eBooks

Aktuelle Perspektiven der kontrastiven Sprachwissenschaft. Deutsch - Spanisch - Portugiesisch

Zwischen Tradition und Innovation

0819
2015
978-3-8233-7954-6
Gunter Narr Verlag 
Meike Meliss
Bernhard Pöll

Der vorliegende Band vereint Beiträge ausgewiesener Ex­pertInnen im Bereich der kontrastiven Linguistik Deutsch-Spanisch/Portugiesisch. Der Fokus liegt im ersten Teil des Bandes auf der überblicksartigen, problemorientierten Präsentation ausgewählter aktueller Fragestellungen des Vergleichs der genannten Sprachen. Aus synchroner Perspektive werden u. a. kontrastiv relevante Aspekte der Prosodie, Syntax/Informationsstruktur, des Lexikons sowie des Tempusgebrauchs behandelt. Der zweite Teil widmet sich verschiedenen Anwendungs- bzw. Problemfeldern der kontrastiven Linguistik, insbesondere in ihren Bezügen zu den Nachbardisziplinen wie u. a. Fremdsprachendidaktik, (Lerner-)Lexikographie und Fachsprachenforschung. Dabei stehen Phänomene der gesprochenen Sprache und die Diskussion um die Begrifflichkeit der Funktionsverbgefüge und ihrer lexiko-grammatikographischen Erfassung ebenso im Zentrum der Auseinandersetzung wie z. B. Fragen des Zusammenspiels von kontrastiver Linguistik und ihrer Anwendung im ELE-Unterricht und Überlegungen zur fachsprachlichen Tradition des Deutschen in Spanien.

<?page no="0"?> Meike Meliss / Bernhard Pöll (Hrsg.) Aktuelle Perspektiven der kontrastiven Sprachwissenschaft Deutsch - Spanisch - Portugiesisch Zwischen Tradition und Innovation Studien zur kontrastiven deutschiberoromanischen Sprachwissenschaft SkodiS 1 <?page no="1"?> Studien zur kontrastiven deutsch-iberoromanischen Sprachwissenschaft (SkodiS) Band 1 <?page no="2"?> Studien zur kontrastiven deutsch-iberoromanischen Sprachwissenschaft (SkodiS) Herausgegeben von Meike Meliss, Bernhard Pöll und Raúl Sánchez Prieto Wissenschaftlicher Beirat Joachim Born (Universität Gießen) José Antonio Calañas Continente (Universitat de València) Mireia Calvet Creizet (Universitat de Barcelona) Juan Cuartero Otal (Universidad Pablo de Olavide, Sevilla) Paul Danler (Universität Innsbruck) María José Domínguez Vázquez (Universidade de Santiago de Compostela) Brigitte Eggelte (Universidad de Salamanca) Christian Fandrych (Universität Leipzig, Herder-Institut) Marta Fernández Villanueva (Universitat de Barcelona) María Jesús Gil Valdés (Universidad Complutense de Madrid) Sybille Große (Universität Heidelberg) José Luis Herrero Ingelmo (Universidad de Salamanca) Thomas Hüsgen (Universidade do Porto) Rafael López Bodineau (Universidad de Sevilla) Macià Riutort Riutort (Universitat Rovira i Virgili, Tarragona) Paloma Sánchez Hernández (Universidad Complutense de Madrid) Bernd Sieberg (Universidade de Lisboa) María Teresa Zurdo Ruiz Ayúcar (Universidad Complutense de Madrid) <?page no="3"?> Meike Meliss / Bernhard Pöll (Hrsg.) Aktuelle Perspektiven der kontrastiven Sprachwissenschaft Deutsch - Spanisch - Portugiesisch Zwischen Tradition und Innovation <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 2365-3337 ISBN 978-3-8233-6954-7 Gedruckt mit Unterstützung der Universität Santiago de Compostela, des spanischen Ministeriums für Wirtschaft und Wettbewerb (MINECO-FEDER: FFI2012-32658), der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Universität Salzburg sowie des Fachbereichs Romanistik der Universität Salzburg. El presente libro se ha imprimido con el apoyo económico de la Universidade de Santiago de Compostela, del Ministerio de Economía y Competitividad (MINECO-FEDER: FFI2012-32658), de la Stiftungs- und Förderungsgesellschaft y del Departamento de Filología Románica de la Universidad de Salzburgo. Meike Meliss ist Professorin für germanistische Sprachwissenschaft und Grammatik der deutschen Sprache an der Abteilung für englische und deutsche Philologie der Universität Santiago de Compostela (Spanien). Ihre zentralen Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Lexikographie, kontrastive Grammatik (Deutsch - Spanisch) und der (kontrastiven) Lexikologie. Bernhard Pöll ist Professor für iberoromanische Sprachwissenschaft an der Universität Salzburg. Seine zentralen Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Soziolinguistik (insbesondere Sprachnormenforschung), Lexikologie und Grammatiktheorie. <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Meike Meliss/ Bernhard Pöll Einleitung .................................................................................................................. 7 Nicola Tschugmell Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend: der Sprachrhythmus als Grundlage des Sprachvergleichs Spanisch-Deutsch ..... 15 Anne C. Wolfsgruber Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie des Spanischen und des Deutschen .......................................... 45 Benjamin Meisnitzer Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich: Was leisten Tempora eigentlich? .......................................................................... 77 María José Domínguez Vázquez Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? Ein szenen- und valenzfundiertes konzeptuelles wortklassenübergreifendes Beschreibungsmodell .......................................... 105 Juan Cuartero Otal La expresión de desplazamiento en español y alemán. Un nuevo estudio contrastivo ............................................................................ 135 Thomas Johnen Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich .................................................................................................... 155 Daniel Reimann ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch aus kontrastiv-linguistischer Perspektive ................................................................ 193 Bernd Sieberg Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen und ihre Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht ................................................. 219 <?page no="6"?> 6 Inhaltsverzeichnis Bernd Marizzi Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext ............................. 241 Alberto Bustos Plaza Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast: ein Beitrag zu Begrifflichkeit, grammatikographischer Beschreibung und lexikographischer Erfassung.............................................. 265 María Teresa Fuentes Morán Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español ............................................................. 285 Zusammenfassungen der Beiträge .................................................................... 299 <?page no="7"?> Einleitung Der deutsch-romanische Sprachvergleich ist Gegenstand vieler Einzeluntersuchungen, die auf Fachtagungen, in Monographien und Zeitschriften präsentiert bzw. publiziert werden. So ist z.B. seit mehr als zwei Jahrzehnten eine recht rege sprachvergleichende Aktivität ursprünglich in Verbindung mit dem Leipziger Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie zu verzeichnen, die sich in den einschlägigen Tagungen zunächst in Leipzig und seit einigen Jahren in Innsbruck (zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich) und den entsprechenden Publikationen in den Tagungsakten 1 widerspiegelt. Auch auf in Deutschland und Österreich organisierten romanistischen Kongressen und Kolloquien werden immer wieder kontrastiv angelegte Untersuchungen zu bestimmten sprachlichen Phänomenen in entsprechenden Sektionen vorgestellt und in der Folge veröffentlicht. In der renommierten Reihe “Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation” (Peter Lang Verlag; Reihenherausgeber: Gerd Wotjak) liegen ebenfalls zahlreiche ausführlichere Studien und Beiträge zu Systemvergleichen und angewandten Fragestellungen aus kontrastiver Sicht vor. Trotz der allgemein als intensiv zu bezeichnenden sprachvergleichenden Aktivität sind die Studien zum deutsch-iberoromanischen Sprachvergleich im Verhältnis zu anderen Sprachenpaaren jedoch weniger zahlreich. So werden zwar im Rahmen verschiedener, regelmäßig stattfindender, thematisch meist nicht eng fixierter Tagungen, wie z.B. des “Deutschen Hispanistentags”, 2 der “Simposios austro-hispanos”, 3 der “Semanas de estudios germánicos” der germanistischen Abteilung der Universidad Complutense de Madrid (UCM), 4 der internationalen Tagungen von Sevilla (“Congreso internacional de estudios filológicos alemanes”) und der spanischen und portugiesischen Germanistendachverbandstagungen (“Associaç-o Portuguesa de Estudos Germanísticos”/ APEG und “Federación de Asociaciones de Germanistas”/ FAGE) 5 , Beiträge zum deutsch-spanischen/ portugiesischen Sprachvergleich in unterschiedlichen Sektionen vorgelegt und publiziert, und auch 1 Cf. u.a. die folgenden in der jüngeren Vergangenheit veröffentlichten Sammelbände: Schmitt/ Wotjak (2005), Lavric et al. (2011), Pöckl/ Lavric (2015). 2 Cf. z.B. die Sektionsbände von Aschenberg/ Loureda (2011) und Schröpf/ Sánchez Prieto (i. Vb.). 3 Siehe dazu u.a. die folgenden zuletzt veröffentlichten Tagungsbände: Danler (2007), Buján López/ Domínguez Vázquez (2009) und Danler et al. (2013). 4 Siehe u.a. den letzten Tagungsband: Fernández Bueno/ Llamas Ubieto/ Sánchez Hernández (2013). 5 Siehe dazu auch die Web-Seite der FAGE und die entsprechenden Tagungsprogramme http: / / www.fage.es/ . <?page no="8"?> 8 Einleitung in Zeitschriften wie den “Estudios Filológicos Alemanes” 6 und der “Revista de Filología Alemana” (RdFA) der UCM finden sich vereinzelt sprachvergleichende Studien, eine Gesamtbetrachtung zeigt aber, dass sprachvergleichende deutsch-iberoromanische Studien immer noch unterrepräsentiert sind, und dies trotz Initiativen wie der “Contrastivica”-Tagungen, die seit 2009 regelmäßig durchgeführt werden (Salamanca 2009, 7 Würzburg 2011, 8 Valencia 2014 9 ) und konkret den iberoromanischen Sprach- und Kulturvergleich zum Gegenstand haben. Der vorliegende Band bildet den Auftakt für die neue wissenschaftliche Reihe SkodiS (Studien zur kontrastiven deutsch-iberoromanischen Sprachwissenschaft), die für die zunehmend auch kontrastiv ausgerichteten wissenschaftlichen Arbeiten von GermanistInnen, HispanistInnen und LusitanistInnen, die in den deutschsprachigen Ländern und im hispanobzw. lusophonen Raum tätig sind, ein eigenes sprachwissenschaftliches (Diskussions-)Forum für kontrastive Fragestellungen schaffen möchte. In der Reihe soll uni- und bilateralen Studien in allen sprachwissenschaftlichen Teilbereichen - sowohl aus synchroner als auch aus diachroner, aus theoretischer wie auch aus anwendungsorientierter Perspektive - Raum gegeben werden. Das Zielpublikum dieser neuen Reihe sind sowohl Studierende als auch ForscherInnen und Lehrende im Bereich der germanistischen/ iberoromanistischen Linguistik, die an kontrastiven Fragestellungen, vornehmlich zu den Sprachenpaaren Deutsch-Spanisch und Deutsch-Portugiesisch, interessiert sind. Publikationssprachen sind daher vorrangig Deutsch und Spanisch bzw. Portugiesisch; Galicisch und Katalanisch sowie Englisch - als internationale lingua franca der Linguistik - sind jedoch nicht ausgeschlossen. Der Band vereint elf Beiträge ausgewiesener ExpertInnen im Bereich der kontrastiven Linguistik Deutsch-Spanisch/ Portugiesisch. Der Fokus liegt im ersten Teil des Bandes auf der überblicksartigen, problemorientierten Präsentation ausgewählter aktueller Fragestellungen des Vergleichs der genannten Sprachen. Aus synchroner Perspektive werden kontrastiv relevante Aspekte der Prosodie, Syntax/ Informationsstruktur, des Lexikons sowie des Tempusgebrauchs behandelt. Der zweite Teil widmet sich verschiedenen Anwendungsbzw. Problemfeldern der kontrastiven Linguistik, insbesondere in ihren Bezügen zu den Nachbardisziplinen wie u.a. Fremdsprachendidaktik, Fachsprachenforschung und (Lerner-)Lexikographie. Dabei stehen Phänomene der gesprochenen Sprache und die Diskussion um die Begriff- 6 “Revista de estudios filológicos alemanes” des “Grupo de Investigación Filología Alemana”, Sevilla: http: / / institucional.us.es/ restfa/ principal.htm. 7 Cf. Sánchez Prieto/ Soliño Pazó (2012); Iglesias Iglesias (2012). 8 Cf. Reimann (2014). 9 Eine Publikation ausgewählter Contrastivica-Beiträge wird von Robles i Sabater vorbereitet. Siehe dazu auch die Webseite der Tagung: http: / / www.uv.es/ contrastivica/ . <?page no="9"?> Einleitung 9 lichkeit der Funktionsverbgefüge und ihrer lexiko-grammatikographischen Erfassung ebenso im Zentrum der Auseinandersetzung, wie z.B. Fragen des Zusammenspiels von kontrastiver Linguistik und ihrer Anwendung im ELE-Unterricht und Überlegungen zur fachsprachlichen Tradition des Deutschen in Spanien. Die Beiträge werden im Folgenden in ihrem jeweiligen Forschungskontext kurz präsentiert; im Anhang finden sich außerdem alphabetisch nach Autoren angeordnete Kurzzusammenfassungen in einer jeweils anderen Sprache als der des Beitrags. Nicola Tschugmell skizziert in ihrem Beitrag “Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend: der Sprachrhythmus als Grundlage des Sprachvergleichs Spanisch-Deutsch”auf der Basis von Überlegungen zur rhythmischen Charakteristik des Spanischen und des Deutschen (objektiv gegebene typologische Eigenschaft vs. Sprecher-abhängige Variation vs. Perzeptionskategorie) Forschungsfelder der kontrastiven Analyse des Sprachrhythmus für das genannte Sprachenpaar. Als zweifelsfrei hochrelevant wären hier vergleichende Untersuchungen zum Erst- und Zweitspracherwerb einzustufen, vor allem weil Rhythmus für die Worterkennung/ Segmentierung beim Spracherwerb zentral ist. Auch Rhythmusanalysen in Bezug auf verschiedene Textsorten stellen ein Desideratum dar. Der Beitrag von Anne Wolfsgruber (“Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie des Spanischen und des Deutschen”) ist einem Vergleich der links außerhalb des Satzrahmens liegenden Strukturpositionen des Deutschen und Spanischen gewidmet. Der Diskussion des terminologischen Wirrwarrs hinsichtlich der “Bausteine” der Informationsstruktur (Thema, Topic, given, background vs. Rhema, Fokus, Kommentar/ comment, Assertation usw.) folgt eine Darstellung der linksperipheren Positionen verschiedener Topik- und Fokuskonstituenten in den beiden Sprachen. Während im Spanischen (und in den romanischen Sprachen generell) der von Rizzi (1997) initiierte “kartographische” Ansatz (“Split-CP”) ein verhältnismäßig starkes Echo gefunden hat, stellt sich im Deutschen die berechtigte Frage, ob die im topologischen Modell als Vorfeld und linke Satzklammer konzeptualisierten Positionen überhaupt als feiner gegliedert aufgefasst werden müssen. In Bezug auf Forschungsdesiderate plädiert die Autorin u.a. für eine Konfrontation der (vielfach nur durch Introspektion gewonnenen) Daten, die in formallinguistischen Arbeiten verwendet werden, mit solchen aus sprechsprachlichen Korpora. Tempus als insbesondere im Fall des Spanischen als Fremdsprache oft nur mit Schwierigkeiten zu erwerbende grammatische Kategorie steht im Zentrum von Benjamin Meisnitzers Aufsatz zum Thema “Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich: Was leisten Tempora eigentlich? ” Er geht davon aus, dass ein “systematisch-methodisches Verständnis der Tempora” (S. 77) den Erwerbsprozess befördert, und vergleicht die Tempora <?page no="10"?> 10 Einleitung des Deutschen und Spanischen im Hinblick auf ihr Funktionsspektrum. Unterschiede zeigen sich dabei u.a. in der Auslastung des Futurs und des historischen Präsens, insbesondere aber bei den Vergangenheitstempora (pretérito perfecto compuesto, indefinido, imperfecto vs. Präteritum, Perfekt), da im Spanischen mit der Tempusmorphologie immer auch aspektuelle Werte (perfektiv/ imperfektiv) mitkodiert sind. Das Deutsche hingegen verfügt über ein wenig ausgeprägtes Aspektsystem, sodass Präteritum und Perfekt in vielen Fällen unterschiedslos verwendet werden können bzw. die Präferenz für eines der beiden Tempora Register- oder Code-spezifisch (geschrieben vs. gesprochen) ist. Der Beitrag von María José Domínguez Vázquez (“Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? Ein szenen- und valenzfundiertes konzeptuelles wortklassenübergreifendes Beschreibungsmodell”) schreibt sich in ein umfassenderes Forschungsvorhaben ein, das zum Ziel hat, einen ausführlichen Katalog der Ausdrucksmittel des Spanischen und Deutschen zu erstellen, wobei die Frame-Semantik sowie die Valenzgrammatik das theoretische Fundament bilden. Unter Zugrundelegung der “kognitiven Repräsentation eines Geschehenstyps” (S. 106) als tertium comparationis wird exemplarisch die “Szene zum Ausdruck der Veränderung” analysiert. Im Deutschen nimmt hier das Verb werden eine dominante Stellung ein; ihm entsprechen im Spanischen u.a. zahlreiche Semikopulaverben mit subtilen Bedeutungsnuancen und unterschiedlicher Kombinatorik (u.a. ponerse, hacerse, volverse) sowie Periphrasen wie acabar siendo, pasar a ser oder ir a ser. Auf der anderen Seite verfügt das Deutsche über eine große Zahl von Präfix-/ Partikelverben mit unterschiedlichen für das Konzept bzw. die Szene VERÄNDERUNG relevanten Aktionsarten; das Spanische hat hier auf der Wortebene kaum Entsprechungen, sodass das im Deutschen lexematisch Ausgedrückte im Spanischen oberhalb der Wortebene realisiert werden muss. In seinem Beitrag mit dem Titel “La expresión de desplazamiento en español y alemán. Un nuevo estudio contrastivo” zeigt Juan Cuartero Otal die Schwierigkeit auf, für bestimmte Verben der Fortbewegung adäquate Entsprechungen bzw. Äquivalenzen im deutsch-spanischen Sprachkontakt zu finden, und bemängelt die entsprechende lexikographische Information der gängigsten zweisprachigen Wörterbücher diesbezüglich. Als theoretische Grundlage stützt sich Cuartero v.a. auf die Arbeiten von Talmy (1985, 2001, 2009) und analysiert und klassifiziert ausführlich eine beachtliche Anzahl von Fortbewegungsverben beider Sprachen hinsichtlich ihrer (In-) Transitivität und weiterer Faktoren wie “Ziel”, “Herkunft”, “Art und Weise” etc. Die Analyse zeigt auf, dass sich zwar die transitiven Fortbewegungsverben in beiden Sprachen ähnlich verhalten, dass aber die intransitiven Verben einige relevante Divergenzen aufweisen. Diese wichtigen Unterschiede, die die Ausdrucks- und Inhaltsseite betreffen, bestärken den Autor <?page no="11"?> Einleitung 11 in der Forderung, in zukünftigen bilingualen lexikographischen Werken mehr Augenmerk auf die Darstellung der kontrastiv relevanten Besonderheiten zu legen. Mit “Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich” gibt Thomas Johnen einen zwar nicht als exhaustiv intendierten, aber dennoch nicht nur umfangsondern auch kenntnisreichen Überblick über die bisherige Forschung im Bereich der kontrastiven Lexikologie für das Sprachenpaar Deutsch-Portugiesisch. Zum einen zeigt er die Grenzen und Möglichkeiten der kontrastiven Lexikologie auf und macht deutlich, wie kognitive Ansätze die lexikalische Semantik strukturalistischer Prägung befördern können, zum anderen weist er auf offensichtliche Desiderata der Forschung hin. So wären Arbeiten zur allgemeinsprachlichen Lexik nicht nur für die zweisprachige Lexikographie sondern auch für DaF bzw. PLE von großem Nutzen. Dies gilt insbesondere für die lexikalische Kombinatorik (Kollokationen, syntaktische und semantische Valenz). Er macht auch deutlich, dass sprachvergleichende Arbeiten für die einzelsprachlich ausgerichtete lexikologische Forschung Fortschritte bringen können. Der Beitrag von Daniel Reimann - “ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch aus kontrastiv-linguistischer Perspektive” - postuliert eine aufgeklärte Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht und eine neokommunikative Fremdsprachenforschung. Der Autor vertritt die Ansicht, dass sprachvergleichende Arbeiten auch für Fremdsprachendidaktik und -unterricht sowohl als Grundlagenforschung als auch als Unterrichtsinhalt erneut an Bedeutung gewinnen. Mit dem Ziel, angehende und praktizierende Lehrkräfte für Problemfelder der kontrastiven Linguistik im Hinblick auf das Sprachenpaar Deutsch/ Spanisch (und exemplarisch auf weitere romanische Sprachen) zu sensibilisieren und zu vertiefenden Forschungen hinsichtlich der Vermittlung einzelner Kontrastphänomene anzuregen, stellt er folgende ausgewählte Problemfelder der kontrastiven Linguistik exemplarisch dar: (i) Aussprache und Prosodie (mit Ausblicken auf die Orthographie), (ii) Lexik und lexiko-grammatische Einheiten/ Phraseologie, (iii) Morphosyntax, (iv) Kontrastive Varietätenlinguistik und Fremdsprachenunterricht, (v) Kontrastive Pragmatik und transkulturelle kommunikative Kompetenz. Bernd Sieberg untersucht aus kontrastiver Perspektive in seinem Beitrag “Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen und ihre Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht” einige zentrale Merkmale des Nähesprechens im Deutschen und Portugiesischen. Der Autor zeigt auf, dass die Relevanz der Responsive nahelegt, sie für die Förderung mündlicher bzw. nähesprachlicher Sprechkompetenz in den Fremdsprachenunterricht sowohl des Deutschen als auch des Portugiesischen zu integrieren. Sieberg stellt Abgrenzungskriterien der Responsive von anderen charakteristischen <?page no="12"?> 12 Einleitung Einheiten des Nähesprechens zur Diskussion, präsentiert eine funktionale Bestimmung dieser sprachlichen Merkmale und reflektiert über ihre Bedeutung aus der Sicht des Fremdsprachunterrichts. Responsive angemessen gebrauchen zu können, bildet nach Ansicht des Autors einen wichtigen Bestandteil einer übergeordneten “interaktionalen Kompetenz” (S. 231). Abschließend wird daher ein Didaktisierungsvorschlag für den DaF-Bereich angeboten. Bernd Marizzi präsentiert in seinem Beitrag “Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext” anhand der Besprechung verschiedener einschlägiger Lehrbücher einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der deutschen Fachsprachendidaktik vom Beginn des Interesses Spaniens an der deutschen Sprache ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis hin zur stärkeren Entwicklung der kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Beziehungen beider Länder im 20. Jahrhundert. Der Autor erörtert den Stellenwert des Deutschen als Wissenschaftssprache (DaW) in Spanien in diesem Zeitraum und stellt verschiedene Lehrwerke vor. Dabei verweist er besonders auf die vergleichend-kontrastiven Informationen, die in den einzelnen Werken durch unterschiedliche Aufgaben, Übungen, Problemdarstellungen und Glossare angeboten werden und die Vermittlung der deutschen Fachsprache im hispanophonen Kontext erleichtern sollen. Eine aktuelle Konzeption des Fachsprachenunterrichts wird abschließend anhand eines Lehrwerks für Philosophiestudierende geboten. Der Autor zeigt exemplarisch auf, dass sich ein regional- und zielgruppenspezifisch orientiertes Lehrwerk, das die Muttersprache konkret einsetzt und sprachvergleichende Aspekte durchgehend thematisiert, für die Entwicklung der fachsprachlichen Lesekompetenz nach wie vor als nutzbringend erweist. Der Aufsatz “Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast: ein Beitrag zu Begrifflichkeit, grammatikographischer Beschreibung und lexikographischer Erfassung” von Alberto Bustos Plaza diskutiert die Frage, inwieweit die aus der germanistischen Linguistik stammenden Ansätze zur Erforschung der Funktionsverbgefüge auf die Erfassung und Beschreibung ähnlicher Strukturen des Spanischen, konkret der Pseudokopulasätze, übertragen werden können. Ohne den Wert der von der germanistische Linguistik angestoßenen Überlegungen zur Erforschung und zum tieferen Verständnis solcher spanischer Strukturen bestreiten zu wollen, plädiert der Autor dafür, andere Ansätze für die Beschreibung spanischer Verbindungen des Typs poner en movimiento in Betracht zu ziehen, um zu einer adäquateren Erklärung dieser Strukturen zu gelangen. Einige Randerscheinungen im Bereich der Kopulativität im Deutschen weisen außerdem auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Funktions- und Kopulaverben hin. Aus einer anwendungsorientierten Perspektive heraus zeigt der Autor anhand einer Stichprobe aus verschiedenen ein- und zweisprachigen Wörterbüchern außerdem die Notwendigkeit einer intensiveren <?page no="13"?> Einleitung 13 lexikographischen Behandlung der besagten Strukturen des Typs poner en movimiento auf. Die bei der Untersuchung der Pseudokopulakonstruktionen gewonnenen Einsichten sollten daher, laut Bustos, sowohl auf die (meta-)lexikographische Erfassung der spanischen Pseudokopulakonstruktionen ausgeweitet werden als auch in die ein- und zweisprachige Lernerlexikographie einfließen. In ihrem Beitrag “Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español” verweist María Teresa Fuentes Morán auf das Problem der Asymmetrie zwischen zwei Sprachen und damit auf den eigentlichen Sinngehalt der modernen zweisprachigen Lexikographie. Aus metalexikographischer Sicht analysiert die Autorin zahlreiche Einträge unterschiedlicher zweisprachiger (Lerner-)Wörterbuchern und diskutiert die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen die lexikalische Asymmetrie zwischen beiden Sprachen behandelt und dargestellt wird. Die Autorin räumt zwar erhebliche Fortschritte in der Entwicklung der zweisprachigen Wörterbücher im Zuge einer benutzer- und funktionsorientierten lexikographischen Wende ein, fordert aber dennoch eine verstärkte theoretisch-praktische Auseinandersetzung mit den lexikalischen Asymmetrien in Verbindung mit benutzer- und situationsorientierten Aspekten, die zusammen mit den heutigen technologischen Möglichkeiten zu neuen und besseren zweisprachigen Wörterbüchern führen können. Alle Arbeiten wurden nicht nur von den ReihenherausgeberInnen sondern auch von einem internationalen wissenschaftlichen Beirat doppel-blind begutachtet. Wir danken an dieser Stelle allen KollegInnen, die diese Gutachtertätigkeit gewissenhaft durchgeführt haben, sowie dem Narr Verlag - insbesondere Daniel Seger und Karin Burger - für die kompetente und umsichtige Betreuung dieses Bandes. Meike Meliss & Bernhard Pöll Santiago de Compostela/ Salzburg, im Juli 2015 Literaturhinweise Aschenberg, Heidi/ Loureda Lamas, Óscar (eds.) (2011): Marcadores del discurso: de la descripción a la definición. Madrid/ Frankfurt: Iberoamericana/ Vervuert (Lingüística iberoamericana; 45). Buján López, Carlos/ Domínguez Vázquez, Mª José (eds.) (2009): Centros y periferias en España y Austria: perspectivas lingüísticas y traductológicas. Frankfurt: Lang (Reihe: Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation; 55). Danler, Paul/ Laferl, Christopher F./ Pöll, Bernhard (eds.) (2013): Typen - Klassen - Formen. Methoden und Traditionen der Klassifikation in Spanien und Österreich. <?page no="14"?> 14 Einleitung Wien etc.: LIT Verlag (Austria: Forschung und Wissenschaft - Literatur- und Sprachwissenschaft; 26). Danler, Paul et al. (eds.) (2007): Österreich, Spanien und die Europäische Einheit. Austria - España y la unidad europea. Innsbruck: Innsbruck University Press. Fernández Bueno, Marta/ Llamas Ubieto, Miriam/ Sánchez Hernández, Paloma (eds.) (2013): Rückblicke und neue Perspektiven - Miradas retrospectivas y nuevas orientaciones. Frankfurt: P. Lang (Perspektiven der Germanistik und Komparatistik in Spanien; 9). Iglesias Iglesias, Nelly (ed.) (2012): Contrastivica II. Aktuelle Studien zur kontrastiven Linguistik Deutsch-Spanisch-Portugiesisch. Stuttgart: ibidem. Lavric, Eva/ Pöckl, Wolfgang/ Schallhart, Florian (eds.) (2011): Comparatio delectat I: Akten der VI. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich. Innsbruck, 3.-5. September 2008. 2 Bände, Frankfurt/ M. etc.: Peter Lang (InnTrans. Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 4). Pöckl, Wolfgang/ Lavric, Eva (eds.) (2015): Comparatio delectat II: Akten der VII. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich. (Innsbruck, 6.-8. September 2012). 2 Bände. Frankfurt: P. Lang (InnTrans. Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 7). Reimann, Daniel (ed.) (2014): Kontrastive Linguistik und Fremdsprachendidaktik. Iberoromanisch - Deutsch. Studien zu Morphosyntax, Mediensprache, Lexikographie und Mehrsprachigkeitsdidaktik. Tübingen: Narr (Romanische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung; 2). Sánchez Prieto, Raúl/ Soliño Pazó, Mar (eds.) (2012): Contrastivica I. Aktuelle Studien zur Kontrastven Linguistik Deutsch-Spanisch-Portugiesisch. Stuttgart: ibidem. Schmitt, Christian/ Wotjak, Barbara (eds.) (2005): Beiträge zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich. Akten der gleichnamigen internationalen Arbeitstagung (Leipzig, 4.10. - 6.10.2003). 2 Bde. Bonn: Romanistischer Verlag. Schröpf, Ramona/ Sánchez Prieto, Raúl (eds.) (i.Vb.): Kontrastive Medienlinguistik. München: Meidenbauer. <?page no="15"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend: der Sprachrhythmus als Grundlage des Sprachvergleichs Spanisch-Deutsch Nicola Tschugmell, Universität Salzburg “Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding.” Der Rosenkavalier (1. Akt) 1 Einleitung Setzt man sich zum Ziel, die beiden Sprachen Deutsch und Spanisch hinsichtlich ihres jeweiligen Rhythmus zu vergleichen, ist festzustellen, dass der kontrastive Zugang in Bezug auf diese Forschungsfrage durchaus häufig ist. Auch sind die psycholinguistischen Untersuchungen, die sich auf die Sprachverarbeitung beziehen, meist sprachvergleichend ausgerichtet. Es wird jedoch nie das Problem des tertium comparationis angesprochen - die Vergleichsgrundlage ergibt sich jeweils aus der zugrunde gelegten Definition von Rhythmus - und genau das interessiert uns in diesem Zusammenhang. Das Spanische und das Deutsche zeigen zumindest ohrenphonetisch zwei völlig unterschiedliche rhythmische Muster. Worauf jedoch der Rhythmus, den wir wahrnehmen, beruht, ist keineswegs einfach festzustellen bzw. herrscht in dieser Hinsicht keine Einigkeit unter den Linguisten, die sich mit diesem Thema befassen - und spätestens hier wird klar, dass unsere Frage nach dem tertium comparationis keine triviale ist. Bis vor nicht allzu langer Zeit ordnete man das Deutsche den so genannten betonungs- oder akzentzählenden (stress-timed) und das Spanische (wie auch z.B. das Französische) den silbenzählenden (syllable timed) Sprachen zu. Mit Recht haben seit den 1980er Jahren zahlreiche Forscher darauf hingewiesen, dass diese Einteilung nicht der Realität entsprechen kann und Alternativvorschläge gemacht (z.B. Roach 1982, Dauer 1983 und 1987). Konsens besteht allerdings dahingehend, dass Rhythmus etwas mit Prosodie und Regelmäßigkeit zu tun hat. Der Bereich der Prosodie umfasst alle suprasegmentalen Merkmale: “Als prosodisch oder suprasegmental werden jene Merkmale der gesprochenen Sprache bezeichnet, die im physikalischen Signal des syntagmatischen Verlaufs nicht direkt segmentierbar sind, sondern erst durch Vergleich mit den vorangehenden und/ oder nachfolgenden Teilen des Signals nachweisbar <?page no="16"?> 16 Nicola Tschugmell sind und auch nur durch die Relationierung ihre sprachliche Funktion haben.” (Neppert 4 1999: 155) Zum Bereich der Prosodie gehören im Wesentlichen die Intonation, die Betonung (Akzent), der Ton (in den Tonsprachen) und die Quantität (cf. Neppert 4 1999: 156). Entsprechend dem oben angeführten Zitat muss auch die Größe Rhythmus zum Bereich der Prosodie gezählt werden, auch wenn diese bei Neppert ( 4 1999: 156) nicht explizit erwähnt wird. Was aber sehr wohl behandelt wird, ist Isochronie. Dieses Konzept besagt, dass in verschiedenen Sprachen “der Tendenz nach für jedes Wort ein gewisser Zeitrahmen von sehr grob angenähert gleicher Dauer zur Verfügung steht” (Neppert 4 1999: 183). Isochronie wird hier als “für den Hörer wichtiges Indiz zur Identifikation des Wortes im sprachlichen Verlauf” bezeichnet (Neppert 4 1999: 183). Es wird also darauf hingewiesen, dass dieses Phänomen nicht nur für die Produktion, sondern vor allem für die Perzeption von Sprache von Relevanz ist. Prosodie wird häufig mit Intonation gleichgesetzt, aber ebenso mit Rhythmus. Wenn etwa vom “Erwerb der prosodischen Struktur einer Sprache” die Rede ist, geht es sehr oft um die rhythmische Struktur, die es dem Lerner im Erstaber auch Fremdspracherwerb ermöglicht, den sprachlichen Input zu gliedern. Prosodie im Allgemeinen wird im Erstspracherwerb nicht nur vor den segmentalen Einheiten erworben, der Erwerb dieser sprachlichen Ebene - und hier eben besonders das Erkennen der rhythmischen Struktur - gilt sogar als Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wortschatz- und Grammatikerwerb (cf. Neppert 1999: 154 bzw. Penner 2006). Das prosodische System bleibt bei bestimmten Aphasien erhalten, obwohl die segmentale Ebene gestört ist, es kann jedoch auch selektiv von einer Störung betroffen sein. In diesem Beitrag soll der Frage nach dem Sprachrhythmus in Bezug auf die Einzelsprachen nachgegangen werden. Wie kann, wie soll man diese für die Sprachverarbeitung grundlegende Größe untersuchen, welche Parameter sind hier wichtig? Ist eine Einteilung in Rhythmustypen gerechtfertigt und worauf beruht überhaupt Rhythmus in der Sprache? Ist die rhythmische Struktur im Sprachsignal nachweisbar (im Sinne von Isochronie) oder handelt es sich um ein perzeptuelles Phänomen? Nach einem kurzen Überblick über die Größe Zeit und unsere entsprechenden Wahrnehmungskapazitäten ist ein Teil dieses Beitrags einem Forschungsüberblick gewidmet, in dessen Rahmen einige der unterschiedlichen Zugänge referiert und diskutiert werden. Schließlich wird auf die Größen Rhythmus bzw. Sprachrhythmus eingegangen und ein mögliches Untersuchungsparadigma vorgestellt, das mehr Parameter als die bisher berücksichtigten umfasst und eine psycholinguistische Betrachtung der Rhythmusverarbeitung erlaubt. <?page no="17"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 17 2 Zeitwahrnehmung Rhythmus ist ein Phänomen der zeitlichen Verarbeitung. Es stellt sich also die Frage, wie wir zeitliche Strukturierung in der Sprache wahrnehmen bzw. welche Features dabei relevant und unserer Wahrnehmung zugänglich sind. Hierfür ist es interessant nachzuvollziehen, wie unser Perzeptionsapparat die zeitlichen Strukturen verarbeitet, die es uns ermöglichen, die gesprochene Form unserer Muttersprache (fast) unabhängig von Sprecher und Varietät zu verstehen - und erst recht, die Strukturen unserer Muttersprache zu erwerben, denn: “Eigentlich haben wir kein sensorisches Organ für die Verarbeitung von Zeitinformation, daher kann man nicht wirklich von “Zeitwahrnehmung” sprechen.” (Wittmann 2009: 28) Bei der “Zeitwahrnehmung” fehlt nicht nur das spezifische Sinnesorgan, sondern auch das konkrete “Zeitobjekt”, insofern muss der zeitliche Bezug zu der wahrgenommenen Reizfolge in den verschiedenen Sinnesmodalitäten erst konstruiert werden (cf. Wittmann 2009: 29). Es ist davon auszugehen, dass wir Zeit in separaten, aufeinander folgenden Einheiten wahrnehmen. Wenn wir erkennen wollen, in welcher Reihenfolge zwei kurze akustische Reize aufeinander folgen, muss zwischen ihnen ein zeitliches Intervall von 20 bis 60ms liegen. Hier spricht man von der so genannten “Ordnungsschwelle”, die z.B. die Phonemidentifikation (das Identifizieren sequentieller segmentaler Eigenschaften) betrifft (cf. Wittmann 2009: 29 bzw. Pöppel 2000: 28ff.). Wenn das Intervall zwischen zwei Reizen kürzer ist (aber länger als 3 bis 4ms), kann ein Hörer zwar ausmachen, dass es sich um zwei unterschiedliche Reize handelt, er kann jedoch deren Reihenfolge nicht feststellen. Bei einer Integrationszeit von 150-300ms können wir die zeitliche Ordnung von vier Reizen erkennen. Hierunter fallen etwa audiovisuelle Sprachreize und die Identifikation von Silbenlängen (cf. Wittmann 2009: 28). Es wurde auch nachgewiesen, dass die Ordnungsschwelle bei Kindern höher ist als bei Erwachsenen, und zwar bis zu doppelt so lang: “Die normal entwickelten Kinder zeigen nicht den für Erwachsene typischen Verlauf einer überlagerten Antwort, sie scheinen den zusammengesetzten Reiz als eine Einheit wahrzunehmen und zu verarbeiten” (Lilge 2009: 49). Die Veränderungen der Latenzen mit fortschreitendem Alter werden mit einer schnelleren Nervenleitung durch Zunahme der Axonquerschnitte oder Myelinisierungsprozesse erklärt (cf. Lilge 2009: 49). Wir tragen dieser verlängerten zeitlichen Integration durch unsere Art des kindgerichteten Sprechens (besonders: Motherese) Rechnung. Wir artikulieren deutlicher, sprechen langsamer und setzen die Intonation überdeutlich ein. Auf diese Weise wird es dem kindlichen Perzeptionsapparat möglich, die prosodische Struk- <?page no="18"?> 18 Nicola Tschugmell tur der Muttersprache zu identifizieren - die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Spracherwerb. 3 Forschungsüberblick zum Sprachrhythmus Es sollen im Folgenden nun kurz die wichtigsten Etappen und Konzepte der Rhythmusforschung 1 dargestellt werden. Für einen ausführlichen Forschungsüberblick sei etwa auf Auer/ Uhmann (1988), Dufter (2003), Szczepaniak (2007) oder Gabriel/ Meisenburg/ Selig (2013: 167-180) verwiesen. 3.1 Produktion 3.1.1 Betonung und Akzent Lange Zeit wurde die Rhythmusforschung von Untersuchungen zum Wortakzent dominiert, da man annahm, dass Rhythmus etwas mit der regelmäßigen Abfolge von Betonungen zu tun haben müsse. Daher konzentrierte sich die Forschung zunächst auch auf Sprachen, die genau über diese Ebene des Wortakzents (Wortbetonung, lexical stress) verfügen, wie etwa das Englische und das Deutsche. Die Ebene der Wortbetonung wurde vielfach mit der Betonung auf Satzebene gleichgesetzt, und es wurde davon ausgegangen, dass in allen Sprachen dieselben (also universalen) phonetischen Mittel zur Realisierung von Betonung (F0, Dauer, Lautstärke, Lautqualität) eingesetzt werden (cf. Kohler 2009: 4). Auf dieser Grundlage nahm man auch an, dass Rhythmus in erster Linie ein Phänomen der Sprachproduktion sei, also im Signal nachweisbar sein müsse. Doch diese Sichtweise ist nicht unumstritten geblieben, wie etwa Hualde mit Blick auf das Spanische anmerkt: “Whereas the idea of positing a connection between stress and rhythm is an interesting one, further work has tended to show that rules of word-level stress assignment cannot be easily conflated with the rhythmic patterns of languages.” (Hualde 2012: 159) Bevor auf die Bedeutung dieses Faktors für den Sprachrhythmus eingegangen wird, ist es notwendig, die entsprechende Terminologie zu klären. Ein Grundproblem bei der Untersuchung von Sprachrhythmus bzw. Betonungsphänomenen ist nämlich die oft beklagte mangelnde terminologische Trennschärfe. Problematisch ist hier sicherlich, dass der englische Terminus stress im Deutschen zwei Entsprechungen hat, Akzent und Betonung. Akzent 1 Um den Rahmen dieser Darstellung nicht zu sprengen, kann etwa auf den Ansatz von Bertinetto und Vékás (1991) - “controllo vs. compensazione” - nur hingewiesen werden, der auf einzelsprachlichen Unterschieden hinsichtlich Koartikulation bzw. koartikulatorischen Resistenzen beruht. <?page no="19"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 19 wird oft synonym mit dem Begriff Betonung verwendet, wobei in der prosodischen Forschung Akzent eher für den Satzakzent als für den Wortakzent steht. Im Allgemeinen wird Akzent “relativ abstrakt als Verweis auf die phonetischen Strukturmerkmale, die einem Segment eine (relative) Prominenz gegenüber anderen Segmenten geben” verwendet, seien es nun Druckverhältnisse, Tonverläufe oder Quantitäten (Maas 2006: 68). Ebenso wie z.B. Dufter (2003) fordert auch Kohler (2008, 2009) eindeutige Begriffsdefinitionen. So müssten zunächst Wort- und Phrasenakzent sauber unterschieden werden, wobei der erstere lexical accent (Wortakzent) genannt werden sollte, da er Teil der Wortphonologie ist, der letztere sentence accent (Satzakzent, Nuklearakzent). In allen Sprachen können Wörter als Abfolgen vokalischer und konsonantischer Segmente aufgefasst werden. Die Sprachen unterscheiden sich u.a. darin, wie sie die Silbe im Satz/ in der Äußerung markieren, auf der sich der Satzakzent manifestiert, wenn das entsprechende Wort hervorgehoben werden soll. In den Ton- und Tonakzent-Sprachen ist es die Tonhöhe (pitch), die als phonologischer “place marker” (Kohler 2009: 5) genutzt wird, in Akzentsprachen ist es der so genannte Akzent, dessen phonetische Manifestationen einzelsprachlich verschieden sein können. Hier müssen allerdings drei Verwendungsweisen des Begriffs unterschieden werden, von denen nur eine relevant für die Untersuchung von Sprachrhythmus ist. (a) Prominenz Zum einen bezeichnet man mit Akzent die relative Salienz einer Silbe innerhalb einer Äußerung/ einer größeren phonologischen Einheit. Diese Verwendung des Begriffs ist nicht wort-, sondern silbenorientiert, er bezieht sich auf “Silbenabfolgen und ihr syntagmatisches Salienzmuster” (cf. Kohler 2008: 8). Kohler (2008: 8) schlägt hierfür den Ausdruck Prominenz vor und geht davon aus, dass dieser Aspekt die Schlüsselkategorie für die Untersuchung von Rhythmus sein müsse. (b) Wortakzent Zum anderen wird Akzent (bzw. Betonung) normalerweise für den Wortakzent (lexical stress) verwendet. Akzent in diesem Sinne bezeichnet eine “Hervorhebung auf Wortebene” (Neppert 1999: 167). Kohler (2009: 5) versteht Wortakzent in einer Sprache mit lexikalischer Betonung (dies schließt etwa Französisch oder Varietäten des Chinesischen aus) als “phonologische Platzmarkierung” innerhalb eines lexikalischen Wortes. Es handelt sich hierbei um die abstrakte phonologische Spezifikation einer Position (einer Silbe) in einem Wort. Die Betonung hat selbst keinerlei phonetische Attribute. Die Platzmarkierung kann sich an jeder beliebigen Stelle im Wort befinden und große funktionale Bedeutung für die Wortunterscheidung haben. Sie kann aber auch fixiert sein, dann hat sie keine distinktive Funktion, wie etwa auf <?page no="20"?> 20 Nicola Tschugmell der ersten Silbe im Finnischen oder der Pänultima im Polnischen. Im Deutschen oder Englischen ist die phonologische Betonung zumindest teilweise morphologisch bestimmt. In jedem Fall ist die Akzentposition wichtig für die Wortverständlichkeit, unabhängig von ihrem funktionalen Gewicht. Und schließlich gibt es Sprachen wie Französisch, die keinerlei suprasegmentale Features auf der Ebene der Wortphonologie nutzen, weder Ton noch Akzent. In Sprachen mit lexical stress (“Betonungssprachen”, wie etwa das Deutsche und das Spanische) wird diese Position im Wort verwendet, um den Typ von Satzakzent zu manifestieren. In Sprachen, die nicht über lexical stress verfügen, fungieren bestimmte Silben, die durch die prosodische Struktur der Sprache festgelegt sind, als “Landeplätze” für den Satzakzent (cf. Kohler 2009: 5). Dies trifft z.B. auf das Französische, Türkische oder Koreanische zu. (c) Satzakzent Betonung bzw. Akzent kann auch für die (propositionale oder expressive) Hervorhebung von Wörtern in Äußerungen gebraucht werden, im Sinne von Satzakzent. Sehr oft wird diese Bedeutung aber mit dem Wortakzent (lexical stress) verwechselt, obwohl sie nicht wortsondern satzorientiert ist (cf. Kohler 2009: 5). 2 (d) Modelltheoretischer Rahmen Das gängige theoretische Modell für die Untersuchung von Wortbetonung entstammt der von Liberman (1975) und Liberman und Prince (1977) begründeten Metrischen Phonologie. Die metrische Phonologie gehört ebenso wie die autosegmentale Phonologie der nichtlinearen Phonologie an und ist aufgrund der Erkenntnis entstanden, dass im Rahmen einer linearen Repräsentation suprasegmentale Phänomene nicht adäquat beschrieben werden können. Wenn dieses Modell auch umstritten ist (für eine ausführliche Kritik 2 Auch Dufter (2003 fordert schärfere Begriffstrennungen. Er verwendet die Terminologie folgendermaßen: “Akzent, Prominenz und Betonung sind Eigenschaften, die Silben als ganzen zukommen. Eine Silbe trägt Akzent, wenn sie innerhalb einer in der prosodischen Hierarchie höherrangigen phonologischen Domäne in einer nicht-kontrastiven Aussprache ein Prominenzmaximum bilden kann. Eine Silbe trägt innerhalb einer größeren phonologischen Dimension Prominenz, wenn sie in einer in dieser Sprache usuellen Konturierung dieser Domäne betont ist. Dabei fassen wir Prominenz, wie schon Trubetzkoy (1935: 24) seinen Begriff der Hervorhebung, rein phonologisch. Betonung bezeichnet die teilweise sprachspezifisch konventionalisierten Strategien der phonetischen Auszeichnung prominenter Silben” (Dufter 2003: 92, Hervorhebungen NT). Dufter bezieht Betonung, wie Maas (2006) den Begriff Akzent, also auf die phonetischen Strategien zur Hervorhebung von Silben und setzt ihn nicht, wie Neppert (1999) oder Maas (2006) dies tun, mit dem Terminus Akzent gleich. Akzent ist bei Dufter, ebenso wie bei Kohler, der phonologische Wortakzent (lexical stress), der Prominenzbegriff deckt sich im Wesentlichen mit dem Kohlers, ist also silben- und nicht wortorientiert. <?page no="21"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 21 siehe etwa Dufter 2003), so wird es doch immer wieder - etwa in psycholinguistischen Untersuchungen zum Spracherwerb (cf. z.B. Hochberg 1987 und 1988, referiert in Leyrer 2008: 43ff.) - herangezogen, um die einzelsprachlichen Betonungsmuster (nicht nur des Englischen, sondern auch des Spanischen oder Deutschen) zu modellieren. Das Modell der Metrischen Phonologie, genauer gesagt das Konzept des so genannten Metrischen Gitters (metrical grid) ist grundlegend für den immer wieder postulierten Zusammenhang zwischen Betonung und Rhythmus, stellt dieser doch die Grundprämisse des (ursprünglichen) Modells dar. Die Attraktivität des Metrischen Modells sieht etwa Hualde (2012: 157) darin, dass es die Möglichkeit bietet, die Betonungsmuster der Sprachen der Welt anhand der Interaktion weniger Parameter darzustellen. Buxton (1983: 120) weist in ihrer Kritik am Modell der Metrischen Phonologie jedoch darauf hin, dass die Modellvorschläge von Liberman und Prince (1977) bzw. Selkirk (1980) wenig über die zeitliche Dimension der sprachlichen Äußerung aussagen, 3 speziell über die zeitliche Vorhersagbarkeit, die ja die Perzeption erleichtern soll. Eine Ausnahme bildet das bereits angesprochene Metrische Gitter (metrical grid) in seinem ursprünglichen Konzept von Liberman (1975), das genau dafür gedacht war, die zeitliche Dimension einer Äußerung zu modellieren. In den späteren Versionen der Theorie (z.B. Liberman und Prince 1977) wird es jedoch mehr und mehr zu einem Algorithmus, anhand dessen Betonungsebenen verrechnet werden. Die Prozesse der zeitlichen Vorhersagbarkeit, etwa der semantischen, laufen immer in Echtzeit ab. Entsprechende Perzeptionseffekte finden sich oft noch vor Ende des Zielwortes. Im Metrischen Gitter, das ein streng hierarchisches Modell ist und in dem die zeitliche Dimension zu modellieren wäre, muss jeweils das Ende der Äußerung bekannt sein, bevor die Struktur festgelegt werden kann, inkrementelle Prozesse können also nicht erfasst werden. Schon allein deswegen erscheint es nicht brauchbar für die Darstellung der Echtzeit-Vorhersagbarkeit (cf. Buxton 1983: 120), die aber bei den Hörern beobachtbar ist und die zweifellos eine Funktion des Sprachrhythmus darstellt. Vor allem wird an diesem Modell jedoch kritisiert, dass nicht zwischen den oben erwähnten Typen von Akzent unterschieden wird, sondern dass alle innerhalb desselben theoretischen Rahmens untersucht werden (cf. Dufter 2003: 58ff. bzw. Kohler 2007: 874). Ein anderes Modell, das zur Untersuchung von Betonungsmustern, auch im Spracherwerb, herangezogen wird, ist die Optimalitätstheorie (cf. Prince/ Smolensky 2004). Dieses Modell wird bevorzugt, weil es anhand der Treuebzw. Markiertheitsconstraints die U-Kurve des Erwerbsprozesses abzubilden in der Lage ist (zunächst werden korrekte Einheiten produziert, 3 Dies war allerdings in diesem Theorierahmen auch nicht intendiert. <?page no="22"?> 22 Nicola Tschugmell dann werden mehr und mehr Fehler gemacht, bis schließlich wieder korrekte Produktion zu beobachten ist; cf. Lleó/ Arias 2006: 496). 3.1.2 Die Isochroniehypothese Die meisten Untersuchungen, die sich mit dem produktionsseitigen Aspekt des Sprachrhythmus beschäftigen, gehen von der Grundannahme aus, dass sprachlicher Rhythmus zustande kommt, wenn bestimmte Elemente in zeitlich regelmäßiger Weise organisiert sind (seien es nun die Abstände zwischen Betonungen, die Silbendauern oder die Fußdauern), dass also Isochronie in irgendeiner Form nachweisbar sein muss. Der erste, der sich mit der zeitlichen Dimension der Sprache - in seinem Fall in Bezug auf das Englische - beschäftigt hat, war Sir Joshua Steele (1775, hier referiert nach Dufter 2003: 7). Steeles Annahme für das Englische war, dass die Abstände zwischen den akzenttragenden Silben als isochron einzustufen seien. Classe (1939) war der erste, der in Richtung regelmäßiger Fußdauern im Englischen dachte. Er suchte nach besonders salienten sprachlichen Einheiten und deren artikulatorischer Grundlage, konnte allerdings in seinen Untersuchungen keine messbare Isochronie feststellen. Kenneth L. Pike (1945), der als “Begründer der isochroniebasierten Sprachtypologie” (Dufter 2003: 10) gilt, beschreibt in seiner Untersuchung zur Intonation des amerikanischen Englisch die Tendenz des Englischen, regelmäßige Abstände zwischen akzenttragenden Silben zu zeigen, was sich in gleich langen phonetischen Füßen manifestiere. Die Länge der dazwischen liegenden Silben müsse variieren, damit gleiche Abstände erzielt werden können. Pike nennt diesen auf dem starken Wortakzent basierenden Rhythmus “stress-timed rhythm” und stellt ihm den “syllable-timed rhythm”, die silbenzählende Struktur, gegenüber; sein Beispiel ist Spanisch als “non-English language” (cf. Szczepaniak 2007: 8). Diese so genannte “Isochroniehypothese” wurde von Abercrombie (1967) aufgegriffen und besagt als “starke Isochroniehypothese”, dass alle Sprachen entweder stress-timed oder syllable-timed sind, dass also in jeder Sprache entweder die Silben oder die akzentuierten Silben in regelmäßigen Abständen organisiert sind. Eine dritte rhythmische Klasse, die der morenzählenden Sprachen, wurde von Ladefoged (1975) eingeführt, hierzu zählt etwa das Japanische. Isochronie wird in den Sprachen der Welt also zwischen drei unterschiedlich großen Einheiten vermutet. Die kleinste dieser Einheiten ist die Mora, eine Maßeinheit des Silbengewichts, darauf folgt die Silbe, dann der Fuß (cf. Nespor 2011: 1149). Folgt man dieser Auffassung von Rhythmus, dann sollte die jeweilige Isochronie-Variante Auswirkungen auf die Phonologie einer Sprache haben. Wenn z.B. Füße isochron sind, dann sollten die Silben von mehrsilbigen Füßen in ihrer Dauer verkürzt werden, eine einzige Silbe im monosyllabischen Fuß dagegen gelängt (cf. Nespor 2011: 1149 bzw. auch Buxton <?page no="23"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 23 1983: 111 für das Englische). Diese Dichotomie zwischen stress-timed und syllable-timed war lange Zeit unbestritten, bis mehr und mehr Phonetiker feststellten, dass in keiner der untersuchten Sprachen tatsächlich Isochronie im Signal nachweisbar war. Classe (1939: 12ff.) etwa ging in seinen Untersuchungen davon aus, dass Betonung mit einem erhöhten Druck im Sprechkanal (speech-canal, i.e. Ansatzrohr) einhergehen müsse. Er legte für seine Untersuchungen verschiedene Messpunkte für die einzelnen Segmenttypen (aspirierte vs. stimmhafte Plosive, Frikative, Vokale und alle übrigen Konsonanten, außer [h]) fest. Zwar konnte er die von ihm erwarteten regelmäßigen Abfolgen nicht nachweisen, allerdings konnte er zeigen, dass es - unter bestimmten Bedingungen wie z.B. Gleichheit der phonetischen Struktur und der Silbenanzahl in den Gruppen - eine Tendenz zur Fußisochronie im Englischen zu geben scheint, das von ihm zugrunde gelegte Konzept mit seinen strengen Einschränkungen also durchaus seine Hypothese von der Fußisochronie im Englischen stützte. Darauf folgende Untersuchungen zur Isochronie der Wortbetonungen im Englischen (z.B. Bolinger 1965, Lea 1974, ref. in Kohler 2009) untersuchten ebenfalls das akustische Signal in der Hoffnung, Isochronie feststellen zu können und verwendeten Spektrogramme. Allerdings wurden in diesen Untersuchungen Classes strenge Bedingungen hinsichtlich Fußisochronie nicht berücksichtigt, was jeweils zu dem Ergebnis führte, dass es im Englischen keine Fußisochronie gebe (cf. Kohler 2009: 8). Aufgrund der methodischen Problematik dieser Studien konnte die Hypothese von der im Signal nachweisbaren Isochronie im Englischen weder gestützt noch falsifiziert werden. Unter vergleichbaren Versuchsbedingungen (Lehiste 1973) konnten Classes Ergebnisse der Präferenz des Englischen für Fußisochronie allerdings wiederholt werden. Diese (phonetische) Forschungsrichtung wurde kaum weiter verfolgt, obwohl die Untersuchungen, die mit dem Konzept arbeiten, ihre Annahmen bestätigt sehen. 3.2 Perzeption Das große Problem mit der Isochroniehypothese, jedenfalls mit ihrer starken Form, ist die Tatsache, dass sich im Bereich der Sprachproduktion keine Isochronieeffekte nachweisen lassen (cf. z.B. den Überblick in Pointon 1980 für Spanisch). Es wurde also versucht, anhand neuer Herangehensweisen der physikalischen Grundlage des Rhythmus in der Sprache auf die Spur zu kommen. Grundsätzlich wird in diesen Ansätzen davon ausgegangen, dass es sich beim Sprachrhythmus um ein Phänomen der zeitlichen Verarbeitung handelt, und es wird versucht herauszufinden, wo in diesem zeitlichen Ablauf die relevanten rhythmischen Ereignisse festzumachen sind (cf. Pompino-Marschall 1990: 8). Vergleicht man die Dauer-Effekte in unterschied- <?page no="24"?> 24 Nicola Tschugmell lichen Sprachen, so könnte man aus phonetischer Sicht fragen, inwieweit es Tendenzen der zeitlichen Regulierung gibt, “die eine Typologie des Sprachrhythmus auf der Grundlage der zeitlichen Ausprägung von bestimmten linguistischen Einheiten rechtfertigen” (Pompino-Marschall 1990: 8). Genauso gut könnte man aber auch davon ausgehen, dass es gar keine nachweisbare Isochronie im Signal gibt, wie es die zahlreichen Untersuchungen letztlich suggerieren. Dann müsste man annehmen, dass die vermeintliche Isochronie bestimmter Einheiten tatsächlich auf einer Täuschung unserer Wahrnehmung beruht. Bereits Classe (1939) unterscheidet zwischen der gemessenen objektiven und der wahrgenommenen subjektiven Isochronie (cf. Kohler 2009: 14) und gibt zu bedenken, dass es sich bei dieser Eigenschaft der Sprache nicht nur um ein produktionsseitiges Phänomen handeln könne, sondern dass auch die Perzeption zeitlicher Verhältnisse in der Sprache eine Rolle spielen müsse (cf. auch Pompino-Marschall 1990: 6). Auch Lehiste (1977) zeigt in ihrer Untersuchung, dass Hörer Dauerunterschiede ausblenden und einer Äußerung, die keine Isochronie aufweist, eine rhythmische Struktur geben; sie geht daher davon aus, dass es sich bei Rhythmus um ein perzeptuelles Phänomen handeln muss (cf. auch Borzone de Manrique und Signorini 1983: 118). Kohler (2009: 15) hält es daher für unabdingbar, dem Hörer eine Schlüsselrolle in der Untersuchung des Sprachrhythmus zukommen zu lassen. Die Grundfrage, die sich die Phonetiker stellten, lautete dementsprechend: Welche Punkte im Ablauf lautsprachlicher Äußerungen sind es, die unserer Wahrnehmung zeitlicher Phänomene der gesprochenen Sprache zugrunde liegen (cf. Pompino-Marschall 1990: 20)? 3.2.1 Das P-Center-Phänomen Das P-Center-Phänomen (Perceptual-Center) im engeren Sinne, nämlich eine Anisochronie-Illusion, wurde mehr oder weniger zufällig im Rahmen eines Experimentes der Forschergruppe um Morton und Marcus (1976, ref. in Buxton 1993: 113 sowie Pompino-Marschall 1990: 20) entdeckt, bei dem für Gedächtnisexperimente englische Zahlwörter von one bis nine in einheitlicher Sequenz abgespeichert werden sollten. Der Beginn des einzelnen abgespeicherten Datenfiles entsprach jeweils dem akustischen Beginn der Einzeläußerung (one, two, etc.). Wenn aber nun die einzelnen Datenfiles in zeitlich exakt gleichem Abstand abgespielt wurden, zeigte sich, dass die so erzeugten Sequenzen von Zahlwörtern keineswegs so klangen, als würden die einzelnen Zahlwörter in gleichen zeitlichen Abständen ausgesprochen (cf. Pompino-Marschall 1990: 20): “[…] perceived irregularity of the digit lists indicates that isochrony (equal timing) of stimulus onsets is not the requirement for perceptual isochrony. We know from common experience that it is possible to produce and per- <?page no="25"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 25 ceive isochronous word lists, so the term Perceptual Centre (P-centre) will be defined as follows: 1) The PERCEPTUAL CENTRE of a speech sound […] corresponds to its psychological moment of occurence. 2) Perceptually isochronous word lists have isochronous P-centres.” (Marcus 1976, zitiert nach Pompino-Marschall 1990: 20) Außerdem wird angenommen, dass P-centers unabhängig vom akustischen, syntaktischen oder semantischen Kontext des einzelnen Stimulus sind. Die Verarbeitung dieser Wahrnehmungszentren erfolgt sehr früh im Verarbeitungsprozess, vermutlich parallel zur phonologischen Identifikation. Dass das P-center tatsächlich ein reines Wahrnehmungsphänomen sein könnte, zeigte sich auch in den Experimenten von Pompino-Marschall (1990), denn es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen dem P-center und dem Beginn einzelner Artikulationsbewegungen festgestellt werden. Die Ergebnisse deuten eher darauf hin, dass der Sprecher seine Artikulation so steuert, “dass das akustische Resultat dieser Artikulation zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Wahrnehmung eines Ereignispunktes führt” (Pompino-Marschall 1990: 252). Buxton (1983: 115ff.) zeigt in ihren Experimenten, dass arbiträre zeitliche Abfolgen schwierig wahrzunehmen sind, hingegen die P-center-Abfolge die Perzeption zu erleichtern scheint. Sie weist, ebenso wie Kohler (2008, 2009) explizit darauf hin, dass dieser Ansatz erfolgsversprechend sein könnte, und zwar auch im Hinblick auf eine Sprecher-basierte Sichtweise: “[...], it would seem likely that future research on the pattern of P-centres in continuous speech will allow an exploration of the way in which rhythmic structures of the language are realized in the production of an utterance.” (Buxton 1983: 120) 4 Phonologische Ansätze Dauer (1983) maß ebenfalls die Intervalle zwischen Betonungen (ohne Classes (1939: 100) Beschränkungen, wie z.B. Ähnlichkeit der phonetischen Struktur und der Silbenanzahl in den untersuchten Gruppen) und verglich die Sprachen Englisch, Griechisch, Italienisch, Spanisch und Thai. Da die Dauermessungen in einer betonungszählenden Sprache wie dem Englischen nicht regulärer waren als etwa im Spanischen, einer silbenzählenden Sprache, schloss sie daraus, dass die Suche nach phonetischen Korrelaten für die Rhythmus-Dichotomie erfolglos sein müsse (cf. auch Kohler 2009: 9). Stattdessen verlagerte sie die Forschungsfrage zurück in den Bereich der Phonologie und ging davon aus, dass für eine adäquate Beschreibung des Sprachrhythmus die phonologische Struktur einer Sprache berücksichtigt werden müsse. Nach Auffassung Dauers beruhen die Unterschiede im Rhythmus <?page no="26"?> 26 Nicola Tschugmell von betonungszählenden und silbenzählenden Sprachen auf drei großen Strukturebenen: Silbenstruktur, Vokalismus und Betonung. Die silbenzählenden Sprachen weisen eine geringere Anzahl verschiedener Silben auf als die betonungszählenden Sprachen und es gibt keine Vokalreduktion. Diese beiden Charakteristika sind dafür verantwortlich, dass die Silben in silbenzählenden Sprachen ähnliche Dauer haben. Auslöser für die (vermeintliche) Isochronie in einer Sprache sind also in unterschiedlichen phonologischen Charakteristika zu suchen und nicht in Unterschieden in der zeitlichen Organisation. Die jeweiligen Kombinationen dieser phonologischen Merkmale schaffen die rhythmischen Unterschiede, daher kann für eine typologische Einteilung der Einzelsprachen keine Dichotomie angenommen werden, sondern es muss sich um ein Kontinuum handeln. Das zentrale Kriterium in Dauers Vorschlag ist die “Akzentbasiertheit” (Wortakzent), die sie gewissermaßen als tertium comparationis heranzieht. Alle untersuchten Sprachen werden an ihrer Akzentbasiertheit gemessen, besonders greift sie die beiden Extrempunkte nach ihrer Skala, Englisch und Spanisch, heraus. Eine Beteiligung des Sprechers, wie z.B. Pompino-Marschall (1990: 252) sie annimmt, schließt Dauer aus. Die rhythmischen Unterschiede zwischen Einzelsprachen beruhen eher auf phonologischen, phonetischen, lexikalischen und syntaktischen Charakteristika der jeweiligen Sprachen, “than any attempt of the speaker to equalize interstress or intersyllable intervals” (Dauer 1983: 55). Auch Dufter (2003, 2004) entfernt sich in seiner Typologie vom silbenzählenden Rhythmustyp. Er schlägt eine neue Einteilung im Rahmen der Rhythmustypologie vor, bei der ebenfalls der Wortakzent als einer der beiden Parameter für die Realisierung von Rhythmus die Grundlage der Zuordnung zu verschiedenen Rhythmustypen darstellt. Sprachen unterscheiden sich darin, welche suprasegmentalen Oppositionen sie nutzen und auf welche Weise sie dies tun. Sie können sich zur Kodierung von sprachlichem Rhythmus entweder die Zeitstruktur (i.e. die Quantität) oder die Prominenzstruktur zunutze machen, nicht jedoch beides. Dufter (2003: 165) unterscheidet so vier Prototypen rhythmischer Konturbildung: morenbasierten Rhythmus, phrasenbasierten Rhythmus, prominenzbasierten Rhythmus und alternierenden Rhythmus. Bei Sprachen des morenbasierten Rhythmustyps (z.B. Japanisch, Finnisch) sind die Quantitäten bestimmend. Beim phrasenbasierten Rhythmus, wie wir ihn z.B. im Französischen finden, werden die Phrasenenden (informationsstrukturell bzw. syntaktisch) anhand des Merkmals Quantität markiert. Dufter (2003: 165) geht jedoch davon aus, dass auch in Sprachen dieser beiden Typen eben nicht die Isochronie der Moren bzw. Phrasen ausschlaggebend ist, sondern vielmehr die “wort- oder satzphonologisch festgelegte systematische Anisochronie kurzer und langer Silbenreime”. <?page no="27"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 27 In diesem Modell (cf. Dufter 2003: 149) wird das Deutsche dem prominenzbasierten Rhythmustyp zugeordnet. Hier wird die zeitliche Struktur der Äußerung durch den Wortbzw. Satzakzent bestimmt, wobei die Lage des Wortakzents phonologisch bestimmt ist. Das Spanische gehört dagegen dem alternierenden Rhythmustyp an, da weder Zeitnoch Prominenzstruktur distinktiv genutzt werden. Das Spanische kennt, anders als etwa das Italienische, keine Quantitätsoppositionen. 4 Außerdem ist der Wortakzent im Spanischen nicht vollständig phonologisch festgelegt; er übernimmt allerdings morphologische Kennzeichnungsfunktion und legt die Satzprosodie stärker als in anderen Sprachen wie etwa dem Englischen oder Französischen fest (cf. Dufter 2003: 163). Nespor (2011) geht davon aus, dass es sich weder um einen Dichotomie noch um ein Kontinuum handeln kann, weil es Sprachen gibt, die rhythmisch weder zum einen noch zum anderen Typ gehörten. Als Beispiele nennt sie das betonungszählende Polnische, das eine sehr hohe Silbenkomplexität aufweist, oder Katalanisch, das als silbenzählend klassifiziert wird, jedoch Vokalreduktion ebenso zeigt wie eine geringe Silbenkomplexität. 5 Einen Überblick über die Kriterien der verschiedenen Rhythmustypologien bieten Auer/ Uhmann (1988: 253): 4 Eine Ausnahme davon bilden sog. fake geminates auf der wortübergreifenden Ebene, z.B. compra naranjas vs. compran naranjas, cf. dazu Hualde (2004). 5 Wobei in Bezug auf das Katalanische darauf hinzuweisen ist, dass es Unterschiede zwischen Ost- und Westkatalanisch gibt und auch die Silbenstruktur differenzierter zu betrachten ist (persönlicher Kommentar von M. Heinz 2014). <?page no="28"?> 28 Nicola Tschugmell Tabelle 1: Kriterien der Rhythmustypologien (Auer/ Uhmann 1988: 253) Prototypische “silbenzählende” Sprachen Prototypische “akzentzählende” Sprachen Überwiegend CV-Silbenstruktur Verschiedene, teils komplexe Silbenstrukturen Keine Unterschiede in der Struktur betonter und unbetonter Silben Schwere vs. leichte Silben = betonte vs. unbetonte Silben Konstante, gut definierte Silbengrenze, Geminaten Tempoabhängig variable, schlecht definierte Silbengrenzen (Ambisilbizität), Schwächung ambisilbischer Konsonanten und Geminatenreduktion Vokalsystem stabil, Vokalharmonie möglich Vokalsystem im Nebenakzent reduziert, keine Vokalharmonie möglich Vokalausfall zur Optimierung der Silbenstruktur Vokalausfall aus akzentuellen Gründen Akzent wenig grammatisch distinktiv, Wortakzent fehlt teils Akzent grammatisch distinktiv, komplexe Akzentregeln, Euphonieregeln Iktus- und Akzentposition: kodachron (“trailer-timing”) Iktus- und Akzentposition: kapochron (“leader-timing”) Hier zeigt sich spätestens beim Versuch, etwa das Französische oder das Portugiesische einzuordnen, dass diese Einteilung problematisch ist. So kann für das Französische, das ja als “silbenzählend” einzustufen wäre, z.B. nicht angenommen werden, dass der Ausfall des Schwa-Lautes unbedingt und immer der Verbesserung der Silbenstruktur dient. Auch Heinz (2010: 176) kritisiert hier etwa das Akzentkriterium “Akzent wenig grammatisch distinktiv, Wortakzent fehlt teils”: In Sprachen wie Spanisch oder Katalanisch sei der Wortakzent durchaus distinktiv und außerdem (außer für einige Synsemantika) regelhaft. Auer (1993, 2001) weist in seinem Modell “Silbensprache” vs. “Wortsprache” darauf hin, dass auch die Domäne “Wort” in zahlreichen Sprachen von Relevanz sei. Er geht in seinem Typologiemodell vom Normalfall gemischter Typen aus und setzt die zwei Extrempole “Silbensprache” und “Wortsprache” in einem Kontinuum an. Bei den Silbensprachen zeigt sich ihm zufolge eine Tendenz zur Verbesserung der Silbenstruktur. Sie präferieren wenig <?page no="29"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 29 komplexe Silbenränder, der Vokalismus unter Haupt- und Nebenakzent ist einheitlich; die Silbe ist die Bezugsdomäne phonologischer und phonetischer Prozesse; der Wortakzent ist nicht oder eher schwach ausgeprägt. Bei den Wortsprachen steht die Optimierung des phonologischen Wortes im Mittelpunkt; durch Vokaltilgung und daraus resultierenden Konsonantenclustern entstandene hohe silbische Komplexität wird toleriert. In Nebentonsilben wird der Vokal phonemisch ersetzt (bei komplexerem Haupttonvokalsystem) bzw. durch Zentralisierung reduziert. Wortbezogene phonologische und phonetische Prozesse dienen der Stabilisierung von Wortgrenzen. Es ist ein deutlich realisierter, dynamischer Wortakzent zu beobachten (cf. auch Heinz 2010: 178-179). Spanisch wäre insofern ein typischer Vertreter der Silbensprachen, jedenfalls bei den Parametern, die die Silbenstruktur betreffen; bei den akzentbezogenen Parametern jedoch ist es nicht so eindeutig zuordenbar, denn das Spanische hat einen dynamischen und fallweise phonologisch distinktiven Wortakzent (cf. Heinz 2010: 179). Das Deutsche wäre relativ eindeutig den akzentzählenden Sprachen bzw. Wortsprachen zuzuordnen. 4.1 Vergleich von Spanisch und Deutsch auf typologischer Basis Szczepaniak (2009) widmet dem rhythmustypologischen Vergleich des Spanischen mit dem Deutschen einen eigenen Aufsatz. Sie vergleicht die beiden Sprachen im Rahmen der von Auer (1993, 2001) etablierten Rhythmustypologie, die Wortsprachen und Silbensprachen unterscheidet, wobei sie die folgenden beiden Kriterien heranzieht: Struktur des phonologischen Wortes (i.e. Silbenstruktur, Vokalismus, Konsonantismus, Wortakzent) und Größe des phonologischen Wortes. Die beiden Sprachen zeigen, Szczepaniak zufolge, “gegenteilige typologische Tendenzen”: Das Deutsche ist “in der Nähe des wortsprachlichen Prototyps” zu positionieren (Szczepaniak 2009: 252), das Spanische entspricht dem Prototyp einer Silbensprache: “Unterstützen sowohl die strukturellen Eigenschaften (wie die Silbenstruktur und die Distribution der Vokale und der Konsonanten) als auch die phonologischen Prozesse die Bildung von Sequenzen aus einfachen, ähnlichen bis gleich geformten Silben (CVCV...), haben wir mit einer Silbensprache zu tun.” (Szczepaniak 2009: 252) Im Deutschen dagegen sind z.B. die Silbenfolgen uneinheitlich, es gibt besonders komplexe Silben. Auf diese Weise markiert das Deutsche “den Anfang oder die Akzentstruktur eines (phonologischen) Wortes” (Szczepaniak 2009: 252). <?page no="30"?> 30 Nicola Tschugmell 4.1.1 Silbenstruktur Im Deutschen enthalten mehrsilbige Simplizia phonologisch eine betonte Silbe, die unbetonten Silben weisen Reduktionsvokale auf, die getilgt werden können (cf. Szczepaniak 2009: 255). Die Silbengrenzen werden als “unauffällig” klassifiziert (“vor dem stärksten Konsonanten” (Szczepaniak 2009: 255)). Unbetonte Flexive und Derivationsaffixe enthalten eine Schwa-Silbe. Das phonologische Wort wird im Deutschen sehr deutlich gekennzeichnet, etwa durch die Komplexität des Silbenbaus, die in Richtung Wortgrenze ansteigt. Außerdem ist das Deutsche eine quantitätssensitive Sprache, d.h. die Wortbetonung hängt vom Silbengewicht ab: Die betonte Silbe muss im Deutschen schwer sein (cf. Szczepaniak 2009: 256). Silbensequenzen sind im Deutschen nicht einheitlich strukturiert, die “stark ausdifferenzierte und hochvariable Silbenstruktur dient der Hervorhebung einer bestimmten Stelle im (phonologischen) Wort”. Alle typologischen Parameter weisen auf eine starke Abhängigkeit der Silbenstruktur von der Wortposition hin (cf. Szczepaniak 2009: 253). Im Spanischen steht nach Szczepaniak (2009: 259) die Silbe im Vordergrund, wobei eindeutig die optimale CV-Struktur dominiert. Es überwiegen die offenen Silben (CV, V, CCV) mit 72% (cf. Szczepaniak 2009: 260). Betonte und unbetonte Silben sind im Spanischen silbenstrukturell kaum unterschieden. Der einfache CV-Typ wird sowohl in betonten wie in unbetonten Silben bevorzugt (cf. Szczepaniak 2009: 260). Die Einstufung des Spanischen als “nicht-quantitätssensitive Sprache” ist jedoch umstritten (cf. Hualde 2012 sowie Lleó/ Arias 2006), bzw. weist auch Szczepaniak (2009: 260) darauf hin, dass die betonte Silbe im Spanischen “tendenziell komplexer” ist als die unbetonte. Im Gegensatz zum Deutschen zeigt das Spanische das Phänomen der Resilbifizierung, denn auslautende Konsonanten werden dem Onset der folgenden vokalisch anlautenden Silbe zugeordnet (cf. Szczepaniak 2009: 262). Durch die Resilbifizierung erhöht sich allerdings wieder der Anteil an offenen Silben. Die spanische Silbe enthält obligatorisch einen vokalischen Nukleus, Vokaltilgung und daraus resultierenden Nasale und Liquide als Nuklei kommen nicht vor (cf. Szczepaniak 2009: 260). Szczepaniak (2009) weist auch darauf hin, dass nach der Resyllabierung die Silbengrenzen nicht mehr mit den Morphemgrenzen übereinstimmen, wodurch die Dekodierung der morphologischen Struktur erschwert wird. 6 6 Szczepaniak (2009: passim) bezeichnet aufgrund der herausgearbeiteten einzelsprachlichen Eigenschaften das Deutsche als “hörerfreundliche Wortsprache”, das Spanische dagegen als “sprecherfreundliche Silbensprache”. Diese Klassifizierung ist ausschließlich dann eventuell gerechtfertigt, wenn sie aus der Perspektive eines Fremdsprachenlerners mit entsprechend unterschiedlicher L1 vorgenommen wird. Aus rein verarbeitungstheoretischer Sicht sind diese Bezeichnungen keinesfalls vertretbar. Allein ein Blick auf den Erstspracherwerb müsste ausreichen, um festzustellen, dass ein Postulieren von “sprecher-” vs. “hörerfreundlichen” Sprachen jeglicher Grundlage entbehrt. <?page no="31"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 31 Das Spanische weist eine deutliche Tendenz zur Hiatvermeidung auf, was Szczepaniak als charakteristisch für den silbenzählenden Sprachtyp sieht (cf. Szczepaniak 2009: 262). Aufgrund der Blockierung der Resilbifizierung im Deutschen sind die Wortränder sehr stabil, Wortgrenzen übergreifende Assimilationsprozesse (Koartikulation) sind nur bedingt möglich (cf. Szczepaniak 2009: 257). 4.1.2 Vokalismus, Konsonantismus Vollvokale kommen im Deutschen nur in betonten Silben vor (Szczepaniak 2009: 256). Szczepaniak geht im Bereich des Konsonantismus davon aus, dass Hauchlaut und Knacklaut den Morphemanlaut markieren, “und damit den Anfangsrand des morphologischen Wortes”. Dabei steht der Knacklaut auch am Anfang einer unbetonten, wortinitialen Silbe. Wortmedial wird vor vokalisch anlautenden Silben kein Knacklaut produziert (Szczepaniak 2009: 256). 7 Die phonologischen Wörter weisen eine besondere Phonemdistribution auf, so erscheinen Vollvokale nur in betonter Position, bestimmte Konsonantengruppen nur wortinitial (z.B. [ʃt]). Resyllabierung ist nicht möglich. Hinsichtlich der phonologischen Prozesse weist Szczepaniak auf den silbenstrukturellen Einfluss der Vokaltilgung im Deutschen hin, es entstehen dadurch komplexe Konsonantencluster (cf. Szczepaniak 2009: 257). 4.1.3 Wortakzent Bezüglich des Wortakzents stellt Szczepaniak (2009: 259) fest, dass das Deutsche einen phonetisch sehr deutlich realisierten Wortakzent besitzt, der speziell anhand von Dauer und Intensität (Amplitude) gekennzeichnet wird. Szczepaniak macht die Größe des phonologischen Wortes im Deutschen am Wortakzent fest. Die phonologische Worteinheit wird so ganz eindeutig durch einen einzigen (initialen) Akzent markiert (Szczepaniak 2009: 259). 8 Die cues, die etwa von den Sprechern so genannter “sprecherfreundlicher” Sprachen zur Segmentierung des Signals in Morpheme herangezogen werden, sind lediglich andere als in den “hörerfreundlichen” Sprachen. Ob deren Einsatz dem L1-Hörer schwer oder leicht fällt, ist empirisch nicht nachvollziehbar. Es liegen m.W. auch keine Untersuchungen vor, die etwa eine Verzögerung im Wortschatzerwerb bei Kindern, die eine “sprecherfreundliche” Sprache erlernen, zeigen, und auch bei bilingualen Kindern gibt es (bisher) keine Evidenz für einen entsprechenden Unterschied zwischen “sprecher-” und “hörerfreundlichen” Sprachen. 7 Dem muss widersprochen werden: Der glottale Plosiv im Deutschen markiert den Beginn des phonologischen Fußes: cf. dt. Chaos ['kaɔs] vs. dt. Chaot [ka'Ɂot] (cf. Penner et al. 2006: 34ff.). Der Beginn des Fußes muss aber nicht mit dem Beginn des phonologischen Wortes zusammenfallen (cf. z.B. dt. [ba.'na.nǝ]). Und selbstverständlich wird wortmedial der Knacklaut realisiert, cf. z.B. dt. Theater [te'Ɂat ¨ ]. 8 Hier müsste eine Differenzierung in minimales bzw. supraminimales (phonologisches) Wort vorgenommen werden. <?page no="32"?> 32 Nicola Tschugmell Im Spanischen gibt es keine Prozesse, die das phonologische Wort explizit hervorheben (cf. Szczepaniak 2009: 263), es wird dagegen die Silbenstruktur über Wortgrenzen hinaus vereinheitlicht und optimiert. Der Wortakzent wird “nicht stark realisiert” (Szczepaniak 2009: 264), der phonetische Parameter, der dazu dient, die betonte Silbe zu realisieren, ist im Spanischen die Tonhöhe (cf. Szczepaniak 2009: 264). 9 Die Darstellung Szczepaniaks zeigt zum einen, dass die rhythmustypologische Einteilung für das Sprachenpaar Spanisch und Deutsch relativ gut geeignet ist, handelt es sich doch um zwei “Prototypen” von Wortbzw. Silbensprache. Sie verschleiert allerdings die Problematik von diesbezüglichen Verallgemeinerungen. 4.2 Diskussion der rhythmustypologischen Ansätze Heinz (2010: 180) beschreibt in seiner Bewertung von Auers Modellvorschlag gleichzeitig die Schwächen des Konzepts Rhythmustypologie an sich: “Sofern man bei der zwangsläufig vereinfachenden Bipolarität eines typologischen Kontinuums zwischen Silben- und Wortprofilierung bleibt, können die Sprachen auf einer horizontalen Skala angeordnet werden. Dass im Ergebnis eher eine Typeneinstufung zwischen den Extrempolen steht, ist in Auers Klassifikationsvorschlag […] explizit vorgesehen und stellt einerseits einen Fortschritt gegenüber strikten Zweier- (silbenvs. akzentzählend) oder Dreier-Zuordnungen (silben-, akzent-, morenbasierter Rhythmus) dar, bedeutet aber auch den Verzicht auf eine Rhythmusvorstellung, die von der recht klaren Zuordnung einzelner Sprachen zu einem oder sehr wenigen durchgehend salienten Parametern der lautlichen Organisation ausgeht (als identifizierbarem Korrelat der “Lautgestalt”, des “Klanges”, “Sounds” o.ä. bestimmter Sprachen).” Denn gerade die angesprochenen Korrelate der “Lautgestalt” einer Sprache sind möglicher Weise so einzelsprachspezifisch, dass eine Zuordnung zu Typen eine zu grobe Vereinfachung darstellt. Kohler (2009: 10) kritisiert die typologischen Ansätze sogar heftig: “The re-phonologization of the research question has not advanced our understanding of rhythmic structures in the languages of the world, but engendered a new phonetic substantiation of phonological categories, with measuring procedures that gave up the search for isochrony of either interstress intervalls or syllable duration.” Sprachrhythmus ist seiner Meinung nach abhängig vom Sprecher, der Sprechsituation und dem Sprechstil und hat außerdem ganz grundlegende 9 Dies gilt nicht für alle Varietäten des Spanischen. So kommt es z.B. im argentinischen Spanisch außerdem zu einer deutlichen Längung der betonten Silbe, cf. dazu Gabriel/ Kireva (2014). <?page no="33"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 33 Steuerfunktion für den Hörer. Es handelt sich dabei nicht um ein typologisch fixiertes Prominenzmuster für Sprachgruppen, sondern um ein Phänomen, das innerhalb jeder Einzelsprache große Varianz aufweist (cf. Kohler 2009: 28). 10 Die Untersuchung von Borzone de Manrique und Signorini (1983) zum Rhythmus im Spanischen zeigt recht deutlich, dass eine Zuordnung zu einem bestimmten Rhythmustyp auch unter Berücksichtigung zahlreicher der oben angeführten Kriterien schwierig ist. Die Autoren analysieren Segmentdauer und Interstress-Intervalle anhand von 120 spanischen Sätzen, die einem Sprecher des argentinischen Spanisch vorgelegt werden (es gibt eine kleine Kontrollgruppe von 3 Sprechern). Sie kommen zu dem Schluss, dass das Spanische eine Reihe temporaler Aspekte zeigt, die dem Typ der betonungszählenden Sprachen entsprechen (Borzone de Manrique/ Signorini 1983: 127). Sie weisen jedoch (ebenso wie Kohler 2007) darauf hin, dass das Spanische durchaus Charakteristika aufweise, die eine Einstufung als silbenzählend rechtfertigten. Die hohe Frequenz von CV-Silben und die fehlende Vokalreduktion bewirken, dass die Silbe perzeptuell deutlicher wahrnehmbar sei als in anderen Sprachen. Natürlich wäre es den Autoren mittlerweile möglich, die inzwischen ausgearbeiteten Modelle zu nutzen und das Spanische aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchung etwa im Rahmen eines Kontinuums typologisch besser zu verorten. Allerdings weisen sie bereits auf die Abhängigkeit des Sprachrhythmus von der Textsorte hin (Borzone de Manrique/ Signorini 1983: 118), indem sie Navarro Tomás (1967) referieren, der in seinen Ausführungen zum Rhythmus des Spanischen feststellt, dass die rhythmische Gruppierung im Vers deutlicher zu beobachten ist als in Prosatexten und in der gesprochenen Sprache. Navarro Tomás (1944) bezieht sich in seinen Beobachtungen zum Rhythmus überhaupt nur auf Verse und nicht auf Prosatexte. Eine der bekanntesten Untersuchungen hierzu stammt von Ramus, Nespor und Mehler (1999). Die Autoren analysierten Daten aus 8 Sprachen (Katalanisch, Niederländisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Polnisch, Spanisch) und arbeiteten mit drei Messungen: %V, dem Anteil der vokalischen Intervalle in jedem Satz, ∆V, der Standardabweichung der Dauer der vokalischen Intervalle und ∆C, der Standardabweichung der 10 Die harsche Kritik an der Einstufung in Rhythmustypen wird allerdings in Kohler (2012) etwas relativiert: “Diese Rhythmusdiskussion krankte an der voreiligen Zuordnung eines Rhythmustyps zu einer Sprache, d.h. an der Projektion des Phänomens Rhythmus auf die Ebene der Sprachtypologie. Aber Rhythmus ist zunächst einmal ein Phänomen in artikulatorischen Bewegungen des Sprechers und in der Wahrnehmung einer Wiederkehr von Gleichem, nicht Identischem beim Hörer. In den einzelnen Sprachen kann dieses Sprechen und Hören unterschiedlich ablaufen. Eine typologische Zuordnung erfolgt zum Schluss, nach eingehender Untersuchung des Sprechens.” <?page no="34"?> 34 Nicola Tschugmell Dauer der konsonantischen Intervalle. Es wird davon ausgegangen, dass diese phonologischen Einheiten für den perzeptiven Eindruck von Sprachrhythmus verantwortlich sind. Die Autoren nehmen an, dass das Verhältnis von %V und ∆C die Komplexität der Silbenstruktur wiedergibt, denn die Anzahl der Konsonanten und ihre Gesamtdauer steigen mit der Anzahl der Silbentypen an, was zu einem höheren ∆C-Wert führt, da dies auch ein höheres Konsonant-Vokal-Verhältnis impliziert. Kohler (2009: 11) weist hier darauf hin, dass auf diese Weise höchstens segmentale Dauermuster beschrieben werden können, keinesfalls jedoch rhythmische Muster, die einer zeitlichen Dynamik unterliegen. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die analysierten Daten aufgrund der individuellen Variation unterschiedliche Grade von Rhythmizität widerspiegeln. Neue Datensätze aus denselben Sprachen würden mit Sicherheit andere Ergebnisse liefern. “The procedure is a form of data-sorting but not an explanatory model of rhythm in speech and language” (Kohler 2009: 11). Ein ebensolches Zeugnis stellt Kohler der Studie von Grabe und Low (2002) aus. Die Autoren werten Vorlesedaten aus 18 Sprachen aus und entwickeln Rhythmusklassen auf Basis der Messungen zur phonetischen Länge. Gemessen werden die phonetische Vokallänge und die Länge der zwischenvokalischen Intervalle (cf. auch Szczepaniak 2007: 14f.). Auch hier handle es sich nach Kohler (2009: 12) um “data sorting on the basis of consonantal and vocalic, i.e. local segmental, durations in their point-to-point variability”, nicht um das Aufzeigen globaler rhythmischer Muster. Dufter (2003: 168) kritisiert zudem, dass aufgrund der Ergebnisse nicht einmal Aussagen zu silbenphonologischen Unterschieden zwischen Sprachen, z.B. zwischen Spanisch und Deutsch, möglich sind. Kohler (2007: 876ff.) schlägt - bezugnehmend auf Dufters (2003) Typeneinteilung - eine etwas andere Sichtweise vor, die gleichzeitig die Annahme von Rhythmustypen erklärt: In den germanischen Sprachen (bei Dufter: “prominenzbasierter Rhythmus”), besonders in den westgermanischen, entsteht aufgrund von Tonhöhenunterschieden eine Abfolge von Prominenzen. Diese Sprachen haben Wortakzent; in der Zitierform des Wortes kann man die Position der betonten Silbe im Wort erkennen, die als Platzhalter für die Hervorhebung dieses Wortes dient, sollte es im Satz betont werden. Die betonten Silben in diesen Sprachen weisen im Gegensatz zu den unbetonten stärkere Vokalkontraste auf, sie werden langsamer artikuliert als die unbetonten Silben, die dann reduziert bzw. elidiert werden. Unbetonte Silben enthalten zentrale Vokale und weniger komplexe Konsonantencluster. Dadurch entsteht eine Abfolge von prominenten und nicht-prominenten Silben (Füße), wobei in mehrsilbigen Füßen die prominenten Silben kürzer sind als in monosyllabischen. Dadurch entsteht jedoch keineswegs Isochronizität, sondern Regelmäßigkeit. Je <?page no="35"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 35 deutlicher dieses Muster realisiert wird, umso besser wird der Rhythmus für den Hörer perzipierbar und umso stärker ist seine Steuerfunktion. Insofern, als es die Prominenzen sind, die in diesen Sprachen regelmäßig wiederkehren, kann man durchaus von “betonungszählenden” (stress-timed) Sprachen sprechen. Im Vers ist die Regelmäßigkeit am stärksten, in der Spontansprache kann sie stark gestört werden bzw. völlig fehlen, ist also vom Sprecher abhängig (cf. Kohler 2007: 876ff.). Im Standardspanischen und auch im Standarditalienischen gibt es ebenfalls wiederkehrende Tonhöhenprominenzen, die mit den Positionen für den Wortakzent zusammenfallen. Im Gegensatz zu den genannten germanischen Sprachen erfolgt hier jedoch keine Reduktion der unbetonten Silben hinsichtlich Qualität und Dauer. Zudem wird in diesen Sprachen eine einfache Silbenstruktur präferiert (CV), komplexe Cluster fehlen weitgehend, speziell im Auslaut (cf. auch Heinz 2010). Im Spanischen ist die Vokalquantität nicht distinktiv, im Italienischen sind tendenziell die Kombinationen Langvokal + Konsonant und Kurzvokal + Geminate quantitativ gleich. Innerhalb der Prominenzzyklen besteht also eine sehr starke Regelmäßigkeit der Silbenzyklen, was dazu führt, dass der Hörer den Eindruck hat, regelmäßige Silbenabfolgen wahrzunehmen und nicht Prominenzabfolgen. Auch das Versmaß in diesen Sprachen zeigt pro Zeile eine gleiche Anzahl von Silben und nicht von Akzenten. Insofern können diese Sprachen (ebenso wie das Französische, das allerdings einige grundlegende Unterschiede zu den anderen romanischen Sprachen aufweist) als “silbenzählend” (syllable timed) bezeichnet werden (cf. Kohler 2007: 880 ff.). Heinz (2010: 172) stellt ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Silbenstrukturtypologie der Einzelsprachen und Rhythmustypologie her, “da die in den Einzelsprachen möglichen Silbentypen in vielfältiger […] Weise mit Typen rhythmischer Organisation korrelieren”. 5 Rhythmus und Sprachrhythmus Rhythmus kann definiert werden als “regelmäßige Wiederkehr von Veränderungen an Objekten in der Zeit” (Kohler 2012). Bereits Lenneberg (1967: 107ff.) betrachtet Rhythmus als einen der zentralsten Regulationsmechanismen für die motorische Koordination, wobei er den Rhythmus einer physiologischen Aktivität als eine Art von “Periodizität” beschreibt, als eine rhythmische Veränderung von Zuständen. Puppel (1986: 105) spricht hier von der Alternation von Aktivierung und Inhibition motorischer Muster, die die flüssige Artikulation ermöglichen. Auch in den Bewegungen des Artikulationsapparates beim Sprechen ist Rhythmus zu erwarten. Diese Rhythmik der Motorik findet sich im akustischen Signal wieder, dadurch entsteht eine rhythmische auditive Wahr- <?page no="36"?> 36 Nicola Tschugmell nehmung (Kohler 2012). Daher könnte eine Definition des Sprechrhythmus die “regelmäßige Wiederkehr zu- und abnehmender Prominenzmuster in Silbenketten” sein (Kohler 2012 bzw. 2009). In der Sprache gibt es zwei Organisationsprinzipien, zum einen das bedeutungsabhängige, das lexikalische, morphologische und syntaktische Mittel zur Strukturierung nutzt, zum anderen das rhythmusabhängige, das sich in ansteigenden und absinkenden Prominenzprofilen über Silben manifestiert. In der Spontansprache erfolgt die Gliederung primär semantisch, da sich Rhythmus aufgrund der in natürlicher Sprache auftretenden “Unflüssigkeiten” 11 nur über kurze Zeitstrecken entfalten kann. Allerdings ist zu beobachten, dass rhythmische Gliederung trotz stimmloser Unterbrechungen des Sonoritätsmusters auftritt (cf. auch Olsen 1972). Beim lauten Lesen wird Sprache durch Sprechen reproduziert, es erfolgt also neben der graphisch-phonematischen Dekodierung bzw. dem Abruf aus dem orthographischen Speicher (direkte Leseroute) auch noch die Erstellung eines artikulatorischen Plans und dessen motorische Durchführung. Ein geübter Leser kann in dieser Modalität optimalen Rhythmus erzielen, weil der Aspekt der Planung wegfällt, der in der Spontansprache die (unrhythmischen) Pausen verursacht. 12 Aber auch ein geübter Redner kann die beiden Prinzipien zusammenführen und so optimale rhetorische Strukturen produzieren. Rhythmus in der Sprache wird also nicht nur durch den Sprechstil kontrolliert, sondern auch durch das Können des individuellen Sprechers. 5.1 Möglichkeiten der Untersuchung des Sprachrhythmus Cutler (1983: 80) weist im Zusammenhang mit der Erforschung von prosodischen Strukturen in der Sprache auf die Wichtigkeit von psycholinguistischen Untersuchungen hin: “Many disputed linguistic questions, happily, can be enlightened by consideration of psycholinguistic evidence - evidence from patterns of language acquisition, from patterns of language breakdown, from production and comprehension performance […].” 5.1.1 Erstspracherwerb Besonders der Blick auf den Erstspracherwerb scheint erhellend zu sein. Entsprechende Studien, wie die bereits erwähnte von Ramus, Nespor und 11 Nicht im klinischen Sinne. 12 Es wird davon ausgegangen, dass es ein Zeitfenster gibt, innerhalb dessen unser Zentralnervensystem in der Lage ist, das Wahrgenommene zu verarbeiten. Dieses “temporal integration interval” wird bei 2-3 sec angesetzt (cf. z.B. Mates et al. 1994: 332 bzw. 338). Auch beim lauten Lesen ist eine derartige zeitliche Strukturierung zu erwarten. <?page no="37"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 37 Mehler (1999) bzw. von Nazzi, Bertoncini und Mehler (1998), haben aufgezeigt, dass Säuglinge bereits in den ersten 6 Lebensmonaten mit großer Wahrscheinlichkeit in der Lage sind, die rhythmische Struktur ihrer Muttersprache von der anderer Sprachen zu unterscheiden. Außerdem kann man schon in den Schreikurven von Neugeborenen Muster nachweisen, die auf die Prosodie der Muttersprache hinweisen. Es wurde auch festgestellt, dass Abweichungen mit späteren Problemen im Erstspracherwerb korrelieren (cf. Penner et al. 2006 sowie Penner und Fischer 2003). In den so genannten akzentbzw. betonungszählenden Sprachen (s.o.) ist davon auszugehen, dass Kinder im Erstspracherwerb mit großer Wahrscheinlichkeit den Wortakzent nutzen, um Wortgrenzen ausfindig zu machen (cf. Penner et al. 2006). Das rhythmische Timing scheint aber auch die Art zu beeinflussen, wie wir Fremdsprachen wahrnehmen. Wir wenden bei der Perzeption einer Fremdsprache (zunächst) die Verarbeitungsstrategien an, die wir für unsere Muttersprache benötigen, d.h., wir suchen im Signal nach den cues, die für die Perzeption der Muttersprache wichtig sind. Eine Untersuchung von Cutler et al. (1986) zeigt, dass französischsprachige Hörer, auch wenn sie mit Englisch konfrontiert sind, offenbar silbenstrukturell verarbeiten und den Wortakzent vernachlässigen, während englische Muttersprachler auf den Wechsel von betonten und unbetonten Silben achten. Erklärt wurden diese Phänomene stets bezugnehmend auf die Dichotomie silbenzählende vs. betonungszählende Sprachen (bzw. wurden auch die morenzählenden Sprachen miteinbezogen, sofern eine der untersuchten Sprachen das Japanische war) oder auf eines der darauf basierenden typologischen Modelle. Grundsätzlich hat diese Annahme, wie weiter oben ausgeführt (cf. Kohler 2007), durchaus ihre Berechtigung. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass etwa Französisch und Spanisch in ihrer rhythmischen Struktur so unterschiedlich sind, dass die Zuordnung dieser beiden Sprachen zum selben Rhythmustyp schlicht unmöglich erscheint (cf. z.B. auch Dufter 2003, 2004 bzw. Kohler 2007), und es stellt sich die Frage, ob eine typologische Einteilung in Bezug auf diese Forschungsfrage überhaupt sinnvoll ist, ob nicht innerhalb der Einzelsprachen eine viel zu große Varianz vorliegt. Einblick in die Verarbeitungsstrategien der Muttersprachler können Untersuchungen zum Erstspracherwerb bringen, wie etwa Penner et al. (2006) für das Deutsche zeigen. Denn anhand der Produktion der 0; 9 bis 2; 0- Jährigen lassen sich Informationen über die Struktur der jeweils erworbenen Sprache und über das bevorzugte Wahrnehmungsmuster gewinnen. Doch auch die Untersuchung erwachsener Sprecher (bzw. Hörer) kann genauere Aufschlüsse geben, wenn entsprechende Parameter berücksichtigt werden. In den 1940er Jahren verglich Arthur Lloyd James den Rhythmus des Englischen mit einem Morse-Code (morse-code-rhythm) und bezeichnete den <?page no="38"?> 38 Nicola Tschugmell Rhythmus des Spanischen als machine-gun-rhythm (cf. z.B. Kohler 2012 bzw. Nespor et al. 2011: 1149). Dieser perzeptorisch ausgerichtete Ansatz geht von der Grundannahme aus, dass der Sprachrhythmus zur Verständlichkeit beiträgt. Kohler (2008, 2009, 2012) schlägt nun auf dieser Grundlage ein Untersuchungsmodell vor, das den individuellen Sprecher ebenso berücksichtigt wie die Erfassung typologischer Unterschiede zwischen Sprachen. Er postuliert den Einsatz physikalischer Artikulationsmessungen, die sich über die Akustik auf auditive Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung abbilden lassen. 13 Sprache wird außerdem für einen Hörer produziert, dem Hörer kommt also, wie bereits ausgeführt, eine Schlüsselrolle bei der Analyse des Sprachrhythmus zu. Insofern scheint es sinnvoll, verschiedene Parameter in eine vergleichende Untersuchung des Sprachrhythmus einzubeziehen, die vor allen Dingen auch die Sprachbenützer betreffen (cf. Kohler 2009: 14). Den Ausgangspunkt von Kohlers Forschungsparadigma bildet die Variabilität in Produktion und Perzeption. Es wird keine Oberflächenisochronie angenommen, die in der Sprachproduktion messbar wäre, sondern der Hörer ist derjenige, der über rhythmische Regelmäßigkeiten entscheidet. Kohler geht davon aus, dass Rhythmus kein fixiertes typologisches Prominenzmuster für Gruppen von Einzelsprachen sein kann, sondern innerhalb jeder Einzelsprache eine variable Größe darstellt (cf. Kohler 2009: 28). 5.1.2 Untersuchungsparameter nach Kohler (2008, 2009) (a) Physikalische Parameter Sprachrhythmus manifestiert sich anhand von vier physikalischen Parametern, nämlich Tonhöhenverläufe (fundamental frequency, F0), Dauerstrukturen (syllabic timing), Lautstärke (energy) und, als vierten Faktor, die Lautqualität (spectrum). Da die Prominenz ein zentrales Konzept bei der Definition von Rhythmus darstellt, muss sie gesondert untersucht werden. Es werden also zunächst die relativen Beiträge der vier physikalischen Parameter zur Perzeption von prominenten Silben und rhythmischer Konturierung untersucht (cf. Kohler 2009: 14). Zu diesem Zweck verwendet Kohler (2008) für deutsche Hörer das Logatom baba, an dem er Veränderungen der Prominenz zwischen erster und zweiter Silbe durch systematische Variation von F0, Silbendauer und Silbenlautstärkemuster vornimmt. Im Deutschen scheint die F0 den stärksten Einfluss zu haben. Diese interagiert mit dem Satzakzent (bzw. Phrasenakzent) für propositionale, expressive und informationsstruk- 13 Interessant und richtungsweisend in dieser Hinsicht sind auch die Arbeiten der Forschungsgruppe um Volker Dellwo, die idiosynkratische Sprechereigenschaften wie anatomische Unterschiede der Artikulatoren, Sprechgeschwindigkeit und Artikulationsgewohnheiten untersuchen (cf. Dellwo und Koreman 2008, Dellwo 2010, Dellwo, Kolly und Leemann 2013). <?page no="39"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 39 turelle Strukturierung der Äußerung. Silbendauer und Lautstärkemuster kodieren auch Sprechrate und Lautstärke, die rhythmische Ebene und die Geschwindigkeits- und Lautstärkeebene beeinflussen einander also gegenseitig. Die Lautqualität scheint der schwächste der vier Parameter zu sein. In den betonungszählenden Sprachen wie Deutsch und Englisch ist sie aber von den anderen Parametern abhängig, denn die Reduktion von Vokalen passt sich den rhythmischen Anforderungen an, die durch die anderen drei Parameter gesetzt werden. (b) Akzent und Timing Es müssen zwei miteinander verwobene Aspekte des Sprachrhythmus untersucht werden, Akzent im Sinne der Hervorhebung bedeutungsvoller Elemente und rhythmisches Timing als ein einzelsprachspezifisches Feature, das jeweils bestimmt werden muss (cf. Kohler 2008). (c) Sprecher und Produktion Kohler (2008) bezieht sich hier auf die bereits diskutierte Isochroniehypothese und das Problem der Nachweisbarkeit von Isochronie im Sprachsignal. Außerdem spielt die individuelle Kompetenz der Sprecher eine große Rolle. Classe (1939) ordnete bereits die Daten seiner Probanden nach der Qualität des Rhythmus. In späteren Untersuchungen anderer Forscher wurde diese rhythmische “Kompetenz” der verschiedenen Sprecher jedoch meist ignoriert (cf. Kohler 2009: 17). Wenig geübte Sprecher sind nicht in der Lage, eine optimale rhythmische Struktur zu produzieren, besonders nicht in der Spontansprache. Hier sind natürlich auch individuelle Sprechweise und -gewohnheiten zu beachten, wie dies in jüngster Zeit geschieht (cf. Dellwo 2010, Dellwo, Kolly und Leemann 2013). Nicht nur beim Sprechen, auch beim Lesen spielt die individuelle Kompetenz eine Rolle. Grundsätzlich sollten auf dieser Ebene immer nur Muttersprachler zur Gewinnung der Daten eingesetzt werden. (d) Hörer Betrachtet man den Hörer als zentrale Autorität in der Analyse des Sprachrhythmus, stellt sich auch die Frage nach der kommunikativen Funktion der rhythmischen Gliederung. Schon seit der Antike wird behauptet, dass Rhythmus gliedernde Funktion für den Hörer hat (cf. Kohler 2009: 17). Der Hörer muss also entscheiden, ob die ihm präsentierten Daten gute oder schlechte Rhythmizität aufweisen. Auch hier sollten ausschließlich Muttersprachler (Erwerbsalter < 3; 0) für entsprechende Ratings eingesetzt werden, denn die Rhythmusverarbeitung erfolgt im Millisekundenbereich und es wird, wie bereits festgestellt, entsprechend den Strukturen der Muttersprache verarbeitet. <?page no="40"?> 40 Nicola Tschugmell (e) Textsorten Schließlich muss auch der Rhythmus unterschiedlicher Textsorten berücksichtigt werden, beginnend mit Kinderreimen über Prosatexte bis hin zu Spontansprache (absteigender Grad an Rhythmizität) (cf. Kohler 2009: 19). Gerade der Kindervers scheint besonders geeignet zu sein, ein Gespür für die rhythmische Struktur einer Sprache zu entwickeln (cf. Kohler 2012). Hier könnten Daten von gelesenen Texten gesammelt werden, die dann von Hörern auf einer Skala in gute bis schlechte Rhythmizität eingeteilt und schließlich hinsichtlich Silbentiming und Tonhöhenverläufen untersucht werden. Auf diese Weise sollte man Grenzwerte der Rhythmizität für die jeweilige Sprache erhalten. Kohlers (2008, 2009) Vorschlag eines methodischen Rahmens für die Untersuchung des Sprachrhythmus wird hier als Forschungsdesideratum referiert, denn anhand einer derartigen Vorgangsweise ließen sich die relevanten Parameter der Einzelsprachen methodisch sauber herausarbeiten. Die kontrastive Ausrichtung vieler Untersuchungen zum Sprachrhythmus ist nicht zufällig, da gerade im Vergleich von Sprachsystemen die Charakteristika der Einzelsprachen besonders deutlich werden. Vergleicht man etwa eine germanische Sprache mit einer romanischen wie Spanisch oder Französisch, so ist zu erwarten, dass die Sprachen die Parameter F0, Silbenlautstärke, und Tonqualität jeweils anders nutzen, um ihre rhythmische Struktur zu schaffen. Auf diese Weise können Rückschlüsse darauf gezogen werden, welche cues Muttersprachler heranziehen, um z.B. Wortgrenzen zu determinieren, und mit welchem Rüstzeug ein Lerner mit großer Wahrscheinlichkeit an das Erlernen einer Fremdsprache herangeht. Solche Erkenntnisse können etwa für die Fremdsprachendidaktik nutzbar gemacht werden, sie sind jedoch auch für die Erforschung und Therapie von primären und erworbenen Sprachentwicklungsstörungen von Interesse. Grundlegend bei einem Vergleich des Sprachrhythmus von Einzelsprachen ist aber die jeweilige Definition von Rhythmus als tertium comparationis, denn darauf beruht letztlich der Vergleich. Natürlich müssten mehr Sprachen bzw. Sprachenpaare, wie etwa Deutsch und Spanisch, untersucht werden, außerdem wäre es interessant, auch komplexere Silbenstrukturen miteinzubeziehen. Die Probandenauswahl (Sprecher wie Hörer) bedarf sorgfältiger Überlegung, ebenso wie die Textsortenauswahl. <?page no="41"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 41 6 Zusammenfassung Die Erforschung des Sprachrhythmus beschäftigt Linguisten seit vielen Jahrzehnten. Der (erfolglosen) Suche nach Isochronie im Sprachsignal folgte die Einteilung von Sprachen im Rahmen von Rhythmustypologien auf phonologischer, phonetischer, morphologischer und lexikalischer Grundlage. Die Annahme von Rhythmustypen, der letztlich ein Sprachvergleich zugrunde liegt, ist mehr oder weniger gerechtfertigt, in Abhängigkeit von tertium comparationis (i.e. den Aspekten des Sprachrhythmus, die als relevant erachtet werden) und Erkenntnisinteresse. Gerade das Sprachenpaar Spanisch- Deutsch bietet sich für einen Vergleich auf typologischer Grundlage an, da es sich bei den beiden Sprachen in jedem Rhythmusmodell um nahezu “prototypische” Vertreter handelt (wobei dies für das Deutsche deutlicher der Fall ist als für das Spanische). Das Spanische wird als “silbenzählende” Sprache bzw. als “Silbensprache” klassifiziert, das Deutsche als “akzent-” bzw. “betonungszählend” oder als “Wortsprache”. Ein Blick auf andere Einzelsprachen - aber auch ein genauerer Blick auf das Spanische - zeigt jedoch sehr schnell, dass typologische Modelle leicht zu kurz greifen und vor allem die interindividuelle Varianz der Sprecher und die diatopische Variation nicht berücksichtigen. Besonders bei Untersuchungen, die die Rolle des Rhythmus bei Mutterbzw. Fremdspracherwerb betreffen, ist es wichtig, die Sprachbenützer nicht auszublenden, wie dies bei der typologischen Einteilung der Fall ist. Denn letztlich ist Rhythmus eine Eigenschaft unserer Sprachen, die dem kindlichen wie erwachsenen Hörer dazu dient, Strukturen zu erkennen, sei es auf phonologischer, morphologischer, lexikalischer oder syntaktischer Ebene. Eine genaue Sichtung der einzelnen sprachspezifischen Parameter, in denen sich der Rhythmus für den Hörer wahrnehmbar manifestiert, muss die Grundlage jeder vergleichenden Untersuchung zum Sprachrhythmus sein. 7 Bibliographie Auer, Peter (1993): Is a Rhythm-Based Typology Possible? A study of the Role of Prosody in Phonological Typology. Hamburg: KontRI (Working Paper 21). Auer, Peter (2001): Silben- und akzentzählende Sprachen. In: Haspelmath, Martin et al. (eds.): Sprachtypologie und sprachliche Universalien. Ein internationales Handbuch. Bd. 2.2. Berlin/ New York: de Gruyter, 1391-1399 (HSK 20). Auer, Peter/ Uhmann, Susanne (1988): Silben- und akzentzählende Sprachen: Literaturüberblick und Diskussion. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 7, 214-259. Bertinetto, Pier Marco/ Vékás, Domokos (1991): Controllo vs. compensazione: sui due tipi di isocronia. In: Magno Caldognetto, Emanuela/ Benincà, Paola (eds.): L'interfaccia tra fonologia e fonetica, Atti del Convegno di Padova, 15 Dicembre 1989. Padova: Unipress, 155-162. <?page no="42"?> 42 Nicola Tschugmell Borzone de Manrique, Ana Maria/ Signorini, Angela (1983): Segmental Durations and the Rhythm in Spanish. In: Journal of Phonetics 11, 117-128. Buxton, Hilary (1983): Temporal Predictability in the Perception of English Speech. In: Cutler, Anne/ Ladd, D. Robert (eds.): Prosody: Models and Measurements. Berlin u.a.: Springer, 111-121. Cutler, Anne (1983): Speakers’ Conceptions of the Function of Prosody. In: Cutler, Anne/ Ladd, D. Robert (eds.): Prosody: Models and Measurements. Berlin u.a.: Springer, 79-91. Cutler, Anne et al. (1986): The Syllable's DifferingRrole in the Segmentation of French and English. In: Journal of Memory and Language 25, 385-400. Dauer, Rebecca (1983): Stress-Timing and Syllable-Timing Reanalysed. In: Journal Phonetics 11, 51-62. Dauer, Rebecca (1987): Phonetic and phonological components of language rhythm. In: Gamkrelidze, Tamaz V. (ed.): Proceedings of the eleventh International Congress of Phonetic Sciences (ICPhS 1987). Talinn, Estonia: Academy of Sciences of the Estonian SSR, 447-450. Dellwo, Volker/ Koreman, Jacques (2008): How Speaker-Idiosyncratic is Measurable Speech Rhythm? Abstract presented at the annual IAFPA meeting 2008. Lausanne/ Switzerland. (http: / / www.pholab.uzh.ch/ leute/ dellwo/ publications.html, 11.4.2014) Dellwo, Volker (2010): Influences of Speech Rate on the Acoustic Correlates of Speech Rhythm: An Experimental Phonetic Study Based on Acoustic and Perceptual Evidence. PhD-Dissertation, Universität Bonn (http: / / hss.ulb.uni-bonn.de/ 2010/ 2003/ 2003.htm, 11.4.2014) Dellwo, Volker/ Kolly, Marie-José/ Leemann, Adrian (2013): Speaker-Idiosyncratic Temporal Patterns in L2 Speech. Abstract presented at IAFPA 2013, Tampa/ Florida/ USA (http: / / www.pholab.uzh.ch/ leute/ dellwo/ publications.html, 11.4. 2014) Dufter, Andreas (2003): Typen sprachrhythmischer Konturbildung. Tübingen: Niemeyer. Dufter, Andreas (2004): Ist Französisch eine silbenzählende Sprache? In: Meisenburg, Trudel/ Selig, Maria (eds.): Nouveaux départs en phonologie. Les conceptions subet suprasegmentales. Tübingen: Narr, 139-159. Gabriel, Christoph/ Meisenburg, Trudel/ Selig, Maria (2013): Spanisch: Phonetik und Phonologie. Eine Einführung. Tübingen: Narr. Gabriel, Christoph/ Kireva, Elena (2014): Prosodic transfer in learner and contact varieties: Speech rhythm and intonation of Buenos Aires Spanish and L2 Castilian Spanish produced by Italian native speakers. In: Studies in Second Language Acquisition 36, 257-281. Grabe, Esther/ Low, Ee Ling (2002): Durational Variabilty in Speech and the Rhythm Class Hypothesis. In: Papers in Laboratory Phonology 7, 515-546. Heinz, Matthias (2010): Zentrum und Peripherie in romanischen Silbentypsystemen. (unveröffentlichte Habilitationsschrift Tübingen). Hualde, José Ignacio (2004): Quasi-Phonemic Contrasts in Spanish. In: Schmeiser, Benjamin et al. (eds.): Proceedings of the 23rd West Coast Conference on Formal Linguistics. Somerville, MA: Cascadilla Press, 374-398. <?page no="43"?> Silbensprache vs. Wortsprache, silbenzählend vs. akzentzählend 43 Hualde, José Ignacio (2012): Stress and Rhythm. In: Hualde, José Ignacio/ Olarrea, Antxon/ O’Rourke Erin (eds.): The Handbook of Hispanic Linguistics. Malden, MA u.a.: Wiley-Blackwell, 153-171. Kohler, Klaus J. (2007): Review of Dufter, A. 2003. Typen sprachrhythmischer Konturbildung. Tübingen: Niemeyer. In: Studies in Language 7, 873-884. Kohler, Klaus J. (2008): The Perception of Prominence Patterns. In: Phonetica 65, 1-27. Kohler, Klaus J. (2009): Rhythm in Speech and Language. In: Phonetica, 1-33. Kohler, Klaus J. (2012): Rhythmusforschung. Rhythmus in Sprechen, Sprache und Spracherwerb. Vortrag im Sprachwissenschaftlichen Kolloquium, Kiel, 15.11.2012. (http: / / www.ipds.uni-kiel.de/ kjk/ pub_exx/ kk2012_4/ , 11.04.2014). Lehiste, Ilse (1977): Isochrony Reconsidered. In: Journal of Phonetics 5, 253-263. Lehiste, Ilse (1979): The Perception of Duration within Sequences of Four Intervals. In: Journal of Phonetics 7, 313-316. Lenneberg, E.H. (1967): Biological Foundations of Language. New York u.a.: Wiley. Leyrer, Martin (2008): Die prosodische Entwicklung nach Cochlea-Implantation. Eine Fallstudie. Saarbrücken: VDM. Lilge, Anja (2009): Ist eine objektive Darstellung der Ordnungsschwelle mittels Mismatch Negativity möglich? (med. Diss., Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité - Universitätsmedizin Berlin; unveröffentliches Manuskript) Lleó, Conxita/ Javier Arias (2006): Foot, Word and Phrase Constraints in First Language Acquisition of Spanish Stress. In: Martínez-Gil, Fernando/ Sonia Colina (eds.): Optimality-Theoretic Studies in Spanish Phonology. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins, 470-496. Maas, Utz ( 2 2006): Phonologie: Einführung in die funktionale Phonetik des Deutschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Mates, Jiří et al. (1994): Temporal Integration in Sensorimotor Synchronization. In: Journal of Cognitive Neuroscience 6/ 4, 332-340. Nazzi, Thierry/ Bertoncini, Josiane/ Mehler, Jacques (1998): Language Discrimination by Newborns. Towards an Understanding of the Role of Rhythm. In: Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 24/ 3, 756-766. Neppert, Joachim ( 4 1999): Elemente einer akustischen Phonetik. Hamburg: Buske. Nespor, Marina/ Shukla, Mohinish/ Mehler, Jacques (2011): Stress-Timed vs. Syllable- Timed Languages. In: Ostendorp, Marc van (eds.): The Blackwell Companion to Phonology. Malden, MA u.a.: Wiley-Blackwell, 1147-1159. Olsen, Caroll L. (1972): Rhythmical Patterns and Syllabic Features of the Spanish Sense-Group. In: Proceedings of the Seventh International Congress of Phonetic Sciences, Montreal 1971. The Hague: Mouton. Penner, Zvi/ Fischer, Andreas (2003): Early Vocalization and the Emergence of the Trochaic Foot. Manuskript. Berlin. Penner, Zvi et al. (2006): Von der Silbe zum Wort: Rhythmus und Wortbildung in der Sprachförderung. Troisdorf: Bildungsverl. EINS. Pöppel, Ernst (1997): A Hierarchical Model of Temporal Perception. In: Trends in Cognitive Sciences 1, 56-61. Pöppel, Ernst (2000): Grenzen des Bewusstseins. Wie kommen wir zur Zeit und wie entsteht Wirklichkeit. Frankfurt am Main/ Leipzig: Insel Verlag. Pointon, Graham E. (1980): Is Spanish Really Syllable-Timed? In: Journal of Phonetics 8, 239-304. <?page no="44"?> 44 Nicola Tschugmell Pompino-Marschall, Bernd (1990): Silbenprosodie. Tübingen: Niemeyer (= Linguistische Arbeiten 247). Prince, Alan/ Smolensky, Paul (2004): Optimality Theory: Constraint Interaction in Generative Grammar. Malden: Blackwell (erstmals publiziert 1993). Puppel, Stanislaw (1986): Rhythm in Stress-Timed and Syllable-Timed Languages: Some General Considerations. In: Kastowsky, Dieter/ Szwedek, Aleksander (eds.): Linguistic Theory and Historical Linguistics. New York u.a.: Mouton, de Gruyter, 105-110. Ramus, Franck/ Mehler, Jacques/ Nespor, Marina (1999): Correlates of Linguistic Rhythm in the Speech Signal. In: Cognition 73, 265-292. Roach, Peter (1982): On the distinction between ‘stress-timed’ and ‘syllable-timed’ languages. In: Crystal, David (ed.): Linguistic controversies. London: Arnold, 73- 79. Szczepaniak, Renata (2007): Der phonologisch-typologische Wandel des Deutschen von einer Silbenzu einer Wortsprache. Berlin. New York: de Gruyter. Szczepaniak, Renata (2009): Wortsprachliches Deutsch und silbensprachliches Spanisch. Ein phonologisch-typologischer Vergleich. In: Estudios filológicos alemanes 17, 251-267. Wittmann, Marc (2009): Die Neuropsychologie der Zeit: Kognitive und emotionale Modulatoren der zeitlichen Erfahrung. In: Zeitschrift für Medizinische Psychologie 18, 28-39. <?page no="45"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie des Spanischen und des Deutschen Anne C. Wolfsgruber, Universität Salzburg 1 Informationsstruktur und die Schwierigkeit einer einheitlichen Terminologie - ein kurzer Überblick 1 Die Klassifizierung der Bausteine der Informationsstruktur eines Satzes ist nicht immer eindeutig und wird in der Literatur bis heute weitgehend uneinheitlich vorgenommen. Dennoch lässt sich festhalten, dass ein Satz meistens ein bereits vorerwähntes, gegebenes oder bekanntes Element enthält, das sich als im Diskursuniversum greifbar präsentiert und ein Element, das “neue” Information kodiert. Diese mehr oder weniger ungenauen Einteilungen verweisen bereits darauf, was man grob in der Literatur zu Topik, Thema, Hintergrund, Präsupposition etc. (als Konzepte für bereits bekannte Information) und Kommentar (engl. comment), Rhema oder Fokus (als Konzepte für neue Information) findet. Ein weiteres Problem, das bereits hier angemerkt werden soll, ist, dass Kategorisierungsversuche wie “der informativste Teil” a priori nur unklare Definitionen nach sich ziehen können, da es keine unabhängige Größe gibt, an der man den Informationswert eines Satzteils festmachen könnte. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir es hierbei mit kontinuum-artigen Bereichen zu tun haben. Die oben genannten Dichotomien zur Beschreibung informationsstruktureller Konfigurationen entstammen verschiedenen Forschungstraditionen, sind nicht immer deckungsgleich und müssen teilweise parallel angewendet werden, um einen Satz informationsstrukturell beschreiben zu können (cf. Beispiel (1)). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die gängigsten Dichotomien: Tabelle 1: Überblick über die prominentesten Dichotomien Konzepte für bereits bekannte vs. Konzepte für neue Information Information Thema Rhema Gegebenes (given) Neues (new) Topik (topic) Kommentar (comment) Hintergrund (background) Fokus (focus) Präsupposition Fokus/ Assertion 1 Ich danke einem anonymen Gutachter/ einer anonymen Gutachterin für sehr präzise und umfangreiche Verbesserungsvorschläge. Annotationen wie […] Topik oder […] Fokus wurden von der Autorin hinzugefügt. <?page no="46"?> 46 Anne C. Wolfsgruber Gabriel/ Müller (2008: 116) zeigen, dass zur adäquaten informationsstrukturellen Beschreibung von Sätzen zwei der oben genannten Dichotomien parallel zum Einsatz kommen müssen. In Beispiel (1) stellt der Restsatz [ TP il y achète des pommes] ‘Er kauft dort Äpfel.’ den Kommentar zu den beiden in die linke Satzperipherie dislozierten Topiks [ TopP Pierre] und [ TopP au marché] ‘auf dem Markt’ dar. Der Restsatz hat zwei Teile, [il y achète] ist der Hintergrund, [des pommes] Fokus ist Fokus, wobei [des pommes] Fokus die Frage ‘Was kauft Peter auf dem Markt? ’ (Kontext) beantwortet. (1) fr. (Kontext: ‘Was kauft Peter auf dem Markt? ’) [ TopP Pierre, [ TopP au marché, [ TP il y achète des pommes]]]. Topik Topik Kommentar Hintergrund Fokus (Gabriel/ Müller 2008: 116) Im Folgenden soll anhand von Topik vs. Kommentar und Fokus vs. Hintergrund in einem kurzen Literaturüberblick gezeigt werden, welche verschiedenen Eigenschaften diesen Dichotomien zugeschrieben wurden und warum es schwierig ist, mit diesen uneinheitlichen Konzeptionen zu arbeiten. 1.1 Topiks und Topikalität Nach Casielles-Suárez (2004: 16-17) war Weil (1844) der erste, der anstrebte, eine informationsstrukturelle Klassifizierung von Sätzen vorzunehmen. Nach diesen ersten Schritten wurde die Unterscheidung zwischen grammatikalischen Entitäten wie Subjekt und Prädikat und informationsstrukturellen Entitäten wie Thema und Rhema zunächst von der Prager Schule, insbesondere Mathesius, verfolgt. Erste Ansätze im Rahmen der Theorie der Funktionalen Satzperspektive definieren Thema bzw. Satzgegenstand oder Topik als das Element, worüber eine Aussage getätigt wird, oder als etwas Bekanntes, das sozusagen als initialer Punkt einer Unterhaltung fungiert. Diese zunächst binäre Thema-Rhema-Gliederung ist nicht unproblematisch und wird von Firbas (1964: 272 zit.n. Casielles-Suárez 2004: 17) in seiner “Theorie der kommunikativen Dynamik” (communicative dynamism) aufgelöst und in eine skalare Konzeption von Topikalität umgewandelt: Ein Topik ist hiernach jenes Element, welches im Vergleich zu einem anderen Element weniger kommunikative Dynamik darstellt bzw. weniger Mitteilungswert hat, da eher bekannte Information als unbekannte Information vorliegt. 2 In diesem theoretischen Rahmen trägt Topik nicht mehr zwingend bereits bekannte Informationen und bewegt sich fort von einer dichotomen hin zu 2 Lambrecht schlägt ebenfalls eine skalare Sicht von Topiks vor, nach der ein Topik am ehesten als solches perzipiert wird, wenn es salient und zugänglich ist (cf. Lambrecht 1994: 165). <?page no="47"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 47 einer kontinuumartigen Einteilung, was auch auf Kritik gestoßen ist, und so schreibt Contreras (1976: 16 zit.n. Casielles-Suárez 2004: 18) “the theme contains those elements which are assumed by the speaker to be present in the addressee’s consciousness.” Stark zitiert Tschida (1995 zit.n. Stark 1997: 38), wo Topik folgendermaßen definiert wird. “Aussagentheoretisch läßt sich eine Äußerung als zweigeteilt in “Aussagegegenstand” oder “Topik” bei Tschida 1995 […] und “Aussageziel” oder “Kommentar” präsentieren, wobei die Wahl eines der am geschilderten Sachverhalt Beteiligten als topic im Ermessen des Sprechers liegt und syntagmatisch meist durch positionelle Verfahren signalisiert wird […].” (Stark 1997: 38) Gundel (1977 zit. n. Stark 1997: 39) betrachtet Topik als jenes Element, über das eine Aussage gemacht wird (“Aussagegegenstand” in ihrer Terminologie). Hierbei ist festzustellen, dass diese informationsstrukturelle Eigenschaft oft durch die syntaktische Kategorie des Subjekts kodiert wird, allerdings ist dies nicht immer der Fall. Die informationsstrukturelle Klassifikation und die syntaktische Kodierung weisen somit eine Korrelation auf, sind jedoch in keiner 1: 1-Beziehung (cf. Stark 1997: 39). Der zweite Teil dieser Dichotomie wird als Kommentar bezeichnet und zeichnet sich dadurch aus, dass er etwas über das Topik aussagt (cf. Stark 1997: 41). Die oben genannten Definitionen und Eigenschaften von Topik vs. Kommentar lassen darauf schließen, dass es sich eindeutig um nicht stringent klassifizierte Konzepte handelt und dass vor allem Nuancen hinzugefügt oder wieder verworfen werden. All diesen Definitionsversuchen ist gemein, dass es sich bei Topik eher um bekannte Information handelt. Welche Kriterien für den jeweiligen informationsstrukturellen Status erfüllt sein müssen, ist jedoch unklar. Oft wird davon gesprochen, dass ein Topik das aboutness-Kriterium erfüllen muss, um als solches klassifiziert werden zu können. Dies bedeutet nichts Anderes als, dass das Topik jenes Element darstellt, worüber eine Aussage getätigt wird. Jedoch gibt es keine eindeutigen Methoden, das aboutness-Kriterium einwandfrei zu überprüfen. Hier ist anzumerken, dass es u.a. auch den as-for-Test gibt, mit dem überprüft werden soll, was das Topik eines Satzes ist. Dieser Test geht davon aus, dass es sich bei einem Element im Satz dann um ein Topik handelt, wenn man es herausstellen und mit as for einleiten kann. 3 Allerdings führt dieser Test nicht immer zu stimmigen Ergebnissen (cf. Casielles-Suárez 2004: 22-24). Auch dass Topiks immer alte Information kodieren, scheint zu eng 3 Ähnlich wie dieser Test funktionieren auch der what-about-Test (hier stellt man die Frage “what about x”, x stellt in der Regel ein Topik dar) und der said-about-Test (dieser weist folgendes Muster auf: “S/ he said about x that ‘comment’”; wenn man Person sagt über x, dass… sagen kann, handelt es sich bei x um ein Topik (cf. Casielles-Suárez 2004: 23). <?page no="48"?> 48 Anne C. Wolfsgruber gefasst, wie man anhand der Topikalisierung von baseball in (2) sehen kann (cf. Casielles-Suárez 2004: 27-28): (2) engl. G: Do you watch football? - E: Yeah. [Baseball] Topik I like a lot [better] Fokus . (G. McKenna to E. Perkins in conversation) (Ward/ Birner 2001: 126) So wird baseball über eine Art kontextuellen Anker (in diesem Fall football, was sports beinhaltet) als Teil des Kontextes und als Topik-Referent identifiziert (cf. Ward/ Birner 2001: 126). Jedoch muss es nicht immer einen kontextuellen Anker geben, der explizit im Diskurs vorerwähnt ist. Topiks können auch Informationen kodieren, die nur im sogenannten Diskursuniversum präsent sind, wie Beispiel (3) illustriert (cf. De Cat 2007: 68): (3) fr. C i ’ est quoi, cette lumière i ? Das-ist was dieses Licht (De Cat 2007: 70) Der Kontext scheint also eine wichtige Rolle zu spielen und ermöglicht auch Information, die nicht vorerwähnt ist, als Topik fungieren zu lassen. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, zwischen gegeben und diskursalt zu unterscheiden. Ein Topik muss somit gegeben sein, d.h. in irgendeiner Weise im Kontext gebunden sein, jedoch nicht unbedingt diskursalt (cf. Casielles-Suárez 2004: 30; cf. Erteschik-Shir 2007: 18; cf. Ward/ Birner 2001). Reinhart (1981) führt hierfür den Begriff Context-Set ein (ursprünglich gebraucht von Stalnaker 1978), den sie wie folgt definiert: “the set of the propositions that we accept to be true” (Reinhart 1981 zit.n. Casielles-Suárez 2004: 19). Krifka (2007: 41) präsentiert eine ähnliche Konzeption: “The topic constituent identifies the entity or set of entities under which the information expressed in the comment constituent should be stored in the CG content.”, wobei CG (common ground) die Information beinhaltet, die den Sprechern gemeinsam zur Verfügung steht (cf. Krifka 2007: 41). Féry (2010) betont hingegen, dass es notwendig ist, strikt zwischen Gegebenheit und Topik zu differenzieren. Sie hebt hervor, dass die oben genannten Ansätze mentale Zustände mit linguistischen Kategorien vermischen. Basierend auf der jeweiligen Funktion, die ein Topik haben kann, differenziert sie drei Arten von Topiks: Aboutness Topik, kontrastives Topik und Rahmensetzungstopik. Das Aboutness Topik stellt jenen Referenten dar, worüber der Rest des Satzes (also der Kommentar) eine Aussage macht. Laut Féry folgt darauf eine Fokuskonstituente und das Topik ist meist im Diskurs vorerwähnt. Die kontrastiven Topiks können als Untergruppe der Aboutness Topiks beschrieben werden. In diesem Fall wird ein bereits vorerwähnter Referent, der zu anderen in einem Kontrastverhältnis steht, zum kontrastierenden Element über Aussagen in Beziehung gesetzt. So sind Anna <?page no="49"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 49 und Paul in Beispiel (4) zwei miteinander kontrastierende Topiks, über die verschiedene Aussagen gemacht werden (cf. Féry 2010: 6): (4) dt. [Anna] kontr.Topik hat Spätzle gegessen, [Paul] kontr.Topik nur Kuchen. Rahmensetzungstopiks setzen, wie der Name schon sagt, einen Rahmen, der die übrige Aussage in einen gewissen Kontext setzt (cf. Féry 2010: 7): (5) dt. Berlin, ich wohne in Schöneberg. (6) dt. Gesundheitlich geht es Peter prima. (Féry 2010: 7) Die Definitionen von Topik scheinen weiterhin mannigfaltig. Generell kann man an dieser Stelle festhalten, dass Topiks wohl von jenen Referenten kodiert werden, die am salientesten und aktivsten im Diskursuniversum verankert sind, jedoch nicht zwingend explizit vorerwähnt sind. 1.2 Fokus und Fokus-Eigenschaften Hintergrund (in der englischsprachigen Literatur zur Informationsstruktur oft als background bezeichnet) vs. Fokus konstituieren eine Art Gegenpaar zu Topik vs. Kommentar. Fokus wird meistens als der informativste Teil einer Äußerung beschrieben, während Hintergrund oder auch Präsupposition all das umfasst, was “nicht informativ” ist. Allerdings wird in der Literatur meist primär zwischen Fokus und Topik unterschieden und die beiden Dichotomiepaare werden ergänzend gebraucht (was zur adäquaten Analyse auch notwendig ist, siehe Beispiel 1) oder aber auch vermischt (cf. Casielles- Suárez 2004: 15). Teilweise lassen die in der Literatur auffindbaren Analysen dies jedoch unklar, oder es wird nur von Topik und Fokus gesprochen, ohne die jeweils zweiten Teile der Dichotomiepaare richtig einzubeziehen (cf. De Cat 2007: 66; cf. Olarrea 2012: 607; cf. Krifka 2007: 42; cf. Gabriel/ Müller 2008: 116; Gabriel 2007: 31). Was sind nun aber Fokus-Eigenschaften, bzw. wie kann man Foki ermitteln? Dafür finden sich mehrere Ansätze. Laut Casielles-Suárez (2004: 127) sind Foki zunächst prosodisch hervorgehoben, und meist kann der Fokus einer Aussage durch die Antwort auf eine wh-Frage ermittelt werden (Beispiel aus Casielles-Suárez 2004: 127): (7) engl. Who did Peter see? - Peter saw [JOHN] Fokus . Jedoch ist es auch im Falle der Fokus-Ermittlung so, dass diese scheinbar simplen Charakteristika nicht ausreichen. Im nachstehenden Beispiel wird klar, dass ein Verb Teil des Fokus sein kann, sich jedoch nicht unbedingt mit den restlichen Teilen, die den Fokus konstituieren, prosodisch abheben muss (cf. Casielles-Suárez 2004: 128): (8) engl. What did Mary do? She [cooked LASAGNA] Fokus (9) engl. [What] Fokus did you BUY? (Casielles-Suárez 2004: 128 bzw. 129) <?page no="50"?> 50 Anne C. Wolfsgruber Außerdem können auch Topiks betont werden, wenn sie zum ersten Mal im Diskurs erwähnt werden oder es mehr als ein Topik im Satz gibt (cf. Casielles-Suárez 2004: 129): (10) engl. What did the children and the parents do? [The children] Topic went to [SCHOOL] Fokus and [the parents] Topik went to [BED] Fokus . (Casielles-Suárez 2004: 129) Auch Féry (2010) unterscheidet zwischen Hintergrund (der gegebene Teil eines Satzes) und informationell fokussierten Teilelementen der Äußerung, wobei sie eine 6-fache Unterteilung von Fokus vornimmt: (a) weiter Fokus, bzw. all-new-Fokus, (b) Fokus in eventiven Sätzen, (c) enger Fokus, (d) paralleler Fokus, (e) Assoziation mit Fokus und (f) Verumfokus. Sie definiert Fokus wie folgt: “Der Fokus ist der Teil eines Satzes, der im aktuellen Diskurs die relevante Information hinsichtlich des Common Ground liefert. Der fokussierte Teil des Satzes identifiziert ein Element einer Alternativenmenge, und signalisiert, dass der Rest des Satzes für dieses Element zutrifft.” (Féry 2010: 3) (a) All-new-Fokus heißt, dass alle Teile des Satzes im Moment seiner Äußerung neue Information darstellen, z.B. der Beginn von Radiosendungen oder Märchen: (11) dt. Es war einmal ein König. (Féry 2010: 3) (b) Als eventiv werden von Féry jene Sätze klassifiziert, die ein Ereignis in seiner Gesamtheit einführen, wie zum Beispiel (cf. Féry 2010: 3): (12) dt. Mein Auto ist kaputt gegangen. (Féry 2010: 3) Allerdings ist bei (12) laut Lambrecht (1994 zit.n. Féry 2010: 3-4) auch eine Topik-Kommentar-Interpretation möglich. Der Unterschied besteht darin, dass die eventive Lesart einen größeren Zusammenhang erklärt, beispielsweise das Zuspätkommen, was eine Folge des im Satz ausgedrückten Sachverhalts darstellt. Hierbei liegt der Tonakzent auf Auto. In der Topik-Kommentar-Lesart ist es so, dass Auto schon vorher eingeführt wurde und informationsstrukturell ein Topik kodiert, daher erhält es einen Tonakzent; ist kaputt gegangen stellt dann den Kommentar dar und erhält ebenfalls einen Tonakzent (auf kaputt), es finden sich also in diesem Falle zwei Tonakzente (cf. Féry 2010: 3-4). 4 (c) Beim engen Fokus kann die Anzahl der sich in der fokussierten Domäne befindlichen Konstituenten variieren. Wenn der Standard-Akzent des Satzes 4 Sätze, die länger sind als (12), gleichen sich in ihren satzbezogenen Betonungsregeln jedoch an Topik-Kommentar-Sätze an (cf. Féry 2011 zit.n. Féry 2010: 4). <?page no="51"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 51 mit der Fokusdomäne zusammenfällt, entsteht eine Ambiguität (cf. Féry 2010: 4, Beispiele ebenfalls): (13) dt. Die Hitzewelle hat Deutschlands [Fußballfans] F angeschlagen. (14) dt. Die Hitzewelle hat [Deutschlands Fußballfans] F angeschlagen. (15) dt. Die Hitzewelle hat [Deutschlands Fußballfans angeschlagen] F . (d) Féry verwendet den Begriff des parallelen Fokus, um jenen Fokus zu benennen, der durch einen Vergleich mit ähnlichen Referenten zustande kommt, was in der Literatur oft als kontrastiver Fokus beschrieben wird. Dieser Terminus umfasst in ihrer Beschreibung auch selektiven, korrektiven und alternativen Fokus. (16) dt. Sie aß [einen Apfel] Fokus und [keine Banane] Fokus . (e) Unter Assoziation mit Fokus versteht Féry Fokuspartikel wie auch. Die Fokuspartikel stehen zwingend in Beziehung mit einer dementsprechend prosodisch markierten Fokusdomäne und weisen einen Wahrheitsgehalt auf, wobei in (17) [Tochter] Fokus die Fokusdomäne darstellt und die Tochter zu einer Reihe von anderen Kindern in Beziehung setzt und in (18) ist [Eis] Fokus die Fokusdomäne und setzt diesen Referenten in Beziehung zu einer Reihe anderer Lebensmittel (cf. Féry 2010: 4-5): (17) dt. Marianne hat auch ihrer TOCHTER Eis gegeben. (18) dt. Marianne hat auch ihrer Tochter EIS gegeben. (Féry 2010: 4) (f) Beim Verumfokus wird der Teil einer Aussage Fokus-markiert, der bezeugt, dass etwas stattgefunden hat. Es wird also der Wahrheitsgehalt einer Aussage bestätigt oder hervorgehoben. Escandell/ Leonetti (2009: 3) erwähnen, dass der Verumfokus oft unter afirmación enfática zusammengefasst wird, wobei sie angeben, dass mehrere Phänomene unter diesen Terminus fallen. Hierbei ist der Akzent im Deutschen auf dem finiten Verb (welches im dt. V2-Satz in der Position des Komplementierers C° steht). Im Spanischen wird dies eher durch Konstruktionen wie sí que … wiedergegeben, wie (19) veranschaulicht (cf. Féry 2010: 5, Escandell/ Leonetti 2009: 6-7): (19) Hört sie dir zu oder nicht? - Sie [hört] Fokus mir zu. (20) ¿Te escucha o no? - Sí que me escucha. (Höhle 1992 zit. n. Escandell/ Leonetti 2009: 6-7) Krifka (2007: 18) definiert Fokus wie folgt: “Focus indicates the presence of alternatives that are relevant for the interpretation of linguistic expressions.” Wird ein Fokus regelrecht markiert, so bedeutet das, dass die dadurch ins Licht gerückte Alternative bedeutsam ist. Jedes Sprachsystem hat verschiedene Möglichkeiten, Fokusmarkierung vorzunehmen. Die durch Fokusmarkierung hervorgerufenen Alternativen können sich auf die Form der Alter- <?page no="52"?> 52 Anne C. Wolfsgruber nativen oder die Denotate beziehen (cf. Krifka 2007: 18-19). Er fügt noch den komplexen und den multiplen Fokus zu den Fokustypen Férys hinzu: (21) engl. John only introduced [Bill to Sue] Fokus (Krifka 2007: 31) (22) engl. John only introduced [Bill only to Sue] Fokus (Krifka 2007: 32 ) (21) stellt einen komplexen Fokus dar, Bill und Sue können nicht in einzelne Foki zerteilt werden. Im Satz (22) handelt es sich um einen multiplen Fokus. Hier werden durch die beiden Ausdrücke jeweils ein eigenes Set an Alternativen ins Spiel gebracht (cf. Krifka 2007: 31-32). Es sei darauf hingewiesen, dass auch ein Topik einen Fokus enthalten kann und dass sich Kommentar und Fokus nicht decken müssen, siehe auch Beispiel (1) (cf. Krifka 2007: 42). 2 Syntaktische Korrelate der Informationsstruktur? Féry (2010) hebt hervor, dass die sprachlichen Realisierungen der Topiks und Foki sprachtypologischen Unterschieden unterliegen. Zwar gibt es sprachübergreifende Tendenzen - die linke Satzperipherie scheint generell eine Funktion für die Kodierung dieser informationsstrukturellen Bausteine zu haben -, dennoch sind die Mechanismen zahlreicher als oft angenommen (cf. Féry 2010: 1-2). Diese Ansicht lässt darauf schließen, dass die informationsstrukturellen Konzepte von Topik und Fokus in jeder Sprache existieren und somit universell verfügbar sind, jedoch die jeweiligen sprachlichen Charakteristika eine große Rolle spielen. Wenn wir annehmen, dass es informationsstrukturelle Konzepte wie Topik und Fokus in jeder Sprache gibt, so kann man in einem sprachvergleichenden Ansatz eben diese Universalität als tertium comparationis betrachten. Féry nimmt an, dass die syntaktischen Konstruktionen, deren Funktion zumindest eine gewisse Korrelation mit der Kodierung gewisser informationsstruktureller Strukturen aufweist, selbstständig sind und nur die Sprachverarbeitung vereinfachen, allerdings dienen sie nicht a priori der Kodierung von Informationsstruktur. Dies gilt auch in die andere Richtung und so können Topik und Fokus syntaktisch unmarkiert sein (cf. Féry 2010: 1; cf. Féry 2007: 162). Ferner verweist sie darauf, dass selbst die relativ stabil geglaubten phonologischen Korrelate der Informationsstruktur bei weitem nicht so stabil sind, wie allgemein angenommen: “It is a common mistake that information structural categories are expressed by invariant grammatical correlates, be they syntactic, morphological or phonological. It is rather the case that grammatical cues help speaker and hearer to sort out which element carries which information structural role, and only in this sense are the grammatical correlates of information structure important. Languages display variations as to the role of grammar in enhancing <?page no="53"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 53 categories of information structure, and this variation reflects the variation found in the ‘normal’ syntax and phonology of languages.” (Féry 2007: 161) Da eine Nicht-Betonung (deaccenting) die Möglichkeit bietet, Gegebenes (givenness) zu kodieren, handelt es sich hierbei ggf. um die engste Verbindung zwischen Phonologie und Informationsstruktur (cf. Féry 2007: 162). Hierbei widerspricht sie Ansätzen von Büring (2003 zit.n. Féry 2007: 172), der im Englischen eine klare Verbindung zwischen phonologischen Komponenten und informationsstrukturellem Status sieht. Sie postuliert, dass Fokus im Deutschen eine fallende Kontur hat, weil er oft der letzte Akzentträger im Satz ist, während Topiks eine steigende Kontur haben, weil sie eben häufig nicht die letzte Position im Satz innehaben (cf. Féry 2007: 173). Akzent ist nicht unbedingt notwendig, um Topik oder Fokus zu markieren, er wird nur dann entsprechend eingesetzt, wenn die sprachlich-syntaktische und phonologische Umgebung eine dementsprechende Akzentuierung zulassen (cf. Féry 2010: 10-12; cf. Féry 2007: 176). Bei Foki geht Féry davon aus, dass eine all-new-Konstellation (weiter Fokus) am wenigsten markiert ist und somit auch in den meisten Fällen keine syntaktische Markierung erfolgt. Für die restlichen von ihr vorgeschlagenen Fokus-Typen stellt sie eine Fokus-Skala auf, die die Stärke des Fokus angeben soll. Je stärker der Fokus ist, desto wahrscheinlicher erfolgt eine “Abbildung” auf syntaktischer Ebene (cf. Féry 2010: 7): (23) Informationeller Fokus − Enger Fokus Verumfokus Assoziation mit Fokus Paralleler Fokus (selektiv, korrektiv, kontrastiv) + (Féry 2010: 7; -/ + hinzugefügt) Des Weiteren hebt Féry (2010) hervor, dass Topiks offenbar deshalb oft satzinitial zu finden sind (manchmal wird auch davon ausgegangen, dass sie immer am Satzanfang stehen cf. Hallyday (1967-1968 zit.n. Féry 2010: 7)), weil es logisch ist, das Element, worüber im Kommentar gesprochen wird, vorher klarzumachen. Dies kann man auch auf phonologischer Ebene beobachten, geht doch das topikalisierte satzinitiale Element oft mit einer eigenen Intonationsphrase, der sogenannten I-Phrase einher. Topiks können jedoch auch in anderen Stellungen gefunden werden (cf. Féry 2010: 7). Sprachübergreifend weisen tendenzielle Fokuspositionen größere syntaktische Varianz auf (cf. Féry 2010: 8). “Zusammengefasst besetzen Foki und Topiks öfter bevorzugte Satzpositionen, in denen die allgemeinen Eigenschaften der jeweiligen Sprache es ihnen erlauben, prominent zu sein. Aber dies ist immer eine Tendenz, die die Kommunikation optimiert, und erwächst aus unabhängigen Eigenschaften wie <?page no="54"?> 54 Anne C. Wolfsgruber bevorzugte Positionen für Akzente, Bindung und Skopus-Beziehungen.“ (Féry 2010: 9) Fanselow (2007: 205-206; cf. Fanselow 2008: 4) erwähnt ebenfalls, dass Syntax nicht unbedingt direkt Informationsstrukturen kodiert. Daraus lässt sich folgern, dass die syntaktischen Korrelate nur bedingt über die Informationsstruktur Aufschluss geben. Er verweist zum Beispiel auf die Position vor dem finiten Verb in deutschen V2-Sätzen und vermerkt, dass es sich hierbei um eine Position handelt, die von allen möglichen informationsstrukturellen Elementen besetzt sein kann, zum Beispiel von unmarkierten Subjekten, Topiks und Foki. Bücher im folgenden Beispielsatz kann sowohl einen korrektiven Fokus als auch ein kontrastives Topik darstellen (cf. Fanselow 2007: 208): (24) dt. Bücher hab ich mir ein paar ___ gekauft. (Fanselow 2007: 208) Aufgrund dieser funktionalen Vielseitigkeit bezweifelt Fanselow, dass die Bewegung einer Konstituente in ebendiese synkretische Position durch Informationsstruktur motiviert werden kann, was auch die Möglichkeit eines Fokusmerkmals-Abgleichens in Frage stellt (cf. Fanselow 2007: 208). Jacobs (2001) geht so weit, die Kodierung von Topik-Kommentar-(TK)- Konstruktionen entfernt von syntaktischen Korrelaten zu sehen und etabliert semantische Kriterien, die prototypische TK-Konstellationen charakterisieren sollen. Er geht davon aus, dass es sich hier nicht um ein Merkmal handelt, welches für die Identifizierung der TK-Konstruktion ausschlaggebend ist. Es ist die Verbindung zu prototypischen Konstruktionen dieser Art, die sie uns als solche identifizieren lässt. Die Annahme, es gäbe eine universelle Funktion, die durch diese Art von Konstruktion kodiert würde, sieht Jacobs als problematisch an (cf. Jacobs 2001: 641-643). 2.1 Syntaktische Korrelate der Informationsstruktur in der linken Satzperipherie des Spanischen und ihre generative Modellierung In den folgenden Abschnitten wollen wir einen vergleichenden Blick auf jene syntaktischen Konstruktionen werfen, die typischerweise mit der Kodierung von Topik oder Fokus in der linken Satzperipherie in Verbindung gebracht werden: Linksdislokation (25), Topikalisierung (26) und Fokusvoranstellung (27). Diese sollen hier zunächst an englischen Beispielen erklärt werden. Die oben gebrauchte Terminologie ist auch in der einschlägigen Literatur zum Spanischen und zum Deutschen zu finden: (25) engl. John, I saw him yesterday. (26) engl. Julia I couldn’t reach ___. (Casielles-Suárez 2003: 326) (27) engl. A whole SET she gave to him. (Prince 1986: 209 zit.n. Casielles-Suárez 2000: 61) <?page no="55"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 55 In (25) wird John vorangestellt und durch das Pronomen him wieder an seiner Basisposition im Satz aufgenommen. In (26) wird die vorangestellte Konstituente nicht durch ein Pronomen wieder aufgenommen, es bleibt eine Leerstelle dort zurück, wo die eigentliche Position der vorangestellten Konstituente gewesen wäre (cf. Casielles-Suárez 2003: 326). Bei der Fokusvoranstellung (27) trägt die vorangestellte Konstituente den informationsstrukturellen Status Fokus und wird meist auch dementsprechend prosodisch markiert. Für die theoretische Einbettung dieser Strukturen wurde im Rahmen der generativen Grammatik die Split-CP-Hypothesis vorgeschlagen (cf. Rizzi 1997). Diese postuliert in Anlehnung an die Splittung der IP in verschiedene funktionale Kategorien (cf. Pollock 1989) eine Aufsplittung der CP in mehrere funktionale Phrasen. Die Spec-Positionen dieser funktionalen Phrasen stellen für vorangestellte Topiks und Foki “Landemöglichkeiten” dar (cf. Rizzi 1997; cf. Gabriel 2007: 130). Da in der CP auch definiert ist, ob wir es mit einer finiten oder infiniten IP zu tun haben, werden in dieser Domäne nicht nur funktionale Phrasen für informationsstrukturelles Material angenommen, sondern auch für eben diese Konfiguration, genannt FinP. Des Weiteren soll hier auch die “illokutionäre Kraft” kodiert sein, welche als ForceP bezeichnet wird (cf. Rizzi 1997: 283ff.; cf. Gabriel 2007: 133). Dies ergibt folgende “Grobspaltung” (entnommen aus Gabriel 2007: 133): (28) [ ForceP Force … [ FinP Fin… [ TP T… [ vP … ]]]] [ CP C … [ TP T… [ vP … ]]]] Die Tatsache, dass in der linken Satzperipherie mehrere Topiks und zumindest eine fokussierte Konstituente auftreten können, hat zur folgenden Verfeinerung der CP geführt, und es wurde untersucht, ob es sich bei Topiks, die auch im sprachvergleichenden Blick oft in der linken Peripherie zu finden sind, um Adjunktion handelt, oder ob sie in den jeweiligen Spec-Positionen “landen” und hier somit Bewegung zugrundeliegt (cf. Erteschik-Shir 2007: 88; Graphik entnommen aus Gabriel/ Müller 2008: 51): <?page no="56"?> 56 Anne C. Wolfsgruber (29) ForceP ru Force TopP ru Spec,Top Topʹ ru Top FocP ru Spec,FocP Focʹ ru Foc TopP ru Spec,Top Topʹ ru Top FinP ru Fin IP a. - María - en el kiosco - compra un diario b. - - - Esta película - María la conoce c. - - una MANZANA - - se comió María d. que a sus padres MENTIRAS - - la cuenta siempre Eine andere generative Modellierung der Voranstellungen in der linken Satzperipherie ist die Spec,TP-Analyse. Barbosa (2001: 22) nimmt z.B. an, dass es im Spanischen, Katalanischen und Rumänischen keine nach Rizzi (1997) artikulierte CP gibt. Somit müssen vorangestellte Foki die Landemöglichkeit anvisieren, die sonst präverbalen Subjekten dient, nämlich Spec,TP (bzw. Spec,IP in (30). Auch wh-Bewegung soll diese Position ansteuern, was folgende Strukturen zur Folge hat: (30) Italienisch: C [ Topic* [ Focus/ QP [ [ Foc] [ Topic* [ IP [ I’ [ I V] … ]]]]] Spanish/ Catalan/ Romanian [ CP C [ Topic* [ IP wh\ +Op QP/ Focus [ I’ [ I V ] … ]]]] (Barbosa 2001: 22) Im weiteren Sinne findet sich hier eine Übereinstimmung mit der von Zubizarreta (1998: 100ff.) geprägten Annahme, dass T eine Kategorie ist, die nicht nur formal-grammatische, sondern auch pragmatische Merkmale wie [topic] oder [focus] enthalten kann. T wird also zu einem synkretischen Kopf. 5 Die hier dargestellte Modellierung scheint jedoch nach Gabriel (2007: 157) problematisch, wenn sich mehrere Topiks und ein Fokus in der linken 5 Mallén stellt bereits 1992 eine Spec,IP-Analyse vor. <?page no="57"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 57 Peripherie befinden. Für diese Fälle postuliert Zubizarreta (1998: 102) zumindest indirekt - und das im Unterschied zum Beispiel zu Barbosa (2001) - eine Art funktionale Phrase überhalb der TP (cf. Gabriel 2007: 156). Ferner hat diese theoretische Implementierung laut Gabriel den Nachteil, dass ein präverbales Subjekt, das nicht kontrastiv fokussiert ist, automatisch einen Topik-Status innehat. Dies wirft vor allem Inkompatibilitäten mit einem allnew-Satz auf, was Gabriel (2007: 156-57) dazu veranlasst, die artikulierte CP- Phrase als die theoretische Lösung anzusehen, die die spanischen Daten besser erklären kann. Nach einem Überblick über die in der linken Satzperipherie möglichen syntaktischen Strukturen des Spanischen wenden wir uns der Modellierung der linken Satzperipherie des Spanischen nach Rizzi zu, welche jedoch für das Spanische etwas abgeändert werden muss: Das Spanische verfügt über mehrere Topik-Konstruktionen. Beispiel (31) ist eine Linksdislokation, wobei die linksversetzte Konstituente A María durch das klitische Objektpronomen la wieder aufgenommen wird. Da es sich um eine Wiederaufnahme durch ein sich in präverbaler Stellung befindliches Klitikon handelt, wird diese Konstruktion auch als Clitic Left Dislocation (CLLD) bezeichnet (cf. López 2009: 4; Casielles-Suárez 2003: 327). (32) stellt eine sogenannte Hanging Topic Left Dislocation (HTLD) dar; diese Konstruktionen zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass nur DPs disloziert werden können (vs. PPs wie A María im Beispiel (31)) und die Wiederaufnahme im Restsatz durch verschiedene Elemente möglich ist (zum Beispiel durch ein resumptives Epithet in (32) oder durch ein starkes Pronomen wie in (33)), und es müssen weder Kasus noch Subkategorisierungsrahmen des Verbs respektiert werden, welche klitisch linksdislozierte Topiks jedoch sehr wohl “einhalten” müssen. Beispiel (33) wird in der Literatur auch als Strong Pronoun Left Dislocation bezeichnet (SPLD) und hat oft die Funktion, ein neues Topik einzuführen (cf. Casielles-Suárez 2003: 330-331). (31) sp. A María, hace tiempo que no la veo. (CLLD; López 2009: 4) (32) sp. María, hace tiempo que no veo a esa sinvergüenza. (HTLD; López 2009: 4) (33) sp. María, hablé con ella ayer. (HTLD/ SPLD) Die beiden bis jetzt erwähnten Herausstellungsstrukturen weisen einige unterschiedliche Eigenschaften auf, die zuerst von Cinque (1990) vorgestellt wurden und nahelegen, für CLLD eine Derivation durch Bewegung anzunehmen und für HTLD eine Basisgenerierung. Olarrea (2012: 610) fasst die unterschiedlichen Eigenschaften von CLLD und HTLD anhand sieben Parametern zusammen (hier (A)-(G), auf Deutsch adaptiert): (A) Es wurde bereits erwähnt, dass CLLD ganz verschiedene Phrasen dislozieren kann: z.B. Adjektive wie in (34), Quantifizierer in (35) und Sätze wie <?page no="58"?> 58 Anne C. Wolfsgruber in (36) können im Spanischen linksdisloziert werden, HTLDs können nur DPs dislozieren (cf. Casielles-Suárez 2003: 327; cf. Olarrea 2012: 611). (34) sp. Listo no lo parece. (35) sp. A todos no los he visto todavía. (36) sp. Que fumas lo sabemos todos. (Casielles-Suárez 2003: 328) Im Spanischen kann auch eine direkte Objekts-NP (z.B. la casa in (37)) disloziert werden und das Subjekt (hier: yo) in postverbaler Stellung kann fokussiert sein. (cf. Casielles-Suárez 2003: 328). (37) sp. [La casa i ] Topik la i limpié [yo] Fokus . (Casielles-Suárez 2003: 329) (B) Unterschiede in den wiederaufnehmenden Elementen (HTLD: Epithet, starke Pronomen, DPs, etc. vs. CLLD: nur Klitika). (C) Bei HTLD können topikalisierende Ausdrücke (wie en cuanto, hablando de) dem dislozierten Topik vorangehen, CLLDs erlauben dies nicht. (D) HTLDs können nicht in eingebetteten Sätzen vorkommen, sie müssen an erster Stelle stehen, ihnen können ggf. nur topikalisierende Ausdrücke vorangehen. CLLDs können in eingebetteten Sätzen vorkommen (Beispiel (38) entnommen aus Casielles-Suárez 2003: 329): (38) sp. La única persona [que a Juan i nunca le i ha hecho un favor] ... (E) Dass das resumptive Element in CLLDs Subkategorisierungsrahmen und Kasus respektieren muss, bezeichnete Cinque als Konnektivitätseffekte (connectivity). HTLDs beachten diese Restriktionen nicht: (39) sp. Juan, estaba pensando en él en este momento (Olarrea 2012: 612) (F) Beide Konstruktionstypen können rekursiv auftreten, HTs brauchen jedoch ein verbindendes Element, y in (40). Bei CLLD gibt es theoretisch laut Rodríguez (2001) keine Beschränkung, was die Anzahl der dislozierten Elemente betrifft. Diese Konstruktion wird in der Literatur auch als Multiple Clitic Left Dislocation bezeichnet (MCLLD), siehe Beispiel (41) (cf. Rodríguez 2001: 133). (40) sp. En cuanto al dictador y al pueblo, éste repudía a aquél. (Contreras 1978 zit.n. Olarrea 2012: 613) (41) sp. [Un libro] j [a mí] i [Juan] [en Navidad] nunca me i lo j ha regalado. (Casielles-Suárez 2003: 328) Wenn beide Konstruktionstypen in einem Satz auftreten, so muss die HTLD der CLLD vorangehen (cf. Olarrea 2012: 614). (G) CLLD sind Strong Island-sensitiv, HTLDs weisen diese Einschränkung nicht auf : <?page no="59"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 59 (42) sp. En cuanto a ese trabajo i , no puedo aceptar la idea de que ya lo i han conseguido. (Island: komplexe Nominalphrase) (43) sp. Hablando de ‘Freaks’ i , un amigo que ha visto esa película i me ha dicho que es magnífica. (Island: Relativsatz) (Olarrea 2012: 614) Weiters verweist Olarrea darauf, dass HTLDs eine stärkere intonatorische Freiheit besitzen und es hier eine größere Pause gibt als bei CLLDs (cf. Olarrea 2012: 614-615). Tabelle 2: Tabellarische Zusammenfassung Übersicht (basierend auf Zagona (2002: 220-221) und López (2009: 3-7)) über die verschiedenen Eigenschaften von HTLD und CLLD Eigenschaft HTLD CLLD A. verschiedene Phrasentypen können disloziert werden * nur DPs  jeder Phrasentyp B. das resumptive Element kann nur ein Klitikon sein * overte Phrase, Epithet, Pronomen  C. der topikalisierten Phrase können topikalisierende Audrücke wie hablando de vorangehen  * D. die Konstruktion ist auch in eingebetteten Sätzen möglich * nur in Matrixsätzen möglich  E. Konnektivitätseffekte *  F. rekursiv * eingeschränkt, nur mit verbindenden Elementen wie y möglich  G. Island-sensitiv * * nur Strong Islandsensitiv Was die vermeintliche Topikalisierung “nach englischem Muster” in Beispiel (44) angeht (hierbei gibt es keine Wiederaufnahme durch ein Element im Restsatz; cf. Rivero 1978: 513, Casielles-Suárez 2003: 327), muss gesagt werden, dass Casielles-Suárez (2003) den Standpunkt vertritt, dass es sich hier syntaktisch ebenfalls um eine CLLD handelt, jedoch das spanische <?page no="60"?> 60 Anne C. Wolfsgruber Sprachsystem über kein Klitikon verfügt, welches die dislozierte NP in seiner Grundposition wieder aufnehmen könnte. Ein wichtiges Charakteristikum unseres Beispielsatzes in (44) ist, dass hier eine sogenannte nackte NP disloziert wurde. (44) sp. Dinero, dicen que tiene ___. 6 Rivero 1978: 513) Die Topikalisierung im englischen Stil mit einer vollen DP ist im Spanischen nicht möglich, wie die Sätze in (45) verdeutlichen (cf. Casielles-Suárez 2003: 332-333): (45) a. sp. Esa lección María la sabe muy bien. b. sp. *Esta lección María sabe muy bien. (Casielles-Suárez 2003: 333) Ein weiteres Puzzlestück in diesem Zusammenhang liefert uns der direkte Vergleich mit dem Katalanischen. Das Katalanische hat ein partitives Klitikon, das nackte NPs wieder aufnimmt (cf. Casielles-Suárez 2003: 333): (46) kat. (De) diners diuen que no en té. PREP Geld sagen-3P.Pl COMP NEG partitives- CL haben-3P.Sg (Vallduví 1988 zit.n. Casielles-Suárez 2003: 333) Diese Analyse lässt sich auch auf dislozierte Präpositionalphrasen ausweiten: (47) kat. De l’examen ningú no n’ha parlat encara. (48) sp. Del examen nadie ha hablado ___ todavía. (Casielles-Suárez 2003: 333) Dies ist auch der Grund, warum im Beispielsatz (41) nicht alle dislozierten Elemente durch ein Klitikon oder Pronomen wieder aufgenommen werden; das Spanische hat die dazu notwendigen Pronomina schlichtweg nicht. Ein weiterer Aspekt, der für die Annahme spricht, dass es sich in (44) um eine CLLD ohne overtes Klitikon handelt, ist, dass im Spanischen CLLD mit und ohne overtes Klitikon gemeinsam auftreten können, wie Beispiel (49) zeigt. Im Gegensatz dazu können Topikalisierung und CLLD nicht gemeinsam auftreten, was im Beispiel (50) ersichtlich wird (cf. Casielles-Suárez 2003: 334-335). (49) sp. A mí dinero Juan nunca me deja. (50) engl. *John, the books, he didn’t bring ___. (Casielles-Suárez 2003: 334) Kommen wir nun zur Fokusvoranstellung. Die Nueva Gramática de la Lengua Española der Real Academia Española (RAE) verweist darauf, dass im Spani- 6 ____ wurde von Casielles-Suárez (2003: 327) hinzugefügt, was hier übernommen wird, (44) stammt jedoch ursprünglich wie oben angegeben aus Rivero (1978: 513). <?page no="61"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 61 schen vorangestellte Foki mit einem postverbalen overten Subjekt 7 einhergehen, dabei sind mehrere Positionen möglich (cf. RAE 2009: 2988): (51) a. sp. ESO MISMO pensaba yo hacer esta tarde. b. sp. ESO MISMO pensaba hacer yo esta tarde. c. sp. ESO MISMO pensaba hacer esta tarde yo. (RAE 2009: 2988) Die Unvereinbarkeit eines präverbalen overten Subjekts und eines vorangestellten Fokus (*[ F XP] SVO) wird jedoch nicht erwähnt (cf. Barbosa 2001: 22; Gabriel 2007: 151), es wird nur darauf aufmerksam gemacht, dass generell Topiks und Fokus miteinander auftreten können, Topiks gehen in diesem Fall der Fokuskonstituente voran (cf. RAE 2009: 2990): (52) sp. A Juan [tópico], algo [foco] habría que decirle. (RAE 2009: 2990) Ferner wurde oft angenommen, dass die Fokusvoranstellung nur mit kontrastiven Foki möglich ist (cf. Gabriel 2007: 69). Gabriel (2007) verweist darauf, dass keine Fokusvoranstellungen in seinem Corpus vorkommen (im Teil, in dem Sprecher frei produzieren), dass aber seine ProbandInnen Fokusvoranstellung nicht zwingend mit kontrastivem Fokus interpretierten (cf. Gabriel 2007: 68-69). Beaudrie (2005) legt dar, dass Fokusvoranstellungen auch eine korrektive und identifizierende Lesart haben können. Um zur weiter oben präsentierten Annahme der Möglichkeit einer Splittung der CP zurückzukommen, muss erwähnt werden, dass sich Spanisch nicht so verhält, wie es Rizzi (1997) für das Italienische annimmt, da im Spanischen ein vorangestellter Fokus weder mit einem nachfolgenden Topik noch mit einem overten präverbalen Subjekt auftreten kann: (53) sp. * F [ Foc menTIras] F [ topic a sus padres] les cuenta siempre (y no la verdad). (Gabriel 2007: 151) (54) sp.*[ F Una MANZANA] María se comió. (Gabriel/ Müller 2008: 52) 8 Spanisch scheint im Gegensatz zum Italienischen also nur folgende Abfolgen der funktionalen Phrasen in der linken Satzperipherie zuzulassen: (55) sp. [(TopP*) [FocP [ IP …]]] 9 (Pöll 2010: 382) 7 Bevor auf die verschiedenen in der RAE präsentierten Stellungsvarianten eingegangen wird, soll hier erwähnt sein, dass es sich beim Spanischen um eine sogenannte prodrop- oder Nullsubjektsprache handelt. Dies bedeutet, dass nicht hervorgehobene pronominale Subjekte in der Regel nicht overt realisiert sind und in der generativen Grammatik angenommen wird, dass sich im Falle einer nicht overten Realisierung ein phonetisch leeres nominales Element (pro) in der Subjektsposition befindet (cf. Gabriel/ Müller 2008: 12). Dies heißt auch, dass es einen großen Unterschied zwischen Como una manzana und Yo como una manzana gibt. Ein overt realisiertes pronominales Subjekt geht häufig mit einer kontrastiven Fokussierung einher. 8 Die Beispiele sind deshalb unterschiedlich syntaktisch notiert, weil die Notation in den Originalquellen differiert. <?page no="62"?> 62 Anne C. Wolfsgruber 2.2 Syntaktische Korrelate der Informationsstruktur in der linken Satzperipherie des Deutschen und ihre generative Modellierung Zur theoretischen Modellierung der linken Satzperipherie des Deutschen gibt es weit weniger Literatur als zu den romanischen Sprachen (cf. auch Boeckx/ Grohmann 2005). Nach der Beleuchtung der syntaktischen Korrelate werden in diesem Unterkapitel die theoretischen Ansätze von Grohmann (2000), Frey (2005) und Mohr (2005) kurz dargestellt. Deutsch wird weitgehend als asymmetrische V2-Sprache beschrieben, in dieser Konstellation besetzt das finite Verb in deutschen Matrixsätzen die “zweite Stelle” und dieser geht laut Haider (2010: 1-3; cf. auch Erteschik-Shir 2007: 87-88) eine Konstituente voran; eingebettete Sätze weisen Verbletztstellung auf. Ist wie in (56) diese erste Konstituente ein Subjekt, so wird dies meist als “unmarkiert” empfunden. Befindet sich eine andere Konstituente in dieser Position, haben wir es oft schon mit einer Topikalisierung zu tun (57) (cf. Grohmann 2003: 144). (56) dt. Ich erzähle dir etwas über Hans. (57) dt. Den Hans wird eine polnische Gräfin heiraten. (Frey zit.n. Erteschik-Shir 2007: 101) Die erste Konstituente kann auch den Fokus einer Äußerung darstellen, im Folgenden sehen wir ein Beispiel für Fokusvoranstellung im Deutschen: (58) dt. Was hat Maria gekauft? dt. [Die Bibel] Fokus hat Maria gekauft. (Fanselow 2007: 213) Das Deutsche verfügt auch über Linksdislokation: (59) dt. Diesen Mann, den kenne ich nicht. (Grohmann 2003: 134) Im Deutschen lassen sich problemlos PPs, APs und VPs/ IPs topikalisieren bzw. linksdislozieren (Topikalisierung einer PP in (60) a., von einer AP in (61) a. und einer VP/ IP in (62) a., die Beispiele in b. beinhalten Linksdislokationen in selbiger Reihenfolge): (60) dt. a. An seinen Freund hat Martin den ganzen Tag gedacht. dt. b. An seinen Freund, an den hat Martin den ganzen Tag gedacht. (61) dt. a. Glücklich war der Martin schon lange nicht mehr. dt. b. Glücklich, das war der Martin schon lange nicht mehr. (62) dt. a. Billiard spielen kann der Martin ziemlich gut. dt. b. Billiard spielen, das kann der Martin ziemlich gut. (Grohmann 2003: 142) 9 “*” nach TopP bedeutet, dass diese Phrase rekursiv ist. Wenn sich hier unterschiedliche Annahmen der generativen Grammatik vermischen z.B. IP in Beispiel (55), welches in neueren Annahmen weitestgehend durch TP ersetzt wurde, so beruht das auf dem jeweiligen theoretischen Rahmen der zitierten AutorInnen. <?page no="63"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 63 Laut Haider (2010: 3) gibt es im Deutschen auch die Möglichkeit, da resumptiv zu gebrauchen, wodurch z.B. auch das Adverb in (63) topikalisiert werden kann: (63) dt. Heute i , da i hat die Maus den Käse verschmäht. (Haider 2010: 3) Ferner muss im Deutschen zwischen CLD (Contrastive Left Dislocation) und zwei verschiedenen Arten von HTLD (in der Literatur auch freies Thema oder Nominativus Pendens) unterschieden werden. Weiter unten werden wir sehen, auf welchen syntaktischen Grundlagen derartige Unterscheidungen beruhen (cf. Grohmann 2003: 144). (64) dt. Diesen Mann, den habe ich noch nie gesehen. (CLD) (65) dt. Diese-r/ -n Mann, den/ ihn habe ich noch nie gesehen. (HTLD I) (65) dt. Diese-r/ -n Mann, ich habe den/ ihn noch nie gesehen. (HTLD II) (Grohmann 2003: 144) Das wichtigste Unterscheidungskriterium zwischen HTLD und CLD ist, dass bei CLD die linksversetzte Konstituente zwingend Kasus-markiert sein muss und dass das resumptive Pronomen ‘hoch’ steht, sprich die Position vor dem Verb einnimmt. Bei HTLD steht das Pronomen ‘hoch’ (cf. HTLD I) oder ‘tief’ (cf. HTLD II), das resumptive Pronomen kann ein d- (z.B. den in (65) und (66)) oder ein p-Pronomen (ihn in (65) und (66)) sein (cf. Grohmann 2000: 24; cf. Grohmann 2003: 145). Das HT in HTLD kann neue Information beinhalten, während das Topik in CLD ein Element voranstellt, das bereits bekannt ist. Des Weiteren soll es nach dem vorangestellten Topik in HTLD eine klare intonatorische Pause geben, welche die CLD-Konstruktion nicht aufweist. Obwohl CLD als Contrastive Left Dislocation bezeichnet wird, kann man nicht gesichert sagen, dass Kontrastiertheit ein Muss darstellt (cf. Grohmann 2003: 144-145). Die Unterscheidung zwischen CLD und HTLD macht nicht nur aus offensichtlichen Unterschieden hinsichtlich der verschiedenen Konstruktionen Sinn, sondern auch weil sich diese Konstruktionen syntaktisch gesehen unterschiedlich verhalten (cf. Grohmann 2000: 16). Wendet man die von Cinque (1990 zit.n. Grohmann 2000: 10) etablierte Typologie von Movement vs. basisgenerierte Strukturen auf die Situation des Deutschen an, kann folgendes Raster erstellt werden, das zeigt, dass CLD durch Bewegung deriviert werden kann. Weiters geht Grohmann davon aus, dass das HT an CP adjungiert ist und dass die CLD Spec,CP besetzt (cf. Grohmann 2000: 51; adaptiertes Rastes entnommen aus Grohmann 2000: 54): <?page no="64"?> 64 Anne C. Wolfsgruber Tabelle 3: Movement vs. Basisgenerierung bei den Strukturen des Deutschen any XP d-ponly embedded connectivity multiple islands CLD   */  extr.  (  ) * HTLD * *  / *extr. * (  )  Im Deutschen können HTLD und CLD in einem Satz auftreten. HTLD muss der CLD vorangehen (cf. Grohmann 2000: 50-51): (67) [HTLDed-XP i [CLDed-XP j [RP j V… [ … RP i …]]]] (Grohmann 2000: 51) CLD kann auch allein rekursiv auftreten, HTLD aber nicht: (68) dt. #[Die Prinzessin], [diesen Frosch], die hat den geküßt. (Grohmann 2000: 18) CLD kann jede XP dislozieren (cf. (60) bis (63)), HTLD nur DPs (cf. Grohmann 2000: 19-20). CLD zeigt Konnektivitätseffekte, HTLD nicht. CLD kann nur mit d-Pronomen auftreten, HTLD mit d- und p-Pronomen. CLD erfordert, dass die V2-Konfiguration gewahrt bleibt, d.h. der Restsatz muss ein V2-Satz sein. Einbettung ist nur mit sogenannten bridge verbs und eingebetteten V2-Sätzen möglich, im Zusammenhang mit Verbletztsätzen kann CLD nicht auftreten (ob-Sätze bilden eine der wenigen Ausnahmen, siehe Beispiel (71) (cf. Grohmann 2000: 20-22): (69) dt. [Diesen Frosch], den glaubt der Bauer, hat sie geküßt. (70) dt. *Der Bauer glaubt, dass [diesen Frosch], den sie geküßt hat. (Grohmann 2000: 21) (71) dt. [Diesen Frosch] fragt sich der Bauer, ob den der König mag. (Grohmann 2000: 22) CLD ist Island-sensitiv, HTLD ist es nicht (cf. Grohmann 2000: 10-12): (72) dt. [Diesem Frosch], was hat die Prinzessin dem gegeben? (Grohmann 2000: 22) Mit Strong Islands verhält es sich ebenso, wenn das resumptive Pronomen ‘tief’ steht (cf. Grohmann 2000: 22): (73) dt. [Der schöne Mann], Martin haßt die Tatsache, dass den die kluge Frau geküßt ha[t]. (Grohmann 2000: 23) Wenn man sich die von Cinque (1990) postulierte Typologie ansieht, so scheint die deutsche CLD sich ziemlich ähnlich zur romanischen CLLD zu verhalten, während die von Cinque als Linksdislokation bezeichnete Konstruktion sich so verhält wie die deutsche HTLD (adaptierte Graphik entnommen aus Grohmann 2000: 12): <?page no="65"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 65 Tabelle 4: Von Cinque (1990) postulierte Typologie Movement vs. Basisgenerierung any XP clonly embedded connectivity multiple islands CLLD      * LD * * * * *  Die von Cinque beschriebenen Eigenschaften deuten darauf hin, dass CLLD eine Bewegungsoperation darstellt, während LD keine zu sein scheint, was sich gut auf die deutsche CLD vs. HTLD umlegen lässt (cf. Grohmann 2000: 12). Des Weiteren gibt Grohmann (2000: 58-59) folgende sprachübergreifende Klassifikation: Tabelle 5: Sprachübergreifende Klassifikation zum derivationellen Status der in Frage stehenden Konstruktionen Movement-derived Base-generated Contrastive Left Dislocation (CLD) Hanging Topic Left Dislocation (HTLD)  resumptive HTLD  epithet HTLD  nominativus pendens  as for-HTLD Clitic Left Dislocation (CLLD) (Clitic Left Dislocation (CLLD) 10 Emphatic/ Contrastive Topicalization Frame-setting topicalization Nach Frey (2005: 1) wird seit längerer Zeit angenommen, dass der Position im deutschen Vorfeld eine A-bar-Bewegung (also eine Bewegung in eine Nicht-Argument-Position) nach Spec,CP zugrundeliegt. Die Phrase den Hans in (74) bewegt sich also nicht in eine Argumentbzw. Kasusposition, d.h. Bewegung nach Spec,CP ist nicht kasusgetrieben, sondern hängt von semantischen bzw. pragmatischen Merkmalen ab: (74) dt. [ CP Den Hans 1 [ C’ hat 2 [ IP man t 1 eingeladen t 2 ]]] (Frey 2005: 1) 10 Hier ist sprachspezifische Variation möglich, siehe Aoun/ Benmamoun (1998 zit.n. Grohmann 2000: 12 ff.), die zeigen, dass manche der von ihnen untersuchten arabischen Dialekte zwei verschiedene Typen von CLLD besitzen, wobei ein Typus auf eine Bewegungsanalyse schließen lässt, während der andere auf die Basisgenerierung des herausgestellten Elements hindeutet. <?page no="66"?> 66 Anne C. Wolfsgruber Die Frage, ob das deutsche Vorfeld, etwa wie das Spanische oder Italienische, mehrere funktionale Köpfe projiziert und ob das Deutsche somit ebenfalls über eine gesplittete C-Domäne verfügt, bleibt in der Forschung weitgehend offen. Fanselow (2004 zit. n. Frey 2005: 2) verweist darauf, dass das Deutsche sich in mancherlei Hinsicht anders verhält, zum Beispiel gibt es im Deutschen die Möglichkeit nur einen Teil eines komplexeren informationsstrukturellen Gebildes in das Vorfeld zu bewegen, was man als parspro-toto-Movement bezeichnet (cf. Frey 2005: 2). Für die Vorfeldbesetzung nimmt Frey (2005) die sogenannte Formale Bewegung (= FB) an. Dieser lokale Vorfeldbesetzungsmechanismus geht davon aus, dass die sich im Vorfeld befindlichen Elemente keine “zusätzlichen pragmatischen Eigenschaften” erhalten müssen, und so wurde folgende Struktur für das deutsche Vorfeld postuliert (cf. Frey 2005: 3-4): [ CP XP [ C V fin [ IP …]]] wird laut Frey aus [ C [ IP XP … V fin ]] abgeleitet. Frey (2005: 9) schlägt folgende Struktur der C-Domäne für das Deutsche vor: (75) CP ru C’ ru KontrP ru Kontr’ ru FinP ru Fin’ ru TopikP ru Topik’ ru Für dieses Schema gelten folgende Regeln: Spec,CP, SpecKontrP und Spec FinP stellen Ā-Positionen dar, TopikP stellt eine A-Position dar; in ihren Spezifikatorpositionen befinden sich die Topiks des Mittelfeldes. Ferner: “(i) Komplementierer werden in C generiert. (ii) In der C-Domäne kann es nur ein EPP-Merkmal geben, wobei gilt: - das EPP-Merkmal in Fin ist ein reines EPP-Merkmal (d.h. Spec-FinP nimmt ein Expletiv oder eine durch FB bewegte Phrase auf), <?page no="67"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 67 - das EPP-Merkmal in Kontr ist mit dem Merkmal [kontrast] assoziiert (d.h. SpecKontrP nimmt eine kontrastiv interpretierte, durch genuine Ā- Bewegung vorangestellte Phrase auf), - das EPP-Merkmal in C ist mit einem Merkmal assoziiert, das Phrasen mit speziellen Diskursfunktionen lizenziert (d.h. in SpecCP befindet sich ein durch C lizenziertes Element). (iii) In einem V2-Satz muss das Verb in dem Kopf der C-Domäne stehen, der das EPP-Merkmal trägt und zugleich der höchste in der C-Domäne lexikalisch realisierte Kopf ist. (iv) Der topikale Status einer Phrase wird in SpecTopikP lizenziert, der fokale Status einer Konstituente wird in situ lizenziert.” (Frey 2005: 9-10) Frey postuliert, dass Topiks eine Position einnehmen können, die sich vor der Grundposition von Satzadverbialen befindet. Sie können somit die höchste Position im Mittelfeld einnehmen und durch FB ins Vorfeld gelangen. Eng fokussierte Elemente und kontrastiv interpretierte Elemente im Vorfeld können nicht durch FB ins Vorfeld gelangt sein, sondern sind auf eine Ā-Bewegung in eine der oben beschriebenen Spec-Positionen angewiesen. Dies steht im Kontrast zur formalen Bewegung, die nicht von diesen pragmatischen Feinheiten motiviert ist. DPs, die Teil des Hintergrundes sind oder DPs, die zwar Teil einer Fokusdomäne sind, aber nicht den Hauptakzent tragen, können durch FB ins Vorfeld gelangen (cf. Frey 2005: 5-6). Frey (2005: 17-18) unternimmt auch den Versuch, die Linksversetzung (unsere CLD) und die Hanging Topic-Konstruktion (HTLD) in sein Modell der linken Satzperipherie einzufügen. Er plädiert dafür, dass sich die linksdislozierten Phrasen in Spec,CP befinden, wenn man die Meinung vertritt, dass man Adjunktion möglicherweise ausschließen sollte. Mit der Annahme, dass nur eine linksdislozierte Phrase möglich ist, widerspricht er Grohmanns Ausführungen weiter oben, cf. (68). Somit nimmt er für linksdislozierte Konstruktionen folgende Darstellung an. (cf. Frey 2005: 18-19). (76) dt. [ CP Den Otto 1 [ FinP den 1 [ Fin’ mag 2 [ TopikP t 1 ' jeder t 1 t 2 ]]]] (Frey 2005: 20) Für Frey befindet sich die erste Konstituente des Vorfeldes in Spec,FinP. Das Vorfeld kann aber auch von Spec,KontrP eingeleitet werden, wie in (77), hier wird das Pronomen lang bewegt (cf. Frey 2005: 19-20). (77) dt. Den Otto i , den i glaubt Maria, dass t i ' jeder t i mag. (Frey 2005: 20) In einer LD wird angenommen, dass C kein EPP-Merkmal besitzt, sondern entweder Fin oder Kontr, je nach dem, in welcher Spec-Position die erste Konstituente des Vorfelds steht (cf. Frey 2005: 20). Er führt weiter aus: “Die Spec-Position, in der sich die lv-Phrase befindet, wird durch C ermöglicht. Aufgrund der Positionierung in SpecCP kann die Diskurs-bezogene <?page no="68"?> 68 Anne C. Wolfsgruber Funktion der lv-Phrase […] via den Knoten C und CP wirksam werden. Ihre Lizenzierung erhält die lv-Phrase aber durch die Koindizierung mit dem RP.” (Frey 2005: 20) Ferner geht er auf die theoretische Beschreibung der HTLD ein und vermerkt, dass diese Konstruktion bis jetzt in der Literatur meist als eine Konstruktion ohne Bewegung analysiert wurde und somit die Position der HT als basisgenerierte Position gelte. Im Deutschen scheint es so zu sein, dass das HT im Satz nicht strukturell verankert ist. Ein Indiz dafür liefert die relative prosodische Eigenständigkeit des HT im Vergleich zum Restsatz. Ferner kann die HTLD nur bedingt in einem Komplementsatz auftreten (cf. Frey 2005: 21): (78) dt. a. Jeder glaubt, den Otto, Maria liebe ihn. dt. b. *Jeder glaubt, den Otto, dass ihn Maria liebt. dt. c. (? )Jeder glaubt, den Otto, dass den Maria liebt. (Frey 2005: 21) Auch die eigenständige Kasusmarkierung der HT Phrase sowie der Umstand, dass HT-Phrasen schlechter mit Parenthesen auftreten können, sind Indizien dafür, dass es sich um eine Phrase handelt, die nicht strukturell im Restsatz verankert ist (cf. Frey 2005: 22-23): (79) dt. a. ? ? Peter, wie du ja weißt, jeder mag ihn. dt. b. Den Peter, wie du ja weißt, den mag jeder. (Frey 2005: 23) Erteschik-Shir (2007: 102-103) sieht die theoretische Implementierung Freys kritisch, da es mehrere EPP-Features gäbe, abgeglichen wird jedoch nur eines. Die Verbbewegung, die sich je nach Anvisieren der ersten Konstituente des Matrixsatzes anders gestaltet, ist ihrer Meinung nach ungeklärt. Sie geht davon aus, dass vorangestellte Konstituenten im Deutschen einen Topik-Status haben müssen, was zumindest die KontrP-Teilannahme Freys wiedergeben würde. Ferner wäre zu erklären, wie die verschiedenen EPP- Features im Erwerb zu vertreten sind. Mohr (2002: 3) geht ebenfalls von einer gesplitteten CP-Domäne aus: (80) Force P ru Force TopP ru Top FocP ru Foc FinP ru Fin IP (Mohr 2002: 3) <?page no="69"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 69 Sie nimmt an, dass sich das finite Verb in deutschen V2-Sätzen immer nach Fin° bewegt (contra Frey 2005). Mohr zufolge können im Vorfeld z.B. Subjekte und kontextgebende Adverbien stehen, ohne kontrastive oder fokussierte Intonation zu erhalten, diese befinden sich in Spec,FinP. Andere Konstituenten, wie zum Beispiel adverbiale PPs, können nur mit kontrastiver Interpretation diese Vorfeldposition besetzen, und Objekte sind automatisch topikalisiert, wenn sie in dieser Position stehen. Daraus folgt für Mohr, dass adverbiale PPs und Objekte nur dann im Vorfeld zu finden sind, wenn sie ein Topik oder Fokus-Merkmal besitzen und die jeweiligen Spec-Positionen der TopP oder der FocP anvisieren können. Ihr zufolge bewegen sie sich durch Spec,FinP und überprüfen das für V2-Sprachen dort vermutete EPP- Merkmal (cf. Mohr 2002: 3-5, Mohr 2005: 6-8). Hier eine Übersicht über die Konstituenten und ihre möglichen Positionen (aus Mohr 2005: 7): Tabelle 6: Übersicht über die Konstituenten und ihre möglichen Positionen im deutschen V2-Satz neutral special discourse function Spec,FinP Spec,FocP/ Spec,TopP subject DPs     dative objects in passives     experiencer DPs of impersonal psych verbs     temporal and locative adverb(ial)s that create a setting     other object DPs X  X  other adver(ial)s X  X  PPs X  X  (remnant) VPs X  X  2.3 Probleme der dargestellten theoretischen Modellierungen, Diskussion und methodische Implikationen Aus der oben dargestellten Modellierung für das Deutsche ergeben sich mehrere Fragen. Wie es von Mohr (2005: 7) diskutiert wird, kann man sich natürlich die Frage stellen, warum man für das Deutsche eine gesplittete C- Domäne annehmen sollte, wenn doch im deutschen Hauptsatz immer nur eine Konstituente im Vorfeld stehen kann und somit auch nur eine Spec- Position als Landeposition für ebendiese Konstituente benötigt wird. Man <?page no="70"?> 70 Anne C. Wolfsgruber könnte ebenso gut annehmen, dass im Deutschen die Topik- und Fokus- Features im C-Kopf kodiert sind und dass jede Konstituente, die im Vorfeld steht, sich in Spec,CP befindet (siehe Frey 2000: 166). Ein weiterer Hinweis für eine nicht geplittete CP im Deutschen ist, dass das Deutsche - im Gegensatz zu den romanischen Sprachen - keine rekursive TopP aufweist (cf. Frey 2000: 170). Dies widerspricht allerdings Grohmann (2000: 18), demzufolge multiple CLDs zumindest marginal möglich zu sein scheinen. Wie die theoretische Implementierung dieser rekursiven linksdislozierten XPs aussieht, bleibt jedoch auch bei Grohmann unerklärt. Letztlich tun sich in der Frage, ob das Deutsche nun eine feiner abgestufte CP besitzt oder nicht, theoretische Grundsatzdiskussionen auf, die aber ebenso für den romanischen Bereich gelten. So kann man im Spanischen insofern Evidenz für mehrere funktionale Phrasen in der linken Peripherie finden, als mehrere Konstituenten gleichzeitig vorgefunden werden können (cf. MCLLD). Auch ist hier nicht restlos geklärt, wie Fokus und Subjekt in präverbaler Stellung interagieren und warum sie sich gegenseitig ausschließen, ein Gegensatz, der im Italienischen, welches der ursprüngliche Forschungsgegenstand für die ersten kartographischen Ansätze war, nicht in dieser Form gegeben ist. In diesem Zusammenhang stellt sich generell die Frage, ob und inwieweit es sinnvoll ist, pragmatisch/ informationsstrukturelle Konzepte in der Syntax durch funktionale Phrasen abzubilden, eine Frage, die in diesem Rahmen nicht beantwortet werden kann oder soll, dennoch soll vermerkt werden, dass es unterschiedliche Ansätze hierzu gibt. Ferner muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass die linke Peripherie sprachübergreifend offenbar eine der bevorzugten Domänen für die syntaktische Kodierung von Informationsstruktur zu sein scheint. Somit ist es wahrscheinlich berechtigt, die C-Domäne im Sinne Rizzis (1997; cf. auch Reich 2012: 415-417) als Schnittstelle zwischen Informationsstruktur und Syntax zu sehen. Es gibt auch Ansätze, die die Informationsstruktur als eigene Ebene der Syntax betrachten (cf u.a. Vallduví 1990 und Erteschik-Shir 2007 zit. n. Reich 2012: 417). Des Weiteren ist noch nicht restlos geklärt, ob HTLD und CLLD/ CLD Basisgenerierung oder Bewegung zugrunde liegt. Allgemein sind in der Literatur eher Hinweise dafür zu finden, dass Linksdislokation durch Bewegung, HTLD durch Basisgenerierung entstehen. Boeckx/ Grohmann (2005) postulieren, dass beide Konstruktionen durch Bewegung deriviert werden können, worauf hier aus Platzgründen nicht genauer eingegangen werden kann. Weiters lassen Studien zur gesprochenen Sprache vermuten, dass die Bandbreite der syntaktischen Kodierungen weit vielfältiger ist als oft angenommen. Es gibt sogar Ansätze, die davon sprechen, dass man den Strukturen der linken Satzperipherie, nur dann gerecht werden kann, wenn man sie im größeren diskursiven Kontext eingebettet sieht (cf. Scheutz 1997: 27). <?page no="71"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 71 In der gesprochenen Sprache finden sich zum Beispiel Konstruktionen mit freiem Thema, das jedoch im Restsatz nicht wieder aufgenommen wird (cf. Scheutz 1997: 36). Außerdem sei noch auf die sogenannte mehrfache Vorfeldbesetzung verwiesen: (81) dt. [Zum zweiten Mal] [die Weltmeisterschaft] errang Clark 1965 (…) (Müller 2005: 12) Das Deutsche verfügt auch über nacherstfähige Konnektoren, z.B. […]. Der Bürgermeister jedoch hatte scharfe Augen (PRS, 108 zit.n. Breindl 2008: 28), welche jedoch in die theoretischen Diskussion bis dato kaum Eingang gefunden haben und meist in einem Atemzug mit Fokuspartikeln behandelt werden (cf. Breindl 2008: 29). Der Status und die grammatiktheoretische Einordnung dieser Konstruktionen sind noch zu klären. Haider (zit.n. Müller 2005: 12) nimmt zur mehrfachen Vorfeldbesetzung an, dass Orts- und Temporaladjunkte als eine Konstituente analysiert werden können. Allerdings hat Müller auch Beispiele für Komplemente mit Adjunkten im Vorfeld gefunden (cf. Müller 2005: 12). In diesem Sinne wäre es von Vorteil, die Ansätze der generativen Syntax in diesem Feld mit umfassenden Corpus-Studien zu konfrontieren, da sich hier ein interessantes Spannungsfeld auftut. Ein Beispiel, das man in diesem Zusammenhang nennen könnte, ist, dass Fokusvoranstellung in der generativen Literatur sehr prominent behandelt wird, jedoch in den empirischen Testungen von Gabriel, gar nicht aktiv von ProbandInnen produziert wurde (cf. Gabriel 2007: 68-69). Es wäre interessant, diesen Fragestellungen weiter nachzugehen. Hier ist eine empirische Studie von Heidinger (2014) zu erwähnen, die Voranstellung und kontrastiv-fokussierte sekundäre Prädikate untersucht und dabei ebenso wie Gabriel (2007) durch einen ähnlichen Studienaufbau zeigen kann, dass die Voranstellung von kontrastiven Foki in den Resultaten nicht dokumentiert ist (cf. Heidinger 2014: 141). 11 3 Zusammenfassung und Konklusionen In diesem Aufsatz wurden mehrere theoretisch-methodische Probleme offensichtlich. Wir haben gesehen, dass die Dichotomien zur Beschreibung der Informationsstruktur sehr diversifiziert sein können, mangelt es ihnen doch an unabhängigen Größen, an denen man sie festmachen könnte. So erhält fast jede einschlägige Arbeit eine eigene Definition der informationsstrukturellen Bausteine oder man expliziert, warum man sich für eine gewisse “Fremddefinition” entscheidet. Ferner kann man sagen, dass die Forschung 11 In diesem Zusammenhang wäre es von Interesse zu sehen, ob diese scheinbar deckungsgleichen Ergebnisse auch mit einem anderen methodischen Design wiederholbar sind. <?page no="72"?> 72 Anne C. Wolfsgruber zur linken Satzperipherie in den romanischen Sprachen eine andere Tradition aufweist als im Deutschen. Während wir in den romanischen Sprachen mehr Evidenz für eine gesplittete CP finden, bleibt die Struktur dieser Domäne in der deutschen Syntax weiterhin rätselhaft. Ein großes Desideratum wäre in jedem Fall (das gilt für das Spanische ebenso wie für das Deutsche) die Untersuchung der syntaktischen Korrelate der Informationsstruktur und deren Gestalt und Frequenz anhand mündlicher Corpora, um die theoretische Abbildung näher an die Wirklichkeit zu rücken, bzw. diese besser fundieren zu können. Ferner konnten wir sehen, dass es aufgrund der V2- Konfiguration im Deutschen zu syntaktischen Unterschieden in der Kodierung von Informationsstruktur kommen kann, vor allem wird hier für die Kodierung von Topikalisierung und Fokusvoranstellung die “reguläre” Position vor dem finiten Verb anvisiert. Wenn wir die in Abschnitt 1 dargestellten informationsstrukturellen Bausteine als universell haltbar für alle Sprachen annehmen (und sehr allgemeine Definitionen, wie “im Diskursuniversum präsent” oder “Einführung von Alternativen” etc.), können wir die tendenziell prototypischen syntaktischen Korrelate der beiden Sprachen wie folgt gegenüberstellen: <?page no="73"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 73 Tabelle 7: Übersicht von syntaktischen Korrelaten und ihre jeweilige Konstruktion im Deutschen und im Spanischen Syntaktisches Korrelat Spanisch Deutsch sp. CLLD (mit und ohne overtes Klitikon)/ dt. CLD/ non DP CLD sp. El libro, dicen que lo compró. sp. Dinero, dicen que tiene ___. (Rivero 1978: 513) dt. Diesen Mann, den kenne ich nicht. (Grohmann 2003: 134) dt. Heute, da hat die Maus den Käse verschmäht. (Haider 2010: 3) MCLLD/ MCLD (nur marginal) sp. Un libro a mí Juan en Navidad nunca me lo ha regalado. (Casielles-Suárez 2003: 328) dt. #[Diesen Frosch], [die Prinzessin], die hat den geküßt. (Grohmann 2000: 18) Topikalisierung - dt. Den Hans wird eine polnische Gräfin heiraten. (Frey zit.n. Erteschik-Shir 2007: 101) sp. HTLD oder SPLD/ dt. HTLD I und II sp. María, hace tiempo que no veo a esa sinvergüenza. (HTLD mit resumptiven Epithet; López 2009: 4) sp. Juan, no me acuerdo de él. (Olarrea 2012: 611) dt. Diese-r/ -n Mann, den/ ihn habe ich noch nie gesehen. (HTLD I) dt. Diese-r/ -n Mann, ich habe den/ ihn noch nie gesehen. (HTLD II) (Grohmann 2003: 144) Fokusvoranstellung sp. ESO MISMO pensaba hacer esta tarde yo. (RAE 2009: 2988) dt. Was hat Maria gekauft? DIE BIBEL hat Maria gekauft. (Fanselow 2007: 213) <?page no="74"?> 74 Anne C. Wolfsgruber 4 Bibliographie Aoun, Joseph/ Benmamoun, Elabbas (1998): Minimality, Reconstruction and PF- Movement. In: Linguistic Inquiry 29/ 4, 569-597. Barbosa, Pilar (2001): On Inversion in Wh-questions in Romance. (http: / / reposito rium.sdum.uminho.pt/ bitstream/ 1822/ 6462/ 1/ Left%20Periphery.pdf, 17.3.2014). Beaudrie, Sara (2005): Refinando la noción de foco en español: Cuestiones semánticas y sintácticas. In: Arizona Working Papers in Second Language Acquisition and Teaching 12, 21-30. Boeckx, Cedric/ Grohmann, Kleanthes K. (2005): Left Dislocation in Germanic. (http: / / www.sygdoms.com/ pdf/ dislocation/ 3.pdf, 17.3. 2014). Breindl, Eva (2008): Die Brigitte nun kann der Hans nicht ausstehen. Gebundene Topiks im Deutschen. In: Deutsche Sprache. Zeitschrift für Theorie, Praxis und Dokumentation, 27-49. Casielles-Suárez, Eugenia (2000): On the Topicalizing Nature of Multiple Left-Dislocations. In: Proceedings of the Annual Meeting of the Berkeley Linguistics Society 26, 53-64, (http: / / elanguage.net/ journals/ bls/ article/ viewFile/ 3332/ 3318, 17.3.2014). Casielles-Suárez, Eugenia (2003): Left-Dislocated Structures in Spanish. In: Hispania 86/ 2, 326-338. Casielles-Suárez, Eugenia (2004): The Syntax-Information Structure Interface. Evidence from Spanish and English. New York/ London: Routledge. Cinque, Guglielmo (1990): Types of Ā-Dependencies. Cambridge/ London: MIT Press. Contreras, Heles (1976): A Theory of Word Order with Special Reference to Spanish. Amsterdam: North Holland. De Cat, Cécile (2007): French Dislocation. Interpretation, Syntax, Acquisition. Oxford: OUP. Erteschik-Shir, Nomi (2007): Information Structure. The Syntax-Discourse Interface. Oxford: OUP. Escandell Vidal, M. Victoria/ Leonetti, Manuel (2009): La expresión del Verum Focus en español. (www2.uah.es/ leonetti/ papers/ Escandell_Vidal_y_Leonetti_Verum_ Focus_EA2009.pdf, 23.12.2014) Fanselow, Gisbert (2007): The Restricted Access of Information Structure to Syntax - A Minority Report. In: Féry, Caroline/ Fanselow, Gisbert/ Krifka, Manfred (eds.): Interdisciplinary Studies on Information Structure 6. The Notions of Information Structure, 205-220. (http: / / opus.kobv.de/ ubp/ volltexte/ 2007/ 1547/ pdf/ ISIS06. pdf, 20.3.2014). Fanselow, Gisbert (2008): In Need of Mediation: The Relation between Syntax and Information Structure. In: Acta Linguistica Hungarica 55/ 3-4, 1-17, (http: / / www. ling.uni-potsdam.de/ ~fanselow/ files/ Fanselow.2008-In_need_of_mediation.pdf, 20.3.2014). Féry, Caroline (2007): The Fallacy of Invariant Phonological Correlates of Information Structural Notions. In: Féry, Caroline/ Fanselow, Gisbert/ Krifka, Manfred (eds.): Interdisciplinary Studies on Information Structure 6. The Notions of Information Structure, 161-184. (http: / / opus.kobv.de/ ubp/ volltexte/ 2007/ 1547/ pdf/ ISIS06. pdf, 20.3.2014). <?page no="75"?> Methodisch-theoretische Überlegungen zur linken Satzperipherie 75 Féry, Caroline (2010): Informationsstruktur: Begriffe und grammatische Korrelate. (http: / / web.uni-frankfurt.de/ fb10/ fery/ publications/ Japan_Aufsatz1.pdf, 17.3.2014). Firbas, Jan (1964): On Defining the Theme in Functional Sentence Perspective. In: Travaux Linguistiques de Prague 1, 267-280. Frey, Werner (2000): Über die Position der Satztopiks im Deutschen. (http: / / www. zas.gwz-berlin.de/ fileadmin/ mitarbeiter/ frey/ topik-mf.pdf, 17.3. 2014). Frey, Werner (2005): Zur Syntax der linken Peripherie im Deutschen. (http: / / www. zas.gwz-berlin.de/ fileadmin/ mitarbeiter/ frey/ SynlinkePeriph.pdf, 8.12.2013). Gabriel, Christoph (2007): Fokus im Spannungsfeld von Phonologie und Syntax. Eine Studie zum Spanischen. Frankfurt am Main: Vervuert. Gabriel, Christoph/ Müller, Natascha (2008): Grundlagen der generativen Syntax. Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen: Niemeyer. Grohmann, Kleanthes K. (2000): A Movement Approach to Contrastive Left Dislocation. In: Rivista di Grammatica Generativa 25, 3-66. Grohmann, Kleanthes K. (2003): Prolific Domains: On the Anti-Locality of Movement Dependencies. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. Gundel, Jeanette K. (1977): The Role of Topic and Comment in Linguistic Theory. Doctoral Dissertation, University of Texas at Austin. Haider, Hubert (2010): The Syntax of German. Cambridge: CUP. Heidinger, Steffen (2014): Fronting and Contrastively Focused Secondary Predicates in Spanish. In: Dufter, Andreas/ S. Octavio de Toledo, Álvaro (eds.): Left Sentence Peripheries in Spanish. Diachronic, Variationist and Comparative Perspectives. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins, 125-153. Jacobs, Joachim (2001): The Dimensions of Topic-Comment. In: Linguistics 39/ 4, 641- 681. Krifka, Manfred (2007): Basic Notions of Information Structure. In: Féry, Caroline/ Fanselow, Gisbert/ Krifka, Manfred (eds.): Interdisciplinary Studies on information Structure 6. The Notions of Information Structure, 13-55. (http: / / opus. kobv.de/ ubp/ volltexte/ 2007/ 1547/ pdf/ ISIS06.pdf, 20.3.2014). Lambrecht, Knud (1994): Information Structure and Sentence Form. Topic, Focus, and the Mental Representations of Discourse Referents. Cambridge: CUP. López, Luis (2009): A Derivational Syntax for Information Structure. Oxford: OUP. Mallén, Enrique (1992): Subject Topicalization & Inflection in Spanish. In: Theoretical Linguistics 18, 2/ 3, 179-208. Mohr, Sabine (2002): German Clause Structure: Evidence for a Split-CP and its Implications for es. (http: / / ifla.uni-stuttgart.de/ files/ ggs_2002.pdf; 8.3.2014). Mohr, Sabine (2005): V2, Discourse Functions, and Split-CP. (http: / / ifla.unistuttgart.de/ files/ sle2005.pdf, 8.3.2014). Müller, Stefan (2005): Zur Analyse der scheinbar mehrfachen Vorfeldbesetzung. (http: / / hpsg.fu-berlin.de/ ~stefan/ PS/ mehr-vf-lb.pdf, 20.12.2013). Olarrea, Antxon (2012): Word Order and Information Structure. In: Hualde, José Ignacio/ Olarrea, Antxon/ O’Rourke, Erin (eds.): The Handbook of Hispanic Linguistics. Hoboken: Wiley-Blackwell, 603-628. Pöll, Bernhard (2010): Some Remarks on Subject Positions and the Architecture of the Left Periphery in Spanish. In: The Canadian Journal of Linguistics/ La Revue Canadienne de Linguistique 55/ 3, 359-385. <?page no="76"?> 76 Anne C. Wolfsgruber Pollock, Jean-Yves (1989): Verb Movement, UG, and the Structure of IP. In: Linguistic Inquiry 20, 365-424. Real Academia Española (RAE) (2009): Nueva Gramática de la Lengua Española. II Sintaxis. Madrid: Espasa. Reich, Ingo (2012): Information Structure and Theoretical Models of Grammar. In: Krifka, Manfred/ Musan, Renate (eds.): The Expression of Information Structure. Berlin/ Boston: De Gruyter Mouton, 409-447. Reinhart, Tanya (1981): Pragmatics and Linguistics: An Analysis of Sentence Topics. In: Philosophica 27, 53-94. Rivero, María-Luisa (1978): Topicalization and Wh Movement in Spanish. In: Linguistic Inquiry 9/ 3, 513-517. Rizzi, Luigi (1997): The Fine Structure of the Left Periphery. In: Haegeman, Liliane (ed.): Elements of Grammar. Handbook of Generative Syntax. Dordrecht: Kluwer, 281-337. Rodríguez Sellés, Yolanda (2001): Dislocación a la izquierda con clítico y adjuntos de localización temporal. In: Verba. Anuario Galego de Filoloxía 28, 125-158. Scheutz, Hannes (1997): Satzinitiale Voranstellungen im gesprochenen Deutsch als Mittel der Themensteuerung und Referenzkonstitution. In: Schlobinski, Peter (ed.): Syntax des gesprochenen Deutsch. Opladen: Westdeutscher Verlag, 27-54. Stalnaker, Robert (1978): Assertion. In: Syntax and Semantics 9, 315-332. Stark, Elisabeth (1997): Voranstellungsstrukturen und “topic”-Markierung im Französischen. Mit einem Ausblick auf das Italienische. Tübingen: Narr. Tschida, Alexander (1995): Kontinuität und Progression. Entwurf einer Typologie sprachlicher Information am Beispiel des Französischen. Wilhelmsfeld: Egert. Vallduví, Enric (1990): The Informational Component. Ph.D. Dissertation, University of Pennsylvania, Philadelphia. Ward, Gregory/ Birner, Betty J. (2001): Discourse and Information Structure. In: Schiffrin, Deborah/ Tannen, Deborah/ Hamilton, Heidi E. (ed.): The Handbook of Discourse Analysis. Malden: Blackwell, 119-137. Weil, Henri (1844): L’ordre des mots dans les langues anciennes comparées aux langues modernes. Question de grammaire générale. Paris: Joubert. Zagona, Karen (2002): The Syntax of Spanish. Cambridge: Cambridge University Press. Zubizarreta, María Luisa (1998): Prosody, Focus, and Word Order. Cambridge/ London: MIT Press. <?page no="77"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich: Was leisten Tempora eigentlich? Benjamin Meisnitzer, Universität Mainz 1 Tempus - eine Frage der Perspektive? Im folgenden Beitrag soll anhand einer kontrastiven Betrachtung des Tempusgebrauchs im Spanischen und im Deutschen gezeigt werden, dass Tempus primär die Perspektive auf Verbalereignisse denotiert und ‘Temporalität’ folglich nicht mit ‘Zeit(lichkeit)’ gleichgesetzt werden kann. Um Hypothesen bezüglich der Temporalsemantik von Verben zu belegen, ist ein Sprachvergleich unabdingbar. Aus sprachdidaktischer Sicht und besonders im Hinblick auf Fremdsprachendidaktik ist diese Einsicht von Bedeutung, da eine adäquate Selektion der Tempora im Sprachgebrauch von einem systematisch-methodischen Verständnis der Tempora abhängt. 1.1 Tempus aus morphologischer Sicht Verben verweisen auf außersprachliche Sachverhalte mit jeweils typischen Sachverhaltsbeteiligten, den Aktanten, und unspezifischen Umständen, die für zahlreiche Sachverhalte angegeben werden können (Ort, Zeit etc.). Die Verbalereignisse werden durch Tempusselektionen seitens des Sprechers diskursiv zeitlich verortet, weshalb Verben traditionell häufig auch als “Zeitwörter” bezeichnet werden. Hierdurch wird die diskursive Funktion der Tempora jedoch auf die zeitliche Lokalisierung der Verbalereignisse reduziert (cf. Porto Dapena 1989: 11). Dennoch ist es wichtig, festzuhalten, dass innerhalb des Verbalparadigmas die Verbalkategorien Tempus, Modus und Aspekt trotz unterschiedlicher kognitiv-funktionaler Leistungen zusammenfallen. Diese gilt es also zunächst zu differenzieren, um dann der Frage nachzugehen, was Tempus semantisch kodiert, da es bei der punktuellen Anwendung der Tempora nicht immer um ‘Zeitbegrifflichkeit’ geht. Dieser Umstand zieht eine Auffassung von Tempus als Zeitkategorie grundsätzlich in Zweifel. 1 Wie Rojo und Veiga (2000: 2871-2872) betonen, dürfen Tempus und Zeit nicht gleichgesetzt werden, da eine Verwechslung beider einer 1 Eine ähnliche Einschätzung trifft auch für Studien und Grammatiken zu den Tempora für das Deutsche (cf. Rothstein 2007: 1) und für das Spanische (cf. Rojo/ Veiga 2000: 2873) zu. Neben Tempus können auch Temporaladverbien Ereignisse und Verbalhandlungen zeitlich verorten. Im Unterschied zur Verortung durch Verben wird das Ereignis durch Temporaladverbien entweder gegenüber der Sprechzeit (z.B.: sp. ayer; dt. gestern) oder der Referenzzeit (z.B.: sp. el día anterior; dt. am Tag vorher) eingeordnet. Eine doppelte Deixis wie Tempora können Adverbien nicht entfalten. <?page no="78"?> 78 Benjamin Meisnitzer Vermischung von zwei unterschiedlichen Konzeptdomänen entspricht, welche ein Verständnis von Temporalität und deren Funktionsmechanismen auf sprachlicher Ebene verhindert (cf. Rojo/ Veiga 2000: 2872). Tempora werden zwar durch das Merkmal [+Z EITLICHKEIT ] charakterisiert, die deiktische Origo als Nullpunkt des Referenzsystems wird jedoch durch den Sprechakt determiniert und kann folglich nicht mit kognitiven Konzepten von Zeit oder Zeitlichkeit in der außersprachlichen Welt gleichgesetzt werden (cf. Schrott 2012: 329). Tempus als Verbalkategorie umfasst morphologisch Tempora im engeren Sinne, “nämlich in der Gestalt finiter, streng (morphologisch-)flexivischer Verbformen, sowie [...] Tempora im weiteren Sinne, nämlich in der Gestalt zusammengestellter Komplexe finiter und infiniter Verbformen” (Abraham/ Janssen 1989: 4 ). 2 Tabelle 1: Tempora im engeren und im weiteren Sinne aus morphologischer Sicht Tempora im engeren Sinne Tempora im weiteren Sinne Deutsch Präsens, Präteritum Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I Spanisch Presente, imperfecto, perfecto o indefinido, futuro Perfecto compuesto, pluscuamperfecto, futuro perifrástico Es bleibt dabei kontrovers, welche Formen als Bestandteile der Konjugation betrachtet werden dürfen. Während z.B. die RAE (Real Academia Española) sowohl die synthetischen als auch die periphrastischen Formen berücksichtigt (cf. RAE 1973; 2010), gibt es Linguisten wie Hernández Alonso (1984), die in ihren Studien zum Verbalsystem des Spanischen lediglich die synthetischen Formen in Betracht ziehen. Im Folgenden werden zwar sowohl Tempora im engeren als auch im weiteren Sinne berücksichtigt (cf. Tab. 1), jedoch keine weiteren Verbalperiphrasen, die sich neben der morphologischen Komplexität oftmals auch semantisch als komplexer erweisen. 1.2 Tempus innerhalb des TMA-Komplexes Innerhalb des TMA-Komplexes (Tempus-Modus-Aspekt-Komplex) ist es wichtig, die Interdependenzen zwischen den Kategorien zu beachten, wel- 2 Bei den zusammengesetzten Formen unterscheidet man zwischen den Vergangenheitstempora, die meistens als “analytische Tempora” bezeichnet werden (Bsp.: dt. ich habe gegessen vs. sp. he trabajado) sowie den zusammengesetzten Formen des Futurs, die in der Regel als “periphrastische Formen” bezeichnet werden (Bsp.: dt. ich werde ausgehen vs. sp. voy a salir). <?page no="79"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 79 che synchron die Konkurrenz zwischen einer temporalen und einer modalen Lesart beim synthetischen Futur im Spanischen (cf. Meisnitzer 2013) oder diachron die Entwicklung von der primär aspektuellen Lesart der lateinischen Form habēre + Partizip Perfekt zu einer primär temporalen Semantik im Spanischen (cf. Detges 2001) erklären. Tempus stellt folglich keine isolierte grammatische Kategorie dar, sondern eine dynamische, bei der es aus diachroner Sicht zu Sprachwandelprozessen in der unumkehrbaren Entwicklungsrichtung Aspekt > Tempus > Modus kommt. Außersprachliche Ereignisse werden zeitlich und sequenziell kodiert (cf. Evans 2004: 15). Dabei besteht eine starke Affinität zwischen den Kategorien Raum und Zeit, die sich auch in unseren sprachlichen Ausdrücken für Zeit widerspiegelt. 3 Gemeinsam haben beide Kategorien das Merkmal [+D IS - TANZ ], welches die Grundvoraussetzung für grammatische Deixis ist. Durch die grammatischen Kategorien des TMA-Komplexes kann der Sprecher einen Perspektivenwechsel vornehmen, indem er eine Verbalhandlung von innen in ihrem Verlauf, als etwas Inhomogenes, Teilbares (imperfektiver Aspekt [-D ISTANZ ]), oder von außen als etwas Punktuelles, Homogenes und Unteilbares (perfektiver Aspekt [+D ISTANZ ]) betrachtet. Aspektualität kann dabei sowohl auf grammatischer Ebene durch die Kategorie Aspekt und auf lexikalisch-semantischer Ebene durch die Aktionsarten als auch auf lexikalischer Ebene durch Kodierung der Art und Weise der Verbalsituation in der Semantik des Verbstamms (Bsp.: dt. suchen ipf. sp. buscar ipf. vs. dt. finden pf. sp. encontrar pf. ) 4 denotiert werden (cf. Leiss 1992: 37-45). Auf temporaler Ebene ist eine Dislokation gegenüber der natürlichen Sprecherlokalisation im ‘Jetzt’ durch Nonpräsens-Tempora möglich. Durch Modus denotiert der Sprecher seine Einschätzung der Proposition und kann eine persönliche Distanzierung gegenüber dem Gesagten ausdrücken. Durch die Entwicklungslogik weisen Tempusformen in der Regel auch keine rein temporale Semantik auf und die semantischen Domänen Aspektualität, Temporalität und Modalität erscheinen grundsätzlich verschränkt. 1.3 Tempus als deiktische Kategorie zur Kodierung der temporalen Perspektive auf die Verbalereignisse Tempus, ein geschlossenes Set an grammatischen Formen, das die Verlagerung des deiktischen Zeigefeldes ermöglicht, basiert folglich auf der Festle- 3 Man denke an antes und después, die als Temporaladverbien einer Übertragung räumlicher Vorstellungskonzepte auf die Kategorie Z EIT entsprechen. 4 Im Fall von suchen handelt es sich um ein aus mereologischer Sicht teilbares, additives Verb, während finden ein unteilbares, nonadditives Verb ist, weshalb die Semantik des Verbstamms eine Außenperspektive veranlasst. Der Vorgang des Findens ist punktuell und somit ist bereits im Verbstamm eine perfektive Aspektualität kodiert, die natürlich durch aspektuelle Modifikatoren verändert werden kann. <?page no="80"?> 80 Benjamin Meisnitzer gung eines deiktischen Nullpunkts, der in der Regel mit dem Sprechzeitintervall übereinstimmt, und der Lokalisierung der Verbalereignisse gegenüber diesem. Die Tempora ermöglichen eine Spaltung in einen Sprecher (= Sprechzeit) 5 und einen Betrachter (= Referenzzeit). 6 Der Sprechakt in seiner Extension - deshalb wird hier auch der Begriff Sprechzeitintervall gegenüber dem klassischen Begriff des Sprechzeitpunkts bevorzugt (in Anlehnung an Bennett/ Partee 2004 [1978]: 69ff.) - bildet den deiktischen Nullpunkt. Dass eine Beschreibung von Tempus als Ausdruck der Relation zwischen Ereigniszeit (E) und Sprechzeit der Komplexität der Kategorie nicht gerecht wird, wurde bereits erläutert: Der Betrachter kann mit dem Sprecher zusammenfallen oder sich am von der Referenzzeit (R) festgelegten Zeitpunkt situieren. In (1) bildet das Verbalereignis im indefinido (pusimos) den Referenzpunkt für das Verbalereignis im Plusquamperfekt (había oscurecido). Das gleiche gilt für (2). Beide Verbalereignisse lokalisieren sich vor dem deiktischen Nullpunkt - im Fall der gesprochenen Sprache dementsprechend in der Regel vor dem Zeitintervall des Sprechaktes. (1) Apenas había oscurecido (E) nos pusimos (R) en camino. (Cartagena 2000: 2954) (2) Er hatte gerade gegessen (E), als seine Mutter ankam (R). Die Referenzzeit kann auch durch den Kontext angegeben werden, und zwar in Form einer “temporal location time” (Rohrer 1986: 85) mittels eines Temporaladverbiales (T adv ) (aquel día; an jenem Tag), das den temporalen Anker bildet, oder durch eine durch den Ko- oder Kontext festgelegte zeitliche Verortung: (3) Aquel día Tadv había hecho (E) las tareas. (4) An jenem Tag Tadv hatte er die Hausaufgaben gemacht (E). Die eingangs formulierte Frage, ob Tempus eine perspektivische Funktion hat, kann somit bejaht werden, ohne dass den Tempora gänzlich eine temporale Bedeutung abgesprochen wird. Diese ist durchaus festgelegt, das heißt, die jeweiligen Tempusmorpheme kodieren in den jeweiligen Einzelsprachen eine bestimmte Perspektive auf die Verbalereignisse. Bedeutungsmodifikationen, welche die Annahme der Polysemie gewisser Tempora ver- 5 In Klammern wird Bezug auf die Reichenbach’sche Terminologie genommen, in der die Verortung der Verbalereignisse im Hinblick auf die Parameter time of event (‘Ereigniszeit’), time of reference (‘Referenzzeitpunkt’) und time of speech (‘Sprechzeitpunkt’) vorgenommen wird. 6 Reichenbach führt die time of reference als Bezugspunkt für das Plusquamperfekt ein (cf. Reichenbach 1960 [1947]: 289-298). Es erweist sich jedoch als sinnvoll, den Bezugspunkt bei der Beschreibung aller Tempora heranzuziehen und Überlappungen zweier Parameter anzunehmen, da die jeweiligen Lokalisierungen unterschiedliche Perspektivierungen der Verbalereignisse kodieren. <?page no="81"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 81 anlassen, sind das Ergebnis des Zusammenspiels zwischen einem Verb mit selegiertem Tempus und dem Ko- oder Kontext. Durch den referentiellen Charakter der Tempora ist Tempus eine deiktische Kategorie, die dazu dient, die präsentische Innenperspektive außerhalb der erfahrenen Gegenwart aufzubauen und dadurch Deixis zu ermöglichen, die unabhängig von dem ‘Hier und Jetzt’ des Sprechers ist. Die Perspektivensetzung erfolgt jeweils durch die Relation zwischen Referenz- und Ereigniszeit (cf. Carrol/ Stutterheim/ Klein 2003 gegen Comrie 1985: 9), wobei die Referenzzeit den ‘Angelpunkt’ festlegt, für den die Äußerung assertiert wird (cf. Klein 1994: 37). Nach dieser kognitiv-funktionalen Erklärung von Tempus sollen nun unter Rückgriff auf die hier vorgeschlagenen Erklärungsansätze die Tempussysteme im Deutschen und im Spanischen kontrastiv betrachtet und die wichtigsten Unterschiede herausgearbeitet werden. 2 Temporalsysteme des Deutschen und des Spanischen im Vergleich 2.1 Die Polyfunktionalität des Präsens Das Präsens als unmarkiertes Grundtempus erweist sich als weitaus komplexer und problematischer als es auf den ersten Blick erscheint. Denn es kann sowohl im Spanischen als auch im Deutschen Ereignisse gleichzeitig zur Sprechzeit (5-6), nach der Sprechzeit (7-8) und teils auch vor der Sprechzeit (9-10) (zumindest in gewissen Kontexten) lokalisieren. (5) En estos momentos llueve en Galicia. (Rojo/ Veiga 2000: 2911) (6) Es regnet gerade in München. (7) Las vacaciones empiezan este fin de semana. (8) Die Schulferien in Österreich beginnen dieses Wochenende. (9) Te cuento: ayer voy tan tranquilo por la calle cuando aparece un chiflado en una moto que casi me atropella. (Rojo/ Veiga 2000: 2891) (10) Ich kann dir sagen: Gestern gehe ich am Rhein spazieren und sehe plötzlich eine leblose Person im Wasser treiben. Diese Polyfunktionalität und die Frage nach der Grundsemantik des Präsens wird im Folgenden anhand der erarbeiteten Auffassung von Verbalsemantik erläutert. 2.1.1 Die natürliche Präsupposition: der Ausdruck von ‘H IER und J ETZT ’ Das Präsens bildet sowohl im Spanischen als auch im Deutschen die morphologisch unmarkierte Kategorie und ist das als erstes erworbene und am meisten gebrauchte Tempus (cf. Sánchez Prieto 2010: 60). Es besteht lediglich <?page no="82"?> 82 Benjamin Meisnitzer aus der Wurzel und Endungen, die Person und Numerus denotieren, und entspricht der prototypischen kanonischen Kommunikationssituation (‘ego, hic et nunc’). Das Präsens charakterisiert sich semantisch durch den Zusammenfall von Sprecher und Betrachter, obwohl deren Spaltung eigentlich das kennzeichnende Merkmal von Tempus ist. Im Sinn der Markiertheitstheorie von Jakobson entspricht das Präsens daher auch der Unmarkiertheit (cf. Coseriu 2007: 97), da in Opposition zu anderen Tempora keine eigenen Merkmale determinierend sind, sondern es sich um eine unterspezifizierte Realisierung handelt [-Markiert]. Die denotierte Perspektive entspricht der natürlichen Präsupposition und der natürlichen Sprecherlokalisation im ‘Hier und Jetzt’. (11) La policía dispersa la manifestación con gas lacrimógeno. (adaptiert von: Rojo/ Veiga 2000: 2891) In (11) fallen Ereigniszeit (E), Referenzzeit (R) und Sprechzeit (S) zusammen (E, R, S). Der Sprecher beschreibt, was er aus seiner Innenperspektive wahrnimmt. Die Ereignisse werden in ihrem Verlauf betrachtet. Der Satz kann auch ins Deutsche übertragen werden (12): (12) Die Polizei löst die Demonstration mit Tränengas auf. Natürlich könnten (11) und (12) auch als Bilderklärung verwendet werden. In diesem Fall würde trotz der außersprachlichen Lokalisierung der Ereignisse vorzeitig gegenüber der ‘Versprachlichung’ des Bildes eine ‘H IER und J ETZT ’-Perspektive eingenommen werden, ähnlich wie es bei den Medien Bild, Gemälde oder Fotografie der Fall ist (cf. Rojo/ Veiga 2000: 2891). Der Sprecher verlässt seine eigene Perspektive im außersprachlichen ‘H IER und J ETZT ’ und nimmt die Perspektive des Betrachters ein. Das Präsens in seiner charakteristischen deiktischen Funktion denotiert, dass der Sprecher das Geschehen aus der Binnenperspektive betrachtet und präsentiert (cf. 11 und 12). Diese Einsicht wird noch für eine Erklärung des historischen Präsens von Bedeutung sein (siehe Abschnitt 2.1.2). Im Spanischen wird eine solche Innenperspektive auf das Verbalereignis in seinem Verlauf jedoch meistens durch die Verlaufsform, bestehend aus dem Semi-Auxiliar estar + Gerundium, denotiert (13). (13) Ahora mismo TAdv estoy escribiendo una carta. Das spanische einfache Präsens veranlasst eher eine iterative Lesart als das deutsche Präsens, weshalb in der Regel auf eine Verbalperiphrase zurückgegriffen wird, um Progression auszudrücken. 7 Geeignete Temporaladverbia- 7 Die Option einer Progressivform besteht im Deutschen natürlich auch durch die Periphrase am/ beim + Infinitiv. Diese erscheint jedoch in ihrem Gebrauch wesentlich markierter als im Spanischen, wo die periphrastische Form eher die reguläre Form zum Ausdruck von Progressivität ist. Die Präferenz lässt sich jedoch weder unter <?page no="83"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 83 lien können in beiden Sprachen - wie in (13) und (14) - den Gegenwartsbezug unterstützen, präzisieren oder einen zeitlichen Rahmen setzen (cf. Dudenredaktion 2006: 511; Rojo/ Veiga 2000: 2870). (14) Ich schreibe gerade TAdv einen Brief. Bei iterativen Verbalhandlungen oder allgemeingültigen Wahrheiten wird sowohl im Spanischen als auch im Deutschen das Präsens verwendet (cf. (15) und (16)) (allgemeingültiges oder omnitemporales Präsens). In diesem Fall trifft die Assertion der Aussage für die Sprechzeit zu, dehnt sich jedoch über diese hinaus in die Vor- und die Nachzeitigkeit aus. Die Referenzzeit ist aber auch in diesem Fall das ‘H IER und J ETZT ’, d.h. der Wahrheitswert des Inhalts der Aussage muss dem Sprechzeitintervall entsprechen - unabhängig von möglichen Modifikationen, beispielsweise durch erneute wissenschaftliche Einsichten. (15) La Tierra es redonda. (16) Die Erde ist rund. Das Präsens kann jedoch sowohl im Spanischen als auch im Deutschen Ereignisse in kontextueller Abhängigkeit vor- oder nachzeitig gegenüber der Sprechzeit verorten, was unter deutschen Sprachwissenschaftlern zu einer Auffassung des Präsens als “Untempus” (Zeller 1994: 67-68) oder “Atemporalis” geführt hat (Vennemann 1987: 242-243). Eine solche Auffassung erweist sich jedoch für beide Sprachen als semantisch inadäquat, da die Voraussetzung hierfür wäre, dass man das Präsens in allen Kontexten gleichermaßen verwenden kann. Es lassen sich jedoch sowohl im Deutschen als auch im Spanischen ohne Schwierigkeiten Kontexte finden, in denen das nicht zutrifft (17-19). (17) *Gestern reist er nach Madrid. (18) *Gestern sitze ich im Kino. (Rothstein 2007: 33) (19) *Ayer Juan viaja a Madrid. 2.1.2 Präsens zum Ausdruck vorzeitiger Ereignisse: das historische Präsens Unter Bezug auf Gelhaus (1969) kritisiert Kluge (1969: 64) als einer der ersten die Auffassung des historischen Präsens als eine “Randform” und betont, dass es sich um eine von mehreren möglichen Verwendungsweisen des Präsens handelt. Ausschlaggebend hierfür ist die Frequenz der Benutzung. Kluges Schlussfolgerung, das Präsens sei die allgemeinste der möglichen Formen des Verbs, in der lediglich der Inhalt des Verbs aktualisiert und einem Träger zugeordnet wird (cf. Kluge 1969: 64), erweist sich jedoch ange- Berücksichtigung des Merkmals [Transitivität] noch des Verbalcharakters erklären. In der Regel konkurrieren beide Formen und werden nach pragmatischen Kriterien der Intention des Sprechers und der Expressivität eingesetzt. <?page no="84"?> 84 Benjamin Meisnitzer sichts der hier zugrunde gelegten Annahme des Ausdrucks von Perspektivik durch Tempus als problematisch. Betrachtet man (20) und (22), so fällt auf, dass das historische Präsens im Spanischen ohne Weiteres durch ein Vergangenheitstempus ersetzt werden kann, obwohl die aspektuelle Opposition imperfecto - indefinido neutralisiert wird, da das Präsens eine Innenperspektive auf die Verbalereignisse ohne Berücksichtigung der Konturen ausdrückt. (20) Te cuento: ayer voy yo tan tranquilo por la calle cuando aparece un chiflado en una moto que casi me atropella. (Rojo/ Veiga 2000: 2891) (21) (? )Ich kann dir sagen: gestern laufe ich die Straße entlang, als plötzlich ein Verrückter auf einem Motorrad aufkreuzt und mich beinahe überfährt. (22) Te cuento: ayer iba yo tan tranquilo por la calle cuando apareció un chiflado en una moto que casi me atropelló. (Rojo/ Veiga 2000: 2891) (23) Ich kann dir sagen: gestern lief ich die Straße entlang, als plötzlich ein Verrückter auf einem Motorrad aufkreuzte und mich fast überfahren hat. Im Deutschen ist eine Ersetzung des historischen Präsens (HP) durch das Präteritum ebenfalls möglich. Bei der Verwendung des historischen Präsens muss allerdings das Verbalereignis, das unmittelbar an das Temporaladverbial gekoppelt ist, in der Regel anders als im Spanischen im Präteritum wiedergegeben werden. Deshalb ist eine direkte Übertragung ins Deutsche wie in (21) nur in der gesprochenen Sprache und auch hier nur in bestimmten Kontexten möglich (anders als (24)). (24) Gestern ging Präteritum ich zur Arbeit, als plötzlich mein Chef vor mir steht HP . In den Beispielen (20), (21) und (24) wird die temporale Perspektive (E,R,S) auf die Verbalereignisse veranlasst, während Präteritum und indefinido die Perspektive (E,R<S) kodieren. Obwohl in (20) bis (24) die Verbalereignisse vorzeitig zur Sprechzeit verortet sind, veranlassen lediglich die Vergangenheitstempora eine temporale Dislokation des Betrachters (R). In (20), (21) und (24) wird ein Spannungsfeld zwischen der durch das präsentische Verb denotierten Semantik und der kontextuellen Lokalisierung der Ereignisse durch das Temporaladverb (sp. ayer, dt. gestern) erzeugt. Es findet ein Bruch mit der kontextuellen Erwartung des Adressaten statt. Das Temporaladverbial veranlasst einen Reinterpretationsprozess im Adressaten, um Sinnkontinuität zu stiften. Es findet somit (zumindest fiktiv) eine Aktualisierung der Vergangenheit statt, da der Sprecher/ Erzähler die Perspektive wechselt und die des erlebenden Subjekts oder eines am Verbalereignis beteiligten Agens einnimmt. Das historische Präsens leitet somit einen Perspektivenwechsel ein. Es ist wichtig, diese Form des praesens historicum nicht mit dem <?page no="85"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 85 praesens tabulare zu verwechseln, welches immer an einen unmittelbaren kalendarischen temporalen Anker gebunden ist und durch das Spannungsfeld zwischen der kalendarischen Angabe und dem selegierten Tempus die Assertion aktualisiert, deren Wahrheitswert auch in der Gegenwart noch gilt: (25) Colón descubre América en 1492. (26) 1978 erhält Mutter Theresa den Friedensnobelpreis. Das historische Präsens als markierte Form innerhalb des Diskurses darf auch nicht mit dem sogenannten narrativen oder epischen Präsens (siehe Abschnitt 2.1.3.) verwechselt werden, welches man sowohl im Spanischen als auch im Deutschen in modernen Romanen, die durchgängig im Präsens erzählt sind, findet. 2.1.3 Das Präsens als Erzähltempus in narrativen Diskurstraditionen: markiertes historisches vergangenheitsaktualisierendes Präsens vs. unmarkiertes narratives Präsens Beim Gebrauch des Präsens als Erzähltempus in narrativ geprägten Diskurstraditionen muss zwischen dem historischen und dem narrativen Präsens unterschieden werden. Das historische Präsens entspricht einer markierten Verwendung in einem narrativen Text, in dem das Präteritum im Deutschen bzw. das Zusammenspiel imperfecto/ indefinido im Spanischen jeweils das Erzähltempus ist. Es geht hierbei also in den nicht-dialogischen Passagen um die Tempora der Erzählsubstanz, da die deiktische temporale Referenz für dialogische Passagen durch den Kontext, in dem die direkte Rede erfolgt, determiniert wird. 8 Der Verstoß gegen die Erwartung einer Tempusmarkierung zwingt den Leser zu einem Reinterpretationsprozess, da die Identität von Ereigniszeit, Referenzzeit und Sprechzeit simuliert wird, obwohl diese nicht gegeben ist. Der Sprecher versetzt im ‘Hier und Jetzt’ der Sprechzeit 9 (fiktiv) den Betrachter noch einmal in die erzählte Situation, indem er auf die Markierung der temporalen Distanz verzichtet. Es findet dadurch ein Perspektivenwechsel vom Erzähler zum Protagonisten oder zu einem auf figuraler Ebene direkt involvierten Beobachter statt. (27) Jeder hier hat HPr. seine Gegenwart. Jeder hier berührt HPr. mit seinen Gummigaloschen oder Holzschuhen den Boden, und sei es zwölf Meter 8 Die Figuren sprechen im Augenblick der erzählten Ereignisse und nehmen daher nicht den deiktischen Nullpunkt der Erzählung als temporalen Anker ein, sondern sind, sofern es sich um direkte Rede handelt, unmittelbar im Kontext der Erzählung verankert. 9 Im Kommunikationsmodell von Romanen entspricht die Sprechzeit jener Zeit, zu der der Erzähler das Wort ergreift und die Geschichte dem Leser erzählt. Angesichts der nicht existierenden außersprachlichen Referenz in fiktionalen, narrativen Erzählungen kann der Text selbst festlegen, ob dieser deiktische Nullpunkt mit der Gegenwart des Lesers übereinstimmen soll oder nicht. Der Text gibt durch die Tempusselektion die Perspektive auf die fiktionale Welt der Diegese vor. <?page no="86"?> 86 Benjamin Meisnitzer unterhalb der Erde im Keller, und sei es auf dem Schweigebrett. Wenn der Albert Gion und ich nicht gerade arbeiten HPr. , sitzen HPr. wir dort auf der Bank aus zwei Steinen und einem Brett. Im Drahtgitter brennt Pr. die Glühbirne, im offenen Eisenkorb ein Koksfeuer. Wir ruhen HPr. uns aus und schweigen HPr. . [...]. Zu Weihnachten hatte ich von meinem Vater ein Buch bekommen PP [...]. (Müller 2009: 215) Dieser Präsenstyp charakterisiert sich durch eine Einbettung in einen explizit vergangenen Kontext, was insbesondere durch die Verortung vorzeitiger Ereignisse im Plusquamperfekt im Beispiel (27) deutlich wird. Nachzeitige Ereignisse werden in der Regel im Konditional als Zukunft in der Vergangenheit denotiert. 10 (28) Crujieron Perf sus dientes y con brazo vigoroso levantó Perf en el aire, como a una ligera paja, el cuerpo esbelto y delicado del joven inglés. Pero una súbita e incomprensible mudanza se verifica HPr en aquel momento en su alma, pues se queda HPr inmóvil y sin respiración cual si lo subyugase el poder de algún misterioso conjuro. (Gómez de Avellaneda 2013: 137) Grundsätzlich ist das historische Präsens im Deutschen viel produktiver als in spanischen Romanen, wobei man es im Spanischen sehr häufig in historiographischen Texten findet (cf. Schrott 2012: 330). Man muss zwischen historischem Präsens und narrativem Präsens unterscheiden (cf. Meisnitzer 2012), welches vorliegt, wenn in einer narrativen Textsorte das Präsens das Erzähltempus ist. Diese Romane, die man sowohl im Spanischen als auch im Deutschen findet (Bsp.: La Higuera (2006) von Ramiro Pinilla (29) oder Die Klavierspielerin (1983) von Elfriede Jelinek (30)), zeichnen sich durch die Aneinanderreihung von kürzeren Sätzen, Adverbialien und Konjunktionen zur Erzeugung von narrativer Progression aus, 11 da das Präsens diese angesichts seines imperfektiven aspektuellen Charakters nicht erzeugen kann. Es handelt sich bei diesem Gebrauch, bei dem die Erzählung durchgängig im Präsens vollzogen wird und vorzeitige Ereignisse im analytischen Perfekt und nachzeitige im Futur denotiert werden, um ein neues Erzählmuster. 10 Es besteht natürlich noch die Möglichkeit, innerhalb der Passage dieselbe temporale Referenz wie das Präsens zu verwenden, was sich durch den Perspektivenwechsel erklären lässt. Sobald jedoch wieder die Perspektive des Erzählers eingenommen wird, erfolgt die Erzählung in Vergangenheitstempora und Vor- und Nachzeitigkeit nehmen diese als temporale Referenz. Diese Wahlfreiheit seitens des Autors/ Erzählers ist ein weiteres Indiz dafür, dass Tempora eine primär perspektivische Leistung haben. 11 Durch das Fortschreiten der Handlung bleibt der Referenzpunkt in narrativen Sequenzen nicht statisch, sondern es wird immer wieder ein neuer temporal perspective point gesetzt. <?page no="87"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 87 (29) Ha dejado PC de llover. Desde hace seis días, en esta tierra española ningún enemigo puede Pr. escapar a nosotros. Luis, Salvador, Eduardo, Fructuoso y yo recorremos Pr. las calles de Getxo con el equilibrio espiritual que ha de sentir Fut. el zorro en un gallinero. Pedro Alberto se reunirá Fut. más tarde con nosotros en la comisaría. (Pinilla 2006: 68; Hervorhebung B.M.) (30) Da er [‘Klemmer’, Anm. B.M.] als Zuneigung diagnostiziert Pr. , was ihn mit Erika vereint Pr. , gibt Pr. Klemmer wieder einmal nicht auf, sondern setzt Pr. sich erneut stramm fest, mit den Vorderbeinen flink sondierend, mit den Hinterbeinen eilfertig nachsetzend. (Jelinek 2007 [1983]: 163; Hervorhebungen B.M.) Durch den Zusammenfall von Ereigniszeit, Referenzzeit und Sprechzeit werden die Ereignisse der Diegese in das ‘H IER und J ETZT ’ der fiktionalen Sprechsituation, die Romanen und Kurzerzählungen zugrunde liegt, transferiert. Es ist hierbei wichtig, festzuhalten, dass die Formen der Konzeptualisierung und Präsentation von Ereignissen zwar einerseits einzelsprachlich gebunden, darüber hinaus jedoch kultur- und epochenspezifisch sind und kultur- und epochenspezifisch wirken (cf. Zifonun 2000: 321). 2.1.4 Das Präsens für nachzeitige Verbalereignisse: das praesens pro futuro Auch beim praesens pro futuro liegt die präsentische Grundsemantik (E,R,S) vor und nicht die vermeintliche zeitliche Unmarkiertheit oder Neutralität der Form erklären die Verwendung. Ereignisse, die in der Nachzeitigkeit zur Sprechzeit stattgefunden haben, werden in die Gegenwart ‘hineingeholt’, da das in der Zukunft zu realisierende Ereignis in der Gegenwart bereits als Plan oder Beschluss besteht und damit ‘präsentische’ Gültigkeit besitzt (cf. Schrott 2012, 330). Das heißt, der assertierte Sachverhalt besitzt bereits zur Zeit des Akts des Sprechens Gültigkeit, da er geplant oder beschlossen ist (31, 32 und 33). (31) Esta noche TAdv habla el Presidente del Gobierno por la televisión. (Porto Dapena 1989: 51) (32) La semana que viene TAdv voy de vacaciones. (33) Nächste Woche fahre ich in Urlaub. Diese Formen werden in beiden Sprachen häufig von einem Temporaladverbial, welches die zeitliche Lokalisierung des Ereignisses bzw. das Zeitintervall determiniert, in dem es sich ereignen wird, begleitet. Sofern eine nachzeitige Verortung des Ereignisses aus dem Kontext hervorgeht, ist dies nicht unbedingt erforderlich. Ähnlich wie beim historischen Präsens wird ein Spannungsfeld zwischen der denotierten Perspektive und der zeitlichen Verortung durch die Temporaladverbialie erzeugt - wodurch das Verbalereignis aus einer ‘Hier und Jetzt’-Perspektive betrachtet wird. Durch die <?page no="88"?> 88 Benjamin Meisnitzer vom Präsens lizenzierte Aktualisierung der Ereignisse und die denotierte Innenperspektive wird die Verbalhandlung als unmittelbare Realität und als festgelegte Gegebenheit betrachtet. Dies erklärt die hohe Frequenz der Verwendung bei Ereignissen in der nahen Zukunft, die sowohl für das Deutsche wie auch für die romanischen Sprachen charakteristisch ist (cf. Di Meola 2013: 238-240). Besonders in der gesprochenen Sprache ist das praesens pro futuro im Spanischen sowohl in Spanien als auch in Hispanoamerika beliebt, und es scheint derzeit eine gewisse Neutralisierung der semantischen Opposition zwischen dieser Form und dem synthetischen Futur stattzufinden (cf. Rojo/ Veiga 2000: 2905). Dennoch weist das praesens pro futuro im Spanischen keine so systematische Verwendung wie im Deutschen auf, wo es zum regulären Ausdruck des Futurs nonadditiver Verben verwendet wird (cf. Leiss 1992: 226), ohne ein Temporaladverbiale zu benötigen. (34) Ich finde meine Schlüssel. (S,R,E) (35) Ich schicke dir eine Mail. (S,R,E) Die aspektuelle Inkompatibilität des Verbalcharakters mit einer Innenperspektive in (34) und (35) veranlassen den Adressaten, die Proposition als (S<R,E) zu reinterpretieren. Nonadditive Verben (Bsp.: verblühen, sterben, finden) erweisen sich aufgrund ihres telischen Verbalcharakters, der bereits lexikalisch im Stamm kodiert ist, als wenig präsenskompatibel, da sie die für das Präsens charakteristische ‘hic et nunc’-Innenperspektive nicht zulassen. Sie müssen also reinterpretiert werden. Im Spanischen ist die Verwendung des synthetischen Futurs in diesen Fällen häufiger, da es stärker grammatikalisiert ist als im Deutschen. Da das Deutsche als germanische Sprache im Sinne von Ultan (1978) zu den prospektiven Sprachen zählt, weist das Präsens eine stärkere Affinität zum Futur auf als zur Vergangenheit. Das Präsens von nonadditiven Verben entfaltet daher auch kontextfrei und ohne die Notwendigkeit eines temporalen Spezifikators eine futurische Lesart. Es bleibt schon einmal festzuhalten, dass im Deutschen das Präsens für nachzeitige Ereignisse häufiger vorkommt als im Spanischen, wo die synthetische Futurform stärker grammatikalisiert ist als das deutsche werden + Infinitiv-Futur. <?page no="89"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 89 2.2 Der Ausdruck von Vorzeitigkeit: Tempus und unterschiedliche Perspektiven auf vorzeitige Ereignisse 2.2.1 Aspekt und der Ausdruck von vorzeitigen Ereignissen: ein zentraler Unterschied zwischen dem romanischen und dem germanischen Tempussystem Im Spanischen ist die Zeitstufe der ʻVergangenheitʼ von der aspektuellen Opposition zwischen dem perfektiv markierten indefinido oder perfecto simple und dem imperfektiven imperfecto geprägt. Beim indefinido werden die Konturen und Grenzen des Verbalereignisses fokussiert, während das imperfecto die zeitlichen Grenzen ausblendet. 12 (36) Juan llegó (V1) a casa, mientras yo dormía (V2). Das indefinido dient dazu, Ereignisse in der Vergangenheit zu versprachlichen, die abgeschlossen sind. Die Perspektivierung berücksichtigt dabei die temporale Begrenztheit der Ereignisse unter Berücksichtigung von deren Anfang und Ende. In (36) wird daher das Ankommen von Juan in vollem Umfang fokussiert, während das Verbalereignis des Schlafens vom Sprecher lediglich als Gegebenheit im Zeitintervall der perfektiven Handlung betrachtet wird, ohne dessen Konturen zu fokussieren. Dadurch erscheint das Ereignis als Hintergrund gegenüber der Handlung llegar, die im vollen Umfang ihrer zeitlichen Begrenztheit betrachtet wird. Gleichzeitig kann mittels der aspektuellen Opposition der beiden Vergangenheitsformen auch der iterative Charakter der Verbalhandlung ausgedrückt 13 und das vorzeitige Ereignis von einer Innenperspektive aus fokussiert werden (37): (37) En las vacaciones, visitábamos a nuestros abuelos. (38) Aquí estuvo la estación de autobuses. (Rojo/ Veiga 2000: 2908) (39) Aquí estaba la estación de autobuses. (Rojo/ Veiga 2000: 2908) In (38) und (39) handelt es sich um dasselbe Ereignis, das lediglich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird, wie Rojo und Veiga festhalten: “En el primer caso se expresa el proceso como directamente anterior al origen, lo que trae como consecuencia normal que el mismo proceso haya concluido con anterioridad a la localización de este punto. En el segundo caso el proceso estar recibe el mismo enfoque que un ‘presente’ le conferiría desde el 12 Diese Ausblendung darf nicht mit einer Nicht-Existenz verwechselt werden, denn die Ereignisse sind lediglich mit perfektiven Ereignissen in der Vorzeitigkeit, die innerhalb desselben Zeitintervalls auf der Zeitlinie verortet sind, kotemporal, jedoch zur Sprechzeit eindeutig abgeschlossen (cf. Schrott 2012: 331). 13 Auch hier spielt die Perspektive, die der Sprecher auf die Verbalereignisse vermitteln möchte, wieder eine entscheidende Rolle, denn die Ereignisse können natürlich als punktuell wiederkehrend betrachtet werden. In diesem Fall wird das indefinido herangezogen (Bsp.: El tartanero se hizo repetir dos veces la dirección. cf. Schrott 2012: 332). <?page no="90"?> 90 Benjamin Meisnitzer punto de origen, pero ahora orientado desde un momento anterior […].” 14 (Rojo/ Veiga 2000: 2908) Die Besonderheit beim Imperfekt besteht darin, dass das Ereignis in seinem Verlauf retrospektiv betrachtet wird. Das Verbalereignis ist demnach vor der Sprechzeit lokalisiert und die Referenzzeit ist nicht nur, wie beim indefinido (E,R<S), kotemporal mit der Ereigniszeit, sondern das Referenzzeitintervall ist im Ereigniszeitintervall eingeschlossen (R⊆ E<S) (cf. Becker 2010: 84-85). So entsteht der Unterschied zwischen Innenvs. Außenperspektive, je nach dem, ob indefinido oder Imperfekt selegiert wird . Bei dem für die romanischen Sprachen charakteristischen und hochgradig produktiven imperfecto de cortesía wurde die temporale Bedeutung bereits reinterpretiert. In der Folge hat die Form eine Funktion in der Verbalkategorie Modus übernommen. Durch die Distanzierung gegenüber der Aussage verortet der Sprecher den Beschluss, seine Handlung zu vollziehen, in der Vorzeitigkeit und macht deren Durchführung vom Adressaten abhängig. Durch die Grammatikalisierung der Form veranlasst diese eine modale Lesart. (40) Quería que me echase usted una mano. (Porto Dapena 1989: 98) Im Deutschen kann Kotemporalität und Iterativität in der Vergangenheit nur lexikalisch ausgedrückt werden, da im Gegensatz zum Spanischen kein aspektuelles Oppositionspaar zum Ausdruck von vorzeitigen Ereignissen zur Verfügung steht. 2.2.2 Aspektualität und narrative Progression: indefinido und imperfecto in narrativen Texten Bei traditionellen Romanen und Erzählungen mit Vergangenheitstempora als Leittempus dienen das Präteritum im Deutschen und das indefinido im Spanischen zur Aktualisierung der Referenzzeit. Bei deiktischer Referenz veranlassen perfektive Verben eine Aktualisierung der Lokalisierung des Betrachters und dadurch der Referenzzeit, die vorangetrieben wird. (41) El tren salió. Yo fui para casa. (42) Mein Bruder fuhr los. Ich ging nach Hause. In (41) entsteht durch das Setzen neuer Referenzzeiten mittels deiktischer Tempora narrative Dynamik im Text und es wird narrative Progression erzeugt (cf. Smith 2004: 605). (42) Ocurrió (V1) un accidente muy violento, cuando íbamos (V2) para el trabajo. 14 Den origen kann man mit der Referenzzeit identifizieren. - . <?page no="91"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 91 Das imperfecto als anaphorisches Tempus ist kotemporal mit dem vorausgehenden oder darauffolgenden perfektiven Verb, welches als temporaler Anker dient. In (42) ist (V1) der Ausgangspunkt der Betrachtung; die Verortung auf der Zeitlinie von (V2) wird durch den anaphorischen Bezug auf (V1) determiniert. Der Betrachter ‘bleibt’ bei (V1) ‘stehen’ und (V1) und (V2) nehmen somit Bezug auf denselben Referenzzeitpunkt. 2.2.3 Verbalereignisse in der Vorzeitigkeit zur Sprechzeit: der Unterschied von Präsensperfekt vs. Präteritum und perfecto compuesto vs. indefinido Das (analytische) Perfekt, oftmals auch als Präsensperfekt (43) bezeichnet, dient als Vorzeitigkeitstempus im Verhältnis zur Sprechzeit, wobei die Betrachtung des Verbalereignisses von dieser aus erfolgt (44), sofern noch zwischen Perfekt und Präteritum differenziert wird. Man beachte jedoch, dass hier das Deutsche diatopische Variation verzeichnet und dementsprechend manche Sprecher keinerlei semantischen Unterschied zwischen beiden Formen erkennen. (43) Es hat geregnet. (E<R,S) (44) Er wohnte damals schon mehrere Jahre auf dem Land. (E,R<S) Beim Präsensperfekt, einer morphologischen Hybridform, gebildet aus Präsens von haben oder sein und dem Partizip des Vollverbs, wird das Verbalereignis vom temporalen Standort des Sprechers betrachtet, während beim Präteritum der Betrachter in das Ereigniszeitintervall transponiert wird und eine ‘Zeitreise’ vollzieht. 15 Das Verbalereignis ist wie beim Präteritum in der Vorzeitigkeit zur Sprechzeit verortet, lediglich die Perspektive auf das Verbalereignis ist eine andere. Ein Temporaladverbiale kann dabei auch ein Ereignis in einer ferneren Vergangenheit situieren; die Perspektivierung erfolgt dennoch vom Sprechzeitintervall aus. (44) Anna ist vor einiger Zeit TAdv krank gewesen. (Dudenredaktion 2006: 513) Die denotierte Perspektive ist das Ergebnis eines Spannungsfeldes zwischen haben bzw. sein im Präsens, welches affin zu einer Innenperspektive ist, und dem abgeschlossenen und punktuellen Charakter des Partizips. Im Flexionsparadigma des Deutschen wird Aspekt nur rudimentär und ausschließlich in Vergangenheitsformen markiert. Das Präteritum markiert eine Handlung oder ein Ereignis als vergangen, das Perfekt als abgeschlossen, möglicherweise als wiederkehrend (cf. Keller/ Leuninger 2004: 80). Aufgrund der unterschiedlichen denotierten Perspektive kann das Präsensper- 15 Hierin besteht auch der zentrale Unterschied zum historischen Präsens, welches eben nicht eine ‘Zeitreise’ des Betrachters veranlasst, da die Semantik des Präsens nicht imstande ist, ein Trennung von Sprecher und Betrachter zu veranlassen, die dazu erforderlich ist. <?page no="92"?> 92 Benjamin Meisnitzer fekt auch nicht in jedem Kontext durch ein Präteritum ausgetauscht werden (46), obwohl das Präsensperfekt eine immer stärkere Grammatikalisierung zum Anterioritätstempus der gesprochenen Sprache verzeichnet (cf. Wierzbicka/ Schlegel 2008: 33-35). (46) a. Jetzt, wo Renate heimgekommen ist, feiern wir. (Rothstein 2007: 48) b. *Jetzt, wo Renate heimkam, feiern wir. In den oberdeutschen Dialekten (z.B. Schwäbisch, Bairisch) und auch im Schweizerdeutsch ist seit dem 15. Jh. in der geschriebenen Sprache eine Aufgabe des Präteritums zugunsten des Perfekts zu beobachten 16 (cf. König 2001: 163). Des Weiteren ist im mitteldeutschen und im niederdeutschen Sprachraum die Tendenz zu beobachten, das Präteritum in der gesprochenen Sprache durch das Perfekt zu ersetzen (cf. König 2001: 163). Die Ursachen des Präteritumschwunds sind umstritten (cf. hierzu: Abraham/ Conradie 2001). Im Spanischen ist das analytische Perfekt, das sogenannte perfecto compuesto oder antepresente, ein resultatives, experientielles und hodiernales Perfekt (E<R,S) (47). Trotzdem findet man im Spanischen auch Beispiele, wo die Verbalhandlung zur Sprechzeit noch besteht oder fortgeführt wird, besonders in Kombination mit Adverbialien wie siempre oder toda la vida (Cartagena 2000: 2942). (47) Siempre ha sido una chica muy guapa. [‘Und sie wird es wohl auch immer noch und weiterhin sein’] Der unmittelbare Bezug zur Sprechzeit lizenziert aus semantischer Sicht auch die Möglichkeit, in Kombination mit einem geeigneten Temporaladverbiale (cf. 48) die Sprechzeit noch mit in den Betrachtungszeitraum einzubeziehen. Unter Einbezug der ‘Gegenwart’ der Sprechzeit entspricht diese Lesart in weiten Teilen Lateinamerikas der Regellesart des perfecto compuesto, da es im Spanischen Mexikos, 17 in Kolumbien sowie in Zentralamerika das perfecto indefinido ist, welches in hodiernalen Kontexten verwendet wird (cf. Schrott 2012: 333; Rudorff 2012: 108). Es bedarf daher in Lateinamerika in Kontexten, in denen sich die Verbalhandlung bis hin zur Sprechzeit oder sogar darüber hinaus erstreckt, keines Adverbiales, um den Bezug zum hic et 16 Der Ersatz der synthetischen Form durch die analytische ist in historischen Sprachentwicklungsprozessen keine Seltenheit, man denke an die Entwicklungslogik des zusammengesetzten Perfekts in den romanischen Sprachen, wo sich die Form in unterschiedlichen Stadien des Grammatikalisierungsprozesses befindet (z.B. spanisches perfecto compuesto vs. französisches passé composé). 17 In Mexiko übernimmt das perfecto compuesto zum Ausdruck des Verlaufs oder der Wiederholung von Ereignissen in der Vorzeitigkeit teils auch die Funktion des Imperfekts (cf. Lope Blanch 1983: 131ff.). <?page no="93"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 93 nunc der Sprechzeit zu kennzeichnen (48) (cf. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 136): (48) Ha llovido todo el día y por eso están las calles mojadas. In (48) wird der Bezug zur Sprechzeit durch die Verwendung des Präsens deutlich. Es handelt sich um eine unmittelbare Vergangenheit zum ‘H IER und J ETZT ’ des Sprechers. Dem perfecto compuesto steht das indefinido zum Ausdruck von Ereignissen gegenüber, die in der Vergangenheit abgeschlossen sind und die aus der Distanz betrachtet werden, da der Betrachter in dem Ereigniszeitintervall verortet wird. (49) Cuando abrió la puerta, vio al asesino, que la mató en un plis plas. (E,R<S) Beim indefinido ist das Ereignis hinsichtlich seiner temporalen Konturen sowohl bezüglich des Anfangs als auch des Endes des Verbalereignisses eingegrenzt. Oftmals ist es eine Frage der Perspektive, die der Sprecher/ Schreiber auf die Ereignisse geben möchte, welches Tempus er selegiert, wie die folgenden Beispiele aus der Berichterstattung über dasselbe Zugunglück in Mexiko zeigen: 18 (50) Al menos cuatro personas murieron y 35 resultaron heridas, 16 de ellas de gravedad, tras descarrilar en el sureste de México el tren de carga [...]. (El Mundo, 25.08.2013) (51) Al menos cuatro personas han muerte [sic! ] y 35 han resultado heridas, 16 de ellas de gravedad, tras descarrilar en el sureste de México el tren de carga [...]. (ABC, 25.08.2013) (52) En el accidente han muerto al menos cinco personas y otras 35 resultaron heridas [...]. (El Público, 25.08.2013) Während in (50) die Ereignisse als abgeschlossen betrachtet werden (E,R<S) und eine Variation der Zahl der Todesopfer lediglich durch al menos eingeräumt wird, wird in (51) der Bezug zur Sprechzeit hervorgehoben (E<R,S) und somit mittels Tempusselektion kodiert, dass die Zahlen noch variieren könnten. In (52) ist zwar die Zahl der Verletzten endgültig (resultaron: E,R<S), da sie bereits von der lokalen Regierung bestätigt wurde, wie im weiteren Verlauf des Artikels deutlich wird, die Zahl der Toten kann jedoch angesichts der Schwerverletzten noch steigen, weshalb die Referenzzeit bei der Sprechzeit verortet wird (han muerto: E<R,S). 18 Die Beispiele (50) - (52) sind der unveröffentlichten BA-Arbeit von Annemarie Eigner (LMU München) “Tempus und Perspektive am Beispiel der Berichterstattung in spanischen und portugiesischen Tageszeitungen: Überlegungen zum historischen Präsens” entnommen. <?page no="94"?> 94 Benjamin Meisnitzer Die Grammatikalisierung einer prähodiernalen Lesart beim perfecto compuesto wie im Französischen liegt in der präskriptiven Norm des Standardspanischen nicht vor, bestenfalls in diasystematisch markierten Varietäten. Abschließend ist im Hinblick auf den Gebrauch von indefinido und perfecto compuesto noch festzuhalten, dass in Galicien - ähnlich wie in Teilen Lateinamerikas - die Verwendung der analytischen Tempora eher selten ist und entsprechend häufiger das perfecto indefinido gebraucht wird (cf. Sinner 2012: 71). Dies ist wohl in der Interferenz mit dem Galicischen begründet, wo die zusammengesetzte Form eine primär aspektuelle Semantik hat (cf. Campos 1997: 117-118). Im Spanischen stehen zum Ausdruck von Vergangenheit somit das pretérito perfecto compuesto, pretérito indefinido und pretérito imperfecto zur Verfügung. Die Trias der drei Tempora beinhaltet die Opposition zwischen imperfektivem (imperfecto) und perfektivem Aspekt (indefinido); innerhalb der beiden perfektiv markierten Formen besteht durch die Verortung des Betrachters (= Referenzzeit) eine Opposition hinsichtlich der Anbindung an die Sprechzeit. Im Deutschen besteht nur die Möglichkeit, hinsichtlich der Anbindung an die Sprechzeit zu differenzieren; die aspektuelle Opposition kann nur mittels Adverbialien markiert werden. 2.2.4 Der Ausdruck von Vorzeitigkeit in der Vergangenheit im Spanischen und im Deutschen: das Plusquamperfekt Sowohl im Deutschen als auch im Spanischen verhält sich das Plusquamperfekt weitestgehend analog zum Präsensperfekt. Im Deutschen wird das Plusquamperfekt mit den Auxiliaren haben und sein im Präteritum und dem Partizip II des Vollverbs gebildet, im Spanischen mit haber im Imperfekt und dem Partizip Perfekt des Vollverbs. Ähnlich wie beim Präsensperfekt wird das Verbalereignis als perfektiv eingeführt und lediglich die Verortung der Referenzzeit divergiert. Während sie beim Präsensperfekt mit der Sprechzeit zusammenfällt, ist sie beim Plusquamperfekt vorzeitig gegenüber dem Sprechzeitintervall und nachzeitig gegenüber der Referenzzeit. (53) Meine Mutter hatte bereits sehr kritische Anmerkungen zu dem Vortrag gemacht, als der Bürgermeister persönlich das Wort ergriff. (54) Recordó que había estado en aquel lugar cuando era niño. Das Plusquamperfekt wird zwar in der Forschung sehr unterschiedlich interpretiert, 19 aus kontrastiver Sicht ist hier jedoch keine ausführliche Auseinandersetzung erforderlich. 20 Für das Spanische ist lediglich anzumerken, 19 Siehe hierzu z.B. Sánchez Prieto (2004: 180-202 und 2010: 101-109 zum Spanischen und 178-183 für das Deutsche). 20 Als Besonderheit für das Spanische bleibt lediglich die Semantik des Plusquamperfekts im Andenraum hervorzuheben, wo das Tempus durch Sprachkontakt mit dem Que- <?page no="95"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 95 dass in seltenen Ausnahmefällen die Form des imperfecto de subjuntivo auf -ra noch mit dem semantischen Wert eines Plusquamperfekts verwendet wird und dass durch das pretérito anterior ein Verbalereignis unmittelbar vorzeitig zur Referenzzeit zeitlich situiert werden kann. 21 In (55) wird die Referenzzeit durch das Verbalereignis aplaudir festgelegt und die Rede wird beendet, unmittelbar bevor der Applaus fällt. (55) Cuando hubo terminado su discurso, todos aplaudieron a rabiar. Diese Form wird jedoch nur noch sehr selten und lediglich in der geschriebenen Sprache gebraucht und kann stets durch Plusquamperfekt (56) oder indefinido (57a/ b) ersetzt werden. (56) Había terminado (pronto) su discurso y todos aplaudieron a rabiar. (57) a. Todos aplaudieron a rabiar, cuando terminó su discurso. b. Terminó su discurso y todos aplaudieron a rabiar. 2.3 Der Ausdruck von Nachzeitigkeit: Futur an der Schnittstelle von Tempus und Modus Zum Ausdruck nachzeitiger Ereignisse verfügt das Spanische über ein synthetisches Futur, während das Deutsche auf die Verbalperiphrase werden + Infinitiv zurückgreifen muss. Aufgrund des formalen Unterschieds werden das Futur im Spanischen und im Deutschen im Folgenden jeweils als eigene Unterpunkte behandelt. 2.3.1 Das spanische synthetische Futur im Spannungsfeld von Modalisten und Temporalisten In den traditionellen spanischen Grammatiken findet man unter Futur lediglich das synthetische Futur (cantaré, hablaré), das besonders in der gesprochenen Sprache häufig durch das praesens pro futuro ersetzt wird (hierauf wurde bereits hingewiesen, cf. Abschnitt 2.1.4), das formal auf die lateinische Periphrase mit dem Infinitiv des Vollverbs und der Präsensform von habēre zurückgeht (sp. cantaré < lat. cantāre habeō). Aus einer zunächst obligativen Bedeutung entwickelte sich metaphorisch eine futurische Lesart, begünstigt durch den prospektiven Charakter jener obligativer Handlungen mit habēre (cf. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 142). Im Deutschen steht funkchua die Nicht-Beteiligung des Sprechers am Geschehen bzw. die Information über das Verbalereignis über Dritte ausdrückt (cf. Álvarez/ Chumaceiro 2012: 94). Die Form kennzeichnet somit das Fehlen direkten Wissens. Diesen Gebrauch finden wir bis in die Amazonasgebiete Perus. 21 Die Form wird oft in Kombination mit temporalen Ausdrücken verwendet, die unmittelbare Vorzeitigkeit ausdrücken, wie tan pronto como, cuando, después de que u.a. <?page no="96"?> 96 Benjamin Meisnitzer tional hierfür die Verbalperiphrase werden + Infinitiv, deren Semantik sich von einer modalen hin zu einer futurischen Lesart entwickelt hat. Während beim synthetischen Futur das Verbalereignis vom Zeitintervall des Ereignisses aus betrachtet wird (58), wird beim futurischen Präsens die Verbalhandlung, veranlasst durch die bereits getroffene Planung, in die ‘Gegenwart’ des Sprechers transponiert. (58) El viernes habrá fiesta en Madrid. (S<R,E) (59) Me compraré un coche más económico que el tuyo. (S<R,E) (Rojo/ Veiga 2000: 2900) Außerdem wird das Futur häufig epistemisch als futuro de probabilidad verwendet (60 und 61). Dabei wird zwar ein zur Sprechzeit kotemporales Ereignis besprochen, dessen Wahrheitsgehalt kann jedoch erst in der Nachzeitigkeit bestätigt werden, weshalb die Assertion prospektiv betrachtet wird (cf. Rojo/ Veiga 2000: 2914). (60) En estos momentos serán las cuatro. (Rojo/ Veiga 2000: 2913) (61) Luis trabajará ahora en la empresa de su padre. (GRAE 2010: 448, §23.7.2a) Neben der konjekturalen Verwendung des synthetischen Futurs, die auch im Deutschen möglich ist, ist für das Spanische noch eine imperativische Verwendung hervorzuheben (futuro de mandato), die über eine appellative Funktion verfügt und fast ausschließlich in der 2. Person verwendet wird. (62) No matarás. (RAE 2010: 448) Im Deutschen wird in diesem Fall meistens ein Modalverb (MV) verwendet (63), wobei aber auch hier die Futurform möglich ist (64). (63) Du sollst MV nicht töten. (64) Du wirst es ihm zurückgeben! Die Möglichkeiten einer temporalen und einer modalen Lesart bei Futurformen lassen sich durch die Interdependenz zwischen Tempus und Modus erklären. 2.3.2 Verbalperiphrasen zum Ausdruck nachzeitiger Ereignisse im Spanischen In Konkurrenz zum synthetischen Futur, besonders mit temporaler Lesart, finden wir im Spanischen das periphrastische Futur, welches mit der Periphrase ir Präsens + a Präp + Infinitiv gebildet wird, jedoch noch nicht so hochgradig grammatikalisiert ist wie die retrospektive Periphrase haber + Partizip (cf. Cartagena 2000: 2965). Dieser Konstruktion entspricht ursprünglich die Lesart (S,R<E). Sie lokalisiert ein Ereignis in der nahen Zukunft (cf. Whitley/ González 2000: 164), da es sich um eine morphologische Hybridform handelt, bei der das Präsens von ir einen stärkeren Gegenwartsbezug <?page no="97"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 97 herstellt als die synthetische Form. Betrachtet man Korpora des zeitgenössischen Spanisch, vor allem der gesprochenen Sprache, so scheint sich der Lesartenunterschied ähnlich wie beim französischen passé composé und passé simple in der gesprochenen Sprache aufzulösen. Ähnlich wie das praesens pro futuro ist diese Form besonders in der gesprochenen Nähesprache weit verbreitet. Vergleicht man die hispanophonen Länder, fällt eine höhere Frequenz der Verwendung in den lateinamerikanischen Varietäten des Spanischen auf (cf. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 143), wo die Form zunehmend gleichermaßen für eine ‘nahe’ wie auch für eine ‘ferne’ Zukunft verwendet wird. (65) Juan va a comprar cigarrillos al estanco de la esquina. (Cartagena 2000: 2965) (66) Me voy a perder! Seit dem Siglo de Oro gewinnt das periphrastische Futur an Bedeutung - sowohl in der Distanzals auch in der Nähesprache. Als besonders produktiv erweist es sich jedoch vor allem in der gesprochenen Sprache (cf. Cartagena 2000: 2967). Eine wesentlich marginalere Bedeutung zur temporalen Verortung von Ereignissen nachzeitig zum Sprechzeitintervall kommt der Periphrase he de cantar zu, die primär eine Verpflichtung ausdrückt und somit stärker modal als temporal ist und die man häufig in den lateinamerikanischen Varietäten des Spanischen findet. Im europäischen Spanisch hingegen tritt diese nur noch als Relikt auf. In Texten des Siglo de Oro allerdings war diese Form noch weit verbreitet (cf. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 143). 2.3.3 Gibt es im Deutschen ein Futur? Das Deutsche besitzt im Gegensatz zum Spanischen kein synthetisches Futur. Das Futur wird durch die Periphrase werden Präsens + Infinitiv der Vollverben ausgedrückt, die seit dem Mittelhochdeutschen eine futurische Lesart entwickelt hat. (67) Peter wird das Land verlassen. Diese zweiteilige Verbform hat zu heftigen Diskussionen bezüglich des temporalen Werts der Konstruktion und insbesondere zu der Frage geführt, ob es sich um eine Präsens- oder eine Futurform handelt (cf. Sánchez Prieto 2012: 151-156). Des Weiteren besteht ein Konflikt zwischen Temporalisten und Modalisten, die der Futurform lediglich eine temporale oder eine modale Lesart zuweisen (cf. Sánchez Prieto 2012: 151-159). Anlass hierfür geben Formen, die wir im Spanischen als futuro de probabilidad bezeichnet haben. (68) Es wird zehn Uhr sein. (Vater 1997: 59) Leiss (1992) postuliert auf Basis der Einsicht der kategorialen Verschränkungen innerhalb der Verbkategorien eine Verortung des deutschen Futurs <?page no="98"?> 98 Benjamin Meisnitzer an der Schnittstelle zwischen Temporalität und Modalität. Demnach bilden atelische, additive Verben (blühen) bevorzugt mittels der werden-Periphrasen ein Futur, während telische, nonadditive Verben (verblühen) aufgrund der Inkompatibilität perfektiver Aspektualität - die in der Semantik des Verbs kodiert ist - und einer Innenperspektive hierzu gerne die morphologische Präsensform heranziehen. Der Grammatikalisierungsprozess des werden-Futurs im Deutschen ist demzufolge noch im Gange, mit einer Tendenz dahingehend, dass sowohl additive als auch nonadditive Verben die Konstruktion nutzen, um prospektiv-futurische Lesarten zu denotieren. Es sollte daher darauf hingewiesen werden, dass die Opposition Futur vs. praesens pro futuro im Deutschen in ihrem Gebrauch stark von morphosyntaktischen, verbsemantischen, temporalsemantischen und pragmatischen Faktoren sowie kontextuellen Bedingungen abhängt, weshalb eine detaillierte Erklärung nicht über einen monodimensionalen Ansatz erfolgen kann (cf. hierzu: Di Meola 2013). Auffällig ist dabei, dass das werden-Futur im Deutschen deutlich häufiger in der geschriebenen Distanzsprache als in der gesprochenen Nähesprache verwendet wird (cf. Di Meola 2013: 239). Die modale Lesart entspricht der Entwicklungslogik der Verbalkategorien innerhalb des TMA-Komplexes. Trotz der vielfältigen modalen Lesarten kann man mit Sánchez Prieto (2012) angesichts der Austauschbarkeit der Futurformen durch das praesens pro futuro in Kombination mit einem Temporaladverbiale zweifellos sagen, dass die Periphrase eine futurische Lesart aufweisen kann und sich eine deutsche Futurform zu grammatikalisieren scheint. (69) Ich werde abreisen. (70) Morgen reise ich ab. Ein Vergleich des Futurs im Spanischen und im Deutschen zeigt, dass zwischen temporaler und modaler Bedeutung ein Kontinuum zu bestehen scheint. Im Deutschen entscheidet über die stärkere Affinität zur modalen oder zur temporalen Lesart die aspektuelle Semantik der jeweiligen Verben. <?page no="99"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 99 3 Zusammenfassung der Ergebnisse: Analogien und Divergenzen im Bereich der Verbalkategorie Tempus im Spanischen und im Deutschen Durch den hier vorgenommenen Sprachvergleich konnten die Vorteile einer kognitiv-funktionalen Annäherung an die semantische Beschreibung von Tempus verdeutlicht werden. Tempus wird dabei als deiktische Kategorie aufgefasst, deren Zentrum dem ‘I CH , HIER und J ETZT ’ der Situation entspricht, in der der Sprecher oder der Erzähler das Wort ergreift (cf. Schrott 2012: 329). Unter Rückgriff auf die Parameter von Reichenbach (1947) ist es möglich, die perspektivische Leistung von Tempus zu erklären, das die Ereignisse gegenüber dem Sprecher (S), der den deiktischen Nullpunkt des Referenzsystems bildet, und dem Betrachter (R) temporal verortet. Tempus hat somit eine vorwiegend perspektivierende Funktion, wie ein gewisser Spielraum bei der Tempusselektion zwischen indefinido und perfecto compuesto in manchen Kontexten zeigt. Der Sprachvergleich ermöglichte es, Regelmäßigkeiten herauszuarbeiten, beispielsweise den Ausdruck einer ‘H IER und J ETZT ’-Perspektive durch das Präsens, unter Berücksichtigung von einzelsprachlichen Tendenzen, zum Beispiel im Spanischen auf die progressive Verbalperiphrase estar + Gerundium zurückzugreifen, um Kotemporalität eines Ereignisses mit der Sprechzeit zu denotieren. Bezüglich des Präsens ist es noch wichtig hervorzuheben, dass im Gegensatz zum historischen Präsens, das einen Perspektivenwechsel und eine Aktualisierung vergangener Ereignisse bewirkt, das narrative Präsens einem neuen Erzählmuster in beiden Sprachen entspricht, bei dem die Ereignisse der Diegese (zumindest fiktiv) in das ‘Hier und Jetzt’ der ‘Sprechsituation’ (= Lokalisierung des Sprechers) transponiert werden, die dem narrativen literarischen Text zugrunde liegt. Im Gegensatz zum historischen Präsens handelt es sich beim narrativen Präsens nicht um eine markierte Form, da die Erzählung durchgängig im Präsens erfolgt. Zum Ausdruck von Vorzeitigkeit gegenüber der Sprechzeit gibt es im Spanischen das pretérito perfecto compuesto, das eine perfektive Form ist, die punktuelle Sachverhalte unter Berücksichtigung von deren Konturen ausdrückt und die mit dem imperfektiven Aspekt des pretérito imperfecto kontrastiert (cf. Schrott 2012: 332). Diese Möglichkeit bietet das deutsche Verbalsystem nicht, weshalb die Sprecher auf Adverbien zurückgreifen müssen, um die aspektuelle Opposition auszudrücken, die im Spanischen bereits im Verbalsystem verankert ist. Ähnlich wie im Deutschen steht dem pretérito indefinido ein Präsensperfekt (perfecto compuesto) gegenüber, welches einen unmittelbaren Bezug zur Sprechzeit herstellt, der beim indefinido nicht gegeben ist. Diese Perspektivierungsalternativen werden im Deutschen durch Präteritum und Präsensperfekt ausgedrückt. Eine Neutralisierung der semantischen Opposition beider Formen ist nur wesentlich punktueller und <?page no="100"?> 100 Benjamin Meisnitzer ansatzweise beispielsweise im Spanischen in Mexiko erkennbar. Für Vorzeitigkeit in der Vergangenheit steht den Sprechern beider Sprachen das Plusquamperfekt zur Verfügung, welches sich erstaunlich analog verhält. Im Hinblick auf das Futur wurde gezeigt, dass es sich hierbei im Deutschen noch um eine Kategorie inmitten ihres Grammatikalisierungsprozesses handelt. Dagegen wird im Spanischen das periphrastische Futur immer häufiger herangezogen, um die temporale Lesart auszudrücken, während die modale Lesart weiterhin vorwiegend durch das synthetische Futur ausgedrückt wird. Das praesens pro futuro existiert in beiden Sprachen, ist jedoch im Deutschen wesentlich häufiger anzutreffen als im Spanischen, da es die reguläre Futurform von telischen Verben darstellt. Neben zahlreichen Analogien in beiden Tempussystemen, die sich häufig durch eine möglicherweise universelle Entwicklungslogik innerhalb des TMA-Komplexes von Aspekt > Tempus > Modus in unumkehrbarer Reihenfolge sowie durch Interdependenzen zwischen den unterschiedlichen Verbalkategorien erklären lassen, weisen die Tempussysteme beider Sprachen auch teils tiefgründige Unterschiede auf, die besonders beim Erlernen des Spanischen oder des Deutschen als L2 Schwierigkeiten bereiten. Die wichtigsten Unterschiede sind in Tabelle (2) auf der folgenden Seite zusammengefasst. <?page no="101"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 101 Tabelle 2: Wichtige Unterschiede zwischen den Tempora im Spanischen und Deutschen aus funktional-semantischer Sicht Temporale Semantik Tempus Verwendung und Semantik kontrastiv Kotemporalität Präsens Im Spanischen wird meist die Periphrase estar + Gerundium verwendet, um anzuzeigen, dass zwei Ereignisse in dasselbe Sprechzeitintervall fallen (Bsp. 13). Häufiger als im Deutschen ist das am/ beim Progressivum. Vorzeitigkeit Historisches Präsens Das historische Präsens weist stärkere Verwendungsrestriktionen auf als im Spanischen. Der Plötzlichkeitscharakter des Verbalereignisses im historischen Präsens muss explizit markiert sein (Bsp. 20-23). indefinido vs. imperfecto Im Spanischen besteht für vorzeitige Ereignisse eine aspektuelle Opposition zwischen indefinido (punktuell) und imperfecto (nichtpunktuell). Im Deutschen steht nur das Präteritum zur Verfügung. Die perspektivische Opposition muss lexikalisch denotiert werden. indefinido vs. perfecto compuesto Die Wahl zwischen indefinido und perfecto compuesto hängt oft von der Perspektive ab (Bsp. 50-52) und weist diatopische Variation auf. Präteritum vs. (Präsens-) Perfekt Der perspektivische Unterschied zwischen Präteritum und Präsensperfekt im Deutschen ist weitestgehend aufgehoben; daher Präteritumschwund im süddeutschen Raum und regionale Tendenz zur medialen Opposition geschriebene (Präteritum) vs. gesprochene Sprache (Perfekt). Plusquamperfekt Im Spanischen gibt es neben dem Plusquamperfekt das pretérito anterior für Verbalereignisse unmittelbar vorzeitig zur Referenzzeit (Bsp. 55). Nachzeitigkeit Futur mit temporaler Lesart dt. werden + Infinitiv ist im Grammatikalisierungsprozess nicht so fortgeschritten wie das synthetische Futur im Spanischen, daher häufigere Verwendung des praesens pro futuro (vor allem in der gesprochenen Nähesprache). Futur mit modaler Lesart Mit modaler Bedeutung werden im Deutschen häufig Modalverben herangezogen, wo im Spanischen ein Futur verwendet wird (Bsp. 62-63) <?page no="102"?> 102 Benjamin Meisnitzer Eine sprachvergleichende Annäherung bietet besonders im Fremdsprachenerwerb gewisse Vorteile, da der Lernende sich zunächst die Regularitäten und Ähnlichkeiten aneignen und sich dann durch eine intensivere Auseinandersetzung mit den Divergenzen vertraut machen kann. 4 Bibliographie 4.1 Primärtexte Gómez de Avellaneda, Gertrudis ( 10 2013 [1841]): Sab. Madrid: Cátedra (Letras hispánicas; 437). Jelinek, Elfriede ( 39 2007 [1983]): Die Klavierspielerin. Hamburg: Rowohlt. Müller, Herta (2009): Atemschaukel. München: Hanser. Pinilla, Ramiro (2006): La Higuera. Barcelona: Tusquets Editores. 4.2 Wissenschaftliche Literatur Abraham, Werner/ Conradie, Jac (2001): Präteritumschwund und Diskursgrammatik. Amsterdam: Benjamins. Abraham, Werner/ Janssen, Theo (1989): Vorwort. In: Abraham, Werner/ Janssen, Theo (eds.): Tempus - Aspekt - Modus: die lexikalischen und grammatischen Formen in den germanischen Sprachen. Tübingen: Niemeyer, 1-25 (Linguistische Arbeiten; 237). Álvarez, Alexandra/ Chumaceiro, Irma (2012): Varietäten des Spanischen: Andenraum. In: Born, Joachim et al. (eds.): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur und Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin: Erich Schmidt, 89-98. Becker, Martin (2010): Die Ingredienz des romanischen Imperfekts. In: Linguistische Berichte 121, 79-108. Bennett, Michael/ Partee, Barbara Hall (2004 [1978]): Toward the Logic of Tense and Aspect in English. In: Bennett, Michael/ Partee, Barbara (eds.): Compositionality in Formal Semantics. Selected Papers by Barbara Hall Partee. Oxford, Carlton u.a.: Blackwell, 59-109. Campos, Maria Henriqueta Costa (1997): O pretérito perfeito composto: um tempo presente? In: Campos, Maria Henriqueta Costa (eds.): Tempo, Aspecto e Modalidade. Estudos de Linguística Portuguesa. Porto: Porto Editora, 115-122 (Colecç-o Linguística; 6). Carroll, Mary/ Stutterheim, Christiane von/ Klein, Wolfgang (2003): Two ways of constructing complex temporal structures. In: Lenz, Friedrich (ed.): Deictic Conceptualizations of Space, Time and Person. Amsterdam, Philadelphia: Benjamins, 97-133 (Pragmatics and Beyond New Series; 112). Cartagena, Nelson ( 3 2000): Los tiempos compuestos. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Band 2: Las construcciones sintácticas fundamentales. Relaciones temporales, aspectuales y modales. Madrid: Espasa, 2935-2975. Comrie, Bernard (1985): Tense. Cambridge: Cambridge University Press. <?page no="103"?> Tempusgebrauch im spanisch-deutschen Sprachvergleich 103 Coseriu, Eugenio ( 2 2007): Sprachkompetenz. Grundzüge der Theorie des Sprechens. Tübingen: Narr (Tübinger Beiträge zur Linguistik; 508). Detges, Ulrich (2001): Tiempo, retórica y cambio funcional. La evolución del perfecto compuesto español desde la Edad Media hasta el siglo XX. In: Schäfer-Prieß, Barbara/ Klöden, Hildegard/ Kailuweit, Rolf (eds.): Grammatikalisierung in den iberoromanischen Sprachen. Wilhelmsfeld: Egert, 77-112 (pro lingua; 33). Detges, Ulrich (2006): Aspect and Pragmatics. The passé composé in Old French and the Old Spanish perfecto compuesto. In: Eksell, Kerstin/ Vinther, Thora (eds.): Change in Verbal Systems. Issues on Explanation. Frankfurt am Main/ Berlin/ Bern: Lang, 47-72. Di Meola, Claudio (2013): Die Versprachlichung von Zukünftigkeit durch Präsens und Futur I. Eine ebenenübergreifende Untersuchung samt kontrastivem Ausblick auf das Italienische. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik; 85). Dudenredaktion ( 7 2006): Duden: Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. Mannheim, Leipzig u.a.: Dudenverlag. Evans, Vyvyan (2004): The Structure of Time. Language, meaning and temporal cognition. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins (Human Cognitive Processing; 12). Gelhaus, Hermann (1969): Zum Tempussystem der deutschen Hochsprache. In: Gelhaus, Hermann et al. (eds.): Der Begriff Tempus - eine Ansichtssache? Düsseldorf: Schwann, 5-22 (Wirkendes Wort Beihefte; 20). Hernández Alonso, César (1984): Gramática funcional del español. Madrid: Gredos. Keller, Jörg/ Leuninger, Helen ( 2 2004): Grammatische Strukturen - Kognitive Prozesse. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Narr. Klein, Wolfgang (1994): Time in language. London/ New York: Routledge. Kluge, Wolfhard (1969): Zur Diskussion um das Tempussystem. In: Gelhaus, Hermann et al. (eds.): Der Begriff Tempus - eine Ansichtssache? Düsseldorf: Schwann, 59-68 (Wirkendes Wort Beihefte; 20). König, Werner ( 13 2001): dtv - Atlas Deutsche Sprache. München: Deutscher Taschenbuchverlag (dtv-Atlas; 3025). Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin/ New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica; 31). Lindgren, Kaj (1957) Über den oberdeutschen Präteritumschwund. Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia. Lope Blanch, Juan (1983): Estudios sobre el español de México. México: Universidad Autónoma de México. Meisnitzer, Benjamin (2012): Das Präsens als Erzähltempus in fiktionalen narrativen Texten im Spannungsfeld von Aspektualität und Temporalität. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. phil.). München: LMU. Ms. Meisnitzer, Benjamin (2013): La valeur sémantique du futur simple en portugais et en espagnol: L’interdépendance de la temporalité et de la modalité. In: Merlan, Aurelia/ Nagy, Rodica (eds.): Omagiu lui C. Dimitriu la 80 de ani. Suceava: Editura Universității Ștefan cel Mare, 325-336. Porto Dapena, José Álvaro (1989): Tiempos y formas no personales del verbo. Madrid: Arco/ Libros. Real Academia Española (ed.) (1973): Esbozo de una nueva gramática de la lengua española. Madrid: Espasa-Calpe. <?page no="104"?> 104 Benjamin Meisnitzer Real Academia Española/ Asociación de las Academias de la Lengua Española (eds.) (2010): Nueva gramática de la lengua española. Manual. Madrid: Espasa Libros. Reichenbach, Hans ( 6 1960 [1947]): Elements of Symbolic Logic. New York: Macmillan. Rojo, Guillermo/ Veiga, Alexandre ( 3 2000): El tiempo verbal. Los tiempos simples. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Band 2: Las construcciones sintácticas fundamentales. Relaciones temporales, aspectuales y modales. Madrid: Espasa, 2867-2934. Rothstein, Björn (2007): Tempus. Heidelberg: Universitätsverlag Winter (KEGLI; 5). Rudorff, Hanna (2012): Varietäten des Spanischen: Karibik und Zentralamerika. In: Born, Joachim et al. (eds.): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur und Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin: Erich Schmidt, 98-108. Sánchez Prieto, Raúl (2004): Estudio contrastivo de los tiempos de pasado en indicativo en español y alemán. Frankfurt am Main: Lang (Europäische Hochschulschriften; Reihe XXIV: Ibero-romanische Sprachen und Literaturen; 77). Sánchez Prieto, Raúl (2010): Los sistemas temporales del español y del alemán. Su tratamiento gramatical. München: Meidenbauer. Schäfer-Prieß, Barbara/ Schöntag, Roger (2012): Spanisch/ Portugiesisch Kontrastiv. Unter Mitarbeit von Inmaculada García Jiménez und Benjamin Meisnitzer. Berlin/ Boston: de Gruyter (Romanistische Arbeitshefte; 56). Schrott, Angela (2012): Einzelaspekt: Tempus und Aspekt. In: Born, Joachim et al. (eds.): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur und Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin: Erich Schmidt, 329-334. Sinner, Carsten (2012): Varietäten des Spanischen: Europa. In: Born, Joachim et al. (eds.): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur und Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Für Studium, Lehre, Praxis. Berlin: Erich Schmidt, 62-72. Smith, Carlota S. (2004): The Domain of Tense. In: Guéron, Jacqueline/ Lecarme, Jacqueline (eds.): The Syntax of Time. Cambridge, Massachusetts/ London: MIT, 597-619. Ultan, Russel (1978): The Nature of Future Tense. In: Greenberg, Joseph (ed.): Universals of Human Language. Band 3: Word Structure. Stanford: Stanford University Press, 83-123. Vater, Heinz (1997): Hat das Deutsche Futurtempora? In: Vater, Heinz (ed.): Zu Tempus und Modus im Deutschen. Trier: Wissenschaftlicher Verlag, 53-69. Vennemann, Theo (1987): Tempora und Zeitrelationen im Standarddeutschen. In: Sprachwissenschaft 12, 234-249. Wierzbicka, Mariola/ Schlegel, Dorothee (2008): Sprechzeiten im Diskurs. Zum absoluten und relativen Gebrauch der Tempora in der gesprochenen deutschen Sprache. München: Iudicum. Zeller, Jochen (1994): Die Syntax des Tempus. Zur strukturellen Repräsentation temporaler Ausdrücke. Opladen: Westdeutscher Verlag. Zifonun, Gisela (2000): Textkonstitutive Funktionen von Tempus, Modus und Genus Verbi. In: Burkhardt, Armin/ Steger, Hugo/ Wiegand, Herbert Ernst (eds.): Text- und Gesprächslinguistik. Band 1. New York, Berlin: de Gruyter, 315-330 (HSK; 16.1). <?page no="105"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? Ein szenen- und valenzfundiertes konzeptuelles wortklassenübergreifendes Beschreibungsmodell María José Domínguez Vázquez, Universidade de Santiago de Compostela 1 Einführung Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines von der Humboldt-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens, 1 das u.a. die Erarbeitung eines zweisprachigen deutsch-spanischen Ausdrucksmittelkatalogs für die in der Untersuchung vorgeschlagenen Szenen 2 und sprachlichen Frames 3 verfolgt. In diesem Beitrag wird zuerst die methodologische Grundlage für die Entwicklung einer neuartigen, deutsch-spanischen, kontrastiven valenzbasierten Grammatik umrissen, die am Beispiel der Szene zum Ausdruck der Veränderung illustriert wird. 4 Nach der Darstellung des methodologischen Vorgehens sowie der Begrifflichkeiten und der Bestimmung der Szene zum Ausdruck der Veränderung sowie ihrer Abgrenzung gegenüber anderen Szenen setze ich mich aus inter- und intralingualer Sicht mit Fragen bezüglich der sprachlichen Mittel zum Ausdruck der Veränderung auseinander. Des Weitereren erfolgt eine Analyse der unterschiedlichen Abdeckungsbereiche zwischen den beiden analysierten Sprachen. Im Konkreten rückt der Vergleich des Verbs werden und der spanischen Semikopulae und Periphrasen sowie der präfigierten deutschen Verben und ihrer spanischen Pendants zur Wiedergabe der Veränderungsszene in den Vordergrund. Die Analyse zeigt außerdem, wie sich unterschiedliche Faktoren auf die Realisierung der einen oder der anderen vorkommenden Ausdrucksmöglichkeiten auswirken. 1 Diese Untersuchung ist im Rahmen eines Humboldt-Forschungsstipendiums 2012/ 2013 am Institut für Deutsche Sprache entstanden. Mein herzlicher Dank gilt der Humboldt-Stiftung für die Gewährung dieses Stipendiums. Die Resultate der Untersuchung lassen sich in dem seit 2013 von mir koordinierten PORTLEX-Projekt anwenden (gefördert vom spanischen MINECO, FFI2012-32456 und FEDER, 2007-2013). 2 Szene fasse ich als ein Bündel aus kognitiv-enzyklopädischem und sprachlichem Wissen auf. 3 Unter frame verstehe ich die sprachliche Kodierung einer Szene (cf. Fillmore 1977: 62). Für eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Szenen und frame siehe Abschnitt 2.1. 4 Ich danke Bernhard Pöll sowie den Gutachtern für wertvolle Kritik und Hinweise. <?page no="106"?> 106 María José Domínguez Vázquez 2 Methodologisches Vorgehen 2.1 Der Szenen-Begriff Das von mir vorgeschlagene konzeptuell lexemübergreifende Netzszenario deckt verschiedenartige sprachliche Konstruktionen - mehr oder weniger spezifische Abbildungen von Ergebnissen/ Prozessen/ Situationen - ab und stellt den Bezugsrahmen für die vernetzte Darbietung von semantisch-konzeptuell kompatiblen sprachlichen Konstruktionen dar (s. Abschnitt 3). Der Untersuchung liegt eine konzeptuell-onomasiologische Einteilung der Szenen zugrunde. Sie ermöglicht die einzelsprachliche und kontrastive Analyse einzelner Versprachlichungsmuster sowie die durch sie hervorgerufenen Bedeutungen bei den jeweiligen konzeptuellen Szenarien und Szenen, die als tertium comparationis gelten. Insgesamt wird unter einem einzelsprachlichen aber auch vergleichenden Schwerpunkt die Beantwortung der Frage angestrebt, wie bzw. welche semantischen Erscheinungen und welche Widerspiegelungen im formalen Bereich aneinander gekoppelt sind sowie welche Erscheinungen mit welchen semantischen Nuancen korrelieren. Als tertium comparationis haben nicht primär die Analyse der Formen, der Ausdruckskategorien, zu gelten, sondern die Szenen, in denen die Realisierungen auftreten. 5 Diese Sichtweise auf die kontrastive Grammatik knüpft daran an, dass Muttersprachler eine Vorstellung, eine mentale prototypische Szene - und nicht eine formalgeprägte Formulierung, wie z.B. einen Satzbauplan - im Kopf haben, wie bestimmte Geschehen, Handlungen, Prozesse ablaufen, d.h. eine kognitive Repräsentation eines Geschehenstyps. Auf der Grundlage der konzeptuell-onomasiologischen Analyse und der Zuordnung zwischen Ausdrucksmitteln und Szenen sind syntaktisch-semantische Regeln aus dem Sprachmaterial abzuleiten, die einen Gesamtüberblick über einzelsprachliche aber auch kontrastive Phänomene gewährleisten. Geprüft wird, mit welchen formalen Mitteln gleiche Inhalte in beiden Sprachen wiedergegeben werden. In Anlehnung an Domínguez (2013) werden folgende Abstrahierungsstufen sowie abgestufte Szenentypen vorgeschlagen (cf. die Szene Veränderung in Abschnitt 3): 1. Unter Szenario verstehe ich ein Netz von Szenen, das als oberster Knoten dieses hierarchisierenden Modells steht. Hierbei lehne ich mich an Fillmore (1977: 62) an: 5 Der Analyse liegt die Annahme einer Koppelung der Bedeutungen an bestimmte Szenen sowie ihre Einbettung in den Wissensrahmen, die sprachlich kodiert werden (Frame), zugrunde. <?page no="107"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 107 “[…] and that scenes are associated with other scenes by virtue of sameness or similarity of the entities or relations or substances in them or their contexts of occurrence.” (cf. auch Fillmore 1977: 72) 2. Bekanntlich geht der Szenen-Begriff auf Fillmore zurück: “people, in learning a language, come to associate certain scenes with certain linguistic frames.” (Fillmore 1977: 63) “I have been saying that we need for semantic theory some notion of scenes; that scenes can be partly described in terms of the linguistic frames with which they are associated; and that scenes and frames, in addition to being cognitively linked with each other, are likewise linked with other scenes and other frames, in such a way that, in their totality, they characterize the perceived and imagined world and the whole framework of linguistic categories for talking about imaginable words.” (1977: 72) 6 Fillmores Aussagen zufolge besteht ein Assoziationsprozess zwischen den frames bzw. den sie evozierenden Einheiten und der Szene (cf. auch Ruppenhofer et al. 2010: 88, Ziem 2008: 224), denn ein frame ist “any system of linguistic choices (the easiest cases being collections of words, but also including choices of grammatical rules or grammatical categories - that can get associated with prototypical instances of scenes)” (Fillmore 1977: 62). 7 In Anlehnung an Busse (2012: 534) verstehe ich unter sprachlichen frames “spezifisch sprachlich (rein linguistisch zu beschreibenden) Strukturen, die sich insbesondere in den Strukturen sprachlicher Ausdrucksketten (Sätzen oder Satzreihen oder auch Satzteilen) niederschlagen, und die Fillmore 1968a als Systeme sprachlicher Wahlen bezeichnet hat” (cf. “Kasusrahmen” bei Fillmore 2008). Somit besitzt eine frame evozierende sprachliche Form verschiedene Slots (Leerstellen), diesen entsprechen wiederum Slots in den jeweiligen Situationsframes. Dementsprechend lässt sich bereits am sprachlichen frame er- 6 Wie aus dem letzten Zitat hervorgeht, sind frames und Szenen nicht gleichzusetzen, worauf folgende Erläuterung von Ruppenhofer et al. (2010: 88) ebenfalls hindeutet: “The most basic summarization of the logic of FrameNet is that Frames describe classes of situations”. 7 Die bereits angeführte Framebestimmung deckt aber nicht alle Ansichten zu diesem Begriff ab. Fillmore selbst unterscheidet schon zwischen kognitiven und linguistischen frames (Fillmore 2003, 2006, 2008). Frame kann als kognitiv-epistemisches Fundierungskonzept (cf. Busse 2012: 541, Barsalou 1992; Ziem 2008: 2), als “specific unified frameworks of knowledge, or coherent schematizations of experience” (Fillmore, 1985: 223), “als in seiner ganzen Struktur abrufbares stereotypes Wissen” (Minsky 1974) u.a. aufgefasst werden. Eine weitere Bestimmung des Frames darf aber nicht übersehen werden: Bei frames handelt es sich um ein sprachwissenschaftliches Instrument zur Analyse und Bestimmung verstehensrelevanten Wissens. Einen Gesamtüberblick über den Framebegriff bieten Busse (2012) und Ziem (2008). <?page no="108"?> 108 María José Domínguez Vázquez kennen, welche spezifische Rolle welche Situationsrolle aufruft (Gerzymisch-Arbogast 2006: 1552; auch Konerding 1993). 8 Die Szene stellt sich hingegen als ein komplexer Wissensrahmen bzw. als eine epistemische Hintergrund-Struktur heraus, “die, den Bedeutungen mehrerer Lexeme (bzw. ihren Frames) gemeinsam ist” (Busse 2012: 543, cf. auch Ziem 2008: 224 und Hermanns/ Holly 2007: 109). Die Szene ist dann eine Vereinigungsinstanz verstehensrelevanter Wissensbereiche, die Phänomene wie die Interpretation, die Perspektivierung, die null-instantierten Frame-Elementen u.a. (cf. Dürscheid 2006: 191, Ziem 2008: 22, cf. auch Busse 2012: 535) erklären kann, der frame hingegen nicht. In dem hier vorgeschlagenen Modell wird Szene als ein abstraktes Bündel aus verstehensrelevanten Wissenselementen sprachlicher Äußerungen, schematischem Wissen und Bedeutungen mittels noch festzulegender Formen aufgefasst (cf. auch Hermanns/ Holly 2007: 109 und Busse 2009: 84), d.h. sie setzt sich aus enzyklopädisch-epistemischem Wissen (EW), Bedeutung (Bedeutung x ) und einer vorhandenen, aber noch nicht konkreten Ausdrucksform (LF; Leere Form) zusammen. 3. Unter konzeptueller Szene verstehe ich die Konkretisierung des Bedeutungsteilbereichs der Szene, d.h. die konzeptuelle Szene stellt sich als ein Gerüst für ein konkretes allgemeines Konzept bzw. Bedeutung heraus, die von verschiedenen Ausdrucksformen wiedergegeben werden kann. Auf der Ebene der konzeptuellen Szene wird zwischen konzeptuellen Matrixszenen und konzeptuellen Subszenen (siehe Abb. 3) unterschieden, die mithilfe der Rekursivität miteinander verknüpft sind. Die Frage, wie viele konzeptuelle Szenen vorhanden sind und welcher Art sie sind, lässt sich nur mit Rückgriff auf die semantischen Relatoren beantworten, was in Abschnitt 2.2 erörtert wird. 4. Die konkrete Szene setzt sich aus a) einer konkreten Bedeutung, b) einer im Fokus stehenden subklassenspezifischen semantischen Rolle und c) einer noch nicht festgelegten Form zusammen. Die konkreten Szenen stellen Minimalstrukturen von Sätzen oder von sprachlichen Ausdrücken dar, die Szenen evozieren, darunter fallen alle Ausdrucksformen mit der gleichen Allgemeinbedeutung, die aber auf dieser Beschreibungsebene noch nicht festgelegt werden (cf. syntaktisch-semantische Szene). 5. Die syntaktisch-semantische Szene besteht in dem von mir vorgeschlagenen Modell aus einer konkreten Form - d.h. möglicherweise unterschiedlich zu realisierenden Formen - und einer Bedeutung (cf. semantische Szene). Die Aktualisierung der in einer Szene profilierten semantischen Rolle geht mit unterschiedlichen Ausdrucksformen einher, es handelt sich also hier um die 8 Cf. zum Zusammenhang von frames, Valenz und Lexikon z.B. die Artikel von Fillmore (2003) oder auch Fillmore/ Atkins (1992). <?page no="109"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 109 konkrete, aus den bestehenden Möglichkeiten ausgewählte sprachliche Umsetzung. 2.2 Die semantischen Relatoren und die Szenen Engel (2004: 189ff.) unterscheidet vier semantische Relatoren, und zwar Agentiv, Affektiv, Lokativ und Klassifikativ (cf. auch Domínguez 2005, 2013). Das Vorhandensein der Relatoren bzw. ihre Wechselwirkung bestimmt die Zuordnung einzelner Ausdrucksformen zu den jeweiligen Szenen. Die Berücksichtigung der semantischen Relatoren ist für die Festmachung/ Festlegung der Szenenklassen und die Anzahl der Szenen insofern wichtig, als sie Engels Sicht zufolge “für die Sprachbeschreibung nur zugelassen werden [sollen], sofern sie durch Entsprechungen in anderen Teilen des grammatischen Systems ‘abgesichert’ sind” (Engel 1996b: 227). 9 Das heißt, die Liste der semantischen Relatoren, und darüber hinaus die der Szenen, 10 ist nicht beliebig erweiterbar. Die bereits kurz umrissene Verfahrensweise - die Bezugnahme z.B. auf den Szenenbegriff sowie auf die semantischen Relatoren und nicht auf semantische Verbfelder - trägt dazu bei, dass etwa in die Szene zum Ausdruck der Fortbewegung und der Bewegungsmodalität auch Ausdrücke als Vertreter dieser Szene fallen, in deren Bedeutung primär keine Fortbewegungsindizes verankert sind, die aber je nach den eröffneten Valenzstellen und vorhandenen Relatoren zum Ausdruck der Fortbewegung dienen können. Ein Beispiel dafür bilden (1) Sie heiratete ins Ausland, (2) Er nieste die Serviette vom Tisch oder (3) Er singt das Publikum aus dem Saal. 11 Die Verben heiraten, niesen und singen sind zwar keine Paradebeispiele für den Ausdruck der 9 Ein wesentlicher Unterschied zu den kontrastiven Grammatiken von Engel et al. (1993, 1999) und zum Valenzlexikon (Deutsch - Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch) (Djordjević/ Engel 2009) liegt in dem Umstand, dass mithilfe meines szenenfundierten Modells alle sprachlichen Ausdrucksformen zusammengestellt werden sollten, die zum Ausdruck einer Szene beitragen. Außerdem ist die Makrostruktur des Wörterbuchs semasiologisch, die Vorgehensweise des hier präsentierten Modells ist onomasiologisch und nicht wortartenfixiert. 10 Insgesamt lassen sich folgende Szenentypen festlegen: i) Szene zum Ausdruck des Resultats: Entstehung, Vernichtung, Folgerung, ii) Szene zum Ausdruck der Veränderung, iii) Szene zum Ausdruck der Fortbewegung und Bewegungsmodalität, iv) Szene zum Ausdruck von Empfindungen und Wahrnehmungen, v) Szene zum Ausdruck der Agentivität, vi) Szene zum Ausdruck von Eigenschaften und Zuständen vii) Szene zum Ausdruck der Position, Situierung und Existenzsituierung. 11 In Anbetracht konstruktionsgrammatisch und valenzgrammatisch orientierter Postulate erklärt Welke diese Fälle mit Hilfe der konzeptuellen Anpassung sowie der Implikaturen. So erläutert er, dass eine Bedeutung “ad hoc und vorübergehend auf Grund einer pragmatischen Implikatur verändert [wird]“ (2009: 102). <?page no="110"?> 110 María José Domínguez Vázquez selbst- oder fremdverursachten Fortbewegung, aber ihre Analyse auf der Grundlage der semantischen Relatoren verlangt ihre Zuordnung zu einem Ausdruckskatalog der Fortbewegung. Einen anderen Fall veranschaulichen (4) Die Fenster gehen nach Süden und (5) Gehen Sie weiter geradeaus, dann kommt die Kathedrale. 12 Sie weisen auf die Verwendung von prototypischen Bewegungsverben wie gehen und kommen als Ausdrucksmittel zur Darstellung der Szene zum Ausdruck von Eigenschaften und Zuständen hin: Trotz Vorhandenseins eines Richtungsausdrucks liegt in (4) kein Mutativ, sondern ein Eigenschaftsträger vor, was auch bei (5) der Fall ist. 13 Die bisherigen Ausführungen sollten ebenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass Relatoren und Szenen nicht gleichzusetzen sind, denn beide sind Kategorien unterschiedlicher Ebenen. Entscheidend für die Festlegung der Szene ist ja das Vorhandensein eines Relators unter Berücksichtigung anderer mitbeteiligten Relatoren. Mithilfe der Relatoren lassen sich z.B. Perspektivierungsfälle bei der Satzgestaltung bzw. Sachverhaltsrepräsention jedoch nicht erklären, mithilfe der Szenen aber sehr wohl (cf. dazu Abschnitt 2.1). 3 Die Szene “Veränderung” Als die ranghöchste Bedingung zur Szenenzugehörigkeit erweist sich das Vorhandensein eines Mutativs, der gegebenenfalls von einem Klassifikativ (KLS) begleitet werden kann. Somit haben als Vertreter der genannten Szene alle Ausdrucksmittel zu gelten, bei denen ein AGT mut und ein AFF mut vorliegen. Ein AGT mut ist dann zu beschreiben, wenn etwas AGTmut an einem bestehenden Zustand verändert wird bzw. ein Übergang von einem Zustand in einen anderen stattfindet. Ein AFF mut ist dann vorhanden, wenn ein AGT bewirkt, dass etwas an einem bestehenden Zustand AFFmut verändert wird bzw. ein Übergang von einem Zustand in einen anderen stattfindet. Wie der Abbildung 1 im Anhang zu entnehmen ist, kommt den Ausdrucksformen nur ab der Ebene “Form” besonderes Gewicht zu, denn für die Netzbildung ist das Vorhandensein eines Mutativs ausschlaggebend, unabhängig davon, wie er syntaktisch materialisiert wird. Die Definitionsmuster für AGT mut und AFF mut lassen Berührungspunkte zwischen der Szene der Veränderung und jener der Bewegung erkennen, was in beiden Fällen auf das Vorhandensein eines X mut zurückgeht. Wie lassen sich nun aber die Szene der Veränderung und die der Fortbewegung voneinander abgrenzen? 12 Cf. dazu die konzeptuellen Brücken von Blank (1997). 13 Eine ausführlichere kontrastive deutsch-spanische Analyse zum Ausdruck der Fortbewegung und der Bewegungsmodalität liegt mit Domínguez (2013) vor. <?page no="111"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 111 Der Szene der Bewegung und der Szene der Veränderung ist gemeinsam, dass die betreffende Größe durch das verbale Geschehen irgendwie verändert wird. Der Unterschied liegt aber darin, dass bei der Szene der Veränderung etwas an einem bestehenden Zustand verändert wird bzw. dass ein Übergang von einem Zustand (Vorzustand) in einen anderen (Nachzustand) stattfindet, folglich kann hier der Relator Klassifikativ auch eine Rolle spielen, muss aber nicht. Hingegen findet im Fall der Szene der Bewegung eine Veränderung in Bezug auf die Basis (Grund; siehe dazu Talmy 1985, 2000 und Berthele 2006) statt, indem der Bewegungsträger (AGT mut oder AFF mut ) in Bezug auf die Basis eine neue Lokation einnimmt oder in Bezug auf die Lokation beschrieben wird. Folglich spielt hier das Verhältnis zwischen einem AGT mut bzw. einem AFF mut und einem Lokativ eine ausschlaggebende Rolle. Ferner handelt es sich in der Regel bei der Szene der Veränderung um eine innere Veränderung von einem Zustand A zu einem Zustand B, im Fall der Bewegung um eine Relation zwischen zwei Komponenten, zum einen dem Bewegungsträger und zum anderen der Basis. Somit wird die Bewegung und die Lokation in Bezug auf die Basis (Grund) beschrieben. Zur Illustration der Szene der Fortbewegung dient die Abbildung 2, deren Gegenüberstellung mit Abbildung 1 im Anhang die Unterschiede zwischen beiden Szenen deutlich macht: Abbildung 2: Gekürzte Darstellung der Szene der Fortbewegung und Bewegungsmodalität <?page no="112"?> 112 María José Domínguez Vázquez 4 Die Szene “Veränderung”: Deutsch und Spanisch im Vergleich 4.1 Grundsätzliches: Zu einer Typologie der Veränderung Bei der deutsch-spanischen Gegenüberstellung der Szene zum Ausdruck der Veränderung 14 werde ich mich mit der vorgangsbezogenenen Veränderung auseinandersetzen, die ich wie folgt auffasse: Etwas AGTmut wird an einem bestehenden Zustand verändert bzw. es findet ein Übergang von einem Zustand in einen anderen statt. Unter diese Definition fallen Beispiele wie die folgenden, die als Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen dienen: (6) Das Klima hat sich geändert. (7) Das Gesicht der Erde verändert sich. (8) Die Nachfrage nach Forschungsstellen wächst. (9) Der Junge wächst zu Tarzan, dem Herrscher des Urwaldes heran. (10) Er hat in letzter Zeit zugenommen. (11) Die Probezeit verlängert sich. (12) Die Situation verkompliziert sich, als von der Schule aus angeboten wird, die Kinder von Kriegshelden könnten am Ausflug kostenlos teilnehmen. (13) Die Lage verbessert sich. (14) Die Tür öffnet sich. (15) Der Weinberg blüht. (16) Annette wird Ministerin. Beispiele wie (6) und (7) sind m.E. den Allgemeinen Verben der Veränderung zuzuordnen, bei denen die Veränderung von der Verbsemantik selbst ausgedrückt wird. (8), (9) (10) und (11) bilden eine andere Gruppe, da sich diese Verben auf die Wiedergabe der Veränderung einer Dimension spezialisiert haben. Die Beispiele (12) und (13) zeigen den Vertreter einer anderen Klasse, nämlich jener der Verben zur Bewertung der Veränderung: Sie erlauben eine 14 Spanische Verben sowie andere Mittel zum Ausdruck der Veränderung sind Untersuchungsgegenstand der Arbeiten von Eberenz (1985), Fente (1970), Porroche Ballesteros (1988) aber auch Thema in den von Mendikoetxea und de Miguel verfassten Kapitel der Gramática descriptiva de la lengua española (Bosque/ Demonte 1999) sowie in den Grammatiken von Matte Bon (1992), Benvenuto (2010) und Gómez Torrego (2007). Kontrastive Ausführungen findet man in Lorenzo (1971), Giera, (2011), Rogler (2010) und in den Grammatiken von Cartagena/ Gauger (1989), Castell (1997) und Vera Morales (2013). Die genannten Titel geben auch einen Gesamtüberblick über verschiedene Grammatiktypologien, da einige der Grammatiken auf Spanisch und für Hispanophone entwickelt wurden, andere hingegen für Hispanophone, die Deutsch als Fremdsprache lernen, und für Deutschsprachige, die Spanisch lernen. Damit lässt sich ein umfassender Überblick über alle zum Ausdruck der Veränderungen möglichen Ausdrucksformen und den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten aus unterschiedlichen Sichtweisen gewinnen. <?page no="113"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 113 Bewertung der Qualität des Nachzustands im Vergleich zu einem Vorzustand. (14), (15) und (16) fasse ich unter nicht allgemeine Verben der Veränderung zusammen. In Anlehnung an Mendikoetxea (1999b) lässt sich Veränderung außerdem in zwei Klassen einteilen, und zwar, Ausdruck der Veränderung externer Ursache und Ausdruck der Veränderung interner Ursache: Bei der Modifikation externer Ursache geht es darum, dass das syntaktische Subjekt, das aus semantischer Sicht nicht als der Bewirkende bzw. Agens ersten Grades aufzufassen ist, einem logischen bzw. “zugrundeliegenden” Objekt entspricht (wie z.B. (14)). Bei der Modifikation interner Ursache kann hingegen der Vorgang allein wegen der inhärenten Merkmale des Subjekts erfolgen. Ein Beispiel dafür bilden (15) und (16), bei denen das syntaktische Subjekt mit dem logischen Subjekt übereinstimmt. Das zuletzt Angeführte steht zunächst im Mittelpunkt der Analyse: Tabelle 1: Zur Veränderung externer und interner Ursache Modifikation externer Ursache Bsp. La puerta se abre./ Die Tür öffnet sich. Modifikation interner Ursache Bsp. El rosal florece./ Der Rosenstrauch blüht. Parameter: transitive, intransitive und ergative Verwendung a) Eine transitive als auch eine intransitive (ergative) Verwendung liegt vor: a) Transitive Verwendung liegt in der Regel nicht vor. Nur die Entitäten, die die entscheidenden Merkmale dafür haben, können eine innere Veränderung erfahren: (17) La puerta se abre. Die Tür öffnet sich. (18) Alguien/ el viento abre la puerta. Jemand/ der Wind hat die Tür geöffnet. (19) El rosal florece. Der Rosenstrauch blüht. Parameter: Verhältnis zwischen logischen und syntaktischen Größen b) Das syntaktische Subjekt [mut] entspricht einem “zugrundeliegenden Objekt”. b) b) Das syntaktische Subjekt [mut] c) hat Agens-Eigenschaften. Parameter: Bildung von Partizipkonstruktionen c) Partizipialkonstruktionen können gebildet werden: Dies ist möglich, wenn die semantische Rolle der beteiligten NP Thema ist. c) Partizipialkonstruktion lassen sich nicht bilden: <?page no="114"?> 114 María José Domínguez Vázquez (20) solidificada la sustancia {verfestigt die Substanz} (21) cocido el pan {gebacken das Brot} (22) *palidecido el niño {erblasst das Kind} (23) *adelgazado el niño {abgenommen das Kind} (24) *ensordecido el cura {ertaubt der Pfarrer} Parameter: Hinzufügung por sí solo/ -a d) Sie ist möglich: d) Sie ist nicht möglich: (25) La puerta se abrió por sí sola. Die Tür öffnete sich von allein. (26) *Juan empeoró por sí solo. {Juan verschlechterte sich von allein} (27) * La leche hirvió por sí sola. {die Milch kochte von allein} (28) *El niño creció por sí solo. {das Kind wuchs von allein} Parameter: Passivbildung e) Passivbildung ist möglich: Bei der estar-Konstruktion bzw. beim Resultativpassiv wird der resultierende Zustand der im Verb ausgedrückten Handlung wiedergegeben, während beim ser-Passiv sowohl der Prozess als auch das resultierende Ergebnis zum Ausdruck kommt: e) Passivbildung mit ser ist nicht möglich, hingegen die Konstruktion estar+Partizip II: (29) La puerta está abierta. Die Tür ist geöffnet/ ist auf. (30) La ventana fue abierta. Die Tür wurde geöffnet. (31) El niño está crecido. Das Kind ist groß geworden. (32) El tío está envejecido. Der Onkel ist gealtert. (33) El árbol está florecido Der Baum ist aufgeblüht. (34) *fue ardido {wurde gebrannt} (35) *fue crecido {wurde gewachsen} Eine saubere Grenze zwischen der internen und externen Ursache ist nicht immer klar zu ziehen. Häufig hängt m.E. diese Schwierigkeit mit der Analyse des Verbs ohne seine Ergänzungen zusammen, was sich für die Festle- <?page no="115"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 115 gung der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Klasse als nicht hinreichend herausstellt, wie es bei (36), (37) und (38) der Fall ist: (36) Los rumores de plagio oscurecen su fama. - Die Plagiatsgerüchte verdüstern ihren Ruhm. (37) Su fama se oscurece. - Ihr Ruhm verdüstert sich. Liegt eine transitive und eine intransitive Verwendung vor und kann por sí solo hinzugefügt werden, spricht dies für eine Modifikation externer Ursache. Kommt aber bei diesem Verb eine Subjektergänzung mit der semantischen Ausstattung “Naturereignisse bzw. -phänomene” vor, scheint die Bestimmung als Modifikation interner Ursache angebrachter zu sein, indem nur Größen bzw. Entitäten mit sehr konkreten inhärenten semantischen Merkmalen in Frage kommen, z.B.: (38) El día se oscurece. - Es wird dunkel. Welche Beobachtungen lassen sich im Hinblick auf beide Klassen unter einem kontrastiven Gesichtspunkt anstellen? (39) a. El calor derrite el hielo. - El hielo se derrite. b. Die Hitze schmilzt das Eis. - Das Eis schmilzt. (40) a. Pepe abre la puerta. - La puerta se abre. b. Pepe öffnet die Tür. - (i) Die Tür öffnet sich. - (ii) Die Tür geht auf. (41) a. La humedad oxida el coche. - El coche se oxida. b. Die Feuchtigkeit bringt das Auto zum Rosten. -Das Auto (ver)rostet. Im Fall der Veränderung externer Ursache lässt sich im Spanischen feststellen, dass das Vorhandensein unkausativischer Verwendungen zum Ausdruck der vorgangsbezogenen Veränderung - im Unterschied zu dem handlungsbezogenen - ein sehr verbreitetes Ausdruckmittel ist, wie in (39a), (40a) und (41a). Im Deutschen lässt sich bei (39b) die intransitive und transitive Verwendung des gleichen Verbs beobachten, hingegen lässt (40b) erkennen, dass das Deutsche auch ein anderes Verb dazu heranziehen kann. (41b) dient in der handlungsbezogenen Verwendung zur Illustration eines kausativen Funktionsverbgefüges. In der vorgangsbezogenen Veränderung zeigt (41b) einen Verbwechsel auf. Im Gegensatz zu der Modifikation externer Ursache drücken die Verben der internen Ursache eine Zustandsveränderung aber nicht unbedingt den absoluten Endzustand nach der Veränderung aus. Dementsprechend bedeutet envejecer (volverse/ hacerse más viejo) “älter werden” und nicht “alt sein”. Diese Ausdrucksmöglichkeit kommt nur in Frage, wenn an der jeweiligen Verbsemantik die Bedeutung “resultativ” auch impliziert wird, wie es bei den spanischen Verben hervir (kochen; zum Kochen gelangen) und florecer (blühen; zum Blühen gelangen) der Fall ist: (42) Hervida la leche - {* gekochte die Milch} - Als die Milch kochte. <?page no="116"?> 116 María José Domínguez Vázquez (43) Florecido el rosal - {*erblühte der Rosenstrauch} - Als der Rosenstrauch erblüht ist/ geblüht hat. Die vorangehenden Beispiele zeigen, dass das Deutsche und das Spanische sich zum Ausdruck eines Endzustands unterschiedlicher Konstruktionen bedienen. 4.2 Das Verb werden und die sogenannten Semikopulae In diesem Abschnitt dienen die nachstehenden Beispiele als Untersuchungsgegenstand: (44) Pronto se pondrá usted bien. - Bald werden Sie wieder gesund. (45) Ulli se ha puesto pálido. - Ulli ist blass geworden. (46) María se quedó ciega. - María ist blind geworden. (47) María se quedó viuda. - María wurde Witwe. (48) Klaus se ha vuelto caprichoso. - Klaus ist launisch geworden. (49) Con tantos problemas Juana se volvió loca. - Aufgrund so vieler Probleme ist Juana verrückt geworden. (50) Se ha hecho muy rico. - Er ist sehr reich geworden. (51) Se ha hecho famoso. - Er ist berühmt geworden. (52) Los pisos estaban cada vez más caros. - Die Wohnungen wurden immer teurer. (52) Los niños están cada vez más insoportables. - Die Kinder werden immer unerträglicher. Das Verb werden in der Lesart “sich in einer bestimmten Weise verändern” weist den Satzbauplan “Subjektergänzung (Esub) Prädikativergänzung zum Subjekt (Eprdsub)” auf. Als spanische Pendants stellen sich die Semikopulae 15 heraus, die über den gleichen Satzbauplan wie im Deutschen verfügen. Anscheinend handelt es sich hier um ein wenig Interesse erregendes Phänomen. Sieht man aber hinter die Kulissen, lässt sich feststellen, dass die Auswahl der einen oder der anderen Semikopula als Entsprechungen zu werden mit Bedingungen verschiedener Art zusammenhängt. Eine Grenzziehung bei der vielfältigen spanischen Semikopula lässt sich mit Rückgriff auf a) die Gegenüberstellung zwischen Eigenschaften und Zuständen, b) syntaktische Kombinationsrestriktionen und Selektionsbeschränkungen und c) Fokussierung aspektueller und aktionsbezogener Informationen vorneh- 15 Die sogenannten Semikopulae dienen in Verbindung mit den von ihnen jeweils selegierten Ergänzungen zum Ausdruck einer mutativen Situation, sie büßen dabei etwas von ihrer Bedeutung als Vollverben ein, d.h. sie werden desemantisiert. Somit ist z.B. ponerse bei Se puso en la puerta. - Er stellte sich an die Tür. keine Semikopula, hingegen bei Se puso colorado. - Er wurde rot. sehr wohl. <?page no="117"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 117 men. 16 Die nachstehenden schematischen Ausführungen stellen dieses komplexe Bedingungsnetz bei den Semikopulae dar: ‘sich in einer bestimmten Weise verändern’ ponerse Beispiele (44), (45) Bedeutungsbeschreibung ‘plötzliches Geraten oder Sichversetzen in einen vorübergehenden Zustand’ Realisierungrestriktionen Eprdsub= möglich: Adjektive, Partizipien, Adverbien und Präpositionalphrasen Aktionsart Zustand/ Vorgang inchoativ, Übergang in einen neuen vorläufigen Zustand Zustand= estar Se pone furiosa = Está furiosa. {Sie wird wütend = Sie ist wütend} quedar(se) Beispiele (46), (47) Bedeutungsbeschreibung ‘in einem bestimmten neuen Zustand, in einer bestimmten neuen Situation sein als Folge eines Ereignisses’ Realisierungrestriktionen Eprdsub= nie ein Substantiv; möglich: Adjektive, Partizipen II, Adverbien und Präpositionalphrasen Aktionsart Zustand/ Vorgang Ausdruck eines aus einer vollendeten Veränderung resultierenden dauerhaften/ vorübergehenden Zustands oder einer Eigenschaft. 17 Zustand= estar María está ciega. {María ist blind} Eigenschaft= ser María se ha quedado ciega y por esto es ciega. {María ist blind geworden und daher ist sie blind} Fokussiert wird das Ergebnis bzw. die Folge der Veränderung. 16 Aspekt fasse ich als ein grammatisches, auf die Satzebene bezogenes Phänomen auf, bei dem eine entweder-oder-Relation erkennbar ist, d.h. bei Aspekt handelt es sich um die Opposition Perfektiv gegenüber Imperfektiv. Hingegen stellen Aktionsarten lexikalische Werte der Verben dar, welche die Art und/ oder die Verlaufsweise oder -phase der bezeichneten Handlung, des Vorgangs oder Zustands betreffen. Im Gegensatz zum Aspekt lassen sich bei den Aktionsarten unterschiedliche Abstufungen erkennen. 17 In einigen Fällen, wie z.B. María se quedó asombrada, findet man im Deutschen keine werden-Entsprechung, sondern eine sein-Entsprechung: *Maria wurde erstaunt gegenüber Maria war erstaunt. <?page no="118"?> 118 María José Domínguez Vázquez volverse Beispiel (48), (49) Bedeutungsbeschreibung ‘nicht gewollte bzw. nicht freiwillige unerwartete tiefgreifende Änderung eines Zustands oder Eigenschaft’, (häufig) eine Veränderung ins Negative Realisierungsrestriktionen Eprdsub= Adjektiv- und Nominalphrase Aktionsart Zustand/ Vorgang Resultativ; auch Fokussierung des Prozesses Bsp. (48): Im Vergleich zu einem früheren Zustand, der nicht genannt werden muss, verfügt jemand über eine nicht unbedingt dauerhafte Eigenschaft = ser Se ha vuelto caprichoso y ahora es caprichoso. {er ist launisch geworden und jetzt ist er launisch} Bsp. (49): dauerhafter Zustand= estar Se ha vuelto loca y ahora está loca. {sie ist verrückt geworden und daher ist sie verrückt} hacerse Beispiele (50), (51) Bedeutungsbeschreibung ‘freiwillige oder willentliche graduelle Veränderung’, in der Regel in einer Skala von unten nach oben Realisierungsrestriktionen Eprdsub= Adjektiv- und Nominalphrase. Präferenzen bei der Nominalphrase: bei Substantiven, die im semantischen Bereich von Beruf, Ideologie, Glauben stehen und die artikellos auftreten, wird hacerse bevorzugt. Aktionsart Zustand/ Vorgang Ausdruck einer aus der Veränderung resultierenden Eigenschaft bzw. Eigenschaft= ser Se ha hecho famoso y por tanto es famoso. {er ist berühmt geworden und daher ist er berühmt} estar Beispiele (52), (53) Bedeutungsbeschreibung ‘progressiver, allmählicher Übergang in eine neue Situation oder Zustand’ Realisierungsrestriktionen Die prdsub = Adjektiv mit einer Steigerungsform Aktionsart Zustand/ Vorgang Zustand =estar Los pisos están cada vez más caros, por tanto están más caros. {die Wohnungen werden immer teurer, daher sind sie teuer} <?page no="119"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 119 Aus den obigen Darlegungen wird ersichtlich, dass es im Spanischen keinen typischen Vertreter bzw. kein Hyperonym für werden in dieser Verwendung gibt: Die heterogenen Ausdrucksformen sowie die lexikalische semantische Vielfalt stellen sich für diesen Bereich des Spanischen als kennzeichnend heraus. In Anbetracht der kontrastiven Perspektive muss noch erwähnt werden, dass vom Deutschen ausgehend die Auswahl spanischer Semikopula aufgrund des Kontextes bzw. aufgrund vorhandener Angaben zu entscheiden ist (cf. in Abbildung 3 im Anhang die Spezifikatoren, s. Abschnitt 5). Bei der Anwendung der Semikopulae sind zusammenfassend die folgenden Aspekte zu beachten: a) Die unterschiedlichen formalen Realisierungen der Prädikativergänzung, z.B. bei volverse kann die Eprdsub in Form einer Nominalphrase realisiert werden, hingegen schließt quedarse diese Realisierung völlig aus; b) das Erreichen eines bzw. das Gelangen in einen neuen Zielzustand(s) oder einer neuen Zieleigenschaft aufgrund einer Veränderung: Beim Eintreten einer neuen Eigenschaft wird z.B. hacerse verwendet, demgegenüber wird im Fall eines neuen Zustands ponerse selegiert. Wird der Endzustand als dauerhaft wahrgenommen, dann wird in der Regel quedarse - wie bei quedarse cojo - ausgewählt; handelt es sich aber um eine plötzliche oder vorübergehende Änderung, steht ponerse (wie z.B. ponerse furioso) zur Verfügung. Weiterhin gibt es auch bestimmte Semikopulae, die auf den Ausdruck des Erlangens eines neuen Berufs oder einer sozialen Position spezialisiert sind, wie z.B. die inchoative meterse in meterse a boxeador (Boxer werden) oder die terminative acabar in acabar de pelandrusca (als Flittchen enden). Ferner lassen sie sich dadurch unterscheiden, dass es sich bei acabar [de + NP] um einen schlechten oder schlecht angesehenen Beruf handelt; c) die Rolle pragmatischer Faktoren bei der Bestimmung des Veränderungsprozesses, z.B. ob die Veränderung gewünscht, angestrebt u.a. ist oder ob sie als negativ empfunden wird; e) die Unterschiede bei den jeweiligen Semikopulae hinsichtlich des Aspekts bzw. der Aktionsarten sind auch erwähnenswert, z.B. inchoativ bei ponerse gegenüber resultativ bei volverse; f) das Kombinationspotential der Semikopulae ist aufgrund ihrer Desemantisierung ziemlich ausgeweitet, dessen ungeachtet lassen sich einige Substantive und Adjektive nur mit bestimmten Semikopulae kombinieren, so z.B. embarazada schwanger nur mit quedarse. 4.3 Das Verb werden und die spanischen Periphrasen Als sprachliche Mittel zum Ausdruck der Veränderung treten auch die spanischen Infinitiv- und Gerundiumperiphrasen (Sánchez Nieto 2003, Cuartero/ García/ Sinner 2011) in den Vordergrund, deren Verwendung, wie im Fall der Semikopulae, von einem komplexen Bündel von Faktoren abhängig ist. Als Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen dienen die folgenden Beispiele: <?page no="120"?> 120 María José Domínguez Vázquez (54) Ha llegado a ser Premio Nobel. - Er ist Nobelpreisträger geworden. (55) Pasó a ser mi mejor amigo. - Er ist mein bester Freund geworden. (56) ¿Vas a ser ingeniero? - Wirst du Ingenieur? / Möchtest du Ingenieur werden? (57) El terminó por ser drogadicto. - Er wurde drogensüchtig. (58) María terminó siendo costurera. -Sie ist schließlich Näherin geworden. Die nachstehende Beschreibung, die notgedrungen eine Auswahl bildet, gibt nähere Auskunft über die Kombinationsrestriktionen sowie über die Bedeutungen der verschiedenen Periphrasen. 18 Tabelle 2: Spanische Periphrasen zum Ausdruck der Veränderung Periphrasen mit Infinitiv llegar a ser ‘Veränderung über einen längeren Zeitraum, oft mit Mühe verbunden’ Bsp. (54) Esub Eprdsub Esub: AGT mut Eprdsub: KLSall resultativ Eigenschaft=ser Es Premio Nobel. Er ist Nobelpreisträger. pasar a ser ‘Im Laufe der Ereignisse eintretende Veränderung’ Bsp. (55) Esub Eprdsub Esub: AGT mut Eprdsub: KLSall progressiv-resultativ Eigenschaft=ser Es mi mejor amigo. Er ist mein bester Freund. ir a ser ‘in der unmittelbaren Zukunft stattfindende Veränderung, die von jemandem beabsichtigt wird’ Bsp. (56) Esub Eprdsub Esub: AGT mut Eprdsub: KLSall inchoativ Eigenschaft=ser Va a ser ingeniero. Er wird Ingenieur. terminar por ser/ acabar por ser ‘Ende der Veränderung, deren Resultat für etwas Negatives oder Unerwartetes gehalten wird’ 18 Auflösung der Abkürzungen: Esub: Subjektergänzung, Eprdsub: Prädikativergänzung zum Subjektergänzung, AGTmut: Agentiv mutativ, KLSall: Klassifikativ allativ. <?page no="121"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 121 Bsp. (57) Esub Eprdsub Esub: AGT mut Eprdsub: KLSall resultativ Eigenschaft=ser Es drogadicto. Er ist dorgensüchtig. Periphrasen mit Gerundium acabar siendo/ terminar siendo ‘eine negative Veränderung in Bezug auf den Beruf oder gesellschaftliche Position’ Bsp. (58) Esub Eprdsub Esub: AGT mut Eprdsub: KLSall resultativ Eigenschaft=ser María es costurera. María ist Näherin. Die Nebennuancen, die aus der Auswahl von terminar por, acabar de, volverse, convertirse usw. hervorgehen, können im Deutschen nicht allein durch das Verb werden ausgedrückt werden, nur der Kontext und/ oder das Auftreten von Angaben beim Verb werden können dazu beitragen. 4.4 Die präfigierten Verben des Deutschen und ihre Entsprechungen im Spanischen Veränderung kann im Hinblick auf die Vorgangsphasen und auf das Entstehen bzw. Erlangen neuer Zustände näher spezifiziert werden. Im Deutschen spielen zum Ausdruck des Aspekts und der Aktionsarten die präfigierten Verben eine herausragende Rolle, hingegen ist diese Möglichkeit im Spanischen weniger vertreten. In Anlehnung an Motsch (2004) unterscheide ich zwischen a) Präfixen, die zur Beschreibung der Veränderungsphasen beitragen: Hier lassen sich die Anfangsphase, 19 die Endphase und auch die punktuelle Veränderung 20 unterscheiden; und b) Präfixen, die zum Ausdruck von neu entstandenen Zuständen beitragen: Der Zielzustand wird 19 Eine Größe vollzieht die Anfangsphase eines Geschehens. Es handelt sich hierbei um intransitive Verben. Zwei grobe Klassen lassen sich hier unterscheiden: 1. Der Übergang von einem Vorzustand in das vom Simplexverb wiedergegebene Geschehen oder einen Zustand, z.B. bei entbrennen, entschlafen, einschlafen. 2. Das Eintreten eines vom Basisverb ausgedrückten Geschehens oder Zustands, z.B. bei erblühen, erglühen, aufblühen. 20 Ein Aktant vollzieht die Endphase eines Geschehens oder Zustands. Im Gegensatz zum Simplex, das einen Verlauf anzeigt, drücken die präfigierten Verben eine Transition aus, indem ein Vorzustand impliziert wird und ein Nachzustand auftritt, wenn der Prozess abgeschlossen ist. Daher kann beim Simplex eine Duration ausgedrückt werden, nicht aber bei einem präfigierten Verb. Es handelt sich um intransitive Prozessverben, die mit einem Zustandswechsel enden, wie z.B. verblühen und verglimmen. Ein punktuelles Geschehen liegt z.B. bei zerplatzen vor. <?page no="122"?> 122 María José Domínguez Vázquez durch eine Eigenschaft ausgedrückt, die einem an dem Prozess Mitbeteiligten zugesprochen/ abgesprochen wird. 21 Im Weiteren gehe ich der Frage nach, wie die aus der Aktualisierung deutscher präfigierter Verben hervorgehenden Nuancen und Szenen mithilfe welcher sprachlichen Mittel und Konstruktionen im Spanischen wiedergegeben werden. Ein Gesamtüberblick über deutsche präfigierte Verben (Eichinger 2000, Schröder 1992) sowie ihre spanischen Entsprechungen (Cartagena/ Gauger 1989) zum Ausdruck der Veränderung wird in der nachstehenden Tabelle gegeben: Tabelle 3: Zum Ausdruck der Veränderung: deutsche präfigierte Verben und ihre spanischen Entsprechungen Deutsch Spanisch Anfangsphase des Vorgangs ein-, ent-, er-, auf- , z.B. einschlafen, entbrennen, aufblühen kein entsprechendes Präfix! a. a. Inchoative Verbalperiphrasen, z.B. empezar, comenzar beginnen a +Infinitiv b. se-Verbformen (dormir schlafen vs. dormirse einschlafen ) Abschluss des Vorgangs ab-, auf-, aus-, ver-, zer-, z.B.: verblühen, verbrennen, zerplatzen, ertrinken a. Präfixe: des-, en- (desangrar verbluten ) b. Resultative Periphrasen (terminar enden +Inf/ Ger.) c. Angaben por completo, totalmente (quemarse por completo ausbrennen ) d. Satzbauplankombinationen (morir + ahogado ertrinken) ) Übergang bzw. Überführung ab-, eraus-, ver-, z.B.: abmagern, erkranken, ausbleichen, verjüngen a. en-/ em-Präfixe und a- (parasynthetisch, z.B. asustarse erschrecken, 21 Dazu verfügt das Deutsche über nicht-präfigierte Verben, wie faulen und reifen, sowie über deadjektivische präfigierte Verben auf er- (erblinden, ertauben, erblassen) und ver- (verdummen, verblöden, verfaulen, vergreisen). Eine werden-Paraphrase ist in diesem Fall möglich: (59) Er erblindet. - Er wird blind. (60) Er altert. - Er wird älter. Wie aus den genannten Beispielen hervorgeht, kann der Zielzustand als abgeschlossen bzw. absolut (erblinden) oder als relativ (altern) aufgefasst werden. Beim relativen Zustand wird ausgedrückt, dass die einer Größe zugeschriebene Eigenschaft in einem höheren Grad erreicht wird (61) als die beim Vorzustand (62), z.B: (61) Marie altert. (62) Marie ist älter als zuvor. <?page no="123"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 123 in einen neuen Zielzustand enflaquecer abmagern, engordar zunehmen ) b. des-/ de-, re-Präfixe (desteñir ausbleichen, rejuvenecer verjüngen ) c. se-Verbformen (despertarse erwachen ) d. Inchoativ-ingressive Semikopulae (ponerse + pálido erbleichen ) Aus der Gegenüberstellung geht hervor, dass das Deutsche sich mit einem sehr ausgeweiteten präfigierten Verbsystem zum Ausdruck der Veränderungsphasen zu behelfen vermag, während im Spanischen nicht so viele präfigierte Verben dazu vorliegen. Auf der Satzebene  nicht auf der Wortebene  lassen sich im Spanischen aber viele Nuancen wiedergeben. Bei der Vermittlung der Veränderung in kontrastiver Perspektive ist das Zusammenspiel von Aspekt und Aktionsart (de Miguel 1999) bei den präfigierten Verben von zentraler Bedeutung, worüber die folgende Tabelle Auskunft gibt: Tabelle 4: Zum Ausdruck der Veränderung: deutsche präfigierte Verben aus kontrastiver Sicht Anfang des Vorgangs: telisch Bedeutung Präsens erblühen Eintritt in einen Vorgang, etwas fängt an zu blühen, aufblühen (63) dt. Die Knospe erblüht. (64) sp. Periphrase: El capullo empieza/ comienza a florecer. Resultativer Nachzustand Perfektbildung Kopulaverb+Partizip (65) dt. Die Knospe ist erblüht: Ende des Vorgangs des Erblühens ( Die Knospe ist voll aufgeblüht.) (66) sp. El capullo ha florecido: Ende des Vorgangs des Erblühens bzw. des Blühens. (67) dt. Die Knospe ist voll erblüht: Nachzustand nach dem Erblühen (68) sp. El capullo está florecido: Nachzustand nach dem Erblühen bzw. des Blühens In jeder Abhandlung über das Verb erblühen wird erläutert, dass bei diesem Verb das Präfix ereine inchoative Bedeutung vermittelt. Was m.E. wenig <?page no="124"?> 124 María José Domínguez Vázquez hervorgehoben wird, ist, dass im Gegensatz zur Gegenwartsform (63) bei anderen Formen (65) und (67) diese inchoative Bedeutung zumindest verblasst, wenn nicht verloren gegangen ist, denn z.B. bei Die Knospe ist voll erblüht handelt es sich um die Vollendung eines Vorgangs (bei der Perfektlesart) oder um den Endzustand (bei einer Zustandsformulierung). Wie kann das im Spanischen wiedergegeben werden? Das Spanische kann die Bedeutung des präfigierten Verbs erblühen im Präsens mithilfe einer inchoativen Paraphrase wiedergeben; kommt das Beispiel in der Vergangenheitsform (Die Knospe ist voll erblüht 22 ) vor, erweisen sich als Entsprechung zu dem deutschen Satz sowohl die Perfektform (El capullo ha florecido) als auch die Konstruktion estar sein +Partizip II/ Adjektiv (El capullo está florecido), wobei im ersten Fall das Ende des Vorgangs und im zweiten der resultative Endzustand ausgedrückt wird. 5 Ist den Ausdrucksformen bzw. Kategorien immer der gleiche Status im Modell zuzuschreiben? Die Beantwortung dieser Frage knüpft an die generelle Frage nach der Auffassung und Beschreibungsprozedur von Phänomenen wie Aspekt, Aktionsart, Ergativität, Passivität usw. an. Anlass zu weiteren Beobachtungen geben die nachstehenden spanischen Beispiele: 23 (69) Ella se metió reingehen a boxeadora Boxerin. - Sie ist Boxerin geworden. (70) Llegó ankommen a ser sein un gran amigo mío ein guter Freund . - Er ist ein guter Freund geworden. (71) Pasó vorbeigehen a ser sein un gran amigo mío ein guter Freund . - Er ist ein guter Freund geworden. Bei den vorangehenden Beispielen handelt es sich um Vertreter der syntaktisch-semantischen allativen Subszene, da die Endphase einer Veränderung wiedergegeben wird. Der Unterschied zu den bereits angeführten Beispielen ist nicht relatorenbedingt, er geht auch nicht auf unterschiedliche konzeptuelle bzw. semantische Szenen zurück. Es handelt sich hierbei um verschiedene Matrixkategorien, mit deren Hilfe Veränderung ausgedrückt wird, und dementsprechend werden sie auf der Ausdrucksebene des Modells als Periphrasen- und Semikopulae-Matrixtypen beschrieben (cf. im Anhang Abbildung 3 auf der Ausdrucksebene Bsp. 69, 70, 71). 24 22 Vorzuziehen und gebräuchlicher wäre die Konstruktion Die Knospe ist aufgeblüht/ steht in voller Blüte. 23 Im Weiteren beziehe ich mich auf die Beschreibung der spanischen Beispiele, die deutschen Beispiele haben hier nur als Übersetzungen zu gelten. 24 Spezifikatoren sind nicht szenenbedingte Informationen. Ich komme weiter unten noch darauf zurück. <?page no="125"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 125 Die bereits erwähnten Aspekt-, Aktions- und Fokussierungsnuancen, die die eine oder die andere Ausdrucksform jeweils unterscheiden lassen, sind zunächst an konkrete Ausdrucksmittel gebunden, z.B. llegar a ser gegenüber pasar a ser. Daher spricht nichts dagegen, auf der Subtypes-Ebene auf aktionsartbezogene Unterschiede Bezug zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Szene hier als Ganzes, das man kennen muss, fungiert, um die unterschiedlichen Teilaspekte, die die Ausdrucksformen in den Fokus bringen, adäquat ersehen zu können. Dieses mit den jeweiligen Formen einhergehende Wissen ist Bestandteil des epistemischen Wissens eines Sprachbenutzers, denn wir wissen, dass Handlungen, Veränderungen, u.a. beginnen, aufhören, dauern. Graphisch lassen sich dann Ausdrucksmittel wie llegar a ser/ pasar a ser wie folgt darstellen: Abbildung 4: Graphische Darstellung für tokens wie llegar a ser und pasar a ser Eine andere Analyse liegt der Periphrase in (72) zugrunde, da im Gegensatz zu den vorangehenden Beispielen das ergative Verb - und nicht die Periphrase - zum Ausdruck der Veränderung beiträgt (cf. Abb. 3 im Anhang): (72) Llegó a crecer 8 centímetros por año. - Er ist sogar 8 Zentimeter pro Jahr gewachsen. <?page no="126"?> 126 María José Domínguez Vázquez Da die Periphrase in der Tat die Wiedergabe der Veränderung nicht gewährleistet, sondern den Ausdruck mit einem resultativen Charakter ausstattet, findet sie in der syntaktisch-semantischen Szene keine Widerspiegelung; Veränderung vermittelt das Verb crecer (cf. Abbildung 5). Da diese aus informativen Gründen wichtigen Redeteile zusätzliche, nicht szenenbedingte Informationen einbringen, werden sie als “Spezifikatoren” in die Analyse einbezogen. Es handelt sich hierbei um eine Art Standardwerte, die vom Sprecher auf der Basis von Kontextdaten, sprachlichem Wissen oder Hintergrundwissen erschlossen werden können (cf. Ziem 2008: 335- 348). Graphisch lassen sich Periphrasen wie llegó a crecer wie folgt beschreiben: Abbildung 5: Graphische Darstellung von tokens wie llegar a crecer Da Aktionsart und Aspekt in den beiden Sprachen unterschiedlich kodiert werden (syntaktisch vs. morphologisch) und da auch unterschiedliche Abdeckungsbereiche zwischen den beiden gegenübergestellten Sprachen möglich sind, werden sie je nach Szene und Ausdrucksmittel szenenbedingt (oder nicht) oder mithilfe der Kategorie “Spezifikatoren” beschrieben. Dies erlaubt ebenfalls eine zweisprachige Gegenüberstellung und Erklärung von Beispielen wie El capullo ha florecido und El capullo está florecido und der mit ihnen verbundenen Aktionsarten als Pendants zu Die Knospe ist voll erblüht (cf. Abschnitt 4.4). <?page no="127"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 127 Diese Beschreibungsprozedur macht deutlich, dass bei der Szene zum Ausdruck der Veränderung im Spanischen, im Gegensatz zum Deutschen, die Informationswiedergabe vorwiegend auf der Satzebene - und nicht auf der Wortebene - erfolgt. 6 Zusammenfassung Dieser Beitrag stellt eine neuartige Herangehensweise an die kontrastive Analyse des Deutschen und des Spanischen vor, die hauptsächlich durch zwei ineinander greifende Beschreibungsverfahren unterstützt wird: zum einen die Einteilung in Szenen und zum anderen die Wechselwirkung der semantischen Rollen und der Szenen sowie die Interaktion der semantischen Rollen untereinander. Diese Interaktion gewährleistet eine exakt definierte Eingrenzung der untersuchten Szenen; die konzeptuell lexemübergreifenden Szenen bilden das tertium comparationis und ermöglichen eine auf den frames und nicht auf den Ausdruckskategorien basierenden Analyse. Am Beispiel der spanischen Periphasen und Semikopulae zum Ausdruck der Veränderung habe ich zu zeigen versucht, wie komplex ein Phänomen in der einen Sprache sein kann, da sich unterschiedliche Faktoren auf die Realisierung der einen oder der anderen möglich vorkommenden Form auswirken. Ein Beispiel für unterschiedliche Abdeckungsbereiche bildet ebenfalls der Vergleich zwischen deutschen präfigierten Verben und ihren spanischen Entsprechungen. Hier kommt man zu dem Schluss, dass das Deutsche über ein sehr ausgeweitetes Präfigierungssystem zum Ausdruck der Veränderung verfügt, während im Spanischen die Darstellung der Veränderung vorwiegend auf der Satzebene, und nicht auf der Wortebene, erfolgt. In einer Gesamtbetrachtung der Untersuchungsergebnisse lässt sich feststellen, dass diverse sprachliche Phänomene und Ausdrucksformen eine entscheidende Rolle beim Ausdruck der Veränderung spielen, z.B. Aspekt und Aktionsarten, die Periphrasen und Semikopulae, die Funktionsverbgefüge sowie die präfigierten Verben, die auf unterschiedlichen Ebenen des Beschreibungsmodells eine Rolle spielen. Die hier dargestellten Phänomene bilden notgedrungen eine Auswahl, denn weitere Ausdrucksformen sind als Vertreter der Szene der Veränderung in das Inventar mit einzubeziehen: Nichts spricht dagegen, ein Verb wie lassen als handlungsbezogenes Veränderungsverb einzustufen, wenn man bei Sätzen wie Der Geschäftsmann ließ sich den Anzug kürzen der Akkusativergänzung eine Beschreibung als Affektiv mutativ zuschreibt. Außerdem gehören zu dieser Szene deverbale Substantive wie Steigerung, Verstärkung, Abschwächung u.a. Zweifelsohne kann nur unter Einbezug unterschiedlicher Ausdrucksformen ein Gesamtüberblick über die zur Analyse herangezogene Szene angeboten werden. Und <?page no="128"?> 128 María José Domínguez Vázquez darin liegt die Stärke des Beschreibungsmodells: Es ist nicht wortklassenspezifisch verankert, sondern szenen- und szenariospezifisch, somit strebt es an, eine Antwort darauf zu finden, welche sprachlichen Mittel die Informationswiedergabe im Rahmen einer konkreten Szene gewährleisten und darüber hinaus, ob die Unterschiede bei den gegenübergestellten Sprachen auf verschiedene Auffassungen der Wirklichkeit zurückgehen. Angesichts dessen eignet sich diese Beschreibungsprozedur für den Vergleich unterschiedlicher auch nicht verwandter Sprachen. 7 Bibliographie Barsalou, Lawrence W. (1992): Frames, concepts, and conceptual fields. In: Lehrer, Adrianne/ Kittay, Eva. F. (eds.): Frames Fields and Contrasts. Hillsdale, N.J.: Lawrence Erlbaum Associates. Benvenuto, Mario F. (2010): Gramática de la lengua española. Catanzaro: Rubbettino. Berthele, Raphael (2006): Ort und Weg. Die sprachliche Raumreferenz in Varietäten des Deutschen, Rätoromanischen und Französischen. Berlin/ New York: de Gruyter. Bianco, Maria Teresa (2014): “Es scheint, als würde der Sommer nicht mehr werden”. Eine Lücke in der deutschen und italienischen lexikographischen Beschreibung am Beispiel des Vollverbs ‘werden’. In: Domínguez Vázquez, Mª José/ Mollica, Fabio/ Nied Curcio, Martina (eds.): Zweisprachige Lexikographie zwischen Translation und Didaktik. Berlin: de Gruyter, 33-46. Blank, Andreas (1997): Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen. Tübingen: Narr. Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.) (1999): Gramática descriptiva de la lengua española. Madrid: Real Academia Española/ Espasa Calpe. Busse, Dietrich (2009): Semantik. Padeborn: Fink. Busse, Dietrich (2012): Frame Semantik. Einführung, Diskussion, Weiterentwicklung. Berlin/ Boston: de Gruyter. Cartagena, Nelson/ Gauger, Hans-Martin (1989): Vergleichende Grammatik Spanisch- Deutsch. 2 Bde. Mannheim: Duden. Castell, Andreu (1997): Gramática de la lengua alemana. Madrid: Hueber. Cuartero Otal, Juan/ García Fernández, Luis/ Sinner, Carsten (eds.) (2011): Estudios sobre perífrasis y aspecto. München: Peniope. Djordjević, Miloje/ Engel, Ulrich (2009): Wörterbuch zur Verbvalenz Deutsch - Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch. München: Iudicium. Domínguez Vázquez, Mª José (2005): Die Präpositivergänzung im Deutschen und im Spanischen. Zur Semantik der Präpositionen. Frankfurt: Peter Lang. Domínguez Vázquez, Mª José (2013): Überlegungen zu einer deutsch-spanischen valenzbasierten Grammatik am Beispiel des Ausdrucks der Fortbewegung und der Bewegungsmodalität. In: Deutsche Sprache 4, 289-312. Dürscheid, Christa (2006): Syntax. Grundlagen und Theorien. Göttingen: Vandenhoeck/ Ruprecht. Eberenz, Rolf (1985): Aproximación estructural a los verbos de cambio en iberorromance. In: Linguistique comparée et typologie des langues romanes. Actes du <?page no="129"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 129 XVIIème Congrès International de Linguistique et Philologie Romanes. Band II. Université de Provence: Aix-en-Provence, 463-475. Eddington, David (2002): Disambiguating Spanish Change of State. In: Hispania 85, 900-908. Eichinger, Ludwig M. (2000): Deutsche Wortbildung: Eine Einführung. Tübingen: Narr. Engel, Ulrich ( 1 1988, 2 1996a): Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos. Engel, Ulrich (1996b): Semantische Relatoren. Ein Entwurf für künftige Valenzwörterbücher. In: Weber, Nico (ed.): Semantik, Lexikographie und Computeranwendung. Tübingen: Niemeyer, 223-236. Engel, Ulrich (1999): Deutsch-polnische kontrastive Grammatik. Unter Mitarbeit von Danuta Rytel-Kuc, Lesław Cirko, Antoni Dębski u.a. 2 Bände, Heidelberg: Groos. Engel, Ulrich (2002): Kurze Grammatik der deutschen Sprache. München: Iudicium. Engel, Ulrich (2004): Deutsche Grammatik - Neubearbeitung. München: Iudicium. Engel, Ulrich (2014): Dependenzielle Verbgrammatik (DVG). In: Hagemann, Jörg/ Staffeldt, Sven (eds.): Syntaxtheorien. Analysen im Vergleich. Tübingen: Stauffenburg, 43-62 (Stauffenburg Einführungen; 28). Engel, Ulrich/ Isbăşescu, Mihai/ Stănescu, Speranţa/ Nicolae, Octavian (1993): Kontrastive Grammatik deutsch-rumänisch. 2 Bände. Heidelberg: Groos. Fente, Rafael (1970): Sobre los verbos de cambio o devenir. In: Filología Moderna 38, 157-172. Fillmore, Charles J. (1977): Scenes-and-Frames Semantics. In: Zampolli, Antonio (ed.): Linguistic Structures Processing. Amsterdam/ New York/ Oxford: North-Holland, 55-81. Fillmore, Charles J. (1985): Frames and the Semantics of Understanding. In: Quaderni di semantica 6 (2), 222-254. Fillmore, Charles (2003): Valence and semantic roles: the concept of deep structure case. In: Ágel, Vilmos et al. (eds.): Dependenz und Valenz/ Dependency and Valency. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. An International Handbook of Contemporary Research. Berlin: de Gruyter, 457-475. Fillmore, Charles J. (2006): Frame semantics. In: Brown, Keith (ed.): Encyclopedia of language and linguistics, second edition. Oxford: Elsevier, 613-620. Fillmore, Charles J. (2008): The Merging of “Frames”. In: Rossini Favretti, Rema (ed.): Frames, Corpora, and Knowledge Representation. Bologna: Bononi University Press, 1-12. Fillmore, Charles J./ Atkins, B.T. Sue (1992): Towards a frame-based organization of the lexicon: the semantics of RISK and its neighbors. In: Lehrer, Adrienne/ Kittay, Eva (eds.): Frames, Fields, and Contrast: New Essays in Semantics and Lexical Organization. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates, 75-102. Gansel, Christina (2003): Valenz und Kognition. In: Ágel, Vilmos et al. (eds.): Dependenz und Valenz/ Dependency and Valency. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. An International Handbook of Contemporary Research. Berlin/ New York: de Gruyter, 422-444. García Miguel, José María (2012): Sobre polisemia de verbos y frecuencia de esquemas. El caso de volver. In: Jiménez Juliá, Tomás et al. (eds.): Cum corde et in nova grammatica: Estudios ofrecidos a Guillermo Rojo. Santiago de Compostela: Universidade de Santiago de Compostela, 367-382. <?page no="130"?> 130 María José Domínguez Vázquez Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (2006): Valenz und Übersetzung. In: Ágel, Vilmos et al. (eds.): Dependenz und Valenz - Dependency and Valency. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung - An International Handbook of Contemporary Research. Berlin/ New York: de Gruyter , 1546-1549. Giera, Irene M. (2011): Una carta no se pone colorada. Die Werden-Äquivalente des Spanischen als syntaktisch-semantisches Feld. Frankfurt: Peter Lang. Gómez Torrego, Leonardo (2007): Hablar y escribir correctamente. Madrid: Arco Libros. Hermanns, Fritz/ Holly, Werner (2007): Linguistische Hermeneutik. Theorie und Praxis des Verstehens und Interpretierens. Berlin: de Gruyter. Konerding, Klaus-Peter (1993): Frames und lexikalisches Bedeutungswissen. Tübingen: Niemeyer. Klix, Friedhart (1984): Über Wissensrepräsentation im menschlichen Gedächtnis. In: Klix, Friedhart (ed.): Gedächtnis-Wissen-Wissensnutzung. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 9-73. Llopis García, Reyes (2012): Gramática cognitiva para la enseñanza del español como lengua extranjera. Ministerio de educación, cultura y deporte: Secretaría General. Lorenzo, Emilio (1971): Verbos de cambio. In: Lorenzo, Emilio (ed.): El español y otras lenguas: Madrid: Sociedad General Española de Librerías, 67-83. Matte Bon, Francisco (1992): Gramática comunicativa del español. Madrid: Edelsa. Mendikoetxea, Amaya (1999a): Construcciones con se: medias, pasivas e impersonales. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Madrid: Real Academia Española/ Espasa Calpe, 1631-1722. Mendikoetxea, Amaya (1999b): Construcciones inacusativas y pasivas. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española, Madrid: Real Academia Española/ Espasa Calpe, 1577-1629. Miguel Aparicio, Elena de (1999): El aspecto léxico. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Madrid: Real Academia Española/ Espasa Calpe, 2977-3060. Minsky, Marvin (1974): A Framework for Representing Knowledge. M.I. T. Artificial Intelligence Laboratory. Massachusetts Institute of Technology. Morimoto, Yuko/ Pavón, Mª Victoria (2005): Estructura semántica y estructura sintáctica de las construcciones atributivas con ponerse y quedarse. In: Wotjak, Gerd/ Cuartero Otal, Juan (eds.): Entre semántica léxica, teoría del léxico y sintaxis. Frankfurt: Peter Lang. Motsch, Wolfgang (2004): Deutsche Wortbildung in Grundzügen. Berlin/ New York: de Gruyter. Porroche Ballesteros, Margarita (1988): Ser, estar y verbos de cambio. Madrid: Arco Libros. Rogler, Gudrun (2010): Die Versprachlichung des Konzepts "werden": mutative Prädikate und ihre Funktion im Sprachsystem: eine Untersuchung zum Spanischen und Deutschen unter Einbeziehung eines sprachtypologischen Hintergrunds. Bielefeld: Shaker Verlag. Ruppenhofer, Josef et al. (2010): FrameNet II: Extended theory and practice. International Computer Science Institute: University of Berkeley, CA. Sánchez Nieto, Mª Teresa (2003): La expresión perifrástica de las actitudes subjetivas del hablante en español y sus correspondencias en alemán. Salamanca: Universidad de Salamanca. <?page no="131"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 131 Schank, Roger/ Abelson, Robert (1977): Scripts, plans, goals and understanding: An inquiry into human knowledge structure. Hillsdale/ New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates. Schröder, Jochen (1992): Lexikon deutscher Präfixverben. Berlin/ München/ Leipzig: Langenscheidt/ Verlag Enzyklopädie. Schumacher, Helmut et al. (eds.) (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben. Berlin: de Gruyter. Schumacher, Helmut/ Kubczak, Jacqueline/ Schmidt, Renate/ de Ruiter, Vera (2004): VALBU - Valenzwörterbuch deutscher Verben. Tübingen: Narr. Talmy, Leonard (1985): Lexicalization patterns: Semantic structure in lexical forms. In: Shopen, Timothy (ed.): Language Typology and Syntactic Description 3: Grammatical Categories and the lexicon. Cambridge: University Press, 36-149. Talmy, Leonard (2000): Towards a Cognitive Semantics, Volume II: Typologie and Process in Concept Structuring. Cambridge: MIT Press. Vera Morales, José (2013): Spanische Grammatik. München: Oldenburg. Welke, Klaus (2009): Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 81-124. Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen Kompetenz. Berlin/ New York: de Gruyter. Zifonun, Gisela/ Hoffmann, Ludger/ Strecker, Bruno (eds.) (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Berlin/ New York: de Gruyter. <?page no="132"?> 132 María José Domínguez Vázquez 8 Anhang Abbildung 1: Szenario, Szenentypen und -unterklassen zum Ausdruck der Veränderung <?page no="133"?> Wie wird Veränderung im Deutschen und im Spanischen ausgedrückt? 133 Abbildung 3: Matrixtypes, Szenen und Spezifikatoren <?page no="135"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán. Un nuevo estudio contrastivo Juan Cuartero Otal, Universidad Pablo de Olavide - Sevilla 1 Presentación 1 Los problemas de equivalencia léxica entre lenguas tienen su reflejo evidente en las numerosas dificultades y en las inadecuaciones a veces inevitables que se producen al buscar correspondencias entre expresiones de una y otra de ellas. En la práctica, esos problemas quedan velados por la experiencia de los traductores para ofrecer el mensaje con una forma que nos suene natural y por los esfuerzos de los lexicógrafos para proponer las distintas equivalencias que hallamos en los diccionarios bilingües. En las siguientes páginas voy a insistir en que esos problemas son especialmente claros cuando estamos buscando equivalencias léxicas entre predicados de desplazamiento de lenguas germánicas y románicas, más concretamente en alemán y español. Una propuesta para hacer frente a dichos problemas desde un punto de vista práctico debe partir de un análisis contrastivo y lo más exhaustivo posible de los predicados de desplazamiento para determinar los aspectos a los que se debe prestar atención preferente. En ese sentido, se entiende que tanto para elaborar un diccionario bilingüe (cf. Domínguez Vázquez 2013) como para emplear uno de los ya existentes (cf. Albi Aparicio 2013) o para llevar a cabo traducciones al mismo tiempo adecuadas y fieles (cf. Molés Cases 2011) es necesario contar con una buena base teórico-práctica, fundada en el análisis monolingüe y también en el contraste de unos y otros datos. En ese sentido pretendo resaltar de modo general los contrastes de naturaleza gramatical que se dan entre los predicados de una y otra lengua y que resultan más pertinentes para los fines que acabo de exponer. Este trabajo aprovecha el marco teórico ofrecido por los trabajos de Talmy (1985 y 2001) acerca de la distinción entre lenguas-S y lenguas-V. Con ese trasfondo teórico, se evidencian las dificultades que se pueden observar en el par de lenguas español y alemán cuando se trata de establecer correspondencias “léxicas” entre predicados de desplazamiento del sujeto. La estructura del presente trabajo consta de tres partes. En el apartado 2 se presentan someramente los elementos empleados como marco teórico. A continuación, en el apartado 3, se presentan los criterios para llevar a cabo una clasificación de predicados de desplazamiento y se muestran los resul- 1 Este trabajo ha contado con el apoyo del proyecto de investigación Diccionario electrónico multilingüe de verbos de movimiento (DICEMTO) (FFI2012-33807) financiado por el Ministerio de Economía y Competitividad. <?page no="136"?> 136 Juan Cuartero Otal tados de su aplicación, primero al español (3.1) y después al alemán (3.2). Finalmente, se ponen en contraste las características de los distintos tipos de predicados de desplazamiento de ambas lenguas y se extraen algunas conclusiones en el apartado 4. 2 Marco teórico De acuerdo con el trabajo de Talmy (1985) y con investigaciones posteriores (Aske 1989, Jackendoff 1990, Levin & Rappaport Hovav 1992 o Slobin 1996, Morimoto 2001, Ibarretxe Antuñano 2009 p.ej.) se ha propuesto que los eventos de desplazamiento se pueden estudiar, caracterizar y contrastar interlingüísticamente descomponiéndolos en diversas unidades conceptuales básicas: estas según la versión de Talmy (1985) son seis: cuatro de ellas son consideradas centrales, Figura, Fondo, Movimiento y Trayectoria y dos opcionales, Manera y Causa. Se acepta además de modo generalizado una distinción tipológica basada en los dos principales patrones de lexicalización de tales unidades conceptuales básicas en las expresiones de desplazamiento. 2 Justamente el alemán y el español son sendos representantes típicos de ambas clases: las satellite-framed languages (lenguas de enmarcamiento satélital o lenguas-S), entre las que se cuentan las indoeuropeas a excepción de las románicas, las finoúgricas o el chino y las verb-framed languages (lenguas de enmarcamiento verbal o lenguas-V) que son por ejemplo las románicas, las semíticas, las polinesias o el japonés. Talmy (1985) indica que las lenguas-S y las lenguas-V tienden a lexicalizar de modo claramente distinto las unidades conceptuales básicas implicadas en la descripción de una escena de movimiento: en las lenguas-S, como es el caso del alemán, los lexemas llevan típicamente incorporados los componentes Movimiento y Manera, mientras que Trayectoria se suele expresar por medio de satélites, es decir, de partículas que acompañan a la forma verbal (1a, 2a). En cambio, en las lenguas-V, como el español, los lexemas llevan incorporados con frecuencia Movimiento y Trayectoria mientras que el componente Manera está indicado mediante complementos de carácter adverbal (1b, 2b). Veamos dos ejemplos en Figura 1: 2 Slobin (2004) ha propuesto un tercer tipo, las lenguas de marco equipolente (“equipollently-framed languages”), que expresan la Trayectoria y el Manera de desplazamiento mediante formas gramaticales del mismo tipo (es el caso de las lenguas con dos verbos principales, con verbos bipartitos compuestos de dos morfemas o con verbos doblemente prefijados). Es también una propuesta de clasificación revisada posteriormente en Talmy (2009). <?page no="137"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 137 Tabla 1 (1) a. Elio rannte auf den Berg herauf F IGURA M OVIMIENTO + M ANERA F ONDO T RAYECTORIA (1) b. Elio subió a la montaña corriendo F IGURA M OVIMIENTO + T RAYECTORIA F ONDO M ANERA (2) a. Elio kletterte ins Baumhaus hinauf 3 F IGURA M OVIMIENTO + M ANERA F ONDO T RAYECTORIA (2) b. Elio subió a la casa del árbol trepando F IGURA M OVIMIENTO + T RAYECTORIA F ONDO M ANERA Esas evidentes diferencias en la lexicalización conllevan, como se indica, fenómenos gramaticales relativos a las formas de expresar y narrar los desplazamientos en una y en otra lenguas. También influyen necesariamente en las formas de traducir las expresiones de desplazamiento entre lenguas de uno y otro tipo, como ya ha descrito Slobin (1996: 200): los textos en español, por lo que respecta a su forma de describir los desplazamientos, les resultan a los hablantes de inglés poco explícitos en cuanto a la expresión de la Manera de desplazamiento y la descripción de la Trayectoria y, en contrapartida, los textos en inglés les resultan engorrosos a los hispanohablantes. 4 Asimismo, esas diferencias en la lexicalización suponen un problema no siempre evidente a la hora de establecer las equivalencias léxicas entre predicados de desplazamiento de lenguas de una y otra clase. En el sentido de lo planteado en Albi Aparicio (2010: 22), vale la pena partir de un nivel conceptual como tertium comparationis (pese a toda la problemática que expone Wotjak 2006: 273ss.) en el que quedan englobados los elementos comunes de comparación a este respecto en ambas lenguas, para pasar a describir cómo cada una de ellas formaliza la expresión, qué componentes se presentan con mayor relevancia y desde qué punto de vista. El modelo de clasificación de los predicados parte por consiguiente de las propuestas de la Gramática y Sintaxis léxicas, que postulan que en el Lexi- 3 La situación es más compleja aún, ya que el alemán expresa además la perspectiva del hablante: con herauf el hablante observa el evento desde arriba y el desplazamiento se produce hacia él, con hinauf lo observa desde abajo y la figura se aleja de él. Dicho de otra manera: rannte ... herauf es solo una de las equivalencias de subió y podría ser también reformulado como subió corriendo hacia aquí o vino corriendo hacia aquí arriba (cf. Wandruszka 1969). 4 De hecho, según los datos que manejó Slobin, en la mitad de las traducciones al español se prefirió omitir información sobre Manera de desplazamiento y en la cuarta parte sobre Trayectoria (1996: 210, tabla) mientras que, justamente al contrario, los traductores al inglés, para cumplir las espectativas de naturalidad de sus lectores, se vieron en la necesidad de incluir en la cuarta parte de los casos alguna de esas informaciones (1996: 212). <?page no="138"?> 138 Juan Cuartero Otal cón, el componente léxico de las lenguas, se pueden incluir en primera instancia informaciones sobre las capacidades y las restricciones combinatorias de los predicados con respecto a las potenciales relaciones de dependencia que establecen con sus argumentos, en la línea de trabajo del Distribucionalismo. Se acepta a partir de estos datos la bien conocida hipótesis de que existen correlaciones entre las propiedades formales y de selección de los predicados y su contenido semántico, lo que implica la posibilidad de establecer clasificaciones tomando como criterio sus características comunes formales y combinatorias y determinar correlaciones semánticas entre unidades. 5 Desde la Tipología se ha señalado ya que una posibilidad muy prometedora para el contraste interlingüístico es centrarse no en lo que las diferentes lenguas pueden expresar -que viene a ser poco más o menos lo mismo- sino más bien en lo que necesariamente tienen que expresar (o, también, en este caso en lo que habitualmente suelen expresar), tal como explica Deutscher: “In 1938, Boas made an acute observation about the role of grammar in language […]: ‘grammar performs another important function. It determines those aspects of each experience that must be expressed.’ […] Boas's observation was rather inconspicuously placed in a little section about ‘grammar’ […] within an introduction to General Anthropology, and its significance does not seem to have been fully appreciated until two decades later, when […] Roman Jakobson encapsulated Boas’s insight into a pithy maxim: ‘Languages differ essentially in what they must convey and not in what they may convey.’” (Deutscher 2010: 151) En las páginas siguientes voy a tratar de mostrar desde el punto de vista del contraste gramatical que en la expresión de desplazamiento el alemán tiene que indicar -casi necesariamente- la Manera de desplazamiento y puede verbalizar la Trayectoria, frente al español, que suele emplear predicados de Trayectoria prescindiendo de la expresión de la Manera. Ahí tenemos ya de entrada una colosal diferencia. Además de ello, la variedad de expresiones de desplazamiento del español implica diversas posibilidades pero también restricciones en su uso y construcción que no parecen darse de ningún modo con las del alemán. 5 Esas correlaciones se consideran sistemáticas en modelos como la Sintaxis léxica (Subirats 2001) aunque no parecen serlo totalmente, si se tienen en cuenta datos de clasificación como los que aparecen en Cuartero (2003). <?page no="139"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 139 3 La expresión de desplazamiento en español y alemán Pese a que se trata de lenguas relativamente cercanas en lo geográfico e incluso en lo tipológico, la forma de describir los eventos de desplazamiento en la una y en la otra es muy diferente: a primera vista tal vez podría no parecérselo a los aprendices o hablantes de una con conocimientos de la otra, puesto que en ambas lenguas se combinan una serie de núcleos verbales con un sujeto que refiere la entidad que se desplaza, con unas indicaciones locativas (generalmente de carácter preposicional o a veces objetos directos) como puntos de referencia para la descripción y finalmente, para indicar la M ANERA de desplazamiento, con complementos modales de diversa naturaleza (gerundios, adjetivos en función predicativa, sintagmas preposicionales y adverbios; cf. Lübke y Vázquez Rozas 2011). Las primeras grandes diferencias se revelan, no obstante, en el tipo y número de complementos con los que se combinan. 3.1 Clasificación de los predicados de desplazamiento del español Para clasificar los predicados que describen desplazamientos en español, se ha solido recurrir a la diferenciación que propone Tésnière (1957) entre verbos de desplazamiento y de movimiento (correspondiente a la distinción entre verbos de desplazamiento y verbos de modo de desplazamiento): no pocos trabajos se han valido de su dicotomía para justificar algunas diferencias de combinabilidad y de aktionsarten (Aske 1989, Lamiroy 1991, Cifuentes 2000 o Morimoto 2001). Desde otro punto de vista, se ha recurrido en otros trabajos (Moreno Cabrera 2004, Cuartero Otal 2003 y 2009) a clasificar los predicados de desplazamiento observando sus posibilidades y restricciones de distribución con respecto a las indicaciones locativas de carácter dinámico. Estas indicaciones se refieren básicamente a los tres puntos de referencia implicados en la descripción de cualquier evento de desplazamiento: por un lado, el punto de partida u origen (de+N) y el punto de llegada o meta (a+N) y por otro, alguna referencia locativa que se halle situada entre ambos, llamada indistintamente camino, vía o trayecto (por, a través de+N), entre otras. 6 Así, entre los predicados de desplazamiento del español se distinguen inicialmente los transitivos de los intransitivos, es decir, los que toman como referencia una locación realizada como objeto directo y los que toman como 6 Hay asimismo indicaciones de dirección (con la preposición hacia o la locución en dirección a), indicaciones de límite inicial o final de referencia (desde y hasta respectivamente) y cuantificadores que indican la magnitud de la trayectoria (mil metros, dos kilómetros), de las que por condicionamientos de espacio y de tiempo no voy a ocuparme en este lugar. <?page no="140"?> 140 Juan Cuartero Otal referencia locaciones realizadas como indicaciones de caracter adverbal. Se pueden diferenciar así los predicados transitivos de desplazamiento como cruzar, bordear, evitar y trasponer frente a los intransitivos como ir, venir, llegar o vagar (cf. detalles en Cuartero Otal 2006 y 2009). A su vez, todos estos predicados son clasificables de acuerdo con las indicaciones locativas que se combinan con ellos y sirven como referencia al desplazamiento. Hay que hacer hincapié en un aspecto importante a la hora de establecer las compatibilidades o incompatibilidades que se atribuyen en este apartado a las combinaciones posibles: mientras no se indique lo contrario, se trata de combinaciones de un predicado con una sola indicación locativa. Casi todos los predicados intransitivos de desplazamiento son compatibles con una doble indicación de/ desde un lugar a/ hasta un lugar. 3.1.1 Los predicados de desplazamiento intransitivos del espa ñ ol Los predicados intransitivos dan lugar a una clasificación con cuatro categorías que se hallan en relación con la forma específica que tienen de representar desplazamientos: (a) Predicados sin restricciones de combinación con cualquiera de las tres indicaciones (origen, meta y vía): se trata de aquellos que en la bibliografía previa se han solido llamar “de desplazamiento” (Morimoto 2001, Cifuentes 2000, Lamiroy 1991, etc.) y que aquí se llamarán “predicados de desplazamiento direccional” ya que implican marcadamente al menos uno de los puntos de referencia. Son predicados como p.ej. abalanzarse, acceder, acercarse, acudir, alejarse, apartarse, aproximarse, arribar, arrojarse, ascender, avanzar, bajar, bajarse, brincar, caerse, descender, entrar, escaparse, huir, ir, irse, lanzarse, largarse, llegar, marcharse, partir, pasar, pirarse, recular, regresar, retornar, retroceder, salir, saltar, subir, subirse, tirarse, venir, volver o zarpar. Como puede observarse, la mayor parte de ellos indican, además, la Manera de desplazamiento. (b) Predicados combinables con indicaciones de meta y vía (pero no con una sola de origen), a los que voy a referirme como “predicados de desplazamiento”: se trata en general de los predicados que en las mismas fuentes se han solido llamar “de modo de desplazamiento” ya que lexicamente incluyen una manera específica de llevar a cabo el desplazamiento: andar, arrastrarse, bucear, cabalgar, caminar, correr, desfilar, desplazarse, esquiar, galopar, gatear, marchar, nadar, navegar, remar, trasladarse, trepar, trotar, viajar o volar. La diferencia más evidente con respecto a la primera clase es que en estos predicados no aparece implicado de modo más saliente ninguno de los tres puntos de referencia posibles. (c) Predicados compatibles con indicaciones de vía (y ni de origen ni de meta): entre estos se hallan todos los que indican desplazamientos de <?page no="141"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 141 naturaleza errática -o bien lúdica- y a los que voy a denominar “predicados de desplazamiento sin trayectoria”: cabriolear, corretear, errar, evolucionar, mosconear, pulular, retozar, trajinar, travesear, triscar, vagar, vagabundear, callejear, deambular, flotar, pasear(se) o revolotear. (d) Asimismo, hay otros predicados igualmente compatibles con indicaciones de vía, pero que caracterizan la manera peculiar de moverse o desplazarse de la entidad sujeto, es decir, se trata en realidad de “puras maneras de desplazamiento”: acuartillar, anadear, apeonar, cojear, chancletear, desalar, desalarse, haldear, haronear, nalguear, nanear, renguear, renquear, taconear o zanquear. Estos últimos, más cercanos a los estados que a los eventos, no parecen haber sido nunca tratados en trabajos de descripción de la expresión del desplazamiento. Siendo en esencia un tipo de predicados de desplazamiento sin trayectoria, con los que de hecho comparten la combinatoria, la diferencia con respecto a ellos es el distinto valor de su combinabilidad con locativos estáticos: mientras que con los primeros indican el lugar donde se produce el desplazamiento como se ve en (3a) o bien la condición para que se produzca (3b), los segundos reservan la localización como requisito para dar lugar a la caracterización en el ejemplo (4): (3) a. Mi cabra trisca en la pradera. (= Está triscando en la pradera.) b. Mi cabra trisca en la pradera. (= Trisca cuando está en la pradera.) (4) Mi cabra cojea en la pradera. (= Cojea cuando está en la pradera.) 3.1.2 Los predicados de desplazamiento transitivos del espa ñ ol Por lo que respecta a estos, se pueden considerar también un tipo de “predicados de desplazamiento direccional”. Si atendemos a sus posibilidades de combinación, dan lugar a dos categorías, que a su vez se pueden poner en relación con la forma que tienen de representar desplazamientos: (a) Predicados combinables con indicaciones de vía: en ellos, el complemento directo indica la localización en la que tiene lugar el desplazamiento: ascender, atravesar, bajar, cruzar, descender, pasar, subir, vadear, bordear, circunvalar, desandar, recorrer, remontar, rodear, seguir o sobrevolar. (b) Predicados estrictamente compatibles con indicaciones de vía (y ni de origen ni de meta, pero tampoco con la combinación de ambas): el complemento directo define una localización que se rebasa: evitar, sortear, alcanzar, salvar, rebasar, traspasar, trasponer o franquear. <?page no="142"?> 142 Juan Cuartero Otal 3.2 Clasificación de los predicados de desplazamiento del alemán Las posibilidades de clasificar estos predicados aplicando el mismo criterio de combinabilidad con las indicaciones locativas requiere contar con dos tipos de unidades y da lugar a resultados muy distintos. En primer lugar, estos predicados se combinan con indicaciones adverbales locativas bien comparables con las del español aunque presenten mayor variedad y complejidad en el empleo preposicional: 7 el punto de partida u origen (von/ aus+N), el punto de llegada o meta (zu/ nach/ in/ auf...+N) y la vía o trayecto (durch/ über+N). En segundo lugar, como es característico de las lenguas-S, los predicados se pueden combinar asimismo con otro tipo de elementos, en este caso preverbos, también llamados desde un punto de vista no morfológico partículas o satélites, que: 1. permiten transitivizar un predicado de desplazamiento (p.ej. been besteigen o betreten, veren verlassen, durchen durchqueren), 8 2. añaden información diversa a predicados determinados, pero solo a veces relacionada con la Trayectoria del desplazamiento (abañade la idea de “separación” en abfahren ‘partir en coche’ o abgehen ‘marcharse’ pero no en ablaufen ‘terminar, transcurrir’) o 3. refuerzan o indican sistemática y explícitamente el componente Trayectoria del desplazamiento que se describe (p.ej. herein-/ hinein- ‘de afuera hacia adentro’, herauf-/ hinauf- ‘de abajo hacia arriba’, herum-/ umher- ‘con trayectoria inconcreta’ o heim- ‘a/ hacia casa’) con un componente marcadamente deíctico (hinmuestra un movimiento que se aleja del emisor mientras que hermuestra que se produce en dirección a este). También en alemán se distingue entre los predicados de desplazamiento transitivos y los intransitivos, aunque en este punto debe hacerse una precisión puesto que algunos incluyen necesariamente un complemento acusativo como indicación de referencia para el desplazamiento, mientras que los demás, dependiendo de la presencia en la frase de diversas partículas, pueden incluir complementos en acusativo como referencia local dependiente de la partícula (Er fuhr den Berg hinauf ‘Ascendió en coche por la montaña’). Se distinguen así los predicados transitivos de desplazamiento como pueden ser verlassen ‘salir’, betreten ‘entrar’, besteigen ‘ascender’ o überqueren ‘cruzar’ 7 Las condiciones de variación están sujetas sobre todo a las clases de locación (nombres propios de lugar, lugares cerrados, instituciones, islas...) que se emplean y a diferentes usos dialectales o diastráticos. 8 En el trabajo de Galán (1993) se distinguen tres tipos de prefijos, que coinciden en lo esencial con esta clasificación: los que “coinciden con adverbios de dirección” (hinauf-, herauf-, hinunter-, herunter-, etc.), los que “se corresponden con una preposición simple” (durch-, wider-, nach-, etc.) y los “no separables” (ent-, be-, ver-, etc.). <?page no="143"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 143 frente a los intransitivos como gehen ‘ir caminando’, fahren ‘ir en un vehículo’, rennen ‘ir corriendo’ o spazieren ‘ir de paseo’. 3.2.1 Los predicados de desplazamiento intransitivos del alemán En contraste evidente con los datos del español es característico del alemán que los predicados de desplazamiento intransitivos no muestran claras restricciones combinatorias en relación con ninguna de las tres indicaciones locativas dinámicas señaladas: cualquiera de los predicados permite, en principio, la libre combinación con cualquiera de ellas. Igualmente característico es que tampoco se dan restricciones combinatorias en relación con las partículas que indican los diversos tipos de Trayectoria: cualquier predicado permite además la libre combinación con cualquiera de ellas. Esta afirmación se refiere, eso sí, a las partículas que con carácter sistemático expresan el componente Trayectoria, es decir, al último de los tres tipos que he mencionado en el apartado anterior. 9 A partir de estos dos criterios de análisis, se puede llegar a una primera conclusión en el sentido de que todos los predicados intransitivos que refieren un desplazamiento pueden clasificarse aplicando el criterio de su combinabilidad en una misma clase. Hay un hecho que me parece fundamental en contraste con sus posibles equivalencias léxicas en español y es que hay buenas razones para considerar que corresponden con los que en la propuesta de Talmy son “predicados de manera de desplazamiento”, puesto que en ellos se lexicaliza la manera específica en que se lleva a cabo el desplazamiento: sich bewegen ‘moverse’, bummeln ‘deambular, dar un paseo’, drängen ‘abrirse paso, empujar’, dringen ‘pasar’, eilen ‘darse prisa’, fahren ‘desplazarse en un vehículo’, fallen ‘caer’, flanieren ‘dar un paseo’, flattern ‘aletear, revolotear’, fliegen ‘volar’, fließen ‘fluir’, gehen ‘caminar’, geistern ‘deambular’, gelangen ‘llegar, meterse’, geraten ‘llegar, meterse’, gleiten ‘planear, deslizarse’, gondeln ‘deambular’, klettern ‘trepar, escalar’, krabbeln ‘gatear’, kriechen ‘arrastrarse, reptar’, latschen ‘caminar, arrastrar los pies’, laufen ‘caminar, correr’, marschieren ‘desfilar’, rasen ‘desplazarse muy deprisa’, reisen ‘viajar’, reiten ‘cabalgar’, rennen ‘desplazarse muy deprisa’, rollen ‘rodar’, rücken ‘apartarse un poco’, schleichen ‘desplazarse sin hacer ruido’, schlendern ‘deambular’, schwärmen ‘desplazarse en masa’, schweben ‘flotar, planear’, schwimmen ‘nadar, flotar’, segeln ‘desplazarse en una embarcación de vela’, 9 Los preverbos del tipo dos, como he dicho, se añaden solo a determinados verbos y en muchos casos inducen cambios de significado que dan lugar a predicados que ya no describen desplazamiento, de modo que son poco adecuados para una clasificación efectiva de la combinatoria de estos predicados y superan el espacio disponible para este análisis. Los preverbos del tipo uno tampoco son libremente combinables, pero dan lugar a predicados transitivos de interés para esta clasificación. <?page no="144"?> 144 Juan Cuartero Otal spazieren ‘pasear’, springen ‘saltar’, steigen ‘subir, bajar’, strömen ‘desplazarse en masa’, stürzen ‘caer’, treten ‘pisar, dar pasos’ o wimmeln ‘pulular’. 10 Durante algún tiempo trabajé con la hipótesis de que, como en español, el significado de algunos predicados o bien de algunas partículas excluyera la combinación con alguna de las posibles indicaciones locativas, es decir, que no fueran posibles ciertas combinaciones de predicados + indicación locativa o bien de predicados + indicación locativa + partícula de trayectoria. En un trabajo de Gerling y Orthen (1979) se encuentran indicaciones muy claras acerca de la primera de estas posibilidades, de hecho, los autores proponen una clasificación con siete categorías de verbos de desplazamiento (1979: 111) que se basa justamente en compatibilidades e incompatibilidades de combinación de los predicados de desplazamiento y los complementos locativos. Asimismo, algunas entradas del Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben, concretamente las correspondientes a los predicados irren y wandern (Helbig/ Schenkel 1991: 220 y 245) cuyas descripciones de sus complementos valenciales también daban pie para interpretar que se dan restricciones de distribución. Mis resultados, no obstante, acabaron por distar mucho de los de estos autores, ya que en alemán apenas se pueden hallar restricciones de combinación entre predicados de desplazamiento e indicaciones locativas. De hecho, solo hay una que se produce de modo sistemático y a la que voy a referirme en el siguiente apartado. 3.2.2 Algunos casos especiales Hay dos hechos en relación con la clasificación anterior de los que creo que se debe hacer mención específica. Para empezar, de acuerdo con su definición de diccionario, parece que en alemán hay tres predicados de desplazamiento intransitivo que refieren desplazamientos con carácter direccional: 1. la acepción de gehen que no se refiere específicamente a significados relacionados con la idea de ‘caminar’ sino de ‘marcharse’ 2. también kommen, que más allá de la idea del desplazamiento deíctico de ‘venir’, que es la primera equivalencia que dan los diccionarios bilingües, tiene el significado de ‘aproximarse a un lugar, alcanzar un lugar, llegar’ y 3. finalmente sich begeben, que simplemente implica la idea de ‘dirigirse a un lugar’. 11 10 La fuente de este listado de verbos es el diccionario Wahrig (2006) del que se tomaron todos aquellos predicados que aparecen como lema del que forme parte algún satélite indicador de Trayectoria. 11 Gehen (Duden s.v.): “6a. einen Ort verlassen; weggehen”. Kommen (Duden s.v.): “1. sich auf ein Ziel hin bewegen [und dorthin gelangen]; anlangen, eintreffen”. Sich begeben (Duden s.v.): “1.a an einen bestimmten Ort, irgendwohin gehen, fahren (häufig verblasst)”. <?page no="145"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 145 No parecen indicar, a diferencia de todos los demás predicados, un modo específico de desplazarse sino un mero desplazamiento. 12 En cualquier caso, y eso hay que subrayarlo, incluso en esos usos, sus posibilidades combinatorias no se diferencian en absoluto de las de los predicados de la lista anterior. Asimismo, kommen presenta una característica combinatoria muy especial que lo distingue frente a todos los demás miembros de la clase (cf. sobre todo, Krause 1994 y más recientemente Baudot 2009) puesto que es el único que puede aparecer en una construcción acompañado por participios de verbos de desplazamiento (pero también de movimiento o de producción de sonido) 13 que indican explícitamente la Manera en la que se produce el desplazamiento como vemos en los ejemplos de (5), de modo parecido a como sucede en español con el gerundio: (5) a. Sie kam in den Hof gefahren. (‘Entró al patio en coche.’) b. Er kam ins Zimmer geschwankt. (’Entró al cuarto dando tumbos.’) c. Der Zug kam angedonnert. (‘El tren llegó con un enorme estrépito.’) Por otro lado, en alemán hay algunos predicados como bummeln ‘deambular’ y los de significado relacionado con ‘desplazarse sin rumbo fijo’ (flanieren, gondeln, promenieren, schleichen, schlendern, etc.) acerca de los que los hablantes muestran ciertas reticencias cuando se trata de combinarlos con una indicación que incluya el origen (cf. Cuartero en prensa). Ejemplos como los de (6) son escasos incluso en un corpus como el DeReKo pero los juicios de los informantes acerca de ellos suelen estar referidos más a la infrecuencia de su uso que a una clara agramaticalidad: (6) a. Die Journalisten bummeln aus dem Saal. (DeReKo: die tageszeitung, 17.11.2007, S. I-II) (‘Los periodistas van saliendo lentamente de la sala’) 14 b. Jetzt bummelten wir langsam aus dem Herzen [der Stadt Lüttich] Richtung Ufer der Maas, wo unser Hotel lag. (DeReKo Hannoversche Allgemeine, 19.09.2009, S. 1) (‘Fuimos dando un paseo del centro de la 12 El estupendo trabajo de Lübke y Vázquez Rozas (2011) separa por su parte gehen indicando que se trata de “una forma bastante neutral para caracterizar el desplazamiento humano” (2011: 121), pero señalando a continuación (2011: 121 n.5) que se corresponde con la acepción “sich in aufrechter Haltung auf den Füßen schrittweise fortbewegen”, es decir, ‘desplazarse en posición erguida dando pasos con los pies’ (Duden s.v.), que yo sin duda incluiría entre los modos de desplazamiento. 13 Krause (1994) hace un detallado análisis de estas construcciones y demuestra además que no solamente aparecen en ellas, como se había propuesto en trabajos anteriores, otros predicados de desplazamiento. 14 Todas las traducciones que acompañan a los ejemplos son mías. <?page no="146"?> 146 Juan Cuartero Otal ciudad de Lieja hacía la ribera del río Mosa, donde estaba nuestro hotel’) c. [Dies] sagt Bruno Braun - und schlendert aus dem wohl bestüberwachten Büro der Welt. (DeReKo die tageszeitung, 21.02.2007) (‘[Eso] dice Bruno Braun y sale con pasos lentos del que posiblemente es el despacho más vigilado del mundo’) d. Volker Stoi […] schlendert danach aus dem Saal. (DeReKo die tageszeitung, 22.07.2011, S. 22) (‘Después, Volker Stoi […] abandona la sala despacio’). No obstante, la combinabilidad de los predicados de desplazamiento en alemán muestra la enorme importancia de la analogía en su sintaxis, lo que permite de hecho que la combinación con partículas indicadoras de Trayectoria permita sin lugar a dudas cualquiera de las combinaciones de (7): (7) a. 45 Minuten bummeln die Züge vom Hauptbahnhof hinaus ins Erdinger Moos […]. (DeReKo Nürnberger Nachrichten, 16.03.2000, S. 17) (‘45 minutos necesitan los trenes para viajar sin prisas de la estación hasta Erdinger Moos’). b. Nachdem ich ausgiebig gestaunt hatte, bin ich noch zu den Schöppenstedter Teichen hinaus gebummelt. (DeReKo Braunschweiger Zeitung, 03.06.2010) (‘Después de tantas sorpresas, aún me dirigí dando un paseíto a las lagunas de Schöppenstedt’). c. Aus den Gassen der Altstadt bummeln wir hinaus in die Wiesen an der Nebel (DeReKo Frankfurter Rundschau, 06.12.1997, S. 1) (‘Salimos de las callejas del casco antiguo dando un paseo hasta el prado a orillas del río Nebel’). d. Hanna Lechner packt kopfschüttelnd ihre Unterlagen in die Aktentasche und schlendert gedankenverloren auf den Flur hinaus. (De ReKo Wilkenloh, Wimmer: Poppenspäl. - Meßkirch, 24.03.2011) (‘Meneando la cabeza, H. L. guarda los documentos en un maletín y ensimismada sale lentamente al pasillo’). e. Ich schlendere grübelnd als einer der Letzten hinaus. (DeReKo Braunschweiger Zeitung, 22.10.2005) (‘Caviloso y errático, salgo entre los últimos’). f. Es ist Abend, die letzten Arbeiter schlendern aus dem Betonskelett hinaus. (DeReKo die tageszeitung, 09.05.2005, S. 5) (‘A media tarde, los últimos obreros van saliendo sin prisas de ese esqueleto de hormigón’). En relación con ello, parece que hay solo dos únicos casos de combinaciones que resultan evidentemente bloqueadas: en un caso, la presencia de las par- <?page no="147"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 147 tículas herum-/ umherjunto con cualquier predicado de desplazamiento bloquea la combinación con complementos locativos que no sean de vía (Anton läuft durch die Straßen herum ‘Anton deambula por las calles’), aunque se suele preferir la combinación con locativos estáticos (Anton läuft in den Straßen herum) con un significado exactamente igual. El otro caso, es el de los predicados inherentemente transitivos del alemán (del tipo verlassen), de los que me voy a ocupar en el apartado 3.2.4. 3.2.3 Expresiones sin predicados de desplazamiento Hay que mencionar una posibilidad de construcción común a las lenguas germánicas que contrasta fuertemente con las posibilidades de expresión de las lenguas románicas. En las descripciones de desplazamiento aparecen predicados de otros muchos tipos, característicamente de movimiento o de producción de sonido (sobre estos últimos cf. Engelberg (2009) y Meliss (2012)), que describen el modo especial en el que se produce y que suelen resultar muy difícilmente reproducibles en español: stampfen ‘patear, golpear el suelo con los pies’ (8a); schwanken ‘tambalearse’ (8b); knattern ‘traquetear, martillear…’ y ‘desplazarse en un vehículo que traquetea’ (8c); brausen ‘resonar, producir un fuerte ruido’ y ‘desplazarse apresuradamente’ (8d); quietschen ‘chirriar’ y ‘moverse produciendo chirridos’ (8e). 15 (8) a. Durchs Zimmer stampfen (Wahrig, s.v.) (‘Caminar por la habitación golpeando con los pies en el suelo.’) b. Er schwankte durchs Zimmer (‘Caminó por la habitación dando tumbos.’) c. Er ist mit dem Motorrad durch die Straßen geknattert (Wahrig, s.v.) (‘Recorrió las calles montado en una motocicleta cuyo motor producía un ruidoso traqueteo.’) d. Das Motorrad ist um die Ecke gebraust (Wahrig, s.v.) (‘La motocicleta dobló la esquina a toda velocidad.’) e. Die Straßenbahn quietschte um die Ecke (‘El tranvía dobló la esquina con un característico ruido chirriante.’) 3.2.4 Los predicados de desplazamiento transitivos del alemán Los predicados de desplazamiento inherentemente transitivos, en contraste con casi todos los que acabo de describir, sí que indican un desplazamiento direccional definido a partir de la locación que señala el complemento directo (que según los casos, es el origen, la meta o la vía), de modo que todos implican marcadamente uno de esos tres puntos de referencia. Algunos ejem- 15 Se puede hallar más ejemplos en el trabajo de Wotjak (1997: 266). <?page no="148"?> 148 Juan Cuartero Otal plos de ellos son: betreten ‘entrar’, eintreten ‘entrar’, erreichen ‘llegar/ alcanzar’, besteigen ‘subir/ ascender’, erklimmern ‘subir/ ascender’ cuyo complemento focaliza claramente la meta; en verlassen ‘salir’ muestra, por su parte, el origen; finalmente überqueren ‘cruzar’, durchqueren ‘cruzar’, befahren ‘recorrer en coche’, bereisen ‘recorrer durante un viaje’ o umgehen ‘rodear’ indican el lugar donde tiene lugar el desplazamiento. Sus características combinatorias contrastan mucho con las de los predicados incluidos en el grupo descrito en el apartado 3.2.3: puesto que todos ellos ya están formados por adición de algún prefijo y además con su complemento directo ya implican una trayectoria inherente, en ningún caso son susceptibles de combinarse con aquellas partículas que indican Trayectoria (los tipos 2 y 3 indicados en el punto 3.2). Estos predicados muestran, asimismo, claras incompatibilidades de combinación: aquellos cuyo complemento directo indica la meta solo son compatibles con indicaciones de vía; verlassen es compatible con indicaciones de meta y vía, ya que el origen va indicado por el complemento directo; el resto también se combina con indicaciones de vía y, aunque parece que en menor medida, con las de meta como en (9): (9) a. Etwa 6.800 DDR-Flüchtlingen […] überquerten das Gebiet der DDR nach Hof in Bayern 16 (‘unos 6000 fugitivos de la RDA atravesaron esa zona para llegar a la ciudad bávara de Hof’). b. Von ihrer Heimat Afrika aus sollen sie sogar als Schwarm aus Millionen Heuschrecken mittels Luftströmungen den Atlantik nach Südamerika überquert haben (Z07/ FEB.00840 Die Zeit (Online-Ausgabe), 22.02.2007) (‘desde su hogar en África se supone que millones de saltamontes aprovecharon las corrientes de aire para cruzar el Atlántico en enjambres y llegar a Sudamérica’). 4 Resumen y conclusiones 4.1 Semejanzas y diferencias en la expresión del desplazamiento A partir de los datos mostrados, resumidos en la Tabla 2 en la página siguiente, resulta evidente que existen varias diferencias contrastivas muy marcadas entre los predicados de desplazamiento del par alemán-español. Por un lado, hay que señalar que los predicados transitivos demuestran evidente homogeneidad en ambas lenguas: ambas clases implican el componente Trayectoria y muestran clara preferencia por la combinación con indicaciones locativas preposicionales que indican la vía. 16 En <http: / / www.was-war-wann.de/ 1900/ 1980/ oktober-1989.html> (acceso el 25 de julio de 2014). <?page no="149"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 149 Tabla 2: Resumen de los tipos de verbo de desplazamiento en español y alemán ESPAÑOL ALEMÁN TRANSITIVOS a) complemento directo indica la localización: bajar, cruzar, etc. b) complemento directo indica un límite que se rebasa: alcanzar, salvar, etc. a) complemento directo indica la meta: betreten ‘entrar’, erreichen ‘llegar/ alcanzar’, etc. b) complemento directo indica el origen: verlassen ‘salir’ c) complemento directo indica la localización: überqueren ‘cruzar’, bereisen ‘recorrer durante un viaje’. etc. INTRANSITIVOS a) sin restricciones de combinación: ir, llegar, etc. b) no combinables con una indicación de origen: andar, correr, etc. c) no combinables con una indicación de origen ni de meta: errar, callejear,etc. y d) no combinables con una indicación de origen ni de meta, caracterizadores de una manera peculiar de desplazarse: cojear, renquear, etc. sin restricciones de combinación: todos. Caso aparte: no combinables con una indicación de origen ni de meta (preferiblemente locativo estático): cuando aparecen en combinación con las partículas herum- / umher-. Las diferencias de mayor envergadura desde el punto de vista tipológico y contrastivo se centran en los predicados intransitivos y presentan las siguientes características: - Presencia del componente Trayectoria en la unidad léxica: en ese sentido, en alemán, como hemos visto con muy pocas excepciones, los predicados de desplazamiento no tienen Trayectoria implícita; en español, los que sí la implican son numerosos y entre ellos, además, se hallan los más frecuentemente empleados (ir - venir, salir - entrar, subir - bajar, pasar etc.). 17 17 De acuerdo con los datos de la Base de Datos Sintácticos (BDS), los ocho verbos españoles más frecuentes con el esquema [Sujeto + Complemento adverbial] son por este orden: ir, salir, estar, llegar, entrar, venir, volver y pasar. Excepto el tercero, que es locativo, se trata de verbos de desplazamiento con Trayectoria. Asimismo, los ocho verbos españoles más frecuentes con el esquema [Sujeto + Complemento adverbial + Segundo complemento adverbial] son por este orden: pasar, ir, subir, entrar, llegar, llevar, descender <?page no="150"?> 150 Juan Cuartero Otal - Presencia del componente Manera de desplazamiento en la unidad léxica: en alemán, de nuevo con muy pocas excepciones, es casi absolutamente generalizada; en español, sin embargo, no todos lo implican y entre estos, de nuevo, se incluyen los más frecuentemente empleados. - Adición del componente Manera de desplazamiento: ambas lenguas pueden añadir indicaciones sobre Manera de desplazamiento incluyendo elementos adverbales a un predicado, que pueden ser adverbios (Er ging schnell aus dem Zimmer/ Salió muy deprisa del cuarto) o complementos preposicionales adverbales (Er kam in aller Eile nach Paris zurück / Volvió a toda prisa a París), si bien, como he dicho, los predicados del alemán ya lo incluyen casi siempre en su significado léxico (Er eilte aus dem Zimmer heraus o Er eilte nach Paris zurück). Típicamente, en español se puede añadir a un predicado que indica la Trayectoria un gerundio que indique la Manera de desplazamiento (Subió las escaleras corriendo). En el caso de kommen, lo que se añade es un participio perfecto (Er kam zu uns gestiegen, Er kam zu uns heraufgestiegen ‘vino/ subió adonde estábamos nosotros’) que puede incluir la indicación explícita de Trayectoria y de la deixis que marca el hablante. - Homogeneidad de las categorías: en alemán, los predicados de desplazamiento muestran características sintáctico-semánticas muy claramente homogéneas, mientras que en español se pueden distinguir al menos cuatro clases sintáctico-semánticas a partir de su heterogeneidad. 18 - Desplazamientos que tienen lugar sin Trayectoria concreta: conlleva en ambas lenguas la restricción de las posibilidades de combinarse con indicaciones de origen y meta. En alemán, eso sí, debe ser indicada preferiblemente de forma explícita mediante partículas, mientras que en español esa información resulta inherente a la unidad léxica. - “Ampliación” de la clase léxica: la adición de indicaciones locativas dinámicas y/ o partículas permite en alemán una ampliación del significado de diversos predicados que pasan a describir un desplazamiento con la forma característica que indica el predicado. Este fenómeno resulta completamente imposible en español. 4.2 Conclusiones De todo lo anteriormente expuesto podemos extraer algunas conclusiones importantes: - Los predicados de desplazamiento transitivos tienen en ambas lenguas un estatus específico y característico frente a los demás, que permite hacer generalizaciones válidas para las dos lenguas (son desplazamientos direcy bajar. Excepto el quinto, que es un verbo de transporte, se trata de desplazamientos con Trayectoria. 18 En Cuartero Otal (2009) se diferencian más clases a partir de un análisis de sus características tempo-aspectuales y de sus aktionsarten. <?page no="151"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 151 cionales con una combinatoria muy específica) y los excluye de las que se presentan a continuación. - Parece un hecho generalizado que la presencia en la unidad léxica del componente Trayectoria descarta restricciones combinatorias con respecto a las indicaciones locativas adverbales: en español, todos ellos se combinan sin restricciones; en alemán, la presencia de una partícula que indique explícitamente la Trayectoria tampoco conlleva restricciones combinatorias. - La presencia en la unidad léxica del componente Manera de desplazamiento (frente a las propuestas de análisis de Jackendoff 1990: 88ss.) mediante la Adjunct-GO Rule, no conlleva necesariamente restricciones combinatorias: ninguno de los predicados del alemán las muestra, mientras que en español, los cuatro grupos que se han distinguido incluyen predicados en los que se puede dilucidar este componente y que a su vez tienen características combinatorias muy distintas. - Peso de las reglas sintácticas: a partir de los datos que acabo de exponer, una de las conclusiones que se pueden extraer es que en alemán el peso de las reglas de construcción es mucho mayor y que estas se aplican de modo muy sistemático. Ello contrasta muy evidentemente con el comportamiento sintáctico de los predicados de desplazamiento del español, a los que las reglas de combinación no se aplican exhaustivamente. - Peso de la información contenida en el Lexicón: esa exhaustividad característica facilita la tarea de sistematizar las informaciones que un hablante del alemán ha de manejar a la hora de construir frases con predicados de desplazamiento y además permite describirlas adecuadamente en el marco de una hipótesis de Sintaxis léxica como también de una hipótesis construccionista. En el caso del español, la aplicación de un acercamiento construccionista conllevaría dificultades a la hora de dar cuenta de las diversas restricciones combinatorias. Así, si se tienen en cuenta las diferencias expuestas entre los predicados de ambas lenguas, resultan especialmente claras las dificultades que se producen para los lexicógrafos que trabajan con ambas lenguas, por ejemplo, para ofrecer equivalentes léxicos “de diccionario” a predicados de desplazamiento direccional del español que no implican ninguna Manera de desplazamiento, puesto que los equivalentes alemanes contienen información de otro tipo, no pueden ser “perfectos” equivalentes. Así, “¿cómo se dice ir en alemán? ” sería una pregunta que, por los motivos que acabamos de ver, no podríamos esperar responder en el escaso hueco previsto en una entrada de diccionario. Pero lo mismo vamos a encontrar dificultades para ofrecer equivalencias en español a los compuestos del alemán que indican tanto la Trayectoria desde un punto de vista deíctico como la Manera de desplazamiento, sobre todo cuando lexicalizan matices de modo muy concretos y para los que no existe una correspondencia léxica unívoca en español. Así, la <?page no="152"?> 152 Juan Cuartero Otal descripción sobre el desplazamiento que ofrece un predicado como heraufschlurfen conlleva tantos detalles que una correspondencia “exacta” resultaría completamente inservible tanto para un traductor como para un alumno que pretende expresarse en otra lengua: ‘subir hacia un lugar acercándose al emisor, caminando y arrastrando de los pies de tal modo que se produce algún ruido.’ 19 Como conclusión, parece que, desde el punto de vista contrastivo, cuando se tratan conjuntamente los verbos de desplazamiento del alemán y del español, se están comparando dos clases que contienen elementos claramente muy distintos, por lo que es imposible partir de la premisa de que las correspondencias léxicas puedan ser -ni siquiera tendencialmente- unívocas, como suele suceder con mucha más frecuencia entre los sustantivos, los adjetivos y los adverbios y también entre otras clases léxicas de predicados de este par de lenguas. Parece por lo tanto que el modo menos adecuado de subrayar y evidenciar esas diferencias es tratar de forzar una serie de equivalencias entre unidades léxicas en un diccionario bilingüe al uso. Posiblemente sería preferible optar por presentar lemas con carácter de definición más que de equivalencias léxicas y adicionar un apéndice gramatical con una explicación de carácter contrastivo acerca de la expresión del desplazamiento en ambas lenguas. Sería mucho más complicado, claro, pero también sería mucho más realista y mucho más exacto que lo que ahora mismo nos pueden aportar los diccionarios bilingües al uso. 5 Bibliografía Albi Aparicio, Miguel (2010): La valencia lógico-semántica de los verbos de movimiento y posición en alemán y español. Frankfurt am Main: Peter Lang. Albi Aparicio, Miguel (2013): Wörterbuch und Übersetzer - Eine Zweckehe. En: Domínguez Vázquez, María José (ed.): Trends in der deutsch-spanischen Lexikographie. Frankfurt: Lang, 223-238. Aske, Jon (1989): Path Predicates in English and Spanish: A Closer Look. En: Proceedings of the Berkeley Linguistics Society 15, 1-14. Baudot, Daniel (2009): Er kam gelaufen. Schon gut, aber wozu denn? Funktionen der Struktur kommen + Part. II. En: Brdar-Szabo, Rita et al. (ed.): An der Grenze zwischen Grammatik und Pragmatik. Frankfurt: Lang, 109-119. Cifuentes, José Luis (2000): Movimiento, desplazamiento y cambio de posición. Aspectos sintáctico-semánticos. En: Fernández González, Jesús et al. (eds.): Lingüística para el siglo XXI. Salamanca: Universidad de Salamanca, 435-443. Cuartero Otal, Juan (2006): ¿Cuántas clases de verbos de desplazamiento se distinguen en español? En: RILCE 22/ 1, 13-36. Cuartero Otal, Juan (2009): Clases aspectuales de verbos de desplazamiento en español. En: Verba: Anuario galego de filoloxia 36, 255-291. 19 Véase el tratamiento de exactamente esta problemática en Meliss (2005: 231ss.). <?page no="153"?> La expresión de desplazamiento en español y alemán 153 Cuartero Otal, Juan (2015 en prensa): “Bummel-Verben”: Probleme bei der Beschreibung ihres Kombinationspotentials. En: Engelberg, Stefan/ Meliss, Meike/ Proost, Kristel/ Winkler, Edeltraud (eds.): Argumentstruktur - Valenz - Konstruktion. Tübingen: G. Narr. Domínguez Vázquez, María José (2013): Kontrastive Valenzwörterbücher im spanischen Sprachraum: eine neue Wende? En: Domínguez Vázquez, María José (ed.): Trends in der deutsch-spanischen Lexikographie. Frankfurt: Lang, 19-40. Engelberg, Stefan: (2009): Blätter knistern über den Beton. Zwischenbericht aus einer korpuslinguistischen Studie zur Bewegungsinterpretation von Geräuschverben. En: Winkler, Edeltraud (ed.): Konstruktionelle Varianz bei Verben. OPAL, Sonderheft 4, 74-97. En: <http: / / pub.ids-mannheim.de/ laufend/ opal/ opal09- 4.html [8/ 1/ 2015]>. Galán, Carmen (1993): Aproximación al estudio de los verbos de movimiento en alemán y en español. En: Anuario de estudios filológicos 16, 147-158. Helbig, Gerhard/ Schenkel, Wolfgang (1991): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Tübingen: Niemeyer. Ibarretxe Antuñano, Iraide (2004): Dicotomías frente a continuos en la lexicalización de los eventos del movimiento. En: Revista española de lingüística 34/ 2, 481-510. Ibarretxe Antuñano, Iraide (2009): Path salience in motion events. En: Guo, Jiansheng et al. (eds.): Crosslinguistic Approaches to the Psychology of Language: Research in the Tradition of Dan I. Slobin. New York: Psychology Press, 403-414. Jackendoff, Ray S. (1990): Semantic Structures. Cambridge MA: MIT Press. Krause, Maxi (1994): Bemerkungen zu KOMM- + Partizip II im heutigen Deutsch (Typ 'Er kommt angelatscht'). En: Bresson, Daniel/ Dalmas, Martine (eds.): Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen (Eurogermanistik 5). Tübingen: G. Narr, 163-180. Lamiroy, Béatrice (1991): Léxico y gramática del español: Estructuras verbales de espacio y de tiempo. Barcelona: Anthropos. Lübke, Barbara/ Vázquez Rozas, Victoria (2011): Construcciones con entrar y salir y sus equivalentes en alemán. En: Sinner, Carsten et al. (eds.): Tiempo, espacio y relaciones espacio temporales. Nuevas aportaciones de los estudios contastivos. Frankfurt: Lang, 115-130. Meliss, Meike (2005): Recursos lingüísticos alemanes relativos a “Geräusch” y sus posibles correspondencias en español. Frankfurt: Lang. Meliss, Meike (2012): Der Wagen scheppert um die Ecke. Geräuschverben als Direktiva? En: Sprachwissenschaft 37/ 3, 309-332. Molés Cases, Teresa (2011): La traducción al español de los verbos de movimiento prefijados en alemán. En: Roiss, Silvia et al. (eds.) En las vertientes de la traducción e interpretación del/ al alemán. Berlín: Frank & Timme, 135-145. Moreno Cabrera, Juan Carlos (2003): Semántica y pragmática: Sucesos, papeles temáticos y relaciones sintácticas. Madrid: Antonio Machado Libros. Morimoto, Yuko (2001): Los verbos de movimiento. Madrid: Visor. Slobin, Dan I. (1996): Two ways to Travel: Verbs of Motion in English and Spanish. En: Masayoshi Shibatani/ Thompson, Sandra A. (eds.): Grammatical Constructions: Their Form and Meaning. Oxford: Claredon, 195-219. <?page no="154"?> 154 Juan Cuartero Otal Slobin, Dan I. (2004): The many ways to search for a frog: linguistic typology and the expression of motion events. En: Strömqvist, Sven/ Verhoeven, Ludo (eds.): Relating Events in Narrative, Volume 2. Mahwah, NJ: LEA, 219-257. Subirats, Carlos (2001): Introducción a la sintaxis léxica del español. Frankfurt: Vervuert. Talmy, Leonard (1985): Lexicalization Patterns: Semantic Structure in Lexical Forms. En: Shopen, Timothy (ed.): Language Typology and Syntactic Description 3: Grammatical Categories and the Lexicon. Cambridge: University Press, 36-149. Talmy, Leonard (2001): Towards a Cognitive Semantics: Volume II: Typology and Process in Concept Structuring. Cambridge MA: MIT Press. Talmy, Leonard (2009): Main verb properties and equipollent framing. En: Guo, Jiansheng et al. (eds.): Crosslinguistic Approaches to the Psychology of Language: Research in the Tradition of Dan I. Slobin. New York: Psychology Press, 389-402. Tesnière, Lucien (1959): Éléments de syntaxe structurale. París: Klinksieck. Wahrig (2006): Deutsches Wörterbuch. Herausgegeben von Renate Wahrig-Burfeind. Gütersloh : Bertelsmann Lexikon Institut. Wandruszka, Mario (1969): Sprachen: vergleichbar und unvergleichlich. München: Piper. Wotjak, Gerd (1997): La conceptualisation de l’espace et son reflet dans le signifié lexical des verbes de mouvement. En: Dupuy-Engelhardt, Hiltraud/ Montibus, Marie-Jeanne (eds.): L’organisation lexicale et cognitive des dimensions spatiale et temporelle. Actes d’EUROSEM 1996. Reims: Presses Universitaires de Reims, 251- 275. Recursos en internet: DUDEN Online: <www.duden.de> Institut für Deutsche Sprache: Deutsches Referenzkorpus/ Archiv der Korpora geschriebener Gegenwartssprache 2014-II: <www.ids-mannheim.de/ DeReKo [20/ 5/ 2015]>. <?page no="155"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutschportugiesischen Sprachvergleich Thomas Johnen, Westsächsische Hochschule Zwickau 1 Zielsetzung Ziel dieses Beitrags ist, zunächst einen Überblick über zentrale Fragen der kontrastiven Lexikologie zu bieten und grundsätzliche theoretische und methodologische Fragen anzusprechen, um dann in einem letzten Teil exemplarisch auf einige Einzelfragen der deutsch-portugiesischen Lexikologie einzugehen, bei denen noch besonderer Forschungsbedarf besteht. Es geht bei diesem Beitrag keinesfalls um die exhaustive Darstellung des Forschungsstandes, noch aller mit der kontrastiven Lexikologie verbundenen Fragen. Es geht vielmehr um einen theoretisch-methodologischen Reflexionsgang, bei dem die Möglichkeiten, Grenzen und Herausforderungen der kontrastiven Lexikologie deutlich werden. Dabei sollen ausgehend von eher traditionellen strukturalistischen Ansätzen wie der Merkmalsanalyse, die an deutsch-portugiesischen Beispielen exemplifiziert wird, grundsätzliche Überlegungen zur lexikalischen Semantik vorgestellt werden, in die die Einsichten der kognitiven Semantik einfließen und die eine hohe Relevanz für die kontrastive Lexikologie aufweisen. Im Einzelnen geht es in Punkt 2 allgemein um einen ersten Überblick über Aufgaben und Grenzen der kontrastiven Lexikologie. In Punkt 3 wird auf die Herausforderungen und Grenzen der kontrastiven Lexikologie eingegangen und in einer ersten Annäherung am Beispiel der strukturalistischen Merkmalsanalyse exemplifiziert. In Punkt 4 werden semantische Deskriptionsmodelle vorgestellt, die uns für die kontrastive Lexikologie als besonders relevant erscheinen und die bislang wenig Beachtung gefunden haben. Es geht um die Frage des Verhältnisses von Monosemie und Polysemie und der Wechselwirkung zwischen Verwendungen im Diskurs und der Bedeutungsbeschreibung allgemein, aber auch mit Blick auf die kontrastive Lexikologie. Hier stehen folglich Fragen der lexikalischen Semantik im Vordergrund, ohne die keine Fortschritte in der kontrastiven Lexikologie erzielt werden können. Punkt 5 behandelt methodische Fragen der Bedeutungsbestimmung in der kontrastiven Lexikologie sowie die Frage nach dem tertium comparationis und die Rolle von Übersetzungscorpora und Paralleltextcorpora. In Punkt 6 geht es nach einem knappen Aufriss der bisherigen Forschung zur deutschportugiesischen Lexikologie darum, exemplarisch ausgewählte Fragen näher zu beleuchten, besonders um lexikologisch relevante Fragen der Wortkombinatorik. Es werden Fragen der syntaktischen und semantischen Valenz im <?page no="156"?> 156 Thomas Johnen Sprachkontrast sowie Kollokationen in der kontrastiven Lexikologie behandelt, aber auch die Problematik der Plurizentrizität in der kontrastiven Lexikologie. 2 Einleitung: Teilbereiche und Grundfragen der (kontrastiven) Lexikologie Lexikologie wird gemeinhin definiert als “Lehre von der Erforschung des Wortschatzes, bzw. des Lexikons einer Sprache” (Lewandowski 4 1985: 647), und zwar sowohl, was die Formseite anbelangt als auch die Inhaltsseite. Von daher ist die Lexikologie zugleich eng verbunden mit der Wortbildungsforschung und der Semantik. Zum einen geht es um Fragen nach dem Wesen von lexikalischer Bedeutung und der inneren Struktur von Bedeutung, zum anderen aber auch um den Aufbau des Wortschatzes und den Beziehungen zwischen seinen Elementen. Zentrale Themen sind zum einen auf der Ebene der Bedeutungsstruktur die Polysemie und zum anderen auf der Ebene der Bedeutungsbeziehung zwischen Wörtern Hyperonymie, Hyponymie, Homonymie und Synonymie sowie den Wortschatz strukturierende semantische Wortfelder, 1 aber auch Wortfamilien, Wortgruppen also, die zu einem lexikalischen Stammmorphem in Beziehung stehen. 2 Damit stellt sich auch die Frage nach den lexikalischen Einheiten. Wie lassen sich die einzelnen lexikalischen Einheiten voneinander abgrenzen? Gibt es lexikalische Einheiten aus mehreren Wörtern? Gibt es regelhafte Beziehungen zwischen verschiedenen Wörtern, feste Bindungen, Wortfolgen? Ist deren Bedeutung kompositionell transparent oder ist eine neue Bedeutung entstanden, die nicht mehr aus der Summe bzw. dem Zusammenwirken der einzelnen Elemente erklärbar ist? Die letzte Frage legt nahe, dass auch der Übergang zu einem anderen Teilbereich der Linguistik fließend ist, nämlich der Phraseologie. 3 Was sind nun aber die Aufgaben der kontrastiven Lexikologie? Endruschat/ Schmidt-Radefeldt ( 2 2008: 142) sehen die Hauptaufgabe darin “Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bestand und der Struktur zweier oder mehrerer Sprachen” zu ermitteln und zu systematisieren, wobei häufig 1 Cf. z.B. die Arbeit über das Wortfeld Sympathie im Portugiesischen von Vilela (1980) und Fußball von Carvalho (1996). Einen knappen Aufriss zur Entwicklung der Wortfeldtheorie bietet Geckeler (2002), ausführlicher Geckeler (1984); siehe auch die von Lutzeier (1993) und Tóth (2004) herausgegebenen Sammelbände. 2 Einen knappen Aufriss einer Typologie von Wortfamilienstrukturen aus kontrastiver Sicht bietet Haßler (2002). Siehe auch unten Punkt 5.3. 3 Aus Raumgründen kann auf den Übergangsbereich zur Phraseologie als auch auf die Phraseologie selbst nicht (oder nur begrenzt) eingegangen werden. Lesenswert für die in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts aufkommende linguistische Diskussion um lexikalische Einheiten aus mehreren Komponenten ist Léon (2004). <?page no="157"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 157 Nicht-Äquivalenzen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Als einen weiteren Teilbereich erwähnen beide Autoren die Forschung zu den sogenannten Falschen Freunden (falsos amigos oder falsos cognatos), bei der es also um den Teil des Wortschatzes zweier Sprachen geht, der von der phonologischen Wortform her in zwei Sprachen gewisse Ähnlichkeiten aufweist, sich jedoch in Bedeutung und/ oder Funktion deutlich unterscheidet. Dieser erste knappe Aufriss der Aufgabenbereiche der Lexikologie deutet schon die methodischen Probleme an, vor dem dieses linguistische Forschungsgebiet steht und auf die in diesem Beitrag näher eingegangenen werden soll. Weiters gilt, dass die methodischen Probleme einer kontrastiven Lexikologie sich in gewisser Hinsicht noch potenzieren, insofern sich die Probleme in der Regel anders stellen, je nachdem, welche der zu vergleichenden Sprachen als Ausgangs- und Zielsprache gewählt wird, und dass Wortschatzstrukturen in den zu vergleichenden Sprachen nicht oder nur sehr begrenzte Symmetrien aufweisen. Ein anderes Problem ist die Bestimmung des tertium comparationis (siehe Punkt 4). Dies alles gilt besonders in den Fällen, in denen zwei plurizentrische Sprachen miteinander verglichen werden, wie das beim Portugiesischen (cf. Baxter 1992) und beim Deutschen (cf. Clyne 1992) der Fall ist (siehe auch Punkt 5.2). Nach dieser knappen Hinführung kommen wir nun zu einer eingehenderen Behandlung zentraler methodischer und theoretischer Fragen. 3 Aufgaben und Grenzen der Kontrastiven Lexikologie Viele Autoren, die theoretische Fragen der kontrastiven Lexikologie behandeln, heben mal die Grenzen (Hartmann 1976) oder gar Unmöglichkeit derselben hervor (Hausmann 1995), mal die Notwendigkeit (Lino 1980). Gemeinsam ist beiden Tendenzen jedoch die Einsicht, dass im Sprachvergleich die Makroperspektive der Systemlinguistik nur zu sehr begrenzten Ergebnissen führt (cf. auch Wiegand 2002; Marcuschi 2006), weswegen Kroman (1995) einer “Mikroskopie” das Wort redet. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass bereits Coseriu (1970: 119-120) darauf hingewiesen hat, dass, wenn es um konkrete Übersetzungsfragen geht, die Ebene der Rede in seinem dreistufigen Modell von Rede, Norm und System relevant wird. Coseriu (1970) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Bedeutung (“einzelsprachlich gegebene[r] Inhalt eines Zeichens oder einer Fügung”, Coseriu 1970: 105) auf der Ebene des Systems und Bezeichnung (“Bezug auf einen außersprachlichen Gegenstand oder Sachverhalt und die dadurch gegebene Komponente der Redebedeutung”, Coseriu 1970: 105) auf der Ebene der Rede. Lino (1980: 144) trifft eine analoge Unterscheidung zwischen léxico für die Ebene der langue und vocábulo auf der <?page no="158"?> 158 Thomas Johnen Ebene des Diskurses. Hausmann (1995: 23) kommt zu dem Schluss, dass eine kontrastive Lexikologie auf der letzteren Ebene, die er die Textebene nennt, schlichtweg unmöglich sei, weil die Äquivalenzbeziehungen nicht systematisierbar seien. Kontrastive Lexikologie setze kontextunabhängige Konzeptualisierungen voraus (cf. Hausmann 1995: 20). Diese Ansätze werfen dann jedoch ganz deutlich die Frage nach der Bedeutungsstruktur einer lexikalischen Einheit auf und vor allem nach der Interrelation von Kontext und Wortbedeutung, die sich durch die kontrastive Perspektive noch verstärkt. Im Zentrum steht dann auch die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Ermittlung der Äquivalenzbeziehungen (cf. Hartmann 1976: 191, Wiegand 2002) und des tertium comparationis (cf. z.B. Wotjak 2011). Doch bevor wir uns näher hiermit beschäftigen, ist es nützlich, einige konkrete Beispiele zu betrachten, die deutlich machen sollen, warum sich die Interrelation von Kontext und Wortbedeutung beim Sprachvergleich verschärft. Als relativ unproblematisch für die semantische Deskription (auch im Sprachvergleich) werden in dieser Hinsicht gemeinhin die sogenannten Autosemantika angesehen, also Wörter, die als semantisch autonom erachtet werden können, und “die zu ihrer Definition und Übersetzung nicht des Kontextes bedürfen” (Hausmann 1995: 20). Beispiele wären dt. Buch vs. pg. livro oder dt. Fahrrad vs. pg. bicicleta. Hausmann (1995: 220-221) verweist darauf, dass dies hauptsächlich bei Substantiven vorkomme, in seltenen Fällen auch bei Verben oder Adjektiven. Beispiele für den deutsch-portugiesischen Sprachvergleich wären pg. alunar vs. dt. auf dem Mond landen oder pg. retangular vs. dt. rechteckig. Doch schon, wenn man die Betrachtungsrichtung ändert und nach portugiesischen Äquivalenten für dt. landen fragt, muss der Kontext berücksichtigt werden, genauer die Frage, ob man auf dem Mond landet (pg. alunar, alunissar oder alunizar) oder auf der Erde (pg. aterrar im PB auch aterrissar oder aterrizar). Hyperonym zu beiden Verben ist pousar, dass nicht nach dem Ort spezifiziert. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass die Zahl an Autosemantika, bei denen bei Definition und/ oder Übersetzung der Kontext nicht herangezogen werden muss, begrenzt ist. Denn wie das Beispiel der portugiesischen Äquivalente zu dt. landen zeigt, kann zwar eine kontextunabhängige einzelsprachliche semantische Deskription eines Wortes unproblematisch sein, der Kontext muss jedoch berücksichtigt werden, wenn es um den Kontrast mit anderen Sprachen geht. Damit wird deutlich, dass selbst für die Ermittlung von Äquivalenzen auf der Wortebene die semantischen Beziehungen zu anderen Wörtern eines Wortfeldes untersucht werden müssen. <?page no="159"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 159 3.1 Wortfelder: Vergleich von Wortschatzstrukturen Schon aus dem in Punkt 2 einleitend genannten Grund kann die Aufgabe der kontrastiven Lexikologie nicht primär die Etablierung von Äquivalenten für einzelne Wortpaare in zwei Sprachen sein, sondern der Vergleich von Wortschatzstrukturen. Es geht also zunächst einmal darum, bestimmte Wortfelder von einem onomasiologischen Ausgangspunkt her zu bestimmen, etwa das Wortfeld der Behälter, mit deren Hilfe man Getränke zu sich nehmen kann. Tabelle 1 nennt, ohne hier eine vollständige Analyse bieten zu können, einige typische Vertreter dieses Wortfeldes in beiden Sprachen, wobei wir der Einfachheit halber uns hier auf die brasilianische Variante des Portugiesischen beschränken: Tabelle 1: Wortfeld Trinkgefäße im (brasilianisch) portugiesisch-deutschen Sprachvergleich Portugiesisch Deutsch copo caneca cálice taça xícara chávena Becher Kelch Bierkrug Glas Tasse Mit einer solchen Gegenüberstellung ist noch nicht viel gewonnen. Zwar erhält man einen Überblick darüber, welche Wörter das Wortfeld in jeder der beiden Sprachen konstituieren, aber es ist noch nichts über die Äquivalenzbeziehungen ausgesagt. Dafür müssen semasiologisch die Beziehungen der einzelnen Wörter intralingual zueinander und dann aber auch interlingual bestimmt werden. 3.2 Strukturalistische Merkmalsanalyse und ihre Grenzen Im Rahmen der strukturalistisch orientierten Semantiktheorie versucht man nun durch eine Merkmalsanalyse 4 die wichtigsten semantischen Merkmale, die die einzelnen Wörter intralingual voneinander unterscheiden (und eventuell auch ihre Bedeutungsvarianten; cf. z.B. di Pietro 1986: 177-194), zu bestimmen. Darauf aufbauend kann dann auch eine sprachvergleichende Analyse in Angriff genommen werden. Wir begnügen uns hier für eine exemplarische Analyse der Lexeme aus Tabelle 1 mit der Angabe der dis- 4 Für einen knappen Aufriss der verschiedenen Ansätze cf. Lyons (1980, I: 327-345); mit portugiesischen Beispielen: Pottier (1978: 62-64); Pietroforte/ Lopes (2007: 118-121); ausführlicher: Wotjak (1977) und Geckeler (1984: 246-281). <?page no="160"?> 160 Thomas Johnen tinktiven semantischen Merkmale in den Definitionen von Houaiss/ Villar (2001) und Drosdowski ( 3 1996). Tabelle 2: Distinktive semantische Merkmale im Wortfeld Trinkgefäße im (brasilianisch) portugiesisch-deutschen Sprachvergleich Portugiesisch Deutsch copo [- Henkel] caneca [+ Henkel] cálice [+ fast zylinderförmig] taça [+ Stiel] xícara [+ klein] [+ Henkel] [+ für warme Getränke] chávena [+ Henkel] [+ für Kaffee oder Tee] Becher [+ hoch] [+ zylinderförmig] Kelch [+ glockenförmig] Bierkrug [+ zylindrisch od. + bauchig] [+ Henkel] [+ für Bier Glas [+ aus Glas] Tasse [+ klein] [+ Henkel] Intralingual sehen wir kohärente Oppositionspaare, etwa pg. copo vs. caneca unterscheiden sich hinsichtlich des Merkmals [± Henkel], pg. xícara und chávena unterscheiden sich untereinander durch die Größe (zur Problematik relationaler Merkmale kommen wir weiter unten) und - im Vergleich zu den anderen Lexemen - durch ihre Bestimmung für warme Getränke. Nur pg. taça weist das Merkmal [+ Stiel] auf. Im Deutschen unterscheiden sich Becher und Kelch durch die Form [+ zylinderförmig] vs. [+ glockenförmig]. Nur dt. Glas ist auf ein Material festgelegt [+ Glas]. Nehmen wir nun aber die kontrastive Perspektive ein, so sehen wir, dass etwa Glas als mögliche Äquivalente copo, caneca, cálice und taça aufweist. Hier muss also zunächst die Form bestimmt werden, die bei dt. Glas kein Merkmal der Grundbedeutung darstellt und somit nicht linguistisch enkodiert ist. Die Äquivalenzbeziehung im Portugiesischen gelingt also nur durch die Hinzunahme von Faktoren, die im Deutschen im Falle von dt. Glas als außerlinguistisch zu betrachten sind. Bei dt. Tasse verhält es sich analog: Sowohl xícara als auch chávena kommen als Äquivalente in Frage. Entscheidend ist nun die Größe. 5 Diese Kategorie ist jedoch axiologisch und damit subjektiv (cf. Kerbrat-Orecchioni 1980: 84). Hier kommen damit auch kulturspezifische Größenerwartungen mit ins Spiel. Somit ergeben nicht alle sich als relevant erweisende Merkmale klare Abgrenzungen. 5 Hier liegt ein Unterschied zum europäischen Portugiesisch, in dem chávena nicht das Merkmal [+ groß] enkodiert und xícara ungebräuchlich ist. Deshalb besteht im europäischen Portugiesisch keine Opposition zwischen beiden Lexemen (cf. Villar 1989: 37, 191, 311). <?page no="161"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 161 Komplexer gestaltet sich die Aufgabe, wenn es sich um stärker kontextsensitive Wörter handelt, etwa beim Wortfeld der Modalverben (cf. z.B. Shimizu 1999; Johnen 2003c: 183-262). Besonders bei Wörtern mit stärker kontextsensitiver semantischer Struktur kommt es immer wieder zu neuen, nicht vorhersehbaren Kontextbedeutungen. Lino (1980: 147-148) spricht von diskursinduzierten semantischen Neologismen, die kontinuierlich im Wortschatz einer Sprache durch die Wechselwirkung von Grundbedeutung und diskursiven Verwendungen sowie durch die sprachliche Kreativität der Sprecher entstehen. Die Autorin geht deshalb davon aus, dass das Zusammenspiel von Grundsemen mit virtuellen Semen, verschiedenen Kontextfaktoren und persönlichen Faktoren zu neuen Bedeutungen führt. Damit kommen wir aber ganz grundsätzlich zu der Frage, welche semantische Theorie, welcher semantische Ansatz für die kontrastive Lexikologie besonders fruchtbar sein kann. Deshalb stellen wir im folgenden Punkt Ansätze zur lexikalischen Semantik vor, die uns grundlegend erscheinen, aber bislang wenig Beachtung gefunden haben und die, auch wenn sie für die einzelsprachliche Deskription entwickelt wurden, eine hohe Relevanz für die kontrastive Lexikologie aufweisen. 4 Für die kontrastive Lexikologie relevante Grundfragen der lexikalischen Semantik: kontextlose Grundbedeutung, Polysemie, Kontextfaktoren und enzyklopädisches Wissen In diesem Abschnitt wird zunächst eine Kernfrage der lexikalischen Semantik exemplarisch untersucht, um anschließend in einem zweiten Schritt die Relevanz der gewonnenen Einsichten für die kontrastive Lexikologie aufzuzeigen. Wie schon erwähnt, stellt sich die Frage, was kontextunabhängig an der Wortbedeutung konstant ist und was kontextabhängig, besonders deutlich bei Lexemen, die einen hohen Grammatikalisierungsgrad aufweisen, und deren Semantik besonders kontextsensitiv ist. Raynaud (1975) beispielsweise nimmt eine Semanalyse der einzelnen Modalverben des Deutschen vor und versucht dabei, der erwähnten Kontextsensitiviät der Modalverben dadurch gerecht zu werden, dass sie z.B. im Falle von dt. können zwischen sèmes fondamentaux, die konstant in jeder Verwendung vorhanden sind, wie [+ Potentialität], [+ Indetermination] und [+ Abwesenheit eines äußeren Hindernisses], und solchen unterscheidet, die nur latent anwesend sind und die erst in bestimmten Kontexten aktiviert werden (sèmes impliqués wie [+ Freiheit eines handelnden Subjektes], sèmes adjoints z.B. [+ Zustimmung] sowie sèmes spécifiques z.B. [+ Erlaubnis]). Zusätzlich setzt die Autorin je nach Kontext <?page no="162"?> 162 Thomas Johnen aktive traits sémantiques wie z.B. [+Abhängigkeit von einer Autorität] an (cf. Raynaud 1975: 93a). So wird also ein kontextunabhängiger Bedeutungskern und ein kontextuelles Bedeutungsentfaltungspotential bestimmt, das für jede der Bedeutungsvarianten von können (z.B. Erlaubnis, Fähigkeit, Annahme einer Möglichkeit) spezifisch ist. Unklar bleibt jedoch, wie Seme und Kontext zusammenwirken und ob habitualisierte bzw. konventionalisierte Semkonfigurationen für bestimmte Kontexte festliegen oder ob es erst die Interrelation mit dem Kontext ist, die die bestimmte Bedeutungskonfiguration schafft. Andere Autoren, die sich aus einzelsprachlicher Perspektive mit der Modalverbsemantik beschäftigt haben, wie Bech (1949) für das Deutsche und Oliveira (1988) für das Portugiesische, weisen darauf hin, dass es im Grunde eine unbegrenzte Anzahl an kontextspezifischen Bedeutungskonstellationen gibt, und ziehen aus diesem Grund eine monosemische semantische Deskription vor, bei der eine Grundbedeutung beschrieben wird. Oliveira (1988) bietet zudem Argumente dafür, dass es sich bei den Modalverben nicht um polyseme, sondern vage lexikalische Einheiten handelt, d.h. dass sie einen einheitlichen Bedeutungskern aufweisen, ihre konkrete Bedeutung jedoch erst durch den konkreten Kontext erhalten. Die monosemische Deskription scheint auf den ersten Blick gegenüber der polysemischen, wie wir sie am Beispiel von Raynaud (1975) kurz vorgestellt haben, insofern im Vorteil zu sein, als sie mit der Kernbedeutung eine semantische Deskription liefert, die in Interaktion mit dem jeweiligen Kontext die konkrete Bedeutung zu erklären vermag, während das Unterfangen der polysemen Deskription keine Vollständigkeit erreichen kann, sondern sich auf einige typische Konstellationen beschränken muss. Aus kontrastiver Perspektive stehen wir damit nun aber vor einem Dilemma: Wenn wir die möglichen Äquivalenzbeziehungen beschreiben wollen, so müssen gewisse Kontextkonstellationen systematisiert werden. Welche davon für das jeweilige Erkenntnisinteresse besonders relevant sind, hängt u.a. von den zu kontrastierenden Sprachen ab und der Richtung des Sprachvergleichs. Um beim Beispiel der Teilgruppe der Modalverben zu bleiben, die das Bestehen einer Möglichkeit bezeichnen, wäre aus deutsch-portugiesischer Perspektive zu klären, wann pg. saber und wann pg. poder Äquivalente zu dt. können sind, in umgekehrter Richtung stehen wir vor der Frage, wann dt. dürfen, mögen oder können Äquivalente zu pg. poder sind. Fälle, in denen pg. poder nicht Äquivalent zu dt. können, sondern nur zu dt. dürfen ist (cf. Johnen 2011: 232-233), müssen spezifiziert werden. Bei einer kontrastiven polysemen semantischen Deskription werden somit höchstwahrscheinlich je nach Sprachenpaar spezifische Bedeutungsvarianten ans Licht treten. Eine monosemische Deskription kann zwar nicht die unterschiedlichen Äquivalenzbeziehungen vorhersagen, wohl aber, wenn sie adäquat ist, die konkrete Bedeutung in der Interaktion mit den Kontextfaktoren erklären. Das bedeutet aber auch, dass <?page no="163"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 163 die Deskription der Kernbedeutung im Sinne von Oliveira (1988) durch die kontrastive Analyse verfeinert werden kann und muss, denn sie muss für jeden Kontext erklärungsadäquat sein. Wenn dem nun aber so ist, dass der polyseme Ansatz zwar keine deskriptive Vollständigkeit anstreben kann, wohl jedoch typische relevante kontextspezifische Bedeutungen zu beschreiben vermag, der monosemische Beschreibungsansatz im Gegenzug jedoch eine größere Reichweite hinsichtlich der Einsicht in die Interaktion von Kernbedeutung und Kontextfaktoren beim Zustandekommen der konkreten Bedeutung bietet, stellt sich die Frage, ob beide Ansätze nicht nur die zwei Seiten einer Medaille sind. Kronning (1996), der sich selbst eher auf der Seite eines polysemen Deskriptionsansatzes positioniert, hat in diesem Zusammenhang ein interessantes Modell zur Semantik von frz. devoir vorgelegt, das bislang wenig beachtet wurde, aber über den Bereich der einzelsprachlichen Deskription der Semantik von Modalverben hinaus eine hohe Relevanz aufweist. Ohne hier auf die Details seiner Analyse eingehen zu können 6 , zeigt dieses Modell deutlich, dass die Deskription einer Kernbedeutung und eine polysemische Analyse nicht im Gegensatz zueinander stehen müssen. Kronning (1996) arbeitet nicht im Rahmen einer traditionellen strukturalistischen Analyse wie noch Bech (1949) und Raynaud (1975), sondern im Rahmen der kognitiven Linguistik. Er geht dabei von einem hierarchischen mehrgliedrigen System kognitiver Schemata aus (siehe Figur 1). Im Falle von frz. devoir ’müssen, sollen’ setzt er drei Basisschemata an: die deontische Modalität (D), die alethische (A) und die epistemische Modalität (E), die die immanente Polysemie von frz. devoir laut seiner Analyse ausmachen, wobei er der deontischen Modalität prototypischen Charakter zuweist. Ausgehend von diesen Basisschemata beschreibt er nun etablierte Subschemata (z.B. obligation théorique: TH und obligation pratique: PR), wobei der obligation théorique noch eine offene Klasse weiterer Subschemata zugeordnet ist. Oberhalb der Basisschemata setzt Kronning (1996) noch zwei abstraktere Ebenen an. Es würde zu weit führen an dieser Stelle auf die einzelnen Modalitätskategorien in Figur 1 einzugehen, was aber dieses Modell leistet und besonders interessant macht, ist die Orientierung in zwei Richtungen. Zum einen wird durch die abstrakteren Ebenen die semantische Einheit aller Bedeutungsvarianten plausibel gemacht, zum anderen ist das Modell auch erklärungsadäquat hinsichtlich dessen, was Lino (1980) als semantische Neologie bezeichnet, nämlich das Entstehen neuer Bedeutungen in Interaktion mit dem Kontext und der Kreativität der Sprecher. 6 Für eine etwas ausführliche Analyse des semantischen Ansatzes von Kronning (1996) cf. Johnen (2003c: 239-241). <?page no="164"?> 164 Thomas Johnen Die Einsicht der kognitiven Psychologie, dass häufige Verwendungen als Schemata abrufbar sind (cf. Anderson 2 1989: 103-128), ist ein deutliches Argument dafür, frequente Bedeutungsvarianten als Schema bzw. Subschema zu beschreiben. Hier läge nun im Übrigen auch ein Erklärungsmodell für semantischen Wandel. Wird ein gewisses Subschema besonders häufig verwendet (etwa in bestimmten Routineformeln oder konventionalisierten Sprechakten), so kann das dazu führen, dass dieses Subschema mit der Zeit zu dem als vornehmlich aktualisierten Schema wird. Figur 1: Netz der kognitiven Schemata bei frz. devoir nach Kronning (1996: 121) D" D' A' D A E TH PR ANAL SYNT NAL FUT Etc. MOR LÉG SOC Etc. ARG Die Annahme der abstrakteren Ebenen ist ebenfalls aus kognitiver Sicht stringent, denn ein kognitiver Prozess, der bei der Wahrnehmung abläuft, ist die Analyse kognitiv salienter Merkmale (cf. Anderson 2 1989: 58), so dass die Semantik einer lexikalischen Einheit nicht einfach als Summe ihrer Subschemata aufzufassen ist, sondern als Abstraktion des allen Subschemata Gemeinsamen. In die gleiche Richtung gehen auch die Überlegungen von Silva (2006), wenn er schreibt: <?page no="165"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 165 “todas as unidades linguísticas se constituem por abstraç-o e convencionalizaç-o a partir de eventos de uso […]. Consequentemente, faz parte da base conceptual do significado de uma unidade linguística qualquer aspecto recorrente do contexto interaccional e discursivo.” (Silva 2006: 314) Und weiter: “Os padrões de contextualizaç-o de uma palavra s-o sintomáticos do seu significado, mas n-o podem simplesmente ser identificados como significados dessa palavra” (Silva 2006: 332). So sieht auch Silva (2006: 4) aus der Perspektive der kognitiven Semantik keinen Gegensatz zwischen Polysemie und Monosemie, sondern zwei Pole eines Kontinuums (cf. auch Johnen 2003c: 241-245). Welche Konsequenzen haben nun diese neueren Einsichten, 7 die durch die Einbeziehung von Erkenntnissen der kognitiven Psychologie möglich wurden, für die kontrastive Lexikologie? Für die Klärung der intralingualen Interrelationen zwischen den lexikalischen Einheiten, die zu einem bestimmten Wortfeld gehören, ist die Beschreibung einer Grundbedeutung auf dem abstraktesten Niveau, die die distinktiven Merkmale im Vergleich zu den übrigen Einheiten des Wortfeldes herausstellt, weiterhin wichtig. Die semantische Deskription der Grundbedeutung sollte jedoch auch schon die erst durch den Kontext zu bestimmenden Variablen einbeziehen. Diese Beschreibung der Grundbedeutung muss dann auf ihre Erklärungsadäquatheit in den verschiedensten Kontexten überprüft werden. Auf der anderen Seite ist die Ermittlung und Deskription etablierter semantischer Subschemata (im Sinne von Kronning 1996) für die kontrastive Lexikologie unerlässlich. In der Regel ist die Bildung der Subschemata für jede Sprache idiosynkratisch und damit nicht vorhersehbar (cf. auch Silva 2006: 6). Deshalb können nur so die Äquivalenzbeziehungen bei komplexen Bedeutungsstrukturen adäquat beschrieben werden. Wenn wir nun dieser doppelten Ausrichtung folgen, dass einmal die kontextuellen Verwendungen in Interrelation zur Grundbedeutung stehen (und diese Interrelation insofern dynamisch ist, als hierin auch ein Potential zum Bedeutungswandel, mindestens aber zur semantischen Neologie besteht) und es zum anderen gute Gründe gibt, feste Subschemata anzusetzen, gelangen wir auch zur Frage der Relevanz der Wortkombinatorik. Wenn wir einmal zu dem Bereich der Trinkgefäße zurückkehren, so wird deutlich, dass alleine schon durch Wortbildungsverfahren wie der Kompositabildung bestimmte kontextuell variable Bedeutungsbestandteile festgelegt 7 Es ist allerdings anzumerken, dass sie im Kern auch schon in strukturalistischen Ansätzen wie denen von Bech (1949), Droste (1956) oder Raynaud (1975) angelegt waren, ohne dass diese Autoren (mit Ausnahme von Droste (1956) - wenn auch ante litteram) seinerzeit schon expressis verbis kognitive Prozesse reflektiert hätten. <?page no="166"?> 166 Thomas Johnen werden. So legt das Kompositum Weißweinglas schon eine bestimmte Form fest. Das Merkmal [+ Stiel] tritt auf jeden Fall hinzu und damit wird klar, dass das (brasilianisch) portugiesische Äquivalent zu -glas in diesem Kompositum nicht copo sein kann, sondern taça lauten muss. 8 Analog verhält es sich bei Espressotasse, die das Merkmal [+ klein] aufweist, wodurch chávena im brasilianischen Portugiesisch als Äquivalent zu -tasse ausgeschlossen ist und die Äquivalenzbeziehung zu xícara deutlich wird. Natürlich kann es auch hier zu idiosynkratischen Äquivalenzen kommen, die nicht alleine aus der Merkmalsanalyse der einzelnen Elemente ableitbar sind. So ist das deutsche Äquivalent zu pg. caneca de cerveja nicht etwa dt. Bierbecher (dieser weisen die Merkmale [+ aus Plastik] und [- Henkel] auf), sondern dt. Bierkrug, wohingegen das Äquivalent zu pg. caneca de café - dt. Kaffeebecher ist (für weitere interessante Beispiele aus dem dänisch-deutschen Sprachvergleich siehe Kroman 1995: 118-123). Auf einen anderen Bereich der Wortkombinatorik, der in diesem Zusammenhang relevant ist, weist Hausmann (1995) hin, nämlich den der Kollokationen, die in der Regel syntagmatische 1: 1-Entsprechungen liefern, aber eben auch einzelsprach idiosynkratisch und damit nicht vorhersehbar sind wie etwa, um ein Beispiel von Hausmann (1995: 22) an den deutsch-portugiesischen Sprachvergleich anzupassen: einen Nagel einschlagen = colocar um prego. Darauf werden wir in Punkt 5.5 ausführlicher eingehen. Blumenthal (2011) macht noch auf ein anderes Phänomen aufmerksam, dass für den deutsch-portugiesischen Sprachvergleich noch nicht untersucht wurde. Eine systematische Untersuchung der Umgebung der fünf nächsten Wörter von it. amore und frz. amour in großen Zeitungscorpora ergab deutliche Unterschiede hinsichtlich der typischen umgebenden Wörter. Während im französischen Corpus beispielsweise die Kollokation amour fou recht häufig ist, ist im italienischen Corpus amore folle deutlich weniger frequent. Solche Untersuchungen vermögen also interessante Unterschiede zutage zu fördern, die der klassischen Systemlinguistik verborgen bleiben. Es stellt sich dabei auch die Frage, nach der Relevanz der Befunde für die Beschreibung der Bedeutungsstruktur der betreffenden Wörter auf der (im Sinne des in Figur 1 vorgestellten Modells von Kronning 1996) abstrakten Ebene. Neben den Kollokationen sind auch die syntaktische und semantische Valenz in diesem Zusammenhang relevant (cf. Schwarze 1975). Auch dazu werden wir in Punkt 5.4 einige konkretere Beispiele bringen. Doch bevor wir auf die mit den verschiedenen Teilbereichen verbundenen konkreten methodischen Fragen und Probleme näher eingehen, ist es notwendig, ein paar Be- 8 Im europäischen Portugiesisch besteht diese privative Opposition nicht. Neben taça de vinho branco (cf. Tavares/ Corbeil/ Archambault 2 1999: 237) ist auch copo de vinho branco möglich. Im brasilianischen Portugiesisch wird allerdings bisweilen auch copo als Hyperonym zu taça verwendet. (Für diese Hinweise danke ich Bernhard Pöll). <?page no="167"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 167 trachtungen dazu anzustellen, wie die Bedeutungsbestimmung in der kontrastiven Lexikologie vorgenommen werden kann. Damit sind wir dann zugleich bei der Frage des tertium comparationis und der Corpora als empirischer Grundlager. 5 Methodische Fragen der Bedeutungsbestimmung in der kontrastiven Lexikologie: tertium comparationis und Corpusfrage Sowohl die Subschemata als auch die Grundbedeutung auf der abstrakteren Ebene können nur durch hermeneutische Verfahren gewonnen werden. Damit stehen wir jedoch vor allem bei abstrakteren lexikalischen Einheiten vor dem Problem des hermeneutischen Zirkels (cf. Heidegger 15 1979: 152 und Gadamer 4 1975: 251-252), d.h. dass Verstehen nicht voraussetzungslos ist. Die Bedeutungsbestimmung wird folglich unhintergehbar durch das Vorverständnis beeinflusst. Nur Anstoßpunkte von außen im Sinne Gadamers ( 4 1975: 252) vermögen, ein gewisses Gegengewicht zu schaffen. Deshalb darf sich die Analysearbeit nicht auf die Intuition der Forschenden beschränken. Möglichst differenzierte große einzelsprachliche Corpora 9 sind notwendig, um Verzerrungen in der Analyse, die durch bestimmte corpusspezifische Faktoren entstehen können, zu vermeiden. Gleichzeitig müssen jedoch diese großen Corpora in homogene Subcorpora aufgeteilt werden, um beispielsweise textsortenspezifische Idiosynkrasien aufdecken zu können. Die Analyse einzelsprachlicher Corpora ist notwendig, um die intralingualen Interrelationen zwischen den lexikalischen Einheiten eines Wortfeldes zu klären. In der kontrastiven Lexikologie kann es jedoch nicht dabei bleiben: Über- 9 Zum Deutschen sind hier folgende wichtige Corpora zu erwähnen: a) das Corpus, auf dessen Grundlage das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache basiert. (nähere Angaben unter: http: / / www.dwds.de/ ressourcen/ korpora/ ); b) die Corpora des Instituts für Deutsche Sprache (cf. http: / / www.ids-mannheim. de/ cosmas2/ uebersicht.html); c) das Essener Limas-Corpus (cf. http: / / www.korpora.org/ Limas/ ), d) das Bozener Korpus Südtirol (cf. http: / / www.korpus-suedtirol.it/ index_ de.htm) sowie e) das Leipziger Online-Corpus Wortschatz (cf. http: / / wortschatz.uni-leipzig.de/ ). Letzteres verfügt auch über ein Online-Corpus des Portugiesischen. Eine beträchtliche Zahl der Corpora des Portugiesischen, vor allem des europäischen Portugiesisch, ist über die Linguateca (cf. http: / / www.linguateca.pt) recherchierbar. Einen allgemeinen Überblick über Corpora des Portugiesischen geben Nascimento/ Rodrigues/ Gonçalves (1996) sowie Sardinha (2004). Wichtige Corpora wie beispielsweise das umfangreiche an der UNESP in Araraquara erstellte Corpus des brasilianischen Portugiesisch seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert, auf dessen Basis Borba (2002) erarbeitet wurde, sind nicht öffentlich zugänglich. <?page no="168"?> 168 Thomas Johnen setzungscorpora und Paralleltextcorpora 10 sind ebenfalls notwendig. Übersetzungscorpora können seltene Äquivalenzbeziehungen aufdecken, Paralleltextcorpora hingegen geben Auskunft über den üblichen Gebrauch in vergleichbaren kommunikativen Kontexten, ohne dass eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Sprachen vorliegt. Eine weitere Frage ist nun die des tertium comparationis. Wotjak (2011) zeigt überzeugend auf, dass das tertium comparationis je nach Phänomenbereich gewählt werden muss. Es kann also eine Wortfamilienkategorie, eine onomasiologische Kategorie zur Etablierung eines zweisprachigen Wortfeldes sein, wenn es um eine Kontrastierung auf der Makroebene im oben erwähnten Sinne von Kroman (1995) geht. Auf der Mikroebene können auch die Illokution und die Textsorte zur Klärung der Frage, ob eine bestimmte Äquivalenz textsortenspezifisch ist, hinzukommen. Das folgende Beispiel betrifft nicht den deutsch-portugiesischen Sprachvergleich, aber veranschaulicht die Relevanz der kulturell bestimmten Textsortennormen auf dieser Mikroebene ganz besonders deutlich. So würde man nicht ohne weiteres auf die Äquivalenzbeziehungen zwischen folgenden luxemburgischen, deutschen und französischen Verben in (b) gelangen: (a) lux. wëllen - dt. wollen und frz. désirer (désirent/ désirant)/ souhaiter (souhaitant) bzw. (b) lux. kënnen - dt. mögen und frz. vouloir (voudront)/ être invité à Diese Äquivalenzbeziehungen sind jedoch den luxemburgischen Textsortennormen für Todesanzeigen in den drei nationalen Sprachen Luxembur- 10 Zu Paralleltextcorpora cf. z.B. Durmuşoğlu (1990). Wir differenzieren hier zwischen Übersetzungscorpora auf der einen und Paralleltextcorpora auf der anderen Seite. Teilweise werden Übersetzungscorpora in der Literatur auch als Paralleltextcorpora bezeichnet (cf. z.B. Santos 1996). U.E. ist die Differenzierung zwischen Übersetzungs- und Paralleltextcorpora jedoch sinnvoll, denn in Übersetzungscorpora besteht immer eine gewisse Abhängigkeit vom Ausgangstext. Solche Abhängigkeiten können zwar durch einen bidirektionalen Übersetzungsvergleich (cf. Cuofano 2011) aufgedeckt werden, dennoch handelt es sich bei übersetzten Texten nicht um Texte, die in der jeweiligen Sprache mit Blick auf einen in dieser Sprache und Kultur üblichen Zweck hin formuliert wurden. Paralleltexte (etwa Kochbücher oder Aktionärsberichte) sind nach unserer Definition in der jeweiligen Sprache verfasst, und zwar zu einem in der jeweiligen Kultur üblichen Zweck. In bestimmten Sprachkontaktkonstellationen (z.B. in mehrsprachigen Staaten oder Regionen) ist damit zwar auch ein Einfluss anderer Sprachen nicht ausgeschlossen, aber die Paralleltexte sind eben nicht systematisch auf einen anderssprachigen Ausgangstext bezogen. Homogene Textmuster etwa in luxemburgischen (s.u.) oder belgischen Todesanzeigen über die Sprachgrenzen hinweg, sind eher Anzeichen für suprasprachliche Textsortennormen in einem mehrsprachigen Kulturraum. <?page no="169"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 169 gisch, Deutsch und Französisch geschuldet, wie folgende Belege aus der Tageszeitung Luxemburger Wort Nr. 36 vom 12. Februar 1993, 27 zeigen: (1) “Déi Leit, déi dem Verstuerwene besonnesch wëlle gedenken, kënnen dat maache mat engem Don un Médecins sans frontières, CCP [...]” (Anzeige 456373). (2) “Déi Leit, déi un eis léif Verstuerwene besonnesch denke wëllen, kënnen dat maache mat engem Don un Hëllef fir kriibskrank Kanner”, BIL [...]” (Anzeige 456563). (3) “Les personnes qui désirent honorer la mémoire du cher défunt voudront bien faire un don au profit de la «Fondation Alzheimer» CCP [...]” (Anzeige 455179). (4) “Les personnes souhaitant honorer la mémoire du défunt par un don sont invitées à le faire au profit du «CERMM» a.s.b.l., CCP [...]” (Anzeige 456605). (5) “Diejenigen, die unserer lieben Verstorbenen in besonderer Weise gedenken wollen, mögen dies mit einer Spende auf das Konto [...] tun, die der Deutschen Krebshilfe zugute kommt” (Anzeige 420030). In Todesanzeigen aus anderen deutschsprachigen Gebieten liegen andere Textsortennormen vor, bei denen keine Modalverben Verwendung finden. Im lusophonen Sprachraum ist der Textbaustein unüblich. Dieses Beispiel sollte deutlich machen, wie kleinbereichig Äquivalenzbeziehungen auf der Textebene sein können, und dass hier auch kulturellen Normen eine Relevanz zukommt. Dies gilt ganz besonders für polyzentrische Sprachen wie das Deutsche und Portugiesische. Wir können folglich Hausmann (1995) zustimmen, dass eine vollständige kontrastive lexikologische Deskription zweier Sprachen, die all diese Ebenen berücksichtigt, unmöglich ist, dennoch macht dieses Beispiel sehr schön deutlich, dass es für bestimmte Zwecke nützlich und sogar notwendig sein kann, auch die Textebene in die lexikologische Arbeit einzubeziehen. Nun wird man argumentieren können, dass eine Anleitung zum Schreiben von Todesanzeigen in den drei luxemburgischen Nationalsprachen von sehr begrenztem Nutzen sei, denkt man jedoch zum Beispiel an Schreibanleitungen, die in das wissenschaftliche Schreiben einführen, so kann eine derart mikroskopische Perspektive nützlich und hilfreich sein, wie beispielsweise Schweiger (2014) verdeutlicht, die die Kennzeichnung von Zielen in Einleitungen deutscher und brasilianischer Magisterarbeiten im Bereich Deutsch als Fremdsprache vergleicht - eine Arbeit, die auch für die kontrastive Lexikologie wichtige Ergebnisse zeitigt (wenn auch der Ansatz selbst nicht lexikologisch ist). “ <?page no="170"?> 170 Thomas Johnen Eine andere grundsätzliche Frage ist die, inwieweit neuere kognitiv orientierte Ansätze für die kontrastive Lexikologie nutzbar gemacht werden können. Studien, denen ein solches Potential innewohnt, sind beispielsweise Lima (1997), Schröder (2012) und Donoso (2013). Lima (1997) bat portugiesische und deutsche Informanten, Geschichten zu bestimmten Schlüsselwörtern (dt. Lügner bzw. pg. mentiroso und dt. ehrlich bzw. pg. honesto) schriftlich zu erzählen. Aus diesen elizitierten Erzählungen gewann er Informationen, wie die Informanten in beiden Sprachen diese von ihrer referentiellen Bedeutung her unproblematischen Äquivalente kognitiv strukturieren, welche Elemente zu ihrer prototypischen Bedeutung gehören und kommt dabei u.a. zum Ergebnis, dass bei den portugiesischen Informanten der Belogene immer in einer hierarchisch höheren Position steht, was bei den deutschen Informanten in Bezug auf Lügner nicht der Fall ist (cf. Lima 1997: 260-262). Es ist natürlich die Frage, ob ein solches Experiment generalisierbar ist und ob mentiroso tatsächlich im Portugiesischen prototypisch zugleich den Sprecher im Verhältnis zum Adressaten als hierarchisch untergeordnet enkodiert. Grundsätzlich sind solche Experimente jedoch geeignet, mehr über Unterschiede zwischen solchen lexikalischen Einheiten in beiden Sprachen herauszufinden, die sich einer rein referentiellen Analyse entziehen, die aber eventuell in gewissen Kommunikationszusammenhängen relevant sein können. Schröder (2012: 244-250) stellt die Ergebnisse einer Untersuchung zum Liebeskonzept im Deutschen und brasilianischen Portugiesisch vor. Ausgewertet wurden je 30 Interviews mit Deutschen und Brasilianern zum Thema Liebe. Dabei wurden die semantischen Domänen der Liebesmetaphern herausgearbeitet. Deutliche Diskrepanzen wurden u.a. im Bereich Liebe als funktionierende Maschine festgestellt, der nur im deutschen Corpus vorkommt, und bei Essensmetaphern, die nur im brasilianischen Corpus vorkommen. Auch wenn das Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung nicht lexikologisch ist, ergeben sich auch hier für die kontrastive Lexikologie interessante Perspektiven, insofern sich die meisten Metaphern als konventionalisiert herausstellen und es also um eine Art konventionalisierter Kreativität geht. Eine andere Studie im Bereich der kognitiven Linguistik ist ebenfalls für den lexikologischen Bereich relevant. Donoso (2013) untersucht, wie Sprecher des Schwedischen und Spanischen in durch identische Stimuli elizitierten Erzählungen Informationen über Bewegung auffassen und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Sprecher des Schwedischen stärker die Art und Weise und den Weg beschreiben als Sprecher des Spanischen. Darüber hinaus fokussieren sie stärker den Endpunkt. Die Autorin sieht dabei einen Zusammenhang zwischen Verbsatelliten im Schwedischen, die Endpunkte lexikalisieren und die es im Spanischen nicht gibt. Diese Studie, die sich vermutlich auch auf den deutsch-portugiesischen Sprachvergleich übertragen <?page no="171"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 171 lässt, zeigt, dass auch dann, wenn sich Äquivalente lexikalische Einheiten ermitteln lassen, die Konzeptualisierungen noch unterschiedlich sein können. 6 Zu ausgewählten Einzelbereichen der kontrastiven Lexikologie Im folgenden Punkt soll nach einer kurzen Forschungsübersicht zur deutsch-portugiesischen Lexikologie auf ausgewählte Einzelbereiche eingegangen werden, die bislang im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich keine hinreichende Beachtung gefunden haben. Es geht zum einen um die kontrastive Analyse von Wortfamilien, zum anderen um Fragen der syntaktischen und semantischen Valenz, abschließend soll auf die kontrastive Analyse von Kollokationen eingegangen werden. 6.1 Überblick über die bisherige Forschung im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich Insgesamt liegen eher wenige kontrastive deutsch-portugiesische lexikologische Studien vor. Einige wenige Wortfeldanalysen wurden erarbeitet. Dabei wurden besonders verschiedene Verbgruppen untersucht wie die Transportverben (Blühdorn 2000; Moreira/ Silva/ Blühdorn 1997), die verba dicendi (Murias 1984), die Modalverben (Harden 1989, Johnen 1992, Johnen 2003a, 2003b, 2011), die dynamischen Verben (Alencar 2003), die Verben der physischen Wahrnehmung (Vilela 1997) und die Konnexionsverben (Fischer 1997, 1998, 2011), gelegentlich auch andere Wortfelder, wie die Grundlexik zur Wahrnehmung und der Emotionen (Campo 2000), Körperhaltung und Bewegung (Campo 2001) sowie aus der Fachlexik z.B. im Bereich Werkzeugmaschinen (Castañeda 1993) und Justiz (Gerichte und Richterämter) (Reichmann 2013). Es gibt zudem Einzelstudien zu stärker grammatikalisierten lexikalischen Einheiten wie kausale und begründende Konnektoren (Blühdorn 2005b), finale Konnektoren (Fischer 2005), temporale Konjunktionen (Blühdorn 2005b), die Informationsstruktur steuernde Diskursmarker (Simões 2008), Unmittelbarkeit markierende Adverbien (Moreira 2006), Raumadverbien (Blühdorn 2003), temporale Präpositionen (Fischer/ Rodsi 2003; Fischer/ Rodsi 2005). Desweiteren wurden kontrastive Studien zu bestimmten Wortarten durchgeführt wie Präpositionen (Namura 2005), Konjunktionen (Gärtner 2003), Modalpartikeln (Franco 1988, 1989, 1991, Schmidt-Radefeldt 1993, Welker 1990), Interjektionen (Koller 2003). Zu erwähnen sind auch einige kontrastive Einzelstudien zu noch, schon und erst (Schmidt-Radefeldt 1997), zu pg. sen-o (Carvalho 1980), zu lassen (Costa 1978; Vilela 1989) sowie zur Präposition em (Nomura 2003). <?page no="172"?> 172 Thomas Johnen Lexikologisch relevant sind auch einige kontrastive Studien zur Wortbildung. Im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich wurden hier besonders Nominalkomposita (Campo/ Schmidt-Radefeldt 1995a und 1995b), einzelne Verbpräfixe (Woll 1996; Fraß 1990), Verben auf -ieren (Rom-o 2003) sowie Diminutivsuffixe (Johnen 1995, Harden 1996; 1997) untersucht. Zu den falschen Freunden wurden bislang zwei lexikographische Werke veröffentlicht (Leiste/ Döll/ Domingos 1988 und Hundertmark Santos Martins 1995) sowie einige Einzelstudien von Rom-o. So hat der Autor eine Studie zu falschen Freunden zwischen dem österreichischen Deutsch und dem brasilianischen Portugiesisch vorgelegt (Rom-o 1999). Rom-o (2003) untersucht teilweise auch, inwieweit es zu den deutschen Verben auf -ieren falsche Freunde im Portugiesischen gibt. Rom-o (2012) widmet sich den falschen Freunden im Verbbereich im Allgemeinen. Hier wird deutlich, dass vor allem den stärker grammatikalisierten lexikalischen Einheiten Aufmerksamkeit geschenkt wurde und ansonsten noch großer Forschungsbedarf besteht. 6.2 Problematik der Polyzentrik des Deutschen und Portugiesischen in Bezug auf die kontrastive Lexikologie Wie bereits einleitend in Abschnitt 1 erwähnt, ergibt sich eine weitere Herausforderung der kontrastiven deutsch-portugiesischen Lexikologie aus der Tatsache, dass beide Sprachen polyzentrische Sprachen sind. Dabei geht es nicht nur um die bekannten Fälle wie pg. janeiro vs. ddt. Januar bzw. ödt. Jänner oder dt. Zug vs. comboio (europäisches Portugiesisch; PE) und trem (brasilianisches Portugiesisch; PB). Das Beispiel dt. Eis vs. pg. gelo, sorvete bzw. gelado zeigt, dass die Äquivalenzverhältnisse aufgrund der Plurizentrik der beiden kontrastierten Sprachen relativ komplex sein können. Tabelle 3: ‘Eis’ und ‘Speiseeis’ im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich Deutsch Portugiesisch Eis gelo PE: gelado; PB; PGB; PSTP; PMOÇ: sorvete PANG [+ Straßenverkauf] baleiz-o CH: Glace Während Eis im Deutschen Deutschlands und Österreichs sowohl ‘gefrorenes Wasser’ (pg. gelo) als auch ‘Speiseeis’ 11 bezeichnen kann, wird im Por- 11 Das Kompositum dt. Speiseeis wird umgangssprachlich zur Desambiguierung benutzt oder auch fachsprachlich. Es besteht jedoch eine Inklusionsbeziehung zu dt. Eis. Diese <?page no="173"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 173 tugiesischen (wie in vielen anderen Sprachen) zwischen ‘gefrorenem Wasser’ und ‘Speiseeis’ lexikalisch differenziert, aber auch im Deutschen der Schweiz, wo es für ’Speiseeis’ die aus dem Französischen entlehnte Bezeichnung Glace gibt (cf. Ammon et al. 2004: 212, 300). Während in allen Varianten des Portugiesischen ‘gefrorenes Wasser’ mit gelo bezeichnet wird, wird Speiseeis im europäischen Portugiesisch (PE) mit gelado bezeichnet (cf. Villar 1989: 69; 292), im Portugiesischen Brasiliens (PB), Guinea-Bissaus (PGB), S-o Tomé und Príncipes (PSTP) sowie Mosambiks (PMOÇ) jedoch mit sorvete (cf. Houaiss/ Villar 2001: 2613) und in Angola (PANG) mit baleiz-o, sofern es auf der Straße verkauft wird (cf. Fernandes 2010: 116). Es kann natürlich zweckmäßig sein, nur bestimmte Varianten miteinander zu kontrastieren wie Rom-o (1999), der Falsche Freunde im österreichischen Deutsch und im brasilianischen Portugiesisch miteinander vergleicht. Insgesamt ist dies jedoch auch keine befriedigende Lösung, weil so kein Gesamtüberblick geschaffen wird. Günstig ist in diesem Zusammenhang, dass man zumindest für das Portugiesische auf soziokognitive kontrastive Studien zurückgreifen kann, die im Bereich der Wortfelder Fußball und Bekleidung corpusbasiert den Wortschatz im europäischen und brasilianischen Portugiesisch miteinander vergleichen (cf. Silva 2010). Für das Deutsche stehen vergleichbare Untersuchungen noch aus, wären aber eine Voraussetzung für eine kontrastive Analyse des Deutschen und Portugiesischen als plurizentrische Sprachen. 6.3 Wortfamilien Ein Bereich, der bislang in der kontrastiven deutsch-portugiesischen Lexikologie noch nicht systematisch bearbeitet wurde, ist der Vergleich von Wortfamilien oder genauer die systematische Gegenüberstellung von Wortbildungsmöglichkeiten in beiden Sprachen ausgehend von einem sogenannten Kopf einer Wortfamilie. Wie wir im Folgenden am Beispiel des Kopfes Arbeit - trabalho zeigen werden, lassen sich so Unterschiede aber auch Konvergenzen in den Wortbildungsmustern herausarbeiten. Eine systematische Aufarbeitung der Wortfamilien ausgehend von Köpfen aus dem Grundwortschatz kann eine wichtige Hilfe im Fremdsprachenunterricht bei der Wortschatzarbeit sein. 12 Die folgende Tabelle ist bidirektional konzipiert. Äquivalente, die in einer der beiden Sprachen nicht der Wortfamilie des Kopfes zuzuordnen sind, sind durch Kursivdruck gekennzeichnet: besteht allerdings nicht zwischen den portugiesischen Äquivalenten zu dt. Speiseeis - pg. gelado, sorvete, baleiz-o und pg. gelo. 12 Siehe beispielsweise für den deutsch-ungarischen Sprachvergleich die Arbeit von Gombocz (2013). <?page no="174"?> 174 Thomas Johnen Tabelle 4: Wortfamilien Arbeit - trabalho Deutsch Portugiesisch Arbeit trabalho arbeiten trabalhar verarbeiten transformar, empregar, digerir erarbeiten conseguir pelo seu trabalho elaborar bearbeiten Boden: lavrar Text: redigir Stein: aparelhar eine Person: procurar persuadir alg. einarbeiten familiarizar alguém (com um trabalho) herausarbeiten elaborar, extrair aufarbeiten z.B. Kleidung: renovar durcharbeiten z.B. trabalhar sem interrupç-o überarbeiten sich überarbeiten redigir esforçar-se demais Arbeiter trabalhador arbeitsam trabalhador arbeitsreich trabalhoso Heidenarbeit trabalh-o Heidenarbeit trabalheira Mitglied einer Arbeiterpartei trabalhista Arbeiterbewegung trabalhismo bearbeitbar trabalhável Verarbeitbarkeit trabalhabilidade Während in beiden Sprachen die denominale Verbbildung (arbeiten und trabalhar) möglich ist und auch die Ableitung eines nomen agentis mit den Suffixen dt. -er und pg. -ador (Arbeiter - trabalhador) weichen die Wortbildungsmuster bei den meisten anderen Mitgliedern der Wortfamilie in beiden Sprachen voneinander ab. Im Portugiesischen gibt es keine Präfixverben mit trabalhar, im Deutschen keine Augmentativsuffixe (--o in trabalh-o). Teilweise stehen Ableitungen im Portugiesischen Komposita im Deutschen gegenüber (trabalhoso - arbeitsreich, trabalh-o bzw. trabalheira - Heidenarbeit, trabalhismo - Arbeiterbewegung). Das Beispiel zeigt, dass vor allem der Bereich der deutschen Präfixverben ein Bereich ist, in dem es sehr häufig keine entsprechenden Wortbildungsmuster im Portugiesischen gibt. In einigen Fällen entsprechen einem deutschen Präfixverb und seiner Basis jedoch lediglich unterschiedliche syntak- <?page no="175"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 175 tische Konstruktionen ein- und desselben Verbs im Portugiesischen. Damit kommen wir zu einem weiteren Bereich der für die kontrastive Lexikologie wichtig ist, jedoch bislang ebenfalls kaum im deutsch-portugiesischen Sprachkontrast systematisch erforscht wurde. 6.4 Syntaktische und semantische Valenz Interessant am Ansatz der Valenztheorie (cf. u.a. Tesnière ([1959] 1988), Vilela (1992); Borba (2006); Hummel/ Kailuweit 2005) ist aus lexikologischer Perspektive, dass die mit dem Valenzrahmen einer lexikalischen Einheit festgelegten obligatorischen und fakultativen Ergänzungen, Konstruktionen mit unterschiedliche Bedeutungen ergeben, die sich manchmal nur um Nuancen unterscheiden, bisweilen jedoch auch sehr spezialisierte Bedeutungen aufweisen können wie etwa dt. geben <SUBJ, (AkkE, DatE)>, das in der Konstruktion nur mit dem Subjekt und einer fakultativen Akkusativ- und Dativergänzung auf die Bezeichnung des Austeilens von Spielkarten spezialisiert ist. Beispiel (6) legt auch für jemanden, der nicht die Kartenspieler sieht, sondern nur die Äußerung hört, nahe, dass es sich um das Austeilen von Spielkarten handelt. (6) - Wer gibt? - Ich gebe. Die Bedeutungsdifferenzierung bzw. -spezialisierung je nach Valenzrahmen gilt zum einen wie im gerade genannten Beispiel für die syntaktische Valenz, d.h. die Zahl der obligatorischen und fakultativen Ergänzungen als auch die semantische Valenz, die man ihrerseits - Engel (1980) folgend - nochmals in kategorielle Bedeutung (= semantische Kategorie der Ergänzung) und relationale Bedeutung (= semantische Rolle, die der Ergänzung zukommt) unterteilen kann. So unterscheiden sich dt. essen und dt. fressen dadurch, dass sie der Subjektsgröße unterschiedliche kategorielle Bedeutungen (im Sinne von Engel 1980) zuweisen: essen: [+ hum], fressen [+ zool]. Im Portugiesischen gibt es kein Verbpaar mit einer solchen Opposition. Zu beiden Verben ist pg. comer äquivalent, das keine derartige Differenzierung der Subjektsgröße aufweist. Tabelle 5: Kategorielle Bedeutung der Subjektsgröße am Beispiel essen/ fressen vs. comer Deutsch Portugiesisch [+ hum]: essen [+ hum]/ [+ zool]: comer [+ zool]: fressen Bislang gibt es noch kein kontrastives deutsch-portugiesisches Verbvalenzwörterbuch, sondern vor allem einzelsprachige Valenzwörterbücher des <?page no="176"?> 176 Thomas Johnen Deutschen (Helbig/ Schenkel 1975; Engel/ Schumacher 1976; Schumacher 1986; Schumacher et al. 2004) und des Portugiesischen (Busse 1994; Borba 2 1991). Lediglich Busse (1994) bietet zu den einzelnen syntaktischen Varianten des Portugiesischen in seinem Valenzwörterbuch deutsche Übersetzungsäquivalente an. Auch der Vorschlag von Welker (2003) für ein deutsch-portugiesisches kontrastives Valenzwörterbuch mit einigen Beispieleinträgen (cf. Welker 2003: 415-421) beschränkt sich auf die syntaktische Valenz. Nur für das brasilianische Portugiesisch liegt mit Borba ( 2 1991) ein Verbvalenzwörterbuch vor, das auch die semantische Valenz im vollen Umfang berücksichtigt, sowohl hinsichtlich der kategoriellen als auch der relationalen Bedeutung. 13 Zum Deutschen wird die kategorielle Bedeutung in den Verbvalenzwörterbüchern teilweise angegeben (so bei Helbig/ Schenkel 1975, Schumacher et al. 2004 sowie in dem deutsch-rumänischen Verbvalenzwörterbuch von Engel/ Savin 1983, dem deutsch-italienischen von Bianco 1996), nicht jedoch die relationale Bedeutung. Eine Ausnahme stellen Schreiber/ Sommerfeldt/ Starke ( 2 1990) dar, die in ihrem Bändchen in Ansätzen (und auf eine kleinere Zahl Verben beschränkt) auch letztere berücksichtigen. Dieser Versuch ist jedoch weder vom Umfang noch von der Systematizität her mit dem von Borba ( 2 1991) Geleisteten zu vergleichen. Während hinsichtlich der kategoriellen Bedeutung die Inventare der Merkmale nicht stark von Autor zu Autor divergieren, ist dies bei der relationalen Bedeutung sehr wohl der Fall. In der Regel lehnen sich die Autoren an Fillmore (1968) an, Engel (1980, 2 1991: 358-377, 1995; 2004: 186-196) hingegen entwickelt eigene, deutlich differenziertere Kategorien, die er teilweise auch wieder revidiert. Im Folgenden soll kurz die lexikologische Relevanz der Valenzgrammatik exemplifiziert werden. Kommen wir noch einmal auf den Bereich der deutschen Präfixverben zurück, so stehen oft einem deutschen Präfixverb und seiner Basis im Portugiesischen ein- und dasselbe Verb gegenüber. Das gilt im Übrigen auch für andere germanische Sprachen im Vergleich zum Portugiesischen und andere romanische Sprachen, wie Cuofano (2011) für den schwedisch-portugiesisch-italienischen Sprachvergleich gezeigt hat. Dt. antworten und beantworten steht im Portugiesischen responder gegenüber, dt. senden und versenden - pg. enviar. Eine genauere Beschreibung des jeweiligen syntaktischen Valenzrahmens zeigt jedoch, dass antworten und beantworten sowie senden und versenden jeweils andere syntaktische Konstruktionen desselben Verbs im Portugiesischen gegenüber stehen, wie die folgende Tabelle zeigt, bei der wir uns auf einige wenige deutliche Beispiele beschränken. 13 Für eine detailliertere Analyse der Darstellung der semantischen Valenz in diesem Wörterbuch siehe Johnen (2005). <?page no="177"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 177 Tabelle 6: Beispiele für syntaktische Valenzrahmen antworten - responder und senden - enviar Deutsch Portugiesisch antworten <SUBJ, (DatE), (PräpE (auf))> Er hat ihr auf die Frage nicht geantwortet. Er hat ihr nicht geantwortet. Er hat nicht geantwortet. responder <SUBJ, (indE), (PräpE (a))> N-o lhe respondeu à pergunta. N-o lhe respondeu. N-o respondeu. beantworten <SUBJ, AkkE> Sie hat seinen Brief nicht beantwortet. responder <SUBJ, indE) N-o respondeu à carta dele. senden <SUBJ, DatE/ PräpE (an), AkkE, (DirE (nach))> Sie hat ihm einen Brief nach Singapur gesendet. Sie einen Brief an den Papst nach Rom gesendet. enviar <SUBJ, dirE, indE / PräpE (para), (DirE)> Ela enviou-lhe uma carta a Cingapura. Ela enviou uma carta ao Papa para Roma. versenden <SUBJ, AkkE> Sie hat einen Brief versendet. enviar <SUBJ, dirE> Enviou uma carta. Es zeigt sich also deutlich, dass die verschiedenen möglichen Satzbaupläne von pg. responder und enviar im Deutschen nicht nur den Basisverben, sondern auch bestimmten Präfixverben entsprechen können und dass somit der Frage nach der Valenz besonders in kontrastiver Hinsicht eine große Bedeutung für die Lexikologie zukommt. Häufig geht mit der syntaktischen Valenz auch eine Beschränkung der semantischen Valenz einher. So ist die kategorielle Bedeutung der Akkusativergänzung von antworten und der Präpositionalergänzung von responder auf (Sprach-)handlungen bzw. Artefakte, die solche enthalten, beschränkt. Am folgenden Beispiel wird deutlich werden, dass auch die semantische Valenz entscheidend sein kann, welche Verbkonstruktion in der einen Sprache, welcher in der anderen entspricht. Betrachten wir einmal das Beispiel pg. comer vs. dt. zerfressen bzw. verschlucken, schlucken: (7) Quando ele falava, comia as sílabas finais (Borba 2 1991: 288). (8) Wenn er redete, verschluckte er die Endsilben. (9) O câncer comeu seu fígado (Borba 2 1991: 288). (10) Der Krebs zerfraß seine Leber. (11) O carro come muita gasolina (Borba 2 1991: 288). (12) Das Auto schluckt/ verbraucht viel Benzin. In (7) handelt es sich zwar wie beim prototypischen comer ’essen’ bei der Subjektsgröße um [+ hum], die kategorielle Bedeutung der direkten Ergän- <?page no="178"?> 178 Thomas Johnen zung ist jedoch auf [+ sprachliches Produkt] beschränkt. Damit ist essen kein mögliches Äquivalent zu comer in (7), sondern wie in (8) verschlucken. In (9) hat die Subjektsgröße die kategorielle Bedeutung [anim]. Dasselbe gilt für die Subjektsgröße (carro ‘Auto’) in (11). In beiden Fällen kann essen damit kein Äquivalent zu comer sein. Im Falle von (9) lautet das deutsche Äquivalent zerfressen, im Falle von (11) schlucken/ verbrauchen. Warum nun dieser Unterschied bei gleicher kategorieller Bedeutung der Subjektsgröße? An diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht nur die kategorielle Bedeutung eine Rolle spielt, sondern auch die relationale (also die semantische Rolle im Sinne von Fillmore 1968). Borba ( 2 1991: 288) weist der Subjektsgröße von comer in (9) die relationale Bedeutung causador also Verursacher zu, in (11) jedoch paciente also Patiens. Die relationale Bedeutung der Subjektsgröße ist auch das Unterscheidende zwischen zwei weiteren portugiesischen Verben, die beide ‘Schläge einer Person gegen eine andere’ bezeichnen, nämlich zwischen bater <SUBJ, PräpE(em)> und apanhar <SUBJ, (PräpE(de))>. Im Falle von bater <SUBJ, PräpE(em)> ist jedoch die Subjektsgröße ein Agens, d.h. ein aktiv Handelnder und die Präpositivergänzung ein Patiens, d.h., ein Betroffener. Bei apanhar <SUBJ, (PräpE(de))> ist die Rollenverteilung genau umgekehrt. Im Deutschen gibt es kein Verb, das die fragliche Handlung mit dieser semantischen Rollenverteilung konzeptualisiert, deshalb muss im Deutschen zur Wiedergabe von apanhar <SUBJ, (PräpE(de))> auf eine resultative Konstruktion mit bekommen zurückgegriffen werden: (13) O ladr-o bateu na vítima. (14) Der Dieb schlug das Opfer. (15) A vítima apanhou do ladr-o. (16) Das Opfer bekam Schläge vom Dieb. Im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich ist in Bezug auf die relationale Bedeutung der Subjektsgröße auch eine Variationsmöglichkeit des Portugiesischen zu erwähnen, die bei bestimmten Verben besteht und die es im Deutschen nicht gibt: (17) O veterinário operou a minha gata. (Borba 2 1991: 957) (18) Der Tierarzt hat meine Katze operiert. (19) Preciso operar-me do desvio no septo nasal. (Borba 2 1991: 957) (20) Ich muss die Nasenscheidewand operieren lassen. Die relationale Bedeutung der Subjektsgröße einiger Verben wie operar, cortar kann sowohl ein Agens als auch ein Patiens sein. Im Deutschen ist nur ein Agens möglich. Diese Beispiele machen deutlich, dass eine systematische, corpusbasierte Aufarbeitung der syntaktischen und semantischen Verbvalenz ein Desideratum auch für die kontrastive deutsch-portugiesische Lexikologie darstellt. <?page no="179"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 179 Viele Äquivalenzbeziehungen ergeben sich gerade aus der Kombinatorik und die kombinatorischen Regeln sind Teil des Sprachsystems. Hier befinden wir uns also keinesfalls auf der Ebene der Redebedeutung. Das gilt besonders für die Valenz, sind doch die Ergänzungen per Definition subklassenspezifisch für jedes Verb, Adjektiv oder Substantiv (cf. Engel 3 1994: 99). Damit kommen wir zu einem weiteren Bereich der Wortkombinatorik, der für die kontrastive Lexikologie relevant ist, nämlich zu dem der Kollokationen. 6.5 Kollokationen Der Bereich der Kollokationen 14 ist im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich bislang kaum aufgearbeitet worden. 15 Für das Portugiesische wurde zumindest ein erstes Kollokationswörterbuch vorgelegt (Pöll 2000). 16 Die Bedeutung von Kollokationen ist in gewisser Hinsicht transparent. Die Kombinierbarkeitsrestriktionen sind jedoch idiosynkratisch für jede Einzelsprache. So kann man auf Deutsch eine Hypothese aufstellen oder formulieren, im Portugiesischen gibt es zwar auch die Kollokation formular uma hipótese, viele der anderen Kollokationen wie z.B. estabelecer, estipular, levantar, aventar, avançar uma hipótese (cf. Johnen 2010) haben jedoch keine Eins-zu-eins-Entsprechungen zu den Verben der deutschen Kollokationen mit Hypothese. Hier wäre es eine Aufgabe (ähnlich wie in der kontrastiven Wortfamilienforschung), ausgehend von einem Kopf Kollokationsfamilien (etwa Hypothese - hipótese) zu erarbeiten. Je nach Umfang müssten diese onomasiologisch binnendifferenziert werden, um dann innerhalb der Kollokationsfamilie semantische, diafrequentative und andere relevante Unterschiede herauszuarbeiten. Die Kollokationsfamilien müssen eventuell entgegen der lexikographischen Tradition der Kollokationswörterbücher auch wortartenübergreifend konzipiert werden, denn wie Zílio (2009) in seiner kontrastiven Untersuchung von Kollokationen in deutsch- und portugiesischsprachigen 14 Es besteht ein Unterschied zwischen der angelsächsischen und der kontintaleuropäischen Tradition hinsichtlich der Definition des Begriffs Kollokation. In der angelsächsischen Tradition handelt es sich schlichtweg um die lexikalischen Einheiten, die häufig in der Umgebung einer anderen vorkommen (cf. Firth 1951: 123; Jones/ Sinclair 1974; Sardinha 2004: 40). Das wichtigste Kriterium ist also die Frequenz. In der kontinentaleuropäischen Tradition stehen die Restriktionen der Kombinierbarkeit im Mittelpunkt (cf. Hausmann 1977: 75). Kollokationen sind somit ein Teil der langue und damit des Sprachsystems (cf. Svensén 2 2004: 210). Dadurch sind sie auch in für die Lexikologie relevant. Wir folgen hier der kontinentaleuropäischen Tradition. 15 Eine Ausnahme stellt Zílio (2009, 2012) dar, der eine kontrastive Analyse der fachsprachlichen Kollokationen aus dem Bereich der Kardiologie vorlegt. 16 Für eine theoretische Fundierung des Wörterbuchs siehe Pöll (1996). <?page no="180"?> 180 Thomas Johnen Fachtexten der Kardiologie zeigt, stehen oft deverbale Substantivbildungen in Konkurrenz zu Verben. So kam in seinem Corpus kein Mal die Kollokation den Sinusrhythmus wiederherstellen vor, wohl jedoch acht Mal die Kollokation Wiederherstellung des Sinusrhythmus. Auch im portugiesischsprachigen Corpus sind die entsprechenden Kollokationen mit deverbalen Substantivbildungen wie restauraç-o do ritmo sinusal und restabelecimento do ritmo sinusal frequenter als die vergleichbaren Substantiv-Verb-Kollokationen wie restaurar o ritmo sinusal (cf. Zílio 2009: 185). 17 7 Schlussbetrachtung Dieser kurze Aufriss der aktuellen Fragen der kontrastiven Lexikologie aus der Sicht des deutsch-portugiesischen Sprachvergleichs zeigt, dass viele Forschungslücken zu füllen sind. Die deutsch-portugiesische kontrastive Lexikologie kann noch nicht auf so zahlreiche Arbeiten zurückblicken wie andere Sprachkombinationen. Arbeiten zur allgemeinsprachlichen Lexik könnten dabei eine Hilfe sein für die Verbesserung von zweisprachigen Wörterbüchern (cf. Katinas 2009) und Lehrmaterialien für Deutsch bzw. Portugiesisch als Fremdsprache. Arbeiten zur fach- und wissenschaftssprachigen Lexik sind unerlässlich angesichts der wachsenden wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen den deutsch- und portugiesischsprachigen Ländern. Es konnte in diesem Beitrag aber auch gezeigt werden, dass die kontrastive Lexikologie aus heuristischen Gründen für einen Fortschritt selbst in der einzelsprachlich orientierten Lexikologie im Grunde unverzichtbar ist. Viele methodologische Probleme stellen sich kontrastiv durchaus anders. Die Relevanz der Wortkombinatorik, sei es im Rahmen der syntaktischen und semantischen Valenz, sei es der Kollokationen, wird aus der kontrastiven Perspektive noch deutlicher als aus der einzelsprachigen. Die Anforderungen an eine Beschreibungsadäquatheit steigen beim sprachkontrastiven Ansatz, damit gewinnt man jedoch zugleich einen vertieften Einblick in die Phänomene. Das ist besonders relevant für Bereiche wie die Semantik, in denen Verstehensprozesse eine zentrale Rolle spielen. Die Kontrastsprache fungiert als einer der von Gadamer ( 4 1975) als notwendig erachteten Anstoßpunkte von außen. Der besondere Stellenwert der Wortkombinatorik macht jedoch auch deutlich, dass für eine tiefgehende Forschung umfassende Übersetzungscorpora und Paralleltextcorpora eine unabdingbare Voraussetzung sind. Nur so lassen sich Tendenzen ablesen und auch Bedeutungsnuancen von Kollokationen innerhalb eines Kollokationsfeldes erfassen. Denn wenn 17 Einen anderen Weg, auf den wir hier nicht eingehen können, zeigt Larreta Zulategui (2008) auf, indem er als tertium comparationis die semantische Valenz der Verben einer Kollokation wählt. <?page no="181"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 181 man zu weniger frequenten Lexemen gelangt, weisen viele Kollokationen eine geringe Vorkommenshäufigkeit 18 auf, obwohl sie semantisch wichtige Positionen einnehmen. 8 Bibliographie Alencar, Lionel Figueiredo de (2003): Lexikalische Variation am Beispiel dynamischer Verben des Deutschen und des Portugiesischen. Dissertation. Konstanz: Universität Konstanz. Ammon, Ulrich et al. (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin/ New York: de Gruyter. Anderson, John R. ( 2 1989): Kognitive Psychologie. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft. Baxter, Alan N. (1992): Portuguese as a pluricentric language. In: Clyne, Michael (ed.): Pluricentric languages: differing norms in different nations. Berlin/ New York: Mouton de Gruyter, 11-44 (Contributions to the sociology of languages; 62). Bech, Gunnar (1949): Das semantische System der deutschen Modalverben. Kopenhagen: Munksgaard (Travaux du Cercle Linguistique de Copenhague; 4). Bianco, Maria Teresa (1996): Valenzlexikon Deutsch - Italienisch; Dizionario della valenza verbale. 2 Bde. Heidelberg: Groos (Deutsch im Kontrast; 17). Blühdorn, Hardarik (2000): Zur Verwendung einiger Transportverben im Deutschen und im brasilianischen Portugiesisch. In: IRAL 38, 261-278. Blühdorn, Hardarik (2003): Die Raumadverbien hier, da und dort und ihre Entsprechungen im brasilianischen Portugiesisch. In: Blühdorn, Hardarik/ Schmidt- Radefeldt, Jürgen (eds.): Die kleineren Wortarten im Sprachvergleich Deutsch- Portugiesisch. Frankfurt am Main: Lang), 47-72 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 7). Blühdorn, Hardarik (2005a): Da, weil und denn - como, porque und pois. Kausale und begründende Konnektoren im Deutschen und Portugiesischen. In: Fischer, Eliana/ Glenk, Eva/ Meireles, Selma (eds.): Blickwechsel: Akten des XI. Lateinamerikanischen Germanistenkongresses S-o Paulo - Paraty - Petrópolis 2003. Vol. 3. S-o Paulo: Edusp, 161-167. Blühdorn, Hardarik (2005b): Quando, wenn und als. Temporale Konjunktionen im Portugiesischen und im Deutschen. In: Fischer, Eliana/ Glenk, Eva/ Meireles, Selma (eds.): Blickwechsel: Akten des XI. Lateinamerikanischen Germanistenkongresses S-o Paulo - Paraty - Petrópolis 2003. Vol. 3. S-o Paulo: Edusp, 168-173. Blumenthal, Peter (2011): Essai de lexicologie contrastive: Comment mesurer l’usage des mots? In: Lavric, Eva/ Pöckl, Wolfgang/ Schallhart, Florian (eds.): Comparatio delectat. Akten der VI. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich, Innsbruck, 3.-5. September 2008. Vol 1. 18 In dem 250.000 Wörter umfassenden Corpus von Ek (1972) zu Kollokationen zu deutschen Verben in Fachtexten weisen nur 60 der 600 beschriebenen Verben eine Vorkommenshäufigkeit auf, die größer als 100 ist. Die Zahl der Kollokationen mit mehr als 100 Belegen ist mit 28 noch geringer. <?page no="182"?> 182 Thomas Johnen Frankfurt/ M. e. a.: Peter Lang, 61-83 (InnTrans: Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 4). Borba, Francisco da Silva ( 2 1991): Dicionário gramatical dos verbos do português contemporâneo do Brasil. S-o Paulo: Editora da UNESP. Borba, Francisco da Silva (2002): Dicionário de usos do Português do Brasil. S-o Paulo: Ática. Borba, Francisco da Silva (2006): Uma gramática de valências para o português. S-o Paulo: Ática. Busse, Winfried (ed.) (1994): Dicionário de verbos portugueses. Coimbra: Almedina. Campo, José Luís de Azevedo do (2000): Grundlexik der Wahrnehmungen und der Emotionen: Portugiesisch-Deutsch, Rostock: Universität Rostock/ Institut für Romanistik (Lehr- und Arbeitshefte zur Lusitanistik/ Hispanistik der Universität Rostock). Campo, José Luís de Azevedo do: Rostock (2001): Körperhaltung und -bewegungen: 1. Band: Körperteile: ein Beitrag zur portugiesisch-deutschen Lexikographie, Universität Rostock/ Institut für Romanistik (Lehr- und Arbeitshefte zur Lusitanistik/ Hispanistik der Universität Rostock). Campo, José Luís de Azevedo do/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (1995a): Análise contrastiva dos compostos nominais em alem-o e em português. In: Brauer de Figueiredo, Maria de Fátima Veigas (ed.): Actas do 4o Congresso da Associaç-o Internacional de Lusitanistas, Universidade de Hamburgo, 6 a 11 de Setembro 1993. Lisboa: Lidel, 243-252. Campo, José Luís de Azevedo do/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (1995b): Zur kontrastiven Analyse von Nominalsyntagmen im Deutschen und Portugiesischen. In: Schmitt, Christian/ Schweickard, Wolfgang (eds.): Die romanischen Sprachen im Vergleich. Bonn: Romanistischer Verlag, 305-319. Carvalho, José Gonçalo Herculano de (1980): Construções com sen-o no quadro de uma comparaç-o com o alem-o. In: Iberoromania 12, 18-29. Carvalho, Nildemir Ferreira de (1996): Estruturas semânticas do léxico do futebol. In: Alfa 40, 75-102. Castañeda, Anna Aguirre (1993): Estudo contrastivo da terminologia portuguesa e alem- na área das máquinas-ferramenta. In: Anais do VII Encontro Nacional da ANPOLL (Porto Alegre - 17 a 20 de Maio de 1992): Área de Lingüística -v.2. Goiânia-GO: ANPOLL, 635-637. Clyne, Michael (1992): German as a pluricentric language. In: Clyne, Michael (ed.): Pluricentric languages: differing norms in different nations. Berlin/ New York: Mouton de Gruyter, 117-148 (Contributions to the sociology of languages; 62). Coseriu, Eugenio (1970): Bedeutung und Bezeichnung im Licht der strukturellen Semantik. In: Hartmann, P[eter]/ Vernay, H[enri] (eds.): Sprachwissenschaft und Übersetzen. Symposium an der Universität Heidelberg, 24.2.-26.2.1969. München: Hueber, 104-121. Costa, Luis Sousa (1978): Einige Überlegungen zur Übersetzung von ‘lassen’. In: Linguistische Arbeitsberichte 19, 92-103. Cuofano, Letizia (2011): As equivalências no português e no italiano de verbos suecos com prefixos de origem germânica num corpus paralelo de textos escritos. Masterarbeit. Stockholm: Stockholms universitet, Institutionen för spanska, portugisiska och latinamerikastudier. (http: / / urn.kb.se/ resolve? urn=urn: nbn: se: su: di va-64281, 29.06.2014). <?page no="183"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 183 Donoso, Alejandra (2013): Way, Basis and Method in Spanish and Swedish. A contrastive study. In: Revue Romane 48/ 1, 1-31. Drosdowski, Günther (ed.) ( 3 1996): Duden. Deutsches Universalwörterbuch. Mannheim etc.: Dudenverlag. Droste, Frederik Gerrit (1956): Moeten: een struktureel semantische studie. Groningen/ Djakarta: Wolters. Durmuşoğlu, Gül (1990): Iki-dili sözlük oluşturmada 'paralel metin' kavramının önemi [Die Bedeutung des “Paralleltext”-Begriffs bei der Erarbeitung zweisprachiger Wörterbücher]. In: Dilbilim Araştırmaları 1, 75-84. Ek, Heinrich (1972): Zur Lexik wissenschaftlicher Fachtexte. Verben - Frequenzen und Verwendungshinweise. München: Hueber (Schriften der Arbeitsstelle für wissenschaftliche Didaktik des Goethe-Instituts; 4). Endruschat, Annette/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen ( 2 2008): Einführung in die portugiesische Sprachwissenschaft. Tübingen: Narr. Engel, Ulrich (1980): Fügepotenz und Sprachvergleich. Vom Nutzen eines semantisch erweiterten Valenzbegriffs für die kontrastive Linguistik. In: Wirkendes Wort 30, 1-28. Engel, Ulrich ( 2 1991): Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos. Engel, Ulrich ( 3 1994): Syntax der deutschen Gegenwartssprache. Berlin: Erich Schmidt (Grundlagen der Germanistik; 22). Engel, Ulrich (1995): Tiefenkasus in der Valenzgrammatik. In: Eichinger, Ludwig/ Eroms, Hans-Werner (eds.): Dependenz und Valenz. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft; 10), 53-65. Engel, Ulrich (2004): Deutsche Grammatik: Neubearbeitung. München: Iudicium. Engel, Ulrich/ Savin, Emilia (1983): Valenzlexikon Deutsch-Rumänisch; Dicţionar de valenţa german - romăn. Heidelberg: Groos (Deutsch im Kontrast; 3). Engel, Ulrich/ Schumacher, Helmut (1976): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. Tübingen: Narr (Forschungsberichte des instituts für deutsche Sprache; 31). Fernandes, Alexandre (2010): Norstedts portugisisk-svenska ordbok. Stockholm: Norstedts. Fillmore, Charles J. (1968): The case for case. In: Bach, Emmon W./ Harms, Robert T. (eds.): Universals in linguistic theory. New York: Holt, Rinehart & Winston, 1-88. (Bras. Übersetzung: Em favor do caso. In: Lobato, Lúcia Maria Pinheiro (ed.): A semântica na lingüística moderna. O léxico. Rio de Janeiro: Francisco Alves 1977, 275-365.) Firth, John R. (1951): Modes of Meaning. In: Tillotson, Geoffrey (ed.): Essays and studies 1951. London: John Murray, 118-149. Fischer, Eliana Gabriela (1997): Verbos de conex-o. Tese de doutoramento. S-o Paulo: FFLCH-USP. Fischer, Eliana Gabriela (1998): Os verbos de conex-o no alem-o e no português. In: Pandaemonium Germanicum 2, 171-192. Fischer, Eliana (2005): Finale Konnektoren im Deutschen und Portugiesischen: Vorüberlegungen zu einer kontrastiven Untersuchung. In: Fischer, Eliana/ Glenk, Eva/ Meireles, Selma (eds.): Blickwechsel: Akten des XI. Lateinamerikanischen Germanistenkongresses S-o Paulo - Paraty - Petrópolis 2003. Vol. 3. S-o Paulo: Edusp, 179-187. <?page no="184"?> 184 Thomas Johnen Fischer, Eliana Gabriela (2011): Konnektionsverben: kontrastiv Deutsch/ Portugiesisch. In: Lavric, Eva/ Pöckl, Wolfgang/ Schallhart, Florian (eds.): Comparatio delectat. Akten der VI. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich, Innsbruck, 3.-5. September 2008. Vol. 1. Frankfurt/ M.: Lang, 217-226 (InnTrans: Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 4). Fischer, Eliana/ Rodsi, Andréa (2003): As preposicões temporais no alem-o e no português do Brasil. In: Blühdorn, Hardarik/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Die kleineren Wortarten im Sprachvergleich Deutsch-Portugiesisch. Frankfurt am Main: Lang 129-148 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 7). Fischer, Eliana/ Rodsi, Andréa (2008): As preposições que estabelecem relações de tempo no português e no alem-o. In: Battaglia, Maria Helena Voorsluys/ Nomura, Masa (Eds.): Estudos lingüísticos contrastivos em alem-o e em português. S-o Paulo: Annablume/ FAPESP, 99-132. Franco, António C. (1988): Partículas modais da língua portuguesa: relances contrastivos com as partículas alem-s. In: Revista da Faculdade de Letras do Porto: Línguas e Literaturas 5, 137-156. Franco, António C. (1989): Modalpartikeln im Portugiesischen: kontrastive Syntax, Semantik und Pragmatik der portugiesischen Modalpartikeln. In: Weydt, Harald (ed.): Sprechen mit Partikeln. Berlin: de Gruyter, 240-255. Franco, António C. (1991): Descriç-o linguística das partículas modais no português e no alem-o. Coimbra: Coimbra Editora. Fraß, Ingrid (1990): Verbalpräfixe im Deutschen als Indikatoren für unterschiedliche semantische Differenziertheit und/ oder Realisationsindikatoren für bestimmte Aktoren im Sprachvergleich mit der Ausgangssprache Portugiesisch. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin; Reihe: Gesellschaftswissenschaften 39, 980-986. Gadamer, Hans-Georg ( 4 1975): Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen: Mohr. Gärtner, Eberhard (2003): Konjunktion = Konjunktion, Präposition = Präposition? Eine vergleichende Untersuchung zu Funktionswörtern im Deutschen und im Portugiesischen. In: Blühdorn, Hardarik/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Die kleineren Wortarten im Sprachvergleich Deutsch-Portugiesisch. Frankfurt am Main: Lang, 89-114 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 7). Geckeler, Horst (1984): Semántica estructural y teoría del campo léxico. Madrid: Gredos. Geckeler, Horst (2002): Anfänge und Ausbau des Wortfeldgedankens. In: Cruse, D. Alan et al. (eds.): Lexikologie: Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen; Lexicology: An international handbook on the nature and structure of words and vocabularies. Berlin/ New York: de Gruyter, 713-728 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft; 21,1). Gombocz, Eszter (2013): Kontrastive Wortformenanalyse: Deutsch-Ungarisch. Wortfamilien unter didaktischem und lexikographischem Aspekt. Mannheim: Institut der Deutschen Sprache (Arbeitspapiere und Materialien zur deutschen Sprache; 44). Harden, Theo (1989): Ausdrucksweisen der deontischen Modalität im Deutschen und Portugiesischen. In: Franco, António (ed.): Duas Línguas em Contraste: Português <?page no="185"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 185 e Alem-o; Actas do 1. Colóquio Internacional de Linguística Contrastiva Português-Alem-o, Porto, 6-7 de Outubro de 1988 (Revista da Faculdade de Letras do Porto Línguas e Literaturas Anexo II). Porto: Faculdade de Letras da Universidade do Porto, 123-136. Harden, Theo (1996): Das portugiesische Diminutiv und die deutschen Modalpartikeln: einige Überlegungen zu ihren deiktischen Funktionen. In: Runa 25-26, 749- 758. Harden, Theo (1997): Gebrauch und Funktion von Diminutiv- und Augmentativformen im Portugiesischen und Deutschen. In: Lüdtke, Helmut/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Linguistica contrastiva. Deutsch versus Portugiesisch - Spanisch - Französisch. Tübingen: Narr, 135-150. Hartmann, Reinhard (1976): Über die Grenzen der kontrastiven Lexikologie. In: Moser, Hugo (ed.): Probleme der Lexikologie und Lexikographie: Jahrbuch 1975 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf: Schwann, 181-199 (Sprache der Gegenwart: Schriften des Instituts für deutsche Sprache; 39). Haßler, Gerda (2002): Die Wortfamilienstrukturen aus kontrastiver Sicht. In: Cruse, D. Alan et al. (eds.): Lexikologie: Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen; Lexicology: An international handbook on the nature and structure of words and vocabularies. Berlin/ New York: de Gruyter, 704-712 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft; 21,1). Hausmann, Franz Josef (1977): Einführung in die Benutzung der neufranzösischen Wörterbücher. Tübingen: Niemeyer (Romanistische Arbeitshefte; 19). Hausmann, Franz Josef (1995): Von der Unmöglichkeit der kontrastiven Lexikologie. In: Kroman, Hans-Peder/ Kjær, Anne Lise (eds.): Von der Allgegenwart der Lexikologie. Kontrastive Lexikologie als Versuch zur zweisprachigen Lexikographie. Akten des internationalen Werkstattgesprächs zur kontrastiven Lexikologie, 29.- 30.10.1994 in Kopenhagen. Tübingen: Niemeyer, 19-23 (Lexicographica; 66). Heidegger, Martin ( 15 1979): Sein und Zeit. Fünfzehnte, an Hand der Gesamtausgabe durchgesehen Auflage mit den Randbemerkungen des Autors im Anhang. Tübingen: Niemeyer. Helbig, Gerhard/ Schenkel, Wolfgang ( 3 1975). Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. Leipzig: Enzyklopädie. Houaiss, Antônio/ Villar, Mauro de Salles (2001): Dicionário Houaiss da língua portuguesa. Rio de Janeiro: Objetivo. Hummel, Martin/ Kailuweit, Rolf (2005): La sintaxis semántica, los esquemas sintáctico-semánticos, la gramática de construcciones y los papeles temáticos. In: Wotjak, Gerd/ Cuartero Otal, Juan (eds.): Entre semántica léxica y sintaxis. Frankfurt am Main: Lang, 385-402 (Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation; 22). Hundertmark-Santos Martins, Maria Teresa (1995): Die ‘falschen Freunde’ Portugiesisch - deutsch; Deutsch-Portugiesisch; Os ‘Falsos Amigos’ Português-Alem-o; Alem-o-Português. Tübingen: Niemeyer. Johnen, Thomas (1992): Die Modalverben im Portugiesischen und im Deutschen: eine kontrastive Analyse. Magisterarbeit. Bonn: Universität Bonn. Johnen, Thomas (1995): Zur Pragmatik von portugiesisch -inho und Partikelentsprechungen im Deutschen. In: Lusorama 27, 40-57. <?page no="186"?> 186 Thomas Johnen Johnen, Thomas (2003a): O sistema dos verbos modais em português em contraste com o alem-o e o francês. In: Herrera González, Leonardo (ed.): 6º Congresso Internacional do Ensino de Português como Língua Estrangeira, 22 a 26 de outubro - 2001 Acatlán, Est. do Méx., México; Unidade de Seminários do Campus Acatlán - UNAM. México, D.F.: Coordinación de Servicios Académicos, UNAM, 129-159. Johnen, Thomas (2003b): Die Kennzeichnung von Handlungszielen durch Modalverben im Deutschen und Portugiesischen. In: Gärtner, Eberhard/ Herhuth, Maria José Peres/ Sommer, Nair Nagamine (eds.): Contribuições para a Didáctica do Português Língua Estrangeira: Akten der Sektion “Didaktik des Portugiesischen als Fremdsprache” des 4. Deutschen Lusitanistentages (Universität Mainz in Germersheim), 11. bis 14. September 2001. Frankfurt am Main: TFM, 109-143. Johnen, Thomas (2003c): Die Modalverben des Portugiesischen (PB und PE). Semantik und Pragmatik in der Verortung einer kommunikativen Grammatik. Hamburg: Kovač (Philologia; 60). Johnen, Thomas (2005): Observações sobre a valência semântica no Dicionário gramatical de verbos do português contemporâneo do Brasil. In: Lusorama 61-62, 76-95. Johnen, Thomas (2010): Aventar uma hipótese: les collocations verbo-nominales dans le langage académique ordinaire des écrits de recherche scientifique en portugais, français et espagnol. In: Carreira, Maria Helena Araújo/ Teletin, Andreea (eds.): L'idiomaticité dans les langues romanes. Saint-Denis: Université de Paris 8 Vincennes Saint-Denis, 43-61 (Travaux et Documents; 48). Johnen, Thomas (2011): Poder, pode, mas... Sie dürfen schon, aber..: Elementos para uma análise contrastiva de verbos modais do alem-o e do português no exemplo de können, dürfen e mögen versus poder e saber. In: Lavric, Eva/ Pöckl, Wolfgang/ Schallhart, Florian (eds.): Comparatio delectat. Akten der VI. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich, Innsbruck, 3.-5. September 2008. Vol. 1. Frankfurt/ M. e. a.: Lang, 227-241 (Inn- Trans: Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 4). Jones, S[usan]/ Sinclair, J[ohn] M[cHardy] (1974): English lexical collocations. In: Cahiers de lexicologie 24, 15-61. Katinas, Daumantas (2007): Zur Methodik der kontrastiven Lexikologie am Beispiel des Makrofeldes Vertiefung im Litauischen und im Deutschen. In: Kalbotyra 57/ 3, 122-131. Katinas, Daumantas (2009): Kontrastive Lexikologie und zweisprachige Lexikographie: ineinander, nebeneinander, füreinander? In: Kalbotyra 60/ 3, 37-47. Kerbrat-Orecchioni, Catherine (1980): L’énonciation de la subjectivité dans la langue. Paris: Armand Colin. Koller, Erwin (2003): Interjektionen deutsch - portugiesisch. In: Blühdorn, Hardarik/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Die kleineren Wortarten im Sprachvergleich Deutsch-Portugiesisch. Frankfurt am Main: Lang, 173-212 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 7). Kromann, Hans-Peder (1995): Von der Möglichkeit einer kontrastiven Optik und Mikroskopie in der Lexikologie. In: Kroman, Hans-Peder/ Kjær, Anne Lise (eds.): Von der Allgegenwart der Lexikologie. Kontrastive Lexikologie als Versuch zur zweisprachigen Lexikographie. Akten des internationalen Werkstattgesprächs zur kontrastiven Lexikologie, 29.-30.10.1994 in Kopenhagen. Tübingen: Niemeyer, 114-126 (Lexicographica; 66). <?page no="187"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 187 Kronning, Hans (1996): Modalité, cognition et polysémie du verbe modal devoir. Uppsala : Acta Universitatis Uppsaliensis (Studia Romanica uppsaliensia; 54). Larreta Zulategui, Juan Pablo (2008): Theorie zum Begriff “Kollokation” und kontrastive Methodologie. In: Mellado Blanco, Carmen (ed.): Colocaciones y fraseología en los diccionarios. Frankfurt am Main: Lang, 97-106 (Studien zur romanischen Sprachwissenschaft und interkulturellen Kommunikation; 44). Léon, Jacqueline (2004): Lexies, synapsies, synthèmes. Le renouveau des études lexicales en France au début des années 1960. In: Haßler, Gerda/ Volkmann, Gesine (eds.): History of linguistics in texts and concepts; Geschichte der Sprachwissenschaft in Texten und Konzepten. Vol. 1. Münster: Nodus, 405-418. Lewandowski, Theodor ( 4 1984): Linguistisches Wörterbuch. 3 Bde. Heidelberg: Quelle & Meyer. Lima, José Pinto de (1997): Explorando o conceito de paradigma (protótipo) em semântica lexical: Relato e comentário de uma experiência. In: Lüdtke, Helmut/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Linguistica contrastiva. Deutsch versus Portugiesisch - Spanisch - Französisch. Tübingen: Narr, 249-267. Lino, Maria Teresa Rijo da Fonseca (1980): Importância de uma lexicologia contrastiva. In: Revista da FCSH 1, 137-152. Lutzeier, Rolf Peter (ed.) (1993): Studien zur Wortfeldtheorie. Studies in lexical field theory. Tübingen: Niemeyer. Marchuschi, Luiz Antônio (2004): O léxico: lista, rede ou cogniç-o social? In: Negri, Lígia/ Foltran, Maria José/ Oliveira, Roberta Pires de (eds.): Sentidos e significaç-o. Em torno da obra de Rodolfo Ilari. S-o Paulo: Contexto, 263-284. Moreira, Benjamin (2006): Análise contrastiva dos marcadores de imediatez num conto de Miguel Torga e nas suas traduções. In: Schmidt-Radefeldt, Jürgen (ed.): Portugiesisch kontrastiv gesehen und Anglizismen weltweit. Frankfurt am Main: Lang, 277-306 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 10). Moreira, Luis Fernando Dias/ Silva, Renato Ferreira da/ Blühdorn, Hardarik (1997): Verbos de transporte e a focalizaç-o de lugares. In: Linha D'Água 12, 39-50. Murias, Augusto M. Leite (1984): Vergleichende Analyse semantischer und syntaktischer Eigenschaften portugiesischer und deutscher verba dicendi. Diss. Lisboa: Faculdade de Ciências Sociais e Humanas da Universidade Nova de Lisboa. Nascimento, Maria Fernanda Bacelar do/ Rodrigues, Maria Celeste/ Gonçalves, José Bettencourt (eds.) (1996): Actas do XI Encontro Nacional da Associaç-o Portuguesa de Lingüística, vol. 1. Corpora. Lisboa: Colibri. Nomura, Masa (2003): A preposiç-o em em português e suas correspondências em alem-o. In: Blühdorn, Hardarik/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Die kleineren Wortarten im Sprachvergleich Deutsch-Portugiesisch. Frankfurt am Main: Lang, 115-128 (Rostocker Romanistische Arbeiten; 7). Nomura, Masa (2005): Die einfachen Präpositionen im Deutschen und im Portugiesischen. In: Fischer, Eliana/ Glenk, Eva/ Meireles, Selma (eds.): Blickwechsel: Akten des XI. Lateinamerikanischen Germanistenkongresses S-o Paulo - Paraty - Petrópolis 2003. Vol. 3. S-o Paulo: Edusp, 174-178. Oliveira, Maria de Fátima Favarrica Pimenta de (1988): Para uma semântica e pragmática de DEVER e PODER. Diss. Porto: Universidade de Porto. Pietro, Robert J. di (1986): Estructuras lingüísticas en contraste. Madrid: Gredos. <?page no="188"?> 188 Thomas Johnen Pietroforte, Antonio Vicente Seraphim/ Lopes, Iv- Carlos (2007): Semântica lexical. In Fiorin, José Luiz (ed.): Introduç-o à lingüística II: Princípios de análise. S-o Paulo: Contexto, 111-135. Pöll, Bernhard (1996): Portugiesische Kollokationen im Wörterbuch. Ein Beitrag zur Lexikographie und Metalexikographie. Bonn: Romanistischer Verlag (Abhandlungen zur Sprache und Literatur; 95). Pöll, Bernhard (2000): Dicionário contextual básico da língua portuguesa. Portugiesisches Kontextwörterbuch. Wien: Praesens. Pottier, Bernard (1978): Lingüística geral: teoria e descriç-o. Rio de Janeiro: Presença/ Universidade Santa Úrsula. Raynaud, Franziska (1975): Les verbes de modalités en allemand contemporain. Lille: Service de reproduction de thèse de l’université. Reichmann, Tinka (2013): Gerichte und Richterämter: ein terminologischer Vergleich zwischen Brasilien und Deutschland. In: Reichmann, Tinka/ Sträter, Thomas (eds.): Übersetzen tut not - Traduzir é preciso. Beiträge zur Übersetzungstheorie und -praxis in der deutsch- und portugiesischsprachigen Welt; Contribuições para a teoria e prática da traduç-o nos mundos lusófono e germanófono. Berlin: Tranvia, 213-233. Rom-o, Tito Lívio Cruz (1999): Português do Brasil, alem-o austríaco e falsos amigos. In: Endruschat, Annette/ Schönberger, Axel (eds.): Neue Beiträge zur portugiesischen Sprachwissenschaft. Frankfurt am Main: TFM, 121-141 (Biblioteca lusobrasileira; 8). Rom-o, Tito Lívio Cruz (2003): Studieren - planieren - genieren - kollabieren - novellieren - farcieren: alles palleti? In: Kaufmann, Göz/ Bredemeier, Maria Luísa Lenhard/ Volkmann, Walter (eds.): V Brasilianischer Deutschlehrerkongress; II Deutschlehrerkongress des MERCOSUL; Tagungsband - Anais: Alemán en América Latina: um diferencial com qualidade; Deutsch in Lateinamerika: die Qualität macht den Unterschied; S-o Leopoldo, 23 a 26 de julho de 2002. S-o Leopoldo: ABRAPA/ UNISINOS, 445-456. Rom-o, Tito Lívio Cruz (2012): Verbos alem-es e falsos cognatos: uma análise contrastiva alem-o-português. In: Farias, Maria Auxiliadora/ Mesquita, Ângela/ Mattes, Marlene Gonçalves (eds.): Estudos de Língua e Literatura. Porto Alegre: UNIRITTER, 40-60. Santos, Diana (1996): On the use of parallel texts in the comparison of languages. In: Nascimento, Maria Fernanda Bacelar do/ Rodrigues, Maria Celeste/ Gonçalves, José Bettencourt (eds.): Actas do XI Encontro da Associaç-o Portuguesa de Lingüística, vol. 1: Corpora. Lisboa: Colibri, 217-239. Sardinha, Tony Berber (2004): Lingüística de corpus. Barueri: Manole. Schmidt-Radefeldt, Jürgen (1993): Partículas discursivas e interaccionais no português e no espanhol em contraste com o alem-o. In: Schmidt-Radefeldt, Jürgen (ed.): Semiótica e lingüística portuguesa: Homenagem a José Gonçalo Herculano de Carvalho. Tübingen: Narr, 63-78. Schmidt-Radefeldt, Jürgen (1997): Zu schon, noch, erst und ihren sprachlichen Ausdrücken im Spanischen, Portugieischen und Französischen - im Kontrast zum Deutschen. In: Lüdtke, Helmut/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Linguistica contrastiva. Deutsch versus Portugiesisch - Spanisch - Französisch. Tübingen: Narr, 349-366. <?page no="189"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 189 Schreiber, Herbert/ Sommerfeldt, Karl-Ernst/ Starke, Günter ( 2 1990): Deutsche Wortfelder für den Sprachunterricht : Verbgruppen. Leipzig: Enzyklopädie. Schröder, Ulrike (2012): Kommunikationstheoretische Fragestellungen in der kognitiven Metaphernforschung. Eine Betrachtung von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Tübingen: Narr (Tübinger Linguistische Studien; 539). Schumacher, Helmut (1986): Verben in Feldern: Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben. Berlin; New York: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache; 1). Schumacher, Helmut/ Kubczak, Jacqueline/ Schmidt, Renate/ Ruiter, Vera de (2004): VALBU: Valenzwörterbuch deutscher Verben. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Sprache; 31). Schwarze, Christoph (1985): Prinzipien eines kontrastiven Verblexikons. In: Schwarze, Christoph (ed.): Beiträge zu einem kontrastiven Wortfeldlexikon Deutsch - Französisch. Tübingen: Narr, 9-51 (Ergebnisse und Methoden moderner Sprachwissenschaft; 18). Schweiger, Kathrin (2014): Studentisches Formulieren. Zur Versprachlichung der Zielangabe in Einleitungen brasilianischer und deutscher Magisterarbeiten im Fach Germanistik/ DaF. In: Deutsch als Fremdsprache 51: 2, 86-96. Shimizu, Makoto (1999): Zum Wortfeld der Modalverben. In: Nitta, Haruo/ Shigeto, Minoru/ Wienold, Götz (eds.): Kontrastive Studien zur Beschreibung des Japanischen und des Deutschen. München: Iudicium, 213-228. Silva, Augusto Soares da (2006): O mundo dos sentidos em português. Polissemia, semântica e cogniç-o. Coimbra: Almedina. Silva, Augusto Soares da (2010): Sociolexicologia cognitiva e quantitativa e mediaç-o da distância lexical entre o Português Europeu e o Português Brasileiro. In: Endruschat, Annette/ Kemmler, Rolf (eds.): Portugiesische Sprachwissenschaft traditionell - modern - innovativ. Tübingen: Calepinus, 247-265 (Lusitanistische Sprachwissenschaft; 2). Simões, José da Silva (2008): Estratégias de organizaç-o de tópico em textos orais brasileiros e alem-es. In: Battaglia, Maria Helena Voorsluys/ Nomura, Masa (eds.): Estudos lingüísticos contrastivos em alem-o e em português. S-o Paulo: Annablume/ FAPESP, 151-186. Svensén, Bo ( 2 2004): Handbok i lexikografi: ordböcker och ordboksarbete i teori och praktik. Stockholm: Nordstedt. Tavares, Joaquim F. Santos/ Corbeil, Jean-Claude/ Archambault, Ariane ( 2 1999): Dicionário visual verbo: português, francês, inglês. Lisboa: Verbo. Tesnière, Lucien ( 3 1969): Eléments de syntaxe structurale. Paris: Klincksieck. Tóth, József (ed.) (2004): Quo vadis Wortfeldforschung ? Frankfurt am Main: Lang. Vilela, Mário (1980): O léxico da simpatia. Estudos sobre o campo lexical da «Determinaç-o substantiva de simpatia humana e social» (1850-1900) e respectivo contexto cultural. Porto: Instituto Nacional de Investigaç-o Cientifica. Vilela, Mário (1989): Contribuiç-o para o estudo de lassen, deixar, mandar/ fazer, ser possível. Estudo sintático e semântico. In: Franco, António (ed.): Duas Línguas em Contraste: Português e Alem-o; Actas do 1. Colóquio Internacional de Linguística Contrastiva Português-Alem-o, Porto, 6-7 de Outubro de 1988 (Revista da Faculdade de Letras do Porto Línguas e Literaturas Anexo II). Porto: Faculdade de Letras da Universidade do Porto, 43-62. <?page no="190"?> 190 Thomas Johnen Vilela, Mário (1992): Gramática de valências: teoria e aplicaç-o. Coimbra: Almedina. Vilela, Mário (1997): Contributo para a análise das construções AcI em Português - Alem-o com verbos de percepç-o física (ver/ ouvir/ sentir, sehen/ hören/ fühlen). In: Lüdtke, Helmut/ Schmidt-Radefeldt, Jürgen (eds.): Linguistica contrastiva. Deutsch versus Portugiesisch - Spanisch - Französisch. Tübingen: Narr, 151-172. Villar, Mauro (1989): Dicionário contrastivo luso-brasileiro. Alguns lusismos, brasileirismos, regionalismos, expressões idiomáticas, ortografias, ortoépias, particularidades gramaticais, regências, fonêmicas, toponímia e outras peculiaridades confrontadas e explicadas. Rio de Janeiro: Guanabara. Welker, Herbert Andreas (1990): Partículas modais no alem-o e no português e as equivalências de aber, eben, etwa e vielleicht. Dissertaç-o de Mestrado. Brasília. Universidade de Brasília. Welker, Herbert Andreas (2003): Zweisprachige Lexikographie: Vorschläge für deutsch-portugiesische Verbwörterbücher. Diss. Saarbrücken: Universität des Saarlandes. Wiegand, Herbert Ernst (2002): Equivalence in bilingual lexicography: criticism and suggestions. In: Lexikos 12, 239-255. Woll, Dieter (1976): “Umsphinxt” e “circum-esfingeado”: verbos prefixados alem-es e combinações afins e a sua traduç-o portuguesa. In: Biblos 52, 41-68. Wotjak, Gerd ( 2 1977): Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung: Ein Beitrag zu Gegenstand und Methode der modernen Bedeutungsforschung unter besonderer Berücksichtigung der semantischen Komponentenanalyse. Berlin: Akademie. Wotjak, Gerd (2011): Las lenguas ¿comparables o incomparables? À la recherche du tertium comparationis (perdu). In: Lavric, Eva/ Pöckl, Wolfgang/ Schallhart, Florian (eds.): Comparatio delectat. Akten der VI. Internationalen Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich, Innsbruck, 3.- 5. September 2008, Vol. 1. Frankfurt/ M. e. a.: Lang, 19-60 (InnTrans: Innsbrucker Beiträge zu Sprache, Kultur und Translation; 4). Zílio, Leonardo (2009): Colocações especializados e Komposita. Um estudo contrastivo alem-o-português na área de Cardiologia. Dissertaç-o de Mestrado. Porto Alegre: Universidade Federal do Rio Grande de Sul. Zílio, Leonardo (2012): Colocações especializadas em alem-o e português na área de Cardiologia. In: TradTerm 20, 146-177. 8 Abkürzungen und Siglen CH in der Schweiz gesprochenes Standarddeutsch ddt. in Deutschland gesprochenes Standarddeutsch dt. deutsch ödt. in Österreich gesprochenes Standarddeutsch PANG angolanisches Portugiesisch PB brasilianisches Portugiesisch PE europäisches Portugiesisch pg. portugiesisch PGB Portugiesisch in Guinea-Bissau PMOÇ mosambikanisches Portugiesisch PSTP Portugiesisch in S-o Tomé und Príncipe <?page no="191"?> Fragen der kontrastiven Lexikologie im deutsch-portugiesischen Sprachvergleich 191 9 Semantische Merkmale und Valenzindices 9.1 Semantische Merkmale [anim] unbelebt [+ hum] menschlich [+ zool] tierisch 9.2 Valenzindices < > Valenzindex AkkE Akkusativergänzung DatE Dativergänzung dirE direkte Ergänzung DirE Direktionalergänzung indE indirekte Ergänzung PräpE Präpositionalergänzung SUBJ Subjekt <?page no="193"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch aus kontrastiv-linguistischer Perspektive Daniel Reimann, Universität Duisburg-Essen 1 “Aufgeklärte Mehrsprachigkeit” - ein neues Paradigma für den Fremdsprachenunterricht 1 Die aktuelle Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts lässt sich, nach heutigem (Er-)Kenntnisstand, meines Erachtens in Anlehnung an Königs (1991) und Reinfried (2001) sowie zuletzt Reinfried (2012) am treffendsten als “neokommunikativ” bezeichnen. In einer Zeit, die in der anglophonen Forschung nicht zu Unrecht - aber sehr vage - bisweilen mit dem Etikett “postmethod condition” versehen wird (Stern 1983, jüngst einführend Summer 2012), scheint es sinnvoll, nicht von einer etwaigen “neokommunikativen Methode”, sondern, in teilweiser Anlehnung an Königs (1991), von einer “neokommunikativen Phase” des Fremdsprachenunterrichts zu sprechen. Wesentliche Diskussionsfelder der neokommunikativen Fremdsprachenforschung, mithin distinktive Merkmale, durch die sich ein neokommunikativer Fremdsprachenunterricht vom Unterricht der kommunikativen Methode der 1970er Jahre unterscheidet, sind nach Reinfried (2001 und 2012) Lernerorientierung, Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit, Prozessorientierung, Interkulturalität und fächerübergreifendes Lernen einschließlich Mehrsprachigkeitsdidaktik. 2 Aus heutiger Sicht erlaube ich mir, eine aufgeklärte Mehrsprachigkeit zu postulieren (s. u.), die Diskursfelder Interkulturalität um Transkulturalität (z.B. Reimann 2013, 2014b) und Schülerorientierung um Differenzierung und Inklusion zu erweitern sowie Aufgaben- und Standardorientierung, Multimedialität, Kognitivierung und Metakognition, die implizit teilweise bereits in Reinfried (2001) und Reinfried/ Volkmann (2012) angelegt sind, zu ergänzen (ausführlicher Reimann 2014c: bes. 90f.) (cf. Abb. 1). 1 Grundlegend zur Beziehung zwischen kontrastiver Linguistik, Fremdsprachenforschung und Fremdsprachenunterricht, gerade auch in historischer Perspektive, cf. meinen Beitrag “Kontrastive Linguistik revisited oder: Was kann Sprachvergleich für Linguistik und Fremdsprachenvermittlung heute leisten? ” (Reimann 2014a). Ausführlicher zu der hier angerissenen Fragestellung auch Reimann (i.Vb.). 2 Reinfried (2001: 10) gliedert diese in drei Teilbereiche: “interlinguale Koordination des Sprachinputs”, “interlinguale Lernstrategien” und “kontrastive Sprach- und Kulturbewusstheit”. <?page no="194"?> 194 Daniel Reimann Abbildung 1: Kommunikativer und neokommunikativer Fremdsprachenunterricht kommunikative Methode - kommunikative Kompetenz seit den 1970er Jahren neokommunikative Phase - Schülerorientierung - Differenzierung inkl. Jungenförderung (*) - Inklusion (*) - aufgeklärte * Mehrsprachigkeit - Inter- und Trans * kulturalität - Handlungsorientierung - Ganzheitlichkeit - fächerübergreifendes Lernen - Aufgabenorientierung (*) - Standard-Orientierung * - Kognitivierung * - Metakognition (*) - Multimedialität * * Ergänzungen D.R. aus heutiger Sicht (2015); (*) Implizit bereits in Reinfried 2001 und Reinfried/ Volkmann 2012b (z.B. s.v. Lerner- und Prozessorientierung, Ganzheitlichkeit bzw. Prozessorientierung teilweise explizit oder implizit erwähnt) verstärkt seit etwa 2000 Vor dem Hintergrund der Forderung nach Kognitivierung einerseits und nach mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen andererseits gewinnt sprachvergleichendes Arbeiten auch für Fremdsprachendidaktik und -unterricht sowohl als Grundlagenforschung als auch als Unterrichtsinhalt an neuerlicher Bedeutung. Spätestens seit der Abkehr von dem auf die Direkte Methode zurückzuführenden dogmatischen Ausklammern der Muttersprache unter den Vorzeichen einer “aufgeklärten Einsprachigkeit” (Butzkamm 1973) erfolgt die Bewusstmachung sprachlicher Strukturen u.a. durch sprachkontrastierendes Arbeiten, zunächst freilich im Vergleich fremdsprachlicher <?page no="195"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 195 und muttersprachlicher Strukturen (cf. zuletzt auch Butzkamm/ Caldwell 2009). Noch in Zeiten der Sprachmittlung überwiegend im Sinne freierer Übertragungen von Texten aus einer in eine andere Sprache (cf. z.B. den Band Reimann/ Rössler 2013) sehen die Lehrpläne der Länder mitunter die wörtliche Übersetzung im Sinne der Bewusstmachung sprachlicher Strukturen vor (z.B. Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2004ff., Jahrgangsstufenlehrpläne für die verschiedenen Fremdsprachen, passim). Seit den 1990er Jahren kommt dem Sprachvergleich nicht nur zwischen Mutter- und einer einzelnen zu erlernenden Fremdsprache, sondern auch zwischen verschiedenen Fremdsprachen unter den Vorzeichen einer sogenannten Mehrsprachigkeitsdidaktik immer größere Bedeutung zu (exemplarisch z.B. Meißner/ Reinfried 1998, Martinez/ Reinfried 2006). Eine - vereinfacht gesprochen seit etwa 2010 - durchaus wieder die produktiven Fertigkeiten und das kulturelle Lernen einbeziehende Mehrsprachigkeitsdidaktik nimmt zunehmend auch das Englische (z.B. Leitzke-Ungerer 2005, 2008, 2011a, 2011b, Leitzke-Ungerer/ Blell/ Vences 2012), in Ansätzen auch weitere, v.a. migrationsbedingt erworbene Sprachen (einführend z.B. Hu 2003, 2011), in den Blick. Dabei sind nicht nur die Herkunftssprachen als Standardsprachen der jeweiligen Herkunftsländer, sondern v.a. auch die so genannten Familiensprachen als die im unmittelbaren Umfeld der Schülerinnen und Schüler gesprochenen Varietäten dieser Sprachen zu berücksichtigen (cf. Lüttenberg 2010: 306; , Siems/ Granados 2014: 31, 35). Gerade in letzterem Bereich hat die schulbezogene Mehrsprachigkeitsdidaktik, auch die Didaktik der romanischen Mehrsprachigkeit, noch erheblichen Nachholbedarf. Einen der bisher wenigen monographischen Beiträge zu dieser Fragestellung liefert Volgger (2012). Vor dem Hintergrund der genannten Fragestellung auch didaktisch relevante soziolinguistische Grundlagen zur migrationsbedingten Mehrsprachigkeit liefert zuletzt der Band Bernhard/ Lebsanft (2013). Einen interessanten Anstoß gibt Königs (2009: 32), indem er anregt, im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik die Denkfigur “Kontrastivität” nicht nur auf die Sprachen als solche, sondern auch im Hinblick auf die Lernerfahrungen, -strategien und -kontexte zu formulieren. Zu Recht unterstreicht er, dass die Kontrastivität der Mehrsprachigkeitsdidaktik eine andere ist als die der traditionellen kontrastiven Linguistik und der Kontrastivitätshypothese: “Während die Kontrastive Linguistik bestehende Sprachsysteme miteinander vergleicht und zueinander in Beziehung setzt, bedeutet Kontrastivität bei der Fremdsprachenaneignung [sc. im Sinne der Mehrsprachigkeitsdidaktik] das Herstellen von Bezügen zwischen mehreren im Kopf der Lernenden im Aufbau befindlichen (Teil-) Systemen unter Einschluss der Modi und Prozesse, unter denen diese Aneignung abläuft. Damit erstreckt sich aus der Lernerwarte Kontrastivität eben nicht nur auf Sprache(n), sondern auch auf die Be- <?page no="196"?> 196 Daniel Reimann dingungen und Situationen, unter denen gelernt wird. Und es liegt in der Natur der Mehrsprachigkeitsdidaktik, dass der Bezugspunkt für das Kontrastieren nicht unbedingt die Muttersprache sein muss.” (Königs 2009: 33) Möchte man einen Bezug zwischen den großen Sprachlernhypothesen und der Mehrsprachigkeitsdidaktik herstellen, so könnte man formulieren, dass letztere sich aus einer (erweiterten) Kontrastivitätshypothese einerseits und einer erweiterten Interlanguage-Hypothese andererseits speist, wobei mehrere interimssprachliche Systeme miteinander interagieren können. So möchte ich - in Anlehnung an Butzkamms Konzept der “aufgeklärten Einsprachigkeit” - an dieser Stelle erstmals das Postulat zur Diskussion stellen, dass sich, durch Fortschreibung und Erweiterung bestehender mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze in den kommenden Jahren eine “aufgeklärte Mehrsprachigkeit” in den Klassenzimmern bzw. eine aufgeklärte Mehrsprachigkeitsdidaktik entwickeln sollte, die sich durch - neuerliche Berücksichtigung der produktiven Fertigkeiten in den jeweiligen Zielsprachen - Berücksichtigung auch des Englischen (und des Lateinischen) - Berücksichtigung der Herkunfts- und Familiensprachen - Berücksichtigung einer rezeptiven Varietätenkompetenz in der Zielsprache sowie - Berücksichtigung der Mehrkulturalität im Sinne einer transkulturellen kommunikativen Kompetenz auszeichnet. Die Entwicklung der jüngeren Mehrsprachigkeitsforschung in Bezug auf den schulischen Fremdsprachenunterricht (mit Fokus auf den romanischen Sprachen) lässt sich mithin wie folgt veranschaulichen: <?page no="197"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 197 Abbildung 2: Historiographie der Fremdsprachenforschung: Phasen der Mehrsprachigkeitsdidaktik Aus der hier in Grundzügen verdeutlichten Virulenz mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze in der aktuellen fremdsprachendidaktischen und sprachenpolitischen Diskussion ergibt sich eine neue, besondere Bedeutung für eine sprachkontrastierende linguistische Grundlagenforschung gerade auch im Hinblick auf die Fremdsprachenvermittlung und ihre theoretische Grundlegung. Im Folgenden sollen ausgewählte Problemfelder der kontrastiven Linguistik im Hinblick auf das Spanische als Fremdsprache aus der Perspektive germanophoner Lernender einführend dargestellt werden. 2 Problemfelder des Spanischunterrichts aus der Perspektive von Lernenden mit L1 Deutsch 2.1 Aussprache und Prosodie (mit Ausblicken auf die Orthographie) Die Aussprache des Spanischen gilt unter Fremdsprachenlernenden im Allgemeinen als einfach. Dies erklärt sich aus den einfachen und regelhaften Graphie-Phonie-Relationen im Spanischen. Bei genauem Hinsehen indes birgt die Aussprache des Spanischen für germanophone Lernende zahlreiche Schwierigkeiten, und zwar sowohl auf der segmentalen Ebene der einzelnen Laute als auch auf der suprasegmentalen Ebene der Prosodie. Die aufgrund der erstgenannten Alltagsbeobachtung häufig ausbleibende gezielte Ausspracheschulung führt mitunter zu lange anhaltender, “akzentbehafteter” Sprache. Die grundsätzliche Vernachlässigung der Aussprache in Fremdsprachenforschung und Unterrichtspraxis, die ihren Ursprung - aus heutiger Sicht paradoxerweise - in der kommunikativen Methode hat (cf. Grotjahn 1998: 39, unter Verweis u.a. auf Ehnert 1982: 127 und Hirschfeld 1994: 1) und <?page no="198"?> 198 Daniel Reimann deren Überwindung sich allmählich abzuzeichnen scheint, 3 übersieht, dass Abweichungen in der Aussprache durchaus kommunikativ relevant sind und u.a. zu Verständnisschwierigkeiten und negativen emotionalen Reaktionen führen können (Grotjahn 1998: 40f., unter Verweis u.a. auf Derwing/ Munro 1997 und Hirschfeld, z.B. 1991, 1994; cf. auch zum Englischen Trudgill 2002; jüngst auch Settinieri 2011). Als positive Kehrseite der Medaille - die allerdings ihrerseits durch die Schutzfunktion eines fremden Akzents aufgewogen werden kann (“Ausländerbonus”) (Grotjahn 1998: 42, unter Verweis u.a. auf Knapp/ Knapp-Pothoff 1990: 86; Müller 1992: 136) - ist im Falle einer guten Aussprache in der Fremdsprache ein Halo-Effekt insofern festgestellt worden, als “die Wahrnehmung von Fehlern in anderen Bereichen entscheidend von der Aussprache bestimmt ist, daß also eine gute Aussprache dazu führt, daß Zuhörer eher dazu neigen, Fehler im Bereich von Wortschatz und Grammatik zu ‘überhören’.” (Herbst 1992: 6; cf. Grotjahn 1998: 41) Auch konnte lernerseitige Motivation, sich eine korrekte Aussprache anzueignen, z.B. für das Englische bei fortgeschrittenen Lernenden empirisch nachgewiesen werden (Smit/ Dalton 2000); in Ermangelung entsprechender Studien zum Spanischen darf bis auf Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Motivation auch in anderen Fremdsprachen, mithin auch im Spanischen, gegeben sein dürfte. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden grundlegende Erkenntnisse der kontrastiven Phonetik Spanisch - Deutsch zusammengetragen und grundlegende Empfehlungen für die Ausspracheschulung gegeben werden. 2.1.1 Ausgewählte Erkenntnisse der kontrastiven Linguistik aus fremdsprachendidaktischer Perspektive Das phonologische System des europäischen Standardspanisch umfasst 5 vokalische und 19 konsonantische Phoneme (cf. Blaser 2007: 22). Gerade das vokalische Phoneminventar ist damit im Vergleich zu den anderen romanischen Schulsprachen sehr eingeschränkt. Eine idiomatische Aussprache zu erzielen, ist indes bei genauem Hinsehen bzw. Hinhören aufgrund der Exis- 3 Cf. die langsam zunehmende Zahl an Einzelveröffentlichungen, z.B. zum Englischen Altendorf (2003), zum Französischen Mertens (2011), zum Deutschen als Fremdsprache und zum Russischen Mehlhorn (2006, 2014), zu den romanischen Sprachen Reimann (2015b, i.Vb.). Folgen der Vernachlässigung der Ausspracheschulung in den letzten Jahrzehnten sind indes auch in der aktuellen Handbuchliteratur noch greifbar; symptomatisch ist etwa, dass die jüngst veröffentlichte, in manch anderem Abschnitt äußerst löbliche Fachdidaktik Niederländisch (Wenzel 2014) die Aussprache nur en passant verhandelt, ja im Kapitel “Verfügen über sprachliche Mittel” - so wie auch die Fremdsprachendidaktik von Decke-Cornill/ Küster (2010) - einzig Wortschatz und Grammatik eigene Abschnitte widmet. <?page no="199"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 199 tenz von Allophonen und anderen Formanten im Bereich des Vokalismus nicht einfach. Allophone existieren im Bereich des Konsonantismus zum einen für die stimmhaften Okklusiva / b/ , / d/ , / g/ , die im Grunde nur im Anlaut, nach Nasal (/ m/ , / n/ ) und / l/ als [b], [d] bzw. [g] realisiert werden, in allen anderen Positionen als [β], [δ] bzw. [γ]. Zum anderen gibt es auch im Spanischen durch Assimilation vor stimmhaften Konsonanten ein leicht stimmhaftes [s̬] (z.B. [´mis̬mo]). Weiterhin kennt / r/ zwei Allophone: das geschlagene [ɾ] und das gerollte [r]. Letzteres kommt im Wortanlaut und im Silbenanlaut nach / b/ , / l/ , / n/ , / s/ vor. Für / n/ existieren je nach Zählung durch Assimilation sechs oder sieben Allophone (z.B. [m], [  ], cf. Blaser 2007: 26ff.). Im Bereich des Vokalismus gibt es auch im Spanischen offene und geschlossene Varianten von / e/ und / o/ , wobei als grundlegende Distributionsregel gilt: In offener Silbe werden die Laute geschlossen, in geschlossener offen realisiert. Eine offene Realisierung ist weiterhin jeweils vor und nach [r] sowie vor [x] anzutreffen (cf. Blaser 2007: 25f.). Aus kontrastiven Untersuchungen geht darüber hinaus hervor, dass die Vokalqualität im Spanischen und im Deutschen auch bei vordergründig vergleichbarer Realisierung divergiert. Dies kann in Anlehnung an Gabriel/ Meisenburg/ Selig (2013: 81 mit weiterführender Bibliographie) wie folgt veranschaulicht werden (cf. Abb. 3): Abbildung 3: Formantkarte (F1 und F2) spanischer und deutscher Vokale männlicher Sprecher (Gabriel/ Meisenburg/ Selig 2013: 81) Aus dieser Übersicht, in die verschiedene Studien zum Deutschen und zum Spanischen eingeflossen sind, geht u.a. hervor, dass im Spanischen geschlossenes / e/ deutlich offener realisiert wird als im Deutschen, ebenso geschlossenes / o/ , das beinahe so offen artikuliert wird wie deutsches offenes [ɔ]. Das heißt im Umkehrschluss, dass deutsche Spanischlernende gerade im Falle von / o/ darauf achten sollten, dieses tendenziell offen zu artikulieren - “deutsch” geschlossenes [o] etwa in no [no] führt - neben anderen Phäno- <?page no="200"?> 200 Daniel Reimann menen wie etwa die aspirierende Artikulation von [p], [t], [k] - zu einem “typisch deutschen Akzent”. Sprecherinnen und Sprecher aus dem süddeutschen und österreichischen Raum tendieren indes zur Sonorisierung dieser Laute im Anlaut (“Anlauterweichung”), was ebenfalls zu einer nicht idiomatischen Aussprache führt. Die häufigsten Silbenstrukturen im Spanischen sind CV (55,81%) (z.B. bola) und CVC (21,61%, z.B. sol); die meisten Silben (68,86%) sind offen (Blaser 2007: 79f., mit weiterführender Bibliographie). Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich für deutschsprachige Lernende aus der Akzentuierung, insbesondere dann, wenn diese bedeutungsunterscheidend ist, z.B. hablo vs. habló (weiterführend zur kontrastiven Ausspracheschulung cf. Tayefeh (1998)). 2.2 Lexik und lexiko-grammatische Einheiten/ Phraseologie 2.2.1 Problemaufriss Schwierigkeiten deutschsprachiger Lerner beim Erlernen des Wortschatzes bzw. lexiko-grammatischer Einheiten der spanischen Sprache entstehen bisweilen durch Ähnlichkeit der signifiants bei unterschiedlichem signifié oder auch identischem signifié bei leicht abweichendem signifiant (Phänomen der “falschen Freunde”, z.B. dt. Pappel vs. sp. papel bzw. dt. Vegetarismus vs. sp. vegetarianismo, cf. Pöll 2002: 91, 106; in mehrsprachigen Lernbiographien auch Interferenzen zwischen einer weiteren Sprache z.B. vorgelerntes Französisch und dem Spanischen), häufiger aber bei der Wiedergabe charakteristischer Strukturen wie z.B. der sog. Funktionsverbgefüge des Deutschen (z.B. cf. Egido Vicente 2012, 2014) sowie aus der divergenten Bedeutung und (pragmatischen) Funktion vordergründig äquivalenter oder als äquivalent vermittelter Lexeme. 2.2.2 Ausgewählte Erkenntnisse der kontrastiven Linguistik aus fremdsprachendidaktischer Perspektive Im Folgenden sollen Erkenntnisse aus folgenden Teilbereichen kurz vorgestellt werden: kontrastive Lexikologie Spanisch - Deutsch, kontrastive Pragmatik und kontrastiv-vergleichende Lexikologie der romanischen Sprachen im Hinblick auf die Didaktik der Mehrsprachigkeit. Im Bereich der kontrastiven Lexikologie kann man mit Pöll (2002: 95ff.) Divergenzen auf folgenden Ebenen ausmachen, die im Folgenden näher beschrieben werden: (a) Differenzen des Referenzbereichs/ der semantischen Struktur Lexikalische Differenzen, die zu Lernbzw. Anwendungsschwierigkeiten führen können, können im Referenzbereichs der Lexeme begründet sein, etwa, wenn ein Wort in einer Sprache eine engere bzw. eine weitere “Bedeu- <?page no="201"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 201 tung” hat. Als “klassische” Beispiele können mit Pöll (2002, 95; mit weiterführender Bibliographie) genannt werden: sp. pez (als Gattung) (1) dt. Fisch { sp. pescado (als Nahrungsmittel) sp. hielo (als Aggregatszustand) (2) dt. Eis { sp. helado (als Nahrungsmittel) sp. calle (in einem Ort) (3) dt. Straße { sp. carretera (als Überland-Verbindungsstraße) Nicht nur im Bereich der Substantive, sondern auch im Bereich anderer Wortklassen gibt es Unterschiede in der Distribution einzelner Lexeme. Für deutschsprachige Lernende ist etwa die Wiedergabe des Konzepts SEHR im Spanischen schwierig: sp. muy + Adjektiv/ Adverb (z.B. muy amable/ temprano) (4) dt. sehr { sp. Verb + mucho (z.B. Te quiero mucho.) (b) Differenzen der Morphologie/ Lexikalisierungsmuster Differenzen in der Morphologie betreffen v.a. die Bereiche der semantischen Motiviertheit, die Abfolge der Konstituenten bei zusammengesetzten Einheiten. In beiden Bereichen lassen sich keine eindeutigen Präferenzen der beiden Sprachen feststellen, Lexeme müssen im Grunde einzeln gelernt werden. Im Bereich der Verben nutzt das Deutsche bisweilen verschiedene Präfixe und Adverbien zur Präzisierung, während das Spanische auf eine aus dem Lateinischen übernommene eng umschriebene Zahl an Präfixen zurückgreift, z.B. (5) sp. fundir - refundir dt. schmelzen - einschmelzen (6) sp. florecer - reflorecer dt. erblühen - wieder erblühen (7) sp. evaluar - reevaluar dt. bewerten - neu bewerten (cf. Pöll 2002: 99). Bei der Komposition folgt das Deutsche im Allgemeinen dem Schema Determinans - Determinatum (Prädetermination), das Spanische wie alle romanische Sprachen dem Schema Determinatum - Determinans (Postdetermination) (cf. Baldinger 1968), wobei wiederum Ausnahmen die Regel bestätigen (solche Ausnahmen lassen sich häufig auf Lehnprägungen zu einem Internationalismus/ Anglizismus zurückführen, wobei sich das Englische <?page no="202"?> 202 Daniel Reimann der für die germanischen Sprachen charakteristischen Prädetermination bedient hatte), z.B. (8) sp. coche cama dt. Schlafwagen (9) sp. ciudad dormitorio dt. Schlafstadt (cf. Kabatek/ Pusch 2009: 93) vs. (10) sp. cortocircuito dt. Kurzschluss (11) sp. autopista dt. Autobahn (cf. Pöll 2002: 99). (c) Differenzen der syntaktischen Eigenschaften In diesem Bereich sind v.a. Abweichungen in Genus und Numerus bei Substantiven wie auch Divergenzen der Rektion von Verben und der Infinitiverweiterung festzustellen, z.B. (12) sp. el grupo dt. die Gruppe (13) sp. las prácticas dt. das Praktikum (cf. Pöll 2002: 101) (14) sp. jugar a dt. etw. spielen (15) sp. atreverse a dt. wagen, zu (cf. Reumuth/ Winkelmann 1993: 232-235, 231-246, 254-259, 249-261) Auch diese Divergenzen können beim Erlernen des Spanischen als Fremdsprache nicht durch Regelmäßigkeiten erworben werden, sondern müssen im Einzelfall gelehrt und gelernt werden. In diesem Bereich bietet sich die Vermittlung lexikogrammatischer Einheiten an. (d) Differenzen in der Polysemie Bei polysemen Lexemen ergeben sich zwischen dem Deutschen und dem Spanischen zahlreiche Übereinstimmungen im metaphorischen und metonymischen Gebrauch, die auf die gemeinsamen lateinischen Kulturtradition des europäischen Mittelalters zurückzuführen sind (d.h., parallele Polysemien wurden über das Mittellateinische sowohl in die romanischen Sprachen als auch in das Deutsche transferiert, cf. z.B. Pöll 2002: 101 - ein Phänomen, das z.B. auch in der Phraseologie zu beobachten ist). Beispiele wären die folgenden Übereinstimmungen: (16) sp. mano derecha (fig.) dt. rechte Hand (fig.) (17) sp. a manos llenas dt. mit vollen Händen (18) sp. estar en las manos de dt. in jd.s Händen liegen/ sein (cf. Pöll 2002: 101) In weniger zentralen Bereichen des Wortschatzes bzw. in überwiegend volkssprachlichen Entwicklungen können hingegen zahlreiche Divergenzen <?page no="203"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 203 festgestellt werden, für die man wiederum keine Systematik feststellen kann und die daher im Einzelfall erlernt werden müssen, z.B. (cf. Pöll 2002: 101f.): 1. ‘Fabelwesen’ / sp. dragón (19) dt. Drachen { 2. ‘zänkische Frau’ / sp. furia 3. ‘Fluggerät (Spielzeug)’ / sp. cometa 1. ‘folgsam, wohlerzogen’ / sp. educado, amable (20) dt. brav { 2. ‘bieder’ / sp. recatado, decoroso (e) Differenzen in situationsbedingten Eigenschaften/ Konnotationen Sowohl im Bereich der Konnotationen als auch im Bereich der Situationsadäquatheit bzw. der Kontextualisierung lassen sich weitere Differenzen feststellen, die ihrerseits nur eingeschränkt systematisierbar sind und daher für die meisten Lexeme bzw. lexikogrammatischen Einheiten eigens zu erlernen sind. Verhältnismäßig einfach, da beinahe regelhaft, ist die Verwendung von Latinismen der medizinischen Terminologie sowohl in umgangssprachlichen als auch in fachsprachlichen Kontexten im Spanischen, wo es im Deutschen in den meisten Fällen ein gemeinsprachliches Synonym gibt (z.B. sp. apendicitis - dt. Blinddarmentzündung vs. Appendizitis) (cf. Pöll 2002: 102). Situative Unterschiede in der Anwendung finden sich etwa im Bereich der Begrüßungen und Verabschiedungen, cf. z.B. sp. ¡Buenos días! (nur vor dem Mittagessen) vs. dt. Guten Tag! (ganztags) (cf. Pöll 2002: 103). (f) “Falsche Freunde” Das Phänomen der sog. “falschen Freunde” wird gerade in populären Sprachführern und Wortschatzlisten usw. immer wieder thematisiert. Tatsächlich betrifft es nur eine geringe Zahl der lexikalischen Schwierigkeiten im Sprachlernprozess. Grundlegend kann man zwischen phonisch und/ oder graphisch weitgehend identischen Lexemen, deren signifiés voneinander (teilweise) divergieren, und semantisch weitgehend identischen Lexemen, deren etymologisch verwandte signifiants v.a. morphologisch, orthographisch oder im morphosyntaktischen Verhalten voneinander abweichen, unterscheiden, z.B. (21) sp. carta - Brief vs. dt. Karte 1. dt. Zitat (22) sp. cita { 2. dt. Verabredung (23) sp. autárquico vs. dt. autark (24) sp. estudios (m., pl.) vs. dt. Studium (n., sg.) (cf. Pöll 2002: 105ff.) <?page no="204"?> 204 Daniel Reimann Unterschiede in der Frequenz, mithin in Register und/ oder Pragmatik, werden von den meisten Frequenzlisten nicht erfasst. Sie könnten mit Pöll ebenfalls als “falsche Freunde” im engeren Sinn konzipiert werden (z.B. sp. autóctono vs. dt. autochthon (bildungssprachlich), cf. Pöll 2002: 107). Im Hinblick auf mehrsprachige Sprachlernbiographien (etwa in der Sprachenkombination Spanisch als 3. oder spät beginnende Fremdsprache nach vorgelerntem Französisch oder im Falle einer/ s mehrsprachigen Schüler/ in mit der (weiteren) Erstsprache Rumänisch oder Italienisch) ist zu berücksichtigen, dass, jenseits der zahlreichen und überwiegenden pan- und interromanischen lexikalischen Konvergenzen, in verschiedenen Fällen das Spanische (wie auch das Portugiesische) mit dem Rumänischen eine gemeinsame, ältere lateinische Basis teilt, welche es vom Französischen (wie auch vom Italienischen) divergent erscheinen lässt. Dies kann an den folgenden Beispielen verdeutlicht werden (Abb. 4, cf. Rohlfs 1971: 78ff., Geckeler/ Kattenbusch 1987: 8): Abbildung 4: Interromanische lexikalische Konvergenzen und Divergenzen “HISPANIA” “GALLIA” “ITALIA” “DACIA” magis plus plus magis sp. más fr. plus it. più rum. mai humerus spatula spatula humerus sp. hombro fr. épaule it. spalla rum. umăr afflare tropare tropare afflare sp. hallar fr. trouver it. trovare rum. a afla Daraus ergibt sich für die Fremdsprachenvermittlung, dass sich auf lexikalischer Ebene im Einzelfall z.B. die Erstsprache Rumänisch als vorteilhafter als die vorgelernte Fremdsprache Französisch erweisen kann. Lehrende können dies bei der Unterrichtsplanung berücksichtigen. 2.3 Morphosyntax 2.3.1 Problemaufriss Differenzen auf morphosyntaktischer Ebene waren traditionell zentraler Bestandteil behavioristisch basierter Sprachlehr-Methoden, denen die sog. Kontrastivbzw. Kontrastivitätshypothese zugrunde lag. Mit der Aufgabe der Kontrastivitätshypothese (cf. Abschnitt 1.1) galt kontrastierender “Grammatikunterricht” als verpönt. In der Praxis des Fremdsprachenunterrichts bestand der sprachvergleichende Ansatz weiter; die verschiedensten Sprachlehrwerke und Sprachführer verweisen, teilweise Prinzipien der Signalgrammatik folgend, auf Divergenzen zwischen dem Deutschen und dem Spanischen. Teilweise ist dies auch von den Lehrplänen vorgesehen, wenn <?page no="205"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 205 wörtliche Übersetzungen zur verdeutlichenden Kontrastierung grammatikalischer Strukturen vorgeschlagen werden (cf. Abschnitt 1.1). Die wenigen auf der Alltagsempirie basierten Beiträge verdienter Lehrer verweisen auf den Wert sprachkontrastierenden Arbeitens (für das Spanische cf. Hochländer 2010). Tatsächlich darf wohl der Kognitivierung, auch im Sinne einer Kontrastierung morphosyntaktischer Phänomene, im neokommunikativen Fremdsprachenunterricht (cf. Abschnitt 1.1, cf. bes. Reimann 2014c: 90f.) eine größere Bedeutung zugesprochen werden als dies in einem ‘unaufgeklärt’ einsprachigen Fremdsprachenunterricht der Fall war. Dies wird umso plausibler, wenn man die Zeiten fremdsprachlichen Inputs betrachtet, in denen die sprachliche Progression erfolgen soll: Hat ein Kind in seiner Muttersprache bis zum Alter von 6 Jahren ca. 20.000 Stunden sprachlichen Input erhalten (Holterhof/ Siepmann 2010), dürfen wir beispielsweise bei einem in drei aufeinanderfolgenden Schuljahren dreistündigen Kursus im Spanischen als spät beginnender Fremdsprache realistischer Weise von 270 Stunden Fremdsprachenunterricht ausgehen - es versteht sich von selbst, dass dieser, um das Abiturniveau zu erzielen, effektiv gestaltet sein muss. Eine solche Effizienz-Steigerung ist durch kontrastierende Kognitivierung möglich. Vor dem Hintergrund der oben postulierten erweiterten Kontrastivitätshypothese für einen aufgeklärt mehrsprachigen Fremdsprachenunterricht ist in einem weiteren Schritt auch der Vergleich mit anderen im Klassenzimmer vorhandenen Sprachen erforderlich. Im Folgenden sollen daher in Auswahl einige Phänomene der spanischen “Schulgrammatik” verzeichnet werden, in denen der Kontrast zum Deutschen zu Lernschwierigkeiten bei deutschsprachigen Lernenden führen kann (in Anlehnung an Mateos Ortega/ Segoviano 2013). Punktuell werden dazu auch kontrastiv-linguistische Studien erwähnt, die hier freilich nur exemplarisch erfasst werden können. Im abschließenden Abschnitt “Didaktische Implikationen” wird dann der Kontrast zu weiteren Sprachen (hier Englisch, Französisch, Türkisch) erwähnt. 2.3.2 Ausgewählte Erkenntnisse der kontrastiven Linguistik aus fremdsprachendidaktischer Perspektive (a) Artikel Ein grundlegender Unterschied in Morphologie und Gebrauch der Artikel liegt in der Existenz eines unbestimmten Artikels im Plural: Singular Plural m. f. m. f. un una unos unas <?page no="206"?> 206 Daniel Reimann Im Sinne der Mehrsprachigkeitsdidaktik kann darauf verwiesen werden, dass dieser unbestimmte Artikel im Plural in etwa dem Französischen des im Sinne von “einige, manche” entspricht. (b) Substantive Einige Substantive werden im Spanischen ausschließlich oder bevorzugt im Singular bzw. ausschließlich im Plural verwendet, z.B.: (25) sp. la gente dt. die Leute (26) sp. las gafas dt. die Brille (c) Adjektive Entsprechend der oben (in Abschnitt 2.2) angesprochenen Tendenz der romanischen Sprachen, mithin auch des Spanischen, zur Postdetermination werden Adjektive im Spanischen in der Regel nachgestellt, während sie im Deutschen meist vor dem Substantiv stehen, auf das sie sich beziehen, z.B. un gato amable. Die Voranstellung eines Adjektivs impliziert im Spanischen eine stilistische Markierung, ist daher z.B. in der literarischen Sprache anzutreffen. Mitunter kennzeichnet die Voranstellung auch eine übertragene Bedeutung, z.B. un amable olor. Einige Adjektive kennen, je nach Bedeutung, die Prä- und die Postdetermination, was im Deutschen so nicht wiedergegeben werden kann und nur aus dem Kontext oder durch ein eigenes Lexem deutlich wird. Dies betrifft u.a. alto, antiguo, cierto, curioso, grande, nuevo, pobre, presente, puro, raro, simple, solo, triste, vario, viejo (cf. Reumuth/ Winkelmann 1993: 127f.), z. B. (27) sp. un amigo viejo dt. ein alter Freund (Lebensalter) (28) sp. un viejo amigo dt. ein alter Freund (fig.) Dieses Phänomen existiert auch in den anderen romanischen Sprachen; Schülerinnen und Schüler mit der Herkunfts-/ Familiensprache Französisch, Italienisch oder Portugiesisch wie auch solche mit vorgelernter weiterer romanischer Sprache erleben diesbezüglich eine Lernerleichterung. (d) Verben Während das Deutsche - wie etwa auch das Französische oder das Italienische - zwischen den Hilfsverben haben und sein unterscheidet, verfügt das Spanische nur über haber zur Bildung des pretérito perfecto (früher compuesto). Auch folgen Hilfsverb und Verb anders als im Deutschen unmittelbar aufeinander: (29) sp. he venido dt. ich bin gekommen (30) sp. te he visto dt. ich habe dich gesehen Hinsichtlich des Tempusgebrauchs ist erwähnenswert, dass das Tempus pretérito perfecto verwendet wird, wenn ein - wie auch immer gearteter - Bezug zur Gegenwart besteht. Das Tempus pretérito indefinido indes bezeichnet <?page no="207"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 207 vergangene Ereignisse, die in sich abgeschlossen sind und keinen expliziten Gegenwartsbezug mehr haben. Im Hinblick auf die Entwicklung einer rezeptiven Varietätenkompetenz (s.o.) ist festzuhalten, dass in Hispanoamerika in vielen Fällen bevorzugt der indefinido verwendet wird. Eine vergleichbare diatopisch bedingte Reduktion des Tempussystems findet sich im Italienischen, wo, ausgehend von einem vergleichbaren standardsprachlichen System (passato prossimo vs. passato remoto) in Süditalien ein eingliedriges System, d.h. der überwiegende Gebrauch von passato remoto, dominiert. Neben perfecto und indefinido tritt der pretérito imperfecto. Dieses Tempussystem mit herausgehobener Bedeutung der Kategorie Aspekt (imperfektiver vs. perfektiver bzw. aoristischer vs. perfektischer, i.e. gegenwartsbezogener; einführend aus romanistischer Perspektive v.a. Klein 1974) ist bereits im Lateinischen (perfektisch in Formulierungen wie litteram scriptam habeo/ teneo, die zu den zusammengesetzten Vergangenheitstempora der romanischen Sprachen geführt haben) angelegt und spiegelt sich auch in den anderen romanischen Sprachen. Im Bereich der Modi ist zunächst erwähnenswert, dass der spanische subjuntivo nicht mit dem deutschen Konjunktiv vergleichbar ist. Das spanische Modussystem ist im Grunde bereits im Lateinischen angelegt und spiegelt sich auch in den anderen romanischen Sprachen, wobei im Einzelfall geringe, teilweise auf sprachpflegerische und sprachpolitische Interventionen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Sprachgeschichte zurückzuführende, Abweichungen vorkommen (cf. z.B. den “falschen Freund” im Spanischen und Französischen sp. esperar que [+ subjuntivo] (wie it. sperare che [+ congiuntivo]) vs. fr. espérer que [+ indicatif]). Im Unterschied zum Deutschen und zu den verbreiteten romanischen Schulsprachen Französisch und Italienisch kann der subjuntivo auch in Nebensätzen, die sich auf die Zukunft beziehen, stehen (d.h. im Spanischen wird hier deutlicher darauf fokussiert, dass die Handlung noch nicht objektivierbar, da noch nicht eingetreten ist), so z.B. (31) sp. te llamará cuando llegues - dt. er wird dich anrufen, wenn du ankommst Auch die Zeitenfolge (consecutio temporum) in subordinierten Sätzen ist im Lateinischen angelegt und findet sich so auch in den anderen romanischen Sprachen: Hauptsatz subordinierter Satz im subjuntivo Präsens vorzeitig: perfecto de subjuntivo gleichzeitig: presente de subjuntivo Präteritum vorzeitig: pluscuamperfecto de subjuntivo gleichzeitig: imperfecto de subjuntivo <?page no="208"?> 208 Daniel Reimann In der indirekten Rede steht im Spanischen, wie in den anderen romanischen Sprachen und anders als in der deutschen Standardsprache, im Regelfall kein subjuntivo. Das Tempus-/ Modus-Gefüge hypothetischer Sätze (im Deutschen in Haupt- und Nebensatz Konjunktiv: “Wenn ich ein Vöglein wär …, flög ich zu Dir”) entspricht dem romanischen Archetyp, wie er auch im Italienischen und Portugiesischen (nicht aber im modernen Französischen) zum Tragen kommt: Nebensatz (“si-Satz”) Hauptsatz Irrealis der Gegenwart imperfecto de subjuntivo sp. Si tuviera dinero, condicional I compraría una casa. Irrealis der Vergangenheit pluscuamperfecto de subj. sp. Si hubiera (hubiese) tenido dinero, condicional II (oder: pluscuamperfecto de subj.) habría comprado (oder: hubiera [hubiese] comprado) una casa. In der - latinisierenden - Option, die im Hauptsatz dargestellte Folge einer Bedingung beim Irrealis der Vergangenheit auch im pluscuamperfecto de subjuntivo erscheinen zu lassen, nimmt das Standardspanische eine Sonderstellung im Panorama der romanischen Schulsprachen ein. Diese führt indes nicht zwingend zu Schwierigkeiten in der fremdsprachlichen Produktion, da die zusammengesetzte Konditionalform, wie sie aus dem Französischen, Italienischen oder Portugiesischen bekannt sein kann, ebenfalls möglich ist. Im Unterschied zum Deutschen, zum Englischen oder Französischen werden Subjektpronomina im Spanischen nur verwendet, wenn das Subjekt besonders markiert werden soll. Genauso verhält es sich im Lateinischen und Italienischen, aber etwa auch im Türkischen: Spanisch Latein Italienisch Türkisch Deutsch Englisch Französisch corro curro corro (ben) koşuyorum ich laufe I run / I am running je cours Lernende mit (Vor-)Kenntnissen in einer dieser Sprachen sind diesbezüglich gerade im Anfangsunterricht im Vorteil. Im Pronominalsystem sind ferner <?page no="209"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 209 im Hinblick auf die Entwicklung einer rezeptiven Varietätenkompetenz v.a. Divergenzen im Gebrauch innerhalb der Hispanophonie relevant. So ist die 2. Pers. Plural (Anrede: vosostros/ vosotras) in Hispanoamerika nicht geläufig; stattdessen wird ustedes auch im Sinne von “Ihr” verwendet. An die Stelle von tú tritt in Teilen Hispanoamerikas (v.a. in Argentinien) vos mit einer eigenen konjugierten Form, der sog. voseo (historisch vos als Höflichkeitsform, dann übergeneralisiert auch als familiäre Anrede, während die Höflichkeitsform durch vuestra merced > usted realisiert wurde): -ar -er -ir vos hablás vos bebés vos decís 2.4 Kontrastive Varietätenlinguistik und Fremdsprachenunterricht An anderer Stelle habe ich, in Anlehnung an die linguistischen Studien v.a. Pölls (cf. 1998, 2005), das Konzept einer “Didaktik des plurizentrischen Französisch” entwickelt, das auf die Entwicklung einer rezeptiven Varietätenkompetenz zielt (im Falle des Französischen zumindest in einer afrikanischen Varietät, ggf. auch in einer südfranzösischen und einer weiteren europäischen Varietät, cf. Reimann 2011). Dieses Konzept lässt sich auch auf das Spanische übertragen und eine “Didaktik des plurizentrischen Spanisch” postulieren (cf. Reimann i.V. 2015c), zumal das Spanische mit seinen durch eigene Akademien vertretenen Sprachgebieten Hispanoamerikas und der Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Varietäten spätestens mit der Nueva gramática des Jahres 2009 noch dezidierter als plurizentrische Sprache auftritt als das Französische (cf. Real Academia Española 2009; zur Plurizentrik des Spanischen z.B. Lebsanft 2004; Polzin-Haumann 2005). Eine Didaktik des plurizentrischen Spanisch begründet sich, auch unter Berücksichtigung der Zentralität europabildender Anliegen (cf. KMK 2008), aus der Relation der erstsprachlichen Sprecherinnen und Sprecher in Spanien und in den hispanoamerikanischen Gebieten. Mit dem Ziel der Entwicklung einer rezeptiven Varietätenkompetenz sollten aus kontrastiv-linguistischer Perspektive zumindest punktuell v.a. auch diatopische Varietäten des Spanischen in den Unterricht Einzug erhalten. Auf ausgewählte morphosyntaktische Besonderheiten einzelner oder auch mehrerer hispanoamerikanischer Varietäten wurde oben in Abschnitt 2.3 bereits hingewiesen, z.B. auf den voseo in der 2. Person Singular, ustedes für die 2. Person Plural oder auch die überwiegende Verwendung des indefinido auch anstelle des pretérito perfecto. Weiterhin gibt es zahlreiche lexikalische Differenzen, wobei auch die verschiedenen Regionen Hispanoamerikas untereinander abweichen können. <?page no="210"?> 210 Daniel Reimann 2.5 Kontrastive Pragmatik und transkulturelle kommunikative Kompetenz Der Bereich der kontrastiven Pragmatik ist bisher wenig erforscht. Im Spannungsfeld zwischen direkter und indirekter Kommunikation bewegt sich die von der linguistischen Pragmatik untersuchte und für die Fremdsprachenvermittlung relevante Kategorie der (verbalen) Höflichkeit. Siebold kann für “das vergleichsweise wenig erforschte Sprachenpaar Spanisch-Deutsch” (2013: 368) folgende Grundtendenzen der verbalen Höflichkeit im Spanischen und im Deutschen feststellen: Unter Rückgriff auf das Modell von Brown und Levinson aus dem Jahr 1978 (cf. Brown/ Levinson 1987), das zwischen einem nach “gesellschaftliche[r] Bestätigung und Anerkennung suchende[n]” positiven und einem “nach Freiheit und Unabhängigkeit strebende[n]” negativen face unterscheidet (Siebold 2012: 368), kommt sie zu folgendem Ergebnis: “In den spanischen Gesprächen fällt eine deutliche Ausrichtung an der positiven Höflichkeit auf. Diese äußert sich zum einen in der starken Berücksichtigung des positiven face des Gesprächspartners, wie der vergleichsweise natürliche Umgang mit Komplimenten sowie die häufige Bekundung von Zuneigung und Aufmerksamkeit durch Koseformen (z.B. niña), interpersonelle Marker (z.B. anda) oder andere Aufmerksamkeitssignale (z.B. mire) belegt. Zum anderen zeichnet sich das spanische Interaktionsverhalten auch durch den Schutz des eigenen positiven Image aus, wie beispielsweise die indirekte bzw. nicht explizite Realisierung von Sprechakten wie Entschuldigungen, Dank oder Annahmen von Beschwerden, die das positive Selbstimage bedrohen, zeigt. Der deutsche Höflichkeitsstil entspricht dagegen stärker den Konventionen der negativen Höflichkeit. […] Der Schutz der Handlungsfreiheit und der Privatsphäre der Gesprächspartner steht im Mittelpunkt, während die positive Imagepflege eher vernachlässigt wird.” (Siebold 2012: 373 und 369) Für den Bereich der nonverbalen Kommunikation kann eine Untersuchung von Müller herangezogen werden (1998a, b). Dort wird zunächst eine Überwindung der traditionellen Klassifikationsmodelle der Gestik angeregt, da diese zu sehr dem jahrhundertealten Primat der verbalen Sprache vor der nonverbalen Kommunikation verpflichtet seien. Müller plädiert für eine funktionale Einteilung des Gestenspektrums in referentielle Gesten, die Konkreta oder Abstrakta bezeichnen können, in performative Gesten, die Illokutionen bezeichnen und in deren Bereich u.a. die traditionell so genannten «Embleme» ihren Platz finden, sowie in diskursive Gesten, welche die Äusserung z.B. durch rhythmische Auf- und Abbewegungen der Hand gliedern (Müller 1998a: 111-113, 1998b: 25-27, 41). Schließlich kommt sie für das Spanische - bezogen auf ihren um der Präzision willen eingeschränkten Untersuchungsgegenstand (Bewegungsverben und ihre gestische Begleitung) - <?page no="211"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 211 zu folgendem Ergebnis: “[...] entgegen dem kulturellen Stereotyp eines ‘mit Händen und Füßen redenden Südeuropäers’ verwenden Spanier und Deutsche in einer vergleichbaren Gesprächssituation und bei ähnlichem Gesprächsthema statistisch gesehen gleich viel Gesten” (Müller 1998b: 40). Allerdings stellt sie “eine kulturell unterschiedliche Nutzung des Gestenraumes” fest, “[d]ie prototypische spanische Geste hat ihren Angelpunkt im Schultergelenk, bei der prototypischen deutschen Geste liegt er dagegen im Unterarmgelenk” (cf. Müller 1998a: 231f.). Aus sprachdidaktisch-kontrastierender Perspektive sind nichtsdestoweniger gerade die so genannten kulturspezifischen Gesten bzw. Embleme (Efron 1941; Ekman/ Friesen 1969) relevant. Bei der Auswertung dreier spanischer Gestencorpora fällt auf (Gaviño Rodríguez 2010f.; Gelabert/ Martiell Gifre 1990; Cestero Mancera 1999), dass im - zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht repräsentativ erhobenen - Urteil deutscher Muttersprachler ein Großteil der spanischen Embleme verständlich erscheint, und zwar in verschiedenen Corpora in folgendem Umfang: Abbildung 5: Transparente und nicht-transparente Gesten des Spanischen in verschiedenen Corpora Gavino Rodríguez Gelabert/ Martinell Gifre Cestero Mancera Σ 107 92 155 transparent 75 79 146 nicht-transparent 32 13 9 Vergleicht man im Sinne der einleitend vorgestellten Mehrsprachigkeitsdidaktik das Transferpotential zwischen verschiedenen romanischen Sprachen in verschiedenen Sprachlernbiographien, so zeigt sich, dass aus der Perspektive von Lernenden mit der L1 Deutsch die Sprachenkombination Italienisch-Spanisch ein deutlich größeres Transferpotential im Hinblick auf zunächst nicht-transparente Embleme des Spanischen aufweist als das Sprachenpaar Französisch-Spanisch, bei dem dennoch die nahe liegenden positiven Transfers gegenüber dem Interferenzrisiko überwiegen (ausführlicher hierzu Reimann 2015a, i.Vb.): Abbildung 6: Transferpotential und Interferenzgefahr bei nicht-transparenten Gesten des Spanischen in verschiedenen Sprachenfolgen F → Sp Transfer: 7/ 32 (21,9 %) Interferenz: 3/ 32 ( 9,4 %) Sp → It Transfer: 14/ 32 (43,8 %) It → Sp Interferenz: 3/ 32 ( 9,4 %) Aus unterrichtsmethodischer Perspektive habe ich Anregungen für die Praxis des sprachkontrastierenden Arbeitens im Bereich der nonverbalen <?page no="212"?> 212 Daniel Reimann Kommunikation in der Schulsprache Spanisch für Lernende mit L1 Deutsch an anderer Stelle vorgelegt (Reimann 2008, 2012). 3 Schlussfolgerungen und Perspektiven Die exemplarische Darstellung für die Vermittlung des Spanischen als Fremdsprache an Germanophone relevanter Divergenzen zwischen dem Deutschen und dem Spanischen bzw. zwischen dem Spanischen und anderen Sprachen (Herkunftsbzw. Familiensprachen, vorgelernte Sprachen) konnte zeigen, dass das Spanische unter Schülern und Eltern oftmals zu Unrecht als “leichte” Fremdsprache gilt. Sie darf freilich auch nicht darüber hinweg täuschen, dass das Spanische als dem Deutschen verhältnismäßig nahestehende Sprache keine unüberwindbaren Lernschwierigkeiten darstellt. Mitunter wurde deutlich, dass vorgelernte oder als Herkunftsbzw. Familiensprachen Lernerleichterungen darstellen können. Die Darstellung kann angehende und praktizierende Lehrkräfte für Problemfelder der kontrastiven Linguistik im Hinblick auf das Spanische (und exemplarisch auf weitere romanische Sprachen) sensibilisieren und zu vertiefenden Forschungen im Hinblick auf die Vermittlung einzelner kontrastierender Phänomene anregen. 4 Bibliographie Altendorf, Ulrike (2003): What would Eliza Doolittle be taught today? Or How to define a target variety for British English pronunciation today. In: Englisch 38, 145-152. Baldinger, Kurt (1969): Post- und Prädeterminierung im Französischen. In: ders. (ed.): Festschrift für Walther von Wartburg zum 80. Geburtstag. Band 1. Tübingen: Niemeyer, 87-106. Bernhard, Gerald/ Lebsanft, Franz (eds.) (2013): Mehrsprachigkeit im Ruhrgebiet. Tübingen: Stauffenburg. Blaser, Jutta (2007): Phonetik und Phonologie des Spanischen. Eine synchronische Einführung. Tübingen: Niemeyer. Born, Joachim/ Folger, Robert/ Laferl, Christopher F./ Pöll, Bernhard (eds.) (2012): Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur, Geschichte in Spanien und Hispanoamerika. Berlin: Schmidt. Butzkamm, Wolfgang (1973): Aufgeklärte Einsprachigkeit. Zur Entdogmatisierung der Methode im Fremdsprachenunterricht. Heidelberg: Quelle & Meyer. Butzkamm, Wolfgang/ Caldwell, John A.W. (2009): The Bilingual Reform. Tübingen: Narr. Cestero Mancera, Ana María (1999): Repertorio básico de signos no verbales del español. Madrid: Arco. Decke-Cornill, Helene/ Küster, Lutz (2010): Fremdsprachendidaktik. Eine Einführung. Tübingen: Narr. <?page no="213"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 213 Derwing, Tracey M./ Munroe, Murray J. (1997): Accent, intelligibility and comprehensibility: Evidence from four L1s. In: Studies in Second Language Acquisition 19, 1-16. Efron, David (1941): Gesture, race and culture. Den Haag: Mouton. Egido Vicente, María (2012): Las construcciones con verbos funcionales en alemán y español y sus problemas de delimitación. In: Sánchez Prieto, Raúl/ Soliño Pazó, Mar (eds.): Contrastivica I. Aktuelle Studien zur Kontrastiven Linguistik Deutsch - Spanisch - Portugiesisch I. Stuttgart: ibidem, 61-75. Egido Vicente, María (2014): La atribución del componente nominal como índice de periferia en las construcciones con verbos funcionales. Estudio contrastivo alemán - español. In: Reimann, Daniel (ed.): Kontrastive Linguistik und Fremdsprachendidaktik Iberoromanisch - Deutsch. Tübingen: Narr, 53-67. Ehnert, Rolf (1982): Einführung in das Studium des Faches Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt am Main et al.: Lang. Eisenmann, Maria/ Summer, Theresa (eds.) (2012): Basic Issues in EFL Teaching and Learning. Heidelberg: Winter. Ekman, Paul/ Friesen, Wallace (1969): The Repertoire of Nonverbal Behavior. Categories, Origins, Usage, and Coding. In: Semiotica 1, 49-98. Franke, Manuela/ Schöpp, Frank (2013): Auf dem Weg zu kompetenten Schülerinnen und Schülern. Theorie und Praxis eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts im Dialog. Stuttgart: ibidem. Gabriel, Christoph/ Meisenburg, Trudel/ Selig, Maria (2013): Spanisch: Phonetik und Phonologie. Eine Einführung. Tübingen: Narr. Gaviño Rodríguez, Victoriano (2010f.): Diccionario de gestos españoles. (http: / / colo quial.es/ es/ diccionario-de-gestos-espanoles/ , 12.10.2011). Gelabert, María José/ Martinell Gifre, Emma (1990): Diccionario de gestos con sus giros más usuales. Madrid: Edelsa. Grotjahn, Rüdiger (1998): Ausspracheunterricht: Ausgewählte Befunde aus der Grundlagenforschung und didaktisch-methodische Implikationen. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 9, 35-83. Herbst, Thomas (1992): Pro-Nunciation: Zur Bedeutung einer guten Aussprache in der Fremdsprache. In: Die Neueren Sprachen 91, 2-18. Hirschfeld, Ursula (1991): Verständlich sprechen. In: Deutsch als Fremdsprache 28, 156-160. Hirschfeld, Ursula (1994): Untersuchungen zur phonetischen Verständlichkeit Deutschlernender. Frankfurt am Main: Hector. Hochländer, Gerd (2010): Interferenzfehler und kontrastiver Sprachunterricht - mit Beispielen aus der Grammatik. In: Hispanorama 127, 92-98. Hu, Adelheid (2003): Schulischer Fremdsprachenunterricht und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit. Tübingen: Narr. Hu, Adelheid (2011): Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit und schulischer Fremdsprachenunterricht. Forschung, Sprachenpolitik, Lehrerbildung. In: Faulstich- Wieland, Hannelore (ed.): Umgang mit Heterogenität und Differenz. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 121-139. Hufeisen, Britta (1998): L3 - Stand der Forschung - Was bleibt zu tun? In: Hufeisen/ Lindemann 1998, 169-183. <?page no="214"?> 214 Daniel Reimann Hufeisen, Britta (2010): Theoretische Fundierung multiplen Sprachenlernens - Faktorenmodell 2.0. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 36, 200-208. Hufeisen, Britta/ Lindemann, Beate (eds.) (1998): Tertiärsprachen. Theorien, Modelle, Methoden. Tübingen: Stauffenburg. Hundertmark-Santos Martins, Maria Teresa (1998): Portugiesische Grammatik. Tübingen: Niemeyer. Iglesias Iglesias, Nelly (ed.) (2012): Contrastivica II. Aktuelle Studien zur Kontrastiven Linguistik Deutsch - Spanisch - Portugiesisch. Stuttgart: ibidem. Jeßner, Ulrike (1998): Bilingualismus und Drittspracherwerb: Dynamische Aspekte des Bilingualismus auf individueller Ebene. In: Hufeisen/ Lindemann 1998, 149- 158. Kabatek, Johannes/ Pusch, Claus D. (2009): Spanische Sprachwissenschaft. Eine Einführung. Tübingen: Narr. Klein, Horst G. (1974): Tempus, Aspekt, Aktionsart. Tübingen: Niemeyer. KMK (2008) ( 1 1978): Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland: Europabildung in der Schule. Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.06.1978 i.d.F. vom 05.05.2008), http: / / www. kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 1978/ 1978_06_08_Europabildung.p df (17.12.2014). Königs, Frank G. (1991): Auf dem Weg zu einer neuen Aera des Fremdsprachenunterrichts? Gedanken zur postkommunikativen Phase in der Fremdsprachendidaktik. In: Taller de letras 19, 21-42. Königs, Frank G. (2009): Der Faktor ‘Kontrastivität’ beim Fremdsprachenlernen: Einige Überlegungen vor dem Hintergrund der Mehrsprachigkeitsdidaktik. In: Albl-Mikasa, Michaela/ Braun, Sabine/ Kalina, Sylvia (eds.): Dimensionen der Zweitsprachenforschung - Dimensions of Second Language Research. Festschrift für Kurt Kohn. Tübingen: Narr, 29-37. Lebsanft, Franz (2004): Plurizentrische Sprachkultur in der spanischsprachigen Welt. In: Gil, Alberto/ Osthus, Dietmar/ Polzin-Haumann, Claudia (eds.): Romanische Sprachwissenschaft. Zeugnisse für Vielfalt und Profil eines Faches. Bd. 1. Frankfurt am Main et al.: Lang, 205-220. Leitzke-Ungerer, Eva (2005): Mehrsprachigkeitsdidaktik und Grammatikunterricht in den modernen Fremdsprachen. Transferprofile, empirische Überprüfung, Unterrichtsvorschläge. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 43, 32-59. Leitzke-Ungerer, Eva (2008): Informelles Dolmetschen zwischen zwei Fremdsprachen - Vorschläge für Mehrsprachigkeit im Unterricht. In: Frings, Michael/ Vetter, Eva (eds.): Mehrsprachigkeit als Schlüsselkompetenz: Theorie und Praxis in Lehr- und Lernkontexten. Stuttgart: ibidem, 239-255. Leitzke-Ungerer, Eva (2011a): Crossing borders - Pasando fronteras. Kontaktsituationen und Kompetenzförderung im Fremdsprachenunterricht. In: Abendroth- Timmer, Dagmar et al. (eds.): Kompetenzen bei Lehren und Lernen des Spanischen. Frankfurt am Main et al.: Lang, 161-179. Leitzke-Ungerer, Eva (2011b): English into Spanish: Interlinguale Strategien für den Spanischunterricht. In: Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch 35, 18-26. Leitzke-Ungerer, Eva/ Blell, Gabriele/ Vences, Ursula (eds.) (2012): English-Español. Vernetzung im kompetenzorientierten Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem. <?page no="215"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 215 Lüttenberg, Dina (2010): Mehrsprachigkeit, Familiensprache, Herkunftssprache. Begriffsvielfalt und Perspektiven für die Sprachdidaktik. In: Wirkendes Wort 2, 299- 315. Martinez, Hélène/ Reinfried, Marcus (eds., unter Mitarbeit von Marcus Bär) (2006): Mehrsprachigkeitsdidaktik gestern heute und morgen. Festschrift für Franz- Joseph Meißner zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr. Mateos Ortega, Yolanda/ Segoviano, Sabine (2013): Grammatik kurz & bündig - Spanisch. Stuttgart: Pons. Mehlhorn, Grit (2006): Möglichkeiten einer individuellen Aussprache-Lernberatung. In: Deutsch als Fremdsprache 4, 228-232. Mehlhorn, Grit (2014): Aussprache und Aussprachevermittlung. In: Bergmann, Anka (ed.): Fachdidaktik Russisch. Tübingen: Narr, 171-182. Meißner, Franz-Joseph/ Reinfried, Marcus (eds.) (1998): Mehrsprachigkeitsdidaktik. Konzepte, Analysen, Lehrerfahrungen mit romanischen Fremdsprachen. Tübingen: Narr. Meißner, Franz-Joseph/ Reinfried, Marcus (eds.) (2001): Bausteine für einen neokommunikativen Französischunterricht. Lernerzentrierung, Ganzheitlichkeit, Handlungsorientierung, Interkulturalität, Mehrsprachigkeitsdidaktik. Tübingen: Narr. Mertens, Jürgen (2001): Die sogenannten Faux amis in schriftlichen Textproduktionen von Lernern des Französischen der Sekundarstufe I. Sprachwissenschaftliche und didaktisch-methodische Überlegungen. Frankfurt am Mainet al.: Lang. Mertens, Jürgen (2011): Zum Stellenwert der Ausspracheschulung im Französischunterricht. Versuch einer mehrperspektivischen Rekonstruktion. In: Reinfried, Marcus/ Rück, Nicola (eds.): Innovative Entwicklungen beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen. Festschrift für Inez De Florio-Hansen. Tübingen: Narr, 61-90. Müller, Bernd-Dietrich (1992): Grundpositionen einer interkulturellen Didaktik des Deutschen als Fremdsprache. In: Krause, Burkhardt/ Scheck, Ulrich/ O´Neill, Patrick (eds.): Präludien: Kanadisch-deutsche Dialoge. München: Iudicium, 133- 156. Müller, Cornelia (1998a): Redebegleitende Gesten. Kulturgeschichte, Theorie, Sprachvergleich [Spanisch-Deutsch]. Berlin: Berlin-Verlag Arno Spitz. Müller, Cornelia (1998b): Beredte Hände. Theorie und Sprachvergleich redebegleitender Gesten [Spanisch-Deutsch]. In: Schmauser, Caroline/ Noll, Thomas (eds.): Körperbewegungen und ihre Bedeutung. Berlin: Berlin-Verlag Arno Spitz, 21-44. Pöll, Bernhard (1998): Französisch außerhalb Frankreichs. Geschichte, Status und Profil regionaler und nationaler Varietäten. Tübingen: Niemeyer. Pöll, Bernhard (2002): Spanische Lexikologie. Tübingen: Narr. Pöll, Bernhard (2005): Le français langue pluricentrique? Études sur la variation diatopique d´une langue standard. Frankfurt am Main et al.: Lang. Polzin-Haumann, Claudia (2005): Zwischen unidad und diversidad. Sprachliche Variation und sprachliche Identität im hispanophonen Raum. In: Romanistisches Jahrbuch 56, 271-295. Real Academia Española (ed.) (2009): Nueva gramática de la lengua Española. 2 Bände. Madrid: Espasa. Reimann, Daniel (2008): Nonverbale Kommunikation im Spanischunterricht und interkulturelles Hör-/ Sehverstehen. In: Hispanorama 121, 93-97. <?page no="216"?> 216 Daniel Reimann Reimann, Daniel (2011): Diatopische Varietäten des Französischen, Minderheitensprachen und Bilinguismus im transkulturellen Fremdsprachenunterricht. In: Frings, Michael/ Schöpp, Frank (eds.): Varietäten im Französischunterricht. Stuttgart: ibidem 2011, 123-168. Reimann, Daniel (2012): Nonverbale Kommunikation zum Thema machen. Sprach- und kulturraumspezifische Gesten im Fremdsprachenunterricht. In: Pädagogik 10, 36-39 (Themenheft: Stille Sprache im Unterricht - Methoden). Reimann, Daniel (2013): Transkulturelle kommunikative Kompetenz - ein neues Paradigma für den Fremdsprachenunterricht. In: Franke/ Schöpp 2013, 165-180. Reimann, Daniel (2014a): Kontrastive Linguistik revisited oder: Was kann Sprachvergleich für Linguistik und Fremdsprachenvermittlung heute leisten? In: ders. (ed.): Kontrastive Linguistik und Fremdsprachendidaktik Iberoromanisch - Deutsch. Tübingen: Narr, 9-35. Reimann, Daniel (2014b): Transkulturelle kommunikative Kompetenz in den romanischen Sprachen. Theorie und Praxis eines neokommunikativen und kulturell bildenden Französisch-, Spanisch-, Italienisch- und Portugiesischunterrichts. Stuttgart: ibidem. Reimann, Daniel (2014c): Italienisch - ein vielschichtig thematisches Schulfach. In: Lange, Harald/ Sinning, Silke (eds.): Kommunikation und Verstehen. Fachdidaktik und Themenkonstitution in sprach- und kommunikationsbezogenen Fächern und Lernbereichen. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 79-111. Reimann, Daniel (2015a, i.Vb.): Nonverbale Kommunikation in mehrsprachigen Lernprozessen am Beispiel des Spanischen als dritter oder spät beginnender Fremdsprache. In: Michler, Christine/ Reimann, Daniel (eds.): Sehverstehen im Unterricht der romanischen Sprachen. Tübingen: Narr. Reimann, Daniel (2015b, i.Vb.): Aussprachekompetenz im Unterricht der romanischen Sprachen oder: 'vergessene' sprachliche Mittel unter Vorzeichen der Kompetenzentwicklung revisited. In: Bürgel, Christoph/ Siepmann, Dirk (eds.): Sprachwissenschaft-Fremdsprachendidaktik: Zum Verhältnis von sprachlichen Mitteln und Kompetenzentwicklung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Reimann, Daniel (2015c, i.Vb.): Modell einer rezeptiven Varietätenkompetenz im Spanischen. In: Leitzke-Ungerer, Eva/ Polzin-Haumann, Claudia (eds.): Varietäten des Spanischen im Spanischunterricht. Stuttgart: ibidem. Reimann, Daniel (in Vorbereitung): Kontrastive Linguistik Deutsch-Spanisch aus fremdsprachendidaktischer Perspektive. Eine Einführung für Studium und Praxis. Reinfried, Marcus (2001): Neokommunikativer Fremdsprachenunterricht: ein neues methodisches Paradigma. In: Meißner/ Reinfried 2001, 1-20. Reinfried, Marcus/ Volkmann, Laurenz (eds.) (2012a): Medien im neokommunikativen Fremdsprachenunterricht. Frankfurt am Main et al.: Lang. Reinfried, Marcus/ Volkmann, Laurenz (2012b): Medien im neokommunikativen Fremdsprachenunterricht: Einsatzformen und Nutzungsmöglichkeiten. In: Reinfried/ Volkmann 2012a, 9-39. Reumuth, Wolfgang/ Winkelmann, Otto (1993): Praktische Grammatik der spanischen Sprache. Wiilhelmsfeld: Egert. Rohlfs, Gerhard (1971): Romanische Sprachgeographie. München: Beck. <?page no="217"?> ELE (Spanisch als Fremdsprache) für Lernende mit L1 Deutsch 217 Sánchez Prieto, Raúl/ Soliño Pazó, Mar (eds.) (2012): Contrastivica I: Aktuelle Studien zur Kontrastiven Linguistik Deutsch - Spanisch - Portugiesisch. Stuttgart: ibidem. Settinieri, Julia (2011): Soziale Akzeptanz unterschiedlicher Normabweichungen in der L2-Aussprache Deutsch. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 16/ 2, 66-80. Siebold, Kathrin (2012): Sprachliche Höflichkeit (im spanisch-deutschen Vergleich). In: Born et al. 2012, 368-373. Siems, Maren/ Granados, Diana (2014): Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit als Ressource. Sprachvergleichende und sprachübergreifende Aufgaben zur Förderung von Mehrsprachigkeit und Sprachbewusstheit im Spanischunterricht. In: Hispanorama 145, 31-38. Smit, Ute/ Dalton, Christiane (2000): Motivational patterns in advanced EFL pronunciation learners. In: International Review of Applied Linguistics for Language Teaching 38, 229-246. Stern, Hans H. (1983): Fundamental Concepts of Language Teaching. Oxford: Oxford UP. Summer, Theresa (2012): From Method to Postmethod. In: Eisenmann/ Summer 2012, 1-15. Tayefeh, Elisabeth (1998): Enseñar fonética. ¿Qué y cómo? La enseñanza de la pronunciación y entonación para hablantes de lengua maternal alemana. In: Voigt, Burkhard (ed.): Spanischunterricht heute. Bonn: Romanistischer Verlag, 237-250. Trudgill, Peter (2002): Sociolinguistic Variation and Change. Edingburgh: Edinburgh UP. Wenzel, Veronika (2014): Fachdidaktik Niederländisch. Münster: LIT. <?page no="219"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen und ihre Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht Bernd Sieberg, Universidade de Lisboa 1 Untersuchungsziele Unser Ziel besteht in der kontrastiven Untersuchung eines der zentralen Merkmale des Nähesprechens 1 der deutschen und portugiesischen Sprache. Es handelt sich um formelhaft gebrauchte sprachliche Wendungen, aber auch einzelne Wörter und “tonale Zeichen” (Henne/ Rehbock 1982: 80ff.), die in beiden Sprachen zwischen die Gesprächsbeiträge der Gesprächsteilnehmer treten und es dem jeweiligen Hörer erlauben, in kurzer und einfacher Form auf die Geltungsansprüche - Behauptungen, Forderungen, Unterstellungen, Bitten, Kritiken, etc. - zu reagieren, die im vorhergehenden Gesprächsbeitrag des Dialogs vom Gesprächspartner zum Ausdruck gebracht wurden. Der Terminologie der Sprechakttheorie folgend könnte man sagen, dass die Responsive auf den jeweiligen illokutiven Gehalt der vorherausgehenden Sprechakte reagieren. Zur ersten Veranschaulichung dienen die folgenden Beispiele: (Beispiel 1D) Korpus DGD-KD A ... Mit neunzehn Jahren sollte man das nicht mehr tun ... solche Begrenzungen. B Nanu, und warum nicht? (Beispiel 1P) Korpus CLUL A Lisboa é coisa boa ... B exato ... é o sítio do mundo onde eu mais gostaria de viver. Das nanu im ersten Beispiel bringt Erstaunen über die Meinung bzw. Kritik an der Meinung des Gesprächspartners zum Ausdruck, der zufolge Eltern ihrer 19-jährigen Tochter nicht mehr verbieten sollten, später als um Mitternacht nach Hause zu kommen, während das exato des zweiten Beispiels 1 Wir benutzen den Begriff Nähesprechen statt des Begriffes der Gesprochenen Sprache (GS), weil dieser Begriff sowohl “kommunikative Praktiken“ (Fiehler/ Barden/ Elstermann/ Kraft 2004: 99ff.) medial mündlicher Kommunikation als auch Praktiken der sogenannten “konzeptionellen Mündlichkeit“ (cf. Söll 1985; Koch/ Oesterreicher 1985 und Ágel/ Hennig 2006a, 2006b, 2007) umfasst. Die zuletzt genannte der Mündlichkeit weist trotz ihrer schriftbasierten Übermittlung oft viele Parallelen mit den prototypischen Formen (Alltagsdialoge) des Nähesprechens auf. <?page no="220"?> 220 Bernd Sieberg Übereinstimmung mit der Ansicht des Gesprächspartners, der von der Schönheit der Stadt Lissabon schwärmt, auszudrücken scheint. 2 Bei den Responsiven - in unseren Beispielen den Ausdrücken nanu und exato - handelt es sich um sprachliche Merkmale, die sowohl medial mündliche Dialoge (Alltagsdialoge in ihren verschiedenen Ausprägungen) charakterisieren aber auch für kommunikative Praktiken wie Chatten, Schreiben von E-Mails sowie das Posten von schriftlichen Beiträgen in Internetforen, sozialen Netzwerken und auf Internetplattformen wie z.B. Twitter unentbehrlich sind. Die Relevanz der Responsive für beide Varianten des Nähesprechens - in ihrem prototypischen und peripheren Bereich - legt nahe, sie für die Förderung mündlicher bzw. nähesprachlicher Sprechkompetenz in den Fremdsprachenunterricht sowohl des Deutschen als auch des Portugiesischen zu integrieren. Unsere Untersuchung möchte dabei folgende Aspekte erörtern: (a) eine Definition und Abgrenzung der Responsive von anderen charakteristischen Einheiten des Nähesprechens (insbesondere von den Operatoren in Operator-Skopus-Strukturen), (b) eine funktionale Bestimmung dieses sprachlichen Merkmals im Rahmen des Modells des Nähe- und Distanzsprechens 3 in der von Ágel/ Hennig (2006a, 2006b, 2007) vorgeschlagenen Variante und schließlich (c) die Einschätzung ihrer Bedeutung aus der Sicht des Fremdsprachenunterrichts. Den Abschluss des Aufsatzes bildet (d) der Vorschlag einer Didaktisierung dieses sprachlichen Ausdrucksmittels für den DaF-Bereich. Anhang 1 enthält ein Glossar mit häufig vorkommenden Responsiven des Deutschen und Portugiesischen, während wir in Anhang 2 dem Aufsatz eine schematische Darstellung des Modells des Nähe- und Distanzsprechens in Anlehnung an die von Ágel/ Hennig vertretende Variante hinzufügen. 2 Korpus mit deutschen und portugiesischen Beispielsätzen Für die weitere Interpretation der Responsive haben wir zunächst ein Korpus von 10 portugiesischen und 10 deutschen Äußerungen - die beiden Beispiele aus Kapitel 1 bereits mitgezählt - zusammengestellt, wobei jeweils die Hälfte der Beispiele den Bereich des prototypischen Nähesprechens veranschaulicht, während die andere Hälfte seinen peripheren Bereich - Kom- 2 Erst die Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes ermöglicht eine relevante Interpretation der durch die Responsive wahrgenommenen Funktionen. 3 Hudinilson Urbano, einer der Autoren, die in Brasilien im Rahmen des Projekts NURC (Projeto da Norma Urbana Culta) forschen und veröffentlichen, bezeichnet die Opposition ›Nähe vs. Distanz‹ mittels des portugiesischen Begriffspaares “imediatez” gegenüber “distância” (Urbano 2006: 32). <?page no="221"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 221 munikation vermittels des vernetzten Computers - verdeutlicht. 4 Die entsprechenden Beispiele entstammen ausgewählten Korpora 5 und sind durch folgende Abkürzungen gekennzeichnet: Viegas Brauer-Figueiredo (1999) (BF), Korpora des ›Centro de Linguística da Universidade de Lisboa‹ (CLUL) - und hier speziell das Korpus ›Português Fundamental‹ -, von uns in den Jahren 2001 bis 2003 transkribierte Äußerungen aus verschiedenen Talkshows des Deutschen Fernsehens (TS), Beispiele aus der Datenbank Gesprochenes Deutsch (DGD), speziell aus dem Korpus Dialogstrukturen (DGD-DS) sowie dem Korpus Pfeffer (DGD-PF). Die Beispiele zur konzeptionellen Mündlichkeit haben wir in drei verschiedenen Internetforen gefunden. Dabei stammen zwei aus dem deutschsprachigen (IFD) und eins aus dem portugiesischsprachigen (IFP) Bereich. Die restlichen drei Beispiele aus dem Bereich der portugiesischen Netzkommunikation sind einem von uns veröffentlichten Aufsatz über den Sprachgebrauch in portugiesischen Tweets (TW) entnommen (Sieberg 2013b). Die graphische Darstellung der Äußerungen erfolgt den Untersuchungszielen dieses Aufsatzes entsprechend in Form einfacher, literarischer Umschrift. In den Originaltranskriptionen gekennzeichnete Pausen sind je nach Länge durch einen, zwei oder drei Punkte gekennzeichnet. Andere Sondermarkierungen zur Intonation haben wir ausgelassen und die Rechtschreibung weitgehend an die Standardorthographie angepasst. Beispiel 2D (TS) Talkmaster: na ja, und du weißt es auch nicht, also, das heißt, du erinnerst dich an nichts, wachst dann auf, und hast dann neben dir eine Frau liegen und du sagst, hmhm, mein Bild von einer Traumfrau sieht ganz anders aus. Gast: ganz genau, oft ist das dann wirklich mehr ein Alptraum. Beispiel 3D (TS) Talkmaster: ach die lügen doch nicht, ja, die sind manchmal etwas kreativer in ihren Schlagzeilen. Gast: ja, die sind viel besser als die beiden, richtig. 4 Aus Gründen größerer Anschaulichkeit ziehen wir es vor, unsere Beispiele, auf die wir uns im Laufe des Artikels immer wieder beziehen, an den Anfang des Aufsatzes zu stellen, weil es erfahrungsgemäß den Leseprozess zu sehr stört, ans Ende des Textes zu “springen”, wenn man durch ein Beispiel den Gehalt einer theoretischen Aussage verstehen möchte. Die Veranschaulichung der entsprechenden Interpretation voranzustellen, scheint uns eher zum Ziel einer verständlichen Darstellung der Formen und Funktionen der von uns thematisierten Gesprächsausdrücke zu führen. 5 Die URLs der Internetseiten mit den verschiedenen Korpora sind der Übersichtlichkeit halber nicht im laufenden Text sondern im Literaturverzeichnis vermerkt. <?page no="222"?> 222 Bernd Sieberg Beispiel 4D (TS) A: Hast das Programm direkt schon mal mitgebracht. B: logisch Beispiel 5D (DGD-PF) A: was für’n Thema haben sie sich gestellt. B Probleme des alten Menschen in Familie und Gesellschaft. A: Also gut Beispiel 6D (IFD) 6 A: wieder ein ziemlicher Trümmer, aber schon interessant ... Ist ja auch eine DSLR Linse ... . B: eben eben Beispiel 7D (IFD) A: Leider hat die Fa. Fuji den Liefertermin nach hinten verschoben, die Erstauslieferung soll nun Anfang Dezember erfolgen. B: Na super ich habe auch gleich mal meinen Händler angeschrieben … . Beispiel 8D (IFD) A: Im übrigen hatte ich auch, wenn auch nur kurz, ein 180mm Makro an meiner A850 und weniger mm Brennweite wollte ich am Kleinbildsensor nun wirklich nicht. Auch an der Fuji wären wir 90mm lieber als 60mm. B : Also ich weiß nicht. Kleinbildfotografen sind eine eigene Spezies. Beispiel 9D (IFD) A: Momentan für keinen von beiden. Da sehe ich einen Baumann, Leno oder Giefer diese Saison stärker. B: Stimmt Baumann spielt fabelhaft und nicht erst diese Saison. Beispiel 10D (IDF) A: Jetzt fordert 96 vor dem Duell mit Weidenfeller ein Länderspiel für Zieler! Manager Dirk Dufner: “Ich glaube, ich darf sagen und fordern, dass es Ron auch einmal verdient hätte, im November zu spielen.” B: absolut 6 Die dialogische Struktur der Kommunikationsabläufe zwischen zwei aufeinander bezogenen Einträgen in einem Internetforum - hier zusätzlich suggeriert durch das graphische Erscheinungsbild eines direkten Untereinanderstehens dieser Beiträge -, ergibt sich aus dem Umstand, dass die von uns in das Korpus aufgenommenen Äußerungen meistens fast zeitlich parallel - oft sogar im Minutentakt - hintereinander ins Netz gestellt wurden, so dass im Bewusstsein eines ›Users‹ der Eindruck eines räumlichen und zeitlichen Zusammenseins der aufeinander bezogenen Äußerungen entsteht. <?page no="223"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 223 Beispiel 2P (CLUL) A: pois ... acho que sim, e quando vemos depois ... quando temos contacto do lado de fora .. vemos que os alunos n-o têm respeito pelos professores que n-o se d-o ao respeito B: exatamente Beispiel 3P (CLUL) A: é filho único de sempre metido com a vovó e com a mam-. B: olha lá, filha ... . Beispiel 4P (CLUL) A: o meu pai é de S-o Vicente ... e o pai da minha m-e era de Santiago ... que por acaso tem uma rivalidade enorme entre as duas ilhas. B: ai é ? Beispiel 5P (CLUL) A: ... e aquilo tem regras ... ali foram imitar / até ... até vieram estupidamente com / já com / com / com / n-o tem nada a ver com a terra / n-o tem nada a ver com a tradiç-o! B: como assim? Beispiel 6P (TW) Boa ! ! ! RT @NissanLeafPt: Mais um tweet da nossa parte: Leaf vs Volt http: / / tinyurl.com/ 2389z46 Dois VE para o futuro! Beispiel 7P (TW) Como assim RT @oluisribeiro: RT @TweetaPorSMS: O Projecto #Tweetaporsms chegou ao fim, obrigado a todos por esta aventura. Beispiel 8P (TW) Certo, daí o azedume RT @JotaNR: O objectivo de um plebiscito n-o foi alcançado, ... Beispiel 9P (IFP) A: Um meio campo com Matic, Enzo e Gaitan/ Djuricic era muito bom com Sujmani e Salvio nas alas. B: Lá está ... n-o sei mas quer me parecer que se o tivesse feito e se quisesse realmente continuar deveria ter incluído o grupo de trabalho quando pediu as desculpas. Beispiel 10P (IFP) A: O Uros n-o é defensivo, é ofensivo B: Pois é, agora vi. <?page no="224"?> 224 Bernd Sieberg 3 Definition und Abgrenzung der Responsive von anderen Gesprächsausdrücken des Nähesprechens Den Begriff der Responsive und seine Bestimmung haben wir der Grammatik der deutschen Sprache von Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997: 63) entnommen. Im Bemühen um eine begriffliche Klärung der Grundeinheiten der deutschen Sprache gelangen die Autoren zur folgenden Definition der Einheit Responsive: “Zu den RESPONSIVEN gehören Ausdrücke, die selbständig eine kommunikative Minimaleinheit bilden können, ein Handlungsmuster durch eine im Muster erwartbare Reaktion abschließen, nicht in einen Satz integrierbar und nur minimal ausbaufähig (ganz genau, ja gut) sind. Sie selbst haben keinen propositionalen Gehalt, sondern operieren auf kontextuellen sprachlichen Einheiten [...].” Die Autoren definieren die Responsive, die sie neben den Interjektionen als Untereinheit zur Gruppe der “interaktiven Einheiten” zählen (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997: 62) und grenzen diese Gruppe von den “kommunikativen Minimaleinheiten” ab, die sie als zweite selbständige Grundeinheit der deutschen Sprache bestimmen (Zifonun/ Hoffmann/ Strecker 1997: 92). Für die uns relevante Kategorie der Responsive liefern die Autoren allerdings nur sehr wenige Beispiele wie ja, okay, nein, doch, schon, genau, eben, bedauerlicherweise und vielleicht, wobei sie noch die Partikel hm hinzufügen, deren Hauptfunktion wir allerdings aus der Sicht des Nähe- und Distanzmodells primär als Sprecher-Hörersignal interpretieren, das im Sinn Feilkes der “Engführung der Orientierungen” (Feilke 1994: 365) dient. Zur weiteren Bestimmung und Abgrenzung der Responsive von anderen Einheiten der GS gehört es zu einer vollständigen Definition dieser Einheiten der GS, zu erwähnen, dass es sich bei den Responsiven um eine Gruppe von Ausdrücken unterschiedlichen semiotischen Charakters, formaler Ausprägung und ursprünglicher Wortartenzugehörigkeit handelt. Ihre formale Bandbreite reicht von “tonalen Zeichen” (Henne/ Rehbock 1982: 80ff.) wie nanu, och, hem, ó, über Wörter wie klar, abgemacht, exato, verdade bis hin zu festen Wortverbindungen wie überhaupt nicht, auf jeden Fall, ora nem mais, ainda bem. Bedingt durch das Fehlen einer eigenen lexikalischen oder grammatischen Bedeutung entscheidet bei den relativ wenigen tonalen Zeichen, die man als Responsive bestimmen kann, ihre Prosodie im Zusammenwirken mit Gesten und begleitender Mimik über die Funktionen, die sie hinsichtlich der Vorgängeräußerungen übernehmen, auf die sie sich beziehen. Diese Funktionen lassen sich in Begriffen beschreiben wie ›Wider- <?page no="225"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 225 sprechen‹, ›Zustimmen‹ oder ›Kritik, Zweifel, Überraschung, Verzweiflung, ausdrücken‹, etc. Den sehr zahlreich vorkommenden Wörtern, die man der Gruppe der Responsive zuordnen kann, entsprechen in anderen satzsyntaktischen Zusammenhängen Mitglieder der entsprechenden zu Grunde liegenden Wortarten, wie z.B. Adjektive (schön, gut, claro, boa etc.), Adverbien (sicher, endlich, francamente, evidentemente, etc.) oder Substantive (Unsinn, Lüge, mentira, verdade). Zwischen der pragmatischen Funktion dieser Ausdrücke und den logisch grammatischen Funktionen ihrer Wortartenäquivalente besteht hierbei eine Beziehung logischer Transparenz oder Ableitbarkeit. Zu den festen Wortverbindungen zählen wir aus zwei oder mehreren Teilen bestehende Verbalausdrücke. Diese besitzen die Form “fester Wendungen” (Barden et al. 2001: 203), wie na klar, auf keinen Fall, und wenn schon, nem pensar, n-o me digas, é isto mesmo, etc. Die Festigkeit dieser Wortverbindungen besteht darin, dass die an solchen Ausdrücken beteiligten Elemente im Gegensatz zu freien Wortverbindungen stereotyp in nahezu immer der gleichen Reihenfolge und Kombination und in Erfüllung einer ähnlichen pragmatischen Aufgabe verwendet werden. Hinsichtlich ihrer Formelhaftigkeit gilt dasselbe, was Fiehler/ Barden/ Elstermann/ Kraft (2004: 284f.) hinsichtlich der Operatoren in Operator-Skopus-Strukturen feststellen, nämlich dass sie “[...] für spezielle, wiederkehrende Zwecke der Interaktion und für entsprechende Handlungskonstellationen ausgebildet sind.” Mit Pilz (1978: 33) könnte man auch sagen, dass die der Gruppe der Responsive zugehörigen Wortverbindungen “usuelle Einheiten” des Wortschatzes bilden, die in Analogie zu anderen festen Wortverbindungen - wie z.B. den Redewendungen und im Deutschen den sogenannten Funktionsverbgefügen - und je nach Grad ihrer idiomatischen Prägung unterschiedlichen Restriktionen im morphosyntaktischen Bereich unterworfen sind. In Analogie zur lexikalischen Gesamtbedeutung phraseologischer und idiomatischer Einheiten kann man im Fall der Responsive dabei von einer pragmatischen Gesamtbedeutung ausgehen, die sich in Analogie zu anderen idiomatischen und phraseologischen Wortverbindungen nicht logisch aus der Summe ihrer Elemente ableiten lässt. Die Funktion des jeweiligen Gesamtausdrucks ergibt sich z.B. nicht aus der Summe von na + und bzw. vê + lá + tu etc. Entsprechend lässt sich in bestimmten Kontexten die pragmatische Gesamtbedeutung des Responsivs na und als pauschale Ablehnung der vom Gesprächspartner benutzten Argumente verstehen oder der portugiesische Ausdruck vê lá tu als Hinweis darauf, dass der Sprecher eine Art Warnung zum Ausdruck bringen möchte. Problematisch ist es, dass die zur Gruppe der Wortverbindungen zählenden Responsive eine relativ offene und zahlreiche Elemente umfassende Klasse von Gesprächsausdrücken bilden, deren Abgrenzung von freien <?page no="226"?> 226 Bernd Sieberg Wortverbindungen nicht immer ganz einfach ist, weil es sich um Ausdrücke handelt, die jeweils unterschiedliche Grade von idiomatischer Festigkeit aufweisen. Man vergleiche hierzu z.B. im Deutschen den Unterschied zwischen der Wendung und wenn schon (relativ feste Fügung) und der Formel wenn’s denn sein muss (geringerer Grad an idiomatischer Bindung). Als paralleles Beispiel aus dem Portugiesischen verweisen wir auf den Unterschied zwischen einem Responsiv wie nem pensar (“nicht dran zu denken”) im Gegensatz zu einem Ausdruck wie é evidente (“ist doch klar”). 7 Ein weiteres Charakteristikum dieser Gesprächsausdrücke besteht darin, dass die Responsive eigenständige prosodische Einheiten bilden, auch wenn sie bei ihrer Verschriftlichung in den entsprechenden Transkriptionen oft nur durch ein Komma von den angrenzenden Diskurseinheiten getrennt sind (cf. einige der Beispiele 1-20 oben). Ihre spezifischen pragmatischen Aufgaben erfüllen Responsive erst im Zusammenspiel mit Prosodie, Gestik und Mimik. So erlangt in Beispiel 14 die Wendung ai é (im Deutschen ungefähr übersetzt mit ach ja) ihre spezifische Funktion, Zweifel oder Erstaunen auszudrücken, erst dadurch, dass die Stimme am Ende angehoben wird und der Akzent der Wortgruppe auf dem Wort é ruht. Da wir die formalen und funktionalen Bestimmungen der zahlreichen Grundeinheiten der Gesprochenen Sprache (= GS) bzw. des Nähesprechens und der ihnen entsprechenden Termini an dieser Stelle nicht mit der von uns thematisierten Einheit der Responsive ausdrücklich vergleichen können, 8 gehen wir an dieser Stelle nur auf die uns relevant erscheinenden Einheiten und ihre Abgrenzung von den Responsiven ein. 9 Als Oberbegriff für die Einheiten der GS steht üblicherweise der englische Begriff discourse markers mit seiner deutschen Entsprechung “Diskursmarker” (cf. u.a. Günthner/ Imo 2003). Hinzu kommen die Begriffe “Gesprächspartikeln” (Duden Grammatik 2009: 594) und “Nähezeichen” (Hennig 2006: 214), ein Terminus, der speziell im Rahmen des Nähe- und Distanzmodells benutzt wird. In der portugiesischen und brasilianischen Forschung werden auch häufig die Termini “marcadores conversacionais” bzw. “marcadores discursivos” 10 gebraucht. Wir hingegen halten uns an den 7 Pilz (1978) führt verschiedene Tests zu Restriktionen auf syntaktischer Ebene durch, durch die er idiomatische und phraseologische Einheiten jeweils graduell unterscheidet. Entsprechende Tests wären auch hinsichtlich der Responsive des Deutschen und Portugiesischen denkbar, würden aber den Rahmen unserer Untersuchung sprengen. 8 Cf. die umfassende Arbeit von Stein (2003) zur Beschreibung und Bestimmung der Einheiten der GS. 9 Die Unüberschaubarkeit der Bestimmungen und Termini, die in der Gesprochenen Sprache-Forschung (= GSF) zur Bezeichnung ihrer Grundeinheiten zur Anwendung gelangt, wird bei einer Lektüre des Aufsatzes von Ruth Betz (2006: 135ff.) bzw. des Standardwerks “Gesprochenes Deutsch” von Schwitalla (2012) deutlich. 10 Cf. dazu die im Rahmen des brasilianischen NURC-Projekts verfassten Untersuchungen zur GS. <?page no="227"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 227 von uns eingeführten Begriff der “Gesprächsausdrücke” (Sieberg 2007: 14), den wir von Viegas Brauer-Figueiredo und ihrem Ausdruck “Gesprächswörter” (1999: 47ff.) abgeleitet haben. Abgrenzungen von weiteren Einheiten des Nähesprechens, die denen der Responsive hinsichtlich ihrer Formen und Funktionen gleichen, nehmen wir im Anschluss an die folgende Definition der Responsive vor: Unter Responsive verstehen wir sprachliche Ausdrücke, die zwischen den Gesprächsbeiträgen eines Dialogs als unabhängige prosodische Einheiten unterschiedlicher morphosyntaktischer Form auftreten und deren Hauptaufgabe darin besteht, spontan auf die durch den Gesprächspartner geäußerten Geltungsansprüche - die in Form von verbalen oder in Verbindung mit nicht verbalen Handlungen zum Ausdruck gebracht werden können - zu reagieren. Responsive nehmen in kurzer und prägnanter Form Stellung zum illokutiven Gehalt - Behauptungen, Forderungen, Kritiken, Unterstellungen, Bitten, etc. - der vorhergehenden Äußerung. Die Zahl der sprachlichen Ausdrücke, die dabei jeweils einem Sprecher zur Wahrung einer bestimmten Reaktion - zum Beispiel ›Ablehnung einer Aufforderung‹ - zur Verfügung steht, ist relativ begrenzt. Der Umstand, dem zufolge ein Responsiv im Moment seiner Nutzung als vorgefertigtes Versatzstück aus dem Gedächtnis abgerufen wird, findet seinen treffenden Ausdruck im Begriff der “Routineformel” (Coulmas 1985: 64). Das bedeutet, es werden immer wieder die gleichen Formeln zur Wahrung ähnlicher Funktionen benutzt. Mögliche Varianten treten dann auf, wenn sich die Sprecher auf einem unterschiedlichen Stilniveau (z.B. umgangssprachlich geht’s noch) bewegen, Gebrauch von einer bestimmten Gruppensprache oder einer bestimmten regional gefärbten Umgangssprache (z.B. dem bayrisch-österreichischen passt schon) machen. Als problematisch erweist sich in einigen Fällen die Abgrenzung der Responsive von Ellipsen, die durch den adjazentalen Bezug auf eine Vorgängeräußerung entstehen, wie z.B. im folgenden (fiktiven) Dialog: A: Mensch, hat der sein Klavierspiel aber verbessert. B: mein’ ich auch. Ausdrücke wie mein’ ich auch interpretieren wir nicht als Responsive sondern als Topikellipsen. Es fehlt diesem Ausdruck unserer Ansicht nach das für ein Responsiv wesentliche Merkmal, dem zufolge es sich um eine sprachliche Form handeln sollte, mit der man speziell für diese Konstellation - Übereinstimmung mit der vorher geäußerten Sprechermeinung - mit hoher Wahrscheinlichkeit als Routineformel zu rechnen hätte. Auch “Operatoren in Operator-Skopus-Strukturen” (Fiehler et al. 2004) besitzen den formelhaften Charakter usueller Einheiten des Wortschatzes. Sie bestehen aus kurzen und scheinbar spontan hervorgebrachten Ausdrücken, sind in einigen Fällen auch zwischen den Redebeiträgen der Ge- <?page no="228"?> 228 Bernd Sieberg sprächsteilnehmer positioniert, und auch sie besitzen den Charakter von festen sprachlichen Wendungen. Beispiel 11D (DGD-PF) A: ... also es werden momentan werden einfach zu viele Filme gezeigt, grade diese Zeichentrickfilme, obwohl, ... die ham ja jetzt auch schon Untertitel. Beispiel 11P (BF) A: Qual é a sua opini-o, afinal? B: ... digamos assim, o meu caso é patológico mas talvez eh um pouco ao contrário. Gemeinsam mit den Responsiven teilen Operatoren die Eigenschaften ›Formelhaftigkeit‹ des Ausdrucks (Beispiel 11P), ›Kürze‹ und ›Rückbezüglichkeit 11 ‹ (Beispiel 11D). So verbindet der Operator obwohl des ersten Teils der Äußerungsfrequenz also es werden momentan werden einfach zu viele Filme gezeigt, grade diese Zeichentrickfilme mit dem zweiten Teil die ham ja jetzt auch schon Untertitel, indem er den zweiten Teil als Einschränkung der im ersten Teil dieser Sequenz gemachten Aussage kennzeichnet. Trotzdem bestehen zwischen beiden Varianten der Gesprächsausdrücke wesentliche Unterschiede: Von den Operatoren unterscheiden sich die Responsive dadurch, dass sich ihre Rückbezüglichkeit auf den illokutiven Gehalt des Sprechakts des Gesprächspartners bezieht, während die Rückbezüglichkeit eines Operators darin besteht, als “Verstehensanweisung” (Fiehler et al. 2004: 242) zu einem Skopus zu fungieren, der einem Teil der Äußerungssequenz desselben Sprechers zuzurechnen ist. In Beispiel 11D besteht diese Leistung in der Markierung einer adversativen Beziehung zwischen ›Proposition 1‹ und ›Proposition 2‹ der Äußerungssequenz desselben Sprechers. 12 Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die zur Gruppe der Responsive gehörenden Ausdrücke isoliert stehen können, weil sich ihre projizierende Kraft mit der Reaktion auf den illokutiven Gehalt der Vorgängeräußerung des Gesprächspartners erschöpft und sie damit nicht auf eine Fortsetzung der Redesequenz angewiesen sind, um grammatisch korrekt zu sein. Damit bilden sie unter pragmatischem Aspekt selbständige diskursive 11 “Der Operator qualifiziert aber nicht nur den Skopus, sondern stellt in der Regel auch eine Relation zu dem vorausgehenden Diskurs oder Text her. Wir nennen diese beiderseitige Gerichtetheit des Operators seine Gelenkfunktion.” (Fiehler et al. 2004: 278f.) 12 In dieser Leistung einer Verstehensanweisung liegt auch der Grund, warum wir Operatoren im Rahmen des Modells des Nähe- und Distanzsprechens im Parameter Rolle und zusammen mit Satzrandstrukturen als Formen zur möglichen Beeinflussung der Rezeption einer Äußerung durch den Gesprächspartner interpretieren. Sie dienen aus der Perspektive des Modells der Wahrung des universalen Verfahrens der Diskursgestaltung einer “aggregativen Rezeptionssteuerung” (Ágel/ Hennig 2007: 190). <?page no="229"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 229 Einheiten, die im Unterschied zu den Operatoren keine Fortführung der Redesequenz erfordern, weil sie ohne folgenden Skopus auskommen. 13 4 Interpretation der Responsive im Rahmen des Modells des Distanz- und Nähesprechens in der Variante von Ágel/ Henning Im Rahmen die Models des Nähe- und Distanzsprechens von Ágel/ Hennig (2006a, 2006b, 2007) 14 und seines Axioms Raum und Zeit der Produktion einer Äußerung sind identisch mit dem Raum und der Zeit der Rezeption dieser Äusserung (cf. auch die schematische Darstellung des Modells in Anhang 2) interpretieren wir die Responsive 15 aus der Perspektive des Zeitparameters. Die sich aus diesem Parameter ableitbaren Bedingungen kann man folgendermaßen charakterisieren: Der Zusammenfall von Planung und Ausführung bei der Gestaltung der diskursiven Einheiten sowie ein Prozess der Informationsvermittlung, der zeitlich sukzessiv verläuft und durch die Flüchtigkeit seiner Informationsträger charakterisiert ist, zieht Konsequenzen für die Befindlichkeit der Gesprächsteilnehmer im Moment der Gestaltung ihrer sprachlichen Einheiten nach sich. Diese ist für die Gesprächsteilnehmer wesentlich durch das Gefühl von zeitlicher Enge und von zeitlichem Stress geprägt. Als erschwerender Faktor kommt hinzu, dass ein Sprecher in der Phase der Erstellung seiner Redeeinheiten seine Aufmerksamkeit zusätzlich der Dekodierung von zeitlich meist parallel - oder fast parallel - eintreffenden Äußerungen seines Gesprächspartners widmen muss. Folglich wird er bei der Gestaltung seiner Äußerungen solche sprachliche Formen bevorzugen, die den ihm durch die Situation aufgezwungenen (zeitlichen) Beschränkungen entsprechen. Unter Anwendung der Begrifflichkeit und der Parameter des Modells kann man den oben erläuterten Zusammenhang auch wie folgend beschreiben: Als Rahmenbedingungen postulieren Ágel/ Hennig im Rahmen des 13 “Aus unserer Definition, dass ein Operator eine Verstehensanweisung für den nachfolgenden Skopus gibt, resultiert, dass ein Operator allein keine selbständige interaktive Einheit sein kann. Er eröffnet immer eine Leerstelle, die nach Ausfüllung verlangt, nach dem Aussprechen des Operator kann der Redebeitrag eines Sprechers noch nicht zu Ende sein” (Fiehler et al. 2004: 346). 14 Es handelt sich um eine Variante und Weiterentwicklung des Modells von Koch/ Oesterreicher (1985). Ohne an dieser Stelle beide Modelle im Detail vergleichen zu wollen, sind wir davon überzeugt, dass sich das Modell von Ágel/ Hennig (2006a, 2006b, 2007) im Vergleich zu dem von Koch/ Oesterreicher durch ein höheres Maß an logischer Schlüssigkeit, Operationalisierbarkeit, hierarchischer Strukturierung sowie der Möglichkeit einer universalen Anwendung auszeichnet. 15 Hennig (2006: 214) erwähnt in ihrer Einheitentypologie neben Engführungssignalen, Rederechtssignalen, Operatoren in Operator-Skopus-Strukturen und Zögerungssignalen auch die Responsive als eine Variante der Nähezeichen. <?page no="230"?> 230 Bernd Sieberg Zeitparameters auf der vorletzten Hierarchieebene ihres Modells - von unten gezählt, ausgehend von der Ebene mit dem geringsten Abstraktionsgrad - fünf verschiedene “Universale Diskursverfahren” (2007: 190f.), von denen neben den Verfahren Aggregative Strukturierung, On-line-Reparaturen, Zeitgewinnungsverfahren auch das an dieser Stelle relevante universale Verfahren Einfache Verfahren der Einheitenbildung tritt, aus dem wir wiederum das “Universale Diskursmerkmal” 16 Responsive ableiten und als erste Kurzreaktionen auf die Äußerungen des Gesprächspartners (cf. Schema des Modells unten) bestimmen. Dass dieses Universale Diskursverfahren ›Zeitgewinnungsverfahren‹ genau eine der Bedingungen beschreibt, die die von uns beschriebenen Responsive angemessen zu erfüllen in der Lage sind, kann man bereits bei einem ersten Blick auf unsere Beispielsätze 1-11D und 1-11P feststellen. Bei Gesprächsausdrücken in Form von Responsiven handelt es sich sowohl im Portugiesischen als auch im Deutschen um sprachliche Mittel, die durch ihre Kürze und spontane Verfügbarkeit in geradezu idealer Weise der Wahrung des übergeordneten Diskursverfahrens eines einfachen Verfahrens der Einheitenbildung dienen. Die hohe Frequenz, mit der diese Gesprächsausdrücke in entsprechenden Konstellationen dialogischen Sprechens - einschließlich der dialogähnlichen Strukturen konzeptioneller Mündlichkeit - gebraucht werden, 17 spricht sehr deutlich für die von uns angenommene Hypothese. 5 Einbeziehung von Responsiven in den Fremdsprachenunterricht Wir konnten deutlich machen, dass es sich bei den Responsiven um sprachliche Ausdrücke handelt, die in besonderem Maß zur Bewältigung nähesprachlicher Kommunikationssituationen beitragen. Diese Feststellung trifft gleichermaßen auf die deutsche und die portugiesische Sprache zu und gilt darüber hinaus sowohl für den prototypischen als auch für den peripheren Bereich des Nähesprechens. Den Grund für die besondere Eignung dieser Ausdrucksformen für die kommunikativen Praktiken des Nähesprechens sehen wir in dem Umstand, dass sie Funktionen zu übernehmen in der Lage sind, die der Wahrung des universalen Diskursverfahrens der einfachen Verfahren der Einheitenbildung zugute kommen. Responsive angemessen gebrau- 16 Die inhaltliche Füllung der verschiedenen Universalen Diskursverfahren durch zu ihnen jeweils passende Universale Diskursmerkmale bleibt im Modell von Ágel/ Hennig unvollständig und erlaubt unserer Meinung nach entsprechende Ergänzungen, wie wir sie im Schema des Modells unten vorgenommen haben. 17 Es fehlt an dieser Stelle noch eine Stützung unsere Hypothese durch entsprechende statistische Angaben. Wir vertrauen bei ihrer Annahme aber zunächst einmal auf die Logik unserer Argumentation und auf mehr als 30 Jahre Erfahrung bei der Beobachtung und Analyse der GS und der entsprechenden Transkriptionen. <?page no="231"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 231 chen zu können, bildet darum unserer Meinung nach einen wichtigen Bestandteil einer übergeordneten Kompetenz, die wir mittels des Begriffs der “Interaktionalen Kompetenz” (Oksaar 1979: 395) bzw. in Anlehnung an die Erweiterung dieses Begriffs durch Hennig, 18 die von der Vorstellung einer “Interaktiven Kontextualisierungskompetenz” ausgeht, bestimmen. Oksaar versteht unter interaktionaler Kompetenz die Fähigkeit von Lernern “[...] kommunikative Handlungen miteinander in zwei Rollen zu vollziehen”, während wir in Anlehnung an den zweiten Begriff unter Interaktiver Kontextualisierungskompetenz die Fähigkeit eines Sprechers begreifen, in ständiger Interaktion mit dem Gesprächspartner im Moment der Planung und Ausführung seiner Diskurseinheit seiner Äußerung eine Form zu verleihen, die den spezifischen Umständen, Beschränkungen und Möglichkeiten entspricht, die eine Situation 19 des Nähesprechens prägen. Mit dieser Definition schaffen wir einen Kompetenzbegriff, der es erlaubt, auch andere sprachliche Merkmale des Nähesprechens zu erklären, und der sich darüber hinaus als Denkanstoß anbietet, an dem sich alle diejenigen orientieren können, denen daran gelegen ist, im Bereich des Fremdsprachenunterrichts Sprechkompetenz zu vermitteln. Zum Schluss möchten wir noch an Hand eines Beispiels zeigen, wie wir in unserem Übungsbuch den Lernern diese Form von Gesprächsausdrücken in einer didaktisch aufbereiteten Beschreibung (Sieberg 2013a: 65) nahezubringen versuchen. Darauf folgt noch eine Übung aus dem Buch zum selben Thema (Sieberg 2013a: 73ff.), die wir an dieser Stelle aus Platzgründen allerdings nur in stark verkürzter Form darstellen können. Zunächst stellen wir im Folgenden die Definition vor, die in unserem Übungsbuch die Gesprächsausdrücke Operatoren in ›Operator-Skopus-Strukturen‹ beschreibt, die aber leicht umgewandelt ebenso auf das hier vorgestellte Nähemerkmal der Responsive zutrifft. Entsprechend haben wir im Unterschied zum Original in der folgenden Definition sowie in der an sie anschließenden Übung den Begriff Operator weggelassen und ihn durch den Begriff Gesprächsausdruck bzw. Responsive ersetzt: “Worum geht’s hier eigentlich? Jetzt kommen wir zu einer Gruppe von Ausdrücken, die wirklich sehr wichtig für alle möglichen Formen deines Spre- 18 Den Begriff haben wir einem bis jetzt nicht veröffentlichten Konzept eines Aufsatzes von Hennig entnommen, das uns die Autorin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. 19 Der Begriff geht auf Liedtke/ Hundsnurscher (2001) zurück und bezeichnet eine Methode, die sprachliche Merkmale der Morphologie und Syntax durch den Rückbezug auf die situativen Umstände erklärt, die ihr Zustandekommen wesentlich prägen. Einer solchen Sichtweise entspricht die Überzeugung, dass der linguistischen Pragmatik bei der Untersuchung von Phänomenen der Gesprochenen Sprache eine vorrangige Rolle zukommt. <?page no="232"?> 232 Bernd Sieberg chens sind. Wir meinen fragmentarische, floskelhafte Ausdrücke, die in Dialogen zwischen die Redebeiträge der Sprecher (= turns) treten. (...) Sie bilden den Übergang zwischen dem, was dein Partner sagt und deiner Reaktion auf seine Worte. Diese Ausdrücke machen es möglich, dass du sehr schnell reagieren und so deine Interessen im Gespräch verteidigen kannst. Durch sie kannst du deinem Partner mit wenigen Worten deutlich machen, ob du ihm widersprichst oder ihm zustimmst, ob du ganz plötzlich etwas verstehst, ob du willst, dass dein Partner etwas tut, ob du total überrascht, verzweifelt oder ratlos bist, [...]. Und wenn du es vielleicht auch noch nicht glaubst, aber ohne diese Gesprächsausdrücke funktionieren keine normalen Gespräche. Aber auch Chatten, Beiträge in einem Internetforum, E-Mails und SMSs sind auf diese Ausdrücke angewiesen.” (Definition in leichter Umarbeitung der Originalversion in Sieberg 2013a: 65) Die folgende Übung aus demselben Studienbuch (Sieberg 2013a: 76), die wir an dieser Stelle allerdings nur in einer variierten und verkürzten Version wiedergeben, soll als Beispiel dafür dienen, wie unserer Meinung nach Responsive im DaF Unterricht vermittelt werden können: Aufgabe a) Welcher Ausdruck aus der folgenden Liste der Redemittel passt zu welchem Dialog? Ergänze die Dialoge und lies sie mit einem Partner laut vor. Achte auch auf deine Gestik und Mimik! Manchmal passen auch verschiedene Formeln in dieselbe Äußerung. b) Was bewirken die jeweiligen Gesprächsausdrücke? Interpretiere die möglichen Funktionen dieser Formeln im jeweiligen Kontext. Oft sind mehrere Lösungen möglich. c) Erfinde passende Dialoge und spiele sie vor der Klasse. A: Also wenn es dir recht ist, morgen machst du dann die Küche sauber, oder? B: __ __ __. A: Also, bekomm´ jetzt keinen Schrecken, aber dein Auto, das haben sie geklaut. B: __ __ __. A: Mama, darf ich noch ein bisschen raus zum Spielen, nur noch 10 Minuten? B: __ __ __. A: Essen und Trinken gehen heute aber auf deine Rechnung. B: __ __ __. A: Stimmt, war schon irgendwie meine Schuld! Und wer bezahlt jetzt den Schaden? B: __ __ __. Redemittel: meinetwegen / wie jetzt? / von mir aus / so siehst du aus! / auf jeden Fall / was weiß ich? / sowieso / denkst du! / na schön! / lass mal gut sein / allerdings / eben / aha / soso / ach was! / sag, dass das nicht wahr ist! / das hättest du wohl gern / na gut / ... . <?page no="233"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 233 6 Bibliographie und Anhänge Admoni, Wladimir (1970): Der deutsche Sprachbau. München: C.H. Beck. Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (2006a): Theorie des Nähe- und Distanzsprechens. In: Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (eds.): Grammatik aus Nähe und Distanz. Theorie und Praxis am Beispiel von Nähetexten 1650-2000. Tübingen: Niemeyer, 3-33. Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (2006b): Praxis des Nähe- und Distanzsprechens. In: Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (eds.): Grammatik aus Nähe und Distanz. Theorie und Praxis am Beispiel von Nähetexten 1650-2000. Tübingen: Niemeyer, 33-77. Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (2007): Überlegungen zur Theorie und Praxis des Nähe- und Distanzsprechens. In: Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (eds.): Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen: Niemeyer, 179-215. Arim, Eva, Ramilo, Maria Celeste und Elisabete Soalheiro (2008): Mudanças em curso e os média: os caso das relativas. In: Mateus, Maria Helena Mira/ Bacelar do Nascimento, Fernanda (eds.): A Língua Portuguesa em Mudança. Lisboa: Caminho, 67-81. Barden, Birgit/ Elstermann, Mechthild/ Fiehler, Reinhard (2001): Operator-Skopus- Strukturen in gesprochener Sprache. In: Liedtke, Frank/ Hundsnurscher, Franz (eds.): Pragmatische Syntax. Tü bingen: Niemeyer, 197-233. Coulmas, Florian (1985): Diskursive Routine im Fremdsprachenunterricht. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 56, 47-68. Duden (2009) (8. Ausgabe). Die Grammatik. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. Feilke, Helmut (1994): Common sense-Kompetenz: Überlegungen zu einer Theorie des “sympathischen” und “natürlichen” Meinens. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Fiehler, Reinhard et al. (2004): Eigenschaften gesprochener Sprache. Tübingen: Narr. Günthner, Susanne/ Imo, Wolfgang (2003): Die Reanalyse von Matrixsätzen als Diskursmarker: ich mein-Konstruktionen im gesprochenen Deutsch. In: Orosz, Magdolna/ Herzog, Andreas (eds.): Jahrbuch der Ungarischen Germanistik 2003. Budapest und Bonn: DAAD, 181-216. Henne, Helmut/ Rehbock, Helmut (1982): Einführung in die Gesprächsanalyse. Berlin, New York: De Gruyter. Hennig, Mathilde (2006): Grammatik der Gesprochenen Sprache in Theorie und Praxis. Kassel: Kassel University Press. Koch, Peter/ Oesterreicher, Wulf (1985): Sprache der Nähe - Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanisches Jahrbuch 36, 15-43. Liedtke, Frank/ Hundsnurscher, Franz (2001): Pragmatische Syntax. Stuttgart: Niemeyer. Mateus, Maria Helena Mira et al. ( 7 2006): Gramática da Língua Portuguesa. Lisboa: Caminho. Pilz, Klaus Dieter (1978): Phraseologie. Göppingen: Kü mmerle. Rudolf, Elisabeth (2002): Beobachtungen zur Scharnierfunktion von Konnektoren in Presse, Rundfunk und Fernsehen. In: Herweg, Rolf (ed.): Sprache und die Modernen Medien. Akten des 37. Linguistischen Kolloquiums in Jena 2002. Frankfurt am Main: Peter Lang, 287-299. <?page no="234"?> 234 Bernd Sieberg Schwitalla, Johannes (2008): Sprachwandel durch Gesprochene Sprache in öffentlichen Texten nach 1945. In: Almeida, Maria Clotilde/ Sieberg, Bernd/ Bernardo, Ana Maria (eds.): Questions on Language Change. Lissabon: Edições Colibri, 27- 49. Schwitalla, Johannes ( 4 2012): Gesprochenes Deutsch. Berlin: Erich Schmidt. Sieberg, Bernd (2007): Gesprächsausdrücke im Deutschen und Portugiesischen. In: Estudios Filológicos Alemanes. Revista del Grupo de Investigación Filología Alemana. Vol. 13. Sevilla: Editora Fénix, 203-219. Sieberg, Bernd (2013a): Sprechen lehren, lernen und verstehen. Grammatik und Übungen zu Ausdrucksweisen und Strukturen mündlicher Kommunikation. Stufenübergreifendes Studien- und Übungsbuch für den DaF-Bereich. Tübingen: Julius Gross. Sieberg, Bernd (2013b): Microblogs global: Portugiesisch. In: Siever, Torsten/ Schlobinski, Peter (eds.): Microblogs global. Eine internationale Studie zu Twitter & Co aus der Perspektive von zehn Sprachen und elf Ländern. Frankfurt am Main: Peter Lang, 231-253. Sieberg, Bernd (2014): Falar: Proposta para uma mudança paradigmática da pesquisa e da aplicaç-o dos resultados no ensino da língua falada. In: Chenoll, António et al. (eds.) FALAR: a competência oral no ensino de uma língua estrangeira (CECC - books and chapters). (http: / / repositorio.ucp.pt/ bitstream/ 10400.14/ 14699/ 1/ Publicaç-o_Falar%20FORMATADO.pdf, 17.7.2014). Söll, Ludwig (1985): Gesprochenes und geschriebenes Französisch. Berlin: Erich Schmidt. Stein, Stephan (2003): Textgliederung. Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch: Theorie und Empirie. Berlin, New York: de Gruyter. Thim-Mabrey, Christiane (1988): Satzadverbiale und andere Ausdrü cke im Vorvorfeld. In: Deutsche Sprache 16, 52-67. Urbano, Hudinilson (2006): Usos da Linguagem Verbal. In: Preti, Dino (ed.) Oralidade em diferentes discursos. Projetos Paralelos - NURC/ SP 8. S-o Paulo: Associaç-o Editorial Humanitas, 19-55. Viegas Brauer-Figueiredo, Maria de Fátima (1999): Gesprochenes Portugiesisch. Frankfurt am Main: Theo Ferrer de Mesquita. Weinrich, Harald (2003): Textgrammatik der deutschen Sprache. Hildesheim, Zürich, New York: Olms. Willkopp, Eva Maria (1988): Gliederungspartikeln im Dialog. München: iudicum. Zifonun, Gisela et al. (1997): Grammatik der deutschen Sprache in 3 Bänden. Berlin, New York: De Gruyter. 6.1 Links der Internet-Korpora CLUL: (http: / / www.clul.ul.pt/ pt/ recursos, 17.7.2014) Corpus Português Fundamental: (http: / / www.clul.ul.pt/ pt/ recursos/ 84-spoken-cor pus-qportugues-fundamental-pfq-r, 17.7.2014) DGD-Portal: (http: / / dgd.ids-mannheim.de: 8080/ dgd/ pragdb.dgd_extern.welcome, DGD-DS: (http: / / dgd.ids-mannheim.de: 8080/ dgd/ pragdb.dgd_extern.corpora? v_se ssion_id=6F78331081E65ECD6B5C33B9CC387784&v_doctype=c&v_corpus=DS--, 17.7.2014) 17.7.2014) <?page no="235"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 235 DGD-PF: (http: / / dgd.ids-manneim.de: 8080/ dgd/ pragdb.dgd_extern.corpora? v_ses sion_id=6F78331081E65ECD6B5C33B9CC387784&v_doctype=c&v_corpus=PF--, 17.7.2014) Internetforum über Fotografie: (http: / / www.fuji-x100-forum.de/ news-ankuendi gun gen-und-geruechte/ 8860-zeiss-50mm-macro-touit.html, 17.7.2014) Internetforum über Fußball: (http: / / fanforum-deutschland.de/ threads/ zieler-oderter-stegen.21315/ , 17.7.2014) Internetforum »contra-ataque« zum Thema Fußball: (http: / / www.contra-ataque. com/ forum/ index.php? showtopic=33112&st=30, 17.7.2014) NURC (Projeto da Norma Urbana Culta) mit Forschungszentren in zahlreichen brasilianischen Universitäten und Städten wie S-o Paulo oder Rio de Janeiro. Beschreibung des Projekts über das Internetportal unter: (http: / / www.fflch.usp.br/ temporarios/ lport/ index.php? option=com_content&v iew=article&id=87%3Aartigo-nurc&catid=14%3Acategoriaprojeto&Itemid=2, 17.7.2014) 6.2 Anhang 1 Liste mit einigen Beispielen für Responsive (ausschließlich feste Wendungen) aus dem Deutschen und Portugiesischen: 20 Deutsch: auf jeden Fall, alles klar, geht in Ordnung, ist mir recht, ja genau, ja klar, kein Thema, keine Frage, na schön, also meinetwegen, also schön, du musst es ja wissen, ist ja gut! , kann schon sein, mal sehen, meinetwegen, na ja, von mir aus, wenn´s denn sein muss, aber will man das wirklich? ich weiß nicht, im Gegenteil, na geh! , na und wenn schon, bloß nicht! , dass ich nicht lache! , eben doch, kommt gar nicht in Frage! , nur über meine Leiche ‹umgangssprachlich›, so nicht! , so siehst du aus! , vergiss es, von wegen! , mit mir nicht! , sag´ ich doch, lass mal gut sein, das darf doch wohl nicht wahr sein, nun mach aber mal halblang, was heißt schon X? etc. 21 Portugiesisch: acho que sim, ah bom, aí está, ai é, aí é verdade, a sério, à vontade, assim assim, até que enfim, assim seja, com certeza, como quiseres, como assim, de acordo, é assim, é evidente, é isso mesmo, em princípio que sim, essa agora, é verdade, é isso que querias, e depois? , está bem, graças a Deus, muito bem, maneira alguma, n-o é n-o, n-o faz mal, n-o me digas, n-o me fazes rir, n-o pode ser, n-o sei, nem a brincar, nem morto (umgangssprachlich), nem pensar, nem por isso, ora nem mais, parece que sim, pode ser, pois é, pois há, por favor, sem dúvida, sem sombra de dúvidas, tem raz-o, etc. 20 Auf Grund eigener Sprachkompetenz und jahrelanger Arbeit mit Transkriptionen beider Sprachen vermuten wir, dass die Zahl der tonalen Zeichen und die der Einzelwörter in der Funktion von Responsiven im Portugiesischen größer ist als im Deutschen, während die deutsche Sprache über eine größere Zahl von Wortverbindungen (Routineformeln) zur Erfüllung dieser Funktion verfügt. 21 Ein umfangreicheres Glossar mit Routineformeln des Deutschen in Sieberg (2013a: 267). <?page no="236"?> 236 Bernd Sieberg 6.3 Anhang 2 Zusammenfassende schematische Darstellung des Modells des Nähe- und Distanzsprechens von Vilmos Ágel und Mathilde Hennig in Deutsch und Portugiesisch 22 Universales Axiom: Zeit/ Raum der Produktion = Zeit/ Raum der Rezeption einer Äußerung. Axioma: local e tempo da produç-o = local e tempo da recepç-o 22 Es handelt sich um eine vereinfachende, schematische Darstellung des Modells, die weitere Abstraktionsstufen, wie Ágel/ Hennig (2006a, 2006b, 2007) sie einführen, außer Acht lässt. Dazu zählen die in der Hierarchie oberhalb der “universalen Diskursverfahren” angeordneten Ebenen der “universalen Parameter der Diskursgestaltung” sowie die “Universalen Parameter der Kommunikation” (cf. 2006b bzw. 2007). Das entsprechende Schema, das auch die Beschreibungsparameter Rolle, Situation, Code und Medium umfasst, findet man u.a. in Sieberg (2014: 140ff.). BESCHREI- BUNGSPA- RAMETER PARÂ- METROS DE DESCRIÇÃO Universale Verfahren der Diskursgestaltung fürs Deutsche Estratégias Discursivas Universais para o Português ROLLE / INTERAÇÃO DOS LOCUTORES Bestimmung für ›Responsive‹ nicht relevant Sem relevância para a descriç-o de ›Responsive‹ ZEIT / TEMPO Universale Verfahren der Diskursgestaltung (1,2,3 ...) manifestieren sich in entsprechenden sprachlichen Merkmalen (a, b, c,...) 1. Aggregative Strukturierung des Informationsflusses a) Anakoluthe b) Apokoinu c) constructio ad sensum d) Parenthesen e) Verschiedene Formen der Satzrandstrukturen Estratégias Discursivas Universais (1,2,3 ...) que se manifestam por meios verbais correspondentes (a, b, c, ...) 1. favorecimento de estruturas agregativas e n-o integrativas na organizaç-o do fluxo informacional das enunciações a) anacolutos b) apokoinu c) construções ad sensum d) parênteses <?page no="237"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 237 die eine aggregative Gliederung erlauben, z.B. mittels wo. Sie lassen die interpropositionalen Relationen mehrdeutig und vermeiden hypotaktische Strukturen g) Operatoren in Operator- Skopus-Strukturen h) abhängige Hauptsätze i) Korrelate als Aggregationsindikatoren: Zusätzliche Indikatoren für eine Integration des Nebenin den Hauptsatz. j) Fehlende logische und syntaktische Kohäsionsmarkierung zwischen den Teilen einer Äußerungssequenz k) Analytische Aufteilung von Fragepronomen und Pronominaladverbien (wo...mit, da...ran, etc.) l) doppelte Negationen m) aggregative Formen der Nominalflexion 2. On-Line Reparaturen a) durch spezielle Ausdrücke und Wendungen (Korrektursignale) b) Wiederholungen einzelner Wörter oder Ausdrücke auch in korrigierter Form c) Korrigierende Präzisierungen am rechten oder linken Satzrand 3. Einfache Verfahren der Einheitenbildung a) kurze Äußerungseinheiten b) Parataxen c) Verdichtung von Hypotaxen d) keine ‘syntaktische Kohäsionsmarkierung’ realçam elementos da enunciaç-o, como frases clivadas, tópicos pendentes, formas de adiamento, etc. f) orações relativas cortadoras e resumptivas g) operadores em estruturas ›operador + escopo‹ h) orações principais dependentes i) elementos correlativas redundantes j) falta de coes-o sintática ou/ e lógica entre as partes de uma sequência discursiva k) falta de integraç-o de pronomes e preposições com a ele invés lhe ou ajudar ela invés ajudá-la l) expressões com elementos verbais redundantes como há uns dias atrás 2. correções online a) expressões verbais específicas de uma correç-o online b) construções de redobramento ou repetiç-o de palavras aliás partes da oraç-o c) correções ou adiç-o de elementos à margem direita das orações 3. formaç-o simplificada das unidades discursivas a) unidades discursivas curtas b) orações discursivas paratáticas c) orações hipotáticas encurtadas f) Vereinfachte Relativsätze, e) várias formas que <?page no="238"?> 238 Bernd Sieberg zwischen den Propositionen einer Äußerung e) Parenthesen f) vereinfachte Relativsätze g) abhängige Hauptsätze h) unabhängige Nebensätze i) »Responsive« als erste ‘Kurzreaktionen’ auf die Äußerungen des Gesprächspartners j) Abkürzungen von Wörtern oder Syntagmen im Internet und am Handy k) Aposiopese 4. Zeitgewinnungsverfahren zur Überbrückung von Pausen a) ‘hedge words’, das sind ungenaue und mehrdeutige Begriffe, die dazu beitragen, Pausen zu überwinden und nach genaueren Ausdrücken zu suchen b) Tonale Zeichen wie hmhm, äh, ehhh, etc. c) Dehnung von Vokalen, Wörtern oder Teilen der Äußerung d) Wiederholung von Lauten, Wörtern oder Syntagmen e) Setzung von Pünktchen ... im Internet oder am Handy d) falta de coes-o sintática explícita entre as várias partes de uma sequência discursiva e) parênteses f) orações relativas simplificadas (cortadoras ou resumptivas) g) orações principais dependentes h) orações subordinadas independentes i) ›Responsive‹ com elevado grau de idiomatizaç-o que permitem uma reaç-o breve e imediata aos atos ilocutórias do interlocutor j) abreviaturas de palavras e sintagmas, especialmente nas práticas comunicativas por meio de computador ou telemóvel k) Aposiopese 4. uso de meios estratégicos para ganhar tempo ou ultrapassar pausas a) por meio de hedge words (expressões inexatas ou semanticamente ambíguas) b) sinais sonoros como hmhm, eh, etc. c) prolongamento de vogais ou palavras d) repetições de palavras ou partes da oraç-o e) reticências na escrita por computador ou telemóvel f) elementos verbais articuladores entre as partes monologais de uma enunciaç-o <?page no="239"?> Responsive im deutschen und portugiesischen Nähesprechen 239 Verbindungselemente (Scharniere) zwischen den Teilen einer monologischen Äußerungssequenz SITUATION / SITUAÇÃO Bestimmung für ›Responsive‹ nicht relevant Sem relevância para a descriç-o de ›Responsive‹ CODE / CÓDIGO Bestimmung für ›Responsive‹ nicht relevant Sem relevância para a descriç-o de ›Responsive‹ MEDIUM / MEIO Bestimmung für ›Responsive‹ nicht relevant Sem relevância para a descriç-o de ›Responsive‹ f) Logisch ambivalente <?page no="241"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext Bernd Marizzi, Universidad Complutense de Madrid 1 Einleitung Sprachkontakte zwischen dem deutschsprachigen Raum und Spanien bestanden zwar schon seit dem Spätmittelalter, doch in der entsprechenden Fachliteratur (Glück 2013: 502ff.) wird auf das Ungleichgewicht im Erlernen der Sprache des anderen hingewiesen: Es wurde viel mehr Spanisch im deutschen Sprachraum gelernt als Deutsch in Spanien. Die kulturelle Vormachtstellung Frankreichs, die geografische Nähe zu Frankreich und die Zugehörigkeit beider Sprachen zur Familie der romanischen Sprachen waren ohne Zweifel verantwortlich für die traditionelle Prädominanz des Französischen bei den Fremdsprachenkenntnissen in Spanien. Zudem dürften das verspätete Eintreten des Deutschen in den Kreis der für Spanien wichtigen Kultursprachen und die politische Vormachtstellung des spanischen Weltreiches dafür ausschlaggebend gewesen sein. Der grundlegende Anreiz zur Erlernung einer Fremdsprache war weit bis ins 18. Jahrhundert hinein vor allem der direkte Nutzen, den man aus den neuen Möglichkeiten der Verständigung mit Anderssprachigen ziehen konnte. In diesem Zusammenhang bleibt das Vocabolari molt profitos per apendre Lo Catalan Alamany y Lo Alamany Catalan, das der Heidelberger Frühdrucker Hans Rosenbach (ca. 1470-Barcelona 1530) 1502 im damals zum Herrschaftsgebiet der Krone von Aragón gehörenden Perpignan druckte und in dem Wortschatz und Redemittel zur Verständigung in den verschiedensten Sachgebieten aufscheinen, ein Solitär (cf. Stegmann 1991). Die Anwendung neuer Technologien, zum Beispiel durch deutsche Bergleute im Quecksilber- und Zinnoberabbau in Almaden, der für Spanien von grundlegendem Interesse war, führte allerdings nicht zu überlieferten Belegen des Spracherwerbs des Deutschen. Ebenso wenig geschah dies, als in der Regierungszeit des Bourbonen Karl IV. deutsche Bergbauingenieure zusammen mit anderen europäischen Fachleuten nach Peru und Mexiko gesandt wurden, um die Silberbergwerke in den Kolonien mit der neuesten Technik auszustatten (cf. Puig-Samper 2010: passim). Ab dem Spätmittelalter und besonders während der Kabinettskriege war einer der Beweggründe, eine fremde Sprache zu erlernen, der Wunsch, sich mit anderssprachigen Soldaten verständigen zu können, denn die Idee eines (auch sprachlich einheitlichen) Volksheeres kam erst mit der französische Revolution auf. Dabei handelte es sich um Landsknechte oder Soldtruppen, <?page no="242"?> 242 Bernd Marizzi die von den Landesherren für ihre Armee angeworben wurden. Im Falle Spaniens waren dies zur Zeit des Habsburgers Karl V. die Llandsquenetes (Guardia Alemana) sowie später im Spanischen Erbfolgekrieg die Regimientos Suizos. Dieser Sprachkontakt schlug sich in Spanien allerdings nicht in überlieferten Unterrichtsmaterialien nieder. 2 Erstes Interesse an der deutschen Sprache Nach dem dynastischen Wechsel im Zuge des spanischen Erbfolgekriegs erfolgte mit dem Herrscherhaus der Bourbonen eine noch stärkere Annäherung an Frankreich. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Spanien erste Lernergrammatiken des Deutschen verfasst. Zum einen handelt es sich um die Gramática Española y Alemana. Esto es: Reglas que enseñan el leer, pronunciar, entender, y hablar el Idioma Alemán, eine Handschrift aus dem Jahr 1783, die im Archiv des bischöflichen Palasts von Vic aufbewahrt wird. Ihr Autor ist der spätere Bischof von Vic, Raymundo Strauch y Vidal (1760- 1823), der als Sohn des Schlesiers Franz Strauch, Sergeant des in Tarragona stationierten Schweizer Regiments Betschart, geboren wurde (cf. Marizzi 2006). Strauch y Vidal war kurzzeitig Kaplan des 3. Schweizer Regiments und, obwohl er heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, eine der Leitfiguren des ultrakonservativen Spaniens (Karlismus, Neokatholizismus, CE- DA), nicht zuletzt wegen seines gewaltsamen Todes während der Besetzung Frankreichs durch die Cien Mil Hijos de San Luis, die dem “Liberalen Triennium” ein Ende setzte. Zum anderen erschien 1792 in Madrid die erste gedruckte Grammatik für den Deutschunterricht, die Gramática de la lengua alemana, dividida en tres partes von Antonio de Villa (flor. 1788-1811), einem Dominikaner und Ausländerseelsorger im Madrider Allgemeinen Krankenhaus (cf. Marizzi 2011a). Wie die knapp zehn Jahre zuvor handschriftlich verfasste Grammatik basiert auch dieses Lehrwerk auf einer französischen Vorlage, ein für die kulturelle Produktion Spaniens dieser Zeit und bis weit ins 20. Jahrhundert geläufiger Umstand, der sich erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte leicht änderte. Die wissenschaftlichen Expeditionen, die in großer Zahl von Spanien aus in die Neue Welt aufbrachen, hatten neben dem wissenschaftlichen auch einen militärischen Charakter als Antwort auf die Bedrohungen des Weltreiches durch andere europäische Mächte. Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden - nach französischem Vorbild - einige der zentralen Forschungseinrichtungen, die, wie der Jardín Botánico oder das Gabinete de Historia Natural in Madrid, später zu tragenden Einrichtungen des spanischen Wissenschaftsbetriebs werden sollten. Einige dieser Institutionen nahmen auch Kontakt zu Forschern aus anderen europäischen Ländern auf - unter ihnen auch zu Sachsen, nicht zuletzt, weil Karl IV. ein Sohn von Maria Amalie von <?page no="243"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 243 Sachsen und Cousin des Fürsten Anton von Sachsen war. Dennoch erfolgte dieser Kontakt weiterhin über das Französische, so im Fall des Schweizers Johann Mieg (1779-1859), den 1814 Fernando VII. als Professor der Physik am Real Gabinete de Física y Química nach Madrid brachte. Mieg gab aber dann gegen Mitte des 19. Jahrhunderts Deutschunterricht im Ateneo Científico y Literario (cf. Cáceres/ Marizzi 2010: 420). In diesem Zentrum, an dem das liberale Bürgertum die Erneuerung Spaniens betrieb, hatte er als Kollegen Julio Kühn (1813 Berlin - 1854 Madrid), der 1845 zum Professor für deutsche Sprache am Gymnasium San Isidro ernannt wurde, das der Universidad Central zugeteilt war. Kühns Laufbahn in Spanien (cf. Marizzi 2009) ist Ausdruck eines gewissen Umschwenkens Spaniens: Galt bis dahin die französische Kultur auf allen Gebieten als richtungweisend, so erfolgte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zunehmende Hinwendung zum Deutschen, nicht zuletzt als Gegenpol zur Identifikation des Französischen mit dem Königshaus der Bourbonen. 3 Lehrwerke des Deutschen Natürlich stand dies im Zusammenhang mit dem Versuch des radikal-liberalen Teils des Bürgertums, sich von Militär, Kirche und Krone zu befreien und parallel zur Demokratisierung des Zugangs zu den Wissenschaften eine Demokratisierung der Gesellschaft zu erreichen. Julio Kühn begründete 1840 in Madrid eine Academia Alemana-Española mit dem Ziel, in beiden Nationen den Stand und Fortschritt der Wissenschaften bekannt zu machen und zwar unter dem Motto: “Die Wissenschaften sind wie die Sonne, leuchten für Alle. Las ciencias son como el sol, lucen para todos”. Mitglieder der Academia waren führende Vertreter der spanischen Intelligenz wie Juan Eugenio Hartzenbusch (1806-1880), Basilio Sebastián Castellanos de Losada (1807-- 1891), Agustín Pascual y González (1818-1884) und Lorenzo Gómez Pardo y Ensenyat (1801-1847), die laut den Statuten der deutschen Sprache mächtig waren (cf. Kühn 1840 u. Cáceres/ Marizzi 2010). Das neue Interesse an deutscher Literatur, Kultur und Wissenschaft kam in den Lehrwerken des Deutschen zum Ausdruck, die ab 1845 an den neu gegründeten staatlichen Mittelschulen verwendet wurden. In einem der Vorworte wurde das Erlernen der deutschen Sprache bezeichnet als “la llave para abrir el depósito de los tesoros que encierra” (Kühn 1844: V); gemeint sind hier die Schätze der hervorragenden intellektuellen Leistungen der deutschen Literatur und die Ergebnisse des deutschen Erfindergeists. Trotz der Ankündigung des Priesters J. J. Braun (= Johann Georg Braun, 1828 Gründels bei Isny - c. 1875 Spanien), eine Abhandlung über die “lengua alemana científica” (Braun 1864: III) veröffentlichen zu wollen, blieb die Aus- <?page no="244"?> 244 Bernd Marizzi richtung seiner Nueva gramática alemana (1864) generalistisch und zielte nicht auf den Erwerb von Deutsch als Wissenschaftssprache (DaW) ab. Dennoch schrieb Fernández de Castroverde 1868, “los hombres de ciencia no dudan ya de que en la época presente es indispensable estudiar la lengua alemana para poder estar al corriente de los progresos intelectuales, porque ni todo se traduce, ni las pocas obras que se vierten á otros idiomas lo son con exactitud” (Fernández de Castroverde 1868: Vf.) und die zahlreichen Lesetexte nahmen sich zunehmend einer (populär-)wissenschaftlichen Thematik an. Dass Francisco García Ayuso (1835-1897), ein Schüler von Braun in El Escorial, der in München bei Martin Haug (1827-1876) Orientalistik und Philologie studierte und als Begründer der spanischen Indogermanistik gilt (cf. Álvarez-Pedrosa 1994: 57-63), in seiner Gramática Alemana (cf. García Ayuso 1882: XX-XXX) den Text “Gute, reine Athemluft” von Dr. Reclam an den Beginn des Buches stellte, kann als ein weiterer Hinweis auf das zunehmende Interesse an fachsprachlichen Texten gedeutet werden, ebenso wie der Umstand, dass er - noch vor der Literatur, den Künsten, der Politik oder dem Handel - die Wissenschaften als erstes der Gebiete anführte, für welche Deutschkenntnisse notwendig seien (cf. García Ayuso 1882: V). 4 Deutsch als Sprache der Philosophie und der Wissenschaft Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich auch in Spanien jenes Deutschlandbild durch, das von der Wissenschaft, der Philosophie und der Universitätsorganisation geprägt war. “Según es notorio, esta lengua es de importancia excepcional para los que cultivan ciertas disciplinas que, como la Medicina, el Derecho, la Historia, la Filosofía, la Filología, etc., han alcanzado en Alemania este desarrollo asombroso que la colocan sin disputa á la cabeza de las naciones civilizadas; es muy conveniente, por tanto, ejercitar al alumno en la lectura y traducción de trozos relativos á estas ciencias.” (García Ayuso, 1890: VII) Dieser Erfolg der deutschen Kultur und Sprache ging Hand in Hand mit dem Sieg von 1870. Am Beginn der Aufwertung des Deutschlandbildes in Spanien stand die Aktivität des Philosophen Julián Sanz del Río, der 1843/ 44 in Heidelberg studiert hatte und nach seiner Rückkehr das philosophische System des in Deutschland eher unbekannten Philosophen Karl Chr. Fr. Krause (1781-1832) zur philosophischen Schule des Krausismo ausbaute, die als eine Art laizistische Ersatzreligion die Erneuerung des spanischen Geisteslebens bis zum Bürgerkrieg in die Wege leitete (cf. Ureña 1991, Stoetzer 1998 und Neuner 2004). Dieser Import eines philosophischen Systems aus Deutschland und die Übernahme der deutschen Wissenschaftsorganisation an den Universitäten (cf. Schwinges 2001) führten dazu, dass in <?page no="245"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 245 der Zeit vor dem ersten Weltkrieg in Spanien die Germanophilie an Bedeutung gewann und Deutsch als die Sprache der Wissenschaft galt. Diesem Interesse von spanischer Seite kamen die propagandistischen Versuche des zur Großmacht aufstrebenden Deutschen Reiches entgegen, seinen Anspruch auf den vom deutschen Nationalismus reklamierten “Platz an der Sonne” auch auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften durchzusetzen. 5 Zunahme der nach Deutschland geschickten Studenten Als praktische Folge dieser Entwicklung wurden vermehrt Studenten nach Deutschland gesandt 1 und es wurde auch in Spanien mehr Deutsch gelernt, ohne dass allerdings das Deutsche zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Vorrangstellung des Französischen als erster Fremdsprache wirklich Konkurrenz machen konnte. Auf dem Gebiet der akademischen Fachsprachen kam es letztlich ab 1900 auch in Spanien für einige Jahrzehnte zur Ablösung des Ausspruchs “Bolonia docet” durch “Germania docet”. 2 Mit der Gründung der Junta de Ampliación de Estudios (JAE) 3 im Jahre 1907 wurde der Grundstein für den Austausch von spanischen Wissenschaftlern mit dem Ausland gelegt. Nach Frankreich war Deutschland das am häufigsten besuchte Land und die Bedeutung der Sprachkenntnisse fand ihren Ausdruck in dem Satz des bekanntesten spanischen Chemikers der Zeit, Enrique Moles: “Un científico que, además del suyo, no conoce como mínimo dos idiomas, es un analfabeto” (nach Pérez-Vitoria 1985: 14). Ein Studienaufenthalt in Deutschland gehörte zur Fortbildung der spanischen Wissenschafter, denn “el camino a la cátedra pasa por Alemania” (Cervós/ Corcó 2000: 38). Der Unterricht der deutschen Sprache an den Gymnasien konsolidierte sich, wobei in den sich immer ändernden Lehrplänen (cf. Utande 1964) alternativ Deutsch oder Englisch als Sprachen der naturwissenschaftlichen Zwei- 1 Die Erfolge der Attraktivität der deutschen Universitäten für ausländische Studenten erkennt man an den Zahlen: 1904 gab es an den deutschen Universitäten doppelt soviel ausländische Studenten wie in Frankreich und den USA zusammen (cf. Schaier 1930: 529). 2 Die Wissenschaftsbeziehungen zwischen dem deutschen und spanischen Sprachraum werden vom Max-Plank-Institut in Berlin aufgearbeitet (cf. Presas 2008); jene mit anderen Ländern von Siebe (2009). 3 Die Ausstellung “Traspasar Fronteras: Un siglo de intercambio científico entre España y Alemania - Über Grenzen hinaus: Ein Jahrhundert deutsch-spanische Wissenschaftsbeziehungen“ von 2010, und das nicht minder beeindruckende Internetportal: http: / / archivojae.edaddeplata.org/ jae_app/ jaemain.html (Stand: 18.5.2015) und der dazugehörende Ausstellungskatalog (Rebok 2010) legen ein umfassendes Zeugnis der Bedeutung der Einrichtung ab. <?page no="246"?> 246 Bernd Marizzi ge verpflichtend waren. Auch an den Universitäten wurde Deutsch unterrichtet, an der Madrider Universidad Central gab es in den Jahren vor dem spanischen Bürgerkrieg deutsche Lektoren wie Hans Jacobs und Georg Sachs (cf. Gimber/ López-Ríos 2008: 390) und in Oviedo war Georg Schiffauer tätig. Mit der Einführung der lenguas vivas in den Lehrplan der Gymnasien (Institutos de Enseñanza Secundaria) in der Epoche des Liberalismus verstärkte sich die Produktion von deutschen Lernergrammatiken. Der Beginn des gestiegenen Interesses an der deutschen Sprache in Spanien fiel zeitlich mit der Hinwendung Spaniens zur deutschen Philosophie zusammen. Bereits die ersten Lehrwerke des Deutschen in Spanien aus der Zeit des Liberalismus unterstrichen durchgehend die Bedeutung von instrumentellen Deutschkenntnissen und wandten sich gleichzeitig gegen “insulsas traducciones hechas del francés á la lengua de Cervantes” (Casey 1846: 7). Wie schon erwähnt, erfolgte der Kontakt Spaniens mit der Philosophie des Deutschen Idealismus über den Import der laizistisch-sozialutopischen Ideen des Philosophen und Freimaurers Karl Chr. Fr. Krause durch Julian Sanz del Río (1814-1869). Obwohl der Forschung nicht bekannt ist, wo Sanz del Río Deutsch gelernt hat, ist es nicht auszuschließen, dass in Madrid Julio Kühn sein Lehrer war, denn dieser bedankte sich bei Sanz del Río für die Unterstützung bei der Redaktion seiner Gramatica Alemana von 1844. Die Bedeutung, die Deutschkenntnissen im Spanien dieser Zeit zugeschrieben wurden, erkennt man schon an dem Umstand, dass die beiden anderen Intellektuellen, die neben Sanz del Río den spanischsprachigen Teil der Grammatik Kühns korrigierten, Juan Eugenio Hartzenbusch und Cayetano Rosell (1817-1883), später zu Direktoren der spanischen Nationalbibliothek bestellt wurden und dass in der bereits erwähnten Academia Alemana-Española im Lauf ihres kurzen Bestandes bedeutende Persönlichkeiten des damaligen spanischen Geisteslebens involviert waren. 6 Generelle fachsprachliche Ausrichtung der Lehrbücher Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war es üblich, die Lernergrammatiken mit einem Anhang zu versehen, in dem nach Sachgruppen geordnete Nomenklaturen angeboten wurden. Meistens beginnen diese mit Gott, den Heiligen und weiterem religiösen Wortschatz und führen über verschiedene Gebiete des alltäglichen Lebens zum wissenschaftlichen und militärischen Wortschatz. Für die deutsche Sprache sind aus Spanien das Vocabulari von 1502, sowie die Lernergrammatiken von Villa 1792 und Casey 1846 als in diesem Sinn ausgerichtete Werke bekannt. Die restliche Produktion aus der Zeit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bringt keine nach Sachgebieten geordnete Nomenklaturen mehr und die Vermittlung der Lexik scheint generell <?page no="247"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 247 nicht vorrangiges Ziel der Lehrwerke zu sein. Die für das Verständnis notwendigen Wörter und ihre Bedeutungen werden entweder in kurzen, jeder Unterrichtseinheit vorangestellten Vokabellisten angeführt (z.B. Fernández de Castroverde 1868: 392ff.), oder Beispielssätze in deutscher Sprache werden im Anschluss auf Spanisch wiedergegeben (z.B. Kühn 1844: 160). Bei längeren Lesetexten erklärt der Autor oft die ihm als schwer erscheinenden Stellen mit Bedeutungsangaben in Klammern im Text (Braun 1864: 93f.) oder mit Fußnoten (Guasch 1914: 60f.). Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erscheinen neben diesen Vokabelgleichungen innerhalb der einzelnen Lektionen vermehrt Vokabellisten als Anhang zum expositiven Teil der Lehrwerke (Araujo 1898: 331-350) bzw. zu den verschiedenen Lesestücken (Pino 1907: 217-330). Im Allgemeinen kommt es aber zu einer Mischung der oben erwähnten Verfahren zur Vermittlung der erforderlichen Lexik. Dieses uneinheitliche System wurde bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beibehalten und findet seinen klaren Ausdruck in der Grammatik von Manzanares (1942). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts diversifiziert sich die Thematik der Lesestücke in den Lehrbüchern und neben den bisher üblichen literarischen Texten finden sich vermehrt fachspezifische Texte. Zum Beispiel bringt García Ayuso (1890) zwar die üblichen Erzählungen, Fabeln und Texte von Lessing, Herder, Schiller, Goethe, Jean Paul und Brentano, darüber hinaus geht er aber auch auf das im Vorwort konstatierte Interesse an Philosophie ein. In diesem Sinn bietet er Texte von Immanuel Kant (Kritik der reinen Vernunft), Auszüge aus einem Handbuch der Philosophie von Greith-Ulber, Texte der Geschichte (Johann von Müller) und Naturgeschichte (H. von Schubert) sowie eine Streitschrift gegen Darwin von Franz Hettinger. Zusätzlich dazu bringt er auch noch Texte zur Urbanität (Knigge) und Handelsberichte der Kölner Handelskammer. Die an Madrider Gymnasien verwendete Anthologie des Gymnasiallehrers Manuel del Pino (Pino 1907) weist eine beachtliche Anzahl von Geschäftsbriefen auf. 7 Lehrwerke in Fachsprachen Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsprechen die ersten spezifisch fachsprachlich ausgerichteten Lehrwerke der zunehmenden Nachfrage nach einer berufs- und fachorientierten Sprachausbildung, die von den Benutzern an die Deutschlehrwerke gestellt werden. 7.1 Militärische Fachsprache Das erste dieser Werke erscheint bezeichnenderweise für Militärs. Für die Kadetten der Militärakademien verfasste 1900 Cesáreo Olavarría Martínez <?page no="248"?> 248 Bernd Marizzi (1863-1947) das erste von drei Lehrbüchern des Deutschen für den Einsatz an der Academia de Administración Militar in Ávila, an der er Deutsch unterrichtete. Eine zusätzliche Novität und ein veritables Kuriosum ist bei den “Deutschen Sprachübungen” der Umstand, dass es eine Tatsache berücksichtigt, die meines Wissens in den bisherigen Darstellungen der Entwicklung des DaF-Unterrichts vernachlässigt worden ist. Der Gebrauch der “Deutschen Schreibschrift (Kurrent)” als graphischer Ausdruck des “deutschen Sonderwegs” muss für ausländische Lerner eine sehr große zusätzliche Erschwernis beim Deutschlernen dargestellt haben. Das Buch ist in deutscher Schreibschrift (Kurrentschrift) gedruckt mit der Absicht, “acostumbrarle [al alumno, B.M.] á la lectura de documentos manuscritos alemanes” (Olavarría 1900: III). 4 Das Werk hat drei Teile - Aufgaben, Briefe und Kriegslieder - weist aber keine grammatikalischen Erklärungen auf. Bei den dreißig Aufgaben folgen auf ein deutsch-spanisches Vokabular Lesestücke zu “asuntos militares que se pueden presentar en el curso de la carrera” (Militärwissenschaft, die Waffengattungen Infanterie, Kavallerie und Artillerie usw.). Briefe und Kriegslieder, mit der “Wacht am Rhein” am Ende, beschließen diesen Teil. Ein “Kleines Wörterbuch militärischer Ausdrücke” steht am Ende des Lehrwerks, wobei die deutschen Wörter in Fraktur und die spanischen in Antiqua gesetzt sind. Im eigentlichen Sinn werden hier keine grammatischen Regeln gelehrt, sondern es geht hauptsächlich um die spezifische Lexik. Es handelt sich also um ein Zusatzmaterial, das es den Lernenden ermöglicht, “sin orden alguno las distintas reglas que ha aprendido en la gramática” (Olavarría 1900: III) anzuwenden. Dieses Fehlen an grammatischen Regeln in fachsprachlich orientierten Lehrbüchern für den Sprachunterricht an den Militärakademien veranlasste Olavarría einige Jahre darauf, seine zweibändige “Gramatica Alemana Militar” (Ollavarría 1905/ Ollavarría 1906) in den Druck zu geben. Als Grund für die Förderung der Deutschkenntnisse unter den Offizieren wird nicht nur die militärische Vorrangstellung des Kaiserreichs angegeben, sondern es steht auch - mit Blick auf das spanische Desaster von 1898 - die Absicht dahinter, Preußens Weg von einem deutschen Kleinstaat zur europäischen Großmacht als Vorbild für eine Erneuerung Spaniens anzunehmen: “Sigamos el ejemplo de Alemania haciéndonos fuertes durante la paz […] pues solamente llegando ser fuertes, es como se nos respetará. […] Trabajemos con ahínco estudiando el idioma alemán para conocer en su verdadera 4 Obwohl das Lehrwerk bei der Librería Internacional de Romo y Füsel in Madrid erschien, wurde das Buch bei F.A. Enpel in Sondershausen (Thüringen) gedruckt, denn in Spanien war es unmöglich, einen Text in deutscher Schreibschrift zu setzen. Für genauere Angaben zu Olavarría siehe Marizzi (2012) und zur Darstellung des Krieges in spanischen Deutschlehrwerken Marizzi (2015). <?page no="249"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 249 fuente la organización de aquel poderoso ejército y los principios que han servido de base para su engrandecimiento […].” (Olavarría 1905: VII f.) Die bisherige Dominanz der Französischkenntnisse wird revidiert: “Hoy no nos podemos contentar conociendo el francés, todo militar español está en la imprescindible obligación de conocer también el idioma alemán, ya que su ejército es el modelo en Europa.” (Olavarría 1905: III) Dem Zielpublikum der Lehrwerke entsprechend ist die Thematik und somit das Vokabular der einzelnen Lektionen in erster Linie dem militärischen Bereich zuzuordnen. Die fachsprachliche Ausrichtung erkennt man von Anbeginn daran, dass bei polysemischen Vokabelgleichungen generell die militärische Bedeutung bevorzugt wird (z.B.: “das Ziel - el blanco”; Olavarría 1905: 16) und auch daran, dass die Beispiele für grammatische Phänomene diesem Bereich zuzuordnen sind (z.B.: die Adjektivdeklination: “der brave Offizier, die schreckliche Schlacht, das schwarze Pulver”; Olavarría 1905: 153). Während die anfänglichen Lesetexte allerdings noch aus zusammenhanglosen Sätzen nach der Methode Ollendorf bestehen (“Der Schütze hat ein Gewehr. Wo waren die Artilleristen? Sie sind nicht hier. Unsere Husaren, Ulanen und Kavalleristen”; Olavarría 1905: 39), werden anschließend zunehmend militärtechnisch ausgerichtete Übersetzungsübungen eingeführt (“In Deutschland sind die zwei Klassen der Berufsoffiziere und der Reserveoffiziere (= im Beurlaubtenstand) streng zu unterscheiden”; Olavarría 1906: 71f.). Im letzten Teil des zweiten Bandes illustrieren die Lese- und Übersetzungsstücke vermehrt die Geschichte des deutsch-französischen Krieges 1870-71 (“König Wilhelm diktierte, auf einem Sattel sitzend, dem Grafen Bismarck die Siegesbotschaft der gewonnenen Schlacht von Gravelotte”; Olavarría 1906: 146). Der Anhang dieses Bandes enthält vier Listen: 1. allgemeinsprachliche feste Ausdrücke und idiomatische Wendungen, 2. Befehle und andere militärische Sätze, 3. Briefmodelle und 4. militärische Abkürzungen. 7.2 Deutsch als Wissenschaftssprache (DaW) Mit dem Interesse der spanischen Wissenschafter an deutschen Fachtexten ergab sich ein neues Lernerprofil, für das neue Übungsmaterialien entstanden. Ab 1916 erschienen in Barcelona mehrere Lehrbücher der wissenschaftlichen Fachsprachen. Ihr Autor, Richard Ratti (Berlin 1873 - Barcelona 1945), hatte 1893/ 1894 am Orientalischen Seminar der Universität Berlin und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in Neapel bei Giulio Gattinoni am Regio Instituto Oriental asiatische Sprachen (Japanisch) studiert. Um 1908 ließ er sich in Barcelona nieder und betrieb dort als Richard Ratti- <?page no="250"?> 250 Bernd Marizzi Kámeke 5 eine Sprachschule mit Unterricht in Deutsch, Englisch, Französisch und Japanisch, an der er die von ihm verfassten Lehrwerke seiner Biblioteca Ratti 6 verwendete (cf. Marizzi 2011b). Abgesehen vom Japanischen war die Art des Angebots typisch für die allgemeine Situation des Fremdsprachenunterrichts im damaligen Spanien: Als erste Fremdsprache wurde wie im ganzen Land Französisch unterrichtet, Englisch war die Fachsprache der Technik, der Textilindustrie und des Handels und Deutsch die Sprache der Wissenschaft: Ejercicios de terminología Médica Alemana (Ratti 1917b), Ejercicios de terminología Química Alemana (Ratti 1923), Terminología Alemana de Derecho y de Ciencias Económicas y Sociales (Ratti 1936). Die grundlegend neue Ausrichtung der Lehrwerke Rattis erkennt man an den beiden ersten Bänden seiner Reihe, die für einen allgemeinsprachlichen Fremdsprachenunterricht konzipiert waren und nach heutigen Begriffen als Übungsgrammatik erste Ansätze zu einer Überwindung der traditionellen Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM) aufweisen. Bei der nach Wortarten geordneten einfachen Grammatik im ersten Band (Ratti 1916) und bei der Erweiterung der Grundlagen des Verbalsystems im zweiten (Ratti 1917a) werden lernerorientiert die vier Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen) geübt. Der praktischen Ausrichtung seiner Lehrwerke entsprechend, behandelt Ratti Fragen der Syntax bei den verschiedenen Übungen und nicht in eigenen theoretischen Abschnitten. Nur am Ende des zweiten Bandes erscheint dann eine auf zwei Seiten gedrängte Zusammenfassung der wichtigsten Satzbauregeln. 5 Richard Ratti hat seinen Namen bald nach der spanischen Norm hispanisiert und den Doppelnamen Richard Ratti-Kámeke (zusammengesetzt aus dem Familiennamen seines Vaters Robert Ratti, Kaufmann und Galanteriewarenhändler, und dem seiner Mutter, Anna Axeline Hermine Kameke) angenommen und mit der spanischen tilde versehen. Im Register des Padrón Municipal de Habitantes de Barcelona erscheint im Jahre 1930 folgende Eintragung: “Sr. Ricardo Ratti Kameke de 57 años de edad, nacido en Alemania, residía en Barcelona, c/ Fontanella 11, 2º,1ª, hacia ya 22 años el 1930. De profesión editor de obras propias. Estado civil viudo.” 6 Für Deutsch bot die Biblioteca Ratti folgende Lehrwerke an, alle Ratti-Kámeke, Richard, Barcelona, [Modesto Berdós]: 1916, ( 4 1923, 6 1932, 7 1935), Gramática y Ejercicios prácticos de Alemán (=Bd. I); 1917a, ( 2 1923, 3 1935), Gramática y Ejercicios de prácticos Alemán, Segunda parte (=Bd. II); 1917b ( 2 1921, 3 1931, 4 1943), Ejercicios de terminología Médica Alemana (=Bd. III); 1918a, (21930), Ejercicios de Correspondencia Comercial Alemana, (=Bd. IV); 1918b ( 2 1930, 3 1941), Cuentos de Grimm. Ejercicios de Lectura Alemana (=Bd. V); 1920, Preguntón Ratti. Ejercicios de Conversación Alemana (=Bd. V); 1923, (21943), Ejercicios de Terminología Química Alemana (=Bd. IX); 1932, Poesías de Goethe: ejercicios de lectura alemana/ con anotaciones musicales, lexicológicas e históricas por (…) (=Bd. XIV); 1936, Terminología Alemana de Derecho y de Ciencias Económicas y Sociales (=Bd. XV); 1945, Ejercicios graduados de Terminología Técnica Alemana (=Bd. XVII). <?page no="251"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 251 In den Einleitungen zu seinen fachspezifischen Lehrbüchern referiert Ratti im Sinne des Neuphilologen Wilhelm Viëtor (1850-1918) die Erfahrungen der Fremdsprachenlerner, dass die praktische Anwendung der Grammatikkenntnisse nicht den gewünschten Erfolg zeige. Konkret klagt Ratti, dass diese “después de haber discurrido largamente por las páginas áridas de la gramática, difícilmente pueden desentrañar el sentido del primer libro de técnica médica alemana de que quieren servirse, por desconocer, con la seguridad que se requiere, el léxico y la sintaxis especiales de la clase de ciencia que desean consultar.” (Ratti 1917b: III) Da nach Ratti der Grund dafür in den mangelnden Kenntnissen der spezifischen Terminologie und Syntax lag, brachte er die oben erwähnten Fachlehrwerke auf den Markt. Doch bei der Behebung dieser Mängel greift Ratti im Gegensatz zu seinen Grundgrammatiken auf die GÜM zurück und einziges Lernziel ist das Leseverständnis in der Fachsprache; es werden daher keine Dialoge geübt. Interessanterweise wird in den ersten beiden Bänden dieses Lehrwerks auch die Übersetzung ins Deutsche gefordert, was angesichts des Schwierigkeitsgrades der Übungstexte die Lerner vor fast unüberbrückbare Schwierigkeiten gestellt haben muss. 7 Der Autor geht ungesagt davon aus, dass fundamentale Deutschkenntnisse bereits vorhanden sind und verzichtet daher auf die geordnete Darstellung der für das Leseverständnis notwendigen Grundgrammatik und beschränkt sich auf die Zusammenstellung eines Korpus an Fachtexten der jeweiligen Disziplin, den er mit Übersetzungshilfen versieht und aus didaktischer Sicht teilweise kommentiert. Inhaltlich behandelt er die grundlegenden Teilgebiete des jeweiligen Fachs (Medizin, Chemie sowie Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften), wobei eine klare fachliche Progression zu verzeichnen ist, die dem Aufbau eines regulären Universitätsstudiums entspricht. Die verschiedenen Lektionen sind mit einem Glossar (Formación de palabras) versehen, in dem das Grundvokabular der jeweiligen Texte eingeführt wird. Im Ejercicio kommt ein deutscher Text, der für diese Lektion vom Verfasser eigens geschrieben wurde und offensichtlich zu übersetzen war, unter Tema findet sich ein spanischer Text, der ins Deutsche zu bringen war, 8 und ein als Lectura bezeichneter Originaltext 9 aus einem deutschen Fachbuch schließt jede Einheit ab. Alle drei Texttypen werden von einem Apparat an Fußnoten 7 Natürlich war er sich dessen bewusst, daher die ausführlichen Hilfen in den Fußnoten, die fast eine Übersetzung sind. 8 Das Medizin- und Chemiebuch bringen die Sektion tema nur bis zur Lektion 29 bzw. 30 und das Rechtsbuch verzichtet ganz auf diese Rubrik, wohl angesichts der Schwierigkeit dieses Übungstyps. 9 Im Medizin- und Rechtsbuch sind die Lesetexte in Fraktur gesetzt (auch noch in der 4. Auflage von 1943), während das gesamte Chemiebuch in Antiqua gesetzt ist. <?page no="252"?> 252 Bernd Marizzi begleitet, in dem weitere Erklärungen zur Wortbildung und zu schwierigen Fragen der Syntax angeboten werden. Im Prinzip sind die Lektionen aller Arbeitsbücher gleich strukturiert und in ihnen dominiert das Hin- und Herübersetzen. In diesen in ihrer Art für Spanien neuartigen Übungsbüchern für Fachsprachen wird klar, dass um 1920 für DaW zwei grundlegende Merkmale konstituierend waren: die Terminologie und die spezifische Syntax. Es ging nicht um Fachwissen, sondern um den Erwerb des fachlichen Begriffs- und Benennungssystems und der sprachlichen Strukturen, die für das Verständnis der deutschen Fachtexte notwendig sind. 10 Während auf dem Gebiet der medizinischen Fachsprache Rattis Lehrbuch im Spanien seiner Zeit keine Nachahmer fand, erschien für die Rechtssprache 1926 in Oviedo eine Gramática alemana especial para juristas von Julián Carlón [Hurtado] (1887-1958) und Georg Schiffauer (1898-1977). Übereinstimmend mit Ratti konstatieren die Autoren im Vorwort: “Del alto valor de la ciencia jurídica alemana no es necesario hablar. […] El conocimiento de sus obras es indispensable para todo jurista ilustrado […] hay un gran número de juristas españoles que lamentan sinceramente que dichas obras no les sean accesibles.” (Carlón/ Schiffauer 1926: 3) 11 Doch in ihrem Aufbau unterscheidet sich das Lehrbuch deutlich von Rattis Rechtsbuch und zwar dadurch, dass die Grundgrammatik vermittelt wird: “hemos compuesto esta Gramática, reducida al extremo sin dejar de ser completa, uniendo íntimamente conocimientos filológicos y jurídicos […]” (3). Für das Studium der deutschen Fachsprache der Juristen werden keine Kenntnisse der deutschen Grammatik vorausgesetzt und ab den ersten Lektionen (Grundelemente der Allgemeinsprache wie Deklination und Konjugation) sind die Beispiele dem Wortschatz des beruflichen und fachlichen Umfelds der Lernenden entnommen (z.B. “ein schiedsrichterliches Verfahren”, 8). Bereits bei den Angaben zu den Modalverben werden zur Erläuterung der Ausführungen in der Fußnote Paragraphen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zitiert (“Sin embargo, en los textos jurídicos se usan uno y otro verbo [müssen sollen, B.M.], indiferentemente como puede verse en los siguientes artículos”, 15). Teilweise werden nach einer Darstellung der als spezifisch fachsprachlich empfundenen grammatischen Besonderheiten (“las más usadas de esta clase en los textos jurídicos son las siguientes [conjunciones, B. M.]”, 34) kürzere Textabschnitte aus juristischen Fachbüchern 10 Beraten ließ sich Ratti beim Chemiebuch von Dr. Paul Götz und José de la Puente Larios, einem Professor der Technischen Mittelschule in Barcelona und späteren Stipendiaten der Junta de Ampliación de Estudios in Deutschland und Frankreich (cf. zu De la Puente: Marín Eced 1991: 285-287). 11 Die Seitenzahlen zu Carlón/ Schiffauer (1926) werden im Folgenden direkt hinter dem Zitat angegeben. <?page no="253"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 253 in zweispaltigen Seitenanordnungen der spanischen Übersetzung gegenübergestellt, um so diese hervorzuheben und besser erklären zu können. An die Grundrisse der deutschen Grammatik schließen sich 13 Originaltexte aus Standardwerken der deutschen Rechtswissenschaften an, die als Vorlagen für Übersetzungsübungen dienen. Sieben von ihnen werden im Buch gelöst, d.h. die spanische Fassung wird - ohne Angabe des Übersetzers 12 - abgedruckt. Andererseits wird mit Hilfe von Fußnoten auf typische Konstruktionen des Wissenschaftsdeutschen hingewiesen: Der nominale Rahmen “der von Anfang an hineingesteckten Kapitalien” (48f.) ist in Anmerkung 10 mit “der … Kapitalien” markiert aber nicht weiter erklärt. In dem elfseitigen, die Grammatik abschließenden Vokabular 13 werden nicht nur Vokabelgleichungen angebotem sondern auch Wortzusammensetzungen, Derivate eines Grundlexems (“Gericht - Gerichtsbarkeit - -gewalt” 71) und Funktionsverbgefüge (“Anschauung f. concepción, consideración; zur - bringen considerar” 67) wobei auch hier anzunehmen ist, dass die besagten Stellen im Präsenzunterricht besprochen und detailliert erklärt wurden. In der Wortschatzarbeit werden generell all diejenigen Bestrebungen vernachlässigt, die beim Lerner eine gewisse Autonomie im Verständnis der juridischen Fachtexte fördern könnten. Besonders auffallend ist der Umstand, dass die für Spanier problemlos zu verstehende Vokabeln wie “Komplex, Objekt, Klasse, Konnossement, Kapital” in Vokabelgleichungen (“Objekt - objeto”, 74) erklärt werden. Gleich nach ihrer Veröffentlichung wurde diese Fachsprachengrammatik von Wenceslao Roces 1927 in der Revista general de legislación y jurisprudencia als “instrumento de trabajo” äußerst lobend rezensiert. 14 7.3 Fachsprache des Handels Neben den bereits erwähnten Gebieten waren Fremdsprachenkenntnisse seit jeher im Bereich der Handelsbeziehungen gefragt und entstanden bis zu einem gewissen Grad gerade aus dem Kontakt mit Sprechern anderer Sprachen, nicht zuletzt, weil die Kenntnis der lingua franca Latein unter Kaufleuten eher unüblich war. Oft genug erfolgte der Erwerb der fremden Spra- 12 Die Übersetzungen dürften von Carlón/ Schiffauer sein. 13 Am Beginn der Grammatik wird darauf hingewiesen, dass die Autoren ein “diccionario jurídico alemán-español” in Arbeit hätten. Dieses ist zwar nie erschienen, aber die Absicht macht es verständlich, dass die Vokabellisten nur das in dem Lehrbuch und den Übersetzungstexten vorkommende Vokabular enthalten. 14 Cf. http: / / www.wenceslaoroces.org/ arc/ roces/ rglj/ gramatica.htm (Stand: 18.05. 2015). Roces hatte an der Universität Oviedo in Recht promoviert, mit einem Stipendium der JAE in Berlin bei Stammler studiert und veröffentlichte 1925 in derselben Zeitschrift den Artikel “Stammler, filósofo del Derecho y civilista”. <?page no="254"?> 254 Bernd Marizzi che durch den direkten Sprachkontakt und erforderte somit keine Hilfsmittel. Doch die Institutionalisierung und damit verbundene Grammatisierung des Fremdsprachenunterrichts in den staatlichen und privaten Schuleinrichtungen förderten auch in Spanien ab dem Beginn des 20. Jahrhundert die Produktion einschlägig orientierter Unterrichtsmaterialien für den Bereich des Handels. Zuvor gab es nur kurze Lesetexte mit wirtschaftlicher Thematik (García Ayuso 1890: 112-119) aber schon bald wurden die generalistischen Lehrwerke mit einem Anhang versehen, in dem verschiedene Textsorten der schriftlichen Handelskorrespondenz erscheinen (cf. King 3 1906). Doch gerade dieser Bereich erfordert, dass diejenigen aktiven Fertigkeiten beherrscht werden, die es dem Lerner ermöglichen, fachspezifische Texte zumindest schriftlich zu produzieren, und so erkennt man bei den entsprechenden Lehrwerken der Handelskorrespondenz die verstärkte Präsenz von Übungen zur Übersetzung ins Deutsche und somit eine Annäherung an einen fachbezogenen Fremdsprachenunterricht. 1914 brachte der Jesuit Antonio Guasch [y Bufí] (1879-1965) eine Antología Alemana. Teoría y práctica del Alemán heraus, die er auf dem Titelblatt als “libro de texto para las clases de comercio y academias de lenguas, utilísimo a comerciantes y viajantes y a propósito para el estudio privado del alemán” bezeichnet. Das drucktechnisch anspruchsvoll gestaltete Werk (verschiedene Typographien in Fraktur und Antiqua, Imitate unterschiedlicher Handschriften in Kurrent und Illustrationen sowohl in Bleisatz als auch als Lithografie) bringt im dritten Teil (Diálogos y cartas) einen sehr ausführlichen Abschnitt über Correspondencia mercantil y práctica de despacho, der noch vor der Zusammenfassung der Grammatik (Morphologie) und der kontrastiv angelegten Darstellung der deutschen Syntax angeordnet ist. Auch in Hinsicht auf die Methodologie weist Guasch Neuerungen und Verbesserungen des bisher angewandten Systems auf. Während er im grammatischen und methodologischen Teil als Beschreibungssprache Spanisch verwendet, sind die stilistischen Ratschläge des Abschnitts zur Handelskorrespondenz in deutscher Sprache gehalten: “Die moderne, deutsche Handelskorrespondenz behält ihren Wortschatz bei, nähert sich aber allmählich dem allgemeinen Briefstil des Privatlebens” (Guasch 1914: 136). Für die Strukturierung und Informationen zum Aufbau des Lehrwerks (Titelüberschriften) sowie Anmerkungen bzw. Fußnoten gebraucht der Autor generell das Spanische. Neu ist auch die Verwendung von authentischem Material für die Geschäftsbriefe: So illustriert zum Beispiel die Textsorte “oferta de máquinas” ein Faksimil der heute noch existierenden Firma Joseph Vögele aus Mannheim, das dann zur Didaktisierung mit Fußnoten versehen wird. Auch der Beispieltext der Bestellung mehrerer Bücher beim Verlag Herder in Freiburg im Breisgau beinhaltet die damals aktuelle religiöse Literatur des Jesuiten- <?page no="255"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 255 ordens (“Schutz- und Trutzwaffen [im Kampf gegen Unglauben und Irrglauben, B. M.] von P. Nilkes”; Guasch 1914: 150). Guasch bringt Beispiele persönlicher Briefe in Kurrent, aber keine Handelskorrespondenz in der deutschen Handschrift. Obwohl die zunehmend fachsprachliche Ausrichtung mancher Lehrwerke den kaufmännischen Schriftverkehr mit deutschsprachigen Ländern als eines der Unterrichtsziele im Curriculum etablierte, scheint aus den Übungen hervorzugehen, dass deutsche Firmen in der Zeit der Jahrhundertwende keinen besonderen Wert auf Handelskorrespondenz in Kurrentschrift mit dem Ausland legten, da sie verstanden hatten, dass die Verwendung der Lateinschrift für nicht im deutschen Sprachraum alphabetisierte Schreiber eine Erleichterung darstellte. Die generellen Unterrichtsziele werden in “Breves nociones de metodología” (Guasch 1914: 235-239) des fünften Teils des Lehrbuchs dargelegt und schließen auch Sprechübungen ein, die sich damit ausdrücklich gegen die alleinige Anwendung der üblichen Grammatik-Übersetzungsmethode wenden. Die Position des Jesuitenpaters Antonio Guasch im Übergang zum modernen Fremdsprachenunterricht (Deutsch teilweise als Beschreibungssprache, Verwendung authentischer Texte, Differenzierung zwischen den verschiedenen Fertigkeiten, Abwendung von der GÜM) erkennt man gut im Vergleich mit den Werken zur Handelskorrespondenz seines Zeitgenossen Richard Ratti-Kámeke, dessen “Ejercicios de Correspondencia Comercial Alemana” (1918/ 2 1930) als Band IV der bereits erwähnten Biblioteca Ratti erschienen. Ratti folgt im Lehrwerk der Handelskorrespondenz der gleichen Struktur wie in seinen Büchern zur Fachsprache der Medizin, der Chemie und des Rechts, denn von den vier Fertigkeiten interessiert ihn in erster Linie das Übersetzen aus dem und in das Deutsche. In Hinsicht auf das vermittelte Fachvokabular erweist er sich als Sprachpurist und schlägt den Ausdruck “Drahtbericht - drahten - drahtlos” (Ratti 1918: 117ff.) in den unterschiedlichsten Kombinationen als Ersatz für “vocablos exóticos” wie Telegramm, telegraphieren und telegraphisch vor. 15 Auf stilistischer Ebene ist er schon bei der Erstausgabe von 1918 vor allem im Spanischen veraltet (“En espera de su pronta contestación quedo de Vd. atto. s. s. q. b. s. m.”; Ratti 1918: 15). 16 Ratti war nicht innovativ, denn in der druckgleichen zweiten Ausgabe von 1930 hat er keine Neuerungen oder Korrekturen eingeführt und verwendet weiterhin dieselben antiquierten, sprachpuristischen Ausdrücke wie “wohlfeil - die Wohlfeilheit: barato - la baratura; das Zweiggeschäft - la sucursal” (Ratti 2 1930: 164 bzw. 166). Dennoch verwendet er - wie Guasch - authentisches Material und bringt einen Geschäftsbrief gerichtet 15 Im spanisch-deutschen Vokabular erscheinen “El capitalista der Geldmann (der Kapitalist)” (Ratti 2 1930: 169). 16 “[…] su servidor que besa su mano [B.M.]” <?page no="256"?> 256 Bernd Marizzi an die Fahrradwerke “Adler”, eine Firma, die in den 1930er Jahren aber schon eher als Hersteller von Autos und Schreibmaschinen bekannt war (Ratti 2 1930: 52). Aus heutiger Sicht ist der fehlende Zeitbezug bei beiden Ausgaben von Rattis Handelskorrespondenz eklatant: Während in der von 1918 kein geringster Hinweis auf den schon 4 Jahre dauernden 1. Weltkrieg zu erkennen ist, kann zum Zeitpunkt der 2. Auflage von 1930 ein Geschäftsbrief aus Swakopmund in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika nur mehr als ein historisches Relikt aus der Zeit des imperialistischen Kaiserreichs oder fehlende Anpassung an den Lauf der Zeit angesehen werden. 17 8 Erweiterung des Angebotes an fachspezifischen Kursen mit importierten Lehrwerken Mit der Öffnung der Franco-Diktatur kam es ab der Mitte der 1960er Jahre auch in Spanien zur Ablösung der vor Ort produzierten Lehrwerke des Deutschen durch ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland erstellte Bücher. Die gleichzeitige Modernisierung des Fremdsprachenunterrichts mit seinen verschiedenen “turns” erweiterte das Angebot der zur Verfügung stehenden Lehrwerke so weit, dass es heute neben der Unzahl an generalistischen kommunikativen Lern- und Lehrmethoden eine große Anzahl von fachspezifisch ausgerichteten kommunikativen Werken für fast alle Berufe gibt. 18 Unter Gebrauch der Beschreibungssprache Deutsch sind diese Lehrwerke normalerweise an ein internationales Publikum gerichtet, das in einem deutschsprachigen Land an einem Sprachkurs teilnimmt und bei dem der Erwerb verschiedener produktiver und rezeptiver Fertigkeiten angestrebt wird. Auf dem Sektor der höheren Bildung etablierten sich Studiengänge der Germanistik an den bedeutenden spanischen Universitäten und an vielen Zentren wurden Deutschkurse sowohl für Hörer aller Fakultäten als auch für Studenten verschiedener Fachbereiche wie Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwesen oder Tourismus angeboten. Einer dieser Kurse wurde für Hörer des Studiengangs Philosophie an der Universidad Complutense von Madrid konzipiert, dessen grundlegende Charakteristiken abschließend dargestellt werden. 17 Noch 1948 bringt ein Lehrbuch der deutschen Handelskorrespondenz Übersetzungsübungen, die mit dem 5. Mai 1945 datiert sind (cf. Sanchís 1948: 30). 18 Unter der Internetseite http: / / www.wirtschaftsdeutsch.de/ bibliographie/ lehrwerke fach.php (Stand: 18.5.2015) finden sich Hinweise auf “Lehrwerke Deutsch für den Beruf“ für die Sparten Tourismus, Einzelhandel, Medizin, Recht, Technik usw. <?page no="257"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 257 9 Deutsch als Fachsprache für Studenten der Philosophie Die Notwendigkeit, philosophische Texte in deutscher Sprache zu verstehen, ergibt sich für spanischsprachige Geisteswissenschaftler aus dem hohen Stellenwert, welcher traditionellerweise der deutschen Philosophie in diesem Land zugeschrieben wird. In den Worten von Ortega y Gasset: “Necesitamos una introducción a la vida esencial. Esto es la primera y la más amplia necesidad. Por eso es menester que toda la instrucción superior española, todas las carreras universitarias, todas las escuelas especiales, exijan el conocimiento del idioma alemán. La cultura germánica es la única introducción en la vida esencial.” (Ortega y Gasset 1911: 209f.) Im konkreten Fall Madrids belegten in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts an DaW interessierte Studenten, Doktoranden und Dozenten am Goethe-Institut kommunikative Deutschkurse mit einer spezifischen Ausrichtung auf geisteswissenschaftliche Inhalte. Nachdem sich sich das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universidad Complutense entschlossen hatte, den Studenten generalistische Deutschkurse an der Fakultät innerhalb des Lehrplans anzubieten, erkannte man, dass ihren Bedürfnissen mit fachspezifischen Lesekursen eher entsprochen wird. Es wurden verschiedene am Benutzer orientierte Materialien erprobt, deren Grundziel die Vermittlung derjeniger rezeptiver Fertigkeiten war, die den Erwartungen der Studierenden entgegenkamen. Dies führte dazu, dass ab dem Jahr 2000 mit Unterstützung der Germanistischen Abteilung die Publikation “Alemán para filósofos” (Esteve Montenegro 1 2000, 2 2006, 3 2007) herausgegeben wurde. Die neuerlichen Änderungen im Studienplan mit dem Übergang zum Bologna-System (4-jähriger Bachelor als Grado und anschließend 1 Jahr Masterstudiengang) im Jahre 2010 19 führten zu einer Verkürzung des Lehrangebots im Studiengang Philosophie und zur Reduktion des obengenannten Lehrwerks zu einem “Alemán básico para filósofos” (Marizzi 1 2012, 2 2013, 3 2014), das aber im Prinzip denselben Grundlinien folgt. Von Anbeginn an war es den Autoren klar, dass angesichts der homogenen Zusammensetzung der Kurse (Universitätslehrgang, fast ausschließlich Nullanfänger mit Spanisch als Muttersprache, große Gruppen und Behandlung von fachlich den Lernenden vertrauten Themen) das Material für diesen studienbegleitenden Deutschunterricht besondere Merkmale aufzuweisen habe, die es von normalen kommunikativ ausgerichteten Lehrwerken 19 In den letzten Monaten des ersten Halbjahres 2015 wird von den zuständigen spanischen Stellen eine neuerliche Reform der Umsetzung des Bologna-Systems zur Sprache gebracht: Die laufenden Änderungen im Schul- und Universitätssystem haben in Spanien Tradition. <?page no="258"?> 258 Bernd Marizzi unterscheiden. Dennoch wurde es nicht versäumt, das Lehrwerk mit einer Zusammenfassung der Grundregeln der deutschen Phonetik beginnen zu lassen, schon deshalb, weil die korrekte Aussprache der Namen der bedeutenden Philosophen und ihrer Werke gewährleistet sein sollte. Da das Hauptinteresse das Verständnis der Fachliteratur der Philosophie ist, erfolgt der Zugang zur Grammatik über die Texte, die fast durchgehend in der originalen Form erscheinen, also kaum bearbeitet sind. Von Beginn an muss den Lernenden vermittelt werden, dass es nicht Ziel des Lesekurses sein kann, längere Passagen in ihrer Gesamtheit zu verstehen, denn dieses totale Lesen würde den Schwierigkeitsgrad der zu vermittelnden Kenntnisse über Gebühr erhöhen und frustrierende Erfahrungen mit sich bringen. Durch Strategien wie Zentrierung auf verständliche Stellen (selegierendes Lesen) wird durchgehend versucht, den Lernenden positive Erlebnisse zu ermöglichen, was das Interesse an der aktiven Teilnahme am Kurs fördert. In dieser Hinsicht ist die Aktivierung des Vorwissens der Lernenden entscheidend für die Erleichterung dieses Zugangs zu den Fachtexten. In dem Arbeitsbuch geht es nicht um die Vermittlung neuer fachlicher oder landeskundlicher Themen sondern darum, über die Beantwortung von Fragen zu einem an sich bekannten Inhalt das Interesse der Kursteilnehmer auf die neue Form - eben in deutscher Sprache - zu lenken, in der an sich Vertrautes erscheint. Die Beschreibungssprache, in der die Arbeitsanweisungen und Erklärungen erfolgen, ist daher Spanisch. Die grundlegend rezeptive Perspektive bewirkte von Beginn an im Vergleich zu generalistischen Lehrwerken eine Neuordnung der Auswahl der grammatischen Themen aufgrund der grammatischen Strukturen und Wortbildungsstrategien, die in akademischen Texten dieser Art vorherrschend sind. Auch die grammatische Progression differenziert den Lesekurs deutlich von generalistischen Lehrwerken. Stichpunktartig können die inhaltlichen Besonderheiten des Lesekurses bezüglich der Reihenfolge und Auswahl wie folgt zusammengefasst werden: (i) innerhalb der Nominalphrase kommt das Genitivattribut vor dem Akkusativattribut, (ii) auf die ausführliche Behandlung der Adjektivdeklination wird zugunsten der Darstellung der Bedeutung des Artikels verzichtet, (iii) die Behandlung des erweiterten Partizipialattributs wird vorgezogen, (iv) bei der Konjugation liegt das Hauptaugenmerk auf der 3. Person Singular und Plural, (v) die Nebensätze und das Passiv erscheinen sehr bald, (vi) uneingeleitete Konditionalsätze werden zusammen mit den Grundlagen der Verbstellung durchgenommen. Die ersten Textsorten des Arbeitsbuches sind Inhaltsverzeichnisse, bestehen also oft aus komplizierten Nominalphrasen. Doch gleich im Anschluss kommen schon Texte aus Verlagsprospekten und Lexika der Philosophie mit vollständigen Sätzen. In Hinsicht auf die Lexik ist eine Sensibilisierung auf “internationale” Wörter und das Verständnis von griechisch-lateinisch geprägten Elementen des Fachwortschatzes eine große Hilfe bei den ersten <?page no="259"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 259 Einheiten. In weiterer Folge geht es darum, durch die Vermittlung der Grundlagen der Wortbildung den Lernenden in die Lage zu versetzen, autonom die Bedeutung wiederholt vorkommender Nominalisierungen zu erschließen. In den Glossaren, die sich an jeden Text anschließen, wird davon ausgegangen, dass die Lernenden selbstständig die spanische Bedeutung derjeniger Ausdrücke ergänzen, die über Kenntnisse der Wortbildungsregeln, Fremdwörter, Kognate und Wortfamilien erschlossen werden können. Die Basistexte der jeweiligen Einheiten konzentrieren sich anfangs sehr stark auf das grammatische Phänomen, das in der jeweiligen Einheit erarbeitet wird. In verschiedenen Übungen werden die Lernenden aufgefordert, bestimmte grammatische Regeln selbst aus dem bereitgestellten, den Basistexten entnommenen Material zu erschließen und einzuüben. Etwas ausführlichere Erklärungen zur Grundgrammatik werden im Anhang angeboten, denn es geht im Sinne einer für den Lernenden nützlichen Progression darum, die jeweils aktuellen Probleme zu lösen, und nicht darum, eine komplette deskriptive Grammatik darzustellen. Gegen Ende des Arbeitsbuches werden die Texte länger: Dahinter steht die Absicht, dass die Kursteilnehmer das eingeübte zielgerichtete Lesen bewusst anwenden sollen und ihre Anstrengungen nicht darauf richten, den gesamten Text zu verstehen (totales Lesen), sondern nur darauf, die Stellen zu finden, in denen die Antwort auf Fragen zum Text vorkommen (selegierendes Lesen). Im Anhang erscheint neben der schon erwähnten knapp zusammengefassten Darstellung der grundlegenden Grammatik der Hinweis auf Internetadressen, die weitere einschlägige Links zu online-Wörterbüchern, online-Grammatiken und einem allgemeinsprachlichen on-line-Lesekurs bieten und so das Nachschlagen, Intensivieren oder Selbststudium ermöglichen. Zusätzliches Übungsmaterial und ein Deutsch-Spanisches Glossar runden das Werk ab. 10 Conclusio Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die deutsche Fachsprache akademischer Texte und der Philosophie im Besonderen im spanischsprachigen Kulturraum traditionell und weiterhin eine Sonderstellung einnimmt. Trotz des allgemeinen Vormarsches des Englischen ist die Kenntnis der deutschen Sprache im akademischen Sektor nach wie vor eine von vielen Studierenden angestrebte zusätzliche Qualifikation. Die nicht zu leugnende Abnahme der Bedeutung des Deutschen als Sprache der Wissenschaft führte zu verstärkten Initiativen des DAAD, des Goethe-Instituts und der Österreichische For- <?page no="260"?> 260 Bernd Marizzi schungsgemeinschaft (ÖFG). Sowohl die Internetportale “DEUTSCH 3.0” 20 und “ADAWIS” 21 als auch Veröffentlichungen wie “Deutsch in den Wissenschaften. Beiträge zu Status und Perspektiven der Wissenschaftssprache Deutsch” (DAAD et al. 2013) verfolgen nicht nur die Absicht, dass die deutsche Sprache in der mehrsprachigen Welt der Wissenschaft überlebt, sondern sind Ausdruck des Bestrebens der Wissenschaftler, unter Benutzung der Muttersprache weiterhin relevant zu bleiben. 11 Bibliographie 11.1 Primärliteratur Araujo, Fernando (1897, 2 1907): Gramática razonada histórica teórico-práctica. Madrid: Suarez Hernando. Braun, Juan Jorge (= Johann Georg Braun) (1864): Nueva gramática alemana. Curso teórico-práctico. Madrid: Librería de A. Duran. Carlón [Hurtado], Julián/ Schiffauer, Georg (1926): Gramática alemana. Especial para juristas. Oviedo: [Imprenta y fotograbado El Carbayón]. Casey, Guillermo (1846): Nueva Gramática teórica y práctica de la lengua alemana. Barcelona: José Tauló. Esteve Montenegro, María Luisa/ Marizzi, Bernd/ Winkow Hauser, Juan Luis (2000): Alemán para filósofos. Madrid: Ediciones del Orto. Fernández de Castroverde, Carlos (1868, 2 1887): Gramática Alemana. Barcelona, [s.n.] / [Tipográfica La Academia]. García Ayuso, Francisco (1890): Versiones Alemanas. Madrid: Administración de la Enciclopedia Católica. García Ayuso, Francisco (1882): Gramática Alemana. Madrid: Academia de Lenguas [Imp. de G. Hernando]. Guasch [Bufí], Antonio (1914): Antología Alemana. Barcelona: [Tipografía Católica]. King, Donato (1897, 2 1900, 3 1906): Gramática alemana: método teórico-práctico. Granada: [Imprenta Puchol]. Kühn, Julio (1840): Constitución de la Academia Alemana-Española. Madrid: [Imprenta de I. Sancha]. Kühn, Julio (1844, 2 1852): Gramática alemana: precedida de un cuadro histórico del origen y progresos de esta lengua. Madrid: Imprenta Nacional. Manzanares [Sampelayo], Manuel (1942): Elementos de Lengua Alemana. Madrid: T. P. A. Marizzi, Bernd/ Ruiz Sanjuán, César (2012): Alemán básico para filósofos. Madrid: Escolar y Mayo. Olavarría Martínez, Cesáreo (1900): Ejercicios de Idioma alemán - Deutsche Sprachübungen. Madrid: Romo y Füssel. Olavarría Martínez, Cesáreo (1905): Gramática Militar Alemana. Primer Curso. Toledo: [Imprenta del Colegio de María Cristina]. 20 Cf. <http: / / www.goethe.de/ lhr/ prj/ d30/ ive/ deindex.htm>, Stand: 18.5.2015. 21 Cf. <http: / / www.adawis.de>, Stand: 18.5.2015. <?page no="261"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 261 Olavarría Martínez, Cesáreo (1906): Gramática Militar Alemana. Segundo Curso. Toledo: [Imprenta del Colegio de María Cristina]. Pino [González], Manuel del (1907): Nuevas versiones alemanas. Madrid: Jaime Ratás Martín. Ratti-Kámeke, Richard (1916, 4 1923, 6 1932, 7 1935): Gramática y Ejercicios prácticos de Alemán (= Biblioteca Ratti 1). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1917a, 2 1923, 3 1935): Gramática y Ejercicios de prácticos Alemán, Segunda parte (= Biblioteca Ratti 2). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1917b, 2 1921, 3 1931, 4 1943): Ejercicios de terminología Médica Alemana (= Biblioteca Ratti 3). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1918, 2 1930): Ejercicios de Correspondencia Comercial Alemana (= Biblioteca Ratti 4). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1923, 2 1943): Ejercicios de Terminología Química Alemana (= Biblioteca Ratti 9). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1936): Terminología Alemana de Derecho y de Ciencias Económicas y Sociales (= Biblioteca Ratti 9). Barcelona: [Modesto Berdós]. Ratti-Kámeke, Richard (1945): Ejercicios graduados de Terminología Técnica Alemana (= Biblioteca Ratti 17). Barcelona: [Modesto Berdós]. Sanchís Candela, Ramón (1948): Lengua Alemana. Correspondencia comercial. Alicante: [Gráficas Gutenberg]. Villa, Antonio de (1792): Gramática de la lengua alemana dividida en tres partes. Madrid: Imprenta Real. 11.2 Sekundärliteratur Álvarez-Pedrosa Núñez, Juan Antonio (1994): La lingüística indoeuropea en España hasta 1939. In: Revista española de lingüística 24/ 1, 49-67. Cáceres Würsig, Ingrid/ Marizzi, Bernd (2010): La Academia Alemana-Española de 1840 de Julio Kühn: relato de un proyecto de colaboración científica y cultural. In: Estudios Filológicos Alemanes 20, 415-436. Cervós, Jorge/ Corcó, Josep 2000: Científicos españoles en la Republica de Weimar. In: Salas, Jaime de/ Briesemeister, Dietrich (eds.): Las influencias de las culturas académicas alemana y española desde 1898 hasta 1936. Madrid/ Frankfurt: Iberoamericana/ Verwuert, 38-41. Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)/ Goethe-Institut (GI)/ Institut für Deutsche Sprache (IDS) (Hgg. 2013): Deutsch in den Wissenschaften - Beiträge zu Status und Perspektiven der Wissenschaftssprache Deutsch. Klett/ Langenscheidt: München. Gimber, Arno/ López-Ríos, Santiago (2008): Los estudios de filología moderna: Alemán. In: López-Ríos, Santiago/ González Cárceles, Juan Antonio (eds.): La Facultad de Filosofía y Letras de Madrid en la Segunda República: arquitectura y Universidad durante los años 30. Madrid: Sociedad Estatal de Conmemoraciones Culturales, 387-392. Glück, Helmut (2013): Die Fremdsprache Deutsch im Zeitalter der Aufklärung, der Klassik und der Romantik. Wiesbaden: Harrassowitz (Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart; 12). <?page no="262"?> 262 Bernd Marizzi Marín Eced, Teresa (1991): Innovadores de la educación en España: Los pensionados en Pedagogía por la Junta de Ampliación de Estudios. [Ciudad Real]: Servicio de Publicaciones de la Universidad de Castilla-La Mancha. Marizzi, Bernd (2006): Frühe Dokumente von DaF in Spanien: die erste deutsche Grammatik in Spanien (1783) und ihr Autor, Raymundo Strauch y Vidal (1760- 1823). In: Deutsch in Lateinamerika. La Habana, Leipzig: ALEG (Asociación Latinoamericana de Estudios Germanísticos). http: / / eprints.ucm.es/ 13946/ (18.5.2015). Marizzi, Bernd (2009): Bemerkungen zu Julius (Julio) Kühn, dem ersten Professor für Germanistik an einer spanischen Universität, und zu seiner Gramática Alemana. In: Hess-Lüttich, Ernest W. B. et. al. (eds.): Kommunikation und Konflikt. Kulturkonzepte der interkulturellen Germanistik. Frankfurt: Lang, 455-478 (Cross-Cultural Communication; 16). Marizzi, Bernd (2011a): Kontrastive Ansätze in der Gramática de la Lengua Alemana (1792) von Antonio de Villa. In: Lavric, Eva et al. (eds.): Comparatio delectat. Frankfurt: Lang, 939-952. Marizzi, Bernd (2011b): Deutsch als Wissenschaftssprache (DaW) in den Lehrwerken des Deutschen für Spanier von Richard Ratti-Kámeke zwischen 1916 und 1943. In: Hess-Lüttich, Ernest W.B. et al. (eds.): Re-Visionen. Kulturwissenschaftliche Herausforderungen interkultureller Germanistik. Frankfurt: Lang, 493-513 (Cross Cultural Communication; 22 = Publikationen der GiG; 16). Marizzi, Bernd (2012): Los primeros profesores de alemán de la Escuela Central de Idiomas (1911 - 1936). In: VII Congreso estatal de Escuelas Oficiales de Idiomas. Madrid: APEOIM. http: / / eprints.ucm.es/ 16392/ (18.5.2015). Marizzi, Bernd (2015): La guerra enseñada: los conflictos bélicos en los manuales de lengua alemana hechos en España antes y después de 1914. In: Revista de Filología Alemana 23, 213-228. Neuner, Thomas (2004): Karl Krause (1781-1832) in der spanischsprachigen Welt: Spanien, Argentinien, Kuba. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. Ortega y Gasset, José (1911): Alemán, latín y griego. In: J. O. y G.: Obras Completas. Revista de Occidente: Madrid 1946-1983, vol. I, 206-210. Pérez-Vitoria, Augusto (ed.) (1985): Enrique Moles: la vida y la obra de un químico español. Madrid: CSIC. Presas y Puig, Albert (2008): On a Lecture Trip to Spain: the Scientific Relations Between Germany and Spain During the Entente Boycott (1919-1926). In: Annals of Science 65/ 4, 529-546. Puig-Samper, Miguel Ángel (2010): Die Anfänge des wissenschaftlichen Austauschs zwischen Deutschland und Spanien. In: Rebok, Sandra (ed.) (2010): Traspasar Fronteras: Un siglo de intercambio científico entre España y Alemania - Über Grenzen hinaus: Ein Jahrhundert deutsch-spanische Wissenschaftsbeziehungen. Madrid: CSIC, 30-53. Roces, Wenceslao (1927): Gramática alemana: especial para juristas. In: Revista general de legislación y jurisprudencia 76, 486-487. http: / / www.wenceslaoroces.org/ arc/ roces/ rglj/ gramatica.htm (18.5.2015). Schaier, Reinhold (1930): Ausländische Studenten an deutschen Hochschulen. In: Doeberl, Michael (ed.): Das akademische Deutschland (III). Berlin: Weller, 523- 542. <?page no="263"?> Deutsch als Fachsprache im spanischsprachigen Kontext 263 Schwinges, Rainer Christoph (2001): Humboldt international: der Export des deutschen Universitätsmodells im 19. und 20. Jahrhundert. Basel: Schwabe. Siebe, Daniela (2009): Germania docet: auslä ndische Studierende, auswärtige Kulturpolitik und deutsche Universitäten 1870 bis 1933. Husum: Matthiesen (Historische Studien; 495). Stegmann, Tilbert Dídac (ed.) (1991): Vocabulari Català-Alemany de l´any 1502 = Katalanisch-deutsches Vokabular aus dem Jahre 1502. Frankfurt am Main: Domus Ed. Europeae. Stoetzer, O. Carlos (1998): Karl Christian Friedrich Krause and His Influence in the Hispanic World. Köln: Böhlau Verlag (Lateinamerikanische Forschungen 25). Ureña, Enrique M. (1991): K. C. F. Krause: Philosoph, Freimaurer, Weltbürger. Eine Biographie. Stuttgart/ Bad Cannstatt: Frommann/ Holzboog (Spekulation und Erfahrung 2; 22). Utande Igualada, Manuel (ed) (1964): Planes de estudio de enseñanza media. Madrid: Dirección General de Enseñanza Media. (= Publicaciones de la revista Enseñanza Media; 425). <?page no="265"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast: ein Beitrag zu Begrifflichkeit, grammatikographischer Beschreibung und lexikographischer Erfassung Alberto Bustos Plaza, Universidad de Extremadura 1 Einleitung Deutsche Fügungen des Typs in Bewegung setzen und spanische Fügungen des Typs poner en movimiento weisen auffällige formale und semantische Ähnlichkeiten auf. Es ist daher wenig überraschend, dass in den letzten Jahren für beide gemeinsame Erklärungen vorgeschlagen wurden. Seit Peter von Polenz' bahnbrechender Studie (1963) werden die deutschen Strukturen in Grammatiken üblicherweise als Funktionsverbgefüge eingestuft. 1 Die Literatur zu diesem Thema ist seit den 1960er Jahren stets angewachsen, sodass sie heute Tausende von Beiträgen umfasst. 2 Da dieser Begriff in der Germanistik zu einer wahren wissenschaftlichen Erfolgsgeschichte geworden ist, lag der Versuch nahe, ihn zu “exportieren”. So fing relativ bald die Suche nach Funktionsverbgefügen in den verschiedensten Sprachen der Welt an, was die romanischen und natürlich auch die spanische Sprache mit einbezog. Im Falle des Spanischen wurde dieser Trend insbesondere dadurch begünstigt, dass in der in Spanien betriebenen Grammatikographie eine auffallende Lücke bei der Erforschung der formal entsprechenden Strukturen, nämlich der Fügungen des Typs poner en movimiento, bestand. Die an der germanistischen Linguistik angelehnten Ansätze leisteten einen bedeutenden Beitrag zu einer tieferen Einsicht in solche spanischen Strukturen. Doch nach mehreren Jahrzehnten der Forschung in diesem Bereich (cf. u.a. Busch 1985, Wotjak 1996, Büttner 1997, Corbacho 2005), scheint es angebracht, innezuhalten, um sich zu fragen, inwieweit es sinnvoll ist, den Begriff des Funktionsvergefüges, der ja ursprünglich auf die deutsche Sprache zugeschnitten war, für die Beschreibung spanischer Verbindungen des Typs poner en movimiento anzuwenden. Andere, auf dem Konzept Kopula- oder Pseudokopulaverb basierende Ansätze erwiesen sich als geeigneter, eine adäquatere Erklärung der spanischen Strukturen zu liefern (z.B. 1 Polenz (1963) hat als Erster von Funktionsverben gesprochen. Der Terminus Funktionsverbgefüge wurde übrigens nicht von ihm sondern von Engelen (1968) eingeführt. 2 Eine einfache Suche bei Google Scholar (28.10.2014) zum Schlagwort Funktionsverbgefüge liefert 1660 Ergebnisse. <?page no="266"?> 266 Alberto Bustos Plaza Fernández Leborans 1999). Cartagena/ Gauger (1989: Bd. 2, 459) wiesen darauf hin, dass Pseudokopulakonstruktionen im Deutschen gerade untypisch wären. Dennoch werden wir einige Randerscheinungen im Bereich der Kopulativität im Deutschen zeigen, die schon deswegen interessant sind, weil sie eventuell Schlüsse zum Zusammenhang zwischen Funktions- und Kopulaverben liefern können. Die lexikographische Behandlung der spanischen Fügungen wird nach wie vor vernachlässigt. Diese Beobachtung steht ebenfalls im Kontrast zur metalexikographischen Auseinandersetzung mit den deutschen Funktionsverbgefügen (z.B. Heine 2006). Die Aufgabe einer verstärkten lexikographischen Berücksichtigung der jeweiligen spanischen Strukturen bleibt bestehen. Wir werden die eventuelle Notwendigkeit einer lexikographischen Behandlung der Strukturen des Typs poner en movimiento erörtern und eine kleine Stichprobe aus drei verschiedenen Online-Wörterbüchern 3 analysieren: DRAE, Clave und LEO. DRAE und Clave sind einsprachige, retrodigitale Wörterbücher, während LEO ein zweisprachiges, von Anfang an als digitales Wörterbuch konzipiertes Werk ist. DRAE setzt als normative Publikation der Real Academia Española den Maßstab für den Wortschatz der Standardsprache im spanischsprachigen Raum. Clave ist zwar als allgemeines, deskriptives Wörterbuch für muttersprachliche Benutzer konzipiert, dient jedoch seit seinem Erscheinen im Jahre 1997 als ELE-Lernerwörterbuch (cf. Maldonado 2012). LEO zeichnet sich dadurch aus, dass es die Möglichkeiten des Web 2.0 vollständig wahrnimmt. Einerseits wird es ständig von der Redaktion durch Benutzerrückmeldung erweitert, andererseits werden lexikographische Artikel durch Links zu Foren mit benutzergenerierten Inhalten bereichert. Diese Benutzerbeiträge ergänzen Angaben der bestehenden Artikel und füllen lexikographische Lücken, wenn ein Artikel fehlt. 2 Funktionsverbgefüge 2.1 Was sind Funktionsverbgefüge? Eine Begriffsbestimmung Wie gerade erwähnt, ist die Literatur zu diesem Thema mittlerweile äußerst umfangreich geworden. Einige Grundlinien sind jedoch seit den Anfängen der Forschung zu Funktionsverbgefügen deutlich erkennbar (cf. Polenz 1963, Engelen 1968; für eine hilfreiche Darstellung der jüngsten Entwicklungen siehe auch Heine 2006). Zusammenfassend können wir Funktionsverbgefüge als komplexe Prädikate charakterisieren, die aus zwei defektiven Elementen bestehen. Einerseits beinhaltet die Fügung ein weitgehend de- 3 Es wurden Online-Wörterbücher gewählt, weil man davon ausgehen darf, dass sie heutzutage von den meisten Wörterbuchbenutzern gegenüber Printwörterbüchern bevorzugt werden. <?page no="267"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 267 semantisiertes Verb, das vor allem seine spezifischeren Bedeutungsmerkmale eingebüßt hat. Es handelt sich meistens um häufig vorkommende Verben allgemeiner Bedeutung wie setzen, stellen, kommen usw. Andererseits finden wir ein abstraktes Substantiv oder Nomen actionis, welchem seiner Semantik nach eher eine verbale Natur zugesprochen wird. Beide Komponenten bringen bestimmte Eigenschaften in das Gefüge ein. Das Verb ist bedeutungsarm, besitzt aber die kategoriale verbale Bedeutung, die dem Substantiv fehlt, und kann deswegen - einem Hilfsverb ähnlich - Kategorien wie Tempus, Person, Modus usw. durch seine Morphologie zum Ausdruck bringen. Das Substantiv trägt seinerseits die spezifischere Bedeutung bei, die dem Verb fehlt. So stehen sie zueinander in einer komplementärer Beziehung und sind in der Lage, als verbale Komponente des Prädikats zu fungieren. Man muss allerdings von vornherein einräumen, dass der Begriff des Funktionsverbgefüges zu den sprachwissenschaftlichen Konzepten zählt, die zwar intuitiv einleuchtend, jedoch nicht problemfrei und vor allem nicht ohne Weiteres operationalisierbar sind. Es ist mindestens seit Helbig (1984) zum Topos der einschlägigen Forschung geworden, in praktisch jeder Studie darauf hinzuweisen, dass es weder eine eindeutige Definition noch einheitliche, klare Abgrenzungskriterien gibt. Der Popularität dieses Begriffs in der Germanistik hat dies keinen Abbruch getan. 2.2 Typen und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Von den zwei Typen, die meistens postuliert werden, genießt nur einer allgemeiner Akzeptanz. Unter (1) und (2) finden wir jeweils ein Beispiel für den ersten und zweiten Typ im Deutschen. Die formal entsprechenden Strukturen existieren auch im Spanischen und sind unter (3) bzw. (4) exemplifiziert: (1) Das Theater brachte das Stück zur Aufführung. (Helbig 1984) (2) Wir nehmen Einfluss auf seine Entwicklung. (Helbig 1984] (3) […] el ruido asusta y pone en movimiento a las reses [...] (Vallejo Nájera: Yo, el rey) (4) Si tú me hicieras esa pregunta, no me quedaría mudo, como tú. (Torrente Ballester: Filomeno, a mi pesar) Der erste Typ umfasst Fügungen wie zur Aufführung bringen, in Bewegung setzen oder zum Ausdruck bringen. Diese bestehen aus einem Funktionsverb und einer Präpositionalphrase, die ein Abstractum als nominalen Nukleus beinhaltet. Die Präposition übernimmt dabei eine verbindende Rolle. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass dieser Typ als Funktionsverbgefüge einzustufen ist. <?page no="268"?> 268 Alberto Bustos Plaza Beim zweiten Typ handelt es sich um präpositionslose Fügungen, die aus einem Verb und einem abstrakten Substantiv bestehen. Als weitere Beispiele dürfen eine Frage stellen, Dank sagen oder Erfolg haben genannt werden. Es ist jedoch umstritten, ob solche Verbindungen überhaupt als Funktionsverbgefüge einzustufen sind. 4 Mindestens seit Írsula (1994) überwiegt der Trend, sie als Kollokationen zu erfassen, was nicht unbedingt eine weitere Kategorisierung als Funktionsverbgefüge ausschließt. Andere Forscher behaupten dagegen, man solle eher Kollokationen und Funktionsverbgefüge als eigenständige, streng getrennte Gruppen betrachten (z.B. Heine 2006). Im vorliegenden Beitrag befassen wir uns ausschließlich mit dem ersten Typ, also mit Fügungen wie in Bewegung setzen/ poner en movimiento. Der zweite Typ weist eine eigene Problematik auf, deren Untersuchung an dieser Stelle zu weit führen würde. Wir verzichten daher auch darauf, die unter (4) exemplifizierten spanischen Entsprechungen weiter zu verfolgen. 5 2.3 Die Ausweitung des Konzepts Funktionsverbgefüge auf die Beschreibung anderer Sprachen Angesichts des Erfolgs der germanistischen Funktionsverbgefügeforschung, lag der Versuch nahe, den Begriff des Funktionsverbgefüges bei der grammatischen Beschreibung weiterer Sprachen zu verwenden. Man bemühte sich dementsprechend in Anlehnung an die Ergebnisse der germanistischen Linguistik, Funktionsverbgefüge in den verschiedensten Sprachen der Welt zu entdecken, was u.a. Russisch (Lehmann/ Leier 1983) und Chinesisch (Yuan 1983) mit einschloss. Für den vorliegenden Aufsatz ist vor allem die Tatsache von Belang, dass die Forschung zu Funktionsverbgefügen auch auf die romanischen Sprachen ausgeweitet wurde. Die romanistische Literatur zu diesem Thema ist mittlerweile auch umfangreich geworden. Wir werden exemplarisch nur einige der ersten Studien nennen: die Untersuchung von Detges (1996) für das Französische, Castell (1999) für das Katalanische, Athayde (2000) für das Portugiesische und Pfleiderer/ Raffa/ Stromboli (2000) für das Italienische. Auch im spezifischeren Rahmen der Hispanistik wurden verschiedene Studien vorgelegt. Die Früheste ist unseres Wissens die Dissertation von Busch (1985). Die Beiträge zur Erforschung der Funktionsverbgefüge in den romanischen Sprachen stammen meistens entweder von deutschsprachigen Romanisten (z.B. Böhmer 1994, Detges 1996) oder von in romanischen Ländern 4 Für eine eher harsche Kritik an der Einstufung der Verb-Substantiv-Verbindungen als Funktionsverbgefüge sowie am Begriff des Funktionsverbgefüges an sich siehe van Pottelberge (2001). Eine Reaktion darauf ist in Eisenberg (2006) zu finden. 5 Für eine ausführliche Untersuchung spanischer verbonominaler Verbindungen des Typs hacer una pregunta siehe Bustos Plaza (2005). <?page no="269"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 269 tätigen Germanisten (z.B. Castell 1999, Corbacho 2005), die mit dem Begriff des Funktionsverbgefüges vertraut sind und von einem komparatistischen Standpunkt aus einen Beitrag zur Erforschung ihrer Muttersprache leisten möchten. Es muss hervorgehoben werden, dass diese Forscher einen wertvollen Beitrag zum besseren Verständnis von traditionell vernachlässigten Strukturen geleistet haben. Die Leistung ist zumindest eine zweifache. Einerseits bahnten diese Arbeiten nachfolgenden Untersuchungen den Weg, indem sie überhaupt die Notwendigkeit der Erforschung solcher Strukturen aufzeigten. Andererseits lieferten sie wertvolle Ergebnisse, was die Syntax, die Semantik und das kommunikative Potential betrifft. Jedoch blieb die Rezeption dieser Studien in Spanien und den anderen spanischsprachigen Ländern leider eher begrenzt, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass diese Arbeiten oft auf Deutsch verfasst wurden (Böhmer 1994, Detges 1996, Castell 1999, Pfleiderer/ Raffa/ Stromboli 2000), einer Sprache, derer spanische Hispanisten i.d.R. nicht mächtig sind. Von der Zweckmäßigkeit solcher Ansätze zeugt jedoch die Tatsache, dass ähnliche wenn auch nicht deckungsgleiche Begriffe aus anderen nationalen Forschungstraditionen doch eine breite Resonanz fanden, allen voran das aus Frankreich stammende Konzept verbe support, d.h. Stützverb (als verbo soporte oder verbo de apoyo ins Spanische übersetzt). 6 Der Erfolg des Begriffs verbe support in der Hispanistik liegt wahrscheinlich nicht nur an den strukturellen Ähnlichkeiten zwischen den zwei romanischen Sprachen Französisch und Spanisch, sondern auch am leichteren Zugang zu den französischen Texten. 3 Pseudokopulakonstruktionen 3.1 Das spanische Kopulasystem Das spanische Kopulasystem zeichnet sich durch hohe Komplexität aus, was schon die wohlbekannte Differenzierung zwischen den zwei Kopulaverben ser und estar erahnen lässt. Das Vorhandensein von zwei Grundkopulaverben, die in verschiedenen Kontexten auftreten, stellt einen wesentlichen Unterschied im Vergleich zum Kopulasystem in anderen Sprachen wie dem Deutschen dar (Cartagena/ Gauger 1989: Bd. 2, 381-382; für die deutschen Kopulaverben Eisenberg 2013: 79-83). Mit den Schwierigkeiten der Aufgabenteilung zwischen ser und estar ist wohl jeder vertraut, der es einmal unternommen hat, Spanisch als Fremdsprache zu lernen oder sich als Lehrer bzw. Forscher mit diesem Unterschied didaktisch oder wissenschaftlich zu beschäftigen. Traditionelle Oppositionen wie essentiell (ser) vs. akzidentell 6 Alonso Ramos (2004) stellt wohl den bedeutendsten Beitrag bei der Einführung des Begriffs verbe support in die hispanistische Sprachwissenschaft dar. <?page no="270"?> 270 Alberto Bustos Plaza (estar), permanent vs. temporär, imperfektiv vs. perfektiv oder allgemeine Norm vs. Individuum erweisen sich als unzureichend, wenn nicht sogar direkt irreführend. 7 Die Kopulaselektion ist vom Prädikativum abhängig. Bei manchen Prädikativa können sowohl ser wie estar auftreten (5 und 6), was eine semantische Opposition bewirkt: (5) Mariano es simpático. (6) Mariano está simpático. Bei anderen Prädikativa dagegen ist ausschließlich entweder ser oder estar möglich (7-10): (7) *Mariano es muerto. (8) Mariano está muerto. (9) El vidrio es reciclable. (10) *El vidrio está reciclable. Kombinatorische Restriktionen lassen sich teilweise auf kategoriale Faktoren zurückführen. So tritt ser nur äußerst beschränkt mit Adverbien auf (11-12): (11) Mariano es indeciso. → Mariano es así. (12) *Mariano es estupendamente. Außer der Proform así (11) und einer Handvoll Adverbien wie mucho, poco, tarde, pronto usw. 8 sind Adverbien bei ser grundsätzlich ausgeschlossen. So kommt z.B. die ganze Klasse der im Spanischen extrem häufigen Adverbien auf -mente nicht in Frage (12). Estar tritt dagegen problemlos mit Adverbien (13) auf. Substantive (14) sind jedoch ausgeschlossen: 9 (13) Mariano está estupendamente. (14) *Mariano está ornitólogo. Adjektive können (von semantischen Restriktionen abgesehen) mit beiden Kopulaverben vorkommen (siehe Beispiele 5, 6, 8, 9 und 11 oben). Wir brauchen noch bessere, feinere Beschreibungen der beiden spanischen Grundkopulaverben und ihrer Opposition. Dieses Problem fand bis- 7 Siehe Silvagni (2013) für eine Zusammenfassung der traditionellen Erklärungen der Opposition ser vs. estar. 8 Bei Adverbien wie lejos, tarde usw. (Eso es muy lejos, Ya es tarde) ist nicht immer erkennbar, ob es sich um echte kopulative oder eher prädikative Fallbeispiele von ser handelt. 9 Substantive treten gelegentlich in Verbindung mit estar auf. Es handelt sich dann meistens um Phraseologismen wie z. B. Mariano está pez “Mariano hat keinen blassen Dunst“. Sonst ergibt sich eine Rekategorisierung des Substantivs als Adjektiv: Mariano está zombi (d.h. Mariano ist nicht ein Zombie, sondern befindet sich in so einem Zustand, als ob er ein Zombie wäre). <?page no="271"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 271 her keine zufriedenstellende theoretische Lösung. 10 Eine klare, operationalisierbare Erklärung der Opposition zwischen ser und estar würde u.a. dem Fremdsprachenunterricht dienen. Es ist also kein Wunder, dass beim jetzigen Stand der Kopulaforschung im Spanischen nur begrenzt Ressourcen und Energie für die Auseinandersetzung mit der Peripherie des Systems übrig bleiben, nämlich für die sogenannten Pseudokopulaverben. Hier finden Fügungen des Typs poner en movimiento ihren Platz. 3.2 Pseudokopulaverben und Abgrenzung des Untersuchungsbereiches 11 Seit Alcina/ Blecua (1975) arbeitet man in der spanischen Grammatikographie mit dem Begriff Pseudokopulaverb 12 (verbo pseudocopulativo). Pseudokopulaverben (16, 17) verbinden ähnlich wie ein Kopulaverb (15) ein Subjekt 13 mit einem Prädikativum: (15) [Mariano] Subj está [contento] Präd (16) [Mariano] Subj se puso [contento] Präd (17) [Mariano] Subj sigue [contento] Präd Es handelt sich um Verben wie poner(se), hacerse, salir, volver(se), seguir, continuar usw. 14 Anders als bei echten Kopulaverben sind sie nicht semantisch leer. Außer der verbindenden Funktion bringen sie irgendeinen, meistens aktionsartenbezogenen, zusätzlichen Wert in die Äußerung ein. Laut Cartagena/ Gauger (1989: Bd. 2, 459) fehlen solche Pseudokopulaverben fast ganz im Deutschen. Das stellt einen weiteren Unterschied dar, was das Kopulasystem der beiden Sprachen betrifft. Trotzdem werden wir versuchen zu zeigen (3.5), dass die Abwesenheit von Pseudokopulakonstruktionen im Deutschen keine absolute ist. Das ist von Belang für die Beziehung zwischen Voll-, Kopula- und Funktionsverben. Basierend auf der Differenzierung der beiden Grundkopulaverben finden wir ein duales Pseudokopulasystem im Spanischen: Pseudokopulaverben stehen so wie Trabanten in der Laufbahn der Grundkopulaverben. Jedes 10 Eine hilfreiche Gesamtdarstellung des Bereichs der Kopulativität im Spanischen ist bei Fernández Leborans (1999) zu finden. Für die jüngsten Entwicklungen siehe Silvagni (2013). 11 Für ausführlichere Informationen zum in diesem Abschnitt behandelten Inhalt siehe Bustos Plaza (2007, 2013). 12 Manchmal ist auch die Rede von verbos semicopulativos. 13 Bei manchen Verben wie poner und tener tritt ein Objektanstatt eines Subjektprädikativums auf. Mehr dazu unter Abschnitt 3.3. 14 Im vorliegenden Aufsatz befassen wir uns ausschließlich mit den repräsentativsten Pseudokopulaverben. Außer den im Folgenden genannten Verben gibt es noch andere wie caer, conservarse usw., die einen eher peripheren Charakter und eine eigene Problematik aufweisen. <?page no="272"?> 272 Alberto Bustos Plaza Pseudokopulaverb steht spezifisch in Bezug zu einem der beiden Grundkopulaverben. So finden wir z.B. um ser Verben wie hacerse, salir und volverse (18-21): (18) Mariano es talibán. (19) Mariano se hizo talibán. (20) Mariano salió talibán. (21) Mariano se volvió talibán. Das Subsystem von estar ist breiter gefächert und schließt Verben wie ponerse, seguir, mantenerse und tener ein (22-26): (22) El coche está caliente. (23) El coche se puso caliente. (24) El coche sigue caliente. (25) El coche se mantiene caliente. (26) El coche tiene el motor caliente. Auffällig ist die Abwesenheit eines werden-Äquivalents im System. Das Verb devenir ist zwar theoretisch im spanischen Wortschatz vorhanden. Es findet jedoch tatsächlich kaum Anwendung, außer vielleicht im extrem gehobenen Stil und in Texten aus Disziplinen wie der Philosophie. 15 Sein Platz wird von konkurrierenden Verben wie hacerse, volverse, ponerse, quedarse besetzt. Wann genau ponerse anstatt quedarse oder hacerse anstatt volverse selegiert wird, ist eine wichtige Frage sowohl für die adäquate Beschreibung des Spanischen wie auch für angewandte, z.B. am Fremdsprachenunterricht orientierte Nachschlagewerke. 16 Pseudokopulaverben teilen mit den Grundkopulaverben ihren problematischen, schwer fassbaren Charakter. Dieser wird durch ihre hohe Anzahl noch verstärkt. Für den vorliegenden Aufsatz sind grundsätzlich die auf estar bezogenen Verben von Belang, denn sie sind diejenigen, die den deutschen Funktionsverbgefügen am nächsten stehen. Wir werden uns dementsprechend im Folgenden auf sie konzentrieren. 15 Das Verb devenir ist nicht eigentlich aus dem Gebrauch gekommen. Es hatte nie eine breite Verwendung und gehört nicht zum Stammwortschatz des Spanischen, sondern wurde erst im 19. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt (cf. Corominas 1973). 16 Als Versuch einer Annäherung an die Frage der Pseudokopulaselektion kann Morimoto/ Pavón (2007) gennant werden. <?page no="273"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 273 3.3 Pseudokopulaverben im Subsystem von estar Die wichtigsten Pseudokopulaverben im Subsystem von estar sind andar, encontrar(se), hallar(se), continuar, permanecer, seguir, quedar(se), mantener(se), ponerse, dejar und tener. Bei diesen Verben sind eine intransitive und eine transitive Klasse erkennbar. 17 Intransitive Pseudokopulaverben verbinden ähnlich wie estar ein Prädikativum mit einem Subjekt. Transitive Pseudokopulaverben führen ihrerseits in das Kopulasystem die Möglichkeit ein, ein Prädikativum mit einem direkten Objekt in Verbindung zu bringen: (a) Intransitive Pseudokopulaverben: Hier finden wir neben estar selbst andar, encontrarse, hallarse, continuar, permanecer, seguir, quedarse, mantenerse und ponerse. Die Beispiele unter (27) und (28) veranschaulichen exemplarisch diese Klasse: (27) Entonces no habrá asilo [...], es una lástima, pero algo más trascendental anda en juego. (Mendoza: El año del diluvio) (28) Se trataba de informarme de la importancia de las carreras en la vida social inglesa y de la conveniencia de que yo asistiese a ellas, al menos una vez, para lo que se ponían a mi disposición. (Torrente Ballester: Filomeno, a mi pesar) (b) Transitive Pseudokopulaverben: Diese Klasse ist weniger umfangreich. Sie schließt auf jeden Fall die Verben dejar, mantener, tener und poner ein. (29) und (30) illustrieren diese Klasse: (29) En ese momento, un apagón dejó la casa a oscuras [...]. (Marsé: La muchacha de las bragas de oro) (30) Yo te sería fiel y pondría mi cuerpo a tu disposición para que engendrases hijos [...]. (Torrente Ballester: Filomeno, a mi pesar) Es besteht ein Paralellismus zum System der deutschen Funktionsverben, denn auch hier finden wir transitive (bringen, setzen) und intransitive (kommen, geraten) Verben (Engelen 1968: 293-302). Es gehört schon zur grammatikographischen Tradition des Spanischen zu behaupten, man sollte bei diesen Verben einen Unterschied zwischen prädikativen Verben räumlicher Bedeutung (31) und gleichlautenden pseudokopulativen Entsprechungen (32) machen. Letztere wären grammatikalisierte, desemantisierte Versionen der Ersteren. (31) Ring comprendió que estaba en un matadero clandestino [...]. (Fernández Flórez: La novela número 13) 17 Näheres über Klassen im Subsystem von estar ist bei Bustos Plaza (2007) zu finden. <?page no="274"?> 274 Alberto Bustos Plaza (32) La noche estaba en calma, dormida bajo el hielo [...]. (Llamazares: La lluvia amarilla)] Die Unterscheidung muss allerdings nicht absolut sein. Für Fernández Leborans (1999) ist sie im Falle der spanischen Pseudokopulaverben fragwürdig. Zwischen den angeblichen Homonymen bestehen enge semantische, syntaktische, lexikalische und implikative Parallelismen (siehe Bustos Plaza 2007, 2013), die eher auf eine metaphorische Übertragung hindeuten, wobei die konkrete räumliche Bedeutung lediglich abstrakt wird. Es wäre daher angebracht, die strenge Differenzierung aufzugeben und eher davon auszugehen, dass es sich um die gleichen Verben handelt, die einfach in verschiedenen Kontexten auftreten, was Anlass entweder zu einer wörtlichen oder einer übertragenen Lesart gibt. Bei den deutschen Verben wird seit Polenz (1963) in ähnlicher Weise davon ausgegangen, dass es Homonymenpaare von Funktions- und Vollverben gibt. Dennoch wurde diese Differenzierung oft, wenn auch nicht ganz aufgegeben, zumindest jedoch nuanciert (schon bei Engelen 1968 und Helbig 1984). 3.4 An der Peripherie der Peripherie Angesichts der Tatsache, dass bisher kein einigermaßen zufriedenstellendes Verständnis der beiden Grundkopulaverben ser und estar erreicht wurde, ist es verständlich, dass Pseudokopulaverben nur ein begrenztes Ausmaß an Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ser und estar stellen ja das Zentrum des Kopulasystems im Spanischen dar, wobei Pseudokopulaverben lediglich an der Peripherie stehen. Es ist auch kein Wunder, dass Fügungen wie poner en movimiento noch weniger Interesse erweckt haben, denn sie stehen an der Peripherie der Peripherie: Sie stellen nur eine der nicht gerade typischen Möglichkeiten zur kategorialen Füllung des Prädikativums bei Pseudokopulasätzen im Subsystem von estar dar. Sie sind aber schon deswegen interessant, weil sie illustrieren, inwieweit das Problem der Kopulativität im Spanischen extrem komplex ist. Es wird mit der Untersuchung der verbalen Seite, d.h. des Systems von Kopula- und Pseudokopulaverben, bei Weitem nicht erschöpft. Es bleibt zumindest noch die Frage nach der kategorialen Füllung des Prädikativums offen. Es kommen bei estar und den weiteren Verben in seinem Subsystem jedenfalls folgende Kombinationsmöglichkeiten beim Prädikativum infrage: a) Adjektiv, b) Adverb, c) Präpositionalphrase und d) Nebensatz. Am typischsten sind zweifellos Adjektive so wie in Beispiel (33). Die anderen Möglichkeiten (34-36) kommen aber auch häufig vor: (33) La noche estaba serena y ella se cogió de su brazo. (Merino: Novela de Andrés Choz) <?page no="275"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 275 (34) [...] estaba bien que fuéramos amigos. (García Morales: La tía Águeda) (35) Sí, todo estaba en orden. (Merino: La orilla oscura) (36) Estaba que no podía levantarme. (Mañas: Historias del Kronen) Fügungen des Typs poner en movimiento, die oft als spanische Funktionsverbgefüge erfasst wurden, sind eigentlich nichts anderes als Pseudokopulasätze, wo die Funktion des Prädikativums von einer weniger typischen Kategorie erfüllt wird - nämlich der einer Präpositionalphrase (Fernández Leborans 1999, Demonte/ Masullo 1999). Der Bereich der Kopulativität ist im Spanischen breiter und stärker ausdifferenziert als im Deutschen. Kopula- und Pseudokopulaverben sind deshalb in der Lage, Funktionen zu übernehmen, die im Deutschen in einem speziellen, gesonderten Bereich angesiedelt sind, nämlich dem der Funktionsverben. 3.5 Pseudokopulaähnliche Konstruktionen im Deutschen? Wie oben erwähnt, sind Pseudokopulakonstruktionen für das Deutsche gerade untypisch (Cartagena/ Gauger 1989: Bd. 2, 459). Das bedeutet aber nicht, dass sie ganz fehlen. Das Vorhandensein von peripheren, den spanischen Pseudokopulakonstruktionen ähnlichen Erscheinungen liefert einen weiteren Beweis dafür, dass dieser Bereich einfach in beiden Sprachen anders gestaltet ist. Zum Ausdruck von vergleichbaren semantischen Inhalten werden in der einen Sprache vorzugsweise Pseudokopulakonstruktionen, in der anderen Funktionsverbgefüge herangezogen. Fuhrhop (2007: Kap. 4) stellt fest, dass Funktionsverben wie stellen auch in der Lage sind, Adjektive als Ergänzung zu nehmen. Sie nennt Beispiele wie warm, schlecht, zufrieden stellen usw. Der Verbindungspotential sei zwar begrenzt und manche Verbindungen (sicher-, bloß-, freistellen) gelten als lexikalisiert. Dennoch räumt die Autorin ein, dass eine gewisse Verwandtschaft zwischen Funktions- und Kopulaverben besteht. Funktionsverben seien zwischen Voll- und Kopulaverben angesiedelt. Sie fragt sich, ob der Begriff des Funktionsverbs nicht ausgedehnt werden sollte, um diese Verbindungen mit einzubeziehen. Dennoch liegt die Ähnlichkeit mit den spanischen Pseudokopulakonstruktionen auf der Hand. Es ist nicht schwer, weitere Beispiele dieses begrenzten Kombinationspotentials von Funktionsverben mit Adjektiven zu nennen. Wir finden Fügungen wie kalt setzen, sauber bringen, offen stehen, gefangen geraten usw.: (37) Gelatine in kaltem Wasser einweichen, anschließend im heißen Sud auflösen und kalt setzen. (Ulrich Koglin: Landpartie - Das Kochbuch) (38) Die bis Anfang der 50er Jahre auf dem Markt befindlichen Waschmaschinen konnten diese Wäsche in einem Waschgang oder auch zweien <?page no="276"?> 276 Alberto Bustos Plaza nicht sauber bringen. (Josef Kurz: Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege) Wir finden auch weitere Beispiele von lexikalisierten, zu trennbaren Verben gewordenen Verbindungen wie freisetzen, bereithalten, bereitstehen, festsetzen usw.: (39) Das Essen hat bereitgestanden. (Duden Online) Das Potenzial zur Bildung von Pseudokopulakonstruktionen ist anscheinend im Deutschen ähnlich wie im Spanischen vorhanden. Der Unterschied besteht wahrscheinlich darin, dass es für diese letztere Sprache eine zentrale, hochentwickelte, extrem typische Möglichkeit ist, während es für die Erstere lediglich eine periphere Erscheinung darstellt. 4 Lexikographische Erfassung Die lexikographische Erfassung deutscher Funktionsverbgefüge erregte großes Interesse (u.a. Polenz 1989; Heine 2006, 2008). Was die spanischen Pseudokopulakonstruktionen betrifft, finden wir jedoch eine ähnliche Lage wie bezüglich der grammatikographischen Darstellung. Es bleibt also praktisch alles noch zu tun, sowohl auf lexikographischer als auch auf metalexikographischer Ebene. Die folgenden Überlegungen möchten einen bescheidenen Beitrag zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der lexikographischen Erfassung dieser Strukturen leisten. Man sollte hierbei zwei Ebenen differenzieren: a) die Präpositionalphrase und b) die Gesamtfügung. 4.1 Präpositionalphrase Phrasen mit den Präpositionen en, a, de, con und sin kommen häufig sowohl innerals auch außerhalb von Pseudokopulakonstruktionen vor (cf. Bustos Plaza 2006). Hier einige Beispiele, in denen sie als Prädikativum in Verbindung mit einer Pseudokopula auftreten: (40) Como si lo supiera y no quisiera asustar a Leticia, deja en reposo las mangas [...] (Torrente Ballester: Yo no soy yo, evidentemente) (41) [...] de pronto, Román me dejó a oscuras [...] (Laforet: Nada) (42) Que sí, hombre, que estamos de acuerdo. (Martín Gaite: Entre visillos) (43) […] di que no andes con miramientos y traétela como sea. (Sánchez Ferlosio: El Jarama) (44) Todo lo que te hayan contado de mí y de aquel chico [...] me tiene completamente sin cuidado [...] (Marsé: Últimas tardes con Teresa) <?page no="277"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 277 Manche Präpositionalphrasen weisen einen bestimmten Fixiertheitsgrad auf (cf. Bustos Plaza 2006). Das ist im Prinzip mit allen vorkommenden Präpositionen möglich. Es wird dennoch bei Phrasen mit der Präposition a besonders auffällig. Mögliche Fixierungserscheinungen sind vor allem das Ausgeschlossensein des Artikels (45), die Unmöglichkeit der Modifizierung des Substantivs durch Adjektive (46), die Möglichkeit der Modifizierung der Phrase als Ganzes durch Intensifikatoren (genauso wie bei Adjektiven) (47), das Vorkommen von Substantiven wie trasmano (48), die ausschließlich innerhalb der infrage kommenden Phrase und sonst nirgendwo zu finden sind, oder das Vorhandensein eines unvorhersagbaren Plurals beim Substantiv (49): (45) [...] estuvo a cargo del gobierno primero su abuelo, y luego su tío-abuelo [...] (Ayala: San Juan de Dios) (46) *Estuvo a absoluto cargo del gobierno. (47) Te llamo porque no me quedé muy a gusto después de ayer... (Mañas: Historias del Kronen) (48) Quedaba un poco a trasmano, después de un césped y junto a un bosquecillo [...] (Torrente Ballester: Yo no soy yo, evidentemente) (49) la habitación de doña Gloria estaba a oscuras [...] (Landero: Juegos de la edad tardía) Diese und weitere Fixierungserscheinungen können sich vereinzelt oder in verschiedenen Kombinationen bei den mit a gebildeten Präpositionalphrasen manifestieren. Sie deuten auf eine mehr oder weniger fortgeschrittene Lexikalisierung der Fügung hin, was allein eine Aufnahme ins Wörterbuch rechtfertigt. Die Fixierung kann mit Idiomatisierung einhergehen so wie bei a vueltas “kämpfend”: (50) Parece mentira que usted y yo andemos a vueltas siempre con lo mismo [...] (Cela: La colmena) Manchmal weisen die Fixierungsphänomene eine subtilere Natur auf und werden erst durch einen Vergleich zwischen verschiedenen, tatsächlich vorhandenen und nicht vorhandenen Präpositionalphrasen ersichtlich. So finden wir z.B. im Bereich der menschlichen Fortbewegungsmöglichkeiten eine ganze Reihe von Präpositionalphrasen mit a wie a gatas, a rastras, a la pata coja, a saltos usw., die in Kontrast mit de puntillas stehen. Die Präpositionen sind natürlich nicht austauschbar: *de gatas, *a puntillas. Man kann im Spanischen von tráfico de vehículos und circulación de vehículos reden. Es ist trotzdem nur Los vehículos están en circulación und nicht *Los vehículos están en <?page no="278"?> 278 Alberto Bustos Plaza tráfico möglich. 18 Wir sehen also, dass nicht alle im Prinzip möglichen Kombinationen tatsächlich vorhanden sind. Oft werden manche nicht vorhersagbaren Kombinationen von den Sprechern bevorzugt, was uns an den Bereich der Kollokationen annähert. Mit oder ohne theoretische Begründung waren diese Phänomene den Lexikographen lange bekannt. Dies zeigt sich darin, dass manche der infrage kommenden Präpositionalphrasen - wenn auch nur auf unsystematische Weise - in unterschiedlichen Wörterbüchern des Spanischen aufgenommen wurden, wie die Tabelle 1 anhand einer kleinen Stichprobe bei DRAE, Clave und LEO beweist (+ = vorhanden, - = nicht vorhanden). Tabelle 1: Präpositionalphrasen in ausgewählten Wörterbüchen DRAE CLAVE LEO A oscuras + + + A ciegas + + + Al corriente + + + En marcha + - + En pie + + + A la contra + - - En contra + + + A las órdenes + - - En orden + - + En espera + + + En busca - - + En movimiento - - + A la espera - + + En camino - - + En compañía (de) - - + Gesamt 10/ 15 7/ 15 13/ 15 Die Behandlung der Präpositionalphrasen scheint beim digitalen Wörterbuch LEO am vollständigsten zu sein. Das mag daran liegen, dass dieses Wörterbuch ständig durch Rückmeldungen der Benutzer erweitert wird. Oft sind auch in den dazugehörenden Foren benutzererstellte Diskussionen und Erläuterungen zu finden (so z.B. bei en espera). 19 Diese Forenbeiträge füllen teilweise Lücken im Wörterbuch und ergänzen den Inhalt von bestehenden lexikographischen Artikeln. Das traditionelle, altehrwürdige DRAE schneidet beim Vergleich auch nicht schlecht ab. Das ist schon deswegen interes- 18 Es sei denn, man verwendet en tráfico als umgangsprachliche Abkürzung für en la Dirección General de Tráfico, was eine ganz andere Bedeutung hat. 19 Cf. http: / / dict.leo.org/ (letzter Zugriff: März 2015). <?page no="279"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 279 sant, weil es davon zeugt, dass die (teilweise) lexikalisierte Natur mancher Präpositionalphrasen den spanischen Lexikographen eigentlich schon lange bewusst war. Die Ergebnisse sind bei Clave eher bescheiden, was auch daran liegen mag, das es sich um ein kompaktes, in seiner Printversion knapp 2000 Seiten umfassendes Wörterbuch handelt. Idealerweise sollten Wörterbücher mindestens diejenigen Präpositionalphrasen auflisten, deren Vorhandensein und Form nicht vorhersagbar sind. Das wäre für die zweisprachige- und einsprachige Lernerlexikographie (und im Allgemeinen für jedes produktionsorientiertes lexikographisches Werk) von besonderer Bedeutung. Diese Präpositionalphrasen sind meistens semantisch transparent und bereiten daher keine besonderen Probleme beim Verstehen. Die Schwierigkeiten liegen insbesondere für Nicht-Muttersprachler eher darin, zu wissen, ob eine bestimmte Fügung gängig ist. 4.2 Gesamtfügung Bei der Gesamtfügung sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) fixierte und b) nicht fixierte Fügungen. Manche Fügungen haben Fixierungsprozesse durchlaufen, die möglicherweise mit Idiomatisierung einhergehen. Als Beispiel können wir poner en solfa (“ins Lächerliche ziehen”) nennen: (51) El Rey, la Reina y el general Berenguer eran puestos en solfa de las formas más chuscas. (Leguina: Tu nombre envenena mis sueños) Solche Verbindungen gehören aufgrund ihrer Unvorhersagbarkeit und semantischen Undurchsichtigkeit ins Wörterbuch. Das genannte Beispiel ist in DRAE und Clave unter solfa verzeichnet. LEO beinhaltet keinen lexikographischen Artikel zu diesem Ausdruck. Eine Suche nach solfa liefert nichtsdestoweniger einen Link zu einem Forumbeitrag, 20 wo der Ausdruck übersetzt und erläutert wird. So wird dem Suchenden da, wo das Wörterbuch nicht mehr ausreicht, durch benutzergenerierten Inhalt geholfen. Schwieriger ist die Frage, wie man bei nicht idiomatisierten, nicht einmal fixierten Pseudokopulakonstruktionen vorgehen sollte, z.B. andar con cuidado, dejar en ridículo, poner en movimiento, usw. Wenn diese regelmäßig - d.h. nach gewissen Regeln - gebildet werden, gehören sie grundsätzlich nicht ins Wörterbuch. Es wäre eher Aufgabe der Grammatik, die zugrundeliegenden Regularitäten zu beschreiben. Die Frage ist dann, inwieweit sie doch regelmäßig sind. Bybee/ Eddington (2006), die sich mit der Pseudokopulaselektion im Spanischen befassen, plädieren für ein auf prominente Beispiele und Frequenz basierendes Modell und argumentieren, dass Muttersprachler neue Instanzen von Pseudokopulakonstruktionen nicht nach Regeln bilden. Stattdessen würden sie die neuen Bildungen je nach Ähnlichkeit bekannten, 20 http: / / dict.leo.org/ (letzter Zugriff: März 2015). <?page no="280"?> 280 Alberto Bustos Plaza hochfrequenten Beispielen zuordnen, sodass ihnen die Kenntnis von vertrauten Beispielen eine Entscheidung darüber erlaubt, zu welchem Verb welches Prädikativum gehört. Pseudokopula-Prädikativum-Fügungen würden sich so in Clustern organisieren. Je größer die Cluster, desto einfacher die Anordnung neuer Bildungen an das eine oder das andere. Dieser Ansatz ist vor allem für die zweisprachige- und einsprachige Lernerlexikographie relevant. Sprachlerner verfügen über keine mit der eines Muttersprachlers vergleichbare Kenntnis des Exemplarischen, Frequenten usw., so dass Entscheidungen, die aufgrund einer nur begrenzten Basis getroffen werden, von denen der Muttersprachler abweichen könnten. Wir haben noch eine weitere kleine Stichprobe von zehn Verb-Präpositionalphrase-Verbindungen gezogen, um herauszufinden, ob solche Pseudokopulakonstruktionen in unsere drei ausgewählten Wörterbücher aufgenommen wurden (Tabelle 2). Tabelle 2: Pseudokopulakonstruktionen in Wörterbüchern DRAE Clave LEO andar con cuidado + (nur als Beispiel) - + dejar en suspenso - + (nur als Beispiel) estar en venta - - + mantener en secreto - - + permanecer al acecho - - poner en movimiento - - + ponerse a salvo - - + quedar en ridículo + - + seguir en contacto - - tener en regla - + (nur als Beispiel) - Gesamt 2/ 10 2/ 10 6/ 10 Am vollständigsten erscheint noch einmal das digitale zweisprachige Wörterbuch LEO. Diesmal ist der Unterschied zu den retrodigitalen, einsprachigen Werken noch auffälliger. Wenn man bedenkt, dass das Verzeichnis bei LEO durch Benutzerrückmeldung erweitert wird, liefert das einen Hinweis dafür, dass die Benutzer diese Information nützlich finden. Offensichtlich besteht in der zweisprachigen Lexikographie ein Bedürfnis nach der Auflistung solcher Kombinationen. Muttersprachler brauchen diese lexikographische Information wahrscheinlich nicht (oder vielleicht nur in geringerem Ausmaß), was seinerseits eine Erklärung dafür liefert, warum sie in <?page no="281"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 281 den zwei ausgewählten einsprachigen Wörterbüchern kaum Beachtung findet. 5 Schlussbemerkung So groß die Ähnlichkeiten zwischen deutschen Funktionsverbgefügen und spanischen Pseudokopulakonstruktionen auch erscheinen mögen, eine Differenzierung zwischen den beiden ist angebracht. Die Forschung zu Funktionsverbgefügen hat einen bedeutenden Beitrag zur Untersuchung der spanischen Strukturen geleistet. Die Adäquatheit der grammatikographischen Beschreibung kann trotzdem dadurch erhöht werden, dass die Spezifika der spanischen Sprache und insbesondere die komplexe Natur ihres Kopulasystems berücksichtigt werden. Die bei der Untersuchung der Pseudokopulakonstruktionen gewonnenen Einsichten sollten auch auf die (meta)lexikographische Erfassung der spanischen Pseudokopulakonstruktionen ausgeweitet werden. In der Praxis scheinen ein- und zweisprachige Wörterbücher darin übereinzustimmen, dass (teilweise) fixierte Präpositionalphrasen verzeichnet werden sollten. Was die Ebene der Gesamtfügung betrifft, scheint das Bedürfnis einer Auflistung dringender bei der zweials bei der einsprachigen Lexikographie zu sein. Die Bedürfnisse von Muttersprachlern und Fremdsprachlernenden sind unterschiedlich, was Pseudokopulakonstruktionen betrifft, und genau das sollte sich auch in der lexikographischen Praxis widerspiegeln. 6 Bibliographie Athayde, Maria Francisca de (2000): A estrutura semântica das construções com verbo-suporte preposicionadas do português e do alem-o. Dissertation. Coimbra: Universidade de Coimbra. Alcina, Juan/ Blecua, José Manuel (1975): Gramática española. Barcelona: Ariel. Alonso Ramos, Margarita (2004): Las construcciones con verbo de apoyo. Madrid: Visor. Böhmer, Heiner (1994): Komplexe Prädikatsausdrücke im Deutschen und Französischen: theoretische Aspekte, kontrastive Aspekte, Aspekte der Anwendung. Frankfurt a.M.: Peter Lang. Büttner, Gesa (1997): Untersuchungen zur Syntax und Semantik spanischer Funktionsverbgefüge. Berlin: Freie Universität. Busch, Hans-Jörg (1985): Zur Bestimmung von Leistungen und Bedeutung ausgewählter Funktionsverbgefüge mit den Verben DAR, HACER, TENER, PONER EN, ENTRAR EN und ESTAR EN im Spanischen. Dissertation. Leipzig. Bustos Plaza, Alberto (2005): Combinaciones verbonominales y lexicalización. Frankfurt a. M.: Peter Lang. <?page no="282"?> 282 Alberto Bustos Plaza Bustos Plaza, Alberto (2006): Combinaciones atributivas del tipo poner en movimiento y diccionario. In: Alonso Ramos, Margarita (ed.): Diccionarios y fraseología. A Coruña: Universidade da Coruña, 89-100. Bustos Plaza, Alberto (2007): Verbos de situación: paralelismos entre usos espaciales y usos atributivos. In: Dicenda 25, 15-32. Bustos Plaza, Alberto (2013): Metáfora y metonimia en verbos de situación. In: Anuario de Estudios Filológicos 36, 33-47. Bybee, Joan/ Eddington, David (2006): A usage-based approach to Spanish verbs of ‘becoming’. In: Language 82/ 2, 323-355. Cartagena, Nelson/ Gauger, Hans-Martin (1989): Vergleichende Grammatik Spanisch- Deutsch. 2 Bände. Mannheim/ Wien/ Zürich: Bibliographisches Institut. Castell, Andreu (1999): Funktionsverbgefüge im Deutschen, Spanischen und Katalanischen. In: Forum. Revista de l'Associació de Germanistes de Catalunya 9, 125- 133. Clave = Maldonado, Concepción (dir.) ( 9 2012): Clave: diccionario de uso del español actual. Madrid: SM [Online-Ausgabe: http: / / clave.smdiccionarios.com/ app.php, letzter Zugriff: März 2015]. Corbacho, Alfonso (2005): El concepto de Funktionsverbgefüge: consideraciones teóricas y correspondencias terminológicas en español. In: Anuario de Estudios Filológicos 28, 35-45. Corominas, Joan (1973): Breve diccionario etimológico de la lengua castellana. Madrid: Gredos. Demonte, Violeta/ Masullo, Pascual José (1999): La predicación: los complementos predicativos. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Vol. 2. Madrid: Espasa, 2461-2523. Detges, Ulrich (1996): Nominalprädikate: eine valenztheoretische Untersuchung der französischen Funktionsverbgefüge des Paradigmas ‘être Präposition Nomen’ und verwandter Konstruktionen. Tübingen: Niemeyer. DRAE = Real Academia Española (2001): Diccionario de la lengua española [Online- Ausgabe: http: / / lema.rae.es/ drae/ , letzter Zugriff: Februar 2015]. Eisenberg, Peter (2006): Funktionsverbgefüge - Über das Verhältnis von Unsinn und Methode. In: Breindl, Eva/ Gunkel, Lutz/ Strecker, Bruno (eds.): Grammatische Untersuchungen, Analysen und Reflexionen. Festschrift für Gisela Zifonun. Tübingen: Narr, 297-318. Eisenberg, Peter ( 4 2013): Grundriss der deutschen Grammatik. Band 2: Der Satz. Stuttgart/ Weimar: Metzler. Engelen, Bernhard (1968): Zum System der Funktionsverbgefüge. In: Wirkendes Wort 18/ 5, 289-303. Fernández Leborans, María Jesus (1999): La predicación: las oraciones copulativas. In: Bosque, Ignacio/ Demonte, Violeta (eds.): Gramática descriptiva de la lengua española. Vol. 2. Madrid: Espasa, 2357-2460. Fuhrhop, Nanna (2007): Zwischen Wort und Syntagma: zur grammatischen Fundierung der Getrennt- und Zusammenschreibung. Tübingen: Niemeyer. Heine, Antje (2006): Funktionsverbgefüge im System, Text und korpusbasierter (Lerner-)Lexikographie. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Heine, Antje (2008): Funktionsverbgefüge richtig verstehen und verwenden. Frankfurt a. M.: Peter Lang. <?page no="283"?> Deutsche Funktionsverbgefüge und spanische Pseudokopulasätze im Kontrast 283 Helbig, Gerhard (1984): Probleme der Beschreibung von Funktionsverbgefügen im Deutschen. In: Helbig, Gerhard (ed.): Studien zur deutschen Syntax. Band 2. Leipzig: Enzyklopädie, 163-188. Írsula, Jesús (1994): Substantiv-Verb-Kollokationen: kontrastive Untersuchungen Deutsch-Spanisch. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Lehmann, Sieghardt/ Leier, Rudi (1983): Zur Beschreibung von Funktionsverbgefügen im Russischen: Funktionsverbgefüge als eine Möglichkeit, Lücken im russischen Aspektsystem zu kompensieren. In: Zielsprache Russisch 4, 110-116. LEO [Spanisch-Deutsch Online-Wörterbuch, http: / / www.leo.org/ esde/ index_de. html, lezter Zugriff: März 2015]. Maldonado, Concepción (2012): Los diccionarios en el mundo ELE: ayer, hoy y mañana (una reflexión desde la propia experiencia). In: Revista Internacional de Lenguas Extranjeras 1, 151-179. Morimoto, Yuko/ Pavón, María Victoria (2007): Los verbos pseudocopulativos del español. Madrid: Arco/ Libros. Pfleiderer, Bettina/ Raffa, Magda/ Stromboli, Carolina (2000): Funktionsverbgefüge im Italienischen. In: Philologie im Netz 13, 73-107. Polenz, Peter von (1963): Funktionsverben im heutigen Deutsch. Sprache in der rationalisierten Welt. Düsseldorf: Schwann (Beihefte zu Wirkendes Wort 5). Polenz, Peter von (1989): Funktionsverbgefüge im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch. In: Hausmann, Franz Josef/ Reichmann, Otto/ Wiegand, Herbert Ernst/ Zgusta, Ladislav (eds.): Wörterbücher: ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Bd. 1. Berlin/ New York: de Gruyter, 882-887. Pöll, Bernhard (2002): Spanische Lexikologie: eine Einführung. Tübingen: Narr. Pottelberge, Jeroen van (2001): Verbonominale Konstruktionen, Funktionsverbgefüge: vom Sinn und Unsinn eines Untersuchungsgegenstandes. Heidelberg: Winter. Silvagni, Federico (2013): ¿Ser o estar? Un modelo didáctico. Madrid: Arco/ Libros. Wotjak, Gerd (1996): Las colocaciones léxicas verbales: acercamiento semántico a las construcciones verbo-nominales funcionales. In: Actas del X Congreso Internacional de ALFAL. México: UNAM, 797-805. Yuan, Jie (1983): Deutsche Funktionsverben und Funktionsverbgefüge im Vergleich mit ihren chinesischen Entsprechungen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 11/ 2, 192-210. <?page no="285"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español Mª Teresa Fuentes Morán, Universidad de Salamanca La falta de correspondencia entre formas y estructuras de las lenguas es un hecho incuestionable y estudiado desde las más diversas perspectivas. La metalexicografía bilingüe general aborda esta cuestión principalmente cuando trata los aspectos relativos a la selección de las unidades léxicas que se presentan como equivalentes en el artículo lexicográfico (cf. p. ej. Zgusta 1971: 294-297, Massariello 1983: 98-99, Hartmann 1991: 2856-2858 o Szende 1996). Especial atención se le ha dedicado a este aspecto al tratar en concreto sobre diccionarios de especialidad. 1 En todo caso, se parte casi siempre del convencimiento de que el lexicógrafo se enfrenta aquí con el problema esencial en la elaboración de diccionarios bilingües (Alvar Ezquerra 1981: 191- 192). En realidad, esta falta de correspondencia en el nivel léxico entre lenguas no es en nuestra opinión el problema esencial, sino la razón de ser de la moderna lexicografía bilingüe. Cuando se estudian en concreto los tipos de relación de equivalencia, se están abordando aspectos a los que evidentemente subyace la constatación de la falta de asimetría lingüística en el nivel léxico -recuérdese que suele hablarse de equivalencia completa, parcial y nula. Sin embargo, este aspecto, que venía enfocándose desde la lingüística contrastiva, se ha tratado también en la metalexicografía bilingüe español-alemán adoptando perspectivas y metodologías genuinamente lexicográficas. 2 A partir de la consideración del diccionario como herramienta o instrumento que debe servir para resolver determinados tipos de problemas relativos al léxico, se estudia el estatus del equivalente en el diccionario bilingüe así como el resto de los tipos de indicaciones que forman parte del artículo lexicográfico. 3 Todo ello tomando al usuario del diccionario como eje de las decisiones y estableciendo procedimientos para que, en la medida de lo posible, queden cubiertas sus expectativas o sus necesidades. Ahora bien, ¿hasta qué punto es el diccionario bilingüe capaz o responsable de representar esa falta de equivalencia? Sobre este aspecto señala Werner (2006: 221-222): 1 En los estudios sobre diccionarios bilingües con español, se suele tomar repetidamente como referencia la clasificación de Alcaraz (2004). Véase también Werner (2002) y Fuertes-Olivera (2011). 2 Sobre orientación lingüística o lexicográfica en la selección de equivalencias, puede consultarse Adamska-Sałaciak (2010). 3 Cf. por ejemplo Werner/ Chuchuy (1992), Fuentes Morán (1997) o Werner (2002). <?page no="286"?> 286 Mª Teresa Fuentes Morán “Un buen diccionario bilingüe es, por naturaleza, no un diccionario de equivalencias o de equivalentes, incapaz de superar los problemas que surgen de la anisomorfía entre diferentes lenguas, sino un diccionario contrastivo especializado en información destinada a resolver estos problemas.” Efectivamente, extraigamos de esta cita dos aserciones que forman parte desde nuestro punto de vista de los fundamentos de la lexicografía bilingüe moderna: (1) Un buen diccionario bilingüe no es un diccionario de equivalencias o de equivalentes. (2) Un buen diccionario bilingüe proporciona información destinada a resolver problemas derivados de la anisomorfía entre diferentes lenguas. No podemos negar que el diccionario bilingüe sigue siendo aún hoy en día un gran incomprendido. Así pues, no resulta superfluo destacar la afirmación (1), cuando aún desde los manuales de lexicografía encontramos manifestaciones que parecen reflejar lo contrario, en relación con el uso del diccionario bilingüe por aprendices de lenguas: “Es innegable que en los primeros años de aprendizaje los repertorios bilingües son un instrumento eficaz. Ciertamente, el usuario encontrará con facilidad las equivalencias necesarias, dado que su conocimiento de la lengua meta no es elevado y las necesidades se centran en hacer frente a las actividades que se plantean en los distintos manuales. Incluso cuando el hablante ya posee un dominio importante de la segunda lengua, va a continuar consultando estas obras, siempre que requiera una rápida equivalencia entre los dos sistemas, sin entrar en matices.” (Castillo/ García 2003: 344) Y aún se insiste: “No bastará, en este grado de adquisición de conocimientos [no inicial] con ofrecer simples equivalencias, sino que en el desarrollo de su competencia comunicativa el aprendiz no nativo requerirá de otras informaciones de tipo gramatical y pragmático que los repertorios bilingües están muy lejos de facilitar.” (Castillo/ García 2003: 344) También desde la traducción, ya en los inicios de la propia disciplina, se ha venido transmitiendo con pocas variaciones la visión que ya en 1984 declaraba Snell-Hornby: “Throughout its history, the conventional bilingual dictionary has been based on a principle which is now being increasingly probed and called into question: that of interlingual equivalence.” (Snell-Hornby 1984: 274) Snell-Hornby se refiere al diccionario bilingüe en el marco de investigaciones sobre el proceso de traducción, lo que se refleja claramente en el punto de vista que adopta. Y, efectivamente, la transferencia lingüística que se rea- <?page no="287"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 287 liza en todo proceso de traducción está condicionada por un conjunto de asimetrías y anisomorfismos. 4 En cuanto a la afirmación (2), un buen diccionario bilingüe proporciona información destinada a resolver problemas derivados de la anisomorfía entre diferentes lenguas, responde en efecto a la perspectiva lexicográfica que hemos señalado. En términos generales, efectivamente, los diccionarios bilingües modernos actuales basan su razón de ser precisamente, aunque no de forma manifiesta, en esta falta de simetría, lo que nos devuelve inevitablemente a la cuestión de las relaciones léxico-lingüísticas que se establecen en los compendios lexicográficos bilingües. Ahora bien, como se señala implícitamente en esta afirmación, esta cuestión no se resuelve (o se intenta resolver) solo en la relación de equivalencia (lexicográfica) que se pone de manifiesto en el nivel microestructural, sino de una u otra manera en todos los niveles textuales o estructurales del diccionario bilingüe, en el conjunto de la información que se proporciona a través del diccionario. Como venimos señalando, la asimetría en el plano léxico entre dos lenguas determina las decisiones que toma el lexicógrafo en gran parte de los planos de la configuración del diccionario, no solo en el aspecto relacionado con la selección de las indicaciones de equivalencia -los llamados equivalentes o traducciones. Haremos a continuación un recorrido por algunos ejemplos extraídos de diccionarios bilingües impresos actuales español-alemán para observar cómo este hecho se refleja en estas obras. La recopilación y selección de los elementos léxicos que formarán parte de la nomenclatura de un diccionario bilingüe viene determinada no solo por la lengua de partida del diccionario, sino, aunque con frecuencia no se reconozca, muy especialmente por la lengua de llegada. En gran cantidad de ocasiones, las formas de designación del alemán, basadas en su capacidad de desarrollo morfológico 5 pueden hacer necesario el registro, especialmente con formato de lema o sublema, de unidades léxicas del español. Con frecuencia, no valora aquí el lexicógrafo la naturaleza de la unidad en términos lingüísticos; es decir, no se cuestiona si se trata de una unidad fraseológica, una colocación, algún tipo de sintagma o incluso de un ejemplo, sino que se valora la pertinencia de su presentación en términos lexicográficos. 4 Son muchos los estudios en los que se plantea esta cuestión esencial en el ámbito de la traducción, que no trataremos aquí. Citemos solo como ejemplo a Franco (1996). 5 De la amplia bibliografía sobre las formas de composición del alemán, hagamos referencia a la nueva edición del clásico sobre el tema Fleischer y Barz (2012), en especial el apartado 1.6, pp. 51-66. <?page no="288"?> 288 Mª Teresa Fuentes Morán Figura 1: Artículo embarque de Langenscheidt Handwörterbuch (2010) En el ejemplo de la figura 1, embarque, encontramos registrados formalmente como sublemas, subordinados al lema cabecera, documentos de embarque, talón de embarque, puerta de embarque, tarjeta de embarque y zona de embarque. Desde un punto de vista lexicológico y terminológico, podría abordarse el distinto grado de cohesión interna entre estas unidades del español. El caso de documentos de embarque podría incluso, desde la perspectiva del español, categorizarse como ejemplo. No obstante, independientemente de su estatus, su presencia en el artículo hace posible que se recoja la indicación equivalente Schiffspapiere, lo que para el usuario hispanohablante cuanto menos constituye un testimonio de la existencia de esa unidad y por lo tanto la posibilidad de usarla cuando el contexto lo requiera. 6 Otro ejemplo de este tipo lo encontramos en la figura 2, pueril y sesión. Figura 2: Artículos pueril de Pons Großwörterbuch (2008) y sesión de Hueber Diccionario práctico (2012) Se registra aquí edad pueril presentada formalmente como sublema, lo que difícilmente encontraríamos en un diccionario monolingüe del español, con la función de presentar el equivalente Kindesalter. De forma semejante se registra sesión de madrugada con la indicación equivalente Spätvorstellung, traducción considerada idiomática y por ello muy apropiada para el usuario. Efectivamente, es un hecho que en gran parte de los diccionarios bilingües de estas lenguas no se establece una distinción formal, desde el punto de vista de la técnica lexicográfica, entre unidades pluriverbales más o menos lexicalizadas y ejemplos. 7 La cuestión que cabe plantear es hasta qué punto tal distinción es en casos como este relevante para el usuario. Junto a las frecuentes asimetrías designativas de carácter morfosintáctico, se ponen asimismo de manifiesto en el diccionario, aunque ciertamente no 6 Por alguna razón escogida por el lexicógrafo frente a, p.ej., Schiffsdokumente o Schiffsunterlagen. No entramos aquí a valorar los criterios de selección de las indicaciones concretas presentadas, sean equivalentes u otro tipo de indicaciones, sino su pertinencia en términos de metodología lexicográfica. 7 Este aspecto sobre los diccionarios bilingües español-alemán se trata con detenimiento especialmente en Model (2010). <?page no="289"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 289 con tanta frecuencia, asimetrías de carácter idiomático, en un amplio sentido del concepto. Figura 3: Artículo abierto de Langenscheidt Diccionario Moderno (2002) Efectivamente, lejos de la traducción literal posible, la expresión durchgehend geöffnet como traducción de abierto a mediodía (figura 3) tiene un claro componente idiomático. Solo este hecho motiva la presentación de abierto a mediodía como parte de la nomenclatura del diccionario bilingüe español-alemán, a diferencia de uno monolingüe, independientemente de las consideraciones sobre su estatus en español. Un caso semejante lo presentan los adverbios españoles terminados en -mente. Como es sabido, la tendencia general en los diccionarios monolingües españoles es la de registrarlos solo en determinados casos. Por ello, el Diccionario de la Real Academia Española (2014) registra en artículo independiente el sufijo -mente, lo que puede cubrir las lagunas de registro de algunos de estos adverbios. Encontramos, por ejemplo, en este diccionario preocupadamente (‘con preocupación’), pero no despreocupadamente, aunque sí, por ejemplo, desocupadamente, desapoderadamente o desaconsejadamente. Sin embargo, son otros los criterios de selección pertinentes cuando se trata de enfrentar en el diccionario bilingüe el español y el alemán. Figura 4: Artículo despreocupadamente de Hueber Diccionario práctico (2012) El artículo de la figura 4 posibilita el registro unbekümmert en su calidad de adverbio, que puede resultar una traducción idiomática de despreocupadamente. En el ejemplo de la figura 5 encontramos, por ejemplo, la unidad cortapepinos, junto a cortapatatas. Sin entrar en juicios sobre la pertinencia de la presencia de dichas unidades, debemos admitir que si bien su registro podría ser superfluo en diccionarios monolingües del español, no lo es necesariamente en uno bilingüe con alemán, ya que permite la presencia de los correspondientes equivalentes, unidades léxicas de uso más frecuente en alemán, lo que podemos atribuir a razones culturales -culinarias. <?page no="290"?> 290 Mª Teresa Fuentes Morán Figura 5: Artículo cortapatatas y cortapepinos de Herder Slabý/ Grossmann/ Illig (2001) En el nivel más propiamente microestructural, la diferenciación de acepciones es un mecanismo que posibilita la manifestación de relaciones de equivalencia parcial entre unidades léxicas de las dos lenguas objeto de tratamiento en el diccionario. Partimos del convencimiento de que en todo diccionario las acepciones se establecen de forma relativamente arbitraria, aunque no aleatoria; son contingentes, es decir, las acepciones se establecen según unos criterios, aunque podrían emplearse otros. Así pues, no es de extrañar que las acepciones en los diccionarios bilingües no se establezcan formalmente (y por lo tanto se reflejen en los artículos) en consonancia con los criterios propios de la lengua de partida, sino más bien de acuerdo con el resultado de la relación que se establece entre las unidades léxicas de la lengua de partida y la de la lengua de llegada. Figura 6: Artículo conocimiento de Pons Kompaktwörterbuch (2009) En el artículo de la figura 6, conocimiento, se observa el procedimiento habitual de representación de equivalencia parcial en diccionarios bilingües. Se trata de un caso frecuente de divergencia entre lengua de partida (español) y lengua de destino (alemán) del diccionario. Las diferentes acepciones seleccionadas se marcan con cifras y se incluyen indicaciones entre paréntesis con la función de desambiguar significados -aquí en español, lo que apunta a usuarios hispanohablantes. Observemos el diseño y componentes de estas microestructuras con un ejemplo simple, clásico al estudiar el contraste entre el léxico español-alemán, la unidad alquilar. Tratamos así de estudiar cómo se representa (y hasta qué punto) esa asimetría entre (significados de) unidades léxicas. En la figura 7 recogemos en primer lugar dos ejemplos, uno procedente del diccionario ¡Apúntate! (2011), cuyo usuario genuino es un germanohablante que aprende español en el ámbito escolar. También germanohablante es el destinatario del otro, Langenscheidt Power (2011), en este caso no necesariamente escolar. <?page no="291"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 291 Figura 7: Artículo alquilar de ¡Apúntate! (2011) y de Langenscheidt Power (2011) En ¡Apúntate! (2011), mediante indicaciones de antonimia se delimitan las restricciones semánticas de la unidad representada por el lema alquilar. Estas restricciones quedan delimitadas asimismo a través de la presentación de equivalentes, por lo que se da redundancia entre ambas. El ejemplo que se aporta en 1 resulta ambiguo en español. Efectivamente, Le he alquilado el local … podría representar tanto mieten como vermieten, lo que sin embargo puede considerarse desambiguado mediante los demás elementos del artículo lexicográfico. El artículo de Langenscheidt Power (2011) presenta una estructura más simple y no registra ejemplos. Se separan también las acepciones mediante numeración y als Vermieter y als Mieter constituyen indicaciones desambiguadoras de significado en alemán, destinadas a germanohablantes. Así pues, la necesaria discriminación de significado se realiza de las siguientes formas: (1) antonimia en alemán (2) ejemplo en español traducido al alemán (3) desambiguación en alemán (4) separación formal de acepciones Figura 8: Artículo alquilar de Pons Großwörterbuch (2008) y Langenscheidt Diccionario Moderno (2002) Los ejemplos de la figura 8 proceden de diccionarios orientados en estas ediciones a un público hispanohablante. Puede observarse en ellos que los procedimientos básicos de discriminación de significados son semejantes, con la diferencia de que la indicación de desambiguación se presenta en español - dada la orientación del diccionario. Además, en Langenscheidt Diccionario <?page no="292"?> 292 Mª Teresa Fuentes Morán Moderno (2002) encontramos el registro de información sintáctica españolalemán. 8 No siempre la diferenciación de acepciones se presenta marcada con numeración. En ocasiones se opta por la menos transparente doble barra (figura 10) o el punto y coma, como en el caso de protagonismo, en la figura 9. Figura 9: Artículo protagonismo de Collins Compact plus (2006) Incluso en algunos diccionarios se prescinde ocasionalmente de indicaciones para desambiguación de acepciones o de equivalentes, como puede verse en el ejemplo de la figura 10. Figura 10: Artículo intachable de Herder Slabý/ Grossmann/ Illig (2001) La diferenciación de acepciones, sin embargo, no implica necesariamente divergencia denominativa en la lengua de destino. Por ello, pueden encontrarse ejemplos de agrupaciones que, según criterios de lexicografía monolingüe, corresponderían a diferentes acepciones. El rastro del agrupamiento puede encontrarse en el ejemplo de la figura 11, donde las acepciones recogidas para integración se muestran explícitamente indicadas en “(& Ling Math Pol usw.)” y las de ratón con “auch Informatik”. Figura 11: Artículos integrable de Herder Slabý/ Grossmann/ Illig E/ A (2001) y ratón de Encuentros E/ A (2011) Algunos diccionarios monolingües del español continúan agrupando, cuando lo consideran posible, las acepciones correspondientes a sustantivos y adjetivos de formas coincidentes. Para ello emplean una combinación de indicaciones, s/ adj, por ejemplo, o, como en el caso de la Real Academia Española, la indicación u.t.c.s. (usado también como sustantivo). Está claro que este no es un procedimiento que pueda trasladarse a la lexicografía bilingüe con alemán, puesto que las indicaciones de equivalentes de un sustantivo y de un adjetivo formalmente nunca pueden coincidir. Es el caso que ejemplificamos en la figura 12, con el artículo para conocido. En él, como cabía 8 Lo que, en este caso concreto, representa una ayuda para el usuario, pero no una representación de asimetría sintáctica. <?page no="293"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 293 esperar, se presentan como categorías gramaticales formalmente diferenciadas adjetivo adj y sustantivo m,f. Figura 12: Artículo conocido de Pons Kompaktwörterbuch (2009) Las asimetrías pueden presentarse en muchos otros aspectos, del que no escapa el ortotipográfico, como da cuenta por ejemplo el artículo Jahrhundert de Pons Express Wörterbuch, mediante un ejemplo y una observación explícita (fig. 13). Figura 13: Artículo Jahrhundert de Pons Express Wörterbuch (2008) Asimismo mediante un equivalente parafrástico y un ejemplo se da cuenta de las diferencias de uso entre las unidades en cuestión en el ejemplo para Jahrgang de la figura 14. Figura 14: Artículo Jahrgang de Pons Express Wörterbuch (2008) Los ejemplos resuelven con frecuencia la presentación de formas de expresión que no se encuentran recogidas de forma suficiente en la indicación de equivalente, como puede verse en el ejemplo de musicalmente (fig. 15). Figura 15: Artículo musicalmente de Pons Kompaktwörterbuch (2009) Para concluir este inventario de los aspectos más representativos que el diccionario debe intentar recoger en el contraste entre el inventario léxico del español y el alemán, veamos algunos ejemplos de cómo se resuelve lo que frecuentemente se denomina equivalencia parcial o pseudo-equivalencia. <?page no="294"?> 294 Mª Teresa Fuentes Morán Figura 16: Cuadro informativo sobre provincias de Collins Compact plus (2006) El ejemplo de la figura 16 se recoge uno de los mecanismos frecuentes en los últimos diccionarios didácticos bilingües para proporcionar información que no tiene lugar en las formas de condensación propias de los artículos lexicográficos. Figura 17: Artículo y cuadro informativo sobre seseo de Langenscheidt Power (2011) En la figura 17 se observa el mecanismo característico de definición en cursiva cuando se trata de un concepto inexistente en alemán, además de un cuadro informativo en el que se amplía la información, como hemos dicho, de forma característica de los diccionarios de orientación didáctica. No termina aquí la relación de las consecuencias que la asimetría entre el alemán y el español tiene en la configuración de los diccionarios bilingües generales. Una enumeración más exhaustiva llevaría no obstante a la misma conclusión. Afirmábamos en las primeras líneas que la asimetría entre lenguas no es el problema esencial, sino de la razón de ser de la moderna lexicografía bilingüe. Los ejemplos que hemos seleccionado tratan de acercarnos al hecho de que el diseño de un diccionario bilingüe español-alemán no puede llevarse a cabo de forma satisfactoria sin contemplar esta asimetría en todos los planos de su configuración, más allá de la constatación de los clásicos tipos de relación de equivalencia entre unidades léxicas desde el punto de <?page no="295"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 295 vista lingüístico y lexicográfico. Las divergencias en el potencial expresivo de ambas lenguas se ponen de manifiesto en el nivel léxico y el diccionario, dentro de sus inevitables limitaciones, no debería evitar dar cuenta de ello. Desde la selección de unidades léxicas del español o del alemán como lengua de partida del diccionario hasta las decisiones sobre los ejemplos, pasando por la selección de las unidades que se presentan como equivalentes o traducciones, y cada uno de los componentes del diccionario; todo ello constituye una representación lexicográfica de las formas de asimetría léxica entre las dos lenguas, y todo ello configura el diccionario bilingüe moderno tal como puede desearse. Hemos destacado que las decisiones que toma el lexicógrafo en cada de las direcciones del diccionario, como son qué unidades léxicas se recogen como lemas o sublemas o la diferenciación de acepciones, deben tener siempre en cuenta las dos lenguas, tanto el alemán como el español. Así pues, un diccionario en la dirección español-alemán no es un diccionario del español que en lugar de definiciones proporciona equivalentes, como parece describirse en contextos lexicográficos: “A type of dictionary which relates the vocabulary of two languages together by means of translation equivalents, in contrast to the monolingual dictionary, in which explanations are provided in one language. This is at once its greatest advantage and disadvantage.” (Hartmann/ James 2001: 14) Sin embargo, tampoco es, propiamente dicho, un diccionario en el que ambas lenguas se presenten en contraste. En el diccionario español-alemán, por ejemplo, la configuración de cada elemento léxico del español se presenta, en su caso, en relación con sus divergencias con respecto al alemán -como hemos visto en concreto en el ejemplo de la figura 6, e implícitamente en el resto de los ejemplos. Pero el diccionario, en su presentación actual, no es capaz de presentar simultáneamente, ningún caso de convergencia designativa. 9 Es cierto que los diccionarios bilingües español-alemán con los que contamos actualmente han supuesto un avance significativo con respecto a nuestra lexicografía anterior. En especial deben destacarse la evolución en la lexicografía didáctica bilingüe y los novedosos planteamientos en los diccionarios, por fin, orientados de forma diferenciada a hablantes de cada una de las dos lenguas. Pero no pueden negarse las deficiencias, no solo originadas por la naturaleza incompleta per se de cualquier diccionario. Si el giro hacia el usuario y hacia las funciones para las que se orienta el diccionario supuso en la lexicografía teórica alemán-español una forma de revolución que, aunque parcialmente, tuvo consecuencias en la lexicografía práctica y por lo tanto en nuestros diccionarios, el momento actual es otro. 9 Cf. por ejemplo Svensén (2009: 259). <?page no="296"?> 296 Mª Teresa Fuentes Morán Siguen siendo necesarios estudios teórico-prácticos con esta orientación, en especial en lo referente a la lexicografía didáctica y escolar; sin embargo, las formas de consulta en diccionarios, las formas de acceso a diccionarios o a bases de datos léxicos evolucionan a velocidad casi inalcanzable. Traductores y aprendices avanzados del alemán o del español consultan estas bases de datos, diccionarios y pseudo diccionarios en línea como instrumentos de trabajo. Por ello, el diseño de nuevos compendios bilingües para el alemán y el español debe contemplar, por ejemplo, que el espectro de usuarios se amplía y diversifica -digamos, prácticamente sin control. Ello conlleva, en nuestra opinión, que el diseño del diccionario bilingüe moderno alemánespañol no puede obviar, con clásicos y nuevos mecanismos formales, la representación de las asimetrías entre las dos lenguas, en aras de las nuevas necesidades de los usuarios avanzados, y su auténtica razón de ser. Bibliografía 1 Diccionarios ¡Apúntate! E/ A 2011= Schulwörterbuch ¡Apúntate! Spanisch-Deutsch und Deutsch- Spanisch. Berlin: Cornelsen, 2011. Encuentros E/ A 2011= Schulwörterbuch Encuentros. Spanisch-Deutsch und Deutsch- Spanisch. Berlin: Cornelsen, 2011. Herder Slaby/ Grossmann/ Illig E/ A 2001 = Slabý, Rudolf/ Grossmann, Rudolf/ Illig, Carlos: Diccionario de las lenguas española y alemana. Tomo I: Español-Alemán. Barcelona: Herder, 2001 (5ª ed.). Hueber Diccionario práctico 2012 = Hueber Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache Diccionario práctico Alemán-Español Español-Alemán. Ismaning: Hueber (3ª ed.). Langenscheidt Diccionario Moderno 2002 = Langenscheidt Diccionario Moderno Alemán. Español-Alemán Alemán-Español. Berlin/ München: Langenscheidt. Langenscheidt Handwörterbuch 2010 = Langenscheidt Handwörterbuch Spanisch. Spanisch-Deutsch und Deutsch-Spanisch. Berlin/ München: Langenscheidt (5ª ed.). Langenscheidt Power 2011 = Langenscheidt Power Wörterbuch Spanisch. Spanisch- Deutsch / Deutsch-Spanisch. Berlin-München: Langenscheidt. Pons Express Wörterbuch 2008 = Pons Express Wörterbuch Spanisch-Deutsch und Deutsch-Spanisch. Stuttgart: Klett. Pons Großwörterbuch 2008 = Pons Großwörterbuch Spanisch Wörterbuch Spanisch- Deutsch und Deutsch-Spanisch. Stuttgart: Klett. Pons Kompaktwörterbuch 2009 = Pons Kompaktwörterbuch Spanisch. Spanisch- Deutsch / Deutsch-Spanisch. Stuttgart: Pons. 2 Referencias Adamska-Sałaciak, Arleta (2010): Examining Equivalence. En: International Journal of Lexicography 23/ 4, 387-409. <?page no="297"?> Representación del anisomorfismo en diccionarios bilingües alemán-español 297 Alcaraz, Enrique (2004): Anisomorfismo y Lexicografía Técnica. En: González, Luis/ Hernúñez, Pollux (eds.): Las palabras del traductor. Bruselas: EsLetra, 201- 220. Disponible en <http: / / www.esletra.org/ Toledo/ html/ contribuciones/ alcaraz.htm> (Consulta: 25 de junio de 2014). Alvar Ezquerra, Manuel (1981): Los diccionarios bilingües: su contenido. En: Lingüística Española Actual III, 175-196. Castillo Carballo, María Auxiliadora/ García Platero, Juan Manuel (2003): La lexicografía didáctica. En: Medina Guerra, Antonio María (ed.): Lexicografía española. Barcelona: Ariel, 333-351. Fleischer, Wolfgang/ Barz, Irmhild (2012): Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Berlin: de Gruyter. Franco Aixelá, Javier (1996): Culture-Specific Items in Translation. En: Álvarez, Román/ Vidal, Carmen África (eds.): Translation, Power, Subversion. Clevedon, Philadelphia y Adelaide: Multilingual Matters Ltd., 52-78. Fuentes Morán, Mª Teresa (1997): Gramática en la lexigrafía bilingüe. Tübingen: Niemeyer. Fuertes-Olivera, Pedro Antonio (2011): Equivalent Selection in Specialized e-Lexicography: A Case Study with Spanish Accounting Dictionaries. En: Lexicos (21), 95-119. Hartmann, Reinhard Rudolf Karl (1991): Contrastive Linguistics and Bilingual Lexicography. En: Hausmann, Franz Josef et al. (eds.): Wörterbücher, dictionaries, dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin/ New York: Walter de Gruyter, 2854-2859. Hartmann, Reinhard Rudolf Karl/ James, Gregory ( 2 2001): Dictionary of Lexicography. London: Routledge. Massariello Merzagora, Giovanna (1983): La lessicografia. Bologna: Zanichelli. Model, Benedikt (2010): Syntagmatik im zweisprachigen Wörterbuch. Berlin: Walter de Gruyter. Snell-Hornby, Mary (1984): The bilingual dictionary - help or hindrance? En: Hartmann, R. R. K. (ed.): LEXeter’83 Proceedings. Tübingen: Niemeyer, 274-281. Svensén, Bo (2009): A Handbook of Lexicography. Cambridge: Cambridge University Press. Szende, Thomas (1996): Problèmes d’équivalence dans les dictionnaires bilingues. En: Béjoint, Henri/ Thoiron, Philippe (eds.). Les dictionnaires bilingues. Louvain-la- Neuve: Ducolot, 111-126. Werner, Reinhold (2002): El problema de la equivalencia en los diccionarios bilingües especializados. En: Ahumada, Ignacio (ed.): Diccionarios y lenguas de especialidad. Jaén: Universidad de Jaén, 3-20. Werner, Reinhold (2005): El diccionario bilingüe y la enseñanza del español como lengua extranjera. En: Hispanorama 110, 75-84. Werner, Reinhold (2006): El diccionario bilingüe y la enseñanza del español como lengua extranjera. En: Signum. Estudos da Linguagem 9/ 1, 207-240. Werner, Reinhold/ Chuchuy, Claudio (1992): ¿Qué son los equivalentes en el diccionario bilingüe? En: Wotjak, Gerd (ed.): Estudios de lexicología y metalexicografía del español actual. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 99-107. Zgusta, Ladislav (1971): Manual of Lexicography. The Hague: Mouton. <?page no="299"?> Zusammenfassungen der Beiträge Alberto Bustos Plaza Las combinaciones alemanas del tipo in Bewegung setzen y las españolas del tipo poner en movimiento presentan semejanzas formales y semánticas. Las alemanas suelen clasificarse como estructuras con verbo funcional (Funktionsverbgefüge), concepto que se ha exportado a otras lenguas, incluido el español. Esto se vio favorecido por las lagunas de la gramaticografía hispánica en esta área. Sin embargo, para el español, resulta más adecuada una explicación como construcciones pseudocopulativas. Este tipo de construcción se encuentra muy desarrollado en la lengua española, pero ocupa una posición claramente periférica en la alemana. Una pequeña muestra de las combinaciones españolas nos permite observar cuál es su tratamiento en los diccionarios DRAE, Clave y LEO. Juan Cuartero Otal Die Probleme der zwischensprachlichen lexikalischen Äquivalenz zeigen sich in Form von Defiziten und Grenzen, die bei der Suche nach sich entsprechenden Lexien zweier Sprachen auftreten. Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit den Wortfeldern der Fortbewegungsverben im Spanischen und im Deutschen, bei denen die nur teilweise Übereinstimmung besonders deutlich wird. Eine ausführliche Analyse und Klassifizierung der Prädikate der Fortbewegung dieses Sprachenpaares kann die Fakten herausarbeiten, welche vorrangig die Aufmerksamkeit der kontrastiven Linguistik verdienen. María José Domínguez Vázquez Este artículo presenta el fundamento teórico-metodológico para la descripción y análisis de dominios funcionales y conceptuales así como de aspectos gramaticales y semánticos para el par de lenguas alemán y español. Al más alto nivel de la jerarquía analítica se encuentran el escenario y la red conceptual de escenarios, de la que forman parte diferentes escenas y subescenas, descritas siguiendo criterios onomasiológicos, conceptuales y semántico-gramaticales. Asimismo, se aborda la relación entre las escenas y los frames lingüísticos. La aplicación contrastiva del modelo ̶ la elaboración de un catálogo contrastivo para los dominios funcionales y conceptuales así como la ilustración de cuestiones contrastivas en ambas lenguas se ejemplifica aquí con realizaciones que expresan cambio. María Teresa Fuentes Morán Die Inkongruenz von Formen und Strukturen zwischen Sprachen ist eine anerkannte Tatsache und stellt gleichzeitig die Daseinsberechtigung der zweisprachigen Lexikographie dar. In dieser Arbeit werden die Folgen des Anisomorphismus untersucht, der zwischen dem Deutschen und dem Spa- - <?page no="300"?> 300 Zusammenfassungen der Beiträge nischen auf den einzelnen Gestaltungsebenen des lexikographischen Texts besteht. Damit soll ein Beitrag für den Entwurf neuartiger Wörterbücher geleistet werden. Thomas Johnen O artigo trata de questões teóricas e metodológicas da lexicologia contrastiva alem-o-português. Especial ênfase é dada a questões da semântica lexical particularmente relevantes para a lexicologia contrastiva como a relaç-o entre monossemia e polissemia ou a inter-relaç-o entre empregos em certos gêneros textuais e a descriç-o semântica. Além de um breve balanço da pesquisa anterior na lexicologia contrastiva alem-o-português, s-o apresentados, de maneira exemplar, alguns temas relevantes (mas pouco pesquisados sob a perspectiva contrastiva) como a valência sintática e semântica, as colocações, a pluricentricidade e as famílias lexicais. Bernd Marizzi Tras un recorrido por las distintas fases del interés por aprender alemán en España, la contribución se centra en los distintos enfoques de los materiales producidos en España y se pone especial atención a la adquisición de alemán como lengua para fines específicos. A pesar de una aparente impermeabilidad o neutralidad ideológica, los manuales y métodos destinados a la enseñanza de una lengua permiten al investigador un análisis del discurso ideológico que su autor está trasmitiendo. Entre los fines específicos se tratan los usos militares, científicos y comerciales. El capítulo termina con la presentación de un manual de reciente aparición destinado a personas que se interesan por el alemán académico y filosófico. Benjamin Meisnitzer El área de las categorías verbales es uno de los dominios que aparentemente no supone grandes problemas. Si analizamos la cuestión más en detalle, existen, sin embargo, diferencias substanciales en la utilización de los tiempos verbales, puesto que los tiempos verbales no codifican una localización temporal objetiva sino la perspectiva que el hablante toma sobre los eventos verbales, como mostraremos en el presente artículo. Aunque en el marco de este estudio contrastivo no sea posible comparar todos los tiempos verbales, proponemos explicar algunas de las diferencias más substanciales para los aprendientes de español L2 a través de una aproximación cognitivo-funcional, que asume los tiempos verbales como una categoría que codifica la perspectiva. Daniel Reimann La presente contribución ilustra, en el sentido de un artículo de manual, la función de la lingüística contrastiva en la enseñanza de las lenguas extran- <?page no="301"?> Zusammenfassungen der Beiträge 301 jeras, ejemplificándola en el caso del alemán y del español. El artículo comprende dos secciones: la primera trata la comparación lingüística en la enseñanza actual de lenguas en general y en un contexto de didáctica del plurilingüismo en particular, mientras que la segunda sección trata problemas ejemplares de la enseñanza del español a germanohablantes: pronunciación y ortografía, léxico y unidades lexicogramaticales, morfosintaxis, lingüística de las variedades contrastiva, pragmática contrastiva (con particular atención a la comunicación no verbal), perspectivas. Bernd Sieberg Os diálogos presenciais, assim como as práticas comunicativas baseadas no Computador e na Internet, caracterizam-se pelo número elevado de estruturas dialogais e, consequentemente, pela ocorrência frequente de alternâncias de vez. O presente artigo visa analisar um conjunto de palavras e estruturas verbais, de caráter idiomático, das línguas portuguesa e alem-, denominado Responsive. Na perspectiva pragmática têm como funç-o permitir ao falante de reagir de uma forma breve e concisa às reivindicações proporcionadas pelo interlocutor. Como parte de um objetivo de aprendizagem abrangente - designado por competência interacional - constituem uma parte crucial do ensino de uma língua estrangeira, seja do alem-o seja do português falado. A última parte do artigo propõe um exercício, a fim de ilustrar a aplicaç-o concreta deste fenómeno verbal à língua alem-. Nicola Tschugmell El ritmo es una de las propiedades más importantes para distinguir las diferentes estructuras que encontramos en los niveles de la fonología, la morfología, el léxico o la sintaxis. Este artículo se centra en el estudio del ritmo en español y alemán. Empieza con una revisión general sobre el concepto del tiempo y de las capacidades de los seres humanos para captarlo. Sigue con una exposición de algunas de las implementaciones teóricas de la capacidad perceptiva y discute las ventajas y desventajas de dichas implementaciones. Finalmente, presenta una posible aplicación de un nuevo paradigma de investigación en el contexto del ritmo. Dicho paradigma comprende más parámetros que los paradigmas anteriores y posibilita una visión psicolingüística del procesamiento del ritmo. Anne C. Wolfsgruber El presente artículo se inicia con un resumen de los conceptos dicotómicos que se establecieron para describir la estructura informativa de un enunciado, así como algunos de los aspectos problemáticos que lleva consigo una clasificación informativa que se base en dichos conceptos. Sigue con un análisis de las aparentes construcciones prototípicas que pueden encontrarse <?page no="302"?> 302 Zusammenfassungen der Beiträge en la periferia izquierda para marcar la estructura informativa en el español y en el alemán. Además, discute algunas implementaciones teóricas de estas estructuras sintácticas en el contexto de la gramática generativa y explica algunos de los aspectos particulares de la sintaxis del español y del alemán. Finalmente, se exponen posibles ventajas y desventajas de estas implementaciones y se comentan implicaciones metodológicas. <?page no="303"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! JETZT BES TELLEN! Daniel Reimann (Hrsg.) Kontrastive Linguistik und Fremdsprachendidaktik Iberoromanisch - Deutsch Studien zu Morphosyntax, Mediensprache, Lexikographie und Mehrsprachigkeitsdidaktik Romanistische Fremdsprachenforschung und Unter-richtsentwicklung, Vol. 2 2014, 292 Seiten, €[D] 68,00 ISBN 978-3-8233-6825-0 Aus sprachvergleichendem Arbeiten ergeben sich unter Berücksichtigung jüngerer linguistischer Theorien und methodischer Zugriffe neue Perspektiven für Angewandte Linguistik und Fremdsprachenvermittlung in einer Zeit, in welcher sich die Kontakte mit den hispano- und lusophonen Sprachräumen intensivieren. Die Beiträge im vorliegenden Band fokussieren morphosyntaktische, pragmatische, medienlinguistische und fremdsprachendidaktische Aspekte zum Deutschen, Spanischen, Portugiesischen und Katalanischen; auch (meta-)lexikographische und hochschuldidaktische Fragestellungen werden in theoretisch-konzeptionellen und empirischen Zugriffen thematisiert. <?page no="304"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! JETZT BES TELLEN! Holger Siever Übersetzen Spanisch - Deutsch Ein Arbeitsbuch narr studienbücher 3., durchgesehene und aktualisierte Auflage 2013 176 Seiten €[D] 16,99 ISBN 978-3-8233-6789-5 Wer aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzt, bemerkt bald, dass es für bestimmte typisch spanische Satzkonstruktionen keine direkte Entsprechung im Deutschen gibt. Für andere gibt es zwar Entsprechungen, diese sind aber im Deutschen oftmals unüblich, weil sie holprig und schwerfällig klingen. Dieses Arbeitsbuch rückt aus der Übersetzerperspektive genau solche Unterschiede auf der Satzebene zwischen den beiden Sprachen in den Mittelpunkt. Für die Konstruktionen, deren elegante Übersetzung Deutschen erfahrungsgemäß besonders schwer fällt, zeigt es grundlegende Lösungsmöglichkeiten auf. Diese bilden den Ausgangspunkt für eine stilistische und textsortenadäquate Optimierung. Das Buch festigt den übersetzerischen Umgang mit grammatikalischen Strukturen und liefert den Studierenden damit grundlegende Fertigkeiten für den weiteren Studienverlauf. <?page no="305"?> Die wissenschaftliche Reihe SkodiS hat sich zum Ziel gesetzt, ein sprachwissenschaftliches Forum für kontrastive Studien zum Deutschen und zu den iberoromanischen Sprachen im Vergleich anzubieten. Angesprochen sind sowohl Studierende als auch ForscherInnen und Lehrende im Bereich der germanistischen/ i beroromanistischen Linguistik, die an kontrastiven Fragestel lungen (Deutsch - Spanisch/ Portugiesisch) interessiert sind. Der vorliegende Band vereint Beiträge ausgewiesener Exper tInnen im Bereich der kontrastiven Linguistik Deutsch - Spanisch/ Portugiesisch. Der Fokus liegt im ersten Teil des Bandes auf der überblicksartigen, problemorientierten Präsentation ausgewählter aktueller Fragestellungen des Vergleichs der genannten Sprachen. Aus synchroner Perspektive werden u.- a. kontras tiv relevante Aspekte der Prosodie, Syntax/ Informationsstruktur, des Lexikons sowie des Tempusgebrauchs behandelt. Der zweite Teil widmet sich verschiedenen Anwendungsbzw. Problemfeldern der kontrastiven Linguistik, insbesondere in ihren Bezü gen zu den Nachbardisziplinen wie u. - a. Fremdsprachendidaktik, (Lerner-)Lexikographie und Fachsprachenforschung. Dabei stehen Phänomene der gesprochenen Sprache und die Diskussion um die Begrifflichkeit der Funktionsverbgefüge und ihrer lexikogrammatikographischen Erfassung ebenso im Zentrum der Auseinandersetzung wie z.-B. Fragen des Zusammenspiels von kontrastiver Linguistik und ihrer Anwendung im ELE-Unterricht und Überlegungen zur fachsprachlichen Tradition des Deutschen in Spanien. ISBN 978-3-8233-6954-7