Kooperative Unterrichtsvorbereitung
Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrender
1028
2015
978-3-8233-7920-1
978-3-8233-6920-2
Gunter Narr Verlag
Petra Knorr
Trotz der umfänglichen Diskussionen auf theoretischer und bildungspolitischer Ebene über Veränderungen in der Lehrerausbildung, ist dieser Bereich empirisch bislang erst wenig erforscht worden. Die vorliegende Studie leistet hierzu einen Beitrag, indem sie sich kooperativen Lernszenarien in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden widmet. Im Fokus der Untersuchung stehen Gespräche von Lehramtsstudierenden, in denen gemeinsam erste Unterrichtsstunden im Fach Englisch vorbereitet werden. Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf die in den Planungsgesprächen verhandelten Inhalte, auf die planerischen Handlungen der Studierenden sowie auf die mit der Kooperation verbundenen Lernpotentiale.
Petra Knorr Kooperative Unterrichtsvorbereitung Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrender Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Kooperative Unterrichtsvorbereitung GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Petra Knorr Kooperative Unterrichtsvorbereitung Unterrichtsplanungsgespräche in der Ausbildung angehender Englischlehrender Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-6920-2 5 Inhaltsverzeichnis 1 Vorüberlegungen, Erkenntnisinteresse und Struktur der Arbeit .......15 1.1 Planungswissen, Planungskompetenz und die Funktion von Unterrichtsplanung im Rahmen der Ausbildung .......................................18 1.2 Erkenntnisinteresse der Studie ......................................................................21 1.3 Aufbau der Arbeit............................................................................................25 2 Allgemeine Didaktik und Unterrichtsplanung ....................................29 2.1 Allgemeindidaktische Theorien und Modelle zur Unterrichtsplanung ..29 2.2 Didaktische Modelle .......................................................................................32 2.2.1 Unterrichtsplanung aus Sicht der bildungstheoretischen Didaktik ................................................................................................32 2.2.2 Unterrichtsplanung aus Sicht der lerntheoretischen Didaktik .....34 2.3 Planungskonzeptionen ...................................................................................37 2.4 Dimensionen der Unterrichtsplanung .........................................................39 2.4.1 Ziele .......................................................................................................40 2.4.2 Themen und Inhalte............................................................................42 2.4.3 Methoden..............................................................................................44 2.4.4 Medien ..................................................................................................45 2.4.5 Voraussetzungen und Folgen.............................................................46 2.5 Planungsschritte ..............................................................................................48 3 Unterrichtsplanung und die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden......................................................................53 3.1 Unterrichtsplanung in der fremdsprachendidaktischen Theorie.............53 3.2 Aspekte der Planung aus fremdsprachendidaktischer Sicht .....................54 3.2.1 Ziele, Standards und Kompetenzen ..................................................54 3.2.2 Unterrichtsinhalte und Themen........................................................56 3.2.3 Methodische Entscheidungen............................................................59 3.2.4 Medien und Materialien .....................................................................64 3.3 Das Planen lernen............................................................................................66 3.3.1 Planungshinweise für den Englischunterricht.................................66 3.3.2 Der schriftliche Unterrichtsentwurf: Planung für Dritte? .............69 3.3.3 Unterrichtsplanung als Prozess .........................................................72 3.3.4 Planen und Wissen ..............................................................................73 3.3.5 Erfahrungen im Planen sammeln......................................................75 6 4 Empirische Forschung zur Unterrichtsplanung...................................77 4.1 Forschungsentwicklungen..............................................................................77 4.1.1 Forschungsschwerpunkte zum Thema Unterrichtsplanung .........79 4.1.2 Forschungsentwicklungen zur Unterrichtsplanung von Novizen..........................................................................................80 4.2 Empirische Ergebnisse zur Unterrichtsplanung .........................................83 4.2.1 Der Prozess der Unterrichtsplanung ................................................84 4.2.2 Planungsstufen.....................................................................................89 4.2.3 Inhalte planenden Denkens ...............................................................90 4.2.4 Planungsverläufe..................................................................................99 4.2.5 Die Arbeit mit Planungsrastern.......................................................105 4.2.6 Die Planung von fremdsprachlichem Unterricht .........................107 4.2.7 Kooperatives Planen..........................................................................109 4.3 Zusammenfassung.........................................................................................112 5 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung ....................................115 5.1 Entwicklungslinien in der Erforschung von Lehrer/ innenprofessionalität .......................................................................116 5.2 Die Wissensbasis von Fremdsprachenlehrenden......................................122 5.2.1 Inhaltsbereiche des Lehrerwissens ..................................................123 5.2.2 Wissensarten und Wissensorganisation.........................................125 5.2.3 Zum Verhältnis von Wissenschaftswissen und Handlungswissen...............................................................................127 5.3 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: die situierte Perspektive......................................................................................................128 5.3.1 Teacher-learning als Kontinuum .....................................................129 5.3.2 Verortung von Lernprozessen .........................................................131 5.4 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: die soziale Dimension...133 5.4.1 Communities of Practice....................................................................134 5.4.2 Mediation und die Zone der nächste Entwicklung.......................136 5.4.3 Kollaboration zwischen Studierenden ............................................138 5.5 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: Wissenserwerb...............141 5.6 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: reflexive Praxis ...............145 5.7 Zusammenfassung.........................................................................................147 7 6 Erkenntnisinteresse, Methodologie und Forschungsprozess ............151 6.1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen...............................................151 6.2 Untersuchungsdesign ...................................................................................156 6.3 Forschungsfeld: Das Tagespraktikum in der Lehrer/ innenausbildung ...............................................................................158 6.4 Die Forschungspartner/ innen und die Rolle der Forscherin im Forschungsprozess ........................................................................................161 6.5 Datenerhebung ..............................................................................................163 6.5.1 Der Einsatz von Videografie ............................................................163 6.5.2 Das Laute Erinnern ...........................................................................166 6.5.3 Nachträgliche Befragung ..................................................................178 6.5.4 Flankierende Daten ...........................................................................178 6.5.5 Die Durchführung der Datenerhebung..........................................179 6.6 Auswertung der Daten..................................................................................187 6.6.1 Transkription der Daten...................................................................187 6.6.2 Initiierende Textarbeit ......................................................................190 6.6.3 Qualitative Inhaltsanalyse ................................................................191 6.6.4 Handlungstheoretisch orientierte Gesprächsstrukturanalyse .....200 6.6.5 Sinnrekonstruktive Sequenzanalyse................................................204 7 Kurzcharakteristika der analysierten Planungsgespräche.................209 7.1 Das Planungsgespräch 1: Greta und Jennie ...............................................209 7.2 Das Planungsgespräch 2: Maren und Ute ..................................................210 7.3 Das Planungsgespräch 3: Ellen und Hendrik ............................................211 7.4 Das Planungsgespräch 4: Philip und Linda ...............................................213 7.5 Das Planungsgespräch 5: Nina und Rieke..................................................214 7.6 Das Planungsgespräch 6: Mattis und Linda...............................................215 7.7 Das Planungsgespräch 7: Clara und Ellen..................................................216 7.8 Das Planungsgespräch 8: Anja und Heike .................................................218 8 Gesprächsinhalte bei der kooperativen Unterrichtsplanung.............221 8.1 Inhalte der Planungsgespräche im Überblick............................................222 8.2 Analyse und Interpretation der thematischen Kategorien ......................226 8.2.1 Unterrichtsaktivitäten .......................................................................226 8.2.2 Unterrichtsinhalte .............................................................................231 8.2.3 Classroom Management ...................................................................236 8 8.2.4 Die Schüler/ innen..............................................................................240 8.2.5 Strukturierung des Unterrichts........................................................245 8.2.6 Zeitliche Planung ...............................................................................250 8.2.7 Das Lehrwerk .....................................................................................252 8.2.8 Medien und Materialien ...................................................................256 8.2.9 Orientierung / Reflexion...................................................................259 8.2.10 Der Planungsprozess .........................................................................265 8.2.11 Unterrichtszusammenhang..............................................................268 8.2.12 Die eigene Person ..............................................................................270 8.2.13 Ziele .....................................................................................................271 8.3 Interpretation .................................................................................................274 9 Planungsbezogenes kooperatives Handeln als Prozess ......................279 9.1 Der Verlauf der Planungsgespräche: ein Phasenmodell ..........................279 9.1.1 Gesprächseröffnung ..........................................................................280 9.1.2 Orientierungsphase ...........................................................................282 9.1.3 Die Kernphase: Planung des Unterrichtsverlaufs .........................286 9.1.4 Endphase und Beendigung des Gesprächs.....................................292 9.1.5 Zusammenfassung und Einordnung der Befunde ........................293 9.2 Die Unterrichtsvorbereitung im engeren Sinn: das Planen von Aktivitäten ......................................................................................................295 9.2.1 Die Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen unter Bezugnahme auf Aktivitätsgroßmuster ..........................................296 9.2.2 Unterrichtsvorbereitung auf drei Ebenen ......................................298 9.2.3 Suchen und Auswählen von Aktivitäten ........................................301 9.2.4 Konzipieren von Aktivitäten............................................................304 9.2.5 Spezifizieren von Aktivitäten in Hinblick auf die Interaktion im Klassenzimmer ........................................................308 9.2.6 Unterschiede in der Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen .............................................................................311 9.2.7 Zusammenfassung und Diskussion der Befunde ..........................318 10 Kooperatives Planen und situiertes Lernen........................................323 10.1 Das gemeinsame Entwerfen eines Plans: Potentiale und Probleme .......324 10.1.1 Kollaborative und beratende Gesprächsmuster ............................324 10.1.2 Typische interaktive Planungshandlungen....................................326 10.1.2.1 Kollaborative Aushandlungsprozesse ..........................326 10.1.2.2 Voreilig Entscheidungen treffen...................................329 10.1.2.3 Hinweise geben und Vorschläge machen....................331 9 10.1.2.4 Ideen hinterfragen ..........................................................334 10.1.2.5 Emotionale Unterstützung: Sich rückversichern und Bestätigung erfahren ..............................................336 10.1.2.6 Gedanken in Worte fassen ............................................340 10.1.2.7 Mentale Bilder entwerfen ..............................................342 10.1.2.8 Resümieren ......................................................................343 10.1.2.9 Verantwortung abgeben ................................................346 10.1.2.10 Das Einzelkämpfer-Phänomen ...................................348 10.1.2.11 Dem Partner / der Partnerin nicht folgen können ...350 10.2 Lernprozesse anstoßen: Das Aushandeln von Bedeutungen und die Ko-Konstruktion von Wissen ...............................................................352 10.2.1 Sich verständlich machen: Die Erprobung fachspezifischer Konzepte und deren Versprachlichung..........................................356 10.2.2 Fachsprachliche Kommunikation: Das Aushandeln fachspezifischer Termini...................................................................359 10.2.3 Differierende Sichtweisen: Das Aushandeln fachspezifischer Konzepte .............................................................................................363 10.2.4 Peer-learning: Dialogische und strategische Mediation...............371 10.2.5 Innere Konflikte: Zwischen Konzeptverständnis und Umsetzung..........................................................................................375 10.2.6 Orientierung an Experten: Das präskriptive Auslegen von Expertenkommentaren .....................................................................380 10.2.7 Impulse aus der eigenen Unterrichtspraxis: Aus Fehlern lernen und Bewährtes übernehmen ................................................384 10.2.8 Metakognitive Lernprozesse: Das Planen lernen ..........................388 10.3 Verortung in der Praxisgemeinschaft.........................................................391 10.4 Zusammenfassung und Diskussion der Befunde......................................396 11 Rückblick und Ausblick.......................................................................403 11.1 Zusammenfassung der Befunde ..................................................................403 11.2 Schlussfolgerungen und Ausblick ...............................................................410 11.2.1 Forschungsmethodisches Resümee.................................................410 11.2.2 Implikationen für die Lehrer/ innenausbildung ............................413 11.2.3 Forschungsthematischer Ausblick ..................................................424 12 Literatur ...............................................................................................425 13 Anhang .................................................................................................457 . 10 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Modell professioneller Handlungskompetenz nach Baumert & Kunter (2006) .....................................................................19 Abb. 2: Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung nach Klafki...............33 Abb. 3: Strukturgefüge des Unterrichts nach Heimann (1962) ....................35 Abb. 4: Verlaufsplanung (Schulz 1965) ............................................................36 Abb. 5: Mögliches Schema der Detailplanung (Schulz 1980)........................36 Abb. 6: Momente der Unterrichtsplanung nach Kiper & Mischke ..............38 Abb. 7: Stages of the planning process (Yinger 1980) ....................................99 Abb. 8: Typischer Planungsverlauf bei Studierenden (Broeckmans).........102 Abb. 9: Drei Phasen des Planungsverlaufs (John 1991a) .............................104 Abb. 10: The reflective model nach Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth (2004).....................................................................................................130 Abb. 11: Three-level model & accompanying learning processes, nach Korthagen (2010) .................................................................................143 Abb. 12: Übersicht über die Datenerhebung im Kontext der SPS ................160 Abb. 13: Anordnung der Aufnahmetechnik im Raum...................................185 Abb. 14: Ablauf der induktiven Qualitativen Inhaltsanalyse.........................195 Abb. 15: Anzahl der Thematisierungen einer Kategorie................................223 Abb. 16: Umfang der Kodierungen in Zeichen ...............................................224 Abb. 17: Vergleich Umfang und Häufigkeit der Kategorien .........................225 Abb. 18: Phasenmodell zu Unterrichtsplanungsgesprächen .........................280 Abb. 19: Verlaufsstruktur Planungsgespräch 6 ...............................................289 Abb. 20: Verlaufsstruktur Planungsgespräch 8 ...............................................290 Abb. 21: Vorbereitung von Unterrichtsphasen ...............................................300 Abb. 22: Konzepte und deren Bezeichnung.....................................................355 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Allgemeindidaktische Dimensionen der Unterrichtsplanung und fachdidaktische Konkretisierungen.............................................67 Tab. 2: Übersicht über Klassifizierungen von Lehrerwissensbereichen.....124 Tab. 3: Untersuchungsdesign ..........................................................................157 Tab. 4: Die Untersuchungsteilnehmer/ innen ...............................................162 Tab. 5: I ntrospektive Verbalisationsverfahren ..............................................171 Tab. 6: Verwendete Transkriptionsregeln .....................................................188 Tab. 7: Ausschnitt aus der paraphrasierenden Zusammenfassung............197 11 Tab. 8: Analyse von Gesprächshandlungen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene ...................................................................................204 Tab. 9: Oberkategorien der Inhaltsanalyse ....................................................221 Tab. 10: Unterrichtsaktivitäten .........................................................................227 Tab. 11: Unterrichtsinhalte................................................................................231 Tab. 12: Classroom Management .....................................................................236 Tab. 13: Die Schüler/ innen ................................................................................240 Tab. 14: Strukturierung des Unterrichts ..........................................................245 Tab. 15: Zeitliche Planung .................................................................................250 Tab. 16: Das Lehrwerk........................................................................................252 Tab. 17: Medien und Materialien......................................................................256 Tab. 18: Orientierung / Reflexion .....................................................................259 Tab. 19: Der Planungsprozess ...........................................................................265 Tab. 20: Unterrichtszusammenhang ................................................................268 Tab. 21: Die eigene Person.................................................................................270 Tab. 22: Ziele........................................................................................................271 Tab. 23: Planungshandlungen der Orientierungsphase ................................283 Tab. 24: Typische Gesprächshandlungen auf der 1. Ebene ...........................303 Tab. 25: Typische Gesprächshandlungen auf der 2. Ebene ..........................305 Tab. 26: Typische Gesprächshandlungen auf der 3. Ebene ...........................310 Verwendete Abkürzungen B Nachträgliche Befragung (z.B.: L B = Befragung von Teilnehmerin Linda) I Interviewerin, Forscherin D1 Dozentin im Fachbereich Englische Didaktik / Kursleiterin der SPS- Kurse, in denen die Planungsgespräche 3, 4, 6 und 7 stattfinden D2 Dozentin im Fachbereich Englische Didaktik / Kursleiterin der SPS- Kurse, in denen die Planungsgespräche 1, 2, 5 und 8 stattfinden L Lehrerin der Schulklasse, in der die SPS durchgeführt werden LE Lautes Erinnern PG Planungsgespräch P1 Planende, der/ die die Unterrichtsstunde durchführen wird P2 Ko-Planende/ r SPS Schulpraktische Studien TN Teilnehmende ZPD Zone of proximal development / Zone der nächsten Entwicklung Übersicht über die Pseudonyme der Teilnehmenden s. Kap. 6.5.5 13 Vorwort Die vorliegende Arbeit ist eine leicht veränderte Fassung der Dissertation mit gleichnamigem Titel, die im Februar 2014 von der Promotionskommission der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig angenommen wurde. Sie ist u.a. das Ergebnis eines Reflexions- und Diskussionsprozesses, an dem vor allem die Teilnehmer/ innen des Fremdsprachendidaktischen Kolloquiums und der Forschungswerkstatt der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig sowie die Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Anglistik und des Herder-Instituts beteiligt waren. Ihnen möchte ich herzlich für die Gesprächsbereitschaft, die kollegiale Atmosphäre und die immer wieder ermutigenden Diskussionen danken. Allen voran sei hier Prof. Dr. Norbert Schlüter und Prof. Dr. Karen Schramm für die intensive wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit und ihre wertvolle Unterstützung gedankt. Mein Dank gilt vor allem auch den Studierenden, die sich als Forschungspartner/ innen an der Studie beteiligten und dadurch eine Mehrbelastung im Rahmen ihrer schulpraktischen Studien auf sich genommen haben. Erst durch ihre Kooperationsbereitschaft und ihre Offenheit wurde diese Arbeit möglich. Die Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung unterstützte den Forschungsprozess sowie die Arbeit in der Endphase der Promotion durch einen Fördermittelzuschuss und ein Abschlussstipendium, wofür ich mich ebenfalls bedanke. Für die konstruktiven und anregenden Gespräche und das kritische Lesen von Teilen der Arbeit in der Endphase der Promotion möchte ich insbesondere Diana Feick, Katharina Herzig sowie Katharina Küstner herzlich danken. Schließlich gilt mein Dank auch meinen Freundinnen und Freunden für ihre geduldige Teilhabe. Meinen Eltern danke ich in besonderem Maße für ihre andauernde uneingeschränkte Unterstützung und Andreas March für seinen Rückhalt, sein Verständnis und das unerschütterliche Zutrauen in das Gelingen dieses Projektes. 15 1 Vorüberlegungen, Erkenntnisinteresse und Struktur der Arbeit Die vorliegende Studie verortet sich im Kontext der Lehrerausbildungsforschung und untersucht hier im Speziellen, wie sich ein Teilbereich der fremdsprachendidaktischen Lehrer/ innenausbildung an der Schnittstelle zwischen fachdidaktisch-theoretischer sowie schulpraktischer Ausbildung gestaltet: Im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen steht die kooperative Planung erster Unterrichtsstunden von angehenden Lehrerinnen und Lehrern im Unterrichtsfach Englisch im Rahmen schulpraktischer Studien (SPS) 1 . Dabei sind zwei Perspektiven von Bedeutung: Zum einen wird der Fokus auf die unterrichtsplanerischen Handlungen der Untersuchungsteilnehmer/ innen gerichtet, zum anderen gilt das Interesse der Interaktion und Kooperation der Studierenden in den dokumentierten dyadischen Unterrichtsplanungsgesprächen. Damit greift die Studie mehrere Themenschwerpunkte auf, die Teil gegenwärtiger Diskussionen um eine empirische Fundierung und Reformierung der (fremdsprachlichen) Lehrer/ innenausbildung sind. So wird beispielsweise vielfach die mangelnde Verknüpfung einzelner Studienelemente im Lehramtsstudium kritisiert. Themen seien wie Puzzlestücke über ein wenig stringentes Ausbildungscurriculum verteilt und würden von den Studierenden hohe Integrationsleistungen erfordern, die eigenständig nur schwer zu vollbringen sind (vgl. Bredella 2003; Caspari 2003; Klippel 2003; Legutke 2003). Mit dem gewählten Untersuchungsgegenstand der kooperativen Unterrichtsplanung wird der Fokus auf einen zentralen Teilbereich der Lehrer/ innenausbildung gerichtet, der mehrere Ausbildungsbereiche gleichermaßen berührt und damit Möglichkeiten der Verzahnung und Verschränkung bietet: Unterrichtsplanung ist Thema der allgemeinen Didaktik sowie der Fachdidaktik, sie ist fest verankert in der allgemeindidaktischen Theorie sowie Ziel und Mittel der unterrichtlichen Praxis, sie berührt die Fachwissenschaft wie auch die Fachdidaktik und sie ist Gegenstand sowohl der ersten als auch der zweiten Phase der Lehrer/ innenausbildung. Vor diesem Horizont ist mit der vorliegenden Studie das Anliegen verbunden, Unterrichtsplanung aus ver- 1 Die Untersuchung wurde an der Universität Leipzig durchgeführt. Schulpraktische Studien (SPS) sind hier u.a. in Form von Tagespraktika organisiert, in denen Studierende einmal wöchentlich eine Unterrichtsstunde an einer Schule planen, durchführen und in der Gruppe der Studierenden auswerten und reflektieren. Die SPS werden durch eine Dozentin / einen Dozenten der Universität oder eine erfahrene Lehrperson betreut (s. ausführlicher Kap. 6.3). 16 schiedenen Perspektiven zu betrachten (bildungswissenschaftlich und fachdidaktisch; theoretisch, praktisch und empirisch), um das Thema empirisch fundiert, und damit stärker als es bislang der Fall ist, in der Fremdsprachendidaktik zu verankern. In der Studie wird das Augenmerk insbesondere auf die interaktiven Aushandlungsprozesse bei der gemeinsamen Unterrichtsplanung jeweils zweier Studierender gerichtet. Damit sind sowohl Ausbildungsals auch Forschungsinteressen verbunden. Die Kooperation der Studierenden ermöglicht aus forschungsmethodischer Perspektive Einblicke in Unterrichtsplanungsprozesse, die durch das Beobachten individueller Planungsprozesse nicht möglich wären. Gleichzeitig wird die Interaktion an sich als potentiell lernförderliches Handlungsszenarium zum Gegenstand der Forschung. Wie auch im Bereich schulischen Lehren und Lernens wird auch im Kontext der fremdsprachlichen Lehrer/ innenausbildung zunehmend auf soziokulturelle Lerntheorien rekurriert, die auf interaktionistisch geprägten Vorstellungen von Lernprozessen basieren. Lernen wird hier als situiert und sozial konstituiert verstanden (vgl. Burns & Richards 2009; Johnson 2006, 2009; Johnson & Golombek 2011; Legutke & Schocker-v. Ditfurth 2009; Müller-Hartmann 2011). Burns & Richards betonen diesbezüglich die Kontextgebundenheit allen Lernens und die Notwendigkeit zur aktiven Partizipation der Beteiligten in diesem Kontext: From this perspective, learning takes place in a context and evolves through the interaction and participation of the participants in that context. Teacher learning is not viewed as translating knowledge and theories into practice but rather as constructing new knowledge and theory through participating in specific social contexts and engaging in particular types of activities and processes. (Burns & Richards 2009: 4) Diese Vorstellung liegt auch der vorliegenden Arbeit zugrunde. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass das interaktive Aushandeln und Konstruieren von Bedeutungen in kooperativen Planungsgesprächen potentiell lernförderlich und der Unterrichtsvorbereitung zuträglich ist. Des Weiteren wird mit der Untersuchung von Planungsgesprächen, die im Rahmen schulpraktischer Studien stattfinden, der Blick auf einen Bereich der Ausbildungspraxis gerichtet, der in besonderem Maße den gegenwärtigen Forderungen der fremdsprachendidaktischen Lehrer/ innenausbildung nach Berufsfeldbezug, Wissenschaftlichkeit und Reflexivität entspricht (vgl. Pilypaitytė 2 2013). In den schulpraktischen Studien planen die Studierenden Unterrichtsstunden, die anschließend mit einer Hochschulmitarbeiterin besprochen, 2 Die von Pilypaitytė (2013) durchgeführte Analyse der Forderungen an die Fremdsprachenlehrerausbildung, die sich aufgrund der öffentlichen Fachdiskussion stellen, ergab u. a., dass aus der Expertenperspektive die Aspekte Berufsbezug, Wissenschaftlichkeit, 17 danach tatsächlich mit einer Schulklasse erprobt und anschließend in der studentischen Lerngruppe gemeinsam mit Experten reflektiert werden. Planerische und unterrichtliche Lernprozesse sind damit kontextuell eingebettet in ein Handlungsumfeld, das sowohl dem späteren Berufsfeld entspricht als auch die Möglichkeit bietet, durch verschiedene Gelegenheiten zur sozialen Interaktion mit den Mitgliedern der community of practice (Lave & Wenger 1991) Bedeutungen und Wissen diskursiv zu konstruieren sowie individuelle mentale Repräsentationen zu verändern oder zu generieren. Damit verortet sich die vorliegende Studie vor allem im Kontext eines soziokulturellen Paradigmas, wobei die Dimension des subjektiv Mentalen nicht ausgeklammert wird. Es wird im Rahmen dieser Arbeit eine integrative Sichtweise eingenommen, die Naujock folgendermaßen beschreibt: In der sozialen Interaktion findet also weniger ein Austausch von individuell festgelegten Inhalten statt, als dass vielmehr gemeinsam Bedeutungen entwickelt werden, die in der Interaktikon als gemeinsam geteilt gelten, aber mental repräsentiert werden bzw. auf die individuellen Repräsentationen zurückwirken. (Naujok 2011: 13) Vor diesem Hintergrund besteht das zentrale Anliegen darin, die Interaktionen der Studierenden bei der Planung authentischer Unterrichtsstunden zu untersuchen und dabei sowohl planerisches Handeln zu beschreiben und zu verstehen als auch das soziale Konstruieren von Sinn zu erschließen und dabei Potentiale und Schwierigkeiten aufzudecken, die das dyadische Unterrichtsplanungsgespräch für die Professionalisierung zukünftiger Fremdsprachenlehrender bietet. In Anbetracht des Reformdrucks, der in letzter Zeit auf der Lehrer/ innenausbildung lastet, der Flut an Vorschlägen und Reformvorhaben und der vordergründigen Auseinandersetzung mit den Makro- und allenfalls den Mesostrukturen der Lehrer/ innenausbildung (strukturelle Gestaltung, curriculare Vorgaben, Kompetenzdebatten) plädiert Kurtz dafür, die Mikroebene stärker in den Blick zu nehmen: Im Subjektbezug liegt letztendlich der Schlüssel zur Verbesserung der (Fremdsprachen-)Lehrerbildung; die Subjektorientierung stellt gleichsam das Bindeglied zwischen Wissenschaft- und Berufsfeldorientierung dar. […] Nicht die Systemperspektive, der Blick auf das Große und Allgemeine, sondern die Humanperspektive, der Blick auf das Kleine und Konkrete (the nitty-gritty of everyday teacher education; integrating theory and practice, know-how and do-how, Reflexivität, curriculare Koordinierung, lebenslanges Lernen und Mehrsprachigkeit als Prinzipien für die Gestaltung der Ausbildungsstudiengänge als zentral angesehen werden (2013: 66ff.) 18 focusing on the individual) ist für die Weiterentwicklung der (Fremdsprachenlehrer)-Bildung letztlich von herausragender Bedeutung. (Kurtz 2011: 91) In diesem Sinne fokussiert die vorliegende Studie ein Handlungsumfeld, das vor allem in der täglichen Ausbildungspraxis von Bedeutung ist. Forschungserkenntnisse können daher einen direkten Beitrag zu deren Verbesserung leisten. Die Studie ist mit ihrem ausbildungspraktischen Bezug vor allem durch meine Arbeit als Ausbildende in der universitären Lehre und den schulpraktischen Studien motiviert. Das persönliche Erkenntnisinteresse besteht darin, Lernumgebungen zu erforschen, in denen das herkömmliche Wissensvermittlungsmodell oder das craft-model, in dem einzig die gute Mentorin / der guter Mentor als vorbildhaftes Praxisbeispiel dient, überwunden und alternative Handlungsräume geschaffen werden, in denen Professionalisierung kooperativ, interaktiv und symmetrisch sowie berufsfeldbezogen und auf einen fachdidaktisch-konzeptuellen Lernzuwachs hin orientiert verstanden und gefördert wird. 1.1 Planungswissen, Planungskompetenz und die Funktion von Unterrichtsplanung im Rahmen der Ausbildung Im Zuge der Debatte über Veränderungen und Reformen in der Lehrer/ innenausbildung, die mit kontrovers diskutierten Stichworten wie Outputorientierung, Qualitätssicherung und Standardisierung verbunden sind, ist in den vergangenen Jahren vielfach diskutiert worden, welche Kompetenzen Lehrende im Lauf ihrer professionellen Entwicklung erwerben sollten, um schulische Lernprozesse erfolgreich anregen zu können. Unter dem Begriff der professionellen Handlungskompetenz von Lehrenden wurden hier Vorstellungen und Modelle diskutiert, die als Bezugspunkte sowohl für die Durchführung empirischer Studien als für die Einordnung und Diskussion von Befunden dienen können. Als ein wichtiges allgemeines Referenzmodell kann hier derzeit das mehrebenenanalytische Modell professioneller Handlungskompetenz von Baumert & Kunter (2006) betrachtet werden (s. Abb. 1). Es führt mehrere Diskussionsstränge zur Kompetenz von Lehrenden zusammen und geht von folgenden vier Kompetenzfacetten aus (s. Abb. 1, oben): Neben Überzeugungen und Werthaltungen, selbstregulativen Fähigkeiten und motivationalen Orientierungen stellt das Professionswissen und die dazugehörigen Wissens- und Könnensbereiche eine der vier zentralen Dimensionen professioneller Handlungskompetenz dar (Baumert & Kunter 2006: 482). 19 Abb. 1: Modell professioneller Handlungskompetenz nach Baumert & Kunter 2006: 482 Das Professionswissen unterteilt sich in mehrere Wissensbereiche, die wiederum einzelne Wissensfacetten enthalten (s. Abb. 1). Das Planen von Unterricht wird von Baumert & Kunter (2006) als allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen erfasst und als eine von mehreren Facetten generisch pädagogischen Wissens beschrieben (s. Abb. 1, unterste Ebene). Es umfasst es folgende Aspekte: • „Metatheoretische Modelle der Unterrichtsplanung, • Fachübergreifende Prinzipien der Unterrichtsplanung, • Unterrichtsmethoden im weiten Sinne“ (Baumert & Kunter 2006: 485). Mit Blick auf stärker normative Vorgaben für die Lehrer/ innenausbildung, die sich aus der Kompetenzdiskussion entwickelten und derzeit in Form von Standards für die Lehrerbildung in den Bildungswissenschaften vorliegen (KMK 2004), wird die Planungstätigkeit von Lehrenden im Kompetenzbereich Unterrichten verortet, den die Kultusministerkonferenz neben den Bereichen Erziehen, Beurteilen und Innovieren als zentral für die bildungswissenschaftliche Pädagogisches Wissen Fachwissen Fachdidaktisches Wissen Wissensbereiche Organisationswissen Beratungswissen Wissensfacetten Allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen Motivationale Orientierungen Überzeugungen/ Werthaltungen Professionswissen Selbstregulative Fähigkeiten 20 Ausbildung von angehenden Lehrenden ausgewiesen hat. Planen von Unterricht wird hier in direkter Verbindung mit der Durchführung von Unterricht genannt: Kompetenz 1: Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch. (KMK 2004: 7) Den innerhalb des Kompetenzbereichs Unterrichten formulierten Standards zufolge, kennen [Lehramtsstudierende, PK] allgemeine und fachbezogene Didaktiken und wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss. (ebd.) Die vier Jahre später entwickelten ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2008) betonen weniger das Wissen, welches für die Planung von Unterricht nötig ist, sondern eher die Anbahnung von Kompetenzen, die vor allem durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit praktischen Erfahrungen entwickelt werden: Studienabsolventinnen und -absolventen verfügen über erste reflektierte Erfahrungen in der kompetenzorientierten Planung und Durchführung von Unterricht in modernen Fremdsprachen […]. (KMK 2008: 34) Zusammengefasst ergeben sich aus den formulierten Kompetenzvorstellungen und Standards folgende Anforderungen: Lehramtsstudierende sollen Wissen erwerben, das sie befähigt, Unterricht angemessen planen zu können. Das umfasst zum einen Wissen über allgemeine und fachbezogene Didaktik (KMK 2004) bzw. über Unterrichtsmethoden im weiten Sinne (Baumert & Kunter 2006). Es wird zum anderen aber auch Wissen über das Planen genannt, wie z.B. Modelle oder Prinzipien der Unterrichtsplanung (Baumert & Kunter 2006). Die Standards für die Lehrer/ innenausbildung der KMK geben vor, dass Studierende wissen sollten, „was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss“ (2004: 7). Es wird außerdem gefordert, dass Studierende die Fähigkeit Unterricht zu planen, durch das Üben und Erproben planenden Handelns entwickeln sollen (KMK 2008). Die KMK-Richtlinien für die Bildungswissenschaften empfehlen dabei, kooperativ vorzugehen: Die Entwicklung der Kompetenzen wird gefördert durch: [...] die Kooperation bei der Planung sowie gegenseitige Hospitation und gemeinsame Reflexion. (KMK 2004: 6) Aus diesen Vorgaben zeichnet sich ein komplexes Bild von Unterrichtsplanung als Ziel der Lehrer/ innenausbildung ab, das u.a. auf die verschiedenen Funk- 21 tionen verweist, die das Planen von Unterricht im Rahmen der Ausbildung erfüllt. Rainer Bromme, der eine der ersten wegweisenden Studien zum Denken von Lehrenden bei der Unterrichtsplanung durchführte, konstatierte 1981, dass drei unterschiedliche Funktionen auszumachen wären, die oftmals jedoch nicht klar voneinander getrennt werden: (1) Einerseits zielt die Lehrer/ innenausbildung darauf ab, dass Studierende das Planen von Unterricht erlernen. Es soll Wissen über das Planen und Kompetenz im Planen erworben werden. Dieses Ziel wird auf unterschiedliche Weise verfolgt: in der allgemeinen Didaktik durch die Auseinandersetzung mit Planungsmodellen oder Planungsprinzipien (vgl. Kap. 2), in der Fachdidaktik durch die Beschäftigung mit fachspezifischen Planungsprinzipien (vgl. Kap. 3) und in jenen Ausbildungsbestandteilen, in denen Unterricht tatsächlich geplant wird, durch das Sammeln und Reflektieren von Erfahrungen im Planen. (2) Andererseits wird das Planen von Unterricht auch als „Einübungsfeld für das Erlernen von Unterricht“ (Bromme 1981: 7) verstanden. Unterrichtsvorbereitung basiert auf umfassenden Wissensbeständen über das Unterrichten, die sich wiederum aus verschiedenen Wissensbereichen speisen (u.a. fachliches, fachdidaktisches, pädagogisches Wissen). Indem all diese Wissensressourcen bei der Unterrichtsplanung aktiviert oder interaktiv verhandelt werden, kann das Planen von Unterricht auch als Prozess verstanden werden, in dem Wissen über das Unterrichten erworben werden kann. (3) Eine dritte Funktion besteht nach Brommes Ansicht darin, durch Modelle und Planungsraster ein Begriffsinventar zu entwickeln, das in der Ausbildungsarbeit dazu dient, über Unterricht sprechen bzw. Planungsprozesse auch beurteilen zu können. Die theoretisch orientierten Kapitel 2 - 5 der vorliegenden Arbeit werden sich den unterschiedlichen Funktionen und Dimensionen der Unterrichtsplanung im Detail widmen, indem z.B. die Perspektive der allgemeinen Didaktik auf ihr Verständnis von Unterrichtsplanung untersucht sowie die Vorbereitung fremdsprachlichen Unterrichts im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung fokussiert wird. 1.2 Erkenntnisinteresse der Studie Die vorliegende Studie geht von folgender übergreifender Fragestellung aus: Wie gestalten Studierende die kooperative Planung von Englischunterricht in dyadischen Gesprächen? 22 Mit diesem generellen Interesse an der kooperativen Planungspraxis der Studierenden sind weitere Forschungsfragen verbunden, die einzelne Facetten dieser Praxis gesondert betrachten. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Beantwortung folgender drei Forschungsfragen: 1) Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? 2) Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf? Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? 3) Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? Die erste Frage zielt darauf ab, die Planungsgespräche bezüglich der Inhalte, die die Studierenden diskursiv verhandeln, zu beschreiben. Das Interesse an den Themen, mit denen sich die Untersuchungsteilnehmer/ innen bei der gemeinsamen Vorbereitung beschäftigen, lässt sich sowohl aus der Theorie und Empirie zur Unterrichtsplanung als auch aus der Ausbildungspraxis ableiten. Die Theorie und Praxis der fremdsprachendidaktischen Lehrer/ innenausbildung ist bezüglich der Planung von Unterricht durch Modelle geprägt, die der allgemeinen Didaktik entlehnt sind (z.B. die Didaktische Analyse nach Klafki 1964 oder das Berliner bzw. Hamburger Modell der Didaktik nach Heimann, Otto & Schulz 1962). Die Studierenden setzen sich in der Ausbildung mit jenen Modellen, mit Weiterentwicklungen in Form von Planungskonzeptionen oder mit fremdsprachendidaktisch spezifizierten Planungshinweisen auseinander. Sie rezipieren Empfehlungen zur Beachtung bestimmter Planungsaspekte und orientieren sich an Vorgaben zur Erstellung schriftlicher Unterrichtsentwürfe. Da die Mehrzahl jener Modelle und Empfehlungen rein theoretischer Art ist, d.h. kaum eine empirische Fundierung vorliegt, drängt sich die Frage auf, wie Studierenden bei der Unterrichtvorbereitung tatsächlich vorgehen. Greifen sie bei der Planung auf jene modellhaften Vorstellungen vom Planen zurück? Werden einzelne Planungsdimensionen (z.B. Ziele, Inhalte, Methoden) tatsächlich beachtet? Welche der Dimensionen steht bei der Unterrichtsvorbereitung im Vordergrund? Letztere Frage ist vor allem von Interesse, da die Empirie zur Unterrichtsplanung dazu bisher recht unterschiedliche Befunde lieferte. So wird einerseits eine Schwerpunktlegung auf Fragen des Inhalts als auch andererseits auf die Beschäftigung mit Unterrichtsaktivitäten oder auf die Perspektive der Schüler/ innen konstatiert. Hinzu kommt, dass die Forschungserkenntnisse sich überwiegend auf Untersuchungen mit erfahrenen Lehrenden 23 beziehen. Erst wenige Studien untersuchten das Planungshandeln von Novizen. Des Weiteren ist bisher der Vorbereitungstätigkeit von erfahrenden sowie unerfahrenen Fremdsprachenlehrenden kaum empirische Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die erste Forschungsfrage fokussiert daher die Inhalte bzw. Gesprächsthemen der Studierenden als Novizen sowie als zukünftige Fremdsprachenlehrende. Die zweite Forschungsfrage richtet sich zum einen auf die Makrozum anderen auf die Mikroebene der Planungsgespräche in ihrem diskursiven Verlauf. Das Planungsgespräch rückt hier als interaktiver Aushandlungsprozess in das Zentrum der Analyse. Während die Ergebnisse der Inhaltsanalyse, die die erste Forschungsfrage beantworten sollen, einen Überblick über die Gesprächshandlungen der Studierenden in thematischer Hinsicht geben, soll im zweiten Analyseschritt die Struktur der Gespräche erfasst sowie der Planungsprozess mit seinen konstituierenden Teilhandlungen rekonstruiert werden. Dem liegt ein Forschungsdesiderat zugrunde, das sich auf die Vorbereitung von Unterricht auf der prozessualen Ebene bezieht. Der Schwerpunkt zahlreicher Forschungsarbeiten zur Unterrichtsplanung liegt in der Analyse der Inhalte und z.T. auch in der Analyse der Einflussfaktoren oder der Produkte planerischen Denkens und Handelns. Es liegen nur wenige Erkenntnisse vor, die Planungsphasen oder einzelne Teilhandlungen im Planungsprozess untersuchten. Auch in Hinblick auf die Ausbildungspraxis wird gefordert, den Prozess der Unterrichtsvorbereitung stärker zu berücksichtigen (vgl. Kiper & Mischke 2009; Seel 2011). Gegenwärtig wird die Unterrichtsvorbereitung in der Ausbildung vor allem durch die Auseinandersetzung mit Modellen, Planungskonzeptionen und Hinweisen auf zu beachtende Aspekte sowie durch das Erstellen schriftlicher Unterrichtsentwürfe geübt bzw. unterstützt. Dabei wird der Fokus kaum auf die Tätigkeit des Planens gerichtet. Es wird selten thematisiert, wie Studierende beim Planen erster Unterrichtsstunden vorgehen könnten. Vor dem Hintergrund ihrer Studie mit Studierenden für das Fach Sozialkunde fordert Koeppen daher folgendes: Based on what I learned from this study, I recommend three changes in teacher education regarding instructional planning. These include (a) direct recognition and teaching of planning as a process, (b) modelling of the planning process, and (c) allowing time for pre-service teachers to practice the process of planning. (Koeppen 1998: 409) Die vorliegende Studie möchte mit der Erforschung von Planungsprozessen einen Beitrag leisten, die Vorbereitungstätigkeit von Novizen im Rahmen der Ausbildung durch tatsächlich prozessbezogene Planungskonzeptionen zu unterstützen. 24 Mit der dritten Forschungsfrage verbindet sich das Interesse, die Oberflächenstruktur der Gespräche noch weiter aufzubrechen, indem ausgewählte Sequenzen rekonstruktiv-hermeneutisch auf subjektive Sinnstrukturen hin untersucht werden. In diesem Analyseschritt soll den Daten so offen wie möglich begegnet werden, um zu erfassen, was in der interaktiven Aushandlung der Untersuchungsteilnehmer/ innen tatsächlich geschieht: Wie werden Bedeutungen hier verhandelt? Wie agieren die Studierenden in der interaktiven Planungssituation? Motiviert ist diese sequenzanalytische Auswertung durch die Annahme, die Kooperation der Planenden könne sich sowohl auf die Unterrichtsvorbereitung als auch auf berufsbezogene Lernprozesse positiv auswirken. Dies wird auch durch die Schlussfolgerungen anderer Forschender impliziert. So kam Bullough (1987) in seiner Einzelfallanalyse einer Studentin zu dem Ergebnis, dass sich das Verständnis von Ausbildungs- und Berufseinstiegsphasen grundlegend verändern müsse. Die erste Zeit als Lehrperson an einer Schule sollte weniger als Mutprobe und Test des Durchhaltevermögens und viel eher als Lerngelegenheit betrachtet werden: In sum, it is desirable for teacher educators to explore models of planning based upon very different assumptions from those upon which the Tyler rationale rests. Given Kerrie's situation, in particular, it seems appropriate to explore planning as a collaborative, dialogical, non-sequential but clearly logical, form of problem solving rather than as something done either by experts or in the isolation of one's own classroom during a planning period. (Bullough 1987: 248) Das Einbetten von Planungsprozessen in den Kontext schulpraktischer Studien und die Anregung kollaborativer Formen der Unterrichtsvorbereitung stellen eine Möglichkeit dar, den gegenwärtigen Forderungen zur Unterstützung von Lernprozessen in der Lehrer/ innenausbildung zu begegnen. Es treffen hier in besonderem Maße die verschiedenen Bereiche professionellen Wissens und Könnens aufeinander. Das Planen einer Englischstunde im Kontext einer authentischen Unterrichtssituation erfordert die vielfach geforderte Integration von fachdidaktischem, fachlichem, pädagogischem Wissen, von lernbiographisch geprägten Vorstellungen über fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse sowie von Erfahrungswissen, das aus dem Schulkontext erwächst und die Lernenden sowie die eigene Person als Lehrer/ in umfasst (Schocker-v. Ditfurth 2001; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004). Trotz einschlägiger Befunde zu den Potentialen kooperativen Lernens in anderen Kontexten sowie zum Lernen durch schulpraktische Erfahrungen liegen derzeit jedoch kaum Untersuchungen vor, die das kollaborative Planen im Kontext schulpraktischer Ausbildungsphasen untersuchen. Als ein Erkenntnissinteresse der vorliegenden Studie kann daher die Frage nach den Potentialen sowie den Problemen 25 einer kollaborativen Unterrichtsvorbereitung für Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung herausgestellt werden, die es vor allem im Zuge der in Kapitel 10 ausgeführten Analyse zu beantworten gilt. Zur Beantwortung der drei Forschungsfragen wurde ein Untersuchungsdesign konzipiert, das aus folgenden Komponenten besteht: • Videografische Aufnahme dyadischer Planungsgespräche im Rahmen schulpraktischer Studien; • Durchführung einer Retrospektion durch Lautes Erinnern, in dem Studierende einzeln die Videoaufnahme des Planungsgesprächs mit der Forscherin betrachten und dabei verbalisieren, was ihnen während des Gesprächs durch den Kopf ging sowie anschließende kurze retrospektive Befragungen ohne Videoimpuls; • Qualitative Inhaltsanalyse der Gesprächsdaten (Forschungsfrage 1); • Gesprächsanalytische Auswertung der Gesprächsdaten (Forschungsfrage 2); • Sequenzanalytische rekonstruktiv-interpretative Auswertung der Gesprächsdaten sowie der retrospektiven Daten (Forschungsfrage 3). 1.3 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit besteht aus drei Teilen: einem Theorieteil (Kapitel 2 bis 5), einer methodologischen Reflexion der Vorgehensweise (Kapitel 6) sowie der Darstellung und Diskussion der Ergebnisse (Kapitel 7 bis 11). Im folgenden zweiten Kapitel wird das Planen von Unterricht zunächst aus allgemeindidaktischer Perspektive betrachtet, da Unterrichtsplanung als theoretisches Konzept vor allem in der Theorie der allgemeinen Didaktik verankert ist. Die Ausführungen zum Planen in den Fachdidaktiken greifen weitestgehend darauf zurück bzw. basieren darauf (teils ohne dass dies expliziert wird). Es werden zwei der bislang einflussreichsten didaktischen Modelle sowie neuere Planungskonzeptionen vorgestellt. Als zentrale Planungsdimensionen (im Folgenden auch als Entscheidungsfelder, Planungsaspekte oder -komponenten bezeichnet) werden Ziele, Inhalte, Methoden, Medien sowie Voraussetzungen und Folgen einzeln aufgeführt und beschrieben, da auch sie grundlegend für fremdsprachendidaktische Planungskonzeptionen sind. Das dritte Kapitel widmet sich der Unterrichtsplanung im Kontext der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden. Hier werden die im vorangegangenen Kapitel ausgeführten Planungsdimensionen erneut aufgegriffen und fremdsprachendidaktisch spezifiziert. Dabei ist z.B. von Interesse, wie sich Inhalte des Fremdsprachenunterrichts theoretisch beschreiben lassen, welche Methodenfragen bei der Unterrichtsplanung gewöhnlich gestellt werden oder welche 26 spezifische Funktion den Medien im Fremdsprachenunterricht zukommt. Die differenzierte Betrachtung dieser Planungsdimensionen ist vor allem deshalb erforderlich, um die induktiv ermittelten thematischen Kategorien der qualitativen Inhaltsanalyse in späteren Analyseschritten an die Theorie rückbinden zu können. Bei der Rezeption von Forschungsergebnissen zum Planen von Unterricht konnte festgestellt werden, dass oftmals nicht hinreichend expliziert wurde, was z.B. konkret unter Inhalten oder Medien verstanden wird. Bei der Darstellung der Ergebnisse der vorliegenden Studie können Rückbezüge zu den hier präzisierten Planungsaspekten hergestellt werden. Des Weiteren dient das dritte Kapitel dazu, die Funktion der Unterrichtsplanung im Rahmen der fremdsprachlichen Lehrer/ innenausbildung näher zu bestimmen (Aus welchen Gründen werden Studierende zum Planen von Unterricht angeregt? Welche Intentionen sind mit Planungshinweisen und Richtlinien zur Erstellung von ausführlichen Unterrichtsentwürfen verbunden? ). Unter Verwendung von einschlägigen Grundlagenwerken und Handbüchern zum Planen von Englischunterricht wird außerdem danach gefragt, welche Vorstellungen in der Fachliteratur davon bestehen, wie das Planen von Unterricht gelehrt bzw. gelernt werden kann. Die Empirie zum Thema Unterrichtsplanung wird im vierten Kapitel dargestellt. Es werden zunächst Entwicklungslinien nachgezeichnet, die bei der Erforschung der Vorbereitungstätigkeit erfahrender sowie angehender Lehrender auszumachen sind. Da die Befundlage bezüglich der Unterrichtsplanung von Anfängerinnen und Anfängern begrenzt ist sowie kaum fachspezifische Untersuchungen vorliegen, wird auch auf Studien rekurriert, die mit Experten sowie im Kontext anderer Unterrichtsfächer durchgeführt wurden. Die empirischen Ergebnisse werden hinsichtlich spezifischer Themen, die für die vorliegende Studie von Relevanz sind, dargestellt und in einem abschließenden Unterkapitel nochmals zusammengefasst. Während die Kapitel 1 bis 4 dem Thema Unterrichtsplanung gewidmet sind, wird im fünften Kapitel der thematische Fokus erweitert und der Blick auf die Lehrer/ innenausbildung im Allgemeinen gerichtet. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit beschränkt sich nicht auf das Beschreiben studentischer Unterrichtsplanungstätigkeiten. Das Planungsgespräch in seiner interaktiven Handlungsstruktur dient, wie bereits beschrieben wurde, einerseits dazu, sonst im Verborgenen stattfindende Prozesse des Planens durch die Kommunikation zwischen den Teilnehmenden an die Oberfläche zu bringen. Andererseits wird das Planungsgespräch als potentielle Lerngelegenheit im Rahmen fremdsprachendidaktischer Ausbildungsangebote verstanden und soll daher auf eben jene Potentiale hin untersucht werden. Um diese Analysen theoretisch wie empirisch zu fundieren, wird in Kapitel 5 nach gegenwärtigen Tendenzen in der Lehrer/ innenausbildung gefragt. Dabei wird vor allem die 27 mesobis mikrostrukturelle Ebene der Ausbildung betrachtet, d.h. es soll hier nicht um Fragen der Strukturierung, Modularisierung oder der curricularen Gestaltung von Studiengängen in der Lehrer/ innenausbildung gehen. Vielmehr ist hier die von Kurtz (2011) beschriebene Ebene der Ausbildungspraxis von Interesse, die sich empirisch und praktisch mit den Möglichkeiten auseinandersetzt, wie Studierende lernen, kompetente Lehrende zu werden. Da auch hier die empirische Befundlage hinsichtlich der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden (zumindest im deutschsprachigen Raum) äußerst begrenzt ist, wird neben der fremdsprachendidaktischen Empirie und der entsprechenden Fachdiskussion auch auf die bildungswissenschaftlichen Diskurse sowie auf Studien aus anderen Fachgebieten Bezug genommen. Das Kapitel 5 skizziert zunächst Entwicklungslinien in der Erforschung von Professionalisierungsprozessen, um anschließend die wichtigsten Tendenzen, die sich im Spannungsfeld zwischen kognitivistischen, konstruktivistischen und soziokulturellen Lerntheorien abzeichnen, zu dokumentieren. Im sechsten Kapitel werden die Forschungsfragen unter Rückgriff auf die zuvor dargelegten empirischen Befunde und theoretischen Positionen hergeleitet und anschließend das Untersuchungsdesign beschrieben und begründet. Im Einzelnen werden dabei das Forschungsfeld skizziert, die Verfahren der Datenerhebung dargelegt und spezifiziert sowie die Auswertung des Datenmaterials erläutert. Das siebte Kapitel als erster Teil der Datenanalyse stellt einen Überblick über die acht untersuchten Planungsgespräche dar. Hier werden in einer kurzen Übersicht jeweils die planenden Studierenden (unter Verwendung von Pseudonymen) und der unterrichtliche Kontext (Schulart, Klasse, Inhalte bzw. Thema der Stunde) sowie die Dauer des Gesprächs vorgestellt. In einer anschließenden Beschreibung wird der Gesprächsverlauf umrissen und es werden wichtige Themen oder Spezifika der Planungssituation benannt, so dass die weiteren Analysen vor diesem Hintergrund auch für die Leserin / den Leser gut nachvollziehbar sind. Die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt im weiteren Verlauf der Darstellungen kapitelweise und aufeinander aufbauend. In Kapitel 8 werden die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse präsentiert und damit die Forschungsfrage 1 beantwortet. Zunächst wird ein kurzer Überblick über den Umfang und die Häufigkeiten der Kategorien gegeben (eine komplette Übersicht des Kategoriensystems befindet sich im Anhang). Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der qualitativen Beschreibung der einzelnen Gesprächsthemen, die nachfolgend umfassend und unter Rückgriff auf Beispiele aus den Daten jeweils einzeln erläutert und interpretiert werden. Abschließend werden die Ergebnisse zusammenfassend interpretiert und diskutiert. 28 Die Darstellung der Ergebnisse der gesprächsanalytischen Untersuchung erfolgt in Kapitel 9. Hier wird im ersten Teil auf makrostruktureller Ebene die Rekonstruktion der Gesprächsstruktur präsentiert (Eröffnungs- und Orientierungsphase, Kernphase, Gesprächsbeendigung). Darauf aufbauend wird in einem zweiten Schritt näher auf die Kernphase der Gespräche und im Speziellen auf die Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten eingegangen. Auch hier findet am Ende jedes Analysekapitels eine zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse statt (Kapitel 9.1.5 und 9.2.8). Das zehnte Kapitel der Arbeit stellt anhand ausgewählter Gesprächspassagen die sequenzanalytische Auswertung des Datenmaterials vor dem Hintergrund der Forschungsfrage 3 dar. Die Datenanalyse ergab drei zentrale Themen, die hier umfassend rekonstruiert werden. Um die Nachvollziehbarkeit der Interpretationen zu gewährleisten, wird dabei die Gesprächssequenz zunächst paraphrasiert und anschließend sinnrekonstruktiv interpretiert. Die Zusammenfassung und Diskussion der Befunde erfolgt in Kapitel 10.4. Das abschließende elfte Kapitel fasst zunächst wesentliche Erkenntnisse der vorliegenden Studie nochmals synoptisch zusammen, um anschließend forschungsmethodologische, theoretische und didaktische Schlussfolgerungen zu ziehen und Implikation für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden zu formulieren. 29 2 Allgemeine Didaktik und Unterrichtsplanung 2.1 Allgemeindidaktische Theorien und Modelle zur Unterrichtsplanung Im deutschsprachigen Raum wird das Thema Unterrichtsplanung 3 vor allem im Bereich der Allgemeinen Didaktik umfassend und vor dem Hintergrund einer langjährigen bildungstheoretischen Tradition diskutiert. Diese im Ausland auch als The German Tradition bezeichnete Theorie des Unterrichts scheint länderspezifisch und typisch für die deutsche Bildungswissenschaft zu sein (Arnold & Koch-Priewe 2010: 403; Rakhkochkine 2011). Im anglo-amerikanischen Raum gibt es die Allgemeine Didaktik als Disziplin so nicht (Meyer 2010b). Hier stehen, wie Meyer herausstellt, empirische Forschungsfelder wie z.B. curriculum research, research on teaching and learning oder educational psychology im Vordergrund (Meyer 2010b: 475). Im Gegensatz zu Forschungsrichtungen wie z.B. der Lehr- und Lernforschung versteht sich die Allgemeine Didaktik nicht explizit als Forschungsfeld. Sie definiert sich als ein Element des Ausbildungsprozesses von Lehramtsstudierenden und sieht die Theoretisierung und Gestaltung von Lehren und Lernen als ihre primäre Aufgabe (Terhart 2002: 80). In dieser Hinsicht arbeitet sie eher präskriptiv als deskriptiv. Die geringe Verzahnung von Allgemeiner Didaktik und empirischer Forschung wird ihr vielfach auch zum Vorwurf gemacht (Meyer 2010b). Meyer versucht, diese Kritik teilweise zu relativieren: 3 Die Begriffe Unterrichtsplanung und Unterrichtsvorbereitung werden in der Literatur teils synonym verwendet, teils werden Differenzierungen vorgenommen. So gilt Unterrichtsvorbereitung mitunter als spezifischer als Unterrichtsplanung (Peterßen 2000) oder auch anders herum (Heymann 2007). Es wird auch zwischen dem ganzheitlichen Prozess der Unterrichtsvorbereitung und der Technik des Planens und Verschriftlichens von Unterrichtsentwürfen unterschieden (Meyer 2010a: 98). Weitere Differenzierungen sprechen davon, dass Unterrichtsplanung mit größerem zeitlichen Abstand zur Unterrichtsstunde stattfinden und Unterrichtsvorbereitung kurzfristige und konkrete ausführende Maßnahmen betreffen würde (Peterßen 2000; Schorsch 2001). Peterßen merkt hier an, dass beide auch simultan erfolgen können (2000: 11). Im Verlauf der Arbeit sollen für die Gespräche der Studierenden, die sich zwischen konzeptionellen planerischen Handlungen und vorbereitenden Maßnahmen verorten lassen, beide Begriffe synonym verwendet werden (vgl. auch Gassmann 2013). 30 Didaktik ist nun einmal eine konstruktive, Ratschläge für guten Unterricht gebende Wissenschaft, und wenn man als Lehrer nur das machen würde, was empirisch abgesichert ist, könnte man nicht mehr unterrichten. (Meyer 2010b: 474) Gleichzeitig ist er jedoch der Auffassung, „dass die deutsche Didaktik endlich empirisch werden muss, ohne ihren handlungsanleitenden Anspruch in Hinblick auf Unterrichtsplanung und -gestaltung aufzugeben“ (Meyer 2010b: 473). Auch Terhart (2002: 86) plädiert für eine Vermittlung und Annäherung von Allgemeiner Didaktik und Lehr- und Lernforschung. Innerhalb der Allgemeinen Didaktik ist Unterrichtsplanung vor allem Gegenstand didaktischer Modelle - von Klafkis bildungstheoretischer Didaktik, der lehr- und lerntheoretischen Didaktik von Heimann, Otto & Schulz, der kybernetischen Didaktik und anderen Modellen bis hin zu neueren integrativen Ansätzen. Diese Modelle folgen in der Regel einer bestimmten wissenschaftstheoretischen Position, sie dienen der Analyse und Modellierung didaktischen Handelns und möchten Lehren und Lernen theoretisch umfassend und für die Praxis folgenreich erklären (Jank & Meyer 2005: 35). Sie stellen einerseits ein „Modell von Unterricht“ dar und wollen andererseits als „Modell für Unterricht“ unterstützend bei der Planungstätigkeit wirken (Gonschorek & Schneider 2009: 143f.). Gonschorek & Schneider schränken jedoch ein: „Aufgrund des zum Teil hohen Abstraktionsgrades ist es leichter, nach diesen Modellen Unterricht zu analysieren als zu planen“ (2009: 147). Der Vorwurf, didaktische Modelle wären wenig praktikabel, wenn es um alltägliche Unterrichtsplanung gehe, wird häufig formuliert. Die Debatte um den Nutzen didaktischer Modelle wurde außerdem durch Ergebnisse empirischer Untersuchungen weiter angeregt, die verdeutlichten, dass erfahrene Lehrende bei der alltäglichen Unterrichtsplanung kaum auf didaktische Modelle zurückgreifen, sich nicht linear mit Zielen, Inhalten und Methoden auseinandersetzen und der Allgemeinen Didaktik im Berufsalltag sowie in der Ausbildung wenig Bedeutung beimessen (vgl. Bromme 1981; Haas 1998; Tebrügge 2001; Zahorik 1975). Koch-Priewe (2000) hält dagegen, dass die Forschungsergebnisse anders interpretiert werden sollten: Indem Lehrende ihre Überlegungen auf die Auswahl von Aufgaben, Medien und Sozialformen richten, orientieren sie sich implizit genau an dem von didaktischen Modellen postulierten Interdependenzgedanken von Ziel, Inhalt und Methode. Im Nachdenken über Unterrichtsaufgaben sind die übrigen Faktoren integriert und den Strukturmomenten von Unterricht wird dadurch in der Planung implizit Rechnung getragen (Arnold & Koch-Priewe 2010: 402; Koch-Priewe 2000: 155). 31 Den Vorwürfen wird außerdem entgegnet, dass Modelle in der Lehrerbildung oftmals als schablonenhafte Vorlagen benutzt würden und dabei verkannt werde, dass sie besser als Analyse- und Reflexionshilfen funktionieren (Arnold & Koch-Priewe 2010: 402). Auch Girmes & Steffens (1980) betonen, dass die Charakteristika von Modellen oft nicht hinreichend verdeutlicht und deren Grenzen kaum aufgezeigt würden. Die gegenwärtige Bedeutung didaktischer Modelle wird heute weiterhin kontrovers diskutiert. Neben bereits erwähnten Diskussionspunkten, wie z.B. der Frage, ob didaktische Modelle praxis- und alltagstauglich sind, es überhaupt sein wollen oder sein sollten (Meyer 1980) oder ob didaktische Theorien stärker empirisch begründet sein sollten (Meyer 2010b), geht es in Bezug auf das Thema Unterrichtsplanung auch um das Verhältnis zwischen Allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik (Keck et al. 1990; Meyer et al. 1994; Plöger 1992). Ist Unterrichtsplanung nur vom Fach her zu denken? Kann es ein allgemeindidaktisches, allgemein gültiges Planungsmodell überhaupt geben? Arnold & Koch-Priewe (2010) sehen trotz gegenteiliger Stimmen „keine Unterstützung für die behauptete Unmöglichkeit eines fachunabhängigen Modells der Unterrichtsplanung“ (2010: 404). Jank & Meyer (2005: 38) sehen die Allgemeine Didaktik u.a. als Mittel der Vernetzung, es gelte „den Spagat zwischen der Einheit der Bildung und der Verschiedenheit der Unterrichtsfächer auszuhalten“. Die Funktion allgemeindidaktischer Theorien und damit auch der didaktischen Modelle als Gegenstand von Lehrveranstaltungen wird heute vor allem in der Bereitstellung eines kontextspezifischen Vokabulars zur Kommunikation über Unterricht sowie in der Unterstützung von analytischen und vor allem reflexiven Prozessen gesehen (Bromme 1992a; Koch-Priewe 2000). Modelle verringern Komplexität und schaffen Übersicht (Kiper 2001: 122). Sie bieten Hilfestellung, „die Struktur der Praxis zu verstehen und das eigene Erfahrungswissen (das in bewußter sprachlicher Form nicht existiert) reflexiv verfügbar zu machen“ (Kolbe 1997: 128). Eine weitere Aufgabe erfüllen didaktische Theorien und Planungskonzepte, indem sie Lehramtsstudierende bei der Erstellung von schriftlichen Unterrichtsplänen unterstützen. Die Beantwortung der Frage, inwiefern hier nur die Hervorbringung eines Planungsproduktes (z.B. der Langfassung eines Unterrichtsentwurfs), nicht aber das planende Handeln angeleitet oder trainiert wird, wie Girmes & Steffens (1980) es darstellen, konnte bisher noch nicht ausreichend geklärt werden und bedarf noch weiterer empirischer Forschungsarbeit. Im Folgenden sollen zunächst jene zentralen didaktischen Modelle vorgestellt werden, die auch die Basis für die in der Fremdsprachdidaktik verwendeten Planungsmodelle bzw. -hinweise bilden: die Modelle der bildungstheoretitheoretischen sowie der lerntheoretischen Didaktik. 32 2.2 Didaktische Modelle 2.2.1 Unterrichtsplanung aus Sicht der bildungstheoretischen Didaktik Das älteste der modernen didaktischen Modelle ist die bildungstheoretische Didaktik von Wolfgang Klafki, deren Kern zunächst die Didaktische Analyse darstellte, die erstmals 1958 vorgestellt wurde. Anhand eines Fragenkatalogs sollten Lehrende unterstützt werden, sich auf ihren Unterricht vorzubereiten. Der Fokus war hier zunächst primär auf Bildungsinhalte gerichtet. Ziel der Didaktischen Analyse war die Untersuchung des Inhalts auf seinen Bildungsgehalt hin. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Klafki von einem kategorialen Bildungsbegriff ausgeht, der die objektbezogene, materiale Seite von Bildungsprozessen mit der subjektbezogenen, formalen Seite integriert. Die fünf Hauptfragen der Didaktischen Analyse (an die sich mehrere Unterfragen anschließen) betrachten: (1) die Gegenwarts 4 sowie (2) die Zukunftsbedeutung des Inhalts im Leben der Lernenden, (3) die exemplarische Bedeutung des Inhalts bzw. Themas, (4) die Struktur des Inhalts sowie (5) dessen Zugänglichkeit. Dabei geht Klafki zunächst davon aus, dass Inhalte durch Lehrpläne vorgegeben sind (materiale Entscheidungen) und die Lehrpersonen für die inhaltliche Konkretisierung der Vorgaben verantwortlich sind (Klafki 1964; Jank & Meyer 2005: 205ff.; Peterßen 2000: 47ff.). Dieser Aspekt war u.a. ein früher Kritikpunkt an diesem Modell: Klafki sei nicht so weit gegangen, Bildungsziele und -inhalte unabhängig von Lehrplanvorgaben zu formulieren. Das Modell trage damit eher konservative Züge, so die Kritiker (vgl. hier stellvertretend Jank & Meyer 2005: 228 ) . Des Weiteren wurde bemängelt, dass es empirisch wenig abgesichert war und unterrichtspraktische Aspekte kaum berücksichtigt wurden. Darauf reagierte Klafki mit einer Erweiterung des Modells Ende der 1970er Jahre. Die nun von ihm als kritisch-konstruktiv bezeichnete Didaktik umfasste die Formulierung didaktischer Zielstellungen, die Klafki für die Gesellschaft als zentral erachtete und die eher gesellschaftskritischer als affirmativer Natur sind: Mitbestimmungsfähigkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit. Bildung erhält in diesem Sinne einen explizit pädagogischpolitischen Auftrag. Konkreter fasst er diese Fähigkeiten, indem er epochalty- 4 Dieser und die im Fortlauf der Arbeit kursiv dargestellten Begriffe geben zentrale Termini im Originalwortlaut wieder. Darüber hinaus werden englischsprachige Begriffe durch eine kursive Schreibweise gekennzeichnet. 33 pische Schlüsselprobleme der kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und individuellen Existenz benennt (z.B. die Friedensfrage, die Problematik des Nationalitätenprinzips, das Umweltproblem, das Problem gesellschaftlich produzierter Ungleichheit, u.a.). Bedingungsanalyse: Analyse der konkreten, sozio-kulturell vermittelten Ausgangsbedingungen einer Lerngruppe (Klasse), des/ der Lehrenden sowie der unterrichtsrelevanten (kurzfristig änderbaren oder nicht änderbaren) institutionellen Bedingungen, einschließlich möglicher oder wahrscheinlicher Schwierigkeiten bzw. „Störungen“. (Begründungszusammehang) (themat. Strukturierung) (Bestimmung von Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten) (method. Strukturierung) 1. Gegenwartsbedeutung 2. Zukunftsbedeutung 4. thematische Struktur (einschließlich Teillernziele) und soziale Lernziele 6. Zugänglichkeit bzw. Darstellbarkeit (u.a. durch bzw. in Medien) 7. Lehr-Lern-Prozeßstruktur verstanden als variables Konzept notwendiger oder möglicher Organisations- und Vollzugsformen des Lernens (einschließlich sukzessiver Abfolgen) und entsprechender Lehrhilfen, zugleich als Interaktionsstruktur und Medium sozialer Lernprozesse 3. exemplarische Bedeutung, ausgegedrückt in den allgemeinen Zielsetzungen der Unterrichtseinheit, des Projekts oder der Lehrgangssequenz 5. Erweisbarkeit und Überprüfbarkeit Abb. 2: Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung nach Klafki (1980: 30) Als weitere Änderung entwirft Klafki (1980) ein Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung (Abb. 2), das über die intensive Befassung mit Inhaltsfragen 34 hinaus weitere Dimensionen des Unterrichts berücksichtigt. In Ergänzung zu den o.g. fünf zentralen Fragen der Didaktischen Analyse kommen eine Bedingungsanalyse, die Bestimmung der Lehr-Lern-Prozeßstruktur (methodische Planung) und die Feststellung des Lernerfolgs (Erweisbarkeit und Überprüfbarkeit) hinzu (Klafki 1980: 30). Klafki postuliert nun ein Primat der Zielentscheidungen, demnach alle weiteren Entscheidungen vor dem Hintergrund begründeter Intentionen getroffen werden sollten (Klafki 1980: 16f.; Peterßen 2000: 62). Klafkis Modelle zur Unterrichtsplanung werden in den meisten Standardwerken zur Didaktik rezipiert; sie sind noch immer fester Bestandteil der Lehrer/ innenausbildung. Das Perspektivenschema (Abb. 2) integriert nicht nur grundsätzliche frühere und jüngere Positionen Klafkis sondern auch einzelne Aspekte anderer Planungsmodelle. Die von ihm formulierten Fragen der Didaktischen Analyse zur Auseinandersetzung mit dem Stundeninhalt sind im Perspektivenschema enthalten (Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung, exemplarische Bedeutung, thematische Struktur und Zugänglichkeit des Inhalts) und obwohl diese Fragen primär den Stundeninhalt fokussieren, folgen die angestrebten Überlegungen doch dem Primat der Zielentscheidungen. Peterßen (2000: 79) resümiert: „Offensichtlich hat Klafki alle als bewährt empfundenen Momente, Vorschläge usw. der seinerzeit miteinander konkurrierenden didaktischen Theorien zu einer Mischtheorie zusammengefasst.“ Vor allem aus der lerntheoretischen Didaktik, die im Folgenden vorgestellt werden soll, wurden einige Elemente übernommen. 2.2.2 Unterrichtsplanung aus Sicht der lerntheoretischen Didaktik Die auch als Berliner Modell bezeichnete lerntheoretische Didaktik fand ihre Anfänge in den 1960er Jahren, zunächst als direkte Reaktion auf Klafkis bildungstheoretische Didaktik. Das Modell wurde von Paul Heimann begründet und in Zusammenarbeit mit anderen damaligen Dozenten an der Pädagogischen Hochschule Berlin/ West wie Wolfgang Schulz und Gunter Otto im Kontext der Lehrer/ innenausbildung entwickelt (Heimann et al. 1965). Schulz ging 1971 nach Hamburg und arbeitete dort an einer Erweiterung bzw. Neufassung der lerntheoretischen Didaktik, die fortan als Hamburger Modell bezeichnet wurde. Kernstück der lerntheoretischen Didaktik ist die Strukturanalyse des Unterrichts, die in der Ausbildung von Lehrenden bis heute breite Verwendung findet (Abb. 3). Aus der Beobachtung von Unterricht heraus entstand ein Raster, das ein allen Unterrichtsstunden immanentes Strukturgefüge darstellt: Unterrichtsplanung und -analyse basieren auf Entscheidungen hinsichtlich der Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien im Unterricht und umfassen die 35 Analyse von Bedingungen, die in anthropologisch-psychische und sozio-kulturelle Voraussetzungen unterteilt werden. Diese sechs Elemente stehen in einer wechselseitigen Interdependenz. Sozio-kulturelle Voraussetzungen Anthropologischpsychische Voraussetzungen Intentionen Inhalt Methode Medium Sozio-kulturelle Folgen Anthropologischpsychische Folgen Abb. 3: Strukturgefüge des Unterrichts (Heimann 1962, Abb. nach Peterßen 2000: 84) Neben den zu beachtenden sechs Grundfragen gilt es außerdem, normbildende (ideologieabhängige), bedingungssetzende (äußerliche) und formschaffende (persönliche) Faktoren zu analysieren und kritisch zu hinterfragen, um Hintergründe von Entscheidungen sichtbar und damit sich selbst bewusst zu machen. Die Planungsaufgabe von Lehrpersonen besteht nach Auffassung der Vertreter der lerntheoretischen Didaktik in der möglichst umfassenden Durchdringung und Theoretisierung aller für den Unterricht relevanter Faktoren. Das vorgegebene Strukturmodell muss mit entsprechend sorgfältig ausgewählten Inhalten gefüllt werden (Heimann et al. 1965; Jank & Meyer 2005: 261ff.; Peterßen 2000). Auf der Ebene konkreter Planung von Unterricht unterteilt Schulz (1965) in langfristige und kurzfristige Strukturplanung und schlägt für die Planung des Stundenverlaufs folgendes Raster vor: 36 Zeit Erwartetes Schülerverhalten Geplantes Lehrerverhalten Didaktischer Kommentar Abb. 4: Verlaufsplanung (Schulz 1965: 46f.) Er stellt das erwartete Schülerverhalten voran, weil es seiner Ansicht nach die Hauptsache ist und durch das Verhalten der Lehrkraft entsprechend gefördert werden soll (Schulz 1965: 46f.). Die Spalte „Didaktischer Kommentar“ enthält alle übrigen Bemerkungen (z.B. Kontrollmöglichkeiten). Als problematisch wurde anfangs dennoch erachtet, dass die Dimensionen von Unterricht zunächst überwiegend aus der Lehrer/ innenperspektive beschrieben wurden (Jank & Meyer 2005). In der Neufassung des Modells durch Wolfgang Schulz nimmt jedoch die Perspektive der Lernenden eine zentrale Rolle ein. Für ihn ist Unterricht ein Beitrag zur Emanzipation. Damit diese Maxime auch tatsächlich verfolgt wird, definiert er drei Kategorien, die in ihrer Verschränkung als übergeordnete Zielsetzung sowie als eine Art Regulativ dienen: „Wichtig ist Kompetenz, insofern sie Autonomie ermöglicht, Selbstbestimmung nicht für sich auf Kosten anderer, sondern in Solidarität“ (Schulz 1980: 59). Dadurch revidiert er das anfänglich formulierte Wertfreiheitsprinzip des Berliner Modells und nähert sich mit dieser normativen Orientierung der Wissenschaftstheorie der kritisch-konstruktiven Didaktik an (Jank & Meyer 2005: 283). Schulz (1980) arbeitet im Hamburger Modell außerdem vier Planungsebenen heraus: die Perspektivenplanung (vorläufiges Festlegen der Unterrichtseinheiten), die Umrißplanung (skizzenhafte Planung einer Unterrichtseinheit), die Prozeßplanung (Planung von Unterrichtsteileinheiten) sowie die Planungskorrekturen (Schulz 1980: 56f.). Auf allen Planungsebenen betont Schulz die Mitsteuerung aller am Lehr-Lern-Prozess Beteiligten. Die Ebenen sind eng verbunden, so dass der von Schulz vorgeschlagenen Prozessplanung einzelner Unterrichtsstunden (auch als Detailplanung bezeichnet) eine detaillierte Umrissplanung vorausgehen muss. Ein mögliches Raster für die Detailplanung enthält gegenüber dem Schema von 1965 (Abb. 4) nun das Beschreiben von Teilzielen, Verfahren und Mittel zu deren Erreichung und entsprechende Alternativen: Geschätzter Zeitaufwand Teilziele in zeitlicher Reihenfolge Bereitgestellte Lernhilfen und Lernkontrollen Alternativen Abb. 5: Mögliches Schema der Detailplanung (Schulz 1980: 79) 37 Im frühen Berliner Modell wurden drei Prinzipien formuliert, nach denen Unterrichtsplanung im Sinne der lerntheoretischen Didaktik erfolgen sollte. Es ging vor allem um Interdependenz (aller Dimensionen auch schon auf der Ebene der Umrissplanung), Variabilität (z.B. durch das planvolle Mitdenken von Alternativen) und Kontrollierbarkeit (des gesamten Lehr-Lern-Prozesses durch bei der Planung ausgewiesene Kontrollmöglichkeiten) (Schulz 1965: 45). Peterßen (2000: 103) ergänzt in seiner ausführlichen Synopse der einflussreichsten didaktischen Modelle das Prinzip der Interaktion, um darauf zu verweisen, dass Unterricht im Hamburger Modell verstanden wird als ein Gefüge, in dem Lehrende und Lernende gleichermaßen tätig sind, möglichst auch schon auf der Ebene der Unterrichtsplanung. Schulz bezieht sich auch explizit auf das damals bis heute vielfach rezipierte Konzept der themenzentrierten Interaktion von Ruth Cohn (1978). Neben den Modellen von Klafki und Heimann, Otto & Schulz wurden weitere Modelle entwickelt und diskutiert wie z.B. die kybernetische (Cube 1982), kritisch-kommunikative (Schäfer & Schaller 1976; Winkel 1981) oder die konstruktivistische Didaktik (Reich 1996), wobei Klafkis bildungstheoretische Didaktik sowie die lerntheoretische Didaktik von Heimann, Otto & Schulz als die einflussreichsten Modelle der Allgemeinen Didaktik gelten (Arnold & Koch- Priewe 2010: 404). Sie haben sich zuletzt auch sehr stark angenähert, die anfänglichen Spannungen gelten als überwunden (Jank & Meyer 2005: 37). 2.3 Planungskonzeptionen Indem jene Modelle wesentliche allgemeingültige und den Unterricht bestimmende Faktoren analytisch fassten, lieferten beide Ansätze weitreichende Impulse und wissenschaftstheoretisch begründete Ankerpunkte für die Entwicklung konkreterer Unterrichts- und Planungskonzeptionen, wie z.B. das Weingartener Planungsmodell (Peterßen 2003), die Planungskonzepte von Hilbert Meyer (Meyer 2010a) oder Georg E. Becker (Becker 2007) oder fachdidaktische Planungsanleitungen (z.B. für den Englischunterricht: Mindt 1995). Neuere Ansätze versuchen gegenwärtig, Aspekte mehrerer Theorien und Modelle zu verbinden. Arnold & Koch-Priewe (2010) integrieren in ihrer (Neu-)Konzeption der Didaktischen Analyse die Modelle von Klafki sowie Heimann, Otto & Schulz und sprechen von einer integrativen Modellierung der Unterrichtsplanung. Die Konzeption beinhaltet neun Komponenten: • Analyse der Schüler-, Schul- und Lehrpersonenvoraussetzungen, • Positionierung der Planungseinheit in den Planungshorizonten, • Intentionen (allgemeinbildende Ziele, Orientierung an Schlüsselproblemen, inhaltsbezogene Richtziele), 38 • Inhaltliche und thematische Analyse (Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung, exemplarische Bedeutung, thematische Struktur), • Grob- und Feinziele sowie Verfahren zur Zielerreichungsfeststellung, • Methodische Analyse, • Medienwahl, • Binnendifferenzierung, • Sequenzierung des Unterrichtsverlaufs. (Arnold & Koch-Priewe 2010: 410) Auch Kiper & Mischke (2004) plädieren für eine integrative Didaktik, „die den Gegenstand so fasst, dass alle konkurrierenden Überlegungen darin ihren Platz erhalten können“ (2004: 71). Ihre Konzeption einer Planungstheorie hebt vor allem jene Entscheidungen hervor, in denen über Lernwege und eine angemessene Lernstruktur nachgedacht wird. Als wesentliche Momente der Unterrichtsplanung erachten Kiper & Mischke (2009) folgende Faktoren: Sachanalyse Struktur des Gegenstands, sachlogische Schrittfolge Didaktische Analyse Bedeutung des Themas Stellung im Curriculum Lernvoraussetzungen der Klasse, einzelner Schüler/ innen Überlegungen zur Lernstruktur Lehr- und Lernziele Aufgaben und Prozessmerkmale zur Überprüfung des Unterrichtserfolgs (Monitoring und Erfolgskontrolle) Methoden Lehr-Lernarrangements Hausaufgaben Verlaufsplan Lehr- und Lernschritte im zeitlichen Verlauf Kriterien für die Unterrichtsqualität Indikatoren/ Beobachtungskategorien Maßstäbe für die Unterrichtsreflexion Abb. 6: Momente der Unterrichtsplanung nach Kiper & Mischke (2009: 68) Planungskonzeptionen dieser Art sind etwas stärker als die klassischen didaktischen Modelle auf die Anleitung zur Planung einzelner Unterrichtseinheiten ausgerichtet. Sie lehnen sich meist an die Modelle an, treffen aber unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. So finden sich Unterschiede u.a. im Grad der Detailliertheit, in der Zuordnung einzelner Faktoren zu Entscheidungsfeldern 39 oder in der Hervorhebung spezifischer Dimensionen der Planung (z.B. Binnendifferenzierung, Lernstrukturen, etc.). Diese Konzeptionen, die in ähnlicher Form auch von anderen Autorinnen und Autoren vertreten werden, können als komponentenbezogene Form der Unterrichtsvorbereitung bezeichnet werden (Tulodziecki et al. 2009: 153ff.), da hier die einzelnen Dimensionen oder Komponenten von Unterricht (Ziele, Inhalte, Methoden etc.) als Ausgangspunkt für planerische Überlegungen gelten. Tulodziecki et al. unterscheiden davon die prozessbezogene Unterrichtsvorbereitung, bei der von den einzelnen Phasen einer Unterrichtstunde bzw. -einheit ausgegangen wird. Für jede einzelne Unterrichtsphase kann dann überlegt werden, wie sich die einzelnen Komponenten jeweils gestalten. Tulodziecki et al. (2009: 155ff.) schlagen eine Phasierung vor, die als Gerüst für die Vorbereitung von Unterricht dienen kann: 1) Aufgabenstellung, 2) Zielvereinbarung und Bedeutsamkeit, 3) Verständigung über das Vorgehen, 4) Erarbeitung von Grundlagen für die Aufgabenlösung, 5) Aufgabenlösung, 6) Vergleich und Zusammenfassung, 7) Anwendung, 8) Weiterführung und Bewertung. Jene Phasierung ist jedoch als eine mögliche Art der Strukturierung von Unterricht zu verstehen. Weiterführend listen Tulodziecki et al. (2009) zu jeder der acht Phasen eine Reihe unterstützender Fragenstellungen auf, die bei der Planung der entsprechenden Phase beantwortet werden sollten. Die einzelnen Dimensionen der Planung (Tulodziecki et al. bezeichnen sie als Komponenten) finden in dieser Konzeption implizit innerhalb der einzelnen Phasen Eingang in Planung. Im Folgenden werden grundlegende Dimensionen der Unterrichtsplanung, die Teil aller Modelle und Planungskonzeptionen sind, umfassender erörtert, da es im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit zu untersuchen gilt, welche Aspekte der Unterrichtsplanung für Studierende in welcher Weise von Bedeutung sind. 2.4 Dimensionen der Unterrichtsplanung Dimensionen der Unterrichtsplanung beschreiben Faktoren, die bei der Planung von Unterricht zu berücksichtigen sind bzw. die die Planung beeinflussen. Es wird diesbezüglich auch von Entscheidungsfeldern, Komponenten oder 40 Aspekten der Unterrichtsplanung gesprochen. Die Darstellung der Dimensionen in der didaktischen Literatur orientiert sich vielfach an der Strukturanalyse der lerntheoretischen Didaktik (Schulz 1965: 23ff.). Es werden in den meisten Darstellungen Ziele, Inhalte, Medien und Methoden sowie Voraussetzungen und Folgen aufgeführt. Auch Klafkis Perspektivenschema beinhaltet ähnliche Dimensionen (s. Kap. 2.2, Klafki 1980: 30). Jene Momente der Unterrichtsplanung werden im Folgenden einzeln und bezugnehmend auf die verschiedenen Modelle und Planungskonzeptionen dargestellt. 2.4.1 Ziele Zielentscheidungen werden meist als die bedeutendsten Unterrichtsentscheidungen erachtet, denn Unterricht wird grundsätzlich als ein zielgerichteter Vorgang verstanden. Das Primat der Zielsetzung kann daher als allgemein anerkannte didaktische Auffassung über Unterrichtsplanung betrachtet werden (Peterßen 2000: 24). Auch Klafki ging in seiner Erweiterung der bildungstheoretischen zur kritisch-konstruktiven Didaktik vom Primat der Zielentscheidungen aus und meinte damit, dass alle anderen Entscheidungen nur von den Intentionen des Unterrichts her begründet zu treffen sind, was nicht bedeutet, dass von den Zielentscheidungen alle anderen Entscheidungen abgeleitet werden könnten (Klafki 1980: 16). Die These vom Primat der Zielentscheidungen müsse, so Klafki, dringend durch die Interdependenzthese ergänzt werden: Alle für den Unterricht relevanten Faktoren sind voneinander abhängig und bedingen sich wechselseitig (Klafki 1980: 17). So wird z.B. bei der Herausarbeitung der Gegenwarts-, Zukunftssowie der exemplarischen Bedeutung eines Inhalts danach gefragt, welche Lernziele anhand des Gegenstands verfolgt werden können bzw. sollen. Es gibt an sich keine „frei schwebenden“ Intentionen des Unterrichts, sie sind grundsätzlich an ein Thema gebunden. Aus einem Thema wird in der Verbindung mit spezifischen Intentionen erst ein Lerngegenstand (Jank & Meyer 2005: 277). Ziele können hierarchisch formuliert werden, Klafki spricht hier von vier Lernzielebenen, die vom Allgemeinen (z.B. Mündigkeit), über zwei Ebenen konkreterer und bereichsspezifischer Intentionen (z.B. Kommunikationsfähigkeit) zu Zielbestimmungen im Bereich der einzelnen Fächer führen (Klafki 1980: 35ff.). Arnold & Koch-Priewe (2010: 410f.) greifen den Hierarchisierungsgedanken auf und verwenden Möllers Begrifflichkeit der Richt-, Grob- und Feinziele (Möller 1973). Sie fügen außerdem das Entscheidungsfeld der Verfahren zur Zielerreichungsfeststellung ein, was an Klafkis Strukturelement der Erweisbarkeit und Überprüfbarkeit anschließt. 41 Auch die lerntheoretische Didaktik sucht nach Ordnungsprinzipien innerhalb der Zielentscheidungen und unterteilt in kognitiv-aktive, pragmatisch-dynamische sowie pathisch-affektive Zieldimension. Diese verbinden Heimann, Otto & Schulz mit Qualitäts- und Schwierigkeitsstufenstufen (Fähigkeit > Fertigkeit > Gewohnheit/ Können; Kenntnis > Erkenntnis > Überzeugung; Anmutung > Erlebnis > Haltung/ Gesinnung). Das durch diese Stufungen und Verknüpfungen entstandene Raster soll als Unterstützung dienen, Ziele beim Planen von Unterricht zu verorten und evtl. Einseitigkeiten zu entdecken. Es ist nicht so zu verstehen, dass immer die oberste Stufe der Zieldimensionen anzustreben ist. Mit dieser Verknüpfung von Denken, Handeln und Fühlen treffen Heimann, Otto & Schulz klare Aussagen in Bezug auf das zugrundeliegende Menschenbild und vertreten damit einen formalen Bildungsgedanken (Jank & Meyer 2005: 278ff.; Peterßen 2000: 364ff.; Schulz 1965: 27). Schulischer Unterricht ist heute vorrangig fachlich organisiert, was zur Folge hat, dass Lernziele oftmals aus der spezifischen Fächerperspektive formuliert werden. Dieser Einengung auf die fachliche Dimension wollen didaktische Modelle entgegenwirken, indem sie auf der Ebene der Richtziele Grundsätze für schulischen Unterricht benennen (Mitbestimmungsfähigkeit, Selbstbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit bzw. Kompetenz, Autonomie und Solidarität), die sich so auch in Lehrplänen wiederfinden (vgl. SMK 2004). Schulz (1980) entwickelte in Erweiterung des Berliner Modells und dessen Strukturierung von Zieldimensionen eine Matrix, die der Überprüfung dienen soll, inwiefern Lernziele der „Erziehung zur größtmöglichen Verfügung aller Menschen über sich selbst“ dienen (Schulz 1980: 58). Die durch Unterricht ermöglichten Sach-, Gefühls- und Sozialerfahrungen sollen kompetentes, autonomes und solidarisches Verhalten fördern (Schulz 1980: 58ff.) Die Lehr- und Lernzielthematik erreicht gegenwärtig vor allem durch die Kompetenzorientierung wieder verstärkte Bedeutung. Kompetenzorientiert Unterricht planen bedeutet, sich darüber zu verständigen, welche Kompetenzen Lernende erwerben sollten, und zu entscheiden, welche Teilkompetenzen für bestimmte Unterrichtseinheiten und Planungsabschnitte im Vordergrund stehen. Es muss dann danach gefragt werden, welche Ziele sich ein Unterricht stellen muss, der entsprechende Kompetenzen entwickeln möchte, und wie es gelingt zu überprüfen, inwiefern diese Teilziele im Unterricht erreicht wurden. Die Debatte über die zunehmende Outputorientierung jeglicher schulischer Handlung darf jedoch nicht unkritisch geführt werden. Auf einen Teilaspekt, der diesbezüglich dringend zu beachten ist, weisen Gonschorek & Schneider (2009) hin: Natürlich soll durch dieses Beschreiben eines Katalogs an Verhaltensweisen, die der Lernende nach erfolgreicher Lernerfahrung äußern können soll, nicht erreicht werden, dass in der Schule nur noch gelehrt wird, was von außen auch 42 kontrollierbar ist - damit würde ein Teil der emotionalen und sozialen Aspekte des Lernens verloren gehen. (Gonschorek & Schneider 2009: 301) Diese Hinweise stehen in Einklang mit den Forderungen der oben skizzierten didaktischen Modelle, die in dieser Hinsicht nichts an Aktualität eingebüßt haben. 2.4.2 Themen und Inhalte Die Begriffe Thema und Inhalt werden häufig synonym verwendet. Jank & Meyer (2005: 52f.) treffen eine Unterscheidung in Hinblick auf die Sicht der Beteiligten: das Thema einer Unterrichtsstunde wird vorgegeben (von Lehrenden, Lernenden, Lehrplänen oder Richtlinien), es wird in Richtung einer Zielstellung formuliert; der Inhalt wird durch das Handeln der Beteiligten im Unterricht erarbeitet, er bezeichnet die Sinngebungen, die gemeinsam erzeugt werden. Klafki (1980) argumentiert, dass Inhalte erst zu Unterrichtsthemen gemacht werden, indem sie unter bestimmten, auf die Lernenden bezogenen Fragestellungen betrachtet werden. Inhalte sind zunächst nur Sachverhalte, die noch nicht unter einer pädagogischen Zielvorstellung aufgearbeitet wurden. Erst wenn in ihnen eine pädagogische Idee zum Tragen kommt, handelt es sich um Unterrichtsthemen (vgl. auch Schröder 2001: 369). Girmes & Steffens (1980) sprechen vom notwendigen Prozess der Thematisierung oder Themabildung, in dem Perspektiven und Fragen in Bezug auf Gegenstände entwickelt werden (1980: 48). Als ausformuliertes Thema einer Stunde sollte daher nicht nur die Nennung eines Sachverhaltes stehen, sondern ein Sachverhalt, der mit einer pädagogischen Intention verbunden ist. Ein Thema bietet meist eine Reihe möglicher Inhalte für die Unterrichtsstunde (und umgekehrt). Es müssen daher mit Blick auf die Zielsetzung und in der Auseinandersetzung mit der Struktur des Themas geeignete Inhalte ausgewählt werden. Die begründete Auswahl an Inhalten war ein zentrales Anliegen von Klafkis Didaktischer Analyse. Die fünf Grundfragen sollten konkrete Unterstützung bieten, Inhalte umfassend zu untersuchen. Das damals von Klafki vertretene Primat der Inhalte wurde später von ihm selbst zugunsten des Primats der Zielentscheidungen revidiert. Dennoch war das anfängliche Modell sehr einflussreich, worin wahrscheinlich ein Grund zu sehen ist, dass die intensive Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten z.T. bis heute in Form von ausführlichen Sachanalysen in der Lehrerbildung verfolgt wird, obwohl Klafki seinen Ansatz in den 1980er Jahren überarbeitet hat (vgl. Kap. 2.2., Peterßen 2000: 23f.). Die Inhaltsanalyse im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung wird heute oftmals auch als Sachanalyse bezeichnet. Klafki lehnt diese Begrifflichkeit 43 ab, da sie impliziert, dass es eine vorpädagogisch-fachwissenschaftliche Analyse wäre und diese zur primären Grundlage des Unterrichts gemacht werden würde. Seiner Ansicht nach ist die Inhaltsanalyse immer auch eine pädagogische Analyse. Diese Auffassung führte zu kontroversen Diskussionen innerhalb der Didaktik. Die Gegenposition, die u.a. von Heinrich Roth (1960) vertreten wurde, fordert eben jene vorpädagogische Sachanalyse, in der sich Lehrende umfangreich und ohne pädagogischen bzw. didaktischen Fokus mit den Inhalten auseinandersetzen (Peterßen 2000: 21). Auch einige neuere allgemeinsowie fachdidaktische Anleitungen zur Unterrichtsplanung schlagen eine vorpädagogische Sachanalyse vor, damit der Blick auf den Unterrichtsinhalt nicht eingeschränkt wird und „möglichst all seine Perspektiven und Aspekte bewusst und klar werden“ (Wiater 2011: 195; siehe auch Gonschorek & Schneider 2009; Mindt 1995). Andere Didaktiker lehnen diese Auffassung ab und betonen, dass die Lehrperson sich natürlich intensiv der Sache widmen muss, dies jedoch immer aus einem pädagogischen Blickwinkel tue und es sich gar nicht vermeiden ließe, bei der Vorbereitung immer auch die Lernenden schon mit im Kopf zu haben. Die Analyse der aktuellen Bedeutung des Inhalts im Leben der Lernenden erschließt sich beispielsweise nicht aus einer fachwissenschaftlichen Analyse (Klafki 1980; Jank & Meyer 2005; Meyer 2010a; Sandfuchs 2009). Peterßen (2000: 21f.) schlägt vor, die Problematik dahingehend aufzulösen, dass fundierte Kenntnisse über die Sache unbedingt vorhanden sein sollten, diese i.d.R. jedoch in der Ausbildung erworben werden oder bei Bedarf nachgeholt bzw. aufgefrischt werden müssten. Ansonsten gilt für die alltägliche Unterrichtsvorbereitung, dass sich Lehrende immer pädagogisch motiviert der Sache nähern. Zentrale Planungsaufgaben, die in Bezug auf die Inhalte einer Unterrichtsstunde zu bewältigen sind, betreffen: • die Formulierung eines Themas; • die Gewinnung von Sachkenntnis und das Verschaffen eines Überblicks über die für eine bestimmte Themenstellung geeigneten Inhalte; • die Auswahl von Inhalten, die der Zielsetzung entsprechen; • die Strukturierung des Gesamtinhalts; • die Überprüfung der Verständlichkeit und Zugänglichkeit der Inhalte für die Lernenden; • die Auswahl und Bereitstellung der Medien und Materialien (Jank & Meyer 2005: 77; Peterßen 2003: 24). 44 2.4.3 Methoden Die Methodenfrage, als dritte wichtige Planungsdimension, umfasst Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen der Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen. Während Klafki unterrichtsmethodische Entscheidungen noch nicht in seine Didaktische Analyse integrierte (Klafki 1958), sind sie spätestens seit Heimanns Berliner Modell fester Bestandteil der lerntheoretischen Didaktik (Heimann 1962) sowie aller im Anschluss daran entwickelten Planungskonzeptionen. Diese beziehen sich z.T. direkt auf die Strukturanalyse des Berliner Modells mit ihren vier Entscheidungsfeldern Inhalte, Ziele, Medien und Methoden (vgl. Arnold & Koch-Priewe 2010; Wiater 2011). Andere Ansätze beinhalten die Dimension der Methoden, fassen sie begrifflich z.T. jedoch unterschiedlich. Auch die Unterteilung in spezifische Entscheidungsfelder bezogen auf das Methodische erfolgt je nach Schwerpunktsetzung einzelner Konzepte verschieden. Im Berliner Modell werden der Methodik fünf Ebenen zugeordnet (Heimann 1962: 420ff.), Meyer (2010a) beschreibt ein didaktisches Sechseck, wovon die Methode sich in der Sozial-, Zeit- und Handlungsstruktur wiederfindet (Meyer 2010a: 178), das Weingartener Planungsmodell spricht von Arrangement und bezeichnet damit die Ebene der Methoden, Medien und Sozialformen (Peterßen 2003: 24ff.). In der Zusammenschau einzelner Planungskonzeptionen können folgende Elemente als Entscheidungen methodischer Art zusammengefasst werden: • Artikulation des Unterrichts: Entscheidungen über Phasen, Stufen, Stadien und deren Folge (Heimann 1962; vgl. Sequenzierung des Unterrichtsverlaufs bei Arnold & Koch-Priewe 2010; Lehr- und Lernschritte im zeitlichen Verlauf bei Kiper & Mischke 2009; Zeitbzw. Prozessstruktur bei Meyer 2010a; Phasierung bei Schulz 1980); • Lehr- und Lernweisen: Entscheidungen über einzelne Aktionen von Lehrenden und Lernenden (Heimann 1962; vgl. Lehr-Lern-Prozessstruktur bei Klafki 1980; Handlungsstruktur bei Meyer 2010a; Aktionsform bei Wiater 2011; Lehr-Lernarrangements bei Kiper & Mischke 2009); • Sozialstruktur: Entscheidungen über die Gestaltung von Kommunikations- und Kooperationsformen (Meyer 2010a; vgl. Gruppen- und Raumorganisation bei Heimann 1962; Interaktion bei Peterßen 2000; Sozialformen bei Peterßen 2003; Wiater 2011; Kommunikationsform bei Wiater 2011); • Raumstruktur: Entscheidungen über die Vorbereitung einer geeigneten Lernumgebung (Meyer 2010a; vgl. Gruppen- und Raumorganisation bei Heimann 1962); • Organisation: Entscheidungen über organisatorische Maßnahmen (Peterßen 2000); 45 • Differenzierung/ Individualisierung (Schulz 1980; vgl. Binnendifferenzierung bei Arnold & Koch-Priewe 2010); • Überlegungen zur Lernstruktur: Entscheidungen darüber, welchem Basismodell des Lernens der Unterricht bzw. ein Unterrichtsabschnitt folgen soll, z.B. Erfahrungen machen, Wissen erwerben, Inhalte und Werte reflektieren, etc. (Kiper & Mischke 2004; 2009; Kiper 2011); • Erweisbarkeit und Überprüfbarkeit: Entscheidungen über Verfahren zur Feststellung des Lehr-Lernerfolgs (Klafki 1980; vgl. Verfahren zur Zielerreichungsfeststellung bei Arnold & Koch-Priewe 2010; Aufgaben und Prozessmerkmale zur Überprüfung des Unterrichtserfolgs bei Kiper & Mischke 2009); • Medienwahl: Entscheidungen über geeignete Lehr- und Lernmittel (Arnold & Koch-Priewe 2010; Peterßen 2003), Entscheidungen hinsichtlich der Medien stellen z.T. jedoch auch eine extra Dimension dar (Heimann 1962). 2.4.4 Medien Medien im Unterricht dienen als Kommunikationsmittel (z.B. Sprache als Medium), sie repräsentieren Lerninhalte, d.h. reale Phänomene aus Natur und Gesellschaft und sie sind Mittel der Steuerung von Lehr- und Lernprozessen (Peterßen 2000: 423ff.). Als ein Entscheidungsfeld der Unterrichtsplanung wurden Medien erstmals im Berliner Modell hervorgehoben und aus der Methodenfrage herausgelöst (Heimann 1962). Heimanns Einteilung ist vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Medien zu jener Zeit zu betrachten, in der neue technische Mittel in die Schule drängten und die Frage nach der Auswahl geeigneter Medien dezidierter gestellt werden musste (Peterßen 2000: 423). Heimanns Einteilung in Ziele, Inhalte, Methoden und Medien wird oft zitiert, sie ist in der Lehrer/ innenausbildung weit verbreitet und wurde so auch von vielen Planungskonzeptionen übernommen (z.B. Wiater 2011). In anderen Ansätzen hingegen ist die Medienentscheidung nur eine von mehreren Faktoren bei der Unterrichtsplanung (z.B. Arnold & Koch-Priewe 2010; Becker 2007; Kiper & Mischke 2009; Peterßen 2003). Meyer (1994/ 1987) problematisiert die Definition dessen, was im Unterricht als Medium bezeichnet werden kann: Wird ein Spiel beispielsweise unter dem Aspekt der Methode, des Inhalts oder als Medium betrachtet? Er argumentiert, dass diese Frage nur unter Rückgriff auf die mit dem Einsatz verbundenen Intentionen und in Abhängigkeit zur jeweiligen Unterrichtssituation zu beantworten sei. Ein Wörterbuch kann z.B. als Hilfsmittel und Medium dienen, einen Text besser zu verstehen, es kann aber auch im Rahmen von Lernstrategietrainings Inhalt ei- 46 ner Stunde sein. Der Medienbegriff muss daher Meyer (1994/ 1987) zufolge theoretisch unbestimmt bleiben, die Bedeutung von Medienentscheidungen bei der Planung von Unterricht wird dadurch jedoch nicht geschmälert. Die didaktische Literatur bietet zahlreiche Klassifizierungen von Medien, die jeweils aus einem anderen Blickwinkel eine begründete Medienauswahl unterstützen sollen: es gibt traditionelle und neue Medien, wobei letztere heute längst nicht mehr neu und aus der Unterrichtsrealität nicht mehr wegzudenken sind. Es wird unterschieden in personale, nicht-personale und technische Medien oder in auditive, audio-visuelle und visuelle Medien. Weitere Klassifikationen werden hinsichtlich der Funktionen oder Wirkungen vorgenommen (Peterßen 2000). Bei der Unterrichtsplanung ist vor allem die Frage nach der Auswahl geeigneter Lehr- und Lernmittel zu beantworten, für die Peterßen (2000: 440f.) folgende Denkhilfen anbietet: 1) Ist dieses Medium eindeutig genug, um das intendierte Lernziel unmißverständlich erscheinen zu lassen? 2) Repräsentiert dieses Medium den intendierten Inhalt derartig isomorph, daß es eine optimale Erfahrungsgrundlage für den Lernprozeß schafft? 3) Ist dieses Medium attraktiv genug, um Aufmerksamkeit zu erregen? 2.4.5 Voraussetzungen und Folgen Die Entscheidungen bei der Planung von Unterricht sind in Abhängigkeit von Voraussetzungen zu treffen, die in Anlehnung an das Berliner Modell in zwei Komplexe unterteilt werden können: anthropologisch-psychologische Voraussetzungen, die alle Bedingungen umfassen, die durch die beteiligten Personen eingebracht werden, sowie sozio-kulturelle Voraussetzungen, die ihren Ursprung in sozialen, politischen und kulturellen Umständen haben (Peterßen 2000: 443ff.). Klafki lehnt sich später in seiner Bedingungsanalyse an die Überlegungen der Berliner Didaktik an, indem er für die Untersuchung der Ausgangsbedingungen der Lernenden und der Lehrperson sowie für die Analyse der institutionellen Bedingungen plädiert (Klafki 1980: 28f.). Andere Planungskonzeptionen sprechen sich für das Erfassen der Lernvoraussetzungen der Klasse bzw. einzelner Schüler/ innen aus (Kiper & Mischke 2009: 68) oder fassen die Bedingungsanalyse als Analyse der Schüler-, Schul- und Lehrpersonenvoraussetzungen zusammen (Arnold & Koch-Priewe 2010: 410). Meyer (2010a: 130) empfiehlt, bei der Analyse die vier Bedingungsfelder Lernvoraussetzungen der Schüler/ innen, Lehrvoraussetzung der Lehrperson, institutionelle Rahmenbedingungen sowie Richtlinien- und Fachvorgaben zu unterscheiden. Die Frage nach den inhaltlichen Anforderungen in Bezug auf das Curriculum werden auch bei Kiper & Mischke angeführt (2009: 68). Peterßen (2000: 452f.) unter- 47 scheidet zudem in dauerhaft wirksame Voraussetzungen, wie z.B. relativ beständige Besonderheiten in Bezug auf die Schule, die Klasse, die räumlichen Bedingungen etc., sowie besonders wirksame Voraussetzungen, wie z.B. Lernstand, Lernstil oder Lerntempo der Schüler/ innen, häuslich-familiäre Bedingungen, Ausstattung von Schule und Klassenraum und generelle Zeitströmungen und Zeitereignisse. Die Dimensionen der anthropologisch-psychologischen und soziokulturellen Folgen eines Unterrichtsgeschehens werden in Peterßens grafischer Darstellung des Berliner Modells dem Strukturgefüge des Unterrichts hinzugefügt (Peterßen 2000: 84), obwohl sie explizit so bei Heimann, Otto & Schulz (1965) nicht aufgeführt werden. Peterßen (2000) erweitert damit den Blick und stellt auf diese Weise die spiralförmige Bewegung von Unterrichtsplanung, -durchführung und -reflexion dar. Die Auswirkungen planerischer und unterrichtlicher Prozesse sind gleichzeitig Bedingungsfaktoren für die Planung darauf folgender Stunden oder Einheiten. Wesentlich hierbei ist die Reflexion von Unterricht, die dann wiederum eng mit der Bedingungsanalyse verschmelzt (vgl. auch Meyer 2010a: 223ff.). Die sechs Strukturmomente, die von Heimann (1962) als grundsätzliche Elemente jeglichen Unterrichts hervorgehoben wurden, können auch heute noch als Strukturierungshilfe für die Analyse und Planung von Unterricht dienen. Obwohl der Anspruch, damit eine formal konstante, allgemein gültige Struktur von Unterricht beschrieben zu haben, in Frage gestellt werden muss 5 , können die vier Dimensionen Ziele, Inhalte, Methoden und Medien sowie die zwei Ebenen der Bedingungsanalyse als allgemeines Raster dienen, das, wie Schulz formuliert: „über ihr Grundschema hinaus mühelos differenzierbar“ ist (1965: 23). Möglichkeiten der Differenzierung dieser Entscheidungsfelder wurden im Vorangegangenen beschrieben. Vor allem im Bereich der Methodik sind bei der Unterrichtsplanung zahlreiche Teilfragen zu beantworten, die je nach wissenstheoretischer Schwerpunktsetzung einzelner Planungskonzeptionen unterschiedliche Gewichtung erfahren. Die integrative Didaktik von Kiper & Mischke betont z.B., dass vor allem eine Lernstrukturanalyse durchgeführt werden müsse, in der Lernwege und Lernprozesse durchdacht und unter Rückgriff auf Basismodelle des Lernens zielführende Aktivitäten für die Schüler/ innen konzipiert werden (Kiper & Mischke 2009; Kiper 2011). Meyer stellt die Frage 5 Jank & Meyer verweisen hier darauf, dass aus der historischen Distanz heraus nicht von einer zeitlos gültigen Struktur ausgegangen werden könne. Die Betonung der Medien ist z.B. ein Produkt jener Zeit (s.o.). Das Raster wird zudem nur aus der Perspektive der Lehrperson beschrieben. Entscheidungen der Lernenden werden nicht integriert Jank & Meyer (2005: 264). 48 nach der Auswahl und der Gestaltung geeigneter Aufgaben in das Zentrum seiner Planungskonzeption. Der Aufgabenbegriff ist hier ein Integrationsmoment, in dem alle Dimensionen (Ziele, Inhalte, Raum-, Zeit-, Sozial- und Handlungsstruktur) aufeinander bezogen werden (Meyer 2010a: 182ff.). Die Interdependenz der Entscheidungsfelder wird immer wieder als zentraler Grundgedanke aller Planungsüberlegungen hervorgehoben. Damit wird auch die Frage nach der Gewichtung einzelner Planungsentscheidungen berührt, die jedoch vor dem Hintergrund der wechselseitigen Beeinflussung der Planungsdimensionen nicht zugunsten einer bestimmten Dimension beantwortet wird (Schulz 1965; Meyer 2010a; Peterßen 2000). 2.5 Planungsschritte Die Entscheidungsfelder finden sich in den meisten Planungsanleitungen in Form von Fragestellungen und Analysen wieder, durch deren Bearbeitung das Planen von Unterricht unterstützt werden soll. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass tatsächliche Planungsprozesse deutlich komplexer und unsystematischer sind, wird vor allem in der Lehrer/ innenausbildung mit Schemata und Rastern gearbeitet, um Studierenden und Referendar/ innen durch vorgegebene Schrittfolgen das Planen zu erleichtern. Ein beliebiges In-Betracht-Ziehen einzelner Faktoren wird gerade zu Beginn der Lehrtätigkeit als Überforderung gesehen. In Form von vorstrukturierten tabellarischen Rastern bzw. mehr oder weniger ausführlichen schriftlichen Unterrichtsentwürfen werden daher Überlegungen angeregt und eingefordert, die sowohl planerisches didaktisches Denken üben als auch eine Grundlage für die weitere Auseinandersetzung damit liefern sollen. Auf die verschiedenen Funktionen, die diese Unterrichtsskizzen erfüllen und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind, wird in Kapitel 3.3 noch genauer eingegangen. Bezüglich einer Reihenfolge der zu treffenden Entscheidungen wird meist davon ausgegangen, dass sich die einzelnen Planungsdimensionen auf einer Ebene befinden und demnach in beliebiger Reihenfolge durchdacht werden können. Es sei geradezu von Vorteil, häufig die Perspektive zu wechseln (Gonschorek & Schneider 2009: 282). Meyer (2010a: 100) verwendet das Bild einer Spirale, die Planungshandeln schleifenförmig beschreibt: „Das ist kein Schaden, sondern umgekehrt eine der Voraussetzungen für die Kreativität der Planung“. Glöckel (1989: 19) warnt davor, durch eine vorgegebene Reihenfolge ein hemmendes Korsett zu schaffen: „Dem Planenden sollen möglichst viele der zu berücksichtigenden Faktoren gegenwärtig sein, ohne dass dadurch der Gang seiner Überlegungen eingeengt wird." Dennoch werden vielfach einzelne Schritte aufgeführt, die entweder eine Reihenfolge implizieren (z.B. 49 Gonschorek & Schneider 2009; Wiater 2011) oder sie explizit - meist als Hilfsangebot für angehende Lehrende - vorschlagen (z.B. Koeppel 2010; Meyer 2010a; Peterßen 2003). In leicht variierender Form regen Planungsanleitungen die gezielte Auseinandersetzung mit den von Heimann, Otto & Schulz formulierten vier Planungsdimensionen (Ziele, Inhalte, Methoden, Medien) sowie den Bedingungen von zu planendem Unterricht in Form von folgenden Analysen an: • Sachanalyse: Untersucht wird hier der Stundeninhalt. Zu unterscheiden ist die Forderung nach einer vorpädagogischen, rein fachwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand (z.B. Gonschorek & Schneider 2009; Wiater 2011) und eine schon an den Lernenden orientierte pädagogische Sachanalyse (z.B. Klafki 1980; vgl. Kap. 2.2). • Analyse der Lernvoraussetzungen: Es werden Informationen gesammelt über die Klassensituation, den Lernstand der Gruppe, individuelle Voraussetzungen einzelner Lernender, räumliche Bedingungen, die Ausstattung der Schule, bestehende Lehr- und Lernkonzepte an einer Schule, zeitliche Rahmenbedingungen etc. (Gonschorek & Schneider 2009: 292ff.; Peterßen 2003: 15ff.; Wiater 2011: 199ff.). • Didaktische Analyse: Der Begriff der didaktischen Analyse wird unterschiedlich verwendet. Planungskonzeptionen, die sich an Klafkis Didaktische Analyse anlehnen, geht es an dieser Stelle darum, die Auswahl des Lehrinhalts darzulegen und zu begründen sowie den Bildungsgehalt des Inhalts herauszustellen. Um die Auswahl der Inhalte als bildend zu legitimieren, wird auf Klafkis Fragen nach der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung, der Exemplarität, der Struktur des Inhalts sowie dessen Zugänglichkeit verwiesen (Gonschorek & Schneider 2009: 294ff.; Koeppel 2010: 386ff.). Andere Konzeptionen entfernen sich vom bildungstheoretischen Kontext und sehen die Didaktische Analyse der Kompetenzorientierung verpflichtet. Lehr-Lern-Inhalte werden so durchdacht und mit den Lernenden in Beziehung gesetzt, dass entsprechende Kompetenzen gefördert werden. Es wird gefragt nach der Auswahl, der Anordnung, der Vermittlung der Inhalte sowie nach der Überprüfung der Ergebnisse (Wiater 2011: 204ff.). Arnold & Koch-Priewe (2010) als auch Kiper & Mischke (2009) vertreten ein breiteres Verständnis von Didaktischer Analyse und subsumieren darunter u.a. auch die Analyse der Lernvoraussetzungen, die Zielbestimmung und die konkrete methodische Planung einzelner Unterrichtssequenzen (s. Kap. 2.3). • Lernzielanalyse: Hier gilt es zu überdenken, welche Teilkompetenzen in der geplanten Stunde gefördert werden sollen, um längerfristige Ziele zu erreichen. Es wird oftmals unterschieden in Richt-, Grob-, Teil- und Feinziele 50 (Wiater 2011: 211), Ziele können verschiedenen Kompetenzbereichen zugeordnet werden (fachlich-sachliche, methodische, soziale und personale Kompetenzen, Gonschorek & Schneider 2009: 305). • Verlaufsplanung und Methodenbegründung: In enger Verbindung zu den angestrebten Lernzielen wird eine Verlaufsstruktur erarbeitet, indem Lernsituationen in eine didaktischsowie sachlich-logische Abfolge gebracht werden. Bleibt die didaktische Analyse eher allgemein und stärker inhaltsbezogen, werden an dieser Stelle einzelne methodische Schritte, die Wahl der Medien und Sozialformen, Differenzierungsmöglichkeiten, Vermittlungshilfen, Alternativen und Lernzielkontrollen reflektiert, geplant und begründet (Gonschorek & Schneider 2009: 308). Die Medienfrage ist oftmals Teil der Verlaufsplanung (z.B. Gonschorek & Schneider 2009; Peterßen 2003). Koeppel (2010) führt in Anlehnung an das Berliner Modell eine mediale Analyse als eigenständigen Punkt auf. Das Resultat einer auf diese Weise durchgeführten ausführlichen Unterrichtsplanung ist i.d.R. eine verkürzte und auf wesentliche Aspekte reduzierte Zusammenfassung in Form einer tabellarischen Verlaufsskizze, die der Lehrperson als Unterstützung während der Durchführung der Stunde dienen sowie evtl. Beobachtenden einen Überblick über die geplante Stunde gewähren kann. Geht es weniger um das Erstellen eines schriftlichen Unterrichtsentwurfs, werden vereinzelt auch Anleitungen gegeben, die sich eher auf der Handlungsebene bewegen. So formuliert Bennack (2004: 87ff.) einzelne Schritte der Unterrichtsplanung, angefangen bei der Idee für eine Stunde, über weitere Schritte wie das Orientieren (Voraussetzungen erfassen, Aufgabenmöglichkeiten durchdenken), Abstimmen (Schüler/ innen einbeziehen), Bestimmen (Inhalte analysieren und auswählen, Methoden und Medien bedenken, didaktische Prinzipien beachten etc.), Ziele setzen, Anordnen (Thema gliedern, Phasen, Sozialformen festlegen), Arrangieren (vor Ort Voraussetzungen schaffen), Durchführen (unterstützt durch die Verlaufsplanung), Reflektieren und Archivieren. Auch diese Aufstellung geht von einem chronologischen Ablauf aus. Letztlich finden sich auch in diesen Schritten die grundlegenden Entscheidungsfelder wieder, wobei der Fokus hier stärker auf die planende Tätigkeit als auf den Unterrichtsentwurf als Endprodukt der Planung gerichtet ist. Es lässt sich zusammenfassen, dass Planungskonzeptionen und noch konkreter werdende Planungsanleitungen Schritte, Schrittfolgen und Analysen vorschlagen, in denen sich die oben skizzierten Entscheidungsfelder wiederfinden. Unterschiede werden bezüglich der Reihenfolge der einzelnen Schritte gemacht, es werden z.T. verschiedene Gruppierungen von Fragestellungen vorgenommen und innerhalb dieser Gruppen Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt. Diese Vorgaben, so hebt Meyer hervor (2010a: 102), spiegeln immer auch 51 Einstellungen und Auffassungen vom Lehren und Lernen wieder, die diesen Konzeptionen zugrunde liegen. Diese sollten in der Lehrer/ innenausbildung thematisiert und auch auf individueller Ebene als Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit eigenen Einstellungen und Präferenzen verstanden werden (vgl. Meyer 2010a: 100ff.). Trotz vereinzelter Bemühungen, Unterrichtsplanung stärker als Tätigkeit zu beschreiben (vgl. Bennack 2004) wird beklagt, dass es selten als Handlung betrachtet wird, die es zu erforschen und zu beschreiben gilt, um das Planen letztlich auch lehren und lernen zu können: Eine Vielzahl der vorliegenden Planungsmodelle hat insofern Schwächen, als in ihnen das Vorgehen beim Planen selbst kaum berücksichtigt wird (vgl. Bromme/ Seeger 1979: 5). Eine Theorie der Unterrichtsplanung sollte auf die förderlichen Denkprozesse zielen, die Lehrkräfte beim Planen von Unterricht vollziehen müssen. (Kiper & Mischke 2009: 36) Kiper & Mischke (2009) machen damit u.a. deutlich, dass empirische Forschungsergebnisse zum alltäglichen Planungshandeln von Lehrenden dringend notwendig sind, um Planungsprozesse besser zu verstehen. Die didaktischen Modelle zur Unterrichtsplanung sowie sich darauf beziehende und die traditionellen Modelle weiterentwickelnden Konzeptionen aus dem Bereich der allgemeinen Didaktik stellen die Grundlage für Empfehlungen oder Richtlinien zur Vorbereitung von Fachunterricht dar. Obwohl auch in der Allgemeinen Didaktik verstärkt nach einer fachspezifischen Betrachtung einzelner Phänomene verlangt wird, scheint es in den Fachdidaktiken selbst Themenbereiche zu geben, die eher beiläufig behandelt bzw. mit Verweisen auf die Erziehungswissenschaften umgangen werden. Dazu kann neben Aspekten wie z.B. Motivation, innerer Differenzierung oder Überlegungen zur Lernstruktur vor allem auch die Planung von Unterricht gezählt werden. Im Folgenden soll der Blick auf den Themenkomplex der Unterrichtsvorbereitung innerhalb der Fremdsprachendidaktik gerichtet werden. Dabei steht vor allem die Art der Darstellung in der fachdidaktischen Literatur im Fokus. Auf die Empirie zur Unterrichtsplanung wird daran anschließend in Kapitel 4 eingegangen. 53 3 Unterrichtsplanung und die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden 3.1 Unterrichtsplanung in der fremdsprachendidaktischen Theorie Die Thematik der Unterrichtsplanung spielt im Bereich der fremdsprachendidaktischen Theorie eine verhältnismäßig marginale Rolle. Nur vereinzelt widmen sich Grundlagenwerke oder Handbücher diesem Thema, der größere Teil der fremdsprachendidaktischen Überblicksliteratur enthält keine expliziten Ausführungen dazu: das Handbuch Englisch-Methodik (Lütge 2014), das Handbuch Fremdsprachendidaktik (Hallet & Königs 2010) wie auch die Einführung Fremdsprachendidaktik (Decke-Cornill & Küster 2009), die Neuauflage von Englischunterricht: Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis (Bach & Timm 2009a), das Buch Fremdsprachenerwerb, Fremdsprachendidaktik (Roche 2008), das Handbuch Fremdsprachenunterricht (Bausch et al. 2007), die Introduction to English Language Teaching (Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004) sowie Weskamps Fachdidaktik: Grundlagen und Konzepte (2001) beinhalten keine Kapitel oder Unterpunkte zur Unterrichtsplanung. Die geringe Beachtung des Themas mag darauf zurückzuführen sein, dass die Planung von Unterricht per se alle den Fachunterricht betreffenden Themenbereiche berührt, daher scheinbar immer implizit mitgedacht wird und entsprechend keine extra Thematisierung erfährt. Andererseits ist Unterrichtsplanung ein zentraler Bestandteil der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung und Inhalt vieler Lehrveranstaltungen sowie Gegenstand zahlreicher nicht publizierter Handreichungen, die Ausbildungsinstitutionen den Studierenden oder Lehramtsanwärter/ innen an die Hand geben. Einige Handbücher, wie die Grundlagenwerke Fachdidaktik: Englisch von Haß et al. (2006a) und Fachdidaktik: Französisch (Grünewald & Nieweler 2006), Gehrings Einführung in die Englische Fachdidaktik (2010), das Praxishandbuch Englischdidaktik (Klippel & Doff 2007) sowie Thalers Publikation Englisch unterrichten (2012) gehen kurz auf die Planung von Englischunterricht ein. Die englischsprachigen Publikationen im ELT-Bereich beinhalten in den meisten Fällen etwas ausführlichere Überlegungen zur Planung von Unterrichtsstunden und -einheiten (Harmer 2007b; Hedge 2000; Scrivener 2011). Umfangreiche fachspezifische Auseinandersetzungen mit der Thematik in 54 Form von Monographien finden nur in Dieter Mindts Unterrichtsplanung Englisch für die Sekundarstufe I (1995) 1 sowie in Tessa Woodwards Planning Lessons and Courses (2001) statt. 3.2 Aspekte der Planung aus fremdsprachendidaktischer Sicht In der Auflistung der den Fremdsprachenunterricht bestimmenden und für die Planung zu berücksichtigenden Aspekte dominiert auch auf der Ebene des Fachunterrichts die allgemeindidaktische Trias von Ziel - Inhalt - Methode. Im deutschsprachigen Raum lehnen sich Autorinnen und Autoren meist direkt oder indirekt an die Planungskonzeptionen der Allgemeinen Didaktik an und übernehmen generelle Begrifflichkeiten und Konzepte (vgl. Bimmel et al. 2011; Gehring 2010; Haß et al. 2006a; Klippel & Doff 2007; Mindt 1995; Koeppel 2010). Im Kontext der Lehrer/ innenausbildung stehen Studierende während der Planung von Unterricht bzw. der Ausarbeitung schriftlicher Unterrichtsentwürfe jedoch oftmals vor dem Problem, genau spezifizieren zu müssen, welche Inhalte, Ziele, Methoden, Medien etc. für eine Englischstunde relevant sind. Die Termini, mit denen in diesem Zusammenhang operiert wird, sind oftmals schwer voneinander abzugrenzen, was möglicherweise eine Spezifik des Fremdsprachenunterrichts ist, in dem wie in keinem anderen Fach das Unterrichtsmedium (die Zielsprache) auch gleichzeitig Ziel sowie Gegenstand des Unterrichts darstellt. Weitere Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen zwischen Unterrichtsinhalten und Zielen, zwischen Unterrichtsthema und -inhalt, zwischen Inhalt und Medien, zwischen Medien und Methode. Im Folgenden sollen daher die zentralen Entscheidungsfelder für die Planung von Englischunterricht definiert und spezifiziert werden, um bei der Auswertung der Daten mit planungsspezifischen Termini arbeiten zu können, die für den Kontext der vorliegenden Arbeit klar umrissen sind. 3.2.1 Ziele, Standards und Kompetenzen Die durch die Ergebnisse der OECD-Studien ausgelöste Diskussion um Standards und Kompetenzen und die daran anschließenden Entwicklungen auf europäischer sowie nationaler Ebene sind vor allem für die Zielbestimmung von fremdsprachlichem Unterricht von Bedeutung. Mit dem Erscheinen des Ge- 1 Dieter Mindts Unterrichtsplanung Englisch für die Sekundarstufe I ist erstmals 1979 erschienen, wurde 1995 neu bearbeitet, seither sind unveränderte Nachdrucke in mehreren Auflagen erschienen (aktuelle 4. Auflage: 2006). 55 meinsamen Europäischen Referenzrahmens (GeR) (Europarat / Rat für kulturelle Zusammenarbeit 2001), den Bildungsstandards für den Hauptschulsowie den Mittleren Schulabschluss für die erste Fremdsprache (Kultusministerkonferenz 2004a; Kultusministerkonferenz 2004b) und den darauf aufbauenden neuen Lehrplänen (z.B. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2004) liegen nun umfangreiche Beschreibungen von Kompetenzen, Teilkompetenzen und Kompetenzniveaus sowie verbindliche Vorgaben vor, an denen sich schulischer Fremdsprachenunterricht zu orientieren hat. Es geht nun weniger darum, aus den in (früheren) Lehrplänen vorgegebenen Inhalten adäquate Unterrichtsziele abzuleiten, sondern vielmehr darum, die durch Standards und Kompetenzerwartungen vorgegebenen Ziele so in Teilziele und zu erreichende Teilkompetenzen zu zerlegen, dass entsprechende Inhalte ausgewählt und Lehr- und Lernwege geplant werden können. Die Orientierung an zu erreichenden fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen geht gewissermaßen einher mit einer „Umdrehung der Planung“, wie Caspari es formuliert, in der nun stärker als zuvor Unterricht vom Resultat her zu planen ist (Caspari 2009: 75). Diese scheinbar geringfügige Änderung (denn auch früher ging man von Zielen aus) hat jedoch zur Folge, dass weniger nach der herkömmlichen Sequenzierung von Einführung - Übung - Anwendung - Transfer vorgegangen wird, sondern ein Kompetenzbzw. ein Teilziel und die zu dessen Erreichung geplante Aufgabe im Mittelpunkt stehen und von dort aus überlegt wird, welchen Input und welche Unterstützung die Lernenden jeweils benötigen, um Aufgaben lösen und Teilziele erreichen zu können (Caspari 2009: 76). Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch und Französisch) beschreiben in Anlehnung an den GeR kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen, über die Schülerinnen und Schüler am Ende der Real- oder Hauptschule verfügen sollen (Kultusministerkonferenz 2004b: 9ff.). Der Kompetenzbegriff ist hier umfassender zu verstehen als die klassischen Fertigkeiten (obwohl das Kompetenzstrukturmodell noch von den vier klassischen Fertigkeiten Hör- und Hör-/ Sehverstehen, Leseverstehen, Sprechen, Schreiben plus Sprachvermittlung spricht) (Caspari 2009; Leupold 2010). Kompetenzen schließen Wissen und Können gleichermaßen ein und sind auf das Bewältigen verschiedener Situationen gerichtet: “… the concept of competence refers to an individually or interindividually available collection of prerequisites for successful action in meaningful task domains“ (Weinert 1999: 5). Nach Weinert sind Kompetenzen mehrdimensional und umfassen „Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Motivation, aber auch volitionale (Absicht, Bereitschaft) und soziale Aspekte ebenso wie Erfahrung und konkretes Handeln“ (Hu et al. 2008: 3). 56 Auf der Ebene der Planung einzelner Unterrichtsstunden, die im Rahmen dieser Arbeit im Fokus steht, geht es folglich darum, aus den Zielen längerfristiger Planung und aus den Grobzielen, wie sie u.a. von Lehrplänen vorgegeben werden, Feinziele abzuleiten. Scrivener unterscheidet in procedure und achievement aims (2005: 124f.). Letztere sind operationalisierte Feinziele, die angeben, was die Lernenden tun müssen, um zu zeigen, dass sie das Lernziel erreicht haben und woran dieser Lernerfolg gemessen werden kann. Achievement aims sind der bloßen Beschreibung von Vorgehensweisen (procedure aims) vorzuziehen, da es vor allem für unerfahrene Lehrpersonen sinnvoll ist, sich durch das Formulieren von Feinzielen bewusst zu werden, was in einer Stunde erreicht werden soll, welche Aktivitäten zur Erfüllung dieser Ziele beitragen können und wie man als Lehrperson erkennt, dass Ziele erreicht wurden. Die auf diese Weise erfolgende Lernzielbestimmung verdeutlicht die Interdependenz von Ziel, Inhalt und Methode, denn sie umfasst Entscheidungen auf mehreren Ebenen: die Auswahl der Inhalte wird verknüpft mit methodisch-organisatorischen Aspekten und Fragen der Überprüfbarkeit (vgl. Mindt 1995: 90f.). Scrivener macht jedoch auch transparent, dass erfahrene Lehrende Zielentscheidungen oftmals nicht explizit ausformulieren: “the pre-lesson statement of aims is basically a training tool“ (Scrivener 2005: 124). In Anlehnung an die Kann-Beschreibungen im GeR wird im Kontext der Lehrer/ innenausbildung angeregt, Ziele aus der Sicht der Lernenden zu formulieren (z.B. Die Lernenden können einen kurzen Zeitungstext überfliegen und zeigen, dass sie ihn grob verstanden haben, indem sie true/ false statements richtig beantworten) (vgl. Haß et al. 2006a: 259). Es darf jedoch auch nicht übersehen werden, dass nicht alle Ziele, die im Fremdsprachenunterricht verfolgt werden, derart operationalisierbar sind (z.B. affektive Lernziele) (Mindt 1995: 91). Diese Problematik führte auch zu heftiger Kritik an den Bildungsstandards, denn schwer messbare Kompetenzen, wie z.B. interkulturelle Kompetenz, laufen dadurch Gefahr, vernachlässigt zu werden (Hu et al. 2008; Leupold 2010). 3.2.2 Unterrichtsinhalte und Themen Die Auseinandersetzung mit den Themen und Inhalten des Fremdsprachenunterrichts ist komplex und vermutlich facettenreicher als in anderen Fächern. Es kristallisieren sich zwei grundlegende Fragenkomplexe heraus, die eng miteinander verbunden sind, hier jedoch zunächst getrennt voneinander erörtert werden sollen. Die erste Frage bezieht sich auf die Schwierigkeit einer Begriffsbestimmung: 1) Was ist mit Inhalt (bzw. Thema) eigentlich gemeint? Die zweite Frage wird vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Standard- und Ergebnisorientierung diskutiert: 2) Anhand welcher Inhalte gilt es, die durch KMK und Lehrpläne vorgegebenen Kompetenzen zu erwerben? 57 Der Inhaltsbegriff ist im Kontext Fremdsprachenunterricht nicht leicht zu fassen, da er historischen Veränderungen unterliegt und im Laufe der Zeit Erweiterungen und Verschiebungen erfahren hat (Klippel 2009; Vollmer 2009). In der fachdidaktischen Literatur wird vielfach von Inhalten gesprochen, ohne genau zu definieren, was unter Begriffen wie zu vermittelndem Stoff, Sachverhalten, und Unterrichtsgegenständen eigentlich verstanden wird (z.B. Gehring 2010: 182f; Haß et al. 2006a: 72). Auch Formulierungen, wie z.B. der Unterrichtsinhalt sei „die sachliche Informationsgrundlage und der Gegenstand der Aneignung für das Erreichen der Unterrichtsziele“ (Haß et al. 2006a: 72) lässt offen, was genau darunter zu verstehen ist. Betrachtet man sowohl deutschals auch englischsprachige Ausführungen, die detaillierter beschreiben, was als Unterrichtsinhalt im Fremdsprachenunterricht gelten kann, deutet sich eine Zweiteilung an. So unterscheidet z.B. Penny Ur (1996: 197) in language content, also Inhalte sprachlicher Art wie Lexik, Grammatik, Fertigkeiten (skills) etc. und topic content, im Sinne von Themen, die mittels Fremdsprache bearbeitet werden. Darunter zählt sie: zero or trivial content (z.B. inhaltliche wenig bedeutungsvolle Sätze über fiktive Charaktere), the language (Kommunikation über die Sprache), another subject of study, home culture, culture associated with the target language, literature of the target language, world or general knowledge, moral, educational, political or social problems, the learners themselves (Ur 1996: 198). Eine ähnliche Unterteilung in language und topic nimmt Scrivener vor (2011: 124ff.). Er spricht bezüglich des Stundeninhalts auch von teaching point und meint damit: „the subject matter of the lesson - the skills or language areas that will be studied and the topics you will deal with“ (Scrivener 2011: 124). Woodward fasst die Beschäftigung mit den Unterrichtsinhalten mit der Frage “What can go into a lesson? “ zusammen (2001: 73ff.). Folgende items können Woodward zufolge Gegenstand von Fremdsprachenunterricht sein: classes and people (z.B. die Thematisierung von Regeln zur Arbeit in Gruppen), language patterns (Lexik, Grammatik, Sprachfunktionen), language skills, situations (z.B. “at the railway station”), topics and themes, literature, culture, study skills and other subjects. Werden andere Fächer zum Inhalt des Fremdsprachenunterrichts gemacht, bewegen wir uns im Bereich des Content and Language Integrated Learning. In Mindts Anleitung zur Unterrichtsplanung stehen eher die sprachlichen Inhalte im Zentrum. Schwerpunkte des Englischunterrichts stellen für ihn Wortschatzarbeit, Arbeit mit grammatischen Strukturen, Textarbeit, Arbeit mit phonologischen Elementen und Arbeit mit Sprachfunktionen dar (1995: 145ff.). Interkulturelle oder literarische Inhalte, Lernerstrategien oder Inhalte anderer Fächer werden hier nicht als Analyseschwerpunkte besprochen. Es kann zusammengefasst werden, dass sich die Inhalte von Fremdsprachenunterricht einerseits auf Sprache, andererseits auf Themen beziehen: 58 Zu den Inhalten gehört im Prinzip alles, was Gegenstand des Unterrichts ist, d.h. sowohl die Sprache selbst (Aussprache, Morphologie, Syntak, Lexik etc.) als auch soziokulturelle Themen (Literatur, Film, Musik etc.). (Aguado 2009: 10) Dabei sind Sprache und Thema immer eng verbunden, denn nur durch bedeutungsvolle thematische Inhalte kann sinnvoll mit und durch Sprache gehandelt werden. In Abgrenzung zum Inhaltsbegriff bezeichnet das Thema einer Unterrichtsstunde folglich das, „worüber gedacht, gesprochen und/ oder gelesen werden kann“ (Edmondson 2009: 51). Themen sind Ausschnitte der gesellschaftlichen Realität, sie schaffen Kommunikationsanlässe, innerhalb derer sprachliche Handlungsfähigkeit erlernt werden kann, „sie sind der Aufhänger für den eigentlichen Lerngegenstand einer transferierbaren Kompetenz“ (Vollmer 2009: 182, Hervorh. im Orig.). Der thematische Aspekt der Inhaltsfrage steht vor allem im Mittelpunkt der durch die Kompetenz- und Ergebnisorientierung ausgelösten Debatte innerhalb der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik, die die zweite der oben skizzierten Fragen berührt: In der aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskussion nehmen die Setzung von Kompetenzzielen und die Überprüfbarkeit der Zielerreichung einen breiten Raum ein. Es stellt sich damit aber zugleich die Frage, an welchen Inhalten und Themen die Kompetenzen ausgebildet werden sollen. […] Es drängt sich zur Zeit der Eindruck auf, als könnten die Kompetenzen an beliebigen (letztlich austauschbaren! ) Inhalten erworben werden. (Hu et al. 2008: 6) Die Fokussierung der Fachdiskussion auf Standards und die formale Setzung von Kompetenzerwartungen werden seit den Beschlüssen der KMK (2004b, 2004c) mit einiger Skepsis verfolgt und es wird zunehmend danach gefragt, wie Vermittlungsprozesse und Rahmenbedingungen gestaltet und an und mit welchen Inhalten gelernt werden müsste, um Kompetenzen auch erreichen zu können (als Dokumentation dieser Debatte vgl. die Arbeitspapiere zur 29. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts Bausch et al. 2009). Während einige Stimmen aufgrund der Ergebnisorientierung eine „inhaltsleere Sackgasse“ befürchten, stellt die Offenheit für Andere die Möglichkeit dar, Inhalte an Lebenswelten, gesellschaftlich-politischen Entwicklungen oder Interessen und individuellen Bedürfnissen anzupassen sowie Lernende mitbestimmen zu lassen (Aguado 2009: 10; Hufeisen 2009: 78). Andere Autorinnen und Autoren betonen, dass Sprache nicht inhaltsleer gelernt und verwendet werden kann, da Sprache und Inhalt per se miteinander verbunden sind (Legutke 2009: 132). 59 Insgesamt zeigt sich in diesem Diskurs, der hier nicht im Detail nachgezeichnet werden kann, dass die Frage nach der Auswahl geeigneter Inhalte einerseits als auch der Inhaltsbegriff selbst andererseits noch nicht hinreichend geklärt sind (vgl. Hu et al. 2008: 6; Hufeisen 2009: 80; Vollmer 2009: 180ff.). Ein Grund dafür mag in der Spezifik des Fremdsprachenunterrichts liegen. Hu et al. (2008) resümieren diesbezüglich in einem Positionspapier des Vorstandes und Beirats der DGFF: Im Vergleich mit bzw. im Gegensatz zu anderen Fächern ist es in den Fremdsprachen schwieriger, den Kern des Fachwissens bzw. der notwendigen Auswahl relevanter Inhalte genauer zu identifizieren. Dieser lässt sich offensichtlich nicht leicht durch gemeinsame wissenschaftliche Traditionen oder durch Konsensbildung bestimmen. (Hu et al. 2008: 7) Legutke schlägt vier inhaltliche Bereiche vor, die für den Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sein sollten: die Welt der Lernenden, die Welt der Zielkulturen, die Zielsprache und der Lehr- und Lernprozess (2009: 133) - eine Einteilung, in der sich auch Urs oder Woodwards Bestimmung von Unterrichtsinhalten wiederfindet (s. o.). 3.2.3 Methodische Entscheidungen In der Fremdsprachendidaktik wird unter dem Stichwort Methode oftmals zunächst auf traditionelle und alternative methodische Ansätze verwiesen, die den Fremdsprachenunterricht bisher maßgeblich prägten (Grammatik-Übersetzungsmethode, direkte bzw. vermittelnde Methode, audiolinguale und audiovisuelle Methode, der kommunikative Ansatz, der interkulturelle Ansatz, Suggestopädie, Total Physical Response u.a.) (vgl. Grünewald & Nieweler 2006; Haß et al. 2006a; Haß 2010; Richards & Rodgers 2001; Thaler 2012). Methoden als „planmäßig und zielgerichtet gestaltete Wege des Unterrichtens“ (Haß 2010: 151) können nach Grad ihrer Komplexität in Makro-, Meso- und Mikromethoden eingeteilt werden (Meyer 2010a: 44ff.; s. auch Haß 2010). Auf makromethodischer Ebene befinden sich die oben genannten "großen Methoden". Methodenentscheidungen auf mesodidaktischer Ebene erfordern Überlegungen hinsichtlich spezifischerer Aspekte, wie z.B. die Wahl bestimmter Sozialbzw. Arbeitsformen oder Lehr- und Lerntechniken, die Sequenzierung von Unterricht, das Konzipieren von Aufgaben, die Raumgestaltung, die Medienwahl etc.. Mikromethodische Fragen betreffen eher das im Englischen auch als classroom management bezeichnete Handeln während der Durchführung von Unterricht, d.h. die praktische Umsetzung der Entscheidungen auf der Ebene darüber. Hier gilt es zu durchdenken, wie z.B. Gruppen gebildet, Tische und Stühle im Raum angeordnet, Aufgaben formuliert, für Ruhe gesorgt oder Aufmerksamkeit erzeugt werden können (Scrivener 2005: 79f.). 60 In den wenigen fremdsprachendidaktischen Ausführungen zur Unterrichtsplanung wird einigen Aspekten besondere Beachtung geschenkt: Dies betrifft vor allem die Sequenzierung des Unterrichtsverlaufs und die Orientierung an Aufgaben, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen. 3.2.3.1 Den Stundenverlauf planen - Phasenmodelle im FSU Ein zentraler Aspekt, der vielfach im Kontext von Unterrichtsplanung thematisiert wird, ist die Gestaltung des Stundenverlaufs, d.h. die Unterteilung einer Stunde in einzelne Abschnitte oder Unterrichtsphasen, die so aufeinander aufbauen, dass sie einer bestimmten Logik folgen, der Erreichung von gesetzten Zielen dienen und für die Lernenden nachvollziehbar sind. Es wird diesbezüglich auch von Artikulation, Phasierung oder Sequenzierung des Unterrichts gesprochen (vgl. Kap. 2.4.3). Die verschiedenen Phasenmodelle basieren auf Überlegungen hinsichtlich der Frage, wie Fremdsprachen im Unterrichtskontext gelernt werden bzw. wie Lernen im Allgemeinen funktioniert. Woodward (2001) bringt diese Thematik in einer Kapitelüberschrift auf den Punkt: “How do people learn so how can we teach? ” und auch Scrivener formuliert: “Planning becomes a lot easier if you have a clear idea as to how you think that people learn” (Scrivener 2011: 125). Auch in neueren allgemeindidaktischen Planungskonzeptionen wird die Auseinandersetzung mit Lernprozessen und deren optimale Gestaltung bzw. Unterstützung stärker in den Fokus gerückt. So fordern Kiper & Mischke (2009: 103ff.) eine Lernstrukturanalyse, die dazu dient, sich zu vergegenwärtigen, welches Basismodell des Lernens in der geplanten Stunde im Mittelpunkt stehen wird. Sie gehen in Anlehnung an Aebli (1981) sowie Oeser und Baeriswyl (2001) von folgenden grundlegenden Basismodellen aus, für die jeweils entsprechende Methoden relevant sind: Erfahrungen machen, Wissen erwerben, Reflexion über Inhalte und Werte, Handeln in der äußeren Welt, mentales Handeln, Problemlösen und Entdecken, Argumentieren im Diskurs und beim Aushandeln, Gestalten/ Ausdrücken durch Worte und Schrift oder durch kreative Medien (s. auch Kiper & Mischke 2004; Kiper 2011). Im allgemeinsowie im fremdsprachendidaktischen Kontext wird seit langem ein Dreischritt propagiert, dem - in leichter Variation bezüglich z.B. Anfang und Ende einer Phase - eine ähnliche Vorstellung von Lernen zugrunde liegt: Es wird davon ausgegangen, dass Inhalte (Sprachmaterial, Sachinhalte etc.), in einer Phase die mit Begriffen wie presentation, input, Darbietung, Neuvorstellung, Sprachaufnahme bezeichnet wird, präsentiert oder dargeboten werden. Der Inhalt wird von den Lernenden nachvollzogen und mental verarbeitet (learning, practice, Erarbeitung, Semantisierung, Sprachverarbeitung, Reproduktion) und anschließend geübt und verwendet (use, output, produc- 61 tion, Transfer, Übung und Vertiefung, Sprachanwendung). In der Fremdsprachendidaktik fand bisher das Drei-Phasen-Modell von Zimmermann, das in Sprachaufnahme - Sprachverarbeitung - Sprachanwendung (1969: 245) unterteilt, vielfach Verwendung. Auch Mindts (1995) Anleitung zur Unterrichtsplanung im Fach Englisch entspricht der Strukturierung Zimmermanns. Im Englischen wird dieses Artikulationsschema als ppp-Modell beschrieben (presentation - practice - production). Der Dreischritt ist sowohl in der Unterrichtspraxis als auch in der Lehrer/ innenausbildung fest verankert, gleichzeitig wird er zunehmend kritisiert und hinterfragt. Vor allem Vertreter/ innen des task-based language learning (tbll) verweisen auf Problempunkte, die mit dem ppp-approach verbunden sind und dringend überdacht werden sollten. Dies betrifft u.a. die im Drei-Phasen-Modell implizierte Linearität des Lehrbzw. Lernprozesses, die Lehrerzentriertheit des Modells, die Annahme, Lernende würden im Gleichschritt dargebotene Inhalte aufnehmen und sie dann, relativ zeitnah, (re-)produzieren können, die geringe Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit der Lernenden sowie die geringe Berücksichtigung von Individualisierung und Differenzierung (Bleyhl 1998; Haß et al. 2006a; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004; Skehan 1996; Willis 1990). Als alternatives Phasenmodell neben dem dreistufigen ppp-Ansatz hat das task-based language learning (tbll) seit nunmehr einigen Jahrzehnten einen festen Platz in der fremdsprachendidaktischen Grundlagenliteratur eingenommen (vgl. Decke-Cornill & Küster 2009; Gehring 2010; Harmer 2007b; Haß et al. 2006a; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004; Weskamp 2001). Im Vordergrund steht hier das Lernen durch die Bearbeitung von lebensnahen kommunikativen Aufgaben, die die Lernenden weitestgehend selbstständig und selbsttätig lösen, die nicht vorgeben, welche spezifischen sprachlichen Mittel verwendet werden sollen und in denen bedeutsame Inhalte im Zentrum stehen. Die Phasierung orientiert sich an Willis tbll-framework, einem Ablaufmodell, das sich in eine pre-task-Phase, einen task cycle (Durchführung der Aufgabe, Planung der Ergebnispräsentation, Ergebnispräsentation) und einen language focus, in dem tatsächlich erlebte sprachliche Probleme analysiert und geübt werden, unterteilt (Willis 1996: 38). Der Auffassung von Klippel und Doff (2007: 173), dass es ein allen Phasierungsmodellen (ppp, tbll und andere) gemeinsames Merkmal sei, „dass sie alle dem Grundmuster des Dreischritts von Neuvorstellung, Erarbeitung und Anwendung folgen“ müsste aus Sicht des tbll widersprochen werden, da die Linearität von Neuvorstellung, Erarbeitung und Anwendung in einem tbll-framework aufgehoben wird. Ein focus on form im Sinne einer Neuvorstellung oder einer Reaktivierung von Sprachmaterial kann sowohl zu Beginn, als auch während der Aufgabenbearbeitung oder im Anschluss, während der Phase des language focus geschehen. Der Fokus ist nicht allein auf ein spezifisches sprachliches Phänomen gerichtet, welches 62 durch den Dreischritt automatisiert werden soll, sondern gleichermaßen auf den Inhalt, auf die Lösung einer Aufgabe und auf die sprachlichen Mittel, die zur Lösung nötig sind. Der im anglophonen Sprachtraum ebenfalls verbreitete Dreischritt test - teach - test (oder auch deep-end strategy) kommt dem tbll-approach etwas näher, da zu Beginn die Ausführung einer Aufgabe steht, ohne dass zuvor Sprachmaterial vermittelt wurde (throwing learners in at the deep end). Es ist im engeren Sinne die Umkehrung von ppp in production - presentation - practice (Johnson 2008: 275). Aus den Schwierigkeiten, die während der Anwendungsphase ersichtlich werden, wird abgeleitet, welches Sprachmaterial verbessert, neu erarbeitet oder erklärt werden muss. Dies kann lehrerzentriert dargeboten oder von den Lernenden erarbeitet werden. Im Anschluss wird eine ähnliche Aufgabe bearbeitet und die Lernenden können das entsprechende Sprachmaterial üben (Brumfit 1979; Scrivener 2005: 279f.; Johnson 2008: 275; Woodward 2001: 123f.). Da die dreischrittigen Modelle (ppp und ttt) sich vor allem für die Erarbeitung, Übung und Anwendung sprachlicher Mittel eignen, wird für das Trainieren der rezeptiven Fertigkeiten oftmals mit einem Phasenmodell gearbeitet, das pre-, while- und post-listening/ reading/ viewing stages unterscheidet (Gehring 2010; Haß et al. 2006a; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004; Woodward 2001 u.a.). Für Unterrichtsstunden mit einem expliziten Fokus auf die Vermittlung grammatischer Strukturen werden weitere Phasenmodelle vorgeschlagen, die sich zum Teil eng an den oben skizzierten Dreischritt anlehnen (z.B. restricted exposure - clarification - restricted output - authentic output, Scrivener 2011) oder sich davon stärker entfernen (z.B. die erwerbsorientierte Methode nach Ziegésar & Ziegésar 1998). 3.2.3.2 Die Orientierung an Aufgaben Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht wird seit der kommunikativen Wende im deutschsowie vor allem im englischsprachigen Kontext diskutiert und weiterentwickelt. Wichtige Vertreter/ innen des task-based language learning waren zunächst Candlin und Murphy (1987) sowie Nunan (1989) als auch Ellis (2003), Skehan (1996, 1998), Willis (1996) und Willis (2007). In Deutschland wurde das aufgabenorientierte Lehren und Lernen u.a. durch Legutke und Thomas (1991), Piepho (2003) sowie vor allem durch Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2005, 2008, 2011) fest in der Fremdsprachdidaktik verankert. Task-based language learning ist seit einigen Jahren fester Bestandteil der fremdsprachendidaktischen Theorie, der Empirie sowie der Unterrichtspraxis. 63 Der Diskurs über tbll wurde in den letzten Jahren ergänzt durch die Diskussion über kompetenzorientiertes Unterrichten von Fremdsprachen, das man u.a. in der Arbeit mit Lernaufgaben zu realisieren sah. Die Bewältigung kommunikativer Aufgaben wurde als Ziel und Mittel des Fremdsprachenlernens im GeR hervorgehoben (Europarat / Rat für kulturelle Zusammenarbeit 2001: Kapitel 7) sowie von den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (KMK 2004b: 7) übernommen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Orientierung an Aufgaben derzeit weiter an Bedeutung. Die Formulierung von verbindlichen Standards und zu erreichenden Kompetenzstufen führte zu Überlegungen, wie entsprechende Teilkompetenzen entwickelt und überprüft werden können. Hier wird und wurde der Konstruktion von Lernals auch Testaufgaben in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit geschenkt (z.B. Caspari et al. 2010; Harsch & Hartig 2011; Porsch et al. 2010; Rossa 2012; Tesch 2010a, 2010b). Der tbll-Ansatz hat, Vollmer zufolge, ein Denken vorbereitet, das sich mit dem der Kompetenzorientierung verbindet: Es gelten Kriterien wie kontextuelle Einbettung der Lernaufgaben, verstärkte Authentizität und Komplexität der sprachlichen Herausforderungen, größere Differenzierung und Arbeitsteilung unter den Lernenden und deren Hinführung zu stärkerer Selbständigkeit, Einbeziehung außerschulischer Lernfelder, Produktorientierung, Austausch und Reflexion der Lernergebnisse. (Vollmer 2010: 374) Durch die Arbeit mit lebenspraktisch ausgerichteten Lernaufgaben können Teilkompetenzen sowie inhaltliches Wissen, fachliches Können als auch entsprechende Methodenkompetenzen integrativ gefördert werden (Hu et al. 2008: 6). Die Fremdsprachendidaktik steht einerseits vor der Aufgabe, Lernaufgaben zu entwickeln und zu erforschen, die bestimmte (detailliert beschriebene) Teilkompetenzen ausbilden. Andererseits sollten sie jedoch auch so breit angelegt sein, dass ein teaching to the test vermieden wird (Vollmer 2010). Aber auch Testaufgaben können, wenn sie diejenigen Kompetenzen prüfen, deren Entwicklung im Rahmen eines modernen, kommunikativen Fremdsprachenunterrichts sinnvoll ist, positiv auf den Unterricht zurück wirken (Caspari et al. 2010: 87). Je nach Lehr- und Lernkontext wird gegenwärtig zwischen taskbased und task supported language learning (tsll) unterschieden (s. Müller- Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2010: 203, 2011). Neben den Entwicklungen im fremdsprachendidaktischen Bereich ist auch in den Bildungswissenschaften sowie in anderen Fachdidaktiken eine zunehmende Orientierung an Aufgaben zu verzeichnen. In den Naturwissenschaften galt vor allem die TIMSS-Videostudie (Klieme 2002) als Anstoß, das sich dort zeigende, vorherrschende Muster des fragend-entwickelnden Unterrichts, in 64 dem Lernende vorrangig wiederholend oder nachvollziehend übten, in Richtung kognitiv-aktivierender, problemorientierter und alltagsnaher Unterrichtsangebote zu verändern (Kleinknecht et al. 2011: 59). Der Band Lernaufgaben und Lernmaterialien im kompetenzorientierten Unterricht (Kiper et al. 2010) dokumentiert Initiativen, Studien und Diskussionen, die sich im Rahmen eines Projekts, an dem Vertreter/ innen der Allgemeinen Didaktik sowie der Fachdidaktiken beteiligt waren, mit neuen Wegen des Kompetenzaufbaus durch Lernaufgaben auseinandersetzen. Dabei geht es u.a. um die Differenzierung unterschiedlicher Aufgabentypen, die Qualität von Lernaufgaben in Schulbüchern, die Analyse und Konstruktion von Aufgaben sowie um Kompetenzen von Lehrenden zur Konstruktion von Lernaufgaben. Auf der Ebene der Unterrichtsplanung im engeren Sinne, d.h. die Vorbereitung einzelner Unterrichtsstunden betreffend, ergeben sich zwei grundlegende Entscheidungsfelder für die Lehrperson: Zum einen gilt es Aufgaben auszuwählen bzw. zu konzipieren, also den task-as-workplan zu entwerfen, d.h. zu entscheiden, welche Struktur eine Aufgabe als Arbeitsplan aufweisen sollte. Zum anderen stehen Überlegungen zum task-as-process an, d.h. es geht darum, im Vorfeld zu durchdenken, welche Prozesse die Aufgabe bei den Teilnehmenden auslösen wird bzw. kann (vgl. Breen 1987; Ellis 2000, 2003). 3.2.4 Medien und Materialien Planungsentscheidungen in Bezug auf Medien und Materialien können, wie in Kapitel 2.4.4 erörtert wurde, auch als methodische Fragestellungen betrachtet werden, wobei die Spezifik des Fremdsprachenunterrichts es durchaus rechtfertigt, diesen Punkt gesondert zu betrachten: Medien erfüllen die für den Fremdsprachenunterricht sehr wichtige Funktion, die Welt der Zielkultur, die Fremdsprache, aber auch die Welt der Lernenden ins Klassenzimmer zu holen (Decke-Cornill & Küster 2009: 97; Weskamp 2001: 144). Der Medienbegriff wird entsprechend der jeweiligen Analyseschwerpunkte und Untersuchungsmethoden verschiedener Disziplinen sehr unterschiedlich verstanden und verwendet. Rösler (2010) plädiert daher dafür, ein fremdsprachendidaktisches Medienverständnis aus der Bedeutung der Medien für den Gegenstandsbereich Lehren und Lernen von fremden Sprachen abzuleiten: Ein fremdsprachendidaktisches Medienverständnis hat als Ausgangspunkt die Idee von Medien als Mittlern, die dafür sorgen, dass Wissen und Fertigkeiten erworben werden. Für das Fremdsprachenlernen sind Medien sowohl Transporteure von Information als auch Vehikel der Kommunikation. (Rösler 2010: 1199) Die Funktion des Transportierens und Übermittelns stellt vermutlich die zentrale Aufgabe dar, die Medien im Fremdsprachenunterricht erfüllen. Dabei ist 65 zunächst die Sprache selbst Transportmittel (Medium) für Gedanken, Informationen, Inhalte etc. (Decke-Cornill & Küster 2009: 93f.). Auf einer nächsten Ebene kann (verbale oder auch bildliche) Sprache wiederum durch Medien vermittelt werden: sie kann schriftlich oder mündlich, auditiv, visuell oder audiovisuell, didaktisiert, didaktisch oder authentisch, technisch oder nicht-technisch, personal oder nicht-personal, direkt oder indirekt transportiert werden. Die Klassifizierungen verdeutlichen die Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven, von denen Medien aus betrachtet werden können. Bei den Versuchen, Medien zu kategorisieren, werden oftmals mehrere Blickwinkel gleichzeitig eingenommen, was eine eindeutige Zuordnung z.T. erschwert. Vor allem gestaltet es sich als problematisch, dass selten zwischen Medientechnik und Medieninhalt, vereinzelt auch als Hardware und Software bezeichnet, unterschieden wird. Hardware ist das Material, aus dem die Medien sind, oder die Maschine, mit welcher Information vorgeführt wird. Software ist die inhaltliche Füllung. Medien im Unterricht sind eine Sache der Software. (Erdmenger 1997: 3) Denn streng genommen interessiert weniger das Gerät des Overheadprojektors oder die Tafel als Medium, sondern die Folie und das Tafelbild (vgl. Decke- Cornill & Küster 2009: 97; Erdmenger 1997: 5). Wenn z.B. vom Computer als Medium gesprochen wird, müsste immer auch spezifiziert werden, in welcher Funktion er eingesetzt wird (als Werkzeug, Unterrichtsgegenstand, Kommunikationsmittel oder als Vermittler von Informationen). Es ist daher zielführender, Medien funktional und nicht gegenständlich zu bestimmen (Decke- Cornill & Küster 2009: 93). Medien können „den Prozess des Fremdsprachenlehrens und -lernens hervorrufen, erleichtern, befördern oder aufrechterhalten“ (Schwertfeger 2001: 1018). Bei der Planung von Unterricht gilt es zu entscheiden, welche Medien die gewünschten Funktionen am besten erfüllen. Folgende Faktoren können diese Entscheidung beeinflussen: institutionelle Bedingungen (Ist die entsprechende Medientechnik verfügbar? ), Voraussetzungen seitens der Lernenden (Sind die Materialien altersangemessen? Verfügen die Lernenden über die nötigen methodischen und sozialen Kompetenzen um damit umzugehen? ), Voraussetzungen seitens der Lehrperson (Ist die Lehrperson versiert im Umgang mit spezifischen Medien? Hat sie die nötige Zeit, den Medieneinsatz vorzubereiten? ), Unterrichtsinhalte (Durch welches Medium wird der Inhalt am besten transportiert? ), Ziele (Welche Medien unterstützen den Aufbau bestimmter Teilkompetenzen? ), methodische Überlegungen (Welche Art von Hilfe bieten die Materialien für die Lernenden? In welcher Unterrichtsphase kann das Medium eingesetzt werden? Wie können Arbeitsergebnisse mediengestützt präsentiert 66 werden? ) sowie die Verfolgung didaktischer Prinzipien (Wirkt das Medium motivierend? Trägt es zur Differenzierung bei? Fördert es die Selbsttätigkeit der Lernenden? ). Die in den vorangegangenen Unterkapiteln dargestellten Aspekte der Planung von fremdsprachlichem Unterricht, die hier in Anlehnung an die allgemeindidaktischen Planungsdimensionen von Unterricht in die vier Bereiche Ziele, Inhalte, Methoden und Medien unterteilt wurden, stellen grundlegende Eckpunkte fachdidaktischer Theorie dar, die in unterschiedlicher Form auch Bestandteil jener Ausführungen sind, die sich der Planung von Unterricht innerhalb fremdsprachendidaktischer Grundlagenwerke oder Handbücher widmen. Diese Darstellungen zielen zum einen darauf ab, Handlungsempfehlungen für die Vorbereitung von Fremdsprachenunterricht zu geben, d.h. Unterrichtsplanung wird hier als Prozess skizziert, in dem verschiedene Fragen gestellt und beantwortet werden müssen. Zum anderen zeigt sich in einigen Ausführungen, dass es dabei vordergründig darum geht, Richtlinien zu formulieren, entlang derer ausführliche schriftliche Unterrichtsentwürfe zu Übungs- oder Prüfungszwecken erstellt werden können. Jene beiden Intentionen sind oftmals nicht klar voneinander zu trennen und Autorinnen und Autoren beanspruchen mitunter, beiden Aufgaben gerecht zu werden. Im Folgenden werden ausgewählte Darstellungen zur Unterrichtsplanung, die in der Lehrer/ innenausbildung der ersten Phase für das Fach Englisch verwendet werden, entsprechend dieser funktionalen Zweiteilung sowie vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten allgemeindidaktischen Grundlagen umrissen, um die Auswertung und Interpretation der Daten in den gegenwärtigen Diskurs zur Unterrichtsplanung in der Fremdsprachendidaktik einbetten zu können. 3.3 Das Planen lernen 3.3.1 Planungshinweise für den Englischunterricht Ausführungen zur Unterrichtsplanung in der Fremdsprachendidaktik unterscheiden sich in der Funktion, die damit im Kontext der Lehrer/ innenausbildung verbunden wird, und die teils explizit benannt, teils aber auch nur implizit erschlossen werden kann: Einerseits tragen die Texte den Charakter von Hinweisen und Tipps für die Praxis (vgl. Haß et al. 2006a: 258) und haben damit den Anspruch, Studierende bei der Vorbereitung erster Unterrichtsstunden zu unterstützen. Andererseits wird mit der Planung von Unterricht das Erstellen eines schriftlichen Unterrichtsentwurfs verbunden, der bestimmten Anforderungen genügen sollte. 67 Im ersteren Fall werden meist Aspekte der Planung oder Planungsprinzipien formuliert, hinter denen sich die einzelnen, der allgemeinen Didaktik entlehnten Planungsdimensionen verbergen und die meist fremdsprachendidaktisch spezifiziert und weiter ausdifferenziert wurden (vgl. Haß et al. 2006a: 258ff.; Thaler 2012: 88ff.). Die von Haß et al. (2006a: 258ff.) aufgelisteten Aspekte der Planung greifen die grundlegenden allgemeindidaktischen Planungsdimensionen und Faktoren auf, gehen aber etwas darüber hinaus, indem die einzelnen Punkte ausgeführt und z.T. fremdsprachendidaktisch konkretisiert werden. Die folgende Abbildung zeigt eine Gegenüberstellung allgemeindidaktischer Entscheidungsfelder und der entsprechenden fremdsprachendidaktischen Konkretisierungen: Allgemeine Didaktik Fachdidaktische Konkretisierungen (Haß et al. 2006a) Bedingungsanalyse / Analyse der Lernvoraussetzungen Vorwissen der Schüler analysieren, die Rahmenbedingungen bedenken Stunde in die Unterrichtseinheit einbetten Sachanalyse sich kundig machen und die Unterrichtsinhalte analysieren Didaktische Analyse nach Klafki (1980) Schülerrelevanz der Unterrichtsinhalte prüfen, Texte (Materialien) auswählen Lernzielanalyse Lernziele formulieren Verlaufsplanung und methodische Begründung den methodischen Gang der Stunde entwerfen, die Entwicklung der Fertigkeiten (skills) planen, das Primat der Mündlichkeit beachten, Arbeit an der Lexik planen, unterschiedliche Sozialformen berücksichtigen, ausreichende Übungsphasen vorsehen, Medien auswählen, Ergebnissicherung vorsehen, Leistungsmessung integrieren, den Spannungsbogen aufbauen, Zeitabläufe realistisch einschätzen Tab. 1: Allgemeindidaktische Dimensionen der Unterrichtsplanung und fachdidaktische Konkretisierungen Ein ähnliches Vorgehen findet sich bei Thaler (2012: 88ff.). Er beschreibt Planungsprinzipien, die er anhand der Leitfragen „Was? Wann? Wozu? Wer? Wo? Wie? Warum? “ darstellt. Dabei kommen folgende Aspekte zur Sprache: Lehrplan, Lehrwerk, Unterrichtsgegenstand, Zeitraum, Einbettung, Position der Stunde, Ziele, Adressaten, Lehrkraft, Ort, Verfahren, Einheit, Zeitbedarf, Ergebnissicherung Übergänge, Pausen, Differenzierung, Leistungsmessung, balanced teaching und Reflexion. 68 Woodwards (2001) Ideen zur Unterrichtsplanung sind in Form von Fragen formuliert, deren Beantwortung der Vorbereitung der Unterrichtsstunden dient (vgl. hierzu auch Harmer 2007a). Dabei sind sowohl Anfänger/ innen, für die Unterrichtsplanung noch sehr komplex und zeitaufwändig ist, als auch erfahrene Lehrende, die ihre Routinen überdenken und neue Anregungen bekommen möchten, gleichermaßen ihre Zielgruppe. Folgende Fragen sind ihrer Meinung nach vor oder während der Unterrichtsplanung zu stellen: • Who are the students? > Informationen einholen über die Lernenden • How long is the lesson? > Überlegungen zur Struktur einer Stunde: Wie sind Stundenanfänge, die Mitte und das Stundenende zu gestalten? • What can go into a lesson? > Welche Stundeninhalte sind im Fremdsprachenunterricht denkbar? (classes and people, language patterns, language skills, combinations, literature, culture, study skills, other subjects) • How do people learn? > Wie kann etwas gelernt werden? Überlegungen zu verschiedenen Lernprozessen (finding out for yourself, things made plain, periphery learning, use and refinement) • How can we teach? > Welche Möglichkeiten der Sequenzierung ergeben sich daraus? (test-teach-test, pre-, in-, post-stages, presentation-practice-production, task based language learning) • What can we teach with? > Welche Materialien (tools) können genutzt werden? (dictionary, board, rods, pictures, music, coursebook) • How can we vary the things we do? > Überlegungen zu möglichen Lernaktivitäten, deren Charakteristika und Möglichkeiten der Veränderung. Scrivener (2011: 123f.) beschreibt ähnlich wie Woodward (2001) oder Haß et al. (2006a) einzelne Bereiche, die es bei der Planung zu bedenken gilt, ohne eine Reihenfolge vorzuschlagen. Wesentliche Aspekte sind für ihn: • Atmosphere > Wie wird die Stimmung in der Stunde sein? Wie wird es sich anfühlen? • The learners > Wie werden die Lernenden agieren, reagieren? • The aims > Was werden Lernende und Lehrperson erreichen? • The teaching point > Welche Inhalte wird die Stunde haben? • The task and teaching procedures > Welche Aktivitäten werden geplant? In welcher Reihenfolge werden sie durchgeführt? • The challenge > Was wird die Lernenden in der Stunde herausfordern? • Materials > Welche Materialien werden verwendet (Texte, Aufnahmen, Bilder etc.)? 69 • Classroom management > Was wird gesagt, welche Sitzordnung wird es geben, wie lange wird etwas dauern etc.? Obwohl die hier skizzierten Ausführungen als Hinweise zu verstehen sind, wie bei der Vorbereitung von Unterricht vorzugehen sei, wird nur selten direkt auf den Prozess des Planens eingegangen. An einigen Stellen finden sich Hinweise über eine Reihenfolge der zu beachtenden Aspekte (z.B. „Die erste Frage zur Planung einer Stunde oder Reihe sollte den anzustrebenden Zielen gelten.“ Thaler 2012: 89), wodurch die Vorstellung suggeriert wird, das mentale Beantworten jener Fragestellungen würde dem Prozess des Planens entsprechen. Interessant ist hier Scriveners Einblick in die tatsächliche Planungstätigkeit, die er in diesem Fall seiner Erfahrung entlehnt. Er reduziert am Ende alle Planungsüberlegungen auf zwei wesentliche Fragen: 1) What is my procedure? 2) What are the aims of the lesson? (Scrivener 2011: 124) und bricht die Problematik, von welchem Punkt aus begonnen werden sollte, dahingehend auf, dass er verdeutlicht, dass Lernziele die Planung vereinfachen, der Planungsprozesses jedoch seiner Erfahrung nach häufig mit nicht-linearen Suchbewegungen beginnt: Initially, at least, a lot of this thinking tends to be unfocused, following vague lines of thought or jumping from idea to idea. The semi-chaos may not last long, but allows my personality and creativity to start owning the material. It usually coalesces fairly soon into something more concrete and usable. (Scrivener 2011: 124f.) 3.3.2 Der schriftliche Unterrichtsentwurf: Planung für Dritte? In einigen Handbüchern werden nacheinander sowohl Planungshinweise formuliert als auch Richtlinien zur Erstellung eines schriftlichen Entwurfs vorgestellt (vgl. Harmer 2007a; Haß et al. 2006a; Scrivener 2011; Thaler 2012). In anderen Veröffentlichungen wird teilweise jedoch nicht klar zwischen der Anleitung zum Planen und der Anleitung zum Erstellen von Unterrichtsentwürfen getrennt, denn die Grenzen sind natürlich fließend. Oftmals wird sich an das Argument einzelner allgemeindidaktischer Positionen angelehnt, das Anfertigen schriftlicher Unterrichtsentwürfe würde das planerische Denken üben (vgl. Mindt 1995; Kiper & Mischke 2009; Gonschorek & Schneider 2009; Wiater 2011). Dabei wird betont, dass dieses Vorgehen in der eingeforderten Ausführlichkeit zwar nicht dem alltäglichen Planungshandeln von erfahrenen Lehrenden entspräche, jedoch zu Übungszwecken in dieser Form durchzuführen sei (Causton-Theoharis et al. 2008; Gonschorek & Schneider 2009). Mit der Erstellung eines ausführlichen Unterrichtsentwurfs würde sowohl das Ziel verfolgt werden, ein Skript für eine Unterrichtsstunde zu entwerfen als auch (vor allem) das Planen zu üben: 70 Vielmehr ist der Entwurf in der Regel dazu da, Denkmöglichkeiten (thinking skills) zu entwickeln, die dem Lehramtsstudenten im Praktikum bei der Stundenvorbereitung helfen. Zugleich zeigt der Entwurf dem Mentor, wie die Lehramtsstudenten denken. (Meyer 2010b: 477) Auch das Lehr- und Arbeitsbuch zur Unterrichtsplanung im Fach Englisch von Dieter Mindt (1995) strebt beides an: Handlungsanleitung zum Planen von Englischunterricht sowie zum Erstellen schriftlicher Unterrichtsentwürfe zu geben. Als Zielsetzung formuliert Mindt, dass neben der Vermittlung von Kenntnissen über fachdidaktische Grundbegriffe und über Hilfsmittel zur Planung und Durchführung von Unterricht die Fähigkeit entwickelt werden soll, diese Hilfsmittel anzuwenden und „Englischunterricht auf der Grundlage eines einfachen elementaren fachdidaktischen Planungsgerüsts zu entwerfen“ (Mindt 1995: 7). Dieses Planungsgerüst besteht aus der Abfolge spezifischer Komponenten der Unterrichtsplanung: • Bedingungsanalyse > Ermitteln der anthropogenen und soziokulturellen Voraussetzungen der Lernenden und Lehrenden; • Begründung des Unterrichtsvorhabens > Bezugnahme auf die in den Lehrplänen formulierten Ziele und Inhalte sowie auf die Bedürfnisse der Lernenden; • Sachanalyse > Erstellung einer vor-pädagogischen fachwissenschaftlichen Analyse des Unterrichtsgegenstands; • Didaktische Analyse > Auf der Sachanalyse aufbauend wird der Gegenstand unter der Vermittlungsperspektive betrachtet. Es erfolgt die begründete Auswahl des Unterrichtsgegenstands, darauf folgt die Abstufung, d.h. die Gruppierung einzelner learning items sowie die Sequenzierung. Anschließend werden unterrichtsmethodische Fragen hinsichtlich der Darbietung geklärt, wobei Mindt vom Drei-Phasen-Modell nach Zimmermann (1969) ausgeht und eine Phasierung durch Sprachaufnahme, Sprachverarbeitung und Sprachanwendung vorgibt. • Lernziele > Bestimmung und Operationalisierung von Grob- und Feinzielen; • Verlaufsplanung > Darstellung einzelner Unterrichtsabschnitte im Überblick. Diese Komponenten stellen einerseits einzelne Schritte dar, „die bei jeder Unterrichtsplanung zu vollziehen sind“ (Mindt 1995: 106). Andererseits entspricht die Darstellung der Komponenten in dieser Reihenfolge, so Mindt, im Wesentlichen der Anordnung, „die bei der Erstellung schriftlicher Planungen eingehalten werden sollte“ (Mindt 1995: 106). Die verwendeten Begrifflichkei- 71 ten und deren Spezifizierungen lassen eine starke Orientierung an Planungskonzeptionen aus der allgemeinen Didaktik erkennen (s. Kap. 2.3 und 2.5). Die Sachanalyse versteht Mindt vorpädagogisch, die didaktische Analyse wird weiter gefasst und nicht direkt an Klafkis (1980) Didaktische Analyse angelehnt. Im Bereich der Zielentscheidungen verweist auch Mindt auf Möllers (1973) Dreiteilung in Richt-, Grob- und Feinziele und schlägt die Beachtung der von Heimann, Otto & Schulz (1965) unterteilten Dimensionen des Lernens (pragmatisch, kognitiv, affektiv, s. Kap. 2.4.1) vor. Fremdsprachendidaktische Akzentuierungen nimmt Mindt vor allem vor, indem er Entscheidungsfelder für die Planung von Englischunterricht hervorhebt, die deutlich spezifischer als in der Allgemeinen Didaktik angelegt sind: Kommunikation und sprachliche Fertigkeiten, Phasen, Medien, Unterrichtssprache, Lernziele und Grundprinzipien der Planung (Mindt 1995: 50ff.). Grundprinzipien, die beim Planen von Englischunterricht zu berücksichtigen sind, beziehen sich auf die Einteilung in die drei Phasen Sprachaufnahme, -verarbeitung und -anwendung, auf eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung, die Isolierung von Schwierigkeiten, eine situative Unterrichtsgestaltung, auf Veranschaulichung, Schüleraktivität und Schülerorientierung. Während viele der aufgeführten Aspekte seit der Erstausgabe des Lehrbuchs von 1979 nichts an Gültigkeit eingebüßt haben, lässt die Neuauflage die Thematisierung einiger wichtiger Problematiken innerhalb der Fremdsprachendidaktik vermissen (Mindt 1995). Der schriftliche Unterrichtsentwurf wird auch von Haß et al. (2006a: 263) thematisiert. Ähnlich wie bei Mindt wird er durch folgende Schritte vorstrukturiert: die Lerngruppe, Voraussetzungen, Sachanalyse, didaktische Analyse, Lernziele, methodische Überlegungen, Medien, geplanter Unterrichtsverlauf, Anhang. Auch Thaler (2012: 94ff.) geht von einer Bedingungsfeldanalyse, einer Sachanalyse, einer didaktisch-methodischen Analyse sowie dem geplanten Stundenverlauf in Form einer Übersicht aus. Ähnliche Aspekte werden auch in den englischsprachigen Handbüchern genannt (z.B. Harmer (2007b: 371ff.): aims, class profile, assumptions on what students know and can do, personal aims, skill and language focus, timetable fit, potential learner problems and possible solutions, success indicators, activities and procedures, materials (vgl. auch Causton- Theoharis et al. 2008; Scrivener 2011). Bei der Lektüre der englischsprachigen Handbücher fällt auf, dass die Funktion dieser Pläne, die meist darin besteht, Beobachtenden einen Einblick in die Vorüberlegungen, Bedürfnisse und Fragen der Unterrichtenden bezüglich der geplanten Unterrichtstunde zu geben, direkt thematisiert wird und dies auch Niederschlag in den schriftlichen Unterrichtsentwürfen findet. Scriveners Vorschläge beinhalten z.B. Aspekte wie observer agenda (Warum wird die Stunde beobachtet? Worauf möchte die/ der Beobachtende besonders achten? ), observation agenda (Was erhofft sich die 72 Lehrperson von der Beobachtung? Worauf sollte geachtet werden? ) oder personal goals (Was versuche ich als Lehrperson zu verbessern? ) (Scrivener 2011: 133; vgl. auch Harmer 2007b). Auch Haß et al. (2006a) und Thaler (2012) führen kurz an, dass jene ausführlichen Unterrichtsentwürfe meist im Kontext der Ausbildung verwendet werden, um getroffene Entscheidungen zu begründen und einen Austausch darüber nach der Durchführung der Stunde zu ermöglichen. Neben jenen Vorschlägen zur Erstellung schriftlicher Pläne finden sich jedoch auch Darstellungen, in denen die Intentionen, die mit den Ausführungen verbunden werden, nicht ausgeführt werden und sich beide Ebenen vermischen. Hier wird z.T. der Anspruch erweckt, es würden Planungshinweise gegeben, wobei implizit deutlich wird, dass die dort vorgeschlagenen Analysen eher dazu dienen, Entscheidungen zu rechtfertigen, nachdem sie getroffen wurden. Da Unterrichtsplanung vor allem in der Lehrer/ innenausbildung ein so zentrales Thema darstellt, überrascht es nicht, dass Autorinnen und Autoren schriftliche Langfassungen von Unterrichtsentwürfen im Hinterkopf haben, wenn sie Hinweise zum Planen formulieren. So sind z.B. Gehrings Vorschläge zunächst allgemein auf das Planen von Englischunterricht gerichtet. Im weiteren Verlauf der Schilderungen wird jedoch anhand der Formulierungen deutlich, dass auch hier von einer Verschriftlichung der Überlegungen zu Evaluationszwecken ausgegangen wird: „Erwartet werden in diesem Argumentationsfeld außerdem Begründungen für die inhaltlichen Akzentuierungen, Vereinfachungen oder inhaltlichen Auslassungen, zu denen man sich entschlossen hat […]“ (Gehring 2010: 183). Weiterhin gilt es im Rahmen der von Gehring empfohlenen didaktischen Analyse um das Erläutern von Planungsentscheidungen, das Begründen einzelner geplanter Maßnahmen und das Verweisen auf mögliche Alternativen (ebd.). 3.3.3 Unterrichtsplanung als Prozess Wie aus den beiden vorangegangenen Unterkapiteln deutlich wurde, fokussieren fremdsprachendidaktische Ausführungen zur Unterrichtsplanung kaum die Tätigkeit des Planens. Obwohl die erstgenannten Planungshinweise (Kap. 3.3.1) diesen Eindruck vermitteln, stellen auch sie nur eine Auflistung von Planungsaspekten dar, die jedoch keine Hinweise geben, was Planen als Handlung bedeutet. Die Annahme, dass Planungsprodukte in Form von Unterrichtsentwürfen das Denken von Studierenden widerspiegeln, findet vereinzelt auch offen Kritik. Girmes & Steffens (1980) sprechen z.B. davon, dass Planungshandlungen generell nicht durch Modelle angeleitet werden können und weisen auf den 73 Unterschied hin, der zwischen dem Planen als Herstellung eines Produktes und dem Planen als Handlung besteht: Es wird deutlich, daß Modelle, wenn sie für Unterrichtsvorbereitungen bestimmend werden, lediglich die Herstellung des Planungsprodukts, nämlich des Entwurfs, anleiten, nicht aber das Planen selbst. Insofern sind alle in der Lehrerausbildung verwendeten Modelle produktorientiert, sie sind nicht handlungsorientiert, d.h.: sie sind nicht in der Lage, Planen als Handeln begreiflich zu machen und dieses Handeln zu unterstützen. (Girmes & Steffens 1980: 39f.) Dies führt u.a. dazu, dass Studierende bei der Anfertigung von Unterrichtsentwürfen etwas in ein Modell hineinformulieren, was beim Prozess des Planens evtl. gar keine Rolle gespielt hat oder anders herum. Modelle würden folglich eher die Erstellung des Produkts anleiten, nicht aber das Planen an sich unterstützen. Zweifel, ob komplett durchstrukturierte Vorlagen für Unterrichtsentwürfe tatsächlich unterstützend wirken, sind vor diesem Hintergrund, wie Sandfuchs herausstellt, durchaus berechtigt: Diese Schemata können nur Ausgangspunkt für eigene situationsangemessene Formen schriftlicher Vorbereitung sein. Erfahrungsgemäß verleiten sie zuweilen zu schematischer, unreflektierter Benutzung und führen dann zu redundanten Ergebnissen und unökonomischer Arbeitsweise. (Sandfuchs 2009: 517) Damit wird nicht bestritten, dass Modelle oder Planungshinweise dazu dienen können, den Blick auf zu beachtende Elemente zu lenken, oder es auch nützlich sein kann, nachträglich Erklärungen und Begründungen zu liefern. Es sollte jedoch Ausbildenden wie Studierenden bewusst sein, dass hier verschiedene Funktionen zu unterscheiden sind. Bromme merkt an, dass aufgrund der verschiedenen Funktionen der Unterrichtsplanung in der Lehrer/ innenausbildung, die Tendenz bestehen würde, dass „die Bedeutung einer korrekten und „schemagetreuen“ Unterrichtsvorbereitung z.T. überschätzt wird“ und „die Bedeutung der Unterrichtsvorbereitung als eigenständige Handlung vernachlässigt“ werden würde (Bromme 1981: 7). Auch Seel (2011) beklagt 30 Jahre später, dass der Planungsprozess bisher noch nicht ausreichend in den Fokus der universitären Ausbildung gerückt sei (2011: 41). 3.3.4 Planen und Wissen Um Unterricht planen zu können, bedarf es nicht nur der Bewusstheit darüber, wie bei der Planung vorzugehen sei und welche Aspekte bei der Unterrichtsplanung bedacht werden sollten (z.B. den Einsatz von Medien, die Inhalte einer Stunde, die Voraussetzungen der Schüler/ innen, die Ziele, die in der Stunde verfolgt werden), sondern es muss vor allem ein Wissen darüber vorhanden 74 sein, in welcher Weise jene Aspekte in ihrem Zusammenspiel zu beachten sind (z.B. welche Medien für welche Aktivitäten sinnvoll sind, welcher Inhalt für die bestimmte Schulklasse angemessen ist oder welche Ziele innerhalb einer 45-minütigen Stunde erreicht werden könnten). Girmes & Steffens (1980) deuten darauf hin, dass gerade jene Fragen nicht mithilfe von Planungsmodellen beantwortet werden können: Sie [didaktische Planungsmodelle; PK] können für wichtig gehaltene Elemente der Wirklichkeit isolieren, sie können nicht helfen, die im Planungsprozeß entstehende praktische Frage zu beantworten, was zu tun sei. (Girmes & Steffens 1980: 38) Daher sprechen sich Kiper & Mischke (2009) in ihrer Konzeption einer Theorie der Unterrichtsplanung für die Integration von Planungstheorie und Wissen über Unterricht aus und betonen vor allem die Bedeutung des letzteren: Die Qualität des planenden Denkens ist abhängig von der Qualität des theoretischen Denkens über Unterricht, vom Vorhandensein angemessener Annahmen/ Theorien über Unterricht, über seine Faktoren, ihr Zusammenspiel und über vorhandene Handlungsspielräume. (Kiper 2011: 133) Das Wissen über Unterricht und über die Lernenden ist ihrer Ansicht nach vor allem heranzuziehen, wenn es darum geht, entsprechende Lernwege zu planen. Letztlich ist dies der Kern der Unterrichtsplanung: darüber nachzudenken, wie Schüler/ innen etwas lernen (Kiper & Mischke 2009: 103ff.). Der Fokus bei der Planung von Unterricht sollte daher nicht mehr nur auf die begründete Auswahl und Strukturierung von Sachinhalten gerichtet werden, sondern stärker auf ein lernpsychologisch fundiertes und domänenspezifisches Durchdenken von Lernwegen (Kiper 2011: 134). Auch Girmes & Steffens (1980) betonen, dass Planung der gedankliche Vorgriff auf die praktische Realisierung von Prinzipien sei. In der Ausbildung sollten diese Prinzipien bei der Planung von Unterricht offengelegt und begründet werden, um einerseits die eigenen Überlegungen durch das darüber Sprechen oder Schreiben zu präzisieren und andererseits Konzepte oder Pläne beurteilen zu können. Kritik an einem Plan, so Girmes & Steffens (1980), kann daher zunächst nur die unzureichende Konkretheit betreffen, die es verhindert, dass über den Plan inhaltlich etwas gesagt werden kann. Die Betonung der Unterrichtsprinzipien und der darauf basierenden Gestaltung von Lernumgebungen unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Fachdidaktik beim Planen von Unterricht, denn die Lernstrukturanalyse, die von Kiper & Mischke (2009) gefordert wird (s. Kap. 2.3), kann nur eine fachdidaktische sein. Dennoch ist die Unterrichtsplanung ein Prozess, in den alle professionellen Wissensbestände und Wissensarten, die Person des/ der Lehrenden, die Schüler/ innen und der gesamte Unterrichtskontext einfließen. 75 Causthon-Theoharis et al. (2008) sehen dies als enormes Potential und formulieren Folgendes: Teaching lesson planning or lesson design is a pivotal moment in teacher education. It is at this point when we are, in essence, teaching future educators how to think about the relationship between educational theories, lesson planning, instructional strategies, students and learning. It is at this point when theory intersects with practice. (Causton-Theoharis et al. 2008: 383) 3.3.5 Erfahrungen im Planen sammeln Das Planen von Unterricht wird einerseits in Lehrveranstaltungen thematisiert, indem über Planungsmodelle, -dimensionen und -voraussetzungen gesprochen wird, andererseits wird die Entwicklung von Planungskompetenz in enger Verbindung mit dem Sammeln von Erfahrungen im Planen gesehen. In der Ausbildungspraxis werden hier verschiedene Wege verfolgt. Teils kommt es zunächst zum übenden Planen im Rahmen von Lehrveranstaltungen, die oft mit Simulationen, in denen kurze Pläne mit den Seminarteilnehmenden erprobt werden, und peer-feedback verbunden sind. An vielen Hochschulen wird Studierenden in Form von Tagespraktika die Möglichkeit geboten, Unterrichtsstunden allein oder im Team vorzubereiten. Die Unterrichtsentwürfe können meist vor der tatsächlichen Durchführung des Unterrichts mit einem Dozenten / einer Dozentin besprochen und anschließend nochmals überarbeitet werden. In längeren Praktikumsphasen oder Praktikumssemestern erfahren die Studierenden, wie Stunden aufeinander aufbauen, wie längere Unterrichtseinheiten vorbereitet werden und wie es sich auswirkt, längere Zeit mit einer Lerngruppe zusammenzuarbeiten. Praktika werden meist durch das Anfertigen von Berichten, Tagebüchern oder Portfolios oder durch Möglichkeiten zum Austausch durch Lernplattformen oder Seminare begleitet. Insgesamt wird die Verbindung von Planung und Durchführung von Unterricht zunehmend als Voraussetzung betrachtet, das Planen zu lernen. Authentische Erfahrungen im Planen sind einem „dekontextualisierten Trockentraining“ im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen vorzuziehen (Seel 2011: 41). Erst durch das Umsetzen von Plänen in die Praxis kann erfahren werden, inwiefern ein Stunde gut durchdacht und adäquat konzeptionalisiert wurde: Ideally, instructional planning should be tied to the context of an actual classroom. This way students can implement their plans, reflect on the outcomes, and reconsider the lesson based on what they learned from its implementation. (Koeppen 1998: 410) 76 Wichtig sei dabei, so Seel (2011: 41), „dass Planungsentscheidungen und ihre Implikationen, aber auch Unsicherheiten im Planen kommuniziert und reflektiert werden.“ Sie spricht sich für mehr Vor- und Zwischenbesprechungen, umfassende Reflexionsmöglichkeiten und Feedbackangebote sowie für kooperative Formen der Unterrichtsplanung aus (s. auch Morton & Gray 2010). Insgesamt lässt sich mit Blick auf die Fremdsprachendidaktik konstatieren, dass das Planen von Unterricht in einschlägigen Publikationen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dies mag damit zu begründen sein, dass Unterrichtsvorbereitung letztlich alle Facetten des Fremdsprachenunterrichts berührt. Dennoch muss hervorgehoben werden, dass Unterrichtsplanung ein hoch komplexer Prozess ist, der Studierende vor große Herausforderungen stellt. Es stellt sich hier die Frage, inwiefern Planungshinweise in Form von aufgelisteten Aspekten sowie Vorgaben, wie bei der Erstellung schriftlicher Unterrichtsentwürfe vorzugehen sei, eine adäquate Unterstützung darstellen, zukünftige Lehrende auf diese komplexe Tätigkeit vorzubereiten. Das Planen als Tätigkeit und als Kompetenz, die es im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung zu erlernen gilt, findet in der Theorie und in der Ausbildungspraxis bislang zu wenig Beachtung. In der Empirie hingegen kann auf interessante Ergebnisse zurückgegriffen werden, die planerisches Handeln näher bestimmen. Im Folgenden soll der Forschungsstand zur Unterrichtsplanung dargestellt werden, der sich auf Untersuchungen aus dem deutsch- und englischsprachigen Kontext verschiedenster Forschungsrichtungen stützt, wodurch die Perspektive auf unterrichtliches Planen deutlich erweitert werden kann. 77 4 Empirische Forschung zur Unterrichtsplanung 4.1 Forschungsentwicklungen Im Gegensatz zu einer umfangreichen Theoriediskussion im Bereich der Allgemeinen Didaktik existieren im deutschsprachigen Raum relativ wenige empirische Studien zur Unterrichtsplanung. Die englischsprachige Forschungslandschaft ist in diesem Bereich vielfältiger, aber auch sie zeigt erst seit Mitte der 1970er Jahre ein verstärktes empirisches Interesse am Thema Unterrichtsplanung. Yinger & Hendricks-Lee (1995) beschreiben drei für die Forschung zur Unterrichtsplanung richtungsweisende Denkansätze, die im Folgenden kurz umrissen werden: “Research on teacher planning can be characterized as a shift from technical to psychological to ecological conceptions of planning and instruction ˮ (Yinger & Hendricks-Lee 1995: 188). Dem zunächst technischen Verständnis von Unterrichtsplanung lag laut Yinger & Hendricks-Lee (1995: 188) die Annahme zugrunde, dass Lernerfolge durch gezielte und planbare Handlungen der Lehrperson zu bestimmen wären. Diese behavioristisch orientierte Forschungstradition der 1950er und 60er Jahre richtete ihren Fokus auf das beobachtbare Verhalten von Lehrenden und dessen Auswirkungen auf die Leistungen der Lernenden (Clark & Peterson 1986: 257). Unterrichtsplanung war vor allem Gegenstand präskriptiver Modelle. Während im deutschsprachigen Raum die oben skizzierten didaktischen Modelle (z.B. Klafki 1980; Schulz 1980) rezipiert und diskutiert wurden (s. Kap. 2.2), war im englischsprachigen Raum das Modell von Tyler (1950) lange Jahre zentral, das von vier grundlegenden Schritten im Planungsprozess ausgeht: eine konkrete und genaue Zielformulierung, die Auswahl und die Organisation von Lernaktivitäten sowie die Festlegung von Evaluationsmaßnahmen. Mitte der 1970er Jahre rückte im Zuge der kognitiven Wende und der damit einhergehenden Hinwendung zu inneren mentalen Prozessen zunehmend das Denken von Lehrenden in den Fokus von Untersuchungen. Durch die Erforschung mentaler Vorgänge beim Planen und Durchführen von Unterricht hoffte man, zu einem besseren Verständnis von Unterrichtsprozessen insgesamt zu gelangen: “A major goal of research on teacher thought processes is to increase our understanding of how and why the process of teaching looks and works as it does ˮ (Clark & Peterson 1986: 256). Erste Studien zum Denken von Lehrenden während der Planung hatten gezeigt, dass erfahrene Lehrende kaum dem linearen, an Zielen orientierten Tylerschen Planungsmodell folgten, was dazu führte, den tatsächlichen Entscheidungsprozessen während des Planens stärkere Beachtung zu schenken (Yinger & Hendricks-Lee 1995: 188). Dieses 78 neue Erkenntnisinteresse erforderte auch neue Methoden der Datenerhebung, die es ermöglichten, die Innensicht der Forschungsteilnehmenden zu erfassen. So wurde u.a. mit Lautdenkprotokollen, stimulated recall Verfahren, Tagebüchern oder repertory grids 2 gearbeitet (Bromme 1992a; Clark & Lampert 1986). Gegenwärtige Tendenzen in der Erforschung von Planungshandlungen von Lehrenden beschreiben Yinger & Hendricks-Lee (1995) als zunehmend ganzheitlicher. Unter ecological conceptions fassen sie ein Verständnis von Unterrichtsplanung, das Planen nicht als isolierte Tätigkeit, sondern als Handlung betrachtet, die in Verbindung mit anderen Aspekten wie z.B. der Durchführung von Unterricht oder dem handlungsleitenden Lehrerwissen steht. Neuere Studien verstehen Unterrichtsplanung und den Unterricht selbst als eng miteinander verbunden und gehen insgesamt von einem veränderten Verständnis von Unterrichtsplanung aus: “Getting ready for interaction as dynamic as that which occurs during instructional lessons seems to be less a matter of prediction and control and more a matter of preparation and responsiveness ˮ (Yinger & Hendricks-Lee 1995: 190). Mit dem Erstellen von Unterrichtsplänen wird demnach weniger das Ziel verbunden, die Interaktion im Klassenzimmer zu kontrollieren sondern eher, einen Rahmen zu schaffen, der dabei hilft, unterrichtliche Interaktion zu gestalten. Fragen der Planbarkeit von Unterricht, des Gewichts von flexiblen Planungsentscheidungen und der Rolle der gemeinsamen Aushandlung und Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen kommt in neueren Studien größere Bedeutung zu. Die von Yinger & Hendricks-Lee (1995) vorgenommene Differenzierung verschiedener Phasen der empirischen Erforschung von Unterrichtsplanung verweist auf die Heterogenität dieses Untersuchungsfeldes. Aufgrund verschiedener Forschungsansätze, regionalspezifischer Traditionen und der Möglichkeiten, die neue Verfahren der Datenerhebung bieten, ist die Forschungslandschaft in diesem Bereich sehr vielfältig, wenngleich die Untersuchung von Unterrichtsplanungsprozessen auch immer wieder als Forschungslücke bezeichnet wird (Bromme 1981: 3; Haas 1998: 11; Seel 1996: 5). Bevor in den anschließenden Kapiteln auf ausgewählte und für die vorliegende Untersuchung relevante Forschungsergebnisse detailliert eingegangen wird, sollen im Folgenden wesentliche inhaltliche Schwerpunkte innerhalb der bislang im deutschsowie englischsprachigen Raum durchgeführten Untersuchungen überblicksartig aufgeführt werden (siehe auch Übersichten in 2 Die repertory-grid-Technik wurde im Kontext der psychologischen Forschung in den 1950er Jahren von George W. Kelly entwickelt. Ziel war es, das Repertoire von Konstrukten eines Menschen zu erfassen. Die Befragten werden aufgefordert, Unterscheidungen zwischen Objekten ihrer Erfahrung (Elementen) zu bilden, die in einer Tabelle in Form von kurzen Beschreibungen (Konstrukten) festgehalten werden. Abschließend werden die Elemente mit Hilfe einer Skalierungsvorgabe vom Befragten bewertet. 79 Bromme 1992a; Clark & Peterson 1986; Haas 1998; Tebrügge 2001; Yinger & Hendricks-Lee 1995). 4.1.1 Forschungsschwerpunkte zum Thema Unterrichtsplanung • Ebenen bzw. Stufen der Unterrichtsplanung (z.B. kurz-, mittel-, langfristiges Planen, Clark & Yinger 1979; siehe auch Tebrügge 2001; Wengert 1989; Yinger 1980) • Funktionen von Unterrichtsplanung (z.B. Befriedigen persönlicher Bedürfnisse, Vorbereitung von Unterricht, direkte Hilfe während des Unterrichtens, Clark & Yinger 1979; siehe auch Clark & Elmore 1981) • Planungsstile (e.g. teacher-student cooperative planning, brainstorming, list and sequence planning, culminating event in sequence planning, culminating event as goal statement planning, Favor-Lydecker 1981; siehe auch Sardo 1982) • Elemente (Inhalte) der Unterrichtsplanung (z.B. Überlegungen in Bezug auf Thema, Ziele, situative Bedingungen, Inhalte, Schüler, Methoden, Medien, Zeit etc., Haas 1998; siehe auch Bromme 1981; John 1991a; Peterson et al. 1978; Mischke & Wragge-Lange 1987; Seel 1996; Taylor 1970; Tebrügge 2001; Young et al. 1998; Wengert 1989; Zahorik 1975) • Ablauf der Planung; Planungshandlungen (z.B. Problemlöseschritte: Feststellung, Problem/ Frage, alternative Handlungs-/ Problemlösemöglichkeiten, Lösung/ Festlegung, Ereignis/ Erwartung, Selbstinstruktion, Bromme 1981) • Orientierung an didaktischen Planungsmodellen (z.B. Werden Ziele formuliert? Haas 1998; Taylor 1970; Zahorik 1975) • Materialverwendung bei der Planung (z.B. Lehrerhandbücher, Lehrbücher, Unterlagen, weitere Literatur etc., Haas 1998; Seel 1996; Tebrügge 2001) • Phasen im Planungsverlauf (z.B. discovery cycle, design cycle, implementation and evaluation, Yinger 1977; siehe auch Broeckmans 1986; Bromme 1981; Clark & Yinger 1979; John 1991a; Wragge-Lange 1983; Mischke & Wragge-Lange 1987; Morton & Gray 2010) • Zeitliche Dauer der Unterrichtsplanung (Haas 1998; Wengert 1989; Tebrügge 2001) • Institutionelle und kollegiale Einbindung (z.B. Unterrichtsplanung als Privatsache versus Kooperation als Alltagspraxis, Tebrügge 2001) • Produkte der Unterrichtsplanung (z.B. schriftliche Pläne, gedankliche Konzepte (mental images), Arbeitsblätter und andere Unterrichtsmaterialien, 80 Morine-Dershimer 1979; Tebrügge 2001; siehe auch Troxler, Perrez & Patry 1979) • Abweichungen vom Plan während der Durchführung von Unterricht (Clark & Peterson 1976; Bailey 2004; Seel 1996) • Sprechen über Unterricht und Unterrichtsplanung (z.B. Werden didaktisch-methodische Fachtermini verwendet? Seel 1996) • Wissen über Unterrichtsplanung (z.B. Welches Konzept haben Studierende von Unterrichtsplanung? Beyerbach 1988; Blömeke & König 2011; Morine- Dershimer 1993; Jones & Vesilind 1996) • Vergleich von Planungshandlungen von Experten und Novizen (Borko & Livingston 1989; Westerman 1991) • Entwicklung von Planungskompetenz (z.B. Typen von Entwicklungen, Broeckmans 1986; Veränderungen im Entwicklungsprozess, Bullough 1987; Stufen im Entwicklungsprozess, John 1991a; Veränderung durch spezifische Interventionen, Liyanage & Bartlett 2010; Neely 1986; Martin 1994; McDougall 2005) • Faktoren, die die Entwicklung von Planungskompetenz beeinflussen (z.B. praktische Erfahrungen, Tutoren, Mentoren an den Schulen, Lebenspartner, John 1991a; siehe auch Morine-Dershimer 1993) 4.1.2 Forschungsentwicklungen zur Unterrichtsplanung von Novizen Bevor in den anschließenden Teilkapiteln (Kap. 4.2.1 bis 4.2.7) ausgewählte und für die vorliegende Studie zentrale Forschungsergebnisse dargestellt und kommentiert werden, soll im Folgenden das Forschungsfeld im Bereich der Unterrichtsplanung von angehenden Lehrenden unter Berücksichtigung einschlägiger deutschsowie englischsprachiger Forschungsberichte kurz umrissen werden. Die Forschung zur Unterrichtsplanung von Novizen 3 folgt im Groben den oben skizzierten Forschungslinien, wobei sie im Vergleich zur Expertenforschung zeitlich später einsetzt und auch hier die geringe Zahl an empirischen 3 Der Begriff novice wird in der englischsprachigen Literatur vorwiegend für Berufsanfänger/ innen, d.h. für graduierte Studierende in den ersten Phasen ihrer beruflichen Praxis verwendet. Im Kontext der vorliegenden Arbeit soll die Bezeichnung Novizen als übergeordneter Begriff für alle Personen verwendet werden, die erste unterrichtspraktische Erfahrungen sammeln und als nicht-erfahrene Lehrende betrachtet werden können, dies betrifft Lehramtsstudierende, Lehramtsanwärter/ innen oder Lehrer/ innen in der Berufseinstiegsphase. Die Bezeichnung Novizen im Plural bezeichnet sowohl weibliche als auch männliche Anfänger/ innen. 81 Studien, die sich dem Aspekt der Unterrichtsplanung innerhalb der Ausbildung widmen, beklagt wird (Seel 2011: 33). Im deutschsprachigen Raum sind tatsächlich nur sehr wenige Untersuchungen auszumachen: In einigen älteren Fragebogenstudien werden Studierende zu ihrer Planungstätigkeit befragt (Gnad et al. 1980; Schmidinger 1988), im Bereich der qualitativen bzw. der mixed-methods Forschung sind die Qualifizierungsarbeiten von Aprea (2007); Gassmann (2013), Seel (1996) und Schmoll (2005) zu nennen und im Zuge der Outputorientierung im Bildungsbereich kommen derzeit Evaluationsstudien (Thiel & Blüthmann 2009) sowie Kompetenztests hinzu (Kuhnke-Lerch & Bruder 2010; Blömeke & König 2011; Baer et al. 2011), in denen Planungskompetenz oftmals jedoch nur eine von mehreren anderen fokussierten Kompetenzen darstellt (Seel 2011). Darüber hinaus finden sich meines Wissens kaum deutschsprachige Arbeiten, die sich explizit mit dem Planungshandeln von Novizen beschäftigen. Die englischsprachige, insbesondere die US-amerikanische Forschung ist diesbezüglich jedoch deutlich umfangreicher. Nachdem unter Einfluss kognitiver Ansätze in den 1970er Jahren erste Forschungsergebnisse zum Wissen und Denken erfahrener Lehrender vorlagen, rückten in den 1980er Jahren auch die Lehramtsstudierenden und Berufsanfänger/ innen in den Fokus von Untersuchungen. So wurde u.a. danach gefragt, inwiefern das Denken und Handeln der Experten sich von Novizen unterscheidet (Borko & Livingston 1989; Leinhardt & Greeno 1986; Westerman 1991). Aus der Expertenforschung übernahm man u.a. die Verwendung introspektiver Verfahren der Datenerhebung, wie Lautes Denken, stimulated recall oder schriftliche self-reports, um die Denkprozesse der Novizen während des Planens oder Unterrichtens rekonstruieren zu können (Broeckmans 1986; Byra & Sherman 1993; John 1991a; Koeppen 1998; Seel 1996; Westerman 1991). Mit der Erforschung von mentalen Vorgängen rückte vermehrt auch das professionelle Wissen von Anfänger/ innen in den Fokus, welches sich entweder direkt auf die Planung von Unterricht bezog (Wissen über Unterrichtsplanung) oder das als erforderlich angesehen wurde, um Unterricht angemessen zu planen (Wissen über Unterricht). Neben der Analyse von Interviews, schriftlichen Planungsunterlagen oder Feldnotizen wurden hier vor allem Verfahren, wie die repertory-grid-Technik oder das concept mapping 4 verwendet (Aprea 2007; 4 Im Rahmen von concept-mapping-Verfahren werden Untersuchungsteilnehmende gebeten, Begriffe zu einem bestimmten Thema oder einer Fragestellung in einer Art mind-map anzuordnen. Während es beim mind-mapping um das relativ unstrukturierte Notieren von Ideen aus einem Brainstorming geht, werden beim concept-mapping Konzepte und deren Relation zueinander visualisiert. Es entsteht ein graphisches Netz, das hierarchisch organisiert ist und Querverbindungen enthält, die mit linking words beschriftet werden. Concept-maps dienen der Rekonstruktion von explizierbaren Wissenbeständen (vgl. Kannicht 2009). 82 Beyerbach 1988; Jones & Vesilind 1996; Kuhnke-Lerch & Bruder 2010; Morine- Dershimer 1993). Über die Rekonstruktion von Denkprozessen und Wissensbeständen hinaus richtete sich das Forschungsinteresse auch auf Entwicklungsprozesse hinsichtlich des Planungsvermögens im Rahmen der Ausbildung. In stärker longitudinal angelegten Studien versuchte man Veränderungen im Denken und Handeln der Forschungsteilnehmenden zu erfassen (Beyerbach 1988; Broeckmans 1986; Bullough 1987; John 1991a; Jones & Vesilind 1996; Morine- Dershimer 1993; Neely 1986). Diese Wirkungsstudien wurden im Kontext der jeweiligen Ausbildungszusammenhänge durchgeführt, die in den meisten Fällen neben universitären Lehrveranstaltungen auch schulpraktische Anteile beinhalteten. In jüngeren Studien finden außerdem Elemente der Aktionsforschung Anwendung, indem Ausbildende gleichzeitig auch Forschende sind und als unmittelbar Teilnehmende die Wirksamkeit spezifischer Lernumgebungen untersuchen. Aprea (2007) entwickelte und analysierte ein Coaching-Konzept, das Studierende im Rahmen der universitären Ausbildung bei der Planung von Unterricht in wirtschaftsberuflichen Lernumgebungen unterstützt. Liyanage & Bartlett (2010) erforschten, wie Studierende Unterricht mithilfe eines metacognitive strategy frameworks planten und Morton & Gray (2010) widmeten sich in ihrer Studie den Unterrichtsplanungsprozessen im Rahmen sogenannter lesson planning conferences. Wie bereits erwähnt, werden gegenwärtig außerdem umfangreiche quantitative Untersuchungen zur Kompetenzentwicklung von Studierenden durchgeführt (Seel 2011). Evaluationsstudien bezüglich der Qualität der Studiengänge, wie z.B. die Evaluation der lehrerbildenden Studiengänge an der Freien Universität Berlin (Thiel & Blüthmann 2009), arbeiten mit Selbsteinschätzungen in Form von Fragebögen. Die teilnehmenden Studierenden der lehrerbildenden Master- und Staatsexamensstudiengänge schätzten hier z.B. ihre didaktische Planungskompetenz anhand von 14 Ich-kann-Beschreibungen auf einer 8-stufigen Skala ein. Andere large scale assessments wie z.B. die internationale TEDS-M-Studie (Teacher Education and Development Study: Learning to Teach Mathematics) versuchen das pädagogische Wissen der angehenden Lehrenden durch Leistungstests zu erfassen. In der TEDS-M-Untersuchung wurden neben anderen allgemeinpädagogischen Aspekten auch Aussagen zum Planungswissen erhoben, indem Teilnehmende sieben komplexe Testaufgaben lösten. Zwei Aufgaben hatten ein geschlossenes Testdesign, die fünf offenen Aufgaben arbeiteten mit komplexitätsreduzierten Vignetten, d.h. es wurden hypothetische Situationen aus der Unterrichtspraxis (Fallbeispiele) geschildert, zu denen die Teilnehmenden Stellung nehmen sollten (Blömeke & König 2011). 83 Die Studien zur Unterrichtsplanung von Studierenden lassen sich in der psychologischen, bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Empirie verorten. Auffällig viele Untersuchungen werden in Bezug auf das Fach Mathematik bzw. auf andere naturwissenschaftlicher Fächer durchgeführt. Nur vereinzelt wird bzw. wurde die Unterrichtsplanung von Fremdsprachenlehrenden untersucht (Liyanage & Bartlett 2010; Mischke & Wragge-Lange 1987; Morton & Gray 2010). Eine im Anhang (Anhang 1) beigefügte Tabelle gibt einen Überblick über Studien zur Unterrichtsplanung von Novizen. Sie präsentiert stichpunktartig wesentliche Informationen zum jeweiligen Forschungskontext, Forschungsdesign und Erkenntnisinteresse und ermöglicht informierende und orientierende Rückgriffe bei der Rezeption der in den nachfolgenden Unterkapiteln dargestellten Forschungsergebnisse. 4.2 Empirische Ergebnisse zur Unterrichtsplanung Aus den Forschungsbefunden zur Unterrichtsvorbereitung erfahrener Lehrender sowie Lehranfänger/ innen sollen im Folgenden jene Ergebnisse ausführlicher betrachtet werden, die dazu beitragen, den Prozess des Planens einzelner Unterrichtsstunden im Kontext der Lehrer/ innenausbildung besser zu verstehen, und die es ermöglichen, das Planungshandeln von Novizen vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus der Expertenforschung vergleichend interpretieren zu können. Aspekte wie z.B. die äußeren Bedingungen der Planung, der zeitliche Aufwand oder die beim Planen entstehenden Produkte werden aufgrund des Forschungsinteresses dieser Studie hier nicht berücksichtigt. Zunächst soll vor dem Hintergrund der rezipierten Forschungsergebnisse erörtert werden, was unter Planungsprozessen zu verstehen ist, was sie ausmacht und wie sie in der Empirie beschrieben wurden. Es wird weiterhin auf zeitliche Ebenen im Planungsprozess eingegangen, da die folgenden Ergebnisse vor dem Hintergrund unterschiedlicher Planungsstufen zu betrachten sind. Anschließend werden Befunde fokussiert, die Aufschluss über die Inhalte und den Verlauf der Unterrichtsplanung geben. Außerdem wird von Interesse sein, welche Merkmale die fachspezifische Vorbereitung von Fremdsprachenunterricht sowie die Gelegenheit der Kooperation beim Planen aufweisen. In der Darstellung werden sowohl Erkenntnisse zum Planungshandeln erfahrener Lehrpersonen als auch von Novizen berücksichtigt, um Forschungsbefunde vergleichend interpretieren zu können und die Besonderheiten der Vorbereitungstätigkeit von Novizen herauszuarbeiten, die für die vorliegende Studie von zentraler Bedeutung sind. 84 Bei der Rezeption von Studien zum Thema Unterrichtsplanung sind verschiedene Variablen zu berücksichtigen, wenn Ergebnisse vergleichend betrachtet werden sollen. So wurde u.a. mit Lehrenden verschiedener Schulformen und Fächer gearbeitet, es wurde das Planen erfahrener und angehender Lehrender untersucht, die Verfahren der Datenerhebung und -auswertung unterscheiden sich z.T. sehr stark und das Forschungsinteresse ist auf langfristige sowie kurzfristige Unterrichtsplanung gerichtet. Es wurde bei der folgenden Darstellung von Forschungsergebnissen daher teils kurz, teils ausführlicher auch auf die jeweiligen Forschungskontexte der einzelnen Studien eingegangen. Die Forschungsbefunde zur Unterrichtsplanung von Novizen umfassen Erkenntnisse über Studierende im Rahmen erster Tagespraktika, über Praktikant/ innen in längeren schulpraktischen Ausbildungsphasen sowie über Berufsanfänger/ innen in den ersten Monaten ihrer Berufstätigkeit. Obwohl der Fokus der vorliegenden Studie auf der Planungstätigkeit von Studierenden liegt, werden auch solche Untersuchungen berücksichtigt, die mit weiter fortgeschrittenen Novizen arbeiten. Der Forschungskontext ähnelt sich in vielen Fällen und die wenigen Befunde zur Unterrichtsplanung von Studierenden können somit um wertvolle Erkenntnisse ergänzt werden. 4.2.1 Der Prozess der Unterrichtsplanung Nachdem behavioristische Denkansätze und damit verbunden ein eher technisch-rationales Verständnis von Unterrichtsplanung sich als unzureichend in der Erforschung von Unterrichtsplanung erwiesen hatten, stand die Empirie anschließend lange Zeit unter dem Einfluss kognitionspsychologischer Theorien, die das planerische Denken von Lehrenden als psychischen Prozess erforschten und beschrieben. Planung galt als Vorgang, in dem zukünftige Handlungen antizipiert, Ziel-Mittel-Entscheidungen getroffen und Gerüste für die Durchführung von Unterricht geschaffen wurden (Clark & Peterson 1986: 260). Das Planen wurde als Entscheidungsfindung betrachtet (Westerman 1991), die durch folgende Handlungen gekennzeichnet war: [...] setting instructional goals; seeking information about students and curricula in the context of these goals; formulating hypotheses on the basis of this information, beliefs about teaching and the teaching environment; and selecting among alternative teaching methods and instructional materials on the basis of these hypotheses. (Borko et al. 1981: 451) Aus einer stärker phänomenologischen Richtung kamen Studien hinzu, die Unterrichtsvorbereitung als all das verstanden, was Lehrende tun, wenn sie sagen, dass sie sich auf Unterricht vorbereiten würden (Clark & Peterson 1986: 260). In diesen Studien kommt der Lehrperson eine entscheidende Rolle zu, die 85 nicht nur durch eine Forscherin beobachtet wird, sondern selbst zum Informant über ihr eigenes Denken und Handeln und damit zum Forschungspartner / zur Forschungspartnerin wird. Diese beiden Denkrichtungen sind laut Clark & Peterson (1986) dafür verantwortlich, dass es z.T. schwierig ist, Forschungen zum Thema Unterrichtsplanung in kohärenter Weise zusammenzufassen, da eine Vielzahl an Herangehensweisen und Forschungsergebnissen existiert: “Planning is challenging to study because it is both a psychological process and a practical activity ˮ (Clark & Peterson 1986: 260). Sowohl Phänomenologische als auch kognitionspsychologische Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand Unterrichtsplanung werden sich daher im Folgenden gleichermaßen wiederfinden. Neben dem Verständnis von Unterrichtsplanung als ein Entscheidungsprozess wurde das Planen vielfach auch als Problemlösen beschrieben. Yinger (1980: 113ff.) konzeptionalisierte den Unterrichtsplanungsprozess als zyklischen Vorgang, der in drei Phasen abläuft: Im ersten Schritt (problem-finding) wird aus den kontextuellen Gegebenheiten, den Zielvorstellungen, der bestehenden Planungsaufgabe etc. ein spezifisches Planungsproblem entwickelt, das dann im zweiten Schritt in einer Art design cycle bearbeitet wird (problem formulation/ solution). Ideen werden ausgebaut und mental getestet, bis das ursprüngliche Problem zufriedenstellend gelöst werden konnte. Der dritte Schritt stellt laut Yinger die Umsetzung des Plans in die Praxis einschließlich der Evaluation der ausgewählten Aktivitäten dar (implementation, evaluation, and routinization). Wird eine Aktivität als erfolgreich und effektiv bewertet, kommt es zur Herausbildung von Routinen. Diese haben wiederum Auswirkung auf zukünftige Planungshandlungen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Bromme (1981). Den Befunden seiner Studie zufolge handelt es sich beim planerischen Denken der von ihm untersuchten Mathematiklehrkräfte um ein „routiniertes Problemlösen“ oder um ein „problemhaftes Aufgabenbearbeiten“. Es ist ein Vorgang, „der sowohl Aufgabenwie auch Problemlösemerkmale hat“ (Bromme 1981: 194), wobei der Routinecharakter seinen Befunden zufolge deutlich überwiegt. Routinen zeigen sich in Brommes Untersuchung einerseits durch das geringe Maß an Variationen im Planungsprozess. Bromme resümiert: „Die Planung von erfahrenen Lehrern kennt wenig Abwechslung“ (1992a: 542). Andererseits wurden Routinen in dieser Untersuchung durch die Schnelligkeit und „Glätte“ des Denkablaufs der Teilnehmenden deutlich. Auch Yinger (1980) verwies auf den starken Gebrauch von Routinen seitens der an seiner Studie beteiligten Lehrerin: Routines played a major role in the teacher's planning. She used them so often that her planning could be described as decision-making about the selection, the organization, and the sequencing of routines. Four types of routine were 86 identified: activity routines, instructional routines, management routines, and executive planning routines. (Yinger 1980: 111) Routinen erleichtern und verkürzen den Planungsprozess. Sie ermöglichen ein flexibles und effektives Handeln während der Planung sowie während des Unterrichtens. Durch den Einsatz von Routinen wird Zeit und Energie seitens der Lehrperson gespart. Für die Lernenden wird die Komplexität des unterrichtlichen Geschehens reduziert, Unterricht wird vorhersehbar, was sich positiv auswirken kann, wenn Schüler/ innen schon wissen, was sie erwartet und dadurch mehr Zeit für Inhalte als für das Erklären von Abläufen verwendet werden kann (Yinger 1980: 112). Andererseits besteht die Gefahr, dass Routinen den Unterricht soweit bestimmen, dass kaum Platz für Neues ist, Langeweile entsteht und die Lernenden aus dem Blick geraten. Verinnerlichte Routinen, psychische Abbilder von Unterrichtsrealität, Schemata und Skripte gelten als Grundlage für die Unterrichtsvorbereitung - ein Prozess, der auch als gedankliches Probehandeln beschrieben wird und der Erstellung mentaler Pläne dient (vgl. Ball et al. 2007; Borko & Livingston 1989; Clark & Peterson 1986; Girmes & Steffens 1980; John 1991a; Kiper & Mischke 2009): One such procedure seems to be characterised as a mental rehearsal of ideas and knowledge about pupils, the school and the curriculum. Ideas are formed, which after elaboration, develop into mental plans or images and act as classroom scripts or guides. (John 1991a: 302) Westerman (1991) konnte in ihrer Untersuchung mit Experten und Novizen erhebliche Unterschiede in den mentalen Vorstellungen ihrer Untersuchungsteilnehmenden feststellen. The teachers were asked, during the structured planning interview, if they had imagined how their lesson would go. One expert reported, “I’ve been teaching for 23 years and when I plan a new activity, I can picture it in my mind and predict how it will go, and I plan for that.” Another expert said, “I have a vision. I sort of know exactly how it’s going to go. I’ve imagined what will happen.” The novices’ comments, however, sounded less sure about what would happen: “I can’t predict. It could go one way or the other,” and “I imagine my part, mostly because the kids, you never know what they’ll do.” (Westerman 1991: 298) Die Vorbereitungstätigkeit von Lehrenden wird als komplexe mentale Tätigkeit beschrieben, in der Wissen aktiviert wird, um Planungsprobleme zu lösen. Eng mit dem Untersuchungsfeld der Unterrichtsplanung verbunden ist daher der Bereich der Lehrerwissensforschung. Vor allem die US-amerikanische Forschung zum professional knowledge von Lehrenden (Shulman 1986a) hat das 87 Verständnis von Planung und Unterrichten als bloßen Transfer von vorab erworbenem theoretischem Wissen in die Praxis maßgeblich verändert. Man geht heute nicht davon aus, dass bei Planungs- oder Unterrichtshandlungen eine Art regelhaftes Fachwissen zweckrational zum Einsatz kommt. Vielmehr erlauben komplexe kognitive Schemata, die in der beruflichen Sozialisation entwickelt werden, eine angemessene Situationsinterpretation sowie die Aktivierung von Handlungsmöglichkeiten (Combe & Kolbe 2008: 859). Berufsspezifische Schemata und Scripte 5 ermöglichen Experten, Unterricht effektiv und zeitsparend vorzubereiten (Borko & Livingston 1989; Leinhardt & Greeno 1986; Mischke & Wragge-Lange 1987; Roskos & Neuman 1995). Borko & Livingston (1989) stellen heraus, weshalb die Unterrichtsvorbereitung für Anfänger/ innen daher so schwierig ist: For example, the cognitive schemata of experts typically are more elaborate, more complex, more interconnected, and more easily accessible than those of novices (Borko & Shavelson, in press; Leinhardt, 1986). Therefore, expert teachers have larger, better-integrated stores of facts, principles, and experiences upon which to draw as they engage in planning, reflection, and other forms of pedagogical reasoning. (Borko & Livingston 1989: 475) Für Unterrichtsanfänger/ innen ist die Vorbereitung viel komplexer, da sie noch nicht über jene Fülle an Schemata verfügen. Eine Studentin aus der Studie von Borko & Livingston (1989) berichtet: This is all so new to me that thinking up, I have to do a lot of thinking ahead of time. I really do. I have to think out what kind of questions to ask. I have to think out the answers to the questions ... so that my answers are theoretically correct and yet simple enough to make sense. And I have to really think in math. I love it. But I have to really think carefully about it. I can't ad-lib it too well. (Borko & Livingston 1989: 487) Während adäquate Schemata es Experten erlauben, eher langfristig zu planen, ist die Planung von Novizen stärker auf die Einzelstunde fokussiert. Dies liegt zum einen in den Rahmenbedingungen begründet, da Studierende sich oftmals den vorgefertigten Plänen ihrer Mentoren anpassen müssen und zum anderen aber auch in der Tatsache, dass Unterrichtsvorbereitung sich aufgrund der 5 Kiper & Mischke sprechen auch von handlungsleitenden psychischen Abbildern, über die Lehrpersonen verfügen und die bei der Vorbereitung aktiviert werden (Kiper & Mischke 2009). In Anlehnung an Hacker (1996) gehen Kiper & Mischke davon aus, dass es sich dabei um „von einem Individuum gewonnene, relativ beständig vorhandene und verschiedene Handlungsphasen überdauernde psychische Abbild[er] von Unterricht“ handelt (2009: 42). 88 noch nicht so detailliert ausgebildeten mentalen Repräsentationen von Unterricht als so umfangreich gestaltet, dass kaum Zeit bleibt, vorauszudenken (Borko & Livingston 1989: 486; vgl. auch Ball et al. 2007). Borko & Livingston (1989) stellen in ihrer Untersuchung mit Experten und Novizen zudem heraus, dass erfahrene Lehrende aufgrund vorhandener Schemata über Unterricht ihre zukünftigen Handlungen im Voraus nicht spezifizieren müssen (vgl. auch Mischke & Wragge-Lange 1987: 108). Die mentalen Pläne der Lehrenden beinhalten meist nur die allgemeine Reihenfolge von Bestandteilen einer Stunde und den Inhalt, aber z.B. keine genaueren Angaben über die Einteilung der Zeit, das Tempo oder die konkrete Anzahl von verwendeten Beispielen. Die Details einer Unterrichtsstunde werden zu einem großen Teil erst im Prozess des Unterrichtens in enger Verschränkung mit den kontextuellen Gegebenheiten und den Reaktionen der Lernenden bestimmt (Borko & Livingston 1989: 480). Diese Erkenntnis führt zu einer Erweiterung des Verständnisses von Unterricht und Planung: In addition to its characterization as a complex cognitive skill, teaching can be described by the metaphor of improvisational performance. An improvisational actor enters the stage with a definition of the general situation and a set of guidelines for performing his or her role, rather than working from a detailed written script. Such a performer draws upon an extensive repertoire of routines or patterns of action while playing out a scene, incorporating them into a performance that is continually responsive to the audience and to new situations or events. (Borko & Livingston 1989: 475) Die Beschreibung des Unterrichtens als Improvisation berührt einen wichtigen Aspekt, der auch im Kontext von Unterrichtsplanung thematisiert wird. Kann das Unplanbare überhaupt geplant werden? Während Autoren wie Kiper & Mischke (2009) weiterhin an einem technologischen Ansatz festhalten („Es wird ein im Kern technologisches Denken benötigt, das dazu verhilft, Ziel-Mittel-Zusammenhänge für erfolgreiches Problemlösen zu denken“ Kiper & Mischke 2009: 23), sind diesbezüglich zahlreiche Stimmen zu vernehmen, die in Frage stellen, dass Unterricht im Sinne eines zweckrationalen Festlegens späterer Handlungen überhaupt möglich ist (Combe & Kolbe 2008; Friesen 2010; Girmes & Steffens 1980; John 2006; Kolbe 1998; 2000; Leinhardt & Greeno 1986; Rabenstein & Reh 2005). Interessant sind hier vor allem auch die Ergebnisse der Studie von Kolbe (1998, 2000). Er geht von der These aus, dass Kommunikationsprozesse, wie die des Unterrichtens, kaum steuerbar sind und Unterrichtsvorbereitung daher keine vorwegnehmende Festlegung von Lehrerhandlungen darstellen kann. Er spezifiziert folgende gegenstandstheoretischen Vorannahmen: 89 Erfahrene wissen, daß sie nicht planen im Sinne der zweckrationalen Antizipation eigener Handlungsweisen. Erfahrene Unterrichtende wissen vielmehr, daß sie sich auf einen (zweckrational nicht zu steuernden) Interaktions- und Kommunikationsprozeß vorbereiten, und ihre präinteraktive Tätigkeit stellt keine Planung dar, sondern eine Vorbereitung auf eine komplexe Interaktionssituation. (Kolbe 2000: 116) Kolbe (1998) untersuchte die Handlungsstruktur und Wissensverwendung von zwölf erfahrenen Lehrenden bei der Unterrichtsvorbereitung, indem er die Forschungspartner/ innen zu handlungsbegleitenden Verbalisierungen aufforderte und anschließend explorative Interviews mit ihnen führte. Seine Erhebung zielte damit auf die Eigen-Rekonstruktion der vorbereitenden Handlungen durch die Forschungsteilnehmenden (1998: 167). Kolbe (1998; 2000; vgl. auch Rabenstein & Reh 2005) beschreibt die vorbereitende Tätigkeit der Lehrenden als limitierendes In-Beziehung-Setzen von Merkmalen für Unterricht (Kolbe 2000: 120). Dabei werden Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung sukzessive ausgeschlossen. Das Produkt stellt schließlich eine Limitierungsdisposition für die Interpretation und Intervention der Unterrichtenden dar. Zentral sind dabei, Kolbe zufolge, sogenannte Aktivitätsgerüste, die in verschiedenen Abstraktionsgraden konstruiert werden. Die Aktivitätsgerüste markieren die Grenzen möglicher konkreter Verläufe. Der Prozess der Unterrichtsvorbereitung erfolgt durch fortschreitende Limitierung der Möglichkeiten. Auch Combe & Kolbe resümieren, dass Lehrende sich dabei nicht an didaktische Modelle anlehnen: Dabei orientieren sie sich nicht an den traditionellen didaktischen Kategorien, wie Zielen, Inhalten oder Methoden, sondern beachten „kategoriale Themen“, wie den Aktivitätsfluss, den stofflich-fachinhaltlichen Zusammenhang, die Gestaltung des Kommunikationsprozesses und die Zeit. (Combe & Kolbe 2008: 866) 4.2.2 Planungsstufen Die Planungspraxis erfahrener Lehrender ist sowohl durch kurzfristige Vorbereitungen (Stunde für Stunde) als auch durch mittelbis langfristig Planungen gekennzeichnet. Die Studien von Clark & Yinger (1979) und Yinger (1980) ermittelten fünf bzw. acht zeitliche Planungsstufen von der Jahresplanung bis hin zur Tagesplanung. Die Studien von Bromme & Hömberg (1981); Haas (1998), Tebrügge (2001) und Wengert (1989) im deutschsprachigen Raum skizzieren einen zwei- oder dreistufigen Planungsprozess von der Jahresplanung zur Planung einer Stundeneinheit bis hin zur Planung einer einzelnen Stunde. Bei der Jahresplanung orientieren sich Lehrende oftmals an Curricula oder Lehrbüchern, ohne selbst einen expliziten Jahresplan zu erstellen (Wengert 1989). Der 90 mittelfristigen Planung von Stundeneinheiten sowie der Vorbereitung der Einzelstunde wird den Forschungsbefunden zufolge am meisten Bedeutung beigemessen. Dabei werden Pläne oftmals immer weiter ausdifferenziert, was Sardo- Brown (1988) in ihrer Untersuchung als „nested“ planning bezeichnet. Die Planung auf der nächsten zeitlichen Stufe stellt dabei eine Feinplanung der zuvor geplanten Unterrichtseinheit dar (vgl. auch Tebrügge 2001). Die Hälfte der befragten Lehrpersonen in Tebrügges Studie gaben an, zunächst grob Unterrichtseinheiten zu planen und dann Einzelstunden vorzubereiten (vorwiegend Deutschlehrkräfte, vgl. auch Borko & Livingston 1989), während die andere Hälfte (Mathematiklehrkräfte) sich stärker am Lehrbuch orientierte und eher von Stunde zu Stunde plante (Tebrügge 2001: 126). Für die nachfolgend dargestellten Ergebnisse gilt es zu berücksichtigen, ob die jeweiligen Untersuchungen die Planung auf der Ebene von Unterrichtseinheiten oder die kurzfristige Vorbereitung einzelner Unterrichtsstunden fokussieren. Forschungsbefunde in Bezug auf Überlegungen der Lehrperson während der Planung einer Einzelstunde wären z.B. anders zu interpretieren, wenn diesen Gedanken schon eine mittelfristige Stoffeinheitsplanung vorangegangen ist und spezifische Entscheidungen daher schon getroffen wurden. In der hier dargestellten Studie zu Unterrichtsplanungsgesprächen in der Ausbildung von Englischlehrenden wird der Aspekt der Planungsstufen nicht untersucht, da hier Unterricht, festgelegt durch den institutionellen Rahmen, vorrangig kurzfristig und nur in Ansätzen mittelfristig vorbereitet wurde. Die fokussierte Planung einzelner Unterrichtsstunden entspricht im Ausbildungskontext durchaus der gängigen Praxis, da Studierende meist zunächst einzelne Stunden planen, bevor Stoffverteilungspläne erstellt und längere Einheiten vorbereitet und unterrichtet werden. Auch in längeren Praktikumsphasen tendieren Studierende jedoch dazu, eher von Stunde zu Stunde zu planen und kaum mehrere Stunden bzw. Stoffeinheiten in den Blick zu nehmen (Borko & Livingston 1989: 484). 4.2.3 Inhalte planenden Denkens Befördert durch kritische Stimmen in Bezug auf normative bzw. als normativ interpretierte didaktische Modelle zur Unterrichtsplanung war man gegen Ende der 1970er Jahre im englischsprachigen und in den 1980er Jahren im deutschsprachigen Raum bestrebt, die Planungshandlungen von Lehrenden bei der alltäglichen Arbeit auf eben jene Elemente hin zu untersuchen, die die Modelle als notwendige Überlegungen vorgaben: Wurde bei der Planung tatsächlich von Zielformulierungen ausgegangen? Folgte daraufhin die Bestimmung der Unterrichtsinhalte? Welchen Stellenwert erhielten Fragen der methodischen Gestaltung der Stunde und der Medien? Die Frage nach den Inhalten 91 planerischen Denkens wurde vielfach untersucht. Zunächst sollen im Folgenden Befunde aus der Expertenforschung dargestellt werden, bevor im Anschluss dezidiert auf die Planungsüberlegungen von Novizen eingegangen wird. 4.2.3.1 Überlegungen von Experten bei der Unterrichtsplanung Schon frühe Studien aus den USA stellten fest, dass die Zielbestimmung, die Tylers Modell zufolge zu Beginn jedes Planungsprozesses stehen sollte, von den befragten bzw. beobachteten Lehrenden kaum - zumindest nicht expressis verbis - realisiert wurde. In einer der ersten Studien zur Unterrichtsplanung, die mittels Lauten Denkens die Überlegungen der Lehrenden während der Planung erheben wollten, untersuchte man Lehrende in einer Art Laborsetting (Peterson et al. 1978). Peterson, Marx & Clark forderten die Forschungsteilnehmenden auf, eine Sozialkundestunde zu einem für sie neuen Thema und für eine ihnen unbekannte Lerngruppe zu planen und dabei ihre Gedanken zu verbalisieren. Sie kodierten die Daten in Bezug auf vier Planungskategorien: Ziele, Materialien, Inhalte und Lehr-/ Lernprozess. Die meiste Planungszeit wurde den Ergebnissen zufolge für die Beschäftigung mit dem Stundeninhalt verwendet, gefolgt vom Lehr-/ Lernprozess (Aktivitäten). Die geringste Zeit wurde den Zielen gewidmet (Peterson et al. 1978). Es muss jedoch beachtet werden, dass Lernmaterialien sowie Ziele vorgegeben wurden, was evtl. ausschlaggebend dafür war, sich stark mit den vorgegeben Materialien und Inhalten auseinanderzusetzen und weniger mit den Zielen, da diese als gegeben erachtet wurden. Zudem unterschied sich die Situation der Erhebung relativ stark von der realen Planungssituation im häuslichen Arbeitszimmer. Eine stärkere Fokussierung der Lehrenden auf Inhalte als auf Ziele wurde jedoch auch in anderen Studien ermittelt. Zahorik (1975) befragte 194 Lehrpersonen mittels Fragebogen, welche Entscheidungen sie vor dem Unterricht treffen würden. Die meisten Nennungen bezogen sich auf Unterrichtsaktivitäten. Entscheidungen bezüglich des Inhalts einer Unterrichtsstunde wurden häufig zuerst getroffen, erst danach wurden Zielbestimmungen vorgenommen. Letzteres bestätigt auch die Studie von Young, Reisner & Dick (1998), in der neun US-amerikanische Lehrende in Fragebögen und Interviews Auskunft über ihre Planungstätigkeiten gaben. Inhalte werden den Angaben der Lehrenden zufolge meist relativ früh, auf der Ebene der Jahres- oder Stoffeinheitsplanung, ausgewählt (vgl. auch Borko & Livingston 1989). Zielbestimmungen gaben nur vier Lehrende an und die Aussagen bezogen sich meist darauf, Richtlinien und Lehrpläne zu konsultieren, um die dort formulierten Lernziele zu übernehmen (Young et al. 1998: 72). Haas (1998) untersuchte das Planungshandeln von 36 Biologielehrerinnen und -lehrern an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, die jeweils eine 92 der ersten Stunden in der Unterrichtseinheit „Vögel“ für eine 6. Klasse planten. Die Forschungsteilnehmenden produzierten dabei Lautdenkprotokolle und wurden im Anschluss zum Planungsprozess leitfadengestützt interviewt. Von Interesse war für Haas die Frage, welche Überlegungen Lehrende bei der alltäglichen Planung anstellten, welche Hilfsmittel sie nutzten, wie die Planungsprodukte verfasst sind und wodurch die Planung beeinflusst wird. Die gewonnen Daten wertete er inhaltsanalytisch aus, indem er aus der bildungswissenschaftlichen Theorie und Empirie ein Kategoriensystem ableitete, das er deduktiv an seine Datensätze anlegte (Haas 1998: 97ff.). Er arbeitete mit folgenden Kategorien (kursiv) und Unterkategorien (in Klammern), die jene Aspekte beschreiben, die Lehrende während des Planens verbalisierten: Orientierung (Lehrplan, Stoffplan), Thema, Ziele, situative Bedingungen, Inhalt (Ergebnis), Schüler (Kenntnisse, Interesse, Schwierigkeiten), Methode (Einstieg, Problemstellung, Lehrerverhalten, Alternativen, Sozialformen), Medien, Sicherung (Tafelanschrieb, Hefteintrag, Hausaufgaben), Reflexion der Stunde, Zeitreflexion, Literatur, Sonstiges. Die Ergebnisse zeigen ähnlich wie andere Studien in diesem Bereich, dass Lehrende kaum explizit Lernziele bestimmen (Haas 1998: 123). Die inhaltliche Planung hingegen nimmt einen sehr hohen Stellenwert ein, durchschnittlich wird ungefähr die Hälfte der Zeit den Stundeninhalten gewidmet (Haas 2005: 9). Es zeigen sich jedoch große interindividuelle Unterschiede, die Haas u.a. darauf zurückführt, dass einige Lehrende fachfremd Biologie unterrichteten und z.T. nicht die Einstiegsstunde in die Stundeneinheit, sondern eine Folgestunde geplant wurde. Auch die Ergebnisse der Studie von Tebrügge (2001: 127) bestätigen eine Fokussierung der Planungsüberlegungen auf die Inhalte einer Stunde. Tebrügge arbeitete mit Deutsch-, Mathematik- und Chemielehrenden. Sie wertete Fragebögen aus, führte Interviews durch und erhob Lautdenkprotokolle während der Planungsprozesse. Sie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass das Nachdenken über Methoden und Medien sowie die Planung von Schüleraktivitäten eine untergeordnete Rolle spielen (Tebrügge 2001: 127). Haas’ Befunde bestätigen dies insofern, als dass von der Gesamtplanung nur knapp 15% der von ihm kodierten Äußerungen auf den methodischen Bereich, 16% auf die Planung der Medien und 50% auf die Unterrichtsinhalte fallen (Haas 2005: 10). Diese Ergebnisse sind vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass andere Studien eine Konzentration der Planungsaktivitäten der Lehrenden auf Schüleraktivitäten oder Aufgaben feststellten. So beschreibt Bromme (1981) den Prozess der Unterrichtsvorbereitung aufgrund seiner Befunde „als Auswahl von mathematischen Aufgaben und als Antizipation ihrer Bearbeitung im Zuge des Unterrichtes“ (1981: 192). Auch Yinger (1980), der eine umfangreiche Fallstudie einer Lehrerin über einen Zeitraum von fünf Monaten durchführte, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: “In the study reported here, activities were 93 the teacher‘s most important and most frequent planning concern” (1980: 123). Sowohl Bromme als auch Yinger machen deutlich, dass in der Auswahl und Gestaltung von Aufgaben verschiedene Elemente des Unterrichts verbunden werden: „In her planning, content and materials were features that helped define an activity; thus, activities were not separate from subject matter“ (Yinger 1980: 123). Auch Bromme (1981; 1992) zieht ein ähnliches Fazit: er schließt aus seiner Studie mit berufserfahrenen Mathematiklehrenden, dass die meisten Aspekte, die in Planungsmodellen betont werden, implizit wirksam sind, und zwar dann, wenn sie als Auswahlkriterium für Aufgaben dienen (Bromme 1992a: 541). Der scheinbare Widerspruch, dass zum einen von einem Primat der Inhalte bei der Unterrichtsplanung auszugehen ist und zum anderen Aktivitäten als Fokus der Unterrichtsplanung identifiziert wurden, scheint einerseits dadurch auflösbar zu werden, dass in der Aufgabe andere Teilaspekte von Unterrichtsplanung verschmelzen. Andererseits lässt sich die Differenz auch durch eine unterschiedliche Art der Dateninterpretation erklären. Während z.B. Haas (1998) die Beschäftigung mit Inhalten als dominierend herausstellt, begreift Bromme (1981) die Auseinandersetzung mit den Inhalten als Teil der Überlegungen zur Aufgabenplanung. Er beschreibt Aufgaben für die Planung des Mathematikunterrichts als „Kristallisationspunkte des Denkens, weil in ihnen z.B. ein mathematisches Konzept, ein Algorithmus oder eine Beweisidee enthalten und in eine Schrittfolge gesetzt wird“ (Bromme 1992a: 540). 4.2.3.2 Überlegungen von Novizen bei der Unterrichtsplanung Die Befunde über Inhalte planenden Denkens von Lehramtsstudierenden oder Anfänger/ innen ähneln z.T. den Erkenntnissen aus der Expertenforschung, wobei sich Unterschiede in der Reihenfolge und Wichtigkeit der bedachten Elemente oder in der Intensität der Auseinandersetzung damit feststellen lassen. Es finden sich jedoch auch erhebliche Unterschiede in den Forschungsergebnissen der einzelnen Studien, die auf die verschiedenen Untersuchungskontexte, Forschungsansätze oder die Forschungsteilnehmenden zurückzuführen sind. So scheint es z.B. durchaus von Bedeutung zu sein, an welcher Stelle im Ausbildungsprozess sich die Novizen befinden. Dieser Aspekt soll in den folgenden, thematisch strukturierten Ausführungen beachtet werden, wenn deutliche Unterschiede ersichtlich werden. Explizite Zielbestimmungen lassen sich ähnlich wie bei der Vorbereitungstätigkeit der Experten bei den Planungshandlungen der Novizen selten oder gar nicht finden (John 1991a). Wenn Ziele formuliert werden, geschieht das meist relativ spät im Planungsprozess (Seel 1996), und ist dann oftmals damit verbunden, dass im Rahmen von Schulpraktika Unterrichtsentwürfe eingefordert werden, die Zielbestimmungen explizit einfordern (Kagan & Tippins 94 1992). Kagan & Tippins (1992) untersuchten das Planungshandeln von zwölf Studierenden während ihrer zehnwöchigen Praktika und konnten dabei herausfinden, dass Zielformulierungen zu Beginn des Praktikums noch eine stärkere Rolle spielten, dass sie später aber immer weniger beachtet wurden. Die Untersuchungsteilnehmer/ innen der Studie von Seel (1996) gaben an, dass Zielbestimmungen implizit mit beachtet werden. Ziele würden demnach über den Planungsprozess hinweg „mitschwimmen“ (1996: 92), was wiederum auf die Interdependenz der Planungselemente verweist. Westerman (1991) konnte in ihrer Studie mit Experten und Novizen herausarbeiten, dass vorgegebene Ziele für die Studierenden durchaus eine große Rolle spielten, jedoch eher als eine Art Gerüst, dem man getrost folgen und an das man sich anlehnen konnte: Whereas the expert teachers used the curriculum guidelines in an interpretive way based on the needs of their students, the novices used the guidelines in a more literal way. When the interviewer asked how a novice teacher had planned the lesson, she replied, ‘The main topic is graphs, and the curriculum guide gives you an instructional objective.’ Novice teachers’ planning indicated that they did not have a well-developed theory of instruction nor an overview of student learning in a subject matter content area and therefore planned each lesson as a discrete entity based on the prescribed objectives. This meant that novices sometimes planned to teach sub-skills without an understanding of how these sub-skills fit together. (Westerman 1991: 296) Ähnlich der Befunde aus der Expertenforschung stellt auch ein größere Zahl an Studien zum Planungshandeln von Novizen eine intensive Beschäftigung mit inhaltlichen Aspekten heraus (Ball et al. 2007; Borko & Livingston 1989; Kagan & Tippins 1992; Seel 1996). Borko & Livingston resümieren: ˮ Much of their daily planning consisted of deciding how to represent the subject matter to students and constructing detailed mental plans for their presentations” (1989: 486). Auch die Forschungsteilnehmenden in der Studie von Seel (1996: 89) berichteten, dass inhaltliche Entscheidungen für sie bei der Planung im Vordergrund standen. Seel (1996) führte mit sieben Studierenden der österreichischen Hauptschullehrer/ innenausbildung für die Fächer Biologie (drei Studierende), Geografie (2 Studierende) und Physik (2 Studierende) Interviews kurz vor einer zu unterrichtenden Stunde durch, sie videografierte den Unterricht, woran sich eine retrospektive leitfadengestützte Befragung 6 anschloss. Auf diese Weise 6 Seel (1996: 79ff.) bezeichnet diese Befragung als Nachträgliches Lautes Denken. Sie forderte die Teilnehmenden einerseits auf, die Aufnahme eigenständig zu stoppen und ihre erinnerten Gedanken zu verbalisieren. Andererseits gab sie konkrete Hinweise, worauf die Teilnehmenden achten sollten. Es sollte nach jedem Unterrichtsabschnitt gestoppt werden, u. a. auf Situationen geachtet werden, in denen vom Plan abgewichen, sich strikt an den Plan gehalten oder eine Abweichung in Erwägung gezogen wurde. 95 wurden pro Forschungsteilnehmer/ in zwei Unterrichtsstunden begleitet. Hinsichtlich der Auswahl der Stundeninhalte wurde mehrfach herausgestellt, dass sich Studierende im Praktikum vorrangig am Lehrbuch, am Lehrerhandbuch oder an Materialien orientieren, die ihnen von der Mentorin zur Verfügung gestellt wurden (Borko & Livingston 1989), während Lehrpläne eher selten konsultiert werden (Seel 1996: 89). Gründe für die eingehende Beschäftigung mit den Stundeninhalten während der Planung werden oftmals in dem noch begrenzten Wissen der Novizen über die zu unterrichtenden Inhalte gesehen (Seel 2011: 35). Borko & Livingston (1989) plädieren daher dafür, in der Ausbildung zu gewährleisten, dass Studierende zu Beginn ihrer unterrichtspraktischen Erfahrungen jene Inhalte unterrichten, in denen sie schon über profundes Wissen verfügen. In der Untersuchung von John (1991a) gestaltete sich die Beschäftigung mit Unterrichtsinhalten von Person zu Person eher unterschiedlich. John begleitete fünf britische Studierende der Fächer Mathematik und Geografie in ihrem einjährigen Ausbildungsabschnitt, der durch einen hohen schulpraktischen Anteil geprägt war (zwei Tage pro Woche sowie ein dreimonatiges Unterrichtspraktikum). Er arbeitete mit Lautem Denken während der Planungsprozesse sowie mit offenen Interviews, die z.T. stimulated recall Elemente enthielten, indem die Lautdenkprotokolle und Planungsnotizen als Impulse für die retrospektiven Befragungen dienten (John 1991a: 304f.). Für eine Person stellte der Inhalt eine zentrale Planungsdimension dar, während die anderen Teilnehmer/ innen Inhalte meist in Zusammenhang mit anderen Entscheidungen berücksichtigten, wie z.B. die Erstellung von Materialien oder das Wecken von Interesse. Interessant ist zudem, dass Inhalte eher zu Beginn des Ausbildungsjahres eine Rolle spielten und später an Bedeutung verloren (1991a: 314). An dieser Stelle wird, ähnlich wie in einigen Forschungsarbeiten zur Unterrichtsplanung von Experten, die Verschränkung und das gegenseitige Aufeinanderbezogensein der einzelnen Aspekte der Unterrichtsplanung deutlich. Seel (1997) trifft die Aussage, dass die Interviewaussagen der Forschungsteilnehmenden auf Schwierigkeiten verweisen, „die Gleichzeitigkeit und Interdependenz von Zielentscheidungen und anderen Planungsentscheidungen in Worte zu fassen“ (1997: 263). Diese Interdependenz wird nicht nur für die Studierenden in der nachträglichen Rekonstruktion ihrer Planungshandlungen zum Problem, wenn es darum geht, bestimmte Aspekte klar zu benennen. Die Verschränkung stellt auch für den Prozess der inhaltsanalytischen Auswertung der Daten eine Schwierigkeiten dar, da die erhobenen Daten oftmals nicht aus- Aufgrund dieser Steuerung ist nicht von einer Retrospektion im Sinne eines Lauten Erinnerns auszugehen (s. Kap. 6.5.2, vgl. Knorr & Schramm 2012; Knorr 2013). 96 schließlich als Überlegungen inhaltlicher oder methodischer Art oder als Zielüberlegungen kodiert werden können. 7 Neben einer transparenten Beschreibung der Merkmale einer inhaltlichen Kategorie wurden in der vorliegenden Arbeit aus diesem Grund auch Mehrfachkodierungen vorgenommen (vgl. Kap. 6.6.3). John (1991a) löst diese Problematik ähnlich wie Yinger (1980) oder Bromme (1981) dahingehend auf, dass er die Auseinandersetzung mit Materialien und Aktivitäten als eines der wichtigsten Aspekte der Planungsüberlegungen skizziert, die jedoch eng mit anderen Entscheidungen verbunden sind: “More often than not, this concern [for resources and subject activities, PK] formed one of the central elements in their planning and became the axis around which other components of planning revolved” (John 1991a: 314). Die intensive Beschäftigung mit Unterrichtsaktivitäten wird auch durch die Studie von Broeckmans (1986) bestätigt, in der Lehramtsstudierende in mehreren aufeinander folgenden Stunden begleitet wurden (1986: 219). Neben inhaltlichen Fragen und der Beschäftigung mit Unterrichtsaktivitäten spielen für die Novizen außerdem der Kontext ihrer Unterrichtsstunden und die Lernenden eine bedeutsame Rolle. John (1991b) stellte in seiner Studie fest, dass die Schülerperspektive für die von ihm untersuchten Anfänger/ innen von zentraler Bedeutung war: In terms of the students’ planning recipes, pupils were high on their list of concerns. Contextual knowledge was therefore seen as being of central importance, particularly in the early stages when the interns were having problems gauging children’s cognitive abilities. (John 1991b: 368) Schwierigkeiten, die Ausgangssituation einer Stunde und die Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lernenden angemessen einzuschätzen, finden sich vor allem im Kontext von Tagespraktika, in denen die Studierenden nur kurzzeitig mit einer bestimmten Schulklasse arbeiten (Westerman 1991; Seel 2011). Westermans Untersuchungsergebnisse (1991) zeigen, dass die Studierenden in den 7 Diesbezüglich kann auch Seels Interpretation, dass Inhalte in den Darstellungen der Studierenden deutlich dominieren, hinterfragt werden. Seel berichtet u.a., dass auf die Frage nach der Beschreibung des geplanten Stundenverlaufs, sich die Darstellung der Studierenden häufig „auf inhaltliche Aufzählungen dessen, was im Unterricht passieren wird“ beschränkt (Seel 1997: 263). Kann eine Aufzählung dieser Art als ein Beleg für die „Dominanz der Inhalte“ interpretiert werden? Ohne Datenbeispiele und die Definition dessen, was unter einer inhaltlichen Entscheidung verstanden wird, lässt sich diese Frage leider nicht eindeutig beantworten. Die Erklärung einer Studentin, dass nach dem Stundeneinstieg ein Experiment folgen und sich daran eine bestimmte Aufgabe anschließen soll, wäre m.E. ebenso auf Entscheidungen methodischer Art zurückzuführen. Die Analyse der Planungsprozesse bleibt leider in der Darstellung zu stark verkürzt, so dass die Interpretation intersubjektiv nicht genau nachvollziehbar ist. 97 Tagespraktika kaum auf zurückliegende Stunden verweisen und für die Lernenden keine Verknüpfungen zu vorherigen Inhalten erstellen. Das geringe kontextuelle Wissen von Studierenden führt auch dazu, dass die Auswahl angemessener Inhalte erschwert wird (Borko & Livingston 1989: 486). Ein weiterer Aspekt, den Studierende Forschungsergebnissen zufolge für sehr wichtig erachten und der bei Experten scheinbar kaum eine Rolle spielt, ist die Auseinandersetzung mit Disziplinfragen und dem Planen von Maßnahmen, die die Kontrolle über das Unterrichtsgeschehen sichern (John 1991a; 1991b; Kagan & Tippins 1992; Koeppen 1998; Seel 1996). John (1991a) arbeitete heraus, dass dieses Thema erst nach einiger Unterrichtserfahrung eine Rolle spielte und dann z.T. auch zu inneren Konflikten führte: At the start of the year many of the components which all the students felt made up lesson planning, seemed to fall into a number of general categories. Timing, activities, resources and contextual knowledge were common to all of the sample. However, aims and objectives were not generally seen as important, except in one instance, and all saw subject content knowledge as significant. By January all saw class control as a major element in their lesson preparation. For some, this realisation meant a re-think of other earlier beliefs and ideas, while for others it marked the beginning of a conflict of values which took many months to resolve. (John 1991a: 314) Diese Konflikte basierten darauf, dass die Ausübung von Kontrolle eher mit traditionellen Formen der Unterrichtsführung assoziiert wurde, von denen sich die Studierenden distanzieren wollten (“I think there are less variables in the traditional method; I think teachers use that method because they feel more in control. ˮ Aussage eines Studenten, John 1991a: 307). Später hingegen führten die Unterrichtsgegebenheiten dazu, dass eben jene Kontrolle als sehr wichtig erachtet wurde. Der gleiche Student berichtet nach drei Monaten folgendes: “Control would be almost impossible for me without planning. If you didn't build control into your activities then that's when I would start having real problems.” (John 1991a: 308). Ausführliches Planen bedeutet hier wie auch in anderen Untersuchungen, sich im Vorfeld intensiv mit den Unterrichtsinhalten auseinanderzusetzen, um - wie Koeppen (1998) es formuliert - eine Art personal safety net zu schaffen: “His emphasis on reading as a major part of his planning process worked to strengthen his knowledge base thus strengthening his safety net ˮ (Koeppen 1998: 404). Bezüglich methodischer Fragen beschreibt Seel (1996; 2011) die Überlegungen ihrer Studierenden als spontan, intuitiv und wenig begründet. Die Forschungsteilnehmenden berichten, dass sich Methodenentscheidungen in vielen Fällen quasi „aufdrängen“ (Seel 1996: 90). Die Gestaltung des Unterrichts wird in vielen Studien als eher lehrerzentriert, auf Wissensvermittlung fokussiert und wenig differenziert beschrieben (Borko & Livingston 1989; 98 Bullough 1987; Kagan & Tippins 1992; Koeppen 1998; Seel 1996, 2011). Die Unterrichtsentwürfe der Untersuchungsteilnehmer/ innen in der Studie von Kagan & Tippins (1992) zeigen, dass die Studierenden für die Sekundarstufe sich in den z.T. schwierigen Klassen meist auf Modelle der lehrerzentrierten Vermittlung von Faktenwissen stützten. Dies wurde vor allem für das Fach Geschichte beobachtet. Die Autorinnen ziehen daraus das Fazit, dass ein lineares Planungsraster im Tylerschen Sinne kontraproduktiv wäre, da es u.a. jene Lehr- und Lernform begünstigen würde: It [the traditional lesson plan format, PK] also facilitated an information-giving model of teaching because lesson plans served as convenient repositories of lecture notes taken from text-books. This was particularly true of history lessons and the historical aspects of English lessons. (Kagan & Tippins 1992: 487) Borko & Livingston (1989) berichten, dass die von ihnen untersuchten Studierenden gern innovative Unterrichtsmethoden verwendet hätten, sich dies jedoch noch nicht zutrauten: They also reported rejecting instructional options that they would have liked to attempt, such as departures from traditional instructional formats and learning environments or constructing their own problem sets for students, because they did not feel ready to try them. (Borko & Livingston 1989: 487) In einigen Fällen führte dies zu Konflikten zwischen Auffassungen über tradierte Unterrichtsformen, denen man nicht folgen wollte, und den eigenen Vorstellungen über guten Unterricht, denen man aber (noch) nicht gerecht werden konnte. Betrachtet man zusammenfassend die Befunde bezüglich der Inhalte planerischen Denkens aus der Expertenforschung sowie aus dem Bereich der Lehrer/ innenausbildung, so kann es als gesichert gelten, dass präskriptive Modelle der Unterrichtsplanung tatsächlich, wie Hilbert Meyer es formulierte, „Feiertagscharakter“ haben und bei der alltäglichen Unterrichtsplanung kaum eine Rolle spielen, zumindest wenn man sie als lineare Modelle begreift, die eine Reihenfolge abzuarbeitender Schritte vorgeben. Der Ansatz, dass zuerst Ziele definiert werden müssen, findet keine Entsprechung in der Empirie. Dennoch müssen Forschungsergebnisse vorsichtig interpretiert werden: Es kann nicht daraus geschlossen werden, dass Lehrende oder Lehramtsstudierende nicht zielorientiert arbeiten würden oder methodische Aspekte nicht von Bedeutung wären. So konnten Untersuchungsergebnisse u.a. zeigen, dass einige Aspekte des Unterrichts aus Lehrer/ innensicht als nur begrenzt im Voraus planbar gelten und daher erst im Unterricht durchdacht und realisiert werden (Borko & Livingston 1989; Wengert 1989). Andere Elemente wiederum werden zwar bei der Vorbereitung beachtet, aber während der Datenerhebung nicht direkt verbalisiert, da sie, wie Bromme (1981; 1992a) und Yinger 1980 herausstellten, eng 99 mit anderen Aspekten verbunden sind. Auch Haas (1998) weist darauf hin, dass Überlegungen zum Thema auch eine gewisse Beschäftigung mit einer Zielstellung beinhalten oder inhaltliche Fragestellungen in Hinblick auf Ziele durchdacht werden (Haas 1998: 124). Damit scheint weniger das Abarbeiten von Handlungsschritten bei der Vorbereitung empirisch nachgezeichnet worden zu sein und sich hingegen eher die Trias von Ziel, Inhalt und Methode in ihrer gegenseitigen Bedingtheit und Verschmelzung in den Daten zu zeigen. 4.2.4 Planungsverläufe Befunde zum Planungsverlauf in seiner zeitlichen Abfolge wurden oben schon durch das Modell von Yinger (1980, siehe Kap. 4.2.1) angedeutet. Yinger unterschied den Planungsprozess aufgrund seiner Forschungsergebnisse in drei Phasen: Problem- Finding Problem Formulation/ Solution (Design) Implementation, Evaluation, and Routinization Stage 1 Stage 2 Stage 3 Abb. 7: Stages of the planning process (Yinger 1980: 114) Yingers Modell zeichnet sich dadurch aus, dass es Unterrichtsvorbereitung nunmehr als zyklischen, anstelle eines linearen Vorgangs, wie im Tyler-Modell (1950) konzipiert, versteht. Mit der Beschreibung der Planung als Design-Prozess sind zudem die Idee einer schrittweise zunehmenden Ausdifferenzierung des Unterrichtsplans sowie die gegenseitige Beeinflussung einzelner Planungsereignisse verbunden. Frühere Planungssowie Unterrichtsprozesse haben eine Auswirkung auf zukünftiges Planen und Unterrichten (Clark & Peterson 1986: 265). Aussagen in Bezug auf den zeitlichen Planungsverlauf finden sich auch bei Bromme (1981). Die Unterrichtsvorbereitungen seiner Proband/ innen orientierten sich im Ablauf im weitesten Sinne am Stundenablauf, d.h. sie beginnen mit Überlegungen zum Stundenbeginn und enden mit dem Nachdenken über das Unterrichtsende. Dabei skizziert Bromme drei Abschnitte: (1) Im ersten Abschnitt kommt es zu Feststellungen über den zu unterrichtenden Fachinhalt und über die zu unterrichtenden Lernenden, es wird über die Eröffnung des Unterrichts sowie über eine angemessene Einstiegsaufgabe nachgedacht, d.h. an dieser Stelle beginnt die Suche nach einer geeigneten Abfolge von Aufgaben. (2) Der Mittelteil der Unterrichtsvorbereitung besteht im Wesentlichen aus der Identifizierung und Auswahl adäquater Aufgaben und der Antizipation ihrer 100 Bearbeitung im Unterricht. (3) Während des letzten Abschnitts wird der so geplante Stundenverlauf meist noch einmal rekapituliert (und unter Umständen noch einmal verändert), bevor sich die Lehrenden mit der Beendigung der Stunde beschäftigen, was meist Überlegungen zu den Hausaufgaben oder zusätzlichen Aufgaben bei evtl. verbleibender Zeit beinhaltet (Bromme 1981: 193f.; Bromme 1992a: 540). Auch Kolbe (1998: 176) kommt zu einer Einteilung des Prozesses der Unterrichtsvorbereitung in drei Ebenen des Vorgehens, die nach Abstraktionsgrad und thematischen Hauptgegenständen unterscheidbar sind: (1) In einer Einstiegssequenz finden erste Eingrenzungen der thematischen Aufgabenstellung statt, es werden Verknüpfungen zur vorherigen Stunde hergestellt und Rahmenbedingungen und Voraussetzungen rekapituliert bzw. (re)konstruiert. (2) Auf einer zweiten Ebene werden nicht näher eingegrenzte Aktivitätsgroßmuster festgelegt, die eine Art thematisches Gerüst mit einem noch relativ hohen Abstraktionsniveau darstellen. (3) Die dritte Ebene umfasst schließlich konkretere Aktivitätsvorstellungen. Die Aktivitätsgerüste für die Interaktion im Unterricht werden stärker eingegrenzt. Dies wird durch folgende musterhafte Teilaktivitätsschritte realisiert: die vorige Teilaktivität, das rahmende Aktivitätsgroßmuster, Lernvoraussetzungen, Bedingungen der Aufrechterhaltung von Interaktion und thematische Konsistenz werden zueinander ins Verhältnis gesetzt. Die Studie von Tebrügge (2001), in der erfahrene Lehrende für die Fächer Deutsch, Mathematik und Chemie untersucht wurden, ermöglicht zudem einen Vergleich der Planungsprozesse für die entsprechenden Fächer. Tebrügge entwirft ein Handlungsschema, das zunächst für alle drei Fächer gültig ist. Sie unterteilt den Prozess in vier Phasen: 1) eine Orientierungsphase, 2) die Planung des Stundenverlaufs und didaktisch-methodische Überlegungen, 3) das Durchdenken des Ablaufs und der Ausblick auf die nächste Stunde und gegebenenfalls 4) das Anfertigen von Arbeitsblättern oder Folien. Bis auf den letzten Schritt konnten die ersten drei Schritte bei allen Lehrpersonen beobachtet werden. Die Befunde aus Brommes Studie werden damit weitestgehend bestätigt (Bromme 1981); wenngleich die einzelnen Teilhandlungen, die mit den von Tebrügge skizzierten vier Schritten verbunden sind, fachspezifische Unterschiede und damit auch Unterschiede zu Brommes mathematikspezifischen Ergebnissen aufweisen. Die „Auswahl und Anordnung von Aufgaben“ als die von Bromme herausgearbeitete zentrale Planungshandlung von Mathematiklehrenden interpretiert Tebrügge als fachspezifisch. Während die Mathematiklehrkräfte in Tebrügges und Brommes Studie sich vorrangig mit den im Lehrbuch oder in anderen Materialien vorgegebenen Aufgaben und deren Inhalten auseinandersetzen, beschäftigen sich die Chemie- und vor allem die 101 Deutschlehrenden in der ersten Planungsphase stärker mit der Suche nach geeigneten Materialen, Texten, Vorlagen und legen dann Inhalte, Themen und Unterrichtsmedien fest (Tebrügge 2001: 207). Bei der Planung des Stundenverlaufs sind die Mathematik- und Chemielehrer/ innen vor allem um eine logische Strukturierung der Inhalte bemüht. Für alle Fächer folgen, laut Tebrügge (2001: 209), Überlegungen zum Einstieg in die Stunde, zur Ergebnissicherung, zu Übungen und zu den Hausaufgaben. In Chemie sind Stunden mit einem Experiment durch einen spezifischen Aufbau gekennzeichnet (Problemstellung, Hypothesenbildung, Versuchsaufbau und -durchführung und Ergebnissicherung) und in Deutsch erstrecken sich die einzelnen Phasen mitunter über mehrere Stunden. Die Festlegung von Hausaufgaben sowie zeitliche Überlegungen finden insgesamt eher selten statt. Tebrügges Unterteilung des Planungsverlaufs orientiert sich an der Sequenzierung von Unterricht in Form des Schemas: Einführung und Erarbeitung - Ergebnissicherung - Übung - Wiederholung (Hausaufgabe). Diese Phasierung kommt insbesondere im Mathematikunterricht zum Tragen (Tebrügge 2001: 165). Die Chemielehrkräfte in Tebrügges Studie denken nicht über Übungen und Hausaufgaben nach (2001: 171) und auch die Deutschlehrer/ innen durchdenken vorrangig den Einstieg (geeignete Textauswahl und Aufgabenstellung) sowie die Ergebnissicherung. Mit Übungen beschäftigt sich nur eine von fünf Lehrpersonen (2001: 155). Zur Vorbereitung von Fremdsprachenunterricht liefert die Studie von Mischke & Wragge-Lange (1987) einige Befunde, die bezüglich des Planungsverlaufs eine ähnliche Schrittfolge rekonstruieren: Die Planung orientiert sich am Stundenverlauf (Einführung, Übung, Festigung) und es findet auch hier eine kurze Orientierungsphase statt, an die sich die Planung der einzelnen Aktivitäten einer Stunde anschließt, bevor abschließend über unterrichtsorganisatorische Fragen nachgedacht wird. Damit weist auch die Studie von Mischke & Wragge-Lange (1987) auf ein Vorgehen hin, dass vom Allgemeinen zum Konkreten verläuft. Neben diesen Studien zur Unterrichtsplanung von erfahrenen Lehrenden untersuchte Broeckmans (1986), wie sich Grundschulstudierende im ersten Jahr ihrer Ausbildung auf Unterrichtsstunden vorbereiteten, die im Rahmen von Schulpraktika zu halten waren. Er versuchte, den Verlauf der Planung von 48 Unterrichtsstunden (meist im Bereich des Lesens) zu rekonstruieren und leitete die 18 teilnehmenden Praktikant/ innen an, Selbstauskünfte in Form von Planungsnotizen zu geben sowie alle Materialien und Unterlagen sowie alle planungsrelevanten Gedanken in einem logbook on planning zu dokumentieren. Im Zuge der Analyse identifizierte Broeckmans sieben Handlungskomplexe, die jeweils aus mehreren Teilhandlungen bestehen. Broeckmans’ Verlaufsmodell (vgl. Abb. 8) soll im Folgenden kurz skizziert werden, da zu 102 überprüfen gilt, inwiefern diese Erkenntnisse auf die Planungsgespräche der Studierenden in der vorliegenden Studie übertragbar sind. (1) inspection and interpretation of lesson assignment (2) exploration (3) planning in a narrower sense (4) filling up the planning form (5) [check-up] (6) [revision] (7) direct preparation of interactive teaching Abb. 8: Typischer Planungsverlauf bei Studierenden (Broeckmans 1986: 220) (1) Der erste Schritt im Verlauf der Unterrichtsplanung hat orientierende Funktion und beschäftigt sich mit der Interpretation und Einschätzung des Unterrichtsauftrags, der im Rahmen der Praktika erteilt wurde (lesson assignment). Die Studierenden erfassen dabei zunächst, was ihre Aufgabe sein wird und reflektieren erste Möglichkeiten der Realisierung. (2) Der zweite Schritt (exploration) hat ebenfalls orientierende Funktion, ist aber umfangreicher. Es werden allgemeine orientierende Handlungen durchgeführt, wie z.B. Informationsquellen bestimmen oder Zeiten für die Planung festlegen, der allgemeine Stundeninhalt wird bestimmt und die Studierenden machen sich mit dem Inhalt vertraut. Es wird vorläufig festgelegt, welche Themen behandelt werden und welche Aktivitäten für die Stunde in Frage kommen. Eine nähere Bestimmung von Aktivitäten findet statt, wenn die Planenden sicher sind, dass die Aktivität auch verwendet wird. (3) Daran schließt ein dritter Handlungskomplex an, der insgesamt am umfassendsten ist. Hier wird der Unterricht detailliert vorbereitet (planning in a narrower sense), indem Aktivitäten festgelegt oder Themen ausgewählt werden, die in einer bestimmten Abfolge bearbeitet werden. Während die ersten beiden Handlungsschritte orientierende Funktion 103 haben, sind die Teilhandlungen auf dieser dritten Ebene von ausführendem Charakter. Auch an dieser Stelle stehen Unterrichtsaktivitäten im Zentrum der Aufmerksamkeit, sie werden entworfen oder ausgewählt und in ihrer Umsetzung konkretisiert. Das betrifft Aspekte, wie z.B. die Auswahl von Übungen und Materialien, die zeitliche Planung, konkrete Formulierungen der Lehrperson oder die Gestaltung des Tafelbilds. Die einzelnen Teilhandlungen bauen aufeinander auf. Der dritte Handlungsschritt unterteilt sich meist in mehrere Versuche, in denen Aktivitäten festgelegt und dann näher ausgeführt werden. In aufeinander folgenden Versuchsschritten werden Aktivitäten immer weiter spezifiziert oder auf ihre Angemessenheit hin kontrolliert und gegebenenfalls revidiert. (4) Mit den letzten Planungsversuchen geht meist der vierte Schritt, das Ausfüllen eines vorgegeben Planungsrasters (filling up the planning form), einher. (5) Je nach Ausbildungskontext kommt es anschließend in zahlreichen aber nicht in allen Fällen zu einer Überprüfung (check-up) der schriftlich festgehaltenen Planung im engeren Sinn durch betreuende Lehrende, Hochschulmitarbeiter/ innen oder die Studierenden selbst. (6) Eine Überarbeitung (revision) der Stunde erfolgte als sechster Handlungsschritt in der Hälfe der untersuchten Unterrichtsplanungen. (7) Der letzte Schritt (direct preparation of interactive teaching) besteht aus mehreren Teilhandlungen, die nun nicht mehr auf die Erstellung eines Stundenplans gerichtet sind, sondern dazu dienen, die Durchführung des Unterrichts vorzubereiten. Studierende üben das entsprechende Lehrverhalten, sie verinnerlichen Abläufe, erstellen Übersichtspläne für einen reibungslosen Verlauf, fertigen Materialien an bzw. stellen sie zusammen, sie konkretisieren den Plan noch weiter, indem sie genau überlegen, was im Unterricht gesagt und getan wird, sie nehmen sich gewisse Dinge für den Unterricht vor (z.B. das Lehrerecho vermeiden). Letzte organisatorische Vorbereitungen werden direkt vor der Stunde getroffen. Die Befunde von Borko & Livingston (1989) bestätigen diesen letzten Schritt des nochmaligen mentalen Durchgehens kurz vor der Durchführung der Unterrichtsstunde: "All three novice teachers mentally rehearsed their planned presentations shortly before teaching" (1989: 487). Broeckmans (1986) untersuchte die Vorbereitung von zwei bis vier Unterrichtsstunden pro Person und konnte somit auch Veränderung und Entwicklungen in den Planungsverläufen entdecken. Er identifizierte vier Arten von Entwicklungen: (a) Reduktionen im Planungsprozess, (b) Hinzufügen von zusätzlichen orientierenden Handlungen wie z.B. die Analyse von Problemen und Fehlern und das Ableiten entsprechender Konsequenzen, (c) Hinzufügen von kontrollierenden Teilhandlungen, in denen z.B. aufgrund von erworbenen Erfahrungen Einschätzungen über die Angemessenheit oder Machbarkeit von Aktivitäten vorgenommen werden und (d) Veränderungen in der Ausführung 104 der Teilhandlungen, wie z.B. das unbewusste oder bewusste Anwenden erworbenen Wissens. Auch die Befunde der Studie von John (1991a) lassen eine Beschreibung des Verlaufs von Planungsprozessen zu (Abb. 9). first stage consideration of topic and possible activities, resources and strategies that could be best employed to teach it successfully second stage more formal planning stage: ordering and structuring of the work carried out in the previous phase third stage production of usable classroom version of the plan Abb. 9: Drei Phasen des Planungsverlaufs (John 1991a: 314f.) Er unterteilt den Verlauf der Planung in drei Phasen, die sich auch in Broeckmans’ Modell wiederfinden. Die Planung der Studierenden verläuft laut John ebenfalls zunächst auf einer allgemeinen Ebene des Nachdenkens über das Stundenthema und des In-Betracht-Ziehens verschiedener Möglichkeiten der Umsetzung, bevor im Anschluss detaillierter geplant und abschließend eine Version des Plans erstellt wird, die dann auch im Unterricht verwendet wird (John 1991a: 314f.). Betrachtet man zusammenfassend die Erkenntnisse zum Handlungsverlauf vorbereitender Lehrtätigkeit, so zeigen sich Ähnlichkeiten im Verlauf in dem Sinne, dass zunächst von einer Eingangssequenz, die orientierenden Charakter hat, ausgegangen werden kann: Die Planenden vergegenwärtigen sich die Planungsaufgabe, stellen Verknüpfungen zu vorherigen Stunden an, treffen generelle inhaltliche Entscheidungen und ziehen erste mögliche Aktivitäten in Betracht. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die beschriebenen Studien Planungshandlungen auf verschiedenen Ebenen der Konkretheit rekonstruieren konnten. Dabei ist von Denkhandlungen auszugehen, die sich zwischen allgemeinen Festlegungen in Bezug auf die Auswahl von Themen, Inhalten und Aktivitäten und stärker ausdifferenzierten Überlegungen bezüglich der Durchführung bewegen. Meist ist eine zunehmende Elaboration der Aktivitäten zu beobachten. Bei John (1991) und Broeckmans (1986) wird das Konkretisieren von Unterrichtsaktivitäten im letzten Schritt des Planungsverlaufs besonders betont. Hier geht es um die Ausgestaltung des Plans zum Zweck der besseren Durchführung von Unterricht. Es ist zu vermuten, dass dieses detaillierte Nachdenken über den Unterricht eher ein Merkmal der Unterrichtsplanung von Novizen ist, die im Fokus der Untersuchungen von John (1991) und 105 Broeckmans (1986) standen. Auch aus der Studie von Borko & Livingston (1989) ging hervor, dass die Details der Planung bei Experten z.T. aufgrund der vorhandenen Schemata und Skripte gar nicht explizit bedacht, bzw. erst interaktiv während des Unterrichts geplant wurden. Novizen hingegen tendierten dazu, sehr ausführliche Pläne zu erstellen. Eine Teilnehmerin berichtet: “I do script out what I'm going to say, my little introductions or my little lectures, and I kind of script those out in my head.” (Borko & Livingston 1989: 486). Diese Ausführlichkeit im letzten Planungsschritt bestätigen auch die Erkenntnisse der Studie von Kagan & Tippins (1992). Die angehenden Sekundarstufenlehrer/ innen zeigten innerhalb des untersuchten Zeitraums von mehreren Monaten eine Entwicklung hin zu immer detaillierteren Plänen. Die Studierenden gaben an, sich dadurch fachlich sicherer zu fühlen und damit in schwierigen Klassen Disziplinprobleme vermeiden und ausreichend Kontrolle ausüben zu können (1992: 481). 4.2.5 Die Arbeit mit Planungsrastern Wie schon beschrieben wurde, konnte in den Studien zum Planungsverhalten von Experten herausgestellt werden, dass erfahrene Lehrende sich bei der Unterrichtsvorbereitung kaum an didaktischen Modellen orientieren oder mit Planungsrastern arbeiten (Clark & Peterson 1986; Kagan & Tippins 1992). Auch die Vorbereitungstätigkeit von Novizen wurde auf die Verwendung von vorgegeben Planungsrastern hin untersucht. So konnten z.B. Kagan & Tippins (1992) diesbezüglich in ihrer Studie mit fünf Grundschullehrenden und sieben Sekundarstufenlehrenden in der Ausbildung interessante Befunde erzielen. Den Studierenden wurde vor Beginn ihrer zehnwöchigen Praktika folgende Aufgabe gestellt, mit dem vorgegeben Planungsformat zu experimentieren: Start with the traditional format attached here. Use it at least twice. Keep a diary or log through-out your student teaching experience, explaining how well the format worked for you. If necessary, modify it. Explain changes you make and how each works out. In essence, you are developing a format that works for you. (Kagan & Tippins 1992: 480) Die Ergebnisse der Studie weisen deutliche Unterschiede zwischen den Studierenden der beiden Schularten auf. Die Pläne der Studierenden für die Sekundarstufe wurden mit der Zeit immer detaillierter und beinhalteten zunehmend wortwörtliche Rede aus der Lehrerperspektive, die Kagan & Tippins (1992) als mini-lecture notes bezeichneten, da sie auch formal schriftlichen Notizen für die Präsentation von Inhalten in Form eines Vortrages ähnelten. Gerade im Fach Geschichte dienten die erstellten Pläne als Gedächtnisstütze im Unterricht. Die notierten Fakten sollten die Weitergabe korrekter Informationen gewährleisten. Das wortwörtliche Notieren von geplanten Redebeiträgen diente 106 außerdem dazu, den Studierenden in den großen und recht unruhigen Klassen der Mittelstufe Sicherheit zu geben und für Disziplin zu sorgen: […] all the secondary teachers indicated that without a detailed script, they felt they would not convey an authoritative image to pupils and would invite disciplinary problems. A scripted lesson packed with facts told pupils that the student teachers meant business. (Kagan & Tippins 1992: 486) Unterrichtsaktivitäten spielten zwar eine Rolle bei der Vorbereitung, schienen jedoch nicht im Zentrum ihrer Unterrichtspläne zu stehen und wurden nicht immer notiert (1992: 482). Der Fokus der Sekundarstufenlehrenden lag auf der Vermittlung von Wissen und dem Ausüben von Kontrolle. Die Pläne der Grundschulstudierenden unterschieden sich hingegen deutlich von denen der Sekundarstufe. Sie wurden zunehmend kürzer, enthielten weniger Details und entfernten sich vom Notieren wörtlicher Rede. Die angehenden Grundschullehrer/ innen orientierten sich deutlich weniger am Inhalt und stärker an den durchzuführenden Aktivitäten sowie an der Verknüpfung von Unterrichtsstunden über die Fächergrenzen hinweg (Kagan & Tippins 1992: 486). Ihr Hauptfokus lag auf den individuellen Bedürfnissen der Kinder. Kagan & Tippins (1992) resümieren, dass die Forschungsergebnisse neben der Tatsache, dass Unterrichtsplanung sehr idiosynkratisch ist, das alte Klischee zu bestätigen scheinen, “that secondary teachers teach subject matter, whereas elementary teachers teach children” (1992: 486). Weitere Ergebnisse zur Verwendung von Planungsrastern liefern die Studien von Ball et al. (2007), Borko & Livingston (1989) und John (1991b). In der Studie von Ball et al. (2007) beschrieben die Forschungsteilnehmenden, dass es sich bei ihren Planungshandlungen im Wesentlichen um mentale Prozesse handelte. Das Verschriftlichen von Gedanken war nur ein Nebenprodukt, das höchstens dazu diente, sich den Plan einzuprägen. Andere Forschungsteilnehmende erachteten den schriftlichen Plan auch als völlig unnötig (Ball et al. 2007: 60). John (1991b) berichtet Ähnliches: Similarly, in relation to planning models, all the interns were formally introduced to the Tylerian prototype as the best method of planning lessons. In reality, however, the interns at best only paid lip-service to this model and at worst ignored it altogether. (John 1991b: 379) Die Befunde von Borko & Livingston (1989) bestätigen, dass Studierende durchaus detaillierte Pläne erstellen, wenngleich die geplanten Handlungen in dieser Untersuchung z.T. nicht unbedingt verschriftlicht wurden: Much of their daily planning consisted of deciding how to represent the subject matter to students and constructing detailed mental plans for their presentations. (Borko & Livingston 1989: 486) 107 4.2.6 Die Planung von fremdsprachlichem Unterricht Forschungsergebnisse zur Unterrichtsplanung konnten zeigen, dass die Vorbereitungstätigkeit von Lehrenden durchaus fachspezifische Unterschiede aufweist (Borko & Livingston 1989; John 1991a; Tebrügge 2001). Die Mehrzahl der Untersuchungen richtet ihren Fokus jedoch nicht explizit auf ein ausgewähltes Unterrichtsfach (z.B. Bullough 1987; Jones & Vesilind 1996; Kolbe 1998). Dies trifft vor allem auch auf jene Studien zu, die im Kontext der Lehrer/ innenausbildung in der Primarstufe durchgeführt wurden (z.B. Broeckmans 1986; Clark & Yinger 1979; Neely 1986; Roskos & Neuman 1995; Yinger 1980). Untersuchungen in Bezug auf die Planung spezifischer Fächer finden sich zu einem größeren Teil im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich (z.B. Studien mit Mathematiklehrkräften: Borko & Livingston 1989; Bromme 1981; John 1991a; Tebrügge 2001; Biologie: Haas 1998; Martin 1994; Seel 1996; Chemie: Tebrügge 2001). Es gibt vereinzelt Studien für das Fach Sport (Byra & Sherman 1993; Schmoll 2005), Musik (Schmidt 2005) oder für Geografie (John 1991a; Tebrügge 2001). Nur sehr wenige Studien beschäftigen sich mit dem Planungshandeln von (Fremd)Sprachenlehrenden. In diesem Bereich lässt sich ein deutliches Forschungsdesiderat ausmachen. Die Fallstudie von Mischke & Wragge-Lange (1987) scheint die einzige deutschsprachige Untersuchung zu sein, die sich der Planung von Englischunterricht widmet. Das Forscherteam untersuchte die Unterrichtsvorbereitung einer erfahrenen Englischlehrerin für eine Unterrichtsstunde in einer 5. Klasse. Sie forderten die Lehrerin auf, während der Planung laut zu denken und zeichneten die Lautdenkprotokolle auf. Außerdem wurde die Durchführung der Unterrichtstunde videografiert und analysiert. Die Verbalisierungen der Lehrerin während der Unterrichtsplanung wurden in thematische Sinneinheiten unterteilt und folgenden Kategorien zugeordnet: Unterrichtsinhalte, didaktische Anmerkungen, Schülerbezug, Methodik und Selbstkommentare. Eine Auswertung der Kategorien in Bezug auf die Art und Weise der Thematisierung oder der Häufigkeiten findet leider nicht statt. Die Kategorisierung diente vorrangig dazu, den Planungsverlauf zu rekonstruieren. Aus dieser Interpretationsarbeit identifizierten Mischke & Wragge-Lange eine Abfolge von sieben Planungsphasen (1987: 101ff.): • Überlegungen zum didaktischen Zusammenhang (Einstieg in die Planung, eigene didaktische Position zum Englischunterricht, Voraussetzungen der Schüler/ innen); • Planung der neu einzuführenden Vokabeln bzw. Strukturen; • Planung der Kommunikationsübung (eigentliche Vorbereitung der Übung, didaktische und methodische Planung, Zusammenfassung); 108 • Planung einer Festigung - Stillarbeitsphase (Probier- und Suchphase, Rekapitulation der Inhalte aus der vorherigen Übung, Idee und Konzeption eines Arbeitsblattes); • Wiederholung der geplanten Inhalte und Schritte; • Überlegungen zum didaktischen Zusammenhang (Aufzählung von Aktivitäten außerhalb des Lehrbuchs, Hinweise auf folgende Stunde); • Unterrichtsorganisation. Wie in Kapitel 4.2.4 schon skizziert wurde, können hinsichtlich des Planungsverlaufs Parallelen zu anderen Forschungsbefunden gezogen werden (Beginn der Planung durch eine Phase der Orientierung, schrittweises Vorgehen vom Allgemeinen zum Konkreten, Orientierung am Stundenverlauf). Die Struktur der Stundenplanung folgt, soweit das aus dem Verlaufsschema der Planung abzuleiten ist, dem traditionellen Stundenaufbau von presentation - practice - production (vgl. Kap. 3.2.3). Aus anderen Forschungsarbeiten sowie aus den Daten ihrer Studie leiten Mischke & Wragge-Lange ab, dass planende Lehrpersonen über Schemata verfügen, die in die Vorbereitung mit eingebracht werden. Sie sprechen auch von einer didaktischen Theorie, in die die Erfahrungen der Lehrerin mit eingeflossen sind und die immer präsent ist. Aus den Verbalisierungen der Forschungsteilnehmerin interpretieren Mischke & Wragge-Lange, dass es der Lehrerin wichtig ist, an Alltagserfahrungen der Lernenden anzuknüpfen, Sprachstrukturen durch Gebrauch zu festigen, neue Strukturen mit bereits bekannten zu verknüpfen, Lernende miteinander in der Zielsprache kommunizieren zu lassen, alle Schüler/ innen zu aktivieren etc.. In Ansätzen rekonstruieren Mischke & Wragge-Lange hier das Selbstverständnis der Probandin als Englischlehrerin, was in den 1980er Jahren durch das Forschungsprogramm Subjektive Theorien wissenstheoretisch fundiert und methodologisch weiterentwickelt wurde sowie darüber hinaus bis heute in Bezug auf unterschiedliche fremdsprachendidaktische Fragestellungen erforscht wird (z.B. Caspari 2000; Kallenbach 1996; Morkötter 2005; Schocker-v. Ditfurth 2001). In der englischsprachigen Forschungsliteratur finden sich ebenfalls kaum Arbeiten, die sich explizit mit der Vorbereitung von fremdsprachlichem Unterricht beschäftigen. Eine Ausnahme bildet die Studie von Liyanage & Bartlett (2010), in der das Autorenteam die Verwendung eines metacognitive strategy frameworks (MST) durch neun Masterstudierende für Englisch als Zweit- oder Fremdsprache untersuchte. Dieses Strategiengerüst wurde in Anlehnung an die von Chamot, O’Malley, Kupper & Impink-Hernandez (1987) formulierten metakognitiven Strategien zum Erlernen einer Fremdsprache entworfen und an den Prozess der Planung einer Unterrichtsstunde angepasst. Strategien, wie 109 z.B. advance organisation, self-management, selective attention oder self-monitoring (Chamot et al. 1987: 136f.) wurden von Liyanage & Bartlett spezifische Phasen im Planungsprozess zugeordnet (planning the lesson content, planning the content implementation, planning the lesson evaluation). Die Befunde zeigen, dass die Studierenden nach der Arbeit mit dem MST bewusster über ihr eigenes Planen von Unterricht nachdachten, über mehr Wissen in Bezug auf die Planung schülerorientierten Unterrichts verfügten und ihre Entwicklungsprozesse stärker reflektierten. Daher könnte sich die Auseinandersetzung mit Planungsstrategien, wie sie z.B. auch von Neely (1986) erforscht wurden, als lohnenswert erweisen. Die Definitionen der metakognitiven Planungsstrategien des MST blieben jedoch sehr allgemein und waren kaum auf das Planen von Fremdsprachenunterricht bezogen. Damit liefert auch diese Studie für die Vorbereitung speziell des fremdsprachlichen Unterrichts wenig spezifische Erkenntnisse. Eine weitere englischsprachige Arbeit, die sich im Kontext des Fremdsprachenunterrichts bewegt, ist die Studie von Morton & Gray (2010). Die Autoren untersuchten sogenannte lesson planning conferences: Unterrichtsplanungsgespräche, in denen ein Tutor, eine Lehrperson und sechs Studierende gemeinsam eine 40-minütige Englischstunde besprechen. Ausschnitte aus dem Datenmaterial verdeutlichen die Spezifik des Planens von Fremdsprachenunterricht und die vorgenommenen Kodierungen hätten vermutlich auch vor diesem Hintergrund interpretiert werden können. Morton & Gray (2010) fokussieren in ihrer interessanten Studie jedoch weniger die fächerspezifische Charakterisierung von Planungsprozessen. Ihr Erkenntnisinteresse liegt vielmehr im Bereich der kooperativen Aushandlung von Bedeutungen im Gespräch. Die Arbeit wird daher im folgenden Kapitel näher beschrieben. Neben den hier dargestellten Studien, gibt es zudem Forschungsarbeiten, in denen der Fremdsprachenunterricht nur eines von mehreren untersuchten Fächern ist und demzufolge keine gesonderte Aufmerksamkeit erfährt (z.B. Kagan & Tippins 1992; Kolbe 1998). 4.2.7 Kooperatives Planen Unterrichtsplanung wird - wie viele andere Handlungen der Lehrperson - eher als individuelle, im Alleingang durchgeführte Tätigkeit betrachtet und daher meist auch auf dieser individuellen Ebene untersucht. Es existieren nur wenige Studien über Kooperation bei der Vorbereitung von Unterricht 8 . Bromme & 8 Der Begriff der Kooperation wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an den deutschen Sprachgebrauch als Oberbegriff für jegliche Art der Zusammenarbeit verwendet. Später wird unter Bezugnahme auf Studien aus dem englischen Sprachraum das Konzept der Kollaboration als eine spezifische Form der Kooperation abgegrenzt. 110 Hömberg (1981), Wengert (1989) und Tebrügge (2001) befragten erfahrene Lehrpersonen über ihre kollegiale Zusammenarbeit. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass es durchaus zu informeller Kooperation kommt, die meist in Pausengesprächen stattfindet und dem Austausch über Probleme, Materialien und Unterrichtspläne dient. Tebrügge (2001) rekonstruierte, dass sich vor allem Mathematiklehrkräfte über Kontrollarbeiten, Abfolgen und Schwerpunkte der Unterrichtsinhalte verständigen und Deutschlehrkräfte stärker in Projekten sowie fächerübergreifend kooperieren. Gemeinsames Planen wird jedoch kaum berichtet (Tebrügge 2001: 55). Zwischen den verschiedenen Schulformen, die Tebrügge untersuchte, gibt es zudem deutliche Unterschiede (Tebrügge 2001: 93f.). Die Lehrkräfte an integrierten und kooperativen Gesamtschulen zeigten sich insgesamt kooperationsfreudiger als an den übrigen Schulformen. Besonders am Gymnasium möchte man die individuelle Planungsfreiheit durch institutionelle Vorgaben nicht zu stark eingegrenzt wissen (2001: 103). Während jene Studien einzelne Lehrende befragten und darauf fokussierten, ob es überhaupt zu Kooperationen kommt und welche Rolle institutionelle Vorgaben dabei spielen, richteten einige wenige Untersuchungen ihr Augenmerk auf den Prozess des gemeinsamen Planens von Unterricht. Die Studie von Hawthorne (1968) ist eine der ersten Untersuchungen, die das Vorgehen von Teams bei der Unterrichtsplanung untersuchte. Das Forschungsprojekt DOPPLER an der Universität Dortmund arbeitete mit drei Gruppen von Physiklehrkräften und untersuchte ihr Planungshandeln in Bezug auf die Berücksichtigung der Lernerperspektive, die Ziele des geplanten Physikunterrichts und die Grundmuster der Unterrichtsplanung (Wilbers & Jonas-Ahrend 2008). Im Rahmen des KULT-Projekts wurden die Potentiale kollegialer Vorbereitung von Stundenkonzepten in künstlerischen Fächerverbünden erforscht (Oberhaus & Hasselbach 2011). Das kollaborative Planungshandeln von Studierenden wurde von Roskos (1996) sowie von Morton & Gray (2010) analysiert und die Befunde sollen im Folgenden aufgrund der Relevanz für die vorliegende Studie kurz dargestellt werden. Roskos (1996) analysierte die Planungshandlungen von zwei Grundschullehrerinnen zu Beginn ihrer Lehrtätigkeit. Die Lehrerinnen planten individuell und gemeinsam. Die Datenerhebung erfolgte durch teilnehmende Beobachtung während der gemeinsamen Planungsgespräche sowie durch retrospektive Interviews zur individuellen Planung. Roskos (1996) stellte heraus, dass die Berufsanfängerinnen in den Phasen, in denen sie allein planten, stärker auf den Kooperation wird in jenen Kontexten als arbeitsteiliges, Kollaboration als gemeinschaftliches und gleichrangiges Zusammenarbeiten aller Beteiligten verstanden (s. Kap. 10.1.1) 111 Unterrichtsplan als Produkt fokussiert waren, sich schneller für etwas entschieden und dabei scheinbar wenige kognitive und metakognitive Strategien nutzten. Das gemeinsame Planen konnte hingegen eher als Problemlöseprozess bezeichnet werden, der durch mehr Flexibilität im Denken, häufigere Rückgriffe auf Wissensbestände und einen umfassenderen Einsatz von Strategien gekennzeichnet war: They viewed it [the planning task, PK] as a problem to be solved more than a product to be produced. The social obligations of collaboration may have pinned their attention to understanding the problem before proceeding to solve it through a concrete plan. (Roskos 1996: 127) Obwohl - wie Roskos selbst einschränkt - die erhobenen Daten vorsichtig interpretiert werden müssen, lässt sich ihrer Ansicht nach aus den Befunden folgende These ableiten: Inserting sufficient joint and shared planning into preparatory coursework and beginning teaching may provide the additional practice and social support necessary for the advancement of individual planning abilities. (Roskos 1996: 128) Forschungsergebnisse, die für eine Zusammenarbeit mit peers und/ oder Experten im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung sprechen, lieferten auch Morton & Gray (2010). Sie analysierten Planungsgespräche zwischen Studierenden und Experten und konnten zeigen, dass die Gespräche - ähnlich der Beschreibung Roskos (1996) - den Charakter dynamischer Problemlöseprozesse aufwiesen, die durch beide Seiten (Novizen und Experten) aktiv gestaltet wurden. Der Planungsverlauf im Rahmen dieser lesson planning conferences verlief stark rekursiv mit zahlreichen Schleifenbewegungen zwischen Identifizierung von Problemen, Lösungssuche und Einschätzung von Lösungsmöglichkeiten (2010: 304). Obwohl die Initiative dabei oft von den Tutoren ausging, nutzten auch die Studierenden die Möglichkeit, sich in den Planungsprozess einzubringen. Dies geschah vor allem in Phasen, in denen gemeinsam nach Lösungen gesucht wurde und dem oder der Unterrichtenden Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung unterbreitetet wurden. Durch das kollektive Aushandeln von Bedeutungen (negotiating meaning) und das aktiv-handelnde Tätigsein (exercising agency) konnten die Studierenden in diesem Setting ihr Wissen und ihre Identität als Mitglieder der Praxisgemeinschaft ausbauen (Morton & Gray 2010: 314). Obwohl kooperatives Planen von Unterricht kaum explizit untersucht wurde, wird auch aus einigen anderen Studien zum Planungshandeln von Novizen abgeleitet, dass ein gemeinsames Vorbereiten von Unterricht für eine verbesserte Ausbildung durchaus anzuraten sei (Bullough 1987; John 1991a; Seel 1996; 2011). Seel (1996; 2011) hebt hervor, weshalb ihrer Meinung nach der Austausch über Gedanken bezüglich der Planung von Unterricht förderlich ist: 112 Formen kooperativer Planung, wie Teamplanung von Studierenden oder partnerschaftliches Planen von Studierenden und Expert/ inn/ en (z.B. Fachdidaktiker/ inne/ n, Ausbildungslehrer/ innen/ n), regen zur Artikulation von Planungsentscheidungen an und begünstigen die Veränderung subjektiver Vorstellungen von Unterricht. (Seel 2011: 41) 4.3 Zusammenfassung Die rezipierten Untersuchungen zum Planungshandeln von erfahrenen und nicht-erfahrenen Lehrenden zeichnen sich durch eine große forschungsmethodologische Vielfalt aus, die eine Synopse der Ergebnisse erschwert. Tebrügge (2001: 67ff.) weist auf die Probleme hin, die mit den enormen Unterschieden im methodischen oder kontextuellen Bereich verbunden sind. Sie macht auf die verschiedenartigen Rahmenbedingungen (Fächer, Schulformen, Klassenstufen, Schultypen) sowie auf die unterschiedlichen Grade an Strukturiertheit des Designs und Kontrolle durch den Forscher / die Forscherin bei der Datenerhebung (geschlossene Fragebögen versus offene Feldforschung) aufmerksam. Je nach Forschungsdesign können damit nur spezifische Fragestellungen beantwortet werden und Ergebnisse müssen durchaus vorsichtig interpretiert werden, wenn z.B. alltägliche Planung in künstlichen, laborähnlichen Settings erfasst wurde oder Forschungspartner/ innen über ihre Planungshandlungen anhand vorgegebener Items in Form von Fragebögen oder repertory-grids berichten sollten. Nach wie vor gelten natürliche Kontexte sowie introspektive Verfahren als besonders ergiebig, um vor allem das Planen als mentalen bzw. dialogischen Prozess zu rekonstruieren: „Further studies should incorporate thinkaloud protocols to study the internal thought processes that novice teachers employ while planning for instruction“ (Ball et al. 2007: 63). Die Forschungsbefunde der für die vorliegende Studie rezipierten Untersuchungen sollen im Folgenden thesenartig zusammengefasst werden, wobei auch hier aufgrund der jeweiligen Kontextspezifik keine Allgemeingültigkeit abgeleitet werden kann. • Unterrichtsplanung findet auf verschiedenen zeitlichen Ebenen statt. Während Experten in größeren Zusammenhängen planen, bereiten Novizen Unterricht eher von Stunde zu Stunde vor. • Sowohl Experten als auch Novizen orientieren sich in ihrer Planung nicht explizit an didaktischen Modellen. Planung ist kein linearer Prozess, an dessen Anfang Zielformulierungen stehen. Die zentrale Planungskategorie ist die Beschäftigung mit Unterrichtsaktivitäten bzw. Aufgaben. Dabei kommen Überlegungen bezüglich der Dimensionen Ziel, Inhalt, Methode und Medien in ihrer Interdependenz zum Tragen. 113 • Unterrichtsplanung von Novizen ist durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet, (die sich mit den ersten unterrichtspraktischen Erfahrungen z.T. auch verändern): o starke Orientierung an Vorgaben und Schulbüchern, weniger am Lehrplan; o intensive Beschäftigung mit den Unterrichtsinhalten; o Unterrichtsziele scheinen entweder aus Vorgaben übernommen und dann als relativ starre Richtlinie verstanden zu werden oder sie werden im Sinne der Erledigung einer Planungsaufgabe zu einem späteren Zeitpunkt ausformuliert; o Fokussierung der Überlegungen auf die Auswahl von Materialien und entsprechenden Unterrichtaktivitäten; o Konzentration auf die Lernenden, wobei es schwer fällt, Lernvoraussetzungen und potentielle Probleme einzuschätzen; o zunehmende Detailliertheit der Planung um Sicherheit vor der Klasse zu gewinnen und Disziplinprobleme zu vermeiden; o Planung von wenig innovativem Unterricht, Rückgriff auf Unterrichtsformen, die als kontrollierbar und realisierbar eingeschätzt werden. • Die Unterrichtsplanung von Experten verläuft meist routiniert. Routinen sind das Ergebnis von Erfahrungen und Teil der Wissensbestände von Lehrenden. Planung wird dadurch einfacher und effektiver. • Schemata und Skripte bzw. psychische Abbilder von Unterrichtsrealität (images) gelten als Grundlage für die Unterrichtsvorbereitung. Sie werden mit der Zeit umfangreicher und präziser, wodurch die Planungstätigkeit von Experten stark vereinfacht und verkürzt wird. Novizen hingegen müssen viele Aspekte aufwendig durchdenken, da noch keine fertigen mentalen Abbilder vorhanden sind. • Unterrichtsplanung wird als mentaler Prozess beschrieben, in dem zukünftige Handlungen antizipiert und visualisiert werden. Das Produkt ist meist ein mentaler Plan. • Die Planungstätigkeit erfahrener Lehrender wird auch als Vorbereitung auf eine komplexe Interaktionssituation beschrieben, wobei Handlungsmöglichkeiten sukzessive eingeschränkt werden. • Erfahrende Lehrende verlassen sich auf ihre Fähigkeit der interaktiven Planung, d.h. viele Entscheidungen werden erst in der Interaktion mit den Lernenden im Moment des Unterrichtens getroffen. 114 • Unterrichtsplanungsprozesse sind zyklisch, indem die Reflexion über Unterricht gleichzeitig der Vorbereitung weiterer Unterrichtsstunden zuträglich ist. • Die Vorbereitung von Unterricht verläuft in Phasen. Zunächst findet eine allgemeine Orientierung statt, woran sich Überlegungen in Bezug auf die Auswahl und Gestaltung von Unterrichtsaktivitäten auf verschiedenen Abstraktionsebenen anschließen. Die Planung wird dabei immer konkreter, wobei das Bestreben Unterrichtsideen im Vorfeld auszudifferenzieren besonders bei Berufsanfänger/ innen deutlich wird. • Unterrichtsplanungsprozesse weisen fachspezifische Merkmale auf. In Bezug auf die Vorbereitung von fremdsprachlichem Unterricht ist jedoch ein deutliches Forschungsdesiderat zu verzeichnen. • Kollaborative Unterrichtsvorbereitung scheint die Entscheidungsfindung zu „verlangsamen“, wodurch der Prozess stärker einem Lösen von Problemen ähnelt. Die Verbalisierung von Gedanken wird als Vorteil erachtet, da Ideen erklärt werden müssen, Reflexionen angestoßen und Wissensbestände aktiviert werden sowie die Teilnehmenden die Möglichkeit erhalten, sich als Teil der Praxisgemeinschaft von Fremdsprachenlehrenden zu erproben. Nachdem in den Kapiteln 1-3 die Thematik der Unterrichtsplanung innerhalb der Allgemeinen sowie der Fremdsprachendidaktik verortet und einschlägige Forschungsbefunde dargestellt wurden, soll nun im zweiten Theorieteil der Arbeit auf den Kontext der Studie eingegangen werden: Das Planen von Unterricht ist hier vor allem vor dem Hintergrund der universitären Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden von Interesse. Wenngleich Unterrichtsvorbereitung ein zentraler Bestandteil alltäglicher schulischer Praxis ist und als solcher auch empirisch erforscht wurde, so stellt das explizite und umfassende Thematisieren und das Erproben planerischer Tätigkeit jedoch ein genuin ausbildungsspezifisches Phänomen dar. Das Planen von Unterricht ist Gegenstand sowohl der zweiten als auch der ersten Phase der Lehrer/ innenausbildung. Aus den Darstellungen der vorangehenden Kapitel ergibt sich ein facettenreiches Bild darüber, wie Unterrichtsplanung theoretisch konzeptionalisiert wird (Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik) und was Unterrichtsplanung tatsächlich ausmacht (Empirie). Der empirische Teil der vorliegenden Untersuchung wird der Frage nachgehen, inwiefern planerisches Handeln im Ausbildungskontext dazu beiträgt, sowohl das Planen zu üben und zu lernen als auch professionelle Handlungskompetenz im Allgemeinen zu fördern. Im Folgenden soll daher die Lehrer/ innenausbildung fokussiert und danach gefragt werden, wie Lernprozesse in diesem Kontext erforscht, verortet und diskutiert werden, um die Analysearbeit zu fundieren. 115 5 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung Aufgrund der in jüngster Zeit vielfach diskutierten Umstrukturierungen von Lehramtsstudiengängen sowie der damit verbundenen Überlegungen zur Kompetenzorientierung und Standardisierung lässt sich derzeit eine Vielzahl an Beiträgen zu Entwicklungstendenzen und Reformprozessen in der Lehrer/ innenausbildung ausmachen, in denen Empfehlungen ausgesprochen, Implikationen formuliert oder Forderungen erhoben werden (z.B. Bausch, Königs & Krumm 2003; Königs 2003, 2008; Zydatiß 1998, 2012). Die darin enthaltenen Schlussfolgerungen für die Ausbildungspraxis von Fremdsprachenlehrenden werden aus der Theorie, aus den aktuellen bildungspolitischen Diskursen sowie vielfach aus Beobachtungen der Ausbildungspraxis abgeleitet. Nur in seltenen Fällen wird auf empirische Befunde Bezug genommen, denn der Fülle an theoretischen Beiträgen steht eine bisher noch geringe Zahl empirischer Forschungsarbeiten gegenüber, zumindest was den Bereich der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden im deutschsprachigen Ausbildungskontext betrifft. Nur vereinzelt wurde die erste oder zweite Phase der Lehrer/ innenausbildung in den Fremdsprachen bisher zum Gegenstand der Forschung. Trautmann konstatierte 2010, die deutschsprachige Ausbildungsforschung stehe erst in den Anfängen (ebd: 347). Seither sind einige weitere Untersuchungen durchgeführt bzw. publiziert worden. Die Forschungslandschaft in diesem Bereich ist jedoch immer noch durch ein deutliches Desiderat gekennzeichnet. Die größte Zahl an Veröffentlichungen zur Lehrer/ innenausbildung in den Fremdsprachen lässt sich insgesamt im Bereich der Ausbildungspraxis verorten. Gerade in den letzten Jahren haben Erfahrungsberichte von Ausbildenden der ersten und zweiten Phase der Lehrer/ innenbildung stark zugenommen (s. u.a. die Sammelbände von Blell & Kupetz 2008; Blell & Lütge 2012; Ehnert & Königs 2000; Hüttner et al. 2012). Diese Texte gewähren wertvolle Einblicke in die gegenwärtige und z.T. sehr innovative Praxis der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden im Hochschulbereich sowie an der Schnittstelle zwischen theoretischer Ausbildung und Unterrichtspraxis. Sie liefern wichtige Impulse für die fremdsprachendidaktische Forschung, die zukünftig auf einen deutlichen Zuwachs hoffen lässt. Weitere wichtige Impulsgeber für die Fremdsprachendidaktiken im Bereich der Lehrer/ innenausbildung sind zudem Veröffentlichungen empirischer, theoretischer oder ausbildungspraktischer Art aus dem englischsprachigen Kontext der second language teacher education. Eine Erweiterung der Perspektive wird außerdem mit Blick auf die deutlich umfangreichere Forschungslandschaft in den Bildungswissenschaften möglich. Ausbildungsforschung, deren 116 Ziel es ist, Prozesse des Erwerbs von (professionellem) Wissen und der Entwicklung von (professionellem) Können zu verstehen und zu erklären, ist notwendigerweise eng verbunden mit Forschungsrichtungen, die danach fragen, was professionelle Handlungskompetenz ausmacht, welche Wissensarten dabei eine Rolle spielen, in welchem Verhältnis dieses Wissen zum Lehrerhandeln steht und wie professionelle Handlungskompetenz aufgebaut werden kann. Neben den Studien zur Lehrer/ innenausbildung liefern daher Befunde aus der Expertenforschung, Lehrerwissensforschung oder Wissensverwendungsforschung wichtige Grundlagen sowie forschungsperspektivische Anregungen. Im Folgenden sollen wesentliche Entwicklungen sowie gegenwärtige Diskurse im Bereich der Fremdsprachenlehrer/ innenausbildung nachgezeichnet werden, indem auf die Theorie und Empirie aus dem Bereich der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik, auf die internationale Forschung auf diesem Gebiet und auf die Bildungswissenschaften rekurriert wird. Dabei soll zunächst auf grundlegende erkenntnistheoretische Paradigmen eingegangen werden, die die Professionsforschung in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich beeinflussten (Kap. 5.1). Anschließend werden Erkenntnisse aus der Lehrerwissensforschung dargestellt (Kap. 5.2), um dann der Frage nachzugehen, wie Lern- und Entwicklungsprozesse in der Lehrer/ innenausbildung gegenwärtig erforscht, diskutiert und gestaltet werden (Kap. 5.3 bis 5.6). Eine Zusammenfassung der Befunde erfolgt in Kapitel 5.7. 5.1 Entwicklungslinien in der Erforschung von Lehrer/ innenprofessionalität Forschungsleitende Perspektiven, die in den relevanten Forschungsbereichen wirken, stehen jeweils in Zusammenhang mit wissenschaftstheoretischen Entwicklungen und den damit verbundenen Paradigmenwechseln. Synoptische Darstellungen zu Entwicklungslinien bei der Erforschung von Lehrer/ innenprofessionalität gehen häufig von drei grundlegenden Paradigmen aus, die sich hinsichtlich erkenntnistheoretischer Grundannahmen, der Perspektiven auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand und der verwendeten Forschungsmethoden unterscheiden: Es werden Theorieansätze skizziert, die behavioristisch, kognitivistisch sowie konstruktivistisch bzw. soziokulturell beeinflusst sind (vgl. Bromme 1997; Clark & Peterson 1986; Freeman & Johnson 1998; Freeman 2002; 1996; Johnson 2006; Schocker-v. Ditfurth 2001). Im Zentrum behavioristisch beeinflusster Forschungstätigkeiten bzw. sogenannter Prozess-Produkt-Studien stand das beobachtbare Verhalten von Lehrenden und dessen Auswirkung auf das Lernen der Schüler/ innen. Ziel der 117 Untersuchungen war es, Lehrerfertigkeiten zu ermitteln, die zu den entsprechenden Lernprozessen seitens der Schüler/ innen führten. Das Handeln von Lehrenden wurde möglichst isoliert, oftmals in experimentellen Settings untersucht. Dabei war es nicht von Bedeutung, was die beteiligten Lehrenden und Lernenden dachten bzw. aus welchen Gründen Handlungen vollzogen wurden. Das Handeln von erfahrenen Lehrenden galt als repetitives Agieren mit starkem Routinecharakter. Als problematisch an behavioristisch beeinflussten Forschungsansätzen wurde vor allem das Ausklammern kontextueller Faktoren erachtet, oder wie Freeman & Johnson es kritisch zusammenfassen: [Researchers] view teaching as discrete behaviors, distance their conclusions about teaching from the contexts within which it occurs, and ignore the individual perspectives and understandings of the teachers who carry out the very teaching practices that they have studied. (Freeman & Johnson 1998: 399) Beeinflusst durch das Prozess-Produkt-Paradigma kam es auch zu Überlegungen hinsichtlich der inhaltlichen und strukturellen Organisation der Lehrer/ innenbildung. Die Unterteilung in Wissen über Unterrichtsinhalte und Wissen über Vermittlungsprozesse hat z.T. bis heute Bestand: In English and foreign language teaching, learning to teach has been largely viewed as a matter of mastering content on the linguistic and meta-linguistic levels, practising classroom methodologies and technique, and learning theoretical rationales for them. (Freeman 2002: 4) Freeman (2002) betont weiter, dass die institutionellen Strukturen der Universität diese Trennung von Inhalt und Lehr-/ Lernprozess unterstützen und festigen würden: Inhalte und Vermittlungsmethoden wurden und werden in der universitären Lehre bis heute vielfach getrennt voneinander betrachtet. Das Nicht-Beachten mentaler Prozesse führte auch dazu, dass davon ausgegangen wurde, Studierende würden ihre Ausbildung quasi als tabula rasa beginnen (Freeman 2002). Damit einher geht auch ein Verständnis von Wissen und Handeln, das Dewe, Ferchhoff & Radtke (1992) als Modell des Wissenstransfers skizzieren. Dieser Vorstellung liegt die Annahme zugrunde, „wissenschaftliches Wissen ließe sich im Zuge der Ausbildung als parzellierte Information speichern und im handlungspraktischen Kontext der Schulklasse situativ verausgaben“ (ebd.: 72). Der Gedanke, wissenschaftliches Wissen müsse bloß in die Praxis transferiert, d.h. dort angewendet werden, prägt bis heute das Alltagsverständnis von der Beziehung zwischen Theorie und Praxis. Dieses sog. applied science model hat innerhalb der Lehrer/ innenausbildung eine lange Tradition und spiegelt vermutlich auch heute noch das Grundmuster vieler Ausbildungsinstitutionen wider (vgl. Korthagen & Kessels 1999; Mertens 2006; Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004). 118 Mit wachsender Kritik an vereinfachten Vorstellungen von Lehr- und Lernprozessen und der Erkenntnis aus späteren Prozess-Produkt-Studien, dass eine Vielzahl von Variablen auf Lehr- und Lernprozessen wirken und das Handeln der Lehrperson in beträchtlichem Maß von kontextuellen Faktoren abhängig ist, wurde der Blick Mitte der 1980er Jahre unter dem Einfluss der Kognitionspsychologie verstärkt auf die Lehrperson und insbesondere auf ihr Denken und Wissen gerichtet (vgl. Bromme 1997; Freeman 2002, 1996; Schocker-v. Ditfurth 2001). Aus ersten Veröffentlichungen jener Zeit geht hervor, welche Art von Perspektivwechsel vollzogen wurde: Instead of reducing the complexities of teaching-learning situations to a few manageable research variables, one tries to find out how teachers cope with these complexities. (Halkes & Olsen 1984: 1) Impulse aus der kognitionspsychologischen Expertenforschung, die sich mit Professionen wie z.B. Ärzten oder Architekten beschäftigten, wurden aufgegriffen und für die Lehrerprofessionsforschung nutzbar gemacht. Dies führte u.a. dazu, dass der Beruf des Lehrers / der Lehrerin insgesamt eine Aufwertung erfuhr. Lehrende wurden als Experten auf ihrem Gebiet betrachtet, die nicht mehr nur von außen beobachtet und erforscht wurden, sondern quasi als Informanten über sich selbst Auskunft über ihr Denken und Handeln geben konnten. Dies erforderte neue Forschungsmethoden, die es ermöglichten, auch die Innensicht der Probandinnen und Probanden zu erfassen. Zum Einsatz kamen verschiedene Interviewtechniken sowie introspektive Methoden, wie z.B. das Laute Denken oder das stimulated-recall-Verfahren. Bedeutende Studien im Kontext der Expertenforschung sind z.B. die Untersuchungen von Berliner 1987; Bromme 1981; Calderhead 1981a; Leinhardt & Greeno 1986 oder Morine-Dershimer 1989 (s. auch Kap. 4). Die Erforschung von Lehrerexpertise hatte u.a. zum Ziel, Kognitionen zu erheben, die das Handeln der Lehrenden im jeweiligen Kontext der Unterrichtsstunde leiteten. Während anfänglich noch das Konzept des decision making als Bezugsrahmen für kognitionspsychologisch orientierte Studien diente, interessierten sich spätere Studien verstärkt für die Inhalte des Lehrerwissens. In Folge dessen kam es dazu, dass Wissensdomänen beschrieben und Klassifizierungen verschiedener Wissensbereiche vorgenommen wurden. So wurde z.B. eine Unterscheidung getroffen, die zuvor so noch nicht explizit gemacht worden war: man unterschied das fachliche Wissen (content knowledge) von fachdidaktischem Wissen (pedagocical content knowledge) (Bromme 1992b, 1997; Elbaz 1981; Golombek 1998; Shulman 1986b). Während lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass das fachliche Wissen die grundlegende Wissensbasis für Lehrende darstellt, konnte nun gezeigt werden, dass es Novizen vor allem an Vermittlungswissen mangelte und das Fachwissen sie nicht ausreichend auf die Praxis vorbereiten würde 119 (Bromme 1992b). Weiterhin wurde im Kontext der Lehrerwissensforschung untersucht, in welcher Form Wissen vorliegt: Ist es implizit und unbewusst oder explizierbar? Eine weitere Unterscheidung betrifft die Frage nach der mentalen Repräsentation: Ist das Wissen von Lehrenden deklarativ oder prozedural? In stärker personenorientierten Ansätzen rückte zudem das biografisch geprägte subjektive Erfahrungswissen in den Fokus der Untersuchungen. Hierzu zählen Forschungsarbeiten, die subjektive Theorien (Groeben et al. 1988), Lehrerüberzeugungen (teacher beliefs, Pajares 1992; Woods 1996) sowie das Erfahrungswissen (Appel 2000) oder das berufliche Selbstverständnis von Lehrpersonen (Caspari 2000; Schocker-v. Ditfurth 2001) erforschen. Weitere wichtige Impulse für die Gestaltung von Lernumgebungen in der Ausbildung kommen aus sog. teacher development Studien, die sich damit beschäftigen, wie sich Lehrende zu Experten entwickeln (Tsui 2003, 2007b). Für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden ergab sich aus dem differenzierteren Verständnis der Wissensbasis von Lehrenden u.a., dass Studierende ihre Ausbildung nicht mehr als unbeschriebene Blätter beginnen, sondern bereits ein umfangreiches Vorwissen über das Lehren und Lernen von Fremdsprachen besitzen, das als wesentlich für weitere Lernprozesse erachtet wird. Als wegweisend gilt hier der Ansatz von Lortie (1975), der von einer „apprenticeship of observation“ ausging, d.h. von einer jahrelangen Lernphase, in der eine Person im Lauf ihres Lebens an Bildungsprozessen unterschiedlichster Art teilnimmt und dadurch auf vielfache Weise geprägt wird (vgl. Freeman 2002: 7). Die Befunde der Lehrerwissensforschung ergeben insgesamt ein differenziertes Bild über die Wissensbasis von Lehrenden, das weit über die Beschreibung von subject matter knowledge hinausgeht, jedoch auch nicht bei der Annahme, teachers teach as they were taught (Lortie 1975) stehen bleibt (vgl. Borg 2006; Johnson 2006; Korthagen 2010). Im anschließenden Kapitel werden die Befunde zur Wissensbasis von Lehrenden als Grundlage für die Lehrer/ innenausbildung detaillierter beschrieben. Vor dem Hintergrund konstruktivistischer Denkansätze und der zunehmenden Bedeutung soziokultureller Theorien in den 1990er Jahren vor allem im englischsprachigen Forschungskontext, geriet das rein kognitivistisch orientierte Paradigma unter Kritik (vgl. Freeman 1996; Johnson 2006, 2009, 2011; Putnam & Borko 2000). Als problematisch wurde erachtet, Lernen als einen rein individuellen, mentalen Prozess zu verstehen, der isoliert im Inneren des/ der Lernenden und nahezu unbeeinflusst durch kontextuelle Faktoren stattfindet: Situative theorists challenge this assumption of a cognitive core independent of context and intention. (Putnam & Borko 2000: 4) 120 Ansätze zum situierten Lernen gehen davon aus, dass Wissen in der Interaktion mit sozialen und physischen Kontexten konstruiert wird. Auf welche Art und Weise und in welcher Situation etwas gelernt wird, ist daher entscheidend dafür, was gelernt wird. Lernprozesse werden als dynamische soziale Aktivitäten betrachtet, die auf der Aushandlung von Bedeutungen zwischen Personen und auf der Teilhabe an sozialer Praxis beruhen (vgl. z.B. Fischer 2002; Johnson 2006; Putnam & Borko 2000). Soziokulturelle Theorien gehen auf Wygotski 1 und seine psychologischen Schriften zurück (Wygotski 1993[1934]), die vor allem in den USA in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt und seither vielfach rezipiert wurden. Auch die Ansätze und Theorien zum situierten Lernen berufen sich vielfach auf Wygotski, wobei vor allem auf seine Positionen bezüglich der sozialen Vermitteltheit psychischer Prozesse und auf seine Annahmen zur Zone der nächsten Entwicklung Bezug genommen wird. Die vorliegende Arbeit greift auf zentrale Thesen soziokultureller Ansätze zurück, weshalb einige grundlegende Positionen Wygotskis im Folgenden kurz umrissen werden. Wygotski ging schon in den 1930er Jahren davon aus, dass alle psychischen Prozesse einen sozialen Ursprung haben: Der erste Kontakt des Kindes mit der Realität (selbst bei den elementarsten biologischen Funktionen) ist also bereits durch und durch sozial vermittelt... Mit seiner gesamten Lebensweise ist er darauf angewiesen, in maximalem Umfang mit Erwachsenen in Kommunikation zu treten. Aber diese Kommunikation ist eine wortlose, oftmals stumme Kommunikation ganz eigener Art. (Wygotski 1987: 108) Einer der Kerngedanken Wygotskis besteht darin, dass die Entwicklung aller höheren psychischen Funktionen, wie z.B. bewusste Aufmerksamkeit oder Problemlösen, auf angeborenen und sich entwickelnden Anlagen im Kind aufbaut, dass jene Funktionen jedoch zunächst extern auf der interindividuellen (sozialen) Ebene auftreten und dann durch Prozesse der Internalisierung auf die intraindividuelle (innere) Ebene überführt werden. Die soziale Dimension kognitiver Entwicklung steht daher im Vordergrund, die individuelle Dimension ist zweitrangig, weil sie aus den sozialen Beziehungen abgeleitet ist (Wygotski 1985: 328). Der Transformationsprozess von der äußeren zur inneren Ebene wird vermittelt durch „Werkzeuge“, wobei eines der elementarsten Hilfsmittel die Sprache ist. Jene Hilfsmittel, zu denen alle sozial produzierten Symbole oder Gegenstände zählen können, sind vom Menschen geschaffen 1 Die Schreibweise russischer Namen varriert in anderen Sprachen. Im Englischen ist die Schreibweise Vygotsky gebräuchlich, im Deutschen Vygotskij oder Wygotski. Letztere wird als eine der gebräuchlichsten Schreibweisen in der vorliegenden Arbeit verwendet, wenn nicht in Zitaten eine andere Form gewählt wurde. 121 und damit Elemente der Kultur. Im Diskurs mit Anderen wird gemeinsam erprobt, wie diese Hilfsmittel zu verwenden sind. Diese Hilfestellung von Personen, die erfahrener sind, ist besonders dann wirksam, wenn sie in der Zone der nächsten (proximalen) Entwicklung stattfindet: Das Kind vermag durch Nachahmung, in kollektiver Tätigkeit, unter Anleitung Erwachsener viel mehr einsichtig zu leisten, als es selbständig tun könnte. Die Differenz zwischen dem Niveau, auf dem Aufgaben unter Anleitung, unter Mithilfe der Erwachsenen gelöst werden, und dem Niveau, auf dem das Kind Aufgaben selbständig löst, macht die Zone der nächsten Entwicklung aus. (Wygotski 1987: 298) Diese Entwicklung geschieht Wygotskis Ansicht nach nicht durch mechanistisches Nachahmen oder durch Instruktion, vielmehr ist es ein langwieriger Prozess, der fortwährende Teilhabe an sozialen Aktivitäten in spezifischen sozialen Kontexten erfordert. Wichtig dabei ist die Aktivität des Kindes in Form einsichtiger Tätigkeiten (Brandes 2005: 13; Johnson & Golombek 2011: 4). Schlussfolgerungen aus Wygotskis Ansätzen für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern wurden seit den letzten 10-15 Jahren vor allem im US-amerikanischen Ausbildungs- und Forschungskontext von Wissenschaftler/ innen wie Donald Freeman, Paula Golombek, Karen Johnson oder Jack Richards diskutiert. Aus einer soziokulturellen Perspektive argumentieren z.B. Johnson & Golombek (2011) für eine Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden, die Lernprozesse als dynamische soziale Aktivitäten versteht, eingebettet in soziale und physische Kontexte und verteilt auf Personen, Werkzeuge und Aktivitäten. Ausbildungsprozesse müssen eben jene Situiertheit, die Zone der nächsten Entwicklung und die jeweils angemessenen Möglichkeiten der Vermittlung von Entwicklungsprozessen durch soziale Interaktion oder durch die Gestaltung von Lernumgebungen verstärkt berücksichtigen. Zusätzlich zu Wygotskis Annahmen dienen neuere Ansätze, wie z.B. das Konzept des situierten Lernens (Lave & Wenger 1991) oder integrative Perspektiven (Korthagen 2010) als weitere Grundlage, einen Richtungswechsel in der Lehrer/ innenausbildung zu postulieren. Johnson (2006) greift den Diskurs zum sociocultural turn auf und unterstreicht damit, dass dieser als Paradigmenwechsel zu verstehende Wandel auch für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden ähnlich weitreichend ist und sein wird wie die kognitive Wende der 1970er und 80er Jahre (s. auch Kirschner & Martin 2010). Die vorliegende Studie sieht sich vor allem jenen soziokulturellen Ansätzen verpflichtet, wobei Erkenntnisse kognitionspsychologischer Forschung sowohl als Grundlage als auch als Perspektiverweiterung betrachtet werden. Beide Paradigmen werden nicht als sich gegenseitig ausschließende Pole, sondern als verschiedene Blickwinkel auf einen Gegenstand verstanden. Es wird davon aus- 122 gegangen, dass integrative Ansätze, wie sie z.B. von Korthagen (2010) oder Putnam & Borko (2000) vertreten werden (s. Kap. 5.5), Lern- und Entwicklungsprozesse in ihrer Komplexität am besten beschreiben. Nachdem die drei grundlegenden Paradigmen lerntheoretischer Art, die die Fremdsprachenlehrer/ innenausbildung in Empirie, Theorie und Praxis seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts beeinflussten, skizziert wurden, sollen im Folgenden einzelne zentrale Aspekte, die sich aus den Forschungserkenntnissen sowie den theoretischen Strömungen entwickelten und die gegenwärtig für die Lehrer/ innenausbildung sowie für die empirische Forschung wichtige Anregungen bzw. rahmende Grundannahmen liefern, genauer betrachtet werden. Zunächst soll der Aspekt der Wissensbasis von Fremdsprachenlehrenden sowohl vor dem Hintergrund der eher kognitivistisch orientierten Untersuchungen als auch im Kontext aktueller Lehrer/ innenausbildungsdiskurse erörtert werden. Daran schließen sich Ausführungen zum situierten und sozialen Lernen, zur Schemabildung sowie zum reflexiven Habitus an. 5.2 Die Wissensbasis von Fremdsprachenlehrenden Die Konzepte und Begrifflichkeiten zum Denken und Wissen von Lehrenden sind zahlreich. Borg (2006: 36ff.) stellte eine Übersicht dazu für den englischsprachigen Bereich vor, für die deutschsprachige Forschung ist das Bild ähnlich differenziert (vgl. Dann 2008). Borg resümiert, dass die Vielfalt ob der Komplexität des Phänomens gerechtfertigt sei, jedoch auch daher komme, dass gleiche Begriffe unterschiedlich definiert werden und verschiedene Termini genutzt werden, um ähnliche Konzepte zu beschreiben (2006: 35). Die Trennung zwischen verschiedenen Wissensarten, wie z.B. die Unterscheidung zwischen Wissen (knowledge) und Überzeugungen (beliefs) oder gar zwischen Fachwissen (subject matter knowledge) und fachdidaktischem Wissen (pedagocical content knowledge), wird zunehmend als problematisch erachtet (vgl. Borg 2006; Johnson & Golombek 2011; Verloop et al. 2001). Unterscheidungen bezüglich der Kognitionen von Lehrenden erfolgen vorrangig aus analytischen Zwecken (Grossman 1995: 20) oder weil bestimmte Aspekte eines Konzeptes von verschiedenen Autorinnen und Autoren als wesentlich hervorgehoben werden (Verloop et al. 2001: 446), letztlich sind sie jedoch schwer oder kaum zu trennen: [...] in the mind of the teacher, components of knowledge, beliefs, conceptions, and intuitions are inextricably intertwined. (Verloop et al. 2001: 446) Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen auch Calderhead & Miller (1986), McNamara (1991) oder Feiman-Neiser & Parker (1990) (s. Tsui 2003: 58). Die 123 Verwendung bestimmter Termini verweist außerdem auf jeweils unterschiedliche empirische Zugriffsweisen auf den Gegenstand, hierbei können u.a. kognitionspsychologische, personenorientierte, konzeptionelle oder situative Zugänge unterschieden werden (vgl. Appel 2000; Borg 2006; Grossman 1995; Schocker-v. Ditfurth 2001; Tsui 2003; Verloop et al. 2001). Als Konzept, dass all jene Komponenten des Lehrerwissens integriert, schlagen Verloop et al. (2001) oder Borg (2003; 2006) den Begriff teacher cognition vor. Borg (2006) stellt vor dem Hintergrund seiner umfassenden Analyse von Konzepten, die im Bereich der Lehrerkognitionsforschung verwendet werden, folgende Merkmale als zentral heraus: Seiner Recherche nach sind Lehrerkognitionen durch eine a) persönliche, b) praktische (sowie durch formales Wissen informierte), c) implizite, d) systematische und e) dynamische Dimension gekennzeichnet. Teacher cognition can thus be characterized as an often tacit, personally-held, practical system of mental constructs held by teachers which are dynamic - i. e. defined and refined on the basis of educational and professional experience throughout teachers’ lives. (Borg 2006: 35) Im deutschsprachigen Raum wird u.a. von professionellem Wissen (Bromme 2008; Dann 2008), Professionswissen (Baumert & Kunter 2006; Dewe et al. 1992) oder (professionellem) Erfahrungswissen (Appel 2001; Combe & Kolbe 2008) gesprochen. Im Folgenden soll auf einzelne Aspekte, die dazu beitragen, die Komplexität der Wissensbasis besser zu beschreiben, gesondert eingegangen werden. 5.2.1 Inhaltsbereiche des Lehrerwissens Die Unterteilung des Lehrerwissens in inhaltliche Bereiche geschieht vor allem aus analytischen Gründen. Empirisch ist sie „mehr oder weniger gut […] gerechtfertigt“ (Bromme 2008: 249). Wie oben bereits dargestellt, sind Wissensbereiche, wenn man sie denn im Kopf einer Person lokalisiert, jedoch immer miteinander verwoben, so dass der empirische Nachweis einzelner Domänen schwierig bis unmöglich ist. Die meisten Unterscheidungen inhaltlicher Wissensbereiche gehen auf die stärker personenorientierten Ausführungen von Elbaz (1981, 1983) zu ihrem Konzept des practical knowledge und dessen Erweiterung durch Clandinin & Connelly (1987) zum personal practical knowledge sowie auf Shulmans Taxonomie des Lehrerwissens (Shulman 1987) zurück (s. Tab. 2). Shulmans Differenzierung diente fortan als wohl bedeutendstes Referenzmodell. Im deutschsprachigen Raum wurde es vor allem durch die Arbeiten von Bromme (1992b, 1997) verbreitet und weiterentwickelt. Neuere Klassifizierungen, wie z.B. die Systematisierungen von Grossman (1995), Baumert & Kunter (2006) 124 oder Dann (2008) integrieren jeweils verschiedene Ansätze. In der folgenden Übersicht werden die einzelnen Klassifizierungen chronologisch geordnet und einander vergleichend gegenübergestellt. Elbaz (1981, 1983) Shulman (1987) Bromme (1992, 1997) Baumert & Kunter (2006) Grossman (1995), Dann (2008) knowledge of subject matter subject matter content knowledge Fachliches Wissen Fachwissen knowledge of content knowledge of instruction pedagogical content knowledge Fachspezifischpädagogisches Wissen Fachdidaktisches Wissen general pedagogical knowledge Pädagogisches Wissen Pädagogisches Wissen knowledge of general pedagogy knowledge of curriculum curriculum knowledge Curriculares Wissen knowledge of curriculum knowledge of educational ends, purposes and values and their philosophical and historical grounds Philosophie des Schulfachs knowledge of learners and their characteristics knowledge of learners and learning knowledge of milieu of schooling knowledge of educational context Organisationswissen knowledge of contexts knowledge of self knowledge of self Beratungswissen Tab. 2: Übersicht über Klassifizierungen von Lehrerwissensbereichen Während aus heutiger Sicht die Unterteilung in fachliches und fachdidaktisches Wissen als offensichtlich gilt, da die (deutsche) Lehrer/ innenausbildung eben jene Unterteilung unterstützt, beschreibt Tsui (2003: 50ff.), dass erst Elbaz’ (1981, 1983) und vor allem Shulmans Ausführungen zum pedagocical content knowledge zu einer bewussten Unterscheidung von zwei Wissensbereichen und deren enger Beziehung zueinander führten: He [Shulman, PK] has persuasively argued that it is inadequate to discuss pedagogical skills without looking at the content of what is being taught, just as it is inadequate to discuss subject matter without looking at how it is being taught. (Tsui 2003: 53) 125 Neuere Ansätze tendieren jedoch gegenwärtig wieder stärker zu einer Aufhebung dieser strikten Trennung. Grossman (1995) und Dann (2008) subsumieren unter dem Begriff des Inhaltswissens sowohl Fachwissen als auch pädagogisches Inhaltswissen, das sich z.B. darauf bezieht, wie Schüler/ innen mit dem Stoff umgehen, welche Fehler sie dabei machen können und wie man den Stoff vermittelt. Auch Johnson & Golombek plädieren dafür, Fachwissen und fachdidaktisches Wissen wieder ganzheitlicher zu betrachten. However, from a sociocultural theoretical perspective this separation of types of knowledge for teaching is not only counterproductive, it is contrary to the fundamental principles of Vygotsky’s theory of cognitive development. From a sociocultural perspective, human cognition is understood as originating in and fundamentally shaped by engagement in social activities and, therefore it follows that what is taught, is fundamentally shaped by how it is taught and vice versa. […] From this stance, knowledge for teaching must be understood holistically, and the interdependence between what is taught and how it is taught becomes crucial to both the process of learning-to-teach as well as the development of teaching expertise. (Johnson & Golombek 2011: 3, Hervorh. im Orig.) 5.2.2 Wissensarten und Wissensorganisation Es kann gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass die Handlungsbasis der Unterrichtsinteraktion für Erfahrene kein zweckrational angewendetes, quasi-technisches Regelwissen im Sinne von „Wenn- Dann“-Regeln (nach dem Muster auf x folgt stets y) darstellt - wie bislang oft vorausgesetzt, sondern ein ganz eigenes, besonderes Erfahrungswissen. (Combe & Kolbe 2008: 861) Die Frage nach der Beschaffenheit dieses „erfahrungsgestützten praktischen Handlungswissens“ (ebd.) kann durch den Rückgriff auf verschiedene Forschungsrichtungen beantwortet werden, die sich letztlich in einer integrierenden Sichtweise ergänzen. Im Rahmen kognitionspsychologischer Forschungsansätze zu Lehrerexpertise wird davon ausgegangen, dass professionelles Wissen im Gedächtnis in Form von komplexen Schemata und Skripten gespeichert wird (vgl. Borko & Livingston 1989; Bromme 1997; Leinhardt & Greeno 1986; Mischke & Wragge- Lange 1987; Roskos & Neuman 1995; s. Kap. 4.2.1). Aus entsprechenden Forschungsbefunden wird abgeleitet, dass Wissen in Form von Kategorien für fachbezogene Aktivitätsschemata erworben und enkodiert wird. Diese Ereignisschemata (z.B. über Aktivitätsszenarien wie die Semantisierung von Lexik), die an Einzelfälle, episodische Einheiten oder Sequenzen von Episoden (Skripts) angedockt sind, werden in der prä- oder interaktiven Unterrichtssituation wirksam. Sie dienen dazu, Situationen entsprechend jener Kategorien 126 wahrzunehmen, sie strukturieren und interpretieren Situationen und sind verknüpft mit spezifischen Handlungsoptionen (Baumert & Kunter 2006; Bromme 1997; Combe & Kolbe 2008). Als umfänglichere Bezugsysteme, die in Verbindung mit Schemata wirken, dienen implizite Theorien, die Lehrende im Laufe ihrer beruflichen Sozialisation aufgrund von Erfahrungen entwickeln (Combe & Kolbe 2008: 862). Dabei handelt es sich größtenteils um implizites, d.h. nicht unbedingt bewusstes oder gewusstes Wissen. Jene komplexen Formen der Wissensorganisation werden auch in Forschungsansätzen untersucht, die sich mit Überzeugungen (belief systems) oder subjektiven Theorien von Lehrenden beschäftigen. Subjektive Theorien sind vor allem im deutschsprachigen Raum im Rahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien untersucht worden (vgl. Groeben et al. 1988; Grotjahn 1998; Scheele & Groeben 1998; Anwendung in der fremdsprachendidaktischen Empirie s. Caspari 2000; Kallenbach 1996; Schmelter 2004). Durch verschiedene Verfahrensschritte (Strukturlegetechnik, kommunikative und explanative Validierung) wird versucht, die Innensicht der Teilnehmenden, d.h. ihre individuellen Sichtweisen meist in Beug auf spezifische Themen zu rekonstruieren. Subjektive Theorien werden in ihrer Struktur mit wissenschaftlichen Theorien verglichen. Sie sind jedoch meist weniger reflektiert und systematisch. Ihnen werden spezifische Funktionen zugeschrieben: Sie dienen dazu, Situationen und Sachverhalte zu gliedern, zu definieren und zu erklären und ermöglichen es, Vorhersagen zu treffen oder Handlungsentwürfe zu konstruieren (vgl. Dann 2008; Grotjahn 1998; Scheele & Groeben 1998). Der Aufbau von Erfahrungswissen wird als Prozess beschrieben, in dem typisierende kategoriale Wissensbestände aus der praktischen Verwendungsperspektive, d.h. aus der Bewältigung von Praxis heraus aufgebaut werden. Dabei spielen praktische Erfahrungen in Form von Fällen eine entscheidende Rolle (vgl. Combe & Kolbe 2008: 863). Fälle werden auch als Kristallisationspunkte beschrieben, die Erfahrungswissen organisieren. Durch die Arbeit an Fällen werden die oben beschriebenen kategorialen Wahrnehmungsmuster entwickelt und in Form von chunks im Langzeitgedächtnis gespeichert. Die starke Verankerung des Lehrerwissen in den Erfahrungen der Unterrichtspraxis wurde im englischsprachigen Kontext vor allem durch die Arbeiten von Elbaz (1981, 1983) und Clandinin & Connelly (1987) herausgestellt. Elbaz (1981) führte eine Fallstudie mit einer erfahrenen Lehrerin durch und schlussfolgerte daraus, dass das Handeln von Lehrenden im Wesentlichen durch practical knowledge geleitet wird. Neben den oben aufgeführten fünf inhaltlichen Wissensbereichen zeigte sie, dass Lehrerwissen situative, persönliche, soziale, erfahrungsbasierte und theoretische Orientierungen aufweist 127 (1981: 49). Sie versuchte damit, deklaratives und prozedurales Wissen zusammenzuführen und eine ganzheitliche Perspektive zu entwerfen (vgl. Appel 2001: 37; Borg 2006: 13; Tsui 2003: 47). In Erweiterung ihres Ansatzes betonten Clandinin & Connelly (1987) die Dimension des Persönlichen und führten aus, dass Lehrerwissen auf persönlichen Erfahrungen basiert und sich in Erzählungen (narratives) der Lehrpersonen zeigt und damit rekonstruierbar wird. Das Konzept des personal practical knowledge wurde in einigen weiteren Studien verwendet, so z.B. auch von Golombek (1998), die damit herausstellen konnte, dass Lehrerwissen auch eine affektive Komponente besitzt: Personal practical knowledge is an affective and moral way of knowing that is permeated with a concern for the consequences of practice for both teachers and students. (Golombek 1998: 447) Darüber hinaus konnten Arbeiten aus dem Bereich der soziologisch orientierten Wissensverwendungsforschung zeigen, dass Wissenserwerb nicht allein auf individuelle Aneignungsleistungen zurückzuführen, sondern als Prozess der Enkulturation, d.h. als Einsozialisierung in die Konventionen der Berufsgruppe der Lehrenden zu verstehen sei (vgl. Appel 2001; Combe & Kolbe 2008; Dewe et al. 1992). Wissen wird hier als soziales Konstrukt, als sozial geteiltes und kollektiv erarbeitetes Wissen betrachtet. Diese Sicht liefert z.B. eine mögliche Erklärung dafür, dass Überzeugungen zum Teil so stabil und überdauernd sind, denn sie werden mit anderen Mitgliedern einer Kultur geteilt und über die Schüler/ innen, die später Studierende sind, weitergegeben (vgl. Appel 2001). 5.2.3 Zum Verhältnis von Wissenschaftswissen und Handlungswissen Das Konzept des Wissenstransfers kann wohl als das einflussreichste Konzept zur Beschreibung der Relation von wissenschaftlichem Wissen und Handlungswissen beschrieben werden (vgl. Dewe et al. 1992, s. auch Kap. 5.1). Das im Englischen auch als applied-science-model beschriebene Konzept, das davon ausging, erworbenes theoretisches Wissen würde in der Praxis Anwendung finden, es würde sozusagen in die Praxis transferiert werden, wurde später, beeinflusst durch kognitionspsychologische Theorieansätze und dem damit einhergehen Paradigmenwechsel, von einem Modell abgelöst, das nicht mehr von Wissenstransfer, sondern von Wissenstransformation ausging. Wissenschafts- und Handlungswissen wurden als strukturell unterschiedlich betrachtet, weshalb Wissenschaftswissen gar nicht in die Praxis transferiert werden könne. Vielmehr müsse es zu Transformationsprozessen kommen, in denen wissenschaftliches Wissen so verändert wird, dass es anschlussfähig an das praktische Wissen der Lehrenden ist. Vor dem Hintergrund erkenntnistheoretischer Entwicklungen und begleitet durch Einflüsse konstruktivistischer und 128 systemtheoretischer Denkansätze wird heute weder von Wissenstransfer noch von Wissenstransformation ausgegangen. Das Verständnis von Sender und Empfänger wurde gänzlich aufgegeben. Das professionelle Handlungswissen erfahrener Lehrender entsteht aus der reflektierten und gleichrangigen Begegnung von Wissenschaftswissen und Handlungswissen, von Theorie und Praxis (Dewe et al. 1992; Kolbe 2004). Dewe et al. (1992: 76) sprechen von einer „dritten“ Wissensform, die in einem „Enrichment-Prozess“ entsteht, in dem beide Partner voneinander lernen. Die bisher skizzierten Zugriffe auf den Gegenstand des Lehrerwissens schließen sich nicht notwenderweise aus, vielmehr ergänzen sie sich gegenseitig und führen zu einer - wie Schocker-v. Ditfurth es nennt - integrierenden und multiperspektivisch informierten Sichtweise auf das Wissen von Lehrenden (Schocker-v. Ditfurth 2001: 30ff.). Das Handlungswissen professioneller Lehrpersonen kann zusammenfassend als vielfach vernetzt, erfahrungsgestützt, situiert, d.h. stark kontextabhängig beschrieben werden. Es ist sozial erworben und geprägt von moralischen Vorstellungen und emotionalen Befindlichkeiten (vgl. Baumert & Kunter 2006; Clandinin & Connelly 1987; Combe & Kolbe 2008; Elbaz 1981; Golombek 1998; Grossman 1995). Im Folgenden sollen aus den aktuellen Erkenntnissen zum Lehrerwissen, zu Erwerbs- und Entwicklungsprozessen und aus Befunden und Berichten zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden jene Aspekte ausgewählt und detaillierter beschrieben werden, die aktuelle Tendenzen widerspiegeln und wesentliche Grundannahmen liefern, auf die die vorliegende Forschungsarbeit aufbaut. Dabei wird vor allem auf empirische Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zurückgegriffen, die auf soziokulturellen und integrativen Ansätzen basieren. 5.3 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: die situierte Perspektive Wie in Kap. 5.1 bereits ausgeführt wurde, kam es vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit soziokulturellen Theorien im Kontext der Lehrer/ innenausbildung u.a. auch zu einer verstärkten Rezeption der Ansätze zum situierten Lernen. Vertreter dieses Lernkonzeptes waren zunächst Lave & Wenger (Lave & Wenger 1991; Wenger 1998), in Ansätzen zuvor auch Suchman (1987) und in Weiterführung u.a. Rogoff (1995) oder Greeno (1998). Eine situative Perspektive auf Lern- und Entwicklungsprozesse hebt hervor, dass Lernen eingebettet in eine Handlungssituation, bedingt durch den jeweiligen Kontext, in dem es situiert ist, stattfindet: 129 How a person learns a particular set of knowledge and skills, and the situation in which a person learns, become a fundamental part of what is learned. (Putnam & Borko 2000: 4) Betrachtet man Lernen als Prozess, der untrennbar mit Aktivitäten und Handlungen in spezifischen Kontexten sowie mit den daraus resultierenden Erfahrungen verbunden ist, so ergeben sich für die Ausbildung von Lehrenden u.a. folgende Prämissen: Zum einen müssen Lernprozesse in der Ausbildung auf einem Kontinuum verortet werden, das von der eigenen Schulzeit über die Zeit während der Ausbildung bis hin zur Phase der Berufsausübung reicht (Kap. 5.3.1). Teacher-learning 2 beschränkt sich nicht auf die institutionelle erste und zweite Ausbildungsphase. Zum anderen führt dieses Verständnis von Lernen dazu, die Handlungssituationen und Kontexte, in denen Lernen stattfindet, viel stärker in den Blick zu nehmen (Kap. 5.3.2): The question is not whether knowledge and learning are situated, but in what contexts they are situated. (Putnam & Borko 2000) 5.3.1 Teacher-learning als Kontinuum Während lange Zeit das Wissen von Lehrenden im Fokus der Forschung stand, richten neuere Studien in diesem Bereich ihr Augenmerk vermehrt auf den Aspekt des teacher development (vgl. Borg 2003, 2006; Tsui 2003, 2007b). Vielfach thematisiert wird hier seit einiger Zeit die Tatsache, dass Studierende ihre Ausbildung mit einem umfangreichen Vorwissen über das Lehren und Lernen von Fremdsprachen beginnen, das sich u.a. aus ihren meist langjährigen Erfahrungen als Fremdsprachenlernende speist. Vor dem Hintergrund situierter Ansätze können jene Phasen, in denen im Kontext des eigenen Fremdsprachenunterrichts Erfahrungen gesammelt wurden, gleichsam als Lernprozesse betrachtet werden. Im Kontext der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden konnte die Annahme zur Wirkkraft persönlicher Vorerfahrungen z.B. durch Untersuchungsergebnisse von Bailey (1996), Farrell (2003), Johnson (1996), Numrich (1996), Schocker-v. Ditfurth (2001), Urmston (2003) oder Warford & Reeves (2003) bestätigt werden (s. Borg 2009 für einen Überblick über die englischsprachige Forschung). Schocker-v. Ditfurth resümiert die Erkenntnisse ihrer Studie diesbezüglich wie folgt: 2 Aus Ermangelung eines kurzen und prägnaten Begriffs, der die Lernprozesse von angehenden Lehrenden beschreibt, wird mitunter auf die englischen Termini teacherlearning oder learning-to-teach zurückgegriffen. 130 Diese Vorstellungen sind durch die Dauer und Intensität ihrer Entstehung so prägend, dass sie das berufliche Selbstverständnis der angehenden Englischlehrer/ innen nachhaltig bestimmen. Manchen Studierenden ist diese Prägung durchaus bewusst. (2001: 256, Hervorh. im Orig.) Es wird vielfach darauf hingewiesen, dass eben jene Vorerfahrungen in der Lehrer/ innenausbildung offengelegt und reflektiert werden müssen, um Wissen gegebenenfalls umstrukturieren und weitere Lernprozesse anschließen zu können (s. auch Combe & Kolbe 2008; Freeman 1996): If we accept the contemporary constructivist position that teacher learning occurs through interactions between prior knowledge on the one hand and new input and experience on the other, ignoring preservice teachers’ prior cognitions is likely to hinder their ability to internalize new material. (Borg 2009: 164) Vor allem im Zusammenhang mit Forderungen für eine reflexive Lehrer/ innenbildung wird eine Bewusstmachung von impliziten Theorien als notwendig erachtet: Indem man Lehranfängern hilft, ihre Überzeugungen und Einstellungen sowie ihre Bilder über sich selbst als künftige Lehrkräfte zu explizieren und zu reflektieren, können sie die kognitive Basis für ihr Handeln im Klassenzimmer klären und problematische Aspekte dieser Basis leichter erkennen. (Dann 2008: 180) In der Lehrer/ innenausbildung sind daher Phasen der Auseinandersetzung mit persönlichen Wissensbeständen und individuellen Überzeugungen unumgänglich, wobei m.E. neben der Reflexion von Erfahrungen und Vorwissen, die durch Ausbildende verstärkt angeregt werden kann, eine zusätzliche metakognitive Beschäftigung mit teacher-learning-Prozessen notwendig wäre, um ein Bewusstsein für die Notwendigkeit reflexiver Prozesse zu erzeugen. Scientific knowledge Practice Reflection Professional competence Previous experiential knowledge Abb. 10: The reflective model nach Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth (2004: 14) Es ist von zentraler Bedeutung, Studierende dafür zu sensibilisieren, dass Professionalität nur durch eine reflexive Haltung entwickelt werden kann (s. auch 131 Kap. 5.6). Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth (2004) stellen in ihrer Einführung für Studierende (Introduction to English Language Teaching) daher explizit heraus, wie Lernprozesse im Kontext der Lehrer/ innenausbildung konzeptionalisiert werden können und plädieren für eine reflexive Praxis, in der fachdidaktische Theorie, biografisches Erfahrungswissen und unterrichtspraktische Erfahrung sinnstiftend verknüpft werden (Abb. 10) 5.3.2 Verortung von Lernprozessen Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung sind überwiegend an Hochschulen und zu einem gewissen Teil an den entsprechenden Schulen lokalisiert. Diskussionen über die Vor- und Nachteile und die Möglichkeiten der Verzahnung dieser beiden Lernorte sind zahlreich und können durch empirische Erkenntnisse teilweise schon gut untermauert werden, wenngleich die Untersuchungen zur Lehrer/ innenausbildung in den Fremdsprachen zumindest im deutschsprachigen Forschungskontext dazu bisher erst wenige Beiträge liefern (Gabel 1997; Elsner 2010; Schocker-v. Ditfurth 2001). Gegenwärtige Auffassungen zur Lehrer/ innenausbildung versuchen, die starke Dichotomie zwischen Theorie und Praxis aufzuheben und Lernprozesse der „dritten“ Art, wie sie von Dewe et al. (1992) beschrieben wurden, d.h. in denen verschiedene Wissensbereiche sich gleichrangig begegnen, anzuregen. Schocker-v. Ditfurth spricht sich diesbezüglich für Lerngelegenheiten in der Ausbildung aus, in denen biografisches Wissen (Vorwissen, Überzeugungen aufgrund von vorherigen Erfahrungen), Wissen um die Unterrichtssituation (unter Beachtung der Komplexität von Unterricht) sowie spezifisch fachdidaktisches Wissen gleichermaßen berücksichtigt und aufeinander bezogen werden können (2001: 31). Auch aus einer situieren Perspektive, die Lernprozesse als in spezifischen Kontexten verankert betrachtet, wird für die Lehrer/ innenausbildung gefordert, dass sie verschiedene Wissensbereiche zusammenführt: The responsibility of teacher education, from a sociocultural perspective, is to present relevant scientific concepts to teachers but to do so in ways that bring these concepts to bear on concrete practical activity, connecting them to their everyday knowledge and the activities of teachers. (Johnson & Arshavskaya 2011: 169) Praktische Unterrichtserfahrungen werden für jene Lernprozesse als zuträglich erachtet, wobei nicht per se davon ausgegangen wird, dass das Praxisfeld Schule der bessere Lernort wäre. Vielmehr müsse es darum gehen, Erfahrungsräume zu schaffen, in denen eine Integration jener Perspektiven möglich sei. Tsui (2012) argumentiert, dass Theorie und Praxis in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen würden. Ihrer Ansicht nach bedingen sich beide Aspekte gegenseitig. Lehrer/ innenausbildung sollte jedoch nicht auf der permanenten 132 Bezugnahme auf eine Zweiteilung beruhen. Tsui (2012) führt aus, dass erst durch das aktive Handeln in unterrichtlichen Zusammenhängen ein Bewusstsein für Lehr- und Lernprozesse entsteht: Similarly, it is only when one is engaged in the act of teaching that one understands the difficulties of teaching, which in turn prompts one to learn more about teaching. (ebd.: 25) Combe & Kolbe (2008) sprechen sich in ähnlicher Argumentationsweise wie Johnson & Arshavskaja (2011) vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zum Aufbau von Erfahrungswissen (vgl. Kap. 5.2) für die Arbeit mit Fällen in der Ausbildungspraxis aus: Wir plädieren in der zuletzt angedeuteten erkenntnistheoretisch schwierigen Lage, in der Erfahrungswissen gebraucht und aufgebaut sowie zugleich kritisch durchgearbeitet werden muss, für die Verstärkung fallexemplarischer und fallbezogener (kasuistischer) Aufschließung von Materialien in der Lehrerbildung (s. u.), die vorrangig aus der Unterrichtspraxis entstammen können aber nicht müssen […]. (Combe & Kolbe 2008: 871) Fälle sind Bespiele aus der Unterrichtspraxis, wobei ein Fall ihrer Ansicht nach nicht einfach als ein beliebiger Ausschnitt aus der Praxis zu verstehen ist. Fälle entstehen erst durch die Rekonstruktion typischer Szenen, durch deren Reflexion, durch Vergleiche mit anderen Fällen, anderen Erfahrungen und mit der Theorie. Putnam & Borko (2000) argumentieren ebenfalls für ein fallbasiertes Lernen. Sie sehen darin eine mögliche Form der Gestaltung von Lernumgebungen, da hier der Erfahrungsraum Schule in selektierter bzw. reflektierter Form eingebracht wird. Die Autoren verweisen auf die Problematik, dass es mitunter schwer zu realisieren sei, die passenden Kontexte für in der Lehrer/ innenausbildung angestrebte Lernprozesse zu finden: A concern, however, is that K-12 classrooms embodying the kinds of teaching advocated by university teacher education programs may not be available. Without such classrooms, the apprenticeship model breaks down. (ebd.: 7) Die Herausforderung, der sich Ausbildende (und Forschende) gegenüber sehen, besteht darin, Erfahrungsräume zu schaffen, in denen die Situiertheit von studentischen Lehr- und Lernerfahrungen im Kontext Schule aufrecht erhalten und gleichzeitig die Sogwirkung traditioneller Unterrichtskultur vermieden werden kann (ebd.: 8). Fallbasiertes Lernen müsse nicht notwendiger Weise im Praxisfeld stattfinden, biete jedoch umfassende Möglichkeiten zu Reflexion, zum Austausch darüber mit anderen und zur kritischen Analyse. Insgesamt erachten Putnam & Borko eine Verbindung der entsprechenden Lernorte als zentral: 133 Thus, thoughtfully combining universityand field-based experiences can lead to learning that can be difficult to accomplish in either setting alone. (Putnam & Borko 2000: 7) Ein wesentlicher Punkt in Bezug auf die Verschränkung von Theorie und Praxis ist die reflexive Auseinandersetzung sowohl mit theoretischen Inhalten als auch mit praktischen Erfahrungen und im Idealfall in direkter Verbindung miteinander (vgl. Abb. 10). Forschungsberichte oder Berichte aus der Ausbildungspraxis, die sich jener integrativen Sichtweise verpflichtet sehen, beschreiben z.B. Lernumgebungen, die mit microteaching-Elementen und/ oder mit videografierten Fallbeispielen arbeiten (Abendroth-Timmer 2011; Golombek 2011; Johnson & Arshavskaya 2011; Mühlhausen 2012). Andere Lernszenarien beinhalten z.B. die Zusammenarbeit einzelner Studierender mit jeweils einer Schülerin / einem Schüler in einer Art Einzelunterrichtsstunde, die vom student teacher danach kritisch reflektiert wird (Johnson & Arshavskaya 2011; Wolf et al. 1996). Eine weitere Form der reflexiven Verschränkung von Theorie und Praxis kann durch sogenannte dialogic video protocols oder stimulated recall sessions realisiert werden, in denen Studierende und Experten gemeinsam videografierte Sequenzen einer von den Studierenden durchgeführten Unterrichtsstunde betrachten und das Video an bestimmten Stellen gestoppt wird, um den Unterricht, die Gedanken und Gefühle während der Interaktion oder die spezifischen Handlungen der Lehrperson zu reflektieren (Golombek 2011; Johnson & Arshavskaya 2011; Reitano & Sim 2010). Des Weiteren wird mit bestimmten, gezielt ausgewählten Ausschnitten aus der Unterrichtspraxis gearbeitet, indem sogenannte critical learning episodes (Kiely & Davis 2010) oder critical incidents (Tasker 2011) in das Zentrum der Ausbildungspraxis gerückt werden. Diese kritischen Lernepisoden sind Unterrichtsausschnitte, die in videografischer oder auditiver Form vorliegen bzw. von denen durch die Lehrperson berichtet wird, sie sind eingegrenzt auf ein bestimmtes Thema und werden ausgewählt, wenn sie für die Lehrperson von Bedeutung sind. 5.4 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: die soziale Dimension Soziokulturelle Ansätze beschreiben soziale Interaktion als Voraussetzung für und inhärenten Bestandteil von Lernprozessen. Es wird vor allem auf Wygotski Bezug genommen, der davon ausging, dass menschliche Kognition in der Teilnahme an sozialen Ereignissen ihren Ursprung hat, bzw. wie Johnson & Golombek (2011) zitieren: 134 In stating “any higher mental function was external and social before it was internal” Vygotsky (1960/ 1997, p. 67) argued for the inherent interconnectedness of the cognitive and the social [...]. (ebd.: 1) Dabei geht die Vorstellung von der Bedeutung sozialer Interaktion für das Lernen über Konzepte, die in der Interaktion eine Unterstützung individueller Konstruktionsprozesse sehen, hinaus. Wissen wird vielmehr als Produkt sozialer Interaktion mit Menschen in einem spezifischen Umfeld betrachtet: Theories of situated cognition argue that knowledge entails lived practices, not just accumulated information, and the processes of learning are negotiated with people in what they do, through experiences in the social practices associated with particular activities. (Johnson 2006: 237) 5.4.1 Communities of Practice Das Wissen einzelner Personen ist bedingt durch die sozialen Praktiken in einem bestimmten Tätigkeitsfeld und Lernen kann in diesem Sinne auch als Prozess der Enkulturation in eine soziale Gemeinschaft verstanden werden: The process of learning, too, is social. Indeed, some scholars have conceptualized learning as coming to know how to participate in the discourse and practices of a particular community (e.g., Cobb, 1994; Lave & Wenger, 1991). From this perspective, learning is as much a matter of enculturation into a community's ways of thinking and dispositions as it is a result of explicit instruction in specific concepts, skills, and procedures. (Putnam & Borko 2000: 5) Putnam & Borko verweisen hier sowohl auf soziale Prozesse der Integration in eine Praxisgemeinschaft als auch auf das explizite Vermitteln von Wissen. Der Gemeinschaft, die bestimmte soziale Praktiken teilt, wird im Kontext soziokultureller Theorien große Bedeutung beigemessen. Das Konzept der communities of practice, das von Lave & Wenger (Lave & Wenger 1991; Wenger 1998) geprägt wurde und wertvolle Impulse für die Lehrer/ innenausbildung liefert, geht davon aus, dass sich Lernen durch Teilhabe an Praxisgemeinschaften vollzieht. Wenger definiert Praxisgemeinschaften folgendermaßen: Communities of practice are groups of people who share a concern or a passion for something they do and learn how to do it better as they interact regularly. (Wenger 2006: 1) Als wesentliche Merkmale, die Praxisgemeinschaften von anderen Gemeinschaften unterscheidet, nennt Wenger: the domain, the community, the practice (ebd.: 1-2). Mitglieder einer Praxisgemeinschaft teilen und verfolgen ein gemeinsames Interesse (domain), sie bilden eine Gemeinschaft, indem sie gemeinsamen Aktivitäten nachgehen, Diskussionen führen, sich helfen oder Informationen austauschen (community) und sie sind dabei aktiv Handelnde, 135 die eine gemeinsame Praxis teilen und auf ein geteiltes Repertoire an Ressourcen zurückgreifen (practice) (ebd. 1-2). Soziokulturell beeinflusste Theorien und Forschungsansätze zur Ausbildung von Lehrenden gehen davon aus, dass Studierende eines Studiengangs als communities of practice betrachtet werden können (vgl. Johnson 2006; Korthagen 2010; Morton & Gray 2010; Putnam & Borko 2000). Morton & Gray (2010) gehen in ihrer Untersuchung von zwei Arten der Gemeinschaft aus, denen die Studierenden ihres TESOL-Kurses 3 angehören: Here, we use Wenger’s construct of community of practice in two senses: that of the immediate community of the teaching practice group on the certificate course, and that of the larger community of practice of English language teachers that student teachers aspire to join. (ebd.: 300) Gruppen von Studierenden können im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung in doppelter Hinsicht als Praxisgemeinschaften verstanden werden: Die Studierenden nehmen Teil an der Praxis des Lehrer-Werdens (z.B. im Kontakt mit Mitstudierenden und Ausbildenden) sowie des Lehrer-Seins (z.B. im Kontext Schule). Innerhalb dieser Gemeinschaften sollten möglichst zahlreiche Gelegenheiten entstehen, in denen Bedeutungen bezüglich fremdsprachlicher Lehr- und Lernprozesse ausgehandelt werden. Dabei sollte es nicht nur zur Übernahme von Bedeutungen anderer kommen, sondern zu Ko-Konstruktionen, die von allen Beteiligten aktiv mitgestaltet werden (Morton & Gray 2010; Korthagen 2010). Während dieser Interaktionprozesse verändert sich nicht nur der bzw. die Einzelne innerhalb der Praxisgemeinschaft, auch die Gemeinschaft wird durch die Interaktionsprozesse beeinflusst: It is important to note that this learning is not a unidirectional phenomenon; the community, too, changes through the ideas and ways of thinking its new members bring to the discourse. (Putnam & Borko 2000: 5) Studien, die von der Grundannahme ausgehen, Studierende bzw. Lehrende als Teil einer community of practice zu betrachten, erforschten z.B. die Rolle von vermittelnden Personen (He 2009), die Entwicklung eines Sinns für die Gemeinschaft innerhalb der Ausbildung (Sim 2006) oder die Art der diskursiven Aushandlung von Unterrichtsplänen im Rahmen sogenannter lesson planning conferences (Morton & Gray 2010). Eine wachsende Zahl an Untersuchungen widmet sich innerhalb dieser Argumentationslinie der Entwicklung von Identität (z.B. Beijaard et al. 2004; Clarke 2008; Kanno & Stuart 2011; Smolcic 2011; Tsui 2007a), die Wenger charakterisierte als „a way of talking about how learning changes who we are and creates personal histories of becoming in the context of our communities“ (Wenger 1998: 5). 3 TESOL = Teaching English to Speakers of other Languages 136 5.4.2 Mediation und die Zone der nächste Entwicklung Die Verinnerlichung, d.h. der Transfer von Sachverhalten von der äußeren Ebene auf die innere Ebene geschieht, so Johnson & Golombek (2011: 3f.) unter Rückbezug auf Wygotski, nicht unabhängig oder automatisch. Es bedarf der beständigen aktiven Teilnahme der Lernenden an sozialen Aktivitäten und ist abhängig von den Möglichkeiten oder Einschränkungen, die mit dem jeweiligen sozialen Kontext einhergehen. Im Umfeld der Lehrer/ innenausbildung besteht daher die Herausforderung, den Lernkontext durch gezielte Vermittlungsangebote 4 so zu gestalten, dass Lern- und Entwicklungsprozesse unterstützt werden. Vermittelnd wirken, so Wygotski, „Werkzeuge“, wie z.B. Sprache oder die Personen in einem bestimmten Umfeld. Die Rolle vermittelnder Personen wird vor allem durch sein Konzept der Zone der nächsten Entwicklung betont (s. Kap. 5.1). Übertragen auf die Lehrer/ innenausbildung, deren Ziel es ist, Studierende innerhalb ihrer Zone der nächsten Entwicklung dabei zu unterstützen, mehr tun zu können, als sie eigentlich in der Lage sind zu tun, bedeutet dies, dass permanent sorgfältig abgewogen werden muss, welche Art von Unterstützung am besten geeignet ist. Johnson & Golombek fassen zusammen, was dies für die Lehrer/ innenbildung bedeutet: According to Wertsch (1985) strategic mediation represents cognitive assistance that moves from implicit to explicit, is responsive to immediate need, and is concerned more with cognitive transformation than behavioral performance. Assistance must be graduated - too much (i.e., do this, do that) decreases learner agency, while too little increases frustration (i.e., I can’t do this) and it must meet the learner’s needs at a particular point in time. (Johnson & Golombek 2011: 6f.) Strategisch ist die Unterstützung von Lernprozessen insofern, als dass Vermittlungsangebote den jeweiligen Bedürfnissen der Lernenden angepasst werden sollten. Johnson und Mitarbeiter/ innen führten dazu eine Studie durch, in der sie eine komplexe, aus mehreren Teilschritten bestehende Lernumgebung daraufhin untersuchten, welche Formen von strategic mediation durch die Ausbildende sowie durch die Mitstudierenden realisiert wurden und wie die Studierenden ihre Vorstellung von spezifischen didaktischen Konzepten dadurch weiterentwickeln konnten (Johnson & Arshavskaya 2011; Johnson & 4 Für Prozesse der Vermittlung, d.h. der gezielten Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen durch andere Personen, die im Englischen in Anlehnung an Wygotski als mediation bezeichnet werden, wird hier mitunter auch der deutsche Begriff Mediation verwendet. Damit wird nicht auf das im deutschen Sprachgebrauch mit Mediation bezeichnete Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes durch Vermittlungsprozesse einer dritten Person Bezug genommen, wenngleich auch Ähnlichkeiten dazu bestehen. 137 Kuerten Dellagnelo 2013). Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass ein solches Projekt die Gelegenheit bietet, Studierende in der Erweiterung ihres Verständnisses von didaktischen Konzepten zu unterstützen, indem Erfahrungen in einen authentischen Kontext eingebettet wurden (Unterrichtstätigkeit in ESL 5 - Klassen), mehrfache Möglichkeiten der Reflexion der Unterrichtsentwürfe (kollaboratives Planen, Probeunterricht mit Gruppenfeedback, stimulated recall anhand der durchgeführten Unterrichtsstunden) geschaffen wurden und dabei sowohl die Ausbildende als auch die Mitstudierenden strategisch vermittelnd agieren konnten. Diese Art der Mediation bestand u.a. darin, in Gesprächen über Unterrichtsentwürfe oder über videografierte Unterrichtsstunden Feedback zu geben, Vorschläge zu machen, Fragen zu stellen oder Reflexionen anzuregen. In den Gesprächen, aber auch in der konkreten Unterrichtssituation konnten auf diese Weise didaktische Konzepte, deren Bedeutungsumfang bis dahin noch nicht vollständig verinnerlicht wurde, erprobt und angewendet werden. Durch die Möglichkeit der Verwendung von Begrifflichkeiten und Konzepten konnte deren Verständnis vertieft und ausgebaut werden (Johnson & Kuerten Dellagnelo 2013: 428). Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Entwicklungsprozesse der Studierenden in hohem Maße idiosynkratisch sind und Unterstützung demnach differenziert und modifiziert erfolgen muss: Yet, the findings suggest there is something cautionary about mediation that is targeted at a group in which individuals, with their own sociocultural histories and functioning within different ZPD [zones of proximal development, PK ] , may be more or less ‘ripe’ for the mediation they receive. [...] One important implication suggests that group mediation requires teacher educators to be highly sensitive to the ZPD that individual novice teachers are functioning in while also skilled at calibrating their mediation so it is maximally beneficial to both the individual and the group. (Johnson & Kuerten Dellagnelo 2013: 428) Eine weitere Möglichkeit der Herausforderung zu begegnen, unterstützende Angebote der jeweils individuellen Zone der nächsten Entwicklung anzupassen, bietet der Dynamic-Assessment-(DA)-Ansatz (Lantolf & Poehner 2004; Golombek 2011): DA is a kind of dialogic cooperation between mediator and learner, with the mediator continually assessing the learner’s understanding in order to determine an appropriate mediational response. (Golombek 2011: 124) Dynamic Assessment bezeichnet eine Gesprächsform, in der gleichzeitig die Grenzen der ZPD einer lernenden Person eingeschätzt sowie entsprechende 5 ESL = English as a Second Language 138 Vermittlungsprozesse, die der jeweiligen ZPD entsprechen, durch einen Experten initiiert werden. Golombek (2011) untersuchte diese Art der dialogischen Mediation in einem Ausbildungssetting, in dem videografierte ESL-Unterrichtsstunden der Studierenden als Ausgangspunkt dienten. 5.4.3 Kollaboration zwischen Studierenden Die Rolle sozialer Interaktion für Lernprozesse wurde in den vorausgehenden Abschnitten unter Rückgriff auf soziokulturelle Lerntheorien bereits mehrfach betont. Für den Kontext der Lehrer/ innenausbildung ergeben sich entsprechend der beteiligten Akteure verschiedene Möglichkeiten der Interaktion: Studierende können sich mit Lehrenden, Ausbildenden und miteinander austauschen. Untersuchungen zu strategic mediation oder dynamic assessment, wie sie oben beschrieben wurden, zielen vorrangig auf die Unterstützung von Lernprozessen durch Ausbildende aus dem universitären Kontext. Die Rolle von Mentorinnen und Mentoren, die an der Schnittstelle zwischen Hochschule und Schule mit den Studierenden arbeiten, sowie von Lehrer/ innen an den Schulen rückt gegenwärtig ebenfalls zunehmend in den Fokus von Forschungsarbeiten (z.B Crasborn et al. 2010; Oettler 2009). Wenige Studien im Bereich der Lehrer/ innenausbildung beschäftigen sich hingegen mit den Möglichkeiten bzw. Potentialen, die die Arbeit mit peers beinhaltet, obwohl Befunde aus anderen Bereichen bereits zeigen konnten, dass Lernen durch Aushandlungsprozesse mit Mitgliedern einer Gruppe / Gemeinschaft begünstigt (kognitionspsychologische Ansätze) oder gar bedingt (soziokulturelle Ansätze) wird (vgl. u.a. Donato 1994; Fischer 2002; Little 1995; Storch 2001, 2002a, 2002b; Wells 1999). Die Forderung, Möglichkeiten des gemeinsamen Austauschs zu schaffen, wird oft erhoben, wobei auf vielfältige Begründungen zurückgegriffen wird. So soll z.B. im Zuge der Entwicklung einer reflexiven Haltung (s. Kap. 5.6) in Bezug auf die eigene Professionalität bereits im Studium angebahnt werden, was später im Berufsleben unverzichtbar ist: Auf der Grundlage eines reflexiven Bewusstseins muss die eigene Unterrichtspraxis sowie das Selbstbild als Lehrer/ in kontinuierlich reflektiert werden, auch und gerade weil viele der unterrichtlichen Prozesse routiniert verlaufen (vgl. Burton 2009; Moon 2000, 2004; Schön 1983; Tsui 2003, 2007b). Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen wird dabei als förderlich betrachtet: There is general recognition that reflective processes are more likely to be sustained when carried out collaboratively with other teachers and supported by facilitators who can structure the learning process. (Burton 2009: 304) Als immer wieder problematisch wird diesbezüglich die Struktur der Schule betrachtet, die Lortie (1975) als egg-carton-Problem bezeichnete: Lehrende würden an Schulen isoliert voneinander (wie in einem Eierkarton) arbeiten 139 (vgl. Freeman 1998; Johnston 2009; Westheimer 2008). Diese Problematik wird seit einigen Jahrzehnten diskutiert, das Verständnis von Lehren und Lernen hat sich seitdem verändert und damit auch die Annahmen zu Lernprozessen in der Lehrer/ innenausbildung: Teacher educators began to emphasize the social and interdependent nature of teacher learning. Communities of learners became a popular way to think about not only students learning together but teachers collaborating as well. (Westheimer 2008: 757) Unterstützende Maßnahmen, die in Bezug auf die Zusammenarbeit von Lehrenden an Schulen diskutiert und erforscht werden, sind z.B. critical friends groups (Poehner 2011) oder lesson study cycles (Tasker 2011), in denen ausgehend von Problemen oder Fragestellungen, die aus der täglichen Unterrichtspraxis erwachsen, Gesprächsrunden initiiert werden, die dem gemeinsamen Austausch und der Problemlösung dienen. Auch unter der Überschrift professional learning communities wird in den englischsprachigen Ländern vielfach daran gearbeitet, Lehrende an den Schulen zu vernetzen, Interaktionsprozesse anzustoßen und zu begleiten (vgl. Stoll et al. 2006). Dennoch kann mit Blick auf den institutionellen Kontext staatlicher Schulen in Deutschland resümiert werden, dass das Problem der Isoliertheit der einzelnen Lehrpersonen noch längst nicht überwunden ist. Eine Möglichkeit, dem Einzelgängerphänomen entgegenzuwirken, wird schon in der Ausbildung der Lehrenden gesehen: indem Umgebungen geschaffen werden, in denen Studierende sich austauschen können, die Zusammenarbeit explizit anregen und eine Kultur des Miteinander etablieren, in der der Austausch mit anderen nicht nur ein zusätzliches, sondern ein notwendiges Mittel zur Entwicklung von Expertise ist. Neben der Forderung nach kooperativen Lern- und Arbeitsformen in der Ausbildung, um die Studierenden auf die Zusammenarbeit mit späteren Kolleginnen und Kollegen an den Schulen vorzubereiten, wird die soziale Interaktion mit den Mitgliedern der Praxisgemeinschaft der Lehramtsstudierenden außerdem aus einer lerntheoretischen Perspektive heraus gefordert: Our theories of teaching demand principles of both exposition and discussion. Most of the pedagogies emerging from the seminal research on student concept learning reveal that some form of dialogue, exchange, conversation, or alternating argument - some kind of social manifestation of the understanding - is central. (Shulman 2000: 129) Johnston (2009) spricht davon, dass von einer kollaborativen Lehrerbildung ausgegangen werden muss (collaborative teacher development), wenn man davon ausgeht, dass Lernprozesse in der Aus-/ und Fortbildung grundsätzlich soziale Prozesse sind. Die Forschungslandschaft bezüglich kollaborativer Formen 140 des Lernens in der Lehrer/ innenausbildung ist hingegen äußerst eingeschränkt. Hawkey resümiert: Although researchers have documented what student teachers learn from mentors and tutors, little research exists on what peers learn from each other. (Hawkey 1995: 175) Seither kann kein großer Zuwachs an Untersuchungen verzeichnet werden, vor allem im Bereich der fremdsprachlichen Lehrer/ innenausbildung gibt es kaum Befunde. Gegenwärtige Impulse kommen eher aus der allgemeinen Pädagogik, z.B. zum Thema Lernwerkstätten als innovative Lernorte an Hochschulen (Coelen & Müller-Naendrup 2013; Schubert 2004) oder aus Bereichen der sonderpädagogischen Lehrer/ innenausbildung bzw. der Lehrer/ innenausbildung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern (z.B. Kazemi & Franke 2004; Kaasila & Lauriala 2010). In Bezug auf das Planen von Unterricht wurde bereits auf die Studien von Roskos und Kolleginnen (Roskos & Walker 1994; Roskos & Neuman 1995; Roskos 1996) hingewiesen. Roskos (1996: 121) stellte heraus, dass passende Gelegenheiten für die Zusammenarbeit und das Teilen von Problemen die Integrationen verschiedener Wissensbestände fördern würden. Für den Einsatz kooperativer Lernformen in der Lehrer/ innenausbildung wird außerdem vor dem Hintergrund erfahrungsbasierter Ansätze des Lernens (Kolb 1984) plädiert. Der Ruf nach alternativen Formen der universitären Lehre erwächst vor allem daraus, dass innovative Lehr- und Lernformen, die fester Bestandteil von Lehrveranstaltungen im Hochschulbereich sind, von den Studierenden in den Tagespraktika oder in längeren Schulpraxisphasen nur selten oder kaum umgesetzt werden (DelliCarpini 2009: 45f.). Es wird daher vielfach gefordert, in einer Art loop input Aktivitäten in universitäre Lehrveranstaltungen zu integrieren, durch die die Studierenden selbst erfahren können, welche Vor- und Nachteile, welche Schwierigkeiten und Potentiale damit verbunden sind (Woodward 2003). Indem Lerngelegenheiten geschaffen werden, in denen Inhalte eigenständig und kooperativ erarbeitet werden (bottom-up), besteht die Möglichkeit, stabile biografisch bedingte implizite Theorien durch positive Erfahrungen aufzubrechen und damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Formen kollaborativer Zusammenarbeit verstärkt Eingang in die Unterrichtspraxis finden. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Reflexion und Diskussion der dabei gemachten Erfahrungen (vgl. DelliCarpini 2009; Woodward 2003). Während in dem oben beschriebenen Loop-Ansatz ausbildungsrelevante Inhalte auf kooperative Art und Weise erarbeitet werden und die Studierenden dabei als sie selbst agieren, übernehmen sie im vielfach genutzten 141 microteaching-Verfahren die Rolle der Schüler/ innen, während ein Student / eine Studentin als Lehrperson agiert (vgl. hierzu auch Abendroth- Timmer 2011; Legutke & Schocker-v. Ditfurth 2009). Ohne hier auf die Vor- und Nachteile und den Forschungsstand zum microteaching eingehen zu können, soll auf eine Studie Bezug genommen werden, die Hawkey in ihrem Überblicksartikel Learning From Peers: The Experience of Student Teachers in School-Based Teacher Education (1995) zitiert. Im Fokus einer Untersuchung von Illingworth (1971) standen vor allem die Rückmeldungen der am microteaching-Verfahren Beteiligten. Die Studie zeigte, dass das Feedback der Mentorin und das Feedback der Mitstudierenden ähnliche Auswirkungen auf die weitere Unterrichtstätigkeit der Studierende hatten. Hawkey (1995) schlussfolgert daraus, dass der Inhalt des Feedbacks, der bei den Rückmeldungen der Mentorin als angemessener und umfassender eingeschätzt werden kann, demnach nur ein Aspekt, aber nicht unbedingt der wichtigste ist (ebd.: 177). Hawkey fasst weiterhin zusammen, dass Studien, in denen Beobachtungen von tatsächlich durchgeführtem Unterricht mit anschließenden Feedback-Gesprächen untersucht wurden, herausstellen konnten, dass peer-Feedback vor allem aufgrund der gegenseitigen Unterstützung, der positiven Rückmeldungen und des Gefühls, selbst anderen helfen zu können, von den Beteiligten als sehr wertvoll eingeschätzt wurde. Auf die konstruktiven Rückmeldungen von Experten wollte dabei jedoch nicht verzichtet werden (ebd.: 178). Einige Untersuchungen konnten zudem zeigen, dass durch Teamarbeit und Gruppenfeedback die Risikobereitschaft in Bezug auf das unterrichtliche Handeln zunahm: “Risk taking becomes easier in equal peer relationsships than with a person in authority ˮ (Hawkey 1995: 181). In ihrer eigenen Studie konnte Hawkey außerdem geschlechterspezifische Unterschiede in der Art und Weise des Feedbacks und der Gesprächsführung beobachten. Für die männlichen Teams stellten die Auswertungsgespräche nach den Unterrichtsstunden nur eine weitere Aufgabe dar, die es durchzuführen galt, während die weiblichen Paare die Gespräche nutzen, um an ihrer persönlichen Entwicklung zu arbeiten: “The female pairs’ discussions were highly interactive, probing, egalitarian, and supportive ˮ (ebd.). 5.5 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: Wissenserwerb Soziokulturellen Theorien folgend werden Prozesse der Verinnerlichung von Sachverhalten der äußeren Ebene durch Personen oder psychologische Werkzeuge unterstützt und vermittelt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Sprache (vgl. Johnson & Golombek 2011: 4f.; Johnson & Arshavskaya 2011; Johnson & Kuerten Dellagnelo 2013). Konzepte und deren sprachliche Form werden demnach auch als Denkwerkzeuge verstanden. Durch die Verinnerlichung 142 ihrer Form und Bedeutung ist ein Denken in Konzepten möglich, können Gedanken verbalisiert und präzisiert werden. Freeman (2002) beschreibt, dass theoretische Konzepte es ermöglichen, Erfahrungen zu artikulieren und diese dadurch auch besser verstehen zu können: We need to understand that articulation and reflection are reciprocal processes. One needs the words to talk about what one does, and in using those words one can see more clearly. (Freeman 2002: 11) In einer longitudinalen Studie mit vier Lehrenden stellte Freeman (1993) heraus, wie im Laufe eines Kurses implizite Theorien der Lehrenden in Form von Spannungen sichtbar wurden, die er als competing demands within their teaching beschreibt. Durch die Entwicklung eines professionellen Diskurses lernten die Lehrenden jedoch, diese Spannungen zu verbalisieren und zu reflektieren und ihr Verständnis dadurch neu zu konzeptionalisieren. Die Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen / Wörtern und deren Bedeutung beschreibt Wygotski als variabel, instabil und durch Veränderungen bestimmt (vgl. Wertsch 2007). Zunächst werden Wörter wahrgenommen und auch benutzt, ohne dass deren Bedeutung und Funktion von der Person, die sie verwendet schon vollständig verstanden wurde. Daran schließt sich eine Phase an, in der das Verständnis sukzessive erweitert wird, d.h. Wörter werden oft benutzt, während deren Bedeutung sich gerade erst entwickelt. Doch gerade im Austausch mit anderen und in der Verwendung der Begriffe kann deren Bedeutungsverständnis erweitert werden. Johnson & Kuerten Dellagnelo (2013: 411) zitieren diesbezüglich Wertsch in seiner Auseinandersetzung mit Wygotskis Verständnis von mediation: [...] when encountering a new cultural tool … the first stages of acquaintance typically involve social interaction and negotiation between experts and novices or among novices. It is precisely by means of participating in this social interaction that interpretations are first proposed and worked out and, therefore, become available to be taken over by individuals. (Wertsch 2007: 186f.) Wygotski beschreibt, dass die Entwicklung wissenschaftlicher Konzepte gerade erst beginnt und nicht endet, wenn eine Person ein neues Wort für ein Konzept und dessen Bedeutung lernt. Für die Ausbildung von Lehrenden ergibt sich daraus ein Verständnis von teacher learning, in dem theoretische Konzepte sich erst allmählich im Austausch mit anderen, durch unterstützenden Input von erfahreneren Personen, im Zusammenhang mit konkreten Erfahrungen und in der Verwendung des z.T. noch ungenauen Verständnisses davon entwickeln. Ein Ausbildungsmodell, das darauf beruht, wissenschaftliche Theorie zu präsentieren, die im besten Fall verstanden und gespeichert wird, um sie dann in der Praxis anwenden zu können, steht dieser Lernkonzeption entgegen. 143 Korthagen (2010) beschreibt einen ähnlichen Prozess der Entwicklung eines theoretischen Verständnisses von Konzepten, der quasi in gegensätzlicher Richtung zu Wissenstransfermodellen verläuft. Interessant ist Korthagens Ansatz vor allem, weil er versucht, soziokulturelle sowie kognitivistische Lerntheorien in einem Modell zu integrieren: We can conclude that the model of levels in learning helps to reconcile the situated learning perspective with the perspective of traditional cognitive theory. The two perspectives represent two complementary ingredients of an integrated view of learning to teach. (Korthagen 2010: 103) Er argumentiert, dass Ansätze situierten Lernens versuchen, die Rolle sozialer Lernprozesse zu erklären, während kognitivistische Theorien sich mit Wissen und Wissensentwicklung beschäftigen. Es sind daher keine unvereinbaren Positionen, vielmehr erfüllen sie jeweils unterschiedliche Funktionen (ebd.: 99). Sein Drei-Ebenen-Modell (s. Abb. 11) wird zunächst von einer soziokulturellen Perspektive aus entwickelt. Ausgehend von Erfahrungen in einem bestimmten sozialen Kontext rücken spezifische Phänomene in das Bewusstsein der/ des Lernenden. Dies ist ein erster Schritt impliziten Lernens, den Korthagen als gestalt formation bezeichnet. Diese erste Ebene umfasst alle Sinneseindrücke der Person sowie die damit verbundenen Gedanken, Bilder, Gefühle, Bedürfnisse, Werte etc., die durch die Situation hervorgerufen werden. Damit werden nicht nur kognitive Prozesse, sondern ein viel komplexeres Gebilde aus Kognitionen, Emotionen und Motivationen als handlungsleitend betrachtet (ebd.: 101). Experiences with concrete examples Gestalt formation Gestalt (holistic) Schematization Schema (network of elements and relations) Theory formation Theory (a logical ordering of the relations in the schema) Reflection Reflection Level reduction Abb. 11: Three-level model & accompanying learning processes, nach Korthagen (2010: 100) Durch Reflexionsprozesse kommt es auf einer zweiten Ebene, dem schema level, zu einer bewussten Schemabildung, d.h. zu einer ersten Generalisierung der Erfahrung. Es kommt ebenfalls zu Verbindungen mit bisher bestehenden Schemata: "During this reflection process, notions and concepts become interrelated" (ebd.: 102). Den Übergang von der Gestaltzur Schema-Ebene beschreibt Korthagen als "desituating the knowlegde derived from specific situations." (ebd.). Auf einer dritten Ebene kommt es dann zur Theoriebildung, 144 indem das Vorwissen neu strukturiert wird, Schemata analysiert und u.U. miteinander zu einer kohärenten Theorie verbunden werden. Wichtig ist jedoch auch der nächste Schritt der level reduction, indem Schemata oder theoretisches Wissen so selbstverständlich werden, dass sie daraufhin auch wieder unbewusst verwendet werden können, sozusagen wieder in reduzierter Form auf der Gestalt-Ebene. Unter Rückgriff auf soziokulturelle Ansätze betont Korthagen die Situiertheit allen Wissens: A basic principle underlying the three-level model is that all knowledge, including scientific knowledge, is originally grounded in personal encounters with concrete situations and influenced by social values, the behavior of others, implicit perspectives, and generative metaphors. (Korthagen 2010: 103) Kognitive Lerntheorien, die den komplexen Prozess der Konstruktion von Wissen bisher gut beschrieben haben, sind hingegen hilfreich, die Ebene der Schema- und Theoriebildung zu erklären. Als Schlussfolgerung aus dem Drei- Ebenen-Modell für die Ausbildung von Lehrenden ergibt sich folgende Frage: [...] the fundamental (and complex) question now becomes: what kind of experiences can be organized that will both effectively shape student teachers’ gestalts, and elicit concerns in them that can serve as a good launch pad for joint reflection within a professional community, leading to the development of adequate schemata? (ebd.: 104) Korthagen plädiert dafür, in der Ausbildung von gemachten Erfahrungen auszugehen, um diese dann gemeinsam zu reflektieren. Diese Auffassung korrespondiert mit Ansätzen, die eine reflexive Lehrer/ innenausbildung fordern (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004; Legutke & Schocker-v. Ditfurth 2009; Mertens 2006). Er betont dabei ebenfalls die Bedeutung, die einer Praxisgemeinschaft zukommt: Es sollten zahlreiche Gelegenheiten für peer supported learning geschaffen werden, auch um Studierende auf kollaboratives Arbeiten an den Schulen vorzubereiten. Die Ansprüche an Ausbildende müssten sich dahingehend ändern, dass sie Gruppen von Studierenden als Praxisgemeinschaften betrachten, die sie dabei unterstützen, in gemeinsame Aushandlungsprozesse zu treten. Wissenschaftliches Wissen sollten sie auch zurückhalten können, bis aus der Erfahrung heraus das Bedürfnis entsteht, bestehende oder wachsende Schemata durch die Auseinandersetzung mit theoretischen Erkenntnissen strukturieren und erweitern zu wollen. Korthagen unterstreicht, dass Theorie aus seiner Sicht durchaus einen festen Platz innerhalb der Lehrer/ innenausbildung hat. Damit geht er, wie auch andere Autorinnen und Autoren davon aus, dass sich Lernen sowohl durch kognitive Prozesse der Schema- und Theoriebildung als auch durch Enkulturation und soziale Aushandlungsprozesse in spezifischen Kontexten realisiert (vgl. auch Cobb 1994; Putnam & Borko 2000). 145 5.6 Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung: reflexive Praxis Spätestens seit Schöns vielzitiertem Werk The Reflective Practitioner (Schön 1983) hat es in der Professionalisierungsdiskussion eine verstärkte Hinwendung zu reflexiven Prozessen gegeben. Als einer der ersten, der den Begriff der Reflexion in den erziehungswissenschaftlichen Diskurs einbrachte, gilt jedoch John Dewey (vgl. Burton 2009; Mehlmauer-Larcher 2012; Moon 2000). Dewey beschreibt Reflexion als bewusste und freiwillige Anstrengung: Active, persistent, and careful consideration of any belief or supposed form of knowledge in the light of the grounds that support it, and the further conclusions to which it tends, constitutes reflective thought. (Dewey 1910: 6) Reflektierendes Denken tritt seiner Ansicht nach in Situationen auf, die problematisch und unbestimmt sind: We may recapitulate by saying that the origin of thinking is some perplexity, confusion, or doubt. Thinking is not a case of spontaneous combustion [...]. (Dewey 1910: 12) Reflexion ist demnach zielgerichtet und an ein erwartetes Ergebnis gebunden. Dewey (1910) unterschied routinierte und reflexive Handlungen und machte damit schon sehr früh deutlich, dass reflexives Denken die Voraussetzung für professionelles Handeln und persönliche Entwicklung ist (vgl. Burton 2009; Mehlmauer-Larcher 2010). Seitdem ist der Begriff in verschiedenen Bereichen und vor unterschiedlichen theoretischen Hintergründen verwendet und diskutiert worden und hat inzwischen, so Burton (2009: 298), wie auch andere Termini eine Art Sloganisierung erfahren (vgl. Moon 2000). Vor allem in den vergangen Jahrzehnten erfolgte eine verstärkte Auseinandersetzung damit in Hinblick auf Prozesse reflexiven Lernens und verstärkt auch im Kontext einer reflexiven Lehrerbildung. Moon (2000, 2004) setzte sich ausführlich mit verschiedenen Verständnissen von Reflexion und entsprechenden theoretischen Positionen auseinander, u.a. mit den Ansätzen von Dewey, Habermas, Schön und Kolb (Moon 2000). Fasst man ihre Ausführungen zusammen, so können folgende Aspekte als Facetten von Reflexion herausgestellt werden (vgl. Moon 2000: 94ff.): Reflexion • ist damit konnotiert, zweckgebunden zu sein, in komplizierten und unbestimmten Situationen angewendet zu werden (vgl. Dewey 1910). • ist an ein erwartetes Ergebnis geknüpft. • wird in Bezug auf die kritische Auseinandersetzung mit Sachverhalten verwendet. • wird auch verwendet, um metakognitive Denkprozesse zu beschreiben. 146 • ist untrennbar mit Emotion verbunden. Die Beziehung zwischen Emotion und Reflexion kann drei Formen umfassen: Emotionen als Bestandteil von Reflexionsprozessen, Emotionen als Inhalt von Reflexion und Reflexion beeinflusst durch Emotion. • kann nicht erzwungen, aber durch entsprechende Bedingungen angeregt werden. • ist damit konnotiert, in Bezug auf etwas Vergangenes zu erfolgen. • wird in Hinblick auf die Entwicklung einer reflexiven Haltung verwendet. Eine Definition, die sich in der Diskussion bisher etabliert hat, beschreibt Reflexion folgendermaßen (vgl. Burton 2009; Moon 2000): Reflection seems to be a form of mental processing with a purpose and/ or an anticipated outcome that is applied to relatively complicated or unstructured ideas for which there is not an obvious solution. (Moon 2000: 98) Gegenwärtig wird Reflexivität als Schlüsselkompetenz von Professionalität im Sinne einer Bewusstheit über das eigene Tun betrachtet (Combe & Kolbe 2008: 859). Gerade vor dem Hintergrund der Komplexität unterrichtlichen Handelns, das durch zahlreiche strukturell bedingte und kaum auflösbare Spannungen und Antinomien gekennzeichnet ist, bedarf es in hohem Maße einer reflexiven Kompetenz, die Lehrende befähigt, mit widersprüchlichen Handlungsanforderungen umzugehen. Das Studium sollte Studierende demnach dabei unterstützen, einen reflexiven und forschenden Habitus zu entwickeln (vgl. Dirks & Hansmann 1999; Helsper 2004; Kolbe 2004; Obolenski & Meyer 2003; Wildt 2003). In der englischsprachigen Literatur zeigt sich jene Tendenz, in der Entwicklung von Reflexivität ein zentrales Anliegen der Lehrer/ innenbildung zu sehen, in Ansätzen, die auf Strömungen der 1980er Jahre zurückgehen, wie z.B. das reflective teacher movement (u.a. ausgehend von Schön 1983) oder das teacher researcher movement, das eng mit der zunehmenden Bedeutung von Aktionsforschung verbunden war (Johnson 2009: 95). In der Ausbildungspraxis sowie in der entsprechenden Forschung stehen daher gegenwärtig sowohl im deutschals auch im englischsprachigen Kontext Ansätze im Vordergrund, in denen Studierende praktische Erfahrungen sammeln können und dabei möglichst von noch nicht zu verarbeitendem Handlungsdruck befreit sind. So soll z.B. im Rahmen von Lernumgebungen, die einen forschenden Zugang zur Praxis ermöglichen (z.B. Schocker-v. Ditfurth 2001), Studierenden die Gelegenheit gegeben werden, Antinomien und Komplexitäten der Unterrichtspraxis zu beobachten oder selbst zu erfahren, um diese dann umfassend reflektieren, d.h. rebzw. dekonstruieren zu können. 147 Studierende sollen als zukünftig professionell Handelnde befähigt werden, über Unterricht und Handeln in einer Weise zu reflektieren, die nicht nur vorgegebene Ansätze übernimmt, sondern eigenständig neue Sichtweisen entwickelt, z.T., wie in einigen Ausprägungen des Forschenden Lernens, über die Entwicklung kleinerer empirischer Projekte. (Rottländer & Roters 2008: 6) Im Englischen wird hier von inquiry based approaches gesprochen, die ebenfalls von einer forschenden und nachfragenden Haltung gekennzeichnet sind, aber nicht notwendiger Weise die Durchführung empirischer Projekte beinhalten. Jene Ansätze forschenden Lernens setzen sehr stark auf erfahrungsbasierte, d.h. schulpraktische sowie kollaborative Arbeitsweisen (vgl. Johnsons Überblick über Verfahren, die in der Lehrer(weiter)bildung genutzt werden, wie z.B. critical friends groups, peer coaching, lesson study, teacher study groups oder peer development, 2009: 100ff.). Im deutschsprachigen Kontext wird vielfach der Einsatz von Portfolios diskutiert (z.B. Ballweg 2012; Becker et al. 2012; Bräuer 2007; Brouër 2007; Gläser- Zikuda & Hascher 2007). Durch Portfolioarbeit wird vor allem das Ziel verfolgt, Studierende dabei zu unterstützen, ihren Lernprozess auf dem Weg zur kompetenten Lehrperson bewusster wahrzunehmen und zu reflektieren, um schon im Studium eine reflexive Haltung zu entwickeln. Als ein wichtiges Dokument ist hier das EPOSTL (European Portfolio for Student Teachers of Languages, Newby et al. 2007) zu nennen. Es soll Studierende zu vielfältigen Reflexionsprozessen anregen, indem sie z.B. dazu aufgefordert werden, über ihre persönlichen Erfahrungen als Lernende und über ihr derzeitiges Selbstverständnis als angehende Lehrpersonen nachzudenken. Anhand vorgegebener Kann-Beschreibungen können die Studierenden mittels EPOSTL außerdem ihre derzeitigen professionellen Kompetenzen einschätzen. 5.7 Zusammenfassung Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden hat in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in der Theorie und Reflexion der Praxis als auch in der Forschung zunehmende Beachtung gefunden, wobei im deutschsprachigen Raum im empirischen Bereich noch starke Defizite zu verzeichnen sind. Dies gilt umso mehr, wenn man die strukturellen Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Lehrerbildungssysteme bedenkt, die ein Übertragen von Erkenntnissen aus anderen Ländern teilweise erschweren. Werden Erfahrungsberichte, Forschungsergebnisse und Theoretisierungen aus anderen Ländern und anderen Bereichen, wie z.B. der anglo-amerikanischen Forschung oder der deutschen Bildungswissenschaft hinzugezogen, so 148 zeichnen sich jedoch Entwicklungstendenzen ab, die sich unter folgenden Merkmalen zusammenfassen lassen: • Während traditionell auch in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden von einem applied-science-model ausgegangen wurde, das Unterrichten als Anwendung von wissenschaftlichem Wissen betrachtet, liefern gegenwärtig vor allem konstruktivistische und soziokulturelle Ansätze wichtige alternative Impulse für die Ausbildungspraxis. • Das applied-science-model muss durch ein Model reflexiver Praxis ersetzt werden, in dem sich wissenschaftliche Theorie, biografisches Erfahrungswissen sowie unterrichtspraktische Erfahrungen gleichrangig begegnen und reflektierend bearbeitet werden können. • Unter Rückgriff auf soziokulturelle Theorien wird betont, dass teacher learning als Resultat gemeinsamer Aushandlungsprozesse verstanden wird. Durch die Interaktion mit Anderen und durch vermittelnd wirkende Personen können sich Studierende innerhalb ihrer jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung verorten und weiterentwickeln. • Integrative Ansätze beschreiben Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung sowohl als situiert und von sozialer Interaktion abhängig als auch als kognitive Prozesse der Wissenskonstruktion. • Die Wissensbasis von Lehrenden kann für analytische Zwecke in inhaltliche Bereiche untergliedert werden, wobei das professionelle Wissen einer Person alle Bereiche integriert, ohne dass diese klar voneinander zu trennen sind. • Die Entwicklung von Wissen und Können ist eng mit den Situationen verbunden, in denen Lernprozesse stattfinden: Wie etwas gelernt wird, hat Einfluss darauf, was gelernt wird. • Vor dem Hintergrund der Situiertheit von Lernen, sind die Kontexte, in denen teacher-learning-Prozesse angeregt werden, im besten Fall durch deutliche Bezüge zur Praxis gekennzeichnet. Erfahrungswissen kann am effektivsten in der reflexiven Auseinandersetzung mit schulpraktischen Erfahrungen in Form von Beobachtungen, Fallbeispielen oder selbst durchgeführten Unterrichtsversuchen entstehen. • Durch die Anregung zur reflexiven Auseinandersetzung mit praktischen Erfahrungen sowie mit theoretischen fachdidaktischen Positionen kann im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung die Entwicklung einer professionellen Diskusfähigkeit angeregt werden. Fachdidaktische Konzepte und entsprechende Begrifflichkeiten werden allmählich und durch die aktive erprobende Anwendung von der äußeren auf die innere Ebene transferiert. 149 • Studierende verfügen zu Beginn ihres Studiums über ein umfangreiches Vorwissen, das durch ihre langjährigen Erfahrungen als Lernende in verschiedenen Kontexten geprägt ist. Dieses biografisch geprägte Erfahrungswissen sollte in die Lehrer/ innenausbildung einbezogen werden, indem es bewusst gemacht und reflektiert wird. 151 6 Erkenntnisinteresse, Methodologie und Forschungsprozess 6.1 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen Gegenstand der vorliegenden Studie sind die interaktiven und mentalen Planungshandlungen angehender Englischlehrender in dyadischen Gesprächen, die der Vorbereitung einer Unterrichtsstunde im Rahmen schulpraktischer Studien (SPS) dienen. Dabei richtet sich das Interesse sowohl auf die Planungsgespräche (PG) in ihrer inhaltlichen Konstituiertheit sowie in ihrem prozessualen Verlauf als auch auf die Kooperation der Studierenden in diesem Handlungsraum und die damit verbundenen Potentiale für ihre professionelle Entwicklung. Das Erkenntnisinteresse ist beeinflusst durch meine Tätigkeit als Lehrende im Hochschulbereich, insbesondere durch die Erfahrungen in der Betreuung von Studierenden in den schulpraktischen Studien und die damit einhergehende Auseinandersetzung mit der Frage, wie Lernangebote in der Lehrer/ innenausbildung gestaltet bzw. verbessert werden können, so dass sich die einzelnen Facetten des Lehrberufs (das Fachliche, Pädagogische, Fachdidaktische, das Theoretische und das Praktische, das lernbiografisch Geprägte) gleichrangig begegnen und Integrations- und Transferleistungen seitens der Studierenden wirkungsvoll unterstützt werden können. Die vorliegende Studie möchte einen Beitrag leisten, einen Teilbereich der fremdsprachendidaktischen Lehrer/ innenausbildung und die damit verbundenen Handlungen der Studierenden zu erforschen, um das Verständnis darüber zu vertiefen, wie teacher learning sich gestaltet bzw. wie ausbildungsbezogene Lernprozesse zukünftig gestaltet werden können. Das kooperative Planungsgespräch in Vorbereitung auf real durchzuführende Unterrichtsstunden bietet hier die Gelegenheit, in der Verschränkung von Forschungs- und Ausbildungsinteresse, den Prozess der Unterrichtsvorbereitung als einen zentralen Ausbildungsgegenstand zu untersuchen und dabei Einsichten in das Denken und Handeln der Studierenden in einem spezifischen Lernumfeld im Kontext ihrer Ausbildung zu erlangen. Vor dem Hintergrund der theoretischen Fachdiskussion, der entsprechenden empirischen Befunde und den sich daraus ergebenden Forschungsdesideraten (Kapitel 1 bis 5) wird das Erkenntnisinteresse der Studie in Form von drei Forschungsfragen spezifiziert, die im Folgenden hergeleitet und ausgeführt werden. 152 Forschungsfrage 1 Im Fokus der ersten Forschungsfrage stehen die Themen, die von den Studierenden bei der kooperativen Vorbereitung von Englischunterricht verhandelt werden. Aus den in Kapitel 4 dargestellten empirischen Befunden zur Unterrichtsplanung lässt sich ableiten, dass die Vorbereitung von Unterricht eine hochkomplexe, kontextsowie personenabhängige Tätigkeit ist. So unterscheidet sich die Planungstätigkeit von Experten und Novizen, von Lehrenden einzelner Fächer und verschiedener Schulformen sowie insgesamt von einzelnen Lehrpersonen. Die Befunde zur Unterrichtsplanung von Experten zeigen, dass die Vorbereitung von Unterricht teils prä-aktiv, d.h. vor dem Unterricht, teils aber auch interaktiv, während der Durchführung des Unterrichts stattfindet. Die komplexen mentalen Repräsentationen von Unterrichtsabläufen, über die erfahrene Lehrpersonen verfügen, ermöglichen ein flexibles und z.T. spontanes Vorgehen beim Planen, wohingegen Planungsnovizen eine Vielzahl an Aspekten zum ersten Mal durchdenken müssen und dabei auf keine fertigen Skripte zurückgreifen können. Dadurch wird erklärbar, dass Studierende häufig sehr viel mehr Zeit für die Unterrichtsvorbereitung verwenden als Experten. Interessant ist hier die Frage, welche Aspekte der Unterrichtsplanung besonders viel Aufmerksamkeit seitens der planenden Novizen bedürfen. Es kann hierbei auf grundlegende Befunde aus der empirischen Forschung zum Planungshandeln von Lehrenden zurückgegriffen werden, wenngleich deutlich mehr Studien das planerische Denken von erfahrenen Lehrenden untersuchten und erst wenige Erkenntnisse zum Denken und Handeln von Novizen bestehen. Die wenigen einschlägigen Befunde weisen zudem Differenzen auf, was die Inhalte von Planungsüberlegungen betrifft: So wurde z.B. herausgestellt, dass Novizen sich vordergründig mit Unterrichtsinhalten beschäftigen. Gleichzeitig wurde jedoch ermittelt, dass das planerische Denken angehender Lehrender auf Unterrichtsaktivitäten und auf die Schüler/ innen gerichtet ist. Diese Unterschiede sind vermutlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Unterrichtsplanung als allgemein didaktisches Phänomen betrachtet und selten aus einer fachspezifischen Perspektive untersucht wird. Ebenso müsste differenziert werden, über wie viel praktische Unterrichtserfahrung die Untersuchungsteilnehmer/ innen bereits verfügen: Werden Planungsprozesse von Studierenden untersucht, die am Beginn ihrer unterrichtspraktischen Ausbildung stehen oder sind die teilnehmenden Novizen bereits im Referendariat oder als Lehrkraft an einer Schule tätig? Die vorliegende Studie geht daher dem Erkenntnisinteresse 153 nach, Themen und Inhalte1 zu erfassen, die Lehramtsstudierende für das Fach Englisch, die ihre ersten Unterrichtsstunden planen, in kooperativen Planungsgesprächen verhandeln. Es soll im Verlauf der Untersuchung folgende Forschungsfrage beantwortet werden: Forschungsfrage 1: Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? Damit gehen spezifische Fragen einher, die mit dem deskriptiven Erfassen der Gesprächsinhalte verbunden sind: • Welche Gesprächsthemen dominieren die kooperativen Planungsgespräche der Studierenden, welche Themen sind eher marginal? • Inwieweit sind bei der kooperativen Unterrichtsplanung Bezüge zu didaktischen Modellen oder Planungskonzeptionen und deren Kategorien (Ziele, Inhalte, Methoden etc.) erkennbar und inwieweit werden diese Bezüge von den Untersuchungsteilnehmer/ innen während der Planung expliziert? • Wird in den Planungsgesprächen eine fachdidaktische Spezifik in Bezug auf die Vorbereitung fremdsprachlichen Unterrichts erkennbar? Forschungsfrage 2 Die im ersten Teil der Analyse ermittelten Gesprächsinhalte erlauben Aussagen darüber, was in den Planungsgesprächen thematisiert wird, jedoch nicht, wann bestimmte Themen wie behandelt werden. Während die Beantwortung der ersten Forschungsfrage zunächst auf einer vorrangig deskriptiven Ebene Themen und Inhalte fokussiert, die in den Planungsgesprächen von den Studierenden besprochen werden, hat die zweite Forschungsfrage zum Ziel, Einblicke in das Planen von Unterricht als Prozess zu erlangen. Es wurde an einigen anderen Stellen bereits als Desiderat formuliert, dass bezüglich der Planung von Unterricht die Prozess-Ebene stärker in den Blick rücken müsste (vgl. Kap. 3.3.3 und 4.2.4). Planungsmodelle und Hinweise zur Unterrichtsvorbereitung geben meist Empfehlungen, worüber bei der Unterrichtsplanung nachzudenken sei. Nur wenige planungstheoretische Ansätze spezifizieren hingegen, wie dabei vorgegangen werden kann. Gerade für den Kontext der Lehrer/ innenausbildung könnten Einsichten in das tatsächliche planerische Handeln von Studierenden wertvolle Impulse liefern, Planungsprozesse könnten expliziter thema- 1 Themen und Inhalte werden in Bezug auf die Inhaltsanalyse synonym betrachtet (es werden Gesprächsthemen bzw. -inhalte beschrieben). Im Unterschied dazu gilt bezüglich der im Gespräch thematisierten Unterrichtsthemen und -inhalte ein differenziertes Verständnis (s. Kap. 3.2.2). 154 tisiert, reflektiert und zielgerichteter angeleitet werden. Die Empirie bietet diesbezüglich nur einige wenige Erkenntnisse, die Aussagen über die Abfolge von Teilhandlungen im Planungsprozess machen (s. Kap. 4.2.4). Grundlegende Einsichten in den Planungsprozess liefern die Befunde von Bromme (1981), Yinger (1980) und Kolbe (1998), wobei diese die Planungshandlungen erfahrener Lehrender betreffen. Tebrügges (2001) Forschungsergebnisse zeigen die Fachspezifik des Planens auf, jedoch beschränkt auf die Fächer Mathematik, Chemie und Deutsch und die Resultate von John (1991a), der das Planen von Studierenden rekonstruierte, bleiben sehr allgemein. Das Prozessmodell von Broeckmans (1986) zeichnet die Handlungen der von ihm untersuchten Studierenden genauer nach und liefert damit wichtige Erkenntnisse, auf die die vorliegende Studie aufbauen kann. Die Studierenden in seiner Studie unterrichteten ähnlich wie im hier zu untersuchenden Kontext einige wenige Stunden im Rahmen eines Tagespraktikums. Jedoch sind die Analysen in der von ihm dargestellten Form wenig transparent und daher schwer nachvollziehbar. Darüber hinaus handelt es sich dabei um die Vorbereitung von Unterricht für die Primarstufe und um das individuelle Planungshandeln der Forschungsteilnehmenden. Es kann dennoch die Frage gestellt werden, welche der von Broeckmans postulierten Phasen auch in kollaborativen Planungsgesprächen zwischen Studierenden für den Englischunterricht an Sekundarschulen auszumachen sind. Um den Verlauf der Planungsgespräche zu rekonstruieren, werden die Gespräche in Anlehnung an handlungstheoretisch orientierte Forschungsansätze hinsichtlich typischer Gesprächshandlungen und Gesprächsverläufe untersucht. Die Forschungsfrage 2A zielt darauf, auf einer Makroebene generelle Gesprächsphasen auszumachen, die aus den Interaktionsdaten rekonstruiert werden und die Charakteristik von Planungsgesprächen im Verlauf abbilden können: Forschungsfrage 2A: Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf? Von besonderem Interesse sind dabei folgende Unterpunkte: • Durch welche typischen Gesprächsphasen sind die Planungsgespräche gekennzeichnet? • Welche diskursiven Handlungen sind für die verschiedenen Gesprächsphasen kennzeichnend? • Welche Teilziele werden während des Gesprächsverlaufs verfolgt? In welcher zeitlichen Abfolge werden einzelne Planungsaufgaben gelöst? • Inwiefern zeigt sich im Gesprächsverlauf eine Orientierung der Studierenden an Planungskonzeptionen, die spezifische Handlungsschritte vorgeben? 155 Daran anknüpfend wird auf einer stärker mikrostrukturellen Ebene die Forschungsfrage gestellt, was im Kern der Planungsgespräche abläuft, d.h. wie die Studierenden Unterrichtspläne und im Speziellen einzelne Phasen im Unterricht kooperativ entwickeln: Forschungsfrage 2B: Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? Dabei stellen sich folgende weiter differenzierende Fragen: • Wie genau entsteht das Konzept, der Plan über die Gestaltung einer Lehr- oder Lernaktivität im Unterricht? • Wie detailliert sind die interaktiven Handlungen der Studierenden zur Vorbereitung eines Unterrichtskonzepts? • Durch welche Faktoren wird der Verlauf einer Unterrichtplanung beeinflusst? Forschungsfrage 3 Über die Fokussierung von Planungsprozessen hinaus, richtet sich das Interesse der vorliegenden Studie ebenfalls auf die Kooperation der Studierenden. Wie aus den dargestellten Forschungsbefunden und Ansätzen zum Lernen in der Lehrer/ innenausbildung abzuleiten ist, bietet die Zusammenarbeit mit einer Person oder einer Gruppe gerade bei komplexen Aufgaben wie der Planung einer Unterrichtsstunde das Potential, Problemlöseprozesse zu unterstützen und Aushandlungs- und Lernprozesse zu fördern. Die dritte Forschungsfrage richtet sich auf das Planungsgespräch und dessen Spezifik, um zu erfassen, welche Potentiale bzw. Probleme mit einer kooperativen Unterrichtsvorbereitung in Form eines Planungsgesprächs mit einer/ einem Mitstudierenden verbunden sind. Im Speziellen ist dabei von Interesse, inwiefern durch die Interaktion mit einem Partner / einer Partnerin Prozesse der gemeinsamen Bedeutungsaushandlung und Wissenskonstruktion angeregt werden, die sowohl die Erstellung eines Unterrichtsentwurfs als auch die angehenden Lehrenden in ihrer Entwicklung als Lehrperson unterstützen. Mittels interpretativer Analysen einzelner Gesprächssequenzen sollen tiefer liegende Sinnstrukturen rekonstruiert werden, die Einblicke gewähren, in das dyadische diskursive Vorbereiten von Unterricht im Rahmen der Lehrer/ innenausbildung. Für die vorgelegte Studie ergibt sich daher vor allem aus den in Kapitel 5 dargestellten Forschungsbefunden und theoretischen Ansätzen folgende Fragestellung: Forschungsfrage 3: Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? 156 Vor dem Hintergrund der Ansätze zum situierten Lernen in der fremdsprachlichen Lehrer/ innenausbildung (vgl. Kap. 5) sind vor allem folgende Teilfragestellungen von Interesse: • Wie wird die Erstellung eines Unterrichtsentwurfs durch die Kooperation mit einer/ einem Ko-Planenden beeinflusst? • Welche Vorteile und Schwierigkeiten werden durch die Zusammenarbeit sichtbar? • Welche Unterschiede in der Art der Zusammenarbeit sind erkennbar? • Inwiefern kann die gemeinsame Bedeutungsaushandlung im Gespräch dazu beitragen, fachdidaktische, pädagogische oder fachliche Konzepte zu ko-konstruieren und zu verinnerlichen und Prozesse der individuellen Schema- und Theoriebildung anzuregen? 6.2 Untersuchungsdesign Ausgehend vom Erkenntnisinteresse der Studie und den oben dargestellten Forschungsfragen fokussiert die Untersuchung das kooperative Planungshandeln und -denken von Lehramtsstudierenden im Kontext regulärer Tagespraktika. Dafür werden Planungsgespräche zwischen je zwei Studierenden in Vorbereitung auf eine zu haltende Unterrichtstunde videografisch aufgezeichnet. Diese Daten werden als Impuls für ein anschließendes Gespräch nach der Methode des Lauten Erinnerns verwendet. Dabei wird die Aufnahme des Planungsgesprächs einzeln mit den Studierenden betrachtet und die Teilnehmer/ innen werden aufgefordert, das Video zu unterbrechen und nachträglich zu verbalisieren, was ihnen während des Gesprächs durch den Kopf ging (s. Kap. 6.5.2). Nach dem Lauten Erinnern wird eine kurze Befragung durchgeführt, in der die Studierenden u.a. nach ihren Erfahrungen bei der Planung mit einer/ einem Mitstudierenden befragt werden. Diese Daten werden durch die Stundenverlaufsskizzen der einzelnen Planungsphasen ergänzt. Tabelle 3 zeigt die einzelnen Forschungsfragen, die zu deren Beantwortung erhobenen Daten sowie die Art der Auswertung im Überblick. Forschungsfrage Datenmaterial Auswertung Forschungsfrage 1 Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? Interaktionsdaten der videografierten Planungsgespräche (schriftliche Planungsnotizen als flankierende Daten) Qualitative Inhaltsanalyse 157 Forschungsfrage 2A: Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf? Interaktionsdaten der videografierten Planungsgespräche (schriftliche Planungsnotizen als flankierende Daten) Makrostrukturelle Gesprächsanalyse Forschungsfrage 2B: Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? Interaktionsdaten der videografierten Planungsgespräche (schriftliche Planungsnotizen als flankierende Daten) Meso- und mikrostrukturelle Gesprächsanalyse Forschungsfrage 3: Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? Interaktionsdaten der videografierten Planungsgespräche Daten aus dem Lauten Erinnern Daten der nachträglichen Befragung Sinnrekonstruktive Sequenzanalyse Tab. 3: Untersuchungsdesign: Forschungsfragen, Datenmaterial und Auswertungsmethode Ein besonderer Vorteil dieses Designs wird in der systematischen Perspektiven-Triangulation gesehen, bei der „gezielt verschiedene Forschungsperspektiven qualitativer Forschung miteinander trianguliert werden, um deren Stärken zu ergänzen und Grenzen wechselseitig aufzuzeigen.“ (Flick 2011: 20). Flick plädiert vor dem Hintergrund einer Systematisierung von Möglichkeiten der Perspektiven-Triangulation in der qualitativen Forschung für eine Kombination von Methoden, die einerseits soziales Handeln bzw. sozial geprägte Interaktionsmuster konversationsanalytisch untersuchen (z.B. natürliche Gespräche) und andererseits die Ebene der Subjekte fokussieren, d.h. mentale Strukturen oder subjektiv gemeinten Sinn zu rekonstruieren versuchen (z.B. durch Interviews erhobene subjektive Theorien). Die vorliegende Studie trianguliert in ähnlicher Weise qualitative Forschungsansätze, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Untersuchungsgegenstands thematisieren: Es wird (a) der Blick auf das soziale Handeln der Untersuchungsteilnehmer/ innen in natürlichen Gesprächen gerichtet, wodurch der ursprüngliche Sinnzusammenhang ohne die zweite Sinnebene des Darüber-Sprechens in den Fokus rückt. Außerdem wird (b) die Sicht der untersuchten Subjekte auf ihre planerischen Handlungen integriert, d.h. ihre subjektiven Konstruktionen von Wirklichkeit (durch die Daten aus der Befragung und die Kommentierungen während des Lauten Erinnerns). Auf diese Weise wird eine between-method Triangulation realisiert (Denzin 1970), bei der mehrere Arten der Datenerhebung kombiniert 158 werden, um den Untersuchungsgegenstand möglichst umfassend zu erforschen. Das Laute Erinnern bietet zudem die Möglichkeit einer Integration der auf unterschiedliche Weise erhobenen Daten: Wenn die Forschungsteilnehmenden sich retrospektiv zu ihren Gedanken während der gemeinsamen Unterrichtsplanung äußern, werden hier neben den offensichtlichen, videografisch dokumentierten verbalen und aktionalen Handlungen der Untersuchungsteilnehmer/ innen zusätzliche Einblicke in mentale und emotionale Prozesse während der kooperativen Vorbereitung von Unterricht gewährt. Die emische und etische Perspektive stehen demzufolge nicht nebeneinander, wie dies in Studien der Fall ist, in denen die Teilnehmenden beobachtet und befragt werden, sondern hier kann durch den direkten Bezug der retrospektiven Daten auf die Interaktionsdaten eine Verschränkung der Perspektiven erfolgen. Obwohl ein mehrmethodisches Vorgehen weniger zu Zwecken der Validierung als zur Erweiterung der Erkenntnisse eingesetzt wird (vgl. hierzu u.a. Aguado 2014, 2015; Flick 2011; Settinieri 2015), ermöglicht der Einsatz videobasierter Retrospektionen neben der Vertiefung der Einsichten auch eine Art Verständnissicherung. Durch erklärende Kommentare der Untersuchungsteilnehmer/ innen während des Lauten Erinnerns kann überprüft werden, inwiefern die Interaktionen während der Planungsgespräche richtig verstanden wurden bzw. kann das Verständnis der Videodaten auf diese Weise triangulierend vertieft und verbessert werden (s. Kap. 6.5.2). Bevor im Folgenden genauer auf die Erhebung und Auswertung der Daten eingegangen wird, sollen im Anschluss zunächst das Forschungsfeld sowie die Untersuchungsteilnehmenden sowie die Rolle der Forscherin im Feld näher beschrieben werden. 6.3 Forschungsfeld: Das Tagespraktikum in der Lehrer/ innenausbildung Je nach Schulform und Fachrichtung beinhaltet die fachdidaktische Ausbildung im Rahmen der ersten Phase der Lehrer/ innenausbildung in Deutschland i.d.R. Lehrveranstaltungen in Form von Vorlesungen, Seminaren oder Übungen, eine Art semesterbegleitendes Tagespraktikum sowie mehrwöchige Blockpraktika. Die Struktur der Ausbildung in den verschiedenen Bundesländern unterscheidet sich vor allem in Bezug auf die Länge der schulpraktischen Phasen, die zeitliche Abfolge sowie die Anzahl der vorgesehenen Lehr- und Lernangebote. Trotz der zahlreichen Unterschiede lässt sich derzeit im Zuge einer Reformierung der Lehrer/ innenausbildung die Tendenz ausmachen, praxisorientierte Anteile der Ausbildung zu erhöhen und eine strikte Zweiteilung in 159 Theorie und Praxis möglichst aufzuheben, um beide Bereiche einander anzunähern und für die Studierenden sinnstiftend zu verbinden (vgl. Czerwenka & Nölle 2011). Die vorliegende Studie erhebt Daten, die in den Kontext der fachdidaktischen Tagespraktika der Universität Leipzig eingebettet sind. An der Universität Leipzig werden Lehrende für Grund-, Mittel- und Förderschulen sowie Gymnasien ausgebildet. Das fachdidaktische Tagespraktikum im Fach Englisch findet semesterbegleitend in Kleingruppen von 4-6 Studierenden an Leipziger Grund- und Mittelschulen sowie Gymnasien statt. Diese schulpraktischen Studien (SPS) werden überwiegend von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität bzw. teils auch von erfahrenen Lehrenden oder ausgebildeten Mentorinnen und Mentoren betreut 2 . Zusätzlich zu dieser Kursleitung steht die Lehrerin / der Lehrer der Klasse als Ansprechperson zur Verfügung. Die Studierenden beobachten zunächst eine Unterrichtsstunde und können sich im Anschluss mit der Lehrperson über wichtige Fragen in Bezug auf den Unterricht in dieser Klasse austauschen. In den folgenden Wochen übernehmen die Studierenden einmal wöchentlich eine 45- oder 90-minütige Englischstunde. Meist werden Themen und mögliche Inhalte mit der Lehrperson und der/ dem Kursleitenden vor der Planung der Stunde besprochen (s. Abb. 12). Es wird zudem angeregt, die Verantwortung für eine Unterrichtsstunde mit einer/ einem Mitstudierenden zu teilen. Meist wird die Stunde von einer Person durchgeführt, die zweite Person (der/ die Ko-Planende) unterstützt den/ die Lehrende jedoch bei der Planung und Vorbereitung und könnte die Stunde notfalls selbst durchführen, wenn z.B. die unterrichtende Person verhindert wäre. Wird der Englischunterricht in 90-minütigen Einheiten erteilt, so übernehmen meist jeweils zwei Studierende eine Einheit, wovon jede Person 45 Minuten unterrichtet. Nach der Unterrichtsvorbereitung stellen die beiden verantwortlichen Studierenden der/ dem Kursleitenden den Stundenverlaufsplan in einer ca. einstündigen Besprechung vor. Sie können Fragen dazu stellen, es werden Alternativen besprochen und Hinweise zur Durchführung gegeben. Die Unterrichtsstunde wird dann von den übrigen Kursteilnehmenden, der Lehrperson sowie der/ dem Kursleitenden beobachtet und im Anschluss gemeinsam ausgewertet. Es wird angestrebt, dass jede/ r Studierende mindestens zwei Unterrichtsstunden im Rahmen der SPS im Verlauf eines Semesters plant und durchführt. Abbildung 12 zeigt einen Teilabschnitt im Verlauf der SPS, der sich von der Vergabe des Unterrichtsthemas bis zum Auswertungsgespräch im Anschluss an die unterrichtete Englischstunde erstreckt. 2 Im Folgenden werden jene Betreuer/ innen als Dozentinnen und Dozenten oder Kursleiter/ innen bezeichnet. 160 Schulpraktische Studien Datenerhebung Thema und mögliche Inhalte der Stunde werden besprochen, TN 1 + 2 machen sich erste Gedanken zur Stunde Planungsgespräch zwischen TN 1 + 2 Videoaufzeichnung des Planungsgesprächs Lautes Erinnern + Befragung TN 1 Lautes Erinnern + Befragung TN 2 Erstellen eines Verlaufsplans für die Vorbesprechung mit der Kursleiterin Vorgespräch mit der Kursleiterin Durchführung der Unterrichtsstunde Auswertungsgespräch Abb. 12: Übersicht über die Datenerhebung im Kontext der SPS Der in der Abbildung grau hinterlegte Ausschnitt markiert den Zeitpunkt der Datenerhebung. Die Tagespraktika gestalten sich als Abfolge mehrerer dieser Zyklen (ca. 6-10, s. auch Anhang 5). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden ausschließlich die Planungsgespräche der Studierenden fokussiert. Sie finden nach der Vergabe der Themen für die zu haltende Stunde und vor der Besprechung des Unterrichtsentwurfs mit der Kursleiterin statt. Da dieser Zyklus oftmals innerhalb einer Woche durchlaufen wird, sind sowohl die Unterrichtsvorbereitung der Studierenden als auch die zusätzlich stattfindende Datenerhebung an einen sehr engen Zeitplan gebunden. 161 6.4 Die Forschungspartner/ innen und die Rolle der Forscherin im Forschungsprozess Von 17 SPS-Teilnehmenden zum Zeitpunkt der Datenerhebung konnten 14 Personen als Forschungspartner/ innen gewonnen werden. Drei männliche und elf weibliche Studierende erklärten sich dazu bereit, sich an der Studie zu beteiligen. Von einem Gespräch, dem PG5 zwischen Nina und Rieke, besteht nur eine Tonaufnahme, da Nina nicht videografiert werden wollte. Die erhobenen Audiodaten werden dennoch für die Analyse verwendet, da keine übermäßig starken Informationsverluste festgestellt werden konnten. Unverständliche Passagen konnten im Rahmen des Lauten Erinnerns geklärt werden, das in diesem Fall nicht videobasiert, sondern mittels Tonaufnahme als Impuls durchgeführt wurde. 12 der 17 Forschungspartner/ innen studierten das Lehramt an Gymnasien, ein Studierender das Lehramt an Mittelschulen und eine Teilnehmerin studierte Mittel- und Grundschullehramt. Alle Teilnehmenden hatten zu diesem Zeitpunkt mindestens zwei Lehrveranstaltungen in der Fachdidaktik Englisch sowie ein Orientierungspraktikum an einer Schule absolviert. Sie wurden in den SPS von zwei erfahrenen Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Englische Didaktik betreut (im Folgenden mit D1 und D2 bezeichnet). Ihre Art und Weise der Durchführung der SPS sowie ihre Wahrnehmung durch die Studierenden kann als ähnlich beschrieben werden. Die Entscheidung, mit wem die Studierenden in der Vorbereitungsphase auf die einzelnen Unterrichtsstunden zusammenarbeiten sowie das Planungsgespräch durchführen würden, wurde ihnen selbst überlassen. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die teilnehmenden Studierenden (in pseudonymisierter Form), ihre Rolle in der Paarinteraktion und die jeweilige Teilnahme an den Datenerhebungen. In SPS-Gruppen, die sich aus vier Personen zusammensetzten, bildeten sich Paare, die über den gesamten Verlauf der SPS zusammen arbeiteten (Planungsgespräche 1, 2, 5 und 8). In zwei der SPS-Gruppen, die jeweils aus nur drei Studierenden bestanden, konnten keine festen Teams gebildet werden. Die Planung zu zweit rotierte in diesen Gruppen. Das führte dazu, dass zwei Teilnehmerinnen (Linda und Ellen) jeweils an zwei Planungsgesprächen beteiligt waren. Linda konnte jedoch nur einmal am Lauten Erinnern und der anschließenden Befragung teilnehmen, mit Ellen wurde es zwei Mal durchgeführt. Trotz dieser Doppelung konnte keine Befangenheit der Studentinnen beim jeweils zweiten Gespräch festgestellt werden. Die übrigen Studierenden nahmen, wie geplant, einmal an der Untersuchung teil. Insgesamt wurden acht Planungsgespräche aufgenommen, 15 Protokolle Lauten Erinnerns erhoben und 15 Befragungen durchgeführt. 162 Planungsgespräche Lautes Erinnern und nachträgliche Befragung Unterrichtende/ r Unterrichtende/ r Ko-Planer/ in PG1 Greta Jennie Greta Jennie PG2 Maren Ute Maren Ute PG3 Ellen Hendrik Ellen Hendrik PG4 Philip Linda Philip ---- PG5 Nina Rieke Nina Rieke PG6 Mattis Linda Mattis Linda PG7 Clara Ellen Clara Ellen PG8 Anja Heike Anja Heike Tab. 4: Die Untersuchungsteilnehmer/ innen In den Planungsgesprächen 1 und 2 wurde jeweils eine Doppelstunde (90 Minuten Unterricht) vorbereitet, wovon jede der teilnehmenden Studierenden eine 45-minütige Stunde unterrichtete, d.h. die Teilnehmerinnen waren im Verlauf des Gesprächs Unterrichtende und Ko-Planerinnen zugleich. In den übrigen Gesprächen war nur eine Person später auch die Lehrperson, und die Partnerin / der Partner hatte eher beratende Funktion. Für mich als Forscherin gestaltete sich der Zugang zum Forschungsfeld und der Kontakt zu den Untersuchungsteilnehmenden aufgrund meiner mehrjährigen Tätigkeit als Mitarbeiterin am Institut für Anglistik als unproblematisch und die SPS waren mir als Kursleiterin aus vorangehenden Semestern sehr vertraut. Das Erkenntnisinteresse, das der Untersuchung zugrunde liegt, hatte sich u.a. vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Studierenden in den SPS sowie in anderen Lehrveranstaltungen entwickelt. Es kam im Semester der Datenerhebung jedoch zu keiner Doppelrolle von Kursleiterin und Forscherin. Die Vorbereitung und Datenerhebung im Rahmen der Studie wurden allein durch mich als Forscherin begleitet, während die SPS-Kurse von zwei erfahrenen Kolleginnen geleitet wurden. Die Studierenden nahmen mich daher nicht direkt als Lehrperson wahr. Dennoch gestaltete es sich mitunter als Herausforderung, den Untersuchungsteilnehmenden einerseits mit großer Offenheit zu begegnen, andererseits aber nicht als Beraterin oder Expertin 163 wahrgenommenen zu werden, die auch in inhaltlicher Hinsicht, d.h. die Planung des Unterrichts betreffend, als Ansprechpartnerin zur Verfügung stand. Es erwies sich hier von Vorteil, in den Fällen, in denen Rat gesucht wurde, auf die Kursleiterinnen und das bevorstehende Beratungsgespräch mit ihnen verweisen zu können. In der Interaktion mit den Studierenden nahm ich die Rolle einer Forscherin ein, die den Untersuchungsteilnehmenden auf Augenhöhe begegnet und um ein kollaboratives, offenes und möglichst hierarchiefernes Verhältnis bemüht ist. Gleichzeitig war ich bemüht, eine Balance zwischen empathischer Nähe und forschender Distanz zu finden (Przyborski & Wohlrab- Sahr 2008: 59) und eine zu starke Identifizierung mit den Untersuchungsteilnehmenden zu vermeiden. Die für diese Studie gewählten Erhebungsverfahren waren jedoch ohnehin so gewählt, dass ich als Forscherin eine eher zurückhaltende, beobachtende Rolle einnehmen konnte und die Problematik einer sehr starken Parteinahme, wie dies bei Interviews oder teilnehmender Beobachtung in ethnografischen Studien mitunter vorkommt, in dieser Weise gar nicht auftreten konnte. Die Videografie der Planungsgespräche ermöglichte es, auf die Anwesenheit der Forscherin während der Paarinteraktion zu verzichten. Das Laute Erinnern hat den Vorteil, dass im Vergleich zur Datenerhebung mittels Interviews, die Forschungsperson stark in den Hintergrund tritt und die Teilnahme sich auf Impulse beschränkt, wie z.B. das Unterbrechen der Aufnahme und die Frage danach, was die Forschungspartnerin an dieser Stelle gedacht hat. Obgleich das Laute Erinnern mit dem Ziel eingesetzt wird, Verbalisierungen von Erinnerungen so wenig wie möglich zu beeinflussen, muss jedoch trotzdem eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden, die es erlaubt, dass Gedanken unverfälscht und ungehindert geäußert werden können. Für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses war es außerdem von Bedeutung, den Teilnehmenden deutlich zu machen, wie mit den erhobenen Daten umgegangen wird. Die Studierenden wurden mündlich sowie schriftlich über die Ziele der Datenerhebung, die Verwendung der Daten und deren Anonymisierung informiert und auf die Einhaltung entsprechender Datenschutzbestimmungen hingewiesen (s. Anhang 3 und 4). 6.5 Datenerhebung 6.5.1 Der Einsatz von Videografie Die Planungsgespräche der Studierenden stehen im Zentrum der Forschungsarbeit der vorliegenden Studie. Um Interaktionsdaten zu erheben, die für mehrere Analysezwecke verwendet werden und verschiedene Forschungsfragen 164 beantworten können (vgl. Tab. 3), wird auf den Einsatz von Videografie zur Datenerhebung zurückgegriffen, da sich mit der audiovisuellen Dokumentation von Daten mehrere Vorteile verbinden. Die Planungsgespräche können als natürliche Situationen bezeichnet werden, d.h. sie wurden nicht spezifisch für die Untersuchung hergestellt. Die Interaktionen der Planenden hätten auch stattgefunden, wenn die Forscherin nicht anwesend gewesen wäre (vgl. Tuma, Schnettler & Knoblauch 2013: 13). Durch das Videografieren der Gespräche konnte diese Natürlichkeit weitestgehend erhalten bleiben, da die Forscherin nicht anwesend sein musste und dennoch keine wertvollen Daten verloren gingen. Lediglich der mit der Forscherin vereinbarte Zeitpunkt, der von den Studierenden gewählte Ort und eventuell die Dauer des Gesprächs sind Aspekte, die das Planungsgespräch von der natürlichen Situation abweichend beeinflussen könnten. Um dieser Reaktivität entgegen zu wirken, wurde den Untersuchungsteilnehmenden in Anlehnung an Methoden der ethnografischen Feldforschung freigestellt, wann, wo und wie lange sie sich zum Planen treffen. Wenn die Studierenden sich dazu entschieden, das Planungsgespräch an einem privaten Ort zu führen, wurde ihnen die nötige Aufnahmetechnik zu Verfügung gestellt, der Aufbau und der Umgang damit erklärt, so dass sie die Aufnahme eigenständig durchführen konnten (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2008: 158). Das Planungsgespräch wurde vermutlich dennoch durch die Präsenz der Kamera beeinflusst (vgl. Przyborski & Wohlrab-Sahr 2008; Tuma et al. 2013). Przyborski & Wohlrab-Sahr (2008: 158) empfehlen daher folgendes Vorgehen, das für die vorliegende Stunde übernommen wurde: Dennoch repräsentiert natürlich jede Aufzeichnung eine gewisse Öffentlichkeit. Um den Gesprächen ihre Intimität zurückzugeben, sollte man die Untersuchten darauf hinweisen, dass sie selbstverständlich Gesprächspassagen, die nicht in die Untersuchung eingehen sollen, wieder löschen können. Die prinzipielle Exklusivität und damit der intime Rahmen sind auf diese Weise wieder hergestellt. Die Forschungserfahrung zeigt, dass von dieser Option kaum Gebrauch gemacht wird. Aufgrund der inzwischen einfachen technischen Handhabung sowie zahlreicher Vorzüge wird die Videografie vielfach zur Beobachtung und Analyse von Lern- und Unterrichtsprozessen verwendet. Schramm & Aguado (2010) betonen, dass der Mehrwert der Videografie u.a. in der Erhaltung der Komplexität der Interaktionen besteht, die durch eine teilnehmende Beobachtung und die damit verbundene selektive Wahrnehmung schon sehr früh im Forschungsprozess reduziert werden würde. Tuma et al. (2013) sprechen hier vom Vorteil der Permanenz und der Dichte der Daten. Die Datendichte wird folgendermaßen beschrieben: 165 Genauer als der teilnehmende Beobachter, der selbst immer unter Handlungsdruck steht, können Gesten, Blicke und Mimik erfasst und für spätere Analysen konserviert werden. Das Video hält also die feinen und gleichzeitig sehr komplexen Vorgänge in Zeit und Raum fest, die soziale Interaktion konstituieren. (Tuma et al. 2013: 12f.) Mit dem Begriff der Permanenz weisen Tuma et al. (2013: 33) darauf hin, dass Videoaufzeichnungen im Vergleich zur teilnehmenden Beobachtung detaillierter, kompletter und akkurater sind, da die videografische Dokumentierung der Interaktion in ihrer beschriebenen Komplexität dauerhaft zugänglich bleibt. So kann auch zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückgegriffen werden, ohne dass Details in Vergessenheit geraten. Gerade für die Beantwortung der zweiten und dritten Forschungsfrage wird es im Rahmen der vorliegenden Studie von Bedeutung sein, einzelne Gesprächssequenzen wiederholt zu betrachten, denn spezifische Handlungen können mitunter nur rekonstruiert werden, wenn neben den verbalen Äußerungen der Untersuchungsteilnehmer/ innen auch körperliche Bewegungen, Gestik, Mimik oder Körpersprache mit berücksichtigt werden. Die Arbeit der Studierenden mit spezifischen Materialien (Lehrbücher, Arbeitshefte, Kopien, Notizen etc.) macht es zudem nötig, anhand der Videoaufzeichnung nachvollziehen zu können, worauf sich die Äußerungen der Teilnehmenden beziehen. Die Einstellung der Videokamera sollte daher möglichst sowohl die Planenden in ihrer Interaktion miteinander erfassen als auch sichtbar machen, womit sie sich beschäftigen (s. Kap. 6.5.5). Die videografische Aufzeichnung der Planungsgespräche bietet des Weiteren die Möglichkeit, die erhobenen Interaktionsdaten nochmalig zu nutzen, um die Forschungspartner/ innen im Anschluss an das Gespräch bezüglich ihrer Wahrnehmung der Situation und ihrer Gedanken im Moment der Interaktion zu befragen: Im Anschluss an die Sichtung können die Videoaufnahmen dann als Stimuli für eine gezielte Befragung oder eine offene Retrospektion der beteiligten Personen - Lehrende und Lernende - verwendet werden. Auf diese Weise können objektive Daten zu dem äußerlich beobachtbaren verbalen, nonverbalen und aktionalen Handeln durch subjektive Auskünfte über Wahrnehmungen und innere mentale Zustände ergänzt werden. (Schramm & Aguado 2010: 187) Für jene retrospektiven Verfahren der Datenerhebung, wie z.B. das Laute Erinnern, das im folgenden Unterkapitel detailliert dargestellt und diskutiert wird, sind Video- oder Audioaufzeichnungen nötig, um den Untersuchungsteilnehmenden einen Impuls zu bieten. Die Videoaufzeichnung wird direkt im Anschluss an das Planungsgespräch gemeinsam mit den Teilnehmenden angeschaut, wobei diese die Aufnahme unterbrechen, wenn sie die beobachtete Situation kommentieren möchten. 166 6.5.2 Das Laute Erinnern Das Laute Erinnern (LE), das in der vorliegenden Studie neben der Videografie als Datenerhebungsverfahren Anwendung findet, soll aufgrund der Tatsache, dass es bisher im Kontext der fremdsprachendidaktischen Empirie erst wenig erprobt und forschungsmethodisch diskutiert wurde, sich jedoch als vielversprechendes Erhebungsverfahren erweist, im Folgenden umfassender beschrieben und reflektiert werden. Das Laute Erinnern ist ein introspektives Verfahren zur Datenerhebung, d.h. es ist dadurch gekennzeichnet, dass Forschungsteilnehmende Selbstaussagen über interne mentale Vorgänge machen und dadurch Einblicke in affektive und kognitive Prozesse ermöglichen, die Forschenden sonst kaum zugänglich sind (vgl. Nunan 1992: 115f.; Heine 2005: 167, 2013; Knorr & Schramm 2012). Während introspektive Verfahren einem weiteren Verständnis folgend auch ohne Handlungsbezug eingesetzt werden (vgl. Heine 2005), zielt das Laute Erinnern primär darauf, interne mentale Prozesse zu erfassen, die während einer Handlung, z.B. während der Lösung einer Aufgabe oder eines Problems ablaufen. Im Gegensatz zum Lauten Denken, bei dem die Forschungspartner/ innen aufgefordert werden, ihre Denkprozesse simultan zur Handlung zu verbalisieren, werden LE-Daten retrospektiv, d.h. erst nach Beendigung der Tätigkeit erhoben. Im Englischen wird der Begriff stimulated recall verwendet, wenn die Erinnerung an die zu verbalisierenden Gedanken durch eine Gedächtnishilfe, wie z.B. eine Audio- oder Videoaufnahme unterstützt wird (Calderhead 1981b; Clark & Peterson 1976; Gass & Mackey 2000). Im deutschen Sprachgebrauch haben Weidle & Wagner (1994) in Erweiterung der Methode des Lauten Denkens den Begriff des nachträglichen Lauten Denkens geprägt, der in der deutschsprachigen Forschungsliteratur bisher einige Verbreitung fand, u.a. in der Lehr- und Lernforschung (z.B. Irion 2008), in der Lehrer/ innenfortbildung (z.B. Pallasch et al. 2001), in der Psychologie (vgl. Funke & Spering 2006) oder in der Medienforschung (vgl. Bilandzic 2005). Aufgrund begrifflicher Widersprüchlichkeit soll er in dieser Arbeit jedoch nicht verwendet werden (vgl. Knorr & Schramm 2012). Der Begriff ist vom Lauten Denken abgeleitet, das sich darauf bezieht, dass simultan zu einem Vorgang gerade ablaufende Gedanken laut geäußert werden. Würde nun im wörtlichen Sinne nachträglich, d.h. nach Ablauf einer Tätigkeit, laut gedacht werden, dann hieße das, dass Gedanken, die nach der Tätigkeit entstehen, verbalisiert würden. Diese Art von Gedanken steht jedoch nicht vordergründig im Fokus der hier diskutierten retrospektiven Datenerhebung. Es geht vielmehr um das Erinnern an bereits während einer Handlung abgelaufene Gedanken und weniger um das Verbalisieren von Gedanken, die im Nachhinein entstehen. Daher wird im Folgenden der Begriff Lautes Erinnern in Anlehnung an 167 die englische Bezeichnung stimulated recall verwendet (vgl. Knorr & Schramm 2012: 185f.), um den Aspekt des Rückblicks zu unterstreichen und auf das Verbalisieren von Erinnerungen zu verweisen. Retrospektive Verfahren wie das Laute Erinnern werden in der Forschungsliteratur oftmals in Verbindung mit dem Lauten Denken betrachtet (z.B. Ericsson & Simon 1984; Heine 2013; Weidle & Wagner 1994; Konrad 2010; Knorr & Schramm 2012), da beide Verfahren einige wesentliche Merkmale teilen. Bezüglich einer kritischen Reflexion und Diskussion retrospektiver Introspektionsmethoden lässt sich jedoch im Vergleich zum Lauten Denken eine mangelnde Auseinandersetzung mit stimulated recall-Verfahren bzw. Lautem Erinnern feststellen. Vor allem fehlt es noch an Studien, die die Methode des Lauten Erinnerns an sich zum Gegenstand haben 3 . Wird das Laute Erinnern nur als eine Variante des Lauten Denkens betrachtet, läuft man Gefahr, wichtige Unterschiede, Besonderheiten, Potentiale und spezifische Verwendungsmöglichkeiten zu wenig zu reflektieren und zu berücksichtigen. Im Folgenden soll das Laute Erinnern daher in Bezug auf seine Verwendungsgeschichte innerhalb der empirischen Forschung, in Abgrenzung zu anderen ähnlichen Verfahren der Datenerhebung sowie in Hinblick auf die Form, Funktion und Erkenntnismöglichkeiten von Protokollen Lauten Erinnerns ausführlicher erläutert werden. 6.5.2.1 Entwicklungen in der Diskussion introspektiver Verfahren Nachdem introspektive Verfahren durch den Behaviorismus in Misskredit geraten waren, wurden sie in den 1970er Jahren vor allem von der kognitiven Psychologie wiederentdeckt und kamen vielfach, insbesondere im Bereich der Problemlöseforschung zum Einsatz (vgl. Ericsson & Simon 1987: 24; Gass & Mackey 2000: 3ff.; 2010). In der Fremdsprachenforschung gewannen sie zunehmend an Bedeutung, da man sich dadurch Erkenntnisse über mentale Prozesse erhoffte, zu denen man zuvor nur gelangte, indem man Sprachprodukte analysierte (Gass & Mackey 2000: 25). Während das gleichzeitige Laute Denken seitdem vor allem für die Untersuchung von Prozessen wie das Lesen (z.B. Hosenfeld 1984; Kern 1994; Schramm 2001), Schreiben (z.B. Cohen & Cavalcanti 1987; Cohen 1990; Penningroth & Rosenberg 1995; Sachs & Polio 2007), Übersetzen (z.B. Gerloff 1987; Krings 1987) oder die Arbeit mit Wortschatz (z.B. Haastrup 1987) verwendet wird, kommt das Laute Erinnern häufig zum Einsatz, um mündliche Sprachproduktion oder -rezeption (z.B. Cohen & Olshtain 1993; Dörnyei & Kormos 1998; Feick 2012, 2013; Fujii & Mackey 3 Meta-Analysen bezüglich des Lauten Erinnerns werden in Feick (2013) und Knorr (2013) dargelegt. 168 2009; Mackey et al. 2000) oder die Verwendung von Kommunikationsstrategien (z.B. Lam 2008; Poulisse et al. 1987) zu erforschen. In vielen Studien findet sich auch eine Kombination von Lautem Denken und Lautem Erinnern, so z.B. in der Testforschung (z.B. Rossa 2012). Für Fremdsprachenforschende ist die Verwendung introspektiver Verfahren u.a. von Interesse, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, welches sprachliche und strategische Wissen Sprachhandlungen zugrunde liegt, wie Wissen erworben, organisiert und verwendet wird und welche Art von mentalen Prozessen wann und wie ablaufen (Gass 2001: 20). Ähnliche Forschungsfragen finden sich im Bereich der Professionalisierung von Lehrenden. Hier werden introspektive Verfahren oft genutzt, um Denk- und Entscheidungsprozesse von Lehrenden (und Lernenden) vor, während oder nach dem Unterricht zu erfassen und Einblicke in das Wissen der Unterrichtenden zu erhalten. Um Unterrichtsprozesse durch Datenerhebungsverfahren so wenig wie möglich zu beeinflussen, arbeitet man hier vielfach mit video stimulated recall-Verfahren (z.B. Clark & Peterson 1976; Clarke 1998; Schepens et al. 2007; Seel 1996; Wagner et al. 1981). Introspektive Verbalisationsverfahren werden vor dem Hintergrund verschiedener wissens- und erkenntnistheoretischer Paradigmen diskutiert und verwendet. Eine zentrale Rolle spielten hierbei zunächst kognitionspsychologische Ansätze, die Denkaktivitäten als Prozesse der Informationsverarbeitung betrachten. Ericsson & Simon (1984), die die Diskussion um das Laute Denken (think-aloud) in den letzten Jahrzehnten maßgeblich bestimmt haben, gehen dem Informationsverarbeitungsmodell von Newell & Simon (1972) folgend davon aus, dass menschliche Denkaktivitäten Prozesse der Informationsverarbeitung sind und Informationen in den verschiedenen Speichern unseres Gehirns enkodiert, gespeichert und wieder abgerufen werden. Das simultane Laute Denken basiert auf der Annahme, dass Informationen im Kurzzeitgedächtnis für Zwecke der Verarbeitung für kurze Zeit zugänglich und damit direkt verbalisierbar sind (Ericsson & Simon 1987: 25). Eine Ausnahme dazu bilden automatisierte Prozesse, die ohne Speicherung im Kurzzeitgedächtnis ablaufen und daher kaum versprachlicht werden können (vgl. Calderhead 1981b: 213; Huber & Mandl 1994: 15f.). Sind Kognitionen nicht mehr im Arbeitsspeicher vorhanden, können sie nur noch verbalisiert werden, wenn sie zuvor in das Langzeitgedächtnis überführt und von dort wieder aktiviert, d.h. in das Kurzzeitgedächtnis transferiert wurden (vgl. Ericsson & Simon 1987: 25). Für retrospektive Verfahren stellt sich daher die Frage, welche Arten von Kognitionen nach der Handlung überhaupt noch zugänglich sind. Geht man davon aus, dass Behaltenszeit und Aufnahmekapazität des Arbeitsspeichers begrenzt sind, können Informationen aus diesem Speicher wohl nur im direkten 169 Anschluss an eine relativ kurze Handlung oder einen Handlungsschritt aktiviert werden. Dauert die Handlung jedoch über einen längeren Zeitraum an, muss darauf vertraut werden, dass eine gewisse Anzahl von Informationen in das Langzeitgedächtnis gelangt und dann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch abrufbar ist. Wichtig dabei sind retrieval cues, Abrufhilfen, die dazu führen, dass Gedanken aus dem Langzeitgedächtnis in den Arbeitsspeicher transferiert werden (Ericsson & Simon 1987: 40f.). Im direkten Anschluss an eine kurze Tätigkeit sind jene Abrufhilfen noch im Arbeitsspeicher vorhanden. Sollen die handlungsbegleitenden Gedankeninhalte zu einem späteren Zeitpunkt reaktiviert werden, kann die Rekonstruktion durch Erinnerungshilfen, wie z.B. eine Videoaufnahme der Handlung, unterstützt werden. Seit den 1990er Jahren wird eine rein kognitionspsychologische Sicht als Grundlage für die Erhebung verbaler introspektiver Daten von einigen Vertreter/ innen soziokultureller Ansätze zunehmend in Frage gestellt (vgl. Pressley & Afflerbach 1995; Sasaki 2008, Smagorinsky 1998, 2001; Swain 2006). Während kognitionspsychologische Informationsverarbeitungsmodelle Kognition als individuelles Phänomen und Sprache als Mittel zum Ausdruck von Gedanken betrachten, betonen soziokulturelle Ansätze die Bedeutung des sozialen Umfelds und die Rolle der Sprache als bedeutungskonstruierendes Element. Denkprozesse und die Erhebung von Verbalprotokollen werden nicht nur als rein kognitive, sondern vielmehr als sozial situierte Aktivitäten betrachtet (Sasaki 2008: 352). Es wird davon ausgegangen, dass Kommunikation - und damit auch der Prozess der Datenerhebung - immer auch ein Rezipientendesign aufweist, selbst wenn dies durch die Abwesenheit einer datenerhebenden Person zu vermeiden versucht wird (vgl. Feick 2013; Sasaki 2008; Smagorinsky 1998). Es wird dabei u.a. auf Wygotski (1987: 251) verwiesen, der die Auffassung vertrat, dass Gedanken durch Sprache beeinflusst und verändert werden: “Thought is restructured as it is transformed into speech. It is not expressed but completed in the word ˮ (zitiert n. Smagorinsky 1998: 172). Während aus den dargestellten Positionen tendenziell abgeleitet wird, die Grundannahmen beider Paradigmen wären schwer vereinbar und zumindest das simultane Erheben introspektiver Daten sei durch soziokulturelle Ansätze stark zu hinterfragen (vgl. Heine 2013: 17), wird im Rahmen dieser Untersuchung davon ausgegangen, dass die soziokulturelle Perspektive die Verwendung introspektiver Verbalisationsverfahren nicht gänzlich in Frage stellt, sondern den Blick deutlich erweitert und ihn auf den Kontext und die Bedingungen der Datenerhebung, auf die daran beteiligten Personen, deren Beziehung zueinander und die Faktoren, die deren Kommunikation beeinflussen, auf die Funktion der Sprache sowie auf den daraus resultierenden Aussagegehalt der erhobenen Daten lenkt. Für die Verwendung des Lauten Erinnerns im Rahmen dieser Studie ergibt sich aus einer integrativen Beachtung kogni- 170 tionspsychologischer sowie soziokultureller Ansätze vor allem eine stärkere Sensibilität in Bezug auf die erhobenen Daten. Einem kognitionspsychologischem Paradigma folgend werden introspektive Daten erhoben, die Einblicke in Denkprozesse während einer dyadischen Interaktion versprechen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei keineswegs um die Erhebung von verbalisierter innerer Sprache, wie sie von Ericsson und Simon (1984) beschrieben wird, handelt. Retrospektive Verbalprotokolle können kein direktes Abbild tatsächlich abgelaufener Denkvorgänge darstellen, da die zeitliche Verzögerung sowie der Prozess der Versprachlichung eine Veränderung der Kognitionen mit sich bringen (vgl. Smagorinsky 1998, 2001). Die Orientierung an einem Rezipienten und das Bemühen um Kohärenz führen dazu, dass Gedankengänge ausgeführt oder Kognitionen erklärt werden, so dass für Außenstehende überhaupt erst die Möglichkeit entsteht, einen Gedanken zu verstehen. Die retrospektiven Äußerungen der Forschungspartner/ innen können sich auf Gedanken während der Handlung beziehen, sie bilden diese jedoch nicht direkt ab bzw. geben diese nicht vollständig wieder. Aufgrund dieser verschiedenen Positionen und der bislang geringen metamethodischen Erkenntnislage wird es im Rahmen der vorliegenden Studie außerdem von Interesse sein, Einsichten darüber zu erhalten, inwiefern es das Laute Erinnern ermöglicht, mentale und emotionale Zustände bzw. Prozesse nachträglich zu erfassen, welche Art von Äußerungen durch Lautes Erinnern elizitiert und welche Einblicke damit gewährt werden. 6.5.2.2 Verortung des Lauten Erinnerns innerhalb der introspektiven Forschungsmethoden Es gibt verschiedene Arten introspektiver Datenerhebungsmethoden, die sich vor allem in Bezug auf das zeitliche Verhältnis von Handlung und Verbalisierung der Gedanken, d.h. den Zeitpunkt der Datenerhebung betreffend voneinander unterscheiden lassen. Aus dem Blickwinkel dieser Perspektive können Verbalprotokolle unterschieden werden, die simultan zu einer Tätigkeit, in Unterbrechungen während der Tätigkeit sowie im Anschluss daran erhoben werden. Tabelle 5 gibt einen Überblick über verwendete Termini in Bezug auf introspektive Verfahren. Das simultane laute Denken, das im Detail von Ericsson und Simon (1984/ 1993, 1987) beschrieben, analysiert und diskutiert wurde, wird auch als talkaloud oder think-aloud bezeichnet (1984, 1987). Huber & Mandl (1994: 18) sprechen diesbezüglich von einem periaktionalen Zugang, d.h. Kognitionen werden während der Handlung erfasst (vgl. auch Funke & Spering 2006: 26). 171 Zeitpunkt der Verbalisierung simultan zur Handlung in Pausen während der Handlung direkt im Anschluss (ohne Impuls) nach der Handlung (mit Impuls) Ericsson & Simon (1984) silent speech talk alouds think alouds retrospective reports Faerch & Kasper (1987) simultaneous introspection immediate retrospection delayed retrospection Gass & Mackey (2000) consecutive recall delayed recall non-recent recall Huber & Mandl (1994); Funke & Spering (2006) periaktionaler Zugang postaktionaler Zugang/ retrospektive Verbalisation kontinuierliches Lautes Denken Lautes Denken mit Handlungsunterbrechungen Nachträgliches Lautes Denken (NLD) medienunterstütztes NLD ausgewählter Sequenzen kontinuierlich, stimulated recall Weidle & Wagner (1994) Lautes Denken Nachträgliches Lautes Denken Heine (2005); Heine & Schramm (2007) Lautdenkprotok oll (i.e.S) Verbalprotokolle mit metakognitivem Fokus retrospektive Lautdenkprotokolle weniger gesteuertes retrospektives LD gesteuertes retrospektives LD/ stimulated recall Konrad (2010); Würffel (2006) Introspektion unmittelbare Retrospektion verzögerte Retrospektion Knorr & Schramm (2012) Lautes Denken Lautes Erinnern Tab. 5: Übersicht über Termini zur Bezeichnung introspektiver Verbalisationsverfahren Heine (2005) sowie Heine und Schramm (2007) unterscheiden in Lautdenkprotokolle im engeren Sinn, die selbstadressiert und ohne metakognitiven Fokus sind (Heine & Schramm 2007: 172f.) und in fremdadressierte Verbalprotokolle mit metakognitivem Fokus. Als metakognitiven Fokus bezeichnen die Autorinnen jene Perspektive, die Proband/ innen einnehmen, wenn sie ihre 172 Gedanken Kommunikationspartner/ innen gegenüber verbalisieren und dabei beschreibend, erklärend oder gar interpretierend vorgehen 4 . Werden Kognitionen nach einzelnen Handlungsschritten, d.h. in kurzen Pausen während der Handlung oder erst im Anschluss daran erhoben, wird von retrospective reports (Ericsson & Simon 1984), nachträglichem Lauten Denken (Weidle & Wagner 1994), retrospektiven Lautdenkprotokollen (Heine 2005), verzögerter Retrospektion (Konrad 2010) oder Lautem Erinnern (Knorr & Schramm 2012) gesprochen. Je nach Zeitspanne, die zwischen der Handlung und der Verbalisierung der handlungsleitenden Kognitionen vergeht und der Verwendung von Erinnerungshilfen, die bei der Erhebung verwendet werden, lassen sich retrospektive Verbalprotokolle weiterhin in weniger und stärker gesteuerte retrospektive Lautdenkprotokolle unterscheiden (Heine 2005: 169f.). Der nachträgliche Verbalisationsprozess muss direkt im Anschluss an eine Handlung weniger gesteuert werden, da die relevanten Informationen oder die entsprechenden Abrufreize noch gut zugänglich sind (Ericsson & Simon 1984: 19f.; Ericsson & Simon 1987: 40ff.). Ist die Handlung ein länger andauernder Prozess, kann es sinnvoll sein, die Tätigkeit zu unterbrechen, um Äußerungen über die entsprechenden Denkhandlungen zu elizitieren. Die stärker gesteuerte Version ist das stimulated-recall-Verfahren, das durch die Verwendung einer Erinnerungshilfe in Form eines Impulses auch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden kann. 6.5.2.3 Differenzierung der mittels Lauten Erinnerns erhobenen Daten Neben der Unterscheidung zwischen Lautem Denken und Lautem Erinnern je nach Zeitpunkt der Datenerhebung ist vor allem im Bereich der retrospektiven Verfahren eine Unterteilung bedeutend, die sich auf die zeitliche Relation von Kognitionen und Handlung bezieht. Die Gedanken, die nach der Durchführung einer Handlung verbalisiert werden, beziehen sich im Idealfall direkt auf die Handlung, d.h. sie waren handlungsleitend oder handlungsbegleitend und fanden während der Handlung statt. Doch gerade die nachträgliche videounterstützte Datenerhebung begünstigt neben jenen Äußerungen auch das Verbalisieren von Gedanken, die erst nach der Handlung durch das Betrachten des Videos, durch den zeitlichen Abstand oder durch die Erhebungssituation 4 Heine (2005) sowie Heine & Schramm (2007) heben hervor, dass die selbstadressierten, bruchstückhaften und unmittelbaren Verbalisierungen innerer Sprache die augenblickliche Verarbeitung von Informationen am besten wiedergeben. Fremdadressierte Verbalprotokolle hingegen können durch den metakognitiven Fokus und die damit verbundene Strukturierung der Gedanken dazu führen, dass die Kognitionen während der Handlung beeinflusst werden (Heine 2005: 165f.; Heine & Schramm 2007: 172f., vgl. auch Ericsson & Simon 1998: 182f.). 173 und die Anwesenheit einer Forschungsperson evoziert wurden. Je nach dem, worauf sich die einzelnen Aussagen der Proband/ innen beziehen, variieren Form und Inhalt der retrospektiv erhobenen Daten. Im Allgemeinen wird daher in Denkprozesse unterschieden, die während (interactive cognitions) oder nach der Handlung (post-active cognitions) ablaufen (Schepens et al. 2007). Henderson & Tallman (2006) sowie Edwards-Leis (2006) sprechen in diesem Zusammenhang auch von there and then bzw. recalled thoughts und here and now bzw. hindsight thoughts (Edwards-Leis 2006; Henderson & Tallman 2006: 80f.). Eine eindeutige Zuordnung der Äußerungen ist dabei nicht immer problemlos zu realisieren. Edwards-Leis ordnet Aussagen wie: “I was thinking that I’d probably have to get the teacher because I really didn’t understand ˮ oder “I thought it was quite complicated because it kept showing us stuff that we didn’t have” (Edwards-Leis 2006: 9) den erwünschten there and then responses zu, wobei sie sich offensichtlich an der konkreten Benennung der jeweiligen Gedanken durch Formulierungen wie „ich dachte, dass…“ orientiert. Here and now responses, d.h. Verbalisierungen von Gedanken die erst entstehen, während die eigene Handlung per Video betrachtet wird, sind hingegen eher im Präsens formuliert (vgl. Knorr 2013). Typisch für retrospektive Verbalprotokolle, die in Anwesenheit einer Forscherin / eines Forschers durchgeführt werden, sind außerdem Erklärungen und Beschreibungen der beobachteten Handlung durch die Untersuchungspersonen, die Erdwards-Leis als action responses kodiert (Edwards-Leis 2006: 9). Auch Weidle & Wagner weisen darauf hin, dass nachträgliche Lautdenkprotokolle eine Vielzahl unterschiedlicher Äußerungen beinhalten (Weidle & Wagner 1994: 94f.). Sie führen sieben Verbalisierungsbereiche auf, in die Äußerungen unterteilt werden können 5 . Es stellt sich die Frage, wie damit umgegangen wird, dass es beim Lauten Erinnern zu einer Vermischung von Verbalisierungen von Kognitionen unterschiedlicher Art kommt. Huber & Mandl (1994) sprechen sich dafür aus, die erhobenen Denkdaten dennoch als Möglichkeit zu sehen, generelle Einblicke in Denkweisen von Forschungspartner/ innen zu erhalten: Wenn die Verbalisation von Kognitionen im Kontext von Handlungen uns auch nicht notwendig die ‚wirklichen‘, objektiven Handlungsursachen erschließt, so doch die subjektive Sicht des Handlungszusammenhangs - und damit die Orientierung einer Person auch in vergleichbaren Situationen. (Huber & Mandl 1994: 16) Wesentlich sind vor allem der sorgfältige Umgang mit den erhobenen Daten und je nach Forschungsfrage eine Analyse der Aussagen hinsichtlich dessen, 5 Für eine detaillierte Analyse der Form und Funktion retrospektiver Verbalprotokolle siehe Knorr (2013). 174 worauf sie sich beziehen. Ericsson & Simon (1987) sind der Auffassung, dass an der Form der Äußerung zu erkennen ist, auf welche Art von Kognitionen sich die Beiträge der Proband/ innen beziehen (Ericsson & Simon 1987: 41), was auch die Ausführungen von Weidle & Wagner (1994), die Untersuchungen von Erwards-Leis (2006) und Henderson & Tallman (2006) sowie eine eigene Analyse der für diese Studie erhobenen retrospektiven Daten (Knorr 2013) bestätigen. Die Entscheidung, welcher Art von Äußerungen im Verlauf der Datenauswertung gezielte Aufmerksamkeit geschenkt wird und wie die verschiedenen Äußerungen kodiert werden, ist abhängig von der Fragestellung, die einer Studie zu Grunde liegt, sowie von der Funktion, die das Laute Erinnern innerhalb des Projekts einnimmt. Huber & Mandl (1994) betonen, dass es vor diesem Hintergrund unabdingbar ist, im Vorfeld der Untersuchung die Fragestellung zu spezifizieren (Huber & Mandl 1994: 17). 6.5.2.4 Validität und Reichweite retrospektiver Verbalprotokolle Ein Kritikpunkt, mit dem sich retrospektive Verfahren konfrontiert sehen, bezieht sich auf den Zeitpunkt der Datenerhebung und die Frage, ob eine Person rückblickend zutreffend über handlungsrelevante Kognitionen berichten kann. Tatsächlich birgt das retrospektive Abrufen von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis das Problem, dass die retrieval cues oder die entsprechenden Gedächtnisinhalte eventuell nicht mehr verfügbar sind. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass handlungsbezogene mentale Prozesse mittels Lauten Erinnerns lückenlos erfasst werden können. Die Verwendung von Videoaufnahmen als Erinnerungshilfen kann jedoch das Abrufen der relevanten Informationen unterstützen. Des Weiteren kann das Vergessen von Denkinhalten reduziert werden, wenn retrospektive Verbalprotokolle direkt im Anschluss an die Handlung bzw. innerhalb von 24 Stunden nach Beendigung der Tätigkeit durchgeführt werden. Es wird jedoch bei introspektiven Verbalprotokollen darauf hingewiesen, dass Forschungsteilnehmende aufgrund von Unterschieden in der Persönlichkeitsstruktur, der Ausdrucksfähigkeit oder in der Art sich zu erinnern in unterschiedlichem Maße in der Lage sind, laut zu denken bzw. sich retrospektiv an Gedanken zu erinnern (vgl. Ericsson & Simon 1984: 250; Weidle & Wagner 1994: 85; Würffel 2001: 172). Fällt es Forschungspartner/ innen schwer, die Gedanken, die sie während der Handlung hatten zu verbalisieren, weil sie sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, kann dies unter Umständen dazu führen, dass diese Lücken von den Teilnehmenden mit Informationen aus ihrem Alltagwissen gefüllt werden, die ihrer Ansicht nach plausibel wären. Das Gleiche gilt, wenn Forschende nach spezifischen Informationen fragen: 175 The most marked difference between concurrent and retrospective reporting is that retrospective reports refer to a cognitive process that is completed and cannot be altered and influenced. Hence, if subjects are requested to report information that was never heeded, they cannot possibly base their response on direct memory. The subjects can answer that they don’t know, but often they will infer and generate answers on the basis of information provided in the question and other information accessible from LTM [Long Term Memory]. (Ericsson & Simon 1984: 20) Um zu vermeiden, dass Antworten von den Forschungsteilnehmenden im Nachhinein konstruiert werden, sollte auf konkrete Fragen während der retrospektiven Datenerhebung verzichtet werden (Ericsson & Simon 1987: 42). Gass & Mackey (2000) schlagen daher vor, die Teilnehmenden nur aufzufordern, ihre Gedanken, die sie während der Handlung hatten und an die sie sich beim Betrachten der Videoaufnahme erinnern, zu verbalisieren. Während des Lauten Erinnerns nimmt die Forschungsperson eine zurückhaltende Rolle ein und schafft ein offenes und vertrauensvolles Klima, in dem es unproblematisch ist, wenn die Teilnehmenden sich nicht mehr an ihre Gedanken erinnern können. Es sollte zuvor darauf hingewiesen werden, dass sie dies auch zum Ausdruck bringen sollen. Die Aussage muss dann auch so akzeptiert und weiteres Nachfragen vermieden werden. Inhaltlich reagiert die Forschungsperson kaum auf die Äußerungen der Teilnehmenden (zur Durchführung des Lauten Erinnerns im Rahmen dieser Studie s. Kap. 6.5.5). Handlungsrechtfertigende Aussagen sowie Äußerungen, die aufgrund sozialer Erwünschtheit formuliert werden, können außerdem reduziert werden, wenn die Videoaufnahme vorrangig von der Probandin / dem Probanden selbst unterbrochen wird. Stoppt die/ der Forschende das Video, wird lediglich danach gefragt, was der/ dem Teilnehmenden zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf ging. Insgesamt sollte die Datenerhebung von einer nicht-direktiven Gesprächsführung geprägt sein (vgl. Weidle & Wagner 1994: 85; Gass & Mackey 2000: 154; Ericsson & Simon 1984). Es ist jedoch davon auszugehen, dass retrospektive Verbalprotokolle neben handlungsrelevanten Kognitionen auch Informationen anderer Art dokumentieren, seien es nachträgliche Erklärungen, situationsunabhängige subjektive Theorien, vermeintlich handlungsleitende Gedanken, die jedoch konstruiert wurden, oder Äußerungen, die gemacht werden, weil sie als sozial erwünscht erachtet werden. Ein Bewusstsein über jenes Spektrum möglicher Äußerungen, das problematische wie auch vorteilhafte Auswirkungen hat, sollte dazu führen, sensibel mit den erhobenen Daten umzugehen und Forschungsfrage sowie Untersuchungsdesign sorgfältig aufeinander abzustimmen. Der Einsatz und die Funktion des Lauten Erinnerns im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden im Folgenden erläutert und begründet. 176 6.5.2.5 Einsatz des Lauten Erinnerns in der vorliegenden Studie Das Laute Erinnern wird in dieser Studie aus verschiedenen Gründen als Erhebungsinstrument verwendet. Im Vordergrund steht dabei das Ziel, Einblicke in Denkprozesse von Studierenden während der gemeinsamen Vorbereitung von Unterricht zu erhalten. Je nach Art der erhobenen Daten (interaktive oder post-aktive Kognitionen, s. o.) können jedoch auch jene Äußerungen genutzt werden, die Erklärungen zum Verständnis der Interaktionsdaten liefern oder Informationen enthalten, aus denen Einstellungen, Annahmen oder Wissen der Teilnehmenden rekonstruiert werden können. Im Sinne einer Methodentriangulation kann das Laute Erinnern die Interaktionsdaten um Gedanken ergänzen, die während des Gesprächs nicht verbalisiert wurden, wenn die Forschungspartner/ innen diese nachträglich verbalisieren. Dadurch können tiefere und umfassendere Einblicke in den Untersuchungsgegenstand gewonnen werden (vgl. Denzin 1989; Flick 2010). Das Laute Erinnern stellt zu diesem Zweck das wohl am besten geeignete Erhebungsinstrument dar, da handlungsbegleitende Kognitionen kaum anders erhoben werden können. Durch eine retrospektive Befragung der Teilnehmenden nach dem Planungsgespräch in Form eines Interviews können nur spezifische Gedanken erfragt werden. Außerdem legt das gezielte Fragen nach handlungsrelevanten Kognitionen die Vermutung nahe, dass sich die Teilnehmenden von der Art und Weise der Fragen beeinflussen lassen und stärker dazu neigen, Gedanken zu äußern, die sie erst im Nachhinein generiert haben bzw. „erwünschte“ Antworten geben. Neben jenen Verbalisierungen handlungsbegleitender Kognitionen sind für die vorliegende Studie auch solche Äußerungen von Interesse, in denen die Teilnehmenden den Kontext und Hintergrund verschiedener Handlungen erklären. Hier trägt das Laute Erinnern dazu bei, das Verständnis der Interaktionsdaten zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu korrigieren. Gerade aufgrund der interaktiven Kommunikationssituation des Planungsgesprächs, in der zwei Studierende agieren, die oftmals auf geteiltes Wissen zurückgreifen, das der Forscherin nicht bekannt ist (z.B. Wissen über Absprachen oder Erfahrungen im Rahmen der SPS, Wissen über Inhalte von Lehrveranstaltungen), können sich die erklärenden Äußerungen der Untersuchungsteilnehmenden als wertvolle Ergänzung zu den Gesprächsdaten erweisen. Neben den erinnerten Gedanken über den Gesprächsverlauf und den kontextualisierenden Äußerungen der Teilnehmenden (vgl. Knorr 2013), sind auch jene Verbalisierungen von Bedeutung, in denen subjektive Sichtweisen und Einstellungen der Probandin / des Probanden deutlich werden. Für den dritten Teil der Datenanalyse, der die Potentiale und Probleme einer kooperativen Unterrichtsplanung für die Erstellung von Unterrichtsentwürfen und 177 darüber hinaus für die professionelle Entwicklung der Studierenden untersucht, erlauben jene Aussagen in Verbindung mit den Ergebnissen der nachträglichen Befragung (s. folgendes Kap.) einen Blick auf das Planungsgeschehen aus einer emischen Perspektive. Die Studierenden geben hier, als selbstreflexive und zu Selbsteinschätzungen fähige Individuen, Auskunft darüber, wie sie Dinge wahrnehmen, einschätzen oder werten (s. auch Kap. 6.6.5). Das simultane Laute Denken wäre in dieser Untersuchung nicht realisierbar gewesen, da die zu untersuchende Handlung eine Interaktion darstellt und das Laute Denken den Kommunikationsfluss zu stark beeinträchtigt hätte. Das Verbalisieren innerer Sprache, welches auch fragmentarisch und nicht kohärent sein kann, würde in einem Gespräch befremdlich wirken. Hinzu kommt, dass einem Gegenüber nicht immer alle Gedanken mitgeteilt werden möchten. Außerdem wäre, wie Untersuchungen zum Lauten Denken zeigen, mit erheblicher Reaktivität zu rechnen, d.h. das zusätzliche Verbalisieren von Gedanken würde den Verlauf der Handlung beeinträchtigen, wenn Proband/ innen unter nicht optimalen Bedingungen angeregt werden laut zu denken 6 . Daher wird, wie in vielen Studien, die Unterrichtssituationen oder andere Interaktionen mehrerer Personen untersuchen, in dieser Studie auf das Laute Erinnern zurückgegriffen. Durch ein Nacheinander der Erhebungen kann folglich das Problem der Reaktivität vermieden werden (Bowles 2010: 13f.). Ein weiteres Verfahren der Datenerhebung, das dem hier entwickelten Untersuchungsdesign ähnelt, ist eine Form von Gespräch, das mitunter auch als dialogisches Lautes Denken (pair think-aloud) bezeichnet wird (vgl. Haastrup 1987). Es wird meist bei kürzeren Problem- oder Aufgabenlöseprozessen eingesetzt. Die Teilnehmenden werden dabei aufgefordert, der Partnerin / dem Partner gegenüber all ihre Gedanken auszusprechen; bzw. wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Gedanken allein aufgrund des Aufgabendesigns im Gespräch geäußert wird (z.B. Zawadzka 2011). Dieses Verfahren eignet sich, wenn es sich um kurze Aufgaben mit großem Aushandlungsbedarf handelt. Da die Planungsgespräche in dieser Studie jedoch von längerer Dauer sind und die jeweiligen Rollen nicht gleich verteilt sind (eine unterrichtende / eine beratende Person), wird vermutet, dass neben den Interaktionen weitere Denkprozesse ablaufen, die nicht unbedingt zur Sprache kommen. Des Weiteren wird hier zusätzlich zur Erhebung der Gesprächsdaten ein Lautes Erinnern initiiert, um die Gesprächdaten durch die Kommentierungen der Studierenden besser verstehen zu können sowie u. U. weitere Einblicke in die Einstellungen und Sichtweisen der Teilnehmenden zu erhalten. 6 Für eine umfassende Analyse des Aspekts der Reaktivität beim Lauten Denken siehe Bowles (2010). 178 6.5.3 Nachträgliche Befragung Auf die Datenerhebung mittels Lauten Denkens oder Lauten Erinnerns folgt meist eine Abschlussbesprechung, in experimentellen Forschungsdesigns spricht man hier auch von debriefing, die aus forschungsethischer Sicht den Untersuchungsteilnehmen die Gelegenheit gibt, sich u.a. zum Prozess der Datenerhebung zu äußern, Fragen an die Forscherin zu richten oder auch ihr Einverständnis zur Datenverwendung zu überdenken (vgl. Knorr & Schramm 2012: 198). Auch in der vorliegenden Studie wird direkt im Anschluss an das Laute Erinnern eine Abschlussbesprechung durchgeführt. Die Rückmeldungen der Untersuchungsteilnehmer/ innen geben außerdem darüber Auskunft, wie jede einzelne Person das introspektive Verfahren empfunden hat, was wiederum wertvolle Hinweise für die Analyse und Interpretation der Daten liefert. Auch die Wertschätzung der Bereitschaft der Studierenden, an der Untersuchung und insbesondere an der zeitaufwendigen Sitzung zum Lauten Erinnern teilzunehmen, ist hier von Bedeutung. Die Abschlussbesprechung wurde in der vorliegenden Studie außerdem genutzt, einige wenige Fragen zum Planungsgespräch, zur Arbeit mit der/ dem Ko-Planenden, zum Verlauf der SPS und zur Zufriedenheit der Studierenden mit dieser Form der schulpraxisorientierten Lehrveranstaltung zu stellen. Diese Form der nachträglichen Befragung ähnelt einem teilstandardisierten Interview und zielt darauf ab, die Sichtweisen der Studierenden auf ausgewählte Sachverhalte zu rekonstruieren. In den Aussagen der Untersuchungsteilnehmer/ innen werden im Schütz'schen Sinne Konstruktionen ersten Grades sichtbar, d.h. es zeigen sich hier bereits subjektive Deutungen der Wirklichkeit, die wiederum in Form von Konstruktionen zweiten Grades von der Forscherin / dem Forscher rekonstruiert werden (Schütz 1971; vgl. Flick 2009: 110; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2008: 27; Trautmann 2012: 219). Diese Selbstauskünfte der Teilnehmenden erlauben hier eine wertvolle Triangulation von Perspektiven, indem einerseits die Gesprächsdaten (etische Perspektive) und andererseits die Aussagen der Studierenden (emische Perspektive) sowie die jeweils daraus durch die Forscherin rekonstruierten Sinngehalte zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage verwendet werden können. 6.5.4 Flankierende Daten Eine wertvolle flankierende Datenquelle stellen die Gesprächsnotizen der Studierenden dar. Sie sind mehr oder weniger ausführlich und reichen von wenigen handschriftlichen Stichworten am Rand eines Arbeitsblatts bis hin zu tabellarischen Unterrichtsverlaufsskizzen, die während des Gesprächs am Laptop erstellt wurden. 179 Neben den Gesprächsnotizen der Studierenden erweisen sich außerdem die in den Planungsgesprächen von den Studierenden verwendeten Materialen von Nutzen bei der Analyse der Daten. Dabei handelt es sich um Lehrbücher, Arbeitshefte (Workbooks), Lehrerhandreichungen, Audio-CDs, zusätzliche Literatur (z.B. Nachschlagewerke für Grammatik), Arbeitsblätter und ein logico maximo (s. Kap. 7.6). Die Notizen sowie die Materialien dienen vorrangig der Explikation der Gesprächsdaten, d.h. sie tragen zu einem besseren Verständnis der Interaktionen bei. Sie werden bei Bedarf unterstützend verwendet, es erfolgt keine systematische Analyse. Wenn sie für Textstellen relevant sind, die hier in Auszügen präsentiert werden, sind sie im Anhang beigefügt. 6.5.5 Die Durchführung der Datenerhebung 6.5.5.1 Pilotierung Die Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung wurde im Vorfeld der Untersuchung im Rahmen von vierwöchigen Schulpraktika der Lehramtsstudierenden im September 2009 getestet. Zu diesem Zweck wurden vier Planungsgespräche videografiert und acht Protokolle Lauten Erinnerns aufgenommen. Es nahmen vier Studierende an der Voruntersuchung teil. Im Fokus der Pilotstudie standen Fragen zur Gewinnung von Forschungsteilnehmenden, zur Kommunikation mit ihnen und vor allem zur Durchführung des Lauten Erinnerns. Obwohl der Forschungskontext eines vierwöchigen Praktikums sich von dem für die Studie intendierten unterschied (semesterbegleitendes Tagespraktikum), konnten wichtige Erfahrungen gesammelt werden, die sich später positiv auf die Datenerhebung der Hauptuntersuchung auswirkten. Die Studierenden zeigten sich grundsätzlich sehr kooperativ. Die Aussicht, an einer Studie teilzunehmen, die sich mit der Lehrer/ innenausbildung, mit deren Wirkung und auch mit potentiellen Verbesserungsmöglichkeiten beschäftigte, motivierte die Studierenden, sich zu beteiligen. Des Weiteren erhofften sich die Teilnehmenden durch die gemeinsame Vorbereitung einer Unterrichtsstunde mit einer/ einem Ko-Planenden auch im Rahmen ihres Praktikums eine verbesserte Unterrichtsplanung. Um die Bereitschaft der Studierenden zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt zu gewinnen, war es nötig, sie zunächst über das Erkenntnisinteresses der Studie zu informieren. Bewährt haben sich diesbezüglich mehrmalige mündliche als auch schriftliche Erklärungen. Es wurde in einem Schreiben an alle Praktikant/ innen dargelegt, worum es im Allgemeinen in der Studie gehen soll, ohne jedoch auf Details einzugehen: 180 Im Rahmen eines Forschungsprojekts am Fachbereich Englische Didaktik sollen die schulpraktischen Studien / Praktika angehender Englischlehrerinnen und -lehrer untersucht werden. Die Ergebnisse dienen u.a. dazu, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, Studierende während ihrer ersten schulpraktischen Erfahrungen gezielter zu unterstützen. (Erster Brief an die Studierenden) Es wurde außerdem beschrieben, was eine Teilnahme für die Studierenden im Einzelnen bedeutet und welche Anreize darüber hinaus bestehen. So wurde ihnen das Einreichen der obligatorischen Praktikumsarbeit in einem verminderter Umfang gewährt. In einer Einführungsveranstaltung für das Blockpraktikum erhielten die Studierenden dann detailliertere Informationen und es bestand die Möglichkeit zur Nachfrage. Diejenigen, die sich für eine Teilnahme am Projekt bereit erklärten, wurden anschließend zu einem Treffen eingeladen, in dem die Details der Durchführung besprochen wurden. Aus diesen positiven Erfahrungen konnte ein dreischrittiges Vorgehen für die Durchführung der Hauptuntersuchung abgeleitet werden: (1.) Vorinformation (mündlich oder schriftlich an alle potentiellen Forschungspartner/ innen), (2.) Wiederholte Information verbunden mit der Nachfrage, wer zu einer Teilnahme bereit ist, (3.) Detaillierte Informationen und Planung erster Schritte. Ein weiteres wichtiges Ziel der Pilotierung war es, zu erfassen, wie die Teilnehmenden die gemeinsame Planung realisieren würden, ob es für sie sehr befremdlich wirken würde, vor der Kamera zu agieren und wie sie im Anschluss mit dem Lauten Erinnern umgehen würden. Die Studierenden konnten entscheiden, wo das Planungsgespräch durchgeführt werden soll. Die gemeinsame Unterrichtsvorbereitung fand daraufhin in zwei Fällen bei den Studierenden zu Hause statt, in zwei Fällen in einem Raum am Institut. Es konnten keine Unterschiede in der Art der Gesprächsführung hinsichtlich der Wahl des Ortes festgestellt werden. Für die Hauptuntersuchung wurde daher an der Möglichkeit, den Ort für das Planungsgespräch wählen zu können, festgehalten. Eine Befangenheit aufgrund der Präsenz einer Kamera war meist nur zu Beginn der Planungsgespräche auszumachen. Es konnte relativ schnell eine Gewöhnung an die Aufnahmesituation beobachtet werden, was u.a. darauf zurückzuführen sein könnte, dass den Gesprächen ein authentisches Kommunikationsbedürfnis zugrunde lag und die Dauer (60 Minuten und mehr) das Ausblenden der Kamera unterstützte. Da die Teilnehmenden an der Pilotstudie jeweils zwei Mal während der gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung videografiert und anschließend zum Lauten Erinnern aufgefordert wurden, war folgende Äußerung einer Teilnehmerin während des zweiten Lauten Erinnerns von Interesse: 181 13 S LE : <Ich war/ mir war dieses Mal allgemein viel mehr bewusst, dass da ne Kamera stand. Ganz komisch. Oder ich hab viel mehr darüber nachgedacht: "Na, was ist mir beim letzten Gespräch bei mir selber aufgefallen? " Das war irgendwie komisch.> PGp2: [00: 06: 04], Sarah Die Teilnehmerin beschreibt, dass sie sich während der zweiten Aufnahme des Planungsgesprächs der Beobachtungssituation stärker bewusst war als beim ersten Mal. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass sie nun wusste, dass die Aufnahme der eigenen Handlung erneut gemeinsam mit der Forscherin angeschaut werden würde. Das Laute Erinnern wurde den Teilnehmenden vor der Untersuchung im Detail nicht erklärt. Die Äußerung der Studentin unterstreicht die Annahme, dass die Durchführung des Gesprächs ungestörter und authentischer verläuft, wenn die Teilnehmenden erst danach erfahren, dass ein Lautes Erinnern durchgeführt wird. Die Aussage hat u.a. dazu geführt, die Forschungspartner/ innen in der Hauptuntersuchung i.d.R. nur während eines Planungsgesprächs aufzunehmen und das Laute Erinnern zuvor nicht im Detail zu erläutern. Auch von einem Training des Lauten Erinnerns, wie es z.B. Feick (2012) durchführte, wurde in dieser Studie abgesehen. Obwohl zu Beginn des Lauten Erinnerns zunächst eine Phase der leichten Irritation zu bemerken war, gewöhnten sich die Teilnehmenden meist relativ schnell daran, sich selbst zu betrachten. Es kann im Sinne größtmöglicher Authentizität der ursprünglichen Gesprächssituation daraufhin dafür plädiert werden, die Teilnehmenden über das Laute Erinnern im Detail erst nach dem Planungsgespräch zu informieren. Es wurde daher im Rahmen der Studie mit den Forschungspartner/ innen nur besprochen, dass im Anschluss an das Planungsgespräch ein weiteres Gespräch mit der Forscherin geführt werden würde und welcher zeitliche Rahmen für die Datenerhebung insgesamt einzuplanen sei. Es sollte während der Vorstudie außerdem erprobt werden, ob die Teilnehmenden generell ohne vorherige Erläuterungen bzw. ohne ein Training zum Lauten Erinnern in der Lage sind, im Anschluss an das Planungsgespräch über ihre Gedanken, die sie während des Gesprächs hatten, zu sprechen (vgl. Gass & Mackey 2000: 50ff.). Es zeigte sich, dass drei der vier Studierenden auch nach einer Zeitspanne von 15-18 Stunden gut bis sehr gut Auskunft über ihre Denkprozesse während der Interaktion geben konnten. Einer Studentin schien das aus Gründen, die sie nicht explizieren konnte, kaum zu gelingen. Diese Problematik wird auch in der Literatur zu introspektiven Verbalisationsverfahren beschrieben. Es wird in vielen Studien von großen interindividuellen Unterschieden in der Fähigkeit, simultan oder retrospektiv Gedanken zu verbalisieren, berichtet (vgl. Lam 2008: 218; Schramm 2001: 197; Weidle & Wagner 1994: 85). Da jedoch die übrigen Teilnehmenden ohne vorheriges Training 182 nachträglich zahlreiche Erinnerungen verbalisieren konnten, wurde an dieser Verfahrensweise festgehalten. Die Durchführung des Lauten Erinnerns veränderte sich im Laufe der Datenerhebung der Vorsowie der Hauptuntersuchung hin zu einer immer weniger gesteuerten, freieren Form der Retrospektion. In der Pilotstudie kam es während des Lauten Erinnerns zu relativ häufigen Unterbrechungen der Videoaufnahme durch die Forscherin, in der die Teilnehmenden dazu aufgefordert wurden, ihre Gedanken zu äußern. Es wurde außerdem erprobt, wie sich das direkte Fragen nach handlungsbezogenen Gedanken auswirkte. Das häufige fremdinitiierte Stoppen sowie die inhaltlich motivierten Nachfragen schienen einige der Teilnehmenden jedoch zu veranlassen, verstärkt handlungsrechtfertigende Äußerungen zu produzieren. Selten formulierten die Studierenden, sich nicht erinnern zu können. Stattdessen legen manche Aussagen nahe, dass die Teilnehmenden an bestimmten Stellen nachträglich konstruierten, was sie gedacht haben könnten bzw. was ich als Forscherin vermutlich erwarten könnte. Diese Erfahrungen führten zum einen zu einer erhöhten Sensibilität bezüglich der erhobenen Daten und zu dem Bewusstsein, dass mit der Methode des Lauten Erinnerns verschiedene Arten von Kognitionen erhoben werden, die einer genauen Analyse bedürfen. Zum anderen sollte in der Hauptuntersuchung die datenerhebende Person noch stärker in den Hintergrund treten. Die Forschungsteilnehmenden wurden daher angeregt, die Aufnahme so oft wie möglich selbst zu unterbrechen. Das wurde u.a. erreicht, indem dies explizit in der Instruktion formuliert und den Studierenden während des Lauten Erinnerns mehr Verantwortung übertragen wurde. Als förderlich erwiesen sich z.B. die mittige Platzierung vor dem Rechner, das eigenständige Bedienen der Pausetaste und das zurückhaltende, nicht-direkte Frageverhalten der Forscherin (siehe auch Knorr & Schramm 2012). Es wurde außerdem erprobt, welche Auswirkungen eine kurze Befragung der Studierenden im Anschluss an das Planungsgespräch und vor dem Lauten Erinnern haben würde. Hier konnte folgende Beobachtung von Smet et al. bestätigt werden: Hence, we agree with researchers pointing to the small distinction between the ‘recall of an event’ and the ‘reflection on an event’ (Gass 2001; Lyle 2003). The support for tutors, as adopted in the current study, can however be criticized in view of this consideration. More specifically, whereas the focus groups for tutors, tutors’ diary, and tutors’ personal internship report aim at reflection on being an online peer tutor, the stimulated-recall interviews aim at recalling the event of being an online peer tutor. In future research, it would be recommended to distinguish between reflective and recalling internship goals in order to avoid interference. (Smet et al. 2010: 659) 183 Die von Smet et al. beschriebene unerwünschte gegenseitige Beeinflussung von Erhebungsinstrumenten, die einerseits der Reflexion und andererseits der Erinnerung an Handlungsgedanken dienten, konnte auch bei einer vorgeschalteten Befragung der Studierenden festgestellt werden. Nachdem die Forschungspartner/ innen Fragen zu ihrer Wahrnehmung des Planungsverlaufs beantwortet hatten, nahmen auch die Äußerungen während des Lauten Erinnerns einen deutlich reflexiveren Ton an. Dieses Vorgehen wurde daher nicht weiter verfolgt. Stattdessen wurde eine Befragung der Studierenden erst nach Beendigung des Lauten Erinnerns durchgeführt, um eine Beeinflussung des Lauten Erinnerns zu vermeiden. 6.5.5.2 Vorbereitung der Hauptuntersuchung Erste Informationen zum Forschungsprojekt erhielten die Studierenden zur Einführungsveranstaltung zu den SPS zu Beginn des Semesters. Es wurden generelle Intentionen sowie wesentliche Aspekte in Bezug auf die Durchführung der Studie im Rahmen der SPS vorgestellt. In einem zweiten Schritt begleitete ich die einzelnen Gruppen zur ersten Unterrichtsbeobachtung an die jeweiligen Schulen (s. Übersicht, Anhang 5). Dort wurde der konkrete Verlauf der Datenerhebung noch einmal ausführlich dargestellt, es wurden Informationen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte (Anonymisierung der Daten, spätere Verwendungszwecke etc.) gegeben und die Studierenden wurden gefragt, ob sie an der Studie teilnehmen würden. Die potentiellen Teilnehmenden wurden daraufhin noch einmal schriftlich über den geplanten Verlauf der Untersuchung informiert. Die Studierenden wurden sowohl aus organisatorischen als auch aus forschungsmethodischen Gründen gebeten, lediglich für ein Planungsgespräch plus anschließendem Lautem Erinnern zur Verfügung zu stehen. Neben der bereits erwähnten stärkeren Befangenheit einer Studentin während des zweiten Gesprächs, die in der Voruntersuchung deutlich geworden war, sollten die Forschungspartner/ innen zeitlich und mental nicht über die Maßen beansprucht und die erfolgreiche Durchführung der SPS nicht gefährdet werden. Die SPS stellen i.d.R. eine große Herausforderung für die Teilnehmenden dar, da die Unterrichtsstunden meist die ersten im Fach Englisch sind. Da das zu bearbeitende Stundenthema oftmals erst in der Woche zuvor festgelegt wird, kommt die organisatorische Schwierigkeit hinzu, die Unterrichtsstunde innerhalb einer Woche vorzubereiten, d.h. erste Ideen zu sammeln, sich mit der Partnerin / dem Partner zu treffen, um die Stunde zu planen, sich für die Vorbesprechung mit der Kursleiterin zu treffen, Veränderungen einzuarbeiten, einen Verlaufsplan zu erstellen und alle nötigen Materialien vorzubereiten 184 (s. Abb. 12). Die Datenerhebung sah nun zudem die Aufnahme der Planungsgespräche sowie ein Lautes Erinnern vor, was ebenfalls vor der Durchführung der Stunde stattfinden sollte. Die Aufnahme der Planungsgespräche erfolgte während der Vorbereitung der jeweils zweiten Unterrichtsstunde, so dass die Studierenden zuvor die Gelegenheit hatten, die Klasse und die SPS-Gruppe kennen zu lernen (s. Übersicht, Anhang 5). Sie hatten zu diesem Zeitpunkt außerdem eine Unterrichtsstunde gemeinsam mit einer/ einem Mitstudierenden vorbereitet und eigenständig durchgeführt. Auf die Auswahl der Unterrichtsinhalte wurde kein Einfluss genommen, d.h. die Stunden fügen sich in den Stoffverteilungsplan der Lehrerin bzw. der SPS-Gruppe ein. Es kam daraufhin dazu, dass zwei Stunden mit dem Fokus auf sprachproduktives Arbeiten, zwei Stunden zum Hörbzw. Leseverstehen, zwei Stunden mit einem grammatischen Fokus, eine Stunde zum Lesestrategietraining sowie eine Einführungsstunde in eine neue Lektion geplant wurden (s. Kap. 7). 6.5.5.3 Datenerhebung 1: Die Planungsgespräche Zu Beginn der SPS wurde mit den Untersuchungsteilnehmenden besprochen, welche Unterrichtsvorbereitung für die Datenerhebung aufgenommen werden sollte (s. Übersicht, Anhang 5). Später wurde ein Termin vereinbart, an dem die Studierenden sich zur Vorbereitung der Unterrichtsstunde treffen würden. Dieses Planungsgespräch sollte vor der Vorbesprechung mit der Kursleiterin und vor der Durchführung der Unterrichtsstunde stattfinden (s. Abb. 12). Von den acht Planungsgesprächen fand ein Gespräch in der Wohnung des Unterrichtenden statt (PG4), die übrigen Gespräche wurden in den Räumen der Universität geführt (s. Abb 13). Die Aufnahmetechnik bestand aus einer Digitalkamera, an die ein externes digitales Aufnahmegerät angeschlossen wurde. Außerdem wurde den Forschungsteilnehmenden ein Notebook mit Internetanschluss zu Verfügung gestellt. Die Untersuchungsteilnehmenden saßen an einem großen Tisch mit Blickrichtung zum Partner / zur Partnerin bzw. zur Videokamera. Der Laptop stand hinter ihnen auf einem Tisch, d.h. die Studierenden mussten aufstehen und sich zum Laptop bewegen, wenn sie ihn nutzen wollten. Auf dem Arbeitstisch konnten die Studierenden Unterlagen ausbreiten und Notizen anfertigen. Trotz des Verweises, dass auch Stellen im Datenmaterial gelöscht werden können (s. Kap. 6.5.1), wurden im Anschluss an das Gespräch alle Daten ungekürzt an die Forscherin übergeben. Aufgrund des tatsächlich durchzuführenden Unterrichts und des damit verbundenen Gesprächsanlasses konnte auf eine ausführliche Instruktion in Bezug auf das Planungsgespräch verzichtet werden. Es wurde nur kurz darauf hingewiesen, dass sie die durchzuführende Unterrichtsstunde gemeinsam besprechen und vorbereiten sollten, so wie sie 185 dies auch sonst tun würden. Obwohl die Gesprächssituation durch die Aufnahme eine gewisse Beeinflussung erfährt, wird jedoch die Authentizität der videografierten Planungsgespräche durch den realistischen Kontext, durch die offensichtlich schnelle Gewöhnung an die Aufnahmesituation sowie durch die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit einer zweiten Person als relativ hoch eingeschätzt. In den abschließenden Befragungen der Teilnehmenden gab die Mehrheit der Studierenden an, sich durch die Kamera nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt gefühlt zu haben. Abb. 13: Anordnung der Aufnahmetechnik im Raum Die Planungsgespräche dauerten zwischen 50 und 115 Minuten. Die Notizen, die die Studierenden mit in das Gespräch brachten bzw. währenddessen anfertigten, stehen für die Untersuchung zur Verfügung. 6.5.5.4 Datenerhebung 2: Lautes Erinnern und nachträgliche Befragung Das Laute Erinnern fand immer innerhalb von 24 Stunden nach Beendigung des Planungsgesprächs statt: in den meisten Fällen noch direkt am selben Tag oder aber am Morgen des nächsten Tages. Die Gesprächspartner/ innen nahmen getrennt voneinander am Lauten Erinnern teil. Die Videodaten wurden auf ein Notebook übertragen und meist direkt im Anschluss an das Gespräch für das erste Laute Erinnern mit einer/ einem der beiden Forschungsteilnehmenden genutzt. Es wurde darauf geachtet, dass die Forschungspartnerin / der Forschungspartner mittig vor dem Bildschirm Platz nahm und die Forscherin eher seitlich daneben saß. Außerdem sollte die Person ohne Probleme die Maus bzw. die Tastatur erreichen können. Die Beachtung dieser Details zeigte sich im Verlauf der Datenerhebung als förderlich, wenn es darum ging, so viele Äußerungen wie möglich ohne Intervention 186 durch die Forscherin zu elizitieren. Die Instruktion erfolgte mündlich, gestützt durch einen Leitfaden (s. Anhang 2), der sich an die Vorschläge zur Durchführung von stimulated recall interviews von Gass & Mackey (2000: 154) anlehnt. Da die Forscherin im Prozess des Lauten Erinnerns im Vergleich zu Interviews stärker in den Hintergrund tritt, ist der Instruktion der Teilnehmenden besondere Bedeutung beizumessen. Folgende Punkte fanden dabei Berücksichtigung: a) Die Teilnehmenden wurden gebeten, jene Gedanken zu äußern, die ihnen während des Gesprächs durch den Kopf gingen. Es sollte nicht darum gehen, welche Gedanken nach dem Gespräch und/ oder während des Betrachtens der Aufnahme evoziert wurden. b) Im Idealfall sollte die/ der Teilnehmende die Aufnahme stoppen, um ihre/ seine Gedanken zu verbalisieren. Das Video konnte aber auch durch die Forscherin angehalten werden. c) Die Videoaufnahme sollte bei jeder Äußerung unbedingt unterbrochen werden, d.h. es durfte nicht in die Aufnahme hinein gesprochen werden, da die Verständlichkeit dann nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. d) Die Teilnehmenden wurden ermutigt, die Aufnahme so oft wie möglich zu unterbrechen, auch wenn ihnen ihre Gedanken als nicht relevant erschienen. e) Den Teilnehmenden wurde der Umgang mit dem media player des Notebooks zum Abspielen und Unterbrechen der Videoaufnahme erläutert. Nachdem den Untersuchungsteilnehmenden der Ablauf des Lauten Erinnerns erklärt worden war, wurden die Planungsgespräche bzw. Ausschnitte davon gemeinsam angeschaut und von den Teilnehmenden retrospektiv kommentiert. Die kürzeren Planungsgespräche (PG4, PG6 und PG7) wurden komplett betrachtet, von den Gesprächen über 60 Minuten Länge (PG1, PG2, PG3, PG5 und PG8) wurden Ausschnitte für das Laute Erinnern genutzt, die jeweils auch einer Länge von ungefähr 50-60 Minuten entsprachen. Die Teilnehmenden wurden in diesem Fall aufgefordert, die Aufnahme an Stellen vorzuspulen, die ihnen als nebensächlich, privat oder nicht so interessant erschienen. So kam es z.B. dazu, dass bei längeren Recherchephasen im Internet oder privaten Gesprächen der Studierenden kein Lautes Erinnern durchgeführt wurde. In anderen Fällen, in denen es nicht dazu kam, dass vorgespult wurde, wurde die Retrospektion beendet, wenn deutlich wurde, dass aufgrund der nachlassenden Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmenden ein weiteres Betrachten der Aufnahme nicht mehr zu den gewünschten Äußerungen führte. Eine Sampling der Gesprächsdaten in Hinblick auf inhaltlich interessante Stellen wurde nicht vorgenommen, da ein Sichten des Materials durch die Forscherin vor dem Lauten 187 Erinnern in dem dieser Studie zugrundeliegenden Untersuchungsdesign nicht möglich war. Dies war durch die Länge der Gespräche (bis zu 115 Minuten) sowie vor allem durch die organisatorische Schwierigkeit bedingt, die Gespräche und das Laute Erinnern innerhalb einer Woche und in kurzer Abfolge durchzuführen (s. Abb. 12 sowie Anhang 5). Im Anschluss an das Laute Erinnern wurden die Forschungspartner/ innen zum Verlauf des retrospektiven Verbalisierungsprozesses, zu den Planungsgesprächen und den SPS im Allgemeinen befragt. Folgende Fragenkomplexe dienten dabei als Leitfaden: • Sind Sie mit dem Unterrichtsentwurf soweit zufrieden oder sind noch viele Punkte offen, die noch geklärt werden müssen? • Wie haben sie das Planungsgespräch mit ihrer Partnerin / ihrem Partner empfunden? Wie war die Zusammenarbeit mit ihr / ihm? • Wie wurde das Laute Erinnern empfunden? Ist es Ihnen schwer / leicht gefallen, sich zu erinnern? • Was halten Sie insgesamt von der Unterrichtsvorbereitung mit einer / einem Ko-Planenden? • Wie schätzen Sie die SPS insgesamt ein? Waren Sie zufrieden? Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden? 6.6 Auswertung der Daten 6.6.1 Transkription der Daten Im Anschluss an die Datenerhebung wurden die acht Planungsgespräche sowie die Protokolle Lauten Erinnerns vollständig verschriftlicht. Die Transkriptionskonventionen sind an das halbinterpretative Arbeitstranskriptionssystem HIAT angelehnt (Ehlich & Rehbein 1976; Ehlich & Rehbein 1979; Rehbein et al. 2004). Der Begriff HIAT verweist auf zwei grundlegende Aspekte, die bei der Verschriftlichung gesprochener Sprache von Bedeutung sind: Zum einen stellt jede Umwandlung von auditiver (oder auch visueller) Kommunikation in Schriftzeichen zugleich einen ersten interpretierenden Schritt dar, zum anderen tragen Transkripte Verlaufscharakter, d.h. sie können immer wieder weiter präzisiert oder verfeinert werden. Bei der Verschriftlichung von Daten geht es nicht um ein Abbilden gesprochener Sprache entlang orthografischer Regeln. HIAT bedient sich vielmehr einer literarischen Umschrift (vgl. auch Kowal & O'Connell 2009: 441), die sich an die Konventionen unserer Schriftsprache anlehnt (z.B. Interpunktion, Groß- und Kleinschreibung), die Besonderheiten gesprochener Sprache, die nach orthografischen Regeln wegfallen würden, dennoch erfasst (z.B. „meinste“ anstelle von „meinst du“). 188 HIAT ist ein sehr differenziertes Transkriptionssystem, das sich vor allem dazu eignet, Gespräche zu verschriftlichen, an denen mehrere Personen beteiligt sind. Es bietet ein umfangreiches Inventar, mit dem sich über das bloße Notieren von Redebeiträgen hinaus auch die non-verbalen und nicht-phonologischen Handlungen der Gesprächspartner/ innen sowie Pausen oder bedeutungsunterscheidende Tonqualitäten erfassen lassen. Gerade bei der Transkription der Videodaten war es nötig, mit Notationskonventionen zu arbeiten, mit denen z.B. Handlungen wie ein Nicken der Gesprächspartnerin, das Blättern oder Lesen im Lehrbuch oder der skeptische Blick als Reaktion auf eine Äußerung etc. gut notierbar waren. Gleichzeitig sollte trotz des gewählten Feinheitsgrades der Transkripte eine gute Lesbarkeit der Daten gewährleistet bleiben. HIAT scheint hier im Vergleich zu Transkriptionssystemen wie z.B. TiQ (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2008: 164ff.) oder GAT (Selting et al. 1998) auch für ungeübte Leser/ innen sehr schnell erfassbar zu sein. Folgende Konventionen wurden bei der Verschriftlichung der Daten verwendet: • • • • • • ((3s)) Stocken im Redefluss (0.25 Sekunden oder kürzer) Pause von ca. 0.5 Sek. Pause von ca. 0.75 Sek. Pause von … Sekunden … / - … - Abbruch der Äußerung mit oder ohne Turn-Wechsel Reparaturen, z.B.: „Und das hatte ich/ wollte mir…“ Einfügungen (Parenthesen), z.B.: „Hast du das - ach so, das wollt ich dich fragen - hast du das eigentlich…“ [ ] Gleichzeitiges Sprechen: Überlappungen und Simultansprechen in eckigen Klammern soo Dehnung, Reduplikation des entsprechenden Buchstaben sicher Betonung, betontes Wort unterstrichen hm ̄ Nachdenken, Zögern hmhm ̌ , hm ̌ Konvergenz hmhm ̀ , hm ̀ Divergenz ((schreibt, 1,5s)) ((lacht)) ((leise)) ((unverständlich, 2s)) (vielleicht hat sie) nonverbale, nicht-phonologische Handlungen, evtl. mit Zeitangabe nonverbale Handlungen Modulation der Stimme unverständlicher Wortlaut, evtl. mit Zeitangabe vermuteter Wortlaut in einfachen Klammern Tab. 6: Verwendete Transkriptionsregeln Obwohl die HIAT-Konventionen meist in Verbindung mit der Notation der Daten in Partiturflächen verwendet werden, wurde für die vorliegende Arbeit die vereinfachte Zeilenschreibweise genutzt. Die Partiturschreibweise ist besonderes dann von Vorteil, wenn mehrere Personen an einem Gespräch beteiligt sind, es zu zahlreichen Sprecherwechseln sowie Überlappungen kommt 189 und wenn zusätzliche Spuren eingerichtet werden sollen, um z.B. die Übersetzung von Daten parallel zu den Originaldaten darzustellen. Da es sich im Kontext der vorliegenden Untersuchung um Interaktionen zwischen nur zwei Planenden handelt, ist das Interaktionsgeschehen jedoch relativ überschaubar. Die Studierenden planen die Unterrichtsstunden auf Deutsch und verwenden gelegentlich auch Englisch. Es wurde jedoch darauf verzichtet, diese Passagen zu übersetzen. Auch die Arbeit mit einer Analysesoftware, in diesem Fall mit MAXQDA, wird durch die Zeilenschreibweise erleichtert. Für die Zwecke der Notation in Zeilenschreibweise wurden die HIAT-Konventionen leicht modifiziert. Die Protokolle Lauten Erinnerns wurden auf die gleiche Weise transkribiert und an den Stellen in die Transkripte der Gesprächsdaten eingeführt, an denen die Videoaufnahme unterbrochen wurde. Fand eine Verbalisierung von Gedanken mitten in einem Redebeitrag statt, wurde dies an dieser Stelle durch das kursive Einfügen des Pseudonyms der Person sowie der Nummer des Gesprächsschrittes, eingerahmt durch spitze Klammern (s. Bsp.) markiert. Das Transkript des Lauten Erinnerns wurde dann nach dem entsprechenden Absatz einfügt. Wie das folgende Beispiel zeigt, wurden die LE-Daten durch Kursivdruck, in MAXQDA durch unterschiedliche Farben, sowie spitze Klammern so verändert, dass sie sich von den Interaktionsdaten abheben und die Lesbarkeit dadurch wenig beeinträchtigt wird (vgl. Knorr & Schramm 2012: 198f.): 238 C Also, der größte Knackpunkt ist und bleibt, dass die die ((1,5s)) ähm Zeiten einfach nicht erkennen. ((2,5s)) Aber selbst wenn ich jetzt am Anfang der Stunde noch irgendwie mache: „So, wir wiederholen jetzt in einer Übung alle Zeiten“ würde s halt auch nichts bringen. • • • Oder? 239 E ((2s)) ((flüstert)) Ich hab eine Idee! <E LE 240> ((4s)) Also ich… ((3s)) So so puzzlemä/ also was heißt puzzlemäßig, so memorymäßig… Irgendwie entweder an der Tafel - na gut das dauert dann einfach zu lange - aber… Erst mal nur die Idee, können wir ja dann noch gucken. Ein ein ein Satz oder eine Phrase in der Zeitform und dazu ne Karte mit der Zeitform drauf. 240 E LE <Ich hatte mich ja von dem Gedanken mit den Zeitformen wiederholen noch nie so wirklich verabschiedet, also das wollt ich ja in meiner Stunde schon machen und deshalb kam mir das ganz gelegen, da, (dass sie) mit dem Gedanken auch gespielt hat. Aber die Idee kam ganz spontan, das war keine alte Idee.> 241 C Hm ̌ . 242 E Und das • • zusammen • • suchen. 243 C Hm ̌ . PG7: 238ff., Clara & Ellen Englische Bezeichnungen wurden in den Daten (im Gegensatz zum Text der vorliegenden Arbeit) nicht kursiv gesetzt, da dies aufgrund des vielfachen codeswitching der Studierenden die Lesbarkeit einschränken sowie eine Überschneidung mit den kursiv gedruckten LE-Daten darstellen würde. Die Namen 190 aller Beteiligten wurden durch Pseudonyme ersetzt. Für die Studierenden werden Vornamen bzw. nur die jeweiligen Anfangsbuchstaben verwendet, die Lehrerinnen werden mit Frau X., die Dozentinnen mit D1 und D2 und die Interviewerin mit I abgekürzt. Aufgrund eines Forschungsmittel-Zuschusses der DGFF konnte bei der Transkription der umfangreichen Datenmengen auf die Transkriptionsleistung einer zweiten Person zurückgegriffen werden, die bereits Erfahrungen im Transkribieren nach HIAT hatte. Sie verschriftlichte ca. zwei Drittel der gesamten Datenmenge, ein Drittel wurde durch die Forscherin transkribiert. In einem ersten Transkriptionsschritt wurden die Daten in einem relativ groben Verhältnis von ca. 1: 20 (1 Minute Daten, 20 Minuten Transkiptionszeit) verschriftlicht. Dabei konnte die Arbeit durch eine Transkriptionssoftware unterstützt und vereinfacht werden (f4media) 7 . Später wurden einzelne ausgewählte Gesprächspassagen für die Beantwortung der dritten Forschungsfrage unter erneutem Rückgriff auf die Gesprächsdaten noch feiner transkribiert. Nach der Verschriftlichung der Daten wurden die Transkripte in das Analyseprogramm für qualitative Daten, MAXQDA, importiert, um das Kodieren von Textpassagen, das spätere wieder Auffinden von kodierten Segmenten oder das Zusammenstellen von Schlüsselpassagen für die Präsentation der Ergebnisse zu strukturieren und zu vereinfachen. Außerdem ermöglichte die Verknüpfung von Bildbzw. Audiodatei und Text ein vereinfachtes Zurückgreifen auf die Originaldaten, was sich vor allem im letzten Teil der Analyse als sehr hilfreich erwies (Kuckartz 2010: 12ff.). 6.6.2 Initiierende Textarbeit Parallel zur Transkription der Planungsgespräche sowie der LE-Daten erfolgte schrittweise eine erste bzw. zweite Sichtung des verschriftlichten Materials (vgl. Kuckartz 2012: 53). Das Ziel des ersten Anhörens und Lesens bestand zunächst darin, die nicht eigenständig erstellten Transkripte zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern sowie die Texte dabei weiter zu verstehen. Bei akustisch oder inhaltlich schwer bzw. nicht verständlichen Passagen wurden wiederholt die Video- und Audiodaten hinzugezogen, um mithilfe der dokumentierten Gestik, Mimik und Intonation zu einem besseren Verständnis zu gelangen. Außerdem wurden bei Bedarf die Planungsunterlagen der Studierenden sowie beim Planen verwendete Schulbücher und Materialien verwendet, um den Gesprächsverlauf nachvollziehen zu können. Diese ergänzenden Informationen wurden entweder direkt in die Transkripte eingefügt, z.B. ((liest im Buch S. 58, Aufg. 18 oben)) oder in Memos zum Text festgehalten. 7 www.audiotranskription.de 191 Diese Art der initiierenden Textarbeit diente dazu, ein Gesamtverständnis für den jeweiligen Text aufzubauen, erste Auffälligkeiten zu notieren, wichtige Textstellen zu kennzeichnen und einen Überblick über das erhobene Datenkorpus zu erlangen. Gedanken und Ideen wurden ebenfalls in Memos oder in einem Logbuch, das in MAXQDA zur Verfügung steht, festgehalten. Im Anschluss an die erste Auseinandersetzung mit dem Material wurde für jedes Planungsgespräch eine Fallzusammenfassung erstellt (Kapitel 7). Diese Fallbeschreibungen erfolgten eng am Text und beschränken sich auf wichtige Gesprächsinhalte (vgl. Kuckartz 2012: 55ff.). Sie umfassen zudem Hintergrundinformationen (Klasse, Thema der Stunde, etc.) und eine stark komprimierte Darstellung des Gesprächsverlaufs. 6.6.3 Qualitative Inhaltsanalyse 6.6.3.1 Wahl des Analyseverfahrens Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage (Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? ) wurde das Datenmaterial inhaltsanalytisch ausgewertet. Das Erkenntnisinteresse gilt in diesem Teil der Untersuchung den Themen, die in Planungsgesprächen ausgehandelt werden. Die Forschungsfrage schließt an Studien zur Unterrichtsvorbereitung von erfahrenen Lehrenden an, die mittels Verbalprotokollen oder nachträglicher Befragungen Planungshandlungen erfassten und dabei untersucht haben, welche Aspekte bei der Vorbereitung von Unterricht von den Lehrenden bedacht wurden (vgl. Bromme 1981; Haas 1998; Peterson et al. 1978; Young et al. 1998; s. Kap. 4.2.3). Ein Großteil dieser Studien arbeitete kategorienbasiert und führte z.T. stark quantifizierende Inhaltsanalysen durch. Für die vorliegende Studie wurde ebenfalls ein kategorienbasiertes Analyseverfahren gewählt, um die Untersuchungsergebnisse mit den Erkenntnissen aus der Expertenforschung vergleichen zu können. Im Gegensatz zur klassischen Inhaltsanalyse, die ursprünglich nur den manifesten, an der verbalen Oberfläche erfassbaren Inhalt von Kommunikation fokussierte und diesen quantifizierend untersuchte, orientiert sich die vorliegende Studie an Formen der qualitativen Inhaltsanalyse, die stärker hermeneutisch vorgeht (Kuckartz 2012; Mayring 2010b). Die qualitative Inhaltsanalyse ist eine interpretative Form der Datenauswertung, die versucht, Textinhalte zu verstehen und dabei auch latente Bedeutungen zu erfassen, bevor Kodierungen am Textmaterial vorgenommen werden (Kuckartz 2012). Die Arbeit mit Kategorien ermöglicht dabei eine Reduzierung der Daten und zielt auf die Klassifizierung von Inhalten (Flick 2009: 416). Die Analyserichtung erfolgte bottom-up, d.h. die Kategorien wurden weitestgehend am Material entwickelt. Es sollte nicht mit einem theoriegeleitet 192 entwickeltem Kategoriensystem gearbeitet werden, da zum einen kaum empirische Erkenntnisse zu Überlegungen und Aushandlungsprozessen von Studierenden während der Unterrichtsvorbereitung vorliegen, die ein Kategoriensystem hätten stützen können. Zum anderen sollte der Blick auf das Datenmaterial möglichst unvoreingenommen erfolgen. Gerade die Vorbereitung von Unterricht, die stark durch normative Vorgaben bestimmt ist, sollte hier stärker aus der Perspektive der Studierenden untersucht und beschrieben werden. Die Analyse der Daten anhand eines deduktiv entwickelten, von außen herangetragenen Kategoriensystems hätte möglicherweise den Blick vorschnell auf eben jene normativen Planungsdimensionen gelenkt und das Erfassen der Bedeutungen, die die Teilnehmenden tatsächlich aushandeln, erschwert (vgl. Flick 2009: 416f.). Der Prozess der induktiven Bildung von Kategorien am Material ähnelt in gewisser Weise dem Vorgehen beim offenen Kodieren, das bei Analyseprozessen im Rahmen der Grounded Theory-Methodologie angewendet wird (vgl. Kuckartz 2012: 66ff.; Mayring 2010b: 84). Obwohl die Vorgehensweisen und Grundannahmen der Grounded Theory und der qualitativen Inhaltsanalyse sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden, bieten die Ausführungen zum Prozess des offenen Kodierens wertvolle Anregungen für die induktive Kategorienbildung im Rahmen einer Inhaltsanalyse (Kuckartz 2012: 66). Eine Analyse der Daten, die sich der weiteren Kodiertechniken der Grounded Theory bedient, wird in diesem Teil der Untersuchung jedoch nicht verfolgt, da die erste Forschungsfrage durch eine induktive qualitative Inhaltsanalyse besser zu beantworten ist. Es geht in diesem Teil der Datenauswertung primär um das Erfassen der in den Planungsgesprächen verhandelten Inhalte und weniger - wie es die Grounded Theory anstreben würde - um die Generierung einer Theorie über das gemeinsame Planen von Unterricht. Das Datenmaterial wird inhaltsanalytisch untersucht und klassifiziert, d.h. es werden Gesprächsthemen rekonstruiert und geordnet. Die Analyseschritte des Ermittelns von Beziehungen zwischen einzelnen Konzepten und Kategorien (axiales Kodieren) sowie des Herausarbeitens einer zentralen Kernkategorie (selektives Kodieren), die im Rahmen der Grounded Theory von zentraler Bedeutung sind, stehen hier nicht im Mittelpunkt. Das gewählte Vorgehen orientiert sich an den Techniken der Auswertung, wie sie von Mayring (2010b) beschrieben wurden, sowie an weiteren Empfehlungen zur qualitativen kategorienbasierten Analyse von Daten (Flick 2009; Kuckartz 2012; Steigleder 2008). Im folgenden Kapitel wird der Verlauf der Analyse beschrieben und anhand von Beispielen dargestellt, so dass die einzelnen Schritte nachvollziehbar werden. 193 6.6.3.2 Induktive Qualitative Inhaltsanalyse Mayring unterscheidet drei Grundformen bzw. Techniken der Qualitativen Inhaltsanalyse: die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung (Mayring 2010a). Um die erste Forschungsfrage der vorliegenden Studie zu beantworten, wurde in Anlehnung an die Technik der Zusammenfassung eine induktive Qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt (vgl. Gläser-Zikuda 2008). Mayring zufolge dient die Technik der Zusammenfassung vorrangig dazu, „das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist“ (Mayring 2010b: 65). Bei dieser Art der Zusammenfassung wird das gesamte Material berücksichtigt. Über die Zwischenschritte des Paraphrasierens der einzelnen Kodiereinheiten, der Generalisierung sowie der Reduktion der Paraphrasen entsteht ein immer abstrakter werdendes Kategoriensystem, das nach einer Rücküberprüfung am Ausgangsmaterial am Ende des Analyseprozesses eine komprimierte, reduzierte Form des ursprünglichen Datenmaterials darstellt. Die Analyseschritte des Paraphrasierens, Generalisierens und Reduzierens können bei großen Materialmengen auch zusammengefasst werden (Mayring 2010a: 69). Die zusammenfassende Qualitative Inhaltsanalyse stellt daher eine stark induktive Form der Kategorienbildung dar. Sie dient einerseits der Reduzierung von Datenmaterial, andererseits können die einzelnen Schritte der Zusammenfassung zur induktiven Kategorienbildung genutzt werden, um das so entstandene Kategoriensystem für deduktive Inhaltsanalysen z.B. bei der inhaltlichen Strukturierung zu verwenden oder es als Ergebnis einer Analyse auszuwerten. Vor dem Hintergrund genereller Entwicklungen hin zu einem stärkeren Interesse an der Bildung von Kategorien aus dem Material heraus gab Mayring selbst der induktiven Kategorienbildung zunehmend mehr Gewicht (vgl. Mayring 2008). Er führt später weiter aus, dass die zusammenfassende Inhaltsanalyse auch als Technik für die induktive Kategorienbildung eingesetzt werden kann (Mayring 2010b: 83). Die induktive Kategorienbildung unterscheidet sich von der Zusammenfassung in der Zielstellung. Bei der Zusammenfassung soll das gesamte Material reduziert werden. Der induktiven Kategorienbildung liegt ein Selektionskriterium zu Grunde, d.h. es wird zu Beginn der Analyse festgelegt, zu welcher Thematik, unter welcher Fragestellung Kategorien entwickelt werden (Mayring 2008: 12). Wenn bei solchen reduzierenden Textanalyseprozessen nur bestimmte (nach einem Definitionskriterium festzulegende) Bestandteile berücksichtigt werden, so handelt es sich um eine Art induktiver Kategorienbildung, wie sie bei qualitativ orientierter Textanalyse oft benötigt wird. (Mayring 2010: 66) 194 Das von Mayring beschriebene Ablaufmodell induktiver Kategorienbildung (Mayring 2008: 12; Mayring 2010a: 84) ähnelt dem der zusammenfassenden Inhaltsanalyse (Mayring 2010a: 68), wobei es auf die Ausführung der Schritte der Paraphrasierung, Generalisierung und Reduktion verzichtet. Diese Analysetechniken können bei der induktiven Bildung von Kategorien genutzt werden, Kategorien können jedoch auch direkt aus dem Material heraus unter Berücksichtigung des zuvor festgelegten Abstraktionsgrades und in Bezug auf das Selektionskriterium formuliert werden. Auch Gläser-Zikuda (2008: 70f.) führt in ihrer Studie zur Analyse von Lerntagebüchern über die Verwendung von Lernstrategien eine induktive Kategorienbildung durch. Sie erstellt in Bezugnahme auf Mayring ein Ablaufmodell und bezeichnet dieses als induktive Qualitative Inhaltsanalyse. Der Begriff soll für die erste Analyse im Rahmen der vorliegenden Untersuchung so übernommen werden. In Anlehnung daran und in Rückkopplung an die Modelle der induktiven Kategorienbildung, wie sie Mayring (2010a) oder auch Kuckartz (2012) darstellen, kann für die vorliegende Studie folgendes Ablaufschema erstellt werden (s. Abb. 14). Im nächsten Unterkapitel wird die Durchführung der Inhaltsanalyse umfassender beschrieben. Die in der Übersicht dargestellten Phasen finden sich darin wieder, ohne dass jedoch auf jeden Schritt einzeln eingegangen wird. 6.6.3.3 Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse Auswahl des Datenmaterials Die Daten, die mittels induktiver Qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet wurden, entsprechen dem gesamten Datenkorpus von acht Planungsgesprächen. Die Protokolle des Lauten Erinnerns wurden für diesen Teil der Analyse nicht berücksichtigt, da sie nicht zur Beantwortung der Frage beitragen, was die Studierenden im Rahmen von Planungsgesprächen thematisieren. Fragestellung der Analyse Die initiierende Textarbeit und erste Sichtung des Materials konnten bestätigen, dass in den vorliegenden Daten sichtbar wird, worüber sich Studierende bei der gemeinsamen Vorbereitung einer Englischstunde verständigen. Es sollte daher in der ersten Datenauswertung der Frage nachgegangen werden, worüber die Studierenden in Bezug auf die Unterrichtsvorbereitung sprechen. Forschungsfrage 1: Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? 195 Die zu bildenden Kategorien wären demnach wie folgt zu definieren: Alle Gesprächsinhalte der Untersuchungsteilnehmenden in Bezug auf die gemeinsame Vorbereitung einer Englischstunde. Bei der Analyse wurde daher nur jenes Material berücksichtigt, das für die Beantwortung der ersten Forschungsfrage relevant war. Ausgeschlossen wurden damit z.B. jene Sequenzen, in denen die Untersuchungsteilnehmenden private Gespräche führten, die nicht im Zusammenhang mit der Unterrichtsvorbereitung standen, oder organisatorische Absprachen mit der Forscherin. Außerdem wurden, wie oben erläutert, die Protokolle Lauten Erinnerns aus der Inhaltsanalyse ausgeschlossen. 1 Festlegung des Gegenstands, Materials und Ziels der Analyse, Bestimmung des Selektionskriteriums 2 Bestimmung des Differenzierungsgrades und Abstraktionsniveaus 3 Induktive Kategorienbildung an einem Teil des Datenmaterials (paraphrasierende Zusammenfassung, sukzessive Erweiterung durch Subsumption und Neubildung von Kategorien) 4 Bildung von Hauptkategorien auf der Basis der induktiv gebildeten Kategorien sowie unter Rückgriff auf Theorie und Empirie 5 Testdurchlauf an weiteren Planungsgesprächen, mehrfache Revision des Kategoriensystems 6 Analyse aller Planungsgespräche 7 Kategorienbasierte Auswertung und Ergebnisdarstellung Abb. 14: Ablauf der induktiven Qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Gläser-Zikuda 2008: 70; Mayring 2010a: 84; Kuckartz 2012: 64) 196 Ablauf der Analyse Erste Schritte der Inhaltsanalyse wurden schon während der ersten Auseinandersetzung mit dem Text unternommen, d.h. mit der Transkription der Daten sowie mit der oben beschriebenen initiierenden Textarbeit (s. Kap. 6.6.1 und 6.6.2, vgl. Kuckartz 2012: 59). Daran schloss sich die Qualitative Inhaltsanalyse im engeren Sinne an, indem induktiv, vom Text ausgehend Kategorien gebildet wurden. Um dieses induktive Vorgehen zu systematisieren und Übung im textgeleiteten Kodieren zu erhalten, wurde ein Planungsgespräch mittels paraphrasierender Zusammenfassung ausgewertet. Die folgende Tabelle zeigt das entsprechende Vorgehen anhand eines Ausschnitts. Textsegment Abs Paraphrase Generalisierung Oberkategorie > Unterkategorie >> weitere Unterkategorie C Wollen wir es einfach durchgehen irgendwie? 13 den zuvor erstellten Plan zusammen besprechen? Stundenentwurf im PG zusammen besprechen Planungsprozess > Vorgehen beim Planen • • • Guuut • • also ich wollt halt anfangen, genau, mit noch mal dem Wiederholen, weil das ja echt schon ne ganze Weile her ist von diesem/ • • • von dieser reported speech. 13 als erste Aktivität ist eine Wiederholung der gramm. Struktur geplant, um Vorwissen der SuS zu aktivieren Wiederholung der gramm. Struktur, Vorwissen aktivieren Unterrichtsaktivitäten > Übung >> Übung zur Reaktivierung Hast du das - ach so, das wollt ich dich fragen - hast du das eigentlich reported speech genannt oder indirect speech? Ich weiß es halt nicht mehr. • • • Weil nicht dass ich jetzt ständig reported speech [sagen muss]… 13 Wie wurde das in der Std. zuvor gemacht? Anknüpfen an Std. zuvor Unterrichtszusammenhang > Verbindung mit letzter Stunde E [Ich hab versucht], beide Begriffe • • • ähm • • zu nehmen. Regelmäßig. An der Tafel hatte ich reported speech, glaub ich. 14 In Std. zuvor wurde es so gemacht. Anknüpfen an Std. zuvor Unterrichtszusammenhang > Verbindung mit letzter Stunde 197 C Gut. Okay. Dann kann ich also reported speech benutzen, sozusagen. 19 Begriff kann verwendet werden, weil SuS ihn kennen Vorwissen der SuS aufgrund vorheriger Stunden Schüler/ innen > Voraussetzungen der SuS >> was wissen / können die SuS? C Genau. Und da wollt ich halt einfach • • • Sätze auf Flashcards schreiben oder halt große Blätter, A4 Blätter, was weiß ich, jedenfalls groß… ((bewegt leeres A4Blatt von links nach rechts)) 19 als Wiederholung sollen Sätze auf Flashcards notiert werden Sätze auf Flashcards schreiben Medien & Materialien > Auswahl des geeigneten Mediums Unterrichtsaktivitäten > Übung >> Übung zur Reaktivierung Ähm • • • weiß nicht: "I like chocolate" und dann geben die das halt weiter und sagen dann: "She said that she likes chocolate". So, erst mal ganz easy. 19 Flashcards werden von S. zu S. gereicht; dabei werden Sätze umgeformt Flashcards weiterreichen, dabei Struktur üben / reaktivieren Unterrichtsaktivitäten > Übung >> Übung zur Reaktivierung Schüler/ innen > Schüleraktivierung Tab. 7: Ausschnitt aus der paraphrasierenden Zusammenfassung PG7: 13ff., Clara & Ellen Während dieses Prozesses ließ sich bereits feststellen, dass sich Kategorien wiederholen, d.h. dass Subsumptionen möglich werden. Nach einiger Arbeit am Material wurde zudem deutlich, dass die Kodiereinheiten oftmals auch ohne eine vorherige Paraphrase direkt in einen Code überführt werden können. Im weiteren Verlauf wurden die Kategorien daraufhin direkt am Material gebildet (vgl. Haudeck 2008; Kuckartz 2010; Mayring 2010a: 69). Die Festlegung der Kodiereinheit erfolgte thematisch. Segmentgrenzen wurden durch thematische Wechsel bestimmt. Kodiereinheiten umfassen somit sowohl kurze, aber sinntragende Aussagen als auch länger andauernde Passagen mit mehreren Sprecherwechseln. Da innerhalb einer Textstelle mitunter mehrere Themen gleichzeitig angesprochen wurden, konnten ihr auch mehrere Kategorien zugeordnet werden, die sich dann z.T. auch überlappten (vgl. Kuckartz 2012: 80). Innerhalb einer Hauptkategorie wurden Mehrfachkodierungen vermieden. In Bezug auf den Grad der Differenziertheit des Kategoriensystems, wurde z.T. sehr feingliedrig vorgegangen, d.h. Oberkategorien wurden durch viele Unterkategorien präzisiert. Durch diese Ausdifferenzierung sollte vor allem die 198 Spezifik des Fremdsprachenunterrichts herausgearbeitet werden sowie die spätere kategorienbasierte Auswertung ausreichend differenziert erfolgen. Das Abstraktionslevel (vgl. Kuckartz 2012: 63; Mayring 2010a: 85) bewegt sich auf verschiedenen Niveaustufen. Erste Schritte der induktiven Kategorienbildung führten zunächst zu Kategorien auf einer mittleren Abstraktionsebene (in Tab. 7 durch einen Pfeil (>) gekennzeichnet, z.B. > Voraussetzungen der Schüler/ innen). Im Anschluss an dieses Vorgehen wurden nach dem Durchlauf mehrerer Gespräche erste abstraktere Oberkategorien gebildet, die vor dem Hintergrund der Theorie und Empirie zur Unterrichtsplanung formuliert wurden (vgl. unterstrichene Kategorien in Tab. 7, z.B. Schüler/ innen). Auf dieser Abstraktionsebene erfolgte eine Verzahnung von induktiver Arbeit am Material und deduktiver Rückbindung an die Theorie (vgl. Gläser-Zikuda 2008). Die Subkategorien, in der Tabelle 7 durch Doppelpfeile gekennzeichnet (z.B. >> was wissen / können die Schüler/ innen), entstanden teilweise während der ersten Phase der induktiven Kategorienbildung, oftmals wurden sie jedoch in einem späteren Analyseschritt gebildet, in dem alle unter einer Kategorie subsumierten Textsegmente vergleichend betrachtet und auf weitere Differenzierungsmöglichkeiten hin untersucht wurden. Diese Subkategorien, die teilweise auch noch weitere Unterkategorien enthalten, sind näher an den Formulierungen der Untersuchungspartner/ innen gebildet worden. Die Kategorienbildung am Material erfolgte sequenziell, dabei wurden die Daten gleichzeitig segmentiert und kodiert. Das Kategoriensystem wurde sukzessive erweitert, indem für Textstellen, die nicht unter schon bestehende Kategorien zu subsumieren waren, neue Kategorien oder Unterkategorien gebildet wurden. Nachdem zunächst ein Viertel des Datenkorpus (2 Planungsgespräche) auf diese Weise bearbeitet wurde und deutlich weniger Kategorien hinzukamen, wurde das Kategoriensystem zum ersten Mal überarbeitet. Dies beinhaltete vor allem Umstrukturierungen, das theoriegeleitete Bilden von Hauptkategorien, das Ausdifferenzieren von Kategorien oder das Zusammenfügen von Unterkategorien, die sich als zu feingliedrig erwiesen. Die Darstellungen bei Mayring (2010b) oder Gläser-Zikuda (2008) suggerieren, der Analyseprozess würde sich in einzelnen, aufeinander folgenden Schritten vollziehen. Auf die Überarbeitung und Umstrukturierung des Kategoriensystems würde demnach der endgültige Materialdurchgang folgen. Der Analyseprozess gestaltete sich bei der hier durchgeführten Untersuchung jedoch viel stärker zirkulär. Nach der ersten Revision wurde das Kategoriensystem an weiteren Planungsgesprächen getestet, dann nochmals überarbeitet und verändert, weiter getestet, erneut überarbeitet etc., bevor erst nach zahlreichen Analyseschleifen das gesamte Material abschließend noch einmal mit dem erstellten Kategoriensystem analysiert werden konnte (vgl. hier auch die Erfahrungsberichte zur Qualitativen Inhaltsanalyse von Ramsenthaler 2013). Gerade dieses 199 rekursive Vorgehen konnte jedoch erst gewährleisten, dass eine gewisse Sättigung entsteht, die Kategorien an Trennschärfe gewinnen und die Gesprächsinhalte der Untersuchungsteilnehmenden auch tatsächlich im Kategoriensyssystem abgebildet werden, ohne dass vorschnell Ordnungen entstehen, die den Daten „übergestülpt“ werden (vgl. auch Flick 2009; Ramsenthaler 2013). Bei einer vorrangig induktiven Kategorienbildung muss kritisch reflektiert werden, welche Rolle das Vorwissen der Forscherin im Prozess der Kategorienbildung spielt. Gerade die eigenen Vorerfahrungen aus dem Kontext der Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden führten vermutlich dazu, dass sich das Abstraktionsniveau relativ schnell erhöhte und vermehrt auf fremdsprachendidaktische sowie pädagogische Konzepte und Termini zurückgegriffen wurde. Dabei zeigte sich jedoch, dass bei der Verwendung gängiger fachdidaktischer Begriffe einzelne Kategorien zum Teil noch nicht präzise genug umrissen waren und bestimmte Aspekte des Unterrichts damit nicht adäquat erfasst werden konnten. Dies führte dazu, dass im weiteren Verlauf enger an den Aussagen der Teilnehmenden kodiert wurde. Die bewusste Distanzierung von theoretischem Vorwissen und von Vorstellungen vom Planen stellt durchaus eine Herausforderung im Forschungsprozess dar. Unterstützung dabei konnten im Rahmen dieser Studie eine Analysegruppe, der reflektierende Austausch mit anderen Forschenden sowie das Üben von Analysetechniken bieten. Der Prozess der Datenauswertung erfordert ein immer wieder gezielt durchgeführtes, selbstkritisches Innehalten. Andererseits kann nie von einer tabula rasa ausgegangen werden. Auch der Prozess der induktiven Kategorienbildung ist ein interpretativer Schritt, ein Versuch Sinngehalte zu entschlüsseln und Texte zu verstehen, was ohne Vorwissen nicht zu realisieren wäre (vgl. Kuckartz 2012: 29ff.). 6.6.3.4 Kategorienbasierte Auswertung und Ergebnisdarstellung Das auf diese Weise erarbeitete Kategoriensystem ermöglicht einen Überblick über die Themen, mit denen sich die Studierenden während der gemeinsamen Planung von Unterricht auseinandersetzten. Es liefert Antwort auf die Fragen, was Studierende im Rahmen von Planungsgesprächen überhaupt beschäftigt, welchen Themen sie besondere Aufmerksamkeit schenken oder welche Aspekte kaum besprochen werden. Anhand der durch die Kodierungen ermittelten Häufigkeiten können Aussagen über den Umfang sowie die Anzahl der jeweiligen Thematisierungen gemacht werden, die in Kapitel 8.1 vergleichend analysiert und interpretiert werden. Der Fokus der Datenauswertung ist jedoch auf die anschließende Darstellung und Interpretation der identifizierten Hauptthemen gerichtet. Auch Kuckartz verweist darauf, dass die Ergebnisdarstellung der Inhaltsanalyse sich nicht in quantifizierenden Angaben erschöpfen sollte. Vielmehr geht es darum, 200 die ermittelten Kategorien in qualitativer Weise darzulegen und zu interpretieren (Kuckartz 2012: 94). Es wird daher jede Kategorie anhand von Datenbeispielen einzeln vorgestellt, ausgewertet und diskutiert (Kap. 8.2.1 bis 8.2.13). Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich an den ermittelten Häufigkeiten. 6.6.4 Handlungstheoretisch orientierte Gesprächsstrukturanalyse Während die Inhaltsanalyse dazu diente, die Texte, d.h. die Planungsgespräche möglichst vollständig zu erfassen und durch eine textreduzierende, kodierende Vorgehensweise aufzubrechen und zu beschreiben, wurde in den beiden Analysen, die im Folgenden beschrieben werden (Kap. 6.6.4 und 6.6.5), über diese nah am Text arbeitende, deskriptive Ebene hinausgegangen. Zur Beantwortung der Frage, wie sich die Planungsgespräche der Studierenden im Verlauf gestalten, musste ein Zugriff auf das Datenmaterial gewählt werden, der die prozessuale Ebene des Gesprächs erfassen und abbilden kann. Hier stößt die Qualitative Inhaltsanalyse an ihre Grenzen. Der hier beschriebene Analyseschritt hatte zum Ziel, das Planungsgespräch in seiner chronologisch-linearen Struktur zu erfassen sowie jeweils typische planerische Handlungen der Studierenden in den einzelnen Phasen des Gesprächs zu rekonstruieren. Die Analyse diente der Beantwortung der zweiten Forschungsfrage: Forschungsfragen 2A/ B: Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf? Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? Die Analyse von Sprechhandlungen und das Herausarbeiten der interaktiven Herstellung der Gesprächstruktur durch die Studierenden erfolgte in Anlehnung an Verfahren der linguistisch ausgerichteten Gesprächsanalyse (Brinker & Sager 2006; Henne & Rehbock 2001), die sich in den größeren Kontext diskursanalytischer Verfahren der qualitativen Auswertung von Daten einbettet. 8 Für den hier verfolgten Untersuchungszweck erwies sich vor allem das von Brinker & Sager (2006) sowie von Henne & Rehbock (2001) vorgestellte Inventar gesprächsanalytischer Terminologien, Modelle und Analyseverfahren als 8 Die Gesprächsanalyse wurde beeinflusst bzw. steht in Proximität zu Forschungsrichtungen wie der Konversationsanalyse (Kallmeyer & Schütze 1976; Sacks et al. 1974; s. a. Deppermann 2008), der Sprechakttheorie (Austin 1962; Searle 1969) oder der funktional-pragmatischen Diskursanalyse (Ehlich & Rehbein 1986; Rehbein 2001), verfolgt jedoch spezifische Ziele bzw. geht von spezifischen Prämissen aus, die mit den hier verfolgten Analysezielen am besten vereinbar waren. 201 am besten geeignet, die zweite Forschungsfrage der vorliegenden Studie zu untersuchen. Nach Brinker & Sager zielen gesprächsanalytische Verfahren darauf ab, gesprächskonstitutive Einheiten (Schritt, Sequenz, Phase) zu ermitteln und als Elemente der Gesprächsstruktur auf verschiedenen sprachtheoretischen Ebenen (etwa Äußerungsebene, Bedeutungsebene, Handlungs- und Beziehungsebene) zu beschreiben. […] Zum anderen geht es um die Rekonstruktion der interaktiven Verfahren und der ihnen zugrundeliegenden kommunikativen Prinzipien bei der Herausbildung dieser Struktur im Gesprächsverlauf. (Brinker & Sager 2006: 19) Gespräche werden in jenem Kontext als komplexe Einheiten sozialer Kommunikation betrachtet, die von den Sprechenden durch unterschiedlich große Einheiten strukturiert werden. Brinker & Sager (2006: 62ff.) unterscheiden hier z.B. Gesprächsschritte, Sequenzen und Phasen (Brinker & Sager 2006: 62ff.). In ihrem Überblicksartikel zum Aufbau und zur Abfolge von Gesprächsphasen im Kontext der Gesprächsforschung fassen Spiegel & Spranz-Fogasy (2001: 1242) zusammen, dass die quantitative Gliederungsdimension, als eine von zahlreichen weiteren interpretationsrelevanten Dimensionen, den Blick auf unterschiedlich große Einheiten richtet und dabei eine Mikro-, Meso-, oder Makroebene unterschieden werden kann. Auf der Mikroebene werden Wörter oder andere Gliederungssignale fokussiert, auf der Mesoebene dienen Gesprächsschritte oder Sequenzen als Bezugsgröße und auf der Makroebene geht es um das Erfassen der Gesprächsstruktur hinsichtlich verschiedener Gesprächsphasen. Der Gesprächsschritt gilt in der Gesprächsforschung als Grundeinheit, im Englischen wird er als turn bezeichnet und als all das definiert, „was ein Individuum tut und sagt, während es an der Reihe ist“ (Goffman 1974: 201). Gesprächssequenzen setzen sich aus mindestens zwei Gesprächsschritten zusammen, deren Verknüpfung weder grammatisch noch thematisch, sondern kommunikativ-funktional bestimmt ist (Brinker & Sager 2006: 83). Auf der Makroebene werden Gespräche i.d.R. in drei Phasen unterteilt: Gesprächseröffnung, Kernphase oder Gesprächsmitte und Gesprächsbeendigung (Brinker & Sager 2006: 99f.; Henne & Rehbock 2001: 14). Gesprächsphasen definieren Henne & Rehbock (2001: 180) folgendermaßen: Gesprächsphasen werden durch jeweils eine oder mehrere Gesprächshandlungen konstituiert und liegen in der oben angegebenen Grobstruktur vor [Eröffnung, Mitte, Beendigung, Anm. PK]. Vor allem die Gesprächsphase der Mitte zeichnet sich zumeist durch hohe Komplexität, d.h. eine vielfach geschichtete Gesprächshandlungsstruktur aus. Deshalb scheint es notwendig, die grobe Kategorie Gesprächsphase durch die Kategorie Teilphase zu spezifizieren. 202 Die Teilphasen eines Gesprächs werden durch Themen- oder Subthemenwechsel oder durch Situationsveränderungen (z.B. das Hinzutreten einer Person) markiert. Spiegel & Spranz-Fogasy (2001: 1242) problematisieren die Verwendung des Begriffs der Gesprächsphase, da er ihrer Ansicht nach suggeriert, dass Phasen klar voneinander abgrenzbar sind, ihr Vorhandensein für einen Interaktionstyp konstitutiv ist, Abfolgen linear und Aktivitäten bestimmten Phasen klar zuordenbar sind. Trotz der Problempunkte soll hier, wie letztlich auch bei Spiegel & Spranz-Fogasy (2001), an diesem Begriff festgehalten werden, wobei die Analyse von einer Sensibilität gegenüber jenen Aspekten geprägt sein sollte. Im Folgenden wird beschrieben, wie der Verlauf der Planungsgespräche auf einer meso- und makrostrukturellen Ebene untersucht wurde. 6.6.4.1 Die Meso- und Makroebene: Das Erfassen der Gesprächstruktur und entsprechender Gesprächshandlungen Aufgrund der Länge und Komplexität der Planungsgespräche wurden in Anlehnung an Brinker & Sager (2006: 108) größere Strukturierungseinheiten als die der Gesprächssequenz gewählt. Brinker & Sager (ebd.) unterscheiden bezüglich der Segmentierung der Daten in eine thematische und eine Handlungsebene, da vor allem die Kernphase von Gesprächen der Abhandlung von Themen und der Verwirklichung von Handlungszielen dient (vgl. dazu auch Henne & Rehbock 2001). Das Bestimmen von Themen oder Handlungen (bzw. Aufgaben) führt demnach zur Segmentierung des Datenmaterials. Brinker & Sager (2006: 108) gehen davon aus, dass beide Ebenen eng miteinander verbunden sind. Eine Gliederung von Gesprächen in thematische Abschnitte kann ihrer Ansicht nach als Grundlage für weitere Analysen dienen, die sich dann stärker an Gesprächshandlungen als strukturierendes Element orientieren. Eine handlungsbezogene Gesprächsgliederung wird auch in anderen gesprächsanalytischen Modellen verfolgt (Kallmeyer & Schütze 1976; Ehlich & Rehbein 1986). In Anlehnung an Analysehinweise von Brinker & Sager sowie aufgrund der vielfachen Orientierung an Gesprächshandlungen auch in anderen Modellen erfolgte für die makrostrukturelle Analyse der in der vorliegenden Studie fokussierten Planungsgespräche eine Segmentierung der Gespräche auf der Handlungsebene, wobei die in der Inhaltsanalyse ermittelten Gesprächsthemen jene zusätzliche Gliederungsbasis lieferten, die Brinker & Sager als „wichtige Grundlage“ bezeichnen (2006: 111). Die Unterrichtsplanungsgespräche wurden in einem ersten Analyseschritt nach kommunikativ-funktionalen Gesichtspunkten in Segmente unterteilt. Die Äußerungen der Studierenden wurden also daraufhin untersucht, welche Art von Handlung an einer bestimmten Stelle im Gesprächsverlauf ausgeführt wird 203 (z.B. Überblick über Material verschaffen, Bestimmen von Unterrichtszielen, Planung der ersten Unterrichtsphase, etc.). Henne & Rehbock definieren den Begriff der Gesprächshandlung folgendermaßen: 'Gesprächshandlung' ist die oberste Interaktionseinheit der mittleren Analyseebene: Eine Gesprächshandlung ist ein situativ und thematisch bestimmtes kooperatives Handlungsgefüge, das jeweils eine spezifische Station des Gesprächsverlaufs darstellt. (Henne & Rehbock 2001: 167, Hervorh. im Orig.) Brinker & Sager beziehen sich in ihrem Verständnis von Handlungen auf Schank (1981) und gehen von einem Handlungsplan aus, den es in Gesprächen zu erfüllen gilt. Ein gegebener Zustand soll in einen erwünschten Zustand überführt werden, wobei die Sprechenden durch das Erreichen von Teilzielen versuchen, den Zielzustand zu erreichen. Die Kernphase ist daher in Teilphasen unterteilt, in denen jeweils unterschiedliche Teilziele realisiert werden (Brinker & Sager 2006: 111f.). In der teils schwierigen Abgrenzung von Thema und Handlung dienten daher vor allem die Merkmale der Zielgerichtetheit und Intentionalität als Unterscheidungskriterium. Andererseits dienten die bereits ermittelten Themen, die in den Gesprächen verhandelt wurden (s. Kap. 8) als Hilfe, Gesprächshandlungen zu spezifizieren. Es zeigt sich jedoch, dass sich die Segmentgrenzen bei der thematischen und handlungsbezogenen Strukturierung mitunter unterscheiden (s. auch Brinker & Sager 2006: 114f.). Die Segmentierung erfolgte zunächst auf einer relativ hohen Abstraktionsebene, d.h. die einzelnen Segmente waren relativ groß, so dass sich ein Gesprächsverlauf herausstellen ließ. Nach der handlungsbezogenen Segmentierung der Gesprächsdaten auf der mittleren Ebene der Strukturierung wurde mithilfe der grafischen Funktionen von MAXQDA (MAXMaps) für jedes Gespräch ein Flussdiagramm erstellt. Durch die weiterführende Arbeit mit den Diagrammen und den handlungsbezogenen Codes und Kodierungen, d.h. durch ein erneutes Überprüfen von Segmentgrenzen, durch das Präzisieren von Handlungsbeschreibungen (in Form von Codes und Memos) und Versuche, eine Gesprächsstruktur innerhalb der Gespräche nachzuzeichnen sowie durch den Vergleich der Gespräche und ihrer jeweiligen Handlungen miteinander konnte eine Phasierung auf der Makroebene herausgestellt und in einem Verlaufsstrukturbild veranschaulicht werden (s. Abb. 18, Kap. 9.1). Von der Makroebene wieder auf die Mesoebene wechselnd wurden anschließend die einzelnen Gesprächsphasen durch ein erneutes Fokussieren der die Phase konstituierenden Gesprächshandlungen spezifiziert. Bei der Analyse der Kernphase zeigte sich, dass die Studierenden in mehreren Teilphasen das Ziel verfolgen, eine spezifische Phase des Unterrichts und 204 innerhalb dieser Phase verschiedene Aktivitäten zu planen (s. Abb. 18). Damit ergab sich ein komplexes Gefüge aus Gesprächsphasen, die der Vorbereitung einzelner Aktivitäten dienen. Um der Komplexität der Kernphase gerecht zu werden und den zweiten Teil der oben aufgeführten Forschungsfrage zu beantworten, wurde nun der Fokus auf die kommunikative Realisierung einzelner Teilphasen im mittleren Gesprächsteil (Kernphase) gerichtet, so dass neben der Gesamtstruktur der Planungsgespräche auch die Verlaufsstruktur der Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten erfasst werden konnte. Hierfür konnte u.a. auf die Ergebnisse einer Untersuchung von Broeckmans (1986) zurückgegriffen werden, der in einer ebenfalls auf Handlungen fokussierten Analyse von Daten zur individuellen Unterrichtsplanung von Studierenden (logbooks on planning, retrospective interviews) typische Planungshandlungen auf drei Stufen der Detailliertheit ermittelte (s. Kap 4.2.4). Es wurde nun anknüpfend an diese Dreiteilung, die sich auch in den Planungsgesprächen nachzeichnen ließ, weiter ausdifferenziert, welche Gesprächshandlungen die Planung einer Unterrichtsaktivität bestimmen. Diese Ebene soll hier als Mikroebene bezeichnet werden. Im Überblick kann die Analyse der Gesprächsdaten wie folgt dargestellt werden, wobei ausschnitthaft ein Teil der Orientierungsphase illustriert wurde (s. Tab. 8). Makroebene Mesoebene Mikroebene Orientierungsphase Reaktivierung der Planungsaufgabe … Erfassen der Ausgangssituation Verständigung über Vorarbeiten Überblick über Material verschaffen Einschätzen von Voraussetzungen der Schüler/ innen Bestimmen von Unterrichtsinhalten und Zielen … Tab. 8: Analyse von Gesprächshandlungen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene 6.6.5 Sinnrekonstruktive Sequenzanalyse Im dritten Teil der Datenanalyse wurde der Frage nachgegangen, wie die Studierenden im Austausch miteinander Bedeutungen aushandeln und Sinn konstruieren. Die Kooperation der Untersuchungsteilnehmer/ innen stand dabei im Fokus der Aufmerksamkeit: Forschungsfrage 3: Wodurch ist die Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Planungsgespräche gekennzeichnet? Welche Potentiale bzw. Probleme sind mit der Kooperation verbunden? 205 Das Planungsgespräch wird damit als soziale Praxis verstanden und es galt in diesem Analyseschritt, die Bedeutung und die Muster dieser Praxis zu rekonstruieren. Dieses sinnrekonstruierende Vorgehen bei der Analyse der Daten verortet sich im methodologischen Kontext der interpretativen (qualitativen) Sozialforschung. Mit dem Verfahren der Sequenzanalyse wird für diesen Untersuchungsteil ein Vorgehen gewählt, das in verschiedenen Forschungsansätzen, insbesondere im Rahmen der Konversationsanalyse sowie auch in der Objektiven Hermeneutik Verwendung findet. Wenngleich beide Forschungsprogramme durchaus von unterschiedlichen methodologischen Prämissen ausgehen, so lässt sich in der Fokussierung eines sequenzanalytischen Vorgehens eine Gemeinsamkeit ausmachen, die es ermöglicht, methodische Grundannahmen und Prinzipien beider Ansätze in den Forschungsprozess der hier vorgestellten Datenanalyse einfließen zu lassen. Als übergeordnetes Erkenntnisprinzip dieser Teilanalyse gilt das deutende Verstehen von Sinnstrukturen über die Ebene der Konstruktionen ersten Grades hinaus (s. Kap. 6.5.3) (vgl. Kleemann et al. 2009: 14ff.). Im Folgenden soll der Verlauf der Sequenzanalyse unter Rückbezug auf forschungsleitende Prinzipien ausführlicher dargestellt werden. 6.6.5.1 Analyseprinzipien und Forschungsprozess Strukturelle Beschreibung Bevor es zur detaillierten Analyse einzelner Sequenzen kommt, empfiehlt Deppermann (2008) bei umfassenderen Gesprächen zunächst eine Beschreibung der Daten auf makrostruktureller Ebene, d.h. eine Einteilung der Gespräche in Themen- und Handlungssegmente: Diese Gliederung ist nicht nur hilfreich, wenn die globale Gesprächsstruktur und Verlaufsdynamik selbst von Interesse sind. Sie kann auch für die Detailanalyse wertvolle Interpretationshintergründe liefern. Wenn wir wissen, aus welcher übergreifenden Gesprächsphase eine Äußerung stammt, können Besonderheiten ihrer Funktion und Behandlung oft sehr viel leichter und valider erkannt und interpretiert werden. Umgekehrt werden Analysefehler und Übergeneralisierungen vermieden, die dann entstehen, wenn sehr spezifische Umstände nicht berücksichtigt werden, die für die Gestaltung einer Äußerung verantwortlich sind. (Deppermann 2008: 52) Hier greifen die Datenanalysen 2 und 3 ineinander, indem die makrostrukturelle Gliederung, die im Analyseschritt 2A vollzogen wurde, eben jene grundlegende Beschreibung darstellt, die Deppermann als wertvollen Ausgangspunkt des anschließenden sequenzanalytischen Vorgehens betrachtet. 206 Selektion Aus der Kenntnis der Daten heraus wurden nun einzelne Gesprächspassagen ausgewählt, die sich als interessante Ausgangspunkte für die Beantwortung der Forschungsfrage darstellten (vgl. Deppermann 2008: 52). Dabei wurde bei der Auswahl der Fokus auf Passagen gerichtet, die auffällige, neuartige etc. Phänomene enthalten, klare Fälle (,clear cases‘) einer Gesprächspraktik zu sein scheinen oder offenbare Verdeutlichungsleistungen (,displays‘) der Interaktionsteilnehmer beinhalten, mit denen sie zeigen, daß ein Problem, das den Forscher interessiert, für sie relevant ist. (ebd., Hervorh. im Orig.) Bei diesem Sampling wurden nur die interaktiven Gesprächsdaten aus den Planungsgesprächen berücksichtigt. Die Daten aus dem Lauten Erinnern und der Befragung der Studierenden fanden hier zunächst keine Berücksichtigung, da durch ein Hinzuziehen zusätzlicher Informationen zum Gesprächsprozess das Prinzip der Sequenzialität gestört werden würde. Das strikt sequenzielle Vorgehen stellt ein wesentliches Prinzip interpretativer Verfahren dar (vgl. Breidenstein & Tyagunova 2012; Deppermann 2008; Kleemann et al. 2009; Kruse 2010; Przyborski & Wohlrab-Sahr 2008). Durch das Beachten der Reihenfolge der verbalen und aktionalen Handlungen ohne inhaltliche Vorgriffe soll der emergente Charakter kommunikativen Sinns berücksichtigt werden, denn Sinn entsteht sukzessive im Prozess der interaktiven Aushandlung. Damit wird gewährleistet, dass die Forschungsperson sich auf einer Ebene mit den Untersuchungsteilnehmer/ innen bewegt und nur das analysiert, was den Sprechern im Moment des Interagierens von Bedeutung war (Deppermann 2008: 54). Inhaltliches Paraphrasieren Die ausgewählten Passagen wurden anschließend paraphrasiert, um sich bewusst zu machen, worum es in dieser Sequenz geht, wer mit wem worüber spricht und worauf sich die Gesprächspartner/ innen beziehen. Die Ergebnisse der Verlaufsanalyse erwiesen sich dabei aufgrund der Komplexität der Planungsgespräche als außerordentlich hilfreich, da sie ermöglichten, die ausgewählten Passagen im Gesprächsverlauf zu verorten und dadurch der Interaktion der Studierenden folgen zu können. Die Paraphrasen dienten dem besseren Verständnis, wobei hier zu beachten war, dass die weiterführende Analyse sich weiterhin auf die Videoausschnitte oder Transkripte stützte und nicht von den verkürzten Beschreibungen der Paraphrase ausging, denn dann würden nicht die Gesprächsdaten, sondern die eigenen ersten Interpretationen analysiert werden (vgl. Deppermann 2008: 55; Kruse 2010: 155) 207 Sequenzanalyse Bei der Detailanalyse der ausgewählten Sequenzen ist eine Verfahrensweise zu wählen, die der Problematik des Fremdverstehens und der damit einhergehenden Subjektivität und Beliebigkeit von Verstehens- und Interpretationsprozessen entgegen wirkt. Um ein kontrolliertes Fremdverstehen zu ermöglichen, sollte daher das Vorgehen bei der Analyse von einigen zentralen Prinzipien geleitet sein, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. • Sensibilisierung auf sprachlich kommunikative Phänomene: Sinn oder Bedeutungen sind immer sprachlich konstruiert, d.h. ein wesentlicher Fokus ist zunächst auf die sprachliche Realisierung von Äußerungen gerichtet: „Die analytische Grundlegung von Interpretationen kann immer nur kommunikativer Sinn sein, der sich in sprachlich-kommunikativen Phänomenen manifestiert und somit zuerst einmal rein deskriptiv analysiert werden muss.“ (Kruse 2010: 159). • Fokussierung auf die Daten: Die Analyse bezieht sich streng auf das vorhandene Datenmaterial. Interpretationen müssen aus dem Text heraus entwickelt werden und sich konsistent mit diesem decken (Kruse 2010: 152). • Befremden des eigenen Normalitätshorizontes: Es sollte eine Haltung der methodischen Fremdheit entwickelt werden, „bei der die Selbstverständlichkeit des Immer-Schon-Verstanden-Habens der Alltagsphänomene, mit denen man sich beschäftigt, ebenso eingeklammert wird wie das praktische Interesse und die Bewertungen, die wir normalerweise mit den Ereignissen verbinden.“ (Deppermann 2008: 85, s. auch Breidenstein & Tyagunova 2012: 391; Kruse 2010: 156) • Das Einnehmen einer suspensiven Analysehaltung: Es sind möglichst viele Lesarten und Interpretationen zu entwickeln, ohne sich vorschnell auf eine Version festzulegen (Deppermann 2008: 89). • Prinzip der Offenheit: Das eigene Hintergrundwissen sollte zunächst zurückgestellt werden (wenngleich die Analyse nicht ohne Vorwissen auskommt). Das sinnrekonstruktive Verstehen von Gesprächspraktiken kommt ohne vorab formulierte Hypothesen aus. • Transparenz der Deutung: Analyse und Interpretation müssen transparent und intersubjektiv nachvollziehbar dargestellt werden, die Argumentationsführung muss plausibel sein (Kruse 2010: 153). Die ausgewählten Sequenzen wurden unter Beachtung jener Prinzipien analysiert und interpretiert. Mit der Interpretation wird die Ebene des Textes verlassen, indem Zusammenhänge zu anderen Forschungsergebnissen und Theorien hergestellt werden. 208 Perspektivenerweiterung Über die Ebene der Planungsgespräche hinaus wurden in einem zweiten Analyseschritt die Äußerungen der Studierenden aus dem Lauten Erinnern und der nachträglichen Befragung untersucht, die mit den ausgewählten Textstellen oder mit zentralen Themen, die aus den Gesprächsdaten rekonstruiert wurden, in Verbindung stehen. Während die Auswertung der Interaktionsdaten Aussagen darüber ermöglicht, wie die Studierenden im Gespräch kooperativ Bedeutungen aushandeln und im Versuch der Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen dabei eine Außenperspektive eingenommen wird, erlaubt die Integration der retrospektiven Daten einen Erkenntniszuwachs in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand, indem auch die Innensicht der Untersuchungsteilnehmer/ innen und die damit verbundenen individuellen Sinnkonstruktionen der Studierenden Beachtung finden. Zum einen können die Gesprächsdaten dadurch eine Erweiterung um individuelle mentale Aspekte erfahren, die so aus den Äußerungen der Forschungsteilnehmenden während der Planungsgespräche nicht zu erschließen sind. Zum anderen ermöglichen vor allem die Daten der kurzen retrospektiven Befragung einen Blick auf die subjektive Sicht der einzelnen Teilnehmenden. Den Probandinnen und Probanden, die hier als selbstreflexive, soziale und kommunikationsfähige Individuen verstanden werden, wird damit eine Stimme gegeben, um das kollaborative Planen von Unterricht aus ihrer Sicht darzustellen. Zentrale Motive Im Prozess der Analyse und Interpretation der Daten stellten sich sukzessive zentrale Konzepte heraus, die den Untersuchungsgegenstand des kooperativen Handelns in Planungsgesprächen zu konstituieren schienen. Diesen ersten konzeptuellen Vorstellungen, die zunächst hypothetischen Charakter trugen, wurde anschließend fallvergleichend nachgegangen: Konnte die Theorie durch andere Sequenzen bestätigt, vertieft oder verändert werden? (vgl. Deppermann 2008: 94f.). Das nun folgende Sampling, d.h. die Auswahl weiterer Gesprächspassagen, richtete sich danach, die im ersten Analyseschritt emergierten Hypothesen bzw. Fragen zu klären (vgl. hierzu auch das Prinzip des theoretical sampling im Rahmen der Grounded Theory; Strauss & Corbin 1996). Eine zu diesem Zeitpunkt sehr gute Kenntnis des Datenmaterials ermöglichte eine sichere Wahl von Vergleichsfällen bei gleichzeitiger Offenheit gegenüber weiteren Fragestellungen, die sich durch die fallübergreifende Analyse aus den Daten ergaben. Auf einer theoretischen Ebene galt es abschließend, die verschiedenen Praktiken und Handlungsmuster, die sich in den Daten zeigten, in Beziehung zueinander zu setzen, zu systematisieren und zu strukturieren, so dass letztlich der Untersuchungsgegenstand durch vier zentrale Motive und diverse Unterpunkte beschrieben werden konnte (s. Kap. 10). 209 7 Kurzcharakteristika der analysierten Planungsgespräche 7.1 Das Planungsgespräch 1: Greta und Jennie 7.1.1 Übersicht PG1 Unterrichtende: Greta und Jennie Ko-Planerin: Jennie und Greta Klasse, Schulform: 6. Klasse, Gymnasium Dauer des Unterrichts: 90 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Erarbeitung eines Einkaufsdialogs (English G21/ A2: 39/ Aufgabe 18) Gesprächsdauer: 114 Minuten 7.1.2 Kurzzusammenfassung Greta und Jennie bereiten sich während des Gesprächs gemeinsam auf eine 90-minütige Doppelstunde in einer 6. Gymnasialklasse vor, in der sie auch beide unterrichten werden. Dabei wird Greta die ersten 45 Minuten der Stunde durchführen, daran schließt sich Jennies Unterricht an. Die Unterrichtseinheit wird in der siebten Semesterwoche stattfinden, d.h. es ist die dritte Doppelstunde der beiden Studierenden (s. Übersicht Anhang 5). Neben Englisch studiert Greta Sport, Jennie wird außerdem Deutschlehrerin, beide für das Lehramt an Gymnasien. Das Planungsgespräch dauert 114 Minuten. Die Unterrichtsstunde gliedert sich ein in die Lektion 2: What money can buy des Lehrwerks English G21 A2 (2007) des Cornelsen-Verlages. Es wurden im Vorfeld Empfehlungen gegeben oder Vorgaben gemacht, welche Themen und Inhalte in die Doppelstunde zu integrieren wären. Jene Vorgaben sind aus Sicht der Studentinnen jedoch nicht eindeutig, d.h. es wird im Planungsgespräch diskutiert, wie die Hinweise zu verstehen sind. Greta und Jennie verständigen sich darüber, dass es der Lehrerin zufolge in der Unterrichtseinheit thematisch um ein Einkaufsgespräch gehen sollte, das in Dialogform zu erarbeiten und zu üben wäre, um es dann von den Lernenden vortragen zu lassen. Dafür kann die Aufgabe 18 Getting by in English: Shopping for a birthday present genutzt werden (English G21/ A2: 39/ 18, s. Anhang 6.1). Greta hat sich vor dem Planungsgespräch erste Gedanken über die Stunde gemacht, Jennie ist relativ unvertraut mit dem zur Verfügung stehenden Material. Zunächst sind 210 Greta und Jennie bestrebt, die Stunde chronologisch zu besprechen und mit dem Stundeneinstieg zu beginnen. Als sie jedoch merken, dass ihnen noch unklar ist, was sie von den Schüler/ innen im zweiten Teil der Stunde erwarten und worauf die ersten Übungen hinführen sollen, widmen sie sich zunächst der Gestaltung dieser Unterrichtsphase (Erarbeitung eines Dialoges). Sie diskutieren z.B. die Einbettung in einen sinnvollen und authentischen Kontext und die entsprechende Aufgabenformulierung. Erst danach stellen sie Überlegungen an, die sich auf die erste Hälfe der Doppelstunde, d.h. auf die Hinführung zum Dialog, auf das Reaktivieren und Üben relevanter Redemittel (English G21/ A2: 39/ 18, s. Anhang 6.1) oder auf den Stundeneinstieg beziehen. 7.2 Das Planungsgespräch 2: Maren und Ute 7.2.1 Übersicht PG2 Unterrichtende: Maren und Ute Ko-Planerin: Ute und Maren Klasse, Schulform: 6. Klasse, Gymnasium Dauer des Unterrichts: 90 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Textarbeit: The Clothes Project (English G21/ A2: 40-41) Gesprächsdauer: 93 Minuten 7.2.2 Kurzzusammenfassung Die Unterrichtstunde von Maren und Ute folgt eine Woche später auf die Stunde von Greta und Jennie. Die vier Studentinnen bilden eine SPS-Gruppe. Maren und Ute unterrichten daher ebenfalls gemeinsam eine 90-minütige Einheit in einer 6. Klasse, von der jede der beiden 45 Minuten übernimmt. Auch für Maren und Ute ist es die dritte Doppelstunde, die sie gemeinsam vorbereiten und durchführen werden (s. Übersicht Anhang 5). Marens Zweitfach ist Italienisch, Ute studiert neben Englisch Gemeinschaftskunde. Es wurde zuvor mit der Lehrerin der Klasse besprochen, dass es in der zu planenden Doppelstunde um den Lehrbuchtext The Clothes Project gehen soll, der die Lektion 2, in der es um Taschengeld, Mode und Kleidung geht, abschließt (English G21/ A2: 40-41). Die Doppelseite besteht aus einem Lesetext (Part 1: At Sophie’s House) sowie einem Hörtext (Part 2: The Fashion Show). Das Lehrwerk bietet eine Reihe von Übungen an, die das Textverständnis 211 sichern und darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit dem Textinhalt anregen sollen. Maren und Ute hatten vor dem Gespräch ihren jeweiligen Teil der Stunde durchdacht und teilweise bereits vorgeplant. Maren wird die erste Stundenhälfte, Ute die zweite übernehmen. Das Gespräch hat eine Länge von 93 Minuten. Die Studentinnen gehen weitestgehend chronologisch vor. Es werden der Einstieg in die Stunde und die Hausaufgabenkontrolle besprochen, im Anschluss geht es um die Arbeit mit dem Lesetext, den Maren behandeln wird, sowie um den Hörtext (Utes Stunde). Sie arbeiten intensiv sowohl mit dem Lehrwerk (Lehrbuch und Workbook) als auch mit dem Lehrerhandbuch und diskutieren, inwieweit sie sich an die dort gemachten Vorschläge anlehnen sollen. Dabei ist für dieses Gespräch charakteristisch, dass Maren über längere Gesprächspassagen hinweg eine deutlich dominantere Rolle einnimmt. 7.3 Das Planungsgespräch 3: Ellen und Hendrik 7.3.1 Übersicht PG3 Unterrichtende: Ellen Ko-Planer: Hendrik Klasse, Schulform: 8. Klasse, Gymnasium Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Einführung der indirekten Rede (reported speech) Gesprächsdauer: 108 Minuten 7.3.2 Kurzzusammenfassung Ellen und Hendrik planen Ellens zweite Unterrichtsstunde für eine 8. Klasse an einem Gymnasium (s. Übersicht Anhang 5). Ellen möchte Grundschullehrerin werden. Ihre Ausbildung im Kernfach Englisch wird sie außerdem befähigen, Englisch an Mittelschulen zu lehren, weshalb sie an den SPS für die Sekundarstufe 1 teilnimmt. Hendrik studiert Lehramt für Gymnasien, sein zweites Fach ist Mathematik. Der hier besprochenen Stunde folgt der Unterricht, der in PG7 geplant wird. Bei der Wahl des Unterrichtsinhalts orientieren sich die Lehrerin und die Studierenden am Lehrwerk English G2000 A4 (1999) des Cornelsen-Verlags. Thematisch beschäftigt sich die Lektion 3, die gerade behandelt wird, mit der amerikanischen Kolonialgeschichte, den ersten Siedlern und der Sklaverei, sprachlich geht es u.a. um die indirekte Rede. In dieser Stunde soll die indirekte 212 Rede ohne zeitliche Rückverschiebung thematisiert werden 1 . Es wird besprochen, dass zu Beginn die Hausaufgabe aus der vorherigen Stunde kontrolliert wird. Dann schlägt Ellen vor, die Zeitformen zu wiederholen, um die indirekte Rede mit backshift of tenses, die in der folgenden Stunde im Fokus stehen soll, vorzubereiten. Nachdem Ellen und Hendrik die Reaktivierung der Zeitformen geplant haben, widmen sie sich der neuen grammatischen Struktur. Ellen und Hendrik sprechen viel über die Einbettung der Struktur in einen situativen Kontext sowie über die Art und Weise der Kognitivierung grammatischer Regeln. Die Themen, die für die Kontextualisierung der indirekten Rede diskutiert werden, orientieren sich an der Lebenswelt der Schüler/ innen. So geht es z.B. um Verständnisprobleme aufgrund lauter Musik oder um Gerüchte über andere Personen. Das Thema der entsprechenden Lehrbuchseiten, ein Projekt über Vorfahren und ein Museum über Colonial Williamsburg, wird anfangs abgelehnt, später dann aber doch noch in die Stunde integriert. Es wird abschließend eine Übung aus dem Workbook eingeplant, in der die Struktur geübt wird. Die indirekte Rede ohne Zeitverschiebung wird im Planungsgespräch als grammatische Form kaum explizit thematisiert. Im Verlauf des Gesprächs zeigt sich, dass mitunter keine klare Abgrenzung vorgenommen wird zur indirekten Rede mit Zeitverschiebung. Dies wird z.B. deutlich, wenn als Kontextualisierung in Erwägung gezogen wird, sich vorzustellen, jemanden zu bitten, etwas Unverstandenes zu wiederholen: “What did you say? ˮ Dieser Kontext würde jedoch die indirekte Rede mit Zeitverschiebung erfordern. 1 Die im Lehrwerk der 8. Klasse thematisierte grammatische Struktur der indirekten Rede umfasst folgende Regeln: Wenn das einleitende Verb im Präsens steht, bleibt die Aussage der indirekten Rede so bestehen (z.B.: Mariah says that they have no famous ancestors.). Steht das einleitende Verb in der Vergangenheit, kommt es zu einer Rückverschiebung der Zeitform der direkten Rede (z.B.: “A lot of famous Virginians have lived here. ˮ > The guide told us that a lot of Virginians had lived here.) (English G2000/ A4: 130f.) 213 7.4 Das Planungsgespräch 4: Philip und Linda 7.4.1 Übersicht PG4 Unterrichtende: Philip Ko-Planerin: Linda Klasse, Schulform: 6. Klasse, Gesamtschule Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Textarbeit: The Mystery of Loch Ness (Orange Line 2: 102-109) Gesprächsdauer: 65 Minuten 7.4.2 Kurzzusammenfassung Das Planungsgespräch 4 dokumentiert die Vorbereitung einer Englischstunde in einer 6. Klasse durch Philip und Linda. Philip studiert Englisch und Sport für das Lehramt an Mittelschulen. Er wird die Stunde durchführen. Linda studiert für das Lehramt an Gymnasien für die Fächer Englisch und Deutsch. Das Gespräch dauert 65 Minuten. Im Planungsgespräch wird die vierte Stunde im Rahmen der SPS und Philips zweiter Unterrichtsversuch vorbereitet (s. Übersicht Anhang 5). Die SPS-Gruppe, der neben Philip und Linda auch Mattis angehört (s. PG6), arbeitet nicht nur mit der Dozentin, sondern auch intensiv mit der Lehrerin der Klasse zusammen, die zudem ausgebildete Mentorin ist. So wurde u.a. zu Beginn der SPS ein Planungsgespräch mit allen Beteiligten geführt, in dem ein Stoffverteilungsplan erarbeitet wurde. Demzufolge orientieren sich die Studierenden bei ihrer Vorbereitung an diesem Plan, der zum Zeitpunkt der Datenerhebung u.a. die Beschäftigung mit der Region Schottland und der unitunabhängigen Geschichte The Mystery of Loch Ness aus dem Lehrwerk Orange- Line 2 (2006b: 102) vorsieht. Die Geschichte wird, unterteilt in verschiedene Abschnitte, Inhalt mehrerer Stunden sein. Die Studierenden entscheiden sich im gemeinsamen Gespräch zunächst für einen Unterrichtseinstieg, in dem über Erlebnisse während der Weihnachtsferien gesprochen wird. Anschließend planen Philip und Linda die Kontrolle der Hausaufgabe. Den Schüler/ innen war zuvor die Aufgabe erteilt worden, einen weiteren Teil der Geschichte zu lesen. Philip und Linda besprechen gemeinsam die Antworten auf die Fragen, die zum Text gestellt wurden. Im Anschluss an die Beschäftigung mit den Verständnisfragen wird die Gestaltung der postreading Aktivitäten geplant. Binnendifferenzierend soll eine Gruppe von Lernenden ein eigenes Ende schreiben. Die übrigen Schüler/ innen der Klasse 214 sollen ebenfalls in Gruppen arbeiten. Philips vor dem Planungsgespräch entwickelte Idee sah vor, den Schüler/ innen drei mögliche Enden zu präsentieren, die in mehrere Teile zerschnitten und vermischt werden. Die einzelnen Abschnitte sollten dann wieder zu drei Enden zusammengepuzzelt werden. Anschließend würden die Schüler/ innen aufgefordert werden, das ihrer Meinung nach beste Ende auszuwählen und einen Text zu schreiben, in dem sie ihre Wahl vorstellen und begründen. Philip und Linda versuchen im Planungsgespräch, die drei Enden inhaltlich zu konzipieren und auf Englisch auszuformulieren. Diese Vorbereitungstätigkeit nimmt einen großen Teil des Gesprächs ein, ohne dass die Studierenden zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen. Das führt u.a. dazu, dass diese post-reading Aktivität wieder in Frage gestellt wird. Letztlich wird das Gespräch abgebrochen, da keine Lösung für das Problem gefunden wird. 7.5 Das Planungsgespräch 5: Nina und Rieke 7.5.1 Übersicht PG5 Unterrichtende: Nina Ko-Planerin: Rieke Klasse, Schulform: 5. Klasse, Gymnasium, Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Einstieg in die Lektion Greenwich Project Week (Green Line 1: 56-57) Gesprächsdauer: 90 Minuten 7.5.2 Kurzzusammenfassung Nina und Rieke bereiten sich auf eine Stunde in einer 5. Gymnasialklasse vor, die Nina durchführen wird. Es ist ihre zweite Unterrichtstunde in der Klasse (s. Übersicht Anhang 5). Riekes zweite Unterrichtstunde ging dieser Stunde voraus. Beide studieren Lehramt an Gymnasien für die Fächer Englisch und Spanisch. Anja und Heike (s. PG8) sind ihre SPS-Gruppenmitglieder. Nina und Rieke benötigen 90 Minuten für ihr Planungsgespräch. Die Unterrichtsstunde soll der Einführung in die neue Lehrbuchlektion Greenwich Project Week dienen. Die Lehrerin arbeitet in enger Anlehnung an das Lehrbuch Green Line 1 (2006) vom Klett-Verlag und auch die Stunden der Studierenden folgen im Groben dem Verlauf des Lehrwerks. Die entspre- 215 chende Doppelseite des Lehrbuchs besteht aus sechs Bildern und dazugehörigen Texten (die auch als Audiotexte vorliegen), die einer Broschüre für Touristen nachempfunden sind (Green Line 1: 56-57). Dazu werden vier Unterrichtsaktivitäten vorgeschlagen. Die erste Übung zielt auf die Zuordnung der Bilder zu den entsprechenden Texten, die zweite Übung regt die Schüler/ innen an, mithilfe vorgegebener useful phrases über ihre eigene Stadt zu berichten (In my town we’ve got …). Die Aufgabe Nr. 3 bereitet auf ein Projekt vor, indem die Lernenden aufgefordert werden, Bilder über ihre Stadt zu sammeln und mit 1-2 Sätzen zu beschreiben. Die vierte Übung ist ein Training des Hörverstehens. Es sind vier Szenen zu hören, denen dann jeweils ein Bild zugeordnet werden muss. Nina hatte sich vor dem Gespräch erste Gedanken gemacht. Die Studierenden besprechen den Verlauf der Stunde in chronologischer Reihenfolge (Hausaufgabenkontrolle, Hinführung zum Text und Semantisierung von Lexik, Hörübung und Zuordnung von Bildern, Ergebniskontrolle, Lesen und Zusammenfassen der Texte, Präsentation der Sehenswürdigkeiten, lautes Lesen der Texte, Hausaufgabe für die kommende Stunde, Zusatzaufgabe). Nina und Rieke setzen sich sehr detailliert mit dem möglichen Unterrichtsgeschehen auseinander, es werden z.B. Fragen aufgeworfen, wie Aufgaben formuliert, das Verständnis gesichert, Gruppen eingeteilt oder Ergebnisse kontrolliert werden können. Eine Besonderheit besteht darin, dass Nina während des Gesprächs am Laptop eine Stundenverlaufstabelle erstellt, die später der Dozentin vorgelegt werden soll. 7.6 Das Planungsgespräch 6: Mattis und Linda 7.6.1 Übersicht PG6 Unterrichtende: Mattis Ko-Planerin: Linda Klasse, Schulform: 6. Klasse, Gemeinschaftsschule, 45 Minuten Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Textarbeit & Lesestrategien skimming und scanning Gesprächsdauer: 50 Minuten 7.6.2 Kurzzusammenfassung Mattis und Linda planen eine Stunde in einer 6. Klasse einer Gemeinschaftsschule (Grund- und Mittelschule). Beide studieren Lehramt für Gymnasien. 216 Mattis’ Zweitfach ist Sport, Lindas Zweitfach ist Deutsch. Die SPS-Gruppe besteht insgesamt aus drei Personen (Mattis, Linda und Philip, s. PG4). Dieser Stunde gehen vier Stunden voraus (s. Übersicht Anhang 5). Für Mattis, der den Unterricht durchführen wird, ist es die zweite Stunde, Linda hat bereits zwei Stunden in dieser Klasse unterrichtet. Das Gespräch dauert 50 Minuten. Inhaltlich sollen in dieser Englischstunde die Lesetechniken skimming und scanning (überfliegendes und suchendes Lesen) bewusst gemacht und geübt werden. Mattis hat zuvor zu Hause über einen groben Plan nachgedacht. Im Planungsgespräch gehen die Studierenden die Stunde Schritt für Schritt durch und besprechen dabei auch Details der Unterrichtsgestaltung. Mattis schildert zuerst seinen Plan, ein Motto für die Stunde festzulegen („Die leiseste Stunde überhaupt“). Dann werden die einzelnen Unterrichtsabschnitte diskutiert (s. auch Abb. 19). Mattis wird den Schüler/ innen die Lesetechniken unterstützt durch eine Powerpoint-Präsentation erklären, es wird ein Arbeitsblatt zum Festhalten der Informationen durch die Schüler/ innen verwendet und anschließend werden die Strategien erprobt: skimming durch das überfliegende Lesen eines Textes und die Beantwortung von multiple-choice-Fragen und scanning durch das Überfliegen von vier kurzen Texten und die Beantwortung von offenen Fragen. Die Texte werden keinem Lehrbuch entlehnt, es sollen authentische Texte dafür gesucht und verwendet werden. Nach diesem Strategientraining soll weiter an der Geschichte The Mystery of Loch Ness gearbeitet werden. Mattis schlägt vor, ein sogenanntes Logico-Maximo-System zu verwenden, ein Übungsgerät in Form einer DIN-A4-großen Tafel, auf der Ja-/ Nein- / Nicht-im-Text-Antworten in Bezug auf Aussagen zum Text von den Lernenden durch das Arrangieren entsprechender farbiger Knöpfe markiert werden können. Nach Beendigung der Aufgabe ist eine Selbstkontrolle durch das Wenden der Tafel möglich, indem die Farben ein bestimmtes Muster ergeben müssen. 7.7 Das Planungsgespräch 7: Clara und Ellen 7.7.1 Übersicht PG4 Unterrichtende: Clara Ko-Planerin: Ellen Klasse, Schulform: 8. Klasse, Gymnasium Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: indirect speech Gesprächsdauer: 52 Minuten 217 7.7.2 Kurzzusammenfassung Clara und Ellen planen eine Englischstunde für eine 8. Klasse eines Gymnasiums. Ihre SPS-Gruppe besteht aus drei Personen (Clara, Ellen und Hendrik, s. PG3). Clara wird die Stunde durchführen. Sie studiert Gymnasiallehramt für die Fächer Englisch und Deutsch. Der zu planenden Stunde gingen vier Unterrichtsstunden voraus (s. Anhang 5). Die vorherige Stunde, die von Ellen unterrichtet wurde, ist Inhalt des Planungsgesprächs 3. Es ist Claras zweite Stunde im Rahmen der SPS, Ellen unterrichtete bereits zwei Stunden. Das Planungsgespräch ist mit 52 Minuten Länge relativ kurz. Die vorausgehende Stunde fand im alten Jahr statt, d.h. es gab eine längere Pause zwischen den von den Studierenden gehaltenen Stunden. Diese Stunde stellt die Weiterführung der Auseinandersetzung mit einer grammatischen Struktur, der indirekten Rede dar. In der Stunde zuvor wurde die indirekte Rede ohne zeitliche Rückverschiebung behandelt. Inhalt dieser Stunde soll die indirekte Rede mit zeitlicher Rückverschiebung sein (s. Fußnote 27). Vorgaben bezüglich eines situativen Rahmens seitens der Lehrerin scheinen nicht vorzuliegen. Das verwendete Lehrbuch bietet eine thematische Einbettung in das Lektionsthema Colonial Williamsburg an (English G2000/ A4: 80ff.). Clara hat die Stunde schon weitestgehend vorbereitet und den Entwurf zuvor an Ellen geschickt. Er enthält Angaben über Thema, Inhalt und Ziele der Stunde sowie einen tabellarischen Verlaufsplan. Die von Clara geplante Stunde widmet sich ausschließlich der grammatischen Struktur: Es wird an die vorherige Stunde angeknüpft, die Struktur soll mittels eines Arbeitsblattes präsentiert und mit den Lernenden im gelenkten Unterrichtsgespräch erarbeitet werden, es soll ein Tafelbild erstellt und die Struktur soll geübt werden. Clara möchte den Stundenentwurf im Planungsgespräch mit Ellen chronologisch durchgehen, was weitestgehend auch so umgesetzt wird. Sie diskutieren nacheinander fünf Unterrichtsabschnitte (Einführung / Wiederholung; Hausaufgabenkontrolle; Präsentation und Erarbeitung der neuen Struktur; Übungen; Hausaufgaben für die nächste Stunde / Zusatzaufgabe / Stundenende). Bei der Besprechung zeigen sich drei zentrale Problempunkte, die an verschiedenen Stellen immer wieder aufscheinen: Clara hält die von ihr geplante Stunde für zu lehrerzentriert. Es taucht außerdem wiederholt die Frage auf, ob die Schüler/ innen über ausreichende Vorkenntnisse über die englischen Zeitformen verfügen, um die in der Stunde gestellten Aufgaben lösen zu können und ob eine Wiederholung der Zeitformen in dieser Stunde realisiert werden könnte. Es wird des Weiteren diskutiert, wie der Stundeninhalt eingegrenzt, d.h. die Komplexität der Struktur reduziert werden sollte. Die Probleme werden an mehreren Stellen angesprochen, es kommt lange Zeit zu keiner Lösung, bis am Ende eine Idee entsteht, die beide 218 Probleme zu lösen scheint: In einer interaktiven Übung sollen die Schüler/ innen die Zeitformen wiederholen, indem sie verschiedene Kärtchen ordnen. Daraufhin werden Teile der Stunde umgeplant. 7.8 Das Planungsgespräch 8: Anja und Heike 7.8.1 Übersicht PG8 Unterrichtende: Anja Ko-Planerin: Heike Klasse, Schulform: 5. Klasse, Gymnasium, Dauer des Unterrichts: 45 Minuten Stundenthema bzw. -inhalt: Asking for directions, ein Rollenspiel zur Wegbeschreibung (Green Line 1: 59) Gesprächsdauer: 85 Minuten 7.8.2 Kurzzusammenfassung Anja und Heike sind Studentinnen für das Lehramt an Gymnasien, Anjas Zweitfach ist Mathematik, Heike studiert Englisch und Spanisch. Sie absolvieren ihr Tagespraktikum gemeinsam mit Nina und Rieke in einer 5. Gymnasialklasse. Es handelt sich um die achte Unterrichtsstunde im Rahmen der SPS (s. Übersicht Anhang 5). Für Anja ist es die zweite Stunde, die sie unterrichten wird. Heike ist ihre Ko-Planerin und hat bereits zwei Stunden durchgeführt. Das Planungsgespräch dauert 85 Minuten. Die Stunde ist eingebettet in die Unit 4 des Lehrwerks Green Line 1 (2006), in der es thematisch um die Stadt Greenwich, eine Projektwoche zum Thema Stadt, um Wegbeschreibungen etc. geht. Zu Beginn des Planungsgesprächs, aber auch an späteren Stellen wird diskutiert, welche Vorgaben die Lehrerin den Studentinnen gemacht hat und inwiefern sich Anja danach richten müsse. Damit verbunden ist die Frage nach der Auswahl der Stundeninhalte, die an mehreren Stellen im Planungsgespräch gestellt wird. Zur Auswahl steht zum einen eine Aufgabe aus dem Lehrbuch (Green Line 1: 59/ Aufg. 5: Ask for information, s. Anhang 6.2), die in mehrere Teilaufgaben gegliedert ist. Den Schüler/ innen werden zunächst Redemittel präsentiert, die verwendet werden, um jemanden nach dem Weg zu fragen. Es schließt sich ein kurzer Dialog mit Lücken an, in dem die Lernenden sich vorstellen sollen, ein Mädchen in London anzusprechen und zu fragen, wie sie zum Millenium Dome gelangen. Die darauf aufbauende Teilaufgabe lautet: “Role play: Look at the map on page 54 again. Ask your partner for information. Use 219 the new phrases. ˮ (Green Line 1: 59/ 5b). Die zweite Option wäre die Arbeit mit der darauf folgenden Lehrbuchseite (Green Line 1: 60), die einen kurzen Text enthält, der aus Bildern und Sprechblasen besteht und in dem thematisch die Storyline des Lehrbuchs weitergeführt wird. Es geht außerdem um Fragestellungen mit Do you… ? sowie um die Kurzantworten Yes, they do und No, they don’t, die im Text enthalten sind sowie anschließend geübt werden. Anja hatte zunächst vor, sich mit beiden Themen im Unterricht zu beschäftigen und hatte sich erste Gedanken dazu gemacht. Heike hatte sich hingegen nur die Lehrbuchseite 60 genauer angesehen. In der ersten Hälfte des Planungsgesprächs besprechen die beiden die Bearbeitung der ersten Aufgabe, so wie es sich Anja zuhause durchdacht hatte. Sie präzisieren zunächst zwei Unterrichtsabschnitte: die Semantisierung neuer Lexik und die dialogische Lückentextübung (Green Line 1: 59/ 5a). Im zweiten Teil des Planungsgesprächs wird der dritte Unterrichtsabschnitt geplant. Nach vielfältigen Diskussionen über die zur Verfügung stehende Zeit, die Motivation der Schüler/ innen, die eigenen Vorlieben und Vorstellungen bezüglich eines Rollenspiels etc. entscheiden sich Anja und Heike, die Aufgabe 5b: A role play durchzuführen und keine neue Aufgabe zu beginnen. Die Planung dieses Unterrichtsabschnittes nimmt viel Zeit in Anspruch, da vor allem nach einem authentischen Kontext gesucht wird, in den das zuvor erarbeitete und geübte Sprachmaterial (asking for directions) situativ eingebettet von den Lernenden angewendet werden kann. 221 8 Gesprächsinhalte bei der kooperativen Unterrichtsplanung Der erste Teil der Datenanalyse zielte darauf ab, die Forschungsfrage zu beantworten, womit sich die Studierenden in den untersuchten Planungsgesprächen diskursiv auseinandersetzen, d.h. die Gespräche wurden auf die darin enthaltenen Inhalte untersucht: Forschungsfrage 1: Was thematisieren Studierende in Planungsgesprächen, die der Vorbereitung von Englischunterricht dienen? Für die Beantwortung dieser ersten Forschungsfrage wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt, bei der das Datenmaterial der acht audiobzw. videografierten und transkribierten Planungsgespräche thematisch segmentiert und kodiert wurde. Kategorien wurden eng am Material gebildet und in zyklischen Analyseschritten getestet und weiter verfeinert sowie unter späterer Bezugnahme auf Planungstheorien zu einem Kategoriensystem verdichtet (für die ausführliche Darstellung der Analysetechniken s. Kap. 6.6.3). Dieses Vorgehen ergab ein Kategoriensystem, das aus folgenden 13 Oberkategorien besteht: Inhalte der Planungsgespräche Unterrichtsaktivitäten Unterrichtsinhalte Classroom management Schüler/ innen Strukturierung des Unterrichts Zeitliche Planung Lehrwerk Medien und Materialien Orientierungen Planungsprozess Unterrichtszusammenhang Die eigene Person Ziele Tab. 9: Oberkategorien der Inhaltsanalyse Jene Oberkategorien enthalten insgesamt 67 Subkategorien sowie weitere differenzierende Unterteilungen, die in ihrem gesamten Umfang in der Übersicht im Anhang nachvollzogen werden können (s. Anhang 7). In den folgenden Unterkapiteln werden die Kategorien im Überblick sowie einzeln vorgestellt und 222 ausgeführt. Zunächst werden in Kapitel 8.1 Aussagen zu den Häufigkeiten der einzelnen Kategorien getroffen, wenngleich der Schwerpunkt der Analyse auf der differenzierten Darstellung der Kategorien und Unterkategorien liegt. In Kapitel 8.2 werden daher die Inhalte der Planungsgespräche detailliert ausgeführt. An die Darstellung der einzelnen Kategorien schließt sich eine Interpretation der Gesamtergebnisse (Kap. 8.3) unter Rückbezug auf die in Kapitel 1-5 dargestellten Planungsmodelle und -vorgaben und empirischen Erkenntnisse an. 8.1 Inhalte der Planungsgespräche im Überblick Bevor im folgenden Teilkapitel (8.2) die kategorienbasierte Auswertung der Gesprächsdaten entlang der 13 identifizierten Hauptthemen dargestellt wird, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Häufigkeiten der einzelnen Kategorien gegeben werden, da diese vor allem im Vergleich zu Studien zum planerischen Denken von Experten und Novizen interessante Erkenntnisse liefern (s. Kap. 4.2.3). Ein Überblick der Kategorien hinsichtlich der Anzahl der kodierten Textsegmente wird in Abbildung 15 dargestellt. In der Übersicht wird deutlich, dass die Studierenden sich mit Abstand am häufigsten mit der Vorbereitung von Unterrichtsaktivitäten beschäftigten [501]. Ebenfalls häufig, jedoch seltener als die Planung von Aktivitäten, werden Aspekte, die sich auf die Schüler/ innen beziehen, im Planungsgespräch thematisiert [267]. Die Mehrzahl der übrigen Kategorien liegt bezüglich der Häufigkeit ihrer Thematisierung in einem mittleren Bereich, d.h. zwischen 120 und 200 Belegstellen. Überlegungen zum Unterrichtszusammenhang, zur eigenen Person sowie zu den Unterrichtszielen werden jeweils weniger als 40 Mal thematisiert. Da die Segmentierung der Daten nach inhaltlichen Gesichtspunkten, d.h. bezüglich thematischer Wechsel erfolgte, variiert die Länge der einzelnen Segmente z.T. sehr stark. Sie reicht von kurzen Aussagen, wie z.B.: „Vielleicht wär’s ganz praktisch, wenn du das auf Folie hättest, das/ die Übersicht.“ (PG5: 120, Rieke) bis hin zu Kodierungen, die mehrere Sprecherwechsel enthalten, wenn z.B. diskutiert wird, wie eine Überleitung gestaltet oder eine Aufgabe formuliert werden soll. Die Häufigkeiten in dieser Darstellung (Abb. 15) zeigen daher lediglich, wie oft ein Aspekt genannt oder thematisiert wurde, jedoch nicht, wie intensiv die Beschäftigung damit erfolgte. 223 Abb. 15: Anzahl der Thematisierungen einer Kategorie Der Umfang, den die einzelnen Thematisierungen innerhalb des Planungsgesprächs einnehmen, lässt sich durch ein Summieren der Zeichen pro kodierte Textstelle bestimmen. Die Ergebnisse dieser Quantifizierung sind in Abbildung 16 dargestellt. Auch in Bezug auf den Umfang, den kodierte Textsegmente insgesamt in den untersuchten Planungsgesprächen einnehmen, zeigt sich, dass die Planung von Unterrichtsaktivitäten den Schwerpunkt der Aushandlungsprozesse bildet [293.963 Zeichen]. Überlegungen bezüglich der Schüler/ innen liegen im Vergleich zur Anzahl der Thematisierungen (vgl. Abb. 15) in dieser Berechnung eher im mittleren Bereich, der auch hier die Mehrzahl der Kategorien umfasst [ca. 38.000-78.000 Zeichen]. Innerhalb dieses mittleren Bereichs lassen sich die Unterrichtsinhalte, das Classroom management und die Schüler/ innen als die drei umfangreichsten Kategorien herausstellen, die zwischen 60.000 und 80.000 Zeichen umfassen. Die drei Kategorien, die am kürzesten besprochen werden, sind auch hier der Unterrichtszusammenhang, die eigene 501 267 186 162 157 153 153 149 129 127 33 23 19 0 100 200 300 400 500 600 Kategorien 224 Person sowie die Unterrichtsziele, wobei letztere Kategorie bezüglich des Umfangs die kleinste Kategorie insgesamt darstellt. Abb. 16: Umfang der Kodierungen in Zeichen Die Unterschiede bezüglich der Reihenfolge der Kategorien je nach Umfang oder Anzahl der kodierten Textstellen, die in Abbildung 17 in der Gegenübergestellung zu sehen sind, können damit begründet werden, dass die Studierenden sich einzelnen Themen in unterschiedlicher Ausführlichkeit widmen. 293963 78304 69532 66580 50189 49572 43108 41131 38451 38010 10357 6075 5033 0 50000 100000 150000 200000 250000 300000 350000 Kategorien 225 Umfang der Belegstellen in Zeichen Anzahl der Belegstellen Abb. 17: Vergleich Umfang und Häufigkeit der Thematisierung von Kategorien Dies wird z.B. deutlich, wenn es um die Thematisierung des Planungsprozesses geht. Die Kategorie umfasst 186 Kodierungen, d.h. bezüglich der Anzahl der kodierten Textsegmente stellt sie die drittgrößte Kategorie dar (siehe Abb. 17, 501 267 186 162 157 153 153 149 129 127 33 23 19 0 100 200 300 400 500 600 Aktivitäten Schüler/ innen Planungsprozess Zeitliche Planung Classroom management Orientierung Lehrwerk Unterrichtsinhalte Medien & Materialien Strukturierung Unterrichts zusammenhang Ziele Die eigene Person 293963 78304 69532 66580 50189 49572 43108 41131 38451 38010 10357 6075 5033 0 100000 200000 300000 Aktivitäten Unterrichtsinhalte Classroom management Schüler/ innen Strukturierung Zeitliche Planung Lehrwerk Medien & Materialen Orientierung Planungsprozess Unterrichtszusamm enhang Die eigene Person Ziele 226 rechte Spalte). Bei den Äußerungen, die zu dieser Kategorie zählen, handelt es sich jedoch oftmals nur um kurze Absprachen zwischen den Planenden und weniger um Aushandlungsprozesse von größerem Umfang. In Bezug auf den Umfang der kodierten Textstellen stehen die Äußerungen der Studierenden zum Planungsprozess daher nur an 10. Stelle (siehe Abb. 17, linke Spalte). Die Überlegungen bezüglich der Unterrichtsinhalte oder der Strukturierung hingegen sind oftmals umfangreicher, so dass sie respektive an zweiter oder fünfter Stelle erscheinen, wenn es um die Länge der Textsegmente geht. Im Folgenden werden die einzelnen Kategorien einzeln vorgestellt und diskutiert. Die Reihenfolge der Darstellung richtet sich nach den ermittelten Häufigkeiten der Oberkategorien, die sich aus dem Umfang der Kodierungen ergeben haben (s. Abb. 16). Es wird mit der umfangreichsten Kategorie begonnen. In den einzelnen Unterkapiteln (Kap. 8.2.1 bis 8.2.13) wird zunächst zu jeder Oberkategorie ein tabellarischer Überblick über die entsprechenden Subkategorien gegeben, wobei durch Zahlen in eckigen Klammern zusätzlich spezifiziert wird, wie oft ein Thema angesprochen wurde. Diese Quantifizierungen sagen jedoch nichts darüber aus, in welcher Art und Weise die einzelnen Aspekte diskutiert wurden. Es wird daran anschließend beschrieben, was die jeweilige Oberkategorie ausmacht und sie wird, wenn nötig, von anderen Kategorien abgegrenzt und anhand von Subkategorien sowie weiteren Ausdifferenzierungen umfassend beschrieben. Es werden prototypische Beispiele aus den Gesprächsdaten verwendet, um die einzelnen Subkategorien zu illustrieren und darüber hinaus auch Sonderfälle präsentiert. Die Ergebnisse werden am Ende jedes Unterkapitels vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse zum Planen von Unterricht, im Vergleich miteinander sowie unter Bezugnahme auf den Kontext interpretiert. Grafisch werden die Kategorien teilweise durch Unterstreichungen, Pfeile und Kursivdruck hervorgehoben: Unterrichtsinhalt (Oberkategorie), > Unterrichtsthemen (Subkategorie erster Ebene), >> Einbetten von Spracharbeit in einen Kontext (Subkategorie zweiter Ebene). 8.2 Analyse und Interpretation der thematischen Kategorien 8.2.1 Unterrichtsaktivitäten Am umfassendsten beschäftigen sich die Studierenden in den Planungsgesprächen mit der Vorbereitung von Unterrichtsaktivitäten. Für die Datenanalyse wird der Begriff der Unterrichtsaktivität in einem weiteren Sinne gebraucht. Er beschreibt nicht nur Aktivitäten wie Übungen oder Aufgaben, sondern jegliche Aktion bzw. Interaktion der Schüler/ innen oder der Lehrperson, die einen bestimmten Unterrichtsabschnitt markiert und bestimmt. Die Gesprächsdaten, 227 die sich auf Unterrichtsaktivitäten beziehen, lassen sich folgenden Kategorien und Unterkategorien zuordnen: Unterrichtsaktivitäten [501] Übungen [99] Übungen zur Festigung Übungen zur Reaktivierung Üben des lauten Vorlesens Üben von Lesestrategien Üben der Aussprache / Intonation Übungen zur Vorbereitung auf eine Aufgabe Sicherung von Arbeitsergebnissen [97] Hausaufgaben vergleichen Arbeitsergebnisse präsentieren, vergleichen Textarbeit (Hören und Lesen) [91] pre-reading/ -listening Textpräsentation (lesen lassen, hören, vorlesen,...) while-reading/ -listening post-reading/ -listening Erarbeitung / Semantisierung von Lexik [45] Kognitivierung von Grammatik [42] Reaktivierung im Unterrichtsgespräch Erarbeitung im Unterrichtsgespräch Sicherung von gemeinsam Erarbeitetem [41] Rollenspiele [39] Erarbeiten eines Einkaufsdialogs Erarbeiten eines Gesprächs über eine Wegbeschreibung Hausaufgaben auswählen, konzipieren, ansagen [22] Präsentation grammatischer Strukturen [10) Hinführung, pre-task [7] wrapping things up [6] Bewusstmachung von Lernstrategien [2] Tab. 10: Unterrichtsaktivitäten Die hier erfassten Aktivitäten sind vor dem Hintergrund der jeweiligen Unterrichtseinheiten und der Vorgaben zu betrachten, die den Studierenden über Inhalte und Themen der zu planenden Stunde von der Lehrerin der Klasse im Vorfeld gemacht wurden. Sie können daher nicht als Bild verstanden werden, das diejenigen Aktivitäten widerspiegelt, die generell bei der Planung von Englischunterricht von Studierenden in Betracht gezogen werden. Wenn z.B. die Vorgabe lautet, einen bestimmten Lehrbuchtext zu thematisieren, wird dies zur Folge haben, dass Textarbeit im Unterricht im Zentrum steht. Insgesamt ließe sich lediglich die Schlussfolgerung ziehen, dass häufig über Übungen und die Sicherung von Arbeitsergebnissen gesprochen wird. Dies ist sicher Fall, da 228 Übungen unabhängig vom Thema oder vom Inhalt der Stunde Teil fast jeder Englischstunde sind. Die unter den einzelnen Unterkategorien subsumierten Gesprächssegmente zeigen die Auseinandersetzung der Studierenden mit Fragen der methodischen Gestaltung jener Unterrichtsabschnitte. Dabei geht es u.a. um die Auswahl geeigneter Aktivitäten, um ein Festlegen auf eine bestimmte Aktivitätsform: 236 M Also wir müssen ja den Text bearbeiten. Aber ich dachte, • da erstmal die Strat/ oder die Techniken klar werden müssen, werde ich wie gesagt ne Powerpoint-Präsentation machen • • und erstmal die Begriffe klären. Ja. Also ähm was ist skimming, was ist scanning? PG6: 236, Mattis Es wird hier entschieden, dass die Lesetechniken, die im Fokus von Mattis’ Stunde stehen, der Klasse in Form einer Präsentation dargeboten und erläutert werden (> Bewusstmachung von Lernstrategien). Werden Aktivitäten aus dem Lehrwerk ausgewählt, wird dies in der Kategorie Lehrwerk erfasst. Die Kategorie Unterrichtsaktivitäten umfasst Äußerungen der Studierenden, die zeigen, dass sie z.B. darüber nachdenken, wie Aktivitäten im Unterricht ablaufen werden, was von den Schüler/ innen im Rahmen von Übungen oder Aufgaben erwartet wird, wie sie dabei angeleitet oder unterstützt werden und wie die Lehrperson dabei agieren wird. 274 G Naja, gut, eigentlich ist es ja dann relativ klar. Wir brauchen dann nur ein Thema. Also, das ein bissl eingrenzen. 275 J Naja, es soll ein shopping-Dialog werden. Das hat sie gesagt. 276 G Naja, genau, na shopping. Nee, ich meinte so als Überschrift. Dass es so… • • Shopping-Dialog… Also, ich würd den vielleicht... Gut, weiß eben nicht, ob man denen da schon zu viel vorgibt, wenn man halt das in nen gewissen Kontext halt bettet? • • • Dass man • • entweder, gut, man kann Weihnachtsshopping... Das kann man natürlich nehmen, ne? So, also Christmas... 277 J Na, ich weiß halt nicht, weil hier hast du ja schon birthday present. ((6s)) Ob das dann zu einfach ist? PG1: 274ff., Greta & Jennie In diesem Beispiel sprechen die Untersuchungsteilnehmerinnen darüber, wie die Aufgabe, einen Dialog zu erstellen, zu konzipieren sei (> Rollenspiele >> Erarbeiten eines Einkaufsdialogs). Zunächst erscheint es ihnen sinnvoll, einen Kontext zu finden, in den die Dialogsituation eingebettet ist (diese Textstelle wurde doppelt kodiert mit: Unterrichtsinhalt > Unterrichtsthemen >> Einbetten von Spracharbeit in einen Kontext). Sie denken im weiteren Verlauf außerdem darüber nach, ob den Lernenden ein Gerüst zur Unterstützung der Sprachproduktion gegeben wird, ob sie Vorgaben über den Umfang des Dialogs machen werden, wie die Aufgabe für die Schüler/ innen formuliert oder wie mit unbekannter Lexik umgegangen wird. 229 Mitunter gibt es auch Textstellen, die sich mehreren der in Tabelle aufgelisteten Unterkategorien zuordnen ließen, wie folgendes Beispiel zeigt: 1175 R (Es ist halt) bloß schade, dass du die Ideen von denen nicht mit aufnehmen kannst. ((1s)) Vielleicht ist es besser, du gibst denen • • • das Arbeitsblatt schon vor der Ergebnissicherung und lässt halt dann • • immer die Beispiele frei. 1176 N Hm ̌ . 1177 R Also die mittlere Spalte, [dass die] 1178 N [Ja (gut)]. 1179 R wirklich das noch mitschreiben können. 1180 N Das ist ne Idee. Das schreib ich mir gleich mal auf. PG5: 1175, Nina & Rieke Der Schritt der Semantisierung von Lexik durch die Lernenden für ihre Mitschüler/ innen (die Ideen von denen/ / Gs1175), was gleichzeitig das Ergebnis einer Übung ist, könnte einerseits als > Erarbeitung / Semantisierung von Lexik oder andererseits als > Arbeitsergebnisse präsentieren / vergleichen kodiert werden. Die Textstelle wurde letzterer Kategorie zugeordnet, da den Studierenden an dieser Stelle jener Unterrichtsabschnitt vermutlich in seiner Funktion als Sicherung von Arbeitsergebnissen von größerer Bedeutung ist. Die explizite Verwendung des Begriffs Ergebnissicherung weist zusätzlich darauf hin. Im Falle jener und weiterer ähnlicher Textstellen, wurde versucht, die Perspektive der Forscherin zurückzunehmen und zu rekonstruieren, welche Kategorie aus der Sicht der Studierenden im Gespräch im Vordergrund gestanden haben könnte. Eine besondere Funktion bei der Konzipierung von Aktivitäten scheint das Ausformulieren von Aufgabenstellungen zu erfüllen. Die zielsprachigen Formulierungen sind z.T. eng mit konzeptionellen Überlegungen verbunden. Sie führen oftmals dazu, dass die Vorstellung, wie eine Aktivität gestaltet werden soll, präzisiert oder konkretisiert wird: 644 J Also, halt: „Partner A... 645 G Okay, genau. 646 J ((2s)) "You want to buy... ((G und J schreiben, 5s)). 647 G a Christmas ((1s)) present ((1s)) for ((1s)) your ..." Wollen wir jetzt ne Option, oder... 648 J Na, ich würd sagen, wir geben drei Optionen an. Also, entweder "for your, for your parents", • • • oder? 649 G Ja. 650 J Schrägstrich Freund, Schräg[strich]... 651 G [Strich] Oma. 652 J Ja, Großeltern, genau. 653 G Okay. "For your parents ((2s)), grandparents ((3s)), friends. […] PG1: 644ff., Greta & Jennie 230 Bei der Planung der einzelnen Aktivitäten weisen die Überlegungen der Studierenden einen unterschiedlichen Grad an Konkretheit auf. Mit zunehmendem Fokus auf die Unterrichtssituation werden die Gedanken ausführlicher und detailreicher. Innerhalb der Unterkategorien können Beobachtungen gemacht werden, die interessante Rückschlüsse auf das implizite Handlungswissen der Teilnehmenden zulassen, jedoch aufgrund der geringen Fallzahl keine Generalisierungen zulassen. Interessant ist dennoch, dass sich die Studierenden z.B. bei der Textarbeit durchaus an den Vorschlägen zur Sequenzierung in pre-, while- und post-activitites anlehnen und auch mit den entsprechenden Termini operiert wird, dass jedoch noch Unklarheit darüber besteht, was genau die Phasen voneinander unterscheidet oder was sie genau ausmacht (vgl. Kap. 10.2.2). Bei den Unterrichtsaktivitäten bezüglich der grammatischen Strukturen lässt sich ein starker Fokus auf Phasen der Kognitivierung ausmachen. Das Konzept der Einbettung einer Struktur in einen Kontext scheint den Studierenden weitestgehend vertraut zu sein, sie versuchen dies durchaus zu berücksichtigen. Auch sind Versuche erkennbar, die Vermittlung eher über Phasen der Präsentation ohne Bewusstmachung, über entdeckendes Lernen und über noticing-Verfahren zu realisieren. Letztlich setzen sich während der Planung dennoch die stärker lehrerzentrierten, erklärenden und durch Tafelbilder und Arbeitsblätter unterstützten Bewusstmachungen durch, wie in der Stunde von Ellen: 531 H Hm ̄ , das find ich zum Beispiel… Deswegen hatte ich jetzt auch das Thema Text thematisiert. Ich hätte die das eben wieder aus dem Text rausfischen lassen. Und dann da... 532 E Find ich riskant. Ich finde sie sollten erst wissen was/ • • wie sieht indirekte Rede aus, und was ist es eigentlich, bevor ich anfangen lass/ bevor ich sie anfangen lasse, sie irgendwas rauszusuchen, von dem sie gar nicht wissen was es ist. PG3: 531f., Ellen & Hendrik Bei den Unterrichtsabschnitten, in denen sich die Studierenden der Sicherung von gemeinsam Erarbeitetem oder von Ergebnissen aus Übungen oder Aufgaben widmen, ist ein starker Bezug zu Fragen der adäquaten Auswahl an Medien erkennbar. Insgesamt lässt sich aus den skizzierten Befunden ableiten, dass entgegen jener Forschungsergebnisse, die vor allem die Beschäftigung mit Unterrichtsinhalten als zentral für planende Lehrende darstellten (vgl. Ball et al. 2007; Borko & Livingston 1989; Kagan & Tippins 1992; Seel 1996), die Studierenden in dieser Studie vorrangig die Unterrichtsaktivitäten fokussierten. Dies deckt sich mit Forschungsergebnissen vereinzelter anderer Studien zum Planungs- 231 handeln von Experten und Novizen, die davon ausgehen, dass die Beschäftigung mit Unterrichtsaktivitäten den Schwerpunkt der Unterrichtsvorbereitung bildet (vgl. Broeckmans 1986; Bromme 1981; Kolbe 2000; Yinger 1980). Für die Interpretation der Daten dieser Kategorie sind weniger die einzelnen Unterkategorien von Interesse, da diese eng mit den Unterrichtsinhalten der einzelnen Stunde verbunden sind. Von größerer Bedeutung erscheint hingegen die genauere Analyse des Prozesses in einer die Gespräche übergreifenden Form: Wie vollzieht sich die Planung von Unterrichtsaktivitäten? Sind Schritte, Stufen oder Ebenen erkennbar? Gibt es eine sachimmanente Logik, die herausgearbeitet werden kann? Die Inhaltsanalyse stößt hier an ihre Grenzen, indem unter der gewählten Fragestellung vorrangig erfasst wird, was die Studierenden thematisieren. Von Interesse wäre jedoch außerdem, wie die Untersuchungsteilnehmer/ innen über Unterrichtsaktivitäten sprechen. Jener Fragestellung wurde daher vertiefend im zweiten Teil der Datenanalyse nachgegangen (s. Kap. 9). 8.2.2 Unterrichtsinhalte Die Kategorie der Unterrichtsinhalte umfasst Äußerungen der Studierenden, die sich ausschließlich auf die Auswahl und die Analyse sprachlicher oder thematischer Inhalte des zu planenden Englischunterrichts beziehen. Dem liegt ein Verständnis von Unterrichtsinhalten zugrunde, wie es in Kapitel 3.2.2 ausgeführt wurde. Die Kategorie ist daher relativ eng gefasst. Gesprächsthemen wie z.B. die Analyse einzelner Lehrwerksinhalte oder die Frage, ob bestimmte Übungen oder Aufgaben Teil der Stunde sein werden, wurden hier nicht berücksichtigt. Unterrichtsinhalte [149] Sprachliche Inhalte [83] grammatische Strukturen Texte Lexik Redemittel Unterrichtsthemen [60] Einbetten von Spracharbeit in einen Kontext Stundenthema Gesprächsthemen Themen in Bezug auf Texte Lernstrategien [6] Tab. 11: Unterrichtsinhalte 232 Die Überlegungen der Studierenden hinsichtlich der Unterrichtsinhalte beziehen sich in den untersuchten Planungsgesprächen auf Lernstrategien, Unterrichtsthemen sowie auf sprachliche Inhalte. Dabei handelt es sich meist um Äußerungen, die die Präzisierung, Klärung, Eingrenzung oder die Reduzierung des Unterrichtsgegenstands betreffen. Die Auswahl an Unterrichtsinhalten wird deutlich weniger thematisiert. Entsprechend der vorab festgelegten Schwerpunkte der einzelnen Stunden besprechen die Studierenden folgende sprachliche Inhalte: Redemittel, Lexik, Texte und grammatische Strukturen. Aussagen zur Häufigkeit sind hier von geringer Relevanz, da auch sie vor dem Hintergrund der vor dem Planungsgespräch festgelegten Unterrichtsinhalte betrachtet werden müssen. Es zeigt sich jedoch, dass in den Stunden mit einem grammatischen Fokus ein stärkerer Redebedarf in Bezug auf die entsprechenden sprachlichen Inhalte besteht. Dabei wird vor allem diskutiert, in welchem Umfang auf die Form eingegangen wird, ob z.B. Ausnahmen besprochen werden oder welche Teilaspekte der Bildung im Unterricht thematisiert werden: 207 H […] Wenn wir jetzt schon nicht backshift of tenses einführen, können wir ja auch kurz das/ ähm zumindest die Fragen einführen "Who said that mh, mh, mh? ". PG3: 207, Hendrik Nur in einigen wenigen Sequenzen wird auf die Funktion und den Verwendungszusammenhang der Struktur eingegangen. Redemittel werden thematisiert, wenn es darum geht zu ermitteln, welche Sprachfunktionen in sprachproduktiven Aufgaben (einen Einkaufsdialog erstellen, nach dem Weg fragen) zu realisieren sind und wie die Schüler/ innen darauf vorzubereiten sind. Texte werden daraufhin untersucht, wie lang oder wie komplex sie sind oder welche Inhalte sie transportieren, d.h. wie Aufgaben zum Textverständnis gelöst werden sollten. Die Studierenden diskutieren außerdem, welche Textsorte sich für eine Übung eignen würde. In Bezug auf lexikalische Inhalte tauschen sich die Studierenden u.a. darüber aus, wie einzelne Wörter ausgesprochen werden oder was sie bedeuten. Es wird auch diskutiert, welche Wörter oder Wortgruppen für eine anschließende Textrezeption oder -produktion relevant wären und inwiefern Verständnisschwierigkeiten seitens der Schüler/ innen zu erwarten sind. Bei diesen Überlegungen werden z.T. die Angaben im Lehrbuch konsultiert, die den noch unbekannten Wortschatz auflisten. Dabei spielt es z.B. für weitere methodische Überlegungen eine Rolle, ob sich die Bedeutung einzelner Wörter erschließen lässt: 276 U Oder "lovely". Das kann man sich auch, ich sag mal, das kann man sich auch [herleiten, ja? ]. 233 277 M [Eben. "Look at this dress]. Isn't it lovely? " 278 U Ja. 279 M Ja klar, dass die... Und "love" kennen sie ja nun auch schon. PG2: 276ff., Maren & Ute Die Überlegungen der Studierenden in Bezug auf Unterrichtsthemen richten sich vorrangig auf die Einbettung der sprachlichen Arbeit in einen situativen Kontext. Wenn das Lehrwerk einen konkreten Kontext vorgibt, finden Überlegungen thematischer Art jedoch kaum statt (wie im PG2: A Clothes Project at Cotham School, PG4: The Mystery of Loch Ness, PG5: Greenwich und PG6: Scotland) und wenn, dann allenfalls im Zusammenhang mit der Planung des Stundeneinstiegs, wie im folgenden Gespräch: 149 M Was ich nicht mochte, war der allererste Einstieg mit, mit (hier) Zeitschrift mitbringen? Weil ich mir dachte, wenn die Jungs und die nicht modeinteressierten Mädchen da den Einstieg sehen mit Modezeitschrift, wenn ich damit winke ((macht Winkbewegung)), 150 U ((lacht)) (winken). 151 M dann denken sich schon die ersten: "Och nee". PG2: 149ff., Maren & Ute Bei den Gesprächen zur Planung von mündlicher Sprachproduktion (PG1: ein Einkaufsgespräch führen und PG8: nach dem Weg fragen), aber auch bei einem der Gespräche zu einer Stunde mit grammatischem Fokus (PG3: indirekte Rede) ist auffällig, wie viel Zeit die Untersuchungsteilnehmenden verwenden, einen Kontext zu finden bzw. zu konstruieren, in dem die sprachlichen Mittel, die in der Stunde geübt bzw. angewendet werden sollen, auf natürliche Weise eingebettet sind. Dabei werden eine Reihe von Faktoren berücksichtigt, wie z.B.: Wie authentisch ist der Kontext? Ist das Thema ansprechend für die Schüler/ innen? Wie realitätsnah ist das Thema im Kontext der Kultur von Zielsprachenländern? In der folgenden Sequenz aus PG8 gipfelt die Diskussion, die sich bis zu diesem Punkt über 10 Minuten erstreckt, in einer Art Krise, die fast dazu führt, die Planung komplett zu verändern und das Rollenspiel zur Wegbeschreibung wieder zu verwerfen: 916 A Also dann möchte ich doch, dass die in der Schule sind. Die können doch auch • • ne Klassenfahrt dahin gemacht haben, oder? 917 H Ja. ((2s)) ((schaut in ihre Aufzeichnungen)) Nur eben... Warte mal kurz. ((schaut ins Buch)) Das Problem ist eben immer... ((3s)) Ja, man muss dann eben sagen, der eine ist eben/ der macht die Klassenfahrt dahin und der andere wohnt dort oder so. Das muss ja irgendwie klar werden, weil es muss ja einer da sein, der sich ja auskennt. 918 A Ja und das ist halt so blöd irgendwie. • • • Ich find das so... ((H und A denken nach, 10s)) Ach man ey! Ich möchte die andere Aufgabe machen. Die ist schöner. ((blättert im Buch, 2s)) Ach, vielleicht lass ich das doch weg und ähm • • • mach jetzt weiter mit dem Text hier irgendwie, weil... PG8: 916ff., Anja & Heike 234 In den beiden Stunden mit grammatischem Schwerpunkt ist die Fokussierung auf einen Kontext unterschiedlich gewichtet. Während Clara und Ellen (PG7) wenig über eine Einbettung der Struktur sprechen, suchen Ellen und Hendrik (PG3) eingehend nach einem situativen Rahmen, der Ellen zufolge zunächst als Einstieg in die Stunde dienen soll: 167 E Okay, dann hab ich mir so gedacht/ - weil wir die Stunde ja nicht ähm "reported speech" nennen können - hab ich überlegt, wir ziehen das so auf, nach dem Motto: "Was hast du gesagt? " ((imitiert karikierend Schülertonfall)) 168 H Hm ̄ . 169 E Ja. Also, so, irgendwie so als Aufhänger, na, das jemand was nicht versteht. 170 H Hm ̄ . 171 E Sozusagen. 172 H Ah, ja. PG3: 167ff., Ellen & Hendrik An mehreren Stellen im weiteren Gespräch wird deutlich, dass aus Hendriks Sicht, ein Stundenthema im besten Fall die gesamte Stunde betreffen soll: 587 H Ich mein, die Sache ist einfach, äh dieses... ((1s)) Ansonsten, wenn man aber nicht irgendwie so weiterführende Materialien findet, die dazu passen, gibt halt also, „Was hast du gesagt? “ dann so, ((1s)) ähm, zum • • thematischen Gestalten der weiteren Stunde nicht viel her. Das ist ein cooler Einstieg, aber man kann nicht den ganzen/ sich/ 25 Minuten darüber reden: "Hä? Ich hab dich nicht verstanden." PG3: 587, Hendrik Im PG7 wird dem Einbetten der grammatischen Struktur kaum Beachtung geschenkt, da Clara ihre Stundenplanung auf die Kognitivierung der Struktur ausgerichtet hat. Nur an wenigen Stellen gelingt es Ellen, zu hinterfragen, ob nicht eine Kontextualisierung zu einem besseren Verständnis durch die Lernenden führen würde. 274 E […] Wobei du dann natürlich noch irgend n Aufhänger brauchst, weshalb du die jetzt mit Zeitformen überfällst. PG7: 274, Ellen Wenn die Einbettung von sprachlicher Arbeit in einen Kontext thematisiert wird, geht es vorrangig um Alltagsphänomene, die möglichst nah an der Lebenswelt der Schüler/ innen verortet sind. Es wird diskutiert, welche imaginative Situation für eine Wegbeschreibung auf Englisch authentisch für die Lernenden wäre, wie ein Einkaufsgespräch in einem Kaufhaus ablaufen würde oder ob das Thema gossip für die Schüler/ innen interessant wäre. Unterrichtsthemen, die sich auf die unmittelbare Lebenswelt der Schüler/ innen beziehen, werden auch erörtert, wenn Gespräche zum Stundeneinstieg modelliert werden oder wenn ein Thema als eine Art Klammer für die gesamte Stunde gefunden werden soll. In PG6 kommt es auch zu Aushandlungen bezüglich der 235 Auswahl an Themen landeskundlicher Art (Kultur, Geographie, Musikszene Schottlands), die durch verschiedene kurze Texte thematisiert werden sollen. Lernstrategien als Unterrichtsinhalt werden im PG6 besprochen, indem sich die Planenden darüber verständigen, welche Inhalte für diese Stunde bereits festgelegt wurden. In einigen kurzen Sequenzen wird zudem diskutiert, was die Studierenden unter den Lesetechniken skimming und scanning, die im Fokus der Stunde stehen sollen, eigentlich verstehen. Die Kodierungen in der Kategorie Unterrichtsinhalte lassen erkennen, dass Inhalte in den untersuchten Planungsgesprächen durchaus thematisiert werden. Jedoch scheint dies in geringerem Maße vorzukommen als von anderen Studien zum Planungshandeln berichtet wurde (vgl. u.a. Borko & Livingston 1989; Seel 1996; Tebrügge 2001). Dies mag vorrangig daran liegen, dass Unterrichtsinhalte im Rahmen der SPS von den Lehrenden oftmals vorgegeben oder vorgeschlagen bzw. gemeinsam mit der SPS-Gruppe zuvor ausgewählt wurden. Die Vorgaben orientieren sich zudem meist am verwendeten Lehrwerk, so dass die Inhaltsanalyse zu einer Lehrbuchanalyse wird und es kaum zu Entscheidungen hinsichtlich der Auswahl von Unterrichtsinhalten kommt. Es muss auch in Erwägung gezogen werden, dass sich die Studierenden in der vorliegenden Studie bereits vor dem Planungsgespräch mit den Unterrichtsinhalten beschäftigt haben können. Die Gesprächsverläufe lassen jedoch vermuten, dass dies in den meisten Fällen nicht der Fall war. So werden z.B. Unsicherheiten oder Unkenntnis über die entsprechenden Inhalte sichtbar, die bei einer vorangegangenen Beschäftigung damit vermutlich nicht aufgetreten wären. Auch die Definition dessen, was zur Kategorie Unterrichtsinhalt im Rahmen dieser Untersuchung gezählt wird, mag ein Grund dafür sein, dass die Kategorie relativ klein ist. Bei der induktiven Entwicklung des Kategoriensystem wurde deutlich, dass sorgfältig unterschieden werden muss zwischen Überlegungen hinsichtlich der Auswahl, Struktur oder Qualität des Unterrichtsinhalts und Gedanken, die sich damit beschäftigen, wie mit diesen Inhalten im Unterricht gearbeitet wird. Es ist an anderer Stelle interpretiert worden, dass Überlegungen zu Inhalten die Unterrichtsplanung von Novizen dominieren, weil Studierende sich aufgrund noch fehlenden Wissens ausführlich damit auseinandersetzen müssen (z.B. Borko & Livingston 1989). Diese Beobachtung, die für Fächer wie Mathematik oder Biologie gemacht wurde, kann für die Planung von Englischunterricht nicht bestätigt werden. Die Überlegungen der Studierenden in Bezug auf die sprachlichen Inhalte der Stunde nehmen z.B. verhältnismäßig wenig Raum ein und beziehen sich selten auf die Sache an sich (Was bedeutet eigentlich indirekte Rede? ) sondern beschäftigen sich eher mit Fragen der Reduzierung (Soll die Ausnahme zur Regel auch besprochen werden? ) oder des Umfangs 236 (Wie viele Redemittel werden für ein Einkaufsgespräch benötigt? ). Ausführliche Analysen der Unterrichtsinhalte sind kaum auszumachen, obwohl sie vermutlich in einigen Fällen der Planung zuträglich gewesen wären. So wird z.B. deutlich, dass die Struktur der indirekten Rede in beiden Planungsgesprächen nicht von allen Gesprächsteilnehmenden in ihrer Tiefe und Breite durchdrungen wurde. Auch bei der Vermittlung der Lesetechniken oder bei der Erstellung sprachproduktiver Aufgaben zeigt sich im Verlauf der Gespräche, dass nicht immer von Beginn an klar war, was diese Unterrichtsgegenstände eigentlich ausmacht. Als eine Erklärung dafür könnte in Betracht kommen, dass im Fall des Unterrichtsfaches Englisch, die Studierenden zunächst davon ausgehen, aufgrund ihrer fremdsprachlichen Kompetenzen inhaltlich bereits gut vorbereitet zu sein. Die Möglichkeit, mit einem Lehrbuch zu arbeiten und sich an den Lehrerhandreichungen orientieren zu können, mag außerdem dazu beitragen, sich auf eben jene Inhalte zu verlassen, ohne diese in allen Facetten zuvor durchdringen zu müssen. 8.2.3 Classroom Management Die Studierenden planen z.T. sehr genau, wie einzelne Unterrichtsabschnitte verlaufen sollen. Dabei versuchen sie sich vor allem vorzustellen, wie sie selbst als Lehrerin oder Lehrer agieren und handeln werden. Classroom Management [157] Handlungen im Klassenzimmer [106] Aufgaben stellen, Instruktionen geben Partner-, Gruppeneinteilung Lehrersprache Präsenz / Position der Lehrperson / der Schüler/ innen im Raum Stühle / Tische arrangieren Interaktion mit den Schüler/ innen [24] Schüler/ innen Rückmeldungen geben Schüler/ innen aufrufen Classroom rules etablieren, darauf verweisen Feedback von den Schüler/ innen einholen Unterstützung der Schüler/ innen [13] Ziele transparent machen auf Hilfsmittel verweisen den Schüler/ innen auf die Sprünge helfen Aspekte von Team-teaching in Doppelstunden [10] Tätigkeiten vor der Stunde [4] Tab. 12: Classroom Management 237 Die Vorbereitung hinsichtlich der konkreten Durchführung von Handlungen im Unterricht konzentriert sich in der vorliegenden Studie vor allem auf die Vermittlung von Aufgaben. Im Fokus stehen aber auch Gedanken zur Interaktion mit den Lernenden, zu deren Unterstützung und in einzelnen Fällen wird auch besprochen, was kurz vor der Stunde von der Lehrperson organisiert werden muss. Die größte Unterkategorie in Bezug auf Überlegungen zum classroom management bezieht sich darauf, wie Übungen, Aufgaben oder Arbeitsaufträge im Unterricht präsentiert und den Schüler/ innen verständlich gemacht werden. Dabei wird z.B. berücksichtigt, ob das Verständnis einer Aufgabenstellung gesichert werden sollte, welche Zeitangaben oder Anforderungen in Bezug auf den Umfang einer erwarteten Lösung zu machen sind, ob das gemeinsame Lösen eines Beispiels das Verständnis erleichtern würde oder, wie im folgenden Beispiel, ob einzelne Arbeitsschritte mündlich oder auch schriftlich vermittelt werden: 741 J ((10s)) Da würde - was denkst denn du - ähm, ((2s)) dass wir das auf kleine Aufgabenzettelchen machen? ((1s)) Dass die das noch mal schriftlich haben? 742 G Hm ̌ . 743 J Ne? Und da kann man ja dann vielleicht noch mal drunter schreiben, so was wie eben hier: "Prepare a, prepare a dialogue and act it out for the class“. 744 G Hm ̌ . PG1: 741ff., Greta & Jennie Aussagen der Studierenden, die darauf gerichtet sind, eine Aufgabe in Worte zu fassen, wie das z.B. ausführlich in den Planungsgesprächen 1 und 8 geschieht, wurden hier nicht erfasst, da sie stark gestalterischen Charakter tragen. Sie sind daher Teil der Kategorie Unterrichtaktivitäten. Wenn über classroom management nachgedacht wird, ist die Aktivität zuvor bereits weitestgehend konzipiert worden (im PG1 die Erarbeitung eines Einkaufs-Dialogs), es stellt sich nun an dieser Stelle die Frage, wie dieses Konzept den Schüler/ innen erklärt wird. In Bezug auf die Interaktion mit den Schüler/ innen wird u.a. besprochen, wie mit Fehlern der Schüler/ innen umgegangen, wie viele Schüler/ innen aufgefordert, wie sie gelobt oder im Kontext der schulpraktischen Studien auch belohnt werden. Im folgenden Ausschnitt aus PG2 geht es darum, wie man angemessen auf Antworten der Schüler/ innen reagieren sollte, wenn nach Ideen zum Fortgang einer Geschichte gefragt wird. 862 M Du darfst halt nur nicht wieder, wenn die nicht ganz antworten was du [willst] 863 U [Ja ((einsichtig)).] 864 M sagen "No! ". 865 ((M und U lachen kurz)). 866 U ((Lachend)) nein. 867 M Das ist immer ein wenig... 238 868 U Man muss... Genau. ((Räuspert sich)) genau. 869 M (Sind ja) Ideen. Ideen sind immer gut. PG2: 862ff., Maren & Ute Die Kategorie Unterstützung der Schüler/ innen umfasst auch Überlegungen, wie mit der Gewohnheit, den Schüler/ innen die Struktur der Stunde in Form eines advance organizers transpartent zu machen, umgegangen wird oder wie ihnen durch Erklärungen, Hilfsmittel oder im Gespräch, geholfen werden kann, Aufgaben zu verstehen oder zu lösen. Aspekte von Team-Teaching werden nur in den Planungsgesprächen 1 und 2 thematisiert, da hier der Unterricht aufgrund der Doppelstunden von 90 Minuten tatsächlich von zwei Personen durchgeführt wird. Die Studierenden besprechen daher, wer welche Aufgaben im Unterricht übernimmt. In den beiden hier untersuchten Fällen werden die Stunden in zwei Mal 45 Minuten Unterricht pro Person aufgeteilt, d.h. es geht hier im engeren Sinne nicht um Team- Teaching. Es werden Aspekte besprochen, wie z.B. wer welchen Teil der Stunde übernimmt, wann und wie der Wechsel stattfinden wird bzw. ob und wie man sich gegenseitig unterstützen könnte. Insgesamt ist die Vorbereitung der Studierenden in unterschiedlichem Maße auf das classroom management, d.h. auf diese Art der Feinplanung orientiert. In einigen Gesprächen wird sehr konkret über die Durchführung der Stunde nachgedacht, in anderen Gesprächen stehen eher konzeptionelle und strukturelle Fragen im Vordergrund. In den Planungsgesprächen 4 und 6 wird z.B. deutlich, dass der Fokus auf diese unterrichtspraktischen Details auch personenabhängig ist. In den beiden Gesprächen gehen diese Überlegungen bezüglich des classroom management oftmals von der Ko-Planerin Linda aus: 249 L Ganz kurz mal: Wie willst du denen die Aufgabe geben? 250 P Auf einem Blatt Papier. 251 L Und wann, bevor oder nachdem du sie in die Gruppen eingeteilt hast? PG4: 249ff., Philip & Linda Die Überlegungen der Studierenden bezüglich des classroom management beziehen sich auf unterrichtsorganisatorische Aspekte sowie auf Handlungen der Lehrperson, hier vor allem auf den Aspekt der Aufgabenstellung. Es werden zahlreiche Fragestellungen diskutiert, in denen der Blick auf das classroom management gerichtet wird. Es bestehen hier jedoch deutliche Unterschiede sowohl zwischen den Gesprächen als auch zwischen den einzelnen Personen. Studien zum Planungsverhalten von erfahrenden Lehrenden haben ergeben, dass gerade diese Detailfragen des Unterrichts von Experten wenig thematisiert werden (Borko & Livingston 1989; Mischke & Wragge-Lange 1987). Die Autorinnen und Autoren hatten interpretiert, dass einzelne Abläufe nicht expliziert oder spezifiziert werden müssen, da die Lehrenden über eine Vielzahl entsprechender mentaler Schemata verfügen, die es ihnen ermöglichen, ohne 239 vorherige Planung aller Einzelheiten im Unterricht spontan und flexibel zu agieren. Novizen hingegen müssen viel Vorbereitungszeit investieren, um auch jene Details zu durchdenken (vgl. Borko & Livingston 1989). Während Borko & Livingston (1989) und John (1991) das Planen von Studierenden in längeren Praxisphasen untersuchten (Borko & Livingston 1989; John 1991a) und hier eine Zunahme an Detailliertheit in Bezug auf die Unterrichtsvorbereitung beobachten konnten, stellte Seel (1996) fest, dass die Studierenden in ihrer Studie kaum Ausführungen auf der Mikroebene machten. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die hier untersuchten Anfänger/ innen z.T. viel Zeit darauf verwenden, unterrichtspraktische Details zu besprechen, dass dies jedoch stark variiert. Vor dem Hintergrund dieser Befunde könnte geschlussfolgert werden, dass erst die eigenen unterrichtspraktischen Erfahrungen dazu führen, den Blick stärker auf Aspekte des classroom managements zu lenken. Die Studierenden in Seels Studie hatten bisher erst geringe Unterrichtserfahrung, während die Teilnehmenden der Studien von Borko & Livingston (1989) und John (1991) bereits längere Praktikumsphasen absolviert hatten. Die angehenden Lehrenden der vorliegenden Studie sind ebenfalls erst am Anfang ihrer Ausbildung und können erst auf geringe Vorerfahrungen als Lehrperson zurückgreifen. Dennoch zeigte ihr teils ausführlicher Blick auf Details, dass sie sich der Notwendigkeit dieser spezifischen Überlegungen durchaus schon bewusst sind. Hier könnten auch die bereits gesammelten Erfahrungen durch das Beobachten, Planen, Durchführen und Reflektieren von Unterricht im Rahmen der SPS von Bedeutung gewesen sein. Der Untersuchungskontext dieser Studie lässt offen, welche Art der Vorbereitung noch nach dem Planungsgespräch durchgeführt wird. Es ist daher auch möglich und wahrscheinlich, dass gerade die Detailfragen zur Klassenführung erst direkt vor der zu unterrichtenden Stunde durchdacht oder im Vorgespräch mit der Dozentin thematisiert werden. Zum Teil bleiben diese Aspekte vermutlich auch unbedacht, da den Studierenden (noch) nicht bewusst ist, dass diese Art der Feinplanung die Durchführung des Unterrichts verbessert und erleichtert. Eine Aufgabe der begleiteten Praktika wäre es demzufolge, in der Verschränkung mit praktischen Erfahrungen dieses Bewusstsein zu fördern. Auch das Verschriftlichen des Stundenentwurfs in tabellarischer Form scheint von Bedeutung zu sein, wenn es um die Beschäftigung mit Detailfragen zum classroom management geht. Das Ausfüllen einer Stundenverlaufstabelle findet vorrangig in PG5 statt. Hier zeigt sich, dass zumindest Aufgabenstellungen konkreter durchdacht werden, da Redebeiträge der Lehrerin explizit ausformuliert werden und dies oftmals weitere Fragen und Überlegungen zur Folge hat. 240 Da die Aushandlungsprozesse der Studierenden über das classroom management Aussagen über Umfang, Intensität und die Richtung der Überlegungen bei der Unterrichtsvorbereitung ermöglichen, erscheint auch in diesem Bereich eine intensivere Auseinandersetzung mit den Daten lohnenswert. Die Auswertung einzelner Gesprächsabschnitte in Bezug auf die Konkretheit der Äußerungen wird daher in Kapitel 9 nochmals vertiefend dargestellt werden. 8.2.4 Die Schüler/ innen Die Schüler/ innen spielen in den Planungsgesprächen der Studierenden ebenfalls eine wichtige Rolle. Betrachtet man die Anzahl der Thematisierungen (s. Abb. 15), so stehen Überlegungen über die Lerngruppe an zweiter Stelle. Diese schülerorientierten Überlegungen sind zum einen nach vorn gerichtet, indem gemeinsam darüber nachgedacht wird, wie die Schüler/ innen sich in der Unterrichtsstunde fühlen, wie sie agieren und reagieren würden bzw. werden (> Antizipation von Schülerhandlungen). Zum anderen erfolgt oftmals ein Blick zurück, d.h. die Studierenden denken über ihre bisherigen Erfahrungen mit der Klasse nach und aktivieren, was sie über die Schüler/ innen oder über einzelne Lernende wissen (> Voraussetzungen der Schüler/ innen). Die Schüler/ innen [267] Antizipation von Schülerhandlungen [131] Antizipiertes Vorgehen: Was werden sie tun? Wie werden sie etwas tun? Antizipiertes Leistungsvermögen: Schaffen sie das? Antizipierte Gefühle: Wie werden sie sich dabei fühlen? Antizipiertes Verstehen: Werden sie verstehen, was sie tun sollen? Antizipierte Differenzierung: Wie kann man verschiedenen Schüler/ innen gerecht werden? Antizipiertes Verhalten: Wie werden sie sich verhalten? Antizipiertes Vorgehen einzelner Schüler/ innen Voraussetzungen der Schüler/ innen [69] Wissen / Können Gewohnheiten / Arbeitstechniken / Arbeitsweisen Lebenswelt / Interessen Einstellungen / Verhalten Lernprozesse der Schüler/ innen [22] Schüleraktivierung [27] Sozialform [14] Bewertung von Schülerleistungen [4] Tab. 13: Die Schüler/ innen 241 Die Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten geht meist einher mit einem Antizipieren des Verlaufs einer Aktivität: Die Studierenden stellen sich vor, wie die Aktivität konkret ablaufen könnte. Damit verbunden sind Überlegungen unterschiedlicher Art, die die Lernenden betreffen: Es wird diskutiert, was genau die Schüler/ innen sagen oder fragen werden, welche Ideen sie haben werden, wie schwer oder wie leicht ihnen etwas fallen wird und wie viel Zeit sie vermutlich für eine Aktivität benötigen werden. Greta und Jennie besprechen hier z.B., wie die Erarbeitung von Dialogen in Partnerarbeit verlaufen wird und wie die Schüler/ innen die Aufgabe inhaltlich und sprachlich lösen werden: 794 J Ich meine, die werden trotzdem Fragen stellen nach Sachen, die halt nicht da sind und so... 795 G Ja. ((2s)) Spielkonsole. Nintendo. 796 J "Ich schenke meinem Opa einen Nintendo DS.“ ((G und J lachen)). PG1: 794ff., Greta & Jennie Die Studierenden stellen sich dabei oftmals bildlich vor, wie die Schüler/ innen handeln werden: 363 C ((3s)) Die stehen dann da, ich muss mir das... Die stehen halt vorne an der Tafel. 364 E Die stehen vermutlich nicht an der Tafel, die stehen vermutlich überall. 365 C Überall. Eben, so 5er und 4er Gruppen, aber dann müssen wir ja erst mal diese ganzen Teile... Die müssen ja schon vor an die Tafel kommen, um das da halt anzuheften. 366 E Ja, das stimmt. PG7: 363ff., Clara & Ellen Sehr häufig steht auch die Frage im Raum, ob die Lernenden eine Übung oder Aufgabe auch tatsächlich lösen können: 175 P Ich denke mal, das kriegen sie schon hin? ((etwas zögerlich)) Denkste nicht? 176 L ((zuckt mit den Schultern, schreibt)) 177 P Ich glaub das kommt sogar im Text vor ((liest)). Naja, ich lass mich überraschen. PG6: 175ff., Philip & Linda Von weiterer Bedeutung sind auch die Gefühle und die Motivation der Schüler/ innen: Werden sie etwas mit Freude machen? Werden sie eher gelangweilt sein oder gibt es Hemmungen, sich auszudrücken? Auch die Aufgabenstellung wird besprochen, indem überlegt wird, ob die Klasse auch verstehen wird, was sie als Lehrpersonen von ihnen erwarten: 584 N ((3s)) Dann kann ich ja sagen: "Let's see, if you were right. ((1s)) ((unverständlich, 1s)) ob die mich verstehen? Ich, ich weiß immer nicht, ob die mich dann noch verstehen. PG5: 584, Nina 242 Dabei geht es meist um das sprachliche Verständnis, d.h. um die Formulierung einer Aufgabenstellung in der Zielsprache oder aber auch darum, dass einzelne Arbeitsschritte nachvollzogen werden müssen. Vereinzelt tauschen sich die Studierenden auch über Aspekte der Differenzierung aus. Ausgehend von Überlegungen, wie einzelne Schüler/ innen vermutlich handeln werden, überlegen sie auch, wie man diesen verschiedenen Personen gerecht werden könnte. In den Gesprächen über die Voraussetzungen der Schüler/ innen geht es vor allem um das Vorwissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Lernenden mitbringen. Die Überlegungen sind meist gekoppelt an das Aktivieren von Erfahrungswissen, dass sich aus den vorangehenden Stunden speist. Meist wird hier von der gesamten Klasse gesprochen, vereinzelt kommt es auch zum Austausch über einzelne Schüler/ innen. Die Voraussetzungen der Schüler/ innen werden auch in Bezug auf Gewohnheiten, Arbeitstechniken oder Arbeitsweisen versucht einzuschätzen: 326 E Das wird lange dauern, weil, wenn die das dann abschreiben müssen und so, wir wissen ja jetzt aus Erfahrung, dass die unheimlich lange brauchen. PG3: 326, Ellen Die Lebenswelt der Lernenden spielt vor allem eine Rolle, wenn es um die Einbettung von Aktivitäten in einen situativen Kontext geht. Im PG1 wird z.B. über Weihnachtseinkäufe gesprochen, oder wie im folgenden Beispiel aus PG3 über die Vorlieben der Schüler/ innen: 182 H […] Ähm, naja, ich weiß nicht, ob das Diskothema, also ob die schon/ halt soweit sind, dass die mit Disko was anfangen können. 183 E Hm ̄ , naja, mit lauter Musik auf jeden Fall, denk ich mal. PG3: 182f., Ellen & Hendrik Einzelne Segmente zeigen außerdem ein Nachdenken über mögliche Einstellungen, z.B. gegenüber der Vermittlung von Grammatik oder über typische Verhaltensweisen der Schüler/ innen: 194 H Aber na gut, das ist halt bei unserer Klasse schwierig, weil die ja immer so schwierig, so schwierig aufzutauen sind. PG3: 194, Hendrik Bei der Planung einzelner Aktivitäten kommt es zwischen den Studierenden auch zu einem Austausch über Lernprozesse. Es wird diskutiert, wie Schüler/ innen am besten Englisch lernen, ob z.B. drill-Übungen bei der Vermittlung grammatischer Strukturen sinnvoll sind, ob das Präsentieren einer Struktur durch die Lehrperson besser oder schlechter ist als wenn Schüler/ innen sich etwas selbst erarbeiten, ob mit dem Abschreiben von Inhalten ein Lerneffekt verbunden ist oder welchen Unterschied das Nachschlagen von Regeln im Ver- 243 gleich zum eigenständigen Reaktivieren hat. Dabei scheint der größte Diskussionsbedarf durch Fragen zum Umgang mit Grammatik im Unterricht hervorgerufen werden, denn die meisten Kodierungen beziehen sich hier auf die Planungsgespräche 3 und 7. Beim Nachdenken über Lernprozesse wird deutlich sichtbar, dass Inhalte aus dem Studium aktiviert und diskutiert, und auch eigene Erfahrungen reflektiert werden, wie das folgende Beispiel zeigt, in dem Ellen überlegt, für die Schüler/ innen Merkzettel über einige grundlegende englische Zeitformen anzufertigen: 351 E Vielleicht kann ich ihnen ja nen kleinen Zettel basteln? ((3s)) 352 H Der entscheidende Effekt ist für sie, glaub ich, dass sie das einfach • in der Klasse zusammen reaktivieren, darüber nachdenken, das aufschreiben und das an der Tafel sehen. Ähm, nen Zettel kannst du dir eigentlich auch sparen, da kannste einfach • da anschreiben, da steht das halt 129 in eurem Grammatikteil, wenn ihr s braucht. Denn, • • ich glaub, • so viel schöner • kannst du s nicht machen. Und die Sache ist... 353 E Na, aber, aber vielleicht kann ich denen so n kleines buntes Kärtchen basteln? Was sie sich dann irgendwo hinhängen können? ((1s)) Also das würd ich jetzt zum Beispiel machen, wenn ich länger in der Klasse wär. PG3: 351ff., Ellen & Hendrik Eine eigenständige Kategorie zur Schüleraktivierung ergab sich durch mehrere Gesprächspassagen, in denen besprochen wurde, welche Rolle die Schüler/ innen im Unterricht einnehmen und wie diese gestärkt werden könnte. Clara erachtet z.B. die zentrale Rolle der Lehrerin in ihrer Stunde als ein Problem, das gleich zu Beginn des Planungsgesprächs formuliert und an verschiedenen Stellen im PG7 wiederholt angesprochen wird: 2 C Dann fangen wir mal an. Hast du s dir schon mal durchgelesen? 3 E Ja, ja hab ich. Hab ich. Ich fand s echt ganz gut sogar. 4 C Naja, ich weiß halt nicht. Ich find s halt sehr frontal. Es ist halt immer alles nur teacher-student-interaction. Aber ich weiß auch nicht, wie ich s anders machen soll. PG7: 2ff., Clara & Ellen Die Gedanken der Studierenden zu Fragen der Schüleraktivierung tauchen vordergründig bei der Planung von Unterrichtsaktivitäten auf. In den entsprechenden Segmenten zeigt sich, dass ihnen dabei Aspekte wichtig sind, wie z.B. das Schaffen von Gelegenheiten, bei denen sich die Schüler/ innen im Klassenzimmer bewegen können oder das aktive Beteiligen der Lernenden am Unterrichtsgeschehen durch Gespräche, das Anheften von Materialien an der Tafel oder durch das Aufrufen von Schüler/ innen durch die Lehrperson. Im folgenden Beispiel aus PG5 richtet sich die Aufmerksamkeit der Planenden darauf, dass die Schüler/ innen bei der Präsentation von Ergebnissen nicht nur passiv aufnehmend sein sollten: 244 1286 R ((4s)) Aber so ist auch sicher, dass die alle zuhören. Wenn die nämlich sonst 1287 N Hm ̌ . 1288 R bloß 1289 N Ja, eben. 1290 R nichts zu tun haben, dann ist ihnen das doch egal, was die anderen gefunden haben. PG5: 1286ff., Nina & Rieke Schritte hin zu verstärkter Lernerautonomie werden vereinzelt sichtbar, indem die Schüler/ innen angehalten werden, eigenständig mit Hilfsmitteln zu arbeiten, Dinge nachzuschlagen, etwas herauszufinden oder ihren eigenen Arbeitsprozess selbst zu überprüfen. Unter die Oberkategorie Schüler/ innen werden außerdem Äußerungen gefasst, die sich mit der Wahl der angemessenen Sozialform auseinandersetzen sowie mit der Bewertung von Schülerleistungen, was jedoch nur in PG3 thematisiert wird. Themen in Zusammenhang mit den Schüler/ innen werden insgesamt in den Planungsgesprächen am zweit häufigsten angesprochen. Dieses Ergebnis zeigt, dass gerade im Kontext der schulpraktischen Studien zahlreiche Überlegungen darauf gerichtet sind, die Voraussetzungen sowie die Handlungen der Lernenden im Unterricht richtig einzuschätzen. Die Studierenden kennen die Klasse im Durchschnitt durch 4-6 Unterrichtsstunden, was eher wenig ist, um gut einschätzen zu können, was die Schüler/ innen schon können. Es ist damit jedoch ein Ausgangspunkt gegeben, der den Studierenden ermöglicht, sich das Unterrichtsgeschehen besser vorstellen zu können. Es wird mehrfach auf vorangegangene Stunden verwiesen, wenn Voraussetzungen besprochen oder Handlungen antizipiert werden. Im Vergleich zu Ergebnissen anderer Studien, kann Westermans (1991) Feststellung, dass im Rahmen von Tagespraktika kaum auf zurückliegende Stunden rekurriert würde, nicht bestätigt werden. Die vorliegenden Ergebnisse gehen eher einher mit den Befunden der Studie von John (1991a), die zeigen, dass sich Studierende im Schulpraxissemester während der Vorbereitung intensiv mit den Schüler/ innen auseinander setzten. Die zahlreichen Äußerungen der Studierenden bezüglich dessen, wie sie sich den Unterricht vorstellen, weist darauf hin, dass das Antizipieren von Schüler- oder Lehrerhandlungen für die Studierenden eine wichtige Planungsstrategie darstellt, die dazu führt, die Planung zu präzisieren oder anzupassen. Die Aushandlungsprozesse der Studierenden, in denen Vorstellungen über das Lehren und Lernen von Fremdsprachen aktiviert werden, bieten besonderes Potential, indem sie dazu anregen, eigene schulpraktische und lernbiografische Erfahrungen sowie fachdidaktisches Wissen zu reflektieren und ge- 245 gebenenfalls zu hinterfragen. Das Ko-Konstruieren von Wissen im Planungsgespräch wird in weiteren Analyseschritten vertiefend untersucht und in Kapitel 10 dargestellt werden. 8.2.5 Strukturierung des Unterrichts Die Aushandlungsprozesse der Studierenden bezüglich des Stundenaufbaus der zu planenden Unterrichtsstunde können unter die Oberkategorie Strukturierung des Unterrichts gefasst werden. Die hierzu zählenden Segmente zeigen einerseits die Beschäftigung mit dem Aufbau der Stunde und andererseits mit Fragen der Gestaltung von Einstiegen, Ausstiegen und Gelenkstellen. Strukturierung des Unterrichts [127] Aufbau der Stunde [64] Abfolge von Unterrichtsabschnitten Integration von Aktivitäten Einstiege, Ausstiege und Gelenkstellen [63] Überleitungen und Einleitungen Einstieg in das Stundenthema Eröffnung der Stunde Beendigung der Stunde Tab. 14: Strukturierung des Unterrichts Innerhalb der Kategorie Aufbau der Stunde beziehen sich die meisten Äußerungen auf die Abfolge von Unterrichtsabschnitten. Dabei ist erkennbar, dass sich die Studierenden explizit oder implizit vielfach an der Sequenzierung in Form von presentation - practice - production orientieren. Überlegungen dieser Art zeigen sich in den Bereichen Grammatik- und Wortschatzvermittlung, bei der Planung der Rollenspiele und der Vermittlung der Lesetechniken. In den Stunden zur Textarbeit wird die Strukturierung der Stunde durch pre-, while- und post-activities thematisiert. Vereinzelt kommt es auch dazu, dass die Abfolge von Aktivitäten unabhängig von einem Phasenmodell durchdacht wird, wie im folgenden Beispiel in Hinblick darauf, dass ein Methodenwechsel an einer bestimmten Stelle nötig wäre: 541 E Also ähm, hier nach diesem Zeitformendings machen wir dann erst mal das Spiel, ne? Damit mal nen bisschen Abwechslung dann noch reinkommt, fällt mir gerade so ein. 542 H Hm ̌ , ja. ((2s)) 543 E Ich kann ja nicht ständig nur hier an der Tafel und so… ((2s)) PG3: 541ff., Ellen & Hendrik 246 Die Studierenden orientieren sich u.a. auch am Unterrichtsthema und versuchen die Stunde so zu strukturieren, dass sich ein roter Faden hindurch zieht: 54 M Weil die halt, mit der mediation und vom, vom Text her 55 U Hm ̌ . 56 M so anders ist, dass die nirgends thematisch reinpasst und dass deswegen, immer wenn man sie woanders einschieben würden, die bloß unterbricht und am Ende, (dass) wir nicht immer Zeit dafür haben. 57 U Hm ̌ , hm ̌ . 58 M Dann würd ich die ganz am Anfang… PG2: 54ff., Maren & Ute Der thematische rote Faden spielt auch eine Rolle, wenn die Struktur der Stunde hinsichtlich der Integration von Aktivitäten in eine Stunde diskutiert wird: 827 H Naja dann… Du meintest doch, die äh/ • • das Workbook-Ding wär gar nicht so schlecht. Ist halt nur • • the/ fällt halt wieder thematisch aus dem Rahmen. PG3: 827, Hendrik Aber auch Überlegungen in Bezug auf eine gute Sequenzierung sind von Bedeutung, wenn besprochen wird, ob eine Aktivität in die Stunde integriert wird oder nicht: 382 A Also hier ist ja das roleplay anders. Da sollten die/ müssen die das - das schaffe ich nicht - da sollen die sich hier an der Karte ((1s)) ähm und dann den/ und dann information raussuchen: wie sie wo und wohin kommen. ((1s)) Aber das dauert zu lange und das kann ich nicht noch mal machen. 383 H ((1s)) ((zweifelnd)) Meinst du? Wir sind doch erst bei... 384 A Ja wenn ich noch das andere machen muss. 385 H Ach du musst das • • • auf jeden Fall machen? 386 A Naja, ich muss es nicht unbedingt. Natürlich, ich kann s auch weglassen. 387 H Weil das ist im Prinzip schade, weil das ist dann nur so angerissen/ so halb… Oder? 388 A Ja oder ich mach s nicht. 389 H Dann hast du ja kein richtig/ richtiges so Ziel 390 A Ja. 391 H was du dann... PG8: 382ff., Anja & Heike Obwohl es Heike schwerfällt, ihre Gedanken zu verbalisieren, wird hier deutlich, dass sie es als wesentlich erachtet, das Rollenspiel nach einer Phase der Übung von Redemitteln zur Wegbeschreibung noch in die Stunde zu integrieren, anstatt etwas komplett Neues zu beginnen, da der Aufbau der Stunde ohne Anwendung der Redemittel im Rollenspiel für sie unlogisch wäre (nur so angerissen/ so halb/ / Gs387). Die Kategorie Aufbau der Stunde subsumiert alle Textstellen, die das Einbeziehen, Weglassen, das richtige Platzieren und die Abfolge einzelner Aktivitäten und Unterrichtsabschnitte thematisieren. Die Studierenden sprechen 247 bezüglich der Strukturierung des Unterrichts außerdem über jene kurzen Phasen im Unterricht, die einzelne Unterrichtsabschnitte verbinden, die ihnen voraus gehen und die die Stunde einleiten und beenden. Die entsprechende Kategorie wird hier als Einstiege, Ausstiege und Gelenkstellen bezeichnet. Innerhalb dieser Kategorien sind vor allem die Überleitungen und Einleitungen für die Studierenden von Bedeutung. Die Gestaltung von Überleitungen scheint eine bewusste Planungshandlung zu sein, denn sie wird oft direkt thematisiert: 1077 E Dann • • brauch ich nen schönen Übergang. Wie krieg ich denn da nen Übergang hin? PG3: 1077, Ellen Ebenso kommen Schwierigkeiten zum Ausdruck, die die Studierenden bei der Suche nach gelungenen Übergängen haben. 1586 J Na und dann als Überleitung... 1587 G Ja, warte. ((schreibt, 2s)) So. ((2s)) "Now we know ((1s)) the" 1588 J ((schreibt)) Hm ̌ . ((schaut kurz fragend zu G)). ((G und J lachen kurz)). 1589 G "the phrases ((lacht, 2s)) ((5s)) and ((4s)) we will need them 1590 J ((lachend)) Ja, richtig. 1591 G to translate this dialogue." Aber das ist natürlich wieder keine Überleitung und nicht… Also so • • keine schöne halt. PG1: 1586ff., Greta & Jennie Überleitungen werden oft gewertet und als mehr oder weniger gelungen eingeschätzt. Es scheint ein Idealbild einer Überleitung zu existieren, dem man häufig jedoch nicht gerecht wird: 299 N Ist jetzt kein top Übergang, aber mir fällt nichts Besseres ein. PG5: 299, Nina Neben der Diskussion von Überleitungen, die dazu dienen zwei Unterrichtsabschnitte zu verbinden, kommt es auch zu Überlegungen, wie einzelne Abschnitte eingeleitet werden können. Dabei handelt es sich nicht um eigenständige Aktivitäten, wie z.B. ein Brainstorming oder eine Bildbeschreibung, die - wie im Sinne einer pre-task - den darauf folgenden Schritt vorbereiten (vgl. Kap. 8.2.1 Unterrichtsaktivitäten >Hinführung, pre-task). Hier werden Äußerungen der Studierenden zusammengefasst, die sich damit beschäftigen, wie ein Unterrichtsabschnitt eröffnet wird, welcher Aufhänger gefunden und wie die Schüler/ innen motiviert werden, sich einer Sache zu widmen. Es geht an dieser Stelle meist nur um kurze Formulierungen, ähnlich einer Überleitung, wie hier in PG2, wo es darum geht, durch das Spekulieren über mögliche Inhalte eines Textes anhand eines Bildes auf das Hören des Textes vorzubereiten: 248 838 M […] Dann kannste ja immer sagen "möglich, ja, kann sein" und dann kommt ja letztenende: "Na, nun lasst uns mal hören, wie es denn tatsächlich ist". PG2: 838, Maren Einleitungen scheinen die Funktion zu erfüllen, im Gespräch mit den Schüler/ innen eine Art Begründung zu erarbeiten, weshalb man sich im Folgenden mit einem bestimmten Unterrichtsgegenstand auseinandersetzt: 120 A "English people are very polite. So we need some phrases to help us." 121 H Hm ̌ . 122 A "Asking someone." 123 H Ja. 124 A ((leise)) War das...? Ja, "We need some phrases to help us." PG8: 120ff., Anja & Heike Überleitungen und Einleitungen werden oftmals wortwörtlich ausformuliert: 1652 G […] Also ich würd dann halt schon sagen: "Wir haben jetzt ((1s))/ ihr habt gerade einen/ über einen vorgegebenen ((1s)) Dialog…". Gibt s irgendwie "vorgegeben"? ((1s)) Nee, einfach: "We have... 1653 J "Ähm you had an... ((2s)). "Completed" ist vielleicht zu schwierig? ((seufzt)). 1654 G ((3s)) "Now we have heard about Emma’s ((1s)) ähm present ((2s)) and now we want to... 1655 J talk about your presents? " 1656 G Genau. "Talk about your presents." 1657 J Hm ̌ . PG1: 1652ff., Greta & Jennie Im Prozess des Ausformulierens, was wie eine Art rehearsing wirkt, konkretisiert sich inhaltlich die Brücke, die von einem zum nächsten Unterrichtsabschnitt geschlagen wird oder der Weg, wie eine Einleitung inhaltlich gestaltet wird. Es wird sowohl auf semantischer als auch auf sprachlich formaler Ebene nach geeigneten Überleitungen und Einleitungen gesucht. Dies gilt auch für die Gespräche der Studierenden bezüglich der Einstiege in das Stundenthema. Hier wird besprochen, wie das Stundenthema, wie z.B. die Einkaufssituation in PG1 oder die Situation, einen Passanten auf Englisch nach dem Weg zu fragen wie in PG8, eingeführt oder hergeleitet wird: 90 A Also da wollte ich halt ähm sagen: "Imagine you visit Greenwich for the first time and you want to go to the Millenium Dome. But you don't know where it is. What can you do? ". So! PG8: 90, Anja Im PG8 soll dies in Form eines gelenkten Unterrichtsgesprächs erfolgen, das dann übergeht in die Hinführung zur ersten Übung (siehe oben PG8: 120ff.). Der Einstieg in das Stundenthema steht nicht immer zu Beginn der Stunde, er kann auch später, z.B. nach der Kontrolle der Hausaufgaben erfolgen (wie z.B. in PG5). 249 Die Eröffnung der Stunde wird auch in einigen Planungsgesprächen thematisiert (>> Stundeneröffnung), wie hier in PG4: 5 L Icebreaker! 6 P Icebreaker! Was machen wir als Icebreaker? 7 L Du könntest vielleicht fragen, wie die Ferien waren. 8 P Wie die Ferien waren, genau. 9 L Genau, die hatten doch Weihnachtsferien. PG4: 5ff., Philip & Linda Die Stunde wird hier mit einem warm-up oder einem icebreaker begonnen, vielleicht auch, weil die vergangene Stunde einige Zeit zurück lag. Das Stundenende wird weitaus seltener thematisiert. Nina und Rieke überlegen, was Nina am Ende ihrer Stunde sagen wird: 1505 R Oder sag nur ((unverständlich)). Ich sag immer: "Thank you." Ich sag ((unverständlich)) "thank you". 1506 N ((tippt)) "Thank you for • • • nichts". 1507 R ((lachend)) "Thank you for nichts". 1508 N "Thank you! Have a nice week". PG5: 1505ff., Nina & Rieke Die Kategorie Strukturierung des Unterrichts zeigt, dass die Studierenden neben der Konzentration auf einzelne Aktivitäten auch die Stunde als Ganzes im Blick haben. Sie denken über eine sinnvolle Reihenfolge von Unterrichtsaktivitäten nach oder diskutieren, wie Übergänge oder Einleitungen gestaltet werden können. Sie folgen dabei oftmals dem Schema Erarbeitung - Übung - Anwendung. Interessant ist jedoch, dass sich die Studierenden gerade in den Planungsgesprächen, in denen Stunden mit einem grammatischen Fokus vorbereitet werden, mit Alternativen zu diesem Dreischritt auseinandersetzen. Dies wird vor allem in PG3 deutlich. Hier zeigt sich, dass ein Nachdenken über den Stundenaufbau, welches durch Inhalte aus dem Studium beeinflusst ist, einher geht mit Überlegungen zu Lernprozessen im Allgemeinen. Auch die Beschäftigung mit der Gestaltung von Gelenkstellen scheint auf Einflüsse aus dem Lehramtsstudium, vor allem vermutlich auf die fachdidaktischen Grundlagenseminare sowie auf die Vor- und Nachbereitungsgespräche im Rahmen der SPS, zurückzugehen. Der Stundenaufbau scheint stärker als andere Aspekte der Unterrichtsplanung ein Aktivieren von fach- oder allgemeindidaktischem Wissen und die gemeinsame Auseinandersetzung damit anzuregen. Da diese Überlegungen im Kontext der Vorbereitung real durchzuführenden Unterrichts stattfinden, scheint hier tatsächlich die direkte Verschränkung von Theorie und Praxis zu erfolgen. 250 8.2.6 Zeitliche Planung Die Studierenden sprechen häufig darüber, wie die Unterrichtsstunde in zeitlicher Hinsicht verlaufen wird, wobei sich bei der Analyse der Gesprächsdaten folgende Unterkategorien ergeben haben: Zeitliche Planung [162] Dauer einer Aktivität [91] Zwischenresümee: Bei wie viel Minuten sind wir jetzt? [31] Zeitlicher Gesamtumfang: Was schafft man in einer Stunde? [23] Unterrichtszeit füllen: Zeit übrig haben [13] Zeitlicher Umfang der Stunde und geplante Inhalte: zu wenig Zeit haben [4] Tab. 15: Zeitliche Planung Von zentraler Bedeutung für die Stundenvorbereitung ist dabei die Frage, wie viel Zeit eine geplante Aktivität in Anspruch nehmen wird. Auffällig ist, dass die Studierenden den Unterrichtsabschnitt während dieser Überlegungen oft noch einmal vor ihrem inneren Auge Revue passieren lassen: 1171 E Maximal sechs Minuten? 1172 H ((1s)) Acht. Weil das/ weil du ähm • du müsstest/ du musst das ja dann... 1173 E Berichtigen muss ich. 1174 H Genau. Bei Schülern wo s nicht klappt, musst du ja da wirklich richtig dann • das mit denen auseinandernehmen: "Nee, sag s noch mal", am besten an die Tafel gehen: "Hier • guck mal, da ist das Pronomen, das musst du jetzt ändern" und so und das ((1s)) ist schon ne gute Zeit. PG3: 1171ff., Ellen & Hendrik Es wird einerseits direkt während des Konzipierens einer Aktivität darüber nachgedacht, wie lange sie dauern wird. Andererseits kommt es häufig auch zu Planungsphasen, in denen der zeitliche Umfang für mehrere Unterrichtsabschnitte eingeschätzt wird: 314 P […] Und ich denke mal, das müsste von der Zeit her/ müsste es machbar sein. Was haben wir denn jetzt noch übrig? Wir haben sieben, acht, 18 Minuten, 18 Minuten. Dann das groupwork erklären... So, das dauert vielleicht auch noch mal so zwei Minuten, sagen wir mal 20. Haben sie noch 25 Minuten minus, minus den Schluss. 315 L Minus drei oder so was. 316 P Sagen wir mal 20 Minuten dafür? ((4s)) Und dann haben wir am Ende noch mal vier, fünf Minuten ähm um die Stunde zu schließen. PG4: 314ff., Philip & Linda Dabei wird meist noch einmal rekapituliert, was bis dahin geplant wurde, welche Schritte aufeinanderfolgen, welche Überleitungen und Ansagen gemacht 251 werden müssen. Das führt z.T. dazu, dass den Studierenden auffällt, was noch bedacht werden muss. Die zeitliche Planung findet außerdem auch auf einer stärker makrostrukturellen Ebene statt, in dem die Stunde als Ganzes betrachtet wird. Vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Zeit von 45 oder 90 Minuten überlegen die Studierenden, welche Art von bzw. wie viele Aktivitäten in eine Stunde passen: 110 C Hm ̄ , • • • aber ich kann doch nicht noch mal alle Zeitformen wiederholen! 111 E Ja, das ist eben das Ding, ne? Das schaffst du im Leben nicht in ner dreiviertel Stunde! PG7: 110ff., Clara & Ellen Interessant ist hier, dass sich mitunter andeutet, das Ziel der Vorbereitungstätigkeit bestehe darin, die Zeit, d.h. die Unterrichtsstunde „zu füllen“: 12 J Ähm, denkst du, dass wir 90 Minuten füllen oder dass wir das auch mit rein nehmen sollen? PG1: 12, Jennie Die zeitliche Planung beinhaltet außerdem, dass Überlegungen angestellt werden sowohl für den Fall, dass die Zeit nicht ausreicht, als auch dafür, dass noch Zeit übrig ist. In letzterem Fall versuchen die Studierenden eine zusätzliche Aktivität als Puffer einzuplanen. Teilweise wird diese Aktivität nur konzipiert, weil dies scheinbar von der Dozentin so eingefordert, aus der Sicht der Studierenden jedoch nicht benötigt wird: 424 C […] Und soll ich mir noch n Extra überlegen oder nicht? Sieht gut auf dem Stundenplan aus, wir kommen sowieso nicht dazu. PG7: 424, Clara Häufig kommt es gerade in den Phasen des Nachdenkens über die Dauer einer Aktivität oder mehrerer Abschnitte zu weiteren Überlegungen, die mit der Durchführung bestimmter Unterrichtsabschnitte in Verbindung stehen. Auch scheint die zeitliche Planung Aushandlungsprozesse anzuregen, die sehr stark von beiden Personen bestimmt sind, d.h. es wird viel diskutiert, abgewogen und miteinander verhandelt. Das gemeinsame Nachdenken über zeitliche Aspekte der Stunde berührt sehr stark auch andere Bereiche der Unterrichtsvorbereitung, wie z.B. das Konzipieren und Gestalten von Aktivitäten, wenn z.B. diskutiert wird, wie viel Zeit den Schüler/ innen für eine Übung oder Aufgabe gegeben wird oder wie lange eine Erarbeitungsphase oder eine Hausaufgabenkontrolle dauern wird. Auch bei der Einschätzung, wie lange die Lernenden für eine Aufgabenbearbeitung benötigen werden, gibt es Überschneidungen zur Antizipation der Handlungen der Schüler/ innen. 252 Wenn über die Zeit nachgedacht wird, kommt es verstärkt dazu, dass geplante Schritte in ihrem Verlauf mental vorweggenommen werden. Dabei zeigt sich, dass der zeitliche Umfang einer Handlung besser eingeschätzt werden kann, wenn sich die Studierenden bildlich vorstellen, wie etwas ablaufen wird. Dieses Antizipieren wiederum führt zu neuen Einsichten über den Unterrichtsverlauf, die Planung wird dadurch konkreter. Damit erhält die zeitliche Planung eine wichtige Funktion im Kontext der Unterrichtsvorbereitung, die über das Einschätzen der Dauer von Aktivitäten hinausgeht. Ein Nachdenken über die Zeit kann der Vorbereitung insgesamt zu mehr Detailliertheit verhelfen. Bislang wurde dies in der Literatur und in der Forschung wenig beachtet. Es wurde beschrieben, dass es den Studierenden oftmals noch schwer fallen würde, einzuschätzen, wie viel Zeit Schüler/ innen für eine Aktivität benötigen. Die Studierenden in dieser Studie beziehen sich oft auf ihre Erfahrungen aus den vorangegangenen Stunden und gelangen so in der Aushandlung miteinander auch durchaus zu realistischen Einschätzungen. Selbst wenn diese Einschätzungen noch ungenau und z.T. noch nicht angemessen erscheinen, führt das Abwägen dieser Fragen dazu, dass Unterrichtsabschnitte rekapituliert, nochmals mit Blick auf die Durchführung durchdacht und damit in der Vorstellung der Studierenden präzisiert werden. 8.2.7 Das Lehrwerk Die Kategorie Lehrwerk umfasst alle Äußerungen der Studierenden, die eine Auseinandersetzung mit dem verwendeten Lehrbuch sowie mit allen weiteren, darauf abgestimmten Materialien eines Verlages, wie z.B. Lehrerhandbücher, Arbeitshefte, Audiomaterialien, Kopiervorlagen etc. (zur Definition von Lehrwerk vgl. Thaler 2012: 80) zeigen. Obwohl das Lehrwerk in der Literatur meist zu den Medien gezählt wird, ist hier eine eigenständige Kategorie gebildet worden, da die Auseinandersetzung mit dem Lehrwerk in den Planungsgesprächen eine sehr zentrale Rolle spielt. Das Lehrwerk [153] Inhalte des Lehrbuchs, Arbeitshefts analysieren und verstehen [64] Einschätzen, Werten, Abwägen, Auswählen von Lehrwerksinhalten [55] Wertung des Lehrwerks od. einzelner Teile [3] Abändern von Lehrbuchinhalten [9] Lehrbuch als Nachschlagewerk nutzen [4] Lehrerhandbuch konsultieren [18] Tab. 16: Das Lehrwerk 253 Die Studierenden widmen sich hier am häufigsten der Analyse der Lehrbuch- oder der Workbook-Inhalte. Dieser Analyse geht meist die Vorgabe bestimmter, zu behandelnder Lehrbuchseiten durch die Lehrerin voraus, an der sich die Studierenden orientieren. Zum Teil wird in den Gesprächen deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Lehrwerksmaterial bereits im Vorfeld geschehen ist. Sie findet aber auch im Planungsgespräch statt, jedoch in sehr unterschiedlichem Umfang. Analyse bedeutet u.a., sich die Inhalte durchzulesen und nachzuvollziehen, wie Übungen oder Aufgaben konzipiert sind, was die Schüler/ innen dabei tun sollen: 489 H Hm ̄ . Naja, wenn das... ((liest im LB, 17s)) Aaah, Okay. Jetzt kapier ich das, wie s laufen soll. PG3: 489, Hendrik Das Gespräch mit einer/ einem Ko-Planenden wird auch genutzt, um Unklarheiten zu thematisieren und zu beseitigen: 386 N ((liest leise vor)) broschure, ground, train. Warum sind da...? Was war denn das noch mal, wenn da ein Punkt war? 387 R Das sind... Das mit dem Punkt, das sind... Doch! Das sind die, die sie schon kennen müssen. PG5: 386f., Nina & Rieke Das Lehrbuch wird auch dahingehend befragt, welche Lexik für die entsprechende Stunde relevant ist, d.h. welche Wörter und Wendungen als neu oder bekannt markiert werden. Neben der Auseinandersetzung mit den Lehrbuchvorgaben kommt es auch zum Suchen nach geeigneten Aktivitäten im Lehrbuch, Workbook oder in den zusätzlichen Lehrwerksmaterialien. Eine zweite Unterkategorie, die viele Äußerungen umfasst, bezieht sich auf das Einschätzen, Werten, Abwägen und Auswählen von Lehrwerksinhalten. Hier wird z.B. überlegt, ob eine Übung thematisch zum Rest der Stunde passt, wie schwierig eine Aufgabe ist, wie lange sie dauern würde, ob sie zu einem Methodenwechsel beitragen würde oder ob Übungen für die Lernenden verständlich formuliert sind. Es kommt aber auch zu Einschätzungen und Auswahlentscheidungen, die nicht weiter bzw. nur sehr vage begründet werden: 1042 G […] Machen wir die Nummer zwei auch noch? 1043 J ((2s)) Hm ̄ , die finde ich irgendwie doof. 1044 G Okay. 1045 J Also, nicht so ganz passend. Ich hatte gerade überlegt, ob wir vielleicht die ((2s)) Vier noch mal machen? PG1: 1042ff., Greta & Jennie Neben Einschätzungen von einzelnen Inhalten wird zum Teil auch das gesamte Lehrwerk bewertet, wie z.B. in dieser sehr subjektiven Stellungnahme durch Rieke in PG5: „Irgendwie ist das Buch furchtbar.“ (PG5: 281, Rieke). 254 Es gibt auch einige Sequenzen, in denen die Studierenden sich beraten, wie Lehrbuchinhalte in abgeänderter Form verwendet werden können: 916 H Ich mein ansonsten kannst du vielleicht sogar fast probieren, dass du die/ vielleicht die Bilder von • • von dieser einen Workbook... 917 E Als schriftliche Übung, ne? 918 H Äh, dass du die recycelst.. Dass du da... PG3: 916ff., Ellen & Hendrik Das Lehrbuch wird außerdem auch als eine Art Nachschlagewerk benutzt, um z.B. Grammatikregeln nachzulesen oder sich über die Bedeutung oder Aussprache von Wörtern zu informieren. Das Lehrerhandbuch spielt im Planungsgespräch ebenfalls eine Rolle, wenngleich dies nicht übermäßig häufig konsultiert wird. An einigen Stellen wird deutlich, dass den Studierenden die Möglichkeiten, die das Lehrerhandbuch bietet, gar nicht bewusst sind: 1379 G […] Aber siehst du, da können wir doch einfach in die Lehrhandreichung reingucken, da ist das doch abgebildet. Wir sind auch clever, ey! PG1: 1379, Greta Die Handreichungen werden nicht als strikte Vorgabe verstanden. Wenn es verwendet wird, setzen sich die Studierenden mit den Inhalten auseinander und treffen eigene Urteile darüber, inwiefern die Vorschläge bezüglich ihrer Stunde sinnvoll sind: 31 M […] Also die Handreichungen schlagen vor, dass man den lesen und hören lässt, was ich gut finde, weil der eben echt so lang ist. […] PG2: 31, Maren Gleichzeitig wird das Lehrerhandbuch mitunter auch als nicht hilfreich eingeschätzt: 716 N […] Auch in dem Lehrerhandbuch äh da waren auch gar keine • • tollen Aufgaben dazu. Das ist alles so schwammig. [Und vor] 717 R [Hm ̄ .] 718 N allem nichts Schriftliches. PG5: 716, Nina & Rieke Die Art und Weise sowie die Intensität, mit der sich die Studierenden in den untersuchten Planungsgesprächen mit dem Lehrwerk und seinen einzelnen Komponenten auseinandersetzen, variiert sehr stark. Dies ist u.a. von den Vorgaben, die von der Lehrerin gemacht wurden und von ihrer eigenen Arbeit abhängig. Orientiert sich die Lehrperson vorrangig am Lehrwerk, wird meist von den Studierenden erwartet, dass auch sie bestimmte Seiten im Lehrbuch als Grundlage ihres Unterrichts verwenden. Dies wird z.B. in den Planungsgesprächen 1 und 2 deutlich, in denen das Lehrwerk im Planungsgespräch relativ ausführlich thematisiert wird. Zudem finden sich in den Gesprächen Aussagen, 255 die sich darauf beziehen, welche Vorgaben von der Lehrerin gemacht wurden und wie diese zu verstehen seien. Auch in den Planungsgesprächen 5 und 8 bildet das Lehrbuch die Basis der Unterrichtsstunden. Die Stunden mit einem grammatischen Fokus (PG3 und PG7) orientieren sich hingegen kaum am Lehrbuch. Beide Stunden sind in eine Lehrbuchlektion eingebettet, die sich mit amerikanischer Kolonialgeschichte beschäftigt und das Leben der Siedler und Sklaven im 18. Jahrhundert thematisiert. Dieses Thema oder die Art des Umgangs mit Grammatik erscheint den Studierenden nicht geeignet, die Struktur der indirekten Rede zu vermitteln: 472 E Aber, an dieser Stelle, also gerade wenn s hier um reported speech geht, ja, da gibt es so unendlich viele Möglichkeiten, was man mit denen machen kann. Und gerade das, was da drin steht, finde ich extrem schwierig. Also... ich wüsste nicht, was ich damit machen soll, jetzt, • • • ehrlich gesagt. PG3: 472, Ellen In den Planungsgesprächen 4 und 6 beschäftigen sich die Planenden mit einem längeren Lehrbuchtext, der über mehrere Unterrichtsstunden hinweg Inhalt der Stunden ist. Die Orientierung am Lehrbuch ist in beiden Stunden eher gering. Der Text dient als Grundlage; Aufgaben oder das Strategientraining werden jedoch selbst konzipiert. Eine mehr oder wenig starke Orientierung am Lehrwerk ist vermutlich von verschiedenen Aspekten abhängig. Zum einen werden die Vorgaben der Lehrerin oftmals als Richtlinien wahrgenommen, die für den Unterricht der Studierenden bindend sind. Freiräume, die es dennoch gäbe, werden zum Teil aus unterschiedlichen Gründen nicht genutzt. Die Tatsache, dass Vorgaben oftmals in Form von Seitenabgaben im Lehrbuch erfolgen und nicht als Ziel- oder Inhaltsangaben formuliert werden, mag dazu beitragen, dass scheinbar unhinterfragt von einer Planung basierend auf dem Lehrbuch ausgegangen wird. Im Rahmen fachdidaktischer Lehrveranstaltungen, die auf die Tagespraktika vorbereiten, werden die Studierenden zudem mit den an den Schulen verwendeten Lehrwerken vertraut gemacht und es wird thematisiert, welche Vorteile mit der Verwendung des Lehrwerks zu Beginn der unterrichtspraktischen Tätigkeit verbunden sind. Das Lehrwerk bietet hier vermutlich ein Gerüst für die noch ungeübten Lehrer/ innen, anhand dessen ein Stundenverlauf einfacher und schneller geplant werden kann und das zudem eine gewisse Absicherung bedeutet. Die Entfernung vom Lehrwerk bei den Stunden mit grammatischem Fokus kann durch nur zwei beobachtete Planungsgespräche nicht hinreichend geklärt werden. Die Lehrbuchinhalte können offensichtlich nicht überzeugen, was einerseits auf das Thema zurückgeführt werden könnte oder andererseits am Umgang des Lehrwerks mit der grammatischen Struktur liegen mag. Die indirekte Rede wird im Lehrbuch stark in einen Kontext gebettet (ein Besuch der 256 Lehrbuchprotagonisten in einem Freilichtmuseum und eine Projektarbeit). Bei der weiteren Planung der Stunden fällt auf, dass die Studierenden Phasen der Kognitivierung der Struktur viel Raum geben. Es bleibt zu vermuten, dass das Lehrwerk in dieser Hinsicht nicht ihren Bedürfnissen nach einer strukturierten, übersichtlichen und umfassenden Bewusstmachung entspricht, so dass mit selbst erstellten Karten, Folien oder Handouts gearbeitet wird. Während das Planungsgespräch vielfach unterstützend wirkt, Lehrwerkinhalte zu verstehen, wird an einigen Stellen im Datenmaterial deutlich, dass der Aufbau von Lehrbuchaufgaben oder die damit verbundenen Intentionen des Lehrwerks von den Studierenden nicht immer gänzlich durchdrungen wurden. So werden z.B. Teilschritte in ihrer Logik als vorbereitende Übungen für eine darauf folgende Aufgabe nicht erkannt (PG8) oder Vorgaben für eine freie Anwendungsaufgabe als Vorübung verstanden (PG1). Dieses Vorgehen könnte einerseits dadurch erklärt werden, dass das Lehrbuchmaterial oder auch die Handreichungen zuvor oder im Planungsgespräch nicht ausreichend analysiert wurden. Eine tiefgehende Auseinandersetzung damit mag aus Sicht der Studierenden nicht nötig erscheinen, da Lehrbuchaufgaben generell aus ihrer Perspektive als schnell erfassbar und leicht lösbar wahrgenommen werden. Andererseits könnten auch zu wenig ausgereifte Schemata über die Struktur von Aufgaben oder die Strukturierung von Unterricht dafür verantwortlich sein. Der Aufbau eines Aufgabenkomplexes wurde demnach vielleicht durchaus wahrgenommen, ohne dass jedoch seine Logik verstanden wurde, weil den Studierenden Lehrbuchaufgaben dieser Art noch völlig fremd sind oder z.B. die Grundidee einer pre-task noch nicht hinreichend klar ist. 8.2.8 Medien und Materialien Wenn die Studierenden während der Planungsgespräche über Medien und Materialien sprechen, wird am häufigsten thematisiert, welches Medium gewählt werden sollte, um bestimmte Inhalte zu transportieren. Medien und Materialien [129] Auswahl eines geeigneten Mediums [56] Analyse der Form / Funktionsweise von Medien [5] Umgang mit Medien [19] Analyse von Materialien [7] Gestaltung / Erstellung eigener Materialien [25] Beschaffung von Materialien [17] Tab. 17: Medien und Materialien 257 Die Spannbreite der Medien, die in Betracht gezogen werden, reicht dabei von Realien, Bildern, Cartoons, Overheadfolien, Arbeitsblättern, Audiotexten, Powerpointpräsentationen, Wortkarten, Merkzetteln und natürlich der Tafel bis hin zu Selbstlernsystemen wie dem Logico Maximo (s. Kap. 7.6). Die Äußerungen, die unter dieser Kategorie subsumiert wurden, beschreiben die Auseinandersetzung der Studierenden mit der Frage, auf welche Art und Weise, d.h. auf welchem Weg Inhalte dargeboten werden: Soll ein Arbeitsblatt erstellt werden? Sollen Arbeitsergebnisse an der Tafel zusammengetragen oder auf einer Folie notiert werden? 1245 J Wolltest du s als Arbeitsblatt machen? Oder als Folie? 1246 G Hm ̄ , weiß ich noch nicht so richtig, aber eigentlich als F/ als Arbeitsblatt wär’s eigentlich schöner. Auf der anderen Seite müssen die auch mal selber was schreiben, und wir können nicht immer alles auf, auf Arbeitsblatt vorher machen. Oder? PG1: 1245f., Greta & Jennie Dabei wird in der Analyse getrennt zwischen Überlegungen hinsichtlich dessen, was transportiert wird (entspräche der Kategorie Inhalte) oder welche Form der Inhalt hat (z.B. ein Lückentext oder Stichpunkte oder ein Fließtext) und dem Transportmittel. Nur letzteres wurde an dieser Stelle berücksichtigt. Von den thematisierten Medien wird am häufigsten über Folien für den Overheadprojektor und über die Tafel gesprochen. Neben der Auswahl geeigneter Medien diskutieren die Studierenden auch den Umgang damit während des Unterrichts. Vor allem wird hier über die Arbeit mit der Tafel nachgedacht: Wann wird etwas an welche Stelle geschrieben, welcher Teil wird wann aufgeklappt? Vereinzelt wird auch die Funktionsweise bestimmter Medien besprochen, wie z.B. die Arbeit mit dem Logico Maximo oder der Umgang mit einem Beamer: 408 L (Außerdem,) du kannst ja noch vergrößern. Also (das ist nicht das) Problem. 409 M Ja, aber dann wird s halt unscharf. Weiß nicht wie weit... 410 L Okay ((leise)). PG6: 408, Mattis & Linda Ein weiterer größerer Themenbereich umfasst die Analyse, die Gestaltung und Erstellung sowie die Beschaffung von Materialien. Als Materialien gelten hier alle Texte im weiteren Sinne, die nicht im Lehrwerk enthalten sind. Das betrifft z.B. Zeitungsartikel, Texte aus dem Internet, Übungen, Übersichten etc. Analysiert werden Materialen aus dem Netz, Abhandlungen in Grammatikbüchern sowie Anregungen aus einem Buch über Spiele im Fremdsprachenunterricht. Die Gestaltung und Erstellung von Materialien umfasst Gesprächssequenzen, in denen vor allem auf formaler, gestalterischer sowie auf pragmatischer Ebene über die Erstellung von Materialien gesprochen wird. 258 121 H Genau, also einfach mit... Machst du dann noch a, b, c oder so daneben, damit sie dann einfach das schnell zuordnen können. 122 E ((schreibt)) Buchstaben. Ja, ist gut, damit die dann nicht sagen müssen: "Das Dritte von oben". PG3: 121, Ellen & Hendrik Es geht hier auch um praktische Fragen in Bezug auf die Herstellung des Materials, wie z.B. das Drucken oder Kopieren von Folien: 48 H Dann sind das halt mal/ ist das halt mal ein Euro, den man ausgeben muss, um das zu drucken, aber... 49 E Wie macht man das denn mit den Folien? Ich hab noch nie auf Folie gedruckt. 50 H Äh, gehst du in Copyshop und sagst, du möchtest das... 51 E ((unverständlich)) 52 H Wie? • • Du kannst auch, wenn... Du hast n Farbdrucker zu Hause, ne? Dann gibt s auch entsprechende Folien, die du kaufen musst. 53 E Und das macht dann mein Drucker einfach so? PG3: 48ff., Ellen & Hendrik Inhaltliche Aspekte der Gestaltung von Übungen, Aufgaben oder Texten werden in dieser Kategorie nicht berücksichtigt. Das betrifft z.B. Überlegungen hinsichtlich der Formulierung von Textverständnisaufgaben für ein Arbeitsblatt (PG2, PG6) oder das Schreiben eines alternativen Endes einer Geschichte (PG4), die dann der Kategorie Unterrichtsaktivitäten zugeordnet werden würden. Die Zuordnung ist dabei nicht immer eindeutig, da im Gespräch diese Grenzen schnell verschwimmen: 650 M Genau. Und ich hab mir gedacht, dass ich die ((1s)) ähm einfach mal abändere und auf den, den Text beziehe, den wir/ den sie lesen müssen. 651 L Ach so, mit Fragen sozusagen. 652 M Ihnen äh quasi so ja, Fragen zum Test stelle, ihnen Antwortmöglichkeiten gebe "ja, nein oder gar nicht im Text" 653 L Hm ̌ . 654 M Und, und danach müssen sie halt die richtigen Nummern auswählen. PG6: 650ff., Mattis & Linda Die Frage ist hier, ob es Mattis in dieser Sequenz um die formale Erstellung des Arbeitsblattes für das Logico Maximo geht (ein bestehendes Arbeitsblatt verändern, drei Antwortmöglichkeit aufführen) oder ob eher methodische Fragen im Vordergrund stehen (mit Textverständnisfragen arbeiten, multiple-choice- Fragen stellen, sich auf einen bestimmten Text beziehen). In diesem Fall wurde die Erstellung des Materials als vordergründig eingeschätzt, da die Wahl des Mediums nicht mehr zur Diskussion steht und die Form der Selbstlerntafel weitere methodische Schritte vorgibt, d.h. diese werden nicht wirklich erörtert, da kaum Alternativen bestehen. Formale und methodische Entscheidungen liegen jedoch oftmals sehr eng beieinander, sie scheinen sich teilweise gegenseitig zu bedingen. 259 Bei der Beschaffung von Materialien ziehen die Studierenden andere Fachliteratur (Grammatiken, Handbücher), Personen, die man fragen könnte, Zeitschriften oder das Internet in Erwägung: 578 E Und wo wollen wir s herkriegen? 579 H Och, • da hilft einem schon Google. 580 E Na aber, aber das richtige Vokabular und so was. 581 H Ja, das is eben/ das wollt ich eben auch grad sagen. Das... 582 E Bissel schwierig. PG3: 578ff., Ellen & Hendrik Die Medien, die Studierende für die Vermittlung von Inhalten in ihren Unterrichtsstunden in Betracht ziehen, sind eher traditionellere Medien wie die Tafel oder Folien für den Overheadprojektor. Dieses Vorgehen orientiert sich vermutlich an den Gegebenheiten an den Schulen und den Arbeitsweisen der Lehrpersonen. Der Einsatz von digitaler Technik stellt in den untersuchten Gesprächen - wie vermutlich auch an den Schulen - noch eine Ausnahme dar. Es wird nur in PG6 mit einem Laptop und einem Beamer gearbeitet. Überlegungen hinsichtlich der Auswahl des geeigneten Mediums oder der Gestaltung von Materialien berühren oftmals Fragen methodischer Art oder gehen einher mit Gedanken über die Schüler/ innen oder auch über die Machbarkeit in Bezug auf das Arbeitspensum der Studierenden. Medien- und Materialfragen tauchen kaum isoliert auf. 8.2.9 Orientierung / Reflexion In den untersuchten Planungsgesprächen gibt es zahlreiche Äußerungen, in denen sich die Teilnehmenden auf andere Personen, auf eigene Erfahrungen oder auf ihr Lehramtsstudium beziehen bzw. diese Aspekte im Gespräch reflektieren: Orientierung / Reflexion [153] Vorgaben der Lehrerin / Anforderungen [36] Eigene Erfahrungen aus vorherigen SPÜ-Stunden [35] Inhalte aus dem Studium [29] Arbeit / Ansichten der Lehrerin [24] Rückmeldungen / Reaktionen der Dozentin oder der Lehrerin [12] Anforderungen / antizipierte Reaktionen der Dozentin [8] Erfahrungen aus dem Zweitfach [3] Erfahrungen aus dem eigenen Fremdsprachenunterricht [6] Tab. 18: Orientierung / Reflexion Es zeigt sich dabei, dass vor allem die Vorgaben der Lehrerin eine große Rolle für die Studierenden spielen. Oftmals rekapitulieren sie im Gespräch, was sie 260 zuvor mit der Lehrerin besprochen haben, welche Vorgaben gemacht wurden und wie diese zu verstehen sind. Dies betrifft vor allem die Planungsgespräche 1 und 8, in denen deutlich wird, dass es für die Studierenden mitunter problematisch ist, eindeutige Schlüsse aus den jeweiligen Absprachen zu ziehen: 194 J Das ist halt die Frage, ne. Sollen wir sowohl diesen Dialog als auch noch nen eigenen machen? 195 G Hätt ich gedacht, ja. So hatt ich s verstanden. PG1: 194f., Greta & Jennie Auch im Planungsgespräch zwischen Anja und Heike wird mehrmals thematisiert, was die Anforderungen an den Unterricht der Studierenden sind: 7 A Also ich hab ähm na/ ich hab erst mal diese Aufgabe. 8 H Ach so! Willst du die auch noch mitmachen? 9 A Die muss ich machen! Die soll ich eigentlich machen. Das hat sie... 10 H Ach ich dachte du/ sie hätte dir das freigestellt. 11 A Das hat sie glaub ich nur äh gesagt, weil ich (letztens)/ so weil ich gern noch was Cooles machen wollte. PG8: 7ff., Anja & Heike In diesen wie auch in anderen Textstellen wird durch die Art der Formulierung deutlich, dass die Studierenden die Absprachen mit den Lehrpersonen nicht als Vorschläge, sondern als relativ feste Vorgaben betrachten. Es wird davon gesprochen, was sie „machen sollen“, „zu tun haben“ oder „machen müssen“. In PG1 thematisieren Greta und Jennie, dass ihnen die Vorgaben der Lehrerin eigentlich noch zu vage sind: 291 J Das Problem ist, finde ich, dass wir nicht wissen, wie lang der Dialog sein soll, ne? • • • Weißte? 292 G Dass (sie sich als nächste)... 293 J Sie hat, sie hat sich ja gar nicht darüber geäußert, wie weit der sein soll. Und wenn wir jetzt wüssten, der soll, • • weiß nicht, zwei Minuten gehen, reicht das vollkommen aus, über ein Geschenk zu sprechen. Wenn der aber 5 oder 7 Minuten gehen soll - keine Ahnung wie lange - dann brauchst du definitiv mehrere Sachen. PG1: 291ff., Greta & Jennie Neben den Absprachen mit der Lehrerin der Klasse thematisieren die Studierenden häufig eigene Unterrichtserfahrungen sowie Beobachtungen im Rahmen der schulpraktischen Studien. Dabei werden oftmals Erinnerungen aktiviert, die sich auf die Arbeit mit den Schüler/ innen beziehen: 711 M Ja, naja, das war jetzt selten so, dass wir die Klasse dazu bekommen haben, zügig • • also richtig zügig zu arbeiten. PG2: 711, Maren 261 595 L Guck mal, wie viel ich helfen musste, um einfach nur n Dialog hinzukriegen. Das können die noch nicht. ((4s)) PG4: 595, Linda Aufgrund dieser Erfahrungen können die Studierenden z.B. die Voraussetzungen der Schüler/ innen besser einschätzen. In den entsprechenden Gesprächssequenzen geht es folglich sowohl um das Aktivieren von Erfahrungen als auch um das Einschätzen der Voraussetzungen der Schüler/ innen, d.h. die Daten werden hier doppelt kodiert. Bedeutsame Erfahrungen, die im Gespräch reaktiviert werden, beziehen sich außerdem auf den zeitlichen Ablauf von Unterrichtsstunden („das wird bestimmt wieder länger dauern“), auf Lehrtechniken, wie z.B. die Verständnissicherung nach einer Aufgabenstellung, auf den Gebrauch der Zielsprache oder darauf, wie bestimmte Unterrichtsabschnitte gestaltet wurden: 407 N Ja, aber es ist halt… Erst mal muss ich die Semantisierung… 408 R Erst mal die Bilder besch... 409 N machen. (Das ist halt das). 410 R Vorher? Hab ich auch hinterher gemacht. 411 N Ja? 412 R Ja. • • • Wir haben auch erst den Text gehört und dann • • hab ich gesagt: "Let's have a look at the words you didn't know". PG5: 407ff., Nina & Rieke Inhalte aus dem Studium dienen den Studierenden vielfach als Orientierung, wobei dies nicht immer explizit gemacht wird. Unter diese Kategorie werden daher jene Gesprächsdaten subsumiert, in denen der Bezug deutlich wird, indem er direkt benannt oder durch die Verwendung fachspezifischer didaktischer Termini offensichtlich wird. 558 H Also ich bin/ also es ist einfach/ • ähm so ne Abfolge, die so vorgeschlagen wird, jetzt in dem Didaktikseminar, ist: Exposure, Notice, ((1s)) ähm ((2s)) Exposure, Notice, wie ging s weiter? Also, auf jeden Fall kam da direkt die Phase • Understand ziemlich weit hinten. Also dass die durchaus das schon einfach erst mal sehen, so n bisschen damit benutzen und umgehen sollen, bevor es einfach sofort aufgelöst wird und denen mundgerecht • • also • an die Tafel geschrieben wird. PG3: 558, Hendrik Hier bezieht sich Hendrik auf die im Seminar besprochene mögliche Schrittfolge bei der Vermittlung grammatischer Strukturen, die sich laut Scrivener in exposure - notice - understand - try using the language - remember unterteilen lässt (2011: 157f.). Hendrik weist Ellen auf dieses Modell hin, da sie seiner Meinung nach die Struktur zu schnell erklären möchte. Auch Rieke bezieht sich auf eine Lehrveranstaltung, in der das laute Vorlesen von Texten thematisiert wurde: 262 1398 R Auf der anderen Seite • • - haben wir ja gehabt, ähm in Didaktik - dass wenn die das schon wissen, wann sie dran sind, sich nur auf ihren konzentrieren und, und dann abschalten. PG5: 1398, Rieke Es wird außerdem darüber gesprochen, welche Funktion pre-, while-, postlistening activities haben, was der Unterschied zwischen den Lesetechniken skimming und scanning ist, wie theaterpädagogische Elemente in den Unterricht integriert werden können oder welche Möglichkeiten es gibt, Gruppen einzuteilen. Neben dem expliziten Verweis auf Inhalte aus dem Studium, wird an zahlreichen weiteren Stellen deutlich, dass Konzepte und Theorien auf das Planungshandeln der Studierenden wirken. Diese werden inhaltsanalytisch hier jedoch nicht erfasst, da sie nicht direkt thematisiert werden. 1 Die Studierenden orientieren sich des Weiteren an ihren unmittelbaren Mentorinnen im Kontext der schulpraktischen Studien, d.h. an der Lehrerin der Klasse sowie an der Dozentin, die die Tagespraktika leitet und die Studierenden betreut. Die Gesprächsdaten lassen sich hier unterteilen in Aussagen, die sich auf die Arbeit oder auf geäußerte Ansichten der Lehrerin, auf die Rückmeldungen beider Personen als Reaktion auf durchgeführte oder beobachtete Stunden oder auf Anforderungen der Dozentin beziehen. Die Arbeit der Lehrerin ist vor allem von Interesse, wenn es um Gewohnheiten der Schüler/ innen geht, die evtl. für die zu planende Stunde relevant sind, wie im folgenden Beispiel, in dem es um das Notieren neuer Lexik geht: 353 R Na, aber aufschreiben müssen die die ja nicht. Die haben ja ihre/ die schreiben die ja zu Hause ab. 354 N Ach so. 355 R Das hat die Frau R gesagt. Also du sollst die mit denen besprechen 356 N Hm ̌ . 357 R und hören. Ich glaube, schreiben tun sie die zuhause • • • immer so typisch vokabellistenmäßig in den Hefter. PG5: 353ff., Nina & Rieke In der gleichen Gruppe, aber in einem anderen Planungsgespräch, wird diese Gewohnheit auch kritisch hinterfragt: 1 Es ist davon auszugehen, dass jegliches Handeln der Gesprächspartner/ innen durch implizite oder bewusste Wissensbestände geleitet wird, die jedoch mittels der hier durchgeführten Inhaltsanalyse nicht rekonstruiert werden sollen. Erst durch stärker rekonstruktiv-hermeneutisch orientierte Verfahren kann die Oberfläche der Gespräche aufgebrochen, und Wissen oder Einstellungen aus der Tiefenstruktur der Texte herausgearbeitet werden. Die Analyse zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage wird sich den Daten auf diese Weise nähern. 263 212 H Nee, die schreiben das doch nur doof in ihr Vokabelheft dann 213 A Hm ̌ . 214 H da rein. PG8: 212ff., Anja & Heike Die Studierenden überlegen auch, wie die Lehrerin bestimmte Ideen der Studierenden bewerten bzw. wie sie entsprechende Aktivitäten durchführen würde, was jedoch nicht automatisch dazu führt, es genauso zu tun. Die Reaktionen der Dozentin oder der Lehrerin in Bezug auf gehaltene SPS- Stunden scheinen hingegen stärkeres Gewicht zu haben. Hier werden Formulierungen verwendet wie z.B., dass man etwas „nicht machen soll“, dass etwas „schlecht ist“ oder dass etwas „kritisiert wurde“: 647 N ((1s)) Das war doch immer der/ die Kritik, dass man immer nur vorne rückgekoppelt hat und die das hinten nicht verstanden 648 R Hm ̌ . 649 N haben, weil die s so leise wiederholt haben oder man das selber noch mal laut wiederholt auf Deutsch. 650 R Hm ̌ . PG5: 647ff., Nina & Rieke Inhalte aus den Vor- oder Nachbesprechungen der Unterrichtsstunden fließen ebenfalls in die Planungsgespräche mit ein, indem an einigen Stellen mögliche Rückmeldungen der Dozentin schon antizipiert werden: 589 H Ja, na dann wird D1 wieder kommen, was sollen jetzt/ was haben jetzt diese Skandälchen mit den... 590 E Das Puzzle, ja. 591 H Ja, ja. 592 E Das Puzzleteil passt nicht. PG3: 589ff., Ellen & Hendrik Weitere Einflussfaktoren, die in den Planungsgesprächen direkt benannt werden, sind Erfahrungen der Studierenden als Schüler/ innen im Fremdsprachenunterricht. Diese Berichte sind, wenn sie geteilt werden, scheinbar von erheblicher Bedeutung für die Studierenden und wirken sich direkt auf die Planung aus: 679 H Oder wenn jemand ne gute Idee hat, können sie es auch in Deutsch sagen? 680 E Immer erstmal probieren, ne? Ich mein, da... Anders geht s nicht. Und wenn s nicht klappt… Also hier, von wegen, wie bei uns früher in Englisch: "Oh, kann ich auf Deutsch, ich kann grad nicht. Ja, erzähl s halt in Deutsch". Das bringt nichts. Ich will, dass sie es erst probieren, und wenn ich merke, es wird nichts… Oder ich paraphrasier das dann noch mal, dann... ne? Ich mein, das ist ja jetzt auch nicht so kompliziert, das da herauszufinden. PG3: 679f., Ellen & Hendrik 264 In einigen wenigen Fällen wird auch eine Verbindung zum Zweitfach der Studierenden hergestellt, z.B. wenn es darum geht, wie im Sportunterricht Schüler/ innen in Gruppen einzuteilen, oder als Hausaufgabe, wie in Deutsch, etwas zum Auswendiglernen aufzugeben. Diese Art von Reflexionen zeigen deutlich, dass der Kontext, in den die ersten Unterrichtserfahrungen der Studierenden eingebettet sind, durchaus auf ihre Überlegungen zur Unterrichtsplanung wirkt. Dabei sind die Einflüsse vielfältig und die Art der Einflussnahme variiert zwischen den Gesprächen und den einzelnen Personen. Während für einige Studierende die Absprachen mit der Lehrerin als feste Richtlinie gelten, werden diese Vorgaben in anderen Gesprächen gar nicht thematisiert. In PG1 steht die verstärkte Thematisierung der Vorgaben z.B. vermutlich in engem Zusammenhang mit dem Unterrichtsinhalt bzw. den geplanten Aktivitäten. Die Erarbeitung eines Rollenspiels stellt eine relativ freie Aufgabe dar, die vom Lehrwerk angeregt, methodisch jedoch nur begrenzt angeleitet wird. Es obliegt hier den Studierenden zu planen, wie sie die Aktivität initiieren, anleiten und durchführen werden. Dieser Freiraum stellt die Planenden vor eine Herausforderung, die aufgrund ihrer begrenzten Erfahrungen nicht leicht zu bewältigen ist. Dies führt im PG1 dazu, dass aufgrund der Schwierigkeiten beim Planen die Lehrerin in einer größeren Pflicht gesehen wird. Sie hätte den Studierenden zufolge mit präzisieren Vorgaben die Vorbereitung vereinfachen können (vgl. oben das Gespräch zwischen Greta und Jennie über die Dauer bzw. Länge eines Dialoges). In anderen Gesprächen wird verstärkt auf Inhalte aus dem Studium zurückgegriffen, was ebenfalls abhängig von den Unterrichtsinhalten, aber vermutlich auch von den Rollenzuschreibungen der einzelnen Partner/ innen ist. In PG2 nimmt Maren eine deutlich dominantere Rolle ein, was sich in Gesprächssequenzen zeigt, in denen Ute sich bei ihr rückversichert oder Maren Ute auf Aspekte hinweist, ihr Dinge erklärt oder Ideen hinterfragt, wobei sie mehrfach auf Inhalte aus dem Studium verweist. Ähnliche Beobachtungen lassen sich für das PG3 festhalten. Hier wird in einigen Gesprächssequenzen deutlich, dass Hendrik und Ellen Wissen abrufen und versuchen, dies in die Planung der Stunde einzubringen. Die Beziehung zwischen beiden Planenden ist hier stärker gleichberechtigt, und es kommt zu umfassenden Aushandlungsprozessen (s. Kap.10.2.3). Im dritten Analyseteil wird ausführlicher auf die Frage eingegangen werden, welche Bedeutung jenen Aushandlungsprozessen, in denen Inhalte aus dem Studium aktiviert und diskutiert werden, in Hinblick auf die Ko- Konstruktion fachspezifischen Wissens zukommt. Auch bei der Orientierung an den Erfahrungen aus vorangegangenen Stunden oder den Rückmeldungen der Lehrerin oder Dozentin lassen sich gesprächs- und personenspezifische Häufungen ausmachen. Es sind hier vor 265 allem Rieke und Heike, die sich stark an den bereits gesammelten Erfahrungen orientieren. Insgesamt kann die Frage danach, woran sich die Studierenden während der Planung orientieren, personen-, beziehungs- und inhaltsbezogen beantwortet werden. In einer stärker fallbasierten Analyse, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden kann, ließen sich vermutlich Typen bilden, die die verschiedenen Vorgehensweisen bei der Planung von Unterricht herausstellen würden. Auf die Orientierungen der Studierenden wird im zweiten Analyseteil umfassender eingegangen, wenn es darum geht, die Struktur der Gespräche zu erfassen und Gesprächshandlungen herauszuarbeiten, die für spezifische Gesprächsphasen typisch sind. 8.2.10 Der Planungsprozess Die Studierenden thematisieren außerdem die Planung des Unterrichts und das Planungsgespräch selbst. Dabei lassen sich folgende Unterkategorien finden: Der Planungsprozess [186] Planungsschritte vor dem Planungsgespräch [18] Vorgehen beim Planen [72] Aufwand / Arbeitspensum [7] Gefühle / Stimmung / Probleme beim Planen [9] Tabellarischen Verlaufsplan erstellen [29] Planungsschritte nach dem Planungsgespräch [40] Das Planungsgespräch beenden [8] Planungsprozedere im Rahmen der SPS [4] Tab. 19: Der Planungsprozess Zu den thematisierten Planungsschritten, die vor dem Planungsgespräch stattgefunden haben, zählen die Situation der Vorbesprechung des Unterrichtsinhalts sowie die individuellen Planungshandlungen der Studierenden im Vorfeld des Gesprächs. Die Absprachen bezüglich des Unterrichtsinhalts erfolgen meist im Anschluss an eine Unterrichtsstunde. Wenn diese Absprachen noch einmal im Planungsgespräch diskutiert werden, handelt es sich meist um Situationen, die für die Studierenden nicht ganz eindeutig waren, wie z.B. in PG1: 340 J Aber das versteh ich nicht. Sie hat am Anfang auch gesagt, wir machen die mediation. Und dann auf einmal ist sie doch auf den, auf den Dialog gegangen. 341 G Sie hat gesagt, wir können uns das aussuchen und dann fand sie das aber glaub ich besser mit dem Dialog. Weil dann können sie es auswendig lernen und... ((lacht)) Damit wird das nicht unbedingt einfacher für uns, aber ist okay. PG1: 340f., Greta & Jennie 266 Auch die jeweiligen Vorarbeiten der Studierenden werden besprochen. Dabei geht es darum, was bereits zuhause geplant wurde, welche Planungsschritte durchgeführt wurden oder was u. U. auch unberücksichtigt geblieben ist, da die Auffassung über die Vorgaben der Lehrerin sich unterschieden. Bedingt durch die dialogische Planungssituation kommt es vielfach dazu, dass ausgehandelt werden muss, wie bei einer kooperativen Vorbereitung der Unterrichtsstunde vorzugehen sei. Äußerungen, die in die Kategorie Vorgehen beim Planen fallen, sind z.B. kurze Anmerkungen, was als nächstes zu besprechen ist: 1732 J So, für das Kreuzworträtsel können wir vielleicht • kurz durchgehen, was für Vokabeln und welche Fragen dazu, damit ich mir das nicht... Weil das dauert Stunden, wenn ich mir das alleine ausdenke. PG1: 1732, Jennie Es wird außerdem thematisiert, in welcher Reihenfolge die einzelnen Unterrichtsabschnitte geplant werden, ob man etwas gemeinsam oder später allein vorbereitet, welche Hilfsmittel beim Planen verwendet werden können, inwiefern man sich während des Gesprächs Notizen macht oder ob man gemeinsam einen tabellarischen Verlaufsplan erstellt. Die Studierenden reflektieren z.T. auch, welcher Arbeitsaufwand mit weiteren Planungsschritten verbunden sein wird: 286 H […] Kann man auch überlegen, ob das den Aufwand Wert ist oder ob man nicht ne andere Idee findet, die das einfacher… PG3: 286, Hendrik Die Gefühle und Stimmungen, die verbalisiert werden, beziehen sich meist auf problematische Planungssituationen, in denen z.B. sehr lange an der Konzipierung einer Aufgabe gearbeitet wird, ohne dass ein zufriedenstellendes Ergebnis entsteht (PG6 und PG8). Es werden auch Befindlichkeiten, wie die Unzufriedenheit mit dem vorgegebenen Unterrichtsthema oder die Schwierigkeit, die Voraussetzungen der Schüler/ innen richtig einschätzen zu können, geäußert. Eine extra Kategorie bilden des Weiteren die Äußerungen der Studierenden, die das Ausfüllen eines tabellarischen Verlaufsplans betreffen. Die Studierenden werden im Rahmen der schulpraktischen Studien aufgefordert, vor der Besprechung des Unterrichtsentwurfs mit der Dozentin eine Verlaufsskizze abzugeben. In den meisten Planungsgesprächen werden handschriftliche Notizen angefertigt, die dann im Nachgang in eine digitale tabellarische Form gebracht werden. Im PG5 arbeitet Nina direkt während des Planungsgesprächs mit dem Laptop an ihrem Verlaufsplan. Es finden sich in diesem Gespräch daher zahlreiche Äußerungen, die sich nur auf das Ausfüllen dieses Tabellenmusters beziehen. Teilweise ist jedoch auch nicht zu trennen, ob hier nur eine Tabelle ausgefüllt oder ob gleichzeitig mit diesem Ausfüllen z.B. an der Gestaltung 267 einer Überleitung gearbeitet wird. Interessant ist dabei, welche Gedanken eventuell gerade durch dieses Planen entlang der vorgegebenen Form gefördert werden. 224 N Ähm, was soll ich jetzt sagen? ((tippt) "Lehrer nimmt verschiedene Schüler dran". 225 R Hm ̌ . 226 N Aber es ist ja eigentlich egal. "Lehrer nimmt Schüler dran". ((tippt, 4s)) Ähm ((3s)) dann noch schnell loben ((lacht leicht)). PG5: 224ff., Nina & Rieke In diesem Beispiel ist z.B. zu vermuten, dass die Überlegung, die Schüler/ innen bei der Ergebnissicherung auch zu loben, durch das Ausfüllen der Spalte „Unterrichtstätigkeit und Impulse“ angeregt wurde. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass im Verlaufsplan Folgendes notiert wurde: „SuS tragen Lösungen auf Folie ein. L nimmt SuS dran. Well done. Let’s correct number 2b.” Die Planungsschritte, die in Bezug auf das weitere Vorgehen nach dem Planungsgespräch verbalisiert werden, betreffen oftmals jene Aspekte, die noch nicht abschließend entschieden werden konnten und die als offene Fragen an die Dozentin oder Lehrerin herangetragen werden. Es wird außerdem darüber beraten, was noch zu tun ist und wie die Verantwortlichkeiten dafür aufgeteilt werden, wer z.B. Texte sucht oder ein Kreuzworträtsel erstellt oder die Lehrerin anruft. Teilweise kommt es auch zu Äußerungen seitens der Person, die die Stunde durchführen wird, die signalisieren, dass an dieser Stelle nicht weiter über etwas nachgedacht werden muss, weil dies dann noch im Nachgang von der unterrichtenden Person gemacht werden wird: 1538 U ((8s)) Ahh, da kann ich ja zuhause mir noch mal Gedanken machen, welche Übung wir da nun nehmen. PG2: 1538, Ute Meist wird auf diese Weise das Gespräch an einer bestimmten Stelle abgebrochen und ein Themenwechsel eingeleitet. Aussagen der Studierenden, die sich auf das Planen im Allgemeinen im Kontext der schulpraktischen Studien beziehen, haben die Absprachen mit der Lehrerin, wiederholt auftauchende Schwierigkeiten oder die Anforderungen der Dozentin zum Inhalt, wie hier in PG7: 19 C […] Da wollt jetzt D1 die Sä/ sentences haben. Die hab ich mir noch nicht ausgedacht, ja. 20 E Ja, das hat sie bei mir auch gesagt, immer, ganz oft. Sie wollte das alles… Ich glaub, da geht’s hauptsächlich um, um, äh spelling und so. PG7: 19f., Clara & Ellen Die Beendigung des Gesprächs erfolgt in den meisten Fällen recht abrupt und ist verbunden mit einem Gefühl von Erschöpfung oder Erleichterung: 268 1416 A ((1s)) Na gut, ((2s)) das war s. 1417 H Das war s? 1418 A Ja, oder? Würd ich jetzt (sagen). 1419 H Ist Wahnsinn, wie lange das immer dauert. Also ich bin echt 1420 A Ja, ja. 1421 H ((3s)) gebrettet. PG8: 1416ff., Anja & Heike Die Gedanken über den Planungsprozess und das Planungsgespräch selbst werden nur zum Teil verbalisiert. Werden die Handlungen auf eine Metaebene gehoben, so dient dies meist der gemeinsamen Verständigung darüber, wie man am besten vorgehen könnte. Vereinzelt werden auch Planungsstrategien diskutiert, wenn z.B. darüber gesprochen wird, sich etwas bildlich vorzustellen oder direkt auszuprobieren, was die Schüler/ innen im Unterricht tun sollen oder ein Blatt Papier zu falten, um das Tafelbild besser planen zu können. Planungsstrategien kommen jedoch auch unbewusst zum Einsatz oder werden zumindest nicht verbalisiert. Dies betrifft Handlungen wie z.B. den gesamten Stundenverlauf noch einmal zu rekapitulieren oder durch die Verwendung wörtlicher Rede einzelne Unterrichtsabschnitte zu präzisieren. Die Gesprächsdaten zeigen, dass die Studierenden zur Reflexion über die Planung angeregt werden, indem sie mit anderen Vorstellungen über das Planen und anderen Vorgehensweisen konfrontiert werden. Hier zeigen vor allem auch die Daten aus dem Lauten Erinnern, welche metakognitiven Denkprozesse durch das Planungsgespräch initiiert werden. 8.2.11 Unterrichtszusammenhang Da der Unterricht der Studierenden im Kontext der schulpraktischen Studien stattfindet, geht den Stunden oftmals der Unterricht der Lehrerin und nicht die Stunde der SPS-Gruppe voraus. Anders als in mehrwöchigen Praktika kann also kaum direkt an vorangehende Stunden angeschlossen werden. Dennoch werden vorherige Stunden und vereinzelt auch die Folgestunden im Planungsgespräch thematisiert: Unterrichtszusammenhang [33] Vorangegangene Stunde(n) [26] Etwas zu Ende bringen Herstellen einer thematischen Verknüpfung Materialien noch einmal nutzen Etwas wurde schon einmal gemacht Etwas nachholen, Defizit ausgleichen Folgestunde(n) [7] Tab. 20: Unterrichtszusammenhang 269 Überlegungen der Studierenden über vorherige Stunden beziehen sich in den meisten Fällen auf den Unterricht der SPS-Gruppe, vereinzelt auch auf den Unterricht der Lehrerin. Die Studierenden denken über eine Verbindung mit vorherigen Stunden nach, wenn es z.B. um die Kontrolle von Aufgaben geht, die zuvor nicht geschafft wurden, Inhalte oder Themen nochmals aufgegriffen oder Materialien noch einmal verwendet werden. Im folgenden Beispiel geht es um die einheitliche Bezeichnung einer grammatischen Struktur: 13 C Hast du das - ach so, das wollt ich dich fragen - hast du das eigentlich reported speech genannt oder indirect speech, ich weiß es halt nicht mehr. • • • Weil nicht dass ich jetzt ständig reported speech sagen muss… PG7: 13, Clara In PG7, das sich auf die Stunde bezieht, die direkt auf den in PG3 geplanten Unterricht folgt, besprechen Ellen und Clara außerdem, was in der vorangegangenen, von Ellen durchgeführten Stunde unzureichend behandelt wurde und nun nachgeholt werden kann: 31 E Und dann kannst du auch noch mal ähm/ auf das Reflexivpronomen eingehen, weil ich das ja einfach mal komplett untern Tisch hab fallen lassen. PG7: 31, Ellen Der darauf folgende Unterricht wird thematisiert, wenn es darum geht, bis wann die Schüler/ innen den Einkaufsdialog auswendig lernen sollen, ob auf eine Übung auch die entsprechende Anwendung im Unterricht der Lehrerin folgen wird, wie die Textarbeit in PG4 durch die Stunde von Mattis in PG5 fortgeführt wird und wie die Lehrerin den Unterricht weiterführen wird. Wie aufgrund des Forschungskontextes zu erwarten war, ist die Bezugnahme auf vorangehende und folgende Stunden in den untersuchten Planungsgesprächen relativ gering. Die Unterrichtsstunden im Tagespraktikum bauen in den seltensten Fällen direkt aufeinander auf. Dies gilt vor allem für die Unterrichtsstunden in den Klassen 5 und 6, in denen die Lehrerin bei einer Stundentafel von 4-5 Englischstunden pro Woche in der Zwischenzeit 3-4 Stunden ohne die Studierenden unterrichtet. In der Klassenstufe 8, d.h. in diesem Fall die Planungsgespräche 3 und 7 betreffend, unterrichten die Studierenden eine Stunde und die Lehrerin zwei Stunden pro Woche. In diesen Gesprächen kommt es zu den meisten Verweisen auf vorangegangene Stunden, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die beiden Stunden in der Behandlung der indirekten Rede aufeinander aufbauen. In den Planungsgesprächen 4 und 6, die unabhängig vom Unterricht der Lehrerin eine eigenständige Reihe zum Thema Schottland durchführen und dabei einen längeren Lehrbuchtext behandeln, kommt es jedoch nicht zu häufigeren Verweisen oder Verknüpfungen. Die Tatsache, dass zwischen den Unterrichtsstunden aller SPS-Gruppen mindestens eine Woche Zeit vergeht, ist sicher der Grund dafür, selten auf 270 vorangehende Stunden zu verweisen oder Stunden miteinander zu verbinden. Dennoch bleiben die anderen Stunden nicht gänzlich unbeachtet. Vor allem wenn Probleme festgestellt wurden, bieten die folgenden Stunden die Möglichkeit, diese Aspekte noch einmal aufzugreifen. 8.2.12 Die eigene Person Die Studierenden thematisieren in den Planungsgesprächen auch sich selbst als Lehrperson. Sie sprechen darüber, was sie als Lehrerin oder Lehrer gern machen, wie sie selbst typischerweise als Lehrer/ in agieren, was sie gut oder noch nicht so gut können, und wie sie sich später als Lehrer/ in sehen: Die eigene Person [19] Vorlieben [7] Lehrverhalten [5] Professionelle Kompetenzen [5] Perspektiven als zukünftige Lehrperson [2] Tab. 21: Die eigene Person Wenn es um Vorlieben oder typisches Lehrverhalten geht, werden Aspekte erwähnt, wie z.B. eine "Allergie" gegen Overheadprojektoren, eine Präferenz für kreative Unterrichtsmethoden oder wie hier, die Einschätzung von Anja, dass sie generell immer sehr schnell spricht: 274 A […] Ah, ich bin sowieso sehr schnell ((lacht kurz)). 275 H Ja, das stimmt ((lacht)). Hast du Recht. 276 A Weil das ist ganz schwer für mich, langsam reden. So... PG8: 274ff., Anja & Heike Überlegungen hinsichtlich der Fähigkeiten zu unterrichten beziehen sich z.B. darauf, dass das eigene Wissen über die englische Grammatik unzureichend ist oder dass die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, noch nicht gut entwickelt ist: 298 A Dann hab ich, glaub ich, noch ne Geschichte vorgelesen in der restlichen Zeit oder so. Aber das äh/ Geschichten vorlesen kann ich auch nicht. ((lacht kurz)) Mit kleinen Kindern... 299 H Das ist bei mir auch ganz schlimm. So mit Stimmen und so... Ich find s immer toll, wenn s jemand kann. Aber selber… • Ist ganz schlimm. Na ja. PG8: 298ff., Anja & Heike Verhältnismäßig wenige Äußerungen der Studierenden betreffen sie selbst als Studierende oder Lehrende, wobei die Daten des Lauten Erinnerns zeigen, dass Reflexionen dieser Art durchaus häufiger angeregt werden, als sie tatsächlich verbalisiert werden. Aus verschiedenen Gründen kommt es eher selten dazu, 271 sich im Gespräch mit der/ dem Ko-Planenden selbst zu reflektieren oder zu erklären. Die Offenheit, mit der über Schwächen oder Wünsche gesprochen wird, mag von der Art der Beziehung zwischen den jeweiligen Planenden abhängen. Die Daten zeigen, dass es häufig dazu kommt, selbstreflexive Positionen zu formulieren, wenn die Studierenden verschiedener Meinung sind. So tauschen sich Ellen und Hendrik z.B. darüber aus, wie sie methodisch bei der Vermittlung grammatischer Strukturen vorgehen würden und begründen dies, indem sie auf ihre Persönlichkeit verweisen (eher kreativ denkend und arbeitend versus strukturiert und systematisch vorgehend). Das Nachdenken über die eigene Person während der Unterrichtsvorbereitung bzw. das Einbeziehen von Persönlichkeitsfaktoren wurde in der Forschung bisher kaum erfasst. Der Planungskontext (allein im Arbeitszimmer oder im Gespräch mit anderen) und die Art der Datenerhebung spielen dabei sicher eine Rolle. Es ist zu vermuten, dass im Austausch mit anderen die eigene Person im Vergleich zu weiteren Positionen stärker reflektiert wird, als dies der Fall wäre, wenn allein über Unterricht nachgedacht wird. Dieses In-Beziehung-Setzen zu anderen Studierenden wird nochmals umfassender in Kapitel 10.3 betrachtet werden. 8.2.13 Ziele Die Studierenden sprechen während der gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung kaum über Ziele. Insgesamt konnten dieser Kategorie nur 23 Textsegmente zugeordnet werden. Ziele [23] durch die Ausbildung motivierte Thematisierung von Unterrichtszielen [4] die Schüler/ innen sollen … [10] Funktion / Ziel einzelner Unterrichtsschritte [9] Tab. 22: Ziele Werden Ziele ganz explizit thematisiert, steht dies meist im Zusammenhang mit Erwartungen der Dozentin oder mit antizipierten Erwartungen der Forscherin. So werden Ziele z.B. im Zusammenhang mit der Erstellung eines Verlaufsplans erwähnt, der im Anschluss an das Planungsgespräch der Dozentin zugeschickt wird: 475 C ((schaut in ihre Unterlagen, 3s)) "Understanding how the backshift works" ist eins von meinen aims. Naja. PG7: 475, Clara Die Rolle der Dozentin, die das Nachdenken über Ziele i.d.R. anregt, wird hier in PG7 auch direkt benannt: 272 276 C ((schreibt)) Zeitformen… • • • Ich kann das ja auch noch mal einfach D1 vorstellen und die wird halt sagen… 277 E "Das schaffst du nie! " 278 C "Was möchtest du damit erreichen? " ((lacht)) 279 E Ja, genau, ((lacht)) "Was ist dein Ziel? " Na das Ziel ist ja klar, ich mein es ist ja jetzt… 280 C ((schreibt 6s)) 281 E Irgendwie… PG7: 276ff., Clara & Ellen Auch in PG3 wird auf Planungshinweise rekurriert, die in universitären Lehrveranstaltungen gegeben werden. In diesem Fall könnte dies zudem durch die Situation der Datenerhebung und der damit verbundenen antizipierten Erwartung seitens der Forscherin hervorgerufen worden sein: 125 H Ansonsten, grundsätzlich, können wir ja anfangen, wie wir anfangen sollten, wir können formulieren, was sind jetzt unsere Lernziele, die wir mit der Stunde erreichen wollen. PG3: 125, Hendrik Darüber hinaus kommt eher implizit zum Ausdruck, dass die Studierenden über Unterrichtsziele nachdenken. Es wird ihnen z.B. im Gespräch bewusst, dass es für die weitere Planung der Stunde wichtig wäre zu klären, „wo wir letztendlich hin wollen“ (PG1: 166, Greta). Auch in PG8 wird Heike klar, dass die Entscheidung, es bei einer vorbereitenden Übung zu belassen, ohne ein darauf aufbauendes Rollenspiel anzuschließen und stattdessen ein neues Thema zu beginnen, dazu führen würde, dass in der Stunde zwei Themenfelder angerissen und keines von beiden richtig verfolgt werden würde: 389 H Dann haste ja kein richtig/ richtiges so Ziel, was du dann… PG8: 389, Heike Auch die Situation der gemeinsamen Planung mit einem Partner / einer Partnerin führt in einem Fall zur Formulierung eines Ziels, wenngleich dies nicht explizit als Ziel ausgewiesen wird, sondern eher von „Schwerpunkt der Stunde“ gesprochen wird: 44 M Äh ((1s)) ja, also das wird Schwerpunkt sein der Stunde, dass sie das/ dass sie Strategien lernen und/ oder die Techniken und dann anwenden können. PG6: 44, Mattis Neben der expliziten oder impliziten Thematisierung von Lernzielen beschreiben die Studierenden auch Ziele, die sie sich selbst als Lehrperson setzen, wie im Fall von Mattis im PG6: 95 M Ähm ((1s)) also ich habe ja ein Motto für die Stunde, denke ich. Also weil letzt(en) Mal ein bissel laut waren und weil wir die nie so richtig ruhig gekriegt haben und der Schwerpunkt ja irgendwie darauf lag, dass die erstmal so runterkommen sollen. 96 L Hm ̌ . 273 97 M Ähm also geht s um Ruhe. Ja? Ich würd gerne ein Experiment mit ihnen machen: "Die leiseste äh Stunde • • überhaupt." PG6: 95ff., Mattis & Linda Auf der Ebene der Feinplanung wird, vor allem angeregt durch die Aushandlung mit dem Partner / der Partnerin, in einigen Segmenten überlegt, mit welcher Intention eine Aktivität in die Stunde integriert werden soll und welche Konsequenz sich daraus ergibt. Diese Überlegungen werden oftmals dann angestellt, wenn eine Idee oder Entscheidung vor der/ dem Ko-Planenden gerechtfertigt wird oder wenn die Planung an einer Stelle problematisch ist. In PG4 diskutieren Philip und Linda z.B. über einen sehr langen Zeitraum, wie eine post-reading Aufgabe gestaltet werden könnte, was schließlich zu folgendem Gesprächsverlauf führt: 675 L […] Was wollen wir denn eigentlich mit der Übung erzielen, was ist denn der Sinn dieser Übung? 676 P Der Sinn ist, dass sie einfach das ordnen können, dass sie das ordnen, und ähm am Ende einfach, dass sie ihre eigene Idee dazu bzw. ihre eigene Meinung dazu schreiben können, womit sie eigentlich übelste Probleme haben. […] PG4: 675f., Philip & Linda Die Studierenden beschreiben den Zweck bestimmter Aktivitäten zum Teil durch Rückgriff auf didaktische Termini: 629 E […] Ähm ((1s)) ich würde das aber schon/ ich würde es gerne • äh diese Übung • dazu nutzen, um • dann • äh diese Erarbeitung zu machen, ähm... PG3: 629, Ellen Einige Textsegmente zeigen jedoch auch, dass theoretische Konzepte erst in Ansätzen vorhanden sind und diese im Gespräch erprobt oder konkretisiert werden: 201 G […] Also, das ((zeigt auf Aufg. 18b)) würde ich halt als Vor • • geplänkel wirklich sehen, dass die einfach diese Struktur begreifen. 202 J Hm ̌ . Hm ̌ . 203 G Der eine sagt was, der andere sagt was. Es geht eben nicht nur: "Ja. Nein.", sondern es würde eben richtig ausdiskutiert. Ich denk mal, das ist so dieses • • Hinführen, was man eben [hier] irgendwie bringen müsste. 204 J [Hm ̌ . Hm ̌ .] Ja. 205 G Das wäre hier wirklich nur Stoffsammlung. 206 J Ja. PG1: 201, Greta & Jennie Zusammenfassend muss hervorgehoben werden, dass Ziele, wie oben exemplarisch dargestellt, an einigen Stellen thematisiert werden, im Vergleich zum gesamten Datenkorpus geschieht dies jedoch äußerst selten (s. Abb. 15 und 16). Dies bestätigt Erkenntnisse aus anderen Studien, die sowohl bei Experten als auch bei Novizen eine geringe Beschäftigung mit Lehr- und Lernzielen feststellen konnten (z.B. Borko & Livingston 1989; Bromme 1981; Haas 1998; Peterson 274 & Clark 1978; Seel 1996; Tebrügge 2001; Young et al. 1998). Die oben beschriebene Orientierung der Studierenden an Vorgaben der Dozentin im Bereich expliziter Zielformulierungen ähneln den Erkenntnissen von Kagan & Tippins (1992), die feststellten, dass Studierende zu Beginn der schulpraktischen Tätigkeit in Anlehnung an in der Ausbildung vermittelte Planungsmodelle noch Ziele formulierten, dies später dann aber nicht mehr umsetzten. Die geringe Beschäftigung mit Zielen während der Planungsgespräche mag auch damit im Zusammenhang stehen, dass die Vorbereitung der jeweiligen Unterrichtsstunde in den Kontext der SPS eingebettet ist, d.h. Themen, Inhalte oder Ziele der Stunde wurden zuvor mit der Lehrerin der Klasse oder der Dozentin besprochen und meist weitestgehend festgelegt. Diese Absprachen enthalten oftmals Vorgaben inhaltlicher Art, selten Zielvorgaben. Da jedoch beide Aspekte eng miteinander verbunden sind, kann die geringe Thematisierung von Unterrichtszielen in den Gesprächen auch ein Zeichen dafür sein, dass die Studierenden die Vorschläge der Mentorinnen als gegeben erachten, sich bei der Planung daran orientieren und sowohl Inhalte als auch Ziele daher nicht erneut diskutieren und verhandeln. Interessant ist die Tatsache, dass Zielvorstellungen vor allem auch bei der Vorbereitung einzelner Unterrichtsabschnitte diskutiert werden. Indem die Studierenden versuchen, sich über die Funktion einzelner Aktivitäten zu verständigen („Stoffsammlung“, „Wiederholung“, etc.), werden implizit auch die Feinziele einer Stunde berührt („Wortschatz zum Thema Einkaufen reaktivieren und festigen“). Dabei greifen die Studierenden auf fachdidaktische Konzepte und Begrifflichkeiten zurück und verbinden dadurch Theorie mit der Praxis der Unterrichtsvorbereitung. Die vielfach eingeforderte Operationalisierung von Lernzielen, d.h. die Festlegung bzw. Beschreibung, wie genau es sich zeigt, dass avisierte Teillernziele erreicht wurden, ist in keinem der untersuchten Gespräche zu beobachten. 8.3 Interpretation An dieser Stelle soll auf die in Kapitel 2.4 als zentral dargestellten Momente der Unterrichtsplanung, d.h. auf Ziele, Inhalte und Methoden in Hinblick auf die inhaltsanalytischen Ergebnisse der vorliegenden Studie nochmals zusammenfassend eingegangen werden. Die Befunde bezüglich des Umfangs und der Häufigkeit der Thematisierung der einzelnen Planungsaspekte lassen sich sowohl mit Forschungsarbeiten zum Planungshandeln von Lehrenden und Studierenden als auch mit normativen Vorgaben und Empfehlungen zur Unterrichtsvorbereitung, die in der Lehrerbildung Verwendung finden, vergleichen. 275 Auffällig ist zunächst, dass gerade der Aspekt der Zielbestimmung, der in Planungsmodellen und -anleitungen von zentraler Bedeutung ist, für die Studierenden in dieser Studie kaum eine Rolle spielt. In dieser Hinsicht bestätigen die vorliegenden Befunde die Erkenntnisse der meisten Studien zum Planen von Unterricht (vgl. Borko & Livingston 1989; Haas 1998; Peterson & Clark 1978; Seel 1996, Young et al. 1998). Es konnte festgestellt werden, dass vor allem erfahrene Lehrende bei der alltäglichen Unterrichtsplanung auf explizite Zielbestimmungen verzichten (Haas 1998), während Studierende in der Ausbildung sich zu Beginn ihrer schulpraktischen Tätigkeit z.T. noch an den Planungshinweisen orientieren (Kagan & Tippins 1992; Westerman 1991). Zielbestimmungen sind wesentlicher Bestandteil aller Planungstheorien, sie werden in der Ausbildung von Studierenden eingefordert, in der Unterrichtspraxis wird ihnen, empirischen Studien zufolge, jedoch wenig Bedeutung beigemessen. Diese Tatsache wird z.T. dahingehend interpretiert, dass nicht daraus abgeleitet wird, Unterricht würde kaum zielgerichtet geplant werden. Es wird eher davon ausgegangen, dass Ziele implizit durchaus eine Rolle spielen, jedoch selten unabhängig von anderen Aspekten gedacht oder verbalisiert werden. Durch die Interdependenz von Zielen, Inhalten und Methoden, die sich in vielen Untersuchungen zeigt, werden Ziele nur nicht explizit fokussiert. Die Auswahl von Inhalten oder Lehr- und Lernformen geschieht jedoch durchaus in Hinblick auf bestimmte Unterrichtsziele. Werden Lehrende nach ihren Unterrichtszielen gefragt, können sie meist direkt Auskunft geben. Auch die im Kontext der schulpraktischen Studien im Nachhinein erstellten tabellarischen Unterrichtsentwürfe enthalten die geforderten Zielbestimmungen. Es lässt sich aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung jedoch keine Aussage dazu treffen, inwiefern den Studierenden während der Vorbereitung bewusst ist, welche Ziele sie mit der geplanten Unterrichtsstunde verfolgen. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Auswahl der Inhalte (z.B. eine Einkaufssituation in einem Kaufhaus) oder der Lehr- und Lernform (ein Rollenspiel zwischen Kunde / Kundin und Verkäufer/ in) die in einer Stunde verfolgten Ziele impliziert (Einkaufsgespräche mit einer Verkäuferin / einem Verkäufer in einem Kaufhaus führen können), dann wird gerade im Kontext der hier untersuchten Planungsgespräche klar, weshalb Ziele kaum thematisiert werden: Die Auswahlentscheidungen bezüglich der Unterrichtsinhalte und z.T. auch hinsichtlich geeigneter Lehr- und Lernformen sind weitestgehend schon vor dem Planungsgespräch in Absprache mit der Lehrerin der Klasse getroffen worden, ein erneutes Aushandeln von Unterrichtszielen ist daher nicht unbedingt nötig. Die Untersuchungsergebnisse zeigen außerdem, dass es kaum zur Formulierung von Grobzielen kommt, die Studierenden jedoch durchaus überlegen, welche Feinziele mit einzelnen Aktivitäten verfolgt werden (Wozu dient z.B. eine bestimmte Übung? ). 276 Im Kontext der Vorbereitung einzelner Unterrichtsstunden in der Lehrer/ innenausbildung erscheint gerade ein solches Nachdenken über die Funktion einzelner Schritte für das Erreichen gröberer Unterrichtsziele von hohem Wert, da auf diese Weise Fragen zur Initiierung von Lernprozessen, zur Strukturierung von Unterrichtsstunden und damit auch zur Zielgerichtet von Unterricht diskutiert und reflektiert werden. Die Übersichten (s. Abb. 15 und 16) zeigen deutlich, dass die Planung, d.h. das Konzipieren und Gestalten einzelner Aktivitäten im Fokus der Aufmerksamkeit der Studierenden steht. Diese Tatsache überrascht, wenn man sie mit Forschungsergebnissen vergleicht, die herausstellen, dass Lehrende bei der Unterrichtsvorbereitung den Stundeninhalten die größte Aufmerksamkeit schenken (Borko & Livingston 1989; Haas 1998; Peterson & Clark 1978; Seel 1996). Es ist in Unterkapitel 8.2.2 schon interpretiert worden, dass sich diese Unterschiede u.a. auf fachspezifische Gründe zurückführen lassen. Im Vergleich zu Unterrichtsfächern wie z.B. Geschichte oder Biologie wird Englisch als Fremdsprache vermutlich weniger als Fach wahrgenommen, in dem es vordergründig um die Vermittlung von Faktenwissen geht. Kagan & Tippins (1992) hatten die Unterrichtsvorbereitung von Studierenden der Fächer Geschichte und Englisch (als Muttersprache) in den schulpraktischen Ausbildungsphasen untersucht und kamen dabei zu dem Ergebnis, dass die Studierenden im Laufe ihrer Praktika immer ausführlichere Notizen anfertigen, um auf die Vermittlung von Faktenwissen - vor allem für Geschichte - gut vorbereitet zu sein. Die Vorbereitung von fremdsprachlichem Unterricht hingegen, dessen primäres Ziel es ist, kommunikative Handlungsfähigkeit aufzubauen, beinhaltet in den hier untersuchten Planungsgesprächen stärker ein Nachdenken über Lehr- und Lernformen, die geeignet sind, diese Kompetenz aufzubauen oder zu fördern. Diese Art von Überlegungen sind stärker methodisch als inhaltlich orientiert. Die Zielsprache als primärer Unterrichtsgegenstand steht für die Studierenden nicht im Vordergrund. Es kann leider kein Vergleich zu Untersuchungen mit erfahrenen Fremdsprachenlehrenden und deren Überlegungen beim Planen gezogen werden, so dass aufgrund der Befunde dieser Studie nur vermutet werden kann, dass die Vorbereitung von Englischunterricht sich hinsichtlich der Beschäftigung mit Inhalten und Methoden von anderen Fächern unterscheidet. Die Planungsgespräche zeigen jedoch auch, dass z.T. eine intensivere Beschäftigung mit den Unterrichtsinhalten durchaus sinnvoll gewesen wäre. Wie schon in Punkt 8.2.2 angedeutet wurde, gehen die Studierenden, anders als in anderen Fächern, vermutlich davon aus, dass eine detaillierte Inhaltsanalyse nicht nötig ist, da der Stoff aufgrund der fremdsprachlichen Kompetenzen der 277 Studierenden beherrscht wird. Defizite im Verständnis des Unterrichtsgegenstands werden vor allem bei der Vorbereitung der Stunden zur indirekten Rede deutlich. Andere Aspekte des Unterrichts, wie z.B. das Üben einer Einkaufssituation oder einer Wegbeschreibung, das Trainieren von Lesetechniken oder die Beschäftigung mit einem Text werden von den Studierenden scheinbar gar nicht so sehr als Unterrichtsinhalte wahrgenommen und auch wenig ausführlich analysiert. Außerdem scheint die Arbeit mit dem Lehrwerk den Studierenden eine umfassende Beschäftigung mit Stundeninhalten quasi abzunehmen. Die methodische Dimension der Unterrichtsplanung steht im Vergleich zu den Zielen und Inhalten sehr deutlich im Vordergrund. Die Planung einzelner Aktivitäten bildet den Kern der Überlegungen und auch die Gesprächsinhalte hinsichtlich der Schüler/ innen, des classroom management oder der zeitlichen Strukturierung der Stunde berühren Fragen zur Methode. Die Befunde anderer Studien konnten zeigen, dass umfangreiche Vorbereitungen zum Ablauf einer Stunde für Planungsanfänger/ innen typisch sind, da so mehr Sicherheit gewonnen werden kann. Für die Studierenden stellt die hier untersuchte Unterrichtsplanung im Kontext der schulpraktischen Studien die Vorbereitung ihrer ersten oder zweiten Unterrichtsstunde dar, so dass vermutet werden kann, dass auch ihnen vor allem wichtig ist, die Stunde gut zu „überstehen“. Die Planung eines reibungslosen Ablaufs und einer sinnvollen Abfolge von Aktivitäten kann hier u. U. dazu beitragen, dass das Gefühl eines kontrollierten Stundenverlaufs entsteht. Da die Studierenden im Gegensatz zu Experten auf kein umfangreiches Repertoire an methodischen Handlungsmustern zurückgreifen können, wird viel Vorbereitungszeit dafür verwendet, diese Aspekte zu durchdenken und im Austausch miteinander zu präzisieren. Die einzelnen Kategorien weisen zahlreiche Überschneidungen mit anderen Kategorien auf, was deutlich macht, dass es keine wirklich getrennte Berücksichtigung einzelner Planungsfaktoren gibt. Während eine Aktivität konzipiert wird, überlegen die Studierenden z.B., wie viel Zeit die Schüler/ innen dafür benötigen werden, was das Lehrerhandbuch dazu vorschlägt, welche Medien sich dafür eignen, etc.. Die Interdependenz all dieser Aspekte zeigt sich vor allem im Prozess der Vorbereitung einzelner Aktivitäten. Unterschiede zwischen den Planungsgesprächen zeigen sich vor allem in der Detailliertheit der Überlegungen bezüglich der zu unterrichtenden Stunde. Während in einigen Gesprächen der Plan eher skizzenhaft die einzelnen Unterrichtsabschnitte umreißt, denken andere Studierende sehr präzise über die möglichen Interaktionen im Klassenzimmer nach. Interessant ist diesbezüglich die Frage, wie es zu diesen Präzisierungen kommt und welche Faktoren diese Überlegungen beeinflussen. Das Konzipieren von Unterrichtsaktivitäten als Kern der Unterrichtsplanung soll daher im Folgenden noch genauer analysiert werden. 279 9 Planungsbezogenes kooperatives Handeln als Prozess 9.1 Der Verlauf der Planungsgespräche: ein Phasenmodell Während die Inhaltsanalyse der Planungsgespräche Ergebnisse darüber lieferte, was die Studierenden in der vorliegenden Studie während der Gespräche thematisierten, soll im folgenden Analyseteil der Verlauf der Gespräche aus einer handlungstheoretischen Perspektive heraus untersucht werden. Dabei ist von Interesse, wie sich der Prozess der Unterrichtsvorbereitung in Planungsgesprächen gestaltet. Zunächst wird die Analyse 2A (vgl. Kap. 6.1 und 6.6.4), die sich mit dem Verlauf der Gespräche auf einer makrostrukturellen Ebene auseinandersetzt, vorgestellt. Folgende Forschungsfrage ist für diese Analyse leitend: Forschungsfrage 2A: Wie gestalten sich kooperative Unterrichtsplanungsgespräche im Verlauf? Die Gesprächsforschung hat herausgestellt, dass sich Gespräche meist in die drei Phasen der Gesprächseröffnung, Gesprächsmitte und Gesprächsbeendigung unterteilen (vgl. Brinker & Sager 2006; Henne & Rehbock 2001; Spiegel & Spranz-Fogasy 2001). Die Analyse der Verläufe der einzelnen Planungsgespräche konnte zeigen, dass die Gespräche der Studierenden eine ähnliche Strukturierung aufweisen. Die Phase der Gesprächseröffnung ist nicht vollständig dokumentiert, da Handlungen wie z.B. die Begrüßung bereits kurz vor Beginn der Datenerhebung stattgefunden haben. Die videografierten Planungsgespräche beginnen teils mit kurzen gesprächseröffnenden Handlungen und teils direkt mit einer Phase, die den Studierenden als erste Orientierung dient und der Kernphase (der Gesprächsmitte) vorausgeht. An diese Kernphase, die den wesentlichen Teil der Gespräche ausmacht, schließt sich eine Phase der Gesprächsbeendigung an. Aus den makrostrukturellen Analysen aller Gesprächsverläufe (vgl. Kap. 6.6.4) bezüglich der Gesprächshandlungen der Teilnehmenden lässt sich eine Verlaufsstruktur der Planungsgespräche ableiten, die in den folgenden Unterkapiteln näher ausgeführt wird. Im Überblick kann der Verlauf wie in Abbildung 18 dargestellt, verdeutlicht werden. 280 Abb. 18: Phasenmodell zu Unterrichtsplanungsgesprächen 9.1.1 Gesprächseröffnung Die Gesprächseröffnung, die in der Gesprächsforschung als Phase charakterisiert wird, in der die Gesprächspartner/ innen „eine wechselseitig akzeptierte Situationsdefinition hinsichtlich ihrer sozialen Beziehungen als Gesprächspartner erreichen“ (Henne & Rehbock 2001: 15), kann für die untersuchten Planungsgespräche nur teilweise beschrieben werden, da die Datenerhebung erst einsetzte, nachdem sich die Gesprächspartner/ innen jeweils begrüßt und Gesprächseröffnung Orientierungsphase Planung des Unterrichtsverlaufs Planung von Unterrichtsphasen / Aktivitäten Planung UP1 Planung UP2 Planung UP… Planung UP4 Planung UP3 Beendigungsphase Aktivität 1 Aktivität 2 Aktivität 3 281 zur gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung zusammengesetzt hatten. Gesprächseröffnende Handlungen, wie z.B. die Begrüßung, wurden in den dokumentierten Fällen meist vor der Aufnahme realisiert. Der videografierte Beginn der Gespräche ist in 7 von 8 Gesprächen durch die Anwesenheit der Forscherin und Gespräche mit ihr über die Situation der Datenerhebung, über die im Folgenden zu bewältigende Aufgabe sowie z.T. über terminliche Absprachen wegen des darauf folgenden Lauten Erinnerns bestimmt. Diese Phase dauert zwischen einer und sechs Minuten. Eine Ausnahme dazu bildet das PG4, das in der Wohnung einer der beiden Teilnehmenden stattfand. Hier erfolgt eine kurze eröffnende Phase in den Gesprächsschritten (Gs) 1 1-4, die aus einem ersten Nachbarschaftspaar (Frage-Antwort, Gs1-2), das als small-talk zur Vergewisserung von Vertrautheit dienen könnte (vgl. Spiegel & Spranz-Fogasy 2001: 1247), besteht. Darauf folgt eine kurze arbeitsorganisatorische Äußerung (Gs3) und anschließend wird die Forscherin als imaginierte dritte Person adressiert (Gs4): 1 L Was trinkst n da eigentlich? 2 P Kaffee. 3 L ((flüstert)) Wo hab ich denn jetzt meinen Stift? 4 P ((blickt zur Kamera)) Frau K., das müssen Sie raus streichen. So. Also… 5 L Haggis. 6 P Nee, wir müssen ja erst mal... Noch mal von vorne. 7 L Icebreaker! 8 P Icebreaker! Was machen wir als Icebreaker? PG4: 1ff., Philip & Linda Damit ist die Situation zunächst als Gespräch zwischen zwei vertrauten Personen plus einer dritten Hörerin definiert, das vordergründig dem Zweck der Bewältigung der Planungsaufgabe dient und nicht, wie anfangs von Linda initiiert, zum Austausch von vermeintlich nebensächlichen Informationen. Die Eröffnung wird in Zeile 4 mit den Interjektionen „so“ und „also“ durch Philip beendet. Es muss hier jedoch, wie auch in den anderen Gesprächen, davon ausgegangen werden, dass diesen Gesprächshandlungen weitere Handlungen voraus gingen. In diesem Bespiel zeigt sich das deutlich an Philips Aussage: „Nee, wir müssen ja erst mal... Noch mal von vorne.“ (Gs6). Ein nochmaliger Beginn „von vorn“ impliziert, dass schon einmal mit etwas begonnen wurde. Das Planungsgespräch baut auf vorangehenden Gesprächshandlungen auf. Dies wird 1 Ein Gesprächsschritt, im Englischen mit turn bezeichnet, bezieht sich auf die nummerierten Gesprächsbeiträge zwischen zwei Sprecherwechseln (vgl. Henne & Rehbock 2001: 2). Im Folgenden wird hierfür die Abkürzung Gs verwendet. 282 auch dadurch deutlich, dass beide das Wissen über den Begriff Haggis 2 und seine Bedeutung für die Stundenplanung teilen (Gs5). Es folgt in diesem Gespräch auf die eröffnende Sequenz auch keine Phase der Orientierung. Die Gespräche, die in den Räumen der Universität durchgeführt wurden, beinhalten hingegen wenige Verweise, die sich auf vorausgehende Gesprächshandlungen beziehen auf. Die Phase der Orientierung ist in diesen Gesprächen auch deutlich länger. In anderen Planungsgesprächen lassen sich teils kurze gesprächseröffnende Handlungen finden, die z.B. der gemeinsamen Herstellung von Gesprächsbereitschaft dienen, wie hier in PG7: 3 C ((gähnt)) Dann (fangen wir) mal an. Hast du s dir schon mal durchgelesen? 4 E Ja, ja hab ich. Hab ich. Ich fand s echt ganz gut sogar. PG7: 3f., Clara & Ellen Claras Frage in Gs3, ob sich Ellen den zuvor von ihr erstellten Entwurf schon angeschaut hat, markiert jedoch bereits den Übergang zur Orientierungsphase. 9.1.2 Orientierungsphase Nach den oben beschriebenen Gesprächshandlungen im Austausch mit der Forscherin bezüglich der Situation der Datenerhebung lässt sich zu Beginn aller Planungsgespräche eine Gesprächsphase beobachten, die die Studierenden für eine erste Orientierung nutzen. Die Phase kann daher als Orientierungsphase bezeichnet werden. In PG4 ist davon auszugehen, dass diese Form der Orientierung stattfand, bevor die Dokumentation des Gesprächs begonnen hat. Die Gesprächshandlungen während der Orientierungsphase sind im Gegensatz zur anschließenden Kernphase der Gespräche, in der einzelne Unterrichtsphasen fokussiert werden, größtenteils auf die Unterrichtsstunde als Ganzes gerichtet. Sie sind im Wesentlichen mit drei Handlungszielen verbunden: (1) eine Basis für die gemeinsame Planung der Unterrichtsstunde zu schaffen, indem reaktiviert wird, was die Teilnehmenden über die zu lösende Planungsaufgabe wissen; (2) das gemeinsame Erfassen der Ausgangssituation sowie (3) das Bestimmen von Unterrichtsinhalten und Unterrichtszielen. Im Folgenden werden diese Handlungsziele unter Bezugnahme auf zentrale Themen, die bei der Verfolgung der Ziele besprochen werden, genauer beschrieben. Im Überblick lässt sich die Orientierungsphase folgendermaßen zusammenfassen: 2 Haggis bezeichnet eine Spezialität aus der schottischen Küche (ein mit Innereien, Zwiebeln und Hafer gefüllter und stark gewürzter Schafsmagen). In der Unterrichtsreihe, die Philip, Linda & Mattis unterrichten, wurden die Schüler/ innen in verschiedene Gruppen eingeteilt, die jeweils einen Namen mit Schottlandbezug erhielten (u.a. Haggis, Edinburgh, Bagpipes, Kilts etc., vgl. Kap. 7.4 und 7.6). 283 Reaktivierung der Planungsaufgabe Rekapitulieren von Vorgaben, Reaktivieren der Planungsaufgaben, die sich aus dem Verlauf der vorangegangenen Stunde ergeben, Reihenfolge der Unterrichtstätigkeit bestimmen Erfassen der Ausgangssituation Verständigung über Vorarbeiten, Überblick über Material verschaffen, Voraussetzungen der Schüler/ innen erfassen Bestimmen von Unterrichtsinhalten und Zielen Inhaltsbestimmung, Formulierung eines Unterrichtsziels Tab. 23: Planungshandlungen der Orientierungsphase 9.1.2.1 Reaktivierung der Planungsaufgabe Die Studierenden thematisieren während der Orientierungsphase oftmals die Vorgaben, die die Lehrerin im Vorfeld gemacht hat. Dabei muss zum Teil erst ausgehandelt werden, wie diese zu verstehen sind bzw. wie sie von den beiden Studierenden verstanden wurden. 194 J Das ist halt die Frage, ne? Sollen wir sowohl diesen Dialog als auch noch nen eigenen machen? 195 G Hätt ich gedacht, ja. So hatt ich s verstanden. PG1: 194f., Greta und Jennie Es wird außerdem reaktiviert, welche Planungsaufgaben sich aus dem Verlauf der vorangegangenen Stunde ergeben. Dabei geht es in den untersuchten Planungsgesprächen vor allem darum, dass Hausaufgaben überprüft werden müssen. 40 U Du musst ja noch am Anfang die Hausaufgabe vergleichen. War das nicht so? 41 M Genau. Zuallererst mal die Hausaufgabe. 42 ((U und M schlagen Bücher auf)). 43 U Ja, die im, im, im Arbei/ im Workbook dann, ne? [Die machst du erstmal]. 44 M [Ja, das wird das Erste]. PG3: 40ff., Maren & Ute Auch die Gesprächshandlungen, die durch die Interviewerin (I) initiiert wurden, dienen der Aktualisierung und Reaktivierung. Sie beziehen sich größtenteils auf die Vorgaben, d.h. auf Aufgaben oder Inhalte, die für die zu planende Stunde in Erwägung gezogen werden. 6 I Ähm worum geht s im Groben? An welche [((unverständlich, 1s))]? 7 A [Also ich hab] ähm na, ich hab erst mal diese Aufgabe. 8 H Ach so! Willst du die auch noch mitmachen? 284 9 A Die muss ich machen! Die soll ich eigentlich machen. [Das hat sie]... 10 H [Ach ich dachte] du/ sie hätte dir das freigestellt. PG8: 6ff., Anja und Heike In den Planungsgesprächen, in denen Doppelstunden vorbereitet werden und die Schüler/ innen nacheinander von zwei Studierenden unterrichtet werden, kommt es während der Orientierungsphase auch dazu, dass die Planenden sich in Erinnerung rufen, für welchen Teil der Planungsaufgabe sie hauptverantwortlich sind. Es wird reaktiviert, welche Absprachen bereits bezüglich der Reihenfolge der Unterrichtstätigkeit getroffen wurden. 5 M Also, wollen wir s so lassen: ich die Erste, du die Zweite. 6 U Hm ̌ . 7 M Okay. PG2: 5ff., Maren und Ute 9.1.2.2 Erfassen der Ausgangssituation Ein weiteres Handlungsziel, das in der Orientierungsphase verfolgt wird, ist das Erfassen der Bedingungen und der Ausgangssituation, die sich für die Planung der Stunde ergeben. Thematisch beziehen sich die Gesprächshandlungen u.a. auf die Verständigung über die Vorarbeiten, die jeweils von den Studierenden vor dem Planungsgespräch schon geleistet wurden. Es geht darum, sich darüber auszutauschen, womit sich der jeweilige Planungspartner / die -partnerin schon vorab beschäftigt hat: Hat sich die Person mit dem Material vertraut gemacht? Wurden bereits erste Ideen entwickelt oder, wie im folgenden Beispiel, die Stunde schon vorgeplant, notiert und ausgetauscht? 3 C ((gähnt)) Dann (fangen wir) mal an. Hast du s dir schon mal durchgelesen? 4 E Ja, ja hab ich. Hab ich. Ich fand s echt ganz gut sogar. PG7: 3ff., Clara & Ellen Das Erfassen der Ausgangssituation beinhaltet außerdem eine Auseinandersetzung mit dem zur Verfügung stehenden Material. Die Studierenden gehen der Frage nach, was ihnen das Material bietet. Sie verschaffen sich einen ersten Überblick. 112 J Wollen wir mal gucken, ob dazu zum Thema vielleicht beim Wordmaster was ist. Das wir das als Einstieg machen. So als ähm • Reaktivierung. 113 G Ja. Ja. Ja. 114 J Ja. 115 G Oder im... 116 J Oder im Workbook. Du kannst ja mal im Workbook gucken. Ich guck im Wordmaster. PG1: 112ff., Greta & Jennie 285 Des Weiteren kommt es zu Gesprächssequenzen, in denen die Studierenden die Voraussetzungen der Schüler/ innen in Bezug auf die Bewältigung des Unterrichtsinhalts einschätzen. 4 E Ich finde, es ist auch schwer genug, weil ich... Die hatten das ja schon mal, die hatten schon mal indirekte Rede, aber ich glaube nicht, dass die sich an irgendwas erinnern, das wäre... 5 H Na, die hatten die Gegenwart, also die aus... 6 E Deswegen, denk ich, reicht die Stunde gerade so, um das wieder aufzuwärmen, was sie schon mal gelernt haben, und dann eventuell ein bisschen zu festigen… PG3: 4ff., Ellen & Hendrik In diesem Beispiel mündet das Nachdenken über die Vorkenntnisse der Schüler/ innen (Gs4-5) in das Bestimmen des Unterrichtsinhalts (Gs6), was im folgenden Unterpunkt erörtert wird. 9.1.2.3 Bestimmen von Unterrichtsinhalten und Zielen Das Handlungsziel der Inhaltsbestimmung tritt während der Orientierungsphase am deutlichsten hervor. Die Studierenden verständigen sich darüber, was sie in die zu planende Stunde integrieren wollen. 1 U Also wir hatten das ja so überlegt, dass du die erste Stunde machst und ich die zweite. Und ich hatte mir überlegt, ich würde dann gerne diese Interviews, also diese Hörspiele/ ähm Hörübungen machen. 2 M Ja, die gehören ja dazu, die müssen mit rein. PG2: 1f., Ute & Maren Dabei leiten sich die Inhaltsbestimmungen weitestgehend von den Vorgaben ab, die von der Lehrerin gemacht wurden. Die Studierenden nehmen die Vorgaben an und legen dann die Inhalte für die zu planende Stunde fest. Es bleibt dabei nicht bei einem bloßen Verständigen über die gemachten Vorgaben, vielmehr kommt es dazu, dass Unterrichtsinhalte selbständig bestimmt werden und damit ein erster Schritt in Richtung eigenständiger Planung der Stunde getan wird. Wenn die gemachten Vorgaben z.B. Spielräume zulassen, werden an dieser Stelle auch eigene Entscheidungen getroffen. In PG1 war in der Vorbesprechung mit der Lehrerin als Unterrichtsziel festgelegt worden, dass die Schüler/ innen einen Einkaufsdialog erarbeiten. Es wurde auch auf entsprechende Lehrbuchseiten verwiesen, die verwendet werden können, jedoch blieb noch zu entscheiden, ob das Lehrbuch tatsächlich genutzt wird. Daher findet hier ein Bestimmen der Unterrichtsinhalte statt, das durch Aushandlungsprozesse gekennzeichnet ist: 102 J Den ((zeigt auf LB P18, S.39)) oder wollen wir einen anderen nehmen? 103 G Na, den, den würd ich schon nehmen. Also, erstmal so vom Schl/ also vom, vom Sprechen her ist der ganz okay. Ist auch... PG1: 102f., Greta & Jennie 286 Die Inhaltsbestimmung wird in einigen Gesprächen z.T. auch ohne jeglichen vorherigen Bezug zu den Vorgaben der Lehrerin gemacht, was z.B. im PG6 darauf verweist, dass hier die Wahl der Inhalte stärker auch als eigene Entscheidung begriffen wird. Linda fragt Mattis hier, was sein Thema sein wird, was er machen will: 3 L Also, was ist dein Thema? Du willst • • lesen, ne? 4 M Ja. ((lächelt)) Äh, skimming und... Ist hier irgendwo mein Rucksack? […] PG6: 3f., Mattis & Linda In den Gesprächen, in denen die Unterrichtsinhalte in der Orientierungsphase gar nicht thematisiert werden, besteht offensichtlich kein Bedürfnis, sich darüber auszutauschen, da den beiden Planenden klar ist, was Inhalt der Stunde sein wird. Das betrifft z.B. PG5, in dem eine Stunde zur Einführung in eine neue Lektion anhand einer Doppelseite im Lehrbuch geplant wird. In PG4 ist zu vermuten, dass die grundlegenden Inhalte und die Struktur der Stunde in Vorgesprächen zum eigentlichen Planungsgespräch bereits entschieden wurden. In PG6 folgt auf die Inhaltsbestimmung (Gs4, 13-14, 20) die Formulierung eines Unterrichtsziels (Gs20), was jedoch in dieser Form eine Ausnahme darstellt. 13 M Und die Stunde ist ja geplant äh Lesestrategien. 14 L Lesestrategien? 15 M Ja. 16 L Hast du nen Zettel? 17 M Ich hab irgendwo auch einen Zettel. ((Unverständlich, 1s)). 18 ((J und M summen abwechselnd, 3s)) 19 L ((M gibt L einen Zettel)) Das ist nett, danke. So! 20 M ((Seufzt und ordnet Blätter)) Skimming, scanning. PG6: 13ff., Mattis & Linda 44 M […] Äh ((1s)) ja also das wird Schwerpunkt sein der Stunde, dass sie das/ dass sie Strategien lernen und/ oder die Techniken und dann anwenden können. 45 L Okay. PG6: 44ff., Mattis & Linda In keinem der übrigen Gespräche werden während der Orientierungsphase Ziele in dem Sinn formuliert, dass überlegt wird, welche Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten die Schüler/ innen in der zu planenden Stunde erwerben oder vertiefen sollen. 9.1.3 Die Kernphase: Planung des Unterrichtsverlaufs Der Übergang zur Kernphase der Planungsgespräche ist in allen Fällen durch einen Themenwechsel markiert. Das neue Thema betrifft nun ganz konkret die 287 Planung eines einzelnen Unterrichtsabschnitts. In PG6 wird der Wechsel direkt durch eine Frage der Ko-Planerin eingeleitet: 85 L Okay. Schon irgend[welche] 86 M [Gut]. 87 L idea/ ideas, wie du den/ wie du äh startest und wie du [enden] 88 M [Ja]. 89 L willst und wie die Mitte wird? PG6: 85ff., Mattis & Linda Der Themenwechsel geschieht hier, wie auch in einigen anderen Gesprächen relativ abrupt. Er geht meist einher mit fallend intonierten Interjektionen, wie z.B. ja, so, also oder Einschüben wie z.B.: Warte mal. 90 A […] Ja. So, das hab ich schon angefangen zu planen, ja? Also da wollte ich halt ähm sagen: "Imagine you visit Greenwich for the first time and you want to go to the Millenium Dome. But you don't know where it is. What can you do? ". So! […] PG8: 90, Anja In der Gesprächsforschung wird die Kern- oder Hauptphase als jener Teil des Gesprächs beschrieben, in dem verschiedene Teilziele realisiert werden, die dazu beitragen, das größere Handlungsziel - in diesem Fall die Erstellung eines Plans über die zu unterrichtende Stunde - zu erreichen (vgl. Brinker & Sager 2006: 112). Die Kernphase der Planungsgespräche kann dementsprechend als Aufeinanderfolge von Teilplanungsphasen beschrieben werden. Die Analyse der Planungsgespräche ergab, dass die Studierenden sich während dieser Teilplanungsphasen vordergründig mit einzelnen Unterrichtsphasen (UP), die die Stunde ausmachen werden, beschäftigen (s. Abb. 18). Eine Unterrichtsphase 3 wird hier als eine Zeiteinheit innerhalb einer Stunde verstanden, die eine spezifische Funktion erfüllt und sich von der vorhergehenden oder folgenden Phase in einer auch für die Schüler/ innen wahrnehmbaren Form abgrenzt (vgl. Hallet 2006: 115ff.). Eine Phase kann z.B. dem Einstieg in die Stunde, der Erarbeitung einer grammatischen Struktur, der Übung des 3 In der didaktischen Literatur wird das Konzept der Unterrichtsphase ebenfalls meist funktional bestimmt (vgl. Hallet 2006). Phasen können z.B. der Hinführung, Erarbeitung, Vertiefung, Zusammenfassung, Übung etc. dienen (Meyer 2010a: 40). Häufig wird der Begriff der Unterrichtsphase verwendet, wenn zusätzlich auf ein bestimmtes Phasenmodell Bezug genommen wird, das eine Reihenfolge bestimmter Unterrichtsphasen vorsieht, so z.B. die Phasen der Sprachaufnahme, Sprachverarbeitung und Sprachanwendung, die durch Zimmermann (1969) und Mindt (1995) beschrieben werden, oder die Einstiegs-, Erarbeitungs-, Ergebnissicherungsphase bei Meyer (2010a: 70). Von Unterrichtsphasen wird jedoch auch gesprochen, ohne dass ein spezifisches Phasenmodell impliziert wird (z. B. Hallet 2006: 115; Thaler 2012: 91). Auch in der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der Unterrichtsphase unabhängig von einem bestimmten Phasenmodell verwendet. 288 Hörverstehens, des Trainierens von Lesestrategien etc. dienen. Meist geht mit dem Wechsel der Unterrichtsphase auch ein Wechsel der Sozialform, der verwendeten Materialien oder der Lehr-/ Lernform einher. Unterrichtsphasen enthalten meist mehrere Unterrichtsabschnitte, die durch spezifische Aktivitäten gekennzeichnet sind (s. Abb. 18). Als Unterrichtsaktivität wird hier jeglicher Prozess verstanden, der einen bestimmten Unterrichtsabschnitt markiert und sich von einem nächsten Abschnitt, einer folgenden Aktivität abgrenzen lässt. Aktivitäten oder einzelne Aktivitätsschritte umfassen alle Handlungen der Lehrperson oder der Schüler/ innen bzw. deren Interaktion. Wenn im Folgenden von Abschnitt oder Aktivität gesprochen wird, so kennzeichnet dies ähnliche Teilbereiche der Planung, wobei mit Abschnitt die zeitliche und mit Aktivität eine interaktive, handlungsbezogene Dimension betont wird. Die Analyse der Gesprächsdaten ergab, dass in den überwiegenden Fällen die einzelnen Phasen der Unterrichtsstunde das Gespräch strukturieren. Dabei entspricht die zeitliche Abfolge der Phasen im Unterricht meist auch der Gesprächsstruktur: Es wird mit der Phase des Unterrichtseinstiegs begonnen, auf die dann in linearer Abfolge die Planung der weiteren Unterrichtsphasen folgen. Vielfach kommt es jedoch auch zu zyklischen Bewegungen und Sprüngen. Im Folgenden werden zwei Gesprächsverläufe exemplarisch dargestellt. Sie bilden die beiden Extrempole ab, d.h. der Verlauf des PG6 ist relativ linear, während PG8 durch zahlreiche Sprünge und Schleifen gekennzeichnet ist. Abbildung 19 verdeutlicht, dass die Teilhandlungen der Planung einzelner Unterrichtsphasen im PG6 für den Verlauf dieses Gesprächs stark strukturierend sind. Nach der Orientierungsphase sprechen die Studierenden zunächst über den Stundeneinstieg, in dem das Motto (ein „Experiment“: die leiseste Stunde überhaupt), unter dem die Stunde stehen soll, vorgestellt werden soll. Daran schließt sich die Frage an, ob die Schüler/ innen am Stundenende (UP6) belohnt werden, falls das Experiment gelingt. Danach folgt ein fast chronologisches Besprechen der Unterrichtsphasen 2-6. Das PG6 ist damit sehr linear, fast ausschließlich auf die Planung der einzelnen Unterrichtsabschnitte fokussiert und kaum von rekursiven Bewegungen begleitet. 289 Abb. 19: Verlaufsstruktur Planungsgespräch 6 Bestimmen wesentlicher Inhalte Einschätzen der Voraussetzungen der SuS Überblick über Material verschaffen Planung UP1a: Stundeneinstieg / Motto der Stunde Planung UP6: Stundenende Planung UP2b: Festhalten der Informationen Planung UP2a: Erarbeitung der Strategien Planung UP3: Übung skimming Planung UP5: Textverständnis / logico maximo Beendigung des Gesprächs Verständigen über Vorarbeiten Bestimmen von Unterrichtszielen Planung UP4: Übung scanning Planung UP5b: Rückmeldung über Textverständnis Planung weiterer Arbeitsschritte Kernphase Beendigungsphase Orientierungsphase 290 Andere Planungsgespräche hingegen sind durch zahlreiche Sprünge nach vorn und wieder zurück gekennzeichnet, wie z.B. die Verlaufsübersicht des PG8 zeigt: Abb. 20: Verlaufsstruktur Planungsgespräch 8 Wie an den zahlreichen rückführenden Pfeilen auf der linken Seite der Abbildung sichtbar wird, verläuft dieses Gespräch im Gegensatz zum oben dargestellten PG6 weit weniger linear. Obgleich auch hier mit der Planung der ersten Bestimmen wesentlicher Inhalte Verständigen über Vorarbeiten Verständigen über Vorgaben Planung UP1a: Stundeneinstieg Orientierungsphase Planung UP1b: Semantisierung Planung UP3a: Roleplay Planung UP3b: Präsentation des Rollenspiels Planung UP4: Stundenende / HA ansagen Beendigung des PG Kernphase Beendigungsphase Planung UP2c: Ausspracheübung Planung UP2a: Übung Planung UP2b: Ergebniskontrolle 291 Unterrichtsphase begonnen wird und das Gespräch durch die weitere Stundenstruktur bestimmt wird, finden immer wieder zahlreiche Bewegungen zwischen der Planung der einzelnen Phasen statt. Die Studentinnen treten hier in Aushandlungsprozesse ein, in denen die einzelnen Aktivitäten direkt im Gesprächsverlauf kollaborativ geplant werden, während die Gespräche im PG6 stark auf den Vorüberlegungen des unterrichtenden Studenten aufbauen. Die Entscheidung, dass in der vierten Unterrichtsphase des PG8 ein Rollenspiel durchgeführt werden soll, wird erst während des Gesprächs getroffen, d.h. es kommt zu einer Inhaltsbestimmung, die in den übrigen Gesprächen meist schon vorab oder zu Beginn des Planungsgesprächs stattfindet. Die lange anhaltende Unklarheit darüber, welche Aufgaben Teil der Stunde sein werden und die Unbestimmtheit, wie mit dem vorab ausgewählten Lehrwerksmaterial in UP2 und UP3 umgegangen wird, mag zu jener stärker rekursiven, zyklischen Planung geführt haben. Im Vergleich der Planungsgespräche miteinander ließ sich eine stärker lineare Gesprächsführung bei jenen Gesprächen feststellen, in denen die Unterrichtsstunde durch eine/ n der beiden Planenden bereits im Vorfeld vorbereitet wurde bzw. die Struktur der Stunde durch die Vorgaben der Lehrerin und das verwendete Lehrwerk bereits relativ klar umrissen war (PG2, PG4, PG5, PG6, PG7). Entfaltete sich das Konzept der Unterrichtsstunde erst während des Gesprächs, so waren verstärkt Sprünge und Brüche im Gesprächsverlauf auszumachen (PG1, PG3, PG8). Die Planung einer Unterrichtsphase stellt sich i.d.R. als Vorbereitung einer oder mehrerer Aktivitätsschritte dar. Die Phase des Übens der sprachlichen Mittel zur Wegbeschreibung umfasst im PG8 (UP2, s. Abb. 20) z.B. folgende Unterrichtsabschnitte: Arbeit mit einem Lückentext im Lehrbuch oder im Arbeitsheft (UP2a), Präsentieren der Ergebnisse durch das Vorlesen des Dialogs durch die Schüler/ innen (UP2b) sowie die Option, mit diesem Text theaterpädagogisch zu arbeiten, um Aussprache und Intonation vertiefend zu üben. Letztere Aktivität (UP2c) wird im Gesprächsverlauf jedoch verworfen. Neben den Gesprächshandlungen zum Planen einzelner Aktivitätsschritte, kommt es auch zu Aushandlungsprozessen bezüglich der Gesamtgestaltung der Unterrichtsstunde, die in den Abbildungen 18-21 nicht dargestellt sind. So wird z.B. über die zeitliche Strukturierung der Stunde, die Reihenfolge einzelner Aktivitäten, das Tafelbild der Stunde, über Inhaltsentscheidungen oder die Gestaltung von Übergängen gesprochen. Planungsgespräche werden außerdem durch kommunikative Handlungen begleitet, die nicht explizit mit der Vorbereitung der Unterrichtsstunde in Verbindung stehen und daher hier nicht fokussiert werden (vgl. Kap. 8 zu Inhalten der Planungsgespräche). So kommt es u.a. zu Exkursen (z.B. die Klärung der Bedeutung des Wortes beamer im Amerikanischen, PG6), zu selbstreflexiven 292 Äußerungen (z.B. die Reflexion darüber, dass man die Angewohnheit hat, sehr schnell zu sprechen, PG8) oder zur Reflexion von Erfahrungen aus den SPS (z.B. das in der vergangenen Stunde einige Schüler/ innen nicht anwesend waren, PG5) oder aus anderen Kontexten (z.B. Erlebnisse aus dem Praktikum, PG5), die durch die Planung der Unterrichtsstunde angeregt werden, jedoch nicht zur Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen oder zur Gesamtgestaltung der zu planenden Stunde beitragen. Ebenso werden die Planungsgespräche von arbeitsorganisatorischen Handlungen flankiert, wie z.B. der Austausch über das weitere planerische Vorgehen, das Festhalten von Gedanken und Notieren des Plans oder das Nachdenken über weitere nötige Planungsschritte über das Planungsgespräch hinaus (vgl. Kap. 8.2.10). Diese Handlungen sind im Vergleich zu den aktivitätsbezogenen Gesprächshandlungen jedoch marginal. 9.1.4 Endphase und Beendigung des Gesprächs Die Endphase der Planungsgespräche deutet sich teilweise durch ein gehäuftes Auftreten von Exkursen an und wird letztlich in den meisten Fällen dadurch eingeleitet, dass die Gesprächsteilnehmer/ innen das Gesprächsende beschließen. 1416 A ((1s)) Na gut. ((2s)) Das war s. 1417 H Das war s? 1418 A Ja, oder? Würd ich jetzt (sagen). PG8: 1416ff., Anja & Heike Darauf folgen mitunter Gesprächshandlungen, in denen das bis dahin Geplante eingeschätzt oder das Gespräch kurz resümiert wird: 1419 H Ist Wahnsinn, wie lange das immer dauert. Also ich bin echt 1420 A Ja, ja. 1421 H ((3s)) gebrettet. PG8: 1419ff., Anja & Heike Typisch für die Beendigungsphase ist ein Nachdenken darüber, was noch vor der Durchführung der Unterrichtsstunde gemacht werden muss. Es werden an dieser Stelle oftmals weitere Arbeitsschritte geplant: 1008 L Das heißt, ich soll zwei Artikel raussuchen. 1009 M Genau. Und ich würd [mich dann noch mal mit (…)] 1010 L [Wie viel Wörter]? 1011 M kurzschließen wegen äh der Fragen. 1012 L ((1s)) Also wir haben ja jetzt schon sieben. 1013 M ((Nickt, 2s)) trotzdem. ((Lacht)). PG6: 1008ff., Mattis & Linda 293 Die Planungsgespräche finden ein Ende, indem die Aufnahmetechnik ausgeschaltet wird oder eine/ r der Teilnehmenden der Forscherin Bescheid gibt, dass das Planungsgespräch nun beendet sei. 1643 M Okay. Ja cool! 1644 U ((Lacht kurz)) Ja, dann haben wir ja alles geschafft. 1645 M Ja. Dann geh ich mal der Frau K. Bescheid sagen. ((M verlässt den Raum)) PG2: 1643ff., Maren & Ute 9.1.5 Zusammenfassung und Einordnung der Befunde Bezüglich des Verlaufs der Planungsgespräche auf der makrostrukturellen Ebene lassen sich zunächst deutliche Parallelen zu Untersuchungsergebnissen anderer Studien aufzeigen (vgl. Kap. 4.2.4), wenngleich es in den übrigen Studien nie um Planungsgespräche, sondern um die Vorbereitungstätigkeit einzelner berufserfahrener oder -unerfahrener Lehrender ging. Eine erste Phase der Orientierung konnte ebenso bei den Mathematiklehrenden in Brommes Studie (1981), bei den Lehrenden verschiedener Fächer in den Studien von Kolbe (1998) und Tebrügge (2001), bei der Einzelfallstudie über eine Englischlehrerin von Mischke & Wragge-Lange (1987) sowie bei der Untersuchung von Studierenden in der Studie von Broeckmans (1986) festgestellt werden. Jene Analysen konnten nachweisen, dass Planende sich zunächst orientieren müssen: Der zu unterrichtende Fachinhalt wird bestimmt, die Lernenden und die vorangehenden Stunden werden ins Bewusstsein gehoben, Rahmenbedingungen werden rekapituliert und im Fall der Studierenden wird die Planungsaufgabe reaktiviert und eingeschätzt. Jene Handlungen können auch für die Orientierungsphase der Planungsgespräche der hier untersuchten Forschungsteilnehmer/ innen bestätigt werden. Das weitere Vorgehen bei der Vorbereitung des eigentlichen Stundenverlaufs ähnelt ebenfalls den schon bestehenden Untersuchungsergebnissen: Im Mittelteil der Planungsaktivitäten von Lehrenden wird den Untersuchungen zufolge der Stundenverlauf geplant, indem Aktivitäten festgelegt und entfaltet werden. Am Ende der Vorbereitungstätigkeit finden oftmals ein Rekapitulieren des Geplanten und der Ausblick auf die Unterrichtsstunde statt, was in Ansätzen auch in der Beendigungsphase der Planungsgespräche zu erkennen ist. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten einmal mehr darauf hin, dass Unterrichtsvorbereitung nicht entlang bestimmter Planungsdimensionen von Unterricht vollzogen wird. Es verwundert daher, dass die didaktische Planungsliteratur in zahlreichen Fällen immer noch vorschlägt, sich bei der Planung nacheinander den einzelnen Dimensionen des Unterrichts (Ziele, Inhalte, Methoden, Medien) zuzuwenden und dies meist in einer vorgegebenen Reihenfolge. Die Ergebnisse der Verlaufsanalyse zeigen hingegen, dass sich die 294 Studierenden bei der kooperativen Planung erster Unterrichtsstunden am Verlauf der Unterrichtsstunde orientieren. Sie gehen von den einzelnen Phasen einer Unterrichtsstunde aus und entfalten das Unterrichtskonzept, indem sie vor allem die Durchführung der Stunde und die dabei ablaufenden Prozesse im Blick haben. Ihr Interesse gilt vornehmlich der Frage, was als nächster Schritt im Unterrichtsprozess zu tun sei oder von den Schüler/ innen zu erwarten wäre. Während in der Literatur meist von einer Planung entlang der klassischen Planungsaspekte ausgegangen wird, stellen Tulodziecki, Herzig & Blömeke (2009: 153ff.) eine alternative Vorgehensweise bei der Vorbereitung von Unterricht dar. Neben dem schon vielfach beschriebenen komponentenbezogenen Vorgehen, in dem die Überlegungen nach den einzelnen Unterrichtskomponenten gegliedert sind, wird hier das prozessbezogene Planen als eine weitere mögliche Vorgehensweise beschrieben, die durchaus mit dem Vorgehen der Studierenden in dieser Studie vergleichbar ist: Die einzelnen Planungsaspekte werden immer ausgehend von den Phasen einer Unterrichtsstunde bzw. -einheit durchdacht, d.h. nicht getrennt voneinander in Abfolge, sondern stets in Verbindung miteinander im Zuge der Vorbereitung der zu gestaltenden Phasen des Unterrichts. Damit lässt sich noch einmal unterstreichen, was auch schon einzelne Studien wie z.B. die von Broeckmans (1986), Bromme (1981), Kolbe (1998) oder Yinger (1980) herausstellten: Das planerische Handeln von Lehrenden richtet sich primär auf den Prozess der Unterrichtsgestaltung, d.h. auf die Lehr- und Lernaktivitäten, die eine Unterrichtsstunde ausfüllen. Diese Überlegungen mögen ein Nachdenken über die einzelnen Planungskomponenten, die Ziele, Inhalte, Methoden und Medien, bezogen auf die jeweils betrachtete Unterrichtsphase mit einschließen, diese Aspekte bilden jedoch nicht den Ausgangspunkt der vorbereitenden Tätigkeit. Planungsvorschläge, wie die Hinweise zu einer prozessbezogenen Unterrichtsvorbereitung von Tulodziecki, Herzig & Blömeke (2009) orientieren sich demnach deutlich stärker am tatsächlichen Vorgehen von Novizen und Experten. Wenngleich die Vorgehensweise der hier untersuchten Studierenden sicher in einigen Bereichen nicht als best practice gelten kann, so scheinen Modelle oder Vorschläge, die sich an ihrer tatsächlichen Vorgehensweise orientieren, durch ihre Anschlussfähigkeit deutlich mehr Potential für die Ausbildung zu bieten. Die Ergebnisse der Verlaufsanalyse bestätigen im Allgemeinen die Befunde anderer Studien. Offen bleibt jedoch, wie der mittlere Teil der Unterrichtsvorbereitung, die Planung des Unterrichtsverlaufs, sich im Einzelnen vollzieht. Aussagen mikrostruktureller Art sind dazu in der Forschungsliteratur kaum zu finden. Eine genauere Untersuchung der Vorgehensweise von Studierenden bei der kooperativen Vorbereitung von Unterricht könnte jedoch dazu beitra- 295 gen, die Komplexität von Planungsprozessen zu Beginn der unterrichtspraktischen Lehrtätigkeit zu erfassen, um auf dieser Grundlage Vorschläge zur Unterstützung jener Prozesse im Rahmen der Ausbildung zu entwickeln. Weiterführend lassen sich daher aus jenen Ergebnissen Fragen ableiten, die darauf abzielen, das planerische Handeln von Novizen auf einer stärker mikrostrukturellen Ebene zu erfassen: Wie genau entsteht das Konzept, der Plan über die Gestaltung einer Lehr- oder Lernaktivität im Unterricht? Aufgrund der kaum vorhandenen Forschungsergebnisse im Bereich der Planung von Fremdsprachenunterricht, ist zudem von Interesse, was eine fremdsprachendidaktische Unterrichtsplanung ausmacht. 9.2 Die Unterrichtsvorbereitung im engeren Sinn: das Planen von Aktivitäten Die Verlaufsanalyse der Planungsgespräche auf der Makroebene machte bisher deutlich, dass die Studierenden eine Unterrichtsstunde vorbereiten, indem sie sich schrittweise mit den einzelnen Unterrichtsphasen, die eine Stunde ausmachen, auseinandersetzen (s. Abb. 18). Die Vorbereitung dieser Phasen wird z.T. am Stück, d.h. ununterbrochen über mehrere Gesprächssequenzen hinweg, realisiert (bei stärker linearen Gesprächen, s. Abb. 19) oder aber in mehreren einzelnen Gesprächsabschnitten, d.h. die Planenden kommen mehrmals, unterbrochen durch die Vorbereitung anderer Unterrichtsphasen oder -abschnitte, auf eine Phase zurück (stärker rekursive Gespräche, s. Abb. 20). Wie auch die Ergebnisse der Inhaltsanalyse zeigen konnten, stehen die einzelnen Aktivitäten oder Aktivitätsschritte, aus denen sich die Unterrichtsphasen sowie die Unterrichtsstunde als Ganzes zusammensetzen, im Zentrum der Planungsgespräche (vgl. Kap. 8.2.1). Der zweite Teil dieser Analyse geht daher folgender Forschungsfrage nach: Forschungsfrage 2B: Wie gehen die Studierenden bei der gemeinsamen Vorbereitung einzelner Unterrichtsaktivitäten im Planungsgespräch vor? Die Gesprächshandlungen während der Planung dieser Aktivitäten lassen sich im Wesentlichen drei Ebenen zuordnen, mit denen unterschiedliche Handlungsziele verbunden sind: (1) die Auswahl, (2) die Konzipierung sowie (3) die Spezifizierung der Durchführung der Lehr- und Lernaktivitäten (s. Abb. 21). Diese Handlungsziele werden wiederum durch die Aushandlung spezifischer Gesprächsthemen verfolgt. Der Prozess des Planens einzelner Aktivitäten auf jenen Ebenen wird im Folgenden umfassender betrachtet, um weiter zu erfassen, wie sich das Konzept einer Unterrichtsstunde im gemeinsamen Gespräch schrittweise entfaltet. 296 9.2.1 Die Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen unter Bezugnahme auf Aktivitätsgroßmuster Der Beginn der Auseinandersetzung mit einer neuen Unterrichtsphase wird i.d.R. durch einen Themenwechsel und die Verwendung von Pausen und Interjektionen markiert. Es wird anschließend z.T. direkt verbalisiert, welchen Fokus die im nächsten Schritt zu planende Unterrichtsphase trägt, d.h. welche Funktion sie erfüllt. 680 E […] Ich mein, das ist ja jetzt auch nicht so kompliziert, das da herauszufinden. 681 H Jo. 682 E Kriegen wir schon irgendwie hin. So. • • Und dann müssen wir natürlich irgendwie… • Ähm dann kommt erst mal so ne gelenkte Übung oder muss erst mal so ne gelenkte Übung kommen, wo die das einfach/ • • ganz einfach hip hip hip... PG3: 680ff., Ellen & Hendrik In dieser Gesprächssequenz beendet Ellen die Besprechung einer Unterrichtsphase (die Erarbeitung einer grammatischen Struktur) und leitet zur Vorbereitung der nächsten Phase durch eine abschließende Aussage (Kriegen wir schon hin/ / Gs682), die Interjektion so und eine kurze Pause über. Sie benennt im Anschluss, was die Unterrichtsphase ausmachen wird: Eine zuvor erarbeitete grammatische Struktur soll geübt werden. In Anlehnung an Kolbe (1998) kann hier auch von einem Rekurs auf ein sog. Aktivitätsgroßmuster ausgegangen werden. Kolbe argumentiert, dass erfahrene Lehrende bei der Unterrichtsvorbereitung von Aktivitätsgroßmustern ausgehen, die aus dem kategorialen Erfahrungswissen der Lehrenden hervorgehen und die als Rahmen für die im weiteren Verlauf der Vorbereitung sich vollziehenden Eingrenzungen (Limitierungen, s. Kolbe 1998) dienen. Unterrichtsvorbereitung besteht seinen Forschungsbefunden zufolge aus einer schrittweisen Limitierung von Möglichkeiten, die ein Aktivitätsgroßmuster bietet. Die hier untersuchten Gesprächsdaten weisen darauf hin, dass auch zukünftige Lehrende in der Ausbildung bei der Unterrichtsvorbereitung von Aktivitätsgroßmustern ausgehen. Im oben angeführten Beispiel benennt Ellen mit muss erst mal so ne gelenkte Übung kommen (Gs682) einen Aspekt eines Aktivitätsgroßmusters, das im weiteren Gesprächsverlauf dann weiter eingegrenzt und spezifiziert wird. Auch im folgenden Beispiel aus PG5 zeigt sich, dass die Studierenden ein Aktivitätsgroßmuster aktivieren und dann im weiteren Gesprächsverlauf Bestandteile dieses Musters diskutieren. Das Aktivitätsgroßmuster wird in dieser Gesprächssequenz in Gs346 zum ersten Mal von Nina benannt: Es soll im Folgenden über die Semantisierung unbekannter Lexik gesprochen werden. 297 346 N Hm ̌ . ((4s)) Ist bloß die Frage mit der Semantisierung. Wie man das jetzt so weiter erweitert? 347 R Hm ̄ . 348 N Ob man dann/ die erst mal die Bilder angucken? Und dann ((1s)) hm ̄ … 349 R Dann [hören lassen]. 350 N [nicht so ne] typische Wortliste hat. Aber ich mein, die müssen die ja irgendwie [aufschreiben]. 351 R ((leise)) [Stimmt], hm ̌ . 352 N Also muss es ja irgendwie... 353 R Na, aber aufschreiben müssen die die ja nicht. Die haben ja ihre… Die schreiben die ja zuhause ab. 354 N Ach so. 355 R Das hat die Frau R gesagt. Also du sollst die mit denen besprechen 356 N Hm ̌ . 357 R und hören. Ich glaube, schreiben tun die die zuhause • • • immer so typisch vokabellistenmäßig in den Hefter. 358 N Hm ̌ . ((4s)) (Aber) weiß nicht. Also... 359 R Ich weiß es nicht genau, aber... Ich find das auch doof, dass die das nicht schreiben in der Stunde. 360 N Hm ̌ . ((4s)) Also ich würd jetzt sagen, dass das alles nicht so schwere Vokabeln sind, dass man die nicht auch vielleicht • • • nach dem Lesen klären könnte. 361 R Hm ̄ . PG5: 346ff., Nina & Rieke In dieser Gesprächssequenz wird deutlich, dass die Studierenden mit dem Muster Semantisierung von Lexik verschiedene Realisierungsmöglichkeiten verbinden: die Vorentlastung eines Textes durch eine vorherige Semantisierungsphase, die Semantisierung unbekannter Lexik nach der Begegnung mit dem Text, das Verschriftlichen neuer Lexik durch die Schüler/ innen im Unterricht oder zuhause, die Verwendung von Wortlisten. Erfahrene Lehrende können laut Kolbe (1998: 236) auf eine Vielzahl an Aktivitätsgroßmustern zurückgreifen. Je nach Art der Aktivität und der dazu vorhandenen mentalen Muster kommt es während der Vorbereitung entweder zur sukzessiven Eingrenzung dieser Großmuster und zur Bestimmung konkreterer Aktivitätsschritte oder zu einer abgekürzten Form der Vorbereitung. In letzterem Fall - wenn es sich bei den Aktivitätsgroßmustern z.B. um stark routiniert zu verwendende Handlungsmuster handelt - wird die Bestimmung spezifischer Aktivitätsschritte z.T. überflüssig. Sie müssen daher nicht weiter benannt bzw. durchdacht werden (vgl. Kolbe 1998: 236). Aus den vorliegenden Daten kann abgeleitet werden, dass diese Art der abgekürzten Planung für die Studierenden nur in seltenen Fällen zur Disposition steht. Die in den untersuchten Planungsgesprächen beobachteten Teilplanungsphasen sind im Umfang selten nur auf das Benennen des jeweiligen Aktivitätsgroßmusters beschränkt. Im Austausch mit dem/ der Ko-Planenden 298 kommt es meist zur Ausführung und zur Diskussion weiterer, damit verbundener Aktivitätsschritte. Die Aktivierung und Bezugnahme auf Aktivitätsgroßmuster kann in den meisten Teilplanungsphasen beobachtet werden, auch wenn das Großmuster nicht immer direkt benannt wird. Teilweise wird mit der Vorbereitung einer Unterrichtsphase begonnen, indem gleich zu Beginn einzelne Aktivitätsschritte bestimmt werden, ohne dass auf das Großmuster bewusst Bezug genommen wird. Überlegungen der Studierenden im weiteren Gesprächsverlauf zeigen jedoch, dass Erfahrungswissen aktiviert und auf die entsprechenden Muster zurückgegriffen wird. Interessant ist hier zu sehen, welche Gestalt diese Muster jeweils haben. Teils sind sie, wie auch weiter in Kapitel 10.2 ausgeführt werden wird, schon recht umfangreich, ausdifferenziert und reflektiert, oftmals sind sie erst im Entstehen und noch vage bis lückenhaft. Im Rahmen der Gespräche kann außerdem beobachtet werden, dass Aktivitätsgroßmuster gemeinsam ausgehandelt werden, dass nach geeigneten Mustern gesucht wird, diese im Dialog unter Bezugnahme auf das jeweilige Erfahrungswissen der Studierenden rekonstruiert werden und passende Aktivitätsschritte gesucht und bestimmt werden. Während die Unterrichtsvorbereitung von Experten, den Ergebnissen der Studie von Kolbe zufolge als schrittweise Eingrenzung eines Aktivitätsgroßmusters betrachtet werden kann, legen die hier untersuchten Daten die Schlussfolgerung nahe, dass Aktivitätsgerüste über Unterrichtsverläufe in den Planungsgesprächen von den Studierenden aufgrund der noch begrenzten Vielfalt vorhandener Handlungsmuster erst im Gespräch ko-konstruiert werden. Im Analysekapitel 10 wird den Prozessen der gemeinsamen Aushandlung von Unterrichtsentwürfen vor allem in Bezug auf die Potentiale der Zusammenarbeit der Studierenden weiter nachgegangen werden. 9.2.2 Unterrichtsvorbereitung auf drei Ebenen Die Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen, die sich auf ein Aktivitätsgroßmuster beziehen, lässt sich als Prozess beschreiben, der sich auf drei Ebenen vollziehen kann (s. Abb. 21). Die Untersuchung der Gesprächsdaten konnte offenlegen, dass die Studierenden auf einer ersten Ebene die Auswahl von Aktivitäten fokussieren. Auf einer zweiten Ebene werden diese Aktivitäten weiter spezifiziert: Es kommt zu Phasen des Konzipierens und Gestaltens. Auf einer dritten Planungsebene beschäftigen sich die Studierenden mit der Realisierung von Aktivitäten im Unterricht, d.h. sie spezifizieren Aspekte der Durchführung. Die Vorbereitung einer Unterrichtsphase kann die Auswahl / Konzeption / Spezifizierung einer oder mehrerer Aktivitäten umfassen. 299 Drei Stufen der Unterrichtsvorbereitung konnte auch Broeckmans (1986) in seiner Studie mit Studierenden, die in einer Praktikumsphase ein logbook on planning führten, herausstellen (vgl. Kap. 4.2.4). Obwohl die von ihm untersuchten Planungsprozesse sowie die Erhebungsmethode sich von den hier analysierten Planungsgesprächen deutlich unterscheiden, stellte auch Broeckmans die Fokussierung der Studierenden auf Aktivitäten als bedeutend heraus und skizzierte den Prozess der Planung der Aktivitäten, den er als Planung im engeren Sinne bezeichnet, als aus folgenden Komponenten bestehend: (a) determination of activities, (b) elaboration of activities und (c) detailing activities (1986: 220f.). Broeckmans Studie, die schon in den 1980er Jahren durchgeführt wurde, liefert damit interessante Einblicke in die Planungstätigkeit von Studierenden. Leider werden die Ergebnisse in seinem 1986 veröffentlichten Artikel nur in einer knappen Darstellung zusammengefasst, wodurch ein detailliertes Nachvollziehen der Vorgehensweise bei der Datenanalyse und die genaue Abgrenzung von Kategorisierungen des Materials erschwert ist. Die vorliegende Studie lehnt sich an die von Broeckmans herausgestellte dreistufige Vorgehensweise bei der Unterrichtsvorbereitung an und spezifiziert sie vor dem Hintergrund der Analyse der vorliegenden Daten. Demnach kann bei der Planung von Unterrichtsaktivitäten durch die Studierenden von folgenden drei Planungsebenen ausgegangen werden: • Ebene 1 (E1): Suchen und Auswählen von Aktivitäten; • Ebene 2 (E2): Konzipieren von Aktivitäten; • Ebene 3 (E3): Spezifizieren von Aktivitäten in Hinblick auf die Interaktion im Klassenzimmer. Abbildung 22 zeigt das Planen einer Unterrichtsphase im Verlauf und visualisiert die verschiedenen Handlungsschritte der Studierenden und deren mögliche Abfolge. In der Abbildung ist die Vorbereitung einer Aktivität dargestellt, es kann jedoch auch zur Planung mehrerer Aktivitäten innerhalb einer Unterrichtsphase kommen. Die Pfeile markieren, welche Planungshandlungen als aufeinander folgend aus den Daten herausgearbeitet wurden. Die gepunkteten Linien stellen gegenüber den übrigen Linien eher marginale Abfolgen dar. Die Abbildung macht deutlich, dass sich die Planung einer Unterrichtsaktivität in vielfältigen Abläufen realisieren kann. 300 Abb. 21: Vorbereitung von Unterrichtsphasen So kann bspw. die Planung einer Unterrichtsphase damit beginnen, dass dem Partner / der Partnerin zuvor Geplantes geschildert wird. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass diesem Handlungsschritt im Vorfeld ein preplanning vorausgegangen ist, in dem bereits erste Überlegungen zu einzelnen Unterrichtsphasen angestellt wurden. Anschließend kann es dazu kommen, dass eine mögliche Aktivität im Gespräch weiter ausgestaltet (Konzeption und Gestaltung von Aktivitäten / Ebene 2) und danach in Hinblick auf die konkrete Umsetzung im Unterricht spezifiziert wird (Spezifizieren von Aktivitäten / Ebene 3). Wie in Abbildung 22 sichtbar wird, kommt es nicht zwingend immer zur Abfolge von Gesprächshandlungen auf allen Ebenen. Zum Teil werden Ebenen Festlegung / Auswahl Schildern von Geplantem Konzeption / Gestaltung von Aktivitäten Spezifizieren von Aktivitäten Beginn der Vorbereitung einer Unterrichtsphase Suche nach Aktivitäten Ausblick (Erstellen / Besorgen von Material) pre-planning 1. Ebene 2. Ebene 3. Ebene Ende der Vorbereitung einer Unterrichtsphase 301 übersprungen oder gar nicht ausgeführt. Dennoch verläuft der Prozess des Planens einer Unterrichtsphase in den meisten Fällen stufenweise, d.h. es wird mit der Suche nach einer Aktivität (Ebene 1) begonnen, bevor die Vorbereitung auf der zweiten und dritten Ebene folgt. Insgesamt ist die Planung jedoch selten linear. Die Gesprächshandlungen der Studierenden gestalten sich vor allem auf der zweiten und dritten Ebene stark rekursiv, was sicher auch auf die Gesprächssituation zurückzuführen ist. Während eine Person z.B. noch stark mit der Konzipierung beschäftigt ist, hat die zweite Person u.U. ihren Blick schon auf die dritte Ebene gerichtet. Über jene auch von Broeckmans herausgestellte Dreiteilung hinaus wurde im Rahmen dieser Forschungsarbeit weiterführend untersucht, wie sich die Unterrichtsplanung auf diesen drei Handlungsebenen konkret gestaltet. Dabei konnten ausführende und orientierende Teilhandlungen beschrieben werden (vgl. hierzu auch Broeckmans 1986). Als ausführende Handlungen wurden in dieser Untersuchung jene Gesprächsschritte kodiert, die dazu dienten, das jeweilige übergeordnete Handlungsziel (z.B. die Konzeption einer Aktivität auf der zweiten Ebene) zu erreichen. Orientierende Handlungen beeinflussen bzw. unterstützen das Erreichen dieses Ziels (z.B. das Nachschlagen von Lexik im Vokabelteil des Lehrwerks). Im Folgenden wird die Analyse der Gesprächshandlungen auf den drei Planungsebenen umfassend dargestellt und diskutiert. 9.2.3 Suchen und Auswählen von Aktivitäten Auf der ersten Ebene der Unterrichtsvorbereitung wird in den untersuchten Planungsgesprächen meist ausgehend von einem Aktivitätsgroßmuster auf einer noch recht allgemeinen Stufe nach passenden Aktivitäten gesucht. Das Aktivieren von Komponenten des Aktivitätsgroßmusters (s. oben PG5) markiert häufig gleichzeitig den Anfang der Suche nach geeigneten Aktivitäten für die Unterrichtsphase. Im oben aufgeführten Beispiel aus PG5, in dem Nina und Rieke erste Ideen zur Semantisierung benennen, entwickeln sich im weiteren Gesprächsverlauf die Auswahlmöglichkeiten zwischen zwei Aktivitäten: der Semantisierung der neuen Lexik vor der Textbegegnung durch die Lehrerin und dem eigenständigen Erschließen der Wörter und Wortgruppen nach dem Lesen der Texte durch die Schüler/ innen. 830 R Wie viele Vokabeln sind es? Hast du [gezählt]? 831 N [Sind die], sind die zu jung? 832 R ((zählt 25 Vokabeln, 5s)) 25, oder? Hä? ((9s)) Und wenn du nun wirklich nur die Knaller, • • • die Knaller einführst? Also tourist brochure. Weil young wissen die unter Garantie. 833 N Ich hab überlegt... Ich weiß nicht, ob die zu jung sind, aber dass man den/ ((1s)) dass man die in Gruppen einteilt, die den Text gibt und, • • und die Vokabeln anstreicht, die sie finden sollen? 302 834 R Hm ̄ . 835 N Und dann versuchen, die zu übersetzen. Also so ausm Kontext zu/ versuchen [rauszufinden, was das heißt]. 836 R [Ach du meinst, dass], dass du denen das (angestrichen)... Ah, okay. 837 N Ja. • • • Das Problem, aus dem Kontext rauszufinden, was Greenwich Meantime ist… ? ((lacht)) 838 R Ist schwierig. 839 N Hm ̌ . Geht ja nicht. Hm ̄ . ((2s)) Aber visitors zum Beispiel, das könnte man aus dem Kontext finden. PG5: 830ff., Nina & Rieke In dieser Gesprächssequenz auf der ersten Planungsebene kommt es u.a. dazu, dass das Lehrwerksmaterial analysiert wird (Wie viele Vokabeln sind es? / / Gs830, ((zählt 25 Vokabeln, 5s)) 25, oder? / / Gs832), die Voraussetzungen der Schüler/ innen bedacht werden (Ich weiß nicht, ob die zu jung sind./ / Gs833) und Vorschläge unterbreitet werden (Und wenn du nun wirklich nur die Knaller, • • • die Knaller einführst? / / Gs833, und die Vokabeln anstreicht, die sie finden sollen? / / Gs833). Die Entscheidungsfindung umfasst weiterhin das Aktivieren von Merkmalen des Aktivitätsgroßmusters (Gs871) sowie von eigenen Erfahrungen damit während der Schulzeit (Gs873): 871 N Hm ̄ . ((1s)) Aber ist die Frage... Man muss ja trotzdem irgendwie das wahrscheinlich noch an die Tafel oder mit Folie irgendwie machen, ne? 872 R Ja. 873 N ((1s)) Hm ̄ , ich weiß nicht. Also wir haben damals, glaub ich, auch manchmal nur mit dem, • • • mit dem Buch gearbeitet. Also ((unverständlich, 1s)). 874 R Also ich find das eigentlich auch, ich find das eigentlich auch wichtig, dass die dann selber auch mal im Vokabelteil hinten gucken • • und lernen mit den Arbeitsmaterialien umzugehen. Also dass du sagst: "Okay, ihr habt fünf Minuten keine Ahnung guckt nach, welche Wörter ihr nicht kennt und sucht die im Buch hinten". • • Dass die auch ler... Aber ich weiß nicht, ob die das schon gemacht haben. 875 N Hm ̌ . Ist die Frage. 876 R Dass die selber auch gucken hinten im, im Vokabelverzeichnis und: • • los geht s. ((3s)) Aber ich glaub nicht, dass die das... Wenn die das wirklich zuhause immer nur stur abschreiben...? 877 N Hm ̄ . PG5: 871ff., Nina & Rieke Interessant ist hier auch der Gesprächsschritt 874, in dem Rieke reaktiviert, dass es im Sinne der Förderung von Autonomie und zum Zweck des Trainierens von Lernstrategien gut wäre, die Schüler/ innen zur eigenständigen Verwendung des Lehrbuchs anzuregen. Das Vorschlagen sowie das Auswählen von Aktivitäten sind zentrale Handlungen während der Suchphase. Sie können als Handlungen beschrieben werden, die ausführenden Charakter tragen. Die Mehrzahl der Handlungen während der Suchphase bezieht sich jedoch auf das Erfassen, (Re)konstruieren 303 oder Analysieren von Bedingungen bzw. von Faktoren, die die Auswahl beeinflussen. Gesprächshandlungen dieser Art kann eine orientierende Funktion zugeschrieben werden, da sie im Planungsprozess dazu dienen, Bezugspunkte zu schaffen, anhand derer eine Auswahl an Aktivitäten erfolgen kann. Folgende orientierende sowie ausführende Gesprächshandlungen können als charakteristisch für die Suchphase beschrieben werden: Handlungen mit ausführender Funktion Handlungen mit orientierender Funktion Vorschlagen von Aktivitäten und einzelnen Aktivitätsschritten Auswählen von Aktivitäten / Festlegen auf Aktivitäten Analyse des Materials und dessen sprachlicher Inhalte Auseinandersetzung mit Merkmalen des Aktivitätsgroßmusters Diskutieren der Vorgaben und der Arbeit der Lehrerin Bestimmen der Voraussetzungen der Schüler/ innen Berücksichtigen des zeitlichen Rahmens Berücksichtigen der Gesamtstruktur der Unterrichtsstunde Reflexion persönlicher Vorlieben und Kompetenzen Tab. 24: Typische Gesprächshandlungen auf der 1. Ebene der Unterrichtsvorbereitung Die Phase der Suche endet mit einer Entscheidung und der zum Teil auch nur vorläufigen Festlegung auf eine Art der Aktivität (s. Abb. 21). Nina und Rieke entscheiden sich dafür, den Schüler/ innen eine gewisse Anzahl an Wörtern vorzugeben, die sie dann selbstständig erschließen sollen: 882 N Oder ich mach s (wirklich)... Ich teile in Gruppen ein, 883 R Hm ̌ . 884 N ähm streiche/ 885 R ((leise)) Ja. 886 N gebe jeder Gruppe die Wörter, die sie rausfinden müssen. 887 R Hm ̌ . PG5: 882ff., Nina & Rieke Die Festlegung auf eine Art von Aktivität wird z.T. auch nur indirekt getroffen, indem dazu übergegangen wird, die Aktivität auszudifferenzieren und immer konkretere Schritte zu planen. Diese Planung auf der zweiten und dritten Ebene deutet dann darauf hin, dass im Gesprächsverlauf die Entscheidung getroffen wurde, welche Art von Aktivität letztlich durchgeführt werden soll. Ausgedehnte Phasen der Suche auf der ersten Ebene zeigen sich vor allem, wenn die Auswahl einen problematischen Aspekt enthält, wie z.B. in PG7 oder PG8. Andere Gespräche hingegen enthalten kaum Suchphasen. Das betrifft z.B. das PG6, das durch den Unterrichtenden bereits vorgeplant wurde. In einigen 304 Gesprächen finden sich auch Vorbereitungsphasen, die mit der Auswahl / Festlegung einer Aktivität enden (s. Abb. 21). Im PG3 wird z.B. nach einer schriftlichen Übung gesucht, in der die zuvor eingeführte grammatische Struktur geübt wird. Schließlich wird eine Übung aus dem Arbeitsheft ausgewählt, ohne dass sie weiter konkretisiert oder hinsichtlich der dritten Ebene diskutiert wird. 9.2.4 Konzipieren von Aktivitäten Die zweite Ebene der Planung einzelner Unterrichtsaktivitäten trägt konzeptionellen bzw. gestalterischen Charakter. Die Studierenden sprechen darüber, wie sich eine Aktivität gestalten und wie der Unterricht währenddessen verlaufen könnte. Handlungsziel auf dieser Ebene ist die Erstellung eines Konzepts für die Durchführung einer bestimmten, meist zuvor ausgewählten Aktivität als Teil einer Unterrichtsphase. Handelt es sich um die Planung von Übungen oder Aufgaben, die die Schüler/ innen lösen sollen (Dialoge, Rollenspiele, Hörbzw. Leseaufgaben, Übungen) geht es darum, das Übungs- oder Aufgabendesign zu entwerfen und einen task as workplan 4 zu erstellen. Werden Aufgaben aus dem Lehrwerk entnommen, so kommt es hier dazu, dass die Vorgaben konkretisiert und Aktivitätsschritte konzipiert werden, die die Arbeit mit den Aufgaben umfassen würden. Geht es um Aktivitäten, wie z.B. die Erarbeitung von Redemitteln, Lexik oder einer grammatischen Struktur, oder um Phasen wie z.B. Stundeneinstiege und Hinführungen sind Fragen zentral, die sich mit dem Ablauf solcher Unterrichtsabschnitte beschäftigen. In diesen Gesprächssequenzen wird z.B. darüber nachgedacht, welche einzelnen Schritte oder Handlungen der Lehrperson nötig sind, welche Medien und Materialien verwendet werden oder wodurch die Schüler/ innen aktiv am Interaktionsprozess zu beteiligen sind. Die Gesprächshandlungen der Studierenden können dabei wiederum in Handlungen mit orientierender Funktion sowie in ausführende Handlungen, die in diesem Fall konzipierender bzw. gestaltender Art sind, unterteilt werden 4 Ein task as workplan wird in der Diskussion um aufgabenorientiertes bzw. aufgabenunterstütztes Lernen für die Aufgabenstellung verwendet, die den Schüler/ innen an die Hand gegeben wird, bevor sie sich der Aufgabendurchführung, die im Gegensatz dazu als task in process bezeichnet wird, widmen (vgl. Breen 1987: 24). Die Unterscheidung wird u. a. getroffen, um darauf zu verweisen, dass ein Plan nicht der tatsächlichen Durchführung gleicht, die letztlich nahezu unplanbar bleibt. Für die Unterscheidung in mehrere Ebenen der Unterrichtsvorbereitung eignet sich die Bezugnahme auf dieses Begriffspaar: task as workplan, um auf die rein konzeptionelle Arbeit auf der zweiten Ebene zu verweisen (Welche Aufgabe wird den Schüler/ innen gestellt? ), und dem task as process, dem sich die Studierenden auf der dritten Ebene der Vorbereitung zuwenden, indem sie die Durchführung der Aufgabe und die Interaktion im Klassenzimmer in den Blick nehmen. 305 (vgl. Kap. 9.2.2). Handlungen, die der Orientierung dienen und die Entscheidungsfindung beeinflussen, sind wie in der Suchphase u.a. bezogen auf die Materialanalyse, die Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Schüler/ innen oder mit didaktischen Fragen zu den Möglichkeiten, die das Aktivitätsgroßmuster bietet. Handlungen, die gestalterischen (ausführenden) Charakter tragen, haben zum Ziel, die noch allgemeine Vorstellung von einer Aktivität so auszudifferenzieren, dass ein relativ präzises Konzept entsteht. Das Produkt dieser Handlungen ist ein konkreteres Bild über mögliche Abläufe und Vorgehensweisen im Rahmen einer Aktivität. Es werden dabei Entscheidungen getroffen, die sich auf Aspekte beziehen wie z.B. den Verlauf bzw. das Vorgehen während einer Aktivität, die Sozialform, den zeitlichen Umfang einer Aktivität, die Verwendung von Inhalten und Materialien und die Gestaltung von Aufgaben. Im Überblick lassen sich für die Ebene des Konzipierens von Unterrichtsaktivitäten folgende typische Handlungen darstellen: Handlungen mit ausführender Funktion Handlungen mit orientierender Funktion Planung / Gestaltung / Konzipierung des Verlaufs bzw. des Vorgehens während einer Aktivität der Sozialform des zeitlichen Umfangs einer Aktivität der Verwendung von Inhalten und Materialien der Gestaltung von Aufgaben Analyse des Materials Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der Schüler/ innen Aktivieren von Erfahrungswissen bezüglich des Aktivitätsgroßmusters Berücksichtigung des zeitlichen Rahmens der Stunde (45 bzw. 90 Minuten) Aktivieren von Erfahrungen aus den SPS-Stunden Aktivieren von Rückmeldungen / Reaktionen von D. oder L. Tab. 25: Typische Gesprächshandlungen auf der 2. Ebene der Unterrichtsvorbereitung Im weiteren Verlauf des PG5, in dem Nina und Rieke eine Unterrichtsphase zur Semantisierung unbekannter Lexik planen, sprechen sie u.a. auch über einen Unterrichtsabschnitt, in dem die Schüler/ innen die eigenständig erarbeiteten Wortbedeutungen der Klasse präsentieren. Im folgenden Ausschnitt aus dem Planungsgespräch konzipieren sie diesen Teil der Unterrichtsphase auf der zweiten Ebene der Konkretheit: 943 N ((5s)) Hm ̄ , zum Beispiel könnte ich das ja auch so machen, dass ich dann…• Zwei Leute aus jeder Gruppe müssen dann ähm die Wörter anschreiben, die sie haben. • • • An die Tafel. ((4s)) Und vielleicht irgendwie erst mal versuchen zu erklären oder so. Bevor sie die Übersetzung hinschreiben. Also ich könnte das schon vorbereiten? 944 R Hm ̄ . 306 945 N Dass ich die Wörter an die Tafel schreibe und die dann halt nur noch die Übersetzung dran schreiben müssen • • [und ähm]... 946 R [Aber eben,] erst erklären. 947 N Genau. Und bevor sie die aber ranschreiben, versuchen, das zu beschreiben. [Also]... 948 R [Das kostet] aber Zeit, ne? Da musste gucken, dass das mit dem Lesen dann noch... [(Das ist), denke ich, ganz schön heftig]. 949 N ((leise)) [Das/ das... Also]... 950 R Hm ̄ . 951 N Also das Rausfinden, das ist ja/ geht ja wahrscheinlich relativ schnell hinten im Vokabelteil. 952 R • • • Sollen die das in Partnerarbeit machen? Ja, ähm immer auf der Bank? 953 N Ja, in der Gruppe. • • • Hm ̌ . 954 R Also immer Bank [und halt]... 955 N [Ja]. 956 R Hm ̌ . ((6s)) ((leise)) Ja. ((9s)) (Und) zu dem... Ja. 957 N Aber dann schreiben die s halt auch nicht noch mal ab. • • • Weil das dauert dann auch noch mal lange [((unverständlich, 0,5s))]. 958 R [Vielleicht] kannst du einfach dann n Arbeitsblatt vorbereiten, wo das draufsteht. Dass du denen praktisch das abnimmst, die Vokabeln abschreiben zu müssen. 959 N Hm ̌ . 960 R Das ist ja von der Liste. Das ist ja schnell geschrieben. [Dass du das] 961 N ((leise)) [Das stimmt ja]. 962 R praktisch... Dass die das dann zwar erklären allen und, 963 N Hm ̌ . 964 R und die anderen auch mit gucken, was es heißt. Und du dann einfach so ein Arbeitsblatt austeilst ((1s)) mit den Vokabeln. 965 N ((schreibt)) Vokabeln, ja. PG5: 943ff., Nina & Rieke Gesprächshandlungen mit ausführender, d.h. konzipierender Funktion zeigen sich im obigen Beispiel zunächst in den Gesprächsschritten 943-947. Sie dienen dazu, den Verlauf der Aktivität zu skizzieren und umfassen Überlegungen zu möglichen Handlungen der Lehrperson und der Schüler/ innen sowie zu deren Interaktion. Im aufgeführten Beispiel wird die Idee entworfen, die Schüler/ innen könnten den zuvor selbständig erarbeiteten Wortschatz zu zweit vor der Klasse präsentieren, indem sie die Bedeutung der Wörter erklären und eine deutsche Übersetzung an die Tafel schreiben. Die Lehrperson könnte die entsprechende Lexik zuvor schon angeschrieben haben. Eine weitere konzipierende Handlung ist die Bestimmung der Sozialform in Gs952-956. Die Gesprächshandlungen erscheinen hier etwas fragmentarisch, da auf eine frühere Festlegung rekurriert wird, in der beschlossen wurde, die Klasse in drei große Gruppen einzuteilen, die jeweils unterschiedliche lexikalische Elemente erarbeiten sollen (vgl. PG5 oben, 833; 882ff.). Die Erarbeitung soll dann in Partnerarbeit erfolgen, wobei die Schüler/ innen mit der Person zusammenarbeiten, die neben ihnen sitzt. Konzipierend ist außerdem die Handlungssequenz ab 307 Gs958ff., in der überlegt wird, welches zusätzliche Material verwendet werden könnte, um den Faktor des Zeitmangels entsprechend zu berücksichtigen. Handlungen mit orientierendem Charakter sind in jenem Beispiel in den Gesprächsschritten 948, 951, 957 (Zeitlicher Rahmen und Schülervoraussetzungen) zu beobachten. Nina und Rieke machen sich bewusst, dass ein Anschreiben von Wörtern durch die Schüler/ innen, ein Erklären der Wortbedeutungen und ein Abschreiben der Wörter viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher wird die Idee aufgeworfen, ein Arbeitsblatt zu verwenden (Gs958). Ein erstes In-Betracht-Ziehen des Faktors Zeit wird auch schon vor der direkten Benennung in Gs948 deutlich: In Gs943 schwenkt Nina von der Aussage, die Schüler/ innen könnten die Wörter anschreiben zum Vorschlag über, dass sie selbst etwas vorbereiten, d.h. vor der Stunde anschreiben könnte. Vermutlich wird ihr schon während sie die erste Idee verbalisiert bewusst, dass dies zu Problemen mit dem Zeitmanagement führen könnte. Eine weitere Orientierung scheint das auch schon vorher diskutierte Aktivitätsgroßmuster der Semantisierung von Lexik zu sein, dass in den Gesprächsschritten 943, 946, 947 aktiviert wird. Es wird hier thematisiert, dass eine Semantisierung durch Erklären oder Paraphrasieren der Wortschatzelemente einer Semantisierung mittels der deutschen Übersetzung vorzuziehen sei (Gs943, 946, 947). Dieses Aktivieren von Erfahrungswissen taucht an dieser Stelle nicht zum ersten Mal auf, es wird Bezug genommen auf eine frühere Gesprächssequenz, in der das Abarbeiten neuer Lexik in Form einer Liste als nicht erstrebenswert dargestellt wurde (vgl. PG5 oben, Gs348ff.). Dies verdeutlicht den zyklischen Charakter, den vor allem orientierende Handlungen aufweisen. Es wird im Gesprächsverlauf wiederholt auf bestimmte einflussnehmende Faktoren zurückgegriffen. Ausführende Handlungen liegen zunächst meist auf einer hypothetischen Ebene (vgl. PG5 oben, ich könnte…/ / Gs943). Auch Vorschläge, die gemacht werden, tragen hypothetischen Charakter (Vielleicht kannst du einfach…/ / Gs958). Wird dann eine Entscheidung für eine bestimmte Art der Umsetzung einer Aktivität getroffen, wird dies in einigen Fällen direkt verbalisiert (z.B. PG5, Gs1183/ Nina: Das ist ne Idee. Das schreib ich mir gleich mal auf). In anderen Fällen geht die Gesprächsführung von hypothetisch in konkret planend bzw. festlegend über, ohne dass Entscheidungen direkt benannt werden. Häufig wird als Zeichen einer Entscheidung ein Themenwechsel initiiert. Wenn das Konzept einer Aktivität für die Studierenden schon recht klar umrissen ist, wird in einem nächsten Schritt oftmals gemeinsam überlegt, wie viel Zeit für eine konzipierte Aktivität einzuplanen wäre. Auch der Übergang zur Planung auf der dritten Ebene zeigt, dass eine zumindest vorläufige Festlegung auf ein Konzept erfolgt ist. Gleiches gilt für arbeitsorganisatorische Handlungen, wie z.B. das Festhalten von Ideen in Form von Notizen oder das Notieren von Überlegungen in einem Verlaufsplan. 308 Gesprächshandlungen auf der zweiten Ebene folgen meist der Auswahl einer Aktivität im Gespräch oder der Schilderung von vorher Geplantem (s. Abb. 21). Mitunter kommt es aber auch zu Überlegungen konzeptioneller Art, ohne dass zuvor eine Auswahl erfolgte. In diesen Fällen wird hypothetisch über die Gestaltung einzelner Aktivitäten nachgedacht, es werden Alternativen aufgeworfen, die dann konzeptionell durchgespielt werden, bevor es zu einer Festlegung kommt. In diesem Sinne ist auch hier die Abfolge der Ebenen nicht linear. Auf der Ebene der Auswahl können die konzeptionellen Handlungen hypothetischer Art dann als orientierende und nicht als ausführende Handlungen betrachtet werden. 9.2.5 Spezifizieren von Aktivitäten in Hinblick auf die Interaktion im Klassenzimmer Auf einer dritten Ebene der Vorbereitung wird der Blick ganz konkret auf die Durchführung der Unterrichtsstunde und der zuvor ausgewählten und / oder konzipierten Aktivitäten gerichtet (Fokus auf den task as process, s. Fußnote 33). Zentrale ausführende Gesprächshandlungen auf dieser Ebene beziehen sich z.B. auf Überlegungen zu konkreten Handlungen der Lehrperson im Unterricht, vor allem bezüglich des classroom managements (Aufgabenstellung, Einteilung der Schüler/ innen in Gruppen, Umgang mit Materialien). Gesprächshandlungen, die der Vorbereitung von Aufgabenstellungen dienen, nehmen im Umfang innerhalb dieser Planungsebene am meisten Raum ein. Dies betrifft einerseits Überlegungen bezüglich des Präsentierens und Vermittelns von Aufgaben: 741 J ((10s)) Da würde - was denkst denn du - ähm ((2s)), dass wir das auf kleinen Aufgabenzettelchen machen? ((1s)) Dass die das noch mal schriftlich haben? 742 G Hm ̌ . 743 J Ne? Und da kann man ja dann vielleicht noch mal drunter schreiben, so was wie eben hier: "Prepare a/ prepare a dialogue and act it out for the class ähm..." 744 G Hm ̌ . 745 J Und dann irgendwie... Halt dann am Ende, oder • • während man das durchgeht, dann eben sagen, dass es auf Note gemacht wird und dass sie Requisiten mitbringen sollen. 746 G Hm ̌ . 747 J ((2s)) Ich glaube, das ist besser, wenn die das noch mal aufgeschrieben haben. 748 G Hm ̌ . PG1: 741ff., Greta & Jennie Andererseits geht es vielfach um die konkrete Formulierung der Aufgabe in der Zielsprache. 1002 N Hm ̄ . ((10s)) Also ich teil sie in drei Gruppen ein? (Wie) schreib ich das auf Englisch noch mal? "I'm gonna..." 1003 R "I need, I need three groups" (Ja). Nicht „I'm gonna...“ ((lacht)). 309 1004 N ((leicht lachend)) Ja. ((tippt)) "I need three groups". PG5: 1002ff., Nina & Rieke In diesem Fall des PG5 scheint die Vorgehensweise der Studierenden, direkt während des Gesprächs am Computer einen tabellarischen Stundenverlaufsplan zu erstellen, zusätzlich Planungsüberlegungen auf der dritten Ebene anzuregen (s. hierzu auch Kap. 9.2.6). Der so entwickelte Verlaufsplan enthält detaillierte Ausführungen zu Vorgehensweisen und Formulierungen der Lehrperson. Aber auch in den übrigen Gesprächen, in denen nur handschriftliche Notizen angefertigt werden, kommt es zu zahlreichen Gesprächssequenzen, in denen die Formulierung von Aufgabenstellungen vorbereitet wird: 965 A […] Okay. Ach so... Also wir haben ja/ ich hab ja schon gesagt: "Please open" ähm ja/ "[now please open your books] 966 H [Genau, da sind wir ja schon]. 967 A ähm on page 54 [and look at the map]. 968 H [Genau]. 969 A ((schreibt)) "You are on a visit ((1s)) in Mousetown". Holiday kennen sie nämlich noch nicht, hab ich schon nachgeguckt. (Gut) ((unverständlich, 1s)) 970 H Und visit? 971 A Aber visit kennen sie schon aus der Grundschule. ((1s)) Oder aus Lektion drei oder so. 972 H Hm ̌ . 973 A Das Wort kennen die auf jeden Fall. 974 H Okay. 975 A Ja. "You are [on a visit in Mousetown"]. 976 H ((leise)) [visit in Mousetown]. 977 A ((1s)) "You are standing ((2s)) in front of the m/ äh castle". PG8: 965ff., Anja & Heike Weiterhin stehen auf der Planungsebene der Spezifizierung von Aktivitäten Aspekte im Zentrum, wie das Antizipieren von Handlungen der Schüler/ innen, das Einschätzen des zeitlichen Umfangs einzelner Aktivitätsschritte oder das Antizipieren von Problemen und die Suche nach entsprechenden Lösungen. 990 N ((tippt)) "Now we want to have a closer look at the vocabulary of the text". 991 R Genau. Und bei der Einteilung musst du aufpassen ähm mit den Gruppen, dass du mal bei der Fensterreihe anfängst mit Eins, Mitte Zwei und Wandreihe Drei? 992 N Hm ̌ . 993 R Weil ich hab irgendwie das letzte Mal total zufällig immer angefangen zu zählen: Eins Wandreihe, und dann hat die Dings an der/ die/ das Mädchen - weiß nicht mehr wie sie heißt - an der Fensterreihe gesagt: "Jetzt sind wir schon wieder Gruppe Drei/ Nummer Drei". Also irgendwie scheinen die da doch Wert 994 N Hm ̌ . Okay. 995 R drauf zu legen, dass die auch die Eins (sind) ((lacht)). 996 N Ist echt lustig. So kleine Sachen, an die du überhaupt nicht denkst. PG5: 990ff., Nina & Rieke 310 In dieser Gesprächssequenz wird die Formulierung der Aufgabenstellung vorbereitet, indem wörtlich ausformuliert wird, was die Lehrerin sagen könnte (Gs990). Weiterhin besprechen Nina und Rieke ein Detail, das sich auf die Einteilung der Schüler/ innen in drei Gruppen entsprechend ihrer Sitzposition im Klassenzimmer bezieht (Gs991). Die Thematisierung der Gruppeneinteilung wurde vermutlich durch Riekes eigene Erfahrungen in einer ähnlichen Situation im Rahmen der SPS angeregt (Gs993). Wie schon bei der Vorbereitung von Aktivitäten auf den anderen Planungsebenen, zeigt sich auch hier, dass die Handlungen der Studierenden unterschiedlichen Zwecken dienen. Das Aktivieren von Erfahrungswissen wie im obigen Beispiel hat eher orientierenden Charakter, d.h. das Teilen ihrer Erfahrung mit Nina unterstützt Riekes Vorschlag, die Gruppeneinteilung auf eine bestimmte Art zu realisieren. Die Gesprächshandlung in Gs993 benennt einen Bezugspunkt bzw. einen Einflussfaktor auf die Planungsüberlegungen der Studierenden. Demgegenüber sind die übrigen Handlungen im obigen Beispiel ausführender Art, d.h. sie stellen spezifizierende Planungshandlungen im engeren Sinne dar. Das Ziel oder Produkt dieser Handlungen ist ein Aktivitätsgerüst, das konkrete Überlegungen zur Durchführung einer Aktivität im Unterricht und zur Interaktion der Beteiligten enthält. Für die dritte Planungsebene ergeben sich folgende typische Gesprächshandlungen. Handlungen mit ausführender Funktion Handlungen mit orientierender Funktion Vorbereitung von Handlungen der Lehrperson: Aufgabenvermittlung Aufgabenformulierung Einteilung der Schüler/ innen in Gruppen Formulierungen / Gesprächsimpulse Antizipation der Handlungen von Schüler/ innen Einschätzung des zeitlichen Umfangs einzelner Aktivitätsschritte Antizipieren von Problemen bei der Durchführung von Aktivitäten Aktivieren von Erfahrungen aus den SPS-Stunden Aktivieren von Rückmeldungen und Reaktionen von D. oder L. Berücksichtigung des zeitlichen Rahmens der Stunde (45 bzw. 90 Minuten) Tab. 26: Typische Gesprächshandlungen auf der 3. Ebene der Unterrichtsvorbereitung Die Gesprächshandlungen der Studierenden wechseln aus unterschiedlichen Gründen auf die dritte Ebene. Teils schließt sich die Ebene direkt an das Konzipieren von Aktivitäten an. In anderen Fällen, oftmals wenn eine Person der anderen etwas schildert, das bereits vor dem Planungsgespräch vorbereitet wurde (pre-planning, vgl. Abb. 21), kommt es zu direkten Nachfragen oder 311 Hinweisen seitens der Ko-Planenden, die sich auf die Spezifizierung der Aktivität (E3) beziehen. Häufig werden jene Gesprächshandlungen auch angeregt, während gemeinsam darüber nachgedacht wird, wie viel Zeit für eine Aktivität bzw. für alle Aktivitäten eingeplant werden muss. Dies geht oft einher mit einem Rekapitulieren, was bereits geplant wurde: 1153 E […] So, und dann machen wir ne Übung/ • • • gelenkte Übung... 1154 M ((leise)) Genau. ((6s)) So, Karten neu verteilen, Aufgabe klarmachen, das sind schon mal mindestens anderthalb Minuten. Also • weil, auch grade hier wird s lange bis es/ bis es ins Rollen kommt. Also die ersten/ bis du, bis du s ein-, zweimal richtig hinbekommen hast... 1155 E Hm ̌ . 1156 M Ähm, also da würd ich auch einfach mir probieren das Leben leicht zu machen und leistungsstarke Schüler wählen. Also dass sie/ dass die ersten ein, zwei Runden von Schülern gemacht werden, wo du erwarten kannst, dass die • • dass die • das sehr schnell richtig machen. So • • • [Johannes, Ben, und so.] 1157 E [Na hier zum Beispiel bei den ersten] wollt ich äh auf jeden Fall Sebastian mit eine geben, weil/ damit er vorlesen kann einfach, damit er sich einfach äußert, ohne was falsch machen zu können. 1158 M Hm ̌ . PG3: 1153ff., Ellen & Hendrik An die Überlegungen zur Interaktion im Unterricht schließen sich oftmals auch Gesprächshandlungen an, die den Blick über das Planungsgespräch hinaus auf die weitere Vorbereitungstätigkeit richten. Die Studierenden sprechen hier meist über die Materialien, die noch erstellt oder besorgt werden müssen (vgl. Abb. 21). Die ausführenden Handlungen zur Spezifizierung der Interaktion im Klassenzimmer schließen sich dem Konzipieren von Aktivitäten, dem Schildern von vorher Geplantem oder der Auswahl von Aktivitäten an (s. Abb. 21). Wie die Vorbereitung auf der zweiten Ebene sind auch die Gesprächshandlungen auf der dritten Ebene in manchen Fällen hypothetisch und dienen der Suche und Auswahl von Aktivitäten. In manchen Gesprächen kommt es zu umfangreichen Sequenzen, in denen der Blick auf die Unterrichtsinteraktion gerichtet ist (PG5, PG8), in anderen Gesprächen wird die dritte Ebene seltener bedient (PG3) bzw. nur von einer/ einem der beiden Planenden (PG4, PG6). 9.2.6 Unterschiede in der Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen Im Vergleich der Planungsgespräche miteinander ergeben sich die in Abbildung 22 dargestellten Möglichkeiten des Verlaufs der Vorbereitung einzelner Unterrichtsphasen. Unterschiede und Besonderheiten im Ablauf können z.T. 312 auf verschiedene Variablen zurückgeführt werden. Spezifische Verlaufsmerkmale sollen im Folgenden unter Berücksichtigung jener Unterschiede genauer betrachtet werden. 9.2.6.1 Kooperative versus vorstrukturierte Unterrichtsplanung Ein Teil der Planungsgespräche ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterrichtsstunde teilweise schon vor dem Gespräch durch eine/ n der beiden Studierenden vorbereitet wurde (pre-planning Phase, s. Abb. 21). Dies betrifft vor allem die Gespräche 4, 6 und 7. Die Unterrichtenden der Planungsgespräche 2, 3, 5 und 8 haben sich zuvor ebenfalls Gedanken über die von ihnen durchzuführende Unterrichtsstunde gemacht, jedoch sind die Unterrichtskonzepte noch relativ vage. Die Stunde, die im PG1 besprochen wird, wird tatsächlich vorrangig während des dokumentierten Gesprächs vorbereitet. In den durch einen Entwurf vorbereiteten Gesprächen beginnt die Vorbereitung einzelner Phasen meist damit, dass die unterrichtende Person (P1) das zuvor Geplante benennt bzw. schildert (s. Abb. 21): 90 A […] So, das hab ich schon angefangen zu planen, ja? Also da wollte ich halt ähm sagen: "Imagine you visit Greenwich for the first time and you want to go to the Millenium Dome. But you don't know where it is. What can you do? " So. PG8: 90, Anja Anja erläutert hier direkt zu Beginn der Kernphase des Planungsgesprächs ihre Idee von einem Einstieg in die Stunde. Eine gemeinsame Such- und Auswahlphase auf der ersten Ebene wird damit umgangen. Auch auf der zweiten Ebene der Unterrichtsvorbereitung sind die Gesprächshandlungen bei vorstrukturierten Gesprächen deutlich reduzierter (z.B. Teile von PG7), da die gestalterischen Handlungen hier zu einem gewissen Teil bereits stattgefunden haben. Im Gespräch mit der/ dem Ko-Planenden (P2) wird daher zunächst nur über das Geplante berichtet. Diese Schilderung ist quasi der Bericht über die bereits geleistete konzeptionelle Arbeit, die in anderen Gesprächen bzw. Gesprächsphasen während des Planungsprozesses mit der/ dem Ko-Planenden durchgeführt wird. Die Funktion der Gesprächshandlungen verändert sich hier von ausführend bzw. konzipierend hin zu berichtend. Durch den diskursiven Kontext der Vorbereitung werden jedoch die Phasen der Schilderung des zuvor Geplanten irgendwann unterbrochen, wenn z.B. P1 um ein Feedback von P2 bittet, eine Nachfrage durch P2 gestellt wird, etwas entgegnet oder im Gesprächsverlauf eigeninitiativ durch P1 revidiert wird. In der folgenden Gesprächssequenz schildert Philip zunächst, was er sich im Vorfeld über die Gestalt einer bestimmten Aktivität ausgedacht hattte (Gs249), bevor seine Ko-Planerin Linda spezifische Fragen dazu stellt: 313 249 P So, jeder von denen soll sich n Schluss ausdenken. So, soll sich/ so zwei drei Minuten ungefähr, soll sich was ausdenken. Danach ähm wird jeder sein ending vorstellen und dann werden sie sagen: Alles klar, das Ende, dass gefällt mir am besten. So. Sollen sie wie so n bisschen voten, aber innerhalb der Gruppe. Also das werden die, denk ich mal, schon hinkriegen. Und... 250 L Ganz kurz mal: Wie willst du denen die Aufgabe geben? 251 P Auf einem Blatt Papier. 252 L Und wann, bevor oder nachdem du sie in die Gruppen eingeteilt hast? 253 P Na nachdem. Oder zusammen mit der Gruppe. Dass die sich zusammen... "Und Haggis, hier ((gibt jemandem einen imaginären Zettel)) habt ihr eure Aufgabe." Wenn sie noch Fragen haben, können sie mich ja fragen. Ich werde das auf jeden Fall so stellen, dass sie das hinkriegen. 254 L Okay. 255 P So, die anderen kriegen die gleich, also wie gesagt, jeder soll sich nen Schluss ausdenken. Danach voten sie, welches das Beste ist ähm und dann sollen sie zu viert ähm nen Schluss schreiben. Mit der Idee. So. Und das dann halt abgeben, zum Schluss ((schreibt)). So. Das ist für Haggis. 256 L Und ähm, soll jeder den Schluss aufschreiben oder soll nur ein Blatt Papier vorhanden sein? 257 P Es reicht ein Blatt Papier. 258 L Dann hat ihn aber nur einer am Ende. 259 P Hm ̌ , ja stimmt. ((2s)) Das ist n Punkt, auf jeden Fall. PG4: 249ff., Philip & Linda Philip möchte, dass sich die Schüler/ innen einer ausgewählten leistungsstärkeren Gruppe, die den Gruppennamen Haggis trägt, erst individuell ein Ende zu einer zuvor gelesenen Geschichte ausdenken und sich dann in der Gruppe für das beste Ende entscheiden. Linda unterbricht die Schilderung im weiteren Gesprächsverlauf an mehreren Stellen, indem sie z.B. die Aufgabenstellung thematisiert (Gs250 und Gs252) oder nachfragt, ob alle Gruppenmitglieder ein Ende schreiben sollen bzw. ob es eine gruppenteilige Textproduktion werden soll (Gs256). Durch diese Nachfragen und das Einbringen ihres Erfahrungswissens wird hier die Ebene gewechselt (s. Abb. 21). Während Philips Äußerungen bezogen auf den Spezifizierungsgrad von konzeptioneller Art sind, hebt Linda das Gespräch mehrmals auf die dritte Ebene, indem sie vor allem unterrichtsorganisatorische Aspekte anspricht. Die Entwürfe, die mit in die Planungsgespräche eingebracht werden, sind was den Grad der Spezifizierung betrifft, meist auf einem Niveau, das am Ende der ersten oder zweiten Planungsebene zu erwarten ist. Zum Teil sind Aktivitäten zuvor nur bestimmt oder ausgewählt worden (z.B. in PG2), z.T. wurden sie auch schon konkretisiert (z.B. in PG7). Die dritte Ebene findet sich in den Schilderungen kaum wieder, d.h. eine Spezifizierung der einzelnen Aktivitätsschritte in Richtung Unterrichtsdurchführung ist erst Teil der Aushandlung mit der/ dem Ko-Planenden. Die dritte Ebene wird dann häufig durch den Ko- Planer / die Ko-Planerin eingebracht. 314 Betrachtet man nur die Ebene der orientierenden Handlungen, d.h. der Einflussfaktoren auf die einzelnen Planungsentscheidungen, so fällt auf, dass in den Gesprächssequenzen, in denen zuvor Geplantes geschildert wird auch deutlich weniger orientierende Gesprächshandlungen stattfinden. Da ein grobes Konzept des Unterrichtsabschnitts hier bereits vorliegt und somit weniger Planungsentscheidungen im Gespräch gefällt werden müssen, kommt es an diesen Stellen seltener dazu, dass Wissen aktiviert, Erfahrungen ausgetauscht und im Gespräch reflektiert werden. Interessant ist hier das PG7, dem ebenfalls eine schon vorgeplante Unterrichtsstunde zugrunde liegt. In diesem Gespräch werden etwas mehr Einflussfaktoren sichtbar als in den übrigen vorstrukturieren Gesprächen. Dies erklärt sich dadurch, dass in diesem Gespräch Problempunkte erkannt werden, deren Lösung eine Veränderung des vorgefertigten Plans erfordert. Während dieses Lösungsprozesses werden Gesprächshandlungen durchgeführt, die orientierende Funktionen erfüllen: Es wird fachdidaktisches Wissen sowie Erfahrungswissen aus den SPS aktiviert. Außerdem werden die Voraussetzungen der Schüler/ innen und der zeitliche Rahmen der Stunde sowie der bisherige Stundenaufbau berücksichtigt. Diese Befunde weisen darauf hin, dass vorstrukturierte Planungsgespräche tendenziell weniger Orientierungshandlungen aufweisen. Werden jedoch im Gespräch vorgeplante Konzepte hinterfragt und problematische Stellen identifiziert und bearbeitet, werden auch hier intensive Aushandlungsprozesse auf der zweiten und dritten Ebene initiiert. 9.2.6.2 Art der geplanten Aktivität Werden Unterrichtsphasen vorbereitet, in denen die Studierenden Aktivitäten auf der Grundlage des Lehrwerks planen, ist die Suchphase auf der ersten Ebene mitunter sehr kurz. Oftmals umfassen die Vorgaben der Lehrerin bereits, welche Übungen oder Aufgaben umgesetzt werden oder es steht nur eine begrenzte Anzahl an Aktivitäten zur Wahl. Hier kommt es häufig dazu, dass Aktivitäten relativ zügig ausgewählt werden, ohne dass Argumente gesammelt, weitere Vorschläge unterbreitet und Alternativen entwickelt werden. 1042 G […] Machen wir die Nummer zwei auch noch? 1043 J ((2s)) Hm ̄ , die finde ich irgendwie doof. 1044 G Okay. 1045 J Also nicht so ganz passend. Ich hatte gerade überlegt, ob wir vielleicht die ((2s)) vier noch mal machen? 1046 G ((2s)) Ja, mit dem Vergleichen, ne? 1047 J Genau, weil halt, wenn die dann sagen... 1048 G Das später, ja. [Okay]. 1049 J [Genau]. 1050 G So okay dann... 315 1051 J Halt so was wie: "Ich..." Keine Ahnung. "Das ist langweiliger als das andere, [deswegen]..." 1052 G [Ja, oder "das] gefällt mir, also, das ist zu..." 1053 J "Na, das ist zu groß. Das ist zu klein. Das ist zu teuer" oder so was halt, ne? Vielleicht ist das noch mal ganz gut? PG1: 1042ff., Greta & Jennie Auf der Ebene der Konzipierung von Aktivitäten sowie auf der dritten Ebene der Spezifizierung zeigt sich, dass einfache Übungen, die aus dem Lehrwerk entnommen werden, selten umfassend diskutiert werden. So wird mitunter weder darüber gesprochen, wie bei der Aufgabenstellung oder bei der Kontrolle der Ergebnisse vorzugehen sei, noch wird thematisiert, wie bzw. welche Medien dabei verwendet werden könnten. Es wird auch kaum antizipiert, wie die Schüler/ innen die Aufgabe möglicherweise lösen würden. Im oben dargestellten Beispiel aus PG1 spezifizieren Greta und Jennie die Übungsphasen auch im weiteren Verlauf nicht näher. Ähnliches gilt für eine Übung aus dem Arbeitsheft, die in PG3 besprochen wird oder die Übung einer grammatischen Struktur, die einer Schulgrammatik entnommen wurde, in PG7. Ein Grund dafür, dass die Verwendung von Lehrwerksübungen nicht weiter präzisiert wird, könnte darin liegen, dass die Studierenden mit dem Aktivitätsgroßmuster „eine Übung aus dem Lehrwerk durchführen“ so vertraut sind, dass eine Spezifizierung nicht nötig ist (vgl. die von Kolbe 1998 beschriebenen Abkürzungen, die erfahrene Lehrende bei der Unterrichtsvorbereitung nutzen, s. Kap. 9.2.1). Andererseits liegt die Schlussfolgerung nahe, dass den Studierenden die Auswahl der Aktivität als ausreichend erscheint und ihnen weitere Präzisierungen aufgrund ihrer geringen unterrichtspraktischen Erfahrungen nicht in den Sinn kommen. Hier wäre ein Vergleich mit weiter fortgeschrittenen Novizen wie z.B. Referendarinnen und Referendaren interessant, um zu erfassen, ob mit zunehmender Unterrichtserfahrung auch der Blick auf mögliche Planungsaspekte und Spezifizierungsmöglichkeiten bei der Planung von Übungen und Aufgaben zunächst erweitert wird oder ob der Weg direkt zu abgekürzten Formen der Vorbereitung führt. Bei der Vorbereitung von Unterrichtsphasen, die durch das Lehrwerk angeregt, aber in der Durchführung deutlich komplexer, freier und weniger durch das Lehrwerk vorstrukturiert sind, finden sich hingegen ausgedehnte konzeptionelle Phasen. So werden z.B. in den Planungsgesprächen 1 und 8 Aufgaben geplant, in denen die Schüler/ innen Dialoge zu einem bestimmten Thema erarbeiten sollen (ein Einkaufsdialog und eine Wegbeschreibung). Die Suchphase ist hier relativ kurz, da die Idee für die Aktivitäten „Erarbeiten eines Dialogs“ bzw. „Durchführung eines Rollenspiels“ von den Vorgaben der Lehrerin abgeleitet und aus den Lehrwerken übernommen wurde. Die Konzeptionsphase (Ebene 2) gestaltet sich jedoch als sehr komplex, was vermuten lässt, 316 dass die Aktivitätsgroßmuster der Studierenden, die diesen Aktivitäten zugrunde liegen, noch wenig ausdifferenziert sind. Es wird viel Zeit dafür verwendet, die Aufgaben angemessenen zu kontextualisieren und einen task as workplan zu erstellen. Im Vergleich zu einfach strukturierten Lehrwerksaufgaben ist den Studierenden hier bewusst, dass weitere Planungsschritte der Präzisierung nötig sind. 9.2.6.3 Das Anfertigen von Notizen / Verlaufsplänen während des Planungsgesprächs In einigen Gesprächen ist die Aufmerksamkeit der Planenden neben der Erstellung eines (mentalen) Stundenkonzepts auch auf das Anfertigen einer Verlaufsskizze gerichtet, die im Rahmen der SPS erstellt werden muss. Der Stundenentwurf in tabellarischer Form wird der Dozentin i.d.R. vor der Durchführung der Unterrichtsstunde zugeschickt und für alle an den SPS Teilnehmenden direkt zum Unterricht mitgebracht. Interessant ist hier das PG5, in dem Nina direkt während des Planungsgesprächs am Laptop eine Verlaufsskizze erstellt. In den übrigen Gesprächen werden handschriftliche Notizen angefertigt, die mehr oder weniger ausführlich sind. In PG5 und z.T. auch in anderen Gesprächen finden sich daher zahlreiche Gesprächshandlungen, die sich auf die Erstellung dieser Verlaufsskizze beziehen. Das Ausfüllen der Verlaufstabelle in PG5 ist stark verknüpft mit weiteren Handlungen, die sich meist auf der dritten Ebene der Spezifizierung bewegen. So wird bei jedem neuen Eintrag auch gleichzeitig über die Zeit nachgedacht, die für eine Unterrichtsphase eingeplant wird. Außerdem wird ausformuliert, was die Lehrperson ganz konkret in der Zielsprache sagen wird. Diese Handlungen entsprechen den Anforderungen, die an die Studierenden in Bezug auf die Verlaufsskizze gestellt wurden. Es kommt jedoch auch zu weiteren Überlegungen, die sich direkt an das Ausfüllen der Tabelle anschließen und z.T. vermutlich dadurch angeregt werden: 535 N Hm ̄ . ((2s)) ((leise)) Okay. ((tippt)) Also “Lehrer: What can you see in the pictures? ". Und dann hatte ich überlegt, frag ich noch ähm so als pre, pre-listening activity ähm: "What do you think the text might be about? " Oder: "What do you think the text is about? " 536 R ((2s)) Hm ̄ . • • • Wenn sie die Bilder hier so sehen: Kennen die sights? Kennen die das Wort? Nee. 537 N ((2s)) Ah ja, stimmt. ((3s)) Aber die können ja vielleicht sagen: "It, it tells you something about Greenwich". 538 R Greenwich. Hm ̌ . 539 N Oder so. ((1s)) Ist jetzt nicht die Superfrage, aber... ((lacht leicht)) ((tippt, 7s)) "What do you think the text is about? " ((9s)) Äh ((tippt)) "Schüler antworten". Und was, wenn keiner was sagt? Sag ich dann einfach: "Okay, then..." 540 R Hmhm ̀ . Kannst du nicht. Dann musst du nachfragen: "Is it about...? " Keine Ahnung, hm ̄ ... 317 541 N "Is it about ähm Mousetown? " 542 R Ja. PG5: 535ff., Nina & Rieke Die Überlegungen der Studierenden sind hier stark auf die Interaktion im Klassenzimmer (Ebene 3, s. Abb. 21) gerichtet. Neben der Formulierung der Fragen durch die Lehrperson (Gs535), geht es hier um das Antizipieren von Antworten durch die Schüler/ innen unter Berücksichtigung ihrer Voraussetzungen (Gs536-538). Das Nachdenken über die Fragen der Lehrperson führt dazu, dass Probleme antizipiert werden (Gs439) und nach einer Lösung gesucht wird (Gs540-542). Auch in anderen Gesprächen, in denen ausführlichere handschriftliche Notizen angefertigt werden, lässt sich eine stärkere Fokussierung von Aspekten auf der dritten Ebene beobachten (PG1, PG4, PG8). In den Gesprächen 3 und 6, in denen die jeweils Unterrichtenden weniger Wert auf eine ausführliche Verschriftlichung ihrer Gedanken legen, zeigt sich auch, dass deutlich weniger detaillierte Überlegungen angestellt werden. Neben den Überlegungen auf der dritten Ebene, die durch das Mitschreiben der Gedanken und Entscheidungen vermutlich zusätzlich angeregt werden, kommt es durch den Blick auf den zu erstellenden Verlaufsplan auch dazu, dass die übrigen Spalten des Planungsrasters diskutiert werden: 88 N Das ist ja dann nicht ein Punkt wie "Einstieg ins Thema", sondern einfach nur "Kontrolle der Hausaufgabe". 89 R Hm ̄ , ((unverständlich, 1s)) oder so, ne? 90 N Und danach... 91 R "Wiederholung" vielleicht. Isses, ja. Haben ja geschrieben. 92 N ((tippt)) "Wiederholung und Kontrolle der Hausaufgabe". 93 R Hm ̌ . 94 N Oder ((tippt)) "Wiederholung Schrägstrich Kontrolle der Hausaufgabe". PG5: 88ff., Nina & Rieke Nina und Rieke überlegen hier gemeinsam, wie die Spalte Didaktische Funktion bzw. Phase in Bezug auf die Kontrolle der Hausaufgaben auszufüllen sei. Dabei machen sie sich bewusst, dass die gestellten Hausaufgaben der Wiederholung sprachlicher Mittel dienen. Durch das Ausfüllen des Planungsrasters in PG5 werden z.T. somit auch die Funktionen der einzelnen Aktivitätsschritte reflektiert. Es lassen sich jedoch anhand der erhobenen Daten (in nur einem Planungsgespräch wurde direkt während des Planens ein Verlaufsplan erstellt) keine generellen Aussagen darüber treffen, welche reflexiven Prozesse durch die Arbeit mit einem Planungsraster angeregt werden. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Spezifizierung zunimmt, wenn die Studierenden den Verlaufsplan auch während des Gesprächs im Kopf haben. In der vorliegenden Untersuchung wurde in 7 von 8 Fällen der Verlaufsplan erst nach dem Gespräch erstellt wurde. Die Option, sofort einen Plan zu erarbeiten wurde daher kaum 318 genutzt. An einigen Stellen wird auch direkt verbalisiert, dass der Plan dann später, allein zuhause erstellt wird: 1026 H Na, machen wir mal schnell. ((1s)) Zeit, • • activity, didactic function können wir ja gleich mitmachen. 1027 E Ach du musst mir das jetzt nicht aufschreiben, das mach ich zu Hause. 1028 H Ach so. 1029 E Hendrik! Du bist co-teacher, übertreib s mal nicht. ((2s)) 1030 H Hm ̄ , naja, aber ich mein, wenn wir jetzt sowieso drüber reden, ist vielleicht für dich ganz cool, wenn du s dir aufschreibst. Dann musste dann zuhause das dir nicht alles noch mal überlegen. Oder • meinst du, du merkst s dir? 1031 E Ich schreib das dann spontan zu Hause in meine • Tabelle da. Wenn ich das… Das fällt mir eh erst dann ein, wenn ich die Tabelle male. PG3: 1026ff., Hendrik & Ellen Während Hendrik Ellen seine Unterstützung anbietet, möchte Ellen lieber zügig im Gespräch vorankommen. Sie bevorzugt, einige Aspekte der Stunde eigenständig weiterzudenken und hat bereits zusätzliche Planungszeit für sich allein eingeplant. 9.2.7 Zusammenfassung und Diskussion der Befunde Die Vorbereitung von Unterricht im Rahmen von Planungsgesprächen ist ein Prozess, der sich als schrittweise Ausdifferenzierung und Spezifizierung einzelner Unterrichtsphasen durch die Auswahl, das Konzipieren sowie Spezifizieren von Aktivitäten beschreiben lässt. Die Auseinandersetzung mit Unterrichtsaktivitäten vollzieht sich auf ein bis drei Ebenen der Detailliertheit. Auf einem noch sehr allgemeinen Niveau werden Aktivitäten bestimmt, diese werden auf einer weiteren Stufe konzipiert bzw. konkretisiert und in einem dritten Schritt in Hinblick auf die Umsetzung im Unterricht spezifiziert. Damit konnte die Unterteilung, die Broeckmans (1986) für länger andauernde Prozesse der individuellen Unterrichtsvorbereitung herausstellte, auch für den Kontext der hier untersuchten Planungsgespräche bestätigt werden. Über diese Erkenntnisse hinausgehend konnte aus den Gesprächsdaten rekonstruiert werden, wie die Studierenden bei der Planung einzelner Unterrichtsaktivitäten konkret vorgehen, welche der drei Handlungsebenen beachtet und welche Teilhandlungen dabei im Speziellen durchgeführt werden. Die Unterteilung in ausführende und orientierende Handlungen ermöglicht eine Systematisierung darüber, welche Handlungen Studierende einerseits durchführen, wenn es heißt, dass sie Unterricht planen sowie wodurch diese Handlungen andererseits beeinflusst werden. Die ausführenden Handlungen geben darüber Auskunft, was die Studierenden während einzelner Planungsphasen und auf den drei Ebenen der Spezifizierung tun und liefern damit konkrete Einblicke in die Vorgehensweise der 319 Studierenden bei der kooperativen Vorbereitung von Unterricht. Während Planungsmodelle meist nur Planungsfelder oder -aufgaben auf einem relativ allgemeinen Niveau beschreiben (Bedingungsanalyse, Inhalts- und Zielbestimmung, Entscheidungen bezüglich Methoden, Sozialformen, Medien) konnte hier detaillierter skizziert werden, welche Handlungsschritte bei der Vorbereitung von Englischunterricht vollzogen werden. Die Unterscheidung in Ebenen der Spezifizierung hebt hervor, dass sich die Studierenden der Planung in unterschiedlicher Detailliertheit widmen. Forschungsergebnisse, wie z.B. aus der Studie von Seel (1996), die herausstellen, dass Studierende die Feinplanung von Unterricht weitestgehend vernachlässigen, können daher aufgrund der vorliegende Befunde nicht bestätigt werden (Seel 1996: 248). Die Gesprächshandlungen zur Vorbereitung einzelner Aktivitätsschritte auf der Mikroebene der Umsetzung im Unterricht (Ebene 3) können im hier untersuchten Kontext als fortgeschrittene Planungshandlungen betrachtet werden, wenn man davon ausgeht, dass erst aus der Unterrichtserfahrung heraus ein Bewusstsein erwächst, diese Planungsebene überhaupt zu bedenken und die Antizipation der Interaktionsprozesse im Unterricht ein gewisses Maß an Erfahrungswissen voraussetzt. Die ausführenden Handlungen auf allen Ebenen zeigen außerdem sehr deutlich, dass die einzelnen Komponenten der Planung, wie sie von Planungsmodellen empfohlen werden, sehr stark aufeinander bezogen sind und keineswegs in linearer Abfolge thematisiert werden. Selbst jene Aspekte wie die Analyse von Bedingungen und Voraussetzungen und das Bestimmen von Zielen, sind keine vorgeschalteten Planungsschritte, vielmehr verschmelzen alle Planungsfelder miteinander, wenn einzelne Unterrichtaktivitäten vorbereitet werden. Das Erfassen orientierender Gesprächshandlungen während der Vorbereitungstätigkeit ermöglicht Aussagen über Faktoren oder Orientierungen, die die Unterrichtsplanung der Studierenden beeinflussen und bestimmen. Vergleicht man die orientierenden Gesprächshandlungen der hier untersuchten Forschungspartner/ innen mit Forschungsergebnissen und Planungshinweisen aus der Literatur, so wird deutlich, welche Faktoren vermehrt bzw. kaum berücksichtigt werden. In einer Studie von Young et al. (1998), in der die Vorbereitungstätigkeit erfahrener Lehrender untersucht wurde, konnten sechs Faktoren ermittelt werden, die ihrer Aussage nach ihre Unterrichtsplanung beeinflussen: The planning factor categories were: (a) student characteristics, needs, and reactions; (b) school calendar and/ or class schedule; (c) subject matter and theme; (d) previous teaching experience; (e) availability and quality of materials; (f) school, district, and state guidelines/ standards; (g) textbooks and teacher guides; and (h) student achievement and progress. (Young et al. 1998: 69f.) 320 Im Vergleich zu diesen Befunden zeigt sich, dass die Studierenden während der Planungsgespräche keine Bezüge zur Schuljahresplanung (b) oder zu Lehrplänen bzw. Bildungsstandards (f) herstellten. Ebenfalls kann nicht von einer Orientierung an zuvor gesetzten Unterrichtszielen ausgegangen werden, die jedoch auch von den erfahrenen Lehrpersonen in der Studie von Young et al. (1998) nicht berücksichtigt wurden. Eine Orientierung am Stundenthema und an den Unterrichtsinhalten (c), an der Verfügbarkeit und Qualität von Materialien (e) und an den Fortschritten der Lernenden (h) konnte in den Daten beobachtet werden, jedoch in geringerem Umfang. Von hoher Bedeutung für die Novizen sind die Voraussetzungen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Schüler/ innen (a), die vorherigen Unterrichtserfahrungen (d) sowie das Lehrbuch und das Lehrerhandbuch (g) - Faktoren, die auch Experten in ihre Planungsüberlegungen einbeziehen. Ein Aspekt, der in der Studie von Young et al. (1998) nicht explizit aufgeführt wurde, in den Planungsgesprächen aber durchaus zum Ausdruck kam, ist das fachdidaktische, fachliche und pädagogische Wissen der angehenden Lehrenden, das ebenfalls als Einflussfaktor wirkte. Die Tatsache, dass dieses Wissen von den Expertinnen und Experten in den durchgeführten Interviews nicht direkt benannt wurde, könnte daran liegen, dass es aufgrund von Routinenbildung nicht verbalisierbar war bzw. nicht verbalisiert werden musste. Die Gesprächsdaten zeigen, dass das Lehrwerk, das Erfahrungswissen der Studierenden sowie die verschiedenen unterrichtspraktischen Erfahrungen im Rahmen der SPS insgesamt große Einflussgrößen auf die Vorbereitungstätigkeit der Studierenden darstellen. Da fast alle Unterrichtsstunden in irgendeiner Form auf Material aus dem Lehrwerk zurückgreifen, bildet dieser Aspekt einen wichtigen Bezugspunkt. Das Wissen, das stärker aus dem institutionellen Kontext der universitären Lehrer/ innenausbildung erwachsen ist, wird in den Gesprächen oft thematisiert, wenn Aktivitäten bestimmt, konzipiert und gestaltet werden. Außerdem wird häufig auf persönliche Erfahrungen aus dem Unterricht, auf Beobachtungen der Fachlehrerin in den Hospitationsstunden und auf die Rückmeldungen der Dozentin, Lehrerin oder der Mitstudierenden während der Vor- und Nachgespräche der Unterrichtsstunden Bezug genommen. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Klasse oder mit einzelnen Schüler/ innen reflektieren die Studierenden die Voraussetzungen der Lernenden, ihre bisherigen Verhaltensweisen und antizipieren dadurch, wie sie im Unterricht handeln könnten. Betrachtet man die Bedeutung der orientierenden Handlungen auf den drei Ebenen der Vorbereitung, so zeigt sich, dass die Phase des Suchens (Ebene 1) vor allem durch Gesprächshandlungen bestimmt ist, in denen das Lehrwerk analysiert und Wissen über das Aktivitätsmuster aufgerufen wird, und die sich mit den Voraussetzungen der Schüler/ innen sowie mit den Vorgaben und der 321 Arbeit der Lehrerin beschäftigen. Auf der zweiten Ebene wird vielfach auf Erfahrungen bezüglich der Voraussetzungen der Schüler/ innen sowie auf fachdidaktisches Wissen hinsichtlich der Aktivitätsgroßmuster zurückgegriffen. Außerdem werden häufiger als auf der ersten Ebene Erfahrungen aus den SPS aktiviert. Dieses aktive Auseinandersetzen mit den eigenen unterrichtspraktischen Erfahrungen sowie mit den Rückmeldungen der an den SPS Beteiligten nimmt sukzessive zu. Je spezifischer die Planung wird und der Blick sich zunehmend auf die Durchführung des Unterrichts richtet, desto häufiger werden jene Erfahrungen mit in den Planungsprozess eingebracht. Auf der dritten Ebene sind die Entscheidungsprozesse der Studierenden daher vor allem durch ihre unterrichtspraktischen Erfahrungen beeinflusst. Werden die Befunde vor dem Hintergrund des Kontexts der SPS interpretiert, lassen sich Gründe für die Beachtung bzw. Nicht-Beachtung einzelner Faktoren finden. Die Rahmenbedingungen erlauben in den meisten der hier untersuchten Fälle nur eine kurzfristige Unterrichtsplanung von Woche zu Woche, die Unterrichtsinhalte und -themen sind weitestgehend vorgegeben. Lehrpläne oder Stoffverteilungspläne finden daher kaum Beachtung. Die starke Orientierung am Lehrwerk und an den Vorgaben der Lehrerin ersetzt hier die Bezugnahme auf übergreifende Richtlinien oder selbst formulierte Ziele. Auch das Verknüpfen vorangegangener oder folgender Stunden mit dem zu planenden Unterricht ist erschwert, da die Abfolge der Unterrichtsstunden durch den Unterricht der Lehrerin in der Klasse unterbrochen wird. Die zunehmende Berücksichtigung von SPS-Erfahrungen auf der dritten Ebene gegenüber dem verstärkten Rückgriff auf theoretische Wissensbestände auf der ersten und zweiten Ebene zeigt, dass die Studierenden durchaus auf Seminarinhalte zurückgreifen, wenn Aktivitäten bestimmt oder konzipiert werden, dass die Interaktion im Unterricht jedoch sehr stark vor dem Hintergrund unterrichtspraktischer Erfahrungen durchdacht und antizipiert wird. Das Wissen über die Umsetzung von Aktivitätsschritten im Unterricht (Ebene 3) erwächst folglich erst aus den Erfahrungen im Tagespraktikum. Die orientierenden Gesprächshandlungen der Studierenden markieren jene Momente im Planungsprozess, in denen vielfältige Wissensbereiche aktiviert werden, Wissen ausgehandelt und im Austausch mit einer zweiten Person reflektiert wird. Sie bieten damit die Gelegenheit zur eigenen professionellen Weiterentwicklung und tragen in einem weiteren Sinne zur Professionalisierung der Studierenden bei. In einem zweiten Analyseschritt des Vergleichs der Planungsgespräche miteinander konnten Unterschiede in der Abfolge und Intensität der Überlegungen auf den einzelnen Ebenen ermittelt werden, die Rückschlüsse auf den Einfluss verschiedener kontextueller Faktoren zulassen. Zusammenfassend 322 lässt sich hier skizzieren, welche Bedingungen für kollaborative Planungsgespräche von Vorteil sind. Wurde das Planungsgespräch von einer Person bereits im Vorfeld vorgeplant, so zeigt sich eine weniger stark ausgeprägte Phase der gemeinsamen Suche und Auswahl (Ebene 1) sowie des Konzipierens von Aktivitäten (Ebene 2) (PG4 und 6). Es kommt daher auch seltener zu orientierenden Handlungen, es sei denn, das Planungsgespräch beinhaltet Phasen, in denen Probleme erkannt und eine Lösungssuche vollzogen wird (PG7). Aufgrund eines geringeren Aushandlungsbedarfs führt die vorherige Vorbereitung durch eine Person jedoch zu kürzeren Planungsgesprächen. Inwiefern die Qualität des Endproduktes von der Frage beeinflusst wird, ob die Stunde vorgeplant wurde oder nicht, lässt sich im Rahmen dieser Studie nicht beantworten. Hier müssten weitere Variablen untersucht werden, wie z.B. die individuellen Voraussetzungen der Studierenden, die Inhalte der zu planenden Stunden oder die Art des zuvor erstellten Unterrichtsentwurfs, die in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht im Fokus standen. Die Vorbereitung von Unterricht in Form eines Planungsgesprächs ist insbesondere von Vorteil, wenn es um die Spezifizierung von Aktivitäten auf der dritten Ebene geht, die häufig durch die ko-planende Person angeregt wird. Der Austausch mit einem/ einer Ko-Planenden trägt dazu bei, die Planung zu konkretisieren. Des Weiteren konnte beobachtet werden, dass auch das Anfertigen von Notizen oftmals mit weiteren Spezifizierungen einhergeht, wie z.B. die Formulierung einer Aufgabenstellung oder die Gestaltung von Übergängen. Das Erstellen eines tabellarischen Verlaufsplans, während oder nach dem Gespräch, kann daher als zuträglich erachtet werden, wenn es darum geht, die dritte Ebene der Vorbereitung mitzudenken. Aus den Erkenntnissen über ausführende und orientierende Handlungen auf den drei Ebenen der Detailliertheit sowie den Befunden zu kontextbezogenen Faktoren (kollaborativ versus zuvor geplant, Anfertigen von Notizen etc.) können Planungshilfen abgeleitet werden, die den natürlichen Denk- und Handlungsprozessen der Studierenden beim Planen Rechnung tragen. Diese müssten mit Forschungsergebnissen und Planungshinweisen aus der Literatur abgeglichen und um wichtige, aber wenig beachtete Aspekte ergänzt werden. Auf diese Weise können Handlungsempfehlungen für die Unterrichtsvorbereitung im Rahmen der Ausbildung gegeben werden, die Studierende zum einen beim Vorbereiten erster Unterrichtsstunden unterstützen und zum anderen Prozesse der Reflexion und des Lernens aus Erfahrung anregen. Implikationen dieser Art werden weiter in Kapitel 11 ausgeführt und diskutiert. 323 10 Kooperatives Planen und situiertes Lernen Die Analyse der Daten aus den retrospektiven Befragungen, die im Anschluss an das Laute Erinnern geführt wurden, zeigen durchgehend, dass die Studierenden die Zusammenarbeit mit einem Partner / einer Partnerin als wertvoll und gewinnbringend einschätzen. Im Folgenden soll durch die Ergebnisse der an rekonstruktiv-hermeneutische Verfahren angelehnten Analyse der Gesprächsdaten sowie der Daten des Lauten Erinnerns und der daran anschließenden Befragung gezeigt werden, welche Spezifika der Unterrichtsvorbereitung sich durch die Zusammenarbeit der Studierenden ergeben. Die Auswertung der Daten ergab drei zentrale Bereiche, auf die sich die Kooperation der Studierenden auswirkte: Diese Auswirkungen zeigten sich vor allem in Hinblick auf die Vorbereitung der Unterrichtstunde und die Entwicklung eines Planungsprodukts (Kap. 10.1), auf Prozesse der gemeinsamen Konstruktion von professionellem Lehrerwissen (Kap. 10.2) sowie auf die Gelegenheit, sich innerhalb der community of practice zu verorten (Kap. 10.3). Diesen einzelnen Bereichen wird im Folgenden unter Berücksichtigung einer etischen wie auch einer emischen Perspektive nachgegangen. Die Gliederung der Ergebnisdarstellung erfolgt thematisch, d.h. die verschiedenen Datenarten werden in Verschränkung miteinander präsentiert. Es wird meist zunächst von den Gesprächsdaten ausgegangen, in denen ich als Forscherin im Versuch der Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen eine Außenperspektive einnehme. Ergänzt wird diese Sicht durch die Innenperspektive der Forschungspartner/ innen. Während in der hier gewählten Darstellungsform verschiedene Datensätze in triangulierender Weise zusammengeführt werden, erfolgte die Auswertung der Daten zunächst getrennt voneinander. Die Gesprächsdaten wurden in einem ersten Schritt in Anlehnung an gesprächsanalytische Verfahren sequentiell ausgewertet, ohne den z.T. vorgreifenden Blick der Forschungspartner/ innen mit einzubeziehen. Erst in einem nächsten Schritt wurden die introspektiven Daten 1 auf ergänzende Einblicke bezüglich des jeweiligen thematischen Schwerpunkts hin untersucht (vgl. Kap. 6.6.5). 1 Hinweise zur Darstellung der Daten (s. auch Kap. 6.6.1): LE-Daten werden kursiv und von spitzen Klammern begrenzt dargestellt. Die Sprechenden werden durch ein tiefgestelltes LE markiert. Die Stelle, an der das Gespräch retrospektiv unterbrochen wurde, um es zu kommentieren bzw. eine Erinnerung zu äußern, wird folgendermaßen gekennzeichnet: <XY LE: Nummer des Gesprächsschritts >. Die Daten aus der nachträglichen Befragung, 324 10.1 Das gemeinsame Entwerfen eines Plans: Potentiale und Probleme Die in der vorliegenden Studie untersuchten Planungsgespräche dienen aus der Perspektive der Studierenden primär der Erstellung eines Unterrichtsentwurfs für eine im Anschluss durchzuführende Unterrichtsstunde im Fach Englisch. Dieses Ziel wird, wie in der in Kapitel 9 dargestellten Analyse deutlich wurde, über verschiedene Gesprächsphasen hinweg (Kap. 9.1) und auf verschiedenen Ebenen der Detailliertheit (Kap. 9.2) verfolgt. An dieser Stelle soll nun der Frage nachgegangen werden, wie die Studierenden dieses vordergründige Handlungsziel gemeinsam verfolgen: Wie kommt es gerade durch die Möglichkeit des Austauschs mit einem/ einer Ko-Planenden dazu, dass Ideen generiert, Erkenntnisse gewonnen, Planungsentscheidungen getroffen und Pläne verifiziert oder verändert werden? Die Analyse der Daten konnte zeigen, dass das gemeinsame Planen im Gespräch mit deutlichen Vorteilen verbunden ist: So werden Planungsprozesse durch die Kollaboration mit einer zweiten Person sowie durch beratende Gesprächshandlungen des/ der Ko-Planenden unterstützt und intensiviert (Kap. 10.1.1). Pläne werden durch eine Vielzahl verschiedener Planungshandlungen erweitert, modifiziert und präzisiert, wie z.B. durch die Möglichkeit, Gedanken zum Ausdruck zu bringen, sich Situationen bildlich vorzustellen und das Geplante noch einmal zu rekapitulieren. Es wurde jedoch auch deutlich, dass Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Vorbereitung von Unterricht entstehen können, wenn es z.B. zu Missverständnissen kommt oder die Bereitschaft ausbleibt, den komplexen Aufbau einer Unterrichtsstunde nachzuvollziehen. Die Analyse einzelner Sequenzen sowie der Vergleich verschiedener Gesprächssequenzen miteinander (zum Sampling und der weiteren methodischen Vorgehensweise s. Kap. 6.6.5), erlaubten das Herausstellen von Gesprächsmustern (10.1.1.) sowie zentraler interaktiver Planungshandlungen (Kap. 10.1.2), die im Folgenden unter Rückgriff auf Schlüsselsequenzen untersucht und interpretiert werden. 10.1.1 Kollaborative und beratende Gesprächsmuster Die Analyse der interaktiven sowie der retrospektiven Daten ergab, dass die Studierenden in zahlreichen Gesprächssequenzen kollaborativ an der Erstellung eines Unterrichtsentwurfs arbeiteten. Mit dem Begriff der Kollaboration die sich an das Laute Erinnern anschloss, werden in gleicher Weise darstellt und mit einem tiefgestellten B gekennzeichnet (z. B. H B = Befragung von Heike). 325 wird hier an Studien angeknüpft, die damit kooperative Arbeitsprozesse bezeichnen, in denen alle Beteiligten gleichermaßen zur Lösung einer Aufgabe beitragen, d.h. als gleichberechtigte Partner/ innen agieren und gleichermaßen aktiv involviert sind (vgl. Arnold 2003; Bornemann 2012; Feick in Vorb.; Naujok 2000; Stadermann 2011; Storch 2002a). Dies zeigt sich u.a. durch eine ähnliche Anzahl an Vorschlägen, durch deren gleichwertiges In-Betracht-Ziehen und durch eine Sprache, die eher die Wirals die Ich-Form enthält (vgl. hierzu Storch 2002a, 2001). Planungsgespräche mit ausgedehnten kollaborativen Phasen sind z.B. PG1 und PG5. In Anlehnung an Naujok (2000, 2011), die Gruppenarbeitsprozesse in der Wochenplanarbeit untersuchte, kann der Kooperationstyp der Kollaboration auch durch drei Charakteristika beschrieben werden: Die Beteiligten arbeiten an der gleichen Aufgabe, d.h. die Aufmerksamkeit ist auf denselben Gegenstand gerichtet, sie bringen ähnlich starke Voraussetzungen ein und sie interagieren mit starker Intensität, d.h. sie nehmen stark aufeinander Bezug (vgl. Naujok 2011: 40). Die Interaktion weist hier Merkmale auf, die auch als exploratory talk bezeichnet werden können. Mercer und Kollegen (Dawes et al. 1992; Mercer 2004) ermittelten bei der Analyse von Gesprächen zwischen Kindern bei der Arbeit mit Computern drei Formen des Diskurses. Neben disputational und cumulative talk schätzten sie den exploratory talk als educationally most relevant ein. Er wird als Gesprächsform bezeichnet: [...] in which partners engage critically but constructively with each other's ideas. Statements and suggestions are offered for joint consideration. These may be challenged and counter-challenged, but challenges are justified and alternative hypotheses are offered. Partners all actively participate and opinions are sought and considered before decisions are jointly made. (Mercer 2004: 146) Neben kollaborativen Phasen der Unterrichtsvorbereitung werden im Datenmaterial zahlreiche Sequenzen sichtbar, in denen eine der beiden Personen eine beratende bzw. unterstützende Rolle einnimmt. In den meisten Fällen ist dies kontextbedingt der/ die Ko-Planende. In den Gesprächsphasen, die ein solches Interaktionsmuster aufweisen, stehen die Gesprächshandlungen und Ideen der unterrichtenden Person (P1) stärker im Vordergrund. Die/ der Ko-Planende (P2) nimmt eine unterstützende Rolle ein, indem sie/ er z.B. Ideen hinterfragt (Kap. 10.1.2.4), auf zusätzliche Aspekte hinweist und Vorschläge macht (Kap. 10.1.2.3) oder als ein Gegenüber agiert, der P1 bestätigt und ihr/ ihm emotionale Unterstützung bietet (Kap. 10.1.2.5). Die im Folgenden dargestellten Gesprächshandlungen konnten als typische Planungstätigkeiten der Studierenden während der gemeinsamen Vorbereitung von Unterricht herausgearbeitet werden. Die Art der Zusammenarbeit ist dabei teils kollaborativ, teils beratend. Zahlreiche Planungshandlungen sind als 326 förderlich zu betrachten, da sie die Planung voranbringen, sie konkretisieren oder verbessern. Einige Handlungen der Studierenden können hingegen als wenig zuträglich eingeschätzt werden, wenn z.B. Entscheidungen vorschnell getroffen werden (Kap. 10.1.2.2) oder Unterstützung durch den Partner / die Partnerin ausbleibt (10.1.2.9). 10.1.2 Typische interaktive Planungshandlungen 10.1.2.1 Kollaborative Aushandlungsprozesse Anhand einer Gesprächssequenz aus PG1 wird nachfolgend analysiert, wodurch Prozesse der kollaborativen Zusammenarbeit in Planungsgesprächen gekennzeichnet sind. Greta und Jennie planen eine Doppelstunde, in der die Schüler/ innen der 6. Klasse einen Einkaufsdialog erarbeiten sollen. An dieser Stelle sprechen sie darüber, in welchen situativen Kontext der Dialog einzubetten wäre: 380 G […] ((3s)) Ähm so, shopping Christmas, da ist jetzt nur die Frage, ((2s)) bieten wir denen verschiedene Situationen an? ((schaut Jennie an, 3s)) Weil shopping Christmas finde ich jetzt wieder... Ich glaube, das ist zu... 381 J ((leise)) Christmas shopping! 382 G Ja, ist ja egal. Ähm dass es zu weitgefasst ist. 383 J Naja, dann, dann musst du halt... Also, entweder du gibst (drei) Rahmen vor, oder du machst genauso ne Aufgabe wie hier, dass du halt sagst, ähm du möchtest, du möchtest ein Weihnachtsgeschenk kaufen für deine Mama - oder was weiß ich für deine Eltern und du bist im Laden bei ((1s)) was weiß ich wo? 384 G Hm ̄ . 385 J Wo s halt alles gibt möglichst, ne? 386 G Na, oder... Ich meine, ich würde das schon mit einbetten, diese Diskussion vorher. Und dann kann man das als Abschluss... Können die ja sagen, wir gehen das jetzt kaufen. Aber ich würde diese Diskussion, das: Stell dir vor, du diskutierst das mit deiner Freundin oder mit deinen Geschwistern... 387 J Aber da/ dann (hat) das wieder nichts mit dem Geld zu tun. Die sind in der sechsten Klasse. Die können nicht (schon) innerhalb eines Dialoges zu wechseln zwischen Freunde unterhalten sich und äh [Verkaufspartner] 388 G [Das kann man denen vorgeben] 389 J Und... 390 G Nee, du kannst ja sagen: Stell dir folgende Situation vor: Du bist mit ner Freundin im Einkaufszentrum... 391 J Ja. 392 G Oder mit/ mit deinem Schwester, Bruder whatever 393 J Ja. 394 G Und ihr sucht was/ ein Geschenk für eure, für eure Mutter aus oder für eure Eltern oder... Und, und am Ende müsst ihr euch auf eins einigen oder eben auch nicht und eventuell das halt kaufen. 327 395 J Nee, das würd ich nicht machen. 396 G Nee? 397 J Dann würd ich lieber so was machen, wie, dass du dich halt bereits mit der Verkäuferin... Weißt du, du, du bist halt planlos und weißt nicht, was du zu Weihnachten kaufen sollst und gehst zu ner Verkäuferin und die soll dir helfen. Und die macht dir dann halt verschiedene Vorschläge. Du sagst: „Hm ̄ , vielleicht wär das was, aber meine Mama mag eigentlich keine Schokolade,“ was weiß ich, so was zum [Beispiel, weißt du? ] 398 G [Okay. Hmhm ̌ . Hmhm ̌ ] 399 J Weil ich glaube, das ist eher das, worauf sie hinauswollte. Weil wenn sie sagt, sie will, dass die mit Geld und Verkaufsgespräch und so... Ich glaube dann ist das eher so das... 400 G Hm ̌ . [Okay]. <I/ G LE: 401-402 > PG1: 380ff., Greta & Jennie Gretas erste Äußerung in dieser Gesprächssequenz zielt darauf, das nun folgende Gesprächsthema festzulegen. Mit Ähm so, shopping Christmas (Gs380) legt Greta fest, dass die Dialogsituation in das Thema Weihnachtseinkäufe eingebettet wird. Sie wirft die Option auf, drei verschiedene Situationen zu konzipieren und damit das Thema weiter einzugrenzen. Jennie ist zunächst durch Gretas Verwendung der englischen Bezeichnung shopping Christmas (Gs380) irritiert und korrigiert sie auf der sprachlichen Ebene durch die Äußerung Christmas shopping! (Gs381). Im folgenden Gesprächsschritt wirft Jennie zwei Möglichkeiten auf (drei Rahmen vorgeben oder eine Aufgabe konzipieren, die der Lehrbuchaufgabe ähnelt), wobei nicht ersichtlich wird, worin der Unterschied zwischen den Möglichkeiten besteht. Eine Aufgabe, die der Lehrbuchaufgabe ähnelt, wird von Jennie dann in Form einer möglichen Situationsbeschreibung ausdifferenziert: Die Schüler/ innen sollen sich vorstellen, in ein Geschäft zu gehen und ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Greta entgegnet, dass sie ein Gespräch zwischen Freunden oder Geschwistern darüber, was man denn schenken könnte, in die Situationsbeschreibung mit einbinden würde (Gs386). Jennie ist hier anderer Meinung. Sie merkt an, dass dies zwei Gespräche zur Folge hätte (Beratschlagen, was man schenken könnte und ein Gespräch mit einer Verkäuferin / einem Verkäufer), und es für die Schüler/ innen der 6. Klasse zu schwierig wäre, von einer Art Gespräch in das nächste zu wechseln (Die können nicht (schon) innerhalb eines Dialoges wechseln zwischen Freunde unterhalten sich und äh Verkaufspartner…/ / Gs387). Greta führt an, dass man eine bestimmte Situation ja vorgeben könnte. Die Schüler/ innen würden dann aufgefordert werden, sich diese Situation vorzustellen, die Greta im Folgenden weiter entfaltet (mit einer Freundin / einer Schwester / einem Bruder im Einkaufszentrum sein, gemeinsam ein Geschenk suchen, eins auswählen und dann kaufen, Gs388-394). Jennie äußert in Gs395 noch einmal, dass sie es so nicht machen würde und schlägt vor, nur ein Gespräch mit einer Verkäuferin führen zu lassen. Während sie zuvor argumentierte, dass zwei Situationen 328 in einem Gespräch die Schüler/ innen überfordern würde, führt sie nun an, dass die Lehrerin der Klasse vermutlich ein Beratungs- und Verkaufsgespräch im Sinn hatte und aus diesem Grund das Beratschlagen nicht passen würde (Weil ich glaube, das ist eher das, worauf sie hinauswollte. Weil wenn sie sagt, sie will, dass die mit Geld und Verkaufsgespräch und so.../ / Gs404). Nach mehreren Sprecherwechseln, in denen beide Studierenden Vorschläge äußern, stimmt Greta Jennies Vorschlag in Gs407 zu. Diese Entscheidung scheint, wie auch aus dem Lauten Erinnern hervorgeht, auch von Greta mitgetragen zu werden: 401 I LE <Was denken Sie über die andere Idee? Fanden sie Ihre besser? 402 G LE <Nö, weil es war ja von mir zum Beispiel so laut gedacht, also da war ich halt schon so/ nicht so wirklich plan… Und also in der Situation z.B. ist halt gut, dass man jemand zweites hat, weil ich wär dann vielleicht letztendlich irgendwann, wo ich dann auch gemerkt hätte, ähm, das es wirklich n bisschen schwer ist. Das kommt auch zum Ende hin, wo es dann so richtig Klick bei mir macht: So, das ist wirklich ungünstig, was ich mir erst gedacht hatte. Und von daher bin ich da einfach… Nö, nicht so.> PG1/ LE: 401f., Greta Jennies Argumente sind aus Gretas Sicht nachvollziehbar. Letztlich scheint es für die gemeinsame Entscheidung jedoch vor allem von Bedeutung zu sein, dass Jennie und Greta glauben, die Lehrerin hätte eine solche Einkaufssituation im Kopf gehabt, als sie die Vorgaben für die zu unterrichtende Stunde gemacht hat (Weil ich glaube, das ist eher das, worauf sie hinauswollte/ / Gs399). Die Vorgaben der Lehrerin wirken als gewichtiges Argument, welches über der Tatsache steht, dass es inhaltlich zu einem Bruch zwischen den Unterrichtsabschnitten des Übens und Anwendens der Redemittel kommt, wenn auf das Gespräch mit einem Freund verzichtet wird. In der Übung, die dieser Aufgabe vorangeht, sollte mit den Schüler/ innen geübt werden, wie man einen Freund / eine Freundin bei Auswahl eines Geschenkes beraten kann (s. Anhang 6.1, S.39/ 18). Die Interaktionsdaten zeigen hier ein weitestgehend kollaboratives Vorgehen bei der Unterrichtsplanung. Es geht weniger darum, der Partnerin durchdachte Vorschläge zu unterbreiten, als vielmehr im Prozess des Darüber- Sprechens Ideen zu entfalten. So deuten z.B. Äußerungen mit Denkpausen und fragender Intonation (und du bist im Laden bei ((1s)) was weiß ich wo? / / Gs383) oder leichte Sprünge in der Argumentation (entweder du gibst (drei) Rahmen vor, oder du machst genauso ne Aufgabe wie hier/ / Gs383) darauf hin, dass Gedanken im Gesprächsverlauf entwickelt werden. Denkprozesse werden mit der Partnerin geteilt, indem Fragen an sie gerichtet werden (da ist jetzt nur die Frage, ((2s)) bieten wir denen verschiedene Situationen an? ((schaut Jennie an, 3s))/ / Gs380). Solche Fragen sind eher eine Einladung zum gemeinsamen Nachdenken, als eine Bitte um die klare Beantwortung der Frage. Das kollaborative 329 Vorgehen der beiden Studierenden führt hier dazu, dass im Diskurs Ideen entwickelt, mehrere Versionen besprochen und verschiedene Argumente vorgebracht werden. Dabei sind beide Studierenden gleichermaßen aktiv, beide bringen sich in die Lösung der Planungsaufgabe ein, das Interaktionsverhalten ist überwiegend symmetrisch, d.h. die Voraussetzungen, die beide in die Gesprächssequenz einbringen, unterscheiden sich kaum (als Ausnahme können hier die Gesprächsschritte 380-383 gesehen werden). Da beide an der Durchführung der Doppelstunde beteiligt sein werden und auch nicht von einem Wissens- oder Erfahrungsvorsprung durch eine der Studentinnen auszugehen ist, zeigt sich hier eine nicht-hierarchische Gesprächskonstellation. Im Rahmen schulpraktischer Studien kann dieses kollaborative Konstruieren eines Unterrichtsentwurfs als Potential gewertet werden, da beide Partner/ innen die Gelegenheit haben, sich ungehemmt zu äußern und Gedanken im Gespräch zu entwickeln. Damit verbundene positive Auswirkungen beziehen sich außerdem darauf, dass die Studierenden in den Aushandlungsprozessen ihre individuellen Ressourcen einbringen und zusammenführen, Vorschläge kritisch und konstruktiv bearbeiten, Erklärungen erfragen und liefern und dadurch gemeinschaftlich Wissen generieren können. 10.1.2.2 Voreilig Entscheidungen treffen Neben den Vorteilen, die mit der kollaborativen Zusammenarbeit einhergehen, zeigt sich in den Daten auch das Phänomen, dass durch den Austausch mit dem/ der Ko-Planenden Entscheidungen an einigen Stellen getroffen werden, ohne dass die Thematik zuvor umfassend reflektiert wurde. Es stellt sich hier die Frage, ob eine direkte Zustimmung der zweiten Person dazu führt, mit einer ersten Idee vorschnell zufrieden zu sein. In PG1 tauschen sich Greta und Jennie z.B. darüber aus, wie sie die Übungen im Lehrbuch in ihre Doppelstunde integrieren. 1211 G […] ((G macht Notizen, 2s)) Dialog. ((2s)) Und da würd ich halt schon auch mit Folie wieder machen, die Folie übersetzt haben, in der richtigen Reihenfolge. • • • Ja. 1212 J Hm ̌ ((nickt)). 1213 ((G und J machen sich jeweils Notizen, 5s)). 1214 G Okay. ((1s)) Also machen wir fünfzehn Minuten Übersetzen, fünf Minuten Sprechen. 1215 J [Hm ̄ ]. 1216 G [(Muss ich] ja) dann so... 1217 J Hm ̌ ((schreibt)). 1218 G ((schreibt, 2s)) Also, Vergleichen sozusagen. ((spricht überbetont)) Ergebnissicherung. 1219 J Ach so, da ist ja jetzt wieder die Frage... ((2s)) Ja, stimmt, also lassen wir s nicht vormachen, ne? Sondern nur vorlesen, • • • nur übersetzen. ((2s)) Weil hier ist ja die Aufgabe: "Act it out for the class". 330 1220 G ((2s)) Kommen aber auch wieder nur zwei dran und dann schalten die anderen wieder vielleicht ab. [Und]... 1221 J [Hm ̌ . Eben.] Deswegen, ich find das nämlich auch doof. ((1s)) Also einfach nur mit der Folie vergleichen. 1222 G Ich denke auch. PG1: 1211ff., Greta & Jennie Es geht hier um die Übung 18b im Lehrbuch English G21/ A2 (s. Anhang 6.1). Schon in den Gesprächssequenzen zuvor wurde im Zusammenhang mit dieser Aktivität von „Übersetzen“ gesprochen. Die Übung wird hier von den Studierenden so verstanden, dass die Schüler/ innen die im flowchart aufgeführten Sätze Schritt für Schritt ins Englische übersetzen sollen. Greta schlägt in Gs1211 vor, eine Übersetzung vorzubereiten und diese auf Folie zu drucken. Jennie stimmt dem zu (Gs1212). Für das Übersetzen der Sätze wird den Schüler/ innen 15 Minuten Zeit gegeben, dann bleiben noch 5 Minuten für das Sprechen (Gs1214). Greta denkt dabei an das Vergleichen der Sätze im Plenum, indem vermutlich einzelne Schüler/ innen einzelne Sätze vorlesen und diese dann mit den Sätzen der Lehrerin auf der Folie abgeglichen werden. Greta spricht hier vom Vergleich der Ergebnisse, von Ergebnissicherung (Gs1218), worauf Jennie die Frage stellt, ob die Ergebnisse nur vorgelesen werden (Ja, stimmt, also lassen wir s nicht vormachen, ne? Sondern nur vorlesen, • • • nur übersetzen/ / Gs1219). Gretas Verwendung des Begriffs Ergebnissicherung regt Jennie vermutlich dazu an, ihre Vorstellung von dem Konzept Ergebnissicherung zu aktivieren, die mit bestimmten Abläufen verbunden sind (die Schüler/ innen nennen, was sie erarbeitet haben, die Lehrerin schätzt das Ergebnis ein und korrigiert gegebenenfalls, eine korrekte Version wird allen Lernenden visuell präsentiert). Jennies Äußerung Ach so, da ist ja jetzt wieder die Frage... ((2s)) (Gs1219) drückt vermutlich ihre Überlegung aus, ob die aktivierten Abläufe so in die Stunde integriert werden sollten. Mit dem folgenden Ja, stimmt (Gs1219) scheint sie sich schon dafür entschieden zu haben, jenem Verlauf folgen zu wollen. Die anschließende Frage suggeriert demnach schon, wie Jennie sich den Vergleich vorstellt: also lassen wir s nicht vormachen, ne? Eine kurze Irritation entsteht durch die Aufgabenstellung im Buch (Weil hier ist ja die Aufgabe: "Act it out for the class"/ / Gs1219). Da aber auch Greta ein Vorspielen nicht für sinnvoll erachtet (Kommen aber auch wieder nur zwei dran und dann schalten die anderen wieder vielleicht ab/ / Gs1220), einigen sich beide schnell, bei der Kontrolle ohne Vortragen mit Abgleich auf der Folie zu bleiben (Also einfach nur mit der Folie vergleichen/ / Gs1221). Vermutlich haben beide Planenden in diesem Moment ein ähnliches Verständnis von Unterrichtsabschnitten, die auf eine solche Aufgabenbearbeitung folgen. Die Aufgabe im Lehrbuch erfüllt hier jedoch eigentlich den Zweck, die Schüler/ innen durch die Sätze im Flowchart dabei zu unterstützen, die zuvor erarbeiteten Redemittel (Übung 18a) in einer relativ 331 freien Sprachproduktion, evtl. unterstützt durch das Anfertigen einiger Notizen (prepare a dialogue), anzuwenden. Das Vorspielen ist dabei ein zentraler Punkt, der jedoch von Greta und Jennie zugunsten einer übersichtlichen Überprüfung (in der richtigen Reihenfolge/ / Gs1211; nur vorlesen/ / Gs1219), einer gut kontrollierbaren Unterrichtssituation (dann schalten die anderen wieder vielleicht ab/ / Gs1220) und der Fokussierung auf sprachliche Richtigkeit (nur übersetzen/ / Gs1219; mit der Folie vergleichen/ / Gs1221) nicht beachtet wird. Ihrer Ansicht nach wird das etwas freiere Sprechen dann im folgenden Schritt, bei der Erarbeitung eines Dialoges, geübt, wobei gerade das Sprechen dadurch nicht trainiert wird, da die Schüler/ innen Sätze aufschreiben und den Dialog zu Hause auswendig lernen sollen. Das Konzipieren dieses Unterrichtsabschnitts ist deutlich durch das Erfahrungswissen der Studierenden bestimmt, das hier bei beiden ähnlich ausgeprägt und vermutlich durch eigene Schulerfahrungen geprägt ist. Die Verwendung des Fachbegriffs (Ergebnissicherung) könnte auch darauf hindeuten, dass die Studierenden an Wissen anknüpfen, das auf ersten eigenen Unterrichtserfahrungen basiert. Möglicherweise ist das Verfahren, Arbeitsergebnisse mit einer vorbereiteten Folie zu kontrollieren, so schon erfolgreich durchgeführt oder beobachtet worden und wurde deshalb episodisch gespeichert. Da die Studierenden hier auf eine ähnliche Wissensbasis zurückgreifen und keine Mediation von außen erfolgt, wird die kurze Irritation, die es aufgrund der Aufgabenstellung im Lehrbuch gibt, nicht weiter verfolgt. Da sich beide Studierenden in ihrer Vorstellung gegenseitig bekräftigen, kommt es zu jener Entscheidung, die hinter den Möglichkeiten bleibt, die das Lehrbuch offeriert. 10.1.2.3 Hinweise geben und Vorschläge machen Insgesamt zeigt sich in den Gesprächsdaten, dass vor allem die Ko-Planenden in ihrer beratenden Rolle häufig Hinweise geben oder Vorschläge unterbreiten, die dann zu einer Präzisierung oder Veränderung des Plans führen. In der folgenden Sequenz weist Rieke als Ko-Planerin Nina auf verschiedene unterrichtspraktische Aspekte hin, die zur weiteren Ausgestaltung des Unterrichtsabschnittes beitragen: 1386 N ((schreibt)) "I need seven pupils. Who wants to read? Who wants to read= 1387 R =Willst du die wirklich vorher einteilen, ja ne? 1388 N the in..." Ja. "Introduction". 1389 R Da musst du dir aber auch in deinem Lehrerbuch dazuschreiben, welcher was lesen soll. Falls die das vergessen. Hatten wir ja bei Spanisch. Wenn das zu viele sind, 1390 N Hm ̌ . 1391 R dass die dann nicht mehr wissen, welchen Part sie haben. • • • Dass du dann hier reinschreibst, wen du eingeteilt hast, [sonst]... 1392 N [Hm ̌ ]. Stimmt. 332 1393 R Bei so vielen... 1394 N Oder lasse ich die dann • • einfach nach und nach...? 1395 R Ich würd das schon [einteilen]. 1396 N [Einteilen] ist besser. Das denke ich auch. Weil dann geht das ein bisschen schneller voran [hoffentlich]? 1397 R [Auf der] anderen Seite • • haben wir ja gehabt ähm in Didaktik - dass, wenn die das schon wissen, wann sie dran sind, sich nur auf ihren konzentrieren und, und dann [abschalten]. 1398 N [Jaa, stimmt]. 1399 R Und vielleicht auch wissen "Oh, ich bin jetzt [nicht dran, ich les nicht gerne]... 1400 N [Stimmt, okay! Ja]. Nee! "Who wants read? " [Dann sag ich einfach nur: "Who wants to]... 1401 R [Sag einfach nur: "I need seven] pupils" und dann zack 1402 N Okay. 1403 R "Karla [please start]". 1404 N ["Who wants...? "] "Who wants to read the introduction? " Da wird sich bestimmt jemand melden. PG5: 1386, Nina & Rieke In dieser Sequenz geht es darum, die Schüler/ innen aufzufordern, einen Lehrbuchtext, der in mehrere kleinere Texte unterteilt ist (s. Kap. 7.5), laut vorzulesen. Nina formuliert die Aufgabenstellung aus. Rieke fragt in Gs1387 nach, ob die Schüler/ innen, die vorlesen werden, vor dem Beginn des Lesens ausgewählt werden, was Nina bejaht. Rieke weist anschließend darauf hin, dass Nina sich in diesem Fall die Namen der ausgewählten Schüler/ innen notieren sollte, weil dies sonst vergessen werden kann (Gs1389-1393). Nina stimmt dem zu und nimmt den Hinweis auf. Sie wirft anschließend die Möglichkeit auf, die Lernenden nach und nach einzuteilen (Gs1394). Rieke findet die erste Variante jedoch besser und Nina stimmt ihr diesbezüglich wieder zu und fügt an, dass sie sich erhofft, es könne dadurch schneller gehen. Das Aufwerfen dieser zweiten Option führt vermutlich dazu, dass sich Rieke an ein fachdidaktisches Seminar erinnert, in dem auf das Problem hingewiesen wurde, dass die übrigen Schüler/ innen dann nicht mehr mitlesen würden (Gs1397). Auch Nina scheint sich daran zu erinnern oder den Hinweis als wichtig zu werten, denn in Gs1400 stimmt sie Rieke mit Nachdruck zu und ändert ihren Plan infolgedessen. Die Sequenz weist mehrere Stellen auf, in denen Rieke als beratende Person agiert. Sie stellt (suggestive) Fragen (Willst du die wirklich vorher einteilen, ja ne? / / Gs1387), gibt Hinweise (Da musst du dir aber auch in deinem Lehrerbuch dazuschreiben, welcher was lesen soll./ / Gs1389), teilt auf Nachfrage ihre Meinung mit (N: Oder lasse ich die dann • • einfach nach und nach...? R: Ich würd das schon einteilen./ / Gs1394/ 5), wirft eine weitere zu bedenkende Perspektive auf (Auf der anderen Seite • • haben wir ja gehabt ähm in Didaktik - dass, wenn die das schon wissen, wann sie dran sind, sich nur auf ihren konzentrieren und, und dann abschalten./ / Gs1397) und macht einen Vorschlag (Sag einfach nur: "I need seven pupils"/ / Gs1401). Aus Ninas Perspektive bietet Rieke einen zweiten 333 Blick auf ihre Ideen. Während sie selbst hier zunächst vor allem die Formulierung der Aufforderung zum Lesen zum Ziel hatte, ergeben sich im Gesprächsverlauf weitere Impulse, die sie annimmt und den Plan dadurch modifiziert. Interessant ist auch Ninas Sicht auf das Planen zu zweit, die sich im nachträglichen Interview zeigt: 1527 N B <[...] Also ich hab das Gefühl, wenn es nicht meine Stunde ist, dann hab ich mehr Ideen, als wenn es meine Stunde ist. Also dann hab ich nicht so n Druck, und dann kann ich irgendwie freier denken und dann sprudelt es schon relativ, aber wenn ich jetzt allein, äh meine eigene Stunde plane, dann ist es immer erst mal so: Oh Gott! Dass da schon langsam so die Aufregung da ist. […].> PG5/ B: 1527, Nina Ninas Handlungen in der weiter oben dargestellten Gesprächssequenz sind in ihrer Zurückhaltung vor dem Hintergrund dieser Äußerung als Zeichen von Nervosität und Handlungsdruck zu verstehen. Tatsächlich nimmt Nina im Vergleich zu Rieke eine passivere Haltung ein, wobei Entscheidungen letztlich von ihr getroffen werden. Der Austausch mit Rieke kann als deutliche Bereicherung des Planungsprozesses betrachtet werden. Typische Gesprächshandlungen, die von der ko-planenden Person ausgehen, konnten hier sehr gut gezeigt werden. Die einzelnen Hinweise, Vorschläge, Nachfragen etc. sind insgesamt auf verschiedene Planungsaspekte bezogen (Mitbedenken der Voraussetzungen der Schüler/ innen, Fragen nach dem angemessenen Einsatz von Medien, Hinweise zum classroom management) und weisen auf unterschiedliche Möglichkeiten der Orientierung hin (Orientierung an den Unterrichtserfahrungen aus den vorherigen SPS-Stunden, den Rückmeldungen von Experten, dem Wissen aus Lehrveranstaltungen, etc.). Aushandlungsprozesse, die durch den Ko-Planer / die Ko-Planerin bereichert werden, beschäftigen sich oftmals auch mit fachlichen Fragen bezüglich des Unterrichtsinhalts (Wann kommt es zur Rückverschiebung der Zeitform bei der indirekten Rede? ) oder mit Fragen zur sprachlichen Realisierung von Äußerungen der Lehrperson (“What can you see in the pictures or on the pictures? ˮ ). Häufig sind die Rückmeldungen oder Ratschläge der Ko-Planenden sehr konkret und direkt auf die Durchführung einzelner Unterrichtsabschnitte gerichtet: 535 N Hm ̄ . ((2s)) ((leise)) Okay. Also Lehrer: "What can you see in the pictures? " Und dann hatte ich überlegt, frag ich noch ähm so als pre, pre listening activity ähm: "What do you think the text might be about? " Oder: "What do you think the text is about? ". 536 R ((2s)) Hm ̄ . • • • Wenn sie die Bilder hier so sehen. Kennen die sights? Kennen die das Wort? Nee. 537 N ((2s)) Ah ja, stimmt. ((3s)) Aber die können ja vielleicht sagen: "It, it tells you something about [Greenwich".] 538 R [Greenwich.] Hm ̌ . PG5: 535ff., Nina & Rieke 334 Hier scheint sich Ninas Aussage zu bestätigen, dass Rieke an dieser Stelle - befreit vom Druck des Selbst-Unterrichten-Müssens - die Kapazität hat, sich diesen Detailfragen zu widmen. Nina ist hier in Gs535 mit der wörtlichen Formulierung ihrer Frage beschäftigt, d.h. der Blick richtet sich sehr stark auf die eigene Lehrtätigkeit, auf das eigene spätere Handeln im Unterricht. Rieke bringt in Gs536 die Perspektive der Schüler/ innen mit ein. Während Nina über ihre Formulierung nachdenkt, stellt sich Rieke vermutlich vor, wie der Unterrichtsabschnitt ablaufen könnte, wie die Schüler/ innen reagieren, was sie antworten könnten, wobei ihr mit Blick auf die Bilder im Lehrbuch auffällt, dass die dort abgebildeten Sehenswürdigkeiten von den Schüler/ innen noch nicht auf Englisch benannt werden können. Ihr Blick ist dabei nicht, wie der von Nina, vordergründig auf die Lehrperson gerichtet, sondern auf die gesamte Unterrichtssituation gelenkt. Folgende Auflistung von Aussagen bzw. Fragen von Rieke verdeutlichen die Perspektive, die an verschiedenen Stellen im Gesprächsverlauf durch die Ko-Planerin eingebracht werden: 580 R Ah ja, genau. • • • Aber das wirst du auf alle Fälle rückkoppeln müssen. 585 R Wann willst du das sagen: "Let's see, if you are right"? 625 R Die listening-Aufgabe wirst du in der Pause anschreiben müssen, oder? 637 R Hm ̄ . ((3s)) Aber du musst auf alle Fälle rückkoppeln. (Also) das denke ich, wird schwierig zu verstehen. 991 R Genau. Und bei der Einteilung musst du aufpassen, ähm mit den Gruppen, dass du mal bei der Fensterreihe anfängst mit Eins, Mitte Zwei und Wandreihe Drei. 1186 R Und • • dann während die das machen, gibst du denen die Liste aus, drehst die rum, dass die nicht drauf gucken. Hat bei mir auch geklappt PG5, Rieke 10.1.2.4 Ideen hinterfragen Im Folgenden soll anhand einer Gesprächssequenz aus PG8 genauer analysiert werden, wie die Ideen der Unterrichtenden durch Nachfragen der Ko-Planerin reflektiert und modifiziert wurden. 180 E Ähm, denkst du, also wenn du die Sätze noch mal verwendest… ((Clara zeigt mit Stift auf eine Kopie)) Nee, jetzt erst mal noch... 181 C Ach so, die anderen. 182 E die Sätze, die an der Tafel hängen. Zuerst formen die die um, äh, ohne backshift, ne? Ganz am Anfang der Stunde und dann lässt du sie die noch mal umformen mit backshift. Meinst du, dass die das raffen? Das man das einfach so mit dem gleichen Satz einfach einmal so und einmal so machen kann? <C LE: 183 > 184 C Ich hoffe! ((4s)) Weil wenn sie das nicht raffen, dann raffen sie ja gar nichts davon. [((lacht))] 335 185 E [((lacht))] Ich weiß nicht, ob das so ist. Aber wenn, wenn das die gleichen Sätze sind... 186 C Man könnte halt dann sagen, ((3s)) ähm: „Ja erinnert euch doch mal, was hat sie euch denn am Anfang der Stunde gesagt, dann ist... Oder was hat Maria oder... - Maria gibt’s wahrscheinlich nicht in der Klasse was hat sie denn am Anfang der Stunde gesagt? “ Dann ist das ja eigentlich... 187 E Dann bist du ja schon im [past] 188 C [klar, dass] das im past ist. 189 E Ja. Ja, gut musste dann halt irgendwie so • • • zärtlich drauf hinweisen. 190 C Genau. 191 E Dass das jetzt das neue Thema ist und nicht mehr das alte ((lacht)). 192 C Ja, • • ja. ((3s)) PG7: 180ff., Clara & Ellen Clara hatte Ellen zuvor ihren ersten groben Unterrichtsentwurf geschildert, den sie vor dem Planungsgespräch konzipiert hatte. Sie möchte zu Beginn der Stunde die indirekte Rede im Präsens anhand von einigen Beispielsätzen wiederholen, die Rückverschiebung mit den Schüler/ innen erarbeiten und dann die zu Beginn verwendeten Sätze nochmals umformen lassen. In dieser Gesprächssequenz wirft Ellen nun die Frage auf, ob es die Schüler/ innen eventuell verwirrend finden könnten, die Sätze in direkter Rede (z.B. Ben: „I do judo“), die zu Stundenbeginn ohne backshift of tenses umgeformt wurden (Ben says he does judo), dann am Ende noch einmal mit zeitlicher Rückverschiebung umgeformt werden (Ben said that he did judo). Ellens Frage berührt hier einen zentralen Aspekt in Bezug auf den Umgang mit Grammatik im Englischunterricht (Meinst du, dass die das raffen? Das man das einfach so mit dem gleichen Satz einfach einmal so und einmal so machen kann? / / Gs182): Letztlich geht es hier um eine adäquate Kontextualisierung der Struktur, um deren Bedeutung und Funktion zu verdeutlichen, auch wenn dies aus Ellens Äußerung nicht so deutlich hervorgeht. Clara verbalisiert im Lauten Erinnern ihre Schwierigkeit, Ellens Aussage zu verstehen: 183 C LE <Also da hab ich einfach ihr Problem nicht verstanden glaub ich, ähm oder ich wusste halt nicht so richtig, was sie meint, weil ich dachte, ich sag einfach: „Formt das jetzt mit backshift um.“ Dann müssen die das halt mit backshift umformen. Also, das ist ja/ • • • ich mein, das... muss ja nicht unbedingt in nem logischen Zusammenhang stehen. Aber ich glaub, ich hab mir dann sogar noch einen aus den Fingern gesaugt.> PG7/ LE: 183, Clara Clara hat vor allem die richtige formale Bildung der Struktur im Blick (zeitliche Rückverschiebung der Verbform), der Kontext spielt hier für sie eine untergeordnete Rolle. Trotz Ellens vager Formulierung deutet Clara Ellens Hinweis richtig und entwirft spontan eine Möglichkeit, zumindest einen Minimalkontext für die Bildung der neuen Sätze zu schaffen ("Ja erinnert euch doch mal, 336 was hat sie denn am Anfang der Stunde gesagt? "/ / Gs186). Die Schüler/ innen sollen gefragt werden, was Maria denn zu Beginn der Stunde gesagt hat, wodurch automatisch eine zeitliche Rückverschiebung hergestellt wird (z.B. Maria said she did judo). Gedanken mit gestalterischem Charakter gehen in dieser Gesprächssequenz von Clara aus. Sie wird die Stunde durchführen und fühlt sich daher auch dafür verantwortlich. Ellen stellt hier als Ko-Planerin eine Nachfrage, die sich auf Claras Unterrichtskonzept bezieht, was zur Folge hat, dass der Plan leicht modifiziert bzw. um eine geeignete Überleitung erweitert wird. 10.1.2.5 Emotionale Unterstützung: Sich rückversichern und Bestätigung erfahren Die Planung und Durchführung erster Unterrichtsstunden ist für viele Studierende mit viel Anstrengung, Anspannung und Nervosität verbunden. Das Planungsgespräch bietet daher die Möglichkeit, die Probleme, die mit dieser Situation verbunden sind, zu teilen und dadurch ein Gefühl größerer Sicherheit zu entwickeln. Die Gesprächsdaten zeigen, dass die Unterrichtenden durch positive und bestätigende Rückmeldungen der Ko-Planenden Bedenken beseitigen können, ihre Planungsentwürfe eine erste wichtige Wertschätzung erfahren und sie sich dadurch gestärkter, motivierter und zuversichtlicher den weiteren Planungsschritten bis hin zur Unterrichtsdurchführung widmen können. Im folgenden Gesprächsausschnitt aus PG7 und den Kommentierungen von Clara im Lauten Erinnern wird deutlich, dass Clara z.B. sehr froh darüber ist, als Ellen eine Idee bestätigt, die Clara selbst schon hatte, aber nicht aussprechen wollte: 363 C ((3s)) Die stehen dann da, ich muss mir das... Die stehen halt vorne an der Tafel. 364 E Die stehen vermutlich nicht an der Tafel, die stehen vermutlich überall. 365 C Überall. Eben, so 5er und 4er Gruppen, aber dann müssen wir ja erst mal diese ganzen Teile... Die müssen ja schon vor an die Tafel kommen, um das da halt anzuheften. 366 E Ja, das stimmt. 367 C Und dann stehen sie halt vorne, und dann könnt ich, könnt ich schon, denen die Flashcards geben irgendwie, und dann müssen sie s halt einfach weitergeben. Aber dann stehen die dann halt alle rum, [ich weiß nicht ob das was bringt] 368 E [Hm ̌ , ist auch blöd, wenn sie da rumstehen.] <C LE: 369 > ((4s)) Na gut, wenn sie nach vorne kommen und ihre Zeitform dann erst mal ranhängen, dann ist ja/ hat ja die Übung auf jeden Fall erst mal n Abschluss. 370 C Ja. 371 E Wenn sie sich dann wieder hinsetzen. <C LE: 372 > 373 C Ja, das stimmt. PG7: 363ff., Clara & Ellen 337 Clara und Ellen planen hier, wie ein Unterrichtsabschnitt gestaltet werden kann, in dem die Schüler/ innen die englischen Zeitformen durch das Zuordnen von Karten wiederholen könnten. Alle Schüler/ innen erhalten eine Karte, die entweder einen Satz oder die Bezeichnung einer Zeitform enthält, und müssen sich daraufhin im Klassenraum bewegen, um Personen mit einer passenden Karte zu finden. Es stellt sich für die Studierenden nun die Frage, wie diese Übung zum Abschluss gebracht bzw. ob direkt zum nächsten Schritt übergeleitet werden kann. Clara stellt fest, dass die Schüler/ innen auf alle Fälle nach vorn kommen müssen (Die müssen ja schon vor an die Tafel kommen, um das da halt anzuheften/ / Gs365) und zieht in Erwägung, gleich die folgende Übung, in denen auch mit Satzkarten gearbeitet wird, anzuschließen (dann könnt ich schon, denen die Flashcards geben/ / Gs367). Insgesamt ist Clara jedoch unzufrieden mit dieser Variante. Im Lauten Erinnern äußert sie dazu folgendes: 369 C LE <Ja, die Idee gefällt mir, glaub ich/ also, die gefällt mir nicht, oder ich denke in dem Moment, dass mir die Idee nicht gefällt ähm, weil ich mir denke, dass das im Chaos enden wird und dass das viel zu laut wird und dass das nicht geht.> PG7/ LE: 369, Clara Ellen plädiert anschließend dafür, dass die Übung mit dem Anheften der Karten auch einfach beendet werden könnte und die Schüler/ innen sich erst einmal wieder setzen (dann ist ja/ hat ja die Übung auf jeden Fall erst mal n Abschluss/ / Gs368). Clara stimmt Ellen hier sofort zu (ja; ja, das stimmt/ / Gs370- 373) und ist, wie die LE-Daten zeigen, darüber regelrecht erleichtert: 372 C LE <Da war ich sehr froh, dass sie das so sagt ähm und dass das in ihren Augen also... Ich hab mir das schon irgendwie so halb gedacht: Könnten wir die Übung nicht einfach damit • • zu Ende lassen? Oder es wär halt das Einfachste. Und als sie das dann gesagt hat, dass die Übung ja damit eigentlich auch n Abschluss hat, war ich sehr froh, dass sie das gesagt hat, weil • • ähm ich mich das gar nicht getraut hab zu sagen: Reicht das jetzt nicht als Abschluss? Weil mir das irgendwie zu profan vorkam da in dem Moment.> PG7/ LE: 372, Clara Clara und Ellen hatten auch in den Gesprächssequenzen davor versucht, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Clara hatte schon früher daran gedacht, die Übung nach dem Anheften der Karten zu beenden (Ich hab mir das schon irgendwie so halb gedacht/ / Gs372), war sich jedoch unsicher (weil ich mich das gar nicht getraut hab zu sagen/ / Gs372). Ihre Bedenken sind hier vermutlich durch Aktivitäten beeinflusst, in denen die Schüler/ innen in aufwändiger Weise in Gruppen eingeteilt werden. Dieses Einteilen der Schüler/ innen findet auch hier statt, jedoch nicht zum Zweck einer Gruppenarbeit, was Clara und Ellen unlogisch oder profan erscheint. Ihrem Gefühl nach müsste sich an diesen Gruppenfindungsprozess noch etwas Weiteres anschließen. Ellens Vorschlag dient Clara hier als Rückversicherung bezüglich ihrer eigenen, nicht geäußerten Ideen. Sie erlangt damit die Sicherheit, diesen Ideen auch nachzugehen. 338 Diese Art der Absicherung findet sich in zahlreichen Gesprächssequenzen. Teils bleibt sie im Gespräch verdeckt und ist, wie im Beispiel oben, nur aus den LE-Daten zu rekonstruieren, teils wird im Gespräch direkt um eine Rückversicherung durch die ko-planende Person gebeten: 584 N ((3s)) Dann kann ich ja sagen: "Let's see, if you were right? ” ((1s)) Ob die mich verstehen? Ich, ich weiß immer nicht, ob die mich dann noch verstehen. PG5: 584, Nina & Rieke Im PG5 zeigt sich z.B., dass Nina stark verunsichert ist, inwiefern die Schüler/ innen der 5. Klasse sie im Unterricht verstehen werden. Diese Verunsicherung hat u.a. auch mit ihrer vergangenen Unterrichtstunde zu tun, in der sie sich noch nicht so wohl gefühlt hat: 586 N LE <Da war nun die Frage, wie man das formuliert. Also die Fragestellung und überhaupt, was man alles sagt, weil man muss ja wirklich aufpassen, dass sie auch alles verstehen und bei jedem Wort muss man überlegen: Haben sie das schon gehabt? Und nachgucken und… • • • Ja und in der ersten Stunde fiel mir das total schwer, weil ich wollte versuchen, die ganze Zeit Englisch zu reden und das hat mich • • • äh total gehemmt, Deutsch zu reden und dadurch ist dann immer so: äh, äh, äh und das war irgendwie total komisch! Ich weiß auch nicht, aber es war sowieso… Die erste Stunde, war alles schwarz. Ich konnte meine Karten gar nicht mehr lesen und das war • • • 587 I LE <Waren Sie n bisschen aufgeregt.> 588 N LE <Sehr, sehr aufgeregt! Und... Es lief zwar okay irgendwie und ähm, aber ich glaube nur, weil ich halt so mir/ viel Material hatte.> PG5/ LE: 586, Nina Nina nutzt an zahlreichen Stellen die Möglichkeit, Rieke um eine Rückmeldung zu bitten. Oftmals geht es in diesen kurzen Fragen nur darum, sich zu vergewissern, dass eine zweite Person, die eigene Auffassung teilt. 608 N Ähm "Let's listen to the text". Ähm "your task is..." Kennen die das? 609 R Ja. 610 N Ja. ((tippt)) "Your task”= 611 R =Musst du noch mal an die Tafel schreiben. PG5: 608, Nina & Rieke Ninas Fragen an Rieke zeigen, dass das Gespräch mit einer Partnerin für Nina eine gute Möglichkeit ist, sich immer wieder auch eine zweite Meinung einzuholen. In der abschließenden Befragung schätzt Nina die Zusammenarbeit mit Rieke auch als positiv ein: 1511 I B <Wie empfinden sie das Planen zu zweit? 1512 N B <[…] Also ich denke schon, dass es gut ist, weil man sich dann auch schon austauschen kann. Ich glaub, der Austausch ist ganz gut, weil sonst ((unverständlich)) und ist sich die ganze Zeit unsicher, hm, und der andere hat dann vielleicht ne Idee oder weiß, dass man es so machen kann oder nicht, aber... Ähm gut ist es wahrscheinlich schon, dass man das auf jeden Fall vorher noch mal mit • • • dem ähm/ mit D2 dann besprechen kann, dass man nicht ganz 339 unsicher reingeht, dadurch dass man ja schon noch sehr unsicher ist, in den ersten Stunden.> PG5/ B: 1511, Nina Als Vorteil des gemeinsamen Planens führt Nina hier direkt an, dass man sich sonst, beim individuellen Planen, noch stärker verunsichert fühlen würde (ist sich die ganze Zeit unsicher/ / 1511) und dass sie es als hilfreich empfindet, wenn die/ der andere vielleicht mehr Ideen hat oder genau sagen kann, was am besten zu tun sei (der andere hat dann vielleicht ne Idee oder weiß, dass man es so machen kann oder nicht/ / Gs1511). Sie zeigt hier, dass sie davon ausgeht, dass es einen richtigen oder falschen Weg gibt, den man beim Unterrichten verfolgen kann und dass die Partnerin helfen kann, indem sie vielleicht weiß, ob der geplante auch tatsächlich der richtige Weg ist. Die letzte Instanz, die den geplanten Unterrichtsverlauf einschätzt, ist die Dozentin. Durch ihr Urteil kann die gefühlte Unsicherheit nochmals reduziert werden. Eine Unterstützung durch einen Partner / eine Partnerin, die sich eher auf ein generelles Gefühl bezieht, wird auch von anderen Studierenden beschrieben: 787 I B <Finden Sie insgesamt zu zweit arbeiten gut? 788 P B <Ja, find ich besser, auf jeden Fall. Nee, na bei der ersten Stunde hab ich Linda noch angerufen, Mattis noch angerufen, hab mir immer noch Ideen geholt oder Ratschläge oder einfach bloß: „Ich hab n Problem, kannst du mir mal helfen“, so, einfach bloß diesen Rat von andern noch einzuholen, das war eigentlich relativ hilfreich für mich. Ich glaub, alleine hätt ich das nicht geschafft.> 789 I B <Von den Ideen her oder vom Gefühl...> 790 P B <Einfach von den Ideen auch oder dass sie einfach sagen: „Nee, mach dir kein Kopf, das passt schon, das wird schon, so.“ Einfach bloß um diese Nervosität runterzunehmen oder einfach zu sagen, nee, dass passt schon von der Zeit her so, mach dir kein Kopf oder du kannst vielleicht da noch was machen oder so, oder da musst du auf die Zeit aufpassen. Oder einfach bloß, dass mir jemand zuhört, einfach bloß sagen, hier, ich hab das und das vor, was hältst du davon, oder so n Übergang, dass da vielleicht noch ne Idee kommt.> PG4/ B: 787ff., Philip Für Philip ist das gemeinsame Planen aus mehreren Gründen von Vorteil: Einerseits kann eine zweite Person weitere Ideen oder Hinweise geben, die die Unterrichtsplanung voranbringen (hab mir immer noch Ideen geholt oder Ratschläge; diesen Rat von andern; du kannst vielleicht da noch was machen; dass da vielleicht noch ne Idee kommt). Andererseits ist der Austausch über mögliche Unterrichtsverläufe gleichzeitig eine emotionale Unterstützung. Durch die Rückmeldung einer zweiten Person führt das Gespräch mit seinen Kommilitonen aus Philips Sicht auch dazu, dass seine Nervosität sinkt (dass sie einfach sagen: „Nee, mach dir kein Kopf, das passt schon, das wird schon, so“). Dabei geht es auch um bestätigende und aufbauende Gesprächshandlungen, die gar nicht so sehr inhaltlich motiviert sein müssen (einfach bloß, dass mir jemand 340 zuhört). Auch aus Ellens Sicht hat die Planung mit einer zweiten Person dazu beigetragen, sich wohler zu fühlen: 514 I B <Okay. Also das ist schon so, dass Sie eher allein geplant haben. Wie sehen Sie das so, dieses Alleine-Planen und Zu-Zweit-Planen: Ähm, was finden Sie besser oder wie sehen Sie das? 515 E B < Hm ̄ ((überlegt, 1s)). Also grobe Gedanken mach ich mir lieber selbst. In der allerersten Planung möchte ich gern allein sein, ähm aber bei den Detailfragen bin ich dann auch ganz froh, wenn ich noch jemanden hab. Also ich hab ja dann mit Hendrik auch noch • • äh nachts um zwölf irgendwelche Sitzungen gehabt ((lacht)). Ähm, das war dann auch gut und wichtig. Weil sonst hätt ich mich ja noch unwohler gefühlt ähm, ja. • • Also an sich bin ich schon eher der Einzelkämpfer, aber ich hab dann jetzt eben auch gemerkt, dass es auch ganz praktisch sein kann, wenn man noch jemanden hat. PG7/ B: 514, Ellen Die Planungsgespräche werden von den Studierenden als Gelegenheit wahrgenommen, die Verantwortung für eine komplexe Aufgabe - zumindest für den Moment der Planung - zu teilen. Dieses Teilen fühlt sich gut an, es beruhigt und wirkt einer nervösen Anspannung entgegen. Indem die Studierenden sich mit einer zweiten Person austauschen können, erfahren sie eine erste Bestätigung und Absicherung ihres Plans. 10.1.2.6 Gedanken in Worte fassen Das Gespräch mit einer zweiten Person hat zur Folge, dass zuvor geplante Unterrichtsideen oder gerade entstehende Gedanken verbalisiert, erklärt oder begründet werden müssen. Dabei werden Gedanken oftmals erst durch das zur Sprache bringen präzisiert oder konkretisiert: 167 A [...] Und dann ähm ja: "Please open your folders and write down the rest of the phrases in the correct order". Und dann würd ich die Drei bis Sechs einfach leer untereinander schreiben 168 H Hm ̄ . 169 A an die Tafel, während die das aufmachen. <H LE: 170 > 171 H Ja? 172 A ((Zeigt Heike ihren Zettel)) Also ich hab sozusagen das hier schon an der Tafel stehen? 173 H Ja. [((Unverständlich, 2s))] 174 A [Und würde dann, während die ähm auf/ äh ihre Hefte] aufmachen... Wahrsch... Ich kann auch noch/ ich kann auch erstmal sagen: "Please open your folders", bevor ich das sage, was die aufschreiben sollen, würd ich die Drei bis Sechs noch so untereinander schreiben. 175 H Ja. Okay. <A LE: 176 > 177 A Und dann halt wahrscheinlich noch mal sagen ja ähm: "Please write down the rest of the phrases in the correct order". 178 H Hmhm ̌ . PG8: 167ff., Anja & Heike 341 Anja schildert in dieser Sequenz, wie sie bei einer Aufgabenstellung vorgehen möchte. Die Schüler/ innen sollen in jener Übung sechs Lücken in einem Dialogtext ausfüllen (s. Anhang, 6.2, Übung 5a), indem sie aus einer vorgegebenen Auswahl an Satzfragmenten, die passenden Teile auswählen und diese unter Zuordnung zur entsprechenden Nummer aufschreiben ("Please open your folders and write down the rest of the phrases in the correct order"/ / Gs167). Heike reagiert hier mit einem nachdenklichen Hm ̄ und führt im Lauten Erinnern aus, dass sie Schwierigkeiten hatte, Anja zu folgen: 170 H LE <Da sag ich die ganze Zeit nur "hm ̄ ", weil richtig folgen konnte ich nicht. Also ich hab jetzt nicht so ganz kapiert, wie sie das machen wollte. Ähm ja deswegen geht s da immer nur: hm ̄ , hm ̄ und ich versuch immer im Kopf nachzuvollziehen, worum s jetzt eigentlich geht und wie sie das machen wollte und deswegen rede ich da auch so wenig.> PG8/ LE: 170, Heike Heikes zögerliches Verhalten veranlasst Anja dazu, ihre Idee nochmals etwas ausführlicher zu beschreiben. Bei der zweiten Schilderung in Gs174 fügt Anja hinzu, dass sie den Schüler/ innen die Aufgabenstellung geben möchte, während sie ihre Hefter öffnen (Und würde dann, während die ähm auf/ äh ihre Hefte aufmachen.../ / Gs174). Jene abgebrochene Äußerung sowie das folgende abgebrochene Wort (Wahrsch.../ / Gs174) deuten auf Denkprozesse hin, die Anja im Anschluss dazu veranlassen, ihre Äußerung bezüglich der Aufgabenstellung leicht zu modifizieren. Sie erklärt nun, dass sie die Schüler/ innen zunächst auffordern möchte, ihre Hefter zu öffnen (Ich kann auch noch/ ich kann auch erstmal sagen: "Please open your folders"/ / Gs174), dann die Nummern Drei bis Sechs an die Tafel schreibt (bevor ich das sage, was die aufschreiben sollen, würd ich die Drei bis Sechs noch so untereinander schreiben/ / Gs174) und erst danach die Aufgabe formuliert (Und dann halt wahrscheinlich noch mal sagen ja ähm: "Please write down the rest of the phrases in the correct order"/ / Gs177). Sie erinnert sich hier vermutlich an eigene Unterrichtserfahrungen oder einen Hinweis darauf, dass es mitunter schwierig sein kann, eine Aufgabenstellung zu geben, während die Schüler/ innen mit etwas anderem, wie in diesem Fall mit dem Öffnen des Hefters, beschäftigt sind. In den LE- Daten expliziert Anja ihre Überlegungen dazu: 176 A LE <Das ist mir in dem Moment aufgefallen, wo ich das hier vorgelesen habe. Ich hab ja vorgelesen: "Please open your folders and write down the rest of the phrases in the correct order" und da ist mir in dem Moment eingefallen, dass ich das nicht machen kann, weil während die öffnen, kann ich nicht die Aufgabe ansagen, weil dann keiner zuhört. Deswegen haben wir das dann noch mal das sag ich aber glaub ich noch mal dass ich nur sage: "Open your folders" und das in dem Moment das anschreibe und dann erst die Aufgabe sage.> PG8/ LE: 176, Anja 342 Anja kommentiert hier ihr Stocken in Gs174 und bestätigt damit, dass sich dieser Gedanke erst während des Sprechens einstellte. Ähnliche Stellen wie diese sind zahlreich im Datenmaterial vorhanden. So kommt es vielfach dazu, dass zuvor entwickelte Ideen geschildert oder neu entstehende Gedanken verbalisiert werden. Durch die Kommunikationssituation und die damit verbundene Adressiertheit der Äußerungen, entsteht das Bedürfnis, Gedanken in kohärenter und verständlicher Weise darzustellen, was wiederum Einfluss auf den Denkbzw. Planungsprozess hat. Gedanken werden dadurch oftmals spezifiziert und präzisiert. 10.1.2.7 Mentale Bilder entwerfen Eine weitere Besonderheit, die in den Daten sichtbar wird und als typische kooperative Planungshandlung charakterisiert werden kann, ist eine Art gedankliches Probehandeln, das sich durch bildliches Vorstellen von Unterrichtssituationen zeigt: 344 C ((12s)) Okay, die kriegen Karten ((gibt jemandem eine imaginäre Karte)), wo irgendwas drauf steht. Die kommen in die Stunde und haben diese Karten ((hält eine imaginäre Karte in den Händen)), die [liegen auf den Tischen.] 345 E [Für jeden] 346 C Eine Karte für jeden. 347 E ((10s)) Na, dann stehen sie irgendwann • • in Pärchen zusammengewürfelt in der Klasse rum und wissen nicht wie weiter ((lacht)). 348 C Ich brauch auch noch n Haufen Magneten. Die hat auch n paar Magnete, oder? 349 E Ich hatte meine mal mit. 350 C Du hast deine mit gehabt. 351 E Ich kann die ja auch mitbringen für dich. 352 C Hm ̌ , [das wär gut.] 353 E [Soll jetzt nicht das Problem sein.] ((4s)) Im Prinzip müsste man dann irgendwie dran anknüpfen, dass die sich in den Pärchen dann irgendwie gefunden haben. 354 C ((2s)) Hm ̄ . 355 E ((2s)) Wenn man das, wie sie dann da so stehen oder sitzen... <C LE: 356 > 357 C ((3s)) Na, könnte man da nicht, naja expert groups… Aber was hilft das. PG7: 344ff., Clara & Ellen Das videografierte Datenmaterial zeigt hier sehr deutlich, wie sowohl Ellen als auch Clara an dieser Stelle versuchen, sich die Situation während dieser Unterrichtsphase vorzustellen. Während Clara spricht (Gs344), hat Ellen die Augen geschlossen. Claras Blick geht ins Leere bzw. nach innen, mit den Händen zeichnet sie gestisch den Umgang der Lehrerin und der Schüler/ innen mit den vorbereiteten Karten nach. Während die Studierenden die Situation mental antizipieren, gedanklich visualisieren und diese Bilder versprachlichen, werden sukzessive weitere Details hinzugefügt, z.B. dass die Karten bereits auf den Ti- 343 schen liegen, jeder Schüler / jede Schülerin eine Karte bekommt, durch das Zuordnen der Karten Pärchen entstehen und dass für ein Anheften der Karten Magneten notwendig sind. Vor allem letztere Erkenntnis ist aus unterrichtsorganisatorischen Gründen von Bedeutung, zu der es ohne dieses detaillierte Durchdenken der Unterrichtssituation u.U. nicht gekommen wäre. Im Lauten Erinnern erklärt Clara ihr Handeln, was der eben skizzierten Interpretation entspricht: 356 C LE <Ich glaub, ich stell mir das einfach immer... Also während sie redet, stell ich mir das einfach nur vor, diese Situation in der Klasse, also die stehen da jetzt halt mit ihren Kärtchen irgendwie alle vorn an der Tafel und wissen nicht, was zu tun ist.> PG7/ LE: 356, Clara Clara und Ellen kommen an dieser Stelle noch zu keiner Problemlösung. Die Gesprächssequenz zeigt jedoch, dass ihre Gedanken im Gespräch und durch das gemeinsame Visualisieren präzisiert werden, dadurch Details der Unterrichtsorganisation in den Blick geraten und Lösungsmöglichkeiten durchgespielt werden, die dann später in Gesprächsschritt 370 dazu führen, dass eine Entscheidung über die Gestaltung dieses Unterrichtsabschnitts getroffen wird. 10.1.2.8 Resümieren Eine Präzisierung der Unterrichtsentwürfe und eine Fokussierung auf die Unterrichtsdurchführung zeigt sich auch in jenen Gesprächssequenzen, in denen die Studierenden aushandeln, wie viel Zeit bestimmte Aktivitäten in Anspruch nehmen werden oder wie sich die gesamte Unterrichtsstunde in zeitlicher Hinsicht gestaltet. Gleiches gilt für Gesprächsphasen, in denen ausformuliert wird, wie Aufgaben, Aufforderungen oder Redebeiträge der Lehrperson in der Zielsprache formuliert werden. Sie sind vielfach von weiterführenden Überlegungen begleitet, die u.a. zu wichtigen Planänderungen oder -präzisierungen führen. Die zeitliche Unterrichtsplanung findet meist entweder am Ende einer geplanten Unterrichtsphase oder am Ende der gesamten Stundenplanung statt. Das Aushandeln, wie lang einzelne Unterrichtsschritte dauern werden, hat gegen Ende des Planungsgesprächs oftmals einen resümierenden Charakter. So planen Ellen und Hendrik in PG3 z.B. in den letzten 15 Minuten des Gesprächs gemeinsam den zeitlichen Verlauf der Stunde, indem sie alle Unterrichtsphasen noch einmal durchgehen. 1153 E […] So, und dann machen wir ne Übung/ • • • gelenkte Übung. 1154 H ((leise)) Genau. ((6s)) So, Karten neu verteilen, Aufgabe klarmachen, das sind schon mal mindestens anderthalb Minuten. Also • weil, auch gerade hier wird s lange bis es/ bis es ins Rollen kommt. Also die ersten/ bis du, bis du s ein-, zweimal richtig hinbekommen hast... 344 1155 E Hm ̌ . 1156 H Ähm, also da würd ich auch einfach mir probieren, das Leben leicht zu machen und leistungsstarke Schüler wählen. Also dass sie/ dass die ersten ein, zwei Runden von Schülern gemacht werden, wo du erwarten kannst, dass die • • dass die • das sehr schnell richtig machen. So • • • [Johannes, Ben, und so.] 1157 E [Na hier zum Beispiel bei den ersten] wollt ich äh auf jeden Fall Sebastian mit eine geben, weil/ damit er vorlesen kann einfach, damit er sich einfach äußert, ohne was falsch machen zu können. 1158 H Hm ̌ . PG3: 1153ff., Ellen & Hendrik Das Nachdenken über die Zeit hat hier zur Folge, dass die zuvor im Gespräch geplanten Aktivitäten noch einmal ins Gedächtnis gerufen und in einer stichwortartigen Aufzählung zusammengefasst werden (So, Karten neu verteilen, Aufgabe klarmachen, das sind schon mal mindestens anderthalb Minuten./ / Gs1154). Komplexe Aktivitäten werden dabei in einzelne kleine Aktivitätsschritte aufgebrochen (Karten neu verteilen, Aufgabe klarmachen/ / Gs1154), um besser einschätzen zu können, wie viel Zeit für eine Aktivität in Anspruch genommen wird. Dies geht vermutlich einher mit einem Antizipieren und mentalen Visualisieren der Unterrichtssituation (Also • weil, auch gerade hier wird s lange bis es/ bis es ins Rollen kommt./ / Gs1154), was oftmals dazu führt, dass die Durchführung einer Aktivität weiter durchdacht wird. So schlägt Hendrik in Gs1156 vor, zu Beginn der Übung leistungsstärkere Schüler/ innen aufzufordern (Also dass sie/ dass die ersten ein, zwei Runden von Schülern gemacht werden, wo du erwarten kannst, dass die • • dass die • das sehr schnell richtig machen./ / Gs1156). Auch Ellen geht daran anschließend noch weiter auf die Durchführung der Übung ein: Das Vorlesen der Satzkarten, bevor diese in die indirekte Rede umgeformt werden, sollte ihrer Ansicht nach von einem bestimmten Schüler übernommen werden (bei den ersten wollt ich äh auf jeden Fall Sebastian mit eine geben, weil/ damit er vorlesen kann einfach, damit er sich einfach äußert, ohne was falsch machen zu können./ / Gs1157). Das gemeinsame Ausformulieren von Aufgaben, das ähnlich wie das Planen des zeitlichen Ablaufs der Unterrichtsstunde meist am Ende einer Unterrichtsphasenplanung steht, hat ebenfalls zur Folge, dass etwas zuvor Geplantes nochmals rekapituliert und der Unterrichtsablauf dabei antizipiert wird. 664 A [...] ((schreibt)) Okay: "Let's check ((2s)) bla bla bla book page 59, number five". ((1s)) Okay: "You can see the phrases ((5s)) ähm ((4s)) and we need to put them into the dialogue". ((3s)) Okay und dann: "What phrase do we need for sentence one? " ((schreibt)) "What phrases do we need for sentence one/ ((2s)) for the/ nee for the fir" / • nee, ich sag mal ((unverständlich)) "first" kennen sie ja noch nicht, ne? 665 H • • • Ja. 666 A Hm ̌ . 667 H One, genau. 345 668 A Hm ̄ , ((2s)) ja. Die Frage ist jetzt nur, ob ich das anschreibe, oder ob ich das äh schon vorbereite. 669 H ((1s)) Dann geht s schneller. [((Unverständlich, 1s))]. 670 A [Was ich machen kann]/ ne, weißte was ich mache? Ich ähm • • ich tu das auf ein großes Blatt schreiben und dass ich das nur mit Magnet dran machen muss. 671 H Hm ̄ . Ja. [An der Tafel]. 672 A [Dass ich s nicht schreibe], aber dass es trotzdem größer ist als auf ner Folie. 673 H Ja. PG8: 664ff., Anja und Heike Anja und Heike hatten sich zuvor entschieden, die Lehrbuchaufgabe auf der Seite 59 (s. Anhang 6.2) in den Unterricht zu integrieren. In Gs664 formuliert Anja, wie sie den Schüler/ innen im Unterricht den Auftrag erteilt, sich mit der Lehrbuchübung zu beschäftigen. Sie notiert sich dabei den genauen Wortlaut. Ihr Gedankengang geht hier von der Aufgabenformulierung ("You can see the phrases ((5s)) ähm ((4s)) and we need to put them into the dialogue/ / Gs664") zur Aufgabenstellung über, d.h. sie überlegt anschließend, wie sie den Schüler/ innen die Aufgabe über die Formulierung hinaus am besten vermitteln kann. Sie entscheidet sich dafür, das erste Beispiel gemeinsam mit den Schüler/ innen zu lösen ("What phrases do we need for sentence one? "/ / Gs664). Dabei stoßen Anja und Heike darauf, dass den Schüler/ innen der 5. Klasse die Ordinalzahlen vermutlich noch nicht bekannt sind und dass dies in der Formulierung berücksichtigt werden müsse ("first" kennen sie ja noch nicht, ne? / / Gs664). In Weiterführung ihrer Antizipation der Unterrichtssequenz beschäftigt sich ihr nächster Gedanke vermutlich damit, wie dieses erste Beispiel dann überprüft und so veranschaulicht werden kann, dass damit nochmals geklärt wird, wie die Übung funktioniert. Das führt Anja dazu, darüber nachzudenken, ob bzw. wie die Antwortmöglichkeiten visualisiert werden könnten (Die Frage ist jetzt nur, ob ich das anschreibe, oder ob ich das äh schon vorbereite./ / Gs668). Heike bestätigt Anjas Idee, dass vorbereitete Antwortmöglichkeiten sinnvoll wären (Dann geht s schneller./ / Gs669), woraufhin Anja spezifiziert, dass dies am besten durch Satzkarten realisiert werden könnte (ich tu das auf ein großes Blatt schreiben und dass ich das nur mit Magnet dran machen muss./ / Gs670). Das wörtliche Formulieren von Aufgabenstellungen oder Arbeitsaufforderungen führt in dieser Sequenz dazu, dass einerseits gemeinsam über angemessene zielsprachige Formulierungen nachgedacht wird (Gs664-667) und diese dadurch an die Situation angepasst werden. Gesprächssequenzen wie diese, in denen Formulierungen verändert und verbessert werden, sind auch in anderen Gesprächen häufig vorzufinden: 178 N ((tippt)) "And fill the gaps". 179 R ((3s)) Nicht "fill in"? 180 N "And fill in the gaps" ((kurzes Lachen, 1s)). PG5: 178ff., Nina & Rieke 346 Andererseits scheint das Formulieren in vielen Fällen ein Antizipieren und/ oder bildliches Vorstellen von Unterrichtshandlungen anzuregen, wodurch Probleme sichtbar werden, neue Fragen aufgeworfen und Ideen generiert werden und der Plan dadurch weiterentwickelt wird. 10.1.2.9 Verantwortung abgeben Aus verschiedenen Gründen nehmen die Ko-Planenden jedoch nicht in allen Gesprächsphasen eine aktiv beratende Rolle ein. In einigen Sequenzen zeigt sich, dass die Verantwortung für die Planung der Stunde soweit an die unterrichtende Person abgegeben wird, dass der/ die Ko-Planende sehr stark in den Hintergrund tritt und kaum noch Unterstützung bietet. Im folgenden Beispiel beschäftigt sich Clara mit Details zu Regeln der Bildung indirekter Rede. Sie konsultiert eine Grammatik und versucht, Ellen in die Entscheidungsfindung über die Eingrenzung des Unterrichtsgegenstandes mit einzubeziehen: 143 C Ich hab mir halt hier noch, ähm, Dings kopiert/ • • Murphy ((holt Kopien hervor)). 144 E Hm ̌ . Was sagt Murphy denn dazu? 145 C Der legt halt da auf noch ganz viele andere • • Sachen Wert, so. ((E und C schauen gemeinsam in eine Kopie 4s)) Ja, genau, also hier erst mal: "present form changes into past", also wie das nun alles aussieht, keine Ahnung ((liest 6s)). Genau, dann ist hier noch ((liest 6s)) "past simple can usually stay the same, reported speech can (…) into past perfect". <I/ E LE: 146-147 > 148 E ((liest mit C mit)) Äh mhm ̂ ! 149 C Ja, aber musste halt nicht. 150 E Kann gewöhnlich genauso bleiben, kann aber auch geändert werden. 151 C Das ist halt auch blöd, weil in meinem Grammatikbuch, was ich halt noch hab hier, Grundgrammatik, sieht die Übersicht auch noch komplett anders aus als die Übersicht. PG7/ LE: 143ff., Clara & Ellen Clara hatte sich schon vor dem Planungsgespräch mit Systematisierungen zur Verwendung der indirekten Rede im Englischen beschäftigt. Sie liest nun in den Kopien noch einmal nach und stößt auf das Problem, dass sich die in den Grammatiken formulierten Regeln unterscheiden bzw. dass Ausnahmen zur Regel beschrieben werden. Ellen verfolgt Claras lautes Lesen und äußert sich dann in Gs146 mit einem angestrengten mhm ̂ , was zum Ausdruck bringt, dass sie es kompliziert findet, diese vagen Formulierungen hier vorzufinden (Kann gewöhnlich genauso bleiben, kann aber auch geändert werden/ / Gs148), da ihnen damit keine klaren Vorgaben gemacht werden. Gleichzeitig denkt sie, wie aus dem Lauten Erinnern hervorgeht, dass sie sich mit der Komplexität des Unterrichtsgegenstands auf dieser Ebene der Detailliertheit nicht auseinandersetzen möchte: 347 146 I LE <Denken Sie da schon etwas, während Sie das so überfliegen vielleicht, oder Clara spricht? 147 E LE <Ähm • • • ja, dass mir das jetzt eigentlich ähm • • zu unübersichtlich ist und ich grade keine Lust habe, mich da jetzt mit diesem/ mit diesen ganzen Zetteln auseinander zu setzen und... Also, ich fand das schon gut, auf jeden Fall, ich fand s ja auch nicht nicht doof in der Situation, aber ich dachte, wenn wir jetzt noch anfangen, das und das und das Buch zu konsultieren, wie sie s ja auch schon gesagt hat, die Clara, dass der das einfach mal ganz anders macht und jedes Buch das anders macht und ich dachte da, • • • das kriegen wir nie hin, in der Stunde. Und ich jetzt in der kurzen Zeit auch nicht, rauszufinden, wie er das jetzt aufgebaut hat.> PG7/ LE: 146f., Ellen Ellen verbindet mit der Analyse der grammatischen Struktur inklusive der Ausnahmen eine Anstrengung (Und ich jetzt in der kurzen Zeit auch nicht, rauszufinden, wie er das jetzt aufgebaut hat/ / Gs147), die sie nur ungern investieren möchte (und ich grade keine Lust habe, mich da jetzt mit diesem/ mit diesen ganzen Zetteln auseinander zu setzen/ / Gs147). Zum einen, weil dieses Thema für sie sehr komplex ist (dass mir das jetzt eigentlich ähm • • zu unübersichtlich ist/ / Gs147), zum anderen, weil sie es aus eben jenem Grund nicht für bedeutungsvoll für diese Unterrichtsstunde hält. Sie schließt von ihrem Verständnis auf die Schüler/ innen (das kriegen wir nie hin, in der Stunde/ / Gs147) und leitet daraus ab, dass man im Unterricht keine Ausnahmen besprechen sollte, um den Sachverhalt einfach zu halten. Ellens geringes Engagement in dieser Hinsicht geht darauf zurück, dass sie einem umfassenden Durchdringen der Struktur an dieser Stelle wenig Bedeutung beimisst, da es sie eventuell überfordern bzw. viel Anstrengung kosten würde. An anderer Stelle im Gesprächsmaterial, an der Clara ihr vorbereitetes Arbeitsblatt erläutert, verbalisiert Ellen auch direkt, dass sie die Verantwortung in diesem Bereich an Clara abgibt: 102 C Ja. • • • Sind alles, sind alles einzelne, einzelne Strips. Ne? Also hier ((zeigt auf die entsprechenden Bilder auf der Kopie)) haben wir die Verschiebung vom present zum past, hier haben wir die Verschiebung vom simple past zum past perfect, hier haben wir sie vom present perfect zum ähm past perfect wieder und vom will future zum conditional. 103 E ((2s)) Hola die Waldfee! ((lacht))((1,5s)) 104 E LE <Was ist ein conditional? Das war meine Frage. Obwohl die nicht ausgesprochen wird.> 105 I LE <Aber die anderen Sachen, die sie da gezeigt hat... Was haben Sie da in dem Moment gedacht? > 106 E LE <Ja, ja, war schon in Ordnung, aber ähm ich hab ihr einfach • vertraut, weil ich ich hab dann mir jetzt nicht noch die Mühe gemacht, das jetzt noch verstehen zu wollen. Weil... ging nicht.> PG7: 102ff., Clara & Ellen 348 10.1.2.10 Das Einzelkämpfer-Phänomen Eng verbunden mit dem Sichtbarwerden von Gesprächsphasen, in denen sich die Ko-Planenden stärker zurücknehmen, ist das Phänomen, dass die unterrichtende Person das Gespräch zum Teil gern dominieren und den eigenen Gedanken nachgehen würde. Solche Gesprächssequenzen finden sich z.B. in PG3: 200 E Hm ̄ . • • Oder, was auch noch ist, sehe ich hier gerade, hab ich zum Schluss ähm, Gerüchte. • • Das fänd ich eigentlich ziemlich cool. 201 H Hm ̄ . 202 E Du verteilst kleine Zettelchen in der Klasse, wo drauf steht, irgendwie, der Direktor hat sich n rosa Mercedes/ äh rosa Ferrari gekauft, oder die Musiklehrerin hat irgendwie, weiß ich nicht, 20 Garten/ Gartenzwerge, Gartenzwerge im Garten, wie heißen die? 203 H Äh, gardeners. 204 E Und ähm, und das, und das die das dann sozusagen untereinander erzählen. 205 H Hm ̌ . Nee, das find ich super. Das ist... 206 E Skandäälchen. 207 H Ähm, das ist auch/ da kann man... • • ansonsten, wenn wir jetzt schon nicht, backshift of tenses einführen, können wir ja auch kurz das, ähm, zumindest die mit Fragen einführen „who said that mh, mh, mh? “. Weil das ist ja gerade auch die Diskussion, die bei Gerüchten aufkommt: <E LE: 208 > Wer hat denn das eigentlich in die Welt gesetzt. 209 E ((2s)) Deswegen wollte ich die Stunde nennen: "What does she say? Or what • ähm…? " PG3: 200ff., Ellen & Hendrik Ellen und Hendrik suchen hier nach Themen, in die das Bewusstmachen der indirekten Rede im Präsens eingebettet werden könnte. Ellen hatte sich zuvor Gedanken darüber gemacht, welche Themen sich hier anbieten würden und berichtet nun davon. Das Thema Gerüchte findet sie interessant und würde das gern in die Stunde integrieren (Das fänd ich eigentlich ziemlich cool/ / Gs200). Hendrik stimmt ihr in Gs205 zu (das find ich super), und Ellen bekräftigt das Thema abschließend nochmals (Skandäälchen/ / 206). Hendrik leitet aus dem Thema ab, dass es sich hier anbieten würde, auch die Fragestellung mit zu besprechen (können wir ja auch kurz das, ähm, zumindest die mit Fragen einführen: „Who said that mh, mh, mh? “/ / Gs207). Damit würde man jedoch nicht bei der indirekten Rede im Präsens bleiben. Ellen ist dies in dem Moment entweder nicht bewusst oder sie möchte die dadurch entstehende Komplexität aus der Stunde aussparen. Sie versucht anschließend, ein Stundenthema zu formulieren, das inhaltlich an Hendriks Idee anknüpft, die zeitliche Rückverschiebung aber ausblendet. Retrospektiv erklärt Ellen, dass sie in Gs206 schon mit der Themensuche abgeschlossen hatte: 208 E LE <Da war auch eigentlich ein Punkt, wo ich nicht drüber diskutieren wollte. Das war, wo ich… Also, ich weiß gar nicht mehr. Ich weiß auch gar nicht, warum 349 das so ist. Aber in dem Moment war das Thema für mich eigentlich schon gegessen. Da kommt dann der Einzelkämpfer durch bei mir, dass ich das dann eigentlich gar nicht weiter ausdiskutieren wollte mit ihm, sondern eigentlich dann lieber für mich denken wollte.> PG3/ LE: 208, Ellen Ellen bringt hier zum Ausdruck, dass sie lieber für sich selbst weiter geplant hätte, d.h. gern ihren eigenen Gedanken nachgegangen wäre (eigentlich dann lieber für mich denken wollte/ / Gs208). Hendriks Vorschläge sind ihr zu viel oder gehen in eine Richtung, die für sie in dem Moment nicht von Bedeutung ist. Das Thema musste aus Ellen Sicht nicht weiter vertieft werden (wo ich nicht drüber diskutieren wollte; in dem Moment war das Thema für mich eigentlich schon gegessen/ / Gs208). Sie bezeichnet sich hier selbst als Einzelkämpfer. Auch an späterer Stelle im Gespräch nimmt sie darauf noch einmal Bezug: 279 E Na, das weiß ich noch nicht, jetzt muss ich erst mal überlegen wie ich die, äh, oder wir müssen überlegen, wie wir denen die drei Zeitformen überhaupt erst mal wieder nahe bringen. 280 H Hm ̄ . 281 E LE <Und (da war er wieder), der Einzelkämpfer, ja? "Jetzt muss ich erst mal überlegen" also für mich ist es… Ich mache es gerne mit ihm, ich finde es auch okay, es mit ihm zu besprechen, aber eigentlich mach ich s halt lieber für mich alleine, ja? Also, ich bin auch dankbar über den Austausch mit ihm, aber das sind dann so Sachen, wo ich denke "Okay, da muss ich mir jetzt drüber Gedanken machen", ähm und hab mich dann berichtigt und hab gesagt: "Wir müssen uns jetzt Gedanken machen".> PG3: 279ff., Ellen & Hendrik An einigen Stellen im Gesprächsmaterial finden sich auch Äußerungen der unterrichtenden Person darüber, dass sie bestimmte Dinge noch nach dem Planungsgespräch weiter allein durchdenken würde, wie z.B. hier in PG7: 332 C Fein! Wie ich das jetzt einleite und ausleite, das überleg ich mir einfach noch und dann... 333 E Müssen wir das nicht hier besprechen? 334 C Sollen wir das hier besprechen? ((kurzer Blick zur Kamera)) 335 E Weiß nicht. Könnte sein. 336 C [((lacht))] 337 E [((lacht))] 338 C Na • • hm ̄ ((4s)). 339 E Ich weiß es aber eh bloß nicht. PG7: 332ff., Clara & Ellen Im Lauten Erinnern wird diese Sequenz von Clara zusätzlich kommentiert. Damit wird deutlich, wie Clara in Bezug auf die Planung zu zweit denkt und wie sie ihr eigenes Vorgehen reflektiert: 340 I LE <Was haben Sie da gedacht? Also, würden Sie lieber • • alleine drüber nachdenken? 350 341 C LE <Ja, naja ich dachte • • ähm ich war erst mal froh, dass wir sozusagen noch so ne Lösung für das Problem gefunden haben und weil ich dachte, das konkretisiert sich dann sowieso noch mal, wenn ich mir das dann richtig ausdenke, wenn ich die einzelnen Karten hab und die einzelnen Sätze, dann kann ich mir besser ausdenken, äh wo ich das verwende, weil ich mir das immer so schwer vorstellen kann, ohne das Material halt irgendwie zu sehen und zu sehen, okay, wie verhält sich das jetzt oder ist das überhaupt sinnvoll, dass wir s an die Tafel machen, weil vielleicht ist es ja auch einfach zu klein und ähm ja ich dachte halt, bevor wir jetzt noch mal den ganzen Plan umarbeiten zusammen, mach ich das lieber alleine, weil ich die Stunde ja auch halten muss und ich will das auch lieber da einpassen, wo mir s besser/ oder wo mir s am besten passt.> PG7/ LE: 340f., Clara 10.1.2.11 Dem Partner / der Partnerin nicht folgen können Mitunter kommt es in den Gesprächen auch dazu, dass Ideen nicht weiterverfolgt oder Umwege gegangen werden, weil die Studierenden sich nicht hinreichend verstehen. Oftmals liegt dies darin begründet, dass aufgrund der Komplexität planerischer (Denk)-Handlungen es mitunter schwerfällt, den Gedankengängen einer anderen Person richtig folgen können. Oftmals führt dies dazu, dass die rezipierende Person (meist P2) eine eher passive Haltung einnimmt. In PG8 hat Heike z.B. Probleme, die Äußerungen ihrer Partnerin nachzuvollziehen: 535 A Ja aber was ich hier halt blöd finde, ist, dass die halt die/ die setzen halt/ dass/ die setzen nur Wörter ein. Die üben diese Phrasen da nicht. 536 H ((nickt zögerlich, 1s)) 537 A Das können wir nicht nehmen. Also zumindest nicht als Ausgangspunkt. ((2s)) Also ich muss erst mal das, glaube ich, in dem/ im Buch machen. ((nimmt Buch)) Oder ich mach das halt so wirklich/ mach das halt nur und dann mach ich was anderes. Ich weiß es nicht ((schaut zu H)). <I/ H LE: 538-539 > 540 H • • • Ja keine Ahnung. Also... 541 A ((3s)) Dass ich halt wirklich, das einfach nur zwei Leute vorlesen lasse vorne ((2s)) oder am Platz und die sollen s halt laut sagen. Ich kann natürlich auch einen nehmen, einen der ganz vorne sitzt und einen der ganz hinten, und die sollen sich/ also die sollen bitte so laut reden, dass die sich auch gegenseitig verstehen. PG8: 535ff., Anja & Heike Anja hatte zuvor überlegt, Ansätze, die sie in theaterpädagogischen Lehrveranstaltungen kennengelernt hatte, in die Planung miteinzubringen, was nicht recht gelingen wollte. In Gs535 wechselt sie abrupt das Thema und problematisiert, dass die Schüler/ innen in der Aufgabe im Arbeitsheft nur einzelne Wörter einsetzen würden. Sie springt in ihren folgenden Äußerungen dann von einer Idee zur nächsten: Das Arbeitsheft kann nicht verwendet werden (Die üben diese Phrasen da nicht/ / Gs535); erst die Übung im Buch machen (Also ich 351 muss erst mal das, glaube ich, in dem/ im Buch machen/ / Gs537); nur die Buchübung machen (nur zwei Leute vorlesen lasse/ / Gs541) und die folgende Anwendung weglassen (mach das halt nur und dann mach ich was anderes/ / Gs537); die Buchübung mit theaterpädagogischen Elementen verbinden (die sollen bitte so laut reden, dass die sich auch gegenseitig verstehen/ / Gs541). Ob der Fülle und schnellen Abfolge an Ideen, die hier eher einem lauten Nachdenken gleichen, kann Heike Anja nur schwer folgen: 538 I LE <Jetzt waren Sie plötzlich wieder beim • • Buch? 539 H LE <Ich hab jetzt ehrlich gesagt ähm/ ich hab im Moment gedacht, worum geht s jetzt eigentlich und ich glaube, das hab ich auch da gedacht, dass ich gar nicht wusste… Weil sie hat das mit dem Theater jetzt plötzlich sein lassen und dann ging s wieder ums Buch, und wir setzen das jetzt nur ein, und ich versteh im Moment gar nicht so richtig, worum s geht, und ich glaube, das war auch da das Problem. Also wenn ich immer nix sage, dann verstehe ich entweder Bahnhof oder es rattert dann ganz doll und da hat s, glaub ich, eher nur Bahnhof angezeigt bei mir.> PG8/ LE: 538f., Heike Aufgrund der Komplexität planerischer Denkhandlungen kommt es mehrfach in den untersuchten Gesprächen zu Phasen, in denen eine Person nicht folgen kann. Wenn dies die ko-planende Person betrifft, wird das Unverständnis häufig ohne Nachfragen übergangen. Dabei kann der/ dem Ko-Planenden nicht vorgeworfen werden, nicht entsprechend mitzudenken. Vielmehr scheint es in der Sache begründet zu sein, das Gedankengänge oftmals so komplex werden, dass ein müheloses Folgen nicht möglich ist. Clara kommentiert im folgenden Beispiel, dass dies nicht immer problematisch sei, denn in manchen Gesprächsphasen ginge es vordergründig darum, Gedanken zu verbalisieren und dabei zu entwickeln (vgl. Kap. 10.1.2.6), als einem Gegenüber etwas zu erklären. Sie plant in der folgenden Sequenz ihr Tafelbild der gesamten Stunde mithilfe eines gefalteten Blatt Papiers. Ellen schaut ihr dabei zu: 316 C Also wenn wir dann hier die ganzen Zeitformen plus Beispiele… ((schreibt auf Tafelinnenseite)) und dann klappt man s zu und macht hier draußen dann die Matchcards von den sentences dran und den einen, den wir umschreiben. <C LE: 317 > Das kann dann offen bleiben, bis wir das machen und dann klapp ich das wieder auf, weil die ja erst mal dann unwichtig sind, dann müssen wir uns ja wieder erst mal auf die Zeitformen konzentrieren, dann haben sie erst mal wieder die Zeitformen, und dann klapp ich s wieder zu ((lacht)). 317 C LE <Da war ich mir wieder nicht sicher, ob sie mir jetzt folgt, oder ob sie einfach nur guckt, was ich da so schön falte, aber das war auch... in dem Punkt, glaub ich, hab ich das auch eher mir selber erklärt, als ihr das zu erklären und deswegen • • war das auch nicht so schlimm.> PG7: 316f., Clara 352 10.2 Lernprozesse anstoßen: Das Aushandeln von Bedeutungen und die Ko-Konstruktion von Wissen Die erhobenen Daten zeigen, dass der Prozess der dialogischen Unterrichtsvorbereitung eng mit der Aktivierung und Aushandlung von Vorstellungen über Unterricht verbunden ist. Bei der Planung einzelner Unterrichtsschritte fließen die Vorstellungen bzw. Konzepte der Studierenden, d.h. ihr jeweiliges Erfahrungswissen, in die Planung ein. Sie wirken teils implizit, teils werden sie explizit thematisiert und ausgehandelt bzw. erst im Austausch miteinander konstruiert. Die Aushandlung von Konzepten im Verlauf des Gesprächs ist dabei in den meisten Fällen in die Planungssituation eingebettet, d.h. sie ist eng verknüpft mit Überlegungen zum Entwurf des Unterrichtsverlaufs. An einigen Stellen wird auch von dieser Situation abstrahiert. Durch das Aktivieren, Thematisieren und Aushandeln von Vorstellungen über fachliche, pädagogische oder fachdidaktische Konzepte in Verbindung mit planerischen Überlegungen, die kontextuell in die Unterrichtssituation der jeweiligen SPS-Gruppe eingebunden sind, kann hier eine tatsächliche Verknüpfung verschiedenster Wissensbereiche beobachtet werden. Die Analyse der Daten zeigt, dass die Studierenden im Planungsprozess Vorstellungen aktivieren, die auf verschiedene Wissensbereiche verweisen (fachliches, pädagogisches, fachdidaktisches Wissen, Wissen über die Schüler/ innen und das Lernen, über den Kontext und über sich selbst, vgl. Kap. 5.2.1), wenngleich eine klare Trennung in einzelne Wissensarten aufgrund ihrer teils unauflöslichen Verschränkung analytisch kaum bzw. nur sehr schwer zu vollziehen ist. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Studierenden bei der Vorbereitung von Unterricht vor allem auf fachdidaktisches Wissen zurückgreifen. Des Weiteren wird in den Planungsgesprächen in erheblichem Maße Wissen über den Unterrichtskontext sowie über die Schüler/ innen aktiviert. Weit weniger häufig wird auf fachliches oder pädagogisches Wissen sowie auf Wissen über die eigene Person rekurriert 2 . Fachdidaktisches Wissen zeigt sich einerseits durch die Verwendung von Begriffen, die auf fachdidaktische Prinzipien oder Theorien verweisen: 181 M Und einfach nur die Bilder… ((zeigt auf Bilder im Buch)). 182 U Genau. Das machst du dann • • • [davor]. 183 M [Die würd] ich nehmen, genau. 184 U Pre-/ also pre- • • reading [sozusagen]. 2 Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse (Kapitel 8) unterstützen diese Erkenntnis. Ordnet man die analysierten Gesprächsinhalte einzelnen Wissensbereichen zu, so zeigt sich z.B., dass das Sprechen über die Gestaltung und Konzipierung von Unterrichtsaktivitäten, über die Strukturierung des Unterrichts oder über das classroom management zu einem Großteil auf fachdidaktischem Wissen basiert. 353 185 M [Pre-reading] and -listening. 186 U Genau. PG3: 181ff., Maren & Uta Andererseits wird die Aktivierung fachdidaktischen Wissens deutlich, wenn im Gespräch Unterrichtsschritte geplant werden, d.h. wenn Vorschläge unterbreitet, ein Einwand formuliert oder, wie im folgenden Beispiel, Begründungen gegeben werden: 414 M Dann finde ich fast, noch mal zu hören, • • • stört dann fast. 415 U Hm ̌ . 416 M Dann find ich s besser, wenn die eben in Ruhe diesen Text durchlesen und Information raussuchen. Wenn die dabei nämlich hören noch mal • • • ist es fast... 417 U Ist zu viel dann, ne? 418 M Zu viel im Sinne von... 419 U [Dass sie nur einmal hören]. 420 M [Du kannst ja nicht] sagen "Ich stoppe" oder, oder "ich spule mal zurück" oder so. PG2: 414, Maren & Ute In dieser Gesprächssequenz wird z.B. deutlich, dass Maren eine Vorstellung vom Umgang mit Texten im Fremdsprachenunterricht hat, die ein Verständnis davon umfasst, dass es schwer möglich ist, komplexere Aufgaben zu einem Text zu lösen, wenn der Text nur auditiv präsentiert wird und spezifische Informationen durch die Flüchtigkeit des Hörens nicht wahrgenommen und notiert werden können. Es ist leichter, Informationen aus einem Text zu entnehmen, wenn die Lernenden den Text vorliegen haben und im eigenen Tempo lesen können. Die Vorstellungen der Studierenden, die im Gesprächsverlauf sichtbar werden bzw. rekonstruiert werden können, lassen Schlüsse über die jeweiligen Entstehungskontexte oder Einflussbereiche des Erfahrungswissens zu (eigene Lehrerfahrungen im Kontext der SPS, Rückmeldungen der an den SPS Beteiligten, Erfahrungen aus universitären Veranstaltungen, eigene Sprachlernerfahrungen). Vielfach zeigt sich, dass die Rückmeldungen der Dozentin und z.T. auch der Lehrerin für die Entwicklung eines Begriffsverständnisses von großer Bedeutung sind. Die Studierenden versuchen mitunter, ihr jeweiliges Verständnis eines fachdidaktischen Prinzips direkt in der Konzeption einer Stunde umzusetzen: 167 E Okay, dann hab ich mir so gedacht, weil wir die Stunde ja nicht ähm "Reported Speech" nennen können, hab ich überlegt, wir ziehen das so auf, <I/ E LE: 1681ff. > nach dem Motto "Was hast du gesagt? " ((imitiert karikierend Schülertonfall)). PG3: 167, Ellen 354 Ellen bezieht sich hier auf einen Hinweis dazu, wie man bestenfalls beim Planen einer Grammatikstunde nicht vorgehen sollte und erläutert im Lauten Erinnern, woher dieser Impuls stammt: 168 I LE <Warum? > 169 E LE <Weil D1 sagt, du kannst nicht - und damit hat sie vollkommen Recht - du kannst nicht, ein grammatisches, äh grammatisches Thema als, als Stundenthema nehmen. Damit langweilst du die zu Tode, die armen Kinder. Okay? > 170 I LE <Hm ̌ .> PG3/ LE: 168ff., Ellen Neben dem expliziten Verweis auf Rückmeldungen der Dozentin oder Lehrerin, wird auch auf Inhalte aus universitären Veranstaltungen, auf Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit oder aus den Unterrichtsstunden im Rahmen der SPS zurückgegriffen. Aus der Analyse der Gesprächsdaten geht hervor, dass Unterrichtsschritte vorbereitet werden, indem fortwährend Vorstellungen über die Gestaltung von Englischunterricht aktiviert und ausgehandelt werden. Dabei zeigt sich, dass das jeweilige Verständnis eines Konzeptes z.T. erst im Prozess der Entstehung ist. Konzeptvorstellungen weisen daher, entsprechend der jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung (ZPD), in der sich ein Student / eine Studentin befindet, eine unterschiedliche Verarbeitungstiefe auf (umfassendes, vages oder lückenhaftes Verständnis eines Konzeptes). Abbildung 22 stellt diese Konzepte gegenüber (mentale Ebene: Fachkonzept versus Verständnis davon seitens der Studierenden) und veranschaulicht zudem die Möglichkeiten, das jeweils individuelle Verständnis zu benennen (verbale Ebene: fach- oder alltagssprachlich). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Studierenden sich in ihrer ZPD auf einem Kontinuum zwischen ihrem subjektiven Verständnis eines fachdidaktischen Konzepts (SK) und dem entsprechenden Fachkonzept (FK) sowie zwischen den verschiedenen Möglichkeiten, diese Konzepte zu benennen, bewegen. Hier lässt sich an einem Ende der theoretisch fundierte Fachbegriff (FB) und am anderen Ende eine Bezeichnung, die sich der Alltagssprache bedient (AB), unterscheiden. Die Übergänge sind hier in alle Richtungen fließend. So kann beispielsweise das didaktische Fachkonzept, dem Hören von Texten Aktivitäten voranzustellen, in denen das Vorwissen der Schüler/ innen aktiviert und auf die Hörübung eingestimmt wird (FK) als pre-listening activity bezeichnet werden (FB). Die Studierenden mögen eine Vorstellung von Textarbeit haben, in der der Unterrichtabschnitt vor dem Hören eines Textes primär dazu dient, einen Hörauftrag zu erteilen (SK) und würden dies vielleicht als Hinführung beschreiben (AB). Möglicherweise kennen sie auch den Begriff 355 (studentisches) Fachkonzept (FK) Alltagsbegriff (AB) (fachdidaktischer) Fachbegriff (FB) ( studentisches) Konzept (SK) mentale Ebene verbale Ebene pre-listening activity (FB), verbinden damit aber etwas anderes, als das Fachkonzept beinhalten würde (SK). Ebenso ist denkbar, dass das Fachkonzept verinnerlicht wurde (FK), jedoch nicht entsprechend benannt werden kann (AB). Abb. 22: Konzepte und deren Bezeichnung Die jeweiligen Vorstellungen der Studierenden über fachdidaktische Theorien und Prinzipien (SK) wirken bei der Aushandlung von Unterrichtsentwürfen oftmals implizit und zeigen sich an der Gesprächsoberfläche nur an einigen Stellen durch die Verwendung spezifischer Bezeichnungen (FB/ AB). Neben dem einfachen Anwenden von fachdidaktischen Prinzipien und dem Gebrauch entsprechender Begrifflichkeiten kommt es jedoch vielfach auch zu Aushandlungsprozessen, in denen Konzept- und Begriffsverständnisse aktiviert und in der Interaktion ko-konstruiert werden. Im Folgenden sollen die verschiedenen Positionen, die die Studierenden innerhalb der in Abbildung 22 dargestellten Eckpunkte an verschiedenen Stellen im Planungsgespräch einnehmen, analysiert und nachgezeichnet werden. Dabei werden vor dem Hintergrund soziokultureller Ansätze vor allem die Ko- Konstruktionsprozesse von Interesse sein, in denen gemeinsam einzelne Bereiche ausgelotet werden. Folgende Fragen sind dabei leitend: Was genau geschieht in diesen Aushandlungen? Wann und weshalb kommt es dazu bzw. mit welcher Absicht werden sie geführt? Inwiefern unterstützen sich die Studierenden dabei? In der rekonstruktiv hermeneutischen Analyse der Gesprächsdaten konnten dabei acht zentrale Bedeutungszusammenhänge rekonstruiert werden. 356 10.2.1 Sich verständlich machen: Die Erprobung fachspezifischer Konzepte und deren Versprachlichung Durch die Interaktion mit einer Partnerin / einem Partner kommt es dazu, dass die Studierenden im Planungsgespräch versuchen, ihre fachdidaktischen Vorstellungen und damit ihre jeweiligen Konzepte zum Ausdruck zu bringen. Dies lässt sich u.a. dann beobachten, wenn Vorschläge unterbreitet, Ideen entwickelt oder Begründungen geliefert werden. Häufig zeigt sich an jenen Stellen, dass die Studierenden bei der Formulierung ihrer Anliegen um die Verwendung adäquater Begrifflichkeiten ringen. Es kommt dabei zu Paraphrasierungen, alltagssprachlichen Beschreibungen oder zu einem Erproben fachspezifischer Begrifflichkeiten. Diese Suche nach passenden Ausdrucksmöglichkeiten kann in folgenden Gesprächssequenzen aus PG1 nachgezeichnet werden. Zu Beginn des Planungsgesprächs versucht Greta zum Ausdruck zu bringen, wie ihrer Ansicht nach der Planungsprozess begonnen werden sollte: 166 G […] Also wir müssten uns • • uns wieder einen Einstieg überlegen. Wie man die... Also, das Hauptthema/ wir müssen erst mal das Hauptthema für diesen Dialog... Das ist ja erstmal das Haupt... Wo wir dann letztendlich hin wollen. Der Rest ist ja nur Vorgeplänkel. PG1: 166, Greta Greta und Jennie planen eine Doppelstunde, in der die Schüler/ innen in der zweiten Hälfte der Doppelstunde in Partnerarbeit einen Einkaufsdialog erstellen sollen. Der Gesprächsausschnitt 166 zeigt, wie Greta mentale Planungshandlungen durchführt und diese gleichzeitig versucht zu kommunizieren. Der fragmentarische Charakter ihrer Äußerung könnte einerseits als ein Verweis darauf interpretiert werden, dass sie in jenem Moment versucht ihren Gedankengang, ähnlich wie beim Lauten Denken, direkt zu verbalisieren. Andererseits kann ihre Ausdrucksweise auch auf die Schwierigkeit hindeuten, ihre Gedanken adäquat in Worte zu fassen. Aus ihren Äußerungen kann rekonstruiert werden, dass Greta sich (entsprechend der üblichen chronologischen Vorgehensweise, vgl. Kap. 9.1.3) zunächst der Vorbereitung des Stundeneinstiegs widmen möchte (Also wir müssten uns • • uns wieder einen Einstieg überlegen…/ / Gs166). Sie realisiert dann aber, dass es zuerst wichtig wäre, zu überlegen, worauf die Schüler/ innen in der Stunde vorbereitet werden sollen, worin das Ziel der Doppelstunde besteht (das Haupt… Wo wir dann letztendlich hin wollen./ / Gs166), um dann daraus ableiten zu können, wie auf dieses Ziel hingearbeitet, d.h. in diesem Fall, wie die Aufgabe, einen Einkaufsdialog zu erarbeiten, angemessen vorbereitet und unterstützt (Vorgeplänkel) und der Einstieg dann dementsprechend gestaltet werden kann. Obwohl Gretas Begriffsverwendung stark alltagssprachlich, nach Begriffen suchend 357 und wenig fachsprachlich ist, wird hier eine Gedankenkette sichtbar, die zentrale Planungsschritte widerspiegelt und daher von großer Bedeutung ist: Greta erkennt die Relevanz, die das Präzisieren von Zielen für das Planen einer Unterrichtssequenz hat. Damit zeigt sie, dass sie ein Verständnis davon hat, dass es für die Planung einer solchen Stunde wichtig ist, sich zunächst damit zu beschäftigen, worin das Ziel der Stunde besteht, um die Schritte, die darauf hinführen, angemessen vorbereiten zu können. Ihr Konzept davon (SK) ist damit nicht weit von fachdidaktischen Vorstellungen zum Aufbau einer solchen Unterrichtssequenz (FK) entfernt. Es mangelt ihr letztlich vor allem daran, diese Vorstellung entsprechend zu versprachlichen. Ihre Gesprächspartnerin geht an dieser Stelle jedoch noch nicht darauf ein und es folgen einige Gesprächsschritte, in denen private Dinge ausgetauscht werden. In Gesprächsschritt 176 versucht Greta, ihre Gedanken wieder aufzunehmen: 176 G […] Also, das müssen halt mal/ das/ Dialog/ diesen/ den Hauptdialog... Weil ich mein shopping/ einen Dialog über shopping, finde ich sehr weit gefasst. ((3s)) Weißte, also irgendwie so n Thema müssen wir ja wieder haben. Sonst... 177 J ((liest)) Ich würde jetzt gern erstmal... ((2s)) Ich verstehe, warte mal= PG1: 176, Greta & Jennie Greta fokussiert nun direkt den Hauptdialog, d.h. sie hat sich entschieden, noch nicht den Einstieg zu planen und erst das Unterrichtsziel näher zu bestimmen und die Aufgabe zu präzisieren. Ihre Äußerungen deuten darauf hin, dass sie der Meinung ist, der Einkaufsdialog müsse in einen spezifischen situativen Kontext gebettet werden (irgendwie so n Thema müssen wir ja wieder haben), der enger gefasst ist, als das Thema shopping impliziert (einen Dialog über shopping, finde ich sehr weit gefasst). Jennie ist jedoch auch an dieser Stelle noch nicht bereit, auf Gretas Vorschlag einzugehen. Sie möchte erst die Aufgabenstellung im Buch verstehen. In Gesprächsschritt 178-193 beschäftigen sich Jennie und Greta daher mit den Vorgaben im Lehrbuch. Im Anschluss tauschen sie sich darüber aus, wie der dort angebotene Aufgabenkomplex (s. Anhang 6.1) zu verstehen und in ihrer Doppelstunde zu verwenden ist. 201 G Den einen sollten sie auswendig lernen. Genau. Also, wir müssten halt praktisch das/ diesen... Also, das ((zeigt auf Aufg. 18b)) würde ich halt als Vor • • geplänkel wirklich sehen, dass die einfach diese Struktur begreifen. 202 J Hm ̌ . Hm ̌ . 203 G Der eine sagt was, der andere sagt was. Es geht eben nicht nur: „Ja. Nein.“, sondern es würde eben richtig ausdiskutiert. Ich denk mal, das ist so dieses • • Hinführen, was man eben [hier] irgendwie bringen müsste. 204 J [Hm ̌ . Hm ̌ .] Ja. 205 G Das wäre hier wirklich nur Stoffsammlung. 206 J Ja. 207 G Dann müsste man eben eventuell noch • • so was ((zeigt auf Workbook)) eben [noch mal mit reinbringen]. 358 208 J [Würd ich schon] machen. Das ist schön. Ja, wenn man da noch was hat. 209 G Und ähm, und dann sollen die sich • • paarweise wieder zusammen finden und nen Dialog finden. ((3s)) Über shopping. Und dann müssen wir einfach nur ein Thema... 210 J Naja, und also zuerst sollen sie den machen ((zeigt auf Aufgabe 18b)), ne. 211 G Genau. Nee, wie gesagt, das... Also,... Ich, ich seh das so, dass dieses Haupt • • teil sozusagen... 212 J Ja, ich hab dich schon verstanden, aber trotzdem müssen die den machen. 213 G Naja, klar. • • • Aber alles vorher. Als Vorübung. 214 J Ja, natürlich, aber trotz dessen ist • • die Frage, ob wir den dann vorzeigen lassen und so. 215 G Ja. 216 J Ja. Gut. 217 G Den würd ich schon richtig... 218 J Hm ̄ . 219 G Weil ich mein, wir haben ja auch 45... Also... 229 J Ja, ich wollt grad sagen, dann lass uns doch das Feld diesmal doch lieber von hinten aufrollen. 230 G Ja deswegen. Das • • ist ja die ganze Zeit mein [• • ((lacht)) Ansatzpunkt]. 231 J [Um zu gucken wie s aussieht]. ((spricht ironisierend gereizt)) Dann sag das doch! 232 G Wäh! ((lacht)) 233 J Sag doch, ich will von hinten anfangen! 234 G Ich will von hinten anfangen! 235 J Okay, dann fangen wir von [hinten an]. 236 G [Okay], wir machen nen Dialog. ((lacht)) ((schreibt)) Diaaloog. PG1: 201ff., Greta & Jennie Die etwas unterschiedliche Interpretation der Lehrbuchvorgaben führt an dieser Stelle zu Aushandlungsprozessen, die trotz (bzw. gerade wegen) leichter Missverständnisse und Ausdruckschwierigkeiten Einblick in die Vorstellungen der Studierenden (SK) gewähren. Es wird dabei insbesondere deutlich, dass Greta schon über ein recht umfängliches Verständnis davon verfügt, wie sie eine Unterrichtssequenz strukturieren würde, die die Schüler/ innen anleitet, einen Einkaufsdialog zu schreiben: Es ist aus ihrer Sicht sinnvoll, zunächst das Ziel bzw. die Aufgabe zu konzipieren, was damit verbunden ist, einen Kontext zu spezifizieren, der einen authentischen situativen Rahmen vorgibt. Die Aufgaben (18a und b) im Lehrbuch (s. Anhang 6.1) werden von Greta als vorbereitende Übungen verstanden, die den Schüler/ innen Redemittel und eine mögliche Dialog-Struktur vorgeben, die komplexer ist, als nur Ja-/ Nein-Fragen zu stellen. Gretas Wissen über die sinnvolle Sequenzierung von Unterrichtsphasen ist trotz ihrer Ausdrucksschwierigkeiten demnach relativ umfangreich, die Stufe der Begriffsverwendung ist jedoch erst im Prozess des Entstehens. Greta verwendet größtenteils alltagssprachliche Begriffe (Hauptthema, Haupt…, wo wir dann letztendlich hin wollen, Vorgeplänkel, Stoffsammlung). 359 In Gesprächsschritt 201 versucht sie jedoch, einen entsprechenden Begriff aus der (fach)didaktischen Theorie zu verwenden (Ich denk mal das ist so dieses • • Hinführen, was man eben [hier] irgendwie bringen müsste), um ihr Verständnis der Lehrbuchvorgaben Jennie gegenüber zu unterstreichen. Greta umschreibt mehrfach, dass aus ihrer Sicht die Lehrbuchaufgabe 18b als eine Art pre-task für die eigentliche Dialogaufgabe zu verstehen ist und verwendet dabei verschiedene Begriffe: Vorgeplänkel, Hinführung, Stoffsammlung, Vorübung. Greta versucht hier, unter Rückgriff auf verschiedene Termini Jennie ihr Verständnis der Lehrbuchaufgaben zu verdeutlichen. Jennies Problem ist an dieser Stelle vermutlich, dass die Aufgabe 18b eigentlich auch schon die Erarbeitung eines Dialoges beinhaltet (Prepare a dialogue and act it out for the class, s. Anhang 6.1) und die Schüler/ innen mit zwei Dialogen evtl. überfordert sein könnten. Nachdem dann jedoch geklärt wurde, dass der eigenständig erarbeitete Dialog erst in einer anschließenden Stunde vorgetragen wird und der Übungsdialog (Aufgabe 18b) als Vorbereitung auf die Einkaufsdialog-Aufgabe, die die Studierenden frei konzipieren, dient, geht Jennie auf Gretas ursprüngliches Anliegen ein und unterbreitet den Vorschlag, sich zuerst mit der Ausgestaltung der Dialog-Aufgabe zu beschäftigen (dann lass uns doch das Feld diesmal doch lieber von hinten aufrollen). Im Versuch, Jennie ihren Standpunkt zu verdeutlichen, sucht Greta nach immer neuen Wegen ihre Vorstellungen angemessen zu versprachlichen. Sie experimentiert gewissermaßen mit verschiedenen möglichen Begrifflichkeiten. Dieses Erproben von Konzeptverständnis (SK) und Begrifflichkeiten (AB/ FB) in der Interaktion mit einer Kommilitonin bietet Potential für schemabildende Prozesse, in denen Vorstellungen über Unterricht im planerischen Handeln aktiviert und ausgehandelt werden. 10.2.2 Fachsprachliche Kommunikation: Das Aushandeln fachspezifischer Termini Wie im vorausgehenden Unterkapitel beschrieben, versuchen die Studierenden im Prozess des Vorbereitens vielfach, ihre jeweiligen Vorstellungen von didaktischen Konzepten zu kommunizieren. Dabei wird auf alltagssprachliche Formulierungen zurückgegriffen oder es kommt dazu, dass fachsprachliche Termini erprobt oder verwendet werden. Die untersuchten Gesprächsdaten zeigen außerdem, dass Aushandlungen z.T. direkt von fachspezifischen Begriffen ausgehen und diese dann im Zentrum entsprechender Gesprächssequenzen stehen. Jene Thematisierung von Begrifflichkeiten soll im Folgenden anhand von Ausschnitten aus dem Planungsgespräch 2 gezeigt werden. Ute und Maren planen eine Doppelstunde zum Hör- und Leseverstehen, in der jede der beiden Studierenden eine 45-minütige Einheit durchführen wird. 360 Im Planungsgespräch verwenden sie mehrfach die Begriffe pre-, whileand post-listening-/ reading-activities zur Bezeichnung verschiedener möglicher Aktivitäten zur Auseinandersetzung der Schüler/ innen mit den zur Verfügung stehenden Lehrwerkstexten. Dabei werden die Begriffe verwendet, um sich im Planungsprozess miteinander zu verständigen oder um Entscheidungen zu begründen. An mehreren Stellen kommt es auch dazu, dass über das jeweilige Verständnis der diesen Termini zugrundeliegenden Konzepte gesprochen wird, wie z.B. in folgenden Gesprächsschritten: 1089 U […] Also wir vergleichen den ersten Teil, wie du das schon gesagt hast. Die beantworten dann • post-listening-activities: Was ist in der Geschichte? Das müssen die mir [dann sagen]. 1090 M [Das ist die] while-listening-activity. 1091 U Nee, aber danach müssen wir [ja vergleichen]. 1092 M [Die post]-listening-activity, genau, ist die Ergebnissicherung. 1093 U Genau. Post-listening ist Ergebnissicherung. PG2: 1089ff., Maren & Ute Maren und Ute hatten geplant, den Schüler/ innen für ein erstes Hören eines Hörtextes die Aufgabe zu stellen herauszufinden, worum es in dem Text geht. Für Ute ist die Beantwortung der Frage bereits eine post-listening-Aktivität, was - wenn man die Bedeutung des Begriffs vom Wort (post-activity) ableitet - durchaus naheliegend ist. Die fachdidaktische Literatur bezeichnet mit postlistening/ reading-Aktivitäten jedoch meist eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem Text, die sich an ein vorheriges Sichern des Verständnisses durch while-activities anschließt und das Textverständnis vertieft (z.B. interpretative Schritte, Perspektivenwechsel, focus-on-form, vgl. z.B. Müller-Hartmann & Schocker-v. Ditfurth 2004: 81f.). Während Maren anfangs noch richtig einwendet, dass die geplante Aufgabe eine while-listening-Aktivität ist, lässt sie sich dann im Verlauf des Gesprächs von Utes Sicht, dass der Vergleich der Aufgabe schon die post-listening-activity wäre, beeinflussen und stimmt Ute hier zu. Ein ähnliches Problem ergibt sich im Gesprächsverlauf in Bezug auf die Unterscheidung zwischen pre- und while-listening-Aktivitäten. Maren unterbreitet hier einen Vorschlag, wie Ute eine while-listening-Aufgabe stellen könnte, an die sich die Frage anschließt, welche Art von Aktivität dies denn sei: 1245 M ((Nickt)) Ja. So jetzt hast du für den zweiten Teil/ kannst du ja echt sagen: "Jetzt wisst ihr, wie die Tabelle ausgefüllt wird= 1246 U =Hm ̌ . 1247 M Jetzt hört ihr bitte hin. ((2s)) Ihr füllt bitte den zweiten Teil der Ta/ oder ihr füllt die Tabelle für den zweiten Text aus. ((2s)) Und achtet dann natürlich drauf: Gibt es denn nen presenter? Gibt es models? Wenn ja, wer sind oder ist presenter und models? Was haben die an? Was erfahren wir darüber? " 1248 U ((Räuspert sich)) ((4s)) Das wär dann auch wieder ne pre-listening, ne? 1249 M Das ist while. 361 1250 U While-listening, genau. 1251 M Die pre-listening activity hast du in dem Moment nicht direkt davor, sondern das ist die da ((deutet auf Stelle im Buch)). 1252 U Hm ̌ . [Dass wir... ja]. 1253 M [Die ham doch] schon Mutmaßungen angesteckt und/ äh stellt. Und das ist ne 1254 U Vorbereitung. 1255 M pre-listening activity für beide Texte. 1256 U ((Nickt)) Genau. 1257 M Ne? Also pre hast du drin. [While hast du] 1258 U [(Pre für) while]. 1259 M jetzt • • Tabelle ausfüllen. ((M und U schreiben, 4s)). PG2: 1245ff., Maren & Ute Ute stellt in Gesprächsschritt 1248 die Frage, ob das Stellen eines Hörauftrags für die Hörübung eine pre- oder while-Aktivität ist, denn wie zuvor impliziert der Wortlaut pre-listening aus Utes Sicht vermutlich, dass sich dies auf alles bezieht, was vor dem Hören des Textes passiert. Maren antwortet, dass es sich dabei um die while-activity handelt, sie bietet jedoch keine explizite Erklärung dafür an. Sie führt nur aus, dass die pre-listening-Aktivität bereits darin bestand, die Schüler/ innen spekulieren zu lassen, worum es in dem Text gehen könnte. An späterer Stelle im Gespräch wird nochmals ersichtlich, dass Ute immer noch Probleme mit den Begrifflichkeiten hat und gern Klarheit darüber hätte. Sie fragt nochmals bei Maren nach, als beide gegen Ende des Gesprächs über die zeitliche Strukturierung der Stunde nachdenken: 1345 M "What's the story of the dress? " 1346 U Hm ̌ . 1347 M Was denkste? • • • Zwei? 1348 U Also so viele Ideen werden die vielleicht gar nicht haben. Also so drei Minuten oder so. 1349 M Zwei, drei [ja]. 1350 U [Ja]. 1351 M Das zweite Hören: multiple choice-Fragen... 1352 U Warte mal, warte mal ähm nach post/ post-listening ja war das? ((Schreibt, 2s)). 1353 M Das ist ne while! 1354 U (While)... Ach ja ((schüttelt Kopf über sich selbst)) ja while! PG2: 1345ff., Maren & Ute Ute denkt hier aus der Lehrerperspektive vor allem an die Phasen, in denen die Hörübungen verglichen werden (Also so viele Ideen werden die vielleicht gar nicht haben/ / Gs1348), was wiederum, wie in Gesprächsschritt 1089ff. (s. o.), aus ihrer Sicht Aktivitäten sind, die erst nach dem Hören stattfinden (post-listening ja war das? / / Gs1352). Zudem hatte Maren zuvor zugestimmt, dass die Ergebnissicherung als post-listening-Aktivität betrachtet werden kann, so dass aus 362 Utes Perspektive eine Verunsicherung verständlich ist. Maren verzichtet hier auf eine Erklärung und Ute ist zu verunsichert, um nachzufragen. Die Verwendung jener fachsprachlichen Termini (FB) ist hier vermutlich bedingt durch die Einbettung der Planungssituation in den Rahmen der SPS. Einerseits sind die Studierenden bestrebt, den obligatorischen tabellarischen Verlaufsplan so zu erstellen, dass er jene fachdidaktischen Begriffe in adäquater Weise enthält. Andererseits zeigt die Begriffsverwendung, dass Maren und Ute sich deutlich an einer Art der Stundenstrukturierung orientieren, die ihnen in der universitären Lehre oder in den SPS vermittelt wurde. In den oben dargestellten Sequenzen zeigt sich vor allem Utes Bedürfnis, die Begriffe verstehen und richtig verwenden zu wollen. Das Planungsgespräch könnte daher eigentlich als Gelegenheit wahrgenommen werden, jene Unsicherheiten zu besprechen und zu klären. In den dargestellten Beispielsequenzen aus dem Gespräch zwischen Ute und Maren wird diese Chance nur teilweise genutzt. Es sind mehrfache Ansätze ersichtlich, die Bedeutung der Begriffe auszuhandeln, wobei die Interaktionen jedoch meist nur aus kurzen Frage-Antwort-Sequenzen bestehen (U: Das wär dann auch wieder ne pre-listening, ne? / M: Das ist while. / U: While-listening, genau./ / Gs1248-1250). Wenn Aushandlungsprozesse stattfinden, bleiben diese sehr kurz (Nee, aber danach müssen wir ja vergleichen/ / Gs1091) oder sind nicht so strategisch ausgerichtet, dass sie die jeweilige Partnerin in ihrer Zone der nächsten Entwicklung unterstützen können (s. Gs1251ff.). Das Planungsgespräch bietet hier für beide Studierenden die Möglichkeit, Lücken in ihrem Begriffsverständnis (SK) aufzudecken. Es fehlen jedoch Gesprächssequenzen, in denen das Verständnisproblem explizit thematisiert wird und auf einer abstrahierenden Ebene, die sich vom Unterrichtsgeschehen löst, über das Phänomen gesprochen wird. Dies mag z.T. daran liegen, dass auch Marens Konzept, wie in den Gesprächsschritten 1089-93 deutlich wird, noch nicht gefestigt und erst im Prozess der Entstehung ist. Weitere Gründe für das Nicht-Zustandekommen entsprechender Aushandlungsprozesse stehen vermutlich in Zusammenhang mit den Rollen, die beide Planenden hier einnehmen (Maren als Person mit einem Wissensvorsprung und daher als deutlich dominantere Person, Ute als verunsicherte Ratsuchende), mit der daraus resultierenden Art und Weise, wie zusammen gearbeitet wird, und mit dem Vertrauensverhältnis, das zwischen beiden Partnerinnen besteht. In den übrigen Gesprächsdaten lassen sich jedoch Sequenzen finden, in denen Aushandlungsprozesse über fachsprachliche Termini so verlaufen, dass eine oder beide Personen davon profitieren. Oftmals kommt es dazu, wenn das Erstellen des tabellarischen Unterrichtsentwurfs fokussiert wird und die Studierenden bestrebt sind, fachdidaktische Termini adäquat zu verwenden. 363 Die Verwendung von Fachsprache zeigt sich vielfach in den Gesprächen, auch ohne dass es zu Bedeutungsaushandlungen kommt. 406 R Is ja egal, hm ̌ . Ich würd s auf alle Fälle vielleicht erst mal hören lassen und ne listening-Aufgabe geben. PG5: 406, Rieke In dieser Sequenz wird sichtbar, dass sowohl Rieke als auch ihre Planungspartnerin Nina ein Wissen darüber besitzen, dass Hörtexte i.d.R. mit listening-Aufgaben verbunden werden. Die Verwendung des Begriffs listening-Aufgabe verweist auf eine gemeinsame Wissensbasis, einen common ground, den beide Gesprächspartnerinnen teilen. Die Verständigung über Unterricht wird damit erleichtert. Sie wird präziser und effektiver. Mitunter dient der Rekurs auf fachdidaktische Konzepte in Form von Fachtermini auch dazu, eine Entscheidung zu begründen: 167 C Dann würd ich die sentences, die wir zuerst verwendet hatten, noch mal umformen lassen in reported speech, das ist ja dann, sozusagen, diese guided practice. PG7: 167, Clara Clara schildert ihrer Planungspartnerin, wie sie eine zuvor eingeführte Struktur mit den Schüler/ innen im Anschluss an eine Bewusstmachungsphase üben möchte. Der Nachtrag, dass es sich dabei um eine guided-practice-Aktivität handelt, scheint hier als eine Art Begründung zu dienen. Sie macht Ellen gegenüber deutlich, dass sie sich in ihrer Vorbereitung zu Hause an der Schrittfolge orientiert hat, die vermutlich im Seminar als eine mögliche Art des Umgangs mit Grammatik im Fremdsprachenunterricht besprochen wurde (vgl. Ur 1996: 84). Sie setzt damit voraus, dass auch Ellen dieses Wissen teilt und Claras Idee vor diesem Hintergrund einschätzen kann. Wenngleich Begriffe nicht immer adäquat verwendet werden, so bietet das Planungsgespräch die Möglichkeit, die Verwendung jener Termini zu erproben und die spezifische Sprache zu üben, die charakteristisch für die Praxisgemeinschaft der Englischlehrenden ist. Erst durch die Nutzung fachspezifischer Sprache wird den Studierenden die Teilhabe an jener Praxisgemeinschaft ermöglicht und das Gespräch im geschützten Rahmen einer dyadischen Interaktion mit Kommiliton/ innen trägt dazu bei, diese Sprache zu erlernen. 10.2.3 Differierende Sichtweisen: Das Aushandeln fachspezifischer Konzepte Wird im Prozess des Vorbereitens einzelner Unterrichtsabschnitte deutlich, dass die Studierenden von unterschiedlichen Vorstellungen über den thematisierten Sachverhalt ausgehen, kommt es zu Aushandlungsprozessen, in denen 364 jene Vorstellungen verbalisiert und am konkreten Fall durchgespielt und reflektiert werden. In der folgenden Gesprächssequenz treffen die Auffassungen von Hendrik und Ellen in Bezug auf die Vermittlung einer grammatischen Struktur (die indirekte Rede im Englischen) aufeinander. Ihre differierenden Sichtweisen führen zu folgender Aushandlung: 527 H Also nen/ is ja ne Alternative. Also is jetzt nur eine Idee, die möglich wäre, ne andere die möglich wäre, man sucht einfach nen andern Text, wo • so • Jugendliche, etwa in dem Alter von unsrer achten Klasse über irgendetwas reden, was Jugendliche interessiert. Und man baut in dem Text einfach immer um, was die sagen. Also es sollte/ es müsste einfach irgend nen Dialogtext sein, wo Jugendliche sich über irgendwas unterhalten, was weiß ich, über ihre Freizeitaktivitäten, was sie gerne machen. • • Oder... 528 E Aber bevor wir zum Text kommen, ((1s)) ähm, muss ich ja erstmal ähm, die Hinführung machen, ne? ((2s)) 529 H Ähm... ((2s)) 530 E Und da wollt ich eben anfangen, herauszustellen/ also ich wollte zwei Sätze an die Tafel schreiben: • • „I speak English“ • und „He says that he speaks English“, or what so ever, ja? Total egal. Und dann mit den Kindern zusammen erarbeiten, was sich ändert. 531 H ((2s)) Hm ̄ , das find ich zum Beispiel… Deswegen hatte ich jetzt auch das Thema Text thematisiert. Ich hätte die das eben wieder aus dem Text rausfischen lassen. Und dann da... <E LE: 532 > 533 E Find ich riskant. Ich finde, sie sollten erst wissen, was/ • • wie sieht indirekte Rede aus und was ist es eigentlich, bevor ich anfangen lass/ bevor ich sie anfangen lasse, sie irgendwas rauszusuchen, von dem sie gar nicht wissen, was es ist. 534 H Hm ̄ . Na, und dass es ansonsten ne... ((1s)) Also ich ich find halt/ ich find s halt nen bisschen/ ich find s ((1s)) dann schwierig, wenn s einfach direkt vom Lehrer an die Tafel kommt. Also • • ohne dass es halt • • irgendwie nen Schüler initiiert hat. Weil dann iss es halt • so • nen Inhalt der/ dann iss es nicht den ihr Inhalt, dann iss es dein Inhalt. Weißte? 535 E Is ja nen Lehrziel, und kein Lernziel, ja? 536 H ((lacht)) ((3s)) Hm ̄ ... 537 E Naja gut, aber irgendwie muss ich ja, also ich mein, das is nen wichtiger Punkt, • • • ja? Und irgendwie muss ich denen das doch... 538 H Ääh, j... 539 E Einmal klar/ kurz und klar und deutlich machen. 540 H Hm ̄ ((2s)). PG3: 527ff., Hendrik & Ellen Hendrik und Ellen sprechen schon zuvor über Möglichkeiten, die indirekte Rede einzuführen. Hendrik hatte vorgeschlagen, eine Übung im Lehrbuch zu modifizieren, was Ellen ablehnt. In Gesprächsschritt 527 schlägt Hendrik vor, als zweite mögliche Variante einen Text als Induktionsbasis für eine anschließende gemeinsame Erarbeitung der Struktur mit den Schüler/ innen zu verwenden. Zunächst spricht er von einem Text und spezifiziert dann, dass ein Text in Dialogform sinnvoll wäre (es müsste einfach irgend nen Dialogtext sein/ / Gs527), 365 vermutlich weil ihm bewusst wird, dass damit Sätze in direkter Rede vorliegen würden, die dann in indirekte Rede umformuliert werden können. Wichtig ist ihm dabei auch, dass der Textinhalt der Lebenswelt der Schüler/ innen entspricht (wo • so • Jugendliche etwa in dem Alter von unsrer achten Klasse über irgendetwas reden, was Jugendliche interessiert/ / Gs527). Ellen entgegnet darauf, dass die grammatische Struktur doch erst erklärt werden müsse, bevor mit Texten gearbeitet werden kann (Aber bevor wir zum Text kommen, ((1s)) ähm, muss ich ja erstmal ähm, die Hinführung machen, ne? / / Gs528). Sie verwendet den Begriff Hinführung und meint damit vermutlich die Bewusstmachung der Struktur. Die grammatische Struktur sollte aus Ellens Sicht gemeinsam mit den Schüler/ innen erarbeitet werden (Und dann mit den Kindern zusammen erarbeiten, was sich ändert/ / Gs530), dabei geht sie jedoch von dekontextualisierten Beispielsätzen aus (I speak English). Aus Ellens Entgegnung in Gesprächsschritt 528 ist zu erkennen, dass sie Hendriks Vorschlag nicht als eine mögliche Form der kontextualisierten Präsentation einer Struktur, quasi als Alternative zu ihren zwei Sätzen erkennt. Hendriks Aussage (Und man baut in dem Text einfach immer um, was die sagen/ / Gs527), klingt für Ellen eher, als wäre es eine Möglichkeit, die Struktur zu üben, nicht sie zu erarbeiten. Hendrik greift in Gesprächsschritt 531 seinen Gedanken nochmals auf, indem er erwidert, dass er die Struktur lieber anhand eines Textes und damit kontextualisiert erarbeiten würde (Ich hätte die das eben wieder aus dem Text rausfischen lassen./ / Gs531). Das Rausfischen-Lassen verweist auf Hendriks Kenntnis über ähnliche Aufgabentypen, in denen Schüler/ innen eine bestimmte Struktur in einem Text finden sollen (z.B. Find all the verb forms with -ed in the text). Seine Vorstellungen gehen hier in eine aus fachdidaktischer Sicht sinnvolle Richtung. Die Idee für die Gestaltung dieser Unterrichtssequenz ist an dieser Stelle jedoch noch nicht ausgereift bzw. nicht eindeutig formuliert: Sind die Aussagen in direkter Rede schon umgestellt und geht es nur um ein noticing oder werden die Aussagen gemeinsam mit den Schüler/ innen in indirekte Rede umgeformt? Für Ellen ist das, was sie sich unter Hendriks Vorschlägen vorstellt, riskant (Gs533). Dies könnte darauf hindeuten, dass es aus ihrer Sicht für die Schüler/ innen eher zu einem Verständnis kommt, wenn sie es ihnen erklärt, als wenn sie es sich eigenständig erarbeiten müssen. Es könnte aber auch sein, dass Ellen auf eben jenen bekannten Aufgabentyp (Find all the … in the text) reagiert und die Schüler/ innen ihrer Meinung nach erst etwas herausfinden können, wenn sie es verstanden haben (sie sollten erst wissen, was/ wie sieht indirekte Rede aus, und was ist es eigentlich/ / Gs533). Damit hat sie teilweise auch Recht, denn den Schüler/ innen den Auftrag zu erteilen, alle Sätze mit indirekter Rede herauszufischen, ohne dass sie wissen, was das ist, würde nicht funktionieren. Für Hendrik ist damit die Diskussion über die Verwendung eines Textes vorerst beendet, wobei er an seinem Punkt festhält und erneut versucht deutlich zu machen, 366 dass eine grammatische Struktur aus seiner Sicht kontextualisiert vermittelt werden sollte. Er meint, die dekontextualisierten Sätze an der Tafel würden nicht von den Schüler/ innen kommen (Weil dann iss es halt • so • nen Inhalt der/ dann iss es nicht den ihr Inhalt/ / Gs534), was prinzipiell nicht so schlimm wäre, wesentlich dabei ist jedoch, dass sie inhaltsleer sind. Das formuliert Hendrik nicht so klar, doch seine Äußerung lässt darauf schließen, dass ein Verständnis von kontextualisierter Grammatikvermittlung in Ansätzen vorhanden ist. Er ist diesem Konzept vermutlich in Lehrveranstaltungen begegnet, hat es verstanden und hält es auch für sehr bedeutsam. Er kann es Ellen aber noch nicht so erklären, dass sie es nachvollziehen kann und dass es sie überzeugt. Es ist jedoch im anschließenden Gesprächsschritt (Gs535) ein kurzes Reflektieren und Innehalten zu erkennen (E: Is ja nen Lehrziel, und kein Lernziel, ja? / / H: ((lacht)) ((3s)) Hm ̄ ... / / E: Naja gut, aber…). Sie scheint hier zu versuchen, Hendriks Äußerungen in irgendeiner Art in ihr Erfahrungswissen einzuordnen und aktiviert Vorstellungen, die vermutlich mit Forderungen nach einer stärkeren Schülerorientierung verbunden sind. Der Moment des Nachdenkens wird auch durch das anschließende naja gut als Indikator eines Themenwechsels deutlich. Ellen misst Hendriks Aussagen scheinbar durchaus Bedeutung bei, kann sie aber nicht für sich und die Lösung des Planungsproblems nutzen. Sie wiederholt daher in Gesprächsschritt 537 und 539 ihre Auffassung, dass sie eine lehrerseitige Bewusstmachung der Struktur für notwendig erachtet (Und irgendwie muss ich denen das doch einmal kurz und klar und deutlich machen). Im weiteren Verlauf des Gesprächs zeigt sich eine interessante Phase der Konzipierung dieses Unterrichtsabschnitts, die durch die Vorstellungen beider Studierenden geprägt ist. Hendrik schlägt vor, mit Sätzen zu arbeiten, die aus einer Kommunikationssituation mit den Schüler/ innen abgeleitet werden und dadurch bedeutungsvoll sind: 544 H […] also irgendwie so ne Aufgabenstellung zu finden, dass sie, dass sie wieder etwas über sich oder ihr Leben oder irgend nen Aspekt ihres Lebens aussagen, • • und man dann • ähm • nen andern ((2s)) ähm/ ((2s)) sagen wir zum Beispiel: • Was machst du gern in deiner Freizeit? […] PG3: 544; Hendrik Danach könnten diese Schüleraussagen in indirekter Rede wiederholt werden. Für Ellen ist ein solches Gespräch jedoch unmotiviert und zusammenhangslos, da der Grund dafür aus Sicht der Schüler/ innen nicht nachvollziehbar ist: 563 E Dann wissen die aber nicht, was ich von denen will. 564 H ((1s)) Naja, wir müssen das vielleicht noch nen bisschen cleverer anstellen als bei mir, dass die Konzeption eben mit an die Tafel kommt, nach nen paar Mal ((1s)) Also ich bin/ also es is einfach… • Ähm • so ne • so ne Abfolge, die so vorgeschlagen wird, jetzt in dem Didaktikseminar, ist: exposure, notice, ((1s)) ähm ((2s)) exposure, notice, wie ging s weiter? Also, auf jeden Fall kam da 367 direkt die Phase • understand ziemlich weit hinten. Also dass die durchaus das schon einfach erst mal sehen, so n bisschen damit/ benutzen und umgehen sollen, bevor es einfach sofort aufgelöst wird und denen mundgerecht • • also • an die Tafel geschrieben wird. 565 E Ja das... 566 H Das ist das, wo ich halt nen bisschen mehr noch hin/ wo ich denke, da müssen wir noch nen bisschen hin könnten, dabei. 567 E Aber mit welchem Ziel mache ich das? Also ich mein, ich kann mich natürlich da vorne hinstellen und fünfmal fragen: Was machst du in deiner Freizeit? Und das wiederholen lassen. Aber ich muss ja vorher sagen, warum wir das machen. 568 H ((3s)) Naja stimmt, das sollte dann... • • Hm ̄ ((4s)) naja, das führt uns zur Frage des Themas der Stunde. Also wenn wir halt eben so nen Thema finden, das ((1s)) die Stunde so überspannt... PG3: 563; Ellen & Hendrik Während Ellens Aussage in Gs557 vermutlich eher methodisch gemeint ist, in dem Sinne, dass sie denkt, ein unvermitteltes Ausfragen der Schüler/ innen über ihre Freizeitaktivitäten und ein anschließendes Wiedergeben der Aussagen in indirekter Rede wäre aus Schülersicht in dem Moment in keinen logischen Zusammenhang gebettet, ist Hendriks Verständnis von Ellens Aussage eher auf das Verstehen und Produzieren der grammatischen Struktur gerichtet. Er denkt, durch die Visualisierung der Struktur an der Tafel könnte den Schüler/ innen vermittelt werden, „was die Lehrerin von ihnen will“, d.h. in seinem Verständnis die Wiedergabe der gemachten Aussagen in indirekter Rede. Gleichzeitig versucht Hendrik, die in den fachdidaktischen Seminaren thematisierten Möglichkeiten der Grammatikvermittlung in seine Überlegungen mit einzuflechten. Die Verwendung der englischen Termini exposure, notice und understand deutet darauf hin, dass er sich hier an Scriveners sechs Schritte im Prozess der Grammatikvermittlung erinnert, die Inhalt fachdidaktischer Lehrveranstaltungen sind: exposure, notice, understand, experiment, use, remember (Scrivener 2011: 158). Seine Gedanken könnten auch von Ziegésars erwerbsorientierter Grammatikvermittlung beeinflusst sein, die tatsächlich die Phase der Bewusstmachung erst nach der Begegnung, dem Verständnis des entsprechenden Sinnzusammenhangs und der reproduktiven Verwendung der Struktur erfolgt (Ziegésar & Ziegésar 1998). Dieser Aspekt der nachträglichen Bewusstmachung (nachdem Sätze mit jener Struktur bereits inhaltlich verstanden wurden) ist für Hendrik hier von Bedeutung (Also dass die durchaus das schon einfach erst mal sehen, so n bisschen damit/ benutzen und umgehen sollen, bevor es einfach sofort aufgelöst wird und denen mundgerecht • • also • an die Tafel geschrieben wird./ / Gs558). Der Verweis auf den theoretischen Hintergrund erfolgt vermutlich, um seiner Position Ellen gegenüber Nachdruck zu verleihen und seine Argumentation zu begründen. Vielleicht erhofft er sich dadurch auch, dass Ellen seine Vorschläge besser nachvollziehen kann. Es kann 368 aber auch als Ausdruck dessen verstanden werden, dass es auch seinerseits erst an dieser Stelle vor dem Horizont der praktischen Planungsbzw. Unterrichtssituation zu einem Verstehen der Theorie kommt. Auch ein Rückgriff auf Seminarinhalte aus Gründen sozialer Erwünschtheit ist hier nicht auszuschließen. Ellen widerspricht dem nicht, nimmt hier jedoch die Perspektive der Schüler/ innen ein, die Sinn darin sehen sollten, über Freizeitaktivitäten zu berichten. In Gesprächsschritt 561 fragt Ellen, welches Ziel den Schüler/ innen gegenüber damit verfolgt werden würde. Während ihr ursprünglicher Plan dekontextualisierte Sätze enthält, lässt sie sich nun in den anschließenden Gesprächsschritten darauf ein, ihre Beispielsätze stärker an der Lebenswelt der Schüler/ innen zu orientieren und zeigt damit, dass sie es durchaus für wichtig erachtet, sinnvolle Kommunikation zu fördern. Im Anschluss an Gs562 suchen daher beide nach einem passenden Stundenthema, dass nicht nur zur Erarbeitung der Struktur verwendet, sondern auch die ganze Stunde über als Rahmen dienen kann. Es wird in Erwägung gezogen, Schwerhörigkeit vorzutäuschen (E: […] und vorher sag ich, ich war gestern irgendwie aufm Konzert, hab zu laut Musik gehört, ne? Und dann sagt/ und antwortet er mir, und ich sage: „Was hast du gesagt? / / Gs573), einen thematisch passenden Text zu suchen (H: […] wenn man dann noch nen Text machen will… Man könnte probieren, ob man nen Text findet über • ähm • • hörgeschädigte Jugendliche. / / Gs576) oder mit Gerüchten zu arbeiten - eine Idee, die Ellen schon zu Beginn des Planungsgesprächs als eine mögliche Art der Kontextualisierung hatte und die nun wieder aufgegriffen wird: 602 H ((2s)) Hm ̄ , • • aber aus Gerüchte nen Überga.../ also aus Gerüchten • nen einheitliches Thema zu machen, is einfach. Also damit kannste auch n Einstieg machen, • • glaub ich. Also mir fällt jetzt grad im Moment auch nix ein, aber... Also einfach ausm Bauch heraus, ist das bestimmt nicht so sehr schwer, weiß nich, • • da mit nen bisschen Brainstorming • auf was zu kommen. Die Sache is einfach, Gerüchte, das is halt auch... 603 E Äh, Idee, Achtung: Idee! Ich verteil äh an dieser Stelle schon die Zettelchen, die kleinen, auf denen die Gerüchte draufstehen. In den ganz einfachen Zeitformen, einfach nur Sätze, statements, und bitte die Kinder, das vorzulesen. Und dann wiederhole ich das in reported speech: „You said that... 604 H Hm ̌ . ((3s)) Oder vielleicht gleich 3. Person. Also, so • “Indra says that Romal ((1s)) hm ̄ , was weiß ich wears • • socks with different colours every morning” ((lacht)). Naja, is halt, also is die Frage welche Art von Gerüchten das sein soll, ob s Gerüchte über... es können völlig absurde Gerüchte über die Schüler selber sein... PG3: 602, Ellen & Hendrik Damit haben Hendrik und Ellen vorerst ein Thema gefunden, anhand dessen eine Erarbeitung der indirekten Rede in der geplanten Stunde erfolgen soll. Das Anliegen von Hendrik, von bedeutungsvollen Inhalten auszugehen, ist damit erreicht. Auch Ellens Auffassung, nicht mit einem Text zu arbeiten, wird hier 369 umgesetzt. Ellens ursprüngliche Idee, zwei Sätze in direkter und indirekter Rede gegenüber zu stellen, bleibt bestehen, jedoch werden dafür Aussagen verwendet, die zuvor in einen (minimalen) Kontext gebettet wurden. Der komplexe Prozess der konzeptionellen Gestaltung dieses Unterrichtsabschnitts stellt sich hier als Aushandlung auf mehreren Ebene dar. Es werden Unterrichtsschritte durchdacht und diskutiert und gleichzeitig Bedeutungen ausgehandelt, die sich auf wichtige Fragen hinsichtlich der Vermittlung von Grammatik im Fremdsprachenunterricht beziehen: Wie kann eine grammatische Struktur induktiv erarbeitet werden? Welche Schritte sind dabei zu berücksichtigen? Anhand welcher Beispielsätze oder -texte kann man etwas erarbeiten? Wie nimmt man die Schüler/ innen dabei mit, so dass sie einerseits wissen, worum es geht, andererseits nicht mit Grammatik überfallen werden? Wie kann Grammatik motivierend vermittelt werden? Diese Aushandlungsprozesse basieren auf den jeweiligen Vorstellungen der Teilnehmenden über ihr Konzept von „Grammatikvermittlung“, sie speisen sich aus eigenen Lernerfahrungen, aus Erfahrungen im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen und aus konkreten Erfahrungen mit der Klasse. Die Interaktionsprozesse zwischen Hendrik und Ellen zeigen, dass beide ein spezifisches Verständnis von fachdidaktischen Konzepten haben (SK), das durch die Problemstellung, eine Unterrichtssequenz gemeinsam zu planen, an die Oberfläche kommt und im Planen verhandelt wird. Hendrik konnte in diesem Prozess sein Verständnis im Versuch der Verbalisierung erproben und vertiefen. Dabei stößt er an einige Grenzen, die ihn jedoch nicht davon abhalten, Ellen weiter von seiner Idee, auch wenn sie noch vage ist, zu überzeugen. Er kann sich hier innerhalb seiner eigenen Zone der proximalen Entwicklung verorten und möglicherweise Grenzen seines Konzeptverständnisses erkennen. Durch Ellens Gesprächsbeiträge ist er immer wieder gezwungen, sein Anliegen aus einer anderen Perspektive zu betrachten, so kommt es z.B. zum Austausch über verschiedene Facetten eines Konzepts (ein Text als Grundlage der Erarbeitung/ / Gs527, die aktive Involvierung der Schüler/ / innen/ Gs534, die Verwendung lebensnaher Themen / / Gs544, das Zurückhalten der Bewusstmachungsphase/ / Gs558, das Finden eines übergreifenden Stundenthemas/ / Gs602, etc.). Ellen wägt Hendriks Einwürfe sehr stark in Hinblick auf die Durchführung der Unterrichtssequenz ab, da sie selbst die Unterrichtende sein wird. Ihr eigenes Verständnis wird dabei irritiert bzw. infrage gestellt. Nach eigener Aussage ist Ellen zunächst verwundert darüber, dass Hendrik ihr in Gesprächsschritt 531 nicht zustimmt: 532 H Hm ̄ , das find ich zum Beispiel… Deswegen hatte ich jetzt auch das Thema Text thematisiert. Ich hätte die das eben wieder aus dem <E LE: 533 > Text rausfischen lassen. Und dann da... 370 533 E LE <Da hab ich ihn so angeguckt, aus dem Augenwinkel, weil, weil ich dachte: „Warum zögert er jetzt? Ist doch ne total geile Idee! “ ((lacht)). Müssen wir doch machen. Da sag ich: „Warum…? “ Na, ich hab in dem Moment nicht damit gerechnet, dass er dagegen einen Einwand haben könnte.> PG3/ LE: 533, Ellen Auch sie muss ihre Ideen begründen und ihr Konzeptverständnis offen legen. Dabei werden einerseits eher tradierte Auffassungen sichtbar (irgendwie muss ich denen das doch einmal kurz und klar deutlich machen/ / Gs537-539), andererseits ermöglicht ihr fortwährender Blick auf die Unterrichtssituation, der stärker ausgeprägt ist als bei Hendrik, ein Argumentieren, dass sehr stark die Sicht der Schüler/ innen berücksichtigt (Dann wissen die aber nicht, was ich von denen will/ / Gs557, Ich muss ja vorher sagen, warum wir das machen/ / Gs561, Und bitte die Kinder, das vorzulesen/ / Gs603). Im Gesprächsverlauf lässt sich Ellen von jenen Ideen beeinflussen, die sich in ihr Konzeptverständnis einfügen lassen. Ihr Bedürfnis, eine für die Schüler/ innen logische Stundenstruktur zu erstellen, lässt sie über eine mögliche Einbettung der grammatischen Struktur nachdenken, so dass sich in der letztendlichen Entscheidung, mit Gerüchten zu arbeiten, beide Planungspartner wiederfinden. Die Aushandlungsprozesse markieren einen relativ langen steinigen Weg, den auch Ellen retrospektiv kommentiert: 610 E LE <Äh jetzt 53 Minuten, ja, hat sozusagen unser Stundenthema gestanden. Das ist unglaublich! Wenn man sich das mal überlegt! Ach, das ist krass! > PG3/ LE: 610, Ellen Der Prozess wäre vermutlich kürzer gewesen, wenn beide Teilnehmenden über ähnliche Vorstellungen verfügt hätten, wenn kein Austausch stattgefunden und Ellen die Stunde allein geplant hätte oder wenn die ko-planende Person über klar explizierbares Expertenwissen verfügt hätte. In den ersten beiden Fällen hätte der Stundenentwurf jedoch keine Verbesserung erfahren, wie dies in diesem Beispiel der Fall war (von dekontextualisierten Sätzen und lehrerzentrierten Erklärungen hin zu einer Erarbeitung, die in einen situativen Rahmen eingebettet ist). Vor allem wäre es jedoch nicht dazu gekommen, dass Vorstellungen über das fachdidaktische Konzeptverständnis von Grammatikvermittlung verbalisiert, hinterfragt und reflektiert worden wären. Die Beratung durch eine Person mit mehr Erfahrungswissen hätte in Bezug auf das Planungsprodukt u. U. zu ähnlichen oder gar besseren Ergebnissen geführt und die Gesprächszeit sicher verkürzt, wobei jedoch eben jene Prozesse der Bedeutungsaushandlung vermutlich nicht in diesem Maße stattgefunden hätten. Planende und Ko-Planer konnten in diesem Gespräch gleichermaßen voneinander profitieren. Bei der gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung von Personen mit deutlichem Wissensunterschied wäre danach zu fragen, wie die Interaktion verlaufen würde, welche Rolle die Beteiligten dabei einnehmen und 371 inwiefern Prozesse strategischer Mediation von der erfahreneren Person initiiert werden würden. 10.2.4 Peer-learning: Dialogische und strategische Mediation Ausgehend von soziokulturellen Ansätzen zur Erklärung von Lernprozessen, stellt sich im Kontext der hier untersuchten Planungsgespräche die Frage, inwiefern es zu einer (gezielten) Unterstützung von Prozessen der Wissenskonstruktion und Schemabildung, d.h. zu dialogischer oder strategischer Mediation durch die jeweils andere Person kommt. Im Folgenden soll anhand einer Sequenz aus PG3 ein Mediationsprozess analysiert werden. Ellen und Hendrik haben zuvor besprochen, wie die Wiederholung von Zeitformen im Unterricht gestaltet werden könnte. Nun geht es um die Frage, ob das Tafelbild, das dazu erarbeitet wurde, abgeschrieben werden soll: 326 E Das wird lange dauern, weil wenn die das dann abschreiben müssen und so, wir wissen [ja jetzt aus Erfahrung, dass die unheimlich lange] brauchen. 327 H [Naja, also, sie, sie müssen das nicht...] Sie müssen/ aber warum müssen sie das abschreiben? Das ist ne Wiederholung. 328 E Ja, je öfter [man das aber aufschreibt,] 329 H [Sie müssen, sie müssen s im Kopf haben.] 330 E desto mehr bleibt s hängen, hm ́ ? ((lacht)) 331 H Hm ̄ , na, das ist so, ähm... ((2s)) Psychologisch gesehen ist das doch auch, ähm, ne, ne Binsenweisheit, s bringt nicht [einfach nur] irgendwas, also immer wieder abzuschreiben. Das wichtige ist, dass du dich dabei, • dass du dich damit auseinander setzt/ <I/ H LE-332-333f. > 334 E [Bei mir ja] 335 H also mit dem Verständnis von Dingen auseinandersetzt. 336 E ((lacht)) 337 H • • Also davon behältst du Sachen wirklich längerfristig im Kopf. 338 E ((lacht)) Deswegen klappt das bei mir immer nicht ((lacht)). <E LE-339-341. > Ich schreib immer alles nur ab und wunder mich, dass nix wirkt. 342 H Naja, also das ist super, um Sachen im Arbeitsgedächtnis zu erhalten und das dann • • also s ist nichts/ zur Klausur nächste Woche alles wieder einmal, ja, zu erbrechen, und [danach zu vergessen]. 343 E [Ja, Bulimielernen]. ((lacht)) Kennst du das? 344 H Hm ̌ . 345 E ((1s)) Erst alles rein • • • und dann in der Klausur... ((2s)) [wieder loswerden]. 346 H [Nee, also so, so gesehen] würde ich definitiv sagen, dass die das, dass die das nicht übernehmen müssen. Also, [ich glaub, was, was für, was für die ne gu, was für die] • • äh... 347 E [Vielleicht kann ich ihnen ja nen kleinen Zettel basteln? ] PG3: 326ff., Ellen & Hendrik Hendrik stellt in Gesprächsschritt 327 infrage, ob es überhaupt notwendig ist, die Schüler/ innen das Tafelbild abschreiben zu lassen. Ellens Ansicht nach, 372 würde jedoch auch durch das Abschreiben ein Lerneffekt erzielt werden können (je öfter man das aber aufschreibt, desto mehr bleibt s hängen/ / Gs328-330). Unter Rückgriff auf Wissen aus der Lernpsychologie argumentiert Hendrik anschließend, dass es beim Lernen vor allem auf eine aktive Auseinandersetzung mit Inhalten ankomme (Das wichtige ist, dass du dich dabei, • dass du dich damit auseinander setzt/ also mit dem Verständnis von Dingen auseinandersetzt/ / Gs331-335). Ellen geht in ihren weiteren Überlegungen zunächst von ihrem eigenen Lernverhalten aus und entgegnet, dass ihr das Abschreiben durchaus helfen würde (Bei mir ja/ / Gs334). In Gesprächsschritt 338 lenkt sie jedoch ein und zieht in Betracht, dass ihre Strategie u.U. doch nicht so effektiv sei (Deswegen klappt das bei mir immer nicht/ / Gs338). Ihre Aussagen sind mehrmals von einem leichten Lachen begleitet, was vermutlich als Selbstironie zu interpretieren ist: Hendriks Erklärung ist nicht neu für Ellen, sie ist durchaus nachvollziehbar und auch plausibel für sie. Ihr Einwurf, dass das von Hendrik geschilderte Lernverhalten auch als Bulimielernen bezeichnet wird zeigt, dass ihr diese Lernkonzepte prinzipiell vertraut sind. Indem Ellen Hendriks Lernverständnis folgt, wird damit jedoch ihre eigene Lernstrategie infrage gestellt und als theoretisch unfundiert und ineffektiv diskreditiert. Ellens Lachen kann daher als Selbstkritik und als Zustimmung verstanden werden, was auch durch die LE-Daten bestätigt werden kann: 339 E ((lacht)) Deswegen klappt das bei mir immer nicht ((lacht)). 340 E LE <Deswegen hatte ich gelacht.> 341 I LE <Weil…? > 342 E LE <Weil ich immer nur alles… Wenn ich denke/ wenn ich s fünfmal abschreibe, dann, dann werde ich s mir schon irgendwann merken. Aber was er sagt, ist natürlich völlig richtig. Das hat damit nichts zu tun.> PG3/ LE: 339ff., Ellen Ellen reflektiert hier nochmals ihr eigenes Lernverhalten und stimmt Hendrik letztlich jedoch zu. Hendriks Einwand mag für Ellen kein völlig neuer Impuls gewesen sein. Jedoch führt die Diskussion über verschiedene Lernprinzipien dazu, dass Ellen ihren Unterrichtsentwurf überdenkt und schließlich mit der Entscheidung leben kann, die Schüler/ innen das Tafelbild nicht abschreiben zu lassen. Es führt vor allem auch dazu, dass sie ihre eigene Lernstrategie und damit ihre Vorstellung von Lernen überdenkt und evtl. neu ausrichtet. Auch für Hendrik trägt das Gespräch zu einer Aktivierung von Vorwissen bei, das sich vermutlich ebenfalls erst im Prozess des Entstehens befindet (Psychologisch gesehen ist das doch auch, ähm, ne, ne Binsenweisheit/ / Gs331). Sein Verweis auf die Psychologie deutet darauf hin, dass es sich um Erfahrungswissen handelt, das durch universitäre Lehrveranstaltungen beeinflusst wurde. Die LE-Daten können diese Interpretation zusätzlich stützen: 332 I LE <Haben Sie sich da an irgendwas erinnert? > 373 333 H LE <Naja ich hab gerade ein Seminar in psychologischer/ pädagogischer Psychologie und das ist einfach das, was da als Quintessenz so rüberkommt. Das ist eben auch, was ich jetzt/ ähm… Seit ich das Seminar mache, führe ich eben auch ein bisschen Selbstbeobachtung bei mir durch, wie ich lerne und was, was mich nachhaltig lernen lässt und was nicht. Und bin eben auch selber/ in der Erfahrung/ zum selben Punkt gekommen. Ich hab das eben auch lange Zeit auch als Student eben zelebriert. Wenn ich was für, wenn ich was für ne Prüfung lernen musste, habe ich mir Karteikarten gemacht und dann/ oder irgendwie ne Liste auf nem A4 Blatt und die dreimal abgeschrieben oder so. Aber • • • musste eben auch dann merken, dass allein mir das in der Prüfung auch eben fürs Abrufen nicht immer das Meiste gebracht hat und eben behalten davon, hab ich eben auch den kleinsten Teil. Und deswegen wollt ich sie eben dann doch schon irgendwie/ also da eben auch mit mit derartigen Argu/ also dann eben durch ne Argumentation eben aus ner anderen Fachrichtung da eben auch vielleicht davon gerade • • • ((leiser)) abbringen.> PG3/ LE: 332f., Hendrik Durch die Aushandlungen mit Ellen kann auch Hendriks entstehendes Konzeptverständnis erneut reflektiert und vor dem Hintergrund einer Unterrichtsplanungssituation erprobt werden. Hendriks Agieren in der oben dargestellten Interaktionssequenz kann durchaus als strategische Mediation im wygotskianischen Sinne verstanden werden (vgl. Kap. 5.4.2). Während sein ursprünglicher Einwand zunächst noch auf die konkrete Unterrichtssituation bezogen ist (Warum müssen sie das abschreiben? Das ist ne Wiederholung/ / Gs327), sind seine nachfolgenden Begründungen (Gs331ff.) von der Situation abstrahiert. Sein vermittelndes Handeln ist daher erst implizit und wird dann expliziter, indem es nicht mehr nur auf die Planung, sondern auf kognitive Verstehensprozesse gerichtet ist. Sein Anliegen ist es hier, Ellen seine Vorstellung von Lernen verständlich zu machen und sie davon zu überzeugen. Er bewegt sich hier durchaus in Ellens Zone der nächsten Entwicklung, da sich zeigt, dass sie seine Auffassung anfangs nicht unbedingt teilt (Bei mir ja/ / Gs334), seine Argumentation jedoch nachvollziehen und demnach gut an ihr Vorwissen anknüpfen kann. Auch ist die Mediation an den jeweiligen Bedürfnissen des Gegenübers orientiert: Sie erwächst aus der Planungssituation heraus, entfernt sich davon und kommt in Gesprächsschritt 346 wieder dahin zurück. Sie zielt sowohl darauf, den Plan zu verbessern als auch Ellens Konzeptverständnis positiv zu beeinflussen. Ähnliche Mediationsprozesse lassen sich auch in den anderen Planungsgesprächen finden, jedoch vermutlich in deutlich geringerer Zahl als es in Studien wie z.B. von Johnson und Arshavskaya (2011) oder Morton und Gray (2010) beobachtet werden konnte. Strategische Mediation wurde in jenen Ausbildungskontexten jedoch vor allem durch die Interaktion mit Experten angeregt, was in der vorliegenden Untersuchung nicht Gegenstand der Forschung war. 374 Die Mediation in jenen Studien geht oftmals von der Dozentin / dem Dozenten aus und ist teilweise durch eine relativ direktive Gesprächsführung gekennzeichnet. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie es gelingen kann, eine Balance zu schaffen zwischen Experten-Rückmeldungen, die oftmals unhinterfragt und rezeptartig umgesetzt werden (s. Kap. 10.2.6) und Mediationsprozessen innerhalb der Gruppe der Studierenden, in denen sich die Teilnehmenden auf Augenhöhe begegnen und Konzeptverständnisse tatsächlich auch aushandeln können. Die Analyse der Planungsgespräche zeigt, dass solche Mediationsprozesse teils von den Unterrichtenden eingefordert, teil von den Ko-Planenden initiiert werden. Andererseits konnte auch beobachtet werden, dass Aushandlungs- und Mediationsprozesse auf einer abstrakteren Ebene als der Unterrichtsplanung mitunter ausbleiben, weil der Fokus der Studierenden vordergründig auf die Vorbereitung der Stunde gerichtet ist. Im Sinne des Drei-Ebenen-Modells von Korthagen (2010) (s. Kap. 5.5) bewegen sich die Gespräche dann vorrangig auf dem gestalt-level. Die zweite Ebene der Abstrahierung und Schemabildung und die dritte Ebene der Theoriebildung bleiben mitunter aus. Die Mehrzahl der Einwände und Vorschläge sind in jenen Gesprächssequenzen direkt auf die Planung des Unterrichtsabschnitts gerichtet und Gesprächshandlungen gehen nur vereinzelt über das Konzipieren eines Unterrichtsschrittes hinaus. Es kommt an diesen Stellen nicht so explizit, wie es in der oben analysierten Gesprächssequenz aus PG3 zu beobachten war, zu einem Aushandeln individueller Sichtweisen und tieferliegender Konzepte in Bezug auf schulische Lernprozesse. Dies mag unterschiedliche Gründe haben. Linda erläutert im folgenden Lauten Erinnern, weshalb sie Mattis Entscheidungen in PG6 an einigen Stellen eher nicht in Frage stellt: 96 L […] Das ist bei diesem co-planning-Ding sowieso immer so ne Sache, weil man für sich dann feststellt: pfh ja! Das ist so der erste Impuls, und der zweite Impuls ist dann, aber ich muss mich ja in die Situation von ihm hineinversetzen und mich erinnern, wie seine Stunde war und was er halt für sich festgestellt hat, was seine Schwierigkeiten sind. Und dann muss ich eben ähm ihm da zustimmen und ihn ermutigen, obwohl ich halt eigentlich die Idee/ … • • • ja, er da halt sehr viel Kraft auch und sehr viele Ideen und sehr viel • • ähm Mühen schon hinein schon investiert und wenn ich jetzt sagen würde, ich find die komplett bescheuert, hat das glaub ich wenig erstens mit seiner Perspektive zu tun und zweitens ähm ist das dann unsinnig, aber…> PG6/ LE: 96, Linda Sie beschreibt hier, dass sie es als ihre Aufgabe ansieht, sich in den Unterrichtenden hineinzuversetzen und seine Perspektive einzunehmen. Dieses Hineinversetzen führt möglicherweise dazu, dass Ideen nicht komplett hinterfragt werden, weil der Partner / die Partnerin nachfühlen kann, dass in die Überle- 375 gungen bereits sehr viel Kraft und Mühe geflossen ist. Schließlich ist das übergeordnete Handlungsziel der Gespräche die Erstellung eines Unterrichtskonzepts, das der unterrichtenden Person eine gewisse Sicherheit vor der Klasse gewähren soll und weniger die Konstruktion unterrichtsbezogener Schemata. Aus diesem Grund werden Mediationsgelegenheiten vermutlich z.T. nicht genutzt. Andererseits mögen die Studierenden teils nicht über das entsprechende Wissen hinsichtlich alternativer Vorgehensweisen und Verbesserungsmöglichkeiten verfügen. An jenen Stellen im Datenmaterial zeigt sich, dass der Einfluss einer Expertin / eines Experten hier dazu führen könnte, den Blick der Studierenden auf fachdidaktische Prinzipien und subjektive Konzepte zu lenken. Es kann geschlussfolgert werden, dass die strategische Mediation durch Experten eine wichtige Ergänzung zu den gemeinsamen Planungsgesprächen im Rahmen der SPS darstellt. Dennoch muss das Potential hervorgehoben werden, das von peer-learning-Phasen ausgeht, in denen die Studierenden sich gegenseitig über das Planen der Unterrichtsstunde hinaus bei der Konstruktion unterrichtsbezogener Schemata unterstützen. Vor dem Hintergrund tatsächlicher Unterrichts- und Planungssituationen werden dabei Konzepte aktiviert, dekonstruiert und es entsteht die Möglichkeit, eigene Schemata zu erweitern oder zu verändern. 10.2.5 Innere Konflikte: Zwischen Konzeptverständnis und Umsetzung In den Gesprächsanalysen zeigt sich außerdem, dass es mitunter zu individuellen Spannungen und inneren Konflikten kommt, wenn sich ein entwickelndes Verständnis eines (fach)didaktischen Konzepts von den Studierenden nicht wie gewünscht umsetzen lässt. Im Folgenden soll dieses Phänomen in Planungsgespräch 8 nachgezeichnet werden. Anja und Heike planen eine Unterrichtsstunde für eine 5. Klasse, in der die Schüler/ innen in der zweiten Stundenhälfte eine Wegbeschreibung in Form eines kleinen Rollenspiels durchführen sollen. In der Lehrbuchübung, die dem Rollenspiel vorausgeht, werden Redemittel wiederholt und geübt, die benötigt werden, um eine fremde Person anzusprechen und nach dem Weg zu fragen (s. Anhang 6.2). Anjas und Heikes erste Idee für das Rollenspiel ist es, die Klasse in drei Gruppen einzuteilen, die jeweils den Weg zu einem anderen Ziel beschreiben sollen. Dabei sollten die Schüler/ innen angehalten werden sich vorzustellen, es wäre ein Austauschschüler an ihrer Schule und sie würden ihm den Weg zu einem bestimmten Ort beschreiben: 471 A Eine Gruppe möchte zum computer shop, eine zum sweet shop • • • und eine zum Café. 472 H Ja, das ist gut. 376 473 A ((3s)) Und es sind halt/ in jeder Gruppe ist ein äh/ • • einer ist halt ein ausländischer Austauschschüler oder so ((A und H lachen kurz)). Und die sollen dem den Weg erklären. 474 H ((lacht leicht)). 475 A Na ja, also [ja]... 476 H [Ja, ne] also ähm - was weiß ich - der... Ja irgendwie so. 477 A Gut. 478 H Oder keine Ahnung. Muss ja nicht mal ausländisch sein, sondern… 479 A Ja aber ich wollt schon irgendwie so was machen… Weil also das ist immer... Dass die so ein bisschen den Sinn [darin sehen], 480 H [Ach so, nen Engländer]? 481 A warum... 482 H Die haben nen Engländer zu Besuch? Die haben nen Engländer zu Besuch, genau. Dem müssen sie erklären, wo s hingeht. Richtig. 483 A Genau. • • • Ja die sind halt... • • Genau. Hm ̌ . 484 H Gut. Ja stimmt. Dann ist es ja auch authentisch, genau und so. PG8: 471ff., Anja & Heike Anja macht hier deutlich, dass es ihr wichtig ist, den Kontext realitätsnah zu gestalten, d.h. die entsprechende fiktive Situation sollte so konzipiert sein, dass die Schüler/ innen sich vorstellen können, eine ähnliche Situation könnte so tatsächlich stattfinden, wodurch die Aufgabe in ihren Augen sinnvoll wäre (Dass die so ein bisschen den Sinn [darin sehen]). Nach dieser Gesprächssequenz folgen andere Überlegungen zur zeitlichen Planung der ersten Stundenhälfte und anschließend kommen Anja und Heike in Gesprächsschritt 711 wieder auf die Kontextualisierung der Aufgabe zurück. Sie konzipieren über eine längere Gesprächssequenz hinweg einen situativen Rahmen (einem Austauschschüler den Weg erklären), bis sie merken, dass dieser Kontext nicht den Redemitteln entspricht, die zuvor geübt wurden (jemanden nach dem Weg fragen): 845 A ((1s)) ((schreibt)) "Da ihr allerdings leider keine Zeit habt, ((1s)) müsst • ihr • ihm die Wege • beschreiben". • • • Aber das geht gar nicht. Weißt du warum das nicht geht? 846 H Wieso? 847 A ((blättert im Buch)) • • • Weil die sollen ähm • • die sollen doch [das hier] 848 H [Ach so]! 849 A benutzen ((deutet auf S. 59 im Buch)) 850 H "Excuse me", genau. Ach ja. 851 A "Can I ask you? " [Bla bla bla bla]. 852 H [Schön wär s gewesen]. PG8: 845ff., Anja & Heike Heike schlägt anschließend weitere Szenarien vor (ein Engländer läuft an der Schule vorbei und fragt die Schüler/ innen nach dem Weg/ / Gs856, die Schüler/ innen sollen sich vorstellen, sie sind in dieser fiktiven Stadt zu Besuch und müssen jemanden fragen/ / Gs873), als Anja plötzlich die komplette Aufgabe infrage stelle: 377 892 A Ach ich glaub aber/ ich glaub, das ist zu schwierig. 893 H Dass wir nen Punkt vorgeben? 894 A Nee, dass/ die Aufgabe. 895 H ((1s)) Was, die Aufgabe hier mit dem role play? ((schaut in ihr Buch)) 896 A Hm ̌ . 897 H Wieso? <H LE-898 >, <I/ A LE-899f. > 900 A ((2s)) So wie ich die jetzt gesehen hab… Ich kann mir nicht vorstellen, dass die sich hinsetzen und nen Dialog schreiben. 901 H Aber das ist [doch stupides] 902 A [((unverständlich, 1s))]. 903 H ((deutet auf Stellen in ihrem Buch)) Abgeschreibe im Prinzip nur! 904 A • • • Ja. • • Eigentlich brauchen die/ die kö/ können sich auch eigentlich irgendwas ausdenken, oder? Ich muss auch gar nicht diese map hier nehmen. Ich kann auch zum Beispiel sagen... ((blättert im Buch)) Die hatten doch hier diese ganzen Sehenswürdigkeiten, ja? • • Ich kann auch sagen, die sollen einfach nach nem anderen Punkt in ähm/ • • • nach ner anderen Sehenswürdigkeit in Greenwich fragen. ((3s)) Nee, die brauchen ja die Straßen. PG8: 892ff., Anja & Heike Anja hinterfragt hier kurzzeitig die komplette Aufgabe, weil sie bezweifelt, dass die Schüler/ innen einen solchen Dialog erarbeiten können (Ich kann mir nicht vorstellen, dass die sich hinsetzen und nen Dialog schreiben). Interessant ist an dieser Stelle, was Anja retrospektiv dazu äußert: 899 I LE <Wie kommen Sie da jetzt plötzlich drauf? 900 A LE <Weil wir ganz oft, gerade bei D1 hatten, dass Lehrer immer sagen, macht bitte nen Dialog und die Schüler können s nicht, weil sie keine Struktur haben. Und ich hab ja im Moment auch keine. • • Und deswegen denk ich, dass das nicht klappt alles. • • • Weil es ist schon… Man kann - gerade 5. Klasse - man kann nicht sagen: „So, jetzt schreibt mal bitte nen Dialog“. Da kommt ja halt auch nichts bei raus, so. Also die müssen schon n genaues/ n genaues/ n genauen Start/ oder genauer wissen, was sie schreiben sollen. Worüber. Also… Und da wir das bisher halt auch nicht so hinbekommen haben, verzweifle ich jetzt gerade.> PG8/ LE: 899f., Anja Anjas Dilemma hat vor allem damit zu tun, dass den Schüler/ innen ihrer Ansicht nach klare inhaltliche Vorgaben gemacht werden müssen, damit sie die Aufgabe entsprechend lösen können. Durch die Kontextualisierung der Rollenspiele sollte eine eindeutige Situation mit einem klaren Gesprächsanlass geschaffen werden (Also die müssen schon n genaues/ n genaues/ n genauen Start/ oder genauer wissen, was sie schreiben sollen. Worüber/ / Gs899), was Anja und Heike bisher jedoch nicht gelungen ist. Heike kann Anjas Zweifel nicht verstehen. Sie bezieht Anjas Einwand, dass die Schüler/ innen keinen Dialog werden schreiben können, auch nicht auf die Problematik der angemessenen Kontextualisierung, sondern eher auf das sprachliche Anforderungsniveau, das jedoch 378 aus Heikes Sicht aufgrund der vorangehenden Lehrbuchaufgabe nicht übermäßig hoch ist (Aber das ist doch stupides Abgeschreibe im Prinzip nur! / / Gs902- 904). Anja lässt sich in Gesprächsschritt 901ff. von Heike überzeugen, dass die Schüler/ innen die Vorlage aus der Übung nutzen können, womit jedoch das Problem der Kontextualisierung nicht gelöst ist. Nach kurzer weiterer Suche nach einem passenden Rahmen, hat Anja daher erneut Zweifel, ob sie die Aufgabe in der Form überhaupt noch in die Stunde integrieren möchte: 920 H Ja. ((2s)) ((schaut in ihre Aufzeichnungen)) Nur eben... Warte mal kurz. ((schaut ins Buch)) Das Problem ist eben immer... ((3s)) Ja, man muss dann eben sagen, der eine ist eben/ der macht die Klassenfahrt dahin und der andere wohnt dort oder so. Das muss ja irgendwie klar werden, weil s muss ja einer da sein, der sich ja auskennt. 921 A Ja und das ist halt so blöd irgendwie. • • • Ich find das so... ((H und A denken nach, 10s)) <A LE: 921 > Ach Mann ey! Ich möchte die andere Aufgabe machen. Die ist schöner. ((blättert im Buch, 2s)) Ach, vielleicht lass ich das doch weg und ähm • • • mach jetzt weiter mit dem Text [hier irgendwie, weil]... 922 H [Nein! Du gibst jetzt] hier nicht auf. Wir machen das jetzt mit dem, mit dem... Ich find das gut. <I/ A LE-923ff. > Das soll ja wohl nicht scheitern da dran, jetzt hier, dass wir uns nichts einfallen lassen können. ((A und H schauen jeweils in ihr Buch, 5s)) Wir müssen überhaupt nicht sagen: „Der eine macht da ne Klassenfahrt" und so, sondern einfach nur: "Wir sind jetzt alle in der Schule • • und die Reihe will dorthin, die Reihe will dorthin und die Reihe will dorthin". Und jetzt wird ein Dialog gestaltet und Schluss. • • So wie s da steht: role play! ((zeigt kurz ins Buch)) ((schaut zu A)) PG8: 920ff., Anja & Heike Anja ist hier frustriert darüber, dass bisher kein kontextueller Rahmen gefunden wurde, der die natürliche Verwendung der zuvor geübten Redemittel zur Folge hat. Dieses Dilemma führt dazu, dass sie in Erwägung zieht, die Aufgabe komplett zu verwerfen. Nur durch Heikes vehementes Festhalten an der ursprünglichen Idee, wird Anja davon abgehalten, einen alternativen Weg zu verfolgen. Für Anja besteht hier ein innerer Konflikt, der auch im Lauten Erinnern so von ihr verbalisiert wird: 923 A LE <Also das Problem, das äh • fand ich schwer ((leichtes Zittern in der Stimme)), weil ich wusste nicht, wie ich das sagen soll. Ich kann ja nicht sagen, stellt euch vor, ihr seid auf Klassenfahrt, aber auf einmal soll der eine im Dialog ne Rolle übernehmen von jemandem, der da wohnt. Das geht ja nicht. Also, das fand ich immer so…War mein Problem jetzt.> PG8/ LE: 923, Anja Auch in den retrospektiven Daten zeigt sich, dass Anja verzweifelt über die Situation ist, keinen passenden Weg zu finden, den Schüler/ innen die Aufgabenstellung zu vermitteln. Ihre Vorstellung, dass das Konzipieren eines klaren 379 kommunikativen Kontextes wesentlich ist, um den Schüler/ innen ein Ziel vorzugeben, das sie auch erreichen können, gerät hier in Konflikt mit den Ideen, die beide Studierenden dazu bisher entwickelt haben. Hinzu kommt die Schwierigkeit, wie auch schon in den Gesprächssequenzen in Planungsgespräch 1 (s. Kap. 10.2.1) deutlich wurde, die eigenen Gedankengänge der Partnerin gegenüber zu verbalisieren. In Anjas Äußerungen zeigt sich die Anbahnung von umfassendem fachdidaktischem Wissen, das auf konzeptueller Ebene schon Gestalt angenommen hat, jedoch noch schwer kommunizierbar ist. Wie aus den Reaktionen von Heike sowie aus ihren nachträglichen Kommentaren deutlich wird, hat Anjas Ko-Planerin dadurch einige Schwierigkeiten, Anjas Zweifeln und Einwänden zu folgen. 898 H LE <Genau das! Also mehr… Warum jetzt plötzlich? Die ist doch im Buch und die kann doch gar nicht so schwierig sein, weil wir hatten ja auch vorher schon die Übung. Also ich hab das gesagt, was ich auch gedacht hab: wie jetzt, wieso? Genau. Wo ist jetzt, wo ist jetzt hier das ganze Problem? Jetzt wird hier plötzlich die ganze Stunde noch mal umgeworfen. Das hab ich nicht so ganz verstanden.> PG8/ LE: 898, Heike Die Möglichkeit, sich über Befürchtungen, so wie es den Studierenden jeweils sprachlich möglich ist, austauschen zu können, scheint letztlich jedoch dazu zu führen, dass jene Gefühle der Verzweiflung durch die Ko-Planerin gemildert werden und gemeinsam ein Weg gesucht und gefunden wird (s. hierzu auch Kap. 10.1.2.5). Anja lässt sich schließlich davon überzeugen, doch dabei zu bleiben, die Aufgabe in die Stunde zu integrieren anstelle etwas Neues anzufangen, was der Gesamtstruktur der Stunde im Sinne einer logischen Abfolge von Unterrichtsschritten nicht dienlich gewesen wäre. Sie führt im Lauten Erinnern dazu aus, dass sie, wenn sie allein geplant hätte, die Aufgabe vermutlich verworfen hätte: 923 I LE <Was haben Sie da gedacht? > 924 A LE <Naja, dann hab ich gedacht, na ja gut, dann machen wir das eben. Also wahrscheinlich, wenn ich alleine gewesen wäre, hätt ich das nicht gemacht, da hätt ich dann den anderen Text gemacht. Weiß nicht.> 925 I LE <Aber konnten Sie damit leben, also war das okay? Oder hätten Sie lieber…> 926 A LE <Nö, ich find das schon gut, dass wir jetzt ne Variante gefunden haben, doch, die nach vorne kommen zu lassen und was vorlesen zu lassen im Endeffekt ja, dass die selbst was produzieren, ist okay.> PG8/ LE: 923ff., Anja Der Unterrichtsentwurf gewinnt insgesamt gerade durch die Zusammenarbeit der beiden Studierenden. Während Heike von Beginn an davon ausgeht, dass nach der Übung eine Anwendung der Redewendungen folgen sollte und sie sich immer wieder dafür stark macht, ist Anjas Blick auf die sinnvolle Verbin- 380 dung von Vorübung und Anwendungsaufgabe gerichtet. Obwohl dieses Planungsdetail die Studentinnen über eine sehr lange Zeit beschäftigt hält, erfahren beide Studentinnen am konkreten Fall und vermutlich gerade durch die auftauchende Problematik, wie wichtig es ist, die Kontextualisierung von Aufgaben gut zu durchdenken, so dass Form (Wörter/ Redewendungen) und Bedeutung (nach dem Weg fragen) gleichermaßen Beachtung finden und logisch miteinander verschränkt sind. 10.2.6 Orientierung an Experten: Das präskriptive Auslegen von Expertenkommentaren Konzeptvorstellungen werden außerdem explizit thematisiert, wenn die Studierenden sich an spezifische Hinweise bzw. Rückmeldungen der Dozentin oder der Lehrerin, die im Rahmen der SPS gegeben wurden, erinnern. Oftmals wird nur darauf rekurriert, ohne dass das Feedback infrage gestellt oder dessen Bedeutung ausgehandelt wird: 487 R Vielleicht lässt du einfach... Aber nee, das ist ja nicht gut, einfach nur hören lassen. Dass du beim ersten Mal - keine [Ahnung - beim ersten Mal Hören irgendeine] 488 N [Nee, das sollen wir, das sollen wir ja nicht]. 489 R leichte Aufgabe gibst, die die 490 N Hm ̌ . 491 R unter Garantie rauskriegen: "What are they talking about? " Und dann sagen die: "Sights in Greenwhich" oder was, keine Ahnung. ((1s)) Und dass du da erst beim zweiten Mal Hören fragst/ • • oder sagst: "Jetzt zuordnen". Dass die das dann ((2s)) ((leise)) schon mal gehört haben. PG5: 487ff., Nina & Rieke Rieke wollte vermutlich in Gesprächsschritt 487 zunächst vorschlagen, den Hörtext aus dem Lehrwerk erst einmal hören zu lassen, ohne dass bereits eine Höraufgabe gestellt wird. Sie reaktiviert dann aber, dass dies so nicht empfohlen wird (Aber nee, das ist ja nicht gut, einfach nur hören lassen/ / Gs487). Nina stimmt der Aussage auch sofort zu (Nee, das sollen wir, das sollen wir ja nicht/ / Gs488). Die Formulierungen der Studentinnen, insbesondere die Verwendung der Partikel ja (vgl. Kwon 2005: 33ff.), deuten darauf hin, dass beide mit dem Prinzip vertraut sind und sich in den Gesprächsschritten 938 und 939 dieser gemeinsamen Wissensbasis versichern. Es wird außerdem deutlich, dass das Konzept von außen an sie herangetragen wurde (das ist ja nicht gut, das sollen wir ja nicht). Rieke berücksichtigt diese Maßgabe dann auch direkt, indem sie vorschlägt, für das erste Hören des Textes eine leichte Höraufgabe zu stellen (Dass du beim ersten Mal Hören irgendeine leichte Aufgabe gibst, die die 381 unter Garantie rauskriegen/ / Gs487-491). Es wird hier nicht infrage gestellt, inwiefern dieses Vorgehen für beide als Alternative zu Riekes ursprünglicher Idee (den Text nur hören lassen) sinnvoll erscheint. Auch das folgende Beispiel aus PG2 zeigt, wie die Rückmeldungen von Experten direkten Einfluss auf die Planungsüberlegungen nehmen: 1362 U […] Naja, wenn sie aber die multiple-choice-Fragen noch vorne antickern, also da geht schon ein bisschen Zeit drauf. 1363 M Mach s selber? 1364 U Naja, die sagen doch immer, ich soll s nicht selber machen. War doch das letzte Mal angekreidet. 1365 M Wurde das angekreidet? 1366 U Ja! Ich soll das hier die Schüler anticken lassen. [Weil die] 1367 M ((Nickt)) [(Machen wir halt)]... 1368 U aktiv sein müssen und nicht ich, weißt du? PG2: 1362ff., Maren & Ute Hier geht es darum, wie der Vergleich von multiple-choice-Fragen zu einem Hörtext realisiert werden könnte. Ute möchte sich hier direkt an die Empfehlung der Dozentin oder der Lehrerin anlehnen und die Schüler/ innen zum Ankreuzen auf einer Folie nach vorn kommen lassen. Der Vorschlag, aufgrund Zeitmangels die Kreuze selbst zu setzen, wird vor dem Hintergrund der reaktivierten Expertenmeinung von beiden Studierenden nicht weiter verfolgt. Die einmal geäußerte Kritik wird hier fast rezeptartig, quasi wie eine Art Vorgabe, in der Vorbereitung entsprechender Unterrichtsschritte umgesetzt, ohne dass sie vor dem Hintergrund der jeweiligen Situation reflektiert werden würde. Es ist des Weiteren zu beobachten, dass Rückmeldungen erinnert, aber nicht vollständig nachvollzogen werden können. Infolgedessen kommt es zu inneren Widersprüchen, die jedoch nicht aufgelöst werden. In den folgenden Sequenzen aus PG5 und PG8 - alle vier beteiligten Studierenden unterrichten im Rahmen der SPS in einer Klasse/ Gruppe - wird auf eine spezifische Rückmeldung der Experten Bezug genommen, die scheinbar für alle Studierenden nicht ganz verständlich bzw. nicht in das eigene Konzeptverständnis integrierbar war: 417 R Ja. • • • Wir haben auch erst den Text gehört und dann • • hab ich gesagt: "Let's have a look at the words you didn't know". 418 ((Seiten werden umgeblättert, 6s)) 419 R ((leise)) Hm ̌ . ((5s)) Ich hatte (auch) bloß ne Liste. Und bei mir war s auch noch okay. Und dann auf einmal war s nicht mehr okay. 420 N Hm ̌ . 421 R Bisschen komisch. ((2s)) [Aber du kannst]... PG5: 417ff., Nina & Rieke Rieke berichtet in Gesprächsschritt 419 davon, dass sie in ihrer Unterrichtsstunde mit einer Liste von unbekannten Wörtern und Redewendungen gearbeitet hat, was nicht kritisiert wurde. Ein ähnliches Verfahren wurde jedoch an 382 späterer Stelle im Rahmen der SPS als nicht angemessen empfunden. Dieser Widerspruch wird an der Stelle von Rieke benannt, ohne dass er jedoch weiter diskutiert werden würde. Auch Anja und Heike beziehen sich vermutlich auf jene Rückmeldung: 146 A Ja: "Look at those phrases. What do they mean? " • • • Ja und dann hoffentlich wissen sie s. Also ja meinste, dass ich dann äh, dann ne Übersetzung dazu auch brauche oder nicht? Oder (lass ich die)/ kann ich die auch einfach an die Tafel schreiben? Da brauch ich nicht extra ne Folie drucken. 147 H Nee, die Übersetzung würd ich nicht aufschreiben. Das hab ich doch mal gemacht irgendwie mit den Vokabeln. Und das war ganz schlecht. Das soll man doch nicht machen, bei der Semantisierung, dass man die Übersetzung irgendwie direkt 148 A Hm ̌ . <I/ H LE-149-150. > 151 H aufschreibt. Aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, was da jetzt das Problem dran war. Aber ich denke mal.... Also... 152 A Na ja gut. Die sind ja jetzt auch nicht schwer. PG8: 146ff., Anja & Heike In dieser Sequenz wird von Heike ausgeführt, dass das Problem darin bestand, die deutsche Übersetzung der Lexik zu visualisieren. Vermutlich bezieht sich auch Rieke im Gesprächsschritt 419 (s. o.) auf die Kritik an diesem Vorgehen. Heikes Formulierung bringt hier zum Ausdruck, dass es sich dabei um eine externe Meinung handelt, die nicht unbedingt ihrer eigenen Ansicht entsprechen muss (Und das war ganz schlecht. Das soll man doch nicht machen / / Gs147). Sie räumt weiterhin ein, dass ihr nicht ganz verständlich ist, worin das Problem bestand (Aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, was da jetzt das Problem dran war/ / Gs151). Im Lauten Erinnern wird die Problematik von Heike noch einmal umfassender expliziert: 149 I LE <An was erinnern Sie sich da? > 150 H LE <• • • Äh das war… Moment, da muss ich erst mal kurz nachdenken. Ah ich hatte das sogar direkt in ner Englischstunde, in meiner letzten Stunde war das, da hatte ich links die Vokabel und ähm • • dann rechts/ also links die englischen Vokabeln stehen auf der Tafelseite und rechts dann die deutsche Übersetzung hingeschrieben. Also ich hab das auch semantisiert mit Bildern und mit anderen Sprachen und wie man das auch immer alles machen kann, aber • • ähm, das war wohl • • nicht gut? Weil man soll auch nicht drüber schreiben Englisch - Deutsch und/ aber… Also ich hab dann immer das Problem: Wie mach ich s denn nun? Weil ich muss ja die Vokabeln irgendwie, wenn ich die im Unterricht weiterhin nutzen will/ irgendwo festmachen, damit die sich da drauf noch mal • rückschließen können, weil ich kann ja den Schülern auch nicht sagen: "Guckt hinten jetzt immer im Buch nach," weil dann sitzen alle immer da und blättern. Und das war dann… Ja, also das war auch schwierig. […]> PG8/ LE: 149f., Heike Der Einwand der Experten, die deutsche Übersetzung besser nicht zu visualisieren, führt bei Heike zu einem inneren Widerspruch. Teilweise scheint sie die 383 Kritik nachvollziehen zu können (man soll auch nicht drüber schreiben Englisch - Deutsch), die Visualisierung der deutschen Übersetzung hält sie jedoch für nötig, um in der Stunde weiterführend mit dem Wortschatz arbeiten zu können. In beiden Gesprächssequenzen wird die Gelegenheit, Verständnisschwierigkeiten oder Widersprüche mit der Partnerin auszuhandeln, nicht genutzt. Während Heike mit ihrer Schilderung ein Gesprächsangebot unterbreitet, leitet Anja mit Naja gut einen Themenwechsel ein. Sie möchte sich lieber weiter dem konkreten Fall innerhalb ihrer Unterrichtsplanung widmen. Ähnlich verläuft die Thematisierung in PG5 (s. o. PG5/ / Gs421). Auch im Rahmen des Auswertungsgesprächs, in der die Rückmeldung vermutlich gegeben wurde, ist es scheinbar nicht dazu gekommen, dass das Unverständnis der Studierenden verbalisiert bzw. innere Widersprüche diskutiert und alternative Wege mit der Dozentin bzw. Lehrerin besprochen wurden. Der hohe Stellenwert der Expertenmeinung scheint sich vor allem auf die Rückmeldungen der Dozentinnen zu beziehen, wobei aus den Daten nicht immer hervorgeht, wer die Hinweise gegeben hat. Die Arbeitsweise der Lehrerin wird mitunter auch kritisch kommentiert. Dabei handelt es sich jedoch meist eher um pauschalisierende Kommentierungen als um eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit Empfehlungen oder Beobachtungen in Bezug auf die eigene Unterrichtsstunde. Letztlich werden auch jene Hinweise und Vorgaben der Lehrerin als präskriptiv empfunden, wie auch die folgende Gesprächssequenz aus PG5 deutlich macht: 739 R In dem Workbook schreiben sie auch nur mindestens ein Wort. 740 N Na hier ist das noch mit dem Satz. 741 R ((5s)) Hm ̄ . [Hey, die schreiben den ganzen] <I/ R LE-742-743 > 744 N [Aber ist auch nicht toll]. 745 R Satz. Na ja, wenn du s so siehst, schreiben sie die Hälfte von dem Satz auch ab. 746 N Hm ̌ . 747 R Das ist so ein • • blödes Workbook ((R und N lachen ganz leicht)) ((1s)) Aber stimmt schon. Aber wenn du nicht schreibst, geht dir die Lehrerin auf s/ die steigt dir auf s Dach. 748 N Hmhm ̌ ! Problem! 749 R ((lacht leicht, 1s)) 750 N Boah! ((tippt, 3s)) PG5: 739ff., Nina & Rieke Nina und Rieke suchen hier nach Übungen im Lehrwerk, damit die Schüler/ innen in der Unterrichtsstunde auch zum Schreiben angeregt werden. Diese Forderung kommt von der Lehrerin der Klasse (Aber wenn du nicht schreibst, geht dir die Lehrerin auf s/ die steigt dir auf s Dach./ / Gs747). Die Tatsache, dass die Lehrerin viel Wert auf schriftliche Arbeitsphasen legt, wird an anderer Stelle 384 zwar kritisiert, für die Planung der Stunde wird dies jedoch nicht in Frage gestellt. 742 I <Wieso n Satz? > 743 R <Das war im workbook ne Übung, weil wir jetzt wie war das? wirklich geguckt haben, was wir jetzt noch schriftlich mit rein kriegen, dass die Frau R. nicht • • nicht • • also schimpft/ das nicht kritisiert und da war im Workbook ne Aufgabe, da hätten sie mal nen ganz Satz schreiben müssen, sonst ist es immer nur ein Wort, was irgendwo... Was die eigentlich unterfordert, weil die wirklich gut sind, die, die Klasse.> PG5/ LE: 742f., Rieke Insgesamt zeigen die Gesprächsdaten, dass Rückmeldungen oder Empfehlungen von Experten einen hohen Stellenwert besitzen. Es kann aus den Daten jedoch häufig nicht abgeleitet werden, ob das zugrundeliegende Konzept von den Studierenden verstanden bzw. in dem Moment geteilt wird. Rückmeldungen werden oftmals unhinterfragt übernommen, ohne dass eine umfassende Auseinandersetzung damit stattfindet, selbst wenn, wie in den oben dargestellten Sequenzen, kein kongruentes Verständnis hergestellt werden konnte. Es wird auch häufig auf die Expertenmeinung rekurriert, ohne genau zu prüfen, ob die Umsetzung eines empfohlenen didaktischen Prinzips in einer konkreten Situation auch angemessen ist. 10.2.7 Impulse aus der eigenen Unterrichtspraxis: Aus Fehlern lernen und Bewährtes übernehmen Die eigenen Unterrichtserfahrungen, die in den Planungsgesprächen zum Ausdruck kommen, beziehen sich vor allem auf die Schüler/ innen, auf deren Vorwissen, deren Arbeitsweise, auf die Arbeitsatmosphäre oder das Gruppenklima in der Klasse. Hier wird Erfahrungswissen aktiviert, das stark kontextspezifisch ist. 628 L Die können kein eigenes Ende schreiben. 629 P Können sie nicht, nee. 630 L Guck mal, wie viel ich helfen musste, um einfach nur n Dialog hinzukriegen, das können die noch nicht. PG4: 628ff., Philip & Linda Philip und Linda aktiveren in dieser Sequenz bereits gesammelte Erfahrungen mit der Klasse, um auf dieser Grundlage weitere Planungsentscheidungen zu treffen. Es hat sich hier ein Erfahrungswissen über die Voraussetzungen einer 6. Mittelschulklasse herausgebildet, das sich zwar zunächst nur auf diese konkrete Lerngruppe bezieht, aber zur Entwicklung eines Wissens über Schüler/ innen einer bestimmten Altersstufe sowie eines Wissens über Unterrichtskontexte beiträgt, das auch verallgemeinerbar ist. Die Orientierung der 385 Studierenden an diesen Erfahrungen mit den Schüler/ innen ihrer SPS- Klasse ist sehr hoch (vgl. Kap. 8.2.4). Das Explizieren und Reflektieren von Erfahrungen, die in Bezug auf die Umsetzung didaktischer Prinzipien gemacht wurden, kommt im Vergleich dazu seltener vor. Erfahrungen werden meist aktiviert, ohne dass sich längere Aushandlungsprozesse anschließen: 1226 H Und Zeitansagen! 1227 A Ja. ((schreibt)) "Okay, you have 15 minutes". ((schaut zu H, 1s)) "Let's go! " ((lacht leicht)) Hab ich das letzte Mal nicht gesagt. Hab ich auch schon hingeschrieben. 1228 H ((lachend)) Let's go. ((lacht, 2s)) Ich hab mir gerade überlegt, ist es, ist es= 1229 A =Oder "Let's start" kann man sagen. PG8: 1226, Anja & Heike Anja erinnert sich hier, dass es wichtig ist, den Schüler/ innen der 5. Klasse zu Beginn einer Arbeitsphase eine Art Startsignal zu geben ("Let's go! "/ / Gs1227), um zu markieren, dass die Aufgabenstellung beendet ist und die Einzelarbeitsphase beginnen kann. Das Wissen um dieses Detail des classroom management hat sich aus Anjas eigener Unterrichtserfahrung entwickelt (Hab ich das letzte Mal nicht gesagt), d.h. aus dem Versäumnis eines solchen Hinweises und den Folgen (vermutlich ein zögerlicher Beginn der Arbeitsphase). Möglicherweise wurde die Erfahrung durch eine Rückmeldung der Dozentin noch deutlicher bewusst gemacht. Im Planungsgespräch dient Anjas Verweis auf die eigene Erfahrung dazu, sich gemeinsam der Bedeutung dieses Details zu vergewissern. Heike scheint dieses Wissen zu teilen, da sie in Gesprächsschritt 1228 das Let’s go! noch einmal wiederholt. Vermutlich verbinden beide Studierenden weitere Erfahrungen damit, die hier im Gespräch jedoch nicht offen gelegt werden müssen, da sie sie beide teilen. Mitunter sind auch jene Erfahrungen, die im Rahmen der SPS durch die Beobachtung anderer Unterrichtsstunden gemacht wurden, Ausgangspunkt für Aushandlungsprozesse, wie in folgendem Beispiel, in dem Anja und Heike über den Unterricht ihrer Kommilitonin nachdenken: 1308 A Ja dann sa/ ich sag hier aber dann noch mal: "Remember to use the phrases". 1309 H Ja. 1310 A Ist auch schon wieder lang her, dass ich das gesagt habe. Dann zeig ich halt noch mal drauf. Weil darum geht s ja nur. 1311 H Und schön langsam reden. 1312 A Das ist nämlich bei Rieke auch untergegangen. Die sollten ja auch dann ähm ne Wegbeschreibung machen 1313 H Hm ̌ . 1314 A mit Hilfe dieser neuen Sachen, mit „nach rechts“ und „nach links“. 1315 H Hm ̌ . 1316 A Und das wussten die aber gar nicht. Das haben/ musste sie jedem einzeln fast noch mal sagen. Also [weil sie das] 386 1317 H [Ach so! ] 1318 A auch nur so, so halb äh/ sie hat es... Ich weiß nicht mehr, wie es genau war, aber... 1319 H So reingesagt… 1320 A So... Sie hat das dann noch mal jedem so gesagt: "Das steht doch da drauf! " Aber irgendwie haben die das irgendwie nicht so gebacken gekriegt, dass sie einfach nur drauf gucken müssen und dass da steht... 1321 H Ja, ja. 1322 A Ja, deswegen. PG8: 1308, Anja & Heike Anja plant an dieser Stelle ein, den Schüler/ innen die Verbindung zwischen den in einer vorbereitenden Übung enthaltenen sprachlichen Mitteln und der anschließenden Anwendungsaufgabe noch einmal bewusst zu machen (“Remember to use the phrases ˮ / / Gs1308). Diese Entscheidung wird damit begründet, dass die Verwendung der entsprechenden Redemittel in einer von Rieke durchgeführten Unterrichtsstunde nicht hervorgehoben wurde (Das ist nämlich bei Rieke auch untergegangen/ / Gs1312). Dieser problematische Aspekt der Aufgabenstellung wird hier von Anja rekapituliert. Heike kann sich zunächst nicht so genau erinnern, woraufhin Anja die Situation etwas umfassender beschreibt. Die Situation kann nicht genau rekonstruiert werden. Aus der Erfahrung, dass die Schüler/ innen aufgrund von Riekes lückenhafter Arbeitsanweisung nicht genau wussten, was sie tun sollen (Und das wussten die aber gar nicht/ / Gs1316), wird jedoch abgeleitet, dass ein verbaler (ich sag hier aber dann noch mal: "Remember to use the phrases"/ 7Gs1308) und ein visueller Verweis (Dann zeig ich halt noch mal drauf/ / Gs1310) dazu führen sollten, die Aufgabe besser zu vermitteln. Der Verweis darauf, dass etwas bereits schon einmal so durchgeführt wurde (ohne dass es von den Experten kritisiert wurde), erhält im Rahmen des Planungsgesprächs viel Gewicht. Im folgenden Beispiel wird das Thema der Semantisierung unbekannter Lexik in PG5 eröffnet. Rieke verweist darauf, dass sie in ihrer Stunde die unbekannten Wörter erst nach dem Hören eines Textes semantisiert hat: 406 R Is ja egal, hm ̌ . Ich würd s auf alle Fälle vielleicht erst mal hören lassen und ne listening Aufgabe geben. 407 N Ja, aber es ist halt/ erst mal muss ich [die Semantisierung] 408 R [Erst mal die Bilder besch]... 409 N machen. [Das ist halt das]. 410 R [Vorher]? Hab ich auch hinterher gemacht. <N/ I LE: 411-415 > 416 N Ja? 417 R Ja. • • • Wir haben auch erst den Text gehört und dann • • hab ich gesagt: "Let's have a look at the words you didn't know". PG5: 406ff., Nina & Rieke 387 Im Verlauf des Gesprächs wird ausgiebig diskutiert, ob eine Semantisierung vor oder nach dem Hören des Textes erfolgen sollte. Nina verbalisiert hier, dass sie denkt, die Semantisierung müsse vor dem Hören erfolgen (erst mal muss ich die Semantisierung machen. Das ist halt das/ / Gs407-409). Rieke berichtet daraufhin von ihrem eigenen Unterricht (Vorher? Hab ich auch hinterher gemacht/ / Gs410). Im späteren Gesprächsverlauf wird dann vor allem Riekes Vorschlag weiter verfolgt werden. Interessant ist an dieser Stelle, dass Nina im Lauten Erinnern schildert, dass sie ursprünglich von einer Vorentlastung des Textes ausgegangen ist: 411 N LE <Ich hatte irgendwie im Kopf, dass ich die Semantisierung vorher machen muss. Und • • • aber anscheinend ist es nicht immer der Fall… 412 I LE <Meinte…? > 413 N LE <Meinte Rieke.> 414 I LE <Haben Sie sich da beeinflussen lassen von ihr oder wollten Sie schon eher an Ihrem Gedanken festhalten? > 415 N LE <Ähm na ja, ich hab das glaub ich dann/ schon mich beeinflussen lassen, weil ich gedacht hab, sie wird s ja nicht ohne Grund sagen hoffentlich, und ich hab auch sowieso gedacht, dass die Wörter jetzt nicht so extrem schwierig sind, dass man das vielleicht wirklich danach machen könnte. Ich glaub, wenn das so schwierige Wörter gewesen wären, die man nicht aus m Kontext unbedingt rausbekommen könnte oder die halt von der Form ganz anders sind als irgendwelche andern Wörter, die sie kennen von anderen Sprachen, dann hätt ich s auf jeden Fall davor gemacht, aber ich glaub, so ist es ganz okay.> PG5/ LE: 411ff., Nina Ninas Konzeptverständnis (SK) umfasst laut ihrer Aussage eine Semantisierung zur Vorentlastung eines Textes. Sie ist weniger vertraut mit der nachträglichen Erarbeitung des unbekannten Wortschatzes. Der Hinweis von Rieke lenkt Ninas Gedanken hier scheinbar in eine bestimmte Richtung (anscheinend ist es nicht immer der Fall). Ein Blick auf eine frühere Äußerung von Nina zeigt jedoch, dass auch sie die nachträgliche Variante bereits in Erwägung gezogen hatte: 370 N Hm ̌ . ((4s)) Also ich würd jetzt sagen, dass das alles nicht so schwere Vokabeln sind, dass man die nicht auch vielleicht • • • nach dem Lesen klären könnte? PG5: 370, Nina Aus dieser Abfolge der Äußerungen ergibt sich die Interpretation, dass in Ninas Vorstellung ein bestimmtes Vorgehen aus theoretischer Sicht empfohlen wird (Semantisierung vor dem Hören), dem es zu folgen gilt (Das ist halt das/ / Gs409). Aus ihrer Sicht wäre jedoch auch ein nachträgliches Erarbeiten denkbar (und ich hab auch sowieso gedacht, dass die Wörter jetzt nicht so extrem schwierig sind, dass man das vielleicht wirklich danach machen könnte/ / Gs415). Letztere Alternative scheint ihr noch wenig vertraut zu sein (Ich hatte irgendwie im Kopf, dass ich die Semantisierung vorher machen muss/ / Gs411). Riekes Verweis darauf, dass sie selbst schon einmal so vorgegangen ist, trägt hier dazu bei, 388 dass sich Nina in einer unsicheren Annahme (vgl. Gs370) bestätigt fühlt. Riekes Einschätzung aufgrund ihrer eigenen Unterrichtserfahrung hat für Nina hier einen hohen Stellenwert (weil ich gedacht hab, sie wird s ja nicht ohne Grund sagen/ / Gs415). Die Erfahrungen, die die Studierenden bereits im Unterrichten gesammelt haben, stehen nicht im Vordergrund der Planungsgespräche. Dennoch sind sie von Bedeutung, wenn z.B. nach möglichen Aktivitäten gesucht wird, wenn es darum geht, die Angemessenheit von Entscheidungen einzuschätzen oder diese zu begründen. Erfahrungen werden dabei oft nur kurz aktiviert und beziehen sich häufig auf Aspekte des classroom management. Seltener kommt es zur umfassenden Auseinandersetzung mit Erfahrungen. Wenn die gemachten Erfahrungen reflektiert werden, so ist dies meist durch Missverständnisse oder Unsicherheiten angeregt. 10.2.8 Metakognitive Lernprozesse: Das Planen lernen In den Planungsgesprächen wird nicht nur prospektiv über das Unterrichten gesprochen, sondern auch über den Prozess des Planens selbst (vgl. Kap. 8.2.10). Die Studierenden thematisieren dabei, welche Planungsschritte bereits vor dem Gespräch unternommen wurden, wie im Einzelnen während des Gesprächs vorgegangen wird und was danach noch zu tun ist. Es kommt außerdem zu Gesprächssequenzen, in denen das Ausfüllen eines tabellarischen Verlaufsplans im Zentrum steht. Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl im Sprechen über das Planen als auch im Prozess des planerischen Handelns Erfahrungen gewonnen werden, die dazu beitragen, die eigene Planungskompetenz zu reflektieren und zu entwickeln. Dabei kommt es außerdem zu Prozessen dialogischer Mediation, in denen die Studierenden sich gegenseitig dabei unterstützen, ihre Planungshandlungen zu verbessern. In der folgenden Sequenz unterstützt Maren Ute dabei, über das Zeitmanagement ihrer Stunde nachzudenken: 1295 M Überleg mal mit der Zeit. 1296 U Ja, warte mal. ((Lautes Ausatmen)) Also mindestens 30 Minuten. 1297 M Hm ̄ , also du kannst doch... Überleg doch [mal die kleinen] 1298 U [(Wenn die wirklich diese)]... 1299 M Puzzleteile. Dann geht das besser einzuschätzen, wenn du [diese kleinen]... 1300 U [Welche Puzz…] Diese Fragen noch? 1301 M Na, wenn du ((2s)) die einzelnen Teile einschätzt das geht leichter, weil die kleiner sind - und das zusammenrechnest, als wenn du die große Aufgabe [betrachtest]. 1302 U [Nee, nee, nee] nee. Also kleinere Teile. Also erster Dialog würde ich sagen... 1303 M ((2s)) Du musst vom Einstieg ausgehen. 1304 U Hm ̌ ((1s)) also, genau. 389 1305 M Fang mal ganz vorne an. 1306 U Einstieg, • • würd ich sagen: fünf Minuten. 1307 M Wofür genau? 1308 U Äh für die Folie ((zeigt ins Buch)) • • • und für die Folie ääähm ((zeigt auf andere Stelle im Buch)). Da werden die schnell drauf kommen, denke ich mal. 1309 M Hm ̌ . Na da kam ich (auch raus). 1310 U Ja. [Also]... 1311 M [Wenn ich] jetzt so überlegt hab. PG2: 1295ff., Maren & Ute Relativ gegen Ende des Planungsgesprächs denken beide Studierenden darüber nach, wie viel Zeit einzelne Unterrichtsabschnitte in Anspruch nehmen werden. Ute überlegt kurz und kommt dann zu dem Schluss, dass das bis dahin Geplante ca. 30 Minuten dauern könnte. Dieses schnelle Urteil entspricht nicht Marens Vorstellung einer zeitlichen Planung. Sie regt in den folgenden Gesprächsschritten Ute dazu an, kleinteiliger vorzugehen. Maren wechselt in Gs1297 auf die Metaebene, indem sie das Planen an sich thematisiert. Dieser Ebenenwechsel ist Ute zunächst nicht klar. In Gs1302 geht sie jedoch auf Marens Empfehlung ein. Maren empfiehlt weiterhin, mit dem Unterrichtseinstieg zu beginnen (Fang mal ganz vorne an/ / Gs1305) und konkret zu überlegen, welche Teilschritte mit einer Aktivität verbunden sind (Wofür genau? / / Gs1307). Am Ende kommen beide bezüglich des ersten Unterrichtsabschnittes zu einer ähnlichen Einschätzung. Marens Ziel ist hier zum einen, gemeinsam mit Ute so vorzugehen, wie es aus ihrer Sicht am sinnvollsten ist, um zu einer verlässlichen Einschätzung zu kommen. Zum anderen möchte Maren, die sich selbst hier als erfahrenere Person sieht, Ute ihre Vorstellung von zeitlicher Planung nahe bringen. Die von Maren verwendeten Imperative (überleg mal; fang mal ganz vorne an) und direktiven Modalverben (du kannst doch; du musst vom Einstieg ausgehen) zeigen, dass Maren hier versucht, eine vermittelnde Rolle einzunehmen und Ute etwas beizubringen. Ein ähnliches Vorgehen wird in folgender Gesprächssequenz aus PG7 deutlich: 311 C Genau, das könnte ja im Prinzip auch an der Tafel bleiben. Die könnt ich ja dann… Also jetzt nehmen wir mal an, ich mach das halt in die Mitte, in der Mitte dran= 312 E =Willst du s gleich mal aufmalen? 313 C Hm ̌ ((faltet Papier wie eine aufklappbare Tafel)). 314 E ((lacht)) 315 E LE <Ja, da hab ich mich gefreut, weil das hab ich nämlich bei meiner letzten Stunde auch gemacht, das Blatt halt direkt so gefaltet, wie die Tafel dann ist, und dann dacht ich, es wäre ja toll wenn Clara das jetzt gleich so machen würde und hat sie auch.> PG7: 311ff., Clara & Ellen 390 Hier initiiert Ellen, das Tafelbild der Stunde mithilfe einer Skizze zu planen und ist darüber erfreut, dass die Planungsstrategie, zu diesem Zweck ein Blatt Papier wie eine Tafel zu falten, von Clara aus einer vorherigen Unterrichtsplanung übernommen wurde. Auch Ellen hat hier wie Maren den Anspruch, die Ko-Planerin nicht nur inhaltlich, sondern auch planungsstrategisch zu unterstützen. Diese gegenseitige Hilfe und der Vorteil der daraus erwächst, sind den Studierenden durchaus bewusst. Ein anderer Punkt, der von Clara im retrospektiven Interview direkt angesprochen wird, ist das Erstellen eines tabellarischen Verlaufsplans im Rahmen der SPS: 316 C B <[…] Und ich glaub auch, also wir hatten zwar schon Stundenplanung auch in diesem TEFL-Seminar, aber erst hier hab ich das wirklich gelernt, wie man das macht und auch einfach die Form zu nutzen, und dass das auch nicht nur ist, damit ich hier D1 was zum Abgeben hab, sondern dass das wirklich auch für mich ist, dass ich weiß, was ich wann mache und was ich wann sage.> PG7/ B: 522, Clara Sie hält dies für eine sinnvolle Vorgehensweise. Die Erstellung dieses Plans erfolgte in allen Gesprächen (außer in PG5) vor oder nach dem Planungsgespräch zu Hause, wobei die Notizen eine Vorarbeit für diesen Plan darstellten, jedoch nicht in Tabellenform angelegt wurden. Dennoch lässt sich beobachten, dass das Planungsgespräch, selbst wenn nicht direkt ein Unterrichtsentwurf erstellt wird, die Möglichkeit bietet, sich über die im Verlaufsplan enthaltenen Termini zu verständigen (s. Kap. 9.2.7). Selbst wenn der Plan für einige Studierende eine Pflichtübung darstellen sollte (dass das auch nicht nur ist, damit ich hier D1 was zum Abgeben hab), so bietet die Verständigung darüber mit einem Partner / einer Partnerin die Chance, sein jeweiliges Verständnis eines Konzeptes offen zu legen und, wie die folgende Sequenz zeigt, sich im Austausch miteinander rückzuversichern, wie bestimmte Begrifflichkeiten verwendet werden: 1356 N Ähm Stillarbeit... [Ist aber nicht wirklich] Stillarbeit. 1357 R [Hmhm ̀ ] 1358 N Das ist ähm • • [Plenum] 1359 R [Plenum], ne? 1360 N gUg. 1361 R Hm ̌ . 1362 N ((tippt, 6s)) “Well done boys and girls” könnt ich lassen. 1363 R Super. 1364 N ((1s)) Ähm... 1365 R ((2s)) "And now let's, let's read the, let's read the text.” (Da sind wir wieder) bei let's. 1366 N ((tippt)) "Let's read..." 1367 R Oder schreib einfach "We want to read the text together now" oder so. PG5: 1356ff., Nina & Rieke 391 Nina trägt zunächst für den Unterrichtsabschnitt Reading, in dem kurze Texte durch einzelne Schüler/ innen vorgelesen werden sollen, als Sozial- und Aktionsform Stillarbeit ein, korrigiert sich dann jedoch und kommt gleichzeitig mit Rieke zu dem Schluss, dass es sich hier um eine Arbeit im Plenum, d.h. um ein gelenktes Unterrichtsgespräch (gUg) handelt. Das gelenkte Unterrichtsgespräch bezieht Nina hier vermutlich auf die Ankündigung der Aufgabe und die Aufforderung einzelner Schüler/ innen, einen bestimmten Textabschnitt vorzulesen. 10.3 Verortung in der Praxisgemeinschaft Die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Planung einer Unterrichtsstunde, die im Planungsgespräch sichtbar werden, geben den Studierenden die Möglichkeit, sich mit anderen zu vergleichen und sich in der Gemeinschaft der Lehramtsstudierenden zu verorten. Die Unterschiede im Denken und Handeln der Teilnehmenden werden in einigen Gesprächen mehr, in anderen weniger deutlich. In PG6 zeigt sich z.B., dass Linda bei der Vorbereitung anders vorgeht als Mattis: 412 L Und die Fragen, stellst du die ins Plenum oder muss die jeder selbst beantworten? 413 M • • Ähm die werde ich/ • • das na ja, das weiß ich noch nicht. Da hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Also irgendeiner muss es beantworten. 414 L ((lacht kurz)) Du! 415 M Und äh ((lacht kurz)) ich ((1s)) ich muss es ja überprüfen. Ob ich s dann gleich überprüfe ((1s)) oder ob ich s/ ((1s)) die halt jeder für sich äh ((1s)) aufschreiben lasse, weiß ich nicht. Ich hab gedacht, ich würd gleich • fragen: "Worum geht s? “ ((schaut fragend zu L)). ((2s)) Oder... <M LE: 416 > 417 L Warum machst du das nicht so, warum machst du das nicht so, dass du wenn du auf dem Beamer halt • • die vier Passagen hast, dass du dann • • • die Fragen dazu auch noch mit dem Beamer hast und dann sagst du: "Okay, jeder ist jetzt still, guckt sich die Fragen an, überlegt sich worum es ging sozusagen und dann beantworten wir die in ner Minute gemeinsam". Und dann können sie sozusagen auch checken, ob sie auch die Antwort gehabt hätten • • und du könntest (wissen)... 418 M Du meinst ich z/ zeig ihnen erst die, die Fragen mit den Möglichkeiten und dann… • • 419 L Nee, du zeigst ihnen den Text. Die lesen den Text. 420 M Okay. 421 L Und dann zeigst du/ und dann machst du den Text weg? 422 M Hm ̌ . 423 L Und dann zeigst du die Fragen 424 M Hm ̌ . 425 L auf m Beamer. Und dann sagst du: "Okay, eine/ ihr habt ne halbe Minute Zeit," - oder was weiß ich - "lest euch die Fragen durch, äh macht euch vielleicht 392 kleine Notizen wo A/ 1A B C 2 A B C, was ihr glaubt, was richtig ist und in einer halben Minute werden wir das dann gemeinsam besprechen". Und dann kannste nämlich auch immer wieder korrigieren, wenn jemand sagt: "Ich glaube es ist C." sagst du "Nee, wieso denn? " und dann sagt er "Na ja es geht halt um schottische Wetter" und dabei ging s um was weiß jetzt ich italienisches Wetter. Und dann swapste wieder zur Seite davor und sagst: "Guck mal hier steht: Scottland bla bla bla. Das ist sozusagen falsch". 426 M Ja, ja klar. So dachte ich... 427 L Und dann könntest du jetzt mit denen arbeiten. Und wenn du merkst es läuft wie am Schnürchen, dann umso besser für dich. Und dann kannst du ja zur Not noch fragen: "Hat das jeder oder hat jemand was anderes? " oder so. 428 M Ja. Oder: "Wer hätte das"/ oder "wer hätte die Antwort noch gehabt"? 429 L Irgendwie so, genau. 430 M [((Unverständlich, 1s))]... 431 L [Oder du machst nen] Spiel draus, von wegen dass du nicht sagst, ob s richtig ist sondern du sagst: "Wer hat denn auch das? " Und dann melden sich alle und dann sagst du: "Und wer hat B? " Und wenn sich dann jemand für B meldet, dann fragst du halt: "Und warum? " • • • oder so. Kannst ja gucken, ob du damit irgendwie so n [bisschen]... <M LE: 432 > 433 M [Hm ̌ ]. ((1s)) Stimmt, • • • ja • • äh ja gut. Wie gesagt, so • • so hab ich mir das eigentlich gedacht. [Nur dass ich] das noch mal... 434 L [Und dann]? ((1s)) Wie viel Zeit willst du dafür einplanen? <M LE: 435 > PG6: 412ff., Mattis & Linda Es geht um Mattis’ Unterrichtsstunde, in der er die Lesetechniken skimming und scanning mit den Schüler/ innen thematisieren und üben möchte. Mattis hatte sich zuvor überlegt, vier kurze Texte zu präsentieren, die die Schüler/ innen überfliegen sollen, um anschließend zu jedem Text eine multiple-choice- Aufgabe (Worum geht es in dem Text? ) zu beantworten. Wie an einigen anderen Stellen im Gespräch initiiert Linda hier in Gs412 eine Frage, die auf die Präzisierung der Aufgabendurchführung zielt (die Fragen, stellst du die ins Plenum oder muss die jeder selbst beantworten? / / Gs412). Über den konkreten Ablauf hatte Mattis noch nicht weiter nachgedacht (Da hab ich mir noch keine Gedanken gemacht/ / Gs413). In Gs414 formuliert er eine erste Idee, (Ich hab gedacht, ich würd gleich • fragen: "Worum geht s? "/ / Gs414), die jedoch noch nicht weiter spezifiziert wird. Linda unterbreitet im weiteren Gesprächsverlauf eine Reihe von Vorschlägen, wie dieser Unterrichtsabschnitt konkret gestaltet werden könnte. Dabei geht sie auf verschiedene Planungsaspekte ein, wie z.B. die Mediennutzung (die Fragen dazu auch noch mit dem Beamer/ / Gs417) oder die Perspektive der Schüler/ innen (dann kannste nämlich auch immer wieder korrigieren/ / Gs425). Sie verwendet dabei sehr oft die direkte Rede ("Okay, jeder ist jetzt still, guckt sich die Fragen an, überlegt sich worum es ging“/ / Gs417). Lindas Formulierungen zeigen, dass sie sich direkt auf der Ebene der Unterrichtsdurchführung bewegt und sich vorstellt, was der Lehrer und was die Schüler/ innen sagen und tun könnten. Ihre Vorschläge sind sehr detailliert und 393 durch die dadurch entstehende Komplexität etwas schwierig nachzuvollziehen. Aus diesem Grund muss Mattis in Gs417 noch einmal nachfragen, was Linda meint und beide gehen den Gedankengang in den Gesprächsschritten 417-428 noch einmal durch. Es treffen hier zwei Planungsstile aufeinander, die sich deutlich unterscheiden. Während Mattis auf einer allgemeineren Ebene der Auswahl und der Gestaltung von Aktivitäten bleibt, geht Linda sehr stark ins Detail und durchdenkt die Unterrichtsabschnitte von der Umsetzung her (vgl. Kap. 9.2). Interessant ist an dieser Stelle, was Mattis während der Gesprächssequenz denkt und im Lauten Erinnern verbalisiert: 416 M LE <Ich hab das Problem, ich denke sehr rational und immer nur in Schritten. Also ich würd gern einen Schritt immer erst beendet haben und dann kommt erst der nächste. Was sie ist/ sie hat so viele kleine Teilschritte und ich hab lieber erst n großes Ganzes weg und dann das hinten dran, also ich hätte es wirklich erst dann am Ende überprüft. Ähm ich denke, da s jetzt meine zweite Stunde ist… Ich auch/ ich muss ja auch wissen, was mach ich als nächstes. Wenn ich halt so viele kleine Teilschritte hab, hab ich auch mehr Aufwand oder Schwierigkeiten, mir das vielleicht alles zu merken. Ich muss mir auch gewisse Formulierungen merken und wie frag ich und deswegen hätt ich das gern in einem Aufwasch lieber hinten dran gemacht. […] Aber ich kann ihren Standpunkt verstehen und werd s auch so machen. […]> PG6/ LE: 416, Mattis Mattis bezeichnet sein eigenes Planungsverhalten hier als rational, vermutlich im Gegensatz zu Lindas aus seiner Sicht eher assoziativen, sprunghaften Denken. Obwohl sein zweiter Satz sich auch auf den Gesprächsverlauf beziehen könnte (Also ich würd gern einen Schritt immer erst beendet haben und dann kommt erst der nächste), beschreibt Mattis hier sein Denken in Bezug auf die Gestaltung des Unterrichts (erst alle Texte lesen lassen: n großes Ganzes weghaben; und danach die Aufgaben mit den Schüler/ innen auswerten: dann das hinten dran; dann am Ende überprüft). Diese Variante, erst nach dem Lesen aller Texte in einem Schritt alle Aufgaben zu überprüfen, erscheint Mattis einfacher. Lindas Vorschlag beinhaltet hingegen viele kleine Teilschritte (einen Text lesen lassen, die multiple-choice-Aufgabe zeigen, Zeit zum Nachdenken geben, mehrere Schüler/ innen antworten lassen, bei falschen Aussagen zurück in den Text gehen, dann den nächsten Text lesen lassen usw.). Mattis Sorge ist hier, dass diese Kleinteiligkeit u.U. die Umsetzung erschweren könne, weil er an so viele Dinge denken müsse (Schwierigkeiten mir das vielleicht alles zu merken; gewisse Formulierungen merken). Diese Sichtweise führt er in der LE-Äußerung 432 noch weiter aus: 432 M LE <Das ist genau das, was ich meine. Das sind so viele kleine Sachen: Ich frag den und den und das und das, wer das und wer die und wenn du diese Antwort hast, dann was bedeutet die, könnte es vielleicht die andere sein, warum könnte es nicht die andere sein… Ähm, da bin ich noch zu unflexibel. Also da bin ich noch zu sehr mit mir beschäftigt und dem ganzen Drumherum ähm, dass ich 394 das nicht gebacken kriege. Also weiß ich. Weil ich wirklich noch nicht soweit bin, dass ich das jetzt alles so schnell verarbeiten kann. Äh und • • ich find s ne prima Idee, ob ich s dann so mache, ich denke es wird sich auf ähm weniger Fragen belaufen, und ich würd einfach gucken, dass ich frage, wer hat denn die gleiche Antwort. Und jetzt nicht, wer denkt, dass ne andere Antwort richtiger ist. Obwohl, es gibt ja nur eine richtige Antwort. Also wie gesagt, das wäre mir zu komplex. Ich weiß, dass Linda das kann, aber • • da bin ich wirklich noch… • • Ja, ist nicht so mein Ding.> PG5/ LE: 432, Mattis Mattis schätzt die Situation hier so ein, dass Linda ihm in Hinblick auf die Detailliertheit und Komplexität einer Planung und der entsprechenden Umsetzung im Unterricht etwas voraus ist. Gerade in Bezug auf die Unterrichtsdurchführung sieht er sich selbst im Vergleich zu Linda als weniger versiert (da bin ich noch zu sehr mit mir beschäftigt und dem ganzen Drumherum ähm, dass ich das nicht gebacken kriege; weil ich wirklich noch nicht soweit bin; ich weiß, dass Linda das kann, aber da bin ich wirklich noch…/ / Gs432). Einerseits scheint es für ihn möglicherweise auch eine Frage des Typs zu sein (Ja, ist nicht so mein Ding/ / Gs432; Was sie ist/ sie hat so viele kleine Teilschritte/ / Gs416), andererseits bringt er hier auch zum Ausdruck, dass er seine Kompetenzen einschätzen und vergleichen kann und weiß, was er noch erreichen möchte. Im Gespräch mit Linda wird diese Metaebene nicht thematisiert. Für Linda entsteht so z.B. eine Verwirrung, die nicht aufgelöst wird. Sie ist z.B. verwundert darüber, weshalb Mattis sich während des Planungsgesprächs kaum Notizen anfertigt: 270 M Okay. Das stimmt. ((3s)) Das kann ich mir mal aufschreiben. 271 L LE <Das war jetzt das erste, was er sich aufschreibt? Da dacht ich: Endlich schreibt er was. Dann hab ich gesehen, wie er s sich aufschreibt, oder wo. Hier oben in die Ecke! Also er hat sich eigentlich nichts aufgeschrieben.> PG6/ LE: 270f., Mattis & Linda Er selbst ist sich dessen durchaus bewusst und begründet dies an einer anderen Stelle wie folgt: 435 M LE <Dass ich s nicht aufgeschrieben hab, da sieht man auch, dass ich s schon/ also dass ich schon wieder drüber hinweggegangen bin. Also mir zwar meine Gedanken da rausgenommen habe, d.h. ich werd s überprüfen, aber auf ne ganz einfache Art und Weise und nicht so wie sie s erklärt hat. Deswegen hab ich mir das auch nicht aufgeschrieben, sondern das kommt dann, also ich hab s verinnerlicht, aber ich hab s nicht weiter…> PG6/ LE: 435, Mattis Mattis übernimmt einen Teil von Lindas Ideen, er erkennt, dass ihre Detailliertheit durchaus erstrebenswert ist und reflektiert, dass dieses Vorgehen jedoch noch nicht seiner eigenen Arbeitsweise entspricht. Auch im Gespräch mit Philip übernimmt Linda die Rolle derjenigen, die immer wieder präzise Nachfragen stellt. Philip reflektiert dies im Lauten Erinnern folgendermaßen: 395 246 P LE <Sie geht dann immer schön rational an die Sachen ran, also sie überlegt dann immer, alles klar/ also sie denkt dann immer noch n bissl mehr, bissl weiter. Ich denk mir immer einfach so: Ja, das wird schon, das klappt schon irgendwie und steh dann halt wahrscheinlich in der Stunde dann da: Ah ja okay, zeittechnisch klappt s jetzt nicht oder so.> PG4/ LE: 246, Philip Philip resümiert, dass Linda im Gespräch in manchen Fällen noch weiter denkt als er selbst und dass dies jedoch durchaus von Vorteil ist. Er selbst geht intuitiver vor und hat dann jedoch u. U. die negativen Konsequenzen im Unterrichtsverlauf zu tragen. Philip verortet sich hier, wie Mattis, innerhalb seiner Gruppe und im Vergleich zu Linda. Auch er zieht die Schlussfolgerung, dass Lindas Ideen und Einwände der Planung zuträglich sind und daher eine Art der Vorbereitung darstellen, die er auch für sich selbst anstrebt. Die Interviewdaten zeigen insgesamt, dass alle Teilnehmenden die Zusammenarbeit mit einem Partner / einer Partnerin als wertvoll einschätzen. Ein Grund dafür ist u.a., dass durch die Planung mit einer zweiten Person die Sicht auch auf das eigene Handeln gelenkt wird und es dadurch zu selbstreflexiven Prozessen kommt. 520 C B <[…] man lernt halt auch unglaublich viel durch die anderen einfach, und lernt auch, seinen eigenen Stil zu schätzen oder sieht auch die Sachen, wo man halt noch arbeiten muss, was andere einfach schon besser machen als man selbst so.> 521 I B <Durch das Unterrichten jetzt, meinen Sie oder…? > 522 C B <Nee, auch durch das Observieren der anderen Stunden und auch ähm • der anderen Planungsarten. Also wenn ich jetzt mit Hendrik geplant hab, war das halt noch mal komplett was anderes so und ähm obwohl wir da nicht besonders gleich sind in den Auffassungen, wie man so ne Stunde plant aber, hat er mir halt auch noch ganz viele/ • so okay: an das musste auch noch denken, einfach so ne/ son größeres Blickfeld ähm • • ja gegeben. PG7/ B: 520ff., Clara Claras Ansicht nach bieten die Planungsgespräche die Gelegenheit, sich seiner eigenen Arbeitsweise, seiner Stärken und Schwächen bewusst zu werden und auch andere Vorgehensweisen kennenzulernen (lernt auch seinen eigenen Stil zu schätzen oder sieht auch die Sachen, wo man halt noch arbeiten muss, was andere einfach schon besser machen als man selbst; andere Planungsarten). Damit sind die Gespräche zur Unterrichtsvorbereitung nicht nur eine Bereicherung aufgrund der doppelten Anzahl von Ideen, sondern auch, weil die Studierenden aktiv in einen Austausch mit Mitgliedern der Praxisgemeinschaft der Lehramtsstudierenden treten. Sie erproben hier verschiedene Wege, die Sprache der community of practice zu nutzen (vgl. Kap. 10.2.1/ 10.2.2), fachspezifische Konzepte umzusetzen und die eigene Identität einer Fremdsprachenlehrperson im Diskurs und im Vergleich mit anderen zu entwickeln. 396 10.4 Zusammenfassung und Diskussion der Befunde Die Gesprächsdaten sowie die retrospektiven Kommentierungen der Studierenden zeigen sehr anschaulich, dass die Erstellung eines Unterrichtsentwurfs durch die Möglichkeit der Zusammenarbeit in Form eines Planungsgesprächs deutlich unterstützt wird. So konnte die Analyse einzelner Sequenzen deutlich machen, dass die Studierenden durch die kollaborative Zusammenarbeit mit einer zweiten Person sowie durch die beratende Unterstützung der Ko-Planenden zu Einsichten gelangen, die Planänderungen oder neue Unterrichtsideen zur Folge haben (Kap. 10.1.1). Allein die Gelegenheit, Gedankengänge auszusprechen führt dazu, dass Ideen präzisiert werden (Kap. 10.1.2.6). Die Zusammenarbeit mit einer zweiten Person hat zudem zur Folge, dass durch das Verbalisieren von Gedanken über mögliche Unterrichtsschritte mentale Bilder evoziert werden, in denen das Unterrichtsgeschehen antizipiert wird (Kap. 10.1.2.7). Dieses gedankliche Probehandeln wird vor allem angeregt, wenn es darum geht, über die zeitliche Struktur der Stunde nachzudenken oder Aufgabenstellungen auszuformulieren (10.1.2.8). Letztlich ist jedoch auch festzustellen, dass das Planungsgespräch an Grenzen stößt, wenn es z.B. dazu kommt, dass die Ideen der Studierenden durch das Gespräch mit einer zweiten Person schnell Bestätigung erfahren, wenngleich eine tiefergehende Analyse des Sachverhalts der Sache zuträglich gewesen wäre (Kap. 10.1.2.2). Es bleibt zudem nicht aus, dass Missverständnisse entstehen oder Äußerungen nicht so verstanden werden, wie sie vom Sprecher intendiert waren (Kap. 10.1.2.11). Die Rollenverteilung führt außerdem dazu, dass die beratende Person mitunter weniger aktiv involviert ist und die Verantwortung abgibt (Kap. 10.1.2.9) oder dass einzelne Personen aus verschiedenen Gründen eine individuelle Vorbereitung vorziehen (10.1.2.10). Inwiefern das gemeinsame Vorbereiten einer Unterrichtsstunde im Gespräch mit einer/ einem ko-planenden Studierenden der Unterrichtsplanung zuträglich ist, hängt u.a. davon ab, welche Beziehung die Planenden miteinander eingehen. Förderliche Interaktionsprozesse lassen sich vor allem in Dyaden finden, in denen die Partner/ innen kollaborativ zusammenarbeiten oder in denen die Ko-Planenden eine beratende Rolle einnehmen. Durch die kollaborative Beteiligung beider Personen am Planungsprozess kommt es zu Aushandlungsprozessen, in denen mehr Ideen eingebracht, Vorschläge kritisch betrachtet, auch gegenteilige Meinungen geäußert, Begründungen dafür gegeben und letztlich Entscheidungen getroffen werden, die auf einem Konsens beruhen. Ähnlich förderliche Interaktionen finden in Gesprächsphasen mit beratendem Interaktionsmuster statt. Dieses sehr typische Interaktionsverhalten, in dem eine Person als Berater/ in agiert, führt u.a. dazu, dass der Unterrichtsentwurf komplexer und detailreicher wird. Während die unterrichtende Person stark auf den Unterrichtsablauf aus der Perspektive der 397 Lehrperson konzentriert ist, scheint gerade die ko-planende Person mitunter stärker auf Details der Unterrichtsdurchführung und auf die Perspektive der Schüler/ innen achten zu können, da sie nicht dem Druck ausgesetzt ist, die Stunde selbst auch unterrichten zu müssen. Neben den zusätzlichen Hinweisen, Ratschlägen und Ideen, die die beratende Person mit in das Gespräch einbringt, geht aus den Daten außerdem hervor, dass die Zusammenarbeit mit einer Partnerin / einem Partner für die Studierenden auch eine Unterstützung in emotionaler Hinsicht bietet (Kap. 10.1.2.5). Bedingt durch den Kontext der SPS befinden sich die Untersuchungsteilnehmer/ innen in mehrerlei Hinsicht in einer angespannten Situation: Die SPS stellen für viele Studierende die erste Gelegenheit dar, eine Englischstunde an einer Schule selbst zu planen und durchzuführen. Die SPS-Gruppe, die von einer Dozentin geleitet wird, bietet dabei Hilfestellung (gemeinsames Planen und Reflektieren des Unterrichts), wobei die Arbeit in der Gruppe auch zu zusätzlicher Nervosität führen kann, denn die Lehrperson wird während des Unterrichts von 4 bis 6 Personen beobachtet und steht anschließend im Zentrum der gemeinsamen Unterrichtsauswertung. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Studierenden eine mehr oder weniger große Unsicherheit empfinden, die jedoch durch die Möglichkeit, sich mit einer Kommilitonin / einem Kommilitonen auszutauschen, verringert werden kann. Die Studierenden können ihre Befürchtungen teilen, erste Ideen ungehemmt äußern, sich rückversichern und erhalten wertschätzende, kritische oder bestätigende Rückmeldungen. Als zentraler Punkt der hier dargestellten Analyse ist die Frage untersucht worden, inwiefern Planungsgespräche das Potential bieten, Lernprozesse in Bezug auf die Entwicklung professionellen Wissens anzuregen (Kap. 10.2). Die Daten zeigen hier sehr deutlich, dass die Gespräche der Studierenden vielfältige Ko-Konstruktionsprozesse ermöglichen. Dabei kommt es auf verschiedenen Ebenen zu einem Aktivieren von Wissen und einem Aushandeln von Bedeutungen: (a) Vorstellungen von Unterricht wirken implizit, sie müssen nicht expliziert oder diskutiert werden, weil sie geteiltes Wissen darstellen und Konsens über deren Verständnis besteht. (b) Vorstellungen von Unterricht kommen an die Oberfläche und werden verhandelt, indem sie Inhalt des konkreten planerischen Denken und Handelns sind. (c) Vorstellungen von Unterricht werden in einer von der Unterrichtssituation abstrahierten Weise expliziert und diskutiert. Alle drei dieser Ebenen sind förderlich, wenn es um die Internalisierung von Wissen und die Bildung unterrichtsbezogener Schemata geht. Die erste Ebene wirkt vor allem konsolidierend: Wissen wird hier im Prozess des Planens aktiviert und erprobt. Auf der zweiten und dritten Ebene kommt es zur Aushandlung von Bedeutungen, wobei Vorstellungen von Unterricht ausgeführt, begründet und neu verhandelt werden, Wissen wird hier ko-konstruiert. Die 398 in Kapitel 10.2. dargestellten Analysen zeigen eine Bandbreite von Interaktionsprozessen, in denen professionelles Erfahrungswissen in jeweils unterschiedlichen Entwicklungsstufen (ZPD) zum Vorschein kommt und ausgehangehandelt wird sowie schemabildende Prozesse angestoßen werden. Die Datenanalyse machte u.a. deutlich, dass im Gespräch mit einer/ einem Mitstudierenden individuelle Vorstellungen fachdidaktischer Konzepte zum Ausdruck gebracht werden, auch wenn das Verständnis davon teils noch vage und diffus ist (Kap. 10.2.1). Im Versuch des Verbalisierens jener Konzepte kommt es im geschützten Rahmen einer nicht-hierarchischen Gesprächskonstellation zu einem Experimentieren mit und Erproben von Begrifflichkeiten, die sich auf einem Spektrum von alltagsbis hin zu fachsprachlichen Termini verorten lassen. Neben der Verwendung spezifischer Termini im Diskurs kommt es auch zu expliziten Bedeutungsaushandlungen, die von Fachbegriffen und dem damit verbundenen Konzeptverständnis ausgehen, das sich entsprechend der jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung von Person zu Person unterscheidet (Kap. 10.2.2). Vor dem Hintergrund soziokultureller Ansätze wird hier deutlich, dass durch die Anwendung der Begriffe im Kontext, Prozesse des Erwerbs fachspezifischer Konzepte und Begriffe gefördert werden. Extern verhandelte Konzepte können dadurch internalisiert werden (vgl. Fischer 2002: 124). Es wird damit außerdem ein wichtiger Beitrag geleistet, die didaktische Diskursfähigkeit der Studierenden zu fördern. Hallet (2006: 127) weist ausdrücklich darauf hin, dass professionelle Handlungskompetenzen der Lehrperson auch kommunikative Kompetenzen umfassen, die bislang jedoch meist nur indirekt Beachtung finden. Hallet zufolge lassen sich je nach didaktisch-pädagogischem Kontext verschiedene Diskursarten unterscheiden. So sollte eine Lehrperson in kompetenter, professioneller und selbstbewusster Weise an kollegialen, fachlichen und fachdidaktischen, institutionellen, pädagogischen oder lebensweltlichen Diskursen sowie vor allem an Lehr- und Lerndiskursen teilhaben bzw. sie (mit)bestimmten können (ebd.: 131). Indem zukünftige Lehrende mit angehenden Kolleginnen und Kollegen in planerische Aushandlungsprozesse treten, können sie ihre kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Hinblick auf die Mehrzahl der von Hallet angeführten Diskursarten verbessern, insbesondere wird dabei die fachdidaktische und kollegiale sowie in den antizipierenden Denk- und Gesprächshandlungen auch die Lehr- und Lern-Diskursfähigkeit geübt. Zu Aushandlungsprozessen, in denen fachdidaktische oder pädagogische Konzepte expliziert und diskutiert werden, kommt es vor allem, wenn im Planungsverlauf deutlich wird, dass unterschiedliche Sichtweisen vertreten werden (s. Kap. 10.2.3). Hier zeigt sich, dass durch Gesprächshandlungen wie z.B. Nachfragen, Gegenpositionen formulieren, Begründen oder Informationen 399 liefern, Reflexionsprozesse angeregt werden, die dazu führen, eigene Standpunkte zu hinterfragen und im Austausch mit einer zweiten Person neues Wissens zu generieren. Prozesse der gemeinsamen Wissenskonstruktion werden gefördert, indem Personen mit einer umfänglicheren Wissensbasis weniger erfahrene Personen unterstützen. Während meist davon ausgegangen wird, dass scaffolding-Prozesse angemessene und der jeweiligen ZPD angepasste Hilfestellungen durch Experten beinhalten, konnte im hier vorliegenden Datenmaterial beobachtet werden, dass strategische Mediationshandlungen im Planungsgespräch durchaus auch von den Mitgliedern der Lerngruppe ausgehen (Kap. 10.2.4). Es kann hier als These formuliert werden, dass strategische Mediation, die nach Wertsch (2007) zunächst implizit stattfindet und dann expliziter wird, die an die jeweiligen Bedürfnisse der weniger erfahrenen Person und an seine ZPD angepasst ist und auf Prozesse kognitiver Wissenstransformation gerichtet ist (s. Kap. 5.4.2), vor allem auch durch peers initiiert werden kann. Insbesondere das adäquate Einschätzen der jeweiligen ZPD und die Wahl entsprechender "Werkzeuge", um Transformationsprozesse anzuregen, kann von Mitstudierenden mitunter besser geleistet werden, als von Experten, denen es aufgrund der größeren Distanz u.U. schwer fällt, sich auf die weniger erfahrene Person einzulassen. Die Bewegung von indirekten Hinweisen hin zu expliziteren Erklärungen auf einer abstrakteren Ebene wird meist angeregt, wenn Inkongruenzen bestehen und Sichtweisen erklärt und begründet werden müssen. Diese Abstraktions- und Mediationsprozesse finden sich ebenso in den Gesprächsdaten wie Sequenzen, in denen die Interaktion nicht über die Ebene der Unterrichtsplanung und -durchführung und die dabei auszuführenden Handlungen hinausgeht. Mitunter wird dabei ersichtlich, dass die Studierenden ein spezifisches Verständnis eines Konzepts teilen, Entscheidungen daher rasch getroffen werden und sie nicht über ihre ZPD hinauskommen, wenn keine der beiden Personen über mehr Erfahrungswissen verfügt. Zum Teil wird ihnen das während des Planens kaum bewusst, zum Teil kommt es aber auch zu inneren Konflikten, wenn z.B. Probleme beim Planen entstehen, die mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nur schwer zu lösen sind oder wenn es nicht oder nur schwer gelingt, Konzepte auch entsprechend umzusetzen (Kap. 10.2.5). Diese für die Studierenden problematischen Sequenzen ähneln den von Tasker (2011) beschriebenen critical incidents oder den Momenten emotionaler und kognitiver Dissonanz, die auch Johnson (2013) bei der Arbeit mit Studierenden in angeleiteten Unterrichtspraxis- Settings beobachten konnte. Kognitive Dissonanzen entstehen, wenn die Sichtweisen, Vorstellungen oder Erfahrungen einer Person in Konflikt miteinander geraten, d.h. wenn sie mental nicht vereinbar sind (Festinger 2012), was u.a. dazu führen kann, dass Einstellungen oder Verhalten verändert werden. 400 Johnson (2013) sieht jene emotionalen und kognitiven Konflikte, die in den an ihrer Institution durchgeführten Team-teaching Projekten sichtbar wurden, als Chance, Lernprozesse anzuregen. Es wird den Studierenden damit zum einen bewusst, welche Themen für sie problematisch sind. Zum anderen kann direkt im Austausch mit der/ dem Ko-Planenden nach Lösungswegen gesucht und Dissonanzen damit aufgelöst werden. Interessante Ergebnisse lieferten die untersuchten Daten auch in Bezug auf den Umgang der Studierenden mit den Rückmeldungen und Hinweisen der an den SPS beteiligten Experten (Kap. 10.2.6). Die Studierenden beziehen sich im Planungsgespräch an vielen Stellen auf die Empfehlungen, die von der Dozentin oder der Lehrerin vermutlich in Vorbereitungs- und Auswertungsgesprächen gegeben wurden. Die damit verbundenen Vorstellungen über Unterricht werden oftmals nur in Erinnerung gerufen, um sie anschließend unhinterfragt zu übernehmen. Die Expertenmeinung scheint hier als eine Art Richtlinie oder Vorgabe verstanden zu werden, denn es wird kaum diskutiert, wie diese Hinweise zu verstehen sind oder ob sie auch auf die zu planenden Stunde übertragbar und angemessen sind. Einen ähnlich hohen Stellenwert besitzen die eigenen Unterrichtserfahrungen der Studierenden (Kap. 10.2.7). Dieses Erfahrungswissen zeigt sich teils implizit, wenn z.B. Hinweise gegeben oder Einwände formuliert werden. Es wird jedoch auch explizit auf Unterrichtserfahrungen im Rahmen der SPS Bezug genommen, die auch von beiden Planenden geteilt werden. Nur vereinzelt konnten jedoch Aushandlungsprozesse beobachtet werden, die diese Erfahrungen reflektieren. Den Aussagen über bereits erfolgreich durchgeführte Unterrichtshandlungen wird insgesamt viel Bedeutung beigemessen, was vermutlich in Zusammenhang damit steht, dass erst wenige unterrichtspraktische Erfahrungen vorliegen, sich das eigene Erleben jedoch fest im episodischen Gedächtnis verankert. Neben den Aushandlungsprozessen in Bezug auf fachspezifische Termini und Konzepte stellt das Planungsgespräch außerdem eine Gelegenheit dar, sich über das Vorgehen bei der Unterrichtsvorbereitung auszutauschen (Kap. 10.2.8). Die Zusammenarbeit mit einer/ einem Mitstudierenden bietet daher die Möglichkeit, planerisches Handeln bewusst wahrzunehmen, explizit zu thematisieren und zu reflektieren und damit das Planen zu lernen. Neben einer verbesserten Unterrichtsplanung und den Potentialen, die mit den Planungsgesprächen bezüglich fachspezifischer Lern- und Entwicklungsprozesse verbunden sind, stellt die gemeinsame Unterrichtsvorbereitung eine wertvolle Möglichkeit dar, sich in der community of practice zu verorten (Kap. 10.3). Durch die Zusammenarbeit mit anderen lernen die Studierenden sich selbst, d.h. die eigenen Stärken, Schwächen, Einstellungen und Vorlieben 401 kennen. Sie können beobachten, wie andere Personen agieren und sich dazu in Beziehung setzen. Letztlich lässt sich herausstreichen, dass das kooperative Agieren in einer Praxisgemeinschaft durch die gleichrangige Begegnung der Interaktanten und die tatsächliche Verwendung von Sprache als Denkwerkzeug Lerngelegenheiten schafft, in der Entwicklungsprozesse angestoßen werden, die nicht nur Wissen generieren, sondern ebenso dazu beitragen, Identitäten zu bilden: The language we use signals the meanings we construct; the quality of our discourse determines the quality of our knowledge and how situated identities are shaped. Those meanings move beyond the content embodied in an idea to our very being - we learn who we are and who we can become through the discourse communities to which we belong. (Crafton & Kaiser 2011: 114) Crafton & Kaiser (2011) unterstreichen die Rolle, die die Praxisgemeinschaft in Prozessen professioneller Entwicklung einnimmt und plädieren für eine Lehrer/ innenausbildung, die von dialogischen und symmetrischen Formen der Kommunikation bestimmt ist. 403 11 Rückblick und Ausblick 11.1 Zusammenfassung der Befunde Vor dem Hintergrund empirischer Befunde zur Unterrichtsvorbereitung erfahrener sowie zukünftiger Lehrender, theoretischer Positionen und Handlungsanleitungen zur Unterrichtsplanung sowie jüngerer Ansätze zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden wurde der Fokus der vorliegenden Studie auf das kooperative Planungshandeln von Studierenden im Rahmen schulpraktischer Ausbildungskontexte im Fach Englisch gerichtet. Die Analyse dyadischer Unterrichtsplanungsgespräche, Protokolle Lauten Erinnerns sowie retrospektiver Befragungen ging von dem zentralen Erkenntnisinteresse aus, Planungsgespräche als soziale Praxis innerhalb des spezifischen Umfelds der universitären Lehrer/ innenausbildung verstehen und in ihrer Spezifik detailliert erfassen zu wollen. Die Untersuchung zielte dabei auf die Beantwortung der Fragen, was kooperativ planende Studierende thematisieren, wenn sie eine Unterrichtsstunde im Fach Englisch vorbereiten (FF1), wie sie dabei konkret vorgehen, d.h. welche Gesprächsphasen und Handlungsmuster solche Planungsgespräche aufweisen (FF2) sowie welche Potentiale und Probleme mit den Interaktionen der Planenden verbunden sind, die sowohl die Erstellung eines Unterrichtskonzepts als auch die Entwicklung professioneller Kompetenzen in einem weiteren Sinne betreffen (FF3). Durch die Beantwortung dieser Fragen leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag dazu, das Denken und Handeln von Fremdsprachenlehrenden in der Ausbildung zu untersuchen und damit Erkenntnisse über einen Teilbereich der Lehrer/ innenausbildung zu liefern, der bislang wenig erforscht wurde. Der empirische Teil der Untersuchung ist durch drei Auswertungsschwerpunkte gekennzeichnet, die sich in den Fragestellungen, z.T. in der verwendeten Datenbasis sowie im methodischen Zugriff auf die erhobenen Daten voneinander unterscheiden. Diese Art der Triangulation ermöglicht einen deutlich breiteren sowie tieferen Blick auf das Datenmaterial und versucht damit, der Komplexität des Untersuchungsgegenstands in entsprechender Weise gerecht zu werden. Trotz der unterschiedlichen Zugangsweisen ergänzen sich die einzelnen Befunde, teils bestätigen sie sich und teils bauen sie aufeinander auf. Die Ergebnisse der einzelnen Analysen wurden bereits in den Kapiteln 8.3, 9.1.5 und 9.2.8 sowie 10.4 zusammenfassend dargestellt. Im Folgenden sollen abschließend wesentliche Kernpunkte nochmals zusammenführend resümiert werden, um anschließend Implikationen für Empirie und Lehrer/ innenausbildung ableiten und diskutieren zu können. 404 Die Analyse der Gesprächsdaten konnte die Befunde vorangegangener Studien zum Denken und Handeln bei der Unterrichtsvorbereitung insofern bestätigen, als dass nicht beobachtet werden konnte, dass theoretische Modelle zur Unterrichtsplanung als explizite Anleitung zum Planen verwendet wurden. Planungsempfehlungen in Form von Handlungsschritten, die ein zeitlichchronologisches Abarbeiten zu beachtender Aspekte vorgeben, finden in den Planungsgesprächen so keine Umsetzung. Dennoch zeigen die Daten, dass in der Beschäftigung der Studierenden mit Unterrichtsaktivitäten zahlreiche Planungsaspekte Berücksichtigung finden und damit implizit die Trias von Ziel - Inhalt - Methode als Eckpunkte von Unterricht in den Planungshandlungen sichtbar wird, wenn auch die einzelnen Aspekte keine gleichwertige Beachtung finden. So konnte u.a. herausgestellt werden, dass Ziele von den Studierenden in den untersuchten Planungsgesprächen kaum thematisiert werden. Auch die Unterrichtsinhalte spielen keine herausragende Rolle. Befunde zur Unterrichtsplanung in anderen Fächern, die umfangreiche Inhaltsanalysen der Planenden feststellten (s. Kap. 4.2.3), können damit für die hier untersuchte Vorbereitung von Englischunterricht für die Klassenstufen 5-8 nicht bestätigt werden. Die geringe Bedeutung, die die Studierenden den Unterrichtszielen und der Analyse der Inhalte beimessen, kann einerseits darauf zurückgeführt werden, dass die Planung und Durchführung von Unterricht im Rahmen der schulpraktischen Studien (SPS) stark durch die Vorgaben der Lehrerin geprägt sind, nach denen die Studierenden sich in aller Regel auch richten. Es kann vermutet werden, dass aufgrund der Tatsache, dass Inhalte selten eigenständig ausgewählt werden, auch deren Analyse verhältnismäßig wenig Raum einnimmt. Die Studierenden orientieren sich bezüglich der Auswahl des Unterrichtsgegenstands an den Vorgaben der Lehrerin, hinsichtlich der Strukturieturierung oder der didaktischen Reduktion des Inhalts übernehmen sie vielfach die Vorgaben des Lehrwerks und letztlich vertrauen sie vermutlich auf ihre eigenen fachlichen Kompetenzen, wenn es um die Arbeit mit sprachlichen Inhalten im Unterricht geht. Das in den Daten sichtbar werdende, teilweise lückenhafte Verständnis der Studierenden in Bezug auf sprachliche oder strategiebezogene Unterrichtsinhalte zeigt jedoch, dass eine umfassende Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten auch dann notwendig ist, wenn Teilentscheidungen an Mentorinnen und Mentoren, Kursleiter/ innen oder das Lehrwerk abgegeben werden können. Aus der Inhaltsanalyse der Gesprächsdaten ging deutlich hervor, dass die Studierenden bei der Planung im Wesentlichen mit methodischen Fragen bezüglich der Durchführung einzelner Unterrichtsaktivitäten beschäftigt sind. Die Kategorie Unterrichtsaktivitäten umfasst mit Abstand die meisten und um- 405 fangreichsten Äußerungen der Studierenden (s. Kap. 8.1 und 8.2.1). Die in einem nächsten Schritt zur Vertiefung dieser Befunde durchgeführte Gesprächsanalyse ergab zudem, dass Aktivitäten im Prozess des kooperativen Planens auf drei möglichen Ebenen fokussiert werden: Die Studierenden widmen sich auf einer ersten Ebene der Suche bzw. der Auswahl von Aktivitäten. Dabei werden z.B. Inhalte und Materialien analysiert, Vorgaben besprochen oder Voraussetzungen der Schüler/ innen eingeschätzt. Auf einer zweiten Ebene werden Aktivitäten konkretisiert bzw. konzipiert, d.h. es wird ein Plan darüber erstellt, wie eine Aufgabe, Übung oder wie bestimmte Aktivitätsschritte konkret gestaltet werden sollten. Die dritte Ebene betrifft die Umsetzung von Ideen und zuvor erstellter Konzepte im Unterricht. Die Studierenden denken hier z.B. darüber nach, wie Aufgaben formuliert oder wie die direkte Interaktion mit den Schüler/ innen gestaltet werden könnte (Kap. 9.2). Diese Ebenen werden jedoch weder vollständig in allen drei Stufen noch chronologisch beachtet. Es werden z.B. Ebenen übersprungen oder gänzlich ausgelassen und vielfach kommt es zu rekursiven Bewegungen zwischen den Ebenen, d.h. es kann nicht von einer linearen Abfolge an Planungshandlungen auf den einzelnen Planungsebenen ausgegangen werden. Über das detaillierte Skizzieren dieser drei Ebenen hinaus konnten diskursive Handlungen beschrieben werden, die für die einzelnen Planungsebenen kennzeichnend sind. Dabei wurden ausführende und orientierende Handlungen unterschieden, wodurch beispielsweise ersichtlich wird, dass auf einer ersten Ebene Entscheidungen von Faktoren, wie z.B. der Inhalts- und Materialanalyse, dem Aktivieren von Vorwissen über die Lerngruppe oder von Wissen über Aktivitätsmuster beeinflusst werden. Auf der zweiten Ebene sind eher ausführende Handlungen zentral, die darauf zielen, Aufgaben zu konzipieren, Sozialformen zu bestimmen oder Aktivitätsschritte zu planen. Die dritte Ebene ist bestimmt durch ausführende Gesprächshandlungen, wie z.B. das Formulieren von Äußerungen der Lehrperson oder das Antizipieren von Reaktionen der Schüler/ innen. Insgesamt entsteht durch die Gesprächsanalyse auf makro-, meso- und mikrostruktureller Ebene ein komplexes Bild tatsächlicher planerischer Handlungen, das eine wichtige Grundlage dafür liefert, Hinweise zur Unterrichtsvorbereitung für Planungsnovizen zu entwickeln, die stärker als herkömmliche Modelle das planerische Handeln fokussieren, anstatt von einzelnen Komponenten auszugehen. Das Herausarbeiten orientierender Handlungen lässt zudem erkennen, welche Faktoren auf welcher Planungsebene von besonderer Bedeutung sind. Unterrichtspraktische Erfahrungen aus den SPS sind z.B. umso zentraler, je konkreter die Planung wird, d.h. auf der dritten Ebene spielt dieses Erfahrungswissen eine stärkere Rolle als auf der ersten Ebene. Fachdidaktisches Wissen, dass eher durch universitäre Lehrveranstaltungen beeinflusst ist, wird vor allem 406 auf der ersten und zweiten Ebene aktiviert. Auch der Vergleich der einzelnen Planungsgespräche miteinander führt zu interessanten Ergebnissen. So kann davon ausgegangen werden, dass Planungshandlungen auf der ersten und zweiten Ebene seltener auftreten, wenn Gespräche bereits von einer Person vorgeplant wurden. Planungsüberlegungen auf der dritten Ebene werden vor allem durch die aktive Teilnahme und Unterstützung der Ko-Planenden gefördert. Durch diese Einblicke in Faktoren, die die Planung der Studierenden beeinflussen, können Schlussfolgerungen für die Ausbildungspraxis abgeleitet werden, die die Relevanz unterschiedlicher Lernangebote hinsichtlich ihrer Bedeutung für unterrichtspraktische Zwecke berücksichtigen. So kann hier geschlussfolgert werden, dass das gemeinsame Planen, Durchführen und Reflektieren von Unterricht im Rahmen der Tagespraktika besonderen Einfluss auf die Feinplanung von Unterricht hat und damit einen wichtigen Bestandteil universitärer Lehrer/ innenausbildung darstellt. Die Analyseergebnisse zum Verlauf der Planungsgespräche auf einer makrostrukturellen Ebene konnten zeigen, dass sich die Studierenden im Prozess der Unterrichtsvorbereitung vordergründig an der Verlaufsstruktur der Unterrichtstunde orientieren. Die untersuchten Planungsgespräche gliedern sich in eine Gesprächseröffnung, eine Orientierungs- und Kernphase sowie die Beendigung des Gesprächs (s. Kap. 9.1). Die mittlere Kernphase macht das Planen in einem engeren Sinne aus, indem hier einzelne Unterrichtsphasen fokussiert werden. Jene Phasen sind funktional bestimmt, d.h. sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils spezifische Teillehrziele im Unterrichtsverlauf erfüllen. Eine Phase kann z.B. dazu dienen, eine sprachliche Struktur zu üben, wieder andere Phasen dienen der Anwendung sprachlicher Mittel oder der Entwicklung des globalen, selektiven oder detaillierten Leseverstehens. Unterrichtsphasen rücken in zyklischen Bewegungen in den Fokus der Aufmerksamkeit der Planenden, es wird nicht immer stringent an einer Unterrichtsphase gearbeitet, um sich anschließend der nächsten zuzuwenden. Dennoch sind die einzelnen Phasen im weitesten Sinne strukturgebend für das Planungsgespräch: Die Studierenden widmen sich meist zunächst der ersten Unterrichtsphase und thematisieren daran anschließend die darauf folgenden Phasen. Eine Unterrichtsphase besteht auf einer mesostrukturellen Ebene aus einzelnen Unterrichtsabschnitten bzw. Aktivitäten, die meist chronologisch, mit gelegentlichen Rück- und Vorgriffen von den Studierenden vorbereitet werden. Jene Aktivitäten lassen sich mikrostrukturell durch die oben skizzierten Handlungen auf drei Ebene der Konkretheit beschreiben (s. Kap. 9.2) Die Rekonstruktion der Gesprächshandlungen der Studierenden in Analyseschritt 2 konnte außerdem zeigen, dass die Vorbereitung von Unterrichtsaktivitäten eng mit dem Aktivieren von vorhandenen Aktivitätsmustern 407 verbunden ist (s. Kap. 9.2.1). Kolbe (1998) stellte in seiner Studie zur Unterrichtsvorbereitung erfahrener Lehrender heraus, dass die Vorbereitungstätigkeit ein Eingrenzen einer Vielzahl bereits vorhandener Aktivitätsmuster darstellt. Die Interaktionen der Studierenden, die in der vorliegenden Studie untersucht wurden, zeigen, dass ebenfalls auf solche Muster rekurriert wird, wenn es z.B. zu Aushandlungsprozessen kommt, in denen verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung von Aktivitäten in Erwägung gezogen und diskutiert werden. Diese Gesprächspassagen zeigen Prozesse der Bedeutungsaushandlung, die ein hohes Lernpotential hinsichtlich fachspezifischer Inhalte besitzen. Es wird jedoch auch deutlich, dass teilweise relativ schnell Entscheidungen getroffen werden, die nicht auf umfassenden Auseinandersetzungen mit Eingrenzungsmöglichkeiten beruhen. Einerseits wird hier ersichtlich, dass die Studierenden bereits über umfassende Kenntnisse verfügen, die aufgrund einer geteilten Wissensbasis nicht thematisiert und verhandelt werden müssen. Sie tragen dazu bei, dass zügig und effektiv das Planungsziel verfolgt werden kann. Andererseits deuten die Daten auch darauf hin, dass es mitunter zu wenig reflektierten Entscheidungen kommt, da erst auf ein begrenztes Repertoire an Mustern zurückgegriffen werden kann und den Studierenden kaum alternative Handlungsmöglichkeiten zu Verfügung stehen. In Bezug auf die hier untersuchte kooperative Vorbereitung von Unterricht in Form von Planungsgesprächen konnten die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Zusammenarbeit der Studierenden den Planungsprozess in vielerlei Hinsicht unterstützt (Kap. 10.1). Die Möglichkeit, Gedanken zum Ausdruck zu bringen und das mit der Gesprächssituation einhergehende Streben der Gesprächspartner/ innen nach Kohärenz führen oftmals zu einer Modellierung und Präzisierung von Ideen. In den Gesprächsdaten wird dabei sichtbar, wie es zu Denkprozessen kommt, in denen die Planenden sich spätere Unterrichtssituationen bildlich vorstellen und das mögliche Lehrer- und Schülerhandeln in der zu planenden Unterrichtssituation detailliert antizipieren. Dazu mag es auch beim individuellen Planen kommen, jedoch treffen hier im Austausch mit der Partnerin / dem Partner unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, die miteinander verglichen werden können und sich ergänzen. Die einzelnen Planungsgespräche sind von unterschiedlichen Dynamiken geprägt, die u.a. auf die Persönlichkeit der Planenden und ihre Beziehung zueinander zurückgeführt werden können. Das kollaborative Vorbereiten der Unterrichtsstunde, bei dem beide Studierenden gleichermaßen am Planungsprozess beteiligt sind, erweist sich u.a. als zuträglich, wenn es darum geht, Planungsprobleme zu lösen und neue Ideen zu generieren. Hier zeigt sich, dass die Vorschläge einer zweiten Person mitunter zur Lösung des Problems beitragen können oder die zweite Meinung als eine Art Korrektiv wirkt, durch das Ideen nochmals überprüft werden. 408 Die Mehrzahl der hier untersuchten Gesprächssequenzen zeigt ein Kooperationsmuster, das durch die Funktion der/ des Ko-Planenden als Berater/ in gekennzeichnet ist. Dabei nimmt die zweite Person, die die Unterrichtsstunde nicht durchführen wird, eine Rolle ein, die sich dadurch definiert, die/ den Unterrichtenden möglichst gut zu unterstützen. Es konnte hier gezeigt werden, dass vor allem die Ko-Planenden in ihrer beratenden Funktion eine Perspektive einnehmen können, die etwas stärker von außen auf die Unterrichtsstunde blickt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass ihre Überlegungen weniger als die der unterrichtenden Person mit Unsicherheiten behaftet sind, die mit dem Wissen verbunden sind, die entwickelten Ideen auch umsetzen und tatsächlich als Lehrperson vor der Klasse agieren zu müssen. Der Blick der Ko-Planenden ist mitunter stärker auf die Antizipation von Handlungen der Schüler/ innen und auf Details der Unterrichtsdurchführung gerichtet. Dadurch kommt es häufig dazu, dass Aspekte der Feinplanung auf der dritten Ebene bedacht werden. Neben den Vorteilen, die das Planen mit einer Partnerin / einem Partner bezüglich der Gestaltung der durchzuführenden Unterrichtsstunde hat, dient das Gespräch vor allem auch dazu, die unterrichtende Person in emotionaler Hinsicht zu unterstützen. Gerade aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Unterrichtsstunden in den Tagespraktika um erste Erfahrungen im Unterrichten handelt, den Studierenden die Rolle der Lehrperson noch fremd und die Situation insgesamt mit verschiedenen Unwägbarkeiten verbunden ist, erweist sich die Möglichkeit des Austausches mit einer/ einem Mitstudierenden als Chance, mehr Sicherheit zu gewinnen, Anteilnahme und Bestätigung zu erfahren und sich durch die SPS-Gruppe unterstützt zu fühlen. Den Befunden der vorliegenden Studie zufolge, bieten die Planungsgespräche außerdem die Gelegenheit, Lern- und Reflexionsprozesse anzuregen, die über die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde hinausgehen und die Lehramtsstudierenden in ihrer Entwicklung als angehende Fremdsprachenlehrende unterstützen (Kap. 10.2). Es konnte gezeigt werden, dass es durch die Interaktion mit einer/ einem Mitstudierenden zu vielfältigen Aushandlungsprozessen kommt, in denen Vorstellungen vom Lehren und Lernen einer Fremdsprache im Kontext schulischen Fremdsprachenunterrichts aktiviert und verhandelt werden. Dabei wird Erfahrungswissen unterschiedlicher Bereiche zusammengeführt und diskursiv erweitert. Aus den Daten geht hervor, dass in den Planungsgesprächen vor allem auf fachdidaktisches Wissen sowie auf Wissen über die Unterrichtssituation zurückgegriffen wird, um das gemeinsame Ziel der Vorbereitung einer Englischstunde zu erreichen. Die Sequenzanalysen konnten zeigen, dass individuelle fachspezifische Konzepte einerseits direkt im Prozess der Unterrichtsplanung verhandelt werden, wenn z.B. über methodische 409 oder inhaltliche Entscheidungen beraten wird. Andererseits werden jene Vorstellungen von Unterricht auch explizit und von der konkreten Situation abstrahiert verhandelt, wenn z.B. über fachsprachliche Termini und die damit verbundenen Konzepte oder über fachdidaktische Prinzipien der Unterrichtsgestaltung diskutiert wird. Dabei kommt es vor allem auch zu einer Weiterentwicklung didaktisch kommunikativer Kompetenzen der angehenden Lehrenden im Sinne einer professionellen Diskursfähigkeit (vgl. Hallet 2006). Aushandlungsprozesse, in denen fachdidaktische Konzepte im Mittelpunkt stehen, werden vor allem angeregt, wenn sich die individuellen Vorstellungen der Studierenden über jene fachdidaktischen Prinzipien unterscheiden (Kap. 10.2.3) oder wenn Unklarheit über verwendete fachspezifische Begrifflichkeiten besteht (Kap. 10.2.2). Hier konnten Mediationsprozesse beobachtet werden, in denen sich die Planenden gegenseitig bei der Konstruktion von Wissen unterstützen. Diese vermittelnden Gesprächshandlungen sind durch Rückgriffe auf fachspezifisches Wissen sowie durch Begründungen und Erklärungen gekennzeichnet, die der jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung des Gegenübers angepasst sind und von der Ebene der antizipierten Unterrichtssituation auf eine abstraktere Ebene wechseln, um interne mentale Transformationsbzw. schemabildende Prozesse anzuregen. Während an einigen Stellen fachspezifische Konzepte durch die Interaktion mit den mitplanenden Partner/ innen verhandelt und sinnstiftend ko-konstruiert werden, wird an anderen Stellen auch deutlich, dass die Unterstützung durch die Zusammenarbeit mit einem peer an Grenzen stößt. So bleibt es mitunter aus, dass bestimmte Ideen hinterfragt werden, gemeinsam ein adäquates Verständnis eines Konzeptes aufgebaut wird oder ein Problem durch alternative Vorschläge schnell gelöst wird. An diesen Stellen zeigt sich, dass der Blick eines Experten / einer Expertin nicht obsolet wird: im Gegenteil. Die Planungsgespräche mit einer/ einem Mitstudierenden bieten zahlreiche Potentiale für Lernprozesse in der Lehrer/ innenausbildung, die jedoch durch die gezielte strategische Mediation von Experten ergänzt werden sollte. Die Expertenmeinung ist für Studierende, wie die Datenanalysen zeigen konnten, von scheinbar sehr hohem Stellenwert. Die Rückmeldungen der Lehrerin oder der Dozentin werden in den Planungsgesprächen häufig thematisiert (Kap. 10.2.6) und spielen auf allen drei Ebenen der Planung einzelner Aktivitäten eine Rolle (Kap. 9.2). Sie haben eine stark orientierende Funktion. Die sequenzanalytische Auswertung jener Gesprächspassagen, in denen auf Expertenkommentare rekurriert wird, hat jedoch gezeigt, dass selten eine inhaltliche Auseinandersetzung damit stattfindet, indem z.B. verhandelt wird, inwiefern Vorschläge, Hinweise oder Kritik auch in dieser konkreten Situation und in dieser Form berücksichtigt bzw. umgesetzt werden sollten. 410 Ähnliches konnte bei Rückbezügen auf eigene unterrichtspraktische Erfahrungen beobachtet werden (Kap. 10.3.7). Es wird häufig berichtet, wie bestimmte Dinge bereits von den Studierenden durchgeführt und erprobt wurden. Auch diese erfahrungsbezogenen Hinweise erhalten viel Gewicht, vermutlich weil sich jene positiven Erfahrungen gut in individuellen Schemata verankern, vielleicht aber auch deshalb, weil sie mit positiven Rückmeldungen der Experten verbunden sind. Ein umfassendes Reflektieren praktischer Erfahrungen konnte nicht festgestellt werden, da dies auch nicht vordergründiges Ziel des Planungsgesprächs ist. Im Planungsgespräch steht die zu planende Stunde im Fokus der Gesprächshandlungen und weniger die retrospektive Auseinandersetzung mit Erfahrungen im Rahmen der SPS. Wenngleich es kaum zu umfangreichen diskursiven Reflexionen kommt, so spielen die unterrichtspraktischen Erfahrungen der Studierenden dennoch eine wesentliche Rolle bei der Planung der Unterrichtsstunde. Sie finden Eingang in die Gespräche, indem Hinweise der Experten oder eigene Erinnerungen aktiviert oder wenn über die Arbeit mit den Schüler/ innen nachgedacht wird. Dieses spezifisch kontextgebundene Wissen bildet eine Basis oder ein Korrektiv, vor dessen Hintergrund weiteres praktisches Handlungswissen in der Verschränkung verschiedener Wissensbereiche aufgebaut werden kann. 11.2 Schlussfolgerungen und Ausblick 11.2.1 Forschungsmethodisches Resümee Aus methodologischer Sicht kann hier hervorgehoben werden, dass sich die mehrperspektivische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand als sehr gewinnbringend herausstellte. Durch die Erhebung dyadischer Interaktionsprozesse und deren inhaltssowie gesprächsanalytischer Auswertung konnten einerseits aus einer etischen Perspektive wertvolle Einblicke in Gesprächsthemen, diskursive Prozesse der Bedeutungskonstruktion sowie Gesprächsverläufe und -strukturen gewonnen werden. Die Erhebung und Analyse der Protokolle Lauten Erinnerns ermöglichte, diese externe Sicht auf die Daten um eine emische, teilnehmerbezogene Perspektive zu ergänzen. Die Retrospektionen der Studierenden führten zu einer Erweiterung der Interaktionsdaten um die individuelle Sicht der Untersuchungsteilnehmer/ innen auf ihre zuvor durchgeführten interaktiven Handlungen. Durch erklärende oder kontextualisierende Äußerungen konnte das Verständnis der Gesprächsdaten ergänzt und die Auswertung bestätigt oder korrigiert werden. Damit erfüllten die LE-Daten u.a. eine validierende Funktion. Darüber hinaus konnte dadurch die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand erweitert werden, wenn z.B. nachträglich verbalisiert wurde, was die Teilnehmenden während der Gespräche 411 dachten oder fühlten. Die aktionale Ebene wurde hier um Einblicke in die mentale Ebene erweitert. Dies führte u.a. dazu, dass auch die affektive Dimension berücksichtigt werden konnte, die sonst nur schwer aus Beobachtungsdaten rekonstruiert werden kann (vgl. auch Knorr 2013). In Hinblick auf die Erhebung und Auswertung von LE-Daten konnte durch die Untersuchung bestätigt werden, dass an einer rein kognitivistisch orientierten Fundierung retrospektiver Verbalisationsprozesse nicht festzuhalten ist (s. Kap. 6.5.2, vgl. auch Feick 2013). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Äußerungen der Untersuchungsteilnehmer/ innen die individuellen Denkprozesse der Studierenden zum Zeitpunkt der Gespräche exakt widerspiegeln. Die Daten gewähren Einblicke in mentale Prozesse, bilden sie jedoch nicht ab. Die erhobenen LE-Daten zeigen deutlich, dass im Kontext der retrospektiven Befragungssituation Äußerungen evoziert werden, die an die Forscherin adressiert sind und daher Beschreibungen, Begründungen, Rechtfertigungen, kontextualisierende Erläuterungen oder bedingt durch die wiederholte Konfrontation mit den Gesprächshandlungen und durch die Zeitverzögerung nachträgliche Reflexionen enthalten. In diesen Äußerungen scheinen Erinnerungen an Gedanken und Gedanken während der Videobetrachtung zu verschmelzen. Forschungsarbeiten und methodologische Reflexionen über retrospektive Verbalisationsverfahren, die sich auf soziokulturelle Ansätze berufen und Retrospektionen als sozial situierte Konstrukte beschreiben, kann damit zugestimmt werden. Wie Feick (2013: 70) resümiert, sollten soziokulturelle Faktoren nicht ausgeblendet, sondern reflektiert und bewusst als zusätzliche Erkenntnisquelle genutzt werden (vgl. auch Smagorinsky 1998). Es bleibt an dieser Stelle methodologisch weiter zu klären, welche Auswirkungen sich aus den jeweiligen Instruktionen zum Lauten Erinnern ergeben können. Welche Art von Äußerungen würden z.B. verbalisiert werden, wenn nur die Aufforderung formuliert werden würde, die Interaktionsdaten zu kommentieren anstelle explizit nach den Gedanken während der Handlung zu fragen? Interessant sind hier die Datenbeispiele und methodologischen Reflexionen von Eckerth (2003), der die Lernenden in seiner Untersuchung retrospektiv mit den zuvor durchgeführten aufgabenbasierten Interaktionen konf