinnen (insgesamt) 1 3 1 Englischer Input pro Tag 1-2 Stunden 4-6 Stunden 2-3 Stunden Sprachlicher Hintergrund der englischsprachigen Mitarbeiter(innen) Deutsch (Anglistikstudium) Englisch Englisch Tab. 1: Überblick über wichtige Unterschiede zwischen den Kita-Einrichtungen in Herlikofen, Tübingen und Heidenheim. <?page no="164"?> 164 Alexandra Häckel, Thorsten Piske treuten Kinder, der Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund und auch im Hinblick auf den sprachlichen Hintergrund der fremdsprachigen Betreuungskräfte. Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtige Unterschiede zwischen den drei Kitas. In Bezug auf die deutsch-englisch bilinguale Betreuung ist dabei besonders zu beachten, dass die Kontaktdauer zur Fremdsprache Englisch an der Kita in Tübingen mit täglich vier bis sechs Stunden deutlich höher war als an den beiden Kitas in Herlikofen und Heidenheim. Darüber hinaus bekamen die für diesen Beitrag untersuchten Kinder der Kita in Herlikofen ihren englischen Input von einer Betreuerin mit Erstsprache (L1) Deutsch, während die Kinder in Herlikofen und Heidenheim ihren fremdsprachlichen Input von Betreuungskräften mit L1 Englisch erhielten. 2.2 Durchführung der Datenerhebungen Um die rezeptiven lexikalischen und grammatischen Fähigkeiten der Kinder im Englischen zu ermitteln, kam ein computergestütztes Verfahren zum Einsatz, das es ermöglicht, den Kenntnisstand der Kinder auf altersangemessene Weise zu überprüfen. Dabei wurde auf zwei bestehende Verfahren zurückgegriffen, die auf die hier beschriebene Untersuchung hin adaptiert wurden. Zur Überprüfung des Verständnisses verschiedener lexikalischer Bereiche wurde ein Erhebungsverfahren herangezogen, das in einer bilingual deutsch-französischen und einer deutsch-englischen Kindertageseinrichtung als Teil des „Kieler Projekts zur Frühvermittlung von Sprachen“ entwickelt wurde (Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999). Dieses Erhebungsverfahren wurde für die Untersuchungsreihen im Rahmen des Forschungsnetzwerks „Bilinguale Kitas“ zu einem computergestützten Verfahren weiterentwickelt (Steinlen & Wettlaufer 2005). Verschiedene lexikalische Bereiche wurden durch ein „four-choice picture selection task“ überprüft, die Kinder sahen vier Bilder, die aus einem lexikalischen Bereich stammten. Aus diesen vier Bildern mussten sie nach der Präsentation eines bestimmten Wortes jeweils eines wählen. Insgesamt wurden mit 58 Items sieben lexikalische Bereiche untersucht. Dabei handelte es sich um (1) Farben, (2) Tiere, (3) Früchte, (4) Aktivitäten, (5) Küchenutensilien, (6) Körperteile und (7) bekannte Gegenstände aus dem Kindergartenalltag. Es fanden jeweils zwei Erhebungsdurchläufe statt. Zur Überprüfung des Verständnisses verschiedener grammatischer Phänomene wurde auf den sogenannten „Preschoolers Reception of Syntax Test“ (PROST, Au-Yeung et al. 2000, Howell et al. 2003) zurückgegriffen. Dieser Test wurde ursprünglich für monolingual englischsprachige Kinder im Alter zwischen zwei und vier Jahren entwickelt und wurde zur Erhebung von Daten bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindern an die Untersuchungsreihen des Forschungsnetzwerks „Mehrsprachigkeit im Kindergar- <?page no="165"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 165 ten“ angepasst (Steinlen & Wettlaufer 2005). Mit diesem angepassten Erhebungsverfahren wird das Verständnis neun grammatischer Phänomenen mit Hilfe eines „two-choice picture selection tasks“ überprüft: (1) Wortstellung (SVO), (2) die Determiner a/ many, (3) Anbzw. Abwesenheit der Flexionsmarkierung -s (Plural), (4) 3. Person Personalpronomen Maskulinum / Femininum he/ she (Pro), (5) 3. Person Singular Possessivpronomen Maskulinum/ Femininum his/ her (Poss), (6) Präpositionen in/ on (Prep), (7) 3. Person Singular/ Plural Personalpronomen he/ she/ they (Pro sg/ pl), (8) Unterscheidung des indirekten vom direkten Objekt (IO/ DO), (9) affirmative/ negierte Sätze (Neg). Insgesamt wurde jede Kategorie viermal in jeweils zwei Erhebungsdurchläufen getestet. Dabei kontrastierten sich die gezeigten Bilder in ihrer grammatischen Zieldimension, zum Beispiel in bzw. on the house (grammatisches Phänomen: Präpositionen). Die einzelnen Erhebungsphasen (EP) wurden jeweils von einer für die Kinder bekannten Person durchgeführt. Dies war wichtig, da insbesondere junge Kinder eine vertrauensvolle Beziehung zur „Beobachterin“ haben sollten. Dies erhöht die Chance auf einen reibungsloseren Ablauf der Erhebungssituation und somit auf Ergebnisse, die den tatsächlichen Kenntnisstand der Kinder widerspiegeln. Die Kinder wurden einzeln in einem ihnen bekannten Raum der Kindertagesstätte getestet (vgl. Crain & Thornton1998 bezüglich der Bedeutung einer kinderfreundlichen Umgebung während des Testens). Das computergestützte Erhebungsverfahren war auf einem Tablet- PC installiert, vor dem die Beobachterin saß. Diesem Tablet-PC war ein größerer touch screen vorgeschaltet, um den Kindern das Zeigen auf die jeweils abgefragten Bilder zu erleichtern. 55 Da eine Erhebungsphase aus insgesamt vier Durchläufen bestand - zweimal „Grammatiktest“- und zweimal „Lexikontest“ 56 - wurde jedes Kind in jeder Erhebungsphase viermal überprüft. Begonnen wurde mit dem ersten Lexikontest. In Abständen von mindestens zwei Tagen erfolgten abwechselnd die anderen Erhebungsreihen. Jeder Test dauerte im Durchschnitt ca. 5 Minuten. Für die Auswertung wurden beide Erhebungsreihen - Lexikon 1 und 2 und Grammatik 1 und 2 - zu jeweils einer Erhebung zusammengeführt. Wie oben bereits erwähnt wurde, sah das Kind zwei Bilder beim Grammatiktest; beim Lexikontest sah es dagegen vier Bilder. Die Beobachterin sagte dann „Show me: ____ (Satz/ Wort)“ (z.B. Show me: “The boy is throwing the girl a ball“), und dies war für das Kind das Signal, auf das Bild zu zeigen, von dem es glaubte, dass es dem von der Beobachterin geäußerten Wort bzw. Satz entsprach. Zur Überprüfung bzw. nachträglichen Klärung eventu- 55 Insbesondere bei Dreijährigen kann der Umgang mit einer Maus noch größere Schwierigkeiten mit sich bringen. 56 Im Folgenden werden die beiden Arten der Erhebung aus Gründen der Kürze jeweils vereinfacht als „Lexikontest“ bzw. „LT“ und „Grammatiktest“ bzw. „GT“ bezeichnet. <?page no="166"?> 166 Alexandra Häckel, Thorsten Piske eller Widersprüche bei der Datenerhebung wurde die Erhebungssituation auf Video aufgezeichnet, wobei die Kamera für die Kinder während der Untersuchung nicht sichtbar war. Aus unterschiedlichen Gründen gab es ein gewisses Ausmaß an Variation, wann an den drei Kindertageseinrichtungen die Erhebungsphasen zum Wortschatz- und Grammatikverständnis im Englischen stattfanden. Tabelle 2 bietet eine Übersicht darüber, nach welchen Zeiträumen die Daten an den drei Einrichtungen erhoben wurden und wie lange die Kinder dabei jeweils Kontakt zum Englischen gehabt hatten. Herlikofen Tübingen Heidenheim EP 1 9 Mon. L2-Kontakt 9-14 Mon. L2-Kontakt 6 Mon. L2-Kontakt EP 2 15 Mon. L2-Kontakt 26-28 Mon. L2-Kontakt 12 Mon. L2-Kontakt EP 3 26 Mon. L2-Kontakt 34-35 Mon. L2-Kontakt 18 Mon. L2-Kontakt EP 4 34-35 Mon. L2-Kontakt - 24 Mon. L2-Kontakt Tab. 2: Übersicht über die Erhebungsphasen in den einzelnen Kindertageseinrichtungen. 2.3 Versuchspersonen Überprüft wurden alle Kinder, für die eine Einverständniserklärung der Eltern zur Teilnahme an den Datenerhebungen vorlag und die auch selbst dazu bereit waren, an den Erhebungen teilzunehmen. Um eine Vergleichbarkeit innerhalb der Kitas zu gewährleisten, wurden nur die Kinder in die Vergleichsanalysen aufgenommen, die an allen Erhebungsdurchläufen des Lexikon- und Grammatiktests teilnahmen. Somit ergab sich im Verlauf der drei Jahre zum einen aufgrund der Stichprobenkorrektur, aber auch aufgrund von Einschulungen eine abnehmende Stichprobengröße in den einzelnen Kitas. Auch zwischen den Einrichtungen ergab sich eine unterschiedlich große Anzahl an TeilnehmerInnen, da sich die Kitas in ihrer Größe stark voneinander unterschieden. Die Tabellen 3 bis 5 geben einen Überblick über die Stichproben an den jeweiligen Kitas. Dabei wurde eine Aufschlüsselung nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Alter (zu Beginn der ersten Erhebungsphase) vorgenommen. <?page no="167"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 167 Tab. 3: Überblick über die in vier Erhebungsphasen in Herlikofen getesteten Kinder. EP = Erhebungsphase, VP = Versuchspersonen, n = Zahl der VP. Tab. 4: Überblick über die in drei Erhebungsphasen in Tübingen getesteten Kinder. EP VP Geschlecht und n Migrationshintergrund und n Alter und n (zu Beginn der ersten EP) EP 1 21 ♂ 9 Ja 10 44 - 52 Monate M: 46,9 Monate SD: 3,1 Monate 6 ♀ 12 Nein 11 56 - 67 Monate M: 60,7 Monate SD: 4,6 Monate 9 68 - 77 Monate M: 71,7 Monate SD: 3,9 Monate 6 EP 2 15 ♂ 6 Ja 7 44 - 52 Monate M: 46,9 Monate SD: 3,1 Monate 6 ♀ 9 Nein 8 56 - 67 Monate M: 60,7 Monate SD: 4,6 Monate 9 EP 3 15 ♂ 6 Ja 7 44 - 52 Monate M: 46,9 Monate SD: 3,1 Monate 6 ♀ 9 Nein 8 56 - 67 Monate M: 60,7 Monate SD: 4,6 Monate 9 EP 4 6 ♂ 3 Ja 3 44 - 52 Monate M: 46,9 Monate SD: 3,1 Monate 6 ♀ 3 Nein 3 EP VP Geschlecht und n Migrationshintergrund und n Alter und n (zu Beginn der ersten EP) EP 1 32 ♂ 19 Ja 11 41 - 52 Monate M: 46,2 Monate SD: 3,2 Monate 16 ♀ 13 Nein 21 53 - 67 Monate M: 59,9 Monate SD: 4,9 Monate 16 EP 2 32 ♂ 19 Ja 11 41 - 52 Monate M: 46,2 Monate SD: 3,2 Monate 16 ♀ 13 Nein 21 53 - 67 Monate M: 59,9 Monate SD: 4,9 Monate 16 EP 3 16 ♂ 10 Ja 6 41 - 52 Monate M: 46,2 Monate SD: 3,2 Monate 16 ♀ 6 Nein 10 <?page no="168"?> 168 Alexandra Häckel, Thorsten Piske Tab. 5: Überblick über die in vier Erhebungsphasen in Heidenheim getesteten Kinder. 3 Ergebnisse Im Folgenden werden die in den verschiedenen Erhebungsphasen erzielten Ergebnisse zum englischen Wortschatz- und Grammatikverständnis präsentiert. Zunächst werden die Gesamtergebnisse der Erhebungen vorgestellt. Anschließend werden die Ergebnisse bezüglich der Variablen Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund betrachtet. Aufgrund der geringen Stichprobengröße wurden statistische Analysen mit Hilfe nichtparametrischer Verfahren (Friedman- und Wilcoxon-Test) durchgeführt. Die genauen Ergebnisse der statistischen Analysen werden in Fußnoten dargestellt. Noch detailliertere Informationen zur Werteverteilung können in Häckel (2013) nachgelesen werden. EP VP Geschlecht und n Migrationshintergrund und n Alter und n (zu Beginn der ersten EP) EP 1 15 ♂ 8 Ja 6 54 - 66 Monate M: 58,7 Monate SD: 3,8 Monate 8 ♀ 7 Nein 9 30 - 51 Monate M: 39,7 Monate SD: 7,5 Monate 7 EP 2 15 ♂ 8 Ja 6 54 - 66 Monate M: 58,7 Monate SD: 3,8 Monate 8 ♀ 7 Nein 9 30 - 51 Monate M: 39,7 Monate SD: 7,5 Monate 7 EP 3 10 ♂ 5 Ja 5 54 - 66 Monate M: 58,7 Monate SD: 3,8 Monate 4 ♀ 5 Nein 5 30 - 51 Monate M: 39,7 Monate SD: 7,5 Monate 6 EP 4 8 ♂ 3 Ja 2 54 - 66 Monate M: 58,7 Monate SD: 3,8 Monate 4 ♀ 5 Nein 6 30 - 51 Monate M: 39,7 Monate SD: 7,5 Monate 4 <?page no="169"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 169 3.1 Gesamtergebnisse des Lexikontests (L2-Kontaktdauer) Die Abbildungen 1 bis 3 zeigen deutlich, dass die Kinder in allen drei Kita- Einrichtungen von EP zu EP höhere Identifikationsraten im Lexikontest erzielt haben. Teilweise zeigt sich eine hohe Streuung innerhalb der einzelnen EPs, doch nimmt auch diese mit zunehmender Kontaktdauer zur L2 ab. Des Weiteren bestätigten statistische Analysen, dass in Bezug auf die Zuwachsraten in allen drei Einrichtungen signifikant unterschiedliche Werte erzielt wurden. Dies zeigte sich für die Tübinger und die Heidenheimer Einrichtungen über alle EPs und für die Herlikofener Einrichtung von EP 1 zu EP 4, EP 1 zu EP 2 und von EP 3 zu EP 4. 57 57 Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Gesamtergebnisse) in Herlikofen: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.001 (n=15), EP3 zu EP 4 p=.04 (n=6); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.005 (n=6). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Gesamtergebnisse) in Tübingen: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.000 (n=32), EP2 zu EP3 p=001 (n=32); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.000 (n=16). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Gesamtergebnisse) in Heidenheim: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.013 (n=15), EP2 zu EP3 p=.011 (n=10), EP3 zu EP4 p=.027 (n=8); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 (p=.000) (n=8). <?page no="170"?> 170 Alexandra Häckel, Thorsten Piske Abb. 1: Gesamtergebnisse des LTs in Herlikofen. Abb. 2: Gesamtergebnisse des LTs in Tübingen. <?page no="171"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 171 Abb. 3: Gesamtergebnisse des LTs in Heidenheim. 3.2 Gesamtergebnisse des Grammatiktests (L2-Kontaktdauer) Auch die Abbildungen 4 bis 6 zu den Grammatiktests zeigen, dass die Kinder in allen Kita-Einrichtungen von EP zu EP höhere Identifikationsraten erzielt haben. Die in EP1 erzielten Identifikationsraten lassen dabei die Vermutung aufkommen, dass die Kinder bei einer Antwortwahrscheinlichkeit von 50% nach ca. einem Jahr Kontakt zum Englischen noch geraten haben, (Herlikofen 52%, Tübingen 58% und Heidenheim 51% korrekte Antworten). In EP2 erzielten jedoch alle drei Gruppen bereits höhere Werte (Herlikofen 60%, Tübingen 66% und Heidenheim 56% korrekte Antworten), so dass anzunehmen ist, dass sich das Verständnis zumindest bestimmter grammatischer Phänomene bei einigen Kindern - auch in den anschließend durchgeführten EPs - weiterentwickelt hat. Durch statistische Verfahren konnte festgestellt werden, dass das englische Grammatikverständnis bei den Kindern in Tübingen die in allen drei EPs in signifikanter Weise zunahm, in Heidenheim von EP1 zu EP2 sowie <?page no="172"?> 172 Alexandra Häckel, Thorsten Piske von EP1 zu EP4. In Herlikofen konnte hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen einzelnen Erhebungsphasen ermittelt werden. 58 Abb. 4: Gesamtergebnisse des GTs in Herlikofen. Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Gesamtergebnisse) in Tübingen: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.000 (n=32), EP2 zu EP3 p=.001 (n=32); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.001 (n=16). Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Gesamtergebnisse) in Heidenheim: Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.05 (n=15); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.009 (n=8). 58 <?page no="173"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 173 Abb. 5: Gesamtergebnisse des GTs in Tübingen. Abb. 6: Gesamtergebnisse des GTs in Heidenheim. <?page no="174"?> 174 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3 Ergebnisse für die einzelnen Gruppen Im Folgenden werden die Variablen Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund auf die Ergebnisse der Lexikon- und Grammatiktests bezogen. 3.3.1 Alter (Lexikontest) Im Lexikontest zeigt sich, dass in allen drei Einrichtungen sowohl die jüngeren als auch die älteren Kinder im Verlauf der EPs eine Zunahme in ihren Identifikationsraten erzielten. Statistische Tests ergaben zudem, dass der Zuwachs bei einigen Gruppen signifikant war. 59 Darüber hinaus ergab eine statistische Analyse zu Unterschieden zwischen den Altersgruppen, dass die älteren Kinder in verschiedenen EPs signifikant höhere Ergebnisse erzielten als die jüngeren Kinder. 60 59 Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Alter) in Herlikofen: ältere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.008; (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.001; jüngere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.028, EP3 zu EP4 p=.028; (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.005. Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Alter) in Tübingen: ältere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.000; jüngere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.001, EP2 zu EP3 p=.001; (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.000. Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Alter) in Heidenheim: jüngere Altersgruppe: (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.01. 60 Altersgruppen im Vergleich: Herlikofen: EP1 (Mann-Whitney) p=.009, EP2 (Mann- Whitney) p=.05; Heidenheim: EP1 (Mann-Whitney) p=.05. Abb. 7: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Alter in Herlikofen. <?page no="175"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 175 Abb. 8: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Alter in Tübingen. Abb. 9: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Alter in Heidenheim. <?page no="176"?> 176 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3.2 Alter (Grammatiktest) Während sich beim Lexikontest innerhalb aller Altersgruppen deutliche Entwicklungsverläufe erkennen lassen, ist diese Entwicklung beim Grammatiktest (vgl. Abb. 10 bis 12) weniger ausgeprägt. So zeigte zum Beispiel die jüngste Altersgruppe aus Herlikofen in EP1 höhere Identifikationsraten als die mittlere Altersgruppe, doch haben sich ihre Identifikationsraten in der zweiten EP kaum verändert, während bei den älteren Kindern ein signifikanter Zuwachs von 13% festgestellt wurde. Auch in Tübingen zeigten die älteren Kinder in der zweiten EP gegenüber den jüngeren Kindern einen signifikanten, d.h. deutlich höheren Unterschied. In Heidenheim erzielten beide Altersgruppen einen Zuwachs in ihren Identifikationsraten; allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Altersgruppen. 61 61 Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Alter) in Herlikofen: ältere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.028; EP2 zu EP3 p=.05; (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.002. Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Alter) in Tübingen: ältere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.012; jüngere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.009, EP2 zu EP3 p=.001; (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.000. Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Alter) in Heidenheim: jüngere Altersgruppe: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.03. Altersgruppen im Vergleich: Herlikofen: EP1 (Mann-Whitney) p=.005, EP2 (Mann-Whitney) p=.036; Tübingen: EP1 (Mann-Whitney) p=.039. Abb. 10: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Alter in Herlikofen. <?page no="177"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 177 Abb. 11: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Alter in Tübingen. Abb. 12: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Alter in Heidenheim. <?page no="178"?> 178 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3.3 Geschlecht (Lexikontest) In Bezug auf die Frage, ob Mädchen und Jungen Unterschiede in ihrer Entwicklung des fremdsprachlichen Verständnisses zeigen, sind in den drei Einrichtungen zum Teil unterschiedliche Ergebnisse erzielt worden (vgl. Abb. 13 bis 15). Während die Jungen und Mädchen in Tübingen sich in keiner EP signifikant voneinander unterschieden, zeigten die Mädchen in Herlikofen höhere Identifikations- und Zuwachsraten als die Jungen. So fand sich ein signifikanter Unterschied zwischen Jungen und Mädchen in EP2 und EP3, wobei die Mädchen signifikant bessere Ergebnisse erzielten. In Heidenheim reduzierte sich die Stichprobengröße der Jungen in EP4 auf gerade mal drei Kinder; doch erzielten alle drei Jungen ähnliche Ergebnisse und einen Mittelwert von 78%. Signifikante Unterschiede in den Zuwachsraten erzielten die Heidenheimer Mädchen von EP1 zu EP2, von EP2 zu EP3 sowie in ihrem Gesamtzuwachs von EP1 zu EP4. Diese signifikanten Zuwächse konnten bei den Jungen nicht festgestellt werden; aufgrund der geringen Stichprobengröße wurde jedoch auch auf einen Signifikanztest im letzten Durchlauf verzichtet. 62 62 Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Geschlecht) in Herlikofen: Jungen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.027 (n=6). Mädchen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.008 (n=9). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Geschlecht) in Tübingen: Jungen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.000 (n=19), EP2 zu EP3 p=.005 (n=10). Mädchen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.000 (n=13), EP2 zu EP3 p=.042 (n=6). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Geschlecht) in Heidenheim: Mädchen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.018 (n=7), EP2 zu EP3 p=.043 (n=5); (Friedman-Test) EP1 zu EP4 p=.002 (n=5). Altersgruppen im Vergleich: Herlikofen: EP2 (Mann-Whitney) p=.05, EP3 (Mann- Whitney) p=.036. Abb. 13: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Geschlecht in Herlikofen. <?page no="179"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 179 Abb. 14: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Geschlecht in Tübingen. Abb. 15: Ergebnisse des LTs in Bezug auf das Geschlecht in Heidenheim. <?page no="180"?> 180 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3.4 Geschlecht (Grammatiktest) Beim Grammatiktest (vgl. Abb. 16 bis 18) unterschieden sich die Herlikofener Jungen und Mädchen nicht signifikant voneinander. Auch in Tübingen gab es nur unwesentliche Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern. Signifikant waren bei beiden Geschlechtern jedoch die Unterschiede in den Zuwachsraten von EP zu EP. Die Jungen und Mädchen der Heidenheimer Kita zeigten eine ähnliche Entwicklung wie die Herlikofener Gruppen. So erzielten sie zwar einen Zuwachs in den Identifikationsraten, jedoch waren diese nicht signifikant. Ferner wurden auch keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen ermittelt. 63 63 Abb. 16: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Geschlecht in Herlikofen. Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Geschlecht) in Tübingen: Jungen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.002 (n=19), EP2 zu EP3 p=.007 (n=10); (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.001 (n=10). Mädchen: (Wilcoxon-Test): EP1 zu EP2 p=.046 (n=13), EP2 zu EP3 p=.042 (n=6); (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.008 (n=6). <?page no="181"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 181 Abb. 17: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Geschlecht in Tübingen. Abb. 18: Ergebnisse des GTs in Bezug auf das Geschlecht in Heidenheim . <?page no="182"?> 182 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3.5 Migrationshintergrund (Lexikontest) Im Hinblick auf den Migrationshintergrund (vgl. Abb. 19 bis 21) lassen sich in den Herlikofener und Tübinger Einrichtungen keine signifikanten Unterschiede in der Entwicklung des Wortschatzverständnisses von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund ermitteln. Allerdings zeigten beide Gruppen in Tübingen signifikante Unterschiede in den Zuwachsraten von EP zu EP. In Heidenheim ergab eine statistische Analyse, dass sich die Kinder ohne Migrationshintergrund von EP zu EP signifikant verbesserten. Allerdings konnte bei den Kindern mit Migrationshintergrund aufgrund der geringen Stichprobengröße von EP2 zu EP3 und von EP3 zu EP4 keine Analyse durchgeführt werden. Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen konnten allerdings auch in dieser Einrichtung nicht festgestellt werden. 64 64 Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Migrationshintergrund) in Herlikofen: Kinder mit Migrationshintergrund: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.018 (n=7). Kinder ohne Migrationshintergrund (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.012 (n=8). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Migrationshintergrund) in Tübingen: Kinder mit Migrationshintergrund: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.003 (n=7), EP2 zu EP3 p=.042 (n=6). Kinder ohne Migrationshintergrund (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.000 (n=8), EP2 zu EP3 p=.005 (n=6). Statistische Ergebnisse für den Lexikontest (Migrationshintergrund) in Heidenheim: Kinder ohne Migrationshintergrund (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.024 (n=9), EP2 zu EP3 p=.027 (n=7), EP3 zu EP4 p=.042 (n=6); (Friedman-Test) p=.005 (n=6). Abb. 19: Ergebnisse des LTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Herlikofen. <?page no="183"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 183 Abb. 20: Ergebnisse des LTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Tübingen. Abb. 21: Ergebnisse des LTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Heidenheim. <?page no="184"?> 184 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 3.3.6 Migrationshintergrund (Grammatiktest) Was die Ergebnisse des Grammatiktests betrifft (vgl. Abb. 22 bis 24), so erzielten die Kinder ohne Migrationshintergrund aus Herlikofen in EP4 zwar deutlich höhere Identifikationsraten, dennoch waren diese Unterschiede nicht signifikant. Auch die Unterschiede in den Zuwachsraten sind für keine der Gruppen signifikant. Demgegenüber zeigten beide Gruppen in Tübingen eine ähnliche Entwicklung im Verlauf der EPs. Statistische Analysen bestätigten, dass sich die Kinder mit und ohne Migrationshintergrund nicht signifikant voneinander unterschieden. Des Weiteren erzielten beide Gruppen signifikante Unterschiede in ihren Zuwachsraten von EP zu EP. In Heidenheim konnten ebenfalls keine größeren Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt werden. Signifikante Unterschiede in den Zuwachsraten konnten bei Kindern mit Migrationshintergrund von EP1 zu EP2 ermittelt werden. Bei den Kindern ohne Migrationshintergrund konnte ein signifikanter Unterschied im Zuwachs von EP1 zu EP4 festgestellt werden. 65 65 Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Migrationshintergrund) in Tübingen: Kinder mit Migrationshintergrund: (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.025 (n=11), EP2 zu EP3 p=.042 (n=6); (Friedman-Test) p=.008 (n=6). Kinder ohne Migrationshintergrund (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.004 (n=21), EP2 zu EP3 p=.007 (n=10); (Friedman-Test) EP1 zu EP3 p=.000 (n=10). Statistische Ergebnisse für den Grammatiktest (Migrationshintergrund) in Heidenheim: Kinder mit Migrationshintergrund (Wilcoxon-Test) EP1 zu EP2 p=.042. Kinder ohne Migrationshintergrund (Friedman-Test) p=.05 (n=6). Abb. 22: Ergebnisse des GTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Herlikofen. <?page no="185"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 185 Abb. 23: Ergebnisse des GTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Tübingen. Abb. 24: Ergebnisse des GTs in Bezug auf den Migrationshintergrund in Heidenheim. <?page no="186"?> 186 Alexandra Häckel, Thorsten Piske 4 Diskussion und Schlussfolgerungen Im vorliegenden Beitrag wurden Ergebnisse zur fremdsprachlichen Entwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder präsentiert. Dabei wurde insbesondere untersucht, inwieweit Variablen wie die Dauer des Kontakts zur L2, das Alter zu Beginn des L2-Erwerbs, das Geschlecht und das Vorliegen bzw. nicht Vorliegen eines Migrationshintergrunds für die Entwicklung des fremdsprachlichen Wortschatz- und Grammatikverständnisses bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkindern von Bedeutung sind. Zunächst wiesen die in drei Einrichtungen erzielten Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass die längerfristige L2-Kontaktdauer die Entwicklung des englischen Lexikon- und Grammatikverständnisses positiv beeinflusst hat. Es zeigte sich zwar, dass sich beim Lexikontest früher ein Zuwachs der Identifikationsraten feststellen ließ als beim Grammatiktest; insgesamt konnte eine Zunahme der Identifikationsraten im Verlauf der EPs aber in Bezug auf beide Tests festgestellt werden - und zwar unabhängig von der täglichen L2-Kontaktdauer (vgl. auch Westphal-Rathcke 1998, Maibaum 1999, Tiefenthal 1999, 2009, Rohde & Tiefenthal 2002, Burmeister & Steinlen 2008, Steinlen 2008). Auch die Ergebnisse des ELIAS Projekts, in dem teilweise ähnliche Fragestellungen untersucht wurden wie in diesem Beitrag, bestätigen den positiven Einfluss der L2-Kontaktdauer auf die Entwicklung des rezeptiven Verständnisses im lexikalischen und grammatischen Bereich (vgl. Rohde 2010, Steinlen et al. 2010a sowie die Beiträge von Kersten und Steinlen in diesem Band). Bezüglich der täglichen Dauer des Kontakts zur L2 unterschieden sich die drei Kita-Einrichtungen deutlich voneinander. Je mehr Input die Kinder pro Tag in einer Einrichtung erhielten, desto höher waren die Identifikationsraten sowohl im Lexikonals auch im Grammatiktest. Während die Kinder in Tübingen mit einer täglichen Kontaktzeit von 4 bis 6 Stunden die höchsten Identifikations- und Zuwachsraten erzielten, erreichten die Kinder in Herlikofen mit einer täglichen Kontaktzeit von 1 bis 2 Stunden pro Tag die geringsten Identifikationsraten in allen EPs. Dennoch zeigten auch diese Kinder fortschreitende Kenntnisse in der Fremdsprache (vgl. auch Rohde 2010, Steinlen et al. 2010a sowie Kersten ). Die unterschiedliche tägliche L2-Kontaktdauer ist jedoch nicht der einzige Aspekt, der die fremdsprachliche Entwicklung der hier betrachteten Kinder beeinflusst haben könnte. Auch die größere Anzahl der fremdsprachigen Kräfte in der Tübinger Einrichtung kann sich positiv auf die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder gerade dieser Einrichtung ausgewirkt haben. So hatten die Tübinger Kinder im Vergleich zu den Kindern der anderen beiden Einrichtungen nicht nur einen längeren täglichen L2-Kontakt, sondern aufgrund der höheren Anzahl an fremdsprachigen Betreuungskräften wahr- <?page no="187"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 187 scheinlich auch einen intensiveren Kontakt zur L2 (vgl. Kersten in diesem Band). Weiteren Einfluss auf die fremdsprachliche Entwicklung der Kinder in den einzelnen Einrichtungen könnte die Qualität des sprachlichen Inputs der fremdsprachigen Betreuungskräfte gehabt haben (vgl. dazu auch Weitz et al. 2010, Weitz 2015). So arbeiteten in der Tübinger und der Heidenheimer Einrichtung ausschließlich L1-SprecherInnen des Englischen. Demgegenüber war die L1 der fremdsprachigen Kraft in der Montessori-Gruppe in Herlikofen Deutsch, wobei sie durch ein Anglistik-Studium und längere Aufenthalte im englischensprachigen Ausland ebenfalls eine hohe Kompetenz in der Fremdsprache Englisch aufwies. Inwiefern sich der sprachliche Hintergrund der fremdsprachigen Betreuungskräfte tatsächlich auf die fremdsprachliche Entwicklung der deutsch-englisch bilingual betreuten Kinder in den einzelnen Einrichtungen ausgewirkt hat, wurde für diesen Beitrag nicht gezielt untersucht. Auch sonst liegen unseres Wissens nach kaum Studien vor, die im Detail der Frage nachgegangen sind, wie sich Input durch L1-Sprecher der Fremdsprache im Vergleich zu Input durch nicht-L1-Sprecher auf die fremdsprachliche Entwicklung bilingual betreuter Kindergartenkinder auswirkt. Dabei ist unabhängig vom L1-Hintergrund der fremdsprachigen Betreuungskraft vermutlich davon auszugehen, dass auch ihre Persönlichkeit und ihr gesamtes kommunikatives Verhalten einen Einfluss darauf haben dürften, wie sich die fremdsprachlichen Fähigkeiten eines Kindes entwickeln. Bei der Untersuchung der unterschiedlichen Altersgruppen wurden in beiden Tests eher uneinheitliche Ergebnisse erzielt. So zeigte sich im Lexikontest ein Alterseffekt sowohl bei den Kindern aus Herlikofen als auch bei den Kindern aus Heidenheim, nicht aber bei den Kindern aus Tübingen. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass jüngere Kinder bei einer geringeren täglichen L2-Kontaktdauer längere Zeit als ältere Kinder benötigen, um Fortschritte im Wortschatzverständnis zu zeigen. Ist der tägliche L2-Kontakt jedoch höher, so scheinen die jüngeren Kinder vergleichbar große Fortschritte zu machen. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse des Kinderhauses in Tübingen gestützt. Bei den Tübinger Kindern, die im Vergleich zu den Kindern der zwei anderen Einrichtungen die höchste tägliche L2-Kontaktdauer hatten, wurden zwischen den Altersgruppen kaum Unterschiede festgestellt. Beim Grammatiktest zeigte sich in allen drei Einrichtungen ein Alterseffekt, wenn auch unterschiedlich stark. Der deutlichste Effekt war bei den Kindern in Herlikofen festzustellen. Während sich die älteren Kinder tatsächlich von EP zu EP verbesserten, zeigten die jüngeren Kinder erst in EP 4 einen Anstieg in den Identifikationsraten. Auch in der Heidenheimer Einrichtung zeigten die jüngeren Kinder erst in EP 3 einen Anstieg der Identifikationsraten für einzelne grammatische Phänomene. Insgesamt weisen diese <?page no="188"?> 188 Alexandra Häckel, Thorsten Piske Ergebnisse darauf hin, dass es u.a. von den Lernbedingungen abhängt, inwieweit jüngere bzw. ältere Kinder Vor- oder Nachteile beim Erlernen einer Fremdsprache zeigen. Die in der Öffentlichkeit oft geäußerte Meinung, Mädchen lernten eine Sprache in der Regel besser als Jungen, muss aufgrund der hier vorgestellten Ergebnisse kritisch betrachtet werden. So erzielten die Mädchen in Herlikofen und in Heidenheim zwar bessere Ergebnisse als die Jungen, doch konnten in Tübingen keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen festgestellt werden. Darüber hinaus konnten für den Grammatiktest in keiner der drei Einrichtungen geschlechtsspezifische Unterschiede gefunden werden. Ähnlich uneinheitliche Ergebnisse zu möglichen Geschlechtsunterschieden beim Erlernen neuer Sprachen, wie sie hier erzielt worden sind, sind auch in anderen Studien zum Englischerwerb in bilingualen Kitas (z.B. Rohde 2010, Steinlen et al. 2010a, sowie die Beiträge von Kersten und Steinlen in diesem Band) sowie in Studien mit Migrantenpopulationen erzielt worden (vgl. z.B. Flege & Fletcher 1992, Piske et al. 2001). Alles in allem deuten die hier erzielten Ergebnisse wie die Ergebnisse anderer Studien darauf hin, dass pauschale Aussagen zu möglichen Vorteilen von Mädchen oder Frauen gegenüber Jungen oder Männern beim Erlernen neuer Sprachen nicht angemessen sind (vgl. auch Piske 2013, 2014). Weiterhin wurde in diesem Beitrag untersucht, ob das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen eines Migrationshintergrunds einen möglichen Einfluss auf die Entwicklung der fremdsprachlichen Fähigkeiten der deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkinder hatte. Dabei wurden Kinder als Kinder mit Migrationshintergrund eingeteilt, wenn mindestens ein Elternteil eine Zuwanderungsgeschichte hatte und/ oder zuhause außer Deutsch noch eine weitere Sprache gesprochen wurde. Die Zuordnung von Kindern zu Gruppen von Kindern mit oder ohne Migrationshintergrund ist dabei natürlich nicht unproblematisch, da mögliche Leistungsunterschiede zwischen solchen Gruppen von Kindern immer auch durch Unterschiede im soziokulturellen und sozioökonomischen Bereich oder auch durch den Grad des Bildungsinteresses einer Familie und nicht allein durch das Vorliegen bzw. nicht-Vorliegen eines Migrationshintergrunds bedingt sein können. Umso beachtenswerter ist es daher, dass in dieser Untersuchung weder im Lexikonnoch im Grammatiktest in keiner der drei Einrichtungen auffällige Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund festgestellt wurden (siehe auch Rohde 2010, Steinlen et al. 2010a sowie die Beiträge von Kersten und Steinlen in diesem Band für ähnliche Ergebnisse). Dieses Ergebnis ist natürlich auch in Bezug auf die Frage relevant, inwieweit deutsch-englisch bilinguale Einrichtungen, wie die drei hier betrachteten auch für Kinder geeignet sind, die von Anfang an mit mehr als einer Sprache aufwachen und für die die Fremdsprache Englisch eventuell schon die dritte, vierte oder fünfte Sprache ist. Aus Erzieherinneninterviews (siehe Häckel <?page no="189"?> Faktoren beim frühen Fremdsprachenerlernen in Kitas 189 in diesem Band) wurde deutlich, dass Kinder, die bereits eine Sprache (z.B. Türkisch) neben dem Deutschen erworben haben, der dritten Sprache (Englisch) häufig offenbar unbekümmerter begegnen als monolingual aufwachsende Kinder. So fällt diesen Kindern unter Umständen der Zugang zu einer weiteren Sprache leichter, da sie bereits Strategien zum Erwerb von Sprache(n) zu nutzen wissen und diese auf den Englischerwerb anwenden und übertragen können. Eine weitere wichtige Frage, die im Zusammenhang mit deutschenglisch bilingualen Kitas gestellt werden muss, ist die, wie sich der frühe Kontakt zur Fremdsprache Englisch auf die Entwicklung des Deutschen bei deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkindern auswirkt. Sprachstandserhebungen zum Deutschen wurden an den drei hier vorgestellten deutsch-englisch bilingualen Kitas mit Hilfe eines im Rahmen des „Heidenheimer Modells“ entwickelten Untersuchungsverfahrens (z.B. Henle & Plieninger 2007, Henle 2014) durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Erhebungen sind im vorliegenden Beitrag zwar nicht genauer vorgestellt worden. Es sollte aber darauf hingewiesen werden, dass in den betreffenden Untersuchungen keine erkennbaren Defizite in der Entwicklung des Deutschen festgestellt wurden, und zwar weder bei Kindern ohne noch bei Kindern mit Migrationshintergrund (Häckel & Piske 2011, Häckel 2013). Solche Ergebnisse weisen darauf hin, dass bilingual betreute Kindergartenkinder durch den frühen Kontakt zu einer Fremdsprache nicht automatisch Probleme dabei haben, im Kindergartenkontext die Majoritätensprache (hier also Deutsch) zu erlernen. Besonders wichtig scheint dabei zu sein, dass die deutsche Sprache wie jede andere von den Kindern gelernte Sprache kontinuierlich ausreichende Unterstützung erhält. Über ähnlich positive Ergebnisse, wie sie an den drei hier betrachteten Kindertageseinrichtungen zum Sprachstand im Deutschen erzielt worden sind, ist im Rahmen des ELIAS Projekts berichtet worden, wobei der Sprachestand im Deutschen im ELIAS Projekt zu zwei Testzeitpunkten mit Hilfe des SETK 3-5 (Grimm et al. 2001) erhoben wurde. Steinlen et al. (2010b, siehe auch Steinlen in Teil C dieses Bands) konnten dabei ermitteln, dass bereits zum ersten Testzeitpunkt sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne Migrationshintergrund leicht höhere Werte erzielten als monolingual Deutsch aufwachsende Kinder und dass sich sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne Migrationshintergrund vom ersten zum zweiten Testzeitpunkt signifikant bezüglich ihrer Leistungen im Deutschen verbessert hatten (siehe auch Steinlen & Schelletter in diesem Band). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die deutsch-englisch bilingual betreuten Kindergartenkinder aus drei Kitas in Baden-Württemberg, deren Daten im vorliegenden Beitrag vorgestellt worden sind, mehr oder weniger deutliche Fortschritte bei der Entwicklung ihrer fremdsprachlichen Fähigkeiten gezeigt haben. Solche Fortschritte ließen sich sowohl im Zusammenhang mit dem Wortschatzals auch mit dem Grammatikverständnis <?page no="190"?> 190 Alexandra Häckel, Thorsten Piske in der Fremdsprache feststellen. Im Hinblick auf die Bedeutung der L2- Kontaktdauer konnte gezeigt werden, dass sich das lexikalische und das grammatische Verständnis mit zunehmender Kontaktdauer verbessert haben und dass eine höhere tägliche Kontaktzeit darüber hinaus besonders auf die Entwicklung des fremdsprachlichen Grammatikverständnisses positiven Einfluss hatte. Allerdings zeigten auch Kinder mit nur 1 bis 3 Stunden Kontakt pro Tag messbare Fortschritte im Verständnis der L2 - wenn auch verzögert. Ein Vergleich verschiedener Lernergruppen hat außerdem ergeben, dass offenbar weder die Ergebnisse im Lexikonnoch die Ergebnisse im Grammatiktest deutlich von Faktoren wie Geschlecht und Migrationshintergrund abhängig waren. Die Ergebnisse in Bezug auf das Alter weisen darauf hin, dass ältere Kinder insbesondere im Grammatikverständnis zunächst größere Fortschritte zu machen scheinen als jüngere, dass mit zunehmender Dauer des Kontakts aber auch jüngere Kinder in dieser Hinsicht Fortschritte zeigen. Ergebnisse zum Sprachstand im Deutschen, über die hier nicht im Detail berichtet worden ist, weisen schließlich darauf hin, dass sich die bilinguale Betreuung sowohl bei den Kindern ohne als auch bei Kindern mit Migrationshintergrund nicht negativ auf den Entwicklungsstand im Deutschen ausgewirkt hat. Es sind allerdings noch weitere Untersuchungen mit größeren Stichproben notwendig, um klären zu können, inwieweit besonders mehrsprachig aufwachsende Kindergartenkinder mit Migrationshintergrund generell in Bezug auf die Entwicklung des Deutschen von deutschenglisch bilingualen Kitas profitieren. Literatur Au-Yeung, J., Howell, P., Davis, S., Sackin, S. & Cunniffe, P. 2000. Introducing the Preschoolers' Reception of Syntax Test (PROST). Proceedings of the Conference on Cognitive Development, Besancon France. Baumert, J., & Schümer, G. 2001. Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb. In: Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, K.J. & Weiß, M. (Hrsg.), PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich, 323-407. Burmeister, P. & Steinlen, A.K. 2008. Sprachstandserhebungen in bilingulen Kindertagesstätten: Das erste Jahr. 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In diesem Beitrag, dessen Ergebnisse auf dem EU-geförderten ELIAS Projekt beruhen, wird der (rezeptive) Erwerb der englischen Sprache von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in bilingualen Kindertagesstätten nachgezeichnet sowie eine Pilotstudie vorgestellt, die sich der Entwicklung der deutschen Sprache von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in bilingualen Kindergärten in Deutschland widmet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich schon während der Kindergartenzeit messbare Fortschritte beim Erlernen der neuen Sprache beobachten lassen und zwar für alle Kinder, unabhängig vom Migrationshintergrund. Des Weiteren finden sich in der Pilotstudie in Bezug auf den Deutschtest keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, die beide altersangemessene Werte erzielen. Diese Befunde deuten darauf hin, dass insbesondere bilinguale Kindertagesstätten als erste im Bildungswesen verankerte Institution ein ideales Lernumfeld bereitstellen, die es Kindern ermöglichen, zusätzlich zu ihrer/ n Familiensprache/ n ihre Umgebungssprache Deutsch und eine weitere Fremdsprache zu erwerben. 1 Einleitung Warum sollten gerade Eltern mit Migrationshintergrund 66 dazu ermutigt werden, ihre Kinder einen bilingualen Kindergarten besuchen zu lassen? Sind diese Kinder mit dem Erwerb einer weiteren, oft dritten oder vierten 66 Personen mit Migrationshintergrund sind dem Statistischen Bundesamt zufolge dabei „alle nach 1949 in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil" (Statistisches Bundesamt 2013: 6). <?page no="198"?> 198 Anja K. Steinlen Sprache, im Kindergarten nicht überfordert? Sollten sich gerade solche Kinder nicht erst die deutsche Sprache aneignen, bevor sie sich einer weiteren Fremdsprache zuwenden? In Deutschland bietet eine immer größere Zahl an Kindertagesstätten eine Fremdsprache als Umgangssprache im Alltag an, aktuell sind es circa 2% aller Kindergärten (FMKS 2014). Geht man weiterhin davon aus, dass etwa (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014) und rund 35% der Kinder unter fünf Jahren einen Migrationshintergrund besitzen (Statistisches Bundesamt 2013), so stellt sich die Frage, wie ratsam es ist, gerade diese Kinder in einen bilingualen Kindergarten aufzunehmen, denn aus den Medien wird des Öfteren der Eindruck vermittelt, dass Kinder mit Migrationshintergrund sich zunächst der Sprache des Gastlandes (z.B. Deutsch) widmen sollten, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können, und dass ein früher Kontakt mit einer weiteren Fremdsprache diesem Ziel nicht unbedingt zuträglich wäre. 67 Um sich aus wissenschaftlicher Sicht diesem Themengebiet anzunähern, wird in diesem Artikel kurz die Funktionsweise von bilingualen Kindergärten erläutert und der (rezeptive) Erwerb der englischen Sprache von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund während der Kindergartenzeit nachgezeichnet. Des Weiteren wird eine Pilotstudie vorgestellt, die sich der Entwicklung der deutschen Sprache von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in bilingualen Kindergärten in Deutschland widmet. 1.1 Das ELIAS Projekt Das ELIAS Projekt (Early Language and Intercultural Acquisition Studies, siehe für eine Zusammenfassung auch Kersten in diesem Band), aus dem die hier vorgestellten Daten entstammen, war ein multilaterales EU-Comenius- Projekt, das zwischen 2008 und 2010 in Deutschland, Belgien, Schweden und England durchgeführt wurde. Insgesamt umfasste das ELIAS Projekt achtzehn Partner, dazu gehörten Hochschulen und Bildungseinrichtungen, Kindergärten sowie ein Zoo. Von besonderem Forschungsinteresse waren der Erst- (L1) und Fremdsprachenerwerb (L2) der Kindergartenkinder, die Sprache der ErzieherInnen (die den Input für die neue Sprache Englisch darboten) sowie interkulturelle Bildung und eine zweisprachige Umweltbildung in einem der Kindergärten ("grüne Immersion") (Kersten et al. 2010a). Der Schwerpunkt der hier vorliegenden Studie liegt auf einem Vergleich des L2- 67 Hier sei als Beispiel auf einen Bericht der Süddeutschen mit dem Titel „Fremdeln mit der Fremdsprache“ vom 20.4.2012 hingewiesen: (http: / / www.sueddeutsche.de/ karriere/ englischunterricht-in-der-grundschulefremdeln-mit-der-fremdsprache-1.1146692). 58% aller Kinder in Deutschland unter dem Alter von sechs Jahren einen Kindergarten oder eine andere Betreuungseinrichtung besuchen <?page no="199"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 199 Erwerbs von Kindergartenkindern mit und ohne Migrationshintergrund sowie - als Pilotuntersuchung - deren Entwicklung der deutschen Sprache während desselben Zeitraums. 1.2 Die Funktionsweise von bilingualen Kindergärten In den Kindergärten des ELIAS Projekts arbeiteten sowohl Erzieherinnen 68 aus den jeweiligen Ländern (d.h. aus Deutschland, Schweden und Belgien) als auch englische Muttersprachlerinnen oder Erzieherinnen mit hohen fremdsprachlichen (in diesem Fall englischen) Kompetenzen. In den beteiligten bilingualen Kindergärten wurde nach dem Prinzip "eine Person - eine Sprache“ gearbeitet (z.B. Ronjat 1913, Baker 2000). In jeder Kindergartengruppe gab es gewöhnlich zwei Erzieherinnen, wobei die eine ausschließlich die L1 der Kinder verwendete (d.h. Deutsch, Schwedisch oder Französisch), die andere ausschließlich die L2 (d.h. Englisch). Die neue Sprache wurde also als Alltags- und Kommunikationsmittel im Kindergartenalltag verwendet und nicht als Unterrichtsfach oder Kurs angeboten (z.B. Rohde 2005, Steinlen 2008b, Wode 2009). Diese Art der Fremdsprachenvermittlung wird auch als Immersionsmethode bezeichnet und ist erwiesenermaßen die erfolgreichste Methode, sich eine Fremdsprache anzueignen (z.B. Wesche 2002). Wenn die Kinder am Anfang ihrer Kindergartenzeit über keine oder nur über sehr begrenzte Kenntnisse der neuen Sprache verfügen, begleiten die Erzieherinnen das Gesagte mit vielen nichtsprachlichen Mitteln, um es den Kindern zu ermöglichen, eine Verbindung zwischen dem Inhalt des Gesagten und dessen Bedeutung zu ziehen (die sog. Kontextualisierung). Diese Mittel umfassen z.B. den Einsatz von Körpersprache wie Gestik, Mimik und Pantomime sowie die Verwendung von Bildern, Bildgeschichten, CDs, Videos, Objekten u. ä. (z.B. Steinlen 2008b, Kersten et al. 2010a, Steinlen et al. 2014). Diese Art der Vermittlung stellt für die Erzieherinnen kein neues Aufgabengebiet dar, denn auch Kinder, die ohne Kenntnisse der Umgebungssprache in den Kindergarten kommen, werden auf ähnliche Weise in den sprachlichen Alltag eingeführt (z.B. Kolonko 2001). 1.3 Die Entwicklung der Englischkenntnisse in der Kita, v.a. von Kindern mit Migrationshintergrund In Bezug auf die Umgangsweise der Kinder mit der neuen Sprache Englisch in der Kita ergeben sich besonders am Anfang große individuelle Unterschiede. In den ersten beiden Wochen verhalten sich Kinder, die neu in die Kita kommen, oft zurückhaltend, denn sie müssen sich überhaupt erst mit den neuen Routinen im Kindergarten vertraut machen - die neue Sprache 68 Im Folgenden wird, der Kürze halber, nur von Erzieherinnen gesprochen, dies soll jedoch Erzieher nicht benachteiligen. <?page no="200"?> 200 Anja K. Steinlen scheint dabei nur ein Faktor unter vielen zu sein (siehe auch Ufert et al. in diesem Band). Schon nach wenigen Wochen sind die Kinder problemlos in der Lage, den Routinen des Kita-Alltags in der Fremdsprache zu folgen (z.B. good morning, tidy up time, stop it). Rasch entwickeln die Kinder ein Konversationsmuster mit den englischsprachigen Erzieherinnen: Diese sprechen ausschließlich Englisch, die Kinder antworten auf Deutsch. Nach ca. drei Monaten benutzen die Kinder eigenständig erste fremdsprachliche Wörter, wie diese Beispiele aus bilingualen Kitas in Deutschland zeigen: Ich habe einen dog. Gleich ist tidy up time. Lass uns outside gehen. Die Kinder fangen nun auch an, füreinander zu übersetzen: ”Veryl hat gesagt, dass wir jetzt aufräumen” (siehe auch Ufert et al. in diesem Band). Am Ende des ersten Jahres reagieren die Kinder angemessen auf den fremdsprachlichen Input (z.B. auf komplexere Fragen und Aufforderungen). Wenn die Kinder die Fremdsprache aktiv verwenden, sind es meistens Phrasen und kurze Sätze (z.B. good morning, bye-bye, tie my shoe, it’s breakfast time). Besondere Fortschritte lassen sich während der Kindergartenzeit in Bezug auf das Sprachverständnis beobachten; die Fähigkeit, die Fremdsprache frei zu sprechen, entwickelt sich im Vergleich dazu gewöhnlich relativ langsam. Erst später, nämlich im immersiven Grundschulunterricht, nimmt die fremdsprachliche Produktion deutlich zu (z.B. Wode 2009). In ihrer Studie über deutsch-englisch bilinguale Kindergartengruppen untersuchte Häckel (2013; siehe auch Häckel & Piske in diesem Band) unter anderem die Entwicklung des rezeptiven englischen Wortschatzes und der rezeptiven englischen Grammatik mit Hilfe eines computergestützten Bildzeigetests (Steinlen & Wettlaufer 2005). Die 58 Kinder hatten eine durchschnittliche Kontaktdauer zur englischen Sprache von 10 Monaten zu T1, 26 Monaten zu T2 und 34 Monaten zu T3. Die Ergebnisse zeigten zum einen positive Entwicklungen des rezeptiven Wortschatzes über die drei Testzeitpunkte hinweg; als wichtigste Faktoren wurden der L2-Kontakt und die L2- Intensität (Stundenzahl pro Tag) genannt. Des Weiteren wurden laut Häckel (2013) bestimmte lexikalische Bereiche wie Farben oder Tiere besser identifiziert als andere Bereiche (z.B. Küchenutensilien). Hier wies Häckel insbesondere auf phonologische Ähnlichkeiten zwischen englischen und deutschen Wörtern hin, die den Kindern eine positive Identifikation englischer Begriffe erleichterten. Ein etwas anderes Bild zeigte sich für den rezeptiven Erwerb der englischen Grammatik: Nur Kinder, die einen intensiven und kontinuierlichen Kontakt zur neuen Sprache Englisch hatten, verbesserten sich auch über die drei Testzeitpunkte. Der englische Grammatikerwerb scheint also im stärkeren Maße als der Wortschatzerwerb von qualitativ und quantitativ hohem fremdsprachlichen Input abhängig zu sein (Häckel 2013). In Bezug auf den Erwerb der Fremdsprache Englisch durch Kinder mit Migrationshintergrund in bilingualen Kitas deuteten Erfahrungen aus vor- <?page no="201"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 201 herigen Projekten sowie dem ELIAS Projekt auf eine ähnliche Abfolge wie für monolinguale Kinder hin, wenn auch z.T. mit zeitlicher Verzögerung und starker individueller Variation, abhängig von der Persönlichkeit des Kindes, seiner Familiensprache/ n und seinen Sprachgewohnheiten, um nur einige zu nennen (siehe Burmeister & Steinlen 2008, Häckel 2013). Gerade Kinder, die z.B. ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen in den Kindergarten kamen, wandten sich oft unbefangen der neuen Sprache zu und schienen das Gefühl zu haben, „im selben Boot“ wie die deutschen Kinder zu sitzen, da diese mit der neuen Sprache ja auch nicht vertraut waren (Rohde 2003, Piske 2007, Häckel 2013, Steinlen 2013; siehe auch Ufert et al. in diesem Band). In ihrer Studie über deutsch-englisch bilinguale Kindergartengruppen untersuchte Häckel (2013) unter anderem auch die Entwicklung des rezeptiven englischen Wortschatzes und der Grammatik von Kindern mit Migrationshintergrund, deren Sprachen leider nicht spezifiziert wurden. Insgesamt hatten, je nach Einrichtung, 50-60% der getesteten Kinder einen Migrationshintergrund. In Bezug auf die Entwicklung des rezeptiven englischen Wortschatzes und der englischen Grammatik fand Häckel keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf den Migrationshintergrund der Kinder, und zwar für alle drei Testzeitpunkte. Auch die Zuwachsraten bei der Identifikation englischer Wörter oder grammatischer Phänomene entwickelten sich für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund gleich. Häckel (2013) führte dieses Ergebnis zum einen auf die guten Deutschkenntnisse dieser Kinder zurück. Zum anderen erwähnten Erzieherinnen in Interviews, dass Kinder, die schon eine Sprache außer Deutsch kannten, der neuen Sprache Englisch unbefangener begegneten als monolinguale Kinder, da sie bereits Strategien zum Erwerb einer neuen Sprache zu nutzen wussten (siehe Häckel in diesem Band für ausführlichere Informationen zu diesem Aspekt). 1.4 Die Entwicklung der Deutschkenntnisse im Kindergarten, v.a. von Kindern mit Migrationshintergrund In Bezug auf die Entwicklung der Deutschfähigkeiten vor und während der Kita-Zeit sei hier auf den Beitrag von Steinlen & Schelletter in diesem Band verwiesen. In Kürze kann davon ausgegangen werden, dass mit drei Jahren beim Eintritt in den Kindergarten die Deutschkenntnisse der Kinder in der Regel schon gut entwickelt sind, und zwar hinsichtlich des Wortverstehens, der Aussprache und der Grammatik. Während der Kita-Zeit vergrößern die Kinder ihren Wortschatz, übergeneralisieren irreguläre morphologische Formen für Nomen und Verben immer weniger, produzieren komplexere Sätze und entwickeln ihre sozio-pragmatisch-kommunikativen Fähigkeiten weiter fort (siehe z.B. Jampert et al. 2009, Kolonko 2001, Siebert-Ott 2001, Tracy 2007). <?page no="202"?> 202 Anja K. Steinlen In Studien, die sich mit dem Erwerb des Deutschen während der Kita- Zeit beschäftigt haben, wurde jedoch immer wieder auf die Existenz einer frühen ethnischen Bildungsungleichheit zwischen Kindergartenkindern in Deutschland hingewiesen: Zum Beispiel scheinen schon während dieser Zeit Kinder mit Migrationshintergrund den Kindern ohne Migrationshintergrund in Bezug auf allgemeine Deutschkenntnisse oder hinsichtlich verbaler Ausdrucksfähigkeiten unterlegen zu sein, wie Einschulungsuntersuchungen gezeigt haben (z.B. Schöler et al. 2004, Knapp 2006, Grimm et al. 2001, Penner 2005, Böttcher et al. 2010). In Bezug auf die sprachliche Entwicklung von Kindern mit Familiensprache Türkisch in deutschen Kindergärten weisen die Ergebnisse einer Studie von Becker (2010) zum einen darauf hin, dass der expressive Wortschatz dieser Kinder weniger ausgeprägt ist als der ihrer deutschen Altersgenossen. Zum anderen scheint die im Kindergarten verbrachte Zeit die Entwicklung des deutschen Wortschatzes von türkischen Kindergartenkindern positiv zu beeinflussen. Das heißt, je mehr Zeit ein Kind mit nichtdeutscher Familiensprache in der Untersuchung im Kindergarten verbrachte, desto besser entwickelte sich sein expressiver Wortschatz Obwohl es viele Spekulationen darüber gibt, ob die Zwei- oder Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund den Spracherwerb des Deutschen behindert oder unterstützt, ist nun allgemein anerkannt, dass der schulische Erfolg oder Misserfolg dieser Kinder hauptsächlich von den Umständen abhängt, unter denen die Sprachen gelernt werden: Dies betrifft u.a. den sozialen Hintergrund, das Bildungsniveau der Eltern und deren Bestrebungen sowie die angebotene sprachliche Unterstützung (z.B. Apeltauer 2004, Siebert-Ott 2001, Biedinger 2010; siehe Knapp 2006 für einen Überblick). Auf der Grundlage der bisherigen Forschungsliteratur wäre deshalb zu erwarten, dass Kinder mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern mit einem einsprachig deutschen Hintergrund niedrigere Werte in einem Deutschtest (z.B. dem Sprachentwicklungstest für Kinder von 3-5 Jahren, SETK 3-5, Grimm et al. 2001) erzielen, unabhängig davon, ob sie einen bilingualen oder einen einsprachigen Kindergarten besuchen. In Bezug auf den Besuch einer bilingualen Kita könnte weiterhin erwartet werden, dass durch den Kontakt zur englischen Sprache die Inputmenge der deutschen Sprache soweit reduziert wäre, dass die Entwicklung der deutschen Sprache von Kindern mit Migrationshintergrund davon negativ betroffen ist, insbesondere dann, wenn die Familiensprache dieser Kinder nicht Deutsch ist. 2 Methode 2.1 Forschungsfragen Da sich aus vorherigen Projekten deutlich gezeigt hat, dass die produktiven Fähigkeiten bilingual betreuter Kindergartenkinder hinter ihren rezeptiven <?page no="203"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 203 zurücklagen, wurde im ELIAS Projekt insbesondere das englische Hörverstehen und nicht die Produktion der Kinder untersucht. Für die Kinder in einem bilingualen Kindergarten gibt es nämlich kaum einen zwingenden Grund, die neue Sprache aktiv zu verwenden, da die meisten englischen Erzieherinnen die L1 der Kinder verstehen (z.B. Wode 2009). Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der englischen Grammatik- und Vokabeltests, die in neun Kindergärten in vier verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt wurden, in Bezug auf das Abschneiden von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, präsentiert. Des Weiteren wird als Pilotversuch gezeigt, wie sich die Deutschkenntnisse von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in bilingualen Kindergärten in Deutschland entwickeln können. Die folgenden Fragen werden angesprochen: − Wie entwickelt sich über einen Zeitraum von ± 12 Monaten der rezeptive L2-Wortschatzund die rezeptive L2-Grammatik von Kindern, die einen Migrationshintergrund haben im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ohne Migrationshintergrund? − Wie entwickeln sich über einen Zeitraum von ± 12 Monaten die Deutschkenntnisse von Kindern, die einen Migrationshintergrund haben im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund? Erreichen Kinder mit Migrationshintergrund ähnliche Werte im Deutschtest SETK 3-5, und zeigen sie dieselben Fortschritte wie einsprachig deutsche Kinder? 2.2 Durchführung Da Kindergartenkinder sowohl hinsichtlich ihrer kognitiven als auch ihrer motorischen und sozialen Fähigkeiten sehr unterschiedlich sind, musste ein Testformat gefunden werden, das allen Altersstufen gerecht wurde. In der Forschung haben sich deshalb Bildzeigetests etabliert, die das passive Verständnis von Wortschatz und Grammatik von Kindergartenkindern abprüfen (z.B. Angermaier 1977, Grimm & Schöler 1978, Grimm et al. 2001). Wie sich auch im ELIAS Projekt herausstellte, war das Material zu den unten beschriebenen rezeptiven Tests kindgemäß, denn sowohl die älteren als auch die jüngeren Kinder nahmen mit Freude daran teil. Die Kinder aus allen Kindergärten wurden einzeln in einem ruhigen Raum getestet, mit welchem sie vertraut waren (siehe Crain & Thornton 1998 über die Bedeutung einer kinderfreundlichen Umgebung während der Durchführung eines Tests). Der ELIAS-Grammatiktest (Kersten et al. 2010b) ist eine komplett überarbeitete Version des Preschool Reception of Syntax Test (siehe Au-Yeung et al. 2000, Howell et al. 2003) und des Kiel Picture Pointing Test (Steinlen & Wettlaufer 2005). Das Ziel des ELIAS-Grammatiktests ist es, die Entwicklung der rezeptiven Grammatik des Englischen von Kindergartenkindern zu untersu- <?page no="204"?> 204 Anja K. Steinlen chen. Insgesamt wurde das Verständnis neun grammatischer Phänomene 69 überprüft: Subjekt-Verb-Übereinstimmung für Kopula und Vollverben, Anbzw. Abwesenheit der Genitivmarkierung ‘s, affirmative/ negative Sätze, Anbzw. Abwesenheit der Flektionsmarkierung Plural -s, 3. Person Singular Maskulinum/ Femininum Possessivpronomen his/ her (POSS), 3. Person Singular Personalpronomen Maskulinum/ Femininum als Subjekt he/ she und als Objekt he/ she sowie Wortstellung. Insgesamt wurden 54 Elemente getestet (d.h. 9 grammatische Phänomene x 3 Bildpaare x 2 Testpräsentationen pro Bildpaar). Der im ELIAS Projekt verwendete British Picture Vocabulary Scale II (BPVS II, Dunn et al. 1997b) ist ein standardisierter Test, der das rezeptive Vokabular von 3bis 15-jährigen monolingual englischen SprecherInnen ermittelt. Der BPVS II basiert auf dem US-amerikanischen Peabody Picture Vocabulary Test (PPVT, Dunn et al. 1997a) und wurde den kulturellen britischen Besonderheiten angepasst. Im ELIAS Projekt wurde der BPVS II bevorzugt, da sich die englischsprachigen ErzieherInnen in den Kindergärten zumeist am Britisch-Englischen orientiert haben. Insgesamt besteht der BPVS II aus 168 Wörtern, die abgefragt werden können. Die richtigen Antworten bilden die Rohwerte, die später zu einem standardisierten Wert für eine bestimmte Altersstufe mit Hilfe einer Umrechnungstabelle übertragen wird (Dunn et al. 1997b). Die standardisierte Bewertung für monolingual englische Kinder zeigt dann den Grad der Abweichung vom Durchschnittswert an, der von monolingual englischen Kindern im gleichen Alter erreicht wurde (siehe auch Weitz & Rohde 2010). Des Weiteren bietet der BPVS II standardisierte Werte auch für Lerner an, die Englisch als zweite Sprache in England lernen (English as an additional language, EAL). Das Kind sah beim Grammatiktest drei Bilder und beim Lexikontest vier Bilder und wurde dann gebeten, auf das Bild zu zeigen, das dem Satz „Show me: ___“ entsprach, wobei die Lücke in diesem Satz eine Phrase des Grammatiktests bzw. ein Wort im Wortschatztest enthielt. Im Grammatiktest kontrastierten die Bilder in einer grammatischen Zieldimension (z.B. die Anbzw. Abwesenheit der englischen Pluralmarkierung -s wie beispielsweise in cat vs. cats), ein Distraktor ähnelte semantisch bzw. lexikalisch den anderen zwei Bildern (um zu vermeiden, dass die Kinder ein Bild aufgrund eines lexikalischen Verständnisproblems ausschließen würden, siehe auch Rohde 2005 für mehr Details). Beim Vokabeltest entstammten die vier Bilder je einem lexikalischen Bereich (z.B. Tiere). Dem jeweiligen Test waren Trainingseinheiten vorgeschaltet, um die Kinder mit dem Prozedere vertraut zu machen. Insgesamt dauerte jeder Test nicht länger als zehn Minuten. 69 Der Begriff der grammatischen „Phänomene” ist Pienemann (1998: 18) entnommen, denn der von Au-Yeung et al. (2000) und Howell et al. (2003) verwendete Begriff der “syntactic categories” trifft auf die getesteten Strukturen nicht immer zu. <?page no="205"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 205 Der deutsche Sprachentwicklungstest für dreibis fünfjährige Kinder (SETK 3-5, Grimm et al. 2001) wird in dem Artikel von Steinlen & Schelletter in diesem Band näher beschrieben. Kurz gesagt durchlaufen die Kinder vier Untertests zum Satzverständnis, zur morphologischen Regelbildung, zum phonologischen Arbeitsgedächtnis und zur Satzwiederholung, d.h., es werden sowohl die rezeptiven als auch die produktiven Kenntnisse des Deutschen abgeprüft. Dieser Individualtest wurde von Logopädinnen durchgeführt und dauerte ca. 20 Minuten. 2.3 Die Versuchspersonen Zwischen 2009 und 2010 nahmen insgesamt 109 Kinder ohne und 39 Kinder mit Migrationshintergrund aus sieben zweisprachigen Kindertagesstätten in Deutschland, einer Kita in Schweden und einer in Belgien an dem Grammatiktest zweimal im Abstand von 5 bis 12 Monaten teil (siehe Steinlen et al. 2010b). Zum 1. Testzeitpunkt (T1) lag das Alter der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren (Mittelwert: 54,4 Monate, Standardabweichung, SD = 9,4 Monate), die L2-Kontaktdauer zur englischen Sprache betrug zwischen 1 und 42 Monaten (Mittelwert: 14,2 Monate, SD = 8,9 Monate). Zum Zeitpunkt des 2. Tests (T2) waren die Kinder zwischen 4 und 7 Jahren alt (Mittelwert: 63,8 Monate, SD = 10,2 Monate), ihre Kontaktdauer zum Englischen betrug zwischen 10 und 51 Monaten (Mittelwert: 24,2 Monate, SD = 8,6 Monate). Es war oft der Fall, dass die Kinder mehr L2 Kontakt hatten, je älter sie waren. Umgekehrt, je jünger sie waren, desto weniger L2 Kontakt hatten sie generell 70 . Im selben Zeitraum unterzogen sich insgesamt 137 Kinder ohne und 63 Kinder mit Migrationshintergrund aus neun bilingualen Kindergärten in Deutschland, Schweden und Belgien dem BPVS II zweimal im Abstand von 5 bis 12 Monaten (siehe Rohde 2010). Das Alter der Kinder lag zwischen 34 und 88 Monaten beim ersten Testzeitpunkt (Mittelwert: 56,4 Monate, SD = 13,1 Monate), zum 1. Test waren sie der englischen Sprache zwischen einem und 50 Monate ausgesetzt (Mittelwert: 14,2 Monate, SD = 9,7 Monate). Zum Zeitpunkt des 2. Tests waren die Kinder zwischen 42 und 98 Monate alt (Mittelwert: 67,3 Monate, SD = 13,3 Monate), und deren L2-Kontaktdauer zum Englischen betrug zwischen 10 und 61 Monate (Mittelwert: 25,1 Monate, SD = 9,3 Monate). Um die Deutschkenntnisse zu überprüfen, absolvierten 2009 und 2010 83 Kinder aus sieben zweisprachigen Kindergärten in Deutschland den SETK 3-5 zweimal in einem zeitlichen Abstand von 6 bis 12 Monaten (siehe Steinlen et al. 2010a). Die Altersspanne der Kinder lag zwischen 3 und 5 Jahren zu T1 (Mittelwert = 52,3 Monate, SD = 6,0 Monate). Zu T2 waren die Kinder zwischen 4 und 5 Jahre alt (Mittelwert: 59,7 Monate, SD = 5,9). Bei den El- 70 Die Ergebnisse einer bivariaten Korrelationsanalyse (Spearman's rho) zeigte eine starke Korrelation zwischen dem Alter der Kinder und ihrem L2-Kontakt (0,387, p < 0,05). <?page no="206"?> 206 Anja K. Steinlen ternfragebögen wurde/ n bei den Kindern mit Migrationshintergrund (12 der 83 Kinder) als Familiensprache/ n zum Beispiel Arabisch, Estnisch, Hebräisch, Kantonesisch, Kroatisch, Russisch, Spanisch oder Türkisch genannt. 3 Ergebnisse In Abschnitt 3.1. werden zunächst die Ergebnisse der Englischtests von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund vorgestellt, die zeigen, wie sich die Leistungen von T1 zu T2 unterscheiden. Für den Deutschtest finden sich die Resultate in Abschnitt 3.2. 3.1 Ergebnisse der Englischtests Abbildung 1 illustriert die Ergebnisse der Englischtests von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zu T1 und T2. Beim ELIAS-Grammatiktest hatten 26% und beim Vokabeltest BPVS II 32% der Kinder einen Migrationshintergrund. Da sich bei den englischen Bildzeigetests die Kinder zwischen drei bzw. vier Bildern entscheiden müssen, entsprechen 25% (BPVS II) bzw. 33% (Grammatiktest) dem Rate-Level. Abb. 1: Rohwerte des BPVS II (links) und des ELIAS-Grammatiktests (rechts) von Kindern aus neun bilingualen Kitas zu T1 und T2, unterschieden nach Migrationshintergrund. „n“ bezieht sich auf die Größe der Stichprobe, Migra+ illustriert die Ergebnisse von Kindern mit Migrationshintergrund (weiße Säulen), Migradie von Kindern ohne Migrationshintergrund (schwarze Säulen). Wie Abbildung 1 zeigt, erzielten in beiden Tests sowohl Kinder mit als auch ohne Migrationshintergrund bessere Werte zu T2 als zu T1 und verbesserten damit ihr englisches grammatisches und lexikalisches Hörverstehen. So 0 12 24 36 48 60 72 84 BPVS T1BPVS T2 Wortschatz zu T1 und T2 (n=200) Migra+ Migra- 08 16 24 32 40 48 56 64 GRA T1 GRA T2 Grammatik zu T1 und T2 (n=148) Migra+ Migra- <?page no="207"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 207 zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen T1 und T2 für den ELIAS-Grammatiktest 71 und für den Vokabeltest BPVS II 72 , jedoch keine signifikanten Unterschiede in den Leistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund bei beiden Tests. Im Vergleich zu den Kindern ohne Migrationshintergrund entwickelte sich also das grammatische und lexikalische Hörverstehen von Kindern mit Migrationshintergrund mit der gleichen Geschwindigkeit. Es scheint also, dass die Variable „Migrationshintergrund“ per se keinen Einfluss auf den Erwerb einer neuen Sprache in der Kita ausübt. 71 Eine Messwiederholungsanalyse für die Interaktion zwischen Zeit und Migrationshintergrund im ELIAS-Grammatiktest zeigte keine Unterschiede in der Entwicklung zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund (Zeit*Migrationshintergrund: F (1, 146) = 2,989, p>0,05), nur für die zeitliche Entwicklung zwischen Test 1 und 2 (Zeit: F (1, 146) = 79,683, p<0,05). 72 Eine Messwiederholungsanalyse für die Interaktion zwischen Zeit und Migrationshintergrund im BPVS II Vokabeltest zeigte keine Unterschiede in der Entwicklung zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund (Zeit*Migrationshintergrund: F (1, 198) = 5,824, p>0,05), nur für die zeitliche Entwicklung zwischen Test 1 und 2 (Zeit: F (1, 198) = 434,574, p<0,05). 3.2 Ergebnisse des Deutschtests Wie entwickelten sich die Deutschkenntnisse von Kindern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu gleichaltrigen einsprachig deutschen Kindern? Insgesamt betrug der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund 15% bei den teilnehmenden Kindern des Deutschtests SETK 3-5 (d.h. 12 von 83 Kindern); die Kinder kamen aus fünf verschiedenen bilingual deutschenglischen Kitas in Deutschland. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 dargestellt. Bedingt durch die sehr kleine Zahl der Probanden sei schon an dieser Stelle auf die Problematik der Generalisierbarkeit der Ergebnisse hingewiesen. Die in Abbildung 2 dargestellten Werte werden als sogenannte "T- Werte" des SETK 3-5 bezeichnet und beziehen sich auf Normwerte (Mittelwert = 50, SD = 10): Ein T-Wert zwischen 40 und 60 entspricht danach dem Durchschnitt, T-Werte von über 60 sind über dem Durchschnitt, T-Werte von unter 40 unter dem Durchschnitt anzusiedeln. T-Werte werden als Annäherung an eine tatsächliche Punktzahl interpretiert (siehe Grimm et al. 2001). <?page no="208"?> 208 Anja K. Steinlen Abb. 2: Die Entwicklung der Deutschkenntnisse zu T1 und T2, unterschieden nach Migrationshintergrund (siehe Abbildung 1 für eine genauere Erläuterung). Wie Abbildung 2 zeigt, unterscheiden sich die erzielten Werte im SETK 3-5 von Kindern mit Migrationshintergrund nicht von denen von Kindern ohne Migrationshintergrund. Beide Gruppen verbesserten sich deutlich im Laufe der Zeit, sie unterschieden sich nicht in ihren Werten zu Test 1 oder Test 2. 73 Des Weiteren erzielten beide Gruppen altersgemäße Werte. Obwohl diese Ergebnisse vorläufig sind, deuten sie an, dass der Erwerb des Deutschen von Kindern mit Migrationshintergrund in einem zweisprachigen Kindergarten nicht beeinträchtigt zu werden scheint. 4 Diskussion 4.1 Fremdsprachenkenntnisse Ein Ziel dieser Studie war es, die Entwicklung des englischen Grammatik- und Vokabelverstehens von Kindern mit Majoritätensprachen (z.B. Deutsch in Deutschland) zu untersuchen, die die L2 Englisch in bilingualen Kitas gelernt haben. Für diese Kinder zeigen die Ergebnisse deutlich, dass erhöhte L2-Kontaktdauer die Ergebnisse des ELIAS-Grammatiktests und des Vokabeltests BPVS II positiv beeinflusst haben. Je länger die Kinder also der englischen Sprache ausgesetzt waren, desto besser schnitten sie in beiden englischen Tests ab. Wenn Kinder eine Fremdsprache auf der Grundlage des 73 Eine Messwiederholung hinsichtlich der Gruppenwerte des SETK 3-5 zeigte signifikante Unterschiede für die Zeit (Zeit: F (1, 81) = 5.410, p<0.05), jedoch nicht für die Interaktion (Zeit*Migrationshintergrund: F (1, 81) = 0.306, p>0.05). <?page no="209"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 209 Immersionsansatzes erlernen, lassen sich also schon während der Kindergartenzeit messbare Fortschritte beim Erlernen der neuen Sprache beobachten (vgl. Burmeister& Steinlen 2008, Häckel 2013, Nauwerck 2005, Rohde & Tiefenthal 2002, Rohde 2005, Steinlen 2008a, Steinlen & Rogotzki 2009, Wode 2009). Des Weiteren zeigte diese Studie interessante Befunde in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund; diese machten circa 30% der Kinder in den zweisprachigen Kindergärten des ELIAS Projekts aus (d.h., deren Eltern lebten vorübergehend oder dauerhaft in einem Land, in dem er oder sie nicht geboren war): So zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, und zwar für beide englischen Tests. Dieses Ergebnis ist insofern wichtig, als dass die Variable Migrationshintergrund in Bezug auf das Erlernen einer Fremdsprache im Kindergartenkontext keine Rolle zu spielen scheint (siehe auch Steinlen et al. 2010b, Rohde 2010, Häckel 2013, Häckel & Piske 2011, 2012, Steinlen 2013, Häckel et al. 2014). Andere Befunde sind aus dem Grundschulkontext bekannt: Hier zeigten sich Kinder mit Migrationshintergrund (Familiensprache Türkisch) weniger erfolgreich beim Erlernen von Fremdsprachen als ihre einsprachigen Altersgenossen (siehe z.B. Elsner 2007, siehe aber Steinlen & Piske, 2013, 2014, i. Dr.). Anscheinend aber scheint dieser Nachteil später in der Schullaufbahn von SchülerInnen mit Migrationshintergrund aber zu verschwinden (z.B. Klieme et al. 2006, siehe aber Stanat 2003). Dieser Befund wurde auch für Kinder mit Migrationshintergrund in kanadischen Immersionsschulen bestätigt: Je länger die Kinder in Kanada gelebt haben, desto kleiner wurden die Lücken in den fremdsprachlichen Leistung zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, bis dieser zuletzt verschwand (z.B. McMullen 2004). Aber wie kommt es zu der positiven Entwicklung von Kindern mit Migrationshintergrund bei den beiden rezeptiven Englischtests? Zunächst wird die Fremdsprache auf der Basis von Immersionsprinzipien dargeboten und nicht in einem formalen Kontext (wie das Englische in der Schule) - die Fremdsprache wird also als ein Medium der Kommunikation verwendet. Dieser Ansatz scheint besonders vorteilhaft für Kinder mit Migrationshintergrund zu sein, die die Fremdsprache wie eine Muttersprache erwerben (z.B. Taylor 1992). Zweitens, zumindest in Bezug auf Deutschland, schienen die Kinder mit Migrationshintergrund in dem ELIAS Projekt eine hohe Kompetenz in der Sprache Deutsch zu haben, wie die Pilotergebnisse des Deutschtests SETK 3-5 zeigten. Da die deutsche und die englische Sprache typologisch eng Sprachen verwandt sind, kann man tentativ davon ausgehen, dass das englische Hörverständnis der Kinder mit Migrationshintergrund durch den Erwerb der deutschen Sprache profitiert hat (siehe auch Bild & Swain 1989, Hurd 1993). Es ist wahrscheinlich, dass ähnliche Tendenzen für Migrantenkinder in Schweden gefunden werden; allerdings ist dies <?page no="210"?> 210 Anja K. Steinlen weniger für Migrantenkinder aus Belgien zu erwarten (da sich Französisch und Englisch typologisch weniger nahe stehen). Dies muss im Detail in einer weiteren Studie untersucht werden, die dann auch genauere Informationen über die häusliche/ n Sprache/ n der Kinder ermittelt, um ein vollständigeres Bild vom Sprachhintergrund der Kinder und der Entwicklung ihrer Sprachen zu erhalten. Bisher ist es leider nicht klar, wie der häusliche Sprachhintergrund der Kinder ihre Ergebnisse in dem englischen Grammatiktest bzw. Vokabeltest beeinflusst hat. Trotz dieser Mängel zeigt diese Studie deutlich, dass es wichtig ist, die fremdsprachlichen Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund in zweisprachigen Kindergärten genauer zu untersuchen, denn diese zeigen sehr deutlich, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund von einem solchen Ansatz profitieren können. Zu bedenken ist allerdings, dass solche Kinder nur von einem frühen Immersionsprogramm profitieren können, solange sie eine starke Unterstützung in ihrer/ ihren Familiensprache/ n erhalten, da sonst ein solches Programm zu einer Situation der subtraktiven Zweisprachigkeit führen könnte, wie kanadische Studien gezeigt haben (siehe z.B. Hurd 1993, Dagenais & Day 1998, Swain & Lapkin 2005, Taylor 2006). 4.2 Deutschkenntnisse In wieweit hatten der Migrationshintergrund der Kinder und ihre Familiensprache einen Einfluss auf die Ergebnisse des Deutschtests SETK 3-5 (Grimm et al. 2001)? Erzielen Kinder mit Migrationshintergrund schlechtere Ergebnisse als einsprachig deutsche Kinder, in der Annahme, dass deren Deutschkenntnisse weniger gut entwickelt sind als die ihrer einsprachigen Altersgenossen? Es sind gerade diese Kinder, die vielen Berichten zufolge in solchen Kindertagesstätten benachteiligt sind, da weder ihre Familiensprache/ n (d.h. die Minderheitensprache/ n) noch ihre Deutschkenntnisse (d.h. die Umgebungs- und Majoritätssprache) altersangemessen entwickelt seien (z.B. Apeltauer 2004, Kaltenbacher & Klages 2007, Knapp 2006, Penner 2005, Schöler et al. 2004). Ein Vergleich der Ergebnisse des SETK 3-5 zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund ergab jedoch keine signifikanten Unterschiede. Beide Gruppen verbesserten sich deutlich zwischen den zwei Testzeitpunkten, d.h. innerhalb eines Jahres und zeigten altersangemessene Werte. Dies ist ein sehr ermutigendes Ergebnis, denn Eltern mit Migrationshintergrund haben oft Sorge, dass ihre Kinder in einem bilingualen Kindergarten, in dem eine weitere "neue" Sprache gesprochen wird, in ihrer weiteren sprachlichen Entwicklung, insbesondere in Bezug auf das Deutsche, benachteiligt sein könnten. Verschiedene Faktoren könnten für diesen positiven Befund verantwortlich sein: Zunächst war die untersuchte Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund, deren Familiensprache Deutsch bzw. Nicht-Deutsch war, in dieser Studie sehr klein. Daher können die Ergebnisse nur mit größter Vor- <?page no="211"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 211 sicht interpretiert werden. Weitere Studien mit einer größeren Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind definitiv erforderlich, um die Ergebnisse dieser Pilotstudie zu verifizieren. Darüber hinaus kamen die zwölf Kinder mit Migrationshintergrund aus fünf verschiedenen Kindergärten in Deutschland. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass gerade in diesen speziellen Kindergärten alle Bedingungen gegeben waren, die zu einem erfolgreichen Fremdsprachenerwerb beitrugen, wie z.B. ausreichender und qualitativ hochwertiger Input in der deutschen Sprache (Tracy 2000), Unterstützung der Eltern (z.B. Apeltauer 2004, Biedinger 2009, Kuyumcu 2006), ein vorangehender langfristiger Besuch des Kindergartens (z.B. Becker 2010), Erhaltung und Förderung der Familiensprache/ n der Kinder (z.B. Apeltauer 2004) und Fachkräfte, die in der Sprachförderung entsprechend geschult waren (z.B. Knapp 2006). Dennoch sind die Ergebnisse des Deutschtests SETK 3-5 ermutigend und weisen auf einen weiteren wichtigen Faktor hin, der den Kindern mit Migrationshintergrund geholfen haben könnte, ihre Deutschkenntnisse in bilingualen Kindergärten altersgemäß zu entwickeln: Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich gerade das Personal in zweisprachigen Kindergärten besonders sensibel gegenüber Spracherwerbsprozessen zeigt und daher seine Kinder bewusst in qualitativ und quantitativ hochwertigen Input "eintauchen" lassen, unabhängig davon, ob es sich um die deutsche oder englische Sprache handelte (siehe Weitz et al. 2010 für eine Diskussion über die optimale Beschaffenheit des L2-Inputs). Wie oben beschrieben, wird in zweisprachigen Kindergärten das Gesagte häufig mit der Verwendung von visuellen Hilfsmitteln unterstützt, um die Kinder in ihrem Spracherwerb zu unterstützen (siehe z.B. Snow 1990, Steinlen 2008b, Wode 2009). Ebenso wie der stark kontextualisierte englische Input den Kindern in ihrer Entwicklung des Hörverständnisses der englischen Sprache unterstützt hat, könnte der kontextualisierte deutsche Input mit dazu beigetragen haben, messbare Fortschritte in der deutschen Sprache auch bei Kindern mit Migrationshintergrund zu zeigen. Zusammenfassend heißt dies, dass die Kinder mit Migrationshintergrund nicht notwendigerweise reduziertem deutschen Input in zweisprachigen Kindergärten ausgesetzt waren. Leider ist es im Nachhinein nicht mehr möglich, diese Hypothese zu verifizieren. In einer weiteren Studie sollte deshalb nicht nur die Qualität und die Quantität des Inputs der neuen Sprache im bilingualen Kindergarten berücksichtigt werden, sondern auch die Qualität und die Quantität des deutschen Inputs, um die Entwicklung der deutschen Sprache angemessen interpretieren zu können. 4.3 Fazit für die Praxis Was bedeuten diese Ergebnisse für die Praxis? Zum einen: Das Gehirn kennt keine Sprachensperre - Kinder können viele Sprachen lernen (Franceschini 2003), und der Kindergarten erweist sich als ein ideales Lernumfeld, in dem <?page no="212"?> 212 Anja K. Steinlen Kinder die neue/ n Sprache/ n mit allen Sinnen erwerben können (Kersten et al. 2010a). Zum anderen: Kinder lernen im bilingualen Kindergarten nicht nur eine Fremdsprache, sondern erwerben damit auch weitere Kompetenzen, wie z. B. erhöhte kognitive Kontrollfähigkeiten, eine höhere kommunikative Flexibilität und eine höhere Motivation beim Fremdsprachenerwerb (Bialystok 2001). Wichtig ist es jedoch, Eltern (mit und ohne Migrationshintergrund) nachdrücklich auf die heimische Pflege der Familiensprache/ n hinzuweisen und sie insbesondere anzuregen, ihren Kindern viel vorzulesen, da erwiesenermaßen eine adäquate frühe Förderung (egal in welcher Sprache) einen wichtigen Prädiktor für den späteren schulischen Erfolg in unserer Gesellschaft darstellt (z.B. Prenzel et al. 2013 zu den Ergebnissen von PISA 2012). Des Weiteren ist es unabdingbar, Spracherwerbsprozesse in bilingualen Kindergärten differenziert zu betrachten: Nur weil die Familiensprache des Kindes nicht der Sprache des Gastlandes entspricht oder Eltern ein Migrationshintergrund attestiert wird, scheint dies kein Prädiktor für den Verlauf des Spracherwerbs eines Kindes zumindest während der Kindergartenzeit zu sein, egal ob es um die Entwicklung der L1, L2 oder L3 des betreffenden Kindes handelt. Wie die Ergebnisse dieser Studie gezeigt haben, schnitten die Kinder mit Migrationshintergrund in den Englischtests sowie im Deutschtest ebenso gut ab wie ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund und mit Muttersprache Deutsch. Ist es mehrsprachigen Eltern bzw. Eltern mit Migrationshintergrund also anzuraten, ihre Kinder einen bilingualen Kindergarten besuchen zu lassen? Die Antwort ist ein klares Ja. Ist das Kind damit nicht überfordert? Die Erfahrungen aus dem ELIAS Projekt zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Was kann an fremdsprachlichen Kenntnissen in einem bilingualen Kindergartenkontext erwartet werden? Die Daten weisen auf die Entwicklung eines sehr guten englischen Hörverständnisses hin, welches es den Kindern ermöglicht, sich die fremdsprachlichen Inhalte des Gesagten problemlos zu erschließen und das sich nicht vom Hörverständnis der monolingualen Altersgenossen unterscheidet. Idealerweise werden diese erworbenen Kenntnisse bei einem Besuch einer bilingualen Grundschule weiter vertieft: Neuere Untersuchungen deuten nämlich darauf hin, dass sich auch hier die Deutsch- und Englischleistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund nicht voneinander unterscheiden (siehe z.B. Steinlen & Piske 2013, 2014, i.Dr.). Wie die vorliegende Studie gezeigt hat, stellen Kindergärten, insbesondere solche, die bilingual arbeiten, also als erste im Bildungswesen verankerte Institution ein ideales Lernumfeld bereit, um es Kindern zu ermöglichen, zusätzlich zu ihre/ n Familiensprache/ n und der Umgebungssprache Deutsch mindestens eine weitere Fremdsprache am Ende ihrer Schullaufbahn auf einem funktional angemessenen Niveau beherrschen zu können. <?page no="213"?> Entwicklung Englisch und Deutsch von Migrantenkindern 213 5 Danksagung An dieser Stelle soll den Kindergartenteams, den studentischen Hilfskräften des ELIAS Projekts und insbesondere den Kindern für ihre enthusiastische Teilnahme herzlich gedankt werden. Das multilaterale Comenius-Projekt ELIAS wurde unter der Projektnummer 142355-lLP-1-200B-1-DE-COMENIUS-CMP von der EU zwischen 2008 und 2010 gefördert. Literatur Angermaier, M.J.W. 2 1977. Psycholinguistischer Entwicklungstest (PET). Weinheim: Beltz. Apeltauer, E. 2004. Beobachten oder Testen? Möglichkeiten zur Erfassung des Sprachentwicklungsstandes von Vorschulkindern mit Migrantenhintergrund. Flensburger Papiere zur Mehrsprachigkeit und Kulturvielfalt im Unterricht; Heft 36. Flensburg: Universität Flensburg. Autorengruppe Bildungsberichterstattung. 2014. Bildung in Deutschland 2014. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen. Bielefeld: Bertelsmann. http: / / www.bildungsbericht.de/ daten2014/ bb_2014.pdf (30.8.16). Au-Yeung, J, Howell, P, Davis, S, Sackin, S & Cunniffe, P. 2000. Introducing the Preschoolers' Reception of Syntax Test (PROST). Proceedings of the Conference on Cognitive Development, Besançon, France. http: / / www.speech.psychol.ucl.ac.uk/ Publications/ PAPERS/ PDF/ 32decolage.p df (30.8.16). Baker, C. 2000. A parents' and teachers' guide to bilingualism. Clevedon: Multilingual Matters. Becker, B.2010. Wer profitiert mehr vom Kindergarten? Die Wirkung der Kindergartenbesuchsdauer und Ausstattungsqualität auf die Entwicklung des deutschen Wortschatzes bei deutschen und türkischen Kindern. Kölner Zeitschrift für Soziologie 62, 139-163. Bialystok, E. 2001. Bilingualism in development: Language, literacy, and cognition. New York: Cambridge University Press. Biedinger, N. 2010. Early ethnic inequality: The influence of social background and parental involvement on preschool children's cognitive ability in Germany. Child Indicators Research, 3, 11-28. Bild, E.R. & Swain, M. 1989. Minority language students in a French immersion program: Their French proficiency. Journal of Multilingual and Multicultural Development 10, 255-74. Böttcher, A., Krieger, S. & Kovenbach, F.J. 2010. Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung. In: Statistisches Bundesamt: Wirtschaft und Statistik 2/ 2010. 158-165. Burmeister, P. & Steinlen, A.K. 2008. Sprachstandserhebungen in bilingualen Kindertagesstätten: Das erste Jahr. 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Dieser Sprachtest wurde mit 54 deutschen Kindern aus sieben bilingualen deutsch-englischen Kitas und 10 bilingual englisch-deutschen Kindern aus einer bilingual englisch-deutschen Kita in England durchgeführt, denen die neue Sprache (d.h. Deutsch bzw. Englisch) mit Hilfe der Immersionsmethode vermittelt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Erstsprache Deutsch in beiden Kontexten altersgemäß entwickelte, also nicht negativ durch die Verwendung der weiteren Sprache Englisch im Kitaalltag beeinflusst wurde. Als Erklärung für dieses positive Ergebnis werden Variablen wie familiärer Hintergrund, Vorlesegewohnheiten sowie eine sprachsensible Verwendung des Deutschen durch die L2 Kräfte in bilingualen Kitas diskutiert. 1 Einleitung Für die Mitgliedstaaten ist es vorrangig sicherzustellen, dass das Sprachenlernen schon im Kindergarten und in der Grundschule wirksam wird, denn bereits hier werden die entscheidenden Einstellungen gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ausgebildet und die Fundamente für den späteren Fremdsprachenerwerb gelegt. Der Europäische Rat forderte in Barcelona „die Verbesserung der Aneignung von Grundkenntnissen, insbesondere durch Fremdsprachenunterricht in mindestens zwei Sprachen vom jüngsten Kindesalter an. (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 8). Im Jahre 2003 formulierte die Europäische Kommission einen Aktionsplan für 2004-2006, der zum Ziel hatte, das Sprachenlernen und die Sprachen- <?page no="220"?> 220 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter 74 In diesem Beitrag werden die Begriffe „Kindertagesstätte“ und „Kindergarten“ synonym verwendet. 75 Im Folgenden wird, der Kürze halber, nur von Erzieherinnen gesprochen, dies soll jedoch Erzieher nicht benachteiligen. vielfalt zu fördern und der die Notwendigkeit betont, das Erlernen von neuen Sprachen so früh wie möglich zu beginnen. Zusätzliche Investitionen der Mitgliedstaaten seien jedoch nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Dies erfordere, laut der Europäischen Kommission, von Anfang an speziell sprachlich ausgebildete ErzieherInnen, Kleingruppenarbeit und geeignete Unterrichtsmaterialien. Darüber hinaus wurde ein ganzheitlicher Ansatz für den Sprachunterricht gefordert, der es Schülerinnen und Schüler ermögliche, Verbindungen zwischen Sprache und Handlung herzustellen, d.h. "das gesamte Spektrum ihrer kommunikativen Fähigkeiten" einzubeziehen, um die sprachliche Entwicklung zu fördern (ibid: 9). An diesen Zielen hat sich bis heute nichts geändert. Als Ergebnis der Initiative der Europäischen Kommission begannen mehr und mehr Kindertagesstätten (Kitas) , eine Fremdsprache (L2) entweder als Wochenkurs oder als Medium der Kommunikation während des Alltags, von Muttersprachlern vermittelt, anzubieten. Viele Kitas arbeiten nun nach der "Immersionsmethode" (von Englisch to immerse = eintauchen); momentan sind es ca. 1035 in Deutschland, d.h. 2% aller Kitas (FMKS 2014). Solche Kitas bieten zumeist ein zweisprachiges Bildungsprogramm an, in dem beide Sprachen (die Umgebungssprache, z.B. Deutsch in Deutschland sowie die neue Sprache) den ganzen Tag verwendet werden, d.h., die Erzieherinnen sprechen ausschließlich eine der beiden Sprachen. Da in einer Kitagruppe oftmals zwei Erzieherinnen tätig sind, verwendet die eine ausschließlich die Umgebungssprache der Kita (sehr oft die Erstsprache (L1) der Kinder), während die andere nur in der neuen Sprache (L2) spricht. Dieses Konzept mit dem Namen "eine Person eine Sprache" (z.B. Ronjat 1913, Baker 2000) ist auch aus dem häuslichen Umfeld bekannt, wenn die Eltern unterschiedliche Erstsprachen haben und die Kinder simultan bilingual aufwachsen (De Houwer 1995). Im Rahmen der Kita führt die L2- Erzieherin in der Regel alle täglichen Aktivitäten und Routinen in der Fremdsprache durch, so dass die Kinder etwa 50% des täglichen Inputs in der L2 erhalten. Um das Verständnis zu erleichtern, nutzen die Erzieherinnen Kontextualisierungstrategien, d.h. Mimik und Gestik, um durch die enge Verzahnung zwischen Sprache und Handlung den Kindern das Verständnis der neuen Sprache zu erleichtern (siehe z.B. Steinlen 2008, Wode 2009 für weitere Details). Immersionsprogramme sind vor allem in Kanada beheimatet und begannen zunächst in Schulen für englischsprachige Kinder, in denen alle oder ein Großteil der Unterrichtsstunden auf Französisch unterrichtet wurden (z.B. Lambert & Tucker 1972). In Bezug auf die kognitiven, akademischen 74 75 <?page no="221"?> SETK in Deutschland und England 221 und fremdsprachlichen Leistungen haben diese Programme große Erfolge gezeigt (siehe z.B. Genesee 1987, Turnbull et al. 2001, siehe Wesche 2002 für einen Überblick). Ähnliche Ergebnisse sind auch aus dem deutschen Grundschulkontext berichtet worden (Zaunbauer et al. 2005, 2012, Zaunbauer und Möller 2006, 2007, 2010, Gebauer et al. 2012). Diese Studien konnten außerdem zeigen, dass die Entwicklung der Erstsprache der Kinder in solchen Programmen nicht beeinträchtigt ist; hier wurden jedoch vor allem L1-Lese- und Schreibfähigkeiten untersucht (Genesee 1987, Turnbull et al. 2001, Zaunbauer et al. 2005, 2012, Zaunbauer und Möller 2006, 2007, 2010, Gebauer et al. 2012, Steinlen & Piske 2013, 2014). Weniger ist über die Auswirkungen von Immersionsangeboten auf die L1 bei Kindern im Elementarbereich bekannt, obgleich es angesichts der oben genannten Richtlinie der Europäischen Kommission eine Notwendigkeit gibt, nicht nur mehr über die Art und Weise des Erwerbs einer neuen Sprache in diesem Kontext zu erfahren, sondern auch zu eruieren, wie sich die L1 der Kinder dort entwickelt. Um unter anderem dieses Thema in einer Longitudinalstudie genauer untersuchen zu können, wurde das ELIAS Projekt (Early Language and Interaction Acquisition Studies, siehe auch Kersten in diesem Band) initiiert. Dieses Projekt wurde von der Europäischen Kommission zwischen 2008 und 2010 als Comenius-Projekt finanziert. Zehn Kitas aus vier europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, England und Schweden) nahmen an dem Projekt teil; in den beteiligten Ländern besuchten die Kinder eine zweisprachige Kita in der die Zielsprache Englisch mit Hilfe des Immersionsverfahrens erlernt wurde. Kinder mit L1 Englisch aus England fungierten als Vergleichsgruppe. Zusätzlich wurde in England eine Gruppe von Kindern untersucht, die Zuhause simultan mit Englisch und Deutsch aufwuchsen und eine zweisprachige englisch-deutsche Kita in Richmond besuchten. Die Ergebnisse des ELIAS Projekts sind detailliert in Kersten et al. (2010a) beschrieben und haben u.a. gezeigt, dass die große Mehrheit der Eltern, deren Kinder bilinguale Kitasbesuchten, das frühe Fremdsprachenlernen anhand der Immersionsmethode unterstützten. Doch wurden immer wieder Bedenken geäußert, ob nicht die Entwicklung der Erstsprache (L1) der Kindergartenkinder leiden könnte, wenn einige Erzieherinnen ausschließlich die neue Sprache in der Kita verwendeten. Gleiche Bedenken sind übrigens auch aus dem kanadischen Kontext bekannt (siehe z.B. Canadian Parents for French 2006). Allerdings gab es bislang noch keine Studien, die solche Effekte in einem zweisprachigen Kita-Kontext untersucht haben. Die vorliegende Untersuchung widmet sich daher der Frage, ob sich die L1 Deutsch von Kindern in zweisprachigen deutsch-englischen Kitas in Deutschland altersgemäß entwickeln kann. Doch wie entwickelt sich das Deutsche im ungestörten L1-Erwerb bei Kindergartenkindern im Alter von drei bis sechs Jahren? Beim Eintritt in die Kita zeigen sehr viele Kinder bereits gut entwickelte Deutschkenntnisse: Sie <?page no="222"?> 222 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter können fast alle Laute des deutschen Lautsystems produzieren, obgleich Probleme mit einigen Lautkombinationen auftreten können (Fox 2005). In Bezug auf die Morphologie verwenden Kindergartenkinder bereits regelmäßige Nomen und Verben, übergeneralisieren jedoch zum Teil unregelmäßige Formen. Ihr Wortschatz erweitert sich täglich, und sie lernen, wie man mit anderen Menschen in einer pragmatisch geeigneten Weise interagiert (siehe z.B. Haug-Schnabel & Bensel 2005). Zu Beginn der Grundschulzeit verwenden die Kinder in der Regel die meisten deutschen syntaktischen Regeln korrekt, sie übergeneralisieren kaum noch morphologische Formen und erweitern ihren Wortschatz mit einer Rate von drei bis sechs neuen Wörtern pro Tag. Auch ihre pragmatisch-kommunikativen Fähigkeiten sind im Allgemeinen zu diesem Zeitpunkt schon gut entwickelt (z.B. Siebert-Ott 2001, Tracy 2000). Weniger ist über die Entwicklung von deutschen Kindern bekannt, die zweisprachig in England aufwachsen und deren Umgebungssprache nicht Deutsch, sondern Englisch ist (siehe aber Döpke 1998, 2000, Gawlitzek- Maiwald & Tracy 1996, Schelletter 2000, 2002, Schelletter & Ramsey 2010, Sinka & Schelletter 1998). Im Fall der englisch-deutsch bilingualen Kinder des ELIAS Projekts berichteten die Eltern, dass ein Elternteil (meistens die Mutter) mehr oder weniger ausschließlich Deutsch mit dem Kind sprach. Daher ist zu erwarten, dass das Deutsch dieser Kinder dem von einsprachig deutschen Kindern sehr ähnlich ist (De Houwer 1995). Da die Kinder in der häuslichen Umgebung jedoch auch Englisch hörten, gibt es Einflüsse von der einen Sprache auf die andere (Müller & Hulk 2001). Wenn diese Kinder nun eine zweisprachige Kita besuchten, ändert sich möglicherweise die Dominanz der beiden Sprachen, da die Kinder nun Englisch als Umgebungssprache stärker ausgesetzt waren. Die Eltern der Kinder, auf die dies zutraf, befürchteten deshalb, dass sich dies negativ auf die weitere Entwicklung des Deutschen auswirken könnte. Wie sich die Deutschkenntnisse dieser bilingual englisch-deutschen Kinder in einer zweisprachigen Kitain England entwickelt haben, ist deshalb der zweite Fokus dieser Studie. Der Test, der im ELIAS Projekt verwendet wurde, um die Entwicklung des Deutschen zu überprüfen, ist der Sprachentwicklungstest für dreibis fünfjährige Kinder (SETK 3-5, Grimm et al. 2001), einer der wenigen standardisierten Deutschtests für dieses Alter. Laut Fried (2004) ist er gegenwärtig das am besten geeignete Werkzeug zur Analyse des Sprachstandes im Deutschen bei Kindern mit L1 Deutsch und nimmt weniger Zeit in Anspruch als andere standardisierte Tests. Der SETK 3-5 ist anhand einer Gruppe von 495 monolingual deutschsprachigen Kinder zwischen drei und sechs Jahren standardisiert worden; die Validität und Reliabilität ist (mit Cronbachs Alpha zwischen 0,62 und 0,89), hoch. Je nach Alter der Kinder besteht der Test aus zwei verschiedenen Testversionen (eine Version für die Dreijährigen und eine Version für die Vier- und Fünfjährigen). Der Fokus des SETK 3-5 <?page no="223"?> SETK in Deutschland und England 223 liegt auf der sprachlichen Produktion, dem Sprachverständnis und dem Arbeitsgedächtnis; diese Bereiche bilden die verschiedenen Untertests des SETK, die in Abschnitt 2.2 näher beschrieben werden. Zusammenfassend liegt der Schwerpunkt dieser Studie auf der Entwicklung des Deutschen von a) einsprachig deutschen Kindern, die eine bilinguale Kita in Deutschland besuchen und von b) bilingualen englisch-deutschen Kindern, die eine zweisprachige Kita in England besuchen. Unseres Wissens ist dies die erste Studie, die das Niveau des Deutschen von Kindern in zweisprachigen Kitas in zwei verschiedenen Ländern untersucht, um aufzuzeigen, ob sich das Deutsche in diesen unterschiedlichen Kontexten altersgemäß entwickelt. 2 Methode 2.1 Forschungsfragen Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des SETK 3-5 vorgestellt, die in sieben deutsch-englischen Kitas in Deutschland sowie in einer zweisprachigen englisch-deutschen Kita in England durchgeführt wurden. Folgende Fragen werden erörtert: 1. Wie ist der Stand der Deutschkenntnisse zu zwei Testzeitpunkten (T1 und T2) von deutschen Kindern in bilingualen Kitas im Vergleich zu gleichaltrigen deutschen Kindern, die eine einsprachige deutsche Kita besuchen? 2. Wie entwickelt sich das Niveau der Deutschkenntnisse von zweisprachig englisch-deutschen Kindern in einer zweisprachigen englisch-deutschen Kita in England im Vergleich zu gleichaltrigen deutschen Kindern, die eine einsprachige deutsche bzw. eine deutsch-englisch Kita in Deutschland besuchen? 2.2 Durchführung Der SETK 3-5 wurde als Individualtest in einem ruhigen Raum durchgeführt, der den Kindern vertraut war. Insgesamt lag die Dauer bei 15 bis 30 Minuten pro Kind; der SETK 3-5 wurde von ausgebildeten Logopäden durchgeführt (siehe Steinlen et al. 2010 für weitere Details). Insgesamt besteht der SETK 3-5 aus vier Untertests (Satzverständnis, morphologische Regelbildung, phonologisches Arbeitsgedächtnis und Satzwiederholung), die im Folgenden näher beschrieben werden: 1. Der Untertest "Satzverständnis" misst die Fähigkeit, Sätze unterschiedlicher Komplexität zu begreifen. So hören die Kinder zum Beispiel folgende Instruktionen: „Hier habe ich einige Dinge für dich mitgebracht― (Beobachterin arrangiert einen Teddybär, einen kleineren und einen größeren Bleistift, einen weißen Ball und einen kleineren gelben Ball in einer <?page no="224"?> 224 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter Reihe). „Kannst du mir sagen, was das ist? ―, Nachdem das Kind das jeweilige Objekt benannt hat, sagt die Beobachterin: „Zeig mir: Der gelbe Ball rollt weg, weil du ihn mit dem weißen Ball angestoßen hast.― 2. Bei der "morphologischen Regelbildung" muss das Kind Pluralformen produzieren. Es hört dabei die folgenden Anweisungen: „Ich habe ein paar Bilder hier. Es sind Bilder von Tieren und von anderen Dingen. Ich werde immer sagen, wie diese Dinge genannt werden, und du sagst mir, wie mehrere dieser Dinge genannt werden, das heißt, wie mehr als einer von ihnen genannt wird. Sieh her, hier ist ein Auto. . . . Hier gibt es noch mehr. So, hier sind es drei. . . [Autos]―. 3. Beim "phonologischen Arbeitsgedächtnis" wird die Fähigkeit untersucht, „Nicht-Wörter― nachzusprechen. Eine mögliche Anweisung wäre: „Jetzt möchte ich ein Wortspiel mit dir spielen. Ich werde ein paar lustige Wörter vorsagen, die du noch nie zuvor gehört hast. Hör mir genau zu und wiederhole diese Worte. Versuchen wir das erste Wort: „Maluk―. . . Jetzt bist du dran! ― 4. Der Untertest "Satzwiederholung" wird nur bei den Vier- und Fünfjährigen durchgeführt. Die Aufgabe der Kinder ist es, Sätze zu reproduzieren. Die Sätze unterscheiden sich hinsichtlich ihrer syntaktischen und semantischen Komplexität. Im sogenannten „Papageien-Spiel―, wiederholt das Kind Sätze wie „Die graue Maus wird von der Katze gejagt.“ 2.3 Versuchspersonen Zu zwei Testzeitpunkten wurden 54 deutsche Kindergartenkinder aus sieben bilingual deutsch-englischen Kitas in Deutschland mit Hilfe des SETK 3- 5 getestet. Die Altersspanne der Kinder lag zwischen 3 und 5 Jahren zum 1. Testzeitpunkt (T1, Mittelwert = 4,4 Jahre, Standardabweichung, SD = 6,0 Monate). Zum 2. Testzeitpunkt, ca. 8 Monate später, waren die Kinder zwischen 4 und 5 Jahre alt (Mittelwert: 5,0 Jahre, SD = 5,9 Monate). Alle Kinder waren mit drei Jahren in die Kita gekommen. Zusätzlich wurden die Daten von zehn zweisprachig aufwachsenden englisch-deutschen Kindern (5 Jungen und 5 Mädchen) aus England erhoben. Diese waren durchschnittlich 4,11 Jahre alt (SD = 9,4 Monate) und haben den SETK 3-5 einmal durchlaufen. Diese Kinder besuchten die Kita der Deutschen Schule in Richmond, England; ihre Mütter sprachen Deutsch mit ihnen. 3 Ergebnisse In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse des SETK 3-5 vorgestellt. Abschnitt 3.1 legt die Ergebnisse in Bezug auf die deutschen Kinder dar, die zweisprachig deutsch-englische Kitas in Deutschland besuchten und vergleicht diese mit den standardisierten Werten von monolingual deutschen <?page no="225"?> 76 Eine Messwiederholung für die 54 Kinder aus deutsch-englischen Kitas zeigten signifikante Unterschiede für den Faktor Zeit (Zeit: F (1, 53) = 5,676, p<0,05). SETK in Deutschland und England 225 Altersgenossen. Abschnitt 3.2 zeigt die Ergebnisse der zweisprachig englisch-deutschen Kinder aus England, die eine englisch-deutsche Kita in Richmond, England, besuchten. Im Folgenden werden die Daten der Versuchspersonen mit Hilfe von ANOVAs und Messwiederholungen analysiert. Die sogenannten „T-Werte― des SETK 3-5 beziehen sich auf Normwerte (Mittelwert = 50, SD = 10), die wie folgt interpretiert werden können: Ein T-Wert zwischen 40 und 60 entspricht dem Durchschnitt, T-Werte von über 60 sind über dem Durchschnitt, T-Werte von unter 40 unter dem Durchschnitt anzusiedeln. T-Werte werden als Annäherung an eine tatsächliche Punktzahl interpretiert (siehe Grimm et al. 2001). 3.1 Ergebnisse von Kindern aus zweisprachigen Kitas aus Deutschland Wie entwickelten sich die Deutschleistungen der Kinder, die anhand des SETK 3-5 über einen Zeitraum von 6-12 Monaten erfasst wurden? Wie Abbildung 1 zeigt, erzielten die Kinder zum 2. Testzeitpunkt (T2, 52,06) höhere Werte als zum ersten Testzeitpunkt (T1, 50,5). Wie eine ANOVA zeigt, ist dieser Unterschied signifikant. Nicht überraschend verbesserten sich also die Testergebnisse in Abhängigkeit vom Alter der Kinder sowie ihrem Kontakt zur L1 Deutsch. 76 <?page no="226"?> 226 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter Abb. 1: Werte des SETK 3-5 von bilingualen vier- und fünfjährigen Kindern in einer bilingualen Kita in England. Die T-Werte von 50,5 für T1 und 52,06 zu T2 zeigen an, dass die Deutschkenntnisse der Kinder in zweisprachigen Kitas in Deutschland im Bereich ihrer monolingualen deutschen Altersgenossen liegen, die deutsche Kitas besuchen. Die Deutschkenntnisse entwickelten sich also altersgerecht. Der Besuch einer bilingualen Kita, die eine Fremdsprache als Umgangssprache anbietet, scheint die Entwicklung der L1 Deutschkenntnisse bei den untersuchten Kindern also nicht negativ beeinflusst zu haben. 3.2 Ergebnisse von zweisprachigen Kindern aus einer zweisprachigen Kita aus England Die zehn zweisprachig englisch-deutschen Kinder aus der zweisprachigen Kita aus England wurden einmal getestet, um festzustellen, wie sich ihre Deutschkenntnisse im Vergleich zu einsprachigen deutschen Altersgenossen entwickelten. Die Ergebnisse werden in Abbildung 2 für zwei Altersgruppen, d.h. für die vier- und die fünfjährigen Kinder, dargestellt. <?page no="227"?> SETK in Deutschland und England 227 Abb. 2: Werte des SETK 3-5 von bilingualen vier- und fünfjährigen Kindern in einer bilingualen Kita in England. Wie Abbildung 2 illustriert, liegt der Mittelwert für die vierjährigen Kinder mit einem durchschnittlichen T-Wert von 56,5 im oberen Normbereich, während die Fünfjährigen mit 53,9 leicht über dem Mittelwert von 50 liegen. Ein Vergleich beider Gruppen, d.h. der zweisprachigen Kinder aus England und der Kinder aus bilingualen Kitas in Deutschland, ergab im Hinblick auf ihre Gesamtpunktzahl des SETK 3-5 keinen signifikanten Unterschied. Dies bedeutet, dass das Niveau der Deutschkenntnisse der in England lebenden Kindergartenkinder mit dem von Kindern in bilingualen Kitas in Deutschland vergleichbar ist. Ein unabhängiger T-Test zum Vergleich der SETK-Werte von den 54 Kindern aus bilingualen Kitas in Deutschland und den zehn englisch-deutschen Kinder aus England ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen (T (62) = -1,451, p >0,05). 77 77 <?page no="228"?> 228 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter 3.3 Ergebnisse in Bezug auf die Untertests des SETK 3-5 Im Folgenden werden die Ergebnisse für die verschiedenen Untertests des SETK für die 54 Kinder aus bilingualen Kitas aus Deutschland (Abb. 3) und den 10 zweisprachigen englisch-deutschen Kindern gezeigt (Abb. 4). Abb. 3: Die T-Werte für die Untertests des SETK für die 54 Kinder aus bilingualen Kitas in Deutschland zu T1 und T2 sind auf der Y-Achse dargestellt. Auf der X-Achse finden sich die vier Untertests (1: Satzverständnis, 2: morphologische Regelbildung, 3: phonologisches Arbeitsgedächtnis und 4: Satzwiederholung). Die Ergebnisse zeigten für alle vier Untertests eine Verbesserung der Werte von T1 zu T2, alle Werte lagen im Normbereich. Jedoch ergaben sich Unterschiede in Bezug auf die einzelnen Untertests, die sich als signifikant erwiesen: Die Kinder erzielten höhere Werte für das Satzverständnis und das phonologische Arbeitsgedächtnis und niedrigere Werte für die morphologische Regelbildung und die Satzwiederholungsaufgaben; diese Unterschiede Eine Messwiederholung für die 54 deutsch-englischen Kinder aus Deutschland zeigten signifikante Unterschiede zwischen den vier Untertests (F (3,51) = 3,038, p <0.05). 78 78 <?page no="229"?> SETK in Deutschland und England 229 sind signifikant. Posthoc tests zeigten, dass sich zu T1 die Untertests zum Satzverständnis und zum phonologischen Arbeitsgedächtnis signifikant vom Untertest zur Satzwiederholung unterschieden. Zu T2 ergaben posthoc tests dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Untertests. Abb. 4: Vergleich der T-Werte für die vier Untertests des SETK 3-5 zu T1 für die 54 Kinder aus bilingualen Kitas in Deutschland (monolingual, dunkle Linie) und für die 10 bilingualen Kinder aus einer bilingualen Kita aus England (bilingual, helle Linie). Auf der X-Achse entspricht 1 dem Satzverständnis, 2 der morphologischen Regelbildung, 3 dem phonologischen Arbeitsgedächtnis und 4 der Satzwiederholung. Im Folgenden werden in Bezug auf die vier Untertests des SETK 3-5 die Werte der Kinder aus bilingualen Kitas aus Deutschland mit den Werten der Kinder aus der bilingualen Kita aus England verglichen. Entwickeln sich die Deutschkenntnisse der bilingualen Kinder aus England ähnlich wie die der Kinder in bilingualen Kitas in Deutschland? Abbildung 4 zeigt einen Vergleich beider Gruppen zu T1, da die bilingualen Kinder nur zu diesem Zeitpunkt mit Hilfe des SETK 3-5 getestet wurden. Statistische Analysen in Bezug auf die morphologische Regelbildung, das Satzverständnis, und das phonologische Arbeitsgedächtnis ergaben keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Anders sieht es bei dem Untertest zur Satzwiederholung aus: Hier schnitten die bilingualen <?page no="230"?> 230 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter Kinder aus England erheblich besser ab als die deutschen Kinder der bilingualen Kitas in Deutschland. Insgesamt entwickelten sich die Deutschkenntnisse der bilingualen Kinder aus England ähnlich wie die der Kinder in bilingualen Kitas in Deutschland. 4 Diskussion Mit Hilfe des Deutschtests SETK 3-5 wurden 54 deutsche Kinder aus sieben zweisprachig deutsch-englischen Kitas in Deutschland sowie zehn zweisprachige, englisch-deutsch aufwachsende Kinder untersucht, die eine englisch-deutsche Kita in England besuchten. In Bezug auf die erste Gruppe zeigten die Ergebnisse durchschnittliche bzw. leicht überdurchschnittliche SETK-Werte im Vergleich zu der Normgruppe, die aus einsprachig deutschen Kindern in deutschen Kitas bestand. Darüber hinaus wiesen die Kinder aus den zweisprachigen Kitas in Deutschland eine altersgerechte Entwicklung in Bezug auf ihre L1 Deutschkenntnisse auf, obwohl die eine Alltagsprache in der Kita nicht Deutsch war (siehe Steinlen et al. 2010). Ähnliche Befunde wurden auch aus dem Primarbzw. Sekundarschulkontext - zumindest in Bezug auf die Entwicklung der L1-Lese- und Schreibfähigkeiten - berichtet (siehe z.B. Steinlen & Piske 2013, 2014, Zaunbauer et al. 2005, 2012; Zaunbauer & Möller 2006, 2007, 2010, sowie Turnbull al. 2001 und Genesee 1987 für Kanada). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann der Schluss gezogen werden, dass die Entwicklung der L1 nicht durch die frühe Einführung einer neuen Sprache in einer Bildungseinrichtung beeinträchtigt wird. Je länger die Kinder eine zweisprachige Kita besuchten, desto besser entwickelten sich ihre L1 Deutschkenntnisse, wie diese Längsschnittstudie aufzeigte. Nach etwa einem dreiviertel Jahr erzielten die hier untersuchten Kinder Werte, die leicht über der Norm der Altersgenossen aus deutschen Kitas lag. Somit kann die oben gestellte Frage: „Leiden die Deutschkenntnisse meines Kindes, wenn sie/ er eine zweisprachige Kita besucht? ― mit einem „Nein― beantwortet werden, zumindest in Bezug auf die Sprachkenntnisse, die durch den SETK 3-5 abgeprüft werden. Wie können die positiven Ergebnisse des SETK 3-5 erklärt werden? Eine wichtige Variable, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist der familiäre Hintergrund der Kinder, insbesondere die sozioökonomische Situation der Eltern sowie deren Bildungshintergrund: Viele Studien weisen z.B. auf die enge Beziehung zwischen elterlichen Erwartungen und den schulischen Leistungen ihrer Kinder hin (z.B. Eccles et al. 1983, Ein unabhängiger T-Test, der die SETK-Werte zur Satzwiederholung von den 54 Kindern aus bilingualen Kitas in Deutschland mit denen der 10 englischdeutschen Kinder aus England vergleicht, zeigte einen signifikanten Unterschied (T (62) = -2,162 p<0,05). 79 79 <?page no="231"?> SETK in Deutschland und England 231 McGrath & Repetti 2000). Aus dem Kita-Kontext ist ebenfalls bekannt, dass Kinder unbewusst den Einstellungen ihrer Eltern folgen und dass sich somit eine positive Haltung der Eltern auch positiv auf die sprachlichen Lernfortschritte auswirken kann (siehe z.B. López 2005, Mushi 2000). Auch Biedinger (2009) hat berichtet, dass der familiäre Hintergrund und elterliche Investition in anregungsreiche Aktivitäten die Entwicklung von Kindern beeinflusst und als Erklärung für Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Kindern im Kindergartenalter herangezogen werden kann. Aus Mangel an ausreichenden Daten war es im Rahmen dieser Studie jedoch leider nicht möglich, den elterlichen Bildungs- und sozioökonomischen Hintergrund mit den Ergebnissen der SETK 3-5 zu korrelieren. Wie Wippermann et al. (2010) jedoch berichteten, lagen die verschiedenen Kitas des ELIAS Projekts in Gegenden, die sich in Bezug auf sozioökonomische Faktoren unterschieden. Es besuchten also anscheinend nicht nur Kinder aus der höheren Mittelschicht bilinguale Kitas. Weitere Studien, welche insbesondere die elterlichen Variablen berücksichtigen, sind von Nöten, um die fremd/ sprachlichen Leistungen von Kindergartenkindern genauer interpretieren zu können. Ein weiterer Faktor, der sich positiv auf die Entwicklung der L1 auswirkt, sind Literalitätserfahrungen, also Begegnungen mit Wort und Schrift, die auch die familiären Lesegewohnheiten miteinbeziehen. So haben Studien gezeigt, dass Kinder, die schon in einem frühen Alter mit Büchern konfrontiert sind, bessere Leistungen in der Schule erbringen und zwar im Hinblick auf die mündliche Kompetenz, die phonologische Bewusstheit und das Leseverständnis (z.B. Reynolds 1997). Außerdem wirken sich frühe Erfahrungen mit verschiedenen Formen der Alphabetisierung (Lesen, Erzählen und Schreiben) positiv auf die kindliche Spracherwerbsentwicklung, ihre Sprachkompetenz und auf ihr Wissen über Sprache aus (z.B. Apeltauer 2004, Kuyumcu 2006). In einer weiteren Studie sollte daher der Elternfragebogen des ELIAS Projekts, der unter anderem Informationen über häusliche Lesegewohnheiten enthält, ausgewertet werden, um den Einfluss von Literalitätserfahrungen auf die Entwicklung der Deutschkompetenzen untersuchen zu können. Des Weiteren ist es möglich, dass die deutsche Sprachentwicklung der Kinder auch durch den stark kontextualisierten Input positiv beeinflusst wurde, dem die Kinder in zweisprachigen Kitasin der Regel ausgesetzt sind (z.B. Wesche 2002). Kontextualisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Erzieherinnen ihre Äußerungen mit Hilfe von visuellen Hilfsmitteln und realen Objekten vermitteln und die Kinder in motivierende Aktivitäten einbeziehen (siehe z.B. Snow 1990). Diese Art und Weise der Sprachvermittlung wird in bilingualen Kitas häufig auch von den deutschen Kolleginnen übernommen, die sich gestisch anpassen, um z.B. Kindern mit Migrationshintergrund den Erwerb der neuen Sprache Deutsch zu erleichtern, wie <?page no="232"?> 232 Anja K. Steinlen, Christina Schelletter Beobachtungen zeigten. Leider wurden im Rahmen der ELIAS-Studie dazu keine Daten erhoben. Ein weiteres Augenmerk sollte sich auf den Erwerb der einzelnen Subkomponenten der deutschen Sprache richten: So hatten alle Kinder, unabhängig davon ob sie eine bilinguale Kitain Deutschland oder England besuchten und auch unabhängig davon, ob sie monolingual oder bilingual aufwuchsen, im Untertest des SETK 3-5 „morphologische Regelbildung― schlechter abgeschnitten als in den anderen Untertests (obgleich sie auch dort altersgemäße Werte erzielten). Weitere Arbeiten müssten zeigen, ob dies ein testimmanentes Ergebnis ist oder ob sich hier der frühe Zweitspracherwerb auf die morphologische Regelbildung im Deutschen eher negativ auswirkt. So zeigten Studien mit deutsch-türkischen Kindern, dass diese in diesem Subtest des SETK 3-5 zumeist schlechter abschnitten als ihre monolingual deutschen Altersgenossen (z.B. Stahn 2005). Insgesamt wiesen alle Kinder, ob monolingual oder bilingual, bei der Pluralmarkierung von Nicht-Wörtern schlechtere Werte auf als bei der Mehrzahlbildung von realen Tieren und Gegenständen, d.h. also, dass die Regularitäten des morphologischen Systems des Deutschen in diesem Alter noch nicht vollständig ausgebildet scheinen. Eine Durchsicht der Daten der vorliegenden Studie bestätigte dieses Bild. Die morphologische Regelbildung scheint also sowohl für monolinguale als auch für bilinguale Kinder der schwierigste Untertest des SETK 3-5 darzustellen. Obwohl die Kinder in den bilingualen Kitas altersgemäße SETK-Werte erzielten, wäre es wünschenswert gewesen, die Deutschkompetenzen nicht nur zu zwei Testzeitpunkten, sondern von Anfang bis Ende der Kindergartenzeit zu ermitteln, um ein umfassenderes Bild von der Entwicklung des Deutschen dieser Kinder zu erhalten. Darüber hinaus würde sich eine solche Studie auch den Untertests des SETK und der genauen Entwicklung des Satzverständnisses, der morphologischen Regelbildung, dem phonologischen Arbeitsgedächtnis und der Satzwiederholung widmen. Beispielsweise haben viele Studien eine starke Korrelation zwischen phonologischem Arbeitsgedächtnis und lexikalischen und syntaktischen Fähigkeiten im L1- Erwerb aufgezeigt (z.B. Adams & Gathercole 1995, Baddeley et al. 1998, Hasselhorn & Körner 1997). In einer weiteren Studie könnte z.B. untersucht werden, ob sich diese Ergebnisse auch auf den Zweitspracherwerb in einem bilingualen Kitakontext übertragen lassen. Schließlich sind die Ergebnisse des SETK 3-5 bisher nicht mit den anderen L2-Tests korreliert worden, die im Rahmen des ELIAS Projekts durchgeführt wurden (also dem British Picture Vocabulary Scale II, Dunn et al. 1997 und dem ELIAS Grammar Test, Kersten et al. 2010b). Aus dem schulischen Kontext ist beispielsweise bekannt, dass das Fremdsprachenlernen auf den Kenntnissen der L1 beruht, d.h., dass die phonologischen, orthographischen, syntaktischen und semantischen Fähigkeiten in der L1 die Grundlage für <?page no="233"?> SETK in Deutschland und England 233 das erfolgreiche Fremdsprachenlernen bilden (z.B. Sparks et al. 2006). Auch Dufva & Voeten (1999) berichteten, dass das Fremdsprachenlernen von gut entwickelten L1-Lese- und Schreibfähigkeiten sowie vom phonologischen Arbeitsgedächtnis abhängen. Eine Beziehung zwischen phonologischem Speicher und L2 grammatischen und lexikalischen Fähigkeiten wurde in vielen Studien gefunden, so z.B. von Service und Kohonen (1995), Cheung (1996) und Masoura & Gathercole (2005) zum L2 Wortschatz und von French & O'Brien (2008) zur L2 Grammatik. Einer weiteren Studie bleibt es vorbehalten zu untersuchen, ob sich diese Ergebnisse von Schulkindern auch auf den Kindergartenkontext übertragen lassen, d.h. ob dort gute L1- Kompetenzen (operationalisiert durch den SETK 3-5) auch gute fremdsprachliche Leistungen (z.B. im BPVS II oder im ELIAS-Grammatiktest) vorhersagen. Das Ziel dieser Studie war es, die Deutschkenntnisse von bilingual betreuten Kindergartenkindern abzuprüfen und zwar mit Hilfe einer standardisierten und normierten Testbatterie, dem SETK 3-5 (Grimm et al. 2001). Dieser Sprachtest wurde mit 54 deutschen Kindern aus sieben bilingualen deutsch-englischen Kitas und 10 bilingual englisch-deutschen Kindern aus einer bilingual englisch-deutschen Kita in England durchgeführt, denen die neue Sprache (d.h. Deutsch bzw. Englisch) mit Hilfe der Immersionsmethode vermittelt wurde. Eltern solcher Kinder sorgen sich oft um die Entwicklung der L1 ihrer Kinder. Die Ergebnisse des SETK 3-5 weisen jedoch darauf hin, dass solche Sorgen unbegründet zu sein scheinen: Die L1 Deutsch der hier untersuchten Kinder entwickelte sich in beiden Kontexten altersgemäß, wird also nicht negativ durch die Verwendung der weiteren Sprache Englisch im Kitaalltag beeinflusst. Deshalb plädieren wir dafür, Eltern dazu zu ermutigen, ihre Kinder eine bilinguale Kitabesuchen zu lassen und sie ebenso wie pädagogische Kräfte und Entscheidungsträger über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die altersgemäße Entwicklung der L1 im bilingualen Kitakontext zu informieren. 5 Danksagung An dieser Stelle soll den Kindergartenteams des ELIAS Projekts als auch den Kindern für ihre enthusiastische Teilnahme herzlich gedankt werden. Das ELIAS Projekt wurde unter der Nummer 142355- DE-2008-COMENIUS- CMP von der EU gefördert. Literatur Adams, A.-M. & Gathercole, S.E. 1995. Phonological working memory and speech production in preschool children. 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Die Kinder des Zoo-Kindergartens zeigen in den fremdsprachlich vermittelten Naturbegegnungen („Grüne Immersion“) eine Entwicklung über sechs Stufen von emotionaler Beteiligung bis hin zur Handlungskompetenz. 1 Einleitung Früher Fremdsprachenerwerb findet zunehmend Eingang in die europäische Bildungspolitik, die Mehrsprachigkeit als Kernkompetenz jeden Bürgers bezeichnet und ihre Notwendigkeit „für Ausbildung, Beschäftigung, kulturellen Austausch und persönliche Entfaltung“ betont (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 7). Daher ist es für die Mitgliedstaaten vorrangig sicherzustellen, dass das Sprachenlernen schon im Kindergarten und in der Grundschule wirksam wird, denn bereits hier werden die entscheidenden Einstellungen gegenüber anderen Sprachen und Kulturen ausgebildet und die Fundamente für den späteren Fremdsprachenerwerb gelegt … insbesondere durch Fremdsprachenunterricht in mindestens zwei Sprachen vom jüngsten Kindesalter an (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 7, Hervorhebungen der Autorin). <?page no="240"?> 240 Kristin Kersten Diese Forderung flächendeckend umzusetzen ist eine Herausforderung für die meisten Mitgliedstaaten, die ein Umdenken und eine Umstrukturierung der herkömmlichen Bildungspolitik erfordert. Frühes bilinguales Lernen ist wiederholt als der Ansatz beschrieben worden, der weltweit das größte Potenzial hat, diese Ziele zu erreichen (Wode 2010). Hierbei handelt es sich um ein Konzept, welches das Erlernen von Fremdsprachen 80 (L2) im Kindergarten und in der Schule als inhaltsgebundene Verwendung der L2 im Alltag und im Unterricht fördert und so die natürlichen Sprachlernfähigkeiten junger Lerner stimuliert (Tracy 2008). Viele Studien haben gezeigt, dass Lerner in frühen bilingualen Programmen eine deutlich höhere Sprachkompetenz erreichen als in traditionellen Fremdsprachenprogrammen und dies die Möglichkeit eröffnet, eine weitere Sprache früher und intensiver erlernen zu können („3+ Sprachenformel“, Wode 2010: 9). Allerdings fehlen bisher weitestgehend systematische Studien zum Spracherwerb und dem Erwerb inhaltlicher Konzepte in bilingualen Kindergärten (BKG). Ziel des ELIAS Projekts (Kersten, Rohde, Schelletter & Steinlen 2010a, b, Kersten 2010, 2012a, 2014) ist es daher, mit einer Reihe von Forschungsstudien in europäischen BKG den Erstspracherwerb, den Zweitspracherwerb, das interkulturelle Lernen und das inhaltliche Lernen in der Fremdsprache innerhalb einer bilingualen Umweltbildung („Grüne Immersion“) in den Blick zu nehmen. 81 2 Das ELIAS Projekt ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies) ist ein multilaterales EU Comenius Projekt mit 18 Partnerinstitutionen aus Belgien, England, Deutschland und Schweden, zu denen Hochschulen, ein Zoologischer Garten, zehn bilinguale Kindergärten mit der L2 Englisch sowie ein monolingual englischsprachiger Kindergarten gehören. Während der Projektlaufzeit von zwei Jahren (2008-2010) wurden mit Hilfe von teilnehmender Beobachtung sowie von standardisierten und nichtstandardisierten Testverfahren longitudinale Daten von über 400 Kindern und mehr als 20 pädagogischen Kräften erhoben. Zusätzlich zu diesen Forschungsstudien, die im Folgenden im Detail vorgestellt werden, führte das interdisziplinäre Projektteam Fortbildungen durch, evaluierte die bilingualen Konzepte und erstellte eine große Anzahl von praktischen Materialien 80 Die Begriffe „Fremdsprache“ und „Zweitsprache“ werden in diesem Beitrag synonym verwendet. 81 Die vorliegende Darstellung der Ergebnisse ist übernommen und verändert nach der englischsprachigen Zusammenfassung in Kersten (2014), siehe auch Kersten (2012a) für eine detailliertere Zusammenfassung der Ergebnisse auf Deutsch. <?page no="241"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 241 und Handreichungen inklusive einer CD-ROM mit Lernmaterial für den innovativen Ansatz der „Grünen Immersion“. 82 3 Bilinguale Kindergärten: Konzept und Funktionsweise Die Konzepte bilingualer Kindergärten in den europäischen Mitgliedstaaten unterscheiden sich zum Teil deutlich in Bezug auf das Alter der Kinder, den Einsatz der verschiedenen Sprachen, die Öffnungszeiten u.a. voneinander. Im typischen Fall wird der Tagesablauf von SprecherInnen der Umgebungssprache, die für die meisten Kinder gleichzeitig die Erstsprache (L1) ist, und SprecherInnen der Zielsprache (L2, für mehrsprachige Kinder L3) begleitet; die Kinder sind in den meisten Programmen zwischen drei und sechs Jahre alt. BKG richten sich zudem meist nach den folgenden Kriterien: 1. Sie folgen dem eine Person eine Sprache Prinzip (z.B. Döpke, 1992). Danach werden die Gruppen von zwei pädagogischen Kräften betreut, von denen eine nur die L1, die andere nur die L2 im Umgang mit den Kindern verwendet. Auf diese Weise werden alle Aktivitäten in zwei Sprachen ausgeführt, ähnlich wie es in vielen zweisprachigen Familien geschieht. Während die Kinder im Laufe des Erwerbsprozesses beide Sprachen spielerisch mischen, bleiben die pädagogischen Kräfte in ihrer jeweiligen Sprache, um den Lernern damit unter anderem eine Hilfestellung zu geben, die beiden Sprachsysteme voneinander zu trennen (Kersten, Steinlen, Tiefenthal, Wippermann & Flyman Mattsson 2010). 2. Anders als in bilingualen Schulen werden in BKG häufig Muttersprachler für die L2 eingesetzt. Dies hat zum einen den Vorteil, dass ein fehlerfreier und vor allem idiomatischer, sprachlicher Input gewährleistet ist, zum anderen können Muttersprachler ihre Sprache und die Kultur ihres Landes authentischer wiedergeben, beispielsweise durch kulturell geprägte Aktivitäten, Lieder, Reime, Spiele und Geschichten. Auch und gerade für den Erwerb einer akzentfreien Aussprache kann ein früher muttersprachlicher Input als wichtig angenommen werden, da die Lerner schon vor Ende ihres zweiten Lebensjahres eine sensible Phase für das Lautsystem der fremden Sprache durchlaufen (z.B. Kuhl et al. 2008). Allerdings fehlen Forschungsergebnisse aus vergleichenden Studien zu diesen Aspekten. Weiterführende Untersuchungen zu dieser Fragestellung sind daher von großer Bedeutung. 3. Die Funktionsweise von BKG ist mit dem Konzept der Immersion vergleichbar. 83 Dieser Begriff stammt aus dem schulischen Kontext und beschreibt die Verwendung der Zielsprache als Unterrichtssprache für die fachlichen Inhalte in über 50 % des Curriculums (Genesee 82 Alle Materialien sind unter www.elias.bilikita.org zum Download bereitgestellt. 83 Englisch to immerse (eintauchen) steht für ein Eintauchen in das Sprachbad der L2. <?page no="242"?> 242 Kristin Kersten 1987; Kersten, Fischer, Burmeister, Lommel, Schelletter, Steinlen & Thomas 2010; Kersten & Rohde 2015). Immersionsprogramme gelten als die weltweit effektivsten Programme für frühes Fremdsprachenlernen (Kersten, Fischer, Burmeister, Lommel, Schelletter, Steinlen & Thomas 2010; Wesche 2002; Wode 2010), die gleichzeitig den altersgemäßen Erwerb des Fachwissens und der L1 zum Ziel haben. Die hohe Intensität (über 50%) hat sich in der Immersionsforschung als ein wichtiges Kriterium für den Erfolg solcher Programme erwiesen (z.B. Wesche 2002). Der Begriff Immersion wird häufig auf BKG- Konzepte übertragen, wobei in manchen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, hier nicht von einem Curriculum im engeren Sinne ausgegangen werden kann, in dem bestimmte Lehrinhalte festlegt sind. Wenn die L1 und die L2 durch die Präsenz der Sprecher zu gleichen Teilen im Tagesablauf einer Kita vertreten ist, dann kann jedoch auch hier von einem vergleichbaren Intensitätskriterium ausgegangen werden. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Verschiebungen bei den Präsenzzeiten der pädagogischen Kräfte, so dass die Übertragung des Begriffes Immersion auf jede Form von BKG-Konzept jeweils mit gewisser Vorsicht angewandt werden muss. 4 Die ELIAS-Studien 4.1 Forschungsfokus Folgende Fragestellungen liegen den vier Teilstudien des ELIAS Projekts zugrunde. Studie 1: Wie entwickelt sich die L1 Deutsch in bilingualen Kindergärten in Deutschland? Studie 2: a) Wie entwickelt sich die L2 Englisch in verschiedenen europäischen bilingualen Kindergärten? b) Lassen sich Einflussfaktoren auf die sprachliche Entwicklung der Lerner identifizieren? Studie 3: Lassen sich Aspekte interkultureller Kompetenz in bilingualen Kindergärten beobachten? Studie 4: Wie entwickeln sich Naturbegegnungen und der Erwerb von umweltbezogenem Fachwissen in der L2 in einem Konzept zur „Grünen Immersion“? 4.2 Probanden An den Studien nahmen 413 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren teil, davon 270 Kinder aus insgesamt sieben BKG aus Deutschland, 69 aus einem frankophonen BKG in Belgien, 42 aus einem BKG in Schweden, in dem neben Englisch auch Französisch als L2 angeboten wird, 32 Kinder aus <?page no="243"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 243 einem bilingual englisch-deutschen BKG in England sowie 30 Kinder aus einem monolingualen Kindergarten in England. Beide Kindergärten aus England dienten als Vergleichsgruppen für die Sprachstudien. Von den 413 Probanden waren insgesamt 135 mehrsprachig, d.h., sie hatten einen Elternteil oder Eltern, die in einem anderen Land aufgewachsen waren. Für die Studie wurde zudem unterteilt, ob die Kinder die Muttersprache/ n der Eltern, die Umgebungssprache oder beide Sprachen zu Hause sprechen. Nicht alle Probanden nahmen an allen Erhebungen teil (z.B. wegen Krankheit oder Urlaub), und für einige statistische Kalkulationen wurden jeweils Untergruppen aus dem Datenpool gebildet. An der Studie zum sprachlichen L2-Input in den BKG nahmen 21 pädagogische Kräfte teil, von denen alle bis auf eine Ausnahme im belgischen BKG Muttersprachler des Englischen waren, die aus England, Schottland, den USA, Kanada, Australien, Trinidad und Malaysia stammten (Wippermann et al. 2010). Die Ausbildungshintergründe variierten von keinerlei Erfahrung als pädagogische Kraft über eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher oder Sozialarbeiter bis hin zu einem Hochschulabschluss. Auch der Betreuungsschlüssel variierte von 6,6 (20 Kinder und drei L2-Kräfte) zu 90 (eine L2-Kraft in einer Kita mit insgesamt 90 Kindern) (ibid.); der Durchschnittswert lag bei 30,4 Kindern pro L2-Kraft. 4.3 Methodisches Vorgehen Für die Durchführung der Teilstudien wurden qualitative und quantitative Ansätze kombiniert. Die Datenerhebungsverfahren umfassten unstrukturierte, semi-strukturierte und strukturierte teilnehmende Beobachtung, standardisierte und nicht-standardisierte Sprachtests sowie Fragebogenstudien (eine detaillierte Zusammenfassung findet sich in eine detaillierte Zusammenfassung findet sich in Steinlen, Massler, Schelletter, Thomas, Akerman, Burmeister, Buyl, Ewig, Flyman Mattsson, Gerlich, Håkansson, Housen, Kalbe, Kersten, Kersten, Neils, Pahl, Piske, Ramsey, Rohde, Weitz, & Wippermann 2010). Die Beobachtungen wurden in wöchentlichem Rhythmus durch Mitglieder des ELIAS-Teams in den jeweiligen BKG durchgeführt und mit Hilfe von Feldnotizen, semi-strukturierten und strukturierten Beobachtungsbögen dokumentiert (DeWalt & DeWalt 2002). Die Beobachter interagierten mit den Kindern ausschließlich auf Englisch, die Sprache, in der auch die Tests durchgeführt wurden. Sie nahmen an allen Aktivitäten teil und waren den Kindern zu den jeweiligen Testzeitpunkten gut bekannt, so dass eine angstfreie und entspannte Durchführung der Tests gewährleistet war. Dies wurde anhand der positiven Reaktionen der Kinder deutlich ersichtlich, die zum Teil an den „Sprachspielen“ wieder und wieder teilnehmen wollten. Nicht-standardisierte Instrumente wurden im Rahmen des Projekts für die Forschungsfragen erstellt und pilotiert, wenn keine standardisierten <?page no="244"?> 244 Kristin Kersten Instrumente vorhanden waren. Hierzu zählen der Sprachtest für das L2 Grammatikverständnis (Kersten, Piske, Rohde, Steinlen & Weitz 2010), der Erhebungsbogen für die Qualität des sprachlichen L2-Inputs der pädagogischen Fachkräfte, die Beobachtungsinstrumente für interkulturelle Begegnungen sowie Stadien des Naturerlebens in der „Grünen Immersion“ und die Fragebögen zum sprachlichen und sozio-ökonomischen Hintergrund der Kinder, dem konzeptionellen Hintergrund der Kita-Programme sowie der Materialien (Tiefenthal et al. 2010, Wippermann et al. 2010). Regelmäßige Treffen zwischen Forschungsteams und Kita-Personal gewährleisteten den gegenseitigen Austausch zu Entwicklungen, Forschungsinstrumenten und Fragen der praktischen Umsetzung. 4.4 Forschungsstudien 4.4.1 Studie 1: L1-Erwerb Deutsch Eine häufig von Eltern gestellte Frage lautet: „Wird die Muttersprache meines Kindes nicht leiden, wenn es so früh so intensiv einer fremden Sprache ausgesetzt ist? “ Im Alter von drei bis sechs Jahren ist auch der Erstspracherwerb noch nicht abgeschlossen. Eine Vielzahl von Studien in bilingualen Programmen und bilingualen Familien belegen jedoch, dass dies in der Regel nicht der Fall ist; häufig ist der frühe Erwerb einer zweiten Sprache sogar förderlich für die sprachliche und die kognitive Entwicklung (für einen Überblick siehe Wesche 2002). Um dieser Frage nachzugehen, wurde eine longitudinale Teilstudie mit 83 Kindern im Alter von 3-5 Jahren in den sieben deutschen BKG durchgeführt (Steinlen, Neils, Piske & Trumpp 2010). Als Testinstrument wurde der SETK 3-5 (Spracherwerbstest für dreibis fünfjährige Kinder, Grimm et al. 2001) eingesetzt, der u.a. Sprachverarbeitung und auditive Gedächtnisleistungen testet. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die einsprachigen wie auch die kleine Gruppe von mehrsprachigen Kindern, die getestet wurden (n=12), sich innerhalb eines Jahres altersgemäß entwickeln und zum Teil sogar Ergebnisse über dem Altersdurchschnitt erzielen. Durch die kleine Probandenzahl sind die Ergebnisse für die mehrsprachigen Kinder allerdings nur sehr eingeschränkt aussagekräftig; weitere Forschung ist hier vonnöten, da vergleichbare Studien zu heterogenen Ergebnissen kommen (für einen Überblick siehe Steinlen, Neils, Piske & Trumpp 2010). 4.4.2 Studie 2: L2-Erwerb des Englischen Allgemeine Beobachtungen Allgemeine Beobachtungen zum L2-Erwerb der Kinder aus den Dokumentationen der Beobachter lassen sich wie folgt zusammenfassen (die folgenden Beispiele stammen aus Kersten 2012a: 32f, vgl. auch Wode 2010): <?page no="245"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 245 − Die Kinder begegnen der L2 generell mit Freude und Stolz. − Sie verstehen den Tagesablauf in der L2 binnen weniger Wochen in der L2. − Ihr Hörverständnis geht der Produktion voraus. − Die Kinder erlernen schnell Lieder und häufige Formeln, doch die produktive Verwendung von Sprache erfolgt erst nach einiger Zeit. − Sie mischen beide Sprachen spielerisch (code-mixing: „Gib‘ mir mal die milk! “ „Linda, me auch! “) − Sie machen entwicklungsbedingte Fehler auf allen sprachlichen Ebenen, die aus der Zweitspracherwerbsforschung gut bekannt sind: 1. Phonologische Ebene: Beobachter: Show me the mouth. Kind: Die Maus ist nicht da. 2. Lexikalische Ebene Beobachter: Look at the ducks (/ dɅks/ ) over there. Kind: Das is‘ doch kein Dachs (/ daks/ )! 3. Syntaktische Ebene Kind: I not can open this. Kind: Don’t make so long, we waiting! Der Spracherwerb in BKG führt in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren der Programme auch zu zielgerechten Äußerungen, die zum Teil einen hohen Grad an Komplexität aufweisen und in erst in fortgeschrittenen Stadien erworben werden (vgl. Pienemann & Keßler 2011). 4. Zielgerechte Äußerungen (beobachtet im Zookindergarten): Kind: Eric, don’t put the tiger in your mouth! Kind: She was reading last week. Kind: What are you doing on the paper? Diese Beispiele wurden im Zookindergarten mit dem Konzept der „Grünen Immersion“ beobachtet, der sich von anderen Programmen durch den besten Betreuungsschlüssel und lange Öffnungszeiten, also einer hohen Intensität des sprachlichen Inputs, sowie ein inhaltlich ausgerichtetes L2-Konzept mit dem Fokus auf Umweltbildung unterschied. Die letzte Äußerung wird als fünfte von sechs Entwicklungsstufen aus dem Spracherwerbsstufenmodell nach Pienemann (z.B. Pienemann & Keßler 2011) eingestuft. Die meisten Kinder im Regelunterricht Englisch der Grundschule erreichen diese Stufe nach vorliegenden Studien am Ende der vierten Klasse noch nicht (Maier et al. 2016, Pienemann et al. 2006). Sprachstandserhebungen Die Entwicklung des rezeptiven Lexikonerwerbswurde mit Hilfe des standardisierten BPVS II (British Picture Vocabulary Scale II, Dunn, Dunn, Whetton & Burley 1997) mit insgesamt 220 Kindern erhoben (Rohde 2010), die <?page no="246"?> 246 Kristin Kersten Entwicklung des rezeptiven Grammatikerwerbs mit dem ELIAS Grammar Test (Kersten, Piske, Rohde, Steinlen & Weitz 2010, Kersten 2012a), der für diese Studie entwickelt wurde, mit insgesamt 168 Kindern (Steinlen, Håkansson, Housen & Schelletter 2010, siehe auch Schelletter & Ramsey 2010, Buyl & Housen 2013, 2014). Beide Instrumente sind Bilderzeigetests, bei denen das Kind das zu dem Prompt passende Bild in einem Set unterschiedlicher Bilder identifizieren muss. In beiden Tests zeigen die Kinder einen signifikanten Zuwachs an rezeptivem Wissen über einen Zeitraum von einem Jahr. Dieselben Ergebnisse wurden auch für die monolingualen und bilingualen Vergleichsgruppen aus England festgestellt (Schelletter & Ramsey 2010). Diese Ergebnisse zeigen, dass in dem semi-naturalistischen Kontext von bilingualen Kitas der fremdsprachliche Erwerb auch ohne formale Sprachvermittlung stattfindet. Einflussfaktoren Allerdings unterscheiden sich die Ergebnisse innerhalb der einzelnen BKG zu beiden Testzeiten signifikant voneinander. Weitere statistische Analysen zeigen den zusätzlichen signifikanten Einfluss einer Reihe von individuellen und kontextuellen Faktoren auf die Ergebnisse. Hierzu gehören die Kontaktdauer zur L2, die Intensität des L2-Kontakts 84 (Weitz et al. 2010, Weitz 2015, Weitz et al. 2010) sowie die Qualität des sprachlichen Inputs. Die Beschaffenheit und die Bedeutung sprachlichen Inputs für den Zweitspracherwerb ist in zahlreichen Studien untersucht worden; jedoch wurde er bisher noch nicht als Einflussfaktor im Kindergartenkontext operationalisiert. Aus diesem Grund wurde ein Beobachtungsbogen für den sprachlichen Input entwickelt, mit dessen Hilfe sich die Strategien der sprachlichen Kontextualisierung quantifizieren lassen, das Input Quality Observation Scheme (IQOS, Weitz et al. 2010, zur Beschreibung der Strategien siehe Kersten, Steinlen, Tiefenthal, Wippermann & Flyman Mattsson 2010, Kersten & Rohde 2013, zu weiterführenden Analysen zum IQOS siehe Weitz 2015). Der IQOS beinhaltet u.a. Kategorien über die Sprechweise, Verwendung sprachlicher Strukturen, Kontextualisierungs- und Scaffolding- Techniken, die Verhandlung von Bedeutung und Fehlerkorrekturen. An der Studie nahmen 21 pädagogische Kräfte teil, deren sprachlicher Input mit wenigstens 10 Ratings während der täglichen Aktivitäten anhand der IQOS-Kategorien bewertet wurde. Gemäß der Höhe der Ratings wurden die Kinder in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils Input mit hohen, mittleren oder niedrigen Ratings erhielten. Diese IQOS-Werte beschreiben den Input 84 Die L2-Intensität wurde mit einer Formel berechnet, die die Öffnungszeiten der Kita, die Präsenzzeiten der L2-Kräfte in der Kita sowie den Betreuungsschlüssel der L2- Kräfte in Bezug auf die Gruppe einbezieht. <?page no="247"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 247 während der Laufzeit des Projekts; der Input, den die Kinder vor Beginn des Projekts erhielten, konnte nicht kontrolliert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gruppe mit hohen IQOS-Werten in beiden Tests zu beiden Testzeitpunkten signifikant höhere Ergebnisse erzielte als die Gruppe mit niedrigen IQOS-Werten, wobei dieses Ergebnis nicht ausschließlich auf den Input während der Projektlaufzeit zurückgeführt werden kann, da der Input nicht für alle Kinder zu Beginn ihrer Zeit in der Kita erfasst wurde. Beim Grammatikverständnis zeigten die Gruppen jedoch abhängig von den IQOS-Werten auch signifikante Unterschiede in der Entwicklungsrate: Die Gruppe mit den höchsten Inputwerten entwickelte sich am stärksten, die Gruppe mit den niedrigsten Inputwerten am wenigsten. Keine Unterschiede wurden zwischen Mädchen und Jungen gefunden, die an beiden Tests in etwa gleicher Anzahl teilnahmen, noch zwischen monolingualen und multilingualen Kindern. Geschlecht und der so genannte Migrationshintergrund scheinen auf die Entwicklung des L2-Verständnisses in diesem Datensatz also keinen Einfluss zu haben (Rohde 2010, Steinlen, Neils, Piske & Trumpp 2010, Schelletter & Ramsey 2010). In einer weiterführenden statistischen Analyse (Kersten 2012b) wurden aus den gesamten Rohwerten des BPVS und des Grammar Tests zu beiden Testzeitpunkten Cluster gebildet 85 und für sie die Effektstärken der o.g. Faktoren berechnet. Die gebildeten Gruppen unterschieden sich im Wortschatzsignifikant im L2-Kontakt und der L2-Inputqualität, zwei der Gruppen zusätzlich in der L2-Intensität. Der Kontakt zur L2 hat einen mittleren bis starken Effekt auf den Wortschatz, der L2-Input und die L2-Intensität zeigen jeweils mittlere Effekte 86 (Cohen 1988) und erklären zusammen insgesamt 37,9% der Varianz in den Daten. Beim Grammatiktest unterscheiden sich die Gruppen signifikant in der L2-Intensität, dem L2-Kontakt, dem L2- Input und in der Umgebungssprache, wobei die Intensität und der L2- Kontakt hohe Effekte auf die Ergebnisse zeigen, und der Input einen mittleren 87 Effekt. Zusammen erklären sie 57% der Varianz im Grammatiktest. Dahingegen haben weder das Geschlecht noch die Muttersprache oder die Umgebungssprache einen Einfluss auf die Unterschiede in den Testergebnissen. 85 BPVS: 3 Cluster (kleinstes Cluster: n=43 (21,6%), größtes Cluster: n=97(48,7%); ELIAS Grammar Test: 2 Cluster (kleinstes Cluster: N=73 (49,7%), größtes Cluster: n=74 (50,3%). 86 BPVS L2-Kontakt: η2=0,139; L2-Input IQOS: η2=0,132; L-Intensität: η2=0,108; Geschlecht: η2=0,02; Muttersprache: η2=0,007; Umgebungssprache: η2=0,002. 87 ELIAS Grammar Test L2-Intensität: η2=0,223; L2-Kontakt: η2=0,210; L2-Input IQOS: η2=0,137; Umgebungssprache: η2=0,028; Geschlecht: η2=0,006; Muttersprache: η2=0,000. <?page no="248"?> 248 Kristin Kersten 4.4.3 Studie 3: Interkulturelles Lernen Diese Teilstudie (Gerlich et al. 2010, vgl. auch Massler 2010) fokussiert auf interkulturelle Begegnungen innerhalb der BKG zwischen Kindern unterschiedlicher Herkunft sowie zwischen Kindern und den 21 englischsprachigen pädagogischen Kräften. Bisherige Forschung hat gezeigt, dass Kinder eine Reihe von Voraussetzungen für einen gelingenden interkulturellen Austausch mitbringen können, wie beispielsweise Empathie, Rollenverständnis sowie die Fähigkeit „to help other persons to achieve their goals; even when they do not know that person“ (van Hoogdalem et al. 2008: 1656), doch können sie sie zum Teil auch schon früh ein Bewusstsein für ethnische Unterschiede entwickeln (z.B. Nesdale et al. 2005). In Bezug auf die pädagogischen Potenziale von Kindertageseinrichtungen auf diese Fähigkeiten stellen Gerlich et al. (2010) fest: As a matter of fact, preschools and other child care centres, networks, or programmes may be particularly useful in achieving positive effects in the context of intercultural activities since they are a nexus of rich and complex social and linguistic interactions in the communities they serve (Burns, 2009, S. 27f). (Gerlich et al. 2010: 138) Wenn solche Einrichtungen spezifische Programme zum Einbezug anderer Sprachen und Kulturen anbieten, wie es in BKG und Immersionsprogrammen der Fall ist, können diese Fähigkeiten in besonderem Maße gefördert werden. Der Erwerb einer zweiten oder weiteren Sprache ist eben nicht nur in Bezug auf kommunikative Fähigkeiten wichtig, sondern birgt auch das Potenzial, andere kulturelle Weltsichten und Handlungsweisen zu erleben und Erfahrungen im Umgang mit ihnen zu sammeln. Im Umgang mit einer neuen Sprache „speakers are enacting sociocultural phenomena; in acquiring language, children acquire culture” (Buttjes & Byram, 1991: 18). In der bisherigen Forschung zielen die Untersuchungen zur interkulturellen Kompetenz allerdings eher auf ältere Lerner. Aus diesem Grund schließt die vorliegende Studie mit dem Fokus auf sehr junge Lerner eine bisherige Forschungslücke. Angelehnt an Pitman et al. (1989) und basierend auf Feldnotizen der teilnehmenden Beobachtung wurde ein semi-strukturiertes Beobachtungsinstrument für die Teilstudie zu interkulturellen Begegnungen erstellt, der ELIAS ICC Field Guide (Gerlich et al. 2010: 174f). 88 Mit Hilfe dieses Beobachtungsbogens wurden in den BKG 150 Situationen von den Beobachtern systematisch dokumentiert, in denen interkulturelle Begegnungen stattfanden. In einem ersten qualitativen Analyseschritt wurden diese Situationen de- 88 Der ELIAS ICC Field Guide ist zum Download auf der Homepage des Projekts verfügbar (www.elias.bilikita.org). Er wurde als Teil der teilnehmenden Beobachtung eingesetzt und enthält u.a. Felder für Hintergrundinformationen, detaillierte Beschreibungen zur jeweiligen Situation und den beteiligten Sprechern sowie Kommentare. <?page no="249"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 249 skriptiv kategorisiert. In einem zweiten Schritt wurden die entstandenen Kategorien nach Byrams (1997) Klassifikation von interkultureller Kompetenz in Attitudes, Knowledge und Skills eingeteilt (für einen detaillierten Überblick siehe Gerlich et al. 2010). Gemäß der Klassifikation nach Byram (1997) beinhalten Attitudes (Einstellungen) Offenheit und Neugier gegenüber einer unbekannten Kultur und die Bereitschaft, die Annahmen und Interpretationen der eigenen auch kritisch zu beleuchten. Knowledge (Wissen) bezieht sich auf faktisches Wissen über die andere Kultur, ihre Sozialverbände, Überzeugungen und Gebräuche sowie ihre Regeln der Interaktion. Skills (Fertigkeiten) teilen sich in skills of interpreting and relating und skills of discovery and interaction auf, wobei sich ersteres auf die Fähigkeit bezieht, kulturelle Informationen zu verstehen und zu interpretieren, Kommunikationsprobleme zu erkennen und zwischen differierenden Interpretationen zu vermitteln, und letzteres darauf, sich neues kulturelles Wissen anzueignen und in relevanten Kontexten anzuwenden, um Kontaktsituationen und wechselseitige Kommunikation zu vereinfachen. Insgesamt wurden 19 Kategorien aus den dokumentierten Beobachtungen zu Attitudes, Knowledge und Skills beschrieben, die in Gerlich et al. (2010) jeweils im Detail beschrieben und definiert werden: 1. Attitudes: fear/ rejection, judgmental statement, tolerance/ acceptance, interest, motivation (language), motivation (contact), hesitation (Anzahl der Dokumentationen: 171) 2. Knowledge: factual knowledge of culture/ language, language knowledge, lack of knowledge, meta-linguistic knowledge (Anzahl der Dokumentationen: 157) 3. Skills: verbal communication strategy, non-verbal communication strategy, lack of communication skill, negative strategy of communication, discovery, deduction/ transfer, mediation/ translation, guidance (Anzahl der Dokumentationen: 123) Da mehrere Kategorien zum Teil in denselben sehr komplexen Situationen beschrieben wurden und für die Anzahl und Rahmenbedingungen der Dokumentation keinerlei Vorgaben gemacht wurden, lassen sich die Beobachtungen nicht weiter quantifizieren. Allerdings kann darauf hingewiesen werden, dass die eher negativ konnotierten Kategorien in der Klassifikation insgesamt selten vorkamen. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist der Umstand, dass die meisten der aus dem Datensatz abgeleiteten Kategorien in anderen Studien bisher für ältere Lerner oder sogar Erwachsene beschrieben wurden (Gerlich et al. 2010). Im Folgenden werden anhand der Dokumentation von ausgewählten Situationen einige Beispiele für Kategorien aus der Klassifikation der Attitudes, Knowledge und Skills gegeben. <?page no="250"?> 250 Kristin Kersten Attitudes Kinder zeigen Einstellungen von Furcht und Zurückweisung (fear/ rejection), z.B. wenn sie weinen, sich zurückziehen, den Kontakt vermeiden oder verweigern, laut werden oder andere Zeichen des Unwohlseins geben, während sie kulturelle Verschiedenheiten erfahren. In einer Situationsbeschreibung zeigte ein Kind beispielsweise eine furchtsame Reaktion und begann zu weinen, als ein Schulkind aus Ghana mit dunkler Hautfarbe in den Raum kam. Folgender Kommentar wurde im ICC Field Guide dokumentiert: It was not possible to calm the child within the situation. After the darkskinned girl had left the room, visibly shaken, I spoke with the child about the situation. We talked about how skin colours may be different, and why. The next day, we visited the school child and played together. Both children interacted without fear or signs of insecurity. (Gerlich et al. 2010: 155) Während die Kategorie fear/ rejection insgesamt nur 12mal im Datensatz beobachtet wurde, wurde die Kategorie Toleranz und Akzeptanz (tolerance/ acceptance) 35mal beschrieben. Sie bezieht sich auf Situationen, in denen Kinder Offenheit oder eine willkommen heißende Reaktion anderen Personen, Objekten oder Handlungen einer anderen Kultur gegenüber zeigen oder die Regeln einer interkulturellen Situation beachten (Gerlich et al. 2010: 152). In einer Situation wird beispielsweise beschrieben, wie ein dreijähriges Kind freudig erklärte: If I eat so many blackberries, I will get a dark skin just like teacher 81. (Gerlich et al. 2010: 156) In diesem Beispiel zeigt sich keinerlei abweisende Haltung der dunklen Hautfarbe der malaysischen Erzieherin gegenüber. Knowledge Fehlendes Wissen (lack of knowledge) zeigt sich unter anderem in Situationen, in denen Kinder ein Defizit an Wissen über Fakten bzw. kulturbedingte Besonderheiten oder auch die Sprache der anderen Kultur haben. Fehlendes Wissen impliziert nicht notwendigerweise eine negative Interpretation oder Konnotation. Im Field Guide findet sich beispielsweise folgende Situationsbeschreibung: Schirin 89 told her father that the children in the preschool almost all colour their hair. There were children with brown hair, reddish hair and blond hair. She says her favorite hair colour was natural white blond like her friend’s hair and she wanted to colour her hair to look like [her friend’s] hair. (angepasst aus Gerlich et al. 2010: 162) 89 Die Namen der Kinder wurden zum Zweck der Anonymisierung verändert. <?page no="251"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 251 Die teilnehmende Beobachterin kommentierte in der Dokumentation, dass dem Kind offensichtlich das Wissen fehlte, dass Kinder aus anderen Ländern unterschiedliche Haarfarben haben: Schirin comes from Oman and was used to seeing children with black hair like her own. She apparently thought other colours can only be achieved by dying a person’s hair. (ibid.) Skills Ein interessantes Beispiel aus der Reihe der Fertigkeiten findet sich in der Strategie guidance, die einige Kinder bereits sehr geschickt einsetzten. Unter guidance werden Situationen gefasst, in denen Kinder Individuen aus anderen Kulturen erfolgreich in eine Gruppe oder eine Aktivität integrieren oder bestimmtes Wissen an sie weitergeben (siehe Gerlich et al. 2010: 154). Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung dieser Strategie ist häufig auch die Kategorie des Vermittelns und Übersetzens (mediation/ translation). In der folgenden Situation wird die Interaktion mit Joshua beschrieben, einem Kind mit hebräischem Sprachhintergrund, das erst kurze Zeit zuvor nach Deutschland gekommen war und zur Zeit der Beobachtung noch kein Deutsch sprach. Sina pulls at Joshua’s sleeve to indicate that he should go off the mattress. Then she jumps on the mattress and lets herself fall. Joshua observes her and imitates her movements. Sina keeps ongoing eye contact with him and observes what he is doing. (They go on playing, Sina models movements for Joshua and helps him imitating them. Both laugh and keep eye contact. Joshua speaks in Hebrew from time to time and goes on laughing, playing with Sina and imitating what she does.) Sina pushes Joshua for fun and invites him to do the same. He does, and both laugh. (angepasst aus Gerlich et al. 2010: 169) Die teilnehmende Beobachterin notierte folgenden Kommentar: Sina and Joshua were really in contact with each other, mutually observing the other. Sina shows great sensitivity in talking to Joshua, her German was fitting to Joshua’s level of understanding. The combination of action and talking helped Joshua a lot to find into (…) [a game], together with Sina. Although the children do not remember with whom they talked about Joshua’s difficulties communicating in German, Sina did a great job adapting her speech to Joshua’s level of understanding. The atmosphere was really relaxed and funny. For the first time I saw Joshua really relaxed. (ibid.) An dieser komplexen Situation werden eine Reihe unterschiedlicher Einstellungen, Fertigkeiten und Wissensbezüge in der Interaktion der Kinder deutlich: nicht nur Sinas Offenheit und Akzeptanz ihres Spielpartners, sondern auch ihr Wissen um Joshuas sprachliches Niveau und ihre Fähigkeit, ihre eigene Sprache an das Verständnis des anderen Kindes anzupassen sowie <?page no="252"?> 252 Kristin Kersten eine Reihe von verbalen und nonverbalen Kommunikationsstrategien zu nutzen, um so ein Gefühl von Vertrauen aufzubauen und Joshua in das gemeinsame Spiel mit hineinzuführen. Auf der Basis solcher und vieler anderer Beobachtungen schließen die Autoren, dass … children actively engage in intercultural encounters and recognise them as such. … In the majority of the cases in which this happened the children in this project mastered the multilingual, intercultural environment very well. On many occasions, they exhibited positive attitudes, knowledge about their own and other cultures, and skills with the help of which they solved problems arising in intercultural communication. (Gerlich et al. 2010: 170) 4.4.4 Studie 4: Grüne Immersion In den Bildungsdebatten der vergangenen zehn Jahre und insbesondere seit dem Ausruf der UN-Dekade von 2005-2014 ist der Begriff der Umweltbildung weitgehend durch „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) ersetzt worden. BNE hat zum Ziel, Individuen ein Bewusstsein für ihre Rolle in der Umwelt sowie das Wissen und den Wunsch zu vermitteln, eine Umwelt zu schaffen, die für zukünftige Generationen nachhaltig ist (Breiting et al. 1999, zitiert nach Thomas et al. 2010: 178). Mit diesem Ansatz werden im vorliegenden Konzept der „Grünen Immersion“ die bilinguale Erziehung und ihre interkulturelle Kompetenzvermittlung eng miteinander verknüpft: Grüne Immersion beschreibt immersiven Fremdsprachenerwerb anhand von natur- und umweltbezogenen, also "grünen", Themen. Dabei deckt das Konzept drei Schlüsselkompetenzen ab, die im zusammenwachsenden Europa immer größere Bedeutung annehmen: Zum einen vermittelt es fundierte Fremdsprachenkenntnisse in einem Alter, in dem die natürlichen Sprachlernfähigkeiten der Kinder am besten ausgenutzt werden können. Dazu kommen die intensiven interkulturellen Begegnungen, die sich aus dem Umgang mit den L2-Erzieherinnen ergeben. Und schließlich wird im inhaltlichen Fokus auf "grüne" Themen Bildung für nachhaltige Entwicklung gefördert, indem die jungen Lerner früh an Umweltfragen herangeführt werden und so ein geschärftes Bewusstsein dafür entwickeln. (Kersten 2012a: 44; verändert nach Kersten & Perret 2008: 4, vgl. auch Thomas 2010) Die Studien zur „Grünen Immersion“, eine Fragebogenstudie und eine longitudinale Beobachtungsstudie, wurden im bilingualen Zookindergarten am Zoologischen Garten in Magdeburg durchgeführt. Umwelt- und Naturthemen wurden spielerisch in Morgenkreisen und anderen Aktivitäten eingeführt. Einmal wöchentlich machten die Gruppen einen Besuch im Zoo oder <?page no="253"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 253 eine Exkursion in den angrenzenden Park oder Wald (Thomas 2010; Thomas et al. 2010. 90 Eine Fragebogenstudie unter den Eltern (Strunz & Thomas 2010) zeigte u.a., dass diese authentischen Naturerlebnisse einen wichtigen motivationalen Faktor für die Begegnung der Kinder mit der Natur darstellten, der ihnen ein tieferes Verständnis für den größeren Kontext von Umweltthemen vermittelte (für eine detaillierte Beschreibung weiterer Ergebnisse siehe Strunz & Thomas 2010). Für die longitudinale Beobachtungsstudie wurden 24 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren über einen Zeitraum von fünf Monaten mehrmals wöchentlich beobachtet. Ihr Verhalten wurde mit Hilfe eines weiteren strukturierten Beobachtungsinstruments, der ELIAS Green Immersion Checklist (Thomas et al. 2010: 212) dokumentiert. Dieses Instrument wurde in Anlehnung an Janßens Entwicklungsstufenmodell zu Ebenen der Naturbegegnung entwickelt (Janßen 1988: 6), dessen Ebenen auf den bilingualen Kontext angepasst wurde. Abb. 1 zeigt dieses angepasste Entwicklungsmodell der Grünen Immersion, dessen Voraussagen mit Hilfe der Beobachtungsstudie überprüft wurden. Abb. 1: Entwicklungsmodell der Grünen Immersion (Thomas et al. 2010, basierend auf Janßen 1988): Prozentuale Verteilung aller Beobachtungen (ELIAS Green Immersion Checklist); Gruppenbeobachtungen n=22, individuelle Beobachtungen n=69. (übernommen aus: Kersten 2012a: 45, vgl. Thomas et al. 2010: 186ff für eine Definition der Ebenen) 90 Alle Materialien und Module eignen sich auch für den Gebrauch in anderen Kindertageseinrichtungen. Sie können zusammen mit weiterem Informationsmaterial für pädagogisches Personal zum Thema Grüne Immersion und BNE von der Homepage des Projekts heruntergeladen werden. <?page no="254"?> 254 Kristin Kersten Abb. 1 zeigt, dass die 91 Datensätze der Beobachtungen den Stufen des Modells folgen, indem die Häufigkeit der Beobachtungen mit steigendem Level abnimmt. Die Häufigkeit steht in enger Abhängigkeit zum Alter der Kinder und nimmt mit steigendem Alter ab. In fast allen Situationen begegneten Kinder aller Altersstufen den Themen auf der emotionalen Ebene (Ebene 1), und in 92,5 % der Fälle konnten sie die Themen in der L1 oder der L2 auf dem Niveau ihrer altersgemäßen linguistischen Ausdrucksweise beschreiben (Ebene 2). Bei den höchsten Stufen Umweltbewusstsein und Handlungskompetenz nimmt die Häufigkeit der Beobachtungen deutlich ab. An den Themeneinheiten dieser Stufe nehmen nach 22 Monaten im Programm der „Grünen Immersion“ nur drei Kinder im Alter von sechs Jahren aktiv teil.Wie Thomas et al. (2010) beschreiben, unterliegen die Beobachtungen der einzelnen Kinder dabei einem Implikationsprinzip: Jede Stufe impliziert, dass die darunterliegenden Stufen schon durchlaufen wurden. Dies wird im Datensatz bestätigt: Bei keinem Kind findet sich eine Lücke in den Beobachtungen bei einer Ebene, die unter der höchsten von ihm erreichten Ebene liegt; alle Kinder folgten den Ebenen Schritt für Schritt (Thomas et al. 2010: 193f). Diese Implikationsanalyse erreicht eine Skalierbarkeit von 100%, d.h., alle Datenpunkte entsprechen der Sequenz der Stufen (vgl. Pienemann & Keßler 2011: 51ff). Damit kann der vorliegende Datensatz die Entwicklungsvoraussage des Modells der „Grünen Immersion“ bestätigen. Die Beobachterin dokumentierte zudem die aktive Beteiligung (engagement level) der Kinder an den einzelnen Aktivitäten. In der Analyse dieser Daten wurde deutlich, dass auch die aktive Beteiligung in den einzelnen Ebenen altersabhängig war: je höher die Stufe, desto höher war auch das Alter der Kinder, die sich aktiv an den Aktivitäten beteiligten konnten oder wollten. Ein weiterer wichtiger Faktor der Entwicklung nach dem Modell schien in der Kontaktdauer zu liegen: mit steigender Kontaktzeit wurden höhere Entwicklungsstufen erreicht (Thomas et al. 2010: 192-193). Das Geschlecht hatte hingegen keinen Einfluss auf die Ergebnisse. 91 Eine Besonderheit dieser Studie liegt vor allem darin, dass das Verhalten durchgängig auf allen Ebenen des Entwicklungsmodells beobachtet werden konnte und dass diese Kompetenzen offenbar bereits im Kindergartenalter erreichbar sind. Das ursprüngliche Modell von Janßen (1988) war nicht im Hinblick auf diese frühe Altersstufe, sondern für deutlich ältere Lerner entwickelt worden. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da die Kinder in der 91 Die Studie untersuchte zudem die Effektivität unterschiedlicher Materialien, die in den Modulen zur Grünen Immersion verwendet wurden (siehe Thomas et al. 2010, Thomas 2010 und für eine allgemeine Einführung zu Materialien in BKG Tiefenthal et al. 2010). <?page no="255"?> ELIAS-Forschungsergebnisse 255 „Grünen Immersion“ allen Themen in ihrer L2 begegnen (auch wenn sie ihre eigenen Antworten darauf zum Teil in ihrer L1 versprachlichen). 5 Schluss Die Ergebnisse der verschiedenen ELIAS-Teilstudien zeigen, dass Zweitspracherwerb, interkulturelles Lernen und, im Zookindergarten, Umweltlernen in bilingualen Kitas stattfinden, ohne dass ein Fokus auf formales Lernen gelegt wird. Darüber hinaus wurde anhand der Studien deutlich, dass schon im Kindergartenalter Entwicklungsniveaus in verschiedenen Teilkompetenzen erreicht werden können, die bisher nur für ältere Lernergruppen beschrieben wurden. In Bezug auf den L1-Erwerb, das Geschlecht und den Migrationshintergrund konnten, im Gegensatz zu einigen anderen Studien, keinerlei negative Entwicklungen gefunden werden. Diese Ergebnisse implizieren, dass intensive und auf mehrere Jahre angelegte bilinguale Kita-Programme, in denen die Kinder der Sprache und den verschiedenen Alltagsinhalten auf naturalistische, authentische, bedeutungsvolle und spielerische Art und Weise begegnen, die sprachliche Entwicklung und das inhaltliche Wissen der jungen Lerner in besonderem Maße fördern. Zudem gelingt es dem Projekt mit der Forschungsstudie zur Qualität des sprachlichen Inputs erstmals, die Bedeutung von pädagogischen Strategien im Umgang mit Sprache für Lerner im Kindergartenalter herauszustellen. Variantenreiche und ritualisierte Sprachverwendung sowie Kontextualisierungen ermöglichen den Kindern ein tieferes Verständnis der täglichen Routinen und der verschiedenen Themen, die im Kita-Alltag erlebt werden, und helfen ihnen gleichzeitig, die dazugehörigen sprachlichen Mittel und das Wissen um die Sachinhalte aufzubauen. Eine methodisch und didaktisch angemessene Umsetzung ist essentiell für das Gelingen solcher Programme. Fortbildungen im Bereich des bilingualen Lehrens und Lernens können pädagogischen Kräften helfen, solche Kompetenzen aufzubauen und zu erweitern. Mit Blick auf die positiven Ergebnisse dieser umfassenden Studien erscheint es wünschenswert, das Entwicklungspotenzial bilingualer Programme zukünftig noch nachhaltiger und flächendeckender auszuschöpfen. Literatur Burns, R. 2009. What linguists need to know about child care: Access, service, and ethics in community-based research. Applied Linguistics 17(1), 27-40. Buttjes, D., & Byram, M. 1991. 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Steinlen - Universität Erlangen-Nürnberg Subrina Powell, Anke Schilk, Veronika Musilova - Kindergarten Melsdorf Interaktionen zwischen englischer Erzieherin und Kindern in einer bilingualen Krippe Abstract Obgleich die Zahl an bilingualen Krippen in Deutschland steigt, liegen bisher kaum Studien vor, die sich mit diesem Kontext des Sprachenlernens beschäftigen. In diesem Beitrag wird ein Beobachtungsbogen im Rahmen einer Pilotstudie eingesetzt, mit dessen Hilfe die Interaktionen einer englischsprachigen Kraft mit Kindern in zwei Krippengruppen dokumentiert wurden. Ziel ist es, die Charakteristika des fremdsprachlichen Inputs und die Reaktionen der Kinder auf diesen Input in einem bilingualen Krippenkontext näher zu beschreiben. Kinder aus zwei bilingualen Gruppen wurden beobachtet, die sich in Bezug auf die tägliche Kontaktzeit zur Zielsprache Englisch voneinander unterschieden (drei vs. sechs Stunden täglich). Die Ergebnisse zeigen, dass der Input in der Fremdsprache (L2) eher Merkmale des caregiver talk und weniger Merkmale des teacher talk zeigt und stark durch einen Fokus auf inhaltliche Belange gekennzeichnet ist sowie durch eine stetige Anpassung der L2 auf die Lerner in Bezug auf Tempo, Intonation und Satzlänge sowie ein hohes Maß an Kontextualisierung. Die Krippenkinder hören den englischen Anweisungen, Aufforderungen, etc. aufmerksam zu, ihre Reaktionen sind, dem Alter und dem täglichen L2-Kontakt entsprechend, v.a. nonverbal; bei älteren Krippenkindern fanden sich fast keine englischen Äußerungen oder Sprachmischungen. Diese Studie bestätigt Erfahrungsberichte aus anderen bilingualen Krippen, dass auch kleine Kinder nicht überfordert sind, wenn sie mit einer neuen Sprache schon im Krippenalter in Kontakt kommen, dass sie Spaß und Freude am bilingualen Krippenalltag haben und mit der neuen Sprache unbefangen umgehen. 1 Einleitung Laut Statistischem Bundesamt werden momentan rund 668.000 Kinder unter drei Jahren ergänzend zur Erziehung und Betreuung durch die Eltern in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege betreut, der weit überwiegende Teil dieser Kinder (561.600 beziehungsweise 85%) besucht <?page no="262"?> 262 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk eine Kindertageseinrichtung, die zumeist Krippe genannt wird (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2015). 92 Obgleich bekannt ist, dass ca. 2% aller Kitas ein bilinguales Programm anbietet (FMKS 2014), ist unklar, um wie viele bilinguale Krippen es sich dabei handelt. Dies liegt darin begründet, dass Krippen oftmals keine separaten Einheiten, sondern einen Teil einer größeren Kindertageseinrichtung darstellen. So gibt es z.B. größere Kindertageseinrichtungen, in denen nur im Elementarbereich (für Kinder zwischen 3-6 Jahren), nur in altersgemischten Gruppen (für ein bis sechsjährige Kinder), nur in der Krippe oder in allen Bereichen eine neue Sprache angeboten wird. Wenn Krippen bilingual arbeiten, so folgen sie oftmals dem Immersionsprinzip, d.h. eine Erzieherin spricht nur Deutsch mit den Kindern, die andere ausschließlich die neue Zielsprache. Im Fall des Kindergartens Melsdorf, in dem die hier vorgestellte Pilotuntersuchung durchgeführt wurde, verwendet die L2-Erzieherin mit den Kindern (und Erwachsenen) nur die englische Sprache. Obgleich die Effektivität von bilingualen (immersiven) Kita-Programmen gut belegt ist (siehe z.B. Kersten et al. 2010), liegen bisher keine Studien zum Fremdsprachenlernen in bilingualen Krippen vor. Dies hat vielerlei Gründe: So ist es beispielsweise schwierig, adäquate fremdsprachige Tests für Krippenkinder zu finden, da diese zum einen für diese Altersgruppe nicht vorliegen, d.h. noch entwickelt werden müssen 93 , und die Aufmerksamkeitsspanne von Krippenkindern (im Vergleich zu älteren Kindergartenkindern) noch relativ kurz ist (siehe z.B. Textor, o.J.). Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, nicht auf Sprachtests zurückzugreifen, sondern die Interaktion der Kinder mit der L2-Erzieherin genauer zu betrachten. Eine Interaktion (im engen Sinne eine soziale Interaktion) bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene Handeln (oder Beeinflussen) von Akteuren (oder Gruppen), also das Geschehen zwischen Personen, die aufeinander reagieren, miteinander umgehen, einander beeinflussen und steuern (z.B. Arnold et al. 1998). Diese Interaktionen verlaufen in der bilingualen Krippe (ähnlich wie in der bilingualen Kita) zumeist zweisprachig, d.h., die L2-Erzieherin spricht ausschließlich Englisch, und das Kind antwortet auf Deutsch. Stärker noch als im Kitakontext reagieren Krippenkinder auf den Input zumeist nonverbal, d.h., sie äußern sich über ihren körperlichen und stimm- 92 Kinderkrippen sind Einrichtungen oder Gruppen der Kindertagesbetreuung bzw. familienergänzende Kinderbetreuungen für Kleinstkinder. Als Kurzform wird auch das Wort Krippe gebraucht. In Deutschland sind Krippen Einrichtungen für Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr oder Gruppen für Kinder dieser Altersgruppe in Kindertagesstätten (siehe auch Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2015). 93 So wäre denkbar, ähnlich wie im ELIAS Projekt (siehe Kersten et al. 2010) auch für Krippenkinder fremdsprachliche Sprachtests zu entwickeln. <?page no="263"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 263 lichen Ausdruck. Die Kinder teilen sich also mit, längst ehe sie das erste Wort sprechen (und weit darüber hinaus). Die sprachbegleitende Kommunikation umfasst eine breite Palette von Mitteilungsweisen: Diese umfasst u.a. die Klangfärbung der Stimme, in der sich vor allem die Gefühle zur geäußerten Botschaft ausdrücken, die Mimik, die gleichfalls eine (sprachliche) Aussage kommentiert, sie bestätigt oder abschwächt und die Geste, die sich in einer symbolischen Bildsprache ausdrückt (z.B. als Zeigegeste). Auch über die Körperhaltung zu den Gesprächspartnern wird u.a. die Beziehung zum Gesprächspartner ausgedrückt (siehe Merkel 2005). Gleiches gilt auch für den bilingualen Krippenkontext: Die Kinder reagieren oftmals nonverbal, wobei eine nonverbale Reaktion also nicht ursächlich mit dem fremdsprachlichen Input zusammenhängen muss, sondern eine altersgerechte Reaktion auf eine Aufforderung, einen Befehl oder eine Frage darstellt, die ohne Worte beantwortet und statt dessen durch eine Handlung ausgedrückt wird. Welche Gelingensbedingungen müssen erfüllt sein, damit die neue Sprache in der bilingualen Krippe erfolgreich erworben werden kann? Vorstellbar ist, dass dabei ähnliche Faktoren wie in bilingualen Kitas eine wesentliche Rolle spielen (z.B. Wode, 2009), nämlich L2-Intensität (Wie häufig wird die neue Sprache verwendet? ), L2-Kontinuität (Über was für einen Zeitraum wird die L2 gesprochen? ), Relevanz (Wie interessant, altersgerecht und authentisch sind die Interaktionsanlässe in der L2? ) und L2-Kontaktdauer (Wie lange haben die Kinder Kontakt zur neuen Sprache? ). Wesentlich ist jedoch die Qualität des L2-Inputs. Für den Kita-Kontext wird empfohlen, bei der Darbietung des L2-Inputs auf folgende Aspekte zu achten (z.B. Steinlen et al. 2013): − Die L2-Erzieherin 94 bietet intensiven L2-Input an. − Der lnput ist grammatisch und lexikalisch reichhaltig und abwechslungsreich. − Die L2-Erzieherin kontextualisiert die L2, d.h., sie begleitet Handlung mit Sprache und umgekehrt. − Die L2-Erzieherin passt ihre Sprechweise dem Verständnis des Kindes an. − Die L2-Erzieherin schafft ein Umfeld, das das multisensorische Lernen fördert. − Die L2-Erzieherin gibt den Kindern Gelegenheit, non/ verbal zu interagieren und sich (sowohl verbal als auch nonverbal) zu äußern. − Die L2-Erzieherin bietet organisatorische, inhaltliche und sprachliche Gerüste 95 an, um die Kinder beim Lernen der neuen Sprache zu unterstützen. 94 Im Folgenden wird, der Kürze halber, nur von Erzieherinnen gesprochen, dies soll jedoch Erzieher nicht benachteiligen. <?page no="264"?> 264 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk Diese Aspekte scheinen auch im bilingualen Krippenkontext für den erfolgreichen Erwerb der neuen Sprache von außerordentlicher Bedeutung zu sein, wie informelle Interviews mit Pädagoginnen in bilingualen Krippen zeigten. Da der eine Fokus dieser Studie auf der Frage liegt, wie die Qualität und die Quantität des fremdsprachlichen Inputs in einer bilingualen Krippe idealerweise beschaffen sein sollte, wird im Folgenden eine Studie von Weitz (2015) herangezogen, die im Rahmen des EU-geförderten Comenius- Projekts ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies, siehe auch Kersten in diesem Band) die Rolle des L2-Inputs im bilingualen Kitakontext untersuchte: Hierbei unterschied Weitz zwischen Strukturvariablen (also sprachliche/ biographische Informationen zur Fachkraft, gruppenspezifische Merkmale, Intensität des L2-Inputs) und Prozessvariablen (Merkmale zur Situation, in der der L2-Input dokumentiert wurde; Beschaffenheit des L2-Inputs, z.B. Kontextualisierung, Bedeutungsaushandlung und ggf. Übersetzungen in die L1 der Kinder) und die Reaktionen der Kinder auf den fremdsprachlichen Input (die jedoch in Weitz‘ Studie ausgespart wurden). Die Prozessvariablen wurden mit Hilfe eines Beobachungsbogens, die Strukturmerkmale anhand von Fragebögen erfasst. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Qualität und die Quantität des L2-Inputs maßgeblich die Entwicklung des lexikalischen und grammatischen Verständnisses der L2 Englisch beeinflussen, d.h., je größer der fremdsprachliche Input ist und je qualitativ hochwertiger (siehe Liste oben), desto besser entwickelte sich das kindliche Verständnis der Zielsprache. Für diese Studie gehen wir davon aus, dass die Beschaffenheit des L2-Inputs auch für den bilingualen Krippenkontext von wesentlicher Bedeutung ist und werden diesen mit einem Beobachtungsbogen, ähnlich wie von Weitz et al. (2010) entwickelt, näher betrachten. Des Weiteren ist die kindliche Reaktion auf den englischen Input von Bedeutung: Aus dem bilingualen Kita-Bereich ist bekannt, dass die Kinder den L2-Routinen des Kindergartenalltags schon nach kurzer Zeit problemlos folgen können, dass sich nach einigen Monaten Sprachmischungen in den 95 Gerüste (scaffolds) sind eine sehr hilfreiche Strategie, die den Kindern helfen, bestimmte Muster in ihrem Alltag sowie in ihrem Sprachinput zu erkennen (siehe z.B. Steinlen, Kersten, Tiefenthal, Wippermann & Flyman Mattsson 2013). In Bezug auf sprachliche Gerüste schafft die L2-Erzieherin einen L2-lnput, der sowohl der L2-Kompetenz der Kinder angepasst ist und sich darüber hinaus durch Redundanz auszeichnet, zum Beispiel durch die Verwendung von Wiederholungen und Umschreibungen. Inhaltliche Gerüste umfassen die Bezugnahme auf das Vorwissen der Kinder, beispielsweise durch die Verwendung von Visualisierungstechniken, Feedback und die Bereitstellung wichtigster Konzepte. Organisatorische Gerüste umfassen einen stabilen täglichen Zeitplan, wiederkehrende soziale Formen und Aktivitäten sowie zuverlässige Routinen, die gleichzeitig als "Sicherheitsnetz" für Kinder insbesondere am Anfang dienen und ihnen helfen, den Alltag zu strukturieren. <?page no="265"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 265 Äußerungen der Kinder finden, dass alltägliche Phrasen von den Kindern gerne verwendet werden und dass das Sprachverständnis der Sprachproduktion während der gesamten Kindergartenzeit weit voraus ist (z.B. Wode 2009, Kersten et al. 2010, Steinlen 2013). Über ähnliche Erfahrungen hinsichtlich kindlicher Reaktionen auf den L2 Input wurde auch aus dem bilingualen Krippenkontext berichtet, und zwar vor allem in Bezug auf die L2- Routinen, denen die Kinder schon sehr früh folgen können. Bisher sind jedoch keine Studien im bilingualen Krippenkontext durchgeführt worden, die diese Erfahrungen systematisieren. In Anlehnung an bereits erwähnte Studien der Immersions- und Kitaforschung sind in diesem Artikel deshalb folgende Forschungsfragen von besonderem Interesse: 1. Wie ist der englischsprachige Input in einer bilingualen Krippe beschaffen? 2. Ist der englischsprachige Input abhängig vom Alter der Kinder und deren täglicher Kontaktzeit zur neuen Sprache? 2 Methode Wie von Ufert et al. in diesem Band dargestellt, wurde im Kindergarten Melsdorf die zweisprachige Erziehung im Jahre 2004 eingeführt. Auch die 2012 eingerichteten Krippengruppen arbeiten nach dem Prinzip „Eine Person - eine Sprache“ (Ronjat 1913, Baker 2000, Kersten et al. 2010). Die L2- Kraft (gleichgestellt als sozialpädagogische Assistentin) arbeitet seit 2012 in der bilingualen Krippe und war vorher in der altersgemischten bilingualen Gruppe tätig, die zugunsten der Krippengruppen aufgelöst wurde. Insgesamt gibt es zwei bilinguale Krippengruppen: In der einen Gruppe arbeitet die L2-Kraft durchgängig sechs Stunden pro Tag, die zweite Gruppe wird zum Mittagessen mit der ersten Gruppe zusammengelegt, so dass die Kinder dort durchschnittlich drei Stunden pro Tag Kontakt mit der englischen Sprache haben. Die zwei Gruppen unterschieden sich also hinsichtlich der Intensität des englischen Inputs, den die Kinder pro Tag erhalten: In Gruppe 1 ist diese Intensität höher (IH), in Gruppe 2 niedriger (IN). 2.1 Versuchspersonen Insgesamt nahmen 17 Krippenkinder an der Studie teil, 10 Kinder (2 Mädchen und 8 Jungen) besuchten Gruppe 1 (IH) und 7 Kinder (2 Mädchen und 5 Jungen) Gruppe 2 (IN). Unabhängig von der Gruppe waren die Kinder zum Untersuchungszeitpunkt im Schnitt 27 Monate (d.h. 2,03 Jahre) alt, hatten einen durchschnittlichen Kontakt zur L2 Englisch von 15 Monaten und besuchten die Krippe 5-8 Stunden pro Tag. Alle Kinder wachsen zuhau- <?page no="266"?> 266 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk se mit der Familiensprache Deutsch auf, nur bei einem Kind der Gruppe 1 wird zuhause zusätzlich Dänisch gesprochen. 2.2 Durchführung Dieser Studie liegt die „observation checklist“ zugrunde, die von Weitz et al. (2010) für das EU-geförderte Comenius Projekt ELIAS (Early Language and Intercultural Acquisition Studies) entwickelt wurde (Kersten et al. 2010). Da dieser Beobachtungsbogen jedoch für den Elementarbereich konzipiert wurde, ist er nach einigen Pilotierungen für den Krippenkontext und die viel jüngere Altersgruppe leicht abgewandelt worden (siehe Anhang Abbildung 1). Wie auch bei Weitz (2015) wurden die Interaktionen zwischen L2- Kraft und Kindern in folgenden Situationen beobachtet: Freie Gespräche (außerhalb einer bestimmten Aktivität), Spiele oder Lieder, Vorlesen und bei organisatorischen Routinen (z.B. Tisch decken, sich anziehen, Hände waschen etc.). Weitz (2015) folgend wurden die Faktoren Inputmenge, Inputbeschaffenheit, Verständnissicherung auf Seiten der Kinder, Reaktion auf kindliche Äußerungen und Reaktion der Kinder auf angebotenen Input analysiert. Für jede beobachtete Aktivität wurde ein Wert auf einer Vierer-Skala angegeben, um anzuzeigen, in welchem Umfang das Potential einer Aktivität ausgeschöpft wurde. Der Wert 1 entspricht demnach einem sehr geringen und 4 einem sehr hohem Umfang. Die zugrundeliegende Hypothese dieser Bewertungsskala ist, laut Weitz (2015), dass sich sehr hohe Werte förderlich auf die L2-Entwicklung auswirken würden. Die Beobachtungen wurden von einer englischsprachigen Kraft durchgeführt, die jedoch fast muttersprachliche Kenntnisse im Deutschen aufweist. Die Kinder kennen sie nur als englischsprachige Kraft. Als teilnehmende Beobachterin füllte sie in einem Zeitraum von zwei Monaten diese Beobachtungsbögen für beide Krippengruppen aus (siehe z.B. Albers 2009 zur Begründung dieser Methodik). Insgesamt wurden 344 Interaktionen zwischen L2-Kraft und Kindern dokumentiert. 3 Ergebnisse und Diskussion Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse nach verschiedenen Gesichtspunkten dargestellt, beginnend mit den Gesamtergebnissen für beide Krippengruppen in Bezug auf die Beschaffenheit des L2-Inputs (3.1) und auf die Reaktionen der Kinder auf den L2-Input (3.2). In den Abschnitten 3.3. und 3.4 werden diese Ergebnisse unterteilt nach den zwei Gruppen mit hoher bzw. niedriger L2-Intensität. Die Datenanalyse erfolgt auf deskriptive Weise, statistische Berechnungen sind einer weiteren Studie vorbehalten. <?page no="267"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 267 3.1 Gesamtergebnisse: L2-Input In Tabelle 1 werden die Ergebnisse hinsichtlich der Beschaffenheit des Input dargestellt, wie sie mit Hilfe des Beobachtungsbogens erfasst worden sind. Insgesamt handelt es sich um 344 Interaktionen zwischen L2-Kraft und Kind bzw. Kindern. Zum einen wird die Auftretenshäufigkeit in Prozent angegeben, zum anderen, in welchem Umfang das Potential einer Aktivität auf der Viererskala ausgeschöpft wurde. Beobachtete Kategorie Interaktion (von 344) Skalenwert und Auftretenshäufigkeit in % Fokus auf dem Inhalt 4 / 4 100% Kontextualisierung 4 / 4 30% Anpassung durch Sprechtempo, Intonation, Satzlänge 3,7 / 4 66% Reichhaltige Sprache (komplexe Wörter und Satzstrukturen) 3,5 / 4 22% Verwendung ritualisierter Sprache 4 / 4 16% Tab. 1: Gesamtergebnisse in Prozent (%) für die Auftretenshäufigkeit und die Bewertung der Beschaffenheit des L2-Inputs. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, lag der Fokus der Interaktionen zwischen L2- Kraft und Kind/ Kindern zu 100% auf dem Inhalt und nicht auf Sprache, Kultur oder Identität. Die Interaktionen bezogen sich auf das Hier und Jetzt und hatten den Inhalt der jeweiligen Aktivität im Fokus. Dieses Ergebnis reflektiert den kognitiven Stand der Krippenkinder, da Erfahrungen und Erlebnisse aus den ersten Lebensjahren noch nicht in so starker Weise in das Langzeitgedächtnis abgespeichert werden können, dass sie auch wieder aufgerufen werden können (siehe Textor o.J.). Reflexionen über Sprache, Kultur oder Identität sind auch im monolingual deutschen Krippenkontext selten, wie aus Erfahrungsberichten von Erzieherinnen hervorging. 30% aller L2-Äußerungen wurden kontextualisiert, d.h. dass die Sprache durch Mimik, Gestik, Objekte oder Bilder begleitet wurde, Sprache also durch Handlung unterstützt wurde. Wenn dies der Fall war, ist das Aktionspotential (Mimik, Gestik, Bilder, Objekte etc.) voll ausgeschöpft worden. Da bisher keine Zahlen in Bezug auf die Frage vorliegen, wie viele sprachli- <?page no="268"?> 268 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk che Äußerungen im Krippenalltag quantitativ kontextualisiert werden (sowohl in der L1 als auch in der L2), ist es schwierig zu entscheiden, ob 30% handlungsbegleitete Äußerungen für diese Altersgruppe und deren L2- Kontakt eher viel oder eher wenig darstellt. Nach Rücksprache mit Erzieherinnen aus dem bilingualen Krippenbereich wird „gefühlt“ zu Beginn der Eingewöhnung in die Krippe zu 95% die Sprache durch Handlung begleitet, dies nimmt jedoch im Laufe des ersten Krippenjahres stark ab. In 66% der Fälle passte die L2-Kraft ihre Sprechweise dem Kind an, d.h., sie verlangsamte ihr Sprechtempo, reduzierte die Satzlänge oder verwendete stärkere Intonation. Wenn sie dies tat, erhielt sie sehr positive Werte, schöpfte also das Potential der Aktivität zu einem hohen Maße aus. Generell ist für den Krippenkontext bzw. für Interaktionen mit Kindern im Krippenalter bekannt, dass die Sprecher ihre Sprache den Kindern anpassen (siehe child-directed speech, z.B. DJI 2011). Dies zeigt sich jedoch nicht nur in monolingualen Interaktionen mit Kindern unter drei Jahren, sondern auch in Interaktionen mit fremdsprachlichen Lernern, bei denen aber weniger das Alter, sondern der Sprachlevel der Lerner im Vordergrund steht (siehe z.B. Håkansson 1987). In Bezug auf die Reichhaltigkeit der Sprache ist ein Wert von 22% ermittelt worden. Dies bedeutet, dass die L2-Kraft nur wenig komplexe Wörter und Satzstrukturen verwendete. Auch dies deutet auf eine Anpassung an das Sprachniveau (und das kognitive Niveau) der Krippenkinder hin. Aus dem bilingualen Schulkontext sind weit höhere Werte berichtet worden, denn sowohl die Aktivitäten als auch die sprachlichen Anforderungen sind dort weitaus komplexer (z.B. Weitz 2015). Relativ wenig häufig wurde ritualisierte Sprache verwendet, d.h. Satzfragmente, die immer wieder auftauchen. Die niedrige Auftretensrate von 16% zeigt, dass die L2-Kraft ihre Äußerungen eher wenig wiederholt und stattdessen stark paraphrasiert. Gerade zu Beginn des Fremdsprachenerwerbs scheinen sprachliche Gerüste, die sowohl der L2-Kompetenz der Kinder angepasst sind und sich darüber hinaus durch Redundanz auszeichnen, zum Beispiel durch die Verwendung von Wiederholungen und Umschreibungen, den Lernen vielfältige Möglichkeiten zu geben, sich den L2-Input zu erschließen (Steinlen et al. 2013). Mit einer durchschnittlichen Kontaktdauer von fünfzehn Monaten scheint es plausibel, dass die L2-Kraft eher weniger auf ritualisierte Sprache zurückgreifen musste. Für einige Kategorien wurden (fast) keine Beispiele gefunden; dazu zählen Übersetzungen durch eine deutsche Kraft (5 Vorkommnisse), die Verwendung des Deutschen durch die L2-Kraft (0), Verständnischecks (0), Erklärungen und Vergleiche (0) sowie Fokus auf Sprache/ Kultur (0). Sehr positiv zu bewerten ist, dass die L2-Kraft von 344 Interaktionen nicht ein einziges Mal die deutsche Sprache verwendet hat und sich also sehr eng an das Prinzip „Eine Person eine Sprache“ hält. Dies ist eine sehr bewusste <?page no="269"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 269 Entscheidung, um den Krippenkindern durch eine große L2-Inputmenge zu ermöglichen, sich die englische Sprache zu erschließen. Im Übrigen verwendet die L2 Kraft (sowie auch die anderen L2-Kräfte in diesem Kindergarten) in Interaktionen mit Kindern, jedoch auch mit Erzieherinnen und Eltern, ausschließlich die englische Sprache. Insgesamt zeigt die Betrachtung der Beschaffenheit des L2-Inputs im bilingualen Krippenkontext sehr viele Ähnlichkeiten mit den Merkmalen, wie sie vom caregiver talk berichtet werden, jedoch weniger Merkmale des teacher talk (siehe auch Zusammenfassung in Weitz 2015). Die sprachlichen Anpassungen sind altersgerecht, dem kognitiven Niveau sowie auch dem fremdsprachlichen Niveau der Krippenkinder angepasst. Vorliegende Beobachtungsbögen aus dem bilingualen Kita-Kontext können also mit einigen kleineren Veränderungen in bilingualen Krippengruppen verwendet werden, um die Beschaffenheit des L2-Inputs auch in diesem Kontext näher zu untersuchen. 3.2 Gesamtergebnisse: Reaktion der Kinder Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse hinsichtlich der Reaktionen der Kinder in Bezug auf den L2-Input, dem sie ausgesetzt waren. Auch dieser Betrachtung liegen die 344 Interaktionen zwischen L2-Kraft und Kind bzw. Kindern zugrunde. Zum einen wird wiederum die Auftretenshäufigkeit in Prozent angegeben, zum anderen, in welchem Umfang das Potential einer Aktivität der Kinder auf der Viererskala ausgeschöpft wurde. Beobachtete Kategorie Interaktion (von 344) Auftretenshäufigkeit in % Kinder hören zu 3,2 / 4 95% Kinder sind zufrieden mit der Situation/ entspannt 3,0 / 4 100% Kinder führen non-verbal Aufforderungen aus 94% Kinder verwenden Deutsch 26% Kinder verwenden Englisch 1% Tab. 2: Gesamtergebnisse in Prozent (%) für die Auftretenshäufigkeit der Reaktion der Kinder auf den L2-Input. Den fremdsprachlichen Äußerungen der L2-Kraft hörten die Kinder in der Interaktion im großen Maße (zu durchschnittlich 95%) zu. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Sprachverarbeitung (Groschwald & Rosenkötter, <?page no="270"?> 270 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk 2014). Allerdings wurde das Aufmerksamkeitspotential nicht voll ausgeschöpft, d.h., nicht immer waren die Kinder „bei der Sache“, wie sich in der Bewertung von 3,2 von 4 Punkten im Durchschnitt zeigt. Insgesamt wirkten die Kinder entspannt im Umgang mit der L2-Kraft während der Interaktion, d.h. die von Hörmann (2014) geforderten Grundelemente für den Aufbau einer positiven Beziehung zwischen Fachkraft und Kind waren gegeben (dazu zählt auf Seiten der Fachkraft z.B. sensitive Responsivität, also eine aufmerksame, empfindsame, prompte und angemessene Reaktion, Zugänglichkeit, Akzeptanz und Wertschätzung, Interesse und Respekt vor der Autonomie des Kindes). Der Zufriedenheitsgrad der Kinder schwankte jedoch, was häufig dem Inhalt der Gespräche geschuldet war, etwa wenn die Kinder ermahnt oder aufgefordert wurden, etwas zu tun, das sie nicht tun wollten (Aufräumen, Objekte dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben etc.). Wenn Kinder mit der Situation unzufrieden waren, lag dies zumeist nicht an der Sprache, sondern an der Art der Anweisungen, deren Konsequenz ihnen nicht gefiel (z.B. Verbote, Spielabbruch) oder an der Situation selbst (z.B. Streit, kleinere Verletzungen). Sehr positiv zu bewerten ist, dass die Kinder den fremdsprachlichen Aufforderungen ohne Probleme nachkamen. Dabei reagierten sie in 94% der Interaktionen nonverbal. Zumeist wurden Mimik und Gestik eingesetzt (Kopf nicken oder Kopf schütteln) bzw. der Aufforderung wurde Folge geleistet (bestimmte Objekte holen oder geben, zum Zähneputzen/ Essen/ in den Garten gehen, umziehen, ….). Da sich Krippenkinder noch am Beginn des Spracherwerbs befinden, reagieren sie auch bei rein deutschen Interaktionen hauptsächlich nonverbal (z.B. Jampert et al. 2011). Knapp ein Viertel der nonverbalen Reaktionen wurde bei den hier betrachteten Kindern zusätzlich durch deutsche, der Situation angemessene Äußerungen begleitet (zumeist in Ein-, Zwei- oder Dreiwortsätzen, die Länge der Sätze hing vom Sprachstand der Kinder ab); sehr selten wurde auf Englisch geantwortet und dann nur in einzelnen Wörtern (yes, no, big, hello oder Imitationen wie monkey, jingle bells, …). Ähnliches findet sich auch für den bilingualen Kita- Kontext: Das Verstehen ist der Produktion weit voraus, und je jünger die Kinder sind, desto weniger wird auf Englisch produziert (siehe Kersten et al. 2010). (Fast) keine Beispiele wurden für das Lallen gefunden (4 Vorkommnisse, geschuldet dem Alter der Kinder), für Anweisungen, die das Kind verstand, aber das Gegenteil gemacht hat (2) und für Übersetzungen durch andere Kinder (1). Deutsch-englische Sprachmischungen traten gar nicht auf. 3.3 Ergebnisse: L2-Input (Gruppenvergleich) In den folgenden zwei Abschnitten steht die Intensität des Inputs im Vordergrund, d.h., es wird der Einfluss der täglichen englischen Kontaktzeit auf die Beschaffenheit des L2-Inputs und auf die Reaktionen der Kinder unter- <?page no="271"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 271 sucht. In Tabelle 3 werden die Ergebnisse für Gruppe 1 (IH, hohe Intensität: sechs Stunden pro Tag) und für Gruppe 2 (IN, niedrigere Intensität: drei Stunden pro Tag) präsentiert. Es werden nur solche Kategorien aufgelistet, für die ein Unterschied zwischen beiden Gruppen zu verzeichnen ist. Beobachtete Kategorie Gruppe 1 (IH mit 252 Interaktionen): Auftretenshäufigkeit in % Gruppe 2 (IN, mit 92 Interaktionen): Auftretenshäufigkeit in % Kontextualisierung: (Mimik + Gestik) 32% 44% Kontextualisierung: (Bilder + Objekte) 42% 19% Angepasste Sprache (z.B. Tempo, Intonation) 60% 67% Verwendung ritualisierter Sprache 14% 24% Handlungen werden durch Sprache begleitet 1% 38% Tab. 3: Ergebnisse nach Intensität (Stundenzahl pro Tag) hinsichtlich der Beschaffenheit des L2-Inputs. Wie Tabelle 3 zeigt, passte die L2-Kraft ihren fremdsprachlichen Input dem Sprachniveau der Kinder an. Je intensiver der L2-Input war (Gruppe IH), desto weniger wurde die Sprache in Bezug auf Tempo, Intonation und Satzlänge angepasst, desto weniger wurde Sprache ritualisiert (war also reichhaltiger), desto stärker wurde mit Hilfe von Objekten/ Bildern und desto weniger mit Gestik und Mimik kontextualisiert und desto weniger wurden Handlungen durch Sprache begleitet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die L2-Kraft für Krippenkinder mit weniger Englischstunden am Tag häufiger Mimik und Gestik verwendet, jedoch weniger mit Bildern und Objekten gearbeitet hat. Es kann spekuliert werden, dass die Themen weniger komplex waren, so dass die Körpersprache als unterstützendes Element ausgereicht hat: Gerne wurden nämlich Objekte und Bilder in Situationen verwendet, in denen diese Begriffe den Kindern nicht bekannt waren, wie dies z.B. in den Green Immersion Materialien für bilinguale Kitas der Fall ist, wo etwa Bildkarten Tiere und deren Habitat darstellen, die die Kinder aus dem Zookindergarten erst zu einem späteren Zeitpunkt im Zoo kennenlernen <?page no="272"?> 272 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk (siehe Kersten et al. 2010). Des Weiteren passte die L2-Kraft in der Gruppe 2 mit niedriger Intensität ihr Sprechtempo und ihre Intonation stärker an als in Gruppe 1, und sie verwendete häufiger ritualisierte Sprache, um den weniger erfahrenen Lernen einen einfacheren Zugang zum Englischen zu ermöglichen. Obgleich sich im Hinblick auf die Kontextualisierung beide Gruppen nicht sehr voneinander unterschieden, zeigte sich doch eine große Diskrepanz hinsichtlich der Verwendung von Sprache, wenn sie Handlungen begleitet. Handlungsbegleitete Sprache wurde sehr selten in Gruppe 1, doch sehr viel häufiger in Gruppe 2 verwendet. Es ist interessant, dass beide Facetten (handlungsbegleitende Sprache und sprachbegleitende Handlung) in so unterschiedlichem Maße vertreten waren. Es ist unklar, ob ein solch unterschiedliches Auftreten eher situationsbedingt oder sprachniveauspezifisch ist und sollte in einer weiteren Studie eingehender untersucht werden. 3.4 Ergebnisse: Reaktion der Kinder (Intensität) (Gruppenvergleich) Unterschieden sich die Reaktionen der Kinder auf den fremdsprachlichen Input hinsichtlich ihrer Gruppenzugehörigkeit (d.h. mit mehr oder weniger englischem Input pro Tag)? Die Ergebnisse sind in Tabelle 4 dargestellt. Beobachtete Kategorie Gruppe 1 (IH) Auftretenshäufigkeit in % Gruppe 2 (IN) Auftretenshäufigkeit in % Kinder hören zu 3,3 / 4 100% 3,0 / 4 100% Kinder führen non-verbal Aufforderungen aus 99% 80% Kinder verwenden Englisch 1% 1% Kinder verwenden Deutsch 25% 29% Tab. 4: Ergebnisse nach Intensität (Stundenzahl pro Tag) hinsichtlich der Reaktionen der Kinder. Tabelle 4 zeigt auf, dass sich beide Gruppen hinsichtlich ihrer Reaktionen auf den englischen Input unterschieden. Je mehr L2-Input sie bekamen, desto aufmerksamer hörten die Kinder zu und desto eher wurden die Anweisungen (nonverbal) ausgeführt. Weiterhin zeigte Gruppe 1 häufiger mehr als eine Reaktion pro Interaktion: So wurde z.B. oftmals die Handlung nicht nur ausgeführt, sondern auch mit weiterer Gestik und Mimik begleitet <?page no="273"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 273 (nicht aufgelistet in Tabelle 4). Hier sind weitere Beobachtungen von Nöten, um diese Reaktionen interpretieren zu können. Wenig bzw. keine Unterschiede gab es in der Verwendung des Deutschen oder Englischen der Kinder: Unabhängig davon, wie viel bzw. wie wenig Stunden sie pro Tag der englischen Sprache ausgesetzt waren, verwendeten sie beide Sprachen in einer ähnlich hohen (bzw. geringen) Weise. Beide Gruppen ähnelten sich auch in Bezug darauf, dass die kindlichen Reaktionen auf den L2-Input sehr viel häufiger nonverbal als verbal ausfielen (siehe Abschnitt 3.2) 3.5 Ergebnisse: L2-Input (Alter) In diesem Abschnitt wird untersucht, ob das Alter der Kinder einen Einfluss auf die Beschaffenheit des L2-Inputs ausübt, den die L2-Kraft verwendet und ob Kinder altersspezifische Reaktionen zeigen. Tabelle 5 illustriert die Ergebnisse für jüngere und ältere Kinder, jeweils für Gruppe 1 (IH) und Gruppe 2 (IN). Im Schnitt waren die jüngeren Kinder 20-25 Monate und die älteren Kinder 28-34 Monate alt. Gruppe 1 (IH) Gruppe 2 (IN) Ältere Kinder (129 Interaktionen) Jüngere Kinder (122 Interaktionen) Ältere Kinder (54 Interaktionen) Jüngere Kinder (39 Interaktionen) Kontextualisierung 41% 33% 31% 50% Angepasste Sprache 54% 66% 59% 85% Sprachbegleitende Handlungen 14% 12% 39% 36% Verwendung ritualisierter Sprache 11% 15% 24% 26% Tab. 5: Ergebnisse nach Alter und Intensität (Stundenzahl pro Tag) hinsichtlich der Beschaffenheit des Inputs. Insgesamt zeigen die Ergebnisse zum Einfluss des Alters auf die Beschaffenheit des L2-Inputs, dass die neue Sprache in Bezug auf Tempo, Intonation und Satzlänge an das Alter der Kinder angepasst und ritualisiert wurde. <?page no="274"?> 274 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk Sprachbegleitende Handlungen und Kontextualisierungen (also handlungsbegleitete Sprache) schienen altersunabhängig eingesetzt zu werden. 4 Zusammenfassung In dieser Studie wurden zum ersten Mal die Beschaffenheit des L2-Inputs und die Reaktionen der Kinder auf diesen Input in einem bilingualen Krippenkontext untersucht. Zusammenfassend zeigten sich folgende Ergebnisse in Bezug auf den L2-Input: − Der L2 Input zeigte eher Merkmale des caregiver talk und weniger Merkmale des teacher talk. − Er war stark durch einen Fokus auf inhaltliche Belange und eine stetige Anpassung der L2 auf die Lerner in Bezug auf Tempo, Intonation und Satzlänge gekennzeichnet. − Des Weiteren wurde eine hohes Maß an Kontextualisierung, reichhaltige Sprache sowie auch ritualisierter Sprache attestiert. − Übersetzungen ins Deutsche durch die L1- oder L2-Kraft, Verständnischecks, Erklärungen und Vergleiche oder ein Fokus auf Sprache oder Kultur spielten in diesem Kontext keine Rolle. − Je älter die Krippenkinder waren und je mehr Kontakt zum Englischen sie pro Tag hatten, desto reichhaltiger (und weniger ritualisiert) wurde die L2 verwendet und desto weniger wurden das Sprechtempo, die Intonation oder die Satzlänge den Lernern angepasst. − Insgesamt erhielt die L2-Erzieherin sehr hohe ratings für alle Kategorien; dies deutet auf eine sehr gelungene Umsetzung der best practice- Methoden in Bezug auf Interaktionen hin, wie sie in Weitz (2015) oder Steinlen et al. (2013) zu finden sind. In Bezug auf die Reaktionen der Kinder auf den fremdsprachlichen Input zeigten sich folgende Charakteristika: − Die Krippenkinder hörten den englischen Anweisungen, Aufforderungen etc. aufmerksam zu, dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Sprachverarbeitung. − Die kindlichen Reaktionen waren vor allem nonverbal. − Die Kinder verwendeten fast keine englischen Äußerungen oder Sprachmischungen. − Wenn Kinder mit der Interaktion unzufrieden waren, lag dies zumeist nicht an der Sprache, sondern an der Situation. − Je älter die Krippenkinder waren und je mehr Kontakt sie pro Tag zur englischen Sprache hatten, desto aufmerksamer waren sie in der Interaktion, desto länger waren ihre deutschen Äußerungen und desto eher waren sie dazu bereit, die Anweisungen auszuführen. <?page no="275"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 275 Ein Vergleich zwischen bilingualen Krippen und Kitas zeigt also viele Ähnlichkeiten: Wie im Kita-Kontext (Kersten et al. 2010) passte die L2-Erzieherin in der Krippe ihre Sprache den Kindern in Bezug auf deren Alter und deren Sprachniveau an, indem sie der Situation entsprechend kontextualisierte, reichhaltigen und vielfältigen Input anbot, ritualisierte Phasen verwendete, ihre Sprechweise (Tempo, Intonation) angepasste und den Kindern die Möglichkeit gab, sich verbal und nonverbal zu äußern. In beiden Kontexten verwendeten die Kinder zumeist die deutsche Sprache, d.h., die Interaktionen mit der L2-Kraft verliefen zweisprachig. Unterschiede zeigten sich in der Zahl der nonverbalen Reaktionen, die in der Krippe dem Alter und der Entwicklung entsprechend sehr viel häufiger auftreten als im Kita-Kontext. Viel seltener in bilingualen Krippen als in bilingualen Kitas finden sich offenbar englische Äußerungen bzw. Sprachmischungen. Gerade letzteres ist häufig eine Befürchtung von Eltern, die oft nicht sicher sind, inwieweit ihre Kinder die Sprachen im bilingualen Kontext nicht mehr auseinanderhalten können und „Kauderwelsch“ produzieren. Die von uns erhobenen Daten aus den bilingualen Krippengruppen bestätigen eine solche Befürchtung jedoch nicht, da sich die Kinder fast ausschließlich auf Deutsch äußerten. Viele Fragen und Aspekte sind bei der Analyse und Interpretation der Daten offen geblieben: So sollte in weiteren Studien eine größere Zahl an Krippenkindern herangezogen werden, um die Reaktionen der Kinder auf den fremdsprachlichen Input genauer untersuchen zu können. Außerdem wurde nur eine L2-Kraft in dieser Studie beobachtet. Ein Vergleich mit weiteren L2-Kräften würde zeigen, ob der Beobachtungsbogen auch dazu geeignet ist, Qualitätsunterschiede hinsichtlich des L2-Inputs im bilingualen Krippenkontext auch für unterschiedliche Personen widerzuspiegeln. Des Weiteren wurden hier zwei Gruppen untersucht, die sich zwar in der täglichen Kontaktdauer zur englischen Sprache unterschieden, die jedoch mit drei bzw. sechs Stunden täglich (im Vergleich zu vielen anderen bilingualen Kitas) relativ viel Kontakt zur englischen Sprache hatten. Hier wäre ein Vergleich in Bezug auf Inputbeschaffenheit und kindlicher Reaktion in Einrichtungen interessant, die weniger Stunden am Tag oder in der Woche der Fremdsprache ausgesetzt sind. Außerdem sollten auch andere Sprachen als Englisch im bilingualen Krippenkontext untersucht werden, so z.B. Französisch, Spanisch, Japanisch oder Türkisch, um nur einige zu nennen. Bezugnehmend auf die Arbeit von Weitz (2015) und Weitz et al. (2010) wäre ein weiterer Schritt, fremdsprachliche Tests für Kinder in bilingualen Krippen zu entwickeln und diese mit dem L2-Input der Kinder zu korrelieren. Wie Weitz (2015) zeigen konnte, wirkt sich die Qualität des L2-Inputs auf das grammatische L2-Verständnis, die Quantität des L2-Inputs jedoch stärker auf den rezeptiven L2-Wortzuwachs von Kindergartenkindern in bilingualen Einrichtungen aus. Würden sich ähnliche Ergebnisse auch für den bilingualen Krippenkontext zeigen? Last but not least wäre es sehr wünschens- <?page no="276"?> 276 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk wert, best practice-Methoden und Leitfäden für die bilinguale Krippe zu formulieren, so wie diese schon für bilinguale Kitas und Schulen in Deutschland entstanden sind (z.B. FMKS 2009; Kersten et al. 2009). Dies würde den Einstieg für die immer größere Zahl an neu entstehenden bilingualen Krippen sehr erleichtern. Die wichtigste Gelingensbedingung für erfolgreiches Sprachenlernen (und Lernen im Allgemeinen) dürfte jedoch die emotionale Bindung zur L2-Erzieherin darstellen, die in der Krippe noch wichtiger zu sein scheint als im Kita-Kontext. Das menschliche Gehirn ist so ausgelegt, dass „die Hirnentwicklung eines Kindes in besonders hohem Ausmaß von der emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenz seiner erwachsenen Bezugspersonen abhängig [ist]. Erwachsene tragen […] eine hohe Verantwortung für die Gestaltung der Entwicklungsbedingungen von Kindern.“ (Remsperger 2011: 40). Dies gilt auch für den bilingualen Krippenkontext. Zusammenfassend hatte diese Studie zum Ziel, die Beschaffenheit des L2-Input und die Reaktion der Kinder auf diesen Input in zwei bilingualen Krippengruppen zu untersuchen. Dieses Thema ist relevant, da die Zahl an bilingualen Krippen stetig steigt, aber kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Sprachverwendung, die Methodik der Vermittlung der Fremdsprache oder die Effektivität von bilingualen Programmen im Krippenbereich bekannt ist. Auch wenn viele Fragen offen bleiben, so zeigen Erfahrungsberichte aus bilingualen Krippen, dass auch kleine Kinder nicht überfordert sind, wenn sie mit einer neuen Sprache schon im Krippenalter in Kontakt kommen, dass sie Spaß und Freude am bilingualen Krippenalltag haben und mit der neuen Sprache unbefangen umgehen. Auch Fachkräfte in bilingualen Krippengruppen betonen immer wieder, wie bereichernd sie ein solches Programm auch für sich empfinden. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine größere Zahl an Erfahrungsberichten und wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen wird, die genauere Aufschlüsse über den Erstsprach- und Mehrsprachenerwerb in bilingualen Krippen ermöglichen. 5 Danksagung An dieser Stelle möchten die Autorinnen sowohl dem gesamten Team des Kindergartens Melsdorf als auch den Kindern für ihre enthusiastische Teilnahme ihren herzlichen Dank aussprechen. Literatur Albers, T. 2009. Sprache und Interaktion im Kindergarten. Eine quantitativ-qualitative Analyse der sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen von dreibis sechsjährigen Kindern. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Arnold, W., Eysenck, H.J. & Meili, R. 1998. Lexikon der Psychologie, Bd.2, Freiburg: Herder Verlag, 216. <?page no="277"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 277 Baker, C. 2000. A parents' and teachers' guide to bilingualism. Clevedon: Multilingual Matters. DJI. 2011. Einführung zum Praxismaterial aus dem Projekt „Sprachliche Bildung und Förderung für Kinder unter Drei. München: DJI. http: / / nifbe.de/ pdf_show.php? id=197 (30.8.16.). FMKS (Verein für frühe Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V.). 2009. Leitfaden für die Entstehung eines zweisprachigen (bilingualen) Kindergartens. Kiel: FMKS. http: / / www.fmks-online.de/ download.html (30.8.16). FMKS (Verein für frühe Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Schulen e.V.). 2014. Bilinguale Kitas in Deutschland. Kiel: FMKS. http: / / www.fmksonline.de/ download.html (30.8.16). Groschwald, A. & Rosenkötter, H. 2014. Sprache fördern in der Krippe. Ein Leitfaden für die Praxis. Freiburg: Herder. Hörmann, K. 2014. Die Entwicklung der Fachkraft-Kind-Beziehung. Verfügbar unter: http: / / www.kita-fachtexte.de/ uploads/ media/ KiTaFT_hoermann_2014.pdf (30.8.16). Håkansson, G. 1987. Teacher talk. How teachers modify their speech when addressing Learners of Swedish as a second language. Lund: Lund University Press. Jampert, K., Thanner, V., Schattel, D., Sens, A., Zehnbauer, A., Best, P. & Laier, M. (Hrsg.). 2011. Die Sprache der Jüngsten entdecken und begleiten. Weimar/ Berlin: Verlag das Netz. Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C., Steinlen, A.K. (Hrsg.). 2010. Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development. Trier: WVT. Kersten, K., Fischer, U., Burmeister, P., Lommel, A. 2009. Leitfaden für die Einrichtung von Immersionsangeboten in Grundschulen. Kiel: FMKS. Merkel, J. 2005. Gebildete Kindheit. Wie die Selbstbildung von Kindern gefördert wird. Handbuch der Bildungsarbeit im Elementarbereich. Bremen: edition lumière. http: / / www.handbuch-kindheit.uni-bremen.de (30.8.16). Remsperger, R. 2011. Sensitive Responsivität. Zur Qualität pädagogischen Handelns im Kindergarten. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Ronjat, J. 1913. Enfant bilingue. Paris: Champion. Statistische Ämter des Bundes und der Länder. 2015. Kindertagesbetreuung regional 2015. Ein Vergleich aller 402 Kreise in Deutschland. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Steinlen, A.K. 2013. Der frühe Fremdsprachenerwerb in bilingualen Kindergärten: Forschung und Praxis. Internistische Praxis 53. 585-592. Steinlen, A.K., K. Kersten, C. Tiefenthal, I. Wippermann, A. Flyman Mattsson. 2013. Empfehlungen für die Verwendung der Fremdsprache in bilingualen Kindergärten. In: Steinlen, A.K. & Andreas Rohde (Hrsg.). Mehrsprachigkeit in bilingualen Kindertagesstätten und Schulen: Voraussetzungen - Methoden - Erfolge. Berlin: Dohrmann Verlag, 79-94. Textor, M.R. (o.J.). Kognitive Bildung im Kindergarten. In: Textor, M.R. (Hrsg.): Das Kita-Handbuch. http: / / www.kindergartenpaedagogik.de/ 1278.pdf (30.8.16). Weitz, M. 2015. Die Rolle des L2-Inputs in bilingualen Kindergärten. Frankfurt: Lang. Weitz, M., Pahl, S., Flyman Mattsson, A., Buyl, A. & Kalbe, E. 2010. The Input Quality Observation scheme (IQOs): The nature of L2 input and its influence on L2 development in bilingual preschools. In: Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C., Steinlen, <?page no="278"?> 278 Anja Steinlen, Subrina Powell, Veronika Musilova, Anke Schilk A.K. (Hrsg.). 2010. Bilingual preschools. Vol. I: Learning and development. Trier: WVT. 5-44. Wode, H. 2009. Frühes Fremdsprachenlernen in bilingualen Kindergärten und Grundschulen. Braunschweig: Westermann. <?page no="279"?> Interaktionen in der bilingualen Krippe 279 Anhang: Beobachtungsbogen Abb. 1: Beobachtungsbogen für die Interaktionen zwischen L2-Kraft und Kindern in bilingualen Krippengruppen im Kindergarten Melsdorf. <?page no="281"?> Subrina Powell - Kindergarten Melsdorf Erfahrungsberichte einer englischsprachigen Erzieherin in einer bilingualen Krippe 96 Abstract In diesem Erfahrungsbericht beschreibt eine englischsprachige Krippenkraft ihre persönliche Sicht in Bezug auf die bilinguale Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Der Bericht geht dabei u.a. auch auf die Erfahrungen und Ansichten zu verschiedenen Fragen und Befürchtungen ein, die im Zusammenhang mit der Einführung bilingualer Angebote im Krippenbereich immer wieder geäußert werden. „A journey of a thousand miles begins with a single step“with these words in mind I started my journey at the Kindergarten in Melsdorf in 2012. When I look back at how the journey started I must say I was very daring, a risk taker. I left my home country Jamaica, the trusted surrounding, family and friends and launched into an unknown working world here in Germany. The country in itself was not alien to me as I spent some childhood years here. However after twelve years of having absolutely no contact with German speakers or anything associated with the country, one could say I jumped off into unknown waters. The big questions were: Would I be able to swim? Would I survive in this new environment? Would I be able to settle and be comfortable? Would I like my job? Would I get along with all my coworkers? Would they be satisfied with my work performance or would they send me on the next plane out? All these questions started popping in my head after I landed in Germany… too late to turn back now. Being the person I am, I put my best foot forward, my best smile and set out to embrace the unknown worlds of Kindergarten Melsdorf … My first introduction to the team of wonderful people I now work with was one that was nerve racking at first. Not knowing what to expect and what the unknown world had instore for me I nervously presented myself to work. I remember that my heart was pounding out of my body. I was fearful, I wondered if I would be able to understand what they were saying, if I would be able to communicate with them at all. My fears were immediately 96 Mit freundlicher Genehmigung sind die Berichte der Infozeitung des Kindergartens Melsdorf entnommen. <?page no="282"?> 282 Subrina Powell calmed when I was told that I was not supposed to speak German, only English! That was easy, imagine the relief I felt, knowing that I would be able to comfortably communicate with the children, parents and coworkers. The myths associated with bilingual education in preschools and schools are many. I can attest to the fact that not all of them have to be necessarily true. On the contrary, if speakers of the particular languages are open minded and aware of their roles in these environments, successful communication and learning will take place. I will not say that I had it all easy, that there are only easy situations where successful communication is inevitable. On the contrary, I have had situations where the child would look at me as if to say “I am really lost, I do not get the point”. But I have learnt something over the years, experience teaches wisdom, and through my various experiences I can indeed say that I have become wiser. In order for communication to take place successfully we have to exercise patience, we have to be mindful of the fact that there is a barrier and we have to find several ways to ensure that we successfully get over them. Breaking these barriers does not however include resorting to the use of the other language. Over the years I can safely say that I have never spoken a word of German to my children. In fact some of my children are of the opinion that I cannot speak German. Sometimes there are small conflicts as some would say yes, while the others say no. I often sit back and smile and only get involved to make peace when my input is requested. I have learnt that communication can successfully take place despite language barriers and that these language barriers can successfully be overcome by establishing a healthy and productive relationship. I can without a shadow of a doubt say that my children and I have a wonderful relationship. This relationship has enabled them to successfully enjoy being immersed into a bilingual kindergarten. I am not always aware of how much the children take with them after they have passed through my care. I am, however, always amazed when parents give feedback or when other persons comment on their ability to communicate successfully. I am also very proud when I hear some of my children speaking words in English, or even constructing sentences which are grammatically correct. There are many proud moments that I have and I know that these would not have been possible without my children. Whatever successes are being seen in this bilingual kindergarten is as a result of their efforts and openness as well as my own. It has been four years since I started this journey and I must say I have no regrets. I love my job, I strongly believe that I chose the right profession, that I surely followed my calling, moulding young minds for the future. The future is very important to the development of mankind and if we really want to reap the sucesses of the future we need to make investments, conscious investments. These investments are not only monetarily, in my case it <?page no="283"?> Erfahrungsberichte aus einer bilingualen Krippe 283 involves investing time, patience and effort, giving the children in my care exactly what they need and to the best of my ability. 1. English under 3 - No problem There is a fear to children being exposed to English language at such an early stage in their lives. Parents often think that early exposure to English will cause for children not to learn their own native language. Research has shown that we were all born with the ability to learn different languages. The approach to learning a language is where the focus should lie not on reasons not to. When children start to learn a language, their mind is still open and flexible and not jumbled with all sorts of other learning. It is even more remarkable that in three short years a child can hear, mimic, explore, practice, and learn language. In Kindergarten, silence is not golden. Spoken words are opportunities for learning that take place throughout the day, especially during conversations between children and myself. For over a year I have been working with the children from ages 1-3, and it is amazing how much they have grown. When I look back on those children who I met with 1 and 2 who are now 3 and soon 4 years, I am proud to say their ability to understand English is remarkable. They allow themselves to be engaged in conversations, they listen attentively to stories, they participate in songs and finger games and if they are hurt they allow themselves to be comforted in English. Nothing is more heartwarming than talking to a child and when the child is responding correctly and parents and other outsiders are amazed. Even better is when these children tell their parents exactly what is was that we were talking about, as if to reassure them that they understood. Language is one of the greatest gifts we give our children. Yet, many so often treat our verbal communication with children in a casual way. It is a misconception that children learn language passively. Language acquisition is a product of active, repetitive, and complex learning. Children under three are open, they are like sponge, and they absorb anything around them. That is why it is important that we feed them with positive things that will help them to grow. I help my children to learn English by talking to them, patiently repeating instructions and words, gesticulating, making signs until they understand, using interactive songs and finger plays. In building their vocabulary I am building their language acquisition, hence I am building bilingual children as young as one year old. <?page no="284"?> 284 Subrina Powell 2. English under 3 - the adventure continues Since 2012, I have been integrating the English language into the daily routine of children under the age of three years old. Parents of present and past children can attest to the fact that it is really heartwarming to see how much they understand and how much they are reusing. For me it is a joy knowing that they are cooperative and open minded. Our daily conversations are never dull. There is always a room for laughter and joy as all their curious questions and topics are discussed. Our daily routine consists of making the children happy. It takes very little to make a child happy. Being engaged in their world and taking part in their joys and sorrows builds their confidence and strengthens our relationship. Changing their diaper is a good opportunity for one to one contact. I use this time to reach out to each child individually. Although it can get really messy at times, it always ends up being worthwhile as I am able to pass on a few new words and sentences to my little ones. Our curious little ones who keep pointing and mumbling are fed with words, that they will, later when the speech has developed, use properly. Some might argue as to say there is very little that small children understand, but I disagree. Children under three understand as much as we want them to. The worst thing we can do to these children is to engage in what we know as “baby talk”, not using proper words and sentences but merely sounds. The more you talk to your children the more they will talk and understand. I talk to my children and I am sure that with repetition and patience they will, word for word, day by day, understand all I am saying to them. 3. English under 3 - Children growing up with two languages at home who learn a third language in kindergarten My job is never boring. Not a day goes by where there isn’t something to smile about or feel as if I have achieved something. That is a good feeling. It is also good to know that when you are talking the words are not falling on deaf ears. I can say I have ‘little parrots’ who help me reprimand children when it is needed. Typical examples of: ‘No! ’, ‘Stop! ’, ‘ Stay inside’, ‘Stop throwing the balls’, or ‘ Eat’, are among the many words and sentences that my little ones repeat when a child is misbehaving. Each word or sentence is of course used in the appropriate situation. There are some persons who believe that children under three are simply repeating the words that they hear daily, or they follow an instruction not because they understand but simply because it belongs to their daily routine. While that can be true, it can easily be disputed. There are so many words and sentences used daily, so many tasks carried out that are not ne- <?page no="285"?> Erfahrungsberichte aus einer bilingualen Krippe 285 cessarily routine, hence without a comprehensive knowledge of what is being said the chance exists that the child would not understand what is being asked of him or her. It came to my attention recently that we have a few children who are already being raised bilingually. My curiosity aroused as I wanted to see how they were coping as now they are being exposed to English as well making them trilingual, amazing! ! It is comforting to know that these children are more at an advantage than a disadvantage. They are given the privilege of learning three languages comfortably at such a tender age. How many of us had such an opportunity? In our days teachers were happy when we mastered our own mother tongue. Then as we got on to primary and high schools we had to struggle to learn foreign languages. Cruel! ! ! Because of this pressure that was applied into learning and teaching second languages many persons have turned their backs on learning a foreign language altogether. It is fantastic that endless researches and studies support immersion. Without this knowledge our children would have been at a disadvantage as we were in our days. Our children understand more than we think. They are more intelligent than we give them credit for simply because to us they are ‘babies’. There is a lot wrong with that way of thinking. That is why I will continue to feed and support the little ones entrusted to my care so that one day I will proudly be able to say ‘I taught him or her English in kindergarten’. 4. English under three - Overcoming language barriers Language is very important to the development of every child. Verbal and nonverbal language aids in successfully communicating one’s likes or dislikes, wishes and requests. It is easier to get along socially if he or she is speaking the same language as the persons they are surrounded by. Each country has their language which helps them to communicate with each other and to some extent with other countries as well. The various languages of the countries in this world adds flavor to the world of languages and communication. Imagine if we all spoke the same language, how boring it would be. The beauty of children under three learning the English language as a second language at such a tender age is that they learn from early that language does not have to be a barrier. They do not have to shy away from a person or not like them because they do not understand what he or she is saying, they do not speak the same language. This early exposure to a bilingual surrounding is also preparing them to overcome whatever barriers they might encounter in the future. They have been learning that a person can love <?page no="286"?> 286 Subrina Powell them, be kind to them, care for them and be their friend even if they do not speak their language. Care giving knows no language barrier. My little ones and I have established a fantastic relationship throughout the years. With the growing number of children under age 3 in our group I am faced with even more experiences and differences, challenges, that I am able to overcome in spite of my language difference, using the basic care giving principle: Each child is different and each child has individual needs. I have been reaching out to them and they have been accepting me, and as a result we have overcome whatever language barriers there could be. We have proven that once you are open and you have a warm and kind heart, there is no barrier that language is not able to break. I continue to bask in the amazing experiences gathered and the opportunity I was afforded to integrate these small minds in a bilingual environment. <?page no="287"?> Autorenverzeichnis Petra Burmeister ist Professorin für „Lehren und Lernen im Fach Englisch“ an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Sie lehrt und forscht in den Bereichen Sprachdidaktik und Psycholinguistik mit besonderem Fokus auf frühen Fremdsprachenerwerb durch Immersion und zweisprachiges Sachfachlernen (CLIL) in Schulen. Sie hat die Einführung des bilingualen Unterrichts an schleswig-holsteinischen Gymnasien wissenschaftlich begleitet, forschte in deutsch-englisch bilingualen Zweigen an norddeutschen Grundschulen und leitet die dortige Lehrerfortbildung. Seit 2006 forscht sie u.a. in englisch-deutsch bilingualen Kindertageseinrichtungen und war Projektpartnerin im multilateralen EU Comenius Projekt ELIAS, einer interdisziplinäre Studie in bilingualen Kindergärten. Alexandra Häckel ist promovierte Diplom-Pädagogin und Lehrerin an der Kurt Tucholsky Schule in Hamburg. Von 2006 bis 2012 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Englisch an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd tätig. Im Rahmen ihrer Promotion beschäftigte sie sich mit dem frühkindlichen Fremdspracherwerb im Kontext bilingualer Angebote an Kindertageseinrichtungen. Kristin Kersten ist Professorin für Didaktik der englischen Sprache und Spracherwerb an der Universität Hildesheim. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des frühen bilingualen Spracherwerbs und der Psycholinguistik. Von 2008 bis 2010 leitete sie das multilaterale EU Comenius Projekt ELIAS, eine interdisziplinäre Studie in bilingualen Kindergärten mit dem Fokus auf dem Spracherwerb und der interkulturellen Kompetenz der Kinder sowie der bilingualen Umweltbildung in einem Zookindergarten. Ihre derzeitigen Forschungsprojekte in Kooperation mit dem Institut für Psychologie umfassen die Entwicklungsbedingungen von CLIL an Grundschulen sowie individuelle und externe Einflussfaktoren im frühen Fremdsprachenerwerb. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die wissenschaftliche Begleitung und Fortbildung von Lehrkräften und Erzieherinnen in bilingualen Einrichtungen. Veronika Musilova gehört dem Kindergarten Melsdorf seit 2015 an, zuerst als Praktikantin, dann als sozialpädagogische Assistentin in der Krippe, die <?page no="288"?> 288 mit den Kindern nur Englisch spricht. Sie stammt aus der Tschechischen Republik, hat in Irland studiert (BA Medien) und dort viele Jahre gearbeitet. Thorsten Piske ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Fremdsprachendidaktik mit Schwerpunkt Didaktik des Englischen an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Erst- und Zweitspracherwerb sowie im Bereich des bilingualen Unterrichts bzw. der bilingualen Betreuung. Er hat in verschiedenen Projekten die Effektivität deutsch-englisch bilingualer Angebote an Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführenden Schulen erforscht. Seit seiner durch ein Stipendium der National Institues of Health (NIH) finanzierten Post- Doc-Zeit Ende der 1990er Jahre in den USA war er darüber hinaus an mehreren Studien zur sprachlichen Entwicklung von Migranten beteiligt. Subrina „Sammy“ Powell arbeitet seit 2012 im Kindergarten Melsdorf als sozialpädagogische Assistentin, zuerst in einer altersgemischten Gruppe, dann in Krippengruppen. Sammy stammt aus Jamaica, hat dort einen BA für “Secondary Teacher Education” erworben und spricht nicht nur Englisch, sondern auch Jamaican Creole, Spanisch und Französisch und nun auch Deutsch. Mit den Kindern spricht sie ausschließlich Englisch. Andreas Rohde ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für englische Sprachdidaktik und Linguistik im Englischen Seminar II der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Erst- und Zweitsprachenerwerb, im Englischunterricht der Grundschule sowie im inklusiven Englischunterricht. Er war an verschiedenen Projekten zum Englischerwerb in Kindertagesstätten und Grundschulen beteiligt. Zurzeit ist er mit seinen Mitarbeiterinnen Teil des Erasmus-Projekts „EU Speak III“ zur Alphabetisierung von erwachsenen Lernern sowie Teilprojektleiter der BMBF geförderten „Zukunftsstrategie LehrerInnenbildung“ an der Universität zu Köln. Christina Schelletter ist Principal Lecturer und Leiterin des Fachs English Language & Communication an der University of Hertfordshire in England. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im simultanen und sukzessiven bilingualen Spracherwerb (Deutsch-Englisch) sowie der bilingualen Sprachverarbeitung. Sie hat sich in verschiedenen Projekten mit dem lexikalischen und grammatikalischen bilingualen Spracherwerb im frühkindlichen und Vorschulalter befasst. In ihrer Post-Doc-Zeit war sie darüberhinaus (in Deutschland und England) an mehreren Studien beteiligt, die Sprachstörungen bei monolingualen Kindern untersucht haben. Autorenverzeichnis <?page no="289"?> Autorenverzeichnis 289 Anke Schilk ist seit 1978 staatlich geprüfte Erzieherin und leitet seit 1999 einen Kindergarten in der Nähe von Kiel. Seit 2004 wird in diesem Kindergarten zweisprachig immersiv (deutsch/ englisch) gearbeitet, zuerst mit zwei Gruppen, nun mit sechs Gruppen (Krippen, eine altersgemischte Gruppe und Elementargruppen). Im Rahmen ihrer mehr als 40-jährigen Tätigkeit in Kindergärten erwarb Anke Schilk Zusatzqualifikationen, so ist sie z.B. zertifizierte Therapiebegleithundeführerin und bietet auch in ihrem Kindergarten tiergestützte Pädagogik an. Anja Steinlen ist Akademische Rätin am Lehrstuhl für Fremdsprachendidaktik mit Schwerpunkt Didaktik des Englischen an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt momentan auf dem Erst-, Zweit- und Mehrsprachenerwerb in bilingualen Institutionen (Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführende Schulen), insbesondere im Hinblick auf Kinder mit Migrationshintergrund und mit Lernschwächen. Ihr an der Universität Århus (Dänemark) abgeschlossenes Promotionsverfahren war einem Thema im Bereich des L2 speech learning gewidmet. Christine Tiefenthal leitet die Abteilung Beobachtungsstufe am Heilwig Gymnasium, Hamburg, ist didaktische Beraterin beim Klett-Verlag im Fachbereich Englisch und arbeitet als Dozentin, Seminarleiterin und Lehrbeauftragte an den Universitäten Hamburg und Lüneburg sowie am Landesinstitut Hamburg. Ihre Schwerpunkte in der Lehre liegen in der Englisch- Fachdidaktik, im bilingualen Unterricht, in der Ausbildung von EnglischlehrerInnen und in der Qualifikation von Schulleitungsmitgliedern. Ihre Forschungsinteressen im Bereich Erziehungswissenschaften betreffen soziales Lernen und den Einsatz von Hunden in der Schule, ihre sprachwissenschaftlichen Forschungsinteressen umfassen den Zweitspracherwerb sowie den bilingualen Unterricht im Allgemeinen und seine Methodik im Besonderen. In ihrer im Jahr 2009 publizierten Dissertation hat sie den Lernmechanismus des Fast Mapping im natürlichen L2-Erwerb untersucht. Detlef Ufert promovierte 1980 über den natürlichen Zweitsprachenerwerb des Englischen von Kindern mit der Muttersprache Deutsch. Anschließend folgte eine Tätigkeit als akademischer Rat am Englischen Seminar der Christian Albrechts Universität Kiel, 1986 war er als Visiting Associate Professor an der Universität Salt Lake City mit Lehre insbesondere im Bereich der Computerlinguistik tätig. Von 1987 an baute er an der Philosophischen Fakultät der CAU die PC-Pools für die Lehre auf und leitete diesen Bereich bis 1999, mit zeitweiser Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg. Von 2000 bis <?page no="290"?> 290 2009 übernahm Detlef Ufert die Geschäftsführung des Zentrums für Fremdsprachenausbildung, IT- und Medieneinsatz (ZFIM), anschließend war er bis zu seinem Ruhestand 2016 als Direktor am Zentrum für Schlüsselqualifikationen und Leiter des Bereichs Fachergänzung tätig. Als ehrenamtlicher Bürgermeister in seinem Wohnort Melsdorf initiierte er zudem den Aufbau eines bilingualen Kindergartens. Martina Weitz war von 2008 bis 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Englischen Seminar II der Universität zu Köln tätig und nahm unter der Leitung von Prof. Andreas Rohde am EU Comenius Projekt ELIAS teil. Sie promovierte zum Thema Inputqualität in bilingualen Kindergärten. Seit November 2015 ist sie Lehramtsanwärterin für die Primarstufe. Henning Wode ist professor emeritus für englische Sprachwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er gilt als einer der Pioniere der modernen Forschung zum natürlichen Zweitsprachenerwerb. Stets hat er die Verbindung zum Fremdsprachenunterricht, insbesondere zum Immersionsunterricht und zum Bilingualen Unterricht europäischer Prägung gesehen und thematisiert. U.a. auf sein Drängen hin wurde auch in Schleswig- Holstein 1991 der deutsch-englisch bilinguale Unterricht für den Sekundarbereich eingeführt. 1996 initiierte er die Erprobung von früher englischer Immersion in Altenholz/ Kiel, und zwar in einem Verbund aus der AWO- Kita Altenholz und der Claus-Rixen-Grundschule. Wenige Jahre später konnte diese Konzeption im Rahmen der Daimler AG um betriebseigene Krippen erweitert werden. Nicht zuletzt dürften die von Wode und seiner Arbeitsgruppe vorgelegten detaillierten Evaluationsstudien zur Leistungsfähigkeit von früher Immersion entscheidend dazu beigetragen haben, dass Immersion heute - endlich - auch in Deutschland einen derartigen Zulauf erfährt. Autorenverzeichnis <?page no="291"?> Personenregister A Adams, A.-M. .......................................................................................................232 Adler, T. ................................................................................................................230 Akerman, S. ............................................................................................... 243, 252ff Aktas, M. ....................................................................... 189, 202, 205, 210, 222, 244 Albers, T. ...............................................................................................................266 Alvarez-Torres, M................................................................................................122 Angermaier, M.J.W...................................................................................... 144, 203 Apeltauer, E. ................................................................................... 39, 155, 202, 210 Arnold, W. ............................................................................................................262 Arnsperger, S....................................................................................................72, 81 Autorengruppe Bildungsberichterstattung......................................................198 Au-Yeung, J. ........................................................................140, 144f, 153, 164, 203 B Bachem, J.................................................................................................................34 Baddeley, A. .........................................................................................................232 Baker, C. .......................................................................................... 59, 140, 199, 220 Bartlett, E.................................................................................................................29 Bates, E. ...................................................................................................................29 Baumert, J..............................................................................................................162 Bazak, U.J. ...............................................................................................................30 Becker, B........................................................................................................ 202, 211 Bekkema, N. .........................................................................................................248 Bensel, J. ................................................................................................................222 Berger, C............................................................................................................26, 31 Best, C.T. .................................................................................................................31 Best, P. ........................................................................................................... 201, 270 Bialystok, E. ....................................................................................................66, 212 Biedinger, N.......................................................................................... 202, 211, 231 Bild, E.R.................................................................................................................209 Blank-Mathieu, M. ...............................................................................................152 Bley, B......................................................................................................................32 Bonerad, E.-M............................................................................................... 221, 230 Bos, W......................................................................................................................21 Böttcher, A. ...........................................................................................................202 Böttger, H................................................................................................................21 Boustagui, E............................................................................................................30 Brown, R. ..............................................................................................................123 <?page no="292"?> 292 Bruner, J. .................................................................................................................99 Burley, J. ......................................................................... 29, 126f, 141, 204, 232, 245 Burmeister, P. ............................... 20, 26f, 32, 70, 83, 84, 97ff, 121f, 152, 155, 186, ........................................................................................ 201, 209, 242f, 252ff, 276 Burns, D. G. ..........................................................................................................152 Burns, R. ................................................................................................................248 Buttjes, D. ..............................................................................................................248 Buyl, A.................................................... 98, 119, 135f, 187, 243, 246, 264, 266, 275 Byram, M. ........................................................................................................... 248f C Carey, S. ..................................................................................................................29 Cenoz, J. ................................................................................................................142 Cheung, .................................................................................................................233 Christ, H................................................................................................................143 Chudaske, J. ..........................................................................................................162 Coffey-Corina, S. ..................................................................................................241 Cohen, J. ................................................................................................................247 Conboy, B.T. .........................................................................................................241 Couve de Murville, S................................................................................... 128, 245 Crain, S. ................................................................................................. 145, 165, 203 Cunniffe, P. ................................................................................................. 144f, 164 D Dagenais, D...........................................................................................................210 Dale, P.S. .................................................................................................................29 Daniel, A. ..........................................................................................................20, 70 Daschke, K. .............................................................................................................34 Davis, S.................................................................................140, 144f, 153, 164, 203 Day, E. ...................................................................................................................210 De Houwer, A. ............................................................................................. 220, 222 Devich-Henningsen, S.....................................................................................20, 58 DeWalt, B.R. .........................................................................................................243 DeWalt, K.M. ........................................................................................................243 Dobbert, M.L. .......................................................................................................248 Döpke, S. ......................................................... 59, 70, 87, 90, 97, 125, 140, 222, 241 Döring, S .................................................................................................................32 Dubowy, M...........................................................................................................162 Dufva, M. ..............................................................................................................233 Dunn, L[eota] M.......................................................... 28f, 126f, 141, 204, 232, 245 Dutzi ....................................................................................................................210 I Personenregister <?page no="293"?> 293 E Eccles, J. .................................................................................................................230 Eisikovits, R.A. .....................................................................................................248 El Tigi, M.................................................................................................................30 Ellis, N.C. ..............................................................................................................152 Ellis, R....................................................................................................................122 Elsner, D. ...............................................................................................................209 Eufinger, E. .............................................................................................................64 Europäische Kommission .....................................................................................22 Ewig, M. ..................................................................................................... 243, 252ff Eysenck, H.J. .........................................................................................................262 F Fenson, L. ................................................................................................................29 Ferguson, C.A.......................................................................................................154 Fischer, R.................................................................................................................81 Fischer, U. ............................................................................................... 20, 242, 276 Flege, J.E...................................................................................... 30, 32, 81, 143, 188 Fletcher, K .............................................................................................................188 Flyman Mattsson, A. ........................................... 70, 83f, 97ff, 110, 119, 123, 135f, ........................................................................ 187, 199, 241, 243, 246, 263ff, 274f FMKS ......................................................................................... 59, 97, 198, 262, 276 Forschernetzwerk Bilinguale Kitas......................................................................64 Fortune, T.W...........................................................................................................39 Fox, A. ...................................................................................................................222 Franceschini, R. ....................................................................................................211 Frankfurter Allgemeine Zeitung .........................................................................22 Franzen, V...............................................................................................................20 French, L.M...........................................................................................................233 Frevert, S. ...................................................................... 189, 202, 205, 210, 222, 244 Fried, L. .................................................................................................................222 Frieda, E.M. ............................................................................................................81 Friend, M...............................................................................................................144 Fujimoto, D. ..........................................................................................................122 Futterman, R.........................................................................................................230 G Ganschow, L. ........................................................................................................233 Garbsch-Rathjen, S.................................................................................................35 Gass, S. ..................................................................................................................122 Gathercole, S.E. ............................................................................................ 232, 233 Gawlitzek-Maiwald, I..........................................................................................222 Gebauer, S.K. .....................................................................................24, 34, 38f, 221 Personenregister <?page no="294"?> 294 Genesee, F. .......................................................................23, 38f, 152, 221, 230, 242 Gerlich, L.................................................................................................... 243, 248ff Gibbons, P...............................................................................................................99 Gilbert, J. .................................................................................................................31 Gillespie, B. .............................................................................................................70 Girotto, I. ..................................................................................................... 26, 28, 31 Goff, S. ...................................................................................................................230 Gotthardt, L. ......................................................................................... 231, 244, 254 Gregor, N. ...............................................................................................................37 Griffiths, J..............................................................................................................248 Grimm, H. .......................................................................... 144, 189, 202ff, 222, 244 Groschwald, A. ....................................................................................................269 Grotjahn, R............................................................................................................162 Grünholz, P................................................................................................... 202, 210 Güldensupp, A. ......................................................................................................30 Gumbel, G.............................................................................................................143 Gurtner, J.-L. ...........................................................................................................26 H Haataja, K................................................................................................................39 Häckel, A. ................................32, 66, 69ff, 110, 127, 141ff, 152ff, 161ff, 200f, 209 Håkansson, G. ................................ 32, 70f, 85, 98, 119, 134, 141, 143f, 152ff, 186, ............................................................................................ 188, 205, 243, 246, 268 Hammes-Di Bernado, E. .......................................................................................57 Hanlon, C. .............................................................................................................123 Harley, B. ................................................................................................................30 Harrington, M. .....................................................................................................152 Hart, D...................................................................................................................221 Hartung, J.P. ...........................................................................................................29 Hasselhorn, M. .....................................................................................................232 Haug-Schnabel, G. ...............................................................................................222 Helmke, A. ............................................................................................................209 Henle, D. ...............................................................................................................189 Herrmanny, C. .....................................................................................................143 Hoefnagel-Höhle, M............................................................................................129 Hörmann, K. .........................................................................................................270 Housen, A. ....... 32, 70f, 85, 98, 134, 141, 143f, 152ff, 186, 188, 205, 209, 243, 246 Howell, P..............................................................................140, 144f, 153, 164, 203 Hulk, E. .................................................................................................................222 Humbach, N. ........................................................................................................233 Humphry, I. ............................................................................................................31 Huppertz, N. ..........................................................................................................71 Hurd, M. ...............................................................................................................209 Personenregister <?page no="295"?> 295 I IGLU ........................................................................................................................21 Imhoff, C. ................................................................................................................32 Ioannou-Georgiou, S. ..........................................................................................123 Ioup, G.....................................................................................................................30 J Jampert, K. .................................................................................................... 201, 270 Janßen, W. ............................................................................................................. 25f Javorsky, J. ............................................................................................................233 Joswig, N.................................................................................................................34 K Kaczala, C. ............................................................................................................230 Kalbe, E. ................................................. 98, 119, 135f, 187, 243, 246, 264, 266, 275 Kaltenbacher, E ....................................................................................................210 Keplinger, M.........................................................................................................144 Kerstan, T. .............................................................................................................118 Kersten, H. ................................................................................................. 243, 248ff Kersten, K. ..........................36, 64, 69ff, 83f, 97ff, 110, 118ff, 127f, 134f, 141, 161, .....................................186ff, 198, 212, 221, 232, 239ff, 262ff, 268, 270, 274, 276 Keßler, J.-U.................................................................................................... 245, 254 Kickler, K.U. ...........................................................................................................20 Klages, H...............................................................................................................210 Klawitter-Reese, B..................................................................................................35 Klieme, E. .............................................................................................. 143, 209, 212 Knapp, W. ..................................................................................................... 202, 210 Knust, M..................................................................................................................20 Kohonen, V. ..........................................................................................................233 Köller, O. ...............................................................................................................212 Kolonko, B. ................................................................................................... 199, 201 Kölschbach, C. ........................................................................................................89 Kommission der Europäischen Gemeinschaften............................... 19, 139, 239 Körner, K...............................................................................................................232 Kovenbach, F.J......................................................................................................202 Krieger, S...............................................................................................................202 Kuhl, P...................................................................................................................241 Kultusministerkonferenz ......................................................................................20 Kurth, S. ........................................................................................................ 141, 232 Kuska, S.K. ..............................................................................................................38 Kuyumcu, R............................................................................................ 39, 211, 231 Kuyumcu, S. ...........................................................................................................39 Personenregister <?page no="296"?> 296 L Laier, M. ........................................................................................................ 201, 270 Lambert, W.E..................................................................................................23, 220 Lapkin, S. ...................................................................................................... 210, 221 Larsen-Freeman, D. .............................................................................................119 Lawson, D. S. ........................................................................................................142 Lehmann, R.H. .....................................................................................................209 Leidner, M. .............................................................................................................66 Lenneberg, E................................................................................................ 30f, 141f Leuckefeld, KP. ............................................................................................ 201, 270 Liebert, E. ............................................................................................... 70ff, 77, 152 Liebner, M.............................................................................................................245 Liegle, L...................................................................................................................71 Lightbown, P. M. .................................................................................................122 Liu, S. ...............................................................................................................81, 143 Lohmann, C. ..........................................................................................................20 Lommel, A. ................................................................................................... 242, 276 Long, M.H............................................................................................... 31, 119, 122 Lopéz, L.................................................................................................................231 Loschky, L.............................................................................................................122 Lossin, J. ............................................................................................................34, 37 Lubin, J. .................................................................................................................122 Lyster, R. ....................................................................................................... 119, 123 M Maass, A................................................................................................................248 MacKay, I ..............................................................................................................188 Maibaum, T.................................................. 26, 28, 127, 140, 141ff, 152ff, 164, 186 Maier, E. ........................................................................................................ 128, 245 Markman, E.M. ......................................................................................................29 Masoura, E. ...........................................................................................................233 Massler, U. ......................................................................................... 123, 243, 248ff Mattsson, A.F. ..................................................................... siehe Flyman Mattson Mayer, M.................................................................................................................35 McGrath, E............................................................................................................231 McMullen, K. ........................................................................................................210 McRoberts, G.W. ....................................................................................................31 Meece, J. ................................................................................................................230 Meili, R ..................................................................................................................262 Meyer, M.................................................................................................................32 Meyer, N. ................................................................................................................32 Midgley, C. ...........................................................................................................230 Personenregister <?page no="297"?> 297 Mills, D. L..............................................................................................................142 Möller, J. .....................................................................................24, 34, 38f, 221, 230 Monnard, I ..............................................................................................................26 Moselle, M ..............................................................................................................30 Müller, N...............................................................................................................222 Mushi, S.L.P..........................................................................................................231 N Natorp, E.................................................................................................... 142ff, 153 Nauwerck, P. .................................................................................... 66, 97, 140, 209 Neils, K. ..........................................................................................70, 205, 243f, 247 Nelson, K...............................................................................................................111 Nelson, T. ..............................................................................................................241 Nesdale, D. ...........................................................................................................248 Neubauer, L. .........................................................................................................245 Neugebauer, C. ......................................................................................................64 Neville, H. J. .........................................................................................................142 Nold, G. .................................................................................................................209 Nozawa, T...............................................................................................................81 O O'Brien, I. ..............................................................................................................233 OECD ......................................................................................................................21 Ohta, A.S. ..............................................................................................................120 P Padden, D. ............................................................................................................241 Pahl, S. ......................................................... 98, 119, 135f, 187, 243, 246, 264ff, 275 Papagno, C............................................................................................................232 Pasternak, R. ...........................................................................................................20 Patton, J. ................................................................................................................233 Pelletier, J. ..................................................................................................... 100, 111 Penner, Z. ...................................................................................................... 202, 210 Peregoy, S.F. ...........................................................................................................99 Perret, K. ...............................................................................................................252 Pethick, S.................................................................................................................29 Petit, J.............................................................................................................. 26, 30ff Pfisterer, S. ............................................................................................. 70ff, 77, 152 Pica, T. ...................................................................................................................122 Pienemann, M. ..................................................................................... 145, 245, 254 PISA .................................................................................................................21, 212 Piske, T. ....................................70ff, 77, 84f, 127, 141ff, 152, 161ff, 200f, 205, 209, ................................................................................. 212, 221, 230, 232, 243f, 246f Personenregister <?page no="298"?> 298 Pitman, M.A. ........................................................................................................248 Plieninger, M. .......................................................................................................189 Ponto, K......................................................................................................... 128, 245 Prenzel, M. ............................................................................................................212 Q Quine, W.V.O. ........................................................................................................29 R Ramsey, R. ...................................................................................141, 222, 243, 246f Ranta, L. ........................................................................................................ 119, 123 Rasch, A. .................................................................................................................36 Rauch, D..................................................................................................................39 Ready, D................................................................................................................119 Rebuffot, J. ..............................................................................................................23 Regel, G. ............................................................................................................71, 88 Reilly, J.S. ................................................................................................................29 Remsperger, R. .....................................................................................................276 Repetti, R.L. ..........................................................................................................231 Reynolds, B. ..........................................................................................................231 Reznick, J.S..............................................................................................................29 Richards, J.C. ........................................................................................................121 Rivera-Gaxiola, M................................................................................................241 Rodgers, T.S. .........................................................................................................121 Rogotzki, N.................................................................................. 71, 141ff, 152, 161 Rohde, A. ....................20, 28ff, 64, 70f, 97ff, 117ff, 141ff, 152, 155, 161, 186, 188, ............................... 198, 201, 204f, 209, 211f, 221, 232, 240, 242ff, 262, 265, 270 Rohde, G. ................................................................................................................85 Rolff, H.G. .............................................................................................................209 Ronjat, J. .................................................................................................. 59, 199, 220 Roos, J. ........................................................................................................... 202, 210 Rosen, B...................................................................................................................34 Rosenblatt, F. .............................................................................................. 26, 30, 32 Rosenkötter, H. ....................................................................................................269 Rowold, C. ..............................................................................................................34 Ryan, L. .................................................................................................................129 S Sackin, S. ............................................................................................... 144, 145, 164 Sälzer, C. ...............................................................................................................212 Sasaki, Y. ...............................................................................................................122 Sauer, H...................................................................................................................21 Schäfer, P....................................................................................................... 202, 210 <?page no="299"?> 299 Scheitterlein, K. ............................................................................ 70, 71, 72, 77, 152 Schelletter, C.......................... 32, 64, 70f, 85, 97f, 118, 127, 134, 140ff, 152ff, 161, .............................................. 188f, 198, 201, 205, 212, 219ff, 242ff, 262, 265, 270 Schilk, A. ...................................................................................8, 10, 140, 152, 200f Schlak, T ................................................................................................................162 Schmid-Schönbein, G. ................................................................................. 143, 152 Schober, A. ...........................................................................................231, 243f, 254 Schöler, H.............................................................................................144, 202f, 210 Schroeder, K. ........................................................................................................209 Schulz-Schneider, F. ..............................................................................................64 Schümer, G. ..........................................................................................................162 Schweers, A. ...........................................................................................................30 Schwippert, K. ..................................................................................................21, 39 Scovel, T. ...............................................................................................................141 Segeritz, M ..............................................................................................................39 Sens, A. .......................................................................................................... 201, 270 Service, E. ..............................................................................................................233 Sharpe, K. ................................................................................................................66 Siebert-Ott, G................................................................................................ 201, 222 Sieh-Böhrnsen, W...................................................................................................32 Singer, E. ...............................................................................................................248 Singleton, D. .........................................................................................................129 Sinka, I...................................................................................................................222 Sithole, N.M............................................................................................................31 Skutnabb-Kangas, T. .............................................................................................39 Snow, C.E. ............................................................................................. 123, 129, 154 Snow, M.A. ............................................................................................ 100, 211 231 Sokolov, J.L. ..........................................................................................................123 Spada, N................................................................................................................122 Sparks, R.L. ...........................................................................................................233 Stahn, D. ................................................................................................................232 Stanat, P................................................................................................... 39, 162, 209 Starcev, J..................................................................................................................70 Statistische Ämter des Bundes und der Länder ..............................................262 Statistisches Bundesamt......................................................................................198 Steigenberger, I. .....................................................................................................34 Steinlen, A.K. ........................... 29, 32, 51ff, 71, 83ff, 97ff, 110, 118, 123, 127, 134, .................................................. 139ff, 162ff, 186ff, 197ff, 219ff, 232, 241ff, 261ff Sterck, E.H.M........................................................................................................248 Stevens, F. .............................................................................................................100 Strand, C. ................................................................................................................32 Strunz, I.A. ............................................................................................................253 Stubbe, T. ................................................................................................................21 Personenregister <?page no="300"?> 300 Swain, M. .................................................................................................... 122f, 209 Szagun, G. ..................................................................................................... 154, 155 T Tardif, C. ................................................................................... 26, 98ff, 106ff, 110ff Tarelli, I. ..................................................................................................................39 Taylor, I. ................................................................................................................154 Taylor, S ................................................................................................................209 Tees, R.C..................................................................................................................31 Templin, M.C..........................................................................................................29 Textor, M.R. .................................................................................................. 262, 267 Thal, D. ....................................................................................................................29 Thielking, D. ...........................................................................................................33 Thomas, S................................................................................................ 242ff, 252ff Thome, G...............................................................................................................209 Thornton, R........................................................................................... 145, 165, 203 Tièche-Christinat, C...............................................................................................26 Tiefenthal, C. ....................... 26ff, 70f, 83f, 97ff, 110, 118ff, 127, 140ff, 152ff, 161, ....................................................... 164, 199, 209, 231, 241ff, 254, 263ff, 268, 274 Tonn, G....................................................................................................................31 Toukomaa, P...........................................................................................................39 Tracy, R. ........................................................................................ 201, 211, 222, 240 Triarchi-Herrmann, V. ..........................................................................................66 Trumpp, C. ............................................................................................. 70, 244, 247 Tucker, G.R. ....................................................................................................23, 220 Tumpp, C. .............................................................................................................205 Turnbull, M...........................................................................................................221 U Ufert, D.............................................................................8, 10, 51ff, 140, 152, 200ff V Van Hoogdalem, A. .............................................................................................248 Varonis, E..............................................................................................................122 Verein für Frühe Mehrsprachigkeit an Kitas und Schulen FMKS siehe FMKS Vesterbacka, S. .......................................................................................................26 Voeten, M..............................................................................................................233 von Berg, B..............................................................................................................34 von Maurice, J ......................................................................................................162 W Wang, S. ..................................................................................................................30 Weber, S. ................................................................................... 26, 98ff, 106ff, 110ff Personenregister <?page no="301"?> 301 Weinert, S..............................................................................................................162 Weitz, M.................. 29, 98, 117ff, 141, 152, 187, 204, 211, 232, 243ff, 264ff, 274ff Wendt, H.................................................................................................................39 Werker, J.F. .............................................................................................................31 Wesche, M.B. ................................................... 22f, 38, 119, 199, 221, 231, 242, 244 Westphal-Rathke, K..........................................................26ff, 140ff, 152, 164, 186 Wettlaufer, J.................................................................................141, 164f, 200, 203 Whetton, C..................................................................... 29, 126f, 141, 204, 232, 245 Wichmann, O. ........................................................................................................81 Wicke, R.E. ..............................................................................................................39 Wieland, A.J............................................................................................................71 Williams K.T. .......................................................................................... 28, 126, 204 Winitz, H.................................................................................................................70 Wippermann, I. ...................................70, 83f, 97ff, 110, 123, 199, 231, 241, 243ff, ................................................................................ 248ff, 252, 254, 263f, 268, 274 Wode, H. ............................................. 19ff, 59, 66, 69f, 84, 97, 109, 117, 140f, 152, ..........................................................................199ff, 209, 211, 220, 240, 242, 244 Wörle, J. .................................................................................................................161 Wray, A. ........................................................................................................ 98f, 109 Y Yamazaki, A. ........................................................................................................122 Yeni-Komshian, G..........................................................................................81, 143 Young, R................................................................................................................122 Z Zaunbauer, A.C.M. ...................................................................24, 34, 38f, 221, 230 Zehnbauer, A................................................................................................ 201, 270 Personenregister <?page no="302"?> Sachregister A Alter...............................23, 25, 29ff, 34, 36, 39, 52, 63, 79, 84, 100, 105f, 117, 123, .......................................................................... 125ff, 131f, 138ff, 146, 150f, 159f, .........................................165, 167, 172, 174, 184, 202f, 238f, 241, 245, 250f, 271 Aussprache ...........................................................30ff, 108, 110, 122, 141, 201, 241 B Bedeutungsverhandlung ................................................................ 122, 124ff, 133f best practice-Methoden................................................................................. 123, 274 C caregiver talk .......................................................................................... 261, 269, 274 chunks....................................................................................................... 26, 98f, 118 CLIL...................................................................................................................... 23ff D Deutschkenntnisse...................................................... 9, 12, 14, 86, 89, 201ff, 219ff E Eine Person eine Sprache........... 25, 51, 59, 63, 70, 76, 80, 87, 89ff, 93, 97, 123f, ............................................................................ 134, 139, 197, 218, 238, 263, 266 Einstellungen................................................................... 66, 74, 83, 246, 230, 249ff ELIAS Projekt ..........................................12f, 64, 98, 118f, 127, 134ff, 140ff, 153ff, ........................................................................... 162, 186, 197ff, 219ff, 239ff, 262 Eltern ................................. 9f, 21, 52ff, 56ff, 60ff, 72, 78ff, 83, 123, 143, 162f, 166, .............................. 188, 202, 206, 209, 211ff, 220ff, 231, 233, 243f, 253, 269, 275 Ethnographie ........................................................................................................123 F Fachwissen..............................................................................................................23 Fähigkeiten kommunikativ 218 lexikalisch 230f orthographisch 232 semantisch 232 syntaktisch 230ff Familiärer Hintergrund ................................................................................... 228ff Familiensprache ........................ 12, 14, 31, 40, 60, 195, 199, 201ff, 206, 209ff, 266 fast mapping .......................................................................................................... 29ff <?page no="303"?> 303 Feedback ....................................................................................................... 124, 126 Fehler.................................................................................... 33, 123ff, 144, 241, 245 Fehlerkorrekturen................................................................................................243 Formelähnliche Ausdrücke ................................................................Siehe chunks Formelhafte Wendungen ....................................................................Siehe chunks Formeln .................................................................................................Siehe chunks formulaic sequences ................................................................................Siehe chunks Fossilisierung .......................................................................................................123 Fremdsprachenunterricht ......................................................... 21ff, 143, 219, 239, Frühbeginn ............................................................................... 7, 101, 160, 218, 238 Frühvermittlung ..............................................................................................19, 24 G Ganzheitlicher Ansatz.........................................................................................220 Gerüste ........................................................................................... Siehe scaffolding Geschlecht............................................................ 84, 89, 102, 143, 147ff, 152, 162f, ................................................................................ 178ff, 186, 188, 190, 247, 254f Grammatik.......9, 11f, 32, 86, 90, 98, 120, 134, 139ff, 161ff, 197ff, 235, 244, 246ff Green Immersion ................................................................ 198, 239, 241, 252ff, 271, Grundschule ..............................9, 20, 22ff, 30, 33ff, 56, 66, 74, 78f, 219, 239, 245, Grüne Immersion...............................................................Siehe Green Immersion H Handlungsbegleitende Sprache .........................................................................272 Herkunftssprache ............................................................... Siehe Familiensprache Hörverständnis (siehe auch rezeptiv) ......8, 10f, 26f, 40, 62, 75ff, 83, 97ff, 101ff, ............... 117ff, 135, 139ff, 144, 149f, 161ff, 197ff, 202, 207, 210, 212f, 245, 270 Hörverstehen......................................................................... Siehe Hörverständnis I Idiome ............................................................................................................98, 241, Immersion... 9f, 13, 20ff, 56, 62ff, 101, 105f, 110f, 199, 209f, 219ff, 241f, 248, 285 Individuelle Variation ...................................................................................27, 155 Input ...................................................... 118, 119, 120, 123, 124, 126, 133, 198, 265 authentisch 8, 14, 70, 87, 120, 241, 253, 255 Intensität 25, 33, 40, 71, 117, 120, 127, 133, 135, 141, 200, 242ff, 246f, 263ff, 270ff kontextualisiert 8, 212, 231263, 267f, 275 Kontinuität 7, 10, 20, 24, 56, 67, 70, 200, 263 Qualität 11, 29, 54, 57, 119, 122ff, 135, 156, 187, 200, 211f, 239, 243ff, 246ff, 255, 263ff, 275 Sachregister <?page no="304"?> 304 Quantität 81, 87, 106, 119, 125, 135, 200, 208, 211f, 243, 264, 275 Vielfalt 24f, 82, 275 Interaktion ......................................11, 40, 110ff, 119ff, 121ff, 135, 154, 251, 261ff Interferenzen (lautlich) ...................................................................................... 30ff Interimssprache....................................................................................................122 interkulturell .......................................................... 13, 61, 80, 198, 239f, 245, 248ff K Kognitive Entwicklung ...................... 23, 39f, 142, 144, 153, 203, 212, 244, 267ff, Kollokationen .........................................................................................................98 Kommunikationsstrategien ................................................................................252 Komposita.................................................................................. Siehe Wortbildung Kontaktdauer ..........................................................................Siehe Inputquantität Kontextualisierung ..................................... 100, 140, 199, 211, 220, 231, 246, 255, ......................................................................................................... 264, 267, 271ff Konzept/ ion (halb/ offen) .................................................................. 58, 71, 73, 82 Korrektur ...............................................................................................30, 123f, 246 Krippe......................................................................13, 24, 40, 57, 60, 70, 125, 261ff kritische (sensible) Lernzeitspanne / Phase.............................. 31f, 81, 141f, 241 Kultur .............................19, 59ff, 66, 81, 99, 126, 140, 198, 219, 239, 248ff, 267 ff, L Lautwahrnehmung................................................................................................31 Leistungen akademisch 39, 55, 221, 230 Lexikalische Prinzipien .............................................................................. 29ff, 141 Lexikon / lexikalisch.................................................................. Siehe Wortschatz M Mehrsprachigkeit................................8ff, 14, 21, 40, 58, 70, 90, 97, 117, 124, 164, .................................................................................... 190, 202, 215, 239, 241, 244 Migrationshintergrund ......................... 9, 12, 14, 39, 75, 85, 89, 161ff, 197ff, 247, Montessori ........................................................................................................... 72ff Morphologie .........................................................................................................222 Motivation ................................................................... 79ff, 120, 123, 212, 249, 253 Muttersprache .................................23, 38, 53, 56, 62, 65, 99, 117, 210, 212, 243ff, O Organisatorische Gerüste ............................................................ Siehe scaffolding Output ............................................................. 28, 32, 65, 76, 101, 105ff, 118, 122ff, .................................................................................... 200, 202, 205, 225, 245, 270 Sachregister <?page no="305"?> 305 P peer group...............................................................................................................120 Phonologie ............................................................................................................220 Pragmatik..............................................................................................................220 Produktion........................................................................................... Siehe Output R Rezeptiv (siehe auch Hörverständnis) ........ 28ff, 64, 72, 81, 83f, 89, 119ff, 139ff, .................................................................................................... 161ff, 197ff, 245ff Ritualisierte Sprache................................................................................. 255, 267ff Ritualisierung .................................................................. Siehe Routinesituationen routines..................................................................................................Siehe chunks Routinesituationen .................................................................. 8, 11, 97f, 101ff, 111 S scaffolding........................................................................ 83f, 99f, 111, 246, 264, 268 Sekundarstufe I ......................................................................................................20 Semantisierung ................................................................................................28, 30 Sensible Phase ....................................................................... Siehe Kritische Phase Sozioökonomischer Hintergrund ...... 71, 85, 123f, 152, 155, 162, 188, 202, 232ff Spiel ............................................................................................. 7, 26, 120, 124, 249 Rollenspiel 26, 58, Sprachbegleitende Handlung ............................................................ 265, 272, 274 Sprachbewusstsein ...................................................................................... 121, 135 Sprachentwicklung .............................. 218, 219, 220, 221, 224, 228, 229, 230, 231 Sprachliche Gerüste ...................................................................... Siehe scaffolding Sprachniveau................................................................................................ 266, 269 Sprachunterricht ............................................................................ Siehe Unterricht Sprachverständnis ................................................................ Siehe Hörverständnis Sprechfähigkeit ................................................................................... Siehe Output T teacher talk.............................................................................................. 261, 269, 274 Transfer, negativ .......................................................................... Siehe Interferenz U Umgangssprache ................................................................................... 97, 198, 224 Umgebungssprache ....................................................... 31, 100, 195, 197, 218, 220 Unterricht.............................. 14, 19ff, 29, 33ff, 38ff, 56, 67, 79, 97, 112, 117f, 122, .................................................................... 125, 140, 145, 199ff, 219ff, 239ff, 245 Sachregister <?page no="306"?> 306 V Verständnis.................................................... Siehe Hörverständnis und rezeptiv Vokabular ..................................................................................... Siehe Wortschatz Vorlesen ............................................................................................ 77, 80, 231, 266 W Weiterführung Grundschule.......................................................23, 66, 74, 78f, 95 Wortbildung (Komposita) .......................................................................... 33f, 121 Wortschatz ......... 11f, 26, 28ff, 34f, 59, 64, 90, 98, 1117ff, 139ff, 161ff, 197ff, 239f Sachregister <?page no="307"?> Im deutschsprachigen Raum mangelt es bisher nicht nur an konkreten Untersuchungen zu der Frage, wie sich die sprachlichen Fähigkeiten von bilingual betreuten Kindergartenkindern entwickeln, sondern auch an Erfahrungsberichten darüber, wie bilinguale Angebote möglichst gewinnbringend in den Kindergartenalltag integriert werden können. Dieser Sammelband präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse zur Effektivität verschiedener bilingualer Programme, zum Verständnis und zur Produktion formelhafter Wendungen sowie zu rezeptiven Grammatik- und Wortschatzkenntnissen von Kindern in der Fremdsprache. Darüber hinaus umfasst er Erfahrungsberichte zur konkreten Umsetzung bilingualer Angebote aus der Sicht einer Kita-Leitung, eines Trägers und der wissenschaftlichen Begleitung, und er enthält eine Auswertung von Interviews mit Erzieherinnen aus verschiedenen bilingualen Einrichtungen. ISBN 978-3-8233-6902-8 Multilingualism and Language Teaching 2