Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation
Motiviertheit und Gerichtetheit von französischen und italienischen Wortpaaren auf der Basis von Sprecherbefragungen
1125
2015
978-3-8233-7971-3
978-3-8233-6971-4
Gunter Narr Verlag
Birgit Umbreit
Ausgehend von der auf Saussure zurückgehenden Unterscheidung zwischen relativ motivierten und arbiträren Wörtern be-fasst sich die Arbeit mit der bislang ungeklärten Frage der Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen, die erstmals empirisch mit Hilfe von Sprecherbefragungen zum Französischen und Italienischen untersucht wird. Entgegen der traditionell uni-direktionalen Konzeption bestätigt sich die Annahme, dass lexikalische Motivation als prinzipiell bidirektional zu betrachten ist. Zugleich kann je nach Wortpaar aber ein unterschiedlicher Grad an Gerichtetheit festgestellt werden, der von verschiedenen morphologischen und semantischen Faktoren abhängt.
<?page no="0"?> TBL Tübinger Beiträge zur Linguistik www.narr.de Ausgehend von der auf Saussure zurückgehenden Unterscheidung zwischen relativ motivierten und arbiträren Wörtern befasst sich die Arbeit mit der bislang ungeklärten Frage der Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen, die erstmals empirisch mit Hilfe von Sprecherbefragungen zum Französischen und Italienischen untersucht wird. Entgegen der traditionell unidirektionalen Konzeption bestätigt sich die Annahme, dass lexikalische Motivation als prinzipiell bidirektional zu betrachten ist. Zugleich kann je nach Wortpaar aber ein unterschiedlicher Grad an Gerichtetheit festgestellt werden, der von verschiedenen morphologischen und semantischen Faktoren abhängt. Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation Motiviertheit und Gerichtetheit von französischen und italienischen Wortpaaren auf der Basis von Sprecherbefragungen Birgit Umbreit <?page no="1"?> Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation <?page no="2"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 552 <?page no="3"?> Birgit Umbreit Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation Motiviertheit und Gerichtetheit von französischen und italienischen Wortpaaren auf der Basis von Sprecherbefragungen <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6971-4 <?page no="5"?> 5 Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und Symbole ........................... 9 Vorwort .................................................................................................................. 10 Einleitung .............................................................................................................. 12 1 Lexikalische Motivation und die Frage der Direktionalität................... 14 1.1 Ansätze zur Untersuchung von Motivation im Lexikon ..................... 14 1.2 Die zwei Dimensionen der lexikalischen Motivation........................... 22 1.3 Das Direktionalitätsproblem der Motivation ........................................ 29 1.3.1 Die traditionelle Sichtweise: Unidirektionalität der Motivation ... 29 1.3.2 Unidirektionalität und formale Relationen...................................... 31 1.3.3 Unidirektionalität und semantisch-kognitive Relationen .............. 35 1.3.4 Das Zusammenwirken von Form und Semantik ............................ 41 1.4 Fazit zu Kapitel 1 ....................................................................................... 43 2 Theorien zur Direktionalität von Konversion und anderen lexikalischen Verfahren ................................................................................ 44 2.1 Ungerichtetheit .......................................................................................... 44 2.2 Unidirektionalität ...................................................................................... 48 2.2.1 Historische Kriterien ........................................................................... 48 2.2.2 Markiertheit, Frequenz und andere Gebrauchsrestriktionen ........ 51 2.2.3 Semantische Kriterien ......................................................................... 54 2.2.3.1 Semantische Abhängigkeit, Reichweite und Muster ................ 54 2.2.3.2 Kognitiv fundierte Kriterien ........................................................ 57 2.2.3.3 (Proto-)Typische Eigenschaften von Wortarten ........................ 59 2.2.3.4 Außersprachliche Abfolge............................................................ 64 2.2.4 Paradigmatische Kriterien.................................................................. 66 2.2.5 Morphologische Kriterien .................................................................. 69 2.3 Bidirektionalität ......................................................................................... 73 2.4 Multidirektionalität ................................................................................... 77 2.5 Fazit zu Kapitel 2 ....................................................................................... 79 <?page no="6"?> 6 3 Die Direktionalität von Motivationsbeziehungen aus der Sicht der Sprachbenutzer ............................................................................................... 82 3.1 Eignung von linguistischen Laien zur Beurteilung von Motivationsbeziehungen....................................................................................... 82 3.2 Methoden zur empirischen Untersuchung der Direktionalität von Motivationsbeziehungen .......................................................................... 86 3.2.1 Online-Methoden ................................................................................ 86 3.2.2 Offline-Methoden ................................................................................ 92 3.3 Annahmen zur Motiviertheit von Wortpaaren ..................................... 98 3.3.1 Berechnung des Motiviertheitsgrades .............................................. 99 3.3.2 Hypothesen zur Motiviertheit ......................................................... 100 3.4 Annahmen zur Direktionalität von Motivationsbeziehungen .......... 103 3.4.1 Prinzipielle Bidirektionalität und Graduiertheit ........................... 104 3.4.2 Ein Kontinuum der Direktionalität ................................................. 107 3.4.3 Berechnung der Gerichtetheitsstärke.............................................. 108 3.4.4 Hypothesen zur Direktionalität....................................................... 112 3.5 Fazit zu Kapitel 3 ..................................................................................... 115 4 Konzeption der Sprecherbefragung.......................................................... 117 4.1 Entwicklung eines Fragebogens ............................................................ 117 4.1.1 Pilotstudien ........................................................................................ 117 4.1.2 Die endgültigen Fragebögen............................................................ 121 4.2 Auswahl des Sprachmaterials................................................................ 125 4.2.1 Aufbau des Untersuchungskorpus ................................................. 125 4.2.2 Auswahl von Wortformen und Bedeutungen ............................... 129 4.2.3 Die vermutete Ableitungsrichtung ................................................. 133 4.3 Auswertung der Sprecherbefragung .................................................... 135 4.3.1 Bereinigung und Profil der Sprecher .............................................. 135 4.3.2 Bereinigung der Daten ...................................................................... 138 4.3.3 Vorgehensweise bei der Auswertung der Ergebnisse .................. 140 4.3.4 Arten von Begründungen................................................................. 142 4.3.5 Lesartenverschiebungen bei Substantiven ..................................... 150 <?page no="7"?> 7 4.3.5.1 Konkretisierungen von Nomina Actionis ................................ 151 4.3.5.2 Die Vielzahl möglicher Lesarten ............................................... 154 4.3.5.3 Umgang mit Lesartenverschiebungen in den Fragebögen .... 157 4.4 Fazit zu Kapitel 4 ..................................................................................... 164 5 Ergebnisse I: Motiviertheitsgrad ............................................................... 166 5.1 Verteilung der Motiviertheitswerte ...................................................... 166 5.2 Motiviertheitsgrad und formale Relationen ........................................ 170 5.2.1 Überblick............................................................................................. 171 5.2.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [1]............... 173 5.3 Motiviertheitsgrad und semantisch-kognitive Relationen..................... 176 5.3.1 Überblick............................................................................................. 177 5.3.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [2a]............. 179 5.3.3 Interaktionen von semantisch-kognitiver und formaler Relation und Idiomatizität der Bedeutungen (Hypothese [2b]) ......... 179 5.3.4 Weitere Einflussfaktoren bei metSim und Kont ............................ 187 5.3.5 Taxonomische Relationen und konzeptueller Kontrast ............... 193 5.4 Fazit zu Kapitel 5 ..................................................................................... 195 6 Ergebnisse II: Gerichtetheitsstärke ........................................................... 200 6.1 Verteilung der Gerichtetheitswerte....................................................... 200 6.2 Gerichtetheitsstärke und formale Relationen ...................................... 202 6.2.1 Überblick............................................................................................. 202 6.2.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [3]............... 207 6.3 Gerichtetheitsstärke und semantisch-kognitive Relationen ............ 211 6.3.1 Überblick............................................................................................. 211 6.3.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [5]............... 213 6.4 Interaktionen und weitere Einflussfaktoren ........................................ 215 6.4.1 Interaktionen von formalen und semantisch-kognitiven Relationen................................................................................................... 216 6.4.1.1 Affigierungen ............................................................................... 216 6.4.1.2 Stamm- und Wortkonversionen ................................................ 219 6.4.1.3 Formale Identität ......................................................................... 226 <?page no="8"?> 8 6.4.2 Zusätzliche Einflussfaktoren............................................................ 232 6.4.2.1 Abstraktheitsgrad (A, M)............................................................ 232 6.4.2.2 Kompositionalität (K).................................................................. 235 6.4.2.3 Paraphrasierbarkeit (P, PU)........................................................ 239 6.4.3 Gesamtübersicht: Die Direktionalität der einzelnen Motivationspaare............................................................................... 244 6.4.4 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [4]............... 259 6.5 Weitere Aspekte der Direktionalität ..................................................... 262 6.5.1 Unidirektionalität, Bidirektionalität und Unentscheidbarkeit der Richtung....................................................................................... 263 6.5.2 Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Gerichtetheitsstärke und Motiviertheitsgrad................................................. 271 6.5.3 Begründungen für die Richtungswahl ........................................... 276 6.6 Fazit zu Kapitel 6 ..................................................................................... 284 7 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................. 286 8 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 288 8.1 Wörterbücher und Nachschlagewerke ................................................. 288 8.2 Sekundärliteratur..................................................................................... 289 9 Anhang ........................................................................................................... 306 9.1 Stimuli der Pilotstudien zur Direktionalität ........................................ 306 9.2 Das Untersuchungsmaterial................................................................... 309 9.3 Ausgeschlossene Stimulipaare .............................................................. 336 9.4 Motiviertheits- und Gerichtetheitswerte .............................................. 340 <?page no="9"?> 9 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen und Symbole Abkürzungen Adj. Adjektiv afr. altfranzösisch ahd. althochdeutsch dt. deutsch en. englisch fig. figurativ formIdent formale Identität fr. französisch it. italienisch ndl. niederländisch Kont Kontiguität kotaxSim kotaxonomische Similarität lat. lateinisch lit. literarisch (Register) metSim metaphorische Similarität mex.sp. mexikanisch-spanisch N Nomen/ Substantiv Part. Partizip Pl. Plural pt. portugiesisch russ. russisch semIdent semantische/ konzeptuelle Identität Sg. Singular sp. spanisch taxSuperSub taxonomische Super- und Subordination V Verb vlat. vulgärlateinisch Symbole → unidirektionale Derivationsrichtung ← unidirektionale Motivationsrichtung ↔ bidirektionale Motivations-/ Derivationsrichtung - unklare/ unbestimmte Motivations-/ Derivationsrichtung <?page no="10"?> 10 Vorwort Es ist nicht gut, daß der Mensch alleine […] arbeite; vielmehr bedarf er der Teilnahme und Anregung, wenn etwas gelingen soll. J. P. Eckermann, Gespräche mit Goethe, 7. März 1830 Dieses Buch ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im September 2014 von der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen angenommen wurde. Die oben zitierten Worte Goethes sprechen mir aus der Seele, denn auch wenn eine Dissertation vor allem in einsamer Zurückgezogenheit am Schreibtisch entsteht, hätte ich meine ohne die Ermutigung und Unterstützung zahlreicher Menschen vermutlich nie zum Gelingen gebracht. Von Herzen danken möchte ich daher vor allem meinem Doktorvater Peter Koch, der mir ermöglicht hat, in seinem Projekt Lexikalische Motivation im Französischen, Italienischen und Deutschen - angesiedelt im Sonderforschungsbereich 441 Linguistische Datenstrukturen der Universität Tübingen - mitzuarbeiten und dort das Promotionsprojekt zu beginnen. Trotz großer Arbeitsbelastung hat er stets die Zeit gefunden, die Arbeit mit Interesse und Anteilnahme, wichtigen Anregungen und konstruktiver Kritik zu begleiten. Gespannt hatte ich auf seine Rückmeldung zur eingereichten Dissertation gewartet, als er im Juli 2014 völlig unerwartet verstarb. Sein Tod hat eine tiefe Lücke in die Tübinger Romanistik und über sie hinaus gerissen. Umso dankbarer bin ich Sarah Dessì Schmid für ihre sofortige Bereitschaft, als Betreuerin einzuspringen und die Begutachtung der Arbeit unmittelbar in die Tat umzusetzen. Herzlich danken möchte ich auch Wiltrud Mihatsch, die mir als Zweitbetreuerin mit vielen wertvollen Hinweisen und Ratschlägen zur Seite stand, und Paul Gévaudan für die spontane Übernahme des Drittgutachtens. Allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Oberseminars Aktuelle Themen der Romanischen Sprachwissenschaft an der Universität Tübingen und des Workshops Lexikologie an der Ruhr-Universität Bochum sowie meinen Kolleginnen und Kollegen im SFB 441, insbesondere Daniela Marzo, Verena Rube, Tanja Kiziak und Sam Featherston danke ich dafür, dass sie mir Gelegenheit gegeben haben, den Stand der Arbeit immer wieder in Vorträgen oder Gesprächen zu diskutieren und dadurch voranzubringen. Delphine Tribout ver- <?page no="11"?> 11 danke ich wichtige Hinweise zur Analyse von Konversionen. Oliver Botts Expertise im Experimentdesign war unverzichtbar für die erfolgreiche Durchführung des empirischen Teils der Arbeit, ebenso diejenige von Aleksandar Savkov für die Realisierung der Internetfragebögen. Christian Forler, Josef Schock und vor allem Andrea Bohlen danke ich für die hilfreiche Beratung in mathematischen Fragen. Daniela Marzo, Yannick Parmentier, Maria Teresa Terrezza und Marion Vappiani schulde ich Dank für die muttersprachliche Hilfe bei der Auswahl des Untersuchungsmaterials und der Auswertung der Sprecherantworten. Ein herzliches Dankeschön geht auch an die (mal mehr, mal weniger…) freiwilligen Teilnehmer und Teilnehmerinnen an den umfangreichen Experimenten und Sprecherbefragungen, die den Kern der vorliegenden Arbeit ausmachen. Für das engagierte und sorgfältige Korrekturlesen verschiedener Stadien des Manuskripts bzw. für dessen stilistische Verfeinerung bin ich Amelie Aulich, Katrin Feierling-Sülzle, Wanda Rothe, Beate Rudlof und Matthea Wilsch dankbar, ebenso Joachim Daub für die Aufbereitung der Originaldaten. Katrin Heyng und Karin Burger vom Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG haben engagiert und kompetent die Phase der Veröffentlichung begleitet. Dem Sonderforschungsbereich 833 der Universität Tübingen gilt mein Dank für die großzügige Unterstützung bei den Druckkosten. Ganz besonders danken möchte ich aber meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden. Auf ihren langjährigen emotionalen und bisweilen auch ganz praktischen Beistand hätte ich nicht verzichten können. Stuttgart im Sommer 2015 <?page no="12"?> 12 Einleitung Die Frage nach der Direktionalität der lexikalischen Motivation ist ein Aspekt, der in der Motivationsforschung erst auf den zweiten Blick zu Tage tritt. Darüber, dass bestimmte Wörter einer Sprache, z.B. im Französischen das klassische Beispiel pommier ‘Apfelbaum’, motiviert sind, besteht keinerlei Zweifel. Der Grund ist, dass motivierte Wörter typischerweise komplex sind und so formal und inhaltlich auf die einfachen Wörter, von denen sie abgeleitet sind - in diesem Fall pomme ‘Apfel’ - verweisen (Gauger 1971: 12-13). Erst wenn die Komplexität eines Wortes nicht mehr offenkundig ist, stellt sich Unklarheit ein: Ist dt. Liebe motiviert, weil es auf lieben verweist? Ist Liebe primär (Bergenholtz/ Mugdan 1979b) und folglich lieben motiviert? Oder motivieren sich die beiden Wörter einfach gegenseitig? Die analytische Perspektive der lexikalischen Motivation - pommier ist durch pomme motiviert - hat ihre direkte Entsprechung in der synthetischen Perspektive der Wortbildung: Aus pomme wird durch Derivation pommier. Insofern ist es naheliegend, bezüglich der lexikalischen Motivation dieselben Kriterien anzuwenden, die für die Bestimmung der Ableitungsrichtung bei nicht eindeutigen Fällen wie den Konversionen herangezogen werden (z.B. Rettig 1981: 168-171). Doch trotz der Vielfalt der existierenden synchronischen und diachronischen Hilfskriterien ist das aktuelle Bild, das im Hinblick auf die Feststellbarkeit der Direktionalität lexikalischer Beziehungen gezeichnet wird, ein pessimistisches. So scheint es, dass die Forschung diesbezüglich, nicht nur was Konversionen betrifft, in einer Sackgasse steckt: „[T]he question of directionality is currently unresolved and irresolvable“ (Bauer/ Valera 2005: 11). In Anbetracht dieser Ausgangslage möchte die vorliegende Arbeit einen alternativen Weg aus der Sackgasse vorschlagen. Es soll nicht darum gehen, weitere theoretisch begründete Argumente und Kriterien für oder gegen eine bestimmte Direktionalität zur Debatte beizusteuern und damit eine Lösung der Direktionalitätsfrage im Sinne einer eindeutigen Dichotomie zwischen Uni- und Bidirektionalität oder zwischen den beiden theoretisch möglichen Ableitungsrichtungen eines Wortpaars anzustreben. Stattdessen wird in dieser Arbeit für eine graduierte Gerichtetheit plädiert, die aus der Annahme einer prinzipiellen Bidirektionalität von Motivationspaaren hervorgeht. Da es sich bei lexikalischer Motivation und folglich auch bei ihrer Gerichtetheit um Phänomene handelt, die das mentale Lexikon jedes Sprachbenutzers betreffen, unterscheidet sich die vorliegende Untersuchung zudem dadurch von den bisherigen, dass erstmals eine sprecherbasierte Perspektive eingenommen wird. <?page no="13"?> 13 Ziel der Arbeit ist es daher, durch eine Befragung von nicht linguistisch gebildeten Muttersprachlern zu ermitteln, unter welchen Bedingungen Wortpaare für die Sprachbenutzer eindeutiger oder weniger eindeutig zu einer Gerichtetheit tendieren. Die untersuchten Sprachen sind das Französische und das Italienische. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel 1 werden die nötigen Grundlagen für die Behandlung des Phänomens der lexikalischen Motivation und der Frage ihrer Gerichtetheit geschaffen. Es wird ein Überblick über bisherige Ansätze gegeben und der zweidimensionale Motivationsbegriff der vorliegenden Arbeit erklärt. Außerdem dient das Kapitel einer Einführung in das Direktionalitätsproblem und einer Diskussion der Gerichtetheit unter dem Aspekt der formalen und der semantisch-kognitiven Eigenschaften von Motivationspaaren. In Kapitel 2 folgt die Vorstellung verschiedener theoretischer Konzeptionen von (Un-)Gerichtetheit sowie im Rahmen der unidirektionalen Ansätze eine Prüfung und Bewertung verschiedener Hilfskriterien, die zur Bestimmung einer Ableitungsrichtung eingesetzt werden. Kapitel 3 stellt den Übergang zur empirischen Untersuchung dar: Es wird erläutert, welche Vorteile sich daraus ergeben, linguistische Laien für die Klärung von Fragen der lexikalischen Motivation heranzuziehen, und welche Methoden dafür in Frage kommen. Da die Motiviertheit eines Wortpaars die Voraussetzung für die Beurteilung seiner Gerichtetheit ist, werden hier sowohl eine Formel zur Berechnung des Motiviertheitsgrades entwickelt als auch Hypothesen zur unterschiedlichen Motiviertheit von Wortpaaren aufgestellt. Ferner werden, ausgehend von den Ergebnissen der Kapitel 1 und 2, die Grundannahmen für den Direktionalitätsbegriff, der den Sprecherbefragungen zugrunde liegt, formuliert. Daraus ergeben sich ebenfalls eine spezifische Formel zur Berechnung der Gerichtetheitsstärke von Wortpaaren sowie Hypothesen dazu, wovon diese Gerichtetheitsstärke abhängt. In Kapitel 4 wird der verwendete Fragebogen zur Untersuchung von Motiviertheit und Gerichtetheit vorgestellt und die Vorgehensweise bei der Materialauswahl und der Auswertung der Antworten erklärt. Kapitel 5 stellt die Ergebnisse der Sprecherbefragungen zur Motiviertheit dar, Kapitel 6 diejenigen zur Gerichtetheitsstärke. Wie sich zeigen wird, sind zum einen die Interaktionen aus den formalen und den semantisch-kognitiven Relationen, die einem Motivationspaar zugrunde liegen, mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten für seinen Motiviertheitsgrad und seine Gerichtetheitsstärke verantwortlich. Zum anderen wirken zum Teil dieselben, zum Teil unterschiedliche weitere Einflussfaktoren auf die beiden Werte ein. Kapitel 7 enthält eine kurze Zusammenfassung der Arbeit und einen Ausblick. <?page no="14"?> 14 1 Lexikalische Motivation und die Frage der Direktionalität In diesem Kapitel wird ein Überblick über bisherige Theorien zum Phänomen der lexikalischen Motivation und verwandter Begriffe gegeben (1.1) und darauf aufbauend die in der vorliegenden Arbeit verwendete Definition der lexikalischen Motivation erläutert (1.2). Ferner wird das zentrale Thema der Arbeit, die Direktionalität der Motivation, eingeführt und unter formalen und semantischen Aspekten genauer betrachtet (1.3). Das Kapitel schließt mit einem Fazit (1.4). 1.1 Ansätze zur Untersuchung von Motivation im Lexikon Die Diskussion darüber, ob Wörter motiviert sind, d.h. ob es eine natürliche Verbindung zwischen ihnen und den Dingen, für die sie stehen, gibt oder ob diese rein konventionell ist, gliedert sich ein in die grundsätzliche philosophische Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Welt (Ungerer 2002a: 371) und ist bereits so alt wie die Beschäftigung mit der Sprache selbst (Zöfgen ²2008: 195, der auf Coseriu 1968 verweist). Eine der ältesten erhaltenen Dokumentationen dieser Diskussion stellt der Kratylos-Dialog von Platon dar, in dem die Figur Kratylos die Meinung vertritt, dass ein natürlicher Zusammenhang zwischen den Dingen selbst und den Wörtern für diese Dinge bestehe: […] jegliches Ding habe seine von Natur ihm zukommende richtige Benennung, und […] es gebe eine natürliche Richtigkeit der Wörter, für Hellenen und Barbaren insgesamt die nämliche. (383b in Otto et al. 1964) Kratylos‘ Gesprächspartner ist Hermogenes, der die These der Konventionalität der Wörter vertritt: Ich […] kann mich nicht überzeugen, daß es eine andere Richtigkeit der Worte gibt, als die sich auf Vertrag und Übereinkunft gründet. […] Denn kein Name irgendeines Dinges gehört ihm von Natur, sondern durch Anordnung und Gewohnheit derer, welche die Wörter zur Gewohnheit machen und gebrauchen. (384d) <?page no="15"?> 15 Als dritte Figur übernimmt Sokrates die Rolle, diese Standpunkte zu radikalisieren und dann kritisch zu hinterfragen, sodass sie letztlich beide verworfen werden. 1 Dieses Ergebnis entspricht in gewisser Weise den modernen Positionen, denen zufolge ein Teil des Wortschatzes einer Sprache durch ein rein konventionelles Verhältnis von Form und Bedeutung geprägt, der andere Teil aber motiviert ist (s. ausführlich unten). Obwohl dieses Thema, das auch als φύσει-θ έ σει-Streit bekannt ist (Coseriu 2004), in der Folgezeit immer wieder diskutiert wird, 2 ist die heutige Auffassung über das Verhältnis von Konvention und Natürlichkeit vor allem durch Ferdinand de Saussure geprägt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen im Cours de linguistique générale zusammengefassten Vorlesungen zwischen Arbitrarität und Motivation sprachlicher Zeichen unterscheidet. De Saussures Ansatz ist strikt synchronisch ausgerichtet. Die Arbitrarität entspricht dem, was bei Platon die Konventionalitätsthese ist: Es gibt keinen inneren, natürlichen Zusammenhang zwischen der Form (Signifiant) und dem Inhalt (Signifié) sprachlicher Zeichen, sondern diese sind durch Konvention festgelegt (de Saussure 1969 [1916]: 100-101). De Saussure zufolge sind sprachliche Zeichen grundsätzlich arbiträr, was er durch die Existenz unterschiedlicher Signifiants für dasselbe Signifié in den verschiedenen Sprachen belegt sieht (z.B. fr. bœuf vs. dt. Ochse). Es gibt jedoch Ausnahmen in Form von „relativ motivierten“ Zeichen: Le principe fondamental de l’arbitraire du signe n’empêche pas de distinguer dans chaque langue ce qui est radicalement arbitraire, c’est-à-dire immotivé, de ce qui ne l’est que relativement. Une partie seulement des signes est absolument arbitraire; chez d’autres intervient un phénomène qui permet de reconnaître des degrés dans l’arbitraire sans le supprimer: le signe peut être relativement motivé. (de Saussure 1969 [1916]: 180-181, Hervorhebung im Original) Relativ motiviert ist z.B. fr. dix-neuf ‘neunzehn’, da es auf seine Komponenten dix ‘zehn’ und neuf ‘neun’ verweist. Fr. poirier ‘Birnbaum’ erinnert einerseits an poire ‘Birne’, andererseits über das Suffix -ier an andere Bäume wie pommier ‘Apfelbaum’ oder cerisier ‘Kirschbaum’, die ebenfalls mit diesem Suffix gebildet sind. Anders als in Platons Kratylos-Dialog bezieht sich diese Art der relativen Motivation oder genauer gesagt der Motiviertheit bei de Saussure also nicht direkt auf das Verhältnis zwischen den Dingen selbst und ihren Bezeichnungen, sondern ist zwischen den sprachlichen Zeichen eines Sprachsystems angesiedelt (Lindemann 1972: 285-286). Die Motiviertheit ist laut de Saussure nie absolut, da die Teilglieder eines motivierten Zeichens selbst arbiträr sind 1 Eine ausführliche Interpretation des Kratylos-Dialogs liefert Kraus (1996). 2 S. die Überblicksdarstellungen in Coseriu (1968), Simone (1990) und Marzo (2013a: 18- 22). <?page no="16"?> 16 und seine Bedeutung im Normalfall, wie z.B. bei poir-ier, nicht völlig deckungsgleich mit der Summe der Teile ist (de Saussure 1969 [1916]: 182). Neben diesem Typ, der in Übereinstimmung mit Stephen Ullmann (1957, 1962) als „morphologische Motivation“ bezeichnet werden könnte (s. ausführlich unten), betrachtet de Saussure (1969 [1916]: 101-102) auch Onomatopoetika (fr. tic-tac ‘tick-tack’, ouaoua ‘wau-wau’) und Ausrufe wie fr. aïe! ‘au! ’ als nicht völlig arbiträr, stuft sie aber als nebensächlich ein. Onomatopoetika sind insofern motiviert, als hier der Signifiant ein akustisches Phänomen abbildet (Koch 2001a: 1157), und entsprechen damit wieder dem im Kratylos-Dialog behandelten Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Bezeichnung. Sie sind jedoch kein Gegenstand der vorliegenden Arbeit, da diese sich auf die Motivationsbeziehungen zwischen unterschiedlichen sprachlichen Zeichen konzentriert. 3 Benveniste (1966: 49-55) kritisiert de Saussures Ansiedelung der Arbitrarität zwischen Signifiant und Signifié. Für ihn (1966: 51) ist die Verbindung zwischen den beiden Seiten des sprachlichen Zeichens nicht arbiträr, sondern notwendig. Arbitrarität besteht laut Benveniste vielmehr zwischen einem sprachlichen Zeichen und der Realität bzw. dem Referenten selbst: „Ce qui est arbitraire, c‘est que tel signe, et non tel autre, soit appliqué à tel élément de la réalité, et non à tel autre.“ (Benveniste 1966: 52). Ob Benveniste de Saussure richtig ausgelegt hat oder nicht, ist umstritten (s. Marzo 2013a: 34). In jedem Fall aber wird seine Verlagerung der Arbitrarität und folglich auch der relativen Motiviertheit auf die Ebene der Beziehung zwischen sprachlichem Zeichen und außersprachlichem Bereich in der modernen Motivationsforschung von vielen Autoren übernommen (Gauger 1970: 98, Koch 2001a, Koch/ Marzo 2007) und betrifft dann auch das Verhältnis zwischen sprachlichen Zeichen. Denn auch hier kommt die Wirklichkeit ins Spiel: Dass das Zeichen fr. poirier einen Birnbaum bezeichnet, ist nicht arbiträr, weil es auf das verwandte Zeichen poire ‘Birne’ verweist und die Birne auch außersprachlich mit dem Birnbaum in Zusammenhang steht. In der Folge de Saussures wird der Begriff der Motivation u.a. von Ullmann (1957, 1962) aufgegriffen, der zwischen opaken (= arbiträren) und transparenten (= motivierten) Wörtern unterscheidet. Wie de Saussure definiert Ullmann zunächst eine phonetische Motivation, zu der verschiedene Typen von Onomatopoetika gehören. Weiterhin nimmt er eine morphologische Motivation an, die weitgehend de Saussures Annahmen für fr. dix-neuf entspricht, d.h. auf komplexen Wörtern beruht: Die Suffigierung en. preacher ‘Prediger’ ist durch (to) preach ‘predigen’ motiviert (Ullmann 1962: 91) und das Kompositum en. blackbird ‘Amsel’ durch black ‘schwarz’ und bird ‘Vogel’ (Ullmann 1957: 87). Ullmann geht aber über de Saussure hinaus, indem er 3 S. zur phonetischen Motivation aber z.B. Ullmann (1962: 82-91), Ungerer (2002a: 375-376) und Lu (1998). <?page no="17"?> 17 auch noch eine weitere, wichtige Art von Motivation annimmt, die sog. semantische Motivation. Diese bezieht sich auf metaphorische und metonymische Bedeutungen von Wörtern, d.h. auf Polysemie. Bspw. ist Ullmann zufolge en. bonnet ‘Motorhaube’ metaphorisch motiviert durch bonnet in der Bedeutung ‘Haube (Kopfbedeckung)’, da hier eine Ähnlichkeitsrelation bestehe. 4 Ullmann (1962: 93) weist auch auf die Subjektivität der Motivation hin: Wörter sind nur dann motiviert, wenn sie von den Sprechern als solche empfunden werden. 5 Gauger (1970: 99-100) lehnt eine semantische Motivation im Sinne Ullmanns ab (ebenso Rettig 1981: 43, Anm. 7) und konzentriert sich auf formal motivierte - in seiner Terminologie „durchsichtige“ - Wörter. Für Gauger (1971) spielt aber die Semantik insofern eine Rolle, als er seine drei formalen Typen von durchsichtigen Wörtern (Affixwörter, Zusammensetzungen und Subtraktive) mit drei inhaltlichen Funktionen (Ausgriff, Verschiebung und Variation) kreuzt. Gauger (1971: 9) nimmt für die Betrachtung der durchsichtigen Wörter explizit die Perspektive des Sprachbewusstseins der Sprechenden ein („bewußtseinseigene Sprachuntersuchung“): „Das Subjekt der Durchsichtigkeit sind die Sprechenden: für d e r e n Bewußtsein, nicht für dasjenige irgendeines außerhalb stehenden Betrachters, ist das durchsichtige Wort durchsichtig.“ (Gauger 1971: 12, Hervorhebung im Original). Er stellt auch klar, dass es sich dabei um metasprachliches Wissen handelt (Gauger 1971: 13), da auch durchsichtige Wörter zunächst als Einheit im Bewusstsein verankert seien (1971: 24). Dem schließt sich Rettig (1981: 75-76) an, indem er betont, dass komplexe Wörter nicht objektiv als motiviert bezeichnet werden könnten, da sie im Normalfall für die Sprachbenutzer „blockverfügbar“ (Rettig 1981: 136) seien und nur in Akten des metasprachlichen Denkens motiviert würden. Daher spricht er von der „Motivierbarkeit“ der Wörter (Rettig 1981: 4 Eine semantische Motivation im Sinne von metaphorischer und metonymischer Polysemie wird neben anderen Arten von Motivation auch bereits von Bally ( 4 1965: 137-138, 165-168) angenommen. Ebenso findet sich dieser Typ bei Augst (1975, 1998: VII-XXXV, 2002), der in Augst (1998: XXXV) zudem auch taxonomische Relationen („Spezialisierungen oder Verallgemeinerung“) einbezieht, Fleischer/ Barz (²1995: 15), Gruaz (2002) und Radden/ Panther (2004: 20-21). Metaphorische und zum Teil auch metonymische Komposita behandeln Shaw (1979), Fill (1980) und Käge (1980). Tournier (1985: 49, 55) rechnet neben der Herausbildung neuer Bedeutungen auch die Konversion im Englischen zu den rein semantisch motivierten lexikogenetischen Verfahren. Zur semantischen Dimension der Motivation s. auch Kap. 1.2. 5 Auch bei de Saussure ist der Bezug auf die Sprachbenutzer bereits vorhanden, wenn er im Cours de linguistique générale schreibt: „La synchronie ne connaît qu’une perspective, celle des sujets parlants, et toute sa méthode consiste à recueillir leur témoignage; pour savoir dans quelle mesure une chose est une réalité, il faudra et il suffira de rechercher dans quelle mesure elle existe pour la conscience des sujets.“ (de Saussure 1969 [1916]: 128). De Saussure geht jedoch nicht so weit, konkrete Sprecherbefragungen für die Untersuchung von Arbitrarität und relativer Motivation zu fordern. <?page no="18"?> 18 76, 152-156), die bei ihm sowohl formal als auch semantisch fundiert ist. Die semantische Beziehung zwischen Wörtern beruht für ihn auf der Übereinstimmung einer variablen Zahl von semantischen Merkmalen (s. Rettig 1981: 165-166). Wörter sind in „phonetisch-semantischen Feldern“ zusammengefasst, was im Grunde der Annahme einer Wortfamilienorganisation entspricht. Daraus ergibt sich ein vergleichsweise weiter Begriff von Motivierbarkeit, der über die direkten Wortbildungsprodukte hinausgeht: „Relationen des Lexikons sind auch solche Beziehungen von Laut und Bedeutung, die nicht ganz die Bedingungen eines Wortbildungsmusters erfüllen“ (Rettig 1981: 33). Auch Augst (1975) hält den Durchschnittssprecher für den zentralen Referenzpunkt bei der Ermittlung von Motiviertheit. Er geht davon aus, dass die Sprecher die für die Beurteilung von Motivationsfragen nötigen Kenntnisse über den Wortschatz ihrer Sprache besitzen. Ihre bewusste oder unbewusste Fähigkeit, Wörter im Hinblick auf eine mögliche Komplexität zu analysieren, sowohl formale als auch semantische Beziehungen zu Mitgliedern derselben Wortfamilie herzustellen und dadurch den eigenen Wortschatz zu strukturieren, bezeichnet er als „synchrone etymologische Kompetenz“ (Augst 1975: 167-186). Ob die Einschätzungen der Sprecher mit der historischen Etymologie übereinstimmen oder ihr widersprechen, ist dabei unerheblich, da Augst zufolge die Diachronie für den Sprachbenutzer keine Rolle spielt. Das bedeutet, dass auch Volksetymologien wie z.B. fr. ouvrable in jour ouvrable ‘Werktag’, das heute durch fr. ouvrir ‘öffnen’ motiviert wird, weil an Werktagen die Geschäfte geöffnet sind, obwohl es etymologisch eigentlich auf das veraltete fr. ouvrer ‘arbeiten’ zurückgeht, berechtigterweise als synchronisch motiviert betrachtet werden können (s. u.a. auch Ullmann 1962: 101-105, Debaty-Luca 1986: 258, Béguelin 2002). Ausgehend von den genannten Autoren kristallisiert sich als zentrales Merkmal des Motivationsbegriffs das Vorliegen eines formal-morphologischen und zugleich eines semantischen Zusammenhangs zwischen motiviertem und motivierendem Wort heraus, sodass die betreffenden Wörter im Fall von Motiviertheit derselben Wortfamilie zugerechnet werden können. Dabei gilt im Allgemeinen der nicht linguistisch gebildete Durchschnittssprecher als Referenzpunkt. 6 Eine so verstandene, relative Motiviertheit zeichnet sich 6 Sehr ähnlich sind auch die Motivationsbegriffe von Marchand (²1969: 2-3), Glinz ( 5 1974), Shaw (1979), Fill (1980), Käge (1980), Scheidegger (1981: 43-45), Debaty-Luca (1986: 243, 256-271), Dressler (1987), Rainer (1993: 16-22), Fleischer/ Barz (²1995: 13-20), Dillström (1999) und Gruaz (2002). Überblicksdarstellungen liefern Gusmani (1984), Zöfgen (²2008) und Marzo (2015). Einen abweichenden Motivationsbegriff vertreten Bally ( 4 1965), Radden/ Panther (2004), Panther/ Radden (2011), Lehmann (2007) und Ising (2011, 2014, einger.), insofern bei ihnen die oben beschriebene formal-semantische Motivation zwischen Wörtern einer Sprache nur ein Typ unter mehreren anderen, zum Teil <?page no="19"?> 19 dadurch aus, dass sie graduiert ist (z.B. Ullmann 1962: 96-101, Augst 1975: 206-209, Rettig 1981: 157-166, Zöfgen ²2008: 190). Je nach der Eindeutigkeit des formalen und/ oder semantischen Zusammenhangs, der z.B. aufgrund von Lautwandel oder der Idiomatisierung der Bedeutung eingeschränkt worden sein kann, ergeben sich unterschiedliche Stufen von Motiviertheit, die zusätzlich auch vom Sprachbewusstsein des einzelnen Sprechers abhängen. Zöfgen stellt bspw. dem voll durch porter ‘tragen’ und avion ‘Flugzeug’ motivierten fr. porte-avions ‘Flugzeugträger’ einen Fall wie fr. copain ‘Freund, Kumpel’ (ursprünglich ‘derjenige, mit dem man sein Brot isst‘) gegenüber, bei dem das Basismorphem pain ‘Brot’ wegen des bei copain eingetretenen Bedeutungswandels weniger gut zu identifizieren sein dürfte. Weiterhin weist gerade das Französische dadurch Einschränkungen der Motiviertheit auf, dass die Wortfamilien sowohl erbwörtliche als auch gelehrte Mitglieder umfassen. Deren Formen divergieren zum Teil recht deutlich, so z.B. bei chaud - chaleur und doigt - digital (Beispiele aus Zöfgen ²2008: 190). Solche Einschränkungen reichen bis hin zur Opazität, die den Gegenpol zur Motiviertheit darstellt. Bevor auf dieser Basis im folgenden Teilkapitel der Motivationsansatz der vorliegenden Arbeit beschrieben wird, ist der Begriff der lexikalischen Motivation noch von zwei verwandten Phänomenen abzugrenzen: Ikonizität und Konsoziation. Auch wenn die Begriffe Motivation und Ikonizität je nach Ansatz für dieselben Phänomene stehen können, bezieht sich Ikonizität Marzo (2013a: 22) zufolge tendenziell auf das Verhältnis zwischen Form und Inhalt innerhalb eines Zeichens, während der traditionelle Motivationsbegriff wie bereits beschrieben die Form-Inhalts-Beziehungen zwischen verschiedenen Zeichen, also z.B. zwischen einem suffigierten Wort und seiner Basis, meint. Ikonizität geht auf Peirces (1960) Unterscheidung dreier Typen von Zeichen - Symbol, Index und Ikon - zurück. Ikone beruhen auf einer Ähnlichkeitsrelation zwischen Form und Inhalt eines Zeichens, wie sie z.B. bei Onomatopoetika auftritt. Peirce unterteilt sie weiter in images, Metaphern und Diagramme, wobei für den Bereich der Motivationsbeziehungen vor allem letztere interessant sind. Diagrammatische Ikonizität manifestiert sich hier u.a. in Isomorphie (Haiman 1980), d.h. einem 1: 1-Verhältnis von Wortform und Wortinhalt. Gemäß dem Prinzip des konstruktionellen Ikonismus (Mayerthaler 1981: 23-27, s. auch Dressler 1987: 102 und Ungerer 2002a: 376-377) folgt daraus, dass einem Mehr an Form ein Mehr an Inhalt entspricht. Dies ist charakteristisch für ein formal komplexes motiviertes Wort im Hinblick auf das motivierende Wort, z.B. bei Ullmanns preacher bezüglich der Motivationsbasis preach. Entspricht bei letzterem die Form preach dem Inhalt ‘predigen’, geht die Hinzufügung des formalen Elements -er mit der Hinzufügung des Inhalts ‘Person, die…’ einher, auch über die lexikalische Ebene hinausgehenden Arten von Motivation ist, welche sich dadurch mit dem Begriff der Ikonizität überschneiden kann. <?page no="20"?> 20 sodass preacher gegenüber preach sowohl ein Mehr an Form als auch ein Mehr an Inhalt aufweist. 7 Isomorphie besteht jedoch nicht bei allen wortgebildeten Wörtern, sondern nur bei solchen, die (noch) kompositional sind. 8 Wo die abgeleiteten Formen nicht über additive Verfahren gebildet worden sind oder idiomatische Bedeutungen aufweisen, ist die Kompositionalität und damit auch die Ikonizität nur noch eingeschränkt oder gar nicht (mehr) vorhanden: Aus der Sicht der Vertreter der Natürlichen Morphologie, z.B. Dressler (1987: 103-104), sind Konversionen wie en. to cut ‘schneiden’ → cut ‘Schnitt’ nichtikonisch und subtraktive Verfahren wie russ. logika ‘Logik’ → logik ‘Logiker’ sogar anti-ikonisch. Auch Mayerthaler (1981: 114) gesteht nicht-additiven Verfahren nur ein „bescheidenes ik. [= ikonisches, BU] Funktionspotential“ zu. Da bei Polysemie, z.B. zwischen fr. bureau ‘Arbeitszimmer’ und bureau ‘Schreibtisch’, genau wie im englischen Beispiel cut kein Formzuwachs auftritt, müsste sie in der Natürlichen Morphologie ebenfalls als nicht oder allenfalls eingeschränkt ikonisch gelten (s. auch Marzo 2013a: 223-224). 9 Trotz der im Vergleich zu (to) preach - preacher geringeren Ikonizität lassen sich cut und logik als motiviert betrachten, weil sie in formaler und semantischer Beziehung zu anderen Wörtern stehen. 10 Das ebenfalls auf Ullmann zurückgehende Beispiel en. blackbird ‘Amsel’ zeigt, dass auch hier keine vollkommene Isomorphie besteht, da eine Amsel nicht einfach nur ein schwarzer Vogel ist, sondern weitere spezifische Charakteristika aufweist, die sie von anderen schwarzen Vögeln wie z.B. Raben unterscheidet. Trotz eines gewissen Idiomatizitätsgrades (s. Blank 2001b: 1598-1600) kann das Kompositum 7 Haiman (1980) betrachtet Isomorphie und Motivation im Sinne de Saussures als zwei verschiedene Ausprägungen von diagrammatischer Ikonizität. Er übersieht dabei jedoch, dass Isomorphie und Motiviertheit im Falle kompositionaler komplexer Wörter wie en. preacher in Bezug auf (to) preach oder dt. Fausthandschuh bezüglich Handschuh (Haiman 1980: 531) zusammenfallen (s. auch Ungerer 2002b: 277, Van Langendonck 2007: 400). Eine weitere Schnittstelle von Motivation und Ikonizität ergibt sich über Hiragas (1994) Typ des relationalen Diagramms im Unterschied zum strukturellen Diagramm (s. Marzo 2013a: 61-69). 8 Kompositionalität wird in der vorliegenden Arbeit als gleichzeitige formale und semantische Zusammengesetztheit einer komplexen Einheit aus ihren Bestandteilen verstanden: Gemäß einer für diese Arbeit leicht abgewandelten Definition von Klos (2011: 2), wo der Schwerpunkt auf der Semantik liegt, ergeben sich Form und Bedeutung eines kompositionalen komplexen Wortes direkt aus dessen Bestandteilen und der Art und Weise, wie diese kombiniert werden. Zu einem ähnlichen Kompositionalitätsbegriff s. auch Dressler (1987: 102), Rainer (1993: 101-104), Hoeksema (2000) und Marzo (2015: 991- 994), zu seiner Geschichte und Problematik Klos (2011). Der Einfluss einer als graduiert verstandenen Kompositionalität (s. auch Klos 2011: 70, 281-283) auf die Gerichtetheit von Wortpaaren ist Gegenstand von Kap. 6.4.2.2. 9 Marzo (2013a) zeigt jedoch, dass auch Phänomene wie Polysemie, Konversion und Subtraktion, bei denen die Wortform keinen Zuwachs aufweist, obwohl sich der Zeicheninhalt verändert, als ikonisch betrachtet werden können. 10 Zur Frage der Motivationsrichtung in solchen Fällen s. die folgenden Kapitel. <?page no="21"?> 21 als motiviert - und auch als ikonisch - gelten, weil es über seine formalen Bestandteile eingeschränkt Hinweise auf den dazugehörigen Inhalt gibt. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Motivation mit diagrammatischer Ikonizität im Sinne von Isomorphie einhergeht, der Grad der Ikonizität aber je nach Einzelfall deutlich variiert. Der Begriff Konsoziation sowie sein Gegenteil Dissoziation stammen von Leisi ( 8 1999) und liegen auch der Studie von Sanchez (2008) zugrunde. Konsoziierte Wörter sind bspw. dt. mündlich oder Dreifuß, denn sie stehen formal nicht allein, sondern sie sind leicht mit anderen Wörtern in Verbindung zu bringen, mit denen sie formal und bedeutungsmäßig verwandt sind: mündlich mit Mund, Dreifuß mit drei und Fuß; diese Wörter sind also unter sich gewissermaßen vergesellschaftet (konsoziiert). (Leisi 8 1999: 51) Damit betrifft Konsoziation morphologisch(-semantisch) motivierte Wörter, wie sie oben beschrieben wurden. Dissoziierte Wörter können entsprechend als arbiträr oder opak beschrieben werden. Dazu gehören laut Leisi die englischen Entsprechungen zu mündlich und Dreifuß, oral und tripod: Diese beide haben keine Verwandtschaftsbeziehung, die zugleich Laut und Bedeutung einschließt: Die bloß lautlich Verwandten (or = oder, tripe = Kaldaunen u.a.) haben sinnmäßig nichts mit ihnen zu tun, die sinnmäßig verwandten (mouth oder stool) klingen vollkommen verschieden. Die Wörter oral und tripod gehören also nicht einer etymologischen (laut- und sinnverwandten) Familie an, sondern sie stehen allein, gleichsam asozial da. (Leisi 8 1999: 51) 11 Konsoziation und Motivation sind jedoch nicht vollkommen deckungsgleich, da Motivation der Mehrheit der Ansätze zufolge nur für morphologisch komplexe Wörter in Bezug auf ihre Ableitungsbasis gilt (s. auch Kap. 1.3.1). Leisi hingegen wird überwiegend so interpretiert, dass Konsoziation sowohl die analytische als auch die synthetische Perspektive betrifft (s. den Überblick in Sanchez 2008: 17-36), sodass also nicht nur dt. mündlich, sondern auch dt. Mund als konsoziiert zu betrachten wäre, weil es in morpho-semantischer Verbindung zu mündlich und anderen formal komplexeren Wörtern aus dieser Wortfamilie steht. 11 Im Unterschied zum deutschen Wortschatz betrachtet Leisi (81999) den englischen aufgrund sprachhistorischer Ursachen als insgesamt stark dissoziiert (ähnlich auch bereits mit anderer Terminologie de Saussure 1969 [1916]: 183-184 und Ullmann 1962: 105-115). Sanchez (2008) zeigt jedoch mittels einer empirischen Untersuchung, dass zwischen dem englischen und dem deutschen Wortschatz diesbezüglich nur geringfügige Unterschiede bestehen. <?page no="22"?> 22 1.2 Die zwei Dimensionen der lexikalischen Motivation Die Definition der synchronischen lexikalischen Motivation, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, gründet auf einer Tatsache, die Ullmann (1962) lediglich nebenbei erwähnt, die aber auch in vielen anderen Ansätzen bereits anklingt: Morphologische und semantische Motivation im Sinne Ullmanns können gemeinsam auftreten. Ullmann exemplifiziert dies anhand von Komposita wie en. blue-bell ‘Glockenblume’ und redbreast ‘Rotkehlchen’: The plant name blue-bell […] is a transparent compound and at the same time a metaphor based on the bell-like shape of the flower. Likewise, the bird name redbreast is motivated by its morphological structure and also by the metonymy which underlies it: the robin is called after its red breast, the part gives its name to the whole. (Ullmann 1962: 92) Eine genauere Betrachtung von Ullmanns Beispielen verdeutlicht, dass das gemeinsame Auftreten von morphologischer und semantischer Motivation nicht nur die genannten Komposita betrifft, sondern systematisch ist: Auch en. preacher ist morphologisch durch das Verb preach motiviert und beruht zugleich semantisch auf einer Kontiguitätsbeziehung zu preach (Ein Prediger ist jemand, der predigt), die in Form einer Teil-Ganzes-Beziehung auch Metonymien wie redbreast zugrunde liegt. 12 Genauso ließe sich bei dem metaphorischen bonnet argumentieren, dass die Motivation zwischen den Bedeutungen ‘Motorhaube’ und ‘Haube (Kopfbedeckung)’ nicht nur semantisch, sondern auch morphologisch oder formal besteht, da beide Bedeutungen durch dieselbe Wortform ausgedrückt werden. Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) zeigen, dass dieses gemeinsame Vorkommen von morphologischer und semantischer Motivation alle Motivationsbeziehungen im Wortschatz einer Sprache betrifft, und prägen auf dieser Basis einen zweidimensionalen Motivationsbegriff. Koch (2001a) siedelt lexikalische Motivation auf der Ebene von lexikalischen Einheiten im Sinne von Cruse (1986: 77) an, die aus je einer Wortform und einer Bedeutung bestehen. 13 Er definiert Motivation wie folgt: [A] lexical item L 1 (lexeme, word, idiom) expressing a concept C 1 , is motivated with respect to a lexical item L 2 expressing a concept C 2 , if there is a cognitively 12 Nach Koch (2001a: 1157-1158) besteht zugleich auch eine formale Kontiguität - hier eine formale Teil-Ganzes-Beziehung - zwischen den Motivationspartnern. 13 Ein polysemes Lexem besteht dann Cruse (1986: 76) zufolge aus mehreren lexikalischen Einheiten, deren Form identisch ist und deren Bedeutungen in einer semantisch-kognitiven Beziehung zueinander stehen. <?page no="23"?> 23 relevant relation between C 1 and C 2 , paralleled by a recognizable formal relation between the signifiants of L 1 and L 2 […]. (Koch 2001a: 1156, Hervorhebung im Original) Lexikalische Motivation, die, wie das Stichwort „recognizable“ im obigen Zitat andeutet, nur dann besteht, wenn sie für die Sprecher einer Sprache in der Synchronie wahrnehmbar ist, hat also immer eine formale Dimension, da die Form einer motivierten lexikalischen Einheit teilweise oder auch vollständig mit der Form der motivierenden lexikalischen Einheit übereinstimmt (Koch 2001a: 1157-1158). 14 Gleichzeitig beruht die Beziehung zwischen motivierter und motivierender Einheit (im Folgenden als Motivationspaar bezeichnet) 15 immer auch auf einer semantisch-kognitiven Beziehung. Diese wird auf der Basis von Benveniste (1966, s. Kap. 1.1) im außersprachlichen Bereich, genauer gesagt auf der Ebene der außersprachlichen Konzepte (Raible 1983: 5, Blank 1997: 98-102) verortet 16 und umfasst neben Kontiguität und metaphorischer Similarität noch weitere Relationen (s. dazu ausführlich unten). Für ein Motivationspaar wie en. preacher - preach ergibt sich aus dieser Zweidimensionalität 17 ein sog. Motivationsviereck: 14 Koch (2001a: 1158) spricht im Fall einer vollständigen Übereinstimmung von formaler Kongruenz. 15 Die Mitglieder eines Motivationspaars werden entsprechend als Motivationspartner bezeichnet. 16 Benveniste (1966: 50) selbst bezieht sich mit dem Begriff „chose“ zwar wohl eher auf den außersprachlichen Referenten, Koch/ Marzo (2007: 264) plädieren aber dafür, stattdessen vom außersprachlichen Konzept auszugehen: „Since motivation does not concern things as concrete referents in a given speech situation, but our general knowledge, we would rather speak of a ‘concept’ as a virtual entity.“ 17 Die Zweidimensionalität bedeutet auch, dass keine Motiviertheit besteht, wenn zwei Einheiten nur formal, aber nicht semantisch-kognitiv zueinander in Beziehung stehen (z.B. fr. porter ‘tragen’ - porte ‘Tür’), oder umgekehrt, wenn eine semantisch-kognitive Relation, aber kein formaler Zusammenhang feststellbar ist (z.B. fr. vigne ‘Weinrebe’ - raisin ‘Weintraube’, Beispiele aus Koch/ Marzo 2007: 267). <?page no="24"?> 24 Abb. 1: Motivationsviereck nach Koch (2001a: 1156), K = Konzept, F = (Wort-)Form. Die beiden lexikalischen Einheiten preacher und preach werden in Abb. 1 durch die beiden vertikalen Achsen dargestellt, wobei das Konzept jeweils auf der oberen und die Wortform jeweils auf der unteren Ebene steht. Die horizontalen Achsen stellen die Relationen zwischen den Bestandteilen der lexikalischen Einheiten her: Kontiguität auf der Ebene der Konzepte P REDIGER - P RE- DIGEN , 18 Suffigierung auf der Ebene der Wortformen preacher - preach. Nimmt man lexikalische Einheiten als Basis der Beschreibung, so lässt sich Polysemie, wie sie z.B. bei en. bonnet auftritt, relativ einfach in eine Theorie der lexikalischen Motivation integrieren: Auch hier besteht eine semantisch-kognitive Relation zwischen den Konzepten. Auf der formalen Ebene liegt insofern ein Sonderfall vor, als die betroffenen Formen nicht nur teilweise, wie bei en. preacher und preach, sondern vollständig übereinstimmen: Es besteht formale Identität. Dass die Integration der Polysemie berechtigt ist, zeigt ein Sprachvergleich aus onomasiologischer Perspektive (s. auch Koch 1999b): Während 18 Grundsätzlich wird die Inhaltsseite einer lexikalischen Einheit in dieser Arbeit im außersprachlichen Bereich verortet, sodass es sich im Prinzip immer um ein Konzept handelt. Nur da, wo es explizit um die außersprachliche Verankerung einer Bedeutung geht, wird aber auf die Schreibweise in Kapitälchen zurückgegriffen. Ansonsten werden je nach dargestelltem Ansatz die bezüglich des zugrunde liegenden Zeichenmodells weniger festgelegten Begriffe Bedeutung oder Inhalt gebraucht und in einfachen Anführungszeichen notiert. Ebenso wird ein Wort prinzipiell als lexikalische Einheit im Sinne Cruses (1986) betrachtet, auch hier aber, insbesondere, wenn es um die Perspektive der Sprachbenutzer geht, der den Sprechern vertrautere Begriff Wort benutzt. P REDIGER PREDIGEN Kontiguität Suffigierung preach preacher K 2 F 1 F 2 K 1 <?page no="25"?> 25 das Englische und das Französische z.B. für das Konzept EIN B ANKKONTO ER- ÖFFNEN das Verb en. to open (a bank account) bzw. fr. ouvrir (un compte en banque) ‘öffnen’ gebrauchen, sodass sich für to open / ouvrir eine Polysemie auf der Basis von metaphorischer Similarität ergibt, wird im Deutschen dasselbe Konzept mittels Präfigierung von öffnen ausgedrückt: ein Bankkonto eröffnen. Die Beziehung zwischen öffnen und eröffnen ist hier aber genau dieselbe metaphorische Similarität wie im Englischen und Französischen (Beispiel aus Koch/ Marzo 2007: 261-262). Folglich ist also Polysemie als formale Identität (im Folgenden formIdent) neben Affigierung, Komposition 19 und anderen Produkten lexikalischer Innovationsverfahren (im Folgenden vereinfacht als lexikalische Verfahren bezeichnet) eine weitere Erscheinungsform von Motiviertheit im Wortschatz einer Sprache. 20 Aus dem Motivationsviereck wird im Fall von formIdent ein „Motivationsdreieck“: Abb. 2: Motivationsdreieck nach Koch/ Marzo (2007: 265) Auch hier stehen die vertikalen Achsen wieder für die beiden lexikalischen Einheiten en. bonnet ‘Motorhaube’ - bonnet ‘Haube (Kopfbedeckung)’. Die 19 Zu den etwas komplexeren formalen und semantisch-kognitiven Relationen bei Komposita s. Koch/ Marzo (2007: 266). 20 Koch/ Marzo (2007: 265) und Marzo (2013a) sprechen im Hinblick auf formIdent/ Polysemie von intrinsischer Motivation, bezüglich aller anderen formalen Relationen von extrinsischer Motivation. M OTOR - HAUBE H AUBE metaphorische Similarität bonnet F 1 = 2 K 2 K 1 <?page no="26"?> 26 durch metaphorische Similarität relationierten Konzepte sind mit derselben Wortform, bonnet, verbunden. 21 Ausgehend von der oben erläuterten Definition der lexikalischen Motivation lässt sich jedes Motivationspaar in Bezug auf die ihm zugrunde liegende formale sowie die semantisch-kognitive Relation beschreiben. Eine systematische Kreuzklassifikation der beiden Relationen erfolgt bei Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) anhand eines heuristischen zweidimensionalen Rasters (s. Abb. 3). Darin bilden die horizontal angeordneten semantisch-kognitiven Relationen ein geschlossenes, universales Inventar: Eine Motivationsrelation beruht notwendigerweise immer auf einer dieser sieben Relationen (Koch/ Marzo 2007: 273). 22 Die vertikal aufgeführten formalen Relationen hingegen, die verschiedene lexikalische Verfahren bezeichnen, sind wie in der letzten Zeile angedeutet ein offenes Inventar, d.h. je nach Einzelsprache können weitere Verfahren hinzukommen oder entfallen. So wird z.B. in Marzo et al. (2011) aufgrund der Ergebnisse einer Sprecherbefragung zur Motivierbarkeit eine Erweiterung des formalen Inventars für das Französische um Affixalternanz, Wortfamilienmitgliedschaft und graphische Similarität vorgeschlagen (s. Kap. 1.3.2). Die grau unterlegte Kombination 00 aus formaler und konzeptueller Identität in Abb. 3 ist eine logisch inkompatible Verbindung (Koch 2001a: 1159, Tab. 85.5), da es sich bei diesem Fall um ein- und dieselbe lexikalische Einheit handeln würde. 21 Keine Motiviertheit und folglich auch kein Motivationsdreieck liegt vor, wenn zwei formgleiche Einheiten reine Homonyme, also nicht über eine semantisch-kognitive Relation miteinander verbunden sind, z.B. fr. louer ‘loben’ und louer ‘mieten, vermieten’. 22 In der (synchronischen) Betrachtung der lexikalischen Motivation fallen taxonomische Subordination und taxonomische Superordination allerdings zu einer Relation zusammen, da sie komplementär sind und es daher nur eine Frage der Perspektive ist, ob man Sub- oder Superordination annimmt (s. auch Blank 1997: 420, Koch 2005: 183, Koch/ Marzo 2007: 271, 281 und Kap. 1.3.3): Ausgehend von fr. homme ‘Mann’ liegt in Bezug auf homme ‘Mensch’ taxonomische Subordination vor, da homme ‘Mann’ ein Unterbegriff zu homme ‘Mensch’ ist. Geht man umgekehrt von homme ‘Mensch’ aus, bildet diese Einheit den Oberbegriff zu homme ‘Mann’, es besteht also taxonomische Superordination. <?page no="27"?> 27 Abwesenheit von Motiviertheit Motiviertheit konzeptuelle Identität Kontiguität metaphorische Similarität kotaxonomische Similarität taxonomische Superordination taxonomische Subordination konzeptueller Kontrast formale Identität / Polysemie 00 01 02 03 04 05 06 Numerusalternanz 10 11 12 13 14 15 16 Genusalternanz 20 21 22 23 24 25 26 Diathesenalternanz 30 31 32 33 34 35 36 Wortklassenalternanz 40 41 42 43 44 45 46 Suffigierung 50 51 52 53 54 55 56 Präfigierung 60 61 62 63 64 65 66 Komposition 70 71 72 73 74 75 76 Lexikalisiertes Syntagma 80 81 82 83 84 85 86 Phraseologismus 90 91 92 93 94 95 96 ... ... ... ... ... ... ... ... Abb. 3: Zweidimensionales Raster nach Koch (2001a: 1160) <?page no="28"?> 28 Auch die anderen in Abb. 3 mit einer Identifikationsnummer versehenen Kombinationen aus formaler und semantisch-kognitiver Relation müssen nicht zwangsläufig in jeder Einzelsprache existieren. Es bietet sich daher an, im Rahmen typologischer Untersuchungen zu prüfen, welche Kombinationen in welcher Sprache oder Sprachfamilie vorkommen und wie ihre quantitative Verteilung aussieht (s. auch Koch 2001a: 1161-1168, Koch/ Marzo 2007: 273- 275, Koptjevskaja-Tamm et al. 2007). 23 Beispiele für die verschiedenen Relationen und ihre Kombinationen aus den romanischen und benachbarten Sprachen werden in Kap. 1.3 gegeben. Zusammengefasst ist der Begriff der lexikalischen Motivation, wie er hier und im Folgenden verwendet wird, also synchronisch, sprecherbasiert und zweidimensional: Damit ein Wort motiviert ist, muss für einen Muttersprachler bei einem bestimmten Wort zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig eine formale und eine semantisch-kognitive Relation gemäß dem Raster in Abb. 3 zu einem anderen Wort aus derselben Sprache wahrnehmbar sein. An dieser Stelle ist noch eine terminologische Differenzierung notwendig, da der Oberbegriff Motivation, wie bereits angedeutet wurde, verschiedene spezifische Aspekte vereint (s. auch Marzo 2013a: 45-48): Wird Motivation durch einen Sprecher hergestellt, handelt es sich um eine Motivierung, die bewusst oder unbewusst erfolgen kann. Um das Ergebnis einer Motivierung zu beschreiben, ist der Begriff der Motiviertheit am besten geeignet, da er auf einen Zustand verweist und zudem auch der üblichen Beschreibung von Wörtern als motiviert entspricht (s. auch Glinz 1971, Dillström 1999: 28, Ungerer 2002a: 378, Zöfgen ²2008 u.a.). Auf Rettig (1981) geht der Begriff der Motivierbarkeit zurück, der impliziert, dass für einen bestimmten Sprecher eine bewusste Motivierung eines Wortes möglich ist. Er wird typischerweise gebraucht, wenn es darum geht, ein einzelnes Wort in einen formalen und semantischen Bezug zu einem anderen Wortschatzmitglied zu setzen (Sanchez 2008, Marzo 2013a, Marzo/ Umbreit einger.). In der vorliegenden Arbeit wird Motivation jedoch als Teil der Untersuchung der Motivationsrichtung in Bezug auf eine formal-semantische Beziehung zwischen zwei vorgegebenen Wörtern (d.h. bei einem potenziellen Motivationspaar) betrachtet. Da also der potenzielle Motivationspartner bereits vorliegt, erscheint der Begriff Motiviertheit hier geeigneter zur Beschreibung der Relation zwischen den beiden potenziellen Motivationspartnern als Motivierbarkeit. Anders als in Marzo (2013a: 47) ist Motiviertheit in diesem Fall jedoch das Ergebnis einer aktiven 23 Diesem Ziel diente auch das Forschungsprojekt „Lexikalische Motivation im Französischen, Italienischen und Deutschen (LexiTypeSyn)“, das unter der Leitung von Peter Koch (†) von 2005 bis 2008 an der Universität Tübingen bestand und in dessen Rahmen die vorliegende Arbeit entstanden ist. Das Projekt war Teil des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereiches 441 „Linguistische Datenstrukturen“. Zu den Projektergebnissen s. Marzo/ Umbreit (einger.) und Coy (2012: 186-187). <?page no="29"?> 29 metasprachlichen Reflexion von Informanten und daher ein bewusstes Phänomen (vgl. Kap. 5). 24 Diese Definition der lexikalischen Motivation ist die Basis für das zentrale Thema der vorliegenden Arbeit: das „directionality problem“ (Katamba/ Stonham 2 2006: 119) der Motivation, genauer gesagt die Frage der Motivationsrichtung. 1.3 Das Direktionalitätsproblem der Motivation Das Direktionalitätsproblem der lexikalischen Motivation entsteht aus der klassischen, unidirektionalen Betrachtung von Motivation (1.3.1). Davon ausgehend wird der Frage nachgegangen, bei welchen formalen (1.3.2) und bei welchen semantisch-kognitiven Relationen (1.3.3) eine Gerichtetheit angenommen werden kann und wie die beiden Ebenen interagieren (1.3.4). 1.3.1 Die traditionelle Sichtweise: Unidirektionalität der Motivation In der Mehrheit der bisherigen Ansätze zur lexikalischen Motivation wird die Motivation bzw. die Motiviertheit als einseitig gerichtet, d.h. als unidirektional 25 verstanden. Dies soll anhand der folgenden Beispiele illustriert werden: (1) fr. dix-neuf ‘neunzehn’ ← dix ‘zehn’, neuf ‘neun’ (de Saussure 1969 [1916]: 181) (2) en. preacher ‘Prediger’ ← to preach ‘predigen’ (Ullmann 1962: 92) (3) fr. pommier ‘Apfelbaum’ ← pomme ‘Apfel’ (Gauger 1971: 12) In den Beispielen (1), (2) und (3) gilt nur die Einheit links des Pfeils als motiviert, nicht jedoch diejenige rechts des Pfeils, welche die motivierende Einheit oder Motivationsbasis darstellt. 26 So ist laut Gaugers (1971: 7-17) Definition der durchsichtigen Wörter fr. pommier von pomme abhängig und daher als durchsichtig bzw. motiviert zu betrachten, während dieses Verhältnis aber nicht umgekehrt gilt. Pomme, die Motivationsbasis, ist nicht motiviert, d.h. 24 Die zusammengesetzten Termini Motivationspaar, -partner und -richtung werden jedoch weiterhin verwendet, da sie sich bereits eingebürgert haben. 25 Unidirektional bedeutet hier und im Folgenden, dass bei einem Motivationspaar nur eine der beiden denkbaren Ableitungs- oder Motivationsrichtungen vorliegt. Demgegenüber bedeutet bidirektional, dass beide Richtungen möglich sind, während sich ungerichtet darauf bezieht, dass in manchen theoretischen Ansätzen kein Ableitungsverhältnis zwischen potenziellen Motivationspartnern angenommen wird (s. Kap. 2.1). Direktionalität und Gerichtetheit sind als unspezifische Oberbegriffe bezüglich der Richtungsfrage anzusehen. 26 Der einseitige, von rechts nach links verlaufende Pfeil steht hier wie in Gauger (1971) für unidirektionale Motiviertheit. <?page no="30"?> 30 opak, da keinerlei Abhängigkeit von pommier oder anderen Wörtern aus dieser Wortfamilie besteht: Das undurchsichtige Wort hat eine eigenständige, sich selbst genügende, unvermittelte Lebendigkeit: es ist ein unabhängiges Wort. Das durchsichtige Wort dagegen ist durch ein anderes vermittelt: es ist ein abhängiges Wort. Diese Abhängigkeit ist einsinnig: le pommier ist von la pomme, nicht aber la pomme von le pommier abhängig; so wenig le pommier - als das Wort, das es ist - ohne la pomme existieren kann, so wenig ist la pomme - als Wort - auf le pommier angewiesen. (Gauger 1971: 13, Hervorhebung im Original) 27 Auf den ersten Blick erscheint das unidirektionale Verständnis von Motiviertheit plausibel: Schließlich besteht im Moment des Bildungsprozesses einer neuen lexikalischen Einheit selbst immer Unidirektionalität (Mihatsch 2004: 32) und wie de Saussure (1969 [1916]: 181-182) implizit feststellt, sind nur abgeleitete Wörter motiviert. 28 Iacobini (2000) definiert die Direktionalität von Ableitungsbeziehungen wie folgt: The principle of directionality recognizes a relationship between two morphological items (a base and a derived word) in which one is characterized with respect to the other because of the adding of extra meaning together with the adding of phonic material. 27 Vgl. auch Ullmann (1962: 92): „preacher is motivated, but preach and the suffix -er are not; penknife is transparent, but pen and knife are opaque; the bonnet of a car is called so because it looks like the head-dress, but the name of the head-dress itself is conventional.“ Auch die meisten in den Anm. 4 und 6 genannten Ansätze verstehen Motivation als unidirektional, auch wenn sie, wie z.B. Augst (1998) und Dillström (1999), Einzelfälle als bidirektional anerkennen. Eine Ausnahme stellt nur Rettig (1981) dar (s. ausführlich Kap. 2.3). 28 Die Begriffe Ableitung bzw. Derivation werden hier und im Folgenden in einer weiten Definition verwendet, nämlich als lexikalischer Innovationsprozess. Alle motivierten Einheiten können demnach als von der motivierenden Einheit abgeleitet betrachtet werden. In dem Bewusstsein, dass in einzelnen Fällen abgeleitete Wörter ihre Motiviertheit verloren haben können, werden abgeleitet und motiviert, sofern nicht anders spezifiziert, synonym gebraucht, da es im Allgemeinen nur um Fälle gehen wird, in denen die Motiviertheit noch für Muttersprachler erkennbar ist. In der Darstellungsweise unterscheiden sich Motiviertheit und Ableitung dadurch, dass für erstere wie in der analytischen Perspektive Gaugers das Schema motivierte Einheit ← motivierende Einheit verwendet wird, für die Ableitung aber gemäß der in der Wortbildung üblichen synthetischen Perspektive Basiseinheit → Ableitung i. S. der abgeleiteten Einheit. Da die in der Wortbildung verwendete Darstellung von Ableitungsverhältnissen gängiger ist, wird im Folgenden, sofern nicht gerade der spezifische Blickwinkel der Motiviertheit erforderlich ist, nur noch diese verwendet und von Ableitungsrichtung gesprochen, wobei aber die Motivationsrichtung mitzuverstehen ist. <?page no="31"?> 31 The direction of derivation can therefore be identified with a semantic and morphophonological growth which acts upon a base to form a derived word. (Iacobini 2000: 866, Hervorhebung im Original) Die abgeleitete Einheit muss Iacobini zufolge also formal und semantisch komplexer sein als die Ableitungsbasis. Seiner Definition liegt damit implizit das in Kap. 1.1 beschriebene Prinzip des konstruktionellen Ikonismus zwischen abgeleiteter und Basiseinheit zugrunde. In den oben genannten Beispielen lassen sich die motivierten und motivierenden Einheiten in der Tat anhand dieses Kriteriums differenzieren: fr. pommier unterscheidet sich von pomme nicht nur durch das zusätzliche Suffix -ier, das den morphophonologischen, d.h. formalen, Zuwachs verursacht, sondern auch semantisch, indem ein Apfelbaum als ‘Baum, an dem Äpfel wachsen’ paraphrasiert werden kann. Die Bedeutung der Motivationsbasis geht also in die „komplexere“ Bedeutung der Ableitung ein. Die Verschiebung auf der semantischen Seite entspricht damit dem, was Iacobini (2000: 866) “extra meaning” oder “greater semantic specificity” der abgeleiteten Einheit nennt. Ähnliches gilt für Beispiel (1): fr. dix-neuf ist aus zwei autonomen Einheiten, dix und neuf, zusammengesetzt und damit morphophonologisch, d.h. formal komplexer als diese. Semantisch betrachtet entspricht die Bedeutung von dix-neuf direkt der Summe der beiden Einzelbedeutungen und ist damit ebenfalls komplexer. 29 Auch Beispiel (2), en. preacher, verfügt im Vergleich zum Verb preach über ein zusätzliches Suffix -er, das eine agentivische Bedeutung beisteuert, welche gegenüber der Basis die Komplexität des Inhalts steigert. Die von Iacobini formulierte Regel, dass die abgeleitete Einheit im Verhältnis zur Ableitungsbasis formal und semantisch komplexer ist, ist zur Bestimmung von motivierter und motivierender Einheit weit verbreitet (siehe z.B. Corbin 1976, Rainer 1993: 51). Da jedoch wie bereits in Kap. 1.1 gezeigt nicht alle motivierten Wörter dem Prinzip des konstruktionellen Ikonismus entsprechen, zeigen sich schnell die Defizite von Iacobinis Annahme, sowohl im Hinblick auf den formalen als auch auf den semantischen Zuwachs. Der formale und der semantische Aspekt sowie ihr Zusammenwirken werden in den folgenden drei Teilkapiteln getrennt betrachtet. 1.3.2 Unidirektionalität und formale Relationen In den obigen Fällen von Komposition (Bsp. 1) sowie Suffigierung (Bspe. 2 und 3) ist der von Iacobini postulierte formale Zuwachs des abgeleiteten Motivationspartners im Verhältnis zur Basis klar zu erkennen. Der komplexere 29 Dass sich der semantische Gehalt einer motivierten Einheit direkt aus der Addition der Einzelbedeutungen der formalen Komponenten ergibt, ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel (Blank 2001b, Ungerer 2002a: 377). Die Zahlwörter sind hierfür naheliegenderweise als prototypisch anzusehen (vgl. aber Hoeksema 2000: 851). <?page no="32"?> 32 Motivationspartner kann entweder in Stamm und Suffix oder in zwei autonome Stämme zerlegt werden. Im Normalfall ist die formale Komplexität von Affigierungen und Komposition in Bezug auf die Ableitungsbasis immer aufgrund dieser Zerlegbarkeit zu erkennen. 30 Die einzige Einschränkung hierbei ist, dass formal-semantische Transparenz zur Basis bzw. bei Komposita zu den Basen bestehen muss. Denn bei einer Minderheit von Affigierungen und Komposita hat ein so starker formaler oder semantischer Wandel stattgefunden, dass die ursprünglich motivierten Ableitungen als idiomatisch oder gar opak zu betrachten sind (z.B. dt. Mitgift ← ahd. gift ‘Geschenk’, Beispiel aus Blank 2001b: 1600). Auf die Mehrzahl der Fälle ist Iacobinis Kriterium des formalen Zuwachses demnach anwendbar. Schwieriger wird es, wenn die Produkte von weniger prototypischen lexikalischen Verfahren betrachtet werden, bei denen kein formaler Zuwachs zu erkennen ist (s. auch Scheidegger 1981: 54-58), wie die nun folgenden Beispiele zeigen. (4) fr. dîn-er V ‘zu Abend essen’ → dîner N ‘Abendessen’ In Beispiel (4) sind beide Motivationspartner formal kongruent. Formaler Zuwachs liegt also auf den ersten Blick nicht vor. Dass dennoch das Substantiv dîner als abgeleitet gilt, liegt daran, dass es sich hier um einen Fall von Wort(form)konversion (im Folgenden als Wortkonversion bezeichnet 31 ) handelt, bei der das Flexionsaffix -er, das den verbalen Infinitiv kennzeichnet, in die neue Form eingeht. Dort hat es zwar keine Funktion mehr, ist aber - zumindest für Sprecher mit den entsprechenden linguistischen Kenntnissen - 30 Aus diachronischer Perspektive betrachtet existieren freilich auch Rückbildungen (z.B. dt. sanftmüt-ig → Sanftmut). Sie entstehen, indem vorhandene bzw. angenommene Affixe entfernt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele dieser Fälle von den Sprachbenutzern mittels Reanalyse in die bestehenden Wortbildungsmuster eingeordnet (dt. Sanftmut → sanftmütig analog zu Übermut → übermüt-ig) und dann aus synchronischer Sicht nicht mehr als Rückbildungen erkannt werden (Pennanen 1982: 250). Für eine synchronische Motivationsstudie wären Rückbildungen dann nicht relevant. Andererseits besteht für einige rückgebildete Wörter wahrscheinlich auch bei Sprechern ohne spezielle diachronische Kenntnisse noch ein Bewusstsein dafür, dass sie von komplexeren Wörtern abgeleitet und nicht etwa deren Derivationsbasis sind: Marchand (²1969: 393-395) führt z.B. en. to televise (rückgebildet aus en. television) an, das aufgrund seiner Semantik eindeutig von television abgeleitet sei: to televise = ‘to put on television’ (s. auch Rainer 1993: 86-87). Ähnlich verhält es sich vermutlich bei dem deutschen Beispiel notlanden ← Notlandung (Gévaudan 2007: 130). Insofern können Rückbildungen synchronisch je nach Einzelfall die Ableitungsrichtung von einfach zu komplex bestätigen oder auch ein Gegenargument für diese Richtung darstellen. 31 S. auch Gévaudan (2007: 122) unter dem Begriff „Konversion flektierter Formen“ sowie Olsen (1986: 112), Wiese (2002: 59) und Marzo (i. Dr.). <?page no="33"?> 33 noch als Verbmarker zu erkennen. 32 Es handelt sich hier um eine Art „eingefrorenes Flexionsaffix“ (Schpak-Dolt ²2006: 102, Umbreit 2014). Die umgekehrte Ableitungsrichtung ist formal betrachtet unwahrscheinlich, da die Verbindung Verbstamm + Flexionssuffix -er kein direktes substantivbildendes Verfahren ist: Nur über den Umweg des verbalen Infinitivs entstehen solche Substantive; jedoch nicht durch ein Wortbildungsverfahren, sondern durch Lexikalisierung (Umbreit 2014). 33 Wortkonversionen bestätigen also die Unidirektionalität von Motivationsbeziehungen, allerdings nicht aufgrund von formalem Zuwachs, sondern aufgrund der Kenntnis der spezifischen Funktion bestimmter Flexionsaffixe. Eine andere Frage ist allerdings, ob die Unidirektionalität auch von durchschnittlichen Sprachbenutzern gesehen wird oder ob hierfür spezielles morphologisches Wissen erforderlich ist. Für Beispiel (5) ist die Gerichtetheit noch schwieriger zu beurteilen (s. auch Koch/ Marzo 2007: 283), da auch hier kein Fall von formalem Zuwachs vorliegt. (5) fr. dans-e ‘Tanz’ - dans-er ‘tanzen’ Es handelt sich um die Konversion eines Wortstamms (Gévaudan 2007: 121, s. auch Olsen 1986: 112, Marzo i. Dr.), die im Folgenden als Stammkonversion bezeichnet wird. Bei diesem Konversionstyp geht der Wortartwechsel mit einem Austausch der wortarttypischen Flexionsaffixe, hier fr. -e für Substantive 34 und fr. -er für verbale Infinitive, einher, während der Stamm unverändert bleibt. Zum einen sind hier überhaupt keine Wortbildungsaffixe beteiligt, zum anderen besteht formal gesehen auch kein Zuwachs bei einer der beiden Formen, da ein Flexionsaffix durch ein anderes ersetzt wird. Entsprechend kann hier aus formaler Perspektive (und auch aus semantischer, s. das folgende Kap. 1.3.3) nicht über die Ableitungsrichtung entschieden werden. (6) it. giorno ‘Zeitraum von 24 Stunden’ - giorno ‘Zeit der Helligkeit’ Beispiel (6) gehört zur Gruppe der formalen Identität (formIdent) und beruht semantisch auf Kontiguität. Hier liegt wiederum eine vollständige formale 32 S. zu diesem sog. morphologischen Kriterium auch Kap. 2.2.5. 33 Kein Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind sog. syntaktische Konversionen, bei denen ein Infinitiv nur in einem konkreten Kontext als Substantiv gebraucht wird, aber nicht die vollständigen Eigenschaften dieser Wortklasse annimmt, z.B. it. il suo partire improvviso (Skytte/ Salvi 1991 : 563). Zu diesem Typ und zu seiner Abgrenzung von den lexikalisierten Fällen s. auch Marzo/ Umbreit (2013 a und b) und Umbreit (2014) sowie die darin zitierte Literatur. 34 Meinschaefer (2005: 213) zeigt, dass das -e bei femininen Substantiven im Französischen durch phonologische Wohlgeformtheitsbedingungen zu erklären ist und keinen Wortbildungsstatus hat. <?page no="34"?> 34 Kongruenz der beiden Motivationspartner vor, allerdings sind im Unterschied zur Wortkonversion in (4) auch keine Flexionsaffixe vorhanden, die für einen der beiden Motivationspartner typisch wären. Daher kann über eine Ableitungsrichtung bestenfalls aufgrund semantischer oder enzyklopädischer Eigenschaften entschieden werden (s. Kap. 1.3.3). (7) fr. étern-el ‘ewig’ - étern-ité ‘Ewigkeit’ In Beispiel (7) findet ähnlich wie bei der Stammkonversion ein Austausch von Affixen statt, ohne dass sich der (hier nicht selbstständig auftretende) Stamm verändert. Mit fr. -el und -ité liegen aber keine Flexions-, sondern Wortbildungsaffixe vor. Es handelt sich um einen Fall von Affixsubstitution oder Affixalternanz 35 (Rainer 1993: 171, Gévaudan 2007: 130, Marzo et al. 2011: 371), der ebenfalls dadurch gekennzeichnet ist, dass beide Motivationspartner den gleichen formalen Komplexitätsgrad aufweisen. Dementsprechend ergibt sich auch hier keine durch formalen Zuwachs begründete Ableitungsrichtung. Affixalternanzen liegen auch dann vor, wenn der Stamm selbständig auftreten kann, z.B. bei sp. com-parecer ‘vor Gericht erscheinen’ - a-parecer ‘erscheinen, auftauchen’ bezüglich parecer ‘scheinen’ (Rainer 1993: 318). (8) it. ross-ore ‘Röte’ - a-rross-ire ‘erröten’ Schließlich handelt es sich bei (8) um ein Beispiel, bei dem gar kein Ableitungsverhältnis vorliegt, weil formal gesehen beide Motivationspartner auf rosso ‘rot’ zurückgehen. Eine lexikalische Einheit muss aus der Perspektive der Motivation jedoch nicht immer durch die eigentliche, formal weniger komplexe Basis motiviert werden, auch Querverbindungen zu einer formal und semantisch in Beziehung stehenden Einheit sind möglich (Rettig 1981: 33- 45, Becker 1990: 39-49). Da die Mitglieder des Beispielpaars derselben Wortfamilie angehören, können sich it. ross-ore ‘Röte‘ und a-rross-ire ‘erröten’ durchaus gegenseitig motivieren (z.B. rossore = ‘risultato di arrossire’; arrossire 35 Andere Autoren sprechen in solchen Fällen von „Trunkierung“ und erklären das Paar éternel - éternité mithilfe einer Tilgung des Morphems -el: étern-el → étern-al-ité (Corbin 1987: 190, 341-370; s. auch Aronoff 1976: 87-98). Corbin und Aronoff siedeln die Trunkierung allerdings nicht auf der Wortbildungsebene an, sondern fassen sie als morphologische Anpassungsregel („adjustment rule“) auf, die zwischen Wortbildungs- und phonologischen Regeln greift. Unabhängig von der Ebene, auf der das Phänomen auftritt, ist es aber fraglich, ob die damit einhergehende Ableitungsrichtung den Intuitionen der Durchschnittsprecher entspricht. <?page no="35"?> 35 = ‘prendere rossore’), zumal sie formal gleich komplex sind. 36 Auch bei diesem Fall, der als Wortfamilienmitgliedschaft bezeichnet werden kann (Marzo et al. 2011: 371), hilft das Kriterium des formalen Zuwachses nicht weiter. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Iacobinis Kriterium des formalen Zuwachses nur für Komposita und Affigierungen herangezogen werden kann, da diese im Hinblick auf ihre Ableitungsbasis formal komplexer sind. Auch wenn diese unter den Produkten lexikalischer Verfahren in den hier betrachteten Sprachen sicherlich quantitativ am stärksten sind (s. Mayerthaler 1981: 114, Dressler 1987: 108), stellen jedoch insbesondere die Stammkonversionen und die formIdent-Paare einen nicht zu vernachlässigenden Teil der abgeleiteten Einheiten dar. 37 Da Wortfamilien eine beträchtliche Größe erreichen können, 38 sind entsprechend auch die möglichen Beziehungen aufgrund von Wortfamilienmitgliedschaft äußerst zahlreich. Mit Ausnahme der Wortkonversion und einiger anderer wortintern gebildeter Stammkonversionspaare (s. Kap. 2.2.5) ist für diese Fälle aus einer rein formalen Perspektive keine Entscheidung über die Ableitungsrichtung möglich, was die Annahme einer Unidirektionalität der Motivation grundsätzlich in Frage stellt. 1.3.3 Unidirektionalität und semantisch-kognitive Relationen Ausgehend von den auf der Basis von Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) eingeführten semantisch-kognitiven Relationen soll in diesem Abschnitt untersucht werden, ob im Rahmen von lexikalischer Motivation gemäß Iacobinis Definition von Ableitungsbeziehungen ein semantischer Zuwachs bzw. eine größere semantische Spezifizität der motivierten gegenüber der motivierenden lexikalischen Einheit feststellbar ist. Dafür werden wenn möglich Paare betrachtet, die den gleichen formalen Komplexitätsgrad aufweisen, da der 36 Arrossire wird bisweilen als parasynthetische Bildung beschrieben (z.B. Seewald 1996, Thiele ²1985: 143-144 und Schpak-Dolt 2006: 129-134, der zusätzlich zum Präfix auch ein Nullsuffix annimmt) und könnte dann als formal komplexer als rossore betrachtet werden. Da das verbbildende -ire jedoch ein Flexionsaffix ist, handelt es sich vielmehr um eine Kombination aus Präfix und Wortartwechsel (Gévaudan 2007: 126, Iacobini 2004: 167-172, wobei letzterer auch diese Fälle als Parasynthese bezeichnet). Sowohl arrossire als auch rossore weisen also nur ein Wortbildungsaffix auf und haben insofern denselben formalen Komplexitätsgrad. 37 Neben Affixalternanz und Wortkonversion sind auch weitere marginalere lexikalische Verfahren wie z.B. Wortstammkürzung und Siglen-/ Akronymbildung (z.B. Gévaudan 2007: 132-133, Iacobini 2000: 872, Fleischer/ Barz ²1995: 218-223, Rainer 1993: 705-709) unter dem Gesichtspunkt des formalen Zuwachses problematisch. Sie werden in dieser Arbeit jedoch nicht behandelt. 38 S. z.B. die 55 Mitglieder der Wortfamilie dt. schreiben im Wortfamilienwörterbuch von Augst (1998, s.v.). <?page no="36"?> 36 Einfluss der formalen Relation zunächst möglichst außen vor gelassen werden soll. Der Abschnitt 1.3.4 geht dann gezielt auf die Interaktionen zwischen Form und Semantik ein. Die einzige der sieben bzw. sechs (s. Anm. 22) semantisch-kognitiven Relationen, bei der in der Literatur einhellig Unidirektionalität angenommen wird, ist die metaphorische Similarität (z.B. Radden/ Kövecses 1999: 22; Kövecses 2002: 6, 24-25; Evans/ Green 2006: 296-297; Koch/ Marzo 2007: 282-283; Handl 2011: 87). Begründet wird dies damit, dass bei metaphorischer Similarität (metSim) die Übertragung einer Quellauf eine Zieldomäne immer bestimmten kognitiven Mustern folge, z.B. von konkret zu abstrakt oder, spezifischer, von räumlich zu zeitlich, von nah zu fern, von natürlich zu künstlich oder von bekannt zu unbekannt (Lakoff/ Johnson 1980: 14-21, 25-32; Blank: 1997: 180; Kövecses 2002: 15-25). Der umgekehrte Übertragungsweg komme hingegen so gut wie nicht vor, weil er kognitiv weniger nachvollziehbar sei. 39 In den Beispielen (9) und (10) ergeben sich entsprechend die folgenden Ableitungsrichtungen: (9) it. prolungare ‘räumlich verlängern’ → prolungare ‘zeitlich verlängern’ (10) en. mouse ‘kleines graues Nagetier’ → mouse ‘Bildschirmzeigegerät’ In (9) haben wir es mit einer Übertragung eines räumlichen Konzepts auf ein zeitliches Konzept zu tun, in (10) mit einer Übertragung von alt zu neu oder natürlich zu künstlich: Bei mouse dürfte den meisten Sprechern noch bewusst sein, dass das Computergerät eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts ist, während das als Namensgeber fungierende Nagetier deutlich älter ist. Es kann also auch enzyklopädisches Wissen in die Beurteilung der Ableitungsrichtung eingehen (s. auch Augst 2002: 684). Wenn auch die in der Literatur postulierten Ableitungsrichtungen für (9) und (10) durchaus nachvollziehbar sind, entsprechen sie jedoch keineswegs Iacobinis „semantischem Zuwachs“. Schließlich wird metSim üblicherweise als eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei völlig verschiedenen Konzepten aus unterschiedlichen Frames de- 39 Kövecses (2002: 25) nennt jedoch auch Gegenbeispiele: Zum einen kommt die konzeptuelle Metapher ANGER IS STORM (z.B. en. „It was a stormy meeting“) auch umgekehrt als STORM IS ANGER vor (en. „The storm was raging for hours“). Zum anderen existieren einzelne, nicht systematische, bidirektionale Metaphern wie en. „The surgeon is a butcher“ und „The butcher is a surgeon“. Er weist aber darauf hin, dass die Umkehr der Metapher mit Registerunterschieden oder verschiedenen Konnotationen einhergehen kann: „The storm was raging for hours“ ist literarisch, „The surgeon is a butcher“ ist im Gegensatz zu „The butcher is a surgeon“ negativ konnotiert. Auch was Körperteilbezeichnungen angeht, die typischerweise metaphorisch auf Konzepte aus anderen Bereichen übertragen werden, lassen sich Sinha/ López de Jensen (2000: 23) und Heine (1997: 131-146) zufolge Beispiele für den umgekehrten Übertragungsweg finden, u.a. fr. tête ‘Kopf’, das auf lat. testa ‘Tongefäß’ zurückgeht. <?page no="37"?> 37 finiert (z.B. Lakoff/ Johnson 1980: 117-119, Evans/ Green 2006: 286-310, Ungerer/ Schmid 1996: 128, Koch 1994: 213, Blank 1997: 169): 40 So verfügt die lexikalische Einheit mouse ‘Bildschirmzeigegerät’ im Vergleich zu mouse ‘kleines graues Nagetier’ weder über zusätzliche Bedeutungselemente noch über eine größere semantische Spezifizität, vielmehr beruht die Metapher darauf, dass gemeinsame optische Merkmale (Größe, ovale Form, graue Färbung, langer Schwanz bzw. langes Kabel) zwischen den Konzepten wahrgenommen werden. Diese Relation lässt sich jedoch nicht auf der Basis einer unterschiedlichen semantischen Komplexität oder Spezifizität beschreiben. Ebenso sind sich die Bedeutungen von it. prolungare ähnlich, weil sie beide eine Variante des Konzepts LÄNGER MACHEN ausdrücken. Aus der Sicht einer strukturalistischen, merkmalsorientierten Semantik könnte man hier bei der Bildung der metaphorischen Bedeutung eine Ersetzung des Merkmals [räumlich] durch das Merkmal [zeitlich] annehmen. Aber selbst dann gäbe es keinen semantischen Zuwachs, sondern lediglich einen Austausch, durch den keines der beteiligten Konzepte semantisch komplexer oder spezifischer wird. Die Begriffe semantischer Zuwachs oder größere semantische Spezifizität sind also bei metSim ungeeignet. Des Weiteren ist es schwer zu beurteilen, ob die typischen Übertragungswege auch von Nicht-Linguisten gesehen werden. So stellt sich die Frage, ob sich auch jenseits von enzyklopädischem Wissen bei der Beurteilung der Ableitungsrichtung kognitive Präferenzen wie z.B. die Übertragung von konkret zu abstrakt bei prolungare darauf auswirken, welche Ableitungsrichtung die Durchschnittssprecher annehmen würden, oder ob für diese beide Richtungen gleichermaßen in Frage kommen. Die Relation der konzeptuellen oder semantischen Identität (semIdent) nun widerspricht schon per definitionem der Vorstellung von semantischem Zuwachs: Wenn zwei Konzepte identisch sind, kann nicht gleichzeitig eines von ihnen semantisch komplexer oder spezifischer sein. Entsprechend unterscheiden sich fr. danse und danser (s. Bsp. 5 in Kap. 1.3.2) nur durch die unterschiedlichen Wortklassen, denen sie angehören. Ferner ist semIdent symmetrisch: Wenn Konzept A identisch zu Konzept B ist, dann ist Konzept B zugleich auch identisch zu Konzept A. Das Konzept TANZEN kann als durch das Konzept T ANZ motiviert gelten, aber der umgekehrte Vorgang ist genauso 40 Lakoff/ Johnson (1980) sowie Evans/ Green (2006) verwenden statt „Frame“ den Begriff “domain” (s. dazu sowie zum Begriff „domain matrix“ auch Croft 1993, Croft/ Cruse 2004). Auf die leicht unterschiedlichen Definitionen, auch von verwandten Begriffen wie „Szenario“, „Szene“, „Schema“ oder „ICM“ (= „idealized cognitive model“, Lakoff 1987), wird hier nicht eingegangen. Zu einer Kritik an der Ungenauigkeit dieser Termini s. Koch (2005: 167-168). <?page no="38"?> 38 möglich. 41 Ebenso wenig kann bei Beispiel (7), fr. éternel - éternité, das ebenfalls auf semIdent beruht, mangels eines formalen Komplexitätsunterschieds über eine Ableitungsrichtung entschieden werden. Die Kontiguität (Kont) wird meist als prinzipiell bidirektional angesehen (Mortara Garavelli 1988: 149, 153; Radden/ Kövecses 1999: 22; Handl 2011; anders Rainer 1993: 52), wobei aber angenommen wird, dass sich die verschiedenen Subrelationen unterschiedlich gut zur Bidirektionalität eignen. In beide (Ableitungs-)Richtungen funktionieren Radden/ Kövecses (1999: 30-44) zufolge u. a. T EIL -G ANZES -, U RSACHE -F OLGE -, M ATERIAL -O BJEKT -, K ATEGORIE - ZENTRALE E IGENSCHAFT -, H ANDLUNG -A GENS sowie H ANDLUNG -I NSTRUMENT - Beziehungen, während andere Subrelationen wie z.B. A RT UND W EISE für Handlung (en. to tiptoe into the room) oder Z EIT FÜR H ANDLUNG (en. to summer in Paris) bisher nur für eine Richtung belegt sind. Es ist aber auch bei diesen Relationen nicht kategorisch auszuschließen, dass irgendwann einmal in die umgekehrte Richtung abgeleitet bzw. motiviert wird. Radden/ Kövecses (1999: 43-44) und Handl (2011: 95-98) weisen ferner darauf hin, dass es auch bei prinzipiell bidirektionalen Relationen meist eine bevorzugte Richtung gibt. Z.B. ist die Relation B EHÄLTER FÜR I NHALT (en. He picked up the glass and poured it into the pitcher) Radden/ Kövecses zufolge natürlicher als I NHALT FÜR B EHÄLTER (en. I’ll put the roses in water), was die Autoren (1999: 44-52) auf verschiedene kognitive und kommunikative Präferenzen zurückführen - in diesem Fall z.B. darauf, dass Sichtbares (der Behälter) gegenüber Unsichtbarem (dem Inhalt) bevorzugt wird. Betrachtet man noch einmal das Kont-basierte Beispiel (6), it. giorno, bei dem eine T EIL -G ANZES -Beziehung vorliegt, wären den allgemeinen Annahmen für diese Subrelation zufolge beide Ableitungsrichtungen möglich. Da aber die Zeit der Helligkeit ein natürliches, durch Planetenkonstellationen bedingtes Phänomen ist, der Zeitraum von 24 Stunden jedoch eine künstliche, da von Menschen vorgenommene Einteilung, könnte entweder die Kenntnis solcher Übertragungswege oder entsprechendes enzyklopädisches Wissen dazu führen, dass vorzugsweise die Bedeutung ‘Zeitraum von 24 Stunden’ durch die Bedeutung ‘Zeit der Helligkeit’ motiviert wird und nicht umgekehrt. 42 Inwieweit sich die potenzielle Bidirektionalität der meisten Kont-Relationen gegenüber bestimmten kognitiven Präferenzen oder enzyklopädischem Wissen durchsetzt oder nicht, kann aber nur durch eine Befragung einer gewissen Anzahl von Sprechern der jeweiligen Sprache entschieden werden. Die zwei weiteren Kont-basierten Beispiele aus dem vorhergehenden Kapitel lassen sich bspw. den Subrelationen O BJEKT - H AND- LUNG (Bsp. 4, fr. dîner V - dîner N ) und P HÄNOMEN - V ORGANG (Bsp. 8, it. rossore 41 Dies verdeutlicht auch der PR online, der danse und danser s.v. jeweils auf der Basis des Konversionspartners definiert, obwohl seinen etymologischen Angaben zufolge danse von danser abgeleitet ist: danse = ‘Action de danser’, danser = ‘Exécuter une danse’. 42 Zur Rolle des enzyklopädischen Wissens für das Verständnis von Kont-Relationen s. auch Göke (2005: 29-33). <?page no="39"?> 39 - arrossire) zuordnen, bei denen ebenfalls beide Ableitungsrichtungen möglich scheinen. 43 Auch diese beiden Fälle sind mit den Begriffen semantischer Zuwachs oder größere semantische Spezifizität nicht zufriedenstellend zu erklären. Eine Übertragung gemäß dem Muster T EIL FÜR G ANZES (giorno ‘Zeit der Helligkeit’ → ‘Zeitraum von 24 Stunden’) könnte evtl. noch als semantischer Zuwachs aufgefasst werden, schließlich ist ein Ganzes im Vergleich zu einem seiner Teile umfassender. Spezifischer ist das Ganze dabei aber gerade nicht. Nimmt man ferner die umgekehrte Richtung G ANZES FÜR T EIL (giorno ‘Zeitraum von 24 Stunden’ → ‘Zeit der Helligkeit’) an, würde sich zwar entsprechend eine größere Spezifizität, aber gleichzeitig auch eine semantische „Abnahme“ ergeben. Auch bezüglich der Beispiele (4) und (8) ist es nicht einsichtig, warum ein Objekt oder Phänomen semantisch komplexer oder spezifischer sein sollte als die mit ihm zusammenhängenden Handlungen oder Vorgänge. Allgemein ergibt sich also im Falle von Kont, die typischerweise sich räumlich oder zeitlich berührende Konzepte innerhalb eines Frames umfasst (Lakoff/ Turner 1989: 103; Koch 1999a: 146, 2001b: 202; Radden/ Kövecses 1999: 17; Evans/ Green 3006: 312-313, 315), 44 welche sich aber nicht notwendigerweise hinsichtlich ihrer Spezifizität unterscheiden, bestenfalls zufällig ein semantischer Zuwachs, wie bei den T EIL -G ANZES -Beziehungen. Eine semantisch-kognitive Relation, die auf den ersten Blick Iacobinis Kriterium des semantischen Zuwachses voll erfüllt, ist die taxonomische Subordination (taxSub) in Beispiel (11). (11) fr. homme ‘Mann’ - homme ‘Mensch’ Wird fr. homme ‘Mann’ auf der Basis der Bedeutung ‘Mensch’ definiert, weist die motivierte Einheit zumindest in einer strukturalistischen Perspektive die von Iacobini geforderte größere semantische Komplexität auf: homme ‘Mann’ würde man ein Sem mehr als ‘Mensch’ zusprechen, nämlich [männlich]. Damit würde die motivierte Einheit im Vergleich zur Motivationsbasis, welche das Hyperonym darstellt, einen Zuwachs um ein Merkmal aufweisen und wäre auch semantisch spezifischer. Allerdings hat die taxSub ja in der taxonomischen Superordination (taxSuper) ein genaues Gegenstück (s. auch Anm. 22) und es existieren nicht nur Ableitungen vom Oberzum Unterbegriff, sondern auch vom Unterzum Oberbegriff. Wenn auch bei fr. homme die Ableitung ‘Mensch’ → ‘Mann’ diejenige ist, die üblicherweise angenommen wird (z.B. Koch 1995: 31-32, Blank 1997: 199-200), wäre auch die umgekehrte Richtung, also eine Motivierung des Konzepts M ENSCH durch das Konzept M ANN , 43 So könnte man fr. dîner N ‘Abendessen’ übereinstimmend mit der formalen Ableitungsrichtung auf der Basis von dîner V ‘zu Abend essen’ motivieren, z.B. als ‘ce qu’on mange quand on dîne’ oder umgekehrt dîner V durch dîner N , nämlich als ‘prendre le dîner’. Zu (8), rossore - arrossire, s. oben, Kap. 1.3.2. 44 Zu vom Frame-Begriff abweichenden Termini bei den genannten Autoren s. Anm. 40. <?page no="40"?> 40 bei fr. homme durchaus nachvollziehbar. 45 Dann aber bestände wiederum kein semantischer Zuwachs, sondern vielmehr der Verlust des Merkmals [männlich], also eine semantische „Abnahme“, und die motivierte Bedeutung wäre semantisch weniger spezifisch. Die taxonomischen Relationen sind also aufgrund der Existenz zweier genau gegenläufiger Subrelationen aus einer synchronischen Perspektive bidirektional, da immer sowohl eine Motivierung des Hyperonyms durch das Hyponym als auch des Hyponyms durch das Hyperonym möglich ist. Die Beschreibung mittels einer größeren semantischen Spezifizität erweist sich auch hier als wenig sinnvoll, weil sie nur für eine der beiden komplementären Relationen zutrifft, während bei der anderen genau das Gegenteil der Fall ist. (12) mex.sp. tigre ‘Tiger’ - tigre ‘Jaguar’ (Lara 1991, s.v.) Die eher selten auftretende Relation der kotaxonomischen Similarität (kotaxSim) zeichnet sich, wie in dem Fall von formIdent in Beispiel (12), dadurch aus, dass zwei meist inkompatible Konzepte, hier zwei Arten von Raubtieren, durch ihr gemeinsames Hyperonym, hier Raubtier, miteinander verbunden sind (Blank 2001a: 31; Koch 2005; Mihatsch 2006: 35-40, 71-74). KotaxSim ist genau wie semIdent symmetrisch: Wenn X ein Kohyponym zu Y ist, ist Y auch ein Kohyponym zu X. Entsprechend besteht zum einen kein semantischer Komplexitätsunterschied zwischen den beiden Kohyponymen, die gerade dadurch definiert sind, dass sie auf derselben Hierarchieebene stehen und nur in Bezug auf den gemeinsamen Oberbegriff Raubtier zusätzliche Merkmale (u.a. [mit schwarzen Streifen], [in Asien lebend] bzw. [mit schwarzen Flecken], [in Amerika lebend]) aufweisen. Zum anderen existiert synchronisch nicht (mehr) unbedingt ein direktes Ableitungsverhältnis zwischen den Kohyponymen, 46 sodass sich keine bevorzugte Ableitungsrichtung ergibt, sondern wiederum beide Richtungen gleichwertig sind. Als letzte semantisch-kognitive Relation ist noch der konzeptuelle Kontrast zu betrachten: (13) sp. capaz ‘fähig’ → 47 incapaz ‘unfähig’ 45 Z.B. mittels einer Paraphrase wie: „Un homme est un être qui est soit un homme, soit une femme“. Auch die Etymologie von dt. Mensch (ahd. mennisco/ mannisco ‘der Männliche’, DUW, s.v.) legt diese Ableitungsrichtung nahe. 46 Im Fall von mex.sp. tigre ist aber evtl. einigen Sprechern aufgrund von enzyklopädischem Wissen bewusst, dass die Polysemie den spanischen Eroberern geschuldet ist, die den Namen eines ihnen bekannten Raubtiers (des Tigers) auf ein ihnen unbekanntes, aber optisch ähnliches Raubtier (den Jaguar) übertrugen. Wie Blank (1997: 207-217) zeigt, ist diachronisch ein solcher Bedeutungswandel auf der Basis kohyponymischer Übertragungen äußerst selten und instabil. 47 Dass hier die Ableitungsrichtung von capaz zu incapaz angenommen wird, ist in erster Linie durch den formalen Zuwachs aufgrund der Präfigierung begründet. <?page no="41"?> 41 Unabhängig von der genauen Art der Beziehung (z.B. komplementäre, konträre oder direktionale Antonymie) sind auch Kontrastrelationen symmetrisch und daher prinzipiell bidirektional, denn wenn X das Gegenteil von Y ist, dann ist Y das Gegenteil von X (s. auch Raible 1981: 13, 30). Allerdings kann auch hier ein bestimmtes kognitives Muster zur Bevorzugung einer Richtung führen: Häufig gibt es bei Kontrastbeziehungen zwischen Motivationspartnern einen positiven Pol wie sp. capaz, der unmarkiert ist, während der negative, z.B. sp. incapaz, als markiert gilt (Mayerthaler 1981: 13, 15, 20; Van Langendonck 2007: 401, 405). Daher wäre zu erwarten, dass tendenziell eher das negative/ markierte Konzept vom positiven/ unmarkierten abgeleitet wird als umgekehrt. Wenn man ausgehend vom positiven Pol die Negation als semantisches Merkmal betrachtet, z.B. sp. incapaz = ‘no capaz’, entspricht dies einem semantischen Zuwachs bzw. einer größeren Spezifizität. Allerdings funktioniert die Kontrastrelation trotz des Markiertheitsunterschieds auch in die andere Richtung, was dann wieder einer semantischen „Abnahme“ oder einem Verlust an Spezifizität entsprechen würde. Mit Ausnahme von metSim und bestimmten Kont-Relationen sind also alle semantisch-kognitiven Relationen aus dem Inventar von Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) eindeutig bidirektional. Was Iacobinis Kriterium der größeren semantischen Spezifizität angeht, können nur einzelne Beziehungen wie taxSub und ggf. der Kontrast aus einer merkmalbasierten Perspektive durch semantischen Zuwachs beschrieben werden, und das auch nur gemäß einer der beiden möglichen Ableitungsrichtungen. Aus einer kognitiven Sicht aber, bei der von Similaritäts-, Kontrast- oder Kontiguitätsrelationen zwischen den außersprachlichen Konzepten ausgegangen wird, entziehen sich die meisten Relationen einer Beschreibung durch einen semantischen Komplexitäts- oder Spezifizitätsunterschied der Motivationspartner. Wenn eine Bevorzugung einer bestimmten Motivations- oder Ableitungsrichtung auftritt, dann geschieht dies aufgrund bestimmter kognitiver Muster (z.B. konkret → abstrakt oder positiv → negativ) und/ oder enzyklopädischen Wissens. Ungeklärt ist aber, inwiefern die entsprechenden Muster und Kenntnisse für die Sprachbenutzer selbst eine Rolle spielen. Auch aus der Perspektive der semantisch-kognitiven Relationen ergibt sich also zunächst nur eingeschränkt eine Unidirektionalität von Motivationsbeziehungen. 1.3.4 Das Zusammenwirken von Form und Semantik Wie sich in den vorangehenden Teilkapiteln gezeigt hat, besteht nur bei bestimmten formalen und semantisch-kognitiven Relationen eine eindeutige Unidirektionalität der Motivationsbeziehung. In vielen anderen Fällen aber tritt kein formaler Komplexitätsunterschied auf und die zugrunde liegende semantisch-kognitive Relation ist bidirektional. <?page no="42"?> 42 Nun sind Motivationspaare wie in Kap. 1.2 beschrieben durch das gleichzeitige Vorliegen einer formalen und einer semantisch-kognitiven Relation charakterisiert. Dadurch kann es sein, dass (i) bei manchen Motivationspaaren zwar nicht aufgrund der Form, aber aufgrund der Semantik eine Ableitungsrichtung angenommen werden kann, z.B. bei der Kombination formIdent + metSim, wie sie bei en. mouse und it. prolungare auftritt. (ii) sich bei anderen Motivationspaaren nicht aufgrund der Semantik, aber aufgrund der Form eine Ableitungsrichtung ergibt, z.B. bei dt. schön → Schön-heit, wo man trotz semIdent aufgrund des formalen Zuwachses durch das Suffix -heit das Substantiv Schönheit vom morphologisch einfachen Adjektiv schön ableiten würde. (iii) einerseits Unidirektionalität besteht, wenn ein formaler Komplexitätsunterschied mit einer unidirektionalen semantisch-kognitiven Relation zusammentrifft (z.B. Suffigierung + metSim bei it. rosone ‘Rosette (= eine bestimmte Art Kirchenfenster)’ in Bezug auf rosa ‘Rose’ (Beispiel aus Marzo 2013a: 71) oder Präfigierung + Kontrast bei sp. capaz - incapaz). Andererseits kann es aber auch eine eindeutige Bidirektionalität geben, wenn zwei formal gleich komplexe Motivationspartner durch eine nicht gerichtete semantisch-kognitive Relation miteinander verbunden sind, wie die bereits erwähnten Motivationspaare fr. danse - danser (Stammkonversion + semIdent) und fr. homme (formIdent + taxSub/ taxSuper). Zwischen diesen beiden Extremen sind verschiedene Abstufungen von Unidirektionalität denkbar - je nachdem, inwiefern die formale und die semantisch-kognitive Relation zusammenwirken oder eine Dimension über die andere dominiert. 48 Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, die sich aus dem Raster von Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) ergeben, tendieren also offenbar unterschiedlich stark zur Unidirektionalität gemäß einer der beiden Ableitungsrichtungen oder zu Bidirektionalität und bilden somit ein Kontinuum (s. dazu ausführlich Kap. 3.4.2). 48 Weiterhin kann es sein, dass sich die formale und die semantisch(-kognitiv)e Ableitungsrichtung direkt widersprechen, wenn z.B. wie bei en. (to) televise - television formal aufgrund des Komplexitätsunterschieds (to) televise → television anzunehmen wäre, semantisch aber television → (to) televise ‘to put on television’ (s. auch Anm. 30). <?page no="43"?> 43 1.4 Fazit zu Kapitel 1 Nach einem Überblick über verschiedene Ansätze zur lexikalischen Motivation und einer Abgrenzung gegenüber den Phänomenen der Onomatopöie, der Ikonizität und der Konsoziation wurde in diesem Kapitel der synchronische, zweidimensionale und sprecherbasierte Motivationsbegriff, der dieser Arbeit zugrunde liegt, eingeführt. Davon ausgehend wurde die Feststellbarkeit einer Motivationsbzw. Ableitungsrichtung aus der Perspektive der einzelnen formalen und semantisch-kognitiven Relationen, die zwischen einem Motivationspaar bestehen können, erörtert. Dabei hat sich gezeigt, dass das in unidirektionalen Ansätzen üblicherweise verwendete Kriterium des formalen und/ oder semantischen Zuwachses der abgeleiteten Form gegenüber der Basis nur begrenzt anwendbar ist. Aus dem Zusammenspiel von formaler und semantisch-kognitiver Relation eines Motivationspaars ergibt sich vielmehr eine stärker oder schwächer ausgeprägte Tendenz zu einer bestimmten Ableitungsrichtung. Eine rein unidirektionale Konzeption der lexikalischen Motivation, wie sie u.a. de Saussure, Gauger und Ullmann vertreten, erweist sich also als problematisch: Gemäß diesen Ansätzen setzt die Beschäftigung mit Motivation voraus, dass eine motivierte Einheit von einer motivierenden unterschieden werden kann. Dies ist aber je nach Kombination aus formaler und semantischkognitiver Relation auf den ersten Blick nicht immer möglich. Hält man an der Unidirektionalität fest, bleibt nur, die entsprechenden Fälle aus Motivationsstudien auszuschließen, oder andere Kriterien zu finden, mit deren Hilfe über eine Ableitungsrichtung entschieden werden kann. Die erste Lösung würde allerdings jeder Intuition widersprechen, da bei Paaren wie fr. danse - danser in Bsp. (5), fr. éternel - éternité in (7) und den beiden Bedeutungen von fr. homme in (11) die jeweiligen Einheiten eindeutig formal und semantisch zueinander in Beziehung stehen. Kriterien zur Bestimmung der Ableitungsrichtung hingegen sind in der Morphologie und Wortbildung vielfach entwickelt und angewendet worden, allerdings vor allem für das Phänomen der Konversion und insbesondere für das Englische, wo die Konversion bekanntlich ein hoch produktives Wortbildungsverfahren darstellt. Inwieweit können diese Kriterien auch für Motivationsansätze genutzt werden - vorausgesetzt, dass sie neben der Konversion auch auf andere lexikalische Verfahren anwendbar sind -, sodass die unidirektionale Konzeption der lexikalischen Motivation beibehalten werden kann? Das folgende Kapitel soll diese Frage beantworten, indem die gängigen Kriterien zur Lösung des Direktionalitätsproblems vorgestellt und sowohl unter allgemeinen wie auch unter motivationellen Gesichtspunkten bewertet werden. <?page no="44"?> 44 2 Theorien zur Direktionalität von Konversion und anderen lexikalischen Verfahren Je nach theoretischem Hintergrund finden sich in der Literatur die unterschiedlichsten Umgangsweisen mit der Frage der Ableitungsrichtung bei Konversionen und - am Rande - auch bei Produkten anderer lexikalischer Verfahren. Als erste sind dabei diejenigen Ansätze zu nennen, die aus verschiedenen Gründen bei Konversion keine zugrunde liegende Derivationsrelation annehmen und damit das Direktionalitätsproblem umgehen. Sie lassen sich unter dem Stichwort Ungerichtetheit zusammenfassen (Kap. 2.1). Wird jedoch, wie in den meisten Ansätzen, eine Ableitungsbeziehung zwischen Konversionspartnern angenommen, bringt das notwendigerweise die Frage nach der Gerichtetheit dieser Beziehung mit sich. Die Mehrheit der Autoren plädiert für Unidirektionalität und versucht, diese mit Hilfe verschiedenster Kriterien herzustellen (Kap. 2.2); es finden sich jedoch auch einige Vertreter unterschiedlicher Ausprägungen von Bidirektionalität (Kap. 2.3) oder von Multidirektionalität (Kap. 2.4). Die Darstellung dieser verschiedenen Herangehensweisen an das Direktionalitätsproblem und ihre Bewertung im Hinblick auf einen sprecherbasierten Motivationsansatz münden in ein Fazit (Kap. 2.5), in dem bezüglich der Frage der Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen eine Bilanz gezogen wird. Was die Sprachen betrifft, anhand derer die verschiedenen Direktionalitätstheorien entwickelt oder exemplifiziert werden, dominiert das Englische. Innerhalb der romanischen Sprachen wurde vor allem das Französische untersucht, für das Italienische liegen kaum Studien vor. Im Folgenden werden aber die einzelnen Theorien und Kriterien auch auf italienische Beispiele angewendet. 2.1 Ungerichtetheit Eine Ungerichtetheit von Konversionsbeziehungen ergibt sich immer dann, wenn die entsprechenden Autoren Konversion nicht als Untergruppe der Derivation, sondern als anders geartetes Verfahren zur Produktion neuer Wörter ansehen. Dies ist mit den unterschiedlichsten theoretischen Herangehensweisen verbunden. Im Rahmen einer strukturalistisch-generativ ausgerichteten Morphologie knüpfen Bergenholtz/ Mugdan (1979a: 155-167) Derivation an die Präsenz eines (overten) Derivationsmorphems. Zwischen Konversionspartnern besteht für sie daher synchronisch keine Derivationsbeziehung, weshalb sich auch die <?page no="45"?> 45 Frage der Ableitungsrichtung nicht stellt. Stattdessen existieren den Autoren zufolge sog. Kernmorpheme wie z.B. en. love, fr. danse oder dt. dunkel, die sich einen gemeinsamen, nicht auf eine Wortklasse festgelegten, Stamm teilen, und dann mit den entsprechenden Flexionsmorphemen versehen als Substantiv, Verb oder Adjektiv verwendet werden können. Beschränkungen hinsichtlich des Vorkommens eines Stamms in einer bestimmten Wortklasse begründen Bergenholtz/ Mugdan (1979a: 165) durch die Konkurrenz von Homonymen oder von bereits bestehenden Lexemen (z.B. dt. *lampen, weil bereits das Verb leuchten existiert). 49 Lieber (1981: 119-148) geht es in ihrer generativ geprägten Wortbildungstheorie vor allem um die Vermeidung von Null-Affixen bzw. von deren Proliferation. Da es ihr zufolge bei der Annahme gerichteter V-N-Konversionsregeln im Englischen und Deutschen so viele Nullaffixe geben müsste, wie morpholexikalische Klassen beteiligt sind, 50 lehnt sie gerichtete Regeln ab und postuliert stattdessen, dass beide Konversionspartner zwar phonologisch identisch und semantisch verbunden, aber unabhängig voneinander im Lexikon gespeichert sein müssen („separate listing“). Zwischen den Konversionspartnern besteht für Lieber kein Ableitungsverhältnis, sie sind aber über ungerichtete Redundanzregeln miteinander verbunden. Auf einer rein semantischen Ebene jedoch lässt sie aufgrund bestehender Sprecherintuitionen ein direktionales Verhältnis zwischen den Konversionspartnern zu, das sich an Marchands Kriterium der semantischen Abhängigkeit (s. Kap. 2.2.3.1) orientiert: I will claim that an analysis of the semantics of conversion is, in principle, independent of our syntactic analysis of conversion, and in particular that the semantic analysis can involve directionality without arguing in any way against the non-directionality of the syntactic analysis. (Lieber 1981: 129) 51 Auch Jackendoff (1975) fordert generell ungerichtete Redundanzregeln für bestehende, morphologisch und semantisch zusammenhängende lexikalische Einträge. Ungerichtet sind für ihn allerdings in erster Linie Affixalternanzen wie en. retribut-ion - retribut-ive, wohingegen er bei Affigierungen den Sprechern doch Intuitionen darüber, welcher Eintrag die Basis darstellt - nämlich der formal weniger komplexe - zugesteht. Vor dem Hintergrund eines kognitiven Ansatzes erklärt Farrell (2001) V- N-Konversionen im Englischen, aber auch in den romanischen und anderen Sprachen (s. Farrell 2001: 115, Anm. 10), mithilfe von Unterspezifizierung: Bei 49 Kritisch zu diesem Ansatz äußert sich Olsen (1986: 121-124). 50 Im Deutschen unterscheidet Lieber (1981: 121) z.B. drei Klassen von deverbalen Konversionen aufgrund ihrer Pluralbildung: rufen - Ruf (Rufe), klingen - Klang (Klänge) und graben - Grab (Gräber) sowie eine weitere für denominale Verben wie Pflug - pflügen. 51 Zu einer Kritik an Lieber s. Don (1993: 36-43) und Balteiro (2007: 86-87). <?page no="46"?> 46 den lexikalisch-semantischen Repräsentationen von Wörtern wie en. kiss oder bag sind Wortart und Bedeutung nicht grundsätzlich festgelegt, sondern sie beinhalten Handlungsschemata („event schemas“), die sowohl mit (verbalen) Prozessals auch mit (substantivischen) Ding-Bedeutungen kompatibel sind (zur Terminologie s. Langacker 1987, 1991). Die Festlegung auf eine Bedeutung geschieht erst durch die Profilierung im konkreten morphosyntaktischen Kontext, wo ggf. auch Flexionsaffixe hinzukommen. Durch die Annahme von Unterspezifizierung besteht in Farrells Ansatz eigentlich keine Direktionalität von Konversionsbeziehungen. Implizit nimmt jedoch auch er eine Gerichtetheit an, da er innerhalb der an englischen V-N-Konversionen beteiligten Wörter zwei Arten unterscheidet: Prozess-zentrierte (z.B. kiss) und Ding-zentrierte (z.B. bag). Aus diesen ergeben sich unterschiedliche Bedeutungen des jeweiligen Konversionspartners: In general, for the process-centered alternation the noun designates the process or activity designated by the verb construed as a thing; for the thing-centered alternation, the verb designates a process or activity in which the thing designated by the N is characteristically involved. (Farrell 2001: 110) Die Prozess-zentrierten Wörter entsprechen also verbalen Basen, die, wenn sie als Substantiv konstruiert werden, die Bedeutung eines Nomen Actionis haben, während die Ding-zentrierten Wörter nominalen Basen entsprechen, auf deren Grundlage ein Verb mit einer Bedeutung, die die Basis beinhaltet, gebildet wird (s. auch Farrell 2001: 123). Dies entspricht genau den Annahmen zur Ableitungsrichtung, die von Vertretern einer Derivationsbeziehung bei Konversion geäußert werden. Auch Farrell entgeht also nicht den Intuitionen, die bezüglich typischer Bedeutungen von Verben und Substantiven bestehen und die die Verfechter des Kriteriums der semantischen Abhängigkeit (s. Kap. 2.2.3.1) zu operationalisieren versuchen. Unterspezifizierung ist auch die Basis von Theorien wie der Distribuierten Morphologie (DM), die ganz auf die Annahme eines Lexikons verzichtet und stattdessen von einer Liste von vocabulary items ausgeht, die als rein phonologische Ketten nur bezüglich möglicher Einfügungskontexte spezifiziert sind. Die Wortart eines solchen items ergibt sich dann gemäß dem Prinzip der late insertion wie bei Farrell erst im konkreten Kontext, nachdem es alle syntaktischen Prozesse durchlaufen hat (z.B. Halle/ Marantz 1994, Harley/ Noyer 1999, speziell zu V-N-Alternationen Barner/ Bale 2002). Innerhalb der DM besteht aber auch eine gewisse Variation im Umgang mit Wortbildungsfragen: Hale/ Keyser (1993) und Harley (2003) betrachten englische Verben mit nominalem Konversionspartner grundsätzlich als denominal. Andere Autoren lassen nicht nur Wortbildung auf der Basis von unterspezifizierten items oder Wurzeln, sondern auch auf der Basis von bereits spezifizierten Wörtern zu (s. z.B. Marantz 1997, Ms.; Alexiadou 2001 zu Nominalisierungen und Arad 2003 <?page no="47"?> 47 und Don 2005a, b speziell zu V-N-Konversionen). Hier muss dann die Bestimmung der Ableitungsrichtung aufgrund derselben semantischen, phonologischen u. a. Kriterien erfolgen, die auch in den unidirektionalen Ansätzen herangezogen werden. 52 Speziell für das Französische nimmt Kiefer (2011: 115-116) bezüglich eines bestimmten Typs von Adj.-N-Paaren, den sog. ethnischen Paaren wie fr. hongrois - le hongrois, russe - le russe etc., eine Unbestimmtheit bezüglich der Wortart an (s. auch Marzo 2014b). Der Grund liegt für ihn darin, dass für jedes Adjektiv ein entsprechendes Substantiv existiert und umgekehrt. Da es sich für Kiefer hier gar nicht um Konversion handelt, entfällt auch die Frage der Ableitungsrichtung. Ein Vorteil der auf Ungerichtetheit basierenden Ansätze ist, dass sie sich nicht von Vornherein mit dem Henne-Ei-Problem der Ableitungsrichtung auseinandersetzen müssen. Werden jedoch wie bei Bergenholtz/ Mugdan, Lieber und Farrell nur Konversionen als ungerichtet betrachtet, nicht aber die overten Affigierungen, schließt dies die Konversion aus der Derivation aus, wodurch verschleiert wird, dass Suffigierung und Konversionen häufig genau dieselben semantischen Funktionen erfüllen, z.B. was die Produktion von Nomina Actionis oder Agentis oder die Bildung von Verben auf der Basis von Substantiven angeht (s. auch Corbin 1987: 275, Don 2005a: 7-9). Bei einem prinzipiellen Verzicht auf Ableitungsregeln wie in der DM wiederum könnte die formale Identität bzw. Polysemie nur als Kontextvarianz in die lexikalische Motivation integriert werden, womit nicht erfasst wäre, dass es sich um zwei bezüglich Referenz und semantisch-kognitiver Relation unterschiedliche Phänomene handelt (Blank 2001: 108-110). Weiterhin entspricht eine grundsätzliche Ungerichtetheit nicht den Intuitionen, die viele Sprecher bezüglich der Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Wörtern haben: Gerade bei bestimmten Unterarten von Konversionen, z.B. bei Verben, die als ‘etwas mit N tun’ paraphrasierbar sind (z.B. it. salare ‘aggiungere sale’), besteht ein relativ starker Konsens darüber, dass das Verb vom Substantiv abhängig ist. Insofern verwundert es nicht, dass über die oben besprochenen Ansätze hinweg Autoren wie Lieber, Farrell und Arad trotz einer postulierten grundsätzlichen Ungerichtetheit durch die Hintertür doch wieder gerichtete semantische Beziehungen einführen. 52 Zu Kritikpunkten an der Distribuierten Morphologie aus der Perspektive der Konversion s. Tribout (2010: 38-40). <?page no="48"?> 48 2.2 Unidirektionalität Auch die Verfechter einer grundsätzlichen Unidirektionalität nicht nur von Affigierung und Komposition, sondern auch von Konversion und anderen bezüglich einer Gerichtetheit problematischen lexikalischen Verfahren vertreten ganz verschiedene theoretische Ansätze. Ihnen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie zur Festlegung der Ableitungsrichtung Hilfskriterien heranziehen müssen, die sich grob in historische, Markiertheits- und Frequenz-basierte, semantische, paradigmatische und morphologische Kriterien unterteilen lassen, wobei diese jeweils noch weiter differenziert werden können. Keine Erwähnung finden hier rein phonologische und suprasegmentale Kriterien, die hauptsächlich für das Englische, aber auch für einige andere Sprachen 53 entwickelt wurden und sich nicht auf das Französische oder Italienische übertragen lassen. 54 2.2.1 Historische Kriterien Historische Kriterien zur Lösung des Direktionalitätsproblems bei Konversionen werden u.a. von Autoren wie Tournier (1980), Štekauer (1996) und Balteiro (2007) angeführt. Sie bestehen im Wesentlichen aus zwei Herangehensweisen (so z.B. Balteiro 2007 für das Englische und Tribout 2010 für das Französische): Zum einen wird die historische Herkunft der Mitglieder eines Konversions- oder Motivationspaars anhand von etymologischen Informationen in Wörterbüchern ermittelt, zum anderen werden die Daten des ersten Nachweises der betroffenen Wörter miteinander verglichen. Etymologische Informationen haben, wie Balteiro betont, einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen anderen diachronischen oder synchronischen Kriterien: [E]tymology […] allows us to distinguish between conversion and other phenomena such as borrowing, shortening, or meaning extension, among others. Accordingly, etymological data demonstrate that two elements with identical form which are semantically related or semantically similar are not necessarily connected in derivational and/ or directional terms by a process of conversion in English, as a synchronic approach apparently does. (Balteiro 2007: 99) 53 Zum Englischen s. u.a. Marchand (1964), Kiparsky (1982), Plag (2003: 110-111), zum Niederländischen Don (2005a), zum Deutschen Nolda (2012: 32-36), zum Portugiesischen Rodrigues Soares (2009). 54 Für das Französische wurde dies von Tribout (2010: 185-186) überprüft. Eine fundierte Studie zum Italienischen steht noch aus. Bisher finden sich aber keine Hinweise auf eine systematische Ausnutzung von phonologischen oder suprasegmentalen Alternanzen im Italienischen. <?page no="49"?> 49 Das etymologische Kriterium garantiert also, dass eines der beiden Mitglieder eines vermeintlichen Konversionspaars auch wirklich einen Wortartwechsel vollzogen hat und die Konversionspartner nicht etwa beide entlehnt wurden oder das Paar durch ein Kürzungsverfahren entstanden ist. Unzulänglichkeiten bestehen laut Balteiro bei diesem Kriterium nur dort, wo die Angaben der Wörterbücher unzureichend oder unklar sind, was in ihrer empirischen Studie nur in 1,73% der untersuchten Wortpaare der Fall war (Balteiro 2007: 103). Wie Tribout (2010: 150) anmerkt, spricht aber die Tatsache, dass zwei potenzielle französische Konversionspartner aus dem Lateinischen ererbt oder aus einer anderen Sprache entlehnt wurden, nicht dagegen, sie synchronisch als Konversionspaar zu analysieren, wenn sie einer synchronisch regelmäßigen morphologischen Beziehung entsprechen. Dies betrifft z.B. fr. argument - argumenter, die beide lateinische Etyma haben, genauso wie fr. coach - coacher, wo die Konversionspartner offensichtlich einzeln aus dem Englischen entlehnt wurden (s. Tribout 2010: 150, Tab. 3.9). Dasselbe gilt für andere Wortbildungsrelationen: Synchronisch kann z.B. problemlos eine Suffigierung angenommen werden, wo es sich wie bei dt. sanftmütig diachronisch eigentlich um eine Rückbildung handelt. Aus dem Vergleich der ersten Nachweisdaten von Konversionspartnern ergibt sich, dass die früher belegte Einheit die Ableitungsbasis darstellen muss, während die später belegte Einheit die abgeleitete ist. Dieses Kriterium verspricht zunächst eine äußerst einfache Lösung der Direktionalitätsfrage. Balteiro (2007: 105-108) nennt jedoch mehrere Probleme, die mit dieser Herangehensweise verbunden sind (ähnlich auch Tournier 1980: 77-78 sowie Corbin 1976: 56 und Tribout 2010: 144-145). So können die Nachweisdaten allein noch keine Ableitungsbeziehung zwischen zwei Einheiten beweisen - dies kann wie oben ausgeführt nur durch etymologische Informationen garantiert werden. Ferner ist die Richtungsentscheidung von den Angaben in den Wörterbüchern oder der Zusammensetzung des Korpus abhängig und muss womöglich geändert werden, wenn neue Dokumente gefunden werden, die eine frühere Existenz eines Wortes belegen. Auch wenn dies nicht geschieht, kann aber natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein Wort in einer Sprache schon lange im Gebrauch ist, bevor es zum ersten Mal schriftlich fixiert wird. Eine weitere Schwierigkeit entsteht dadurch, dass die Mitglieder eines Wortpaars ungenau, zeitgleich oder in sehr geringem zeitlichem Abstand dokumentiert sind. 55 Ist in den ersten beiden Fällen gar keine Richtungsentscheidung möglich, so ist im dritten Fall unklar, wie groß der Abstand sein muss, um eine Entscheidung zuzulassen. Diese letzte Frage ist 55 Ungenauigkeit besteht bspw. für fr. toast und toaster, da die Angabe für toast gemäß der herangezogenen Quelle „18e siècle“ lautet, während für toaster das Jahr 1745 angegeben ist. Fr. compte und compter sind dort beide erstmals im Jahr 1100 belegt (Beispiele aus Tribout 2010: 143). Zu kurz sind die zeitlichen Abstände z.B. bei en. calm, das Tournier (1980: 78) zufolge 1393 als Verb, 1399 als Substantiv und 1400 als Adjektiv belegt ist. <?page no="50"?> 50 Balteiro (2007: 107) zufolge in Anbetracht der verschiedenen denkbaren Fälle (sofortige Konversion eines neu geschaffenen Wortes aufgrund eines dringenden lexikalischen Bedürfnisses oder aber ein jahrhundertelanger Abstand zwischen der Kreation einer Einheit und ihrer Ableitung) auch nicht eindeutig zu entscheiden. 56 Als weiteren Kritikpunkt führt Tribout (2010: 145-148) an, dass die Daten des ersten Nachweises bisweilen den etymologischen Informationen widersprechen. Solche Fälle führt sie darauf zurück, dass die Nachweisdaten nur den Zeitpunkt der Lexikalisierung einer Einheit widerspiegeln, welche bei einer nachgewiesenermaßen abgeleiteten Einheit durchaus früher erfolgen kann als bei ihrer Basis. Tribout findet aber auch Widersprüche zu den von ihr als stichhaltiger erachteten morphologischen Kriterien (ähnlich auch Rifón 2012: 386-388 zum Spanischen), was bei ihr Zweifel an der Pertinenz dieses Kriteriums im Allgemeinen weckt. Beide historischen Kriterien haben den Vorteil, im Prinzip nicht nur für Konversion, sondern für mehrere Arten von Motivationspaaren verwendbar zu sein, also bspw. auch eine Ableitungsrichtung bei Affixalternanzen und Wortfamilienmitgliedschaften angeben zu können. An ihre Grenzen stoßen diese Kriterien jedoch im Fall der formalen Identität (formIdent), da entsprechende Informationen nicht immer für die einzelnen Bedeutungen einer Wortform erhältlich sind. Für den in dieser Arbeit vertretenen Ansatz sind jedoch beide diachronische Herangehensweisen abzulehnen, und zwar nicht nur wegen der genannten Problempunkte, die die Aussagekraft vor allem der Daten des ersten Nachweises beträchtlich einschränken, sondern auch unter methodischen Gesichtspunkten: Historische Kriterien sind für eine synchronische Untersuchung allgemein nicht relevant (s. u.a. auch Augst 1975: 178-185, Bergenholtz/ Mugdan 1979a: 158-159, Scheidegger 1981: 54, Sanders 1988: 171, Rainer 1993: 51 und Pena 2012: 344), da zum einen diachronische und synchronische Informationen durchaus im Widerspruch zueinander stehen können, oder, wie es Plag (2003: 108) ausdrückt: „[C]omplex semantic changes may overwrite the original direction of conversion”. 57 Zum anderen ist für die vorlie- 56 Balteiro selbst (2007: 109-110) schlägt vor, für bereits vorliegendes Material den durchschnittlichen zeitlichen Abstand aus den einzelnen Konversionspaaren zu errechnen, um einen Hinweis auf die ungefähren zeitlichen Verhältnisse zu gewinnen. Für ihr eigenes Korpus ergab sich ein Durchschnitt von etwas mehr als 300 Jahren zwischen Basis und Ableitung. Allerdings räumt sie selbst ein, dass diese Zahl sehr heterogenen Daten entspringt und entsprechend nur eine ungenaue Tendenz widerspiegeln kann, wo eigentlich jeder Einzelfall separat betrachtet werden müsste. 57 Plag (2003: 108) nennt als Beispiel das englische Verb to crowd ‘bevölkern, bedrängen’, das für die heutigen Sprecher vom Substantiv crowd ‘Menschenmenge’ abgeleitet zu sein scheint, obwohl das Verb im OED früher belegt ist. Die Inversion der Ableitungsrichtung ist laut Plag auf verschiedene semantische Wandelprozesse zurückzuführen, denen das Verb im Lauf der Jahrhunderte unterzogen worden ist. <?page no="51"?> 51 gende Studie die Perspektive der nicht linguistisch gebildeten Muttersprachler einer Sprache entscheidend. Diese verfügen im Normalfall nur eingeschränkt über sprachhistorische Kenntnisse und gelangen aufgrund einer mehr oder weniger intuitiven synchronischen Bewertung zu einer Entscheidung über die Gerichtetheit eines Motivationspaars. Lediglich in einzelnen Fällen kann es vorkommen, dass die Sprecher ein Wort als Archaismus oder Neologismus erkennen und daraus eine Richtung in Bezug auf den Motivationspartner ableiten. 58 Insofern müssen historische Kriterien für eine synchronische Lösung des Direktionalitätsproblems generell verworfen werden. 2.2.2 Markiertheit, Frequenz und andere Gebrauchsrestriktionen Als weiteres Kriterium zur Bestimmung der Ableitungsrichtung werden die jeweilige Frequenz der Motivationspartner (Plag 2003) und andere Gebrauchsbeschränkungen herangezogen (Marchand 1964, Tournier 1985). Die weniger frequente Einheit gilt als von der frequenteren Einheit abgeleitet. Dieses Kriterium lässt sich auch auf die Produktivität von Ableitungsverfahren bezüglich ganzer Wortklassen beziehen. Auch Einheiten, deren Gebrauch auf bestimmte Kontexte oder Varietäten, z.B. Stilebenen, beschränkt ist, werden als abgeleitet eingestuft. Dasselbe gilt für Wörter, die im Gegensatz zu ihrem Motivationspartner nur in bestimmten Formen vorkommen, z.B., wie das englische Substantiv thanks, nur im Plural (Marchand 1964: 14). Frequenz korreliert wiederum mit Markiertheit, da markierte Einheiten üblicherweise eine geringere Frequenz haben als unmarkierte (Tiersma 1982, Bybee 1985: 50-58, Vogel 1996: 73). Folglich müssten also abgeleitete Einheiten im Verhältnis zu ihrer Basis markierter sein (s. auch Kap. 2.2.3.3). Tiersma (1982: 847) zufolge, der sich auf Greenberg (1966: 64-70) beruft, ist die Frequenz jedoch nur ein Symptom der Markiertheit. Letztere ist also grundlegender, kann aber in einer Einzelsprache nur indirekt über Parameter wie Frequenz oder Abgeleitetheit erfasst werden. 59 Zunächst erscheinen auch diese Kriterien nachvollziehbar: Wie Plag (2003: 111) anführt, sind abgeleitete Einheiten häufig semantisch komplexer und ha- 58 Apothéloz (2002: 98, 99) weist z.B. darauf hin, dass französische Substantive wie bouffe, drague, casse etc. von den Sprechern noch als neu und daher als von den verbalen Konversionspartnern abgeleitet eingestuft werden. Da diese Substantive aber überwiegend dem familiären Register angehören, besteht hier eine Überschneidung mit dem Kriterium der Gebrauchsrestriktion (s. Kap. 2.2.2). 59 Entsprechend sieht Sanders (1988: 172-173) Markiertheitsverhältnisse nur dann als bestätigt an, wenn für eine typologisch markierte Einheit A in Bezug auf eine typologisch unmarkierte Einheit B gilt: Eine Sprache, die A hat, hat auch B, aber nicht jede Sprache, die B hat, hat auch A. Er weist auch darauf hin, dass der typologische Nachweis eines systematischen und invarianten Zusammenhangs zwischen Markiertheit und Abgeleitetheit auf allgemeiner und unabhängiger Basis noch aussteht. <?page no="52"?> 52 ben folglich eine kleinere Extension als ihre Basen, sodass sie in einer geringeren Anzahl von Kontexten auftreten können: so z.B. fr. pommier ‘Apfelbaum’ im Vergleich zu seiner Basis pomme ‘Apfel’. 60 Sowohl Linguisten als auch Durchschnittssprecher haben Intuitionen bezüglich der Frequenz- und Gebrauchsverhältnisse zwischen lexikalischen Einheiten - allerdings nur dann, wenn diesbezüglich eine gewisse Divergenz zwischen den Mitgliedern des Motivationspaars besteht. Für genaue Angaben muss in jedem Fall auf (Frequenz-)Wörterbücher zurückgegriffen werden (Balteiro 2007: 130). Hierbei tritt aber dasselbe Problem auf wie beim Rückgriff auf die Daten des ersten Nachweises: Je größer der Abstand zwischen den Frequenzwerten der beiden Motivationspartner ist, desto überzeugender ist die sich daraus ergebende Ableitungsrichtung. Bei kleineren Abständen zwischen den angegebenen Werten stellt sich wieder die Frage, wie groß die Abweichung sein muss, um Aussagekraft beanspruchen zu können (Balteiro 2007: 126). Bspw. erscheinen Unterschiede zwischen einer Frequenz von 33 und 13 bei fr. éternel - éternité (Bsp. 7 aus Kap. 1.3.2) bzw. zwischen 17 und 24 bei danse - danser (Bsp. 5) gemäß Juilland et al. (1970) nicht besonders groß, wenn man sie mit dem Paar it. potere V (Frequenz von 1561) - potere N (Frequenz von 46) laut Juilland/ Traversa (1973) vergleicht. Auch bei anderen Gebrauchsunterschieden, z.B. stilistischen Beschränkungen, können die Divergenzen so eindeutig sein, dass sie in Wörterbücher eingehen. Es bestehen aber auch weniger eindeutige, subjektiv empfundene Unterschiede, die schwer zu objektivieren sind (s. auch Štekauer 1996: 129). Ferner weisen viele Motivationspaare überhaupt keine Unterschiede hinsichtlich Gebrauch oder Markiertheit auf. Genau wie bei den Daten des ersten Nachweises hängen die Frequenzwerte außerdem von der Menge und der Art der verwendeten Quellen ab und sind daher immer nur eingeschränkt repräsentativ. Je nachdem z.B., ob das für eine Frequenzauszählung verwendete Korpus mehr naturwissenschaftliche oder mehr technische Texte enthält, wäre die Wortform en. mouse in der Bedeutung ‘kleines graues Nagetier’ oder aber in der abgeleiteten Bedeutung ‘Bildschirmzeigegerät’ (Bsp. 10 aus Kap. 1.3.3) häufiger. Des Weiteren können sich Frequenz- und Markiertheitsverhältnisse genauso wie stilistische Beschränkungen im Lauf der Zeit ändern (Tiersma 1982, Bybee 1985: 88-91, Hay 2003: 71-122, Balteiro 2007: 125, Tribout 2010: 165). Die Beobachtung, dass abgeleitete Wörter mehr Restriktionen aufweisen, ist für den Zeitraum kurz nach der Innovation meist richtig (s. aber das Gegenbeispiel dt. Wasser - wassern von Vogel 1996: 243). Danach aber können sich, durch inner- oder außersprachlichen Wandel bedingt, die Verhältnisse umkehren. Auch was nicht fachsprachliche 60 Laut Quasthoff et al. (2013) liegt fr. pommier in der Frequenzklasse 16 und hat damit in der Tat eine niedrigere Frequenz als pomme, das in der Frequenzklasse 12 liegt. Diese Angaben beziehen sich auf die klein geschriebenen Wortformen im Singular, gelten aber auch für andere Varianten. <?page no="53"?> 53 Texte angeht, ließe sich z.B. vermuten, dass en. mouse in der Bedeutung ‘Bildschirmzeigegerät’ aufgrund der wachsenden Bedeutung von Computern in den letzten Jahrzehnten an Frequenz zugenommen hat und heute möglicherweise bereits eine höhere Gebrauchshäufigkeit hat als in der Bedeutung ‘Nagetier’. Die Annahmen bezüglich der Frequenzverhältnisse bei mouse führen zu einem weiteren Problem, das im Zusammenhang mit den einschlägigen Wörterbüchern auftritt: Sie liefern meist nur Frequenzangaben bezüglich der Wortformen, nicht aber bezüglich der verschiedenen Bedeutungen, die mit diesen Formen verbunden sein können (s. auch Tiersma 1988: 835). 61 Damit können Frequenzwörterbücher also nicht für die Entscheidung über die Ableitungsrichtung bei formIdent herangezogen werden. Auch bei anderen Arten von Motivationspaaren ist ihre Anwendung grundsätzlich problematisch, da die meisten Wörter mehrere Bedeutungen haben, die in den Frequenzwörterbüchern alle unter einer Wortform zusammengefasst werden. Wie Plank (2010) zeigt, kann die Ableitungsrichtung zwischen zwei Wortformen aber je nach den beteiligten Bedeutungen variieren. 62 Insofern müssten für eine methodisch korrekte Anwendung des Frequenzkriteriums auf Motivationspaare eigene Frequenzauszählungen mit einer Unterscheidung der verschiedenen Bedeutungen pro Wortform erfolgen, was ein äußerst aufwendiges Unterfangen wäre. Insgesamt betrachtet ist den Frequenz- und Gebrauchskriterien zumindest bei eindeutigen Divergenzen eine gewisse Aussagekraft zuzugestehen. Ein Vorteil ist auch, dass sie - wiederum eine gewisse Abweichung vorausgesetzt - auch den nicht linguistisch gebildeten Sprechern zugänglich sind. Aufgrund der verschiedenen im Vorhergehenden beschriebenen Probleme sind diese Kriterien aber nur eingeschränkt verlässlich und könnten auch nur mit großem Aufwand durchgängig auf alle in Kap. 1.2 erfassten Motivationspaare angewendet werden. Insofern können sie nur in Einzelfällen einen Hinweis auf die Ableitungsrichtung liefern. 61 So z.B. Quasthoff et al. (2013). Juilland et al. (1970) unterscheiden Bedeutungen nur unsystematisch, ebenso Juilland/ Traversa (1973). Z.B. sind bei fr. tour verschiedene homonyme und polyseme Bedeutungen angegeben, bei fr. bureau, grand und langue polyseme Bedeutungen, bei fr. bar, but oder terre aber gar keine. 62 In Planks Studie ergibt sich bei dt. fett - Fett z.B. die Ableitungsrichtung Adj. → N für die lexikalischen Einheiten fett ‘sehr dick’ → Fett ‘Anhäufung von Fettgewebe im Körper’, aber die Ableitungsrichtung N → Adj. für die lexikalischen Einheiten Fett ‘Substanz aus den Estern des Glyzerins’ → fett ‘viel Fett enthaltend’. <?page no="54"?> 54 2.2.3 Semantische Kriterien In Anbetracht der Fülle der semantischen Kriterien, zu denen hier auch kognitive und außersprachliche Aspekte sowie (proto-)typische Eigenschaften von Wortpaaren gezählt werden, und der Ausführlichkeit, mit der sie in der Literatur diskutiert werden, ist das vorliegende Kapitel noch einmal in Unterabschnitte gegliedert: In Kap. 2.2.3.1 werden die traditionellen, auf Marchand (1964) zurückgehenden Kriterien, insbesondere das der semantischen Abhängigkeit, vorgestellt. Kap. 2.2.3.2 ist den semantischen Kriterien, wie sie in kognitiven Ansätzen verwendet werden, gewidmet. Kap. 2.2.3.3 präsentiert ein aus der Wortartentypologie hervorgehendes Kriterium, das von vielen Wortbildungsforschern angewendet wird, indem sie den einzelnen Wortarten typische Bezeichnungsfunktionen zuordnen. Schließlich zeigt Kap. 2.2.3.4, dass die Ableitungsrichtung auch außersprachlich festgelegt werden kann. 2.2.3.1 Semantische Abhängigkeit, Reichweite und Muster Das meistverwendete und zugleich auch meistkritisierte Kriterium zur Bestimmung der Ableitungsrichtung bei Konversion dürfte die von Marchand (1964) formulierte semantische Abhängigkeit sein: 63 The word that for its analysis is dependent on the content of the other pair member is necessarily the derivative. (Marchand 1964: 12) Marchand erklärt dieses Prinzip anhand des englischen Konversionspaars saw N ‘Säge’ - saw V ‘sägen’: The verb saw must be derived from the substantive saw. Saw sb [= substantive, B.U.] is satisfactorily defined as a ‘cutting instrument with a blade, having a continuous series of teeth on the edge’. That the instrument may be used for the action of sawing need not be included in the definition. On the other hand, the content analysis of the verb must necessarily include the semantic features of the substantive saw: saw vb [= verb, B.U.] ‘use a saw, cut with a saw’. (Marchand 1964: 12) Aufgrund der semantischen Abhängigkeit ergibt sich also für en. saw die Ableitungsrichtung N → V. Umgekehrt muss aber laut Marchand im Fall von en. whistle die Richtung V → N gelten: 63 Ebenfalls angewendet wird das Kriterium der semantischen Abhängigkeit u.a. von Lieber (1981: 129), Cruse (1986: 132-133), Olsen (1986: 122-123), Fleischer/ Barz (²1995: 210- 211), Rainer (1993: 51-52), Dillström (1999: 55-57), Crocco Galèas (1997: 16-17, 56-57) und trotz einiger kritischer Anmerkungen von Plag (2003: 109) und Balteiro (2007: 112-124). Zu den Kritikern der semantischen Abhängigkeit gehören Bergenholtz/ Mugdan (1979a: 160), Sanders (1988: 173-174), Becker (1990: 49-50), Don (1993: 28), Štekauer (1996: 128- 129) und Tribout (2010: 161-163). <?page no="55"?> 55 Though seemingly parallel to telephone and saw the case of whistle sb (the name of the instrument) with regard to whistle vb is the reverse. The analysis of the verb does not call for any semantic features of whistle sb (the instrument). Whistl-ing is aptly described by ‘forcing the breath through the teeth or compressed lips’ whereas the instrument whistle has for its explanation recourse to the content features of the verb: whistle ‘instrument for whistling’. (Marchand 1964: 13) Auch wenn es sich sowohl bei saw als auch bei whistle um eine Relation zwischen einem Instrument und einem Verb, das die Tätigkeit, die mit diesem Instrument ausgeübt wird, handelt, liegen laut Marchand aufgrund der semantischen Abhängigkeit also unterschiedliche Ableitungsrichtungen vor. Die Zugrundelegung semantischer Paraphrasen hat gegenüber den meisten anderen Kriterien den eindeutigen Vorteil, den bereits erwähnten Intuitionen bezüglich der Ableitungsrichtung zu entsprechen, über die sowohl Linguisten als auch Nicht-Linguisten verfügen. So schreibt auch Adams (1973: 38): „In many cases the native speaker can consult his intuition and arrive at a fairly certain decision.” Balteiro (2007: 112-124) zufolge kann aufgrund dieses Kriteriums für mehr als 95% der Paare aus ihrem Konversionskorpus die Ableitungsrichtung bestimmt werden. Die Intuitivität der Paraphrasen ist jedoch zugleich auch ein Nachteil des Kriteriums: Da keine grundsätzlichen Definitionen für „semantische Basis“ und „semantische Ableitung“ existieren (Don 1993: 28), beruht das Ergebnis seiner Anwendung direkt auf der gewählten Formulierung der Paraphrasen und ist kaum objektivierbar, sodass die Gefahr der Zirkularität besteht, oder, wie es Štekauer (1996: 128) ausdrückt: “[W]e can adjust the definition of semantically related words in accordance with our intentions”. Unterschiedliche Sprecher können zu unterschiedlichen Bewertungen gelangen; zudem besteht bei manchen Wortpaaren ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Entsprechend finden sich vielfach Beispiele für widersprüchliche Ergebnisse aufgrund des Kriteriums der semantischen Abhängigkeit: Cruse (1986: 132-133) z.B. nimmt anders als Marchand für en. saw die Ableitungsrichtung V → N an, weil er das Paar als Mitglied im Paradigma en. dig : spade sieht, in dem für ihn das Substantiv vom Verb abhängig ist. Auch Štekauer (1996: 128) zeigt (ebenso wie andere Autoren), dass man bei saw das Verb als ‘to cut with a toothed instrument’ und das Substantiv als ‘instrument for sawing’ definieren und damit eine Abhängigkeit in die umgekehrte Richtung herstellen könnte. 64 Weiterhin merkt Tribout (2010: 163) an, dass Substantive grundsätzlich leichter zu definieren sind als Verben. Dadurch entsteht eine prinzipielle Bevorzugung der Paraphrasierung des Verbs auf der Basis des Substantivs. 64 Zu weiteren Paraphrasen für beide Ableitungsrichtungen bei Motivationspaaren s. Kap. 1.3.3. <?page no="56"?> 56 In dieselbe Richtung wie Marchands semantische Abhängigkeit geht auch Mel’čuk (1996: 135-136) mit dem Begriff der „inclusion sémantique“, die Namer (2009: 245) wie folgt zusammenfasst: „Si le sens de X1 est inclus dans le sens de X2, alors X1 > X2. Sinon, c’est le contraire.“ Für das Beispiel en. whistle ergibt sich daraus genau wie bei Marchand, dass das Substantiv vom Verb abgeleitet sein muss. En. telephone - to telephone ist für Mel’čuk jedoch gemäß N → V gerichtet: Le sens de [a] whistle inclut celui de [to] whistle. On peut whistle sans un whistle, donc la définition du verbe whistle ne demande pas de référence au nom whistle. Mais il est impossible de telephone sans un telephone; (…) de façon que la relation d’inclusion sémantique est ici inverse (…): le sens du verbe inclut celui du nom. (Mel’čuk 1996: 136) 65 Aufgrund seiner unvermeidlichen Subjektivität wird das Kriterium der semantischen Abhängigkeit in generativen und anderen formal orientierten Ansätzen verständlicherweise abgelehnt. Aus der Perspektive einer sprecherbasierten Studie der lexikalischen Motivation ist es jedoch vermutlich das zentrale Kriterium, da es die Intuitionen der nicht linguistisch gebildeten Muttersprachler am besten abbilden kann: Anders als bei den meisten anderen Kriterien erfordert seine Anwendung kein Fachwissen (zu Ausnahmen s. Kap. 2.2.2, 2.2.3.3 und 2.2.3.4). Ein weiterer Vorteil des Kriteriums ist, dass es sich auf alle Arten von Motivationspaaren - z.B. auf Affigierungen genauso wie auf formIdent - übertragen lässt, da auch hier semantische Abhängigkeiten festgestellt werden können: Bei dem Suffigierungspaar en. preacher ‘Prediger’ - (to) preach ‘predigen’ (Beispiel 2 in Kap. 1.3.1) ist z.B. preacher als ‘someone who preaches’ paraphrasierbar, bei dem auf formIdent beruhenden Paar fr. homme ‘Mensch’ - homme ‘Mann’ kann letzterer Motivationspartner als ‘être humain masculin’ definiert werden. Zwar ist es nicht zu leugnen, dass sich aus den Urteilen verschiedener Sprecher gegensätzliche Ableitungsrichtungen ergeben können und dass bei vielen Paaren beide Ableitungsrichtungen gleichermaßen plausibel erscheinen. So kann z.B. auch en. to preach im Sinne von ‘to do what a preacher does’ durch preacher motiviert werden oder fr. homme ‘Mensch’ als ‘être qui est soit un homme, soit une femme‘. Durch den Vergleich verschiedener Gruppen von Motivationspaaren und der Berücksichtigung mehrerer Sprecher könnte aber zumindest festgestellt werden, welche Paare eindeutiger und welche weniger eindeutig zu einer bestimmten Ableitungsrichtung neigen (s. ausführlich Kap. 3). Zwei weitere semantische Kriterien gehen auf Marchand (1964) zurück: die semantische Reichweite und das semantische Muster (zu letzterem s. auch Olsen 1986: 122). Unter der semantischen Reichweite werden verschiedene 65 Der Begriff der Inklusion muss bei Mel‘čuk also in einem weiten Sinn verstanden werden. <?page no="57"?> 57 semantische Phänomene zusammengefasst: z.B. eine Zunahme der Intension (en. cheat ‘gewohnheitsmäßiger Betrüger’ gegenüber to cheat ‘betrügen’), aber auch negative Konnotationen (en. to butcher ‘abschlachten’ im Vergleich zu butcher ‘Metzger’) oder die Tatsache, dass eine abgeleitete Einheit nur eine Bedeutung ihres polysemen Konversionspartners übernimmt (en. convert ‘Konvertit’ im Verhältnis zu to convert ‘umwandeln’, ‘konvertieren’ etc.). Während das Kriterium der Reichweite mit den in Kap. 2.2.2 besprochenen Gebrauchsbeschränkungen verwandt ist, überschneidet sich das „semantische Muster“ sowohl mit der semantischen Abhängigkeit als auch mit den prototypischen Funktionen von Wortarten (s. Kap. 2.2.3.3). Marchand (1964: 15) spricht hier von „certain typical patterns which connect it [das Substantiv, B.U.] to a homophonous verb”, z.B. convert = ‘one who has been converted’, was die Ableitungsrichtung V → N erkennen lässt. Wenn “certain sense groups characteristic of desubstantival verbs” wie to father ‘to act as a father’ vorliegen, ergibt sich die Richtung N → V. Auch diese beiden semantischen Kriterien entsprechen sicherlich ein Stück weit den Sprecherintuitionen. Wie Štekauer (1996: 130) kritisiert, ist das Kriterium der semantischen Reichweite aber nur auf eine geringe Anzahl von Konversionsbzw. allgemeiner von Motivationspaaren anwendbar. Außerdem kann bei Konversionsbzw. Wortbildungsprozessen genauso gut auch eine Vergrößerung der Reichweite, z.B. durch Abnahme der Intension, auftreten oder sich sekundär einstellen. Tribout (2010: 164) nennt in diesem Zusammenhang das Präfigierungspaar fr. sasser ‘durchschleusen’ - ressasser ‘(ständig) wiederholen’: Obwohl ressasser aufgrund des Präfixes abgeleitet sein muss, ist es weniger spezifisch und hat daher eine größere semantische Reichweite als sasser. Für das Kriterium des semantischen Musters gelten dieselben Probleme wie für die semantische Abhängigkeit (s.o.) und die prototypischen Funktionen von Wortarten (s. Kap. 2.2.3.3). 2.2.3.2 Kognitiv fundierte Kriterien Semantisch-konzeptuelle Gesichtspunkte spielen auch bei Vertretern der Kognitiven Linguistik wie Dirven (1999), Ungerer (2002b) und vor allem Schmid (2005) eine Rolle. Dirven (1999: 277, ähnlich auch Radden/ Kövecses 1999 und Schönefeld 2005) betrachtet durch Konversion entstandene Verben als metonymisch, d.h. als Kontiguitäts- (Kont-)basiert. Ihm zufolge steht hier eine Komponente eines bestimmten Handlungsschemas für eine andere Komponente desselben Schemas. Bspw. enthält das dem Verb en. to clean zugrunde liegende Schema die semantischen Rollen des Agens, des Patiens und ggf. auch noch des Instruments, der Art und Weise und des Ergebnisses. Der Konversionspartner clean (Adjektiv) bezeichnet das Ergebnis der Handlung, dem die höchste Salienz innerhalb dieses Handlungsschemas zukommt. <?page no="58"?> 58 Wenn das Adjektiv zu einem Verb konvertiert wird, steht das Ergebnis metonymisch für das ganze Handlungsschema (Dirven 1999: 277). Während Dirven die Direktionalität der von ihm untersuchten Konversionen nicht in Frage stellt, ergibt sich für Ungerer (2002b: 560-563) und Schmid (2005: 198-205) bei verschiedenen (Kont-)basierten Gruppen von Konversionen eine unterschiedlich eindeutige Gerichtetheit, da die Konversionspartner ihnen zufolge über verschiedene Grade von Verankerung („entrenchment“) im mentalen Lexikon verfügen. Die erste Gruppe ist bei ihnen dadurch gekennzeichnet, dass die Konversionsbasis im Verhältnis zum Konversionsprodukt tiefer verankert ist (Ungerer 2002b: 561), was mit einer eindeutigen Unidirektionalität einhergehe. Schmid (2005: 200) führt hierfür das Beispiel en. to father ‘to act as a father’ an, bei dem laut Marchand (1964) das Kriterium des semantischen Musters gilt: En. to father müsse denominal sein, weil V ATER ein typisch nominales Konzept sei und das Substantiv father daher besser verankert sein müsse als das entsprechende Verb. Bei to father steht der Agens metonymisch für die ganze Handlung. Schmid (2005: 201) wendet Dirvens Ansatz auch auf deverbale Substantive, d.h. auf die umgekehrte Ableitungsrichtung V → N, an, die er z.B. bei en. cut ‘Schnitt’ gegeben sieht. Hier stehe eine Handlung (S CHNEIDEN ) für das Ergebnis der Handlung. Bei einer zweiten Gruppe von Konversionen sind laut den Autoren beide Konversionspartner gleich gut im mentalen Lexikon verankert. Dazu zählen sie abstrakte Begriffe wie Gefühle (en. love ‘Liebe’- to love ‘lieben’), mentale Zustände und Prozesse (en. doubt ‘Zweifel’ - to doubt ‘zweifeln’) und modale Konzepte (en. try ‘Versuch’ - to try ‘versuchen’). Hier könnten die betreffenden Konzepte nicht so eindeutig auf bestimmte Muster zurückgeführt werden: Sie seien „offener für verschiedene Konzepttypen“ (Schmid 2005: 202), da die zugrunde liegenden abstrakten Schemata nicht genug strukturiert seien, um sich als Rahmen für Metonymien zu eignen. Ungerer (2002b: 562 und der dortigen Anm. 36) zufolge sind die abstrakten Konzepte im mentalen Lexikon gar nicht für eine Wortart spezifiziert („floating concepts“). Damit nähert er sich den Vertretern der Ungerichtetheit (Kap. 2.1) an. 66 In jedem Fall kann bei der zweiten Gruppe die Ableitungsrichtung nicht mit Eindeutigkeit bestimmt werden. Aus Ungerers und Schmids Ansätzen geht also nicht unbedingt eine eindeutige Lösung der Direktionalitätsfrage hervor, sondern vielmehr eine unterschiedlich starke Tendenz zur Gerichtetheit, wie sie sich auch bereits aus 66 Ungerer (2002b: 560-561) unterscheidet noch zwei weitere Gruppen von V-N-Konversionspaaren: In einem Fall ist das Konversionsprodukt so tief verankert, dass es die Konversionsbasis (nahezu) verdrängt hat, z.B. bei den Nominalisierungen von Verbgefügen wie en. lay-by, drive-in oder stand-in. Im zweiten Fall sind Konversionsbasis und -produkt auch wieder gleich gut verankert, aber beide mit der entsprechenden Wortklasse gespeichert, z.B. en. set und book. Sie stehen in einem Polysemie-ähnlichen Verhältnis zueinander, für das Ungerer den Begriff „Polykategorialität“ vorschlägt. Es bleibt jedoch unklar, wie sich letztere Gruppe im Hinblick auf die Direktionalitätsfrage verhält. <?page no="59"?> 59 Marchands Kriterium der semantischen Abhängigkeit ableiten lässt. Darüber hinaus stützen sich die beiden Autoren bei der kognitiven Fundierung der Konversion auf dieselben semantisch(-konzeptuell)en Abhängigkeitsrelationen und Paraphrasen (vgl. das Beispiel en. to father). Folglich hat der kognitive Ansatz, wie ihn die genannten Autoren vertreten, auch dieselben Vor- und Nachteile wie der strukturalistisch geprägte von Marchand: Der starken Intuitivität der formulierten Relationen steht die schwierige Objektivierbarkeit gegenüber. So könnte gerade im Fall von en. cut das Verb auch vom Substantiv abgeleitet werden (to cut: ‘to produce a cut’), denn je nach persönlichen Erfahrungen, Präferenzen und kultureller Prägung variieren Verankerung und Salienz bei den einzelnen Sprechern. Weiterhin ist bei einer Basierung der Konversionen auf Kont zu bedenken, dass diese semantisch-kognitive Relation weitgehend bidirektional ist (s. Kap. 1.3.3). D.h., auch wenn bestimmte Konversionsprozesse mit größerer Wahrscheinlichkeit vorkommen als andere, sind prinzipiell vielfache Transfers innerhalb eines Handlungsschemas möglich. Klargestellt werden muss auch, dass Konversionen nicht notwendigerweise auf Kont beruhen: Bei vielen V-N- und Adj.-N-Paaren liegt vielmehr semantische Identität (semIdent) zugrunde, z.B. wenn Nomina Actionis oder Nomina Qualitatis beteiligt sind, wie bei it. viaggio ‘Reise’ - viaggiare ‘reisen’ oder fr. vide ‘leer’ - le vide ‘Leere’ (Blank 1998: 17, Mel’çuk 2006: 518). Auch Schmids Beispiel en. cut muss als Substantiv nicht zwangsläufig die Resultatslesart haben, da es auch als Nomen Actionis in der Bedeutung ‘act of cutting’ belegt ist. Umgekehrt können wie in Kap. 1.3.3 ausgeführt auch andere lexikalische Verfahren auf Kont beruhen, z.B. Affigierungen (Bsp. 3, fr. pomme ‘Apfel - pommier ‘Apfelbaum) und formIdent (Bsp. 6, it. giorno ‘Zeitraum von 24 Stunden’ - giorno ‘Zeit der Helligkeit’). Insofern müsste das Kriterium der kognitiven Verankerung auf weitere formale und semantisch-kognitive Relationen übertragen werden, um auf alle denkbaren Motivationspaare anwendbar zu sein. 2.2.3.3 (Proto-)Typische Eigenschaften von Wortarten Im Rahmen einer typologischen Untersuchung der Wortarten ordnet Croft (1991: 51-62) Substantiven, Verben und Adjektiven eine prototypische pragmatische Funktion zu, die mit bestimmten semantischen Klassen verbunden ist (s. auch Aitchison 2003: 104). Substantive haben die Funktion, zu referieren und bezeichnen daher prototypischerweise Objekte. Adjektive haben Modifikationsfunktion, sodass sie prototypischerweise Eigenschaften bezeichnen. Die Funktion von Verben besteht in der Prädikation, weshalb sie vor allem Handlungen bezeichnen. Alle drei Wortarten können aber ihre prototypische Funktion ändern, was laut Croft meist durch die Hinzufügung von Morphemen, also z.B. durch Derivation, geschieht. Wie Tab. 1 zeigt, kann ein Substantiv u.a. durch Suffigierung eine modifizierende oder prädizierende Funktion <?page no="60"?> 60 übernehmen, ein Verb kann durch Suffigierung Referenz oder Modifikation ausdrücken und ein Adjektiv kann z.B. durch Kombination mit einem ungebundenen Morphem wie en. be prädizieren oder mittels Suffigierung referieren. Die fett gedruckten Felder zeigen jeweils die prototypische Erscheinungsform der Wortarten an: Referenz Modifikation Prädikation Objekte vehicle vehicle's vehicular of/ in etc. the vehicle be a/ the vehicle Eigenschaften whiteness white be white Handlungen destruction to destroy destroying destroyed destroy Tab. 1: Beispiele für prototypische und nicht-prototypische Korrelationen zwischen semantischen Klassen und pragmatischen Funktionen nach Croft (1991: 53) Croft verbindet seine Zuordnung von Funktionen zu Wortarten mit dem Konzept der relativen Markiertheit: Die prototypischen Korrelationen zwischen semantischer Klasse und pragmatischer Funktion sind unmarkiert, die nichtprototypischen Korrelationen sind markiert. Markiertheit geht im Normalfall mit der Präsenz zusätzlicher Morpheme und mit einer geringeren Textfrequenz einher (zu Ausnahmen wie z.B. „Null-Markierung“ s. Croft 1991: 58- 59). Damit überschneidet sich Crofts Kriterium der prototypischen Wortarten mit dem Markiertheits- und Frequenzkriterium (Kap. 2.2.2), steht aber im direkten Gegensatz zu den Theorien, die Ungerichtetheit proklamieren, indem sie eine Festlegung der Wortart einer Einheit erst im Kontext annehmen (s. Kap. 2.1 und Tribout 2010: 38-39). Tritt ein Wort in einer nicht-prototypischen, markierten Funktion auf, ist es also nach Croft immer abgeleitet. Dadurch ergibt sich eine eindeutige Direktionalität von Wortartwechseln, auch wenn diese nicht durch overte Morpheme gekennzeichnet sind: Da die Bezeichnung von Handlungen prototypisch für Verben ist, müssen Substantive, die wie fr. danse oder it. viaggio Handlungen oder Ereignisse bezeichnen, von ihren verbalen Konversionspartnern abgeleitet sein. Bei V-N-Konversionspaaren, bei denen das Substantiv ein konkretes Objekt bezeichnet, muss die Ableitungsrichtung hingegen N → V sein, da das Substantiv hier eine prototypische Funktion innehat, z.B. bei en. saw → to saw oder it. sale → salare. Crofts Übersicht ist allerdings nicht ganz vollständig. So stellt sich bspw. die Frage, ob Gefühle wie en. love to love und andere abstrakte Konzepte eher referieren oder prädizieren und wie mit Substantiven umzugehen ist, die nicht nur ein <?page no="61"?> 61 Ereignis, sondern auch ein konkretes Objekt bezeichnen, z.B. it. acquistare ‘kaufen’ - acquisto ‘Kauf/ Gekauftes’. Diese Lücken werden von Autoren gefüllt, die auch ohne typologische Verankerung zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Croft kommen, indem sie Bezeichnungsfunktionen auf bestimmte Wortarten zurückführen: Corbin (1976: 58-59), Mel’čuk (1996: 24) und Rodrigues Soares (2009: 73) zufolge sind bei V-N-Konversionen Nomina Actionis, die wie fr. vol ‘Flug’ mit ‘le fait de V’ bzw. ‘l‘action de V’ paraphrasierbar sind, genau wie in der Theorie Crofts immer vom Verb abgeleitet, da Handlungen üblicherweise durch Verben ausgedrückt werden. 67 Besteht keine Paraphrasierbarkeit mit ‘le fait de V’, gilt die Ableitungsrichtung N → V, z.B. bei fr. pioche ‘Hacke’→ piocher ‘hacken’. Dies betrifft ebenso wie bei Croft in erster Linie Paare mit Substantiven, die konkrete, nicht belebte und daher Substantiv-typische Konzepte bezeichnen (Namer 2009: 248). Laut Kim et al. (1991) ist diese Argumentation für V-N-Konversionen auch intuitiv erfassbar: Intuitions of which member of a noun/ verb pair is basic presumably involve the semantics of the verb/ noun distinction, such as the distinction between entities on the one hand and events or states on the other. (Kim et al. 1991: 202) Scheidegger (1981: 55-56) und Namer (2009: 248) erweitern nun die Annahme der Abgeleitetheit der Nomina Actionis auf Resultatszustands- und Resultatsobjektlesarten, z.B. bei fr. trier ‘sortieren’ → tri ‘Ergebnis einer Aufteilung oder Sortierung’, pousser ‘wachsen’ → pousse ‘Trieb (einer Pflanze)’. Namer (2009: 243) fügt zu diesem Paradigma außerdem noch die stativen Substantive, die einen psychologischen Zustand bezeichnen (fr. angoisser ‘ängstigen’ → angoisse ‘Angst’) 68 und Ortsbezeichnungen (fr. cacher ‘verstecken’→ cache ‘Versteck’) hinzu. Sowohl Corbin als auch Mel’čuk und Namer orientieren sich bei ihren Annahmen auch an bestehenden Parallelen zu overten Derivationsprozessen. Z.B. verhält sich das Paar voler → vol analog zu castrer ‘kastrieren’ → castration ‘Kastration’ (Corbin 1976: 58), angoisser → angoisse hat eine Parallele in étonner ‘erstaunen’→ étonnement ‘Erstaunen’ (Namer 2009: 243). Damit gehen die drei Autoren bereits in Richtung des Overt Analogue Criterion von Sanders (1988), das in Kap. 2.2.4 thematisiert wird. Bei V-N-Paaren mit belebten 67 Rodrigues Soares (2009) zeigt zudem, dass durch Konversion entstandene deverbale Substantive im Portugiesischen Argumentstruktur haben. Im Französischen und Italienischen treten bei Konversionen diesbezüglich jedoch Beschränkungen auf, die noch nicht systematisch untersucht sind. S. z.B. Seewald (1996: 45) zu Blockierungen des Subjektarguments bei Nominalisierungen von transitiven Verben im Italienischen und Meinschaefer (2005: 188) zu Blockierungen des direkten Objekt-Arguments bei französischen Nominalisierungen von Verben in kausativer Lesart. 68 Tribout (2010: 161) nimmt bei Zuständen und Gefühlen aber, ebenfalls auf der Basis der zugrunde liegenden semantischen Relation, gerade die umgekehrte Richtung an, z.B. für fr. sclérose ‘Verhärtung, Verkalkung (fig.)’ → scléroser ‘verhärten, verkalken (fig.)’. <?page no="62"?> 62 Substantiven besteht eine größere Uneinigkeit (Scheidegger 1981: 55). Namer (2009: 248-249) gelangt zu der Lösung, die Richtung V → N anzunehmen, wenn das betreffende Substantiv auch ein Nomen Actionis ist oder war (bspw. bei fr. garder ‘wachen’ → garde ‘Wache’). Wenn nicht, gilt die umgekehrte Richtung, z.B. bei fr. singe ‘Affe’ → singer ‘nachäffen’. Als weitere Untergruppe sind noch die Paare aus einem Substantiv, das ein natürliches Phänomen bezeichnet, und einem meteorologischen Verb, z.B. fr. neige ‘Schnee’ - neiger ‘schneien’ zu nennen, bei denen Tribout (2010: 161) immer die Richtung N → V gegeben sieht. Für Adj.-V-Konversionen wie fr. vide ‘leer’ vider ‘leeren’ nimmt Scheidegger einheitlich die Richtung Adj. → V an, da das Verb hier „un procès par lequel une qualité spécifiée par la base est réalisée ou conférée“ bezeichne (Scheidegger 1981: 55). Diese Richtungsannahme geht darauf zurück, dass eine Eigenschaft typischerweise von Adjektiven ausgedrückt wird. 69 Aus demselben Grund werden Adj.-N-Konversionen standardmäßig gemäß Adj. → N gerichtet, z.B. fr. bleu ‘blau’ → le bleu ‘das Blau’, petit ‘klein’ → le petit ‘der/ das Kleine’ (Namer 2009: 239, die sich auf Mel’čuk 1996: 25 stützt). Bei diesen Konversionstyp kommt allerdings auch die umgekehrte Richtung vor. Sie wird typischerweise dann angenommen, wenn die Adjektive entweder eine Eigenschaft (z.B. Farbe, Form oder Verhalten) ausdrücken, die im Allgemeinen dem Referenten des Basisnomens zugesprochen wird, oder wenn sie relational sind. Der erste Fall trifft auf Beispiele wie fr. marron ‘qui a l’aspect physique d’un marron’ 70 oder bête ‘qui a l’aspect mental d’une bête’ zu, der zweite z.B. auf fr. étudiant in une manifestation étudiante oder auf piéton in une rue piétonne (Namer 2009: 239). Die folgende Tabelle gibt noch einmal eine Übersicht über die Ableitungsrichtung aufgrund der Bezeichnungsfunktionen der beteiligten Wortarten: 69 Die Richtung Adj. → V gilt allerdings in der romanistischen Wortbildungsliteratur generell als unzweifelhaft, weil deverbalen, durch Konversion entstandenen Adjektiven mit Ausnahme von solchen, die aus Partizipien hervorgegangen sind, eine Existenz grundsätzlich abgesprochen wird (Schpak-Dolt 2 2006: 103-105, Dubois/ Dubois-Charlier 1999: 250-254, Seewald 1996: 69-70, Thiele 2 1985: 136-139, Thornton 2004: 543-546, Rainer 1993: 685). 70 Viele von Substantiven abgeleitete Farbadjektive sind invariabel (vgl. fr. une jupe citron, it. due maglia salmone, Apothéloz 2002: 98, Thornton 2004: 529-530), sodass hier auch das Kriterium der Gebrauchsrestriktion angewendet werden könnte (s. Kap. 2.2.2). <?page no="63"?> 63 Wortarten Bezeichnungsfunktion Beispiele aus dem Französischen V → N Das Substantiv bezeichnet ein Ereignis einen Resultatszustand ein Resultatsobjekt einen psychologischen Zustand einen Ort ein belebtes Wesen und gleichzeitig ein Ereignis voler → vol trier → tri pousser → pousse angoisser → angoisse cacher → cache garder → garde N → V Das Substantiv bezeichnet ein konkretes, nicht belebtes Objekt ein belebtes Objekt, aber nicht gleichzeitig ein Ereignis ein natürliches Phänomen pioche → piocher singe → singer neige → neiger Adj. → V Das Adjektiv bezeichnet eine Eigenschaft. vide → vider Adj. → N Das Adjektiv bezeichnet eine Eigenschaft. bleu ADJ → bleu N N → Adj. - Das Adjektiv bezeichnet eine Eigenschaft, die dem Referenten des Basisnomens zugesprochen wird. - Das Adjektiv ist relational. marron N → marron ADJ piéton N → piéton ADJ Tab. 2: Übersicht über grundsätzlich angenommene Ableitungsrichtungen bei Beteiligung verschiedener Wortarten Der Verknüpfung der drei Wortarten Substantiv, Adjektiv und Verb mit (proto)-typischen Funktionen kann durchaus eine gewisse Validität zugesprochen werden, zumal die sich daraus ergebenden Ableitungsrichtungen bei overter Derivation im Normalfall auch der größeren formalen Komplexität der abgeleiteten Form entsprechen. Auch haben die Sprachbenutzer sicher diesbezüglich Intuitionen. Dennoch sind mit ihr verschiedene Probleme verbunden. So ist es zwar einleuchtend, Substantive, die ein Ereignis bezeichnen, als deverbal zu beschreiben, es gibt jedoch auch morphologisch einfache Substantive ohne verbalen Konversionspartner, die ebenfalls Ereignisse bezeichnen, z.B. fr. guerre ‘Krieg’, it. funerale ‘Beerdigung’. Diese Tatsache schränkt die Gültigkeit der angenommenen Direktionalität von Paaren aus Verb und Nomen Actionis ein. Des Weiteren fehlen in Crofts Klassifikation einige weniger typische Konversionspaare wie z.B. V-N-Konversionen mit abstrakten <?page no="64"?> 64 Substantiven oder Resultatslesarten. Da hier kein eindeutiger Zusammenhang zu bestimmten Wortarten besteht, können die Vertreter ähnlich konzipierter Ansätze lediglich auf Analogien zu overten Derivationsverfahren anstatt auf grundsätzliche Bezeichnungsfunktionen von Wortarten zurückgreifen, um eine generelle Ableitungsrichtung anzunehmen. Auch aus der Perspektive der Motivation sind die Grenzen der (proto-)typischen Eigenschaften von Wortarten schnell aufgezeigt: So funktionieren sie nur bei den lexikalischen Verfahren, die einen Wortartwechsel beinhalten, also bei bestimmten Suffigierungen und bei Konversion. Nun gehören zur Bandbreite der Motivationspaare aber wie in Kap. 1 gezeigt auch solche, bei denen ein Wortartwechsel entweder grundsätzlich nicht auftritt (z.B. Präfigierungen oder formIdent) oder nicht unbedingt auftreten muss (z.B. Komposita sowie Suffigierungen, die sich innerhalb einer Wortart abspielen, s. fr. pomme - pommier). Da es kaum zu entscheiden ist, ob z.B. pomme oder pommier bzw. it. giorno ‘Zeitraum von 24 Stunden’ oder giorno ‘Zeit der Helligkeit’ ein prototypischeres Substantiv ist, müsste für diese Fälle auf andere Kriterien zurückgegriffen werden. Zusammengefasst ist das Kriterium der prototypischen Eigenschaften von Wortarten also nicht grundsätzlich zu verwerfen, es kann aber auch nicht alle Fälle von Motiviertheit abdecken. 2.2.3.4 Außersprachliche Abfolge Die außersprachliche Abfolge der Mitglieder eines Konversionsbzw. Motivationspaars wird eher selten als Grundlage für die Bestimmung einer Ableitungsrichtung angeführt, da sich die meisten Wortbildungstheoretiker auf eine sprachimmanente Perspektive beschränken. Explizite Erwähnung findet das Kriterium nur als „criterion of extralinguistic subsequence“ bei Štekauer (1996: 128). Es ergibt sich für ihn aus der Kritik an der semantischen Abhängigkeit, aufgrund der Marchand zu den Ableitungsrichtungen N → V bei en. saw → to saw und V → N bei en. whistle → to whistle kommt: Saw v is defined by Marchand as 'use a saw, cut with a saw', where the semantic features of the noun are included. It should be noted that this criterion seems to be an expression of the extralinguistic reality reflected in concepts, and subsequently in the language itself, i.e. the natural subsequence of emerging of the respective phenomena. In this particular case, first, there must have been an instrument, which permitted the performance of the activity by means of the instrument. The same holds true of Marchand's next example of whistle, where the derivational direction is reversed. This is quite obvious, because the primary “instrument” for the given action is our lungs, lips, etc. They permit the action. Thus from the point of view of the criterion of extralinguistic subsequence, whistle (instrument) is secondary with regard to the activity performed by our body organs. These conclusions can also be supported by other Marchand's examples [sic] (for instance, television televise). It follows that the <?page no="65"?> 65 criterion can be shifted to higher levels (extralinguistic reality). (Štekauer 1996: 128, Hervorhebung im Original) Štekauer schlägt also vor, Marchands innersprachliche semantische Abhängigkeit auf der höheren Ebene des Außersprachlichen zu situieren, weil das Abhängigkeitskriterium sowieso nur mittels der außersprachlichen Konzepte die Realität selbst, nämlich die Reihenfolge ihres Auftretens, widerspiegle. Namer (2009: 246) und Tribout (2010: 163) lehnen das Hinzuziehen außersprachlicher Kriterien für die Bestimmung der Ableitungsrichtung ab. In diesem Zusammenhang kritisieren beide Mel‘čuks „inclusion sémantique“ und Tribout auch Marchands Kriterium der semantischen Abhängigkeit als außersprachlich fundiert. In der Tat deutet Mel‘čuks (1996: 135-136) Formulierung darauf hin, dass er außersprachlich argumentiert, Marchand jedoch bezieht sich eindeutig auf innerbzw. einzelsprachliche Bedeutungsdefinitionen und semantische Merkmale (vgl. die Zitate der beiden Autoren in Kap. 2.2.3.1). Tribouts Ungenauigkeit bezüglich der betroffenen Ebene macht deutlich, dass es in der semantischen Argumentation einen Übergangsbereich zwischen außersprachlichen Konzepten und innersprachlichen Bedeutungen gibt, die nicht immer eindeutig auseinanderzuhalten sind, da, wie es auch Štekauer beschreibt, die innersprachlichen Paraphrasen einer Einzelsprache mittels der übereinzelsprachlichen Konzepte die außersprachliche Realität aufgreifen (ähnlich auch Twardzisz 1997: 16). Da in der vorliegenden Arbeit das Phänomen der lexikalischen Motivation grundsätzlich auf der Ebene der außersprachlichen Konzepte verortet wird (s. Kap. 1.2), stellt eine Bestimmung der Ableitungsrichtung im außersprachlichen Bereich in diesem Rahmen kein Problem dar. Wie sich in Kap. 1.3.3 bei den Beispielen von formIdent auf der Basis von metaphorischer Similarität (metSim) wie bei en. mouse oder Kont wie bei it. giorno gezeigt hat, kann außersprachliches, enzyklopädisches Wissen sogar die einzige Möglichkeit sein, überhaupt zu einer Richtungsentscheidung zu gelangen. In anderen Fällen ist jedoch außersprachliches Wissen genauso wenig hilfreich wie das Kriterium der semantischen Abhängigkeit: Štekauer (1996: 128) räumt selbst ein, dass eine außersprachliche Fundierung bei vielen Konversionspaaren, wie z.B. en. program, interface, link, design nicht weiterhilft. Auch bei Štekauers enzyklopädischer Begründung der Ableitungsrichtung beim Standardbeispiel en. saw ist es nicht einsichtig, warum das Konzept SÄGEN erst in Folge der Erfindung der Säge entstanden sein soll. Vielmehr müsste sich mit dem Aufkommen der Säge gleichzeitig auch das Konzept der dazugehörigen Tätigkeit gebildet haben. Das Kriterium der außersprachlichen Abfolge deckt also genauso wie viele andere der in diesem Kapitel vorgestellten Kriterien nicht alle Motivationspaare ab, da sich nicht überall eine eindeutige Entstehungsreihenfolge der betroffenen außersprachlichen Konzepte selbst ergibt. Zudem ist es genauso subjektiv wie das innersprachliche Kriterium der semantischen Abhängigkeit, <?page no="66"?> 66 weil die Sprecher auch hier je nach individuellem (vermeintlichen) Wissen zu gegenläufigen Ableitungsrichtungen gelangen können. Ferner ergibt sich die Schwierigkeit, das inner- und das außersprachliche Kriterium voneinander abzugrenzen. Da sich aber wie bereits von Štekauer beschrieben die außersprachlichen Verhältnisse meist direkt in den innersprachlichen Bedeutungsdefinitionen widerspiegeln, ist dies auch nicht unbedingt notwendig. 2.2.4 Paradigmatische Kriterien Unter paradigmatischen Kriterien werden hier solche zusammengefasst, die für die Bestimmung der Ableitungsrichtung das gesamte Paradigma derjenigen Wörter zu Hilfe nehmen, welche in der betreffenden Sprache nach derselben oder einer parallelen Wortbildungsregel gebildet worden sind. 71 Das bekannteste Kriterium aus dieser Gruppe ist das strukturelle Overt Analogue Criterion (OAC) von Sanders (1988), 72 das der Autor auf Konversionen bzw. Null-Derivationen anwendet: THE OVERT ANALOGUE CRITERION ( RESTRICTED ) One word can be derived from another word of the same form in a language (only) if there is a precise analogue in the language where the same derivational function is marked in the derived word by an overt (nonzero) form. (Sanders 1988: 160) Für das Konversionspaar en. answer ‘Antwort’ - to answer ‘antworten’ bspw. ergibt sich dem OAC zufolge die Ableitungsrichtung V → N, weil eine Analogie zu dem overten Suffigierungspaar en. to announce ‘ankündigen’ → announce-ment ‘Ankündigung’ besteht (Sanders 1988: 156). Sanders selbst nennt auch bereits die Probleme, die mit diesem Kriterium verbunden sind. Der erste Punkt ist grundsätzlicher Natur: Die Anwendung des OAC impliziert, dass Konversion bzw. Null-Derivation von overter Derivation abhängig und 71 Solche Paradigmen können auch komplexe Wörter enthalten, die diachronisch betrachtet aufgrund von Analogien durch Wortbildung integriert worden sind, obwohl der betreffende Wortbildungsprozess semantisch gar nicht notwendig gewesen wäre, z.B. fr. peuple ‘Pappel’ → peuplier ‘Pappel’ (aufgrund des Bäume kennzeichnenden Suffixes -ier), fr. anti-grippe ADJ ‘antigrippal’→ anti-grippal ADJ ‘antigrippal’ (aufgrund des Relationssuffixes -al). Dadurch entstehen also eigentlich redundante Formen. Corbin (1991: 14) bezeichnet dieses Phänomen als „paradigmatische Integration“. 72 Ein weiteres strukturelles Kriterium ist das „Principe d’orientation des conversions“ von Corbin (1987: 278). Die Betrachtung von Konversionspaaren in Analogie zu overten Derivationsprozessen mit derselben semantischen Funktion wird außerdem, wie Sanders (1988: 156) selbst und Tribout (2010: 153) bemerken, von vielen Autoren implizit angewendet. So beruhen auch die Festlegungen der Ableitungsrichtung aufgrund typischer Bezeichnungsfunktionen von Corbin (1976) oder Melčuk (1996) zum Teil auf solchen Analogien (s. Kap. 2.2.3.3). <?page no="67"?> 67 daher in Bezug auf sie markiert ist. Angesichts der Produktivität dieses Verfahrens zumindest im Englischen hält Sanders (1988: 165) dies jedoch für “seriously questionable”. Schmid (2005: 198, 204) argumentiert zudem, dass Konversion und Suffigierung im Englischen gerade keine analogen Verfahren seien, sondern unterschiedliche Wirkungsbereiche hätten, da Konversionen eher konkrete Verben bildeten, Suffigierungen eher abstrakte Substantive und Adjektive. 73 Neben verschiedenen anderen qualitativen und quantitativen Problemen, die im Zusammenhang mit Analogie-basierten Begründungen auftreten, stößt das OAC laut Sanders (1988: 166-167) schließlich auch dort an seine Grenzen, wo in einer Sprache kein analoges overtes Derivationsmuster besteht (wie z.B. bei Konversionen von nominalen Komposita des Typs en. to rotten-egg ‘mit faulen Eiern bewerfen’) oder wo analoge overte Derivationsmuster für beide Ableitungsrichtungen existieren, z.B. bei en. cover ‘Decke, Deckel’ - to cover ‘zu-, bedecken’, bei dem sowohl eine Analogie zu en. chain ‘Fessel’ → to en-chain ‘fesseln’ und daher die Richtung N → V gesehen werden kann, als auch eine Analogie zu to cleave ‘spalten’ → cleav-er ‘Hackbeil’, woraus sich die Richtung V → N ergeben würde (Sanders 198: 167). Abgesehen von der Tatsache, dass die mit dem Kriterium einhergehende Abhängigkeit der Verfahren ohne formalen Komplexitätsunterschied von solchen mit formalem Komplexitätsunterschied nicht überzeugend ist, ist auch die praktische Anwendbarkeit des OACs eindeutig begrenzt. Zwar ist es in manchen Fällen naheliegend, eine Analogie zu parallelen overten Verfahren anzunehmen, z.B. was deverbale Nomina Actionis angeht. Da aber bei fast allen Mustern auch die Gegenrichtung belegt ist, hat das Kriterium nur eine äußerst geringe Aussagekraft. Strukturelle Kriterien wendet auch Kiparsky (1982: 141-143) an, wenn er die verschiedenen Konversionsbzw. Nullsuffigierungs- und Suffigierungsoperationen des Englischen auf unterschiedlichen Ebenen ansiedelt („level-ordering“): Die V → N-Konversion ist ein Level-I-Prozess, die N → V- Konversion aber ein Level-II-Prozess. Diese Annahme führt zu verschiedenen Vorhersagen, wie z.B., dass durch Konversion von Verben abgeleitete Substantive mit Suffixen des Levels I weiter abgeleitet werden können (z.B. en. to esacpe → escape → escap-ism), durch Konversion von Substantiven abgeleitete Verben aber nicht (z.B. en. gesture → to gesture → *gestur-ation). Kiparskys Modell ist größtenteils überzeugend (s. z.B. Don 1993: 32-36), beschränkt sich aber auf einzelne Konversionstypen wie V-N-Konversion und Konversion von Komposita und kann außerdem, wie Scalise (1983) für das Italienische und Corbin (1987) für das Französische zeigen, nur äußerst eingeschränkt auf die romanischen Sprachen angewendet werden. 74 73 Plag (2003: 112-113) bringt ähnliche Einwände vor. 74 Zu einer Anwendung auf Konversion im Deutschen s. Wiese (2002). <?page no="68"?> 68 Ein weiteres paradigmatisches Kriterium ist die distributionelle Evidenz, die Aronoff (1976) in seiner generativen Wortbildungstheorie anführt, um die Ableitungsrichtung von verschiedenen Typen von Wortpaaren zu bestimmen. Aronoff argumentiert wie folgt: If … a class of words X is derived from another class of words Y, then for every word x i in X there should be listed a corresponding y i in Y, but not vice versa. (Aronoff 1976: 115) Übertragen auf Konversionspaare wie en. ornament - to ornament, bedeutet dies, dass das Verb vom Substantiv abgeleitet sein muss, weil im Englischen zahlreiche Substantive auf -ment existieren, die kein formgleiches Verb haben (z.B. en. element vs. *to element), wohingegen es umgekehrt kaum Verben auf -ment gibt, denen kein formgleiches Substantiv entspricht. 75 Diese aus der Distribution der beteiligten Wörter abgeleitete Regel ist auch auf Affixalternanzen (z.B. des Typs en. hedon-ism - hedon-istic) und auf overte Derivationsverfahren anwendbar. Bspw. entspricht im Englischen jedem nach dem Schema X#ness gebildeten deadjektivischen Substantiv (z.B. redness oder callousness) ein Adjektiv X (z.B. red, callous), aber umgekehrt hat nicht jedes Adjektiv X auch ein Substantiv des Typs X#ness. Distributionelle Evidenz kann in der Tat als Richtlinie dienen, um die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Ableitungsrichtung zu bestimmen. Voraussetzung ist allerdings, dass genau wie z.B. beim Frequenzkriterium innerhalb eines Bildungstyps eine deutliche Diskrepanz in der Vorkommenshäufigkeit der beiden Motivationspartner besteht, und auch hier ist unklar, wie groß diese Diskrepanz genau sein muss, um als aussagekräftig zu gelten. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Kriterium entweder nur auf formal komplexe oder nur auf gelehrte Wörter (wie z.B. die englischen Latinismen auf -ment) anwendbar zu sein scheint, die durch ein bestimmtes formales Element gekennzeichnet sind. Bei V-N-Konversionen wie en. saw - to saw oder en. whistle - to whistle lassen sich keine gemeinsamen Formelemente finden. Bestenfalls könnte man hier die semantische Distribution zu Hilfe nehmen und prüfen, ob jedem Substantiv, das ein Instrument bezeichnet, ein eigenes Verb entspricht und umgekehrt. Darüber hinaus ist bei der Anwendung paradigmatischer Kriterien generell die Kenntnis größerer Wortbildungszusammenhänge in der betreffenden Sprache notwendig. Dieses Wissen steht Experten, aber vermutlich nicht den Durchschnittssprechern zur Verfügung (s. auch Rainer 1993: 52). 75 Aronoff (1976: 117) findet nur zwei Fälle: en. to foment and to dement. Demgegenüber haben ca. 75 Substantive auf -ment kein entsprechendes Verb. Von Aronoff nicht betrachtet werden Substantive, die mittels -ment von Verben abgeleitet sind wie in en. to employ → employment, bei denen es sich also um transparente deverbale Suffigierungen handelt. <?page no="69"?> 69 2.2.5 Morphologische Kriterien Morphologische Kriterien legen einer Entscheidung über die Ableitungsrichtung z.B. die wortinterne Gebildetheit der Motivationspartner zugrunde: Auch ohne formalen Komplexitätsunterschied zwischen zwei Motivationspartnern kann erkennbar sein, dass eines der beiden Mitglieder eines Motivationspaars aufgrund seiner inneren Struktur von einer anderen Basis abgeleitet ist und folglich nicht seinen Motivationspartner als Basis haben kann. In einem solchen Fall bleibt nur die Gegenrichtung als Ableitungsrichtung übrig. Ein erster Hinweis auf ein morphologisches Kriterium findet sich bei Marchand (1964: 16), der es allerdings in einen Abschnitt zu phonetischen Kriterien („phonetic shape“) integriert. Laut Marchand können Endungen wie en. -ation, -ment, -ure und -ade nur in Substantiven vorkommen. Daraus folgt, dass in Konversionspaaren, die Substantive mit diesen Endungen enthalten (z.B. station - to station, document - to document, capture - to capture etc.), die Verben von den Substantiven abgeleitet sein müssen. Die von Marchand genannten Elemente haben in den von ihm aufgeführten Beispielen keinen Morphemstatus, da es sich hier nicht um innerhalb des Englischen ableitbare Einheiten, sondern um Latinismen handelt (s. auch Adams 1973: 38 und Anm. 75 zu Aronoffs distributioneller Evidenz). Da -ation, -ment, -ure und -ade aber durchaus Suffixe des Englischen sind (vgl. z.B. to organise - organis-ation), kann Marchands Kriterium als morphologisch bezeichnet werden. Auch für die Analyse des französischen Wortschatzes kommt das Kriterium der wortinternen Gebildetheit bei mehreren Autoren zur Anwendung (z.B. Namer 2009: 228-237, Tribout 2010: 168-172). 76 Für Tribout ist es explizit das einzig verlässliche Kriterium für die Bestimmung der Ableitungsrichtung. 77 Durch eine Untersuchung der morphologischen Struktur gelingt es ihr bei einem Großteil der französischen V-N-Konversionspaare aus ihrem Korpus, eine eindeutige Ableitungsrichtung zu identifizieren. So muss z.B. das Paar fr. règlement - réglementer gemäß N → V gerichtet sein, weil das Substantiv règlement bereits mittels des Wortbildungssuffixes -ment von fr. régler abgeleitet ist. Da es nicht zugleich von réglementer abgeleitet sein kann, ergibt sich automatisch die Ableitungsrichtung N → V. Dass das Verb réglementer bereits abgeleitet ist, kommt nicht in Frage, da -ment im Französischen ein ausschließlich substantivbildendes Suffix ist. Für das Paar fr. rappel - rappeler muss die Ableitungsrichtung V → N sein, weil rappeler mittels Präfigierung 76 Ebenso bei Fleischer/ Barz (²1995: 210) und Nolda (2012: 39) für das Deutsche, Rodrigues Soares (2009) für das Portugiesische und Pena (2012) für das Spanische. 77 Ein weiteres morphologisches Kriterium stützt sich auf den Themaraum des Verbs (Bonami/ Boyé 2002, 2003) und erlaubt die Festlegung der Richtung V → N bei Paaren wie fr. arriver → arrivée, défendre → défense und postuler → postulat (Tribout 2010: 171). Es ist laut Tribout jedoch nur auf eine geringe Menge von Konversionspaaren anwendbar (vgl. aber Marzo i. Dr.). <?page no="70"?> 70 von appeler abgeleitet ist. Auch hier kommt die umgekehrte Richtung nicht in Frage, weil das Präfix reim Französischen nur mit Verben kombiniert werden kann. Ein Beispiel für ein Adj.-N-Paar ist fr. portable ADJ ‘tragbar’ - portable N ‘Mobiltelefon’. Das Wortbildungssuffix -able ist ausschließlich mit verbalen Basen (hier fr. porter) kombinierbar, sodass sich automatisch die Ableitungsrichtung Adj. → N ergibt (Namer 2009: 224). 78 Nicht anwendbar ist das Kriterium der wortinternen Gebildetheit dort, wo keiner der Konversionsbzw. Motivationspartner morphologisch gebildet ist, wie bei fr. danse - danser, oder wo beide Partner von einer jeweils anderen Basis abgeleitet sein können. Tribout nennt als Beispiel fr. présélection - présélectionner, wo es sowohl denkbar ist, présélection von sélection abzuleiten als auch présélectionner von sélectionner, so dass für dieses Paar beide Richtungen möglich sind. Hier handelt es sich also um einen Fall von Doppelmotivation (s. dazu Umbreit 2011), die immer dann vorliegt, wenn ein Affix, wie z.B. fr. pré-, mit beiden am Motivationspaar beteiligten Basen kombiniert werden kann. Andere morphologische Kriterien betreffen die Flexionseigenschaften und Themavokale von Verben in V-N-Konversionen sowie das Genus der Substantive: Kiparsky (1982: 141, 1997: 490) und Plag (2003: 110) zeigen für englische Verben, dass gleichlautende Substantive abgeleitet sein müssen, wenn das Verb unregelmäßig ist (z.B. en. to drink, drank, drunk → drink N ). Wenn das Verb im Englischen regelmäßig ist (en. ink N → to ink, inked, inked) gilt laut Kiparsky N → V. Auch im Niederländischen muss das Substantiv in Konversionspaaren, deren verbales Mitglied unregelmäßig ist, abgeleitet sein (Don 2005b: 94-95). Für das Niederländische, das neutrale Substantive mit dem Artikel het und nicht-neutrale Substantive mit dem Artikel de unterscheidet, zeigt Don (2005b: 94-96) zudem, dass durch Konversion vom Verb abgeleitete Substantive immer nicht-neutral sind. Tritt in einem V-N-Paar ein neutrales Substantiv auf wie z.B. in ndl. het werk ‘die Arbeit’ - werk(en) ‘arbeiten’, muss die Ableitungsrichtung also N → V sein. Folglich ist bei niederländischen Konversionspaaren, die regelmäßige Verben enthalten, und bei solchen, die nicht-neutrale Substantive enthalten, keine Entscheidung aufgrund der oben genannten Kriterien möglich (Don 1993: 152). Für das Portugiesische gilt schließlich laut Rodrigues Soares (2009: 72), dass Verben, die durch Konversion auf der Basis des Substantivs entstanden sind, ausschließlich den Themavokal a haben. Kommen in einem V-N-Paar beim Verb die Themavokale e oder i vor (z.B. pt. morder ‘beißen’ - mordo ‘Biss’, curtir ‘genießen’ - curte ‘Ge- 78 Statt als Konversion ließe sich dieses Beispiel (wie viele andere Fälle auf -able auch, vgl. z.B. fr. submersible ‘U-Boot’ oder imperméable ‘Regenmantel’, Namer 2009: 230) aber auch als Ellipse, hier ausgehend von téléphone portable, analysieren, was auch der PR online, s.v. portable, nahelegt. <?page no="71"?> 71 nuss’), gilt folglich die Ableitungsrichtung V → N. Bei V-N-Paaren, deren verbales Mitglied den Themavokal a hat (z.B. pt. açúcar ‘Zucker’ - açucarar ‘zuckern’), ist die Ableitungsrichtung wiederum nicht aufgrund dieses Kriteriums entscheidbar. Bei der Prüfung der Übertragbarkeit dieser auf Flexionseigenschaften beruhenden morphologischen Kriterien auf das Französische kommt Tribout (2010: 175-185) zu dem Schluss, dass sie im Französischen nicht gelten: Da sowohl maskuline als auch feminine Substantive als Basis und als Produkt des Konversionsprozesses auftreten, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Genus des substantivischen Konversionspartners und der Ableitungsrichtung des Konversionspaars. Bezüglich der Verbflexion besteht ebenfalls keine eindeutige Korrelation zwischen den drei Konjugationsklassen, die in der traditionellen französischen Grammatik unterschieden werden, und einer bestimmten Direktionalität der V-N-Konversionspaare. Dasselbe gilt bei einer Einteilung der Verben aufgrund ihres Themaraums (s. Anm. 77). Weiterhin untersucht Tribout (2010: 186-194) V-N-Paare mit morphophonologischen Alternanzen wie z.B. latenten Konsonanten (fr. abord - aborder) oder nasalen und anderen Alternanzen (fr. carton [ka ʀ t ɔ̃ ] - cartonner [ka ʀ t ɔ ne], carreau - carreler) im Hinblick auf einen Zusammenhang zur Ableitungsrichtung. Auch hier stellt sich heraus, dass die meisten Alternanzen beide Ableitungsrichtungen zulassen. Die einzige Ausnahme ist der Wechsel von / o/ zu / ɛ l/ wie in carreau → carreler, der unidirektional ist. Allerdings ist die Anzahl der Konversionspaare, die diese Alternanz aufweisen, äußerst gering. Ferner kann das Auftreten eines Nasalvokals beim Substantiv zumindest als Indiz für die Ableitungsrichtung N → V gelten, da die Gegenrichtung nur äußerst selten vorkommt. Eine Anwendung der Flexions-basierten morphologischen Kriterien auf das Italienische ist bisher noch nicht durchgeführt worden und kann im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden. Eine erste Prüfung der Kriterien anhand Thornton (2004: 515-522 und 534-546) zeigt aber zum einen, dass die Substantive sowohl in V → Nals auch in N → V-Konversionspaaren maskulines oder feminines Genus haben können, sodass dieses Kriterium auch im Italienischen nicht gültig ist. Zum anderen lässt sich aber aus Thorntons Klassifikation schließen, dass, was die Konjugationsklassen der Verben angeht, von Substantiven und Adjektiven überwiegend Verben der ersten Konjugation auf -are (z.B. sale → salare) sowie einige wenige der dritten Konjugation auf -ire (z.B. snello → snellire) abgeleitet werden, wohingegen keine Ableitungen der zweiten Konjugation auf -ere belegt sind. Daraus ließe sich schließen, dass bei den wenigen Konversionspaaren aus Substantiv und Verb auf -ere, wie temere ‘fürchten’ - tema ‘Furcht’, piovere ‘regnen’ - piova ‘Regen (lit.)’ (s. auch Marzo 2013b), das Substantiv abgeleitet sein muss. In der Tat führt Thornton diese Paare unter der Ableitungsrichtung V → N auf. Da sie aber <?page no="72"?> 72 die Kriterien für ihre Richtungsentscheidungen bei keinen der von ihr unterschiedenen Konversionsgruppen offenlegt, müsste diese Klassifikation noch einmal anhand des gesamten zur Verfügung stehenden Kriterienkatalogs geprüft werden, um bezüglich der Konjugationsklassen eine endgültige Entscheidung treffen zu können. Auch im Falle einer Bestätigung würde die eindeutige Gerichtetheit aber nur wenige Konversionspaare betreffen. Zu den morphologischen Kriterien, die sich auf Flexionselemente stützen, zählt auch die Bestimmung der Ableitungsrichtung bei einem nominalisierten Infinitiv wie in fr. dîn-er V → dîner N (Bsp. 4 in Kap. 1.3.2) aufgrund des Infinitivsuffixes, das eindeutig den verbalen Infinitiv als Konversionsbasis kennzeichnet. Auch bei anderen Wortkonversionen ergibt sich die Ableitungsrichtung durch die Präsenz von typisch verbalen Flexionsmarkern: Dies gilt sowohl für Konversionen von Partizipien zu Substantiven wie fr. pass-ant PART ‘vorbeigehend’ → passant N ‘Passant’, sp. com-ida PART ‘gegessen’ → comida N ‘Essen’ als auch für Einzelfälle wie it. pagh-er-ò ‘ich werde bezahlen’ → pagherò ‘Schuldschein’ (Beispiele nach Gévaudan 2007: 122, s. auch Apothéloz 2002: 97). Die verschiedenen morphologischen Kriterien sind aus linguistischer Sicht für die Fälle, auf die sie anwendbar sind, in jedem Fall aussagekräftig. Einer ihrer Nachteile besteht aber gerade darin, dass sie wie bereits dargestellt nur für einen kleinen Teil der Konversionen gebraucht werden können. 79 Was den motivierten Wortschatz als Ganzes betrifft, sinkt ihre Anwendbarkeit noch einmal deutlich. 80 Ein weiterer wesentlicher Nachteil der morphologischen Kriterien liegt darin, dass sie für die Durchschnittssprecher höchstwahrscheinlich keine psychologische Realität haben: Zwar verfügen diese meist über eine gewisse Kenntnis von Wortbildungselementen und sind vermutlich bei Konversionspaaren wie fr. rappeler - rappel oder portable ADJ - portable N in der Lage, ein Präfix wie re- oder ein Suffix wie -able zu erkennen. Viele können wahrscheinlich auch die semantischen Funktionen dieser Affixe - Wiederholung bei re-, Machbarkeit bei -able - benennen. Dass den Sprechern 79 S. auch den Anwendungsversuch von Balteiro (2007: 156-157) auf ihr englisches V-N- Konversionskorpus. 80 Im Prinzip können morphologische Kriterien zwar z.B. auch bei formIdent angewendet werden, wenn die Wortformen morphologisch komplex sind: So ließe sich bei Kenntnis der Funktion des italienischen Suffixes -ione erschließen, dass bei it. costruzione ‘Vorgang des Bauens’ - costruzione ‘Gebäude’ die Resultatsbedeutung abgeleitet sein muss, weil -ione primär die Funktion hat, aus Verben Nomina Actionis zu machen. Es ist aber auch hier fraglich, ob die Durchschnittssprecher solche fundierten Kenntnisse besitzen bzw. sie auf Richtungsentscheidungen anwenden. Außerdem sind polyseme Wörter tendenziell eher morphologisch einfach als morphologisch komplex (z.B. Apothéloz 2002: 136). Affixalternanzen lassen sich nicht mit morphologischen Kriterien beschreiben, da hier der Stamm der Motivationspartner grundsätzlich identisch ist. Für andere Motivationspaare ohne eindeutige Gerichtetheit, z.B. solche, bei denen Wortfamilienmitgliedschaft besteht, gelten dieselben Vor- und Nachteile wie für Konversionen. <?page no="73"?> 73 aber auch die Restriktionen bezüglich der Wortart, die mit diesen Affixen einhergehen, bekannt sind und sie daraus Schlüsse über die Ableitungsrichtung ziehen, ist - vielleicht mit Ausnahme einzelner besonders produktiver Affixe - stark zu bezweifeln. Insofern handelt es sich hier um Kriterien, die in ihrer vollen Wirkung nur Sprechern mit den entsprechenden Fachkenntnissen zugänglich sind. 2.3 Bidirektionalität Innerhalb der bidirektionalen Derivations- und Motivationsansätze kann zunächst noch unterschieden werden, ob die jeweiligen Autoren die Fälle, in denen keine eindeutige Ableitungs- oder Motivationsrichtung bestimmbar ist, wirklich als genuin bidirektional (beide Ableitungsrichtungen sind möglich) oder eher als unentscheidbar (es ist keine Bestimmung einer Ableitungsrichtung möglich) betrachten. Auch finden sich innerhalb des eindeutig bidirektionalen Ansatzes Vertreter für die Auffassung, dass die Ableitungsrichtung bei einem lexikalischen Innovationsmuster zwar prinzipiell in beide Richtungen funktioniert (z.B. von formal einfach zu komplex und umgekehrt), dass aber bei einzelnen Wortpaaren durchaus eine Entscheidung für nur eine der beiden Richtungen getroffen werden kann. Bidirektionalität entsteht dann aus der Existenz zweier genau gegenläufiger unidirektionaler Ableitungsregeln. Nicht immer geht aus den verschiedenen Werken eindeutig hervor, welcher dieser Varianten ihre Verfasser folgen. Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die verschiedenen im vorliegenden Kap. 2 diskutierten Konzeptionen von (Un-)Gerichtetheit: <?page no="74"?> 74 Ungerichtetheit vs. Gerichtetheit z.B. a = b 81 Unidirektionalität Bidirektionalität Multidirektionalität a → b a b c d gegenläufige echte Bidirek- Unentscheid- Richtungen tionalität barkeit a → b a ↔ b a - b a ← b Abb. 4: Verschiedene Typen von (Un-)Gerichtetheit Bidirektional umfasst also sowohl den auf Unentscheidbarkeit beruhenden Ansatz als auch den genuin bidirektionalen mit den Varianten Bidirektionalität jedes Motivationspaars oder Bidirektionalität nur des übergeordneten Bildungsmusters. Wo möglich, wird bei den einzelnen Autoren deren genaue Position dargestellt. Den in diesem Kapitel genannten Ansätzen ist aber in jedem Fall gemeinsam, dass allen besprochenen Fällen ein Derivationsverhältnis zugrunde gelegt wird, sodass sie sich deutlich von der in Kap. 2.1 dargestellten prinzipiellen Ungerichtetheit abgrenzen, die darauf beruht, dass gerade keine Derivationsrelation zwischen den Motivationspartnern angenommen wird. Bidirektionale Ableitungs- oder Motivationsbeziehungen werden von weniger Autoren vertreten als unidirektionale. Dennoch haben auch sie über verschiedene theoretische Richtungen hinweg ihre Befürworter. Einige Autoren nehmen allerdings nur dort Bidirektionalität oder Unentscheidbarkeit an, wo die herkömmlichen Entscheidungskriterien nicht zu einer Lösung führen: Wie bereits in Kap. 2.2.3.2 dargestellt spricht sich Schmid (2005: 202) bei Konversionspaaren, die metonymisch Gefühle und mentale Zustände ausdrücken, gegen Unidirektionalität aus, da hier nicht über die Ableitungsrichtung entschieden werden könne. Ebenso hält Tribout (2010: 169, 196) die Ableitungsrichtung bei denjenigen V-N-Konversionen, auf die weder das Krite- 81 Die Angabe a = b bezieht sich auf theoretische Ansätze, in denen die Wortart eines Wortes, eines Stamms oder eines items wie bei Bergenholtz/ Mugdan 1979a, Farrell 2001, Kiefer 2011 und den Vertretern der Distribuierten Morphologie (s. Kap. 2.1) erst im konkreten Kontext festgelegt wird. <?page no="75"?> 75 rium der morphologischen Gebildetheit noch Allomorphieregeln oder typische Eigenschaften von Wortarten angewendet werden können, für nicht bestimmbar. Daran schließt sich Debaty-Luca (1986: 129-130) an, der in seiner funktionalistischen Theorie für V-N-Konversionen, die nicht eindeutig gerichtet werden können, „bipolarité“ postuliert. Dasselbe gilt für Affixalternanzen des Typs fr. innoc-ent - innoc-ence, hier spricht Debaty-Luca (1986: 262) allerdings von „motivation réciproque“. In einer typologischen, in der Natürlichen Morphologie verorteten Studie nimmt Crocco Galèas (1997) sowohl Konversionstypen an, die aufgrund formaler, paradigmatischer oder semantischer Kriterien eindeutig gerichtet sind, als auch Multifunktionalität. Zwischen diesen beiden Polen liegen eine Gruppe von Konversionen, die durch „opacità della direzionalità“ (Crocco Galèas 1997: 57) gekennzeichnet ist, sowie eine, bei der „ambiguità della direzionalità“ besteht (Crocco Galèas 1997: 58), wobei der Unterschied nicht ganz eindeutig ist. Opak ist die Richtung Crocco Galèas zufolge, wenn einem Konversionspaar 82 kein eindeutiges morphosemantisches Schema zugeordnet werden könne, z.B. vlat. spica ‘Ähre’ - spicare ‘Ähren bilden’ und pugnare ‘kämpfen’ - pugna ‘Kampf’, da das Vulgärlateinische eine produktive N → Vgenauso wie auch eine produktive V → N-Konversionsregel besitze. Ambiguität bezüglich der Richtung, die einen niedrigeren Grad auf Crocco Galèas‘ Direktionalitätsskala darstellt, entspricht im Grunde der genuinen Bidirektionalität. Sie liege dann vor, wenn beide Richtungen gleichberechtigt möglich seien, z.B. bei englischen Substantiven, die Gefühle bezeichnen (hate ↔ to hate), und deutschen Substantiven auf -e (Ernte ↔ ernten). Im Rahmen einer auf Analogie basierenden morphologischen Theorie betrachtet Becker (1990: 52) morphologische Beziehungen als ungerichtet, stellt ihnen aber jeweils zwei gerichtete morphologische Regeln gegenüber. 83 Als Beleg für eine bestimmte Ableitungsrichtung zählen für ihn nur die Sprecherintuitionen. Diese lassen sich seiner Ansicht nach am besten durch eine Markiertheitstheorie erfassen, die semantische und formale Kriterien zur Richtungsbestimmung integriert. „Asymmetrische“ Beziehungen wie z.B. dt. Glück → glücklich können z.B. aufgrund der morphologischen Analysierbarkeit von glück-lich gerichtet werden (Becker 1990: 51), andere wie dt. Pflege - pflegen aber wohl nicht. Ford/ Singh (1984) fordern eine generelle Bidirektionalität sowohl von Wortbildungsals auch von Flexionsprozessen. Gerechtfertigt ist dies ihnen zufolge einerseits durch den Spracherwerb, da es nicht notwendig sei, immer eine formal einfache vor einer formal komplexen Form zu erlernen (s. auch 82 Crocco Galèas (1997) spricht eigentlich von Konversion als „metafora morfologica“, und begründet dies mit der Analogie zur stilistischen bzw. semantischen Metapher. 83 „Die Wörter Trübsinn und trübsinnig stehen in derselben Beziehung wie Scharfsinn und scharfsinnig. Die eine der beiden daraus ableitbaren Regeln bildet auch Spürsinn auf spürsinnig ab, die andere feinsinnig auf Feinsinn.“ (Becker 1990: 52) <?page no="76"?> 76 Kap. 3.4.1 und Becker 1990: 11), z.B. bezüglich der verschiedenen Formen eines Verbs. Andererseits zeigten diachronische Studien, dass für einen Wortbildungsprozess des Musters X A ↔ X B zu einem späteren Zeitpunkt immer sowohl gemäß X A → X B als auch gemäß X B → X A abgeleitete Wörter zu finden seien. Auch Leech (1974) definiert im Rahmen seines Werks zur Semantik die Derivation als ganze als bidirektional und begründet dies mit dem Phänomen der Rückbildung, wie sie z.B. bei en. televis-ion → to televise auftrete, und zwar unter direktem Hinweis auf die Sprachkompetenz: Since historically the derivation can move in either direction, it is arguable that lexical rules should be formulated (for the purpose of representing linguistic competence) in a bi-directional form, the predominance of derivations from the simpler to the more complex form being regarded simply as a matter of historic probability. (Leech 1974: 224, Hervorhebung B.U.) Ein bidirektionaler Ansatz hat laut Leech (1974: 225) zugleich den Vorteil, das Problem der Richtungsbestimmung bei Konversionen zu vermeiden und auch „semantischen Transfer“, also Polysemie/ formIdent, zu integrieren, wie sie z.B. bei en. sad ‘traurig’ - sad ‘traurig machend’ vorkommt. 84 Daher gilt: [A]lthough the general tendency is for the simpler entry chronologically to precede the more complex one, we must allow, in all major types of lexical rule, for derivation to take place in either direction. (Leech 1974: 225) Direkt aus der Sicht der lexikalischen Motivation bzw. Motivierbarkeit hat sich vor allem Rettig (1981: 167-172) für eine generelle Bidirektionalität ausgesprochen (ebenso Marzo 2013a: 47, die Motivierbarkeit als „richtungsindifferent“ beschreibt). 85 Entgegen Gaugers (1971) Plädoyer für Unidirektionalität bei fr. pomme - pommier (s. Kap. 1.3.1) haben für Rettig beide Motivationspartner den gleichen Status: 84 Die Einbeziehung der Polysemie gelingt Leech (1974: 214) dadurch, dass er lexikalische Regeln wie folgt formuliert: A => B p p’ q q’ r r’, wobei p für die morphologische, q für die syntaktische und r für die semantische Spezifizierung steht. Overte Derivation betrifft dann in erster Linie die morphologische und üblicherweise auch die syntaktische und semantische Spezifizierung. Konversionen betreffen Leech zufolge nur die syntaktische und die semantische Spezifizierung, für semantischen Transfer bzw. metaphern- oder metonymiebasierte Polysemie gilt nur die semantische Spezifizierung (Leech 1974: 215-216). 85 Rettig (1981: 171) bezeichnet die Motivierbarkeit wörtlich als „nicht gerichtet“. Aus seiner oben zitierten Erläuterung geht aber hervor, dass er damit Bidirektionalität im in der vorliegenden Arbeit verwendeten Sinne meint. <?page no="77"?> 77 Sobald beide Einheiten gleichberechtigt nebeneinander in der Sprachkenntnis vorkommen, kann man keine allgemeine Aussage über die Richtung der Motivierbarkeit mehr machen. Man muß vielmehr annehmen, daß eine Motivierung sowohl von der einfacheren Einheit zur komplexeren als auch umgekehrt verlaufen kann. Motivierbar ist sowohl pommier durch pomme als auch pomme durch pommier. (Rettig 1981: 167, Hervorhebung B.U.) Auch Sanchez (2008: 37-69), die auf der Basis von Leisi (1955) die Konsoziation des englischen und deutschen Wortschatzes untersucht, geht insofern von Bidirektionalität aus, als sie unter Konsoziation sowohl die Motivierbarkeit von Wörtern durch formal einfachere (z.B. dt. Gartenhaus → Garten, Haus) als auch die „Expandierbarkeit“ (Sanchez 2008: 61) von Wörtern auf formal komplexere versteht (z.B. en. warm → warm-th). Ähnlich wie Becker (1990) gehört Sanchez also zu den Vertretern von zwei gegenläufigen unidirektionalen Regeln, die zusammen Bidirektionalität ergeben. Dies spiegelt sich auch in ihrer Behandlung formal gleich komplexer Wörter wider (Sanchez 2008: 52): Bei Konversionspaaren bspw. bestehe in manchen Fällen ein (semantisch begründetes) intuitives Gefühl für eine Gerichtetheit, z.B. bei en. proud ‘stolz’ → pride ‘Stolz’. Diese subjektiv beurteilten Fälle werden von Sanchez analog zu den formal unterschiedlich komplexen Motivationspaaren je nach Richtung als motivierbar bzw. expandierbar gefasst. Wo ihr zufolge keine intuitive Entscheidung möglich ist, wie z.B. bei en. smile ‘Lächeln’ - to smile ‘lächeln’ und der Affixalternanz en. to include ‘einschließen’ - to exclude ‘ausschließen’, werden beide Motivationspartner als partiell motivierbar durch den jeweils anderen eingestuft. 2.4 Multidirektionalität Im Rahmen des durch Langacker geprägten kognitiven Ansatzes betrachtet Twardzisz (1997) V-N-Konversionen als rein semantische Extensionen. Diese Extensionen sind für ihn Teil von komplexen Netzwerken aus den verschiedenen polysemen Bedeutungen von Verben und Substantiven (wie z.B. von en. move V - move N ) und funktionieren „in two or more ways“ (Twardzsiz 1997: 9), sind also multidirektional. Lexikalische Motivation ist dann aus kognitiver Sicht ein komplexes, multidirektionales Sanktionierungsphänomen: [M]otivation is understood in cognitive grammar as sanctioning from many sources at the same time - semantic sanctioning to be more precise. Motivation understood in this way does not only go along one line from a phonologically simpler form to a more complex one but instead is viewed as a complex multidirectional sanctioning phenomenon. (Twardzisz 1997: 60) <?page no="78"?> 78 Ob eine Richtung bevorzugt wird, hängt davon ab, ob einer der Konversionspartner als prototypisch eingestuft wird und welches Sanktionierungsschema gewählt wird. Bei en. cheat V ‘betrügen’ - cheat N ‘Betrüger’ z.B. gilt prototypisch das Verb als Ausgangspunkt und das Substantiv als sekundär, aber dies muss nicht unbedingt der Fall sein: Hypothetically, if the noun cheat becomes better entrenched through frequent activation than the verb cheat, then the opposite direction of extension cannot be ruled out. (Twardzisz 1997: 131) Eine Umkehr der ursprünglichen Gerichtetheit ist also möglich. In vielen Fällen aber sind beide Konversionspartner gleich gut verankert, sodass sich keine Intuitionen bezüglich primärer und sekundärer Form ergeben. Laut Twardzisz (1991: 167-174) ist dies wie bei Ungerer (2002b) und Schmid (2005) vor allem dann der Fall, wenn beide Konversionspartner abstrakte(re) Bedeutungen haben, z.B. bei en. answer V ‘antworten’ - answer N ‘Antwort’. Die Verankerung und damit die Einschätzungen für ein Konversionsbzw. Motivationspaar variieren außerdem auch zwischen den einzelnen Sprechern. Letztlich aber nimmt Twardzisz bei der Mehrheit der von ihm besprochenen V-N- Konversionen aufgrund der Prototypikalität entweder des zugrunde liegenden Verbs/ Prozesses oder des Substantivs/ Dings zumindest eine bevorzugte Extensionsrichtung an, die den allgemein in der Literatur angenommenen Mustern entspricht (s. bspw. Kap. 2.2.3.3): Nomina Actionis (z.B. en. purchase ‘Kauf’) sind deverbal; Verben, die eine Tätigkeit, in die ein konkretes Substantiv involviert ist, ausdrücken (z.B. en. to salt ‘salzen’), sind denominal etc. Dadurch handelt es sich auch hier um einen Ansatz, der zum Teil auf Unidirektionalität beruht. Einen multidirektionalen Motivationsbegriff vertritt auch Umbreit (2011) aufgrund der Beobachtung, dass, was die Motivierbarkeit einzelner Stimuli angeht, einerseits oft mehrere Motivationspartner in Frage kommen und dass diese andererseits von Sprechern nicht zwangsläufig durch Basiseinheiten, sondern auch durch formal komplexere oder semantisch als sekundär geltende Einheiten motiviert werden. Gestützt wird die Multidirektionalität der Motivierbarkeit durch Erkenntnisse aus dem Spracherwerb und durch psycholinguistische Evidenz, die dafür sprechen, dass formal und semantisch verwandte Wörter im mentalen Lexikon als Netzwerk organisiert sind (s. auch Kap. 3.4.1). <?page no="79"?> 79 2.5 Fazit zu Kapitel 2 Wie bereits aus der Diskussion der verschiedenen, in unidirektionalen Ansätzen verwendeten Kriterien hervorgegangen ist, sind alle mit bestimmten Problemen verbunden: Historische Kriterien sind für synchronische Untersuchungen nicht relevant, bei Markiertheits-, Frequenz- und analogischen Kriterien sowie semantischen oder stilistischen Gebrauchsrestriktionen besteht immer nur eine relative Aussagekraft. Semantische Kriterien sind nicht objektivierbar, paradigmatische und morphologische Kriterien können jeweils nur auf kleine Gruppen von Motivationspaaren angewendet werden und erfordern vermutlich linguistisches Fachwissen. Insofern, als keines der Kriterien das Direktionalitätsproblem vollkommen zufriedenstellend lösen kann, besitzen sie alle den Status von “bloßen Hilfskonstruktionen” (Rettig 1981: 169). Da die Kriterien außerdem in erster Linie für Konversionspaare entwickelt worden sind, sind sie für andere bezüglich der Ableitungsrichtung problematische Paare, vor allem für formIdent, noch weniger geeignet. Ein weiteres Problem resultiert gerade aus der Fülle der verschiedenen Hilfskriterien, die bei einzelnen Konversionspaaren zu widersprüchlichen Ergebnissen führen können (s. auch die zahlreichen Beispiele in Balteiro 2007 und Tribout 2010). Nimmt man den ZI online als Grundlage, sprechen z.B. bei it. viaggio - viaggiare die Kriterien der (proto-)typischen Eigenschaften von Wortarten und das OAC eher für die Richtung viaggiare → viaggio, da viaggio ein Nomen Actionis ist. Die beiden historischen Kriterien sowie semantische Abhängigkeit und Reichweite, Frequenz und wortinterne Gebildetheit hingegen sprechen für die Richtung viaggio → viaggiare. Das kognitiv fundierte Kriterium lässt beide Richtungen zu, alle anderen Kriterien führen zu keinem Ergebnis. Daher stellt sich die Frage, wie die Kriterien zu hierarchisieren sind, d.h. welcher Parameter letztlich entscheidet. Bisher geschieht dies aufgrund der persönlichen Präferenz der jeweiligen Autoren bzw. in Abhängigkeit vom gewählten Ansatz: Balteiro gibt den historischen Kriterien den Vorzug, Tribout den morphologischen. Rainer (1993: 53) hingegen betrachtet die semantische Abhängigkeit ihrer bisweilen widersprüchlichen Ergebnisse zum Trotz als übergeordnet, da man sonst keine Rückbildungen und keine Subtraktionen annehmen dürfe. Im Prinzip hängt die Wahl der Kriterien einerseits davon ab, ob man diachronisch oder synchronisch vorgehen möchte, andererseits davon, ob das Ziel eine größtmögliche Objektivität ist, was für morphologische und andere formale Kriterien spricht, oder eine größtmögliche Annäherung an das Sprecherbewusstsein, wofür eher die semantischen und die auf Gebrauchsrestriktionen beruhenden Kriterien in Frage kommen, auch wenn ein einzelner Sprecher, ob er Linguist ist oder nicht, immer individuelle Intuitionen hat, die nicht einfach verallgemeinert werden können. Inwieweit <?page no="80"?> 80 die Sprachbenutzer in der Lage sind, auch formale und paradigmatische Kriterien anzuwenden, kann nur durch empirische Untersuchungen geklärt werden. In jedem Fall aber bleiben immer Motivationspaare - vor allem solche ohne formalen Komplexitätsunterschied und mit abstrakten Bedeutungen - übrig, die aufgrund der zur Verfügung stehenden Kriterien nicht eindeutig gerichtet werden können. Insofern scheint sich die in der Einleitung zu dieser Arbeit zitierte Ansicht von Bauer/ Valera (2005: 11), dass derzeit keine Hoffnung auf eine Lösung der Direktionalitätsfrage besteht, zu bestätigen. Demgegenüber haben Theorien, die von einer grundsätzlichen Ungerichtetheit von Beziehungen zwischen lexikalischen Einheiten oder aber von einer Bi- oder Multidirektionalität ausgehen, den Vorteil, den Problemen, die die Annahme einer Ableitungsrichtung mit sich bringt, zu entgehen. Andererseits hat sich bei fast allen Vertretern dieser Ansätze gezeigt, dass sie in Fällen, in denen starke Intuitionen bezüglich einer bevorzugten Richtung bestehen, mehr oder weniger explizit doch eine Gerichtetheit der betreffenden Motivationsbeziehungen zulassen. Es kristallisiert sich also heraus, dass weder die unidirektionalen noch die nicht unidirektionalen Ansätze nicht ohne Gerichtetheit einerseits, Bidirektionalität, Unentscheidbarkeit oder Ungerichtetheit andererseits auskommen. Damit bestätigt sich die bei der Erörterung der traditionellen Annahmen zur Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen in Kap. 1 getroffene Feststellung, dass es sowohl unials auch bidirektionale Beziehungen zwischen Motivationspaaren gibt, die jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es am sinnvollsten, dem Direktionalitätsproblem durch das Zulassen sowohl von Unials auch von Bidirektionalität zu begegnen. Auf eine Ungerichtetheit lexikalischer Beziehungen wird in der vorliegenden Arbeit aber verzichtet, da hier grundsätzlich die Existenz von Ableitungsrelationen zwischen Motivationspartnern angenommen wird. Auch die Annahme von Multidirektionalität wird hier nicht weiter verfolgt, da sie ausschließlich die Motivierbarkeit einzelner lexikalischer Einheiten betrifft (s. Umbreit 2011: 272-278), der Fokus im Folgenden aber auf der Untersuchung von Motivationspaaren liegen soll. Im nächsten Kapitel wird die Annahme erläutert, dass alle Motivationspaare prinzipiell bidirektional sind, aber zugleich unterschiedlich stark zur Unidirektionalität tendieren, was sich als Kontinuum darstellen lässt. Dabei kann Bidirektionalität sowohl eine echte Bidirektionalität als auch die Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung beinhalten. Die Existenz zweier gegenläufiger Ableitungsregeln wird hingegen der Unidirektionalität zugerechnet, weil sie voraussetzt, dass bei einem Wortpaar eine der beiden Richtungen festgestellt werden kann. Um außerdem eine rein introspektive Sicht auf Motiviertheit und Direktionalität zu vermeiden und stattdessen die Perspektive der Sprachbenutzer einzunehmen, wird vorgeschlagen, zur Bestimmung der Gerichtetheit Erkenntnisse <?page no="81"?> 81 aus der Befragung einer bestimmten Anzahl von muttersprachlichen Sprechern heranzuziehen. So kann auch geklärt werden, ob wie vermutet für die linguistischen Laien die semantische Abhängigkeit und ggf. außersprachliches Wissen, (proto-)typische Eigenschaften und Gebrauchsrestriktionen besonders relevant sind und ob auch andere Kriterien eine Rolle spielen. <?page no="82"?> 82 3 Die Direktionalität von Motivationsbeziehungen aus der Sicht der Sprachbenutzer In den vorangegangenen beiden Kapiteln hat sich gezeigt, dass der traditionelle, unidirektionale Motivationsbegriff angesichts der bestehenden Bandbreite von Relationen zwischen Motivationspaaren nicht in allen Fällen haltbar ist und dass auch die zur Verfügung stehenden Hilfskriterien zur Feststellung einer Ableitungsbzw. Motivationsrichtung dem Direktionalitätsproblem nur sehr eingeschränkt zu einer Lösung verhelfen können. Vielmehr müssen sowohl aufgrund formaler als auch aufgrund semantischer Kriterien einige Motivationsbeziehungen als bidirektional aufgefasst werden. Im vorliegenden Kapitel nun wird erläutert, wie Uni- und Bidirektionalität von Motivationspaaren zu einer einheitlichen Herangehensweise zusammengefasst werden können, und zwar aus der Perspektive der nicht oder nur eingeschränkt linguistisch gebildeten Sprachbenutzer. Zu diesem Zweck wird in Kap. 3.1 beschrieben, inwiefern linguistische Laien in der Lage sind, über Motivations- und Direktionalitätsfragen Auskunft zu geben und welche Vorteile diese Herangehensweise gegenüber anderen hat. Kap. 3.2 befasst sich mit den Methoden, die für die Untersuchung des bewussten oder unbewussten Sprecherwissens in Frage kommen, und begründet die Wahl einer Offline- Methode für die hier verfolgte Fragestellung. Das dritte Unterkapitel (3.3) ist dem Aspekt der Motiviertheit gewidmet. Diese ist eine Voraussetzung dafür, dass die Gerichtetheit eines Wortpaars überhaupt untersucht werden kann. In Kap. 3.4 schließlich wird ausgehend von einer prinzipiellen Bidirektionalität von Motivationsbeziehungen, für die sich unterschiedliche Belege anführen lassen, die Annahme erläutert, dass verschiedene Motivationspaare unterschiedlich stark zur Unidirektionalität tendieren, was zu einem Kontinuum zwischen Uni- und Bidirektionalität führt. Ein Fazit findet sich in Kap. 3.5. 3.1 Eignung von linguistischen Laien zur Beurteilung von Motivationsbeziehungen Motivation ist immer Motivation für jemanden (Gauger 1970: 100, Koch 2001a: 1156). Entsprechend führen die in Kap. 1.1 genannten Autoren in ihren Studien zu lexikalischer Motivation und Wortschatzbeziehungen entweder eigene, auf Introspektion beruhende Erkenntnisse über Motivation an (z.B. Scheidegger 1981, Debaty-Luca 1986, Dillström 1999, Sanchez 2008) oder be- <?page no="83"?> 83 rufen sich auf das Sprachbewusstsein eines durchschnittlichen, nicht linguistisch gebildeten Sprechers, über das sie Erkenntnisse aus Textkorpora 86 ziehen (Gauger 1971, Rettig 1981) oder mit Hilfe experimenteller Verfahren ermitteln (Glinz 5 1974, Augst 1975, Derwing 1976, Fill 1980, Jensen 1999). Dass gerade auch die Auskünfte und Urteile „naiver“ Sprachbenutzer in Bezug auf Fragen der Sprachstruktur und -funktion aufschlussreich sein können, gilt mittlerweile trotz des hohen Aufwands an Erklärung und Training (Niedzielski/ Preston 2000: 7) als etabliert. 87 Bei vielen Autoren hat sich daher die Erkenntnis durchgesetzt, dass es fruchtbarer ist, nicht die durch Fachwissen geprägte eigene Introspektion des Forschers zur Grundlage der Untersuchung der verschiedenen Aspekte der lexikalischen Motivation zu machen, 88 sondern (zumindest zusätzlich) das implizite oder explizite Sprachbewusstsein der Sprachbenutzer im Hinblick auf Wortschatzbeziehungen heranzuziehen (s. auch den Überblick in Marzo 2014a), da die Ansichten von Fachleuten und Laien in Bezug auf Motivierbarkeit und Motiviertheit divergieren können (Marzo/ Rube 2006: 154, Marzo 2013a: 76-79). 89 So nutzt bpsw. Augst (1975: 198-220) die „synchrone etymologische Kompetenz“ der Sprecher (s. Kap. 1.1) in einer Informantenbefragung zur Motiviertheit von Ableitungen, Komposita und formaler Identität: Sein Ansatz mündet in ein synchrones Wortfamilienwörterbuch des Deutschen, dem er die Fähigkeit des „‘normalen‘ Sprachteilhabers“ 90 (Augst 1998: IX) zugrunde legt. 91 Auch in psycholinguistischen Untersuchungen in den Bereichen der Morphologie, der Lexikologie und der Semantik hat sich gezeigt, dass die Organisation von Wörtern in Wortfamilien ein „wesentliches Strukturmerkmal des Sprachbewusstseins“ (Blank 2001: 155) ist (s. z.B. Schreuder/ Baayen 1997, 86 Zur Problematik der Gewinnung von Motivationsdaten mit Hilfe von Korpora, s. Fill (1981) und Marzo (2013a: 79-82). 87 S. z.B. zu Grammatikalitätsurteilen im Bereich der Syntax Schütze (1996), zu soziolinguistischen Fragestellungen Niedzielski/ Preston (2000), die hierfür den Begriff folk linguistics gebrauchen, zum L2-Erwerb Chaudron (1983), Dörnyei (²2010) und Abel (2003). 88 Wie Gibbs (2006: 3-5) argumentiert, ist die ausschließliche Erklärung von Sprachdaten auf der Basis der Introspektion des Linguisten aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass individuelle Intuitionen repräsentativ für alle Sprecher einer Sprachgemeinschaft sind. Zum anderen sind Selbstaussagen bezüglich eigener unbewusster Prozesse grundsätzlich fragwürdig (s. auch Fill 1981: 215; Schütze 1996: 113-155, 187; Ickler 1999: 301). 89 Ablehnend gegenüber der Ermittlung von Motivation durch Befragung von Sprachbenut-zern äußern sich jedoch Rettig (1981: 56-57) und Debaty-Luca (1986: 264-266). 90 Definiert wird der „normale Sprachteilhaber“ als „Laie […], der nicht auf besondere fachliche, fremdsprachliche oder gar sprachwissenschaftliche Kenntnisse zurückgreifen kann“ (Augst 1998: X). 91 Augst (1998) befragt die Laien jedoch nur in Ausnahmefällen direkt. Die meisten Wortfamilienzusammenhänge werden von ihm und seinen Mitarbeitern hergestellt, sodass das Wortfamilienwörterbuch doch größtenteils auf Introspektion beruht. Zu weiteren Kritikpunkten an Augsts Wörterbuch s. Ickler (1999). <?page no="84"?> 84 McQueen/ Cutler 1998, Feldman/ Pastizzo 2003), was hinsichtlich der Worterkennung für die Annahme von Netzwerkmodellen spricht. Diese gehen davon aus, dass auch morphologisch komplexe Wörter einen eigenen Eintrag im mentalen Lexikon haben, aber Verbindungen zu den anderen Mitgliedern ihrer Wortfamilie unterhalten (s. auch McQueen/ Cutler 1998, Schriefers 1999 und vor dem Hintergrund der Exemplartheorie Bybee/ Beckner 2010: 834- 835). 92 Die Fähigkeit der Laien zur bewussten oder unbewussten Herstellung von lexikalischen Beziehungen kann also durchaus für Fragen im Zusammenhang mit lexikalischer Motivation genutzt werden. Wurden solche Beziehungen durch Heranziehung von Laien festgestellt, erlauben sie aus theoretischer Sicht eine Annäherung an die Funktionsweise des mentalen Lexikons eines durchschnittlichen Sprechers, indem sie z.B. auf Strukturen und Prozesse beim Verständnis von Wörtern schließen lassen. Dadurch können auch anwendungsorientierte Erkenntnisse, bspw. bezüglich der Didaktik des Erst- und Zweitsprachenerwerbs, gewonnen werden (s. z.B. Jensen 1999, Sanchez 2008: 259-279, Zöfgen ²2008: 192). Die Untersuchung oder Befragung von Laien ist auch deshalb gegenüber anderen Methoden von Vorteil, weil gerade bei Fragen der lexikalischen Motivation von Wörtern oder Wortpaaren üblicherweise mehrere Möglichkeiten der Motivierung gegeben sind: So kommen im Hinblick auf die Motivierbarkeit von einzelnen Stimuli meist verschiedene motivierende Einheiten in Betracht: Der Stimulus fr. respiration ‘Pause’ kann z.B. durch eine andere Bedeutung (respiration ‘Atmung’) motiviert werden oder durch ein anderes Wort derselben Wortfamilie wie z.B. respirer ‘atmen’. Was Motivationspaare angeht, können meist mehrere semantisch-kognitive Relationen zugrunde gelegt werden (Marzo/ Umbreit einger.: 4, 17-19). Bspw. kann die Relation zwischen den beiden oben genannten Bedeutungen von fr. respiration, ‘Pause’ und ‘Atmung’, als metaphorisch oder aber als metonymisch angesehen werden. Ebenso könnte es sein, dass Muttersprachler keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Bedeutungen erkennen. Die gleiche Unsicherheit entsteht bezüglich der Frage, ob zwischen Motivationspartnern eine bestimmte Ableitungsrichtung besteht oder nicht (vgl. z.B. das in Kap. 2.5 diskutierte Paar it. viaggio - viaggiare). Welche der je nach Untersuchungsfrage bestehenden Möglichkeiten im Sprachbewusstsein die salientesten sind, kann nur objektiv ermittelt werden, wenn Laien dazu untersucht oder befragt werden. Zwar kann die Salienz einer spezifischen Lösung je nach befragter Person variieren, durch Heranziehung einer gewissen Anzahl an Sprechern bildet sich aber im Normalfall über 92 Einen Überblick über weitere aktuell diskutierte theoretische Modelle zur Repräsentation und zur Erkennung von Wörtern geben Jensen (1999: 76-104), Hay (2003: 6-9) und Prestin (2003). <?page no="85"?> 85 die individuellen Präferenzen hinweg eine eindeutige Tendenz zu einer bestimmten Lösung heraus, durch die die Subjektivität des einzelnen Sprechers ausgeglichen wird (s. u.a. Marzo/ Rube 2006: 154; Umbreit 2010, 2011; Marzo et al. 2011: 369; Abel 2003: 106, 109). Auch diasystematisch bedingte Unterschiede zwischen den Individuen, auf die Augst (1996) hinweist, können durch eine Heranziehung mehrerer Informanten nivelliert werden. Gerade auch für die Frage der Direktionalität gilt, dass die Ansichten von Fachleuten und Laien voneinander abweichen können. So hängt die Ansicht darüber, welche Einheit als sekundär zu betrachten ist, davon ab, ob Kriterien angewendet werden, die nahezu ausschließlich Experten zugänglich sind, wie z.B. etymologische, formale und paradigmatische Informationen, oder solche, die mehr oder weniger intuitiv von allen Muttersprachlern 93 gebraucht werden können, wie z.B. die semantischen Kriterien. Wie in Kap. 2 gezeigt wurde, ist es trotz der Kriterienvielfalt selbst für Linguisten nicht immer möglich, eine eindeutige Ableitungsrichtung zu ermitteln, sodass auch hier durch die Untersuchung der bewussten oder unbewussten Ableitungsverhältnisse im mentalen Lexikon der Sprecher objektivere Erkenntnisse gewonnen werden können. So schreiben auch Koch/ Marzo (2007): The only way to resolve the question if there is any directionality in polysemy and word-class alternation is the integration of other types of data, by preference judgements of native speakers, which implies the elaboration of a special method of inquiry. (Koch/ Marzo 2007: 283) Bisher wird in den einschlägigen Werken in Bezug auf eine Ableitungsrichtung neben den nur Linguisten zugänglichen Kriterien häufig die Intuition der Sprecher angeführt, z.B. was ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Motivationspartnern angeht (s. Kap. 2.), allerdings, ohne sie systematisch zu ermitteln. Um diese Lücke schließen zu können, wird im nächsten Abschnitt erörtert, welche Methoden zur Untersuchung des impliziten oder expliziten Sprachbewusstseins genutzt werden können. 93 Natürlich können auch Nicht-Muttersprachler Fragen der lexikalischen Motivation beurteilen, sofern ihnen die als Stimuli verwendeten Einheiten bekannt sind. Je nach Niveau der Sprachbeherrschung kann aber ihr Sprachbewusstsein von dem der Muttersprachler abweichen, z.B. aufgrund andersartiger Vernetzungen der betroffenen Einheiten im mentalen Lexikon, sodass sie möglicherweise zu anderen Lösungen bezüglich der Motiviertheit, Direktionalität etc. eines Wortpaars kommen. <?page no="86"?> 86 3.2 Methoden zur empirischen Untersuchung der Direktionalität von Motivationsbeziehungen Grundsätzlich kommen für die Untersuchung der Ableitungsrichtung aus Sprechersicht sog. Online-Methoden (3.2.1) oder sog. Offline-Methoden (3.2.2) in Frage. 3.2.1 Online-Methoden Bei Online-Methoden handelt es sich um psycholinguistische Verfahren, bei denen die Reaktionszeit (reaction time, abgekürzt RT) gemessen wird, welche die Versuchspersonen zum Lösen einer bestimmten Aufgabe benötigen. Der Begriff online bezieht sich darauf, dass die Daten erfasst werden, während der zu untersuchende Prozess abläuft (Sichelschmidt/ Carbone 2003: 116). Bei vielen dieser Verfahren steht nicht das Ergebnis dieser Aufgabe selbst im Vordergrund (das meist sogar überhaupt nicht von Interesse ist), sondern es werden ausgehend von den gemessenen RTs für die Bearbeitung eines Wortes oder Satzes Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Prozesse oder Strukturen im mentalen Lexikon gezogen. Online-Methoden haben gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, solche Rückschlüsse über unbewusste Fähigkeiten der Versuchspersonen zuzulassen, ohne letztere dabei, z.B. im Hinblick auf erwartete Antworten oder durch die Formulierung der Untersuchungsfrage, zu beeinflussen. Zu diesen Methoden zählen z.B. lexikalische Entscheidungsaufgaben (lexical decision tasks), bei denen die Versuchspersonen entscheiden sollen, ob die Wörter, die ihnen (visuell oder auditiv) präsentiert werden, Wörter ihrer Muttersprache sind. Häufig werden die Entscheidungsaufgaben mit Priming kombiniert. Das bedeutet, dass vor den eigentlichen Stimuli, den Targets, morphologisch und/ oder semantisch verwandte Wörter, sog. Primes, präsentiert werden. Besteht ein solches Verwandtschaftsverhältnis, z.B. morphologischer und semantischer Art zwischen dem Prime it. giardiniere und dem Target giardino oder nur semantisch zwischen it. rosa und giardino, verkürzt sich die Reaktionszeit der Versuchspersonen beim Target im Vergleich zu Kontrollpaaren, die in keinerlei Beziehung zueinander stehen, was als Primingeffekt bezeichnet wird. Wörter, die nur morphologisch, nicht aber semantisch verwandt sind, haben hingegen genauso wie nicht existente Wörter (z.B. *gordiniere) keinen verkürzenden Effekt (Marslen-Wilson 1994: 15, 27). 94 Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass morphologisch-semantisch und nur semantisch zusammenhängende Wörter auch im mentalen Lexikon miteinander vernetzt sind und dadurch beim Priming die Entscheidung gegenüber 94 Dass unter Umständen sogar ein blockierender Effekt eintreten kann, zeigen z.B. Drews/ Zwitserlood (1995) anhand nur orthographisch übereinstimmender Wörter. <?page no="87"?> 87 nicht (semantisch) zusammenhängenden Wörtern beschleunigt wird. Theoretisch wäre es mit dieser Methode möglich, Motiviertheit auf einer unbewussten Ebene zu untersuchen, da man im Falle eines Primingeffekts davon ausgehen kann, dass für die Versuchspersonen morphologische und semantische Transparenz zwischen Prime und Target besteht (s. McQueen/ Cutler 1998: 413). Folglich sollten aufgrund des morphologisch-semantischen Zusammenhangs auch bei der Präsentation von Konversionspaaren Primingeffekte entstehen, allerdings existieren meines Wissens bisher keine Untersuchungen speziell zu diesen lexikalischen Verfahren. Auch auf die Frage der Direktionalität wurde Priming bislang noch nicht angewendet. Aus Experimenten zu overten Derivationsbeziehungen geht jedoch hervor, dass durch Variierung der Präsentationsreihenfolge von Basisform und abgeleiteter, affigierter Form als Prime oder als Target (im Folgenden als Präsentationsrichtung bezeichnet) unterschiedlich starke Effekte erzielt werden. Davon ausgehend scheint auch eine Nutzbarmachung für die Untersuchung der Ableitungsrichtung möglich: Marslen-Wilson et al. (1994) führen kross-modale 95 Primingexperimente mit englischen Wortpaaren durch, deren semantische Transparenz in einem Vortest mittels Rating kontrolliert wurde. Die Autoren untersuchen verschiedene Konstellationen aus Suffigierungen und Präfigierungen und ihren Basen und erzielen dabei signifikante Primingeffekte für suffigierte und präfigierte Wörter in Bezug auf ihre Stämme und umgekehrt, d.h. für Stämme in Bezug auf suffigierte und präfigierte Wörter. Ebenso finden sich signifikante Effekte für präfigierte Wörter in Bezug auf suffigierte Wörter und umgekehrt sowie zwischen präfigierten Wörtern. Nur zwischen suffigierten Wörtern besteht kein Primingeffekt, was Marslen-Wilson et al. (1994: 18-19) auf eine gegenseitige Blockierung von Suffixen, die an denselben Stamm anschließen können, zurückführen. Es kann also festgehalten werden, dass sowohl ein Primingeffekt entsteht, wenn das formal komplexere Wort den Prime und die Basis das Target darstellt, als auch umgekehrt, wenn die morphologisch einfache Basis der Prime ist und das abgeleitete, formal komplexere Wort das Target. Schriefers et al. (1992) nun untersuchen die Beziehungen zwischen flektierten und derivierten Wörtern und ihren Stämmen im Deutschen mittels Wiederholungspriming. 96 Ihren Ergebnissen zufolge bestehen Asymmetrien in der Stärke der von ihnen als prinzipiell bidirektional erachteten Relation zwischen Stamm und Ableitung. So hat sich gezeigt, dass flektierte Formen ihre unflektierte Stammform primen, aber umgekehrt der Stamm nicht jede 95 D.h., die Primes wurden auditiv, die Targets visuell präsentiert. 96 Beim Wiederholungspriming sind Prime und Target identisch, wobei zwischen der Präsentation des Primes und des Targets ein bestimmtes Zeitintervall liegt, in dem andere Stimuli präsentiert werden. Die RTs, die bei dieser Konstellation auftreten, werden dann mit denen anderer Bedingungen, z.B. den unterschiedlichen Abfolgen von Stämmen und derivierten Formen als Prime oder Target, verglichen. <?page no="88"?> 88 flektierte Form primt. Schriefers et al. sehen einen Zusammenhang zur Frequenz der flektierten Formen: Die selten vorkommenden Adjektive im Dativ (z.B. rot-em), bei denen sich kein Primingeffekt nachweisen lässt, werden als Targets offensichtlich nicht ausreichend aktiviert, wenn ihr Stamm (z.B. rot) der Prime ist. Es gibt hier also einen Effekt der Präsentationsrichtung. Dasselbe Verhältnis lässt sich für die Derivation erwarten: Da auch derivierte Wörter tendenziell eine geringere Frequenz als ihre Basen haben (s. Kap. 2.2.2), sollten sie ihre Basis primen, während der umgekehrte Effekt vermutlich weniger selbstverständlich eintritt (Schriefers et al. 1992: 389). Sofern sich diese Erwartung bestätigt, ließe sich daraus schließen, dass hinsichtlich der Ableitungsrichtung bei Affigierungen Unidirektionalität besteht, und zwar gemäß der klassischen Motivationsrichtung vom formal komplexen zum formal einfachen Wort, wie sie z.B. Gauger (1971) annimmt (s. Kap. 1.3.1). Dies wäre auch insofern nachvollziehbar, als für formal komplexe Wörter meist nur eine formal einfache Einheit die salienteste Motivationsbasis darstellen dürfte, während ausgehend von formal einfachen Wörtern im Normalfall mehrere formal komplexe Wörter, die gleichermaßen salient sind, aus derselben Wortfamilie aktiviert werden können (Sanchez 2008: 269). Falls dieser Effekt, wie sich vermuten lässt und wie es auch aus Iacobini (2000: 866) hervorgeht, in erster Linie auf dem formalen Komplexitätsunterschied beruht, sollte er bei Konversionspaaren nicht auftreten: Es kommt hier aufgrund des nicht vorhandenen Komplexitätsunterschieds zu keiner bevorzugten Aktivierung eines bestimmten Wortfamilienmitglieds, sodass die Wahrscheinlichkeit der Aktivierung für alle verwandten Einheiten gleich groß ist. Schriefers et al. (1992) finden jedoch Unterschiede zwischen verschiedenen Derivationssuffixen wie dt. -heit/ -e und -lich: Für -lich erzielt nur die Abfolge Ableitung (=Prime) → Basis (= Target) einen signifikanten Primingeffekt, für -heit/ -e nur die Abfolge Basis → Ableitung, wofür die Autoren keine Erklärung liefern können (vgl. Schriefers et al. 1992: 389). Mögliche Gründe für das heterogene Ergebnis bezüglich der Suffixe könnten aber sein, dass die Stämme, mit denen sie kombiniert werden, bezüglich verschiedener Parameter divergieren 97 und dass die semantische Transparenz nicht kontrolliert wurde, obwohl derivierte Formen normalerweise unregelmäßigere Bedeutungen als flektierte Formen haben. Die Ergebnisse der Experimente von Marslen-Wilson et al. (1994) bestätigen trotz kontrollierter semantischer Transparenz die Erwartung bezüglich eines Effekts der Präsentationsrichtung ebenfalls nicht. Zum einen finden die 97 Z.B. bilden -heit und -e, was die Zielwortart angeht, Substantive, durch -lich entstehen aber Adjektive oder Adverbien. Ferner wurden zum Teil Stämme verwendet, bei denen in der abgeleiteten Form ein Umlaut auftritt (z.B. rot - rötlich, rot - Röte), was die Erkennbarkeit eines Zusammenhangs einschränken kann. <?page no="89"?> 89 Autoren bei allen Variationen von Basis und derivierter Form einen Primingeffekt. Schaut man sich zum anderen das Größenverhältnis der Effekte genauer an, ergibt sich bei den Suffigierungen ein stärkerer Primingeffekt für die Präsentationsrichtung Basis → Ableitung im Vergleich zur Kontrollbedingung aus nicht verwandten Wörtern als für die umgekehrte Richtung Ableitung → Basis, während bei den Präfigierungen so gut wie kein Unterschied auftritt. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, ob der Unterschied für die Suffigierungen signifikant ist. 98 Fowler et al. (1985) hingegen finden, soweit dies anhand ihrer Datenpräsentation erkennbar ist, anscheinend weder bei visuellem noch bei auditivem Priming für englische Suffigierungspaare einen Unterschied bezüglich der Präsentationsrichtung von Basis und Ableitung. Die bisher bei der Variierung der Präsentationsrichtung von formal komplexer Form und Basis erzielten Ergebnisse sind also nicht einheitlich. Daher könnte es auch sein, dass die Präsentationsrichtung keinen Einfluss auf die Aktivierung von Wortfamilienmitgliedern hat und dass die bisher erhaltenen Effekte auf andere Einflussfaktoren zurückgehen. Eine solche alternative Hypothese wäre auf der Basis des hier zugrunde gelegten Motivationsbegriffs (s. Kap. 1.2), der die Existenz bibzw. multidirektionaler Motivationsbeziehungen zwischen allen Wörtern derselben Wortfamilie impliziert (Marzo et al. 2011, Umbreit 2011), ebenfalls zulässig. Dieser Annahme zufolge würde jede Form unabhängig von ihrer formalen Komplexität - zumindest unter Absehung von anderen Einflussfaktoren wie z.B. semantische Idiosynkrasien und Frequenz - die gesamte Wortfamilie aktivieren, sodass die Reihenfolge der Präsentation keine signifikante Rolle spielen würde. In diesem Fall dürfte auch kein signifikanter Unterschied zwischen Suffigierungen und Konversionen auftreten. Erste Probeläufe zur Untersuchung der Ableitungsrichtung bei französischen Suffigierungs- und Konversionspaaren aus Verb und Substantiv mittels visuellem Priming haben jedoch weder systematische Ergebnisse für Uninoch für Bidirektionalität erzielt, was vermutlich auf die Unwägbarkeit semantischer Faktoren zurückzuführen ist: 99 Primingexperimente wie die oben 98 Genauer gesagt beträgt der Primingeffekt - errechnet aus der Differenz der RT zu derjenigen der jeweiligen Kontrollbedingung - für die Abfolge Basis → Suffigierung 52 Millisekunden (Ms.), für die Abfolge Suffigierung → Basis aber nur 35 Ms. bzw. in einem zweiten Experiment 41 Ms. Bei den Präfigierungen betragen die Primingeffekte 31 Ms. (Präfigierung → Basis) und 29 Ms. (Basis → Präfigierung). Vgl. die Tab. 5, 7, 9 und 11 in Marslen-Wilson et al. (1994). 99 Bei einer ersten Durchführung eines entsprechenden Experiments wurden recht heterogene Resultate gewonnen: Der Vergleich der morphologisch und semantisch zusammenhängenden Experimentstimuli mit den nicht verwandten Kontrollstimuli war zwar signifikant. Einerseits wiesen die Suffigierungspaare aber - jeweils im Vergleich zur Kontrollbedingung - wie in Marslen-Wilson et al. (1994) einen stärkeren, jedoch nicht signifikanten, Primingeffekt für die Richtung Basis (= Prime) → Ableitung (= Target) auf <?page no="90"?> 90 beschriebenen haben nämlich auch bei Sicherstellung der semantischen Transparenz zwischen den Untersuchungsstimuli verschiedene Nachteile in Bezug auf die semantische Dimension der lexikalischen Motivation. Diese könnten - auch wenn es Evidenz dafür gibt, dass der formale Zusammenhang zwischen Wörtern beim lexikalischen Zugriff ausschlaggebender ist als der semantische (Bradley 1980: 50, 52) - dafür verantwortlich sein, dass bisher bei Derivationspaaren im Gegensatz zur semantisch regelmäßigeren Flexion keine einheitlichen Ergebnisse erzielt werden konnten. Während im Bereich der Flexion im Prinzip immer eine Identität der lexikalischen Bedeutung zwischen zwei Flexionsformen eines Lexems gegeben ist (vgl. fr. vivre ‘leben’ - il a vécu ‘er hat gelebt’, it. rosso ‘rot (Sg.)’ - rossi ‘rot (Pl.)’), besteht bei Derivationsbeziehungen bekanntlich eine große Bandbreite an semantischen Beziehungen zwischen Basis und Ableitung, die sehr eng (z.B. fr. grand ‘groß’ - grandeur ‘Größe’) oder auch weiter entfernt sein kann (fr. vernir ‘lackieren’ - vernissage ‘Ausstellungseröffnung’). Variation entsteht auch dadurch, dass einige Suffixe mehrere Bedeutungen haben, vgl. fr. chant-euse ‘Sängerin’ - friteuse ‘Fritteuse’. Auch bei Konversionspaaren können unterschiedliche semantische Verhältnisse zwischen den Mitgliedern auftreten, vgl. it. bisognare ‘brauchen’ - bisogno ‘Bedürfnis’ und cuocere ‘kochen’ - cuoco ‘Koch’. Diese Variabilität lässt vermuten, dass auch bei kontrollierter semantischer Transpaals für die erwartete umgekehrte Richtung. Andererseits ergab sich bei den Konversionspaaren gerade ein stärkerer, aber ebenfalls nicht signifikanter Primingeffekt für die Richtung (vermutete) Ableitung → Basis. Die Hypothese, dass bei den Suffigierungspaaren ein stärkerer Richtungseffekt zugunsten der Richtung Ableitung → Basis als bei den Konversionspaaren auftritt, bestätigte sich also gerade nicht. Bei einer zweiten Durchführung mit einem größeren und einheitlicher gestalteten Stimuliset bestätigte sich der signifikante Primingeffekt für den Vergleich der Experimentmit der Kontrollbedingung. Außerdem wiesen auch hier die Suffigierungen in der Experimentgegenüber der Kontrollbedingung einen stärkeren Effekt für die Richtung Basis → Ableitung auf als für die Richtung Ableitung → Basis. Der Effekt war jedoch wieder nicht signifikant. Bei den Konversionen aber ergab sich für die Richtung (vermutete) Ableitung → Basis in der Experiment-Bedingung ein signifikant stärkerer Primingeffekt als für die umgekehrte Richtung Basis → Ableitung. Damit findet sich einerseits ein unerwarteter, stärkerer Richtungseffekt bei den Konversionen im Vergleich zu den Suffigierungen, andererseits bei letzteren ein stärkerer Primingeffekt für die Präsentationsrichtung Basis → Ableitung im Vergleich zur erwarteten umgekehrten Richtung. Die Ergebnisse widersprechen also sowohl der Annahme, dass der Effekt für die Abfolge, die der klassischen Motivationsrichtung entspricht, größer ist, als auch der alternativen Annahme, dass kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Wortpaaren sowie zwischen den Präsentationsrichtungen besteht. Da sich nur teilweise Signifikanzen ergeben, sind aber auch diese Ergebnisse nicht aussagekräftig. Nachdem im Nachhinein mögliche Wortlängeneffekte herausgerechnet wurden und ein Einfluss von Frequenzunterschieden nicht nachgewiesen werden konnte, sind vermutlich semantische Effekte dafür verantwortlich, dass sich bei den Konversionen ein stärkerer Richtungseffekt herauskristallisiert als bei den Suffigierungen (s.o.). <?page no="91"?> 91 renz die individuellen semantischen Beziehungen unterschiedlich stark Einfluss nehmen und so einen Richtungseffekt beim Priming überdecken können. Zudem sind im Bereich der Derivation Prime und/ oder Target normalerweise polysem, sodass sich je nach Bedeutung unterschiedliche semantischkognitive Relationen ergeben. Werden bspw. die italienischen Stimuli costruire und costruzione verwendet, könnte eine Relation der semantischen Identität (semIdent) vorliegen, wenn costruzione ein Nomen Actionis ist, also den Vorgang des Bauens bezeichnet, oder aber Kontiguität (Kont), wenn costruzione die Bedeutung ‘Gebäude’ hat. Je nachdem, welche Relation für die Versuchspersonen salienter ist, könnten daraus unterschiedlich starke Effekte hinsichtlich von Motiviertheit und Direktionalität entstehen. So ließe sich bspw. - unter Absehung vom formalen Komplexitätsunterschied zwischen den Stimuli - vermuten, dass die semIdent-Relation zwischen costruire ‘bauen’ und costruzione ‘Vorgang des Bauens’ aufgrund der Symmetrie der semantischen Beziehung keinen ausgeprägten Richtungseffekt hervorruft. Hat jedoch costruzione die Bedeutung ‘Gebäude’, wäre es denkbar, dass diese von den Sprachbenutzern mehrheitlich als Resultat des Bauens betrachtet wird, sodass das Verb primär sein muss. In diesem Fall müsste sich ein deutlicherer Richtungseffekt beim Priming ergeben möglicherweise gerade zugunsten der Präsentationsrichtung costruire (Prime) → costruzione (Target). Da selbst bei formal komplexen derivierten Wörtern aus dem Grundwortschatz solche, die keinerlei Polysemie aufweisen, 100 schwer zu finden sind, müsste also klargestellt werden, welche Bedeutung gemeint ist. Die genaue semantisch-kognitive Relation zwischen Prime und Target kann jedoch nur mit großem Aufwand disambiguiert werden, nämlich durch eindeutige Beispielsätze oder Definitionen, also durch die Präsentation von mehr Text, was zusätzliche Einflussfaktoren mit sich bringen würde, die sich wiederum auf die eigentlichen Primingeffekte auswirken könnten. Dasselbe Problem entsteht bei der Untersuchung von formIdent, wie sie bei it. giorno oder fr. homme auftritt. Hier müsste ebenfalls kenntlich gemacht werden, welche Bedeutungen einer Wortform gemeint sind (s. Marzo 2013a: 85-86). Eine Kontrolle der Bedeutungsanzahl der einzelnen Stimuli erscheint aber angesichts der weit verbreiteten Polysemie von Substantiven, Verben und Adjektiven unabhängig vom zugrunde liegenden Wortbildungsverfahren nicht möglich. 101 Insofern ist es nicht auszuschließen, dass die bisher in der psycholinguistischen 100 Zu den verschiedenen Lesarten der diesbezüglich besonders auffälligen deverbalen Nomina Actionis s. ausführlich Kap. 4.3.5; zu den Ergebnissen der Sprecherbefragung in Bezug auf die Direktionalität dieser Fälle s. Kap. 6.4.1.1 und 6.4.1.2. 101 Nur Fachwortschatz ist tendenziell monosem. Ein Rückgriff auf Fachwortpaare als Stimuli, z.B. aus dem Bereich von Wissenschaft und Technik, hätte aber zur Folge, dass die Versuchspersonen ihnen möglicherweise unbekannte Stimuli beurteilen müssten, was <?page no="92"?> 92 Forschung erzielten uneinheitlichen Ergebnisse bei der Präsentationsvariation von derivierten Einheiten und ihren Basen auch durch eine Polysemie der Stimuli beeinflusst worden sind. Aufgrund der beschriebenen, vermutlich semantischen Probleme scheinen Priming-Experimente also trotz ihrer verschiedenen Vorteile nicht die ideale Methode zur empirischen Untersuchung der Ableitungsrichtung zu sein. 3.2.2 Offline-Methoden Als Offline-Methoden gelten zunächst einmal solche, bei denen die Datenerfassung erst nach Abschluss des zu untersuchenden Prozesses erfolgt (Sichelschmidt/ Carbone 2003: 116). Mittlerweile steht der Begriff aber auch für alle Verfahren, bei denen keine Reaktionszeiten gemessen werden, wie Sprachproduktionsaufgaben oder bewusste Urteile zu einer sprachbezogenen Frage, die im Normalfall zugleich die Untersuchungsfrage der Forscher darstellt (Hemforth 2005: 210). Zu den Offline-Methoden zählt auch die Erhebung von Wortassoziationen (Thumb/ Marbe 1901, Kent/ Rosanoff 1910, in neuerer Zeit z.B. Ferrand/ Alario 1998, Fernández et al. 2004, Nelson et al. 1998). Hierbei wird den Informanten ein Stimulus vorgegeben, zu dem diese das erste Bezugswort nennen müssen, das ihnen einfällt. Die Gerichtetheit der dadurch entstehenden, semantisch-kognitiv verbundenen Assoziationspaare ist meist kein expliziter Gegenstand der Untersuchung (zu Ausnahmen s. unten), lässt sich aber ermitteln, indem man prüft, ob die Assoziationsbeziehungen symmetrisch sind, d.h. ob das am häufigsten als Assoziationspartner genannte Wort genauso oft den ursprünglichen Stimulus hervorruft, wenn es selbst als Stimulus dient. Raible (1981: 25) zufolge wird z.B. auf den Stimulus Tisch viel häufiger Stuhl als Bezugswort genannt als umgekehrt Tisch auf den Stimulus Stuhl. Die Gerichtetheit scheint jedoch für Kontiguitätsbeziehungen stärker ausgeprägt zu sein als für Kontrastrelationen, die laut Raible (1981: 13, 30) „zweiseitig“ sind. Ferrand/ Alario (1998: 665-667) zeigen ebenso wie bereits Jodelet/ Oléron (1966) für französisches Sprachmaterial, dass die bevorzugte Assoziationsrichtung mit dem Frequenzverhältnis zwischen Stimulus und Bezugswort zusammenhängt: Im Durchschnitt war die Gebrauchsfrequenz des Bezugswortes signifikant höher als diejenige des Stimulus. Ferrand/ Alario (1998: 666) zufolge gilt also (s. auch Jodelet/ Oléron 1966: 85): „[U]n mot a d’autant plus de chances d’être associé à l’autre que celui-là a une fréquence d’usage supérieure à celui-ci.“ ebenfalls problematisch wäre. Zur Motiviertheit von Fachwortschatz im Französischen s. Coy (2012). <?page no="93"?> 93 Charakteristisch für Assoziationstests ist nun aber, dass das Bezugswort zwar in einer semantisch-kognitiven Beziehung (und zwar besonders häufig in einer Kontrast- oder Kontiguitätsrelation, s. Clark 1970: 275 und Raible 1981: 12-13), aber nur selten in einer formalen Relation zum Ausgangsstimulus steht. 102 So finden sich bei Ferrand/ Alario (1998: 664) in der Liste der 100 Wörter, die am häufigsten dasselbe Bezugswort hervorgerufen haben, nur vier Bezugswörter, die derselben Wortfamilie wie der Stimulus angehören. Aus den Daten von Raible (1981), Fernández et al. (2004) und Nelson et al. (1998) gehen ähnliche Zahlenverhältnisse hervor. Da bei lexikalischer Motivation, wie sie in Kap. 1.2 definiert wurde, aber ein formaler und ein semantisch-kognitiver Zusammenhang gegeben sein muss, eignen sich Wortassoziationstests nicht für eine großflächige Untersuchung der Gerichtetheit der lexikalischen Motivation, sondern allenfalls für Aussagen über die Direktionalität von semantischen Beziehungen. 103 Als besser geeignet unter den Offline-Methoden erweisen sich Fragebögen, in denen die Informanten metalinguistische Aufgaben bearbeiten. Hier betreiben also nicht die Forscher, sondern die Befragungsteilnehmer Introspektion. Gegenüber den Online-Methoden wie z.B. Priming haben Fragebögen den Nachteil, dass die metasprachlichen Urteile nicht unbedingt die mentalen Prozesse und Strukturen abbilden, die auch am unbewussten Verstehen oder Produzieren von Sprache beteiligt sind. Mit einiger Vorsicht können aber Rückschlüsse gezogen werden (z.B. Sanchez 2008: 270, s. auch Kap. 5 und 6). Auch besteht die Gefahr der Beeinflussung der Informanten, z.B. durch die gewählte Untersuchungsfrage, das verwendete Sprachmaterial oder die Art der Präsentation, die oftmals bereits eine bestimmte Antwort suggerieren (s. auch den in Kap. 4.3.2 beschriebenen Fall). Als weitere Nachteile führt Dörnyei (2010: 6-9) u.a. die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Sorgfalt und Motivation der Informanten sowie Ermüdungs- oder Langeweile-Effekte gegen Ende des Fragebogens an. Diese letzten Kritikpunkte gelten allerdings auch für Online-Methoden. Unerwünschte Effekte und Beeinflussungen müssen also möglichst vermieden und dennoch auftretende Verdachtsfälle im Nachhinein rigoros von der weiteren Auswertung ausgeschlossen werden. Der eindeutige Vorteil von Offline-Methoden wie z.B. Fragebögen ist, dass sie mehr Spielraum für individuelle Fragestellungen bieten und flexibel an die sich daraus ergebenden Bedürfnisse angepasst werden können. Mit ihnen ist 102 Zur Gerichtetheit von Assoziationen zwischen bedeutungslosen Silben, die weder auf einer semantischen noch auf einer formalen Beziehung beruhen, s. Asch/ Ebenholtz (1962). 103 Als weiteres Problem ist aber auch hier die mögliche Polysemie der Stimuli und/ oder Bezugswörter zu nennen, durch die deren genaue Bedeutungen und damit auch die semantisch-kognitive Relation zwischen ihnen im Unklaren bleiben (s. auch Clark 1970: 274, Marzo 2013a: 90). <?page no="94"?> 94 es anders als bei Online-Methoden z.B. möglich, die Stimuli für Motivationsstudien in spezifischen Bedeutungen zu präsentieren und somit nicht nur die unwägbaren semantischen Faktoren, die vermutlich bei Online-Verfahren auftreten, zu kontrollieren, sondern auch die Relation der formIdent einzubeziehen. Offline-Fragebögen wurden bereits mehrfach zur Untersuchung von Fragen der Motivation und Motivierbarkeit eingesetzt (s. Kap. 3.1 sowie die Übersicht in Marzo 2013a: 79-94 und Marzo 2014a). Ebenso sind sie für die Untersuchung der Ableitungsrichtung geeignet, wie zwei Studien zeigen: Bergenholtz/ Mugdan (1979a: 155-167, 1979b) ziehen einen Test zur Ableitungsrichtung deutscher Wortpaare für die Untermauerung ihrer Annahme heran, dass zwischen Konversionspartnern synchronisch keine Derivationsbeziehung besteht (s. Kap. 2.1). Ihr unten abgebildeter Test enthält die Ergebnisse einer Befragung von vierzig Germanistikstudenten, über deren linguistische Vorkenntnisse allerdings keine Auskunft erteilt wird. Die jeweils erste Zahl gibt an, wie viele der Befragten das erste Wort als Basis der Ableitung empfanden, die zweite Zahl, wie viele Teilnehmer das zweite Wort als Basis betrachtet haben, die dritte Zahl nennt die Anzahl der unentschiedenen Antworten. <?page no="95"?> 95 Unterstreichen Sie bitte das Wort, aus dem das andere abgeleitet ist. Wenn Sie sich nicht entscheiden können, unterstreichen Sie keins der Wörter. Antworten Sie bitte spontan, ohne lange zu zögern (für sämtliche Antworten etwa 5 Minuten). 1. Frage fragen 15 : 23 : 2 21. Rede reden 18 : 19 : 3 2. Angst ängstlich 37 : 2 : 1 22. Sitz sitzen 17 : 21 : 2 3. Angst angst 22 : 3 : 15 23. Panik panisch 30 : 5 : 5 4. Ruhe ruhen 17 : 19 : 4 24. Mann männlich 38 : 1 : 1 5. Ruhe ruhig 31 : 2 : 7 25. Mann bemannen 34 : 1 : 5 6. ruhen ruhig 27 : 1 : 12 26. Nutzen nutzen 14 : 20 : 6 7. Entsetzen entsetzen 16 : 15 : 9 27. Nutzen nützlich 31 : 4 : 5 8. Entsetzen entsetzlich 29 : 3 : 8 28. nutzen nützlich 28 : 5 : 7 9. entsetzen entsetzlich 26 : 5 : 9 29. Tag Tagung 30 : 3 : 7 10. Sprung springen 12 : 23 : 5 30. Tag tagen 30 : 5 : 5 11. Schmerz schmerzen 26 : 10 : 4 31. Leuchte leuchten 12 : 26 : 2 12. Ruf rufen 15 : 23 : 2 32. Lauf laufen 14 : 24 : 2 13. grünen grün 3 : 37 : 0 33. groß Größe 29 : 9 : 2 14. Farbe färben 32 : 4 : 4 34. alt Alter 26 : 11 : 3 15. Farbe farbig 35 : 1 : 4 35. sauber säubern 36 : 3 : 1 16. Trauer trauern 28 : 7 : 5 36. sauber Sauberkeit 31 : 3 : 6 17. Trauer traurig 30 : 6 : 4 37. Ernst ernst 8 : 20 : 12 18. trauern traurig 18 : 8 : 14 38. Binde binden 10 : 25 : 5 19. Zahl zahlen 27 : 8 : 5 39. Futter füttern 28 : 10 : 2 20. zahlen bezahlen 30 : 7 : 3 40. Liebe lieben 21 : 15 : 4 Abb. 5: Test zur Ableitungsrichtung von Bergenholtz/ Mugdan (1979b: 350-352) Die Tatsache, dass unter den Teilnehmern in keinem der Fälle Einigkeit besteht, spiegelt Bergenholtz/ Mugdan (1979b: 351) zufolge die Uneinheitlichkeit der Sprecherintuitionen wider, woraus sie zunächst schließen, dass die Richtung einer Ableitung nicht grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden kann. Jedoch belegt die Befragung den Ansatz der Autoren insofern, als es bei Affigierungspaaren immer eine deutliche Mehrheit für die Ableitungsrichtung von einfach nach komplex gibt, wohingegen Konversionspaare, zu <?page no="96"?> 96 denen auch Paare mit Umlaut- oder Ablautwechsel wie Farbe - färben, Sprung springen gezählt werden, sich - mit einigen Ausnahmen - durch eine Uneinheitlichkeit der Entscheidungen auszeichnen. Dies gilt Bergenholtz/ Mugdan (1979b: 351) als Evidenz dafür, dass Konversionspaare im Gegensatz zu Affigierungspaaren grundsätzlich ungerichtet sind. Dass sich alle 40 Befragten für jedes Wortpaar einheitlich entscheiden, wäre bei drei Antwortmöglichkeiten allerdings kaum zu erwarten gewesen. Vielmehr beeindruckt gerade die Tatsache, dass sich bei den Affigierungspaaren durchschnittlich 75% der Teilnehmer auf das formal einfachere Wort als Basis festlegen. Ebenso ist es interessant, dass bei den Konversionspaaren die Verteilung auf die ersten beiden Antwortmöglichkeiten meist ausgeglichener ist, dass es aber auch hier Wortpaare gibt, bei denen eine recht eindeutige Präferenz für einen der beiden Konversionspartner besteht (z.B. bei 11. Schmerz - schmerzen). Wenn allerdings wirklich keine Ableitungsbeziehung zwischen den Konversionspartnern bestände, wäre eher zu erwarten gewesen, dass die Informanten gar keine Richtung angeben. Die Ausgeglichenheit der Antwortenverteilung bezüglich der beiden Ableitungsrichtungen spricht meines Erachtens eher für eine Bidirektionalität im Sinne einer Gleichberechtigung der beiden Ableitungsrichtungen als für Ungerichtetheit. Darüber, auf welchen Kriterien die Entscheidung der Befragungsteilnehmer beruht, lässt sich nur spekulieren. Bergenholtz/ Mugdan (1979b: 351-352) erwägen Frequenz, Wortlänge, Um- und Ablautalternation sowie semantische Abhängigkeit als Einflussfaktoren (s. zu diesen und anderen Kriterien auch Kap. 2.2). Diesbezüglich ist es bedauerlich, dass die Autoren nicht noch mehr Informationen erhoben haben. So könnten von den Teilnehmern verlangte Begründungen Aufschluss darüber geben, aufgrund welcher Faktoren ihre Entscheidung zustande kam. Auch Rube (2004) führt neben Tests zur formalen und semantischen Motivierbarkeit und Motiviertheit von italienischen Stimuli eine gezielte Befragung nach der Motivationsrichtung durch. Dabei beschränkt sie sich auf die unter dem Aspekt der Gerichtetheit besonders problematischen Konversionen und verwendet hauptsächlich V-N-Paare, wie z.B. it. A. arrivare - B. l’arrivo. Unter den 14 Stimulipaaren befindet sich auch ein von der Autorin als nicht motiviert eingestuftes Kontrollpaar (it. A. la porta - B. portare). Nach einer ausführlichen Einleitung mit Beispielen und detaillierten Anweisungen zum Ausfüllen des Fragebogens werden den sechs muttersprachlichen Befragungsteilnehmern sechs verschiedene Antwortmöglichkeiten angeboten, die auch den „Sicherheitsgrad“ berücksichtigen, mit dem die Entscheidung gefällt wird. Abb. 6 enthält die Anweisungen und das Ergebnis für das Motivationspaar it. arrivare - l’arrivo. <?page no="97"?> 97 Istruzioni per la compilazione del questionario: Vedi un rapporto di derivazione tra le parole nella prima colonna? In quale direzione e con quanta sicurezza? 1. Segna, per favore, con una crocetta (x) la casella dietro la risposta che corrisponde alla tua opinione. 2. Nel caso abbia risposto in modo affermativo alle domande precedenti, ti prego di descrivere il modo del rapporto nella maniera degli esempi. parole rapporto descrizione del rapporto A arrivare B l’arrivo sicuramente A →B 2x 5: Prima che uno dice che è arrivato deve arrivare 6: L’arrivo è il risultato di arrivare. probabilmente A → B 3x 1: Perché io penso che ogni sostantivo, in questo caso l’arrivo, sia spesso la concrezione di un atto. Prima viene l’azione indicata dal verbo e poi lo stato a cui a condotto quella determinata azione. 4: L’arrivo si verifica in seguito all’arrivare 8: L’arrivo mi pare posteriore, o comunque subalterno al movimento dell’arrivare sicuramente B → A probabilmente B → A 1x 7: Quando è la parola a derivare dal verbo spesso si usa il verbo stesso preceduto dall’articolo determinativo (verbo sostantivato) vedo un rapporto però non posso decidere in quale direzione non vedo nessun rapporto Abb. 6: Instruktionen für den Richtungstest von Rube und Ergebnisse für das Motivationspaar A arrivare - B l’arrivo (entnommen aus Rube 2004: 96-97) Sofern die Befragten eine der Ableitungsrichtungen auswählten, wurde von ihnen auch eine Beschreibung des semantischen Zusammenhangs zwischen den Stimuli verlangt, die einer Begründung für die gewählte Richtung gleichkommt. Rube (2004: 78-79) zufolge ergab die Befragung gut verwertbare Ergebnisse. Problematisch war lediglich, dass es zu einzelnen Verwechslungen der Wortart eines der Stimuli oder zu Widersprüchen zwischen Richtungsauswahl und Beschreibung des semantischen Zusammenhangs kam. Da es <?page no="98"?> 98 der Autorin in erster Linie um das Prüfen der Methode ging, fehlt eine detaillierte Auswertung der Gerichtetheit der vorgegebenen Motivationspaare. Ein interessantes Ergebnis ist jedoch die Beobachtung, dass bei den V-N-Paaren die Richtung V → N dominiert und die semantisch-kognitive Beziehung hier bevorzugt als Kontiguitätsrelation des Typs Prozess - Resultat beschrieben wird (Rube 2004: 79, s. auch Kap. 4.3.5). Die beiden Testverfahren unterscheiden sich weiterhin dadurch, dass Rube sich auf die Untersuchung einer einzigen formalen Relation, nämlich der Konversion, beschränkt, wodurch die Wortpaare in ihrem Fragebogen sehr viel homogener sind als diejenigen von Bergenholtz/ Mugdan. Aufgrund der flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten einerseits, der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Online-Methoden andererseits werden auch in der vorliegenden Arbeit Motiviertheit und Gerichtetheit auf der Basis von Offline-Fragebögen untersucht. Ein Fragebogen, der diese verschiedenen Zwecke erfüllt, wird ausgehend von den Vorarbeiten von Bergenholtz/ Mugdan und Rube in Kap. 4 entwickelt. So kann bspw. geklärt werden, ob ein Wortpaar überhaupt motiviert ist und wenn ja, ob sich eine der beiden möglichen Ableitungsrichtungen durchsetzt. Aus der Menge der Einzelmeinungen kristallisiert sich zu jedem Motivationspaar vermutlich eine Tendenz zur Unidirektionalität oder zur Bidirektionalität heraus. Auch die Frage, welche Kriterien die Informanten bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Ableitungsrichtung anwenden - die in Kap. 2.2 diskutierten oder andere -, kann mittels einer Offline-Befragung geklärt werden, indem man, wie bei Rube geschehen, von den Sprechern eine Begründung für ihre Wahl verlangt. Dabei wird sich herausstellen, ob wie vermutet vor allem von semantischen Parametern Gebrauch gemacht wird und falls ja, unter welchen Bedingungen auch formale und andere Kriterien herangezogen werden. 3.3 Annahmen zur Motiviertheit von Wortpaaren Eine Voraussetzung für die Bestimmung einer Motivationsrichtung bei einem vorgegebenen Stimulipaar besteht darin, dass es sich überhaupt um ein Motivationspaar handelt, dass also ein Mitglied des Wortpaars durch das andere motiviert werden kann oder auch beide Mitglieder sich gegenseitig motivieren. Die Überprüfung der Motiviertheit eines Wortpaars kann leicht in einen Offline-Fragebogen zur Motivationsbzw. Ableitungsrichtung integriert werden, indem man die Informanten fragt, ob sie einen Zusammenhang zwischen den vorgegebenen Stimuli sehen. Geht man davon aus, dass ein Wortpaar umso stärker motiviert ist, je mehr Sprecher einen Zusammenhang feststellen können, ergibt sich ein graduierter Motivationsbegriff, wie er auch in vielen anderen Motivationsansätzen angenommen wird (s. Kap. 1). Kap. 3.3.1 be- <?page no="99"?> 99 schreibt, wie aufgrund dieser Annahme für jedes Wortpaar ein Motiviertheitsgrad errechnet werden kann. Hypothesen dazu, unter welchen Bedingungen der Motiviertheitsgrad höher oder niedriger ausfällt, werden in Kap. 3.3.2 aufgestellt. 3.3.1 Berechnung des Motiviertheitsgrades Um die Motiviertheit verschiedener Wortpaare überprüfen zu können, muss zunächst ein Weg gefunden werden, um die Stärke der Motiviertheit, d.h. den Motiviertheitsgrad, festzustellen. Dies ist relativ einfach möglich, indem man in einem Fragebogen zur Ableitungsrichtung bei Wortpaaren den Informanten die Möglichkeit gibt, anzukreuzen, dass sie keinen Zusammenhang zwischen den vorgegebenen Wörtern des potenziellen Motivationspaars sehen. Wird von dieser Antwortmöglichkeit Gebrauch gemacht, lässt sich daraus schließen, dass die formal-semantische Beziehung des entsprechenden Wortpaars für den Informanten nicht in ausreichendem Maße motiviert ist, um über die Ableitungsrichtung entscheiden und die Entscheidung begründen zu können. Solche Fälle können nicht in die Berechnung der Gerichtetheit des Wortpaars einbezogen werden, weil letzterer Wert das Bestehen einer Motivationsbeziehung voraussetzt. Stattdessen lassen sich die Antworten, die auf die Antwortoption „ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“ entfallen, aber in einem eigenständigen Wert fassen: dem Motiviertheitsgrad. Geht man davon aus, dass dieser bei einem Stimulipaar 100% beträgt, wenn keiner der Befragten von der Option „ich sehe keinen Zusammenhang“ Gebrauch gemacht hat, bedeutet jedes Vorliegen solcher Antworten einen verminderten Motiviertheitsgrad, der sich in einer Prozentzahl unter 100 ausdrückt. Er kann einfach berechnet werden, indem die Zahl der Antworten für die Auswahlmöglichkeit „ich sehe keinen Zusammenhang“ (AKZ) von der Gesamtzahl der verwertbaren Antworten (G) 104 pro Stimulipaar abgezogen und dann durch die Gesamtzahl geteilt wird. Es gilt also die folgende Formel: Motiviertheitsgrad: (G - AKZ) : G in Prozent: ((G - AKZ) : G) · 100 Abb. 7: Formel zur Berechnung des Motiviertheitsgrades 104 Wie in Kap. 4.3.1 und 4.3.2 beschrieben wird, werden diejenigen Antworten, die nicht gewertet werden können, weil die Sprecher von einem anderen als dem vorgegebenen Wortpaar ausgegangen sind oder ihre Begründung in Verbindung mit der Richtungsauswahl unverständlich war, nicht weiter berücksichtigt. Die Gesamtzahl der verwertbaren Antworten sinkt dann entsprechend. <?page no="100"?> 100 Die in Tab. 3 aufgeführten Beispiele veranschaulichen diese Rechnung für zwei Wortpaare mit den Mitgliedern a und b: Antwortoptionen Wortpaar 1 Wortpaar 2 a → b 14 1 a ← b 12 17 a - b 4 9 keine Beziehung 0 3 Gesamtzahl der Antworten 30 30 Motiviertheitsgrad 100% 90% Tab. 3: Beispiele für verschiedene Motiviertheitswerte Bei Wortpaar 1 haben alle Informanten eine Beziehung zwischen den Mitgliedern des Wortpaars gesehen. Der Motiviertheitsgrad beträgt 100%. Bei Wortpaar 2 hingegen müssen von der Gesamtzahl der Antworten, 30, drei den Motiviertheitsgrad einschränkende Antworten abgezogen werden. Die 27 verbleibenden Antworten ergeben gemäß der Formel ((30 - 3) : 30) · 100 = 90 einen Motiviertheitsgrad von 90%. Umgekehrt betrachtet liegt bei diesem Wortpaar eine Einschränkung des Motiviertheitsgrades um 10% vor. Im Folgenden werden Wortpaare nur dann überhaupt als motiviert betrachtet, wenn die Mehrheit der Informanten eine Beziehung zwischen den betreffenden Wörtern sieht, wenn der Motiviertheitsgrad also mehr als 50% beträgt. Ein systematischer Vergleich der Motiviertheitsgrade aller Stimulipaare ermöglicht Erkenntnisse über die Stärke des formal-semantischen Zusammenhangs der verschiedenen Wortpaare für die Befragungsteilnehmer. Hypothesen dazu werden im nächsten Teilkapitel formuliert. 3.3.2 Hypothesen zur Motiviertheit Ausgehend von den in Kap. 1.2 beschriebenen zwei Dimensionen der lexikalischen Motivation lassen sich Hypothesen darüber formulieren, welche formalen und welche semantisch-kognitiven Relationen bei den untersuchten Wortpaaren die Motiviertheit fördern bzw. senken. <?page no="101"?> 101 Was die beteiligten formalen Relationen angeht, wird Motiviertheit in der Literatur typischerweise anhand der gängigsten Verfahren zur Bildung komplexer Wörter - Affigierung und Komposition - veranschaulicht. Doch nicht nur, weil diese Verfahren in den hier untersuchten Sprachen die häufigsten sind, lässt sich vermuten, dass bei Affigierungen und Komposita auch von linguistischen Laien problemlos ein formaler Zusammenhang zur Ableitungsbasis gesehen wird, sofern dieser nicht z.B. durch Sprachwandel unkenntlich geworden ist. Denn auch Sprecher ohne tiefer gehende linguistische Kenntnisse haben ein Gefühl dafür, dass abgeleitete Wörter im Normalfall mehr Form aufweisen als die Ableitungsbasis. Das Fundament für diese Annahme bieten die aus der Natürlichen Morphologie stammenden Annahmen zu Ikonizität bzw. (in Dresslers Terminologie) Diagrammatizität in der Wortbildung (z.B. Mayerthaler 1981: 108-114, Dressler 1987: 102-103, s. auch Kap. 1.1). Diesen Ansätzen zufolge wird die höchste Ikonizität und dadurch Natürlichkeit dann erreicht, wenn dem Prinzip des konstruktionellen Ikonismus entsprechend (Mayerthaler 1981: 23-27, ähnlich auch Iacobini 2000: 866) zu einer Basis ein formales Element, gepaart mit einem neuen semantischen Inhalt, hinzukommt, wie es bei Affigierungen und Komposita meist der Fall ist, vgl. fr. pomme - pommier oder dt. Apfel, Baum - Apfelbaum. Zusätzlich wird die Ikonizität erhöht, wenn wie in den gerade genannten Beispielen Kompositionalität besteht, d.h. wenn das formal komplexe Wort sich sowohl formal als auch semantisch direkt aus seinen Komponenten ergibt (s. auch Anm. 8 in Kap. 1.1). Die Kompositionalität kann bei fehlender Transparenz sowohl auf der formalen (z.B. wenn wie bei it. rossore - arrossire in Bsp. 8 keine direkte Ableitbarkeit besteht) als auch auf der semantischen Ebene (z.B. durch idiomatische Bedeutungen) getrübt sein. Sofern aber ein deutlicher formaler Unterschied zwischen zwei Wörtern besteht, sollten Nicht-Linguisten die betreffenden Wortpaare in jedem Fall leichter als zusammenhängend einstufen können als solche, die keinen oder nur einen geringen formalen Unterschied aufweisen, da dann ein Missverhältnis zwischen formaler und semantischer Veränderung besteht. Entsprechend weisen Konversionspaare und Paare mit formIdent eine geringere Ikonizität (s. aber Marzo 2013a) und keine formale Kompositionalität auf. Dies macht es für die Sprecher evtl. schwieriger, eine Motiviertheit zu erkennen. Gerade bei formal identischen Wörtern könnte es linguistischen Laien schwerer fallen, einen Zusammenhang herzustellen, weil sie eher von einem zufälligen Gleichklang der Wörter, also von Homonymie, ausgehen (s. auch Bybee 1985: 118). Konversionen könnten demgegenüber evtl. etwas eindeutiger motiviert sein, da sich die beiden potenziellen Motivationspartner bei Stammkonversionen wie fr. danse - danser in Bsp. (5) durch die unterschiedlichen Flexionssuffixe zumindest minimal unterscheiden und somit der durch die Ableitung auftretende Wortartwechsel im Austausch der Affixe zum Ausdruck kommt. Auch müssten sie in der Logik der Natürlichen Morphologie eine etwas höhere Ikonizität als die Wortkonversion des Typs <?page no="102"?> 102 fr. dîner V - dîner N in Bsp. (4) haben, da die Wortformen nicht völlig identisch sind. 105 Sowohl bei Konversionen als auch bei formIdent sollte aber die Motiviertheit tendenziell schwieriger zu erkennen sein, als bei den stärker konstruktionell ikonischen Wortbildungsverfahren Affigierung und Komposition. Aufgrund dieser Überlegungen lassen sich die folgenden Hypothesen [1a] und [1b] formulieren: [1a] Wortpaare, die einen formalen Komplexitätsunterschied aufweisen, sind stärker motiviert als Paare ohne formalen Komplexitätsunterschied. [1b] Wortpaare, die formal kompositional sind, sind stärker motiviert als nicht formal kompositionale Paare. Gleichzeitig spielt auch die einem Motivationspaar zugrunde liegende semantisch-kognitive Relation vermutlich eine zentrale Rolle für die Feststellbarkeit von Motiviertheit. Hinzu kommt eine mögliche Idiomatizität der Bedeutung, die bis hin zur Demotiviertheit gehen kann. Unter diesen Gesichtspunkten ist zunächst die semantische Identität (semIdent) zu betrachten. Sind die Konzepte zweier Motivationspartner identisch bzw. unterscheiden sie sich nur in der Wortart, in der sie auftreten, wie fr. éternel - éternité in Bsp. (7), liegt semantische Transparenz vor und es kann rein semantisch betrachtet eine uneingeschränkte Motiviertheit angenommen werden. Bei metaphorischer Similarität (metSim) hingegen sind Einschränkungen im Motiviertheitsgrad zu erwarten, da die betreffenden Konzepte bis auf einzelne ähnliche Merkmale nichts gemeinsam haben, wie Bsp. (10), en. mouse, zeigt. Hier wird die Motiviertheit davon abhängen, ob die Ähnlichkeit von den Sprechern wahrgenommen wird oder nicht. Kontiguitäts-Relationen (Kont) sollten besser erkannt werden als metSim-Relationen, da sie innerhalb eines Frames angesiedelt sind und dadurch „selbstverständlicher oder (…) enger zusammenhängen als metaphorisch relationierte Paare“ (Marzo 2013a: 212, Anm. 7). Dennoch ist zu erwarten, dass ein Fall wie it. rossore - arrossire (Bsp. 8) von seinem Motiviertheitsgrad her nicht an semIdent heranreicht. 106 Zusätzlich 105 Dressler (1987) und Mayerthaler (1981) unterscheiden nicht zwischen Wort- und Stammkonversionen, da sie nur englische Beispiele betrachten. Was die Stammkonversionen angeht, besteht aber eine gewisse Parallele zum Phänomen der V → N-Konversionen mit Ablaut im Deutschen und Englischen (en. to sing → a song, dt. fliegen → Flug). Dressler (1987: 104) betrachtet die hier auftretende Modifikation des Vokals aufgrund der gleichzeitigen morphologischen und semantischen Veränderung als ikonisch. Dies müsste auch für die Stammkonversionen des Typs fr. dans-e - dans-er gelten, sodass sie gegenüber den Wortkonversionen ikonischer wären. 106 Bezüglich der weiteren semantisch-kognitiven Relationen - dem konzeptuellen Kontrast und den taxonomischen Relationen - werden keine Vermutungen angestellt, da sie in den hier durchgeführten Sprecherbefragungen nur am Rande eine Rolle spielen. Siehe aber die kurze Diskussion in Kap. 5.3.5. <?page no="103"?> 103 kann Idiomatisierung die semantische Transparenz einschränken und dazu führen, dass ursprünglich transparente Relationen nicht mehr als solche erkannt werden (s. das Beispiel dt. Mitgift aus Blank 2001b: 1600-1603). Diese Annahmen sind in Hypothese [2] zusammengefasst: [2a] SemIdent-basierte Stimulipaare sind am stärksten motiviert, metSim-basierte am schwächsten. Kont liegt im Mittelfeld. [2b] Eine Idiomatizität der Bedeutungen wirkt sich zusätzlich einschränkend auf die Motiviertheit aus. Des Weiteren ist noch ungeklärt, wie die Form und die Semantik eines potenziellen Motivationspaars interagieren, d.h. welche Dimension für die Beurteilung von Motiviertheit schwerer wiegt. So lässt sich aufgrund der aufgestellten Hypothesen zwar vermuten, dass bspw. eine Kombination aus Suffigierung und semIdent sehr stark motiviert und eine Kombination aus formIdent und metSim schwächer motiviert ist. Für eine semIdent-basierte Stammkonversion aber ist es noch unklar, ob hier - wie sich aus manchen lexikalischen Entscheidungsaufgaben schließen lässt (Bradley 1980: 50, 52) - die formale Relation schwerer wiegt und die Motiviertheit senkt oder ob sich die semantisch-kognitive Relation durchsetzt und die Motiviertheit erhöht. Auch diese verschiedenen Punkte können durch den Vergleich der Motiviertheitswerte, die sich aus einer Sprecherbefragung ergeben, geklärt werden (zu den Ergebnissen s. Kap. 5). 3.4 Annahmen zur Direktionalität von Motivationsbeziehungen In den folgenden Abschnitten werden nun verschiedene Annahmen zur Direktionalität von Motivationsbeziehungen formuliert, die die Grundlage für die anschließende empirische Untersuchung der Gerichtetheit von Wortpaaren mittels einer Sprecherbefragung bilden. Im ersten Teilkapitel wird erläutert, warum von einer grundsätzlichen Bidirektionalität und daraus hervorgehend von einer graduierten Direktionalität von Motivationsbeziehungen ausgegangen wird (3.4.1). Es ergibt sich ein Kontinuum der Direktionalität (3.4.2), auf dessen Basis eine Formel zur Berechnung einer so verstandenen Gerichtetheit entwickelt wird (3.4.3). Schließlich werden Hypothesen bezüglich der Auswirkung der verschiedenen formalen und semantisch-kognitiven Relationen auf die Gerichtetheit eines Motivationspaars formuliert (3.4.4). <?page no="104"?> 104 3.4.1 Prinzipielle Bidirektionalität und Graduiertheit Bei der näheren Betrachtung des bei Motivationspaaren auftretenden Direktionalitätsproblems (Kap. 1.3) hat sich gezeigt, dass das klassische Kriterium für die Bestimmung der Ableitungsrichtung, der formale und semantische Zuwachs der abgeleiteten Einheit gegenüber der Basis (Iacobini 2000: 866), nur bei einzelnen Fällen von formalen und semantisch-kognitiven Relationen angewendet werden kann, und in semantischer Hinsicht auch nur im Rahmen einer merkmalbasierten Semantik. Entsprechend stehen aus der Sicht der Sprachbenutzer sowohl auf formaler als auch auf semantisch-kognitiver Ebene vermutlich einzelnen eindeutig unidirektionalen Relationen zahlreiche weniger eindeutig gerichtete Relationen gegenüber. Auch die Erkenntnisse aufgrund der in Kap. 2 dargestellten Theorien zur Direktionalität von Konversionen und anderen Produkten lexikalischer Verfahren und der in unidirektionalen Ansätzen herangezogenen Entscheidungskriterien sprechen dafür, dass weder eine einheitliche Uninoch eine einheitliche Bidirektionalität von Motivationspaaren haltbar sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass aus einer sprecherorientierten Perspektive verschiedene Motivationspaare in unterschiedlich starkem Maße zur Uni- oder zur Bidirektionalität tendieren. Eine solche graduierte Direktionalität deutet sich bei vielen der in Kap. 2.3 als Vertreter von Bidirektionalität diskutierten Autoren an. Bereits Leech (1974: 224-225) argumentiert, dass eine grundsätzliche Bidirektionalität nicht nur von Konversions-, sondern von allen Derivationsbeziehungen am besten die Sprachkompetenz widerspiegele und außerdem die Integration verschiedener lexikalischer Verfahren erlaube, was aber nicht ausschließe, dass sich im Einzelfall eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für eine der beiden Ableitungsrichtungen, insbesondere für die von der einfachen zur komplexen Form, ergebe. Unterschiedliche Stufen der Direktionalität von morphologischen Beziehungen nimmt auch Becker (1990: 52) an, der sich explizit auf die Intuitionen der Sprecher beruft und versucht, diese mit einer Markiertheitstheorie zu erfassen. Auch Rettig (1981), der sich ebenfalls die Perspektive der Sprachbenutzer zu eigen macht und eine prinzipielle Bidirektionalität der Motivierbarkeit fordert, deutet an, dass die Gerichtetheit einer bestimmten Einheit als graduiert zu betrachten ist: In welcher Richtung in den konkreten Akten der Reflexion über die Sprache tatsächlich eine Motivierung vollzogen wird, ist nicht generell anzugeben. Es lassen sich lediglich einige Faktoren in Erwägung ziehen, nach denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die eine oder die andere Richtung besteht. (Rettig 1981: 168) Ein weiterer in diese Richtung gehender Ansatz ist die kognitiv orientierte Studie von Twardzisz (1997: 167-174), dem zufolge die Direktionalität eines <?page no="105"?> 105 Konversionspaars sowohl aufgrund der Art der zugrunde liegenden semantischen Beziehung als auch aufgrund der kognitiven Verankerung der beteiligten Konversionspartner bei den einzelnen Sprechern variiert (ähnlich auch Schmid 2005: 198-205). Es finden sich also bereits mehrere Verfechter eines Ansatzes, der sich auf eine vom einzelnen Motivationspaar sowie vom einzelnen Sprecher abhängige, unterschiedlich ausgeprägte Neigung zur Unibzw. Bidirektionalität verwandter Wortpaare gründet und der damit einen Gegenentwurf zu den Bestrebungen darstellt, für jedes Motivationspaar eine eindeutige Ableitungsrichtung zu bestimmen - mit der Folge, dass Paare, bei denen das nicht gelingt, in einer Art Restkategorie landen. Den unterschiedlichen Graden an Direktionalität kann meines Erachtens am besten dadurch Rechnung getragen werden, dass ähnlich wie in Rettig (1981: 167-172) eine prinzipielle Bidirektionalität aller Motivationspaare angenommen wird. Das bedeutet, dass bei allen Motivationspaaren - auch solchen, die bisher als unzweifelhaft unidirektional galten - beide mögliche Richtungen zulässig sind und es den Sprechern überlassen bleibt, sich entweder für die Richtung zu entscheiden, die sie für plausibler halten, oder für keine bestimmte Richtung. Dass Motivationspaare prinzipiell gemäß beiden Ableitungsrichtungen gerichtet werden können, bedeutet aber nicht, dass nicht einzelne Motivationspaare in stärkerem oder schwächerem Maße zu einer Richtung tendieren können. In vielen Fällen, bspw. bei fr. pomme ‘Apfel’ - pommier ‘Apfelbaum’, kann es durchaus sein, dass alle befragten Sprecher einhellig pommier durch pomme motivieren, wie es Gauger (1971) annimmt und was dann in der Tat einer Unidirektionalität gleichkommen würde. Genauso gut aber kann es sein, dass einzelne Sprecher pomme als ‘fruit du pommier’ von pommier ableiten, was gemäß der hier vorgeschlagenen Sichtweise absolut legitim wäre. Bei den Motivationspaaren, die abstrakte Gefühle bezeichnen (z.B. dt. Liebe - lieben), wäre hingegen eher zu erwarten, dass sie entweder stark zu genuiner Bidirektionalität neigen, weil sich gleich viele Sprecher jeweils für eine der beiden Richtungen entscheiden, oder aber, dass die Ableitungsrichtung nicht entscheidbar ist, weil die Sprecher sich nicht festlegen können oder wollen. Diese Vermutungen sind aber natürlich empirisch zu prüfen. Ein prinzipiell bidirektionaler Ansatz in Kombination mit einer graduierten Direktionalität hat also den Vorteil, eine einheitliche Analyse aller Arten von Motivationspaaren zu erlauben, weil beide Ableitungsrichtungen als zulässig erachtet werden. Die durch die Sprecherbefragungen ermittelte Tendenz zur einen oder zur anderen Richtung kann dann direkt auf die zugrunde liegenden Variablen wie die formale und die semantisch-kognitive Relation sowie ggf. weitere Einflussfaktoren zurückgeführt werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der lexikalische Innovationsprozess selbst, durch den eine neue lexikalische Einheit entsteht, bidirektional ist (s. Kap. 1.3.1), sondern nur, <?page no="106"?> 106 dass nach der Lexikalisierung einer solchen neuen Einheit diese nicht mehr unbedingt als sekundär in Bezug auf eine diachronisch primäre Basiseinheit empfunden werden muss. Dafür, dass ein bidirektionaler Ansatz auch unter kognitionspsychologischen Aspekten nicht nur plausibel, sondern auch adäquater ist, lässt sich Evidenz aus verschiedenen Bereichen anführen, die hier abschließend kurz angedeutet werden soll (s. auch Umbreit 2010, 2011). Erstens wird wie bereits dargestellt (s. Kap. 3.1 und die dort zitierte Literatur) bezüglich der Strukturierung der Wörter aufgrund von Wortfamilien im mentalen Lexikon davon ausgegangen, dass diese Wortfamilien netzwerkartig funktionieren und daher nicht nur eine Verbindung von einem komplexen Wort zu seiner Basis besteht, sondern auch in die umgekehrte Richtung (s. auch McQueen/ Cutler 1998: 409) sowie zwischen gleich komplexen Wortfamilienmitgliedern. Belege dafür kommen u.a. aus den in Kap. 3.2.1 diskutierten Primingexperimenten von Schriefers et al. (1992) und Marslen-Wilson et al. (1994). Sie zeigen allerdings auch, dass die einzelnen Verbindungen unterschiedlich stark sein können. Zweitens spielt die Wortfamilienorganisation auch im L2-Erwerb eine wichtige Rolle. In der entsprechenden Forschung wurde schon vielfach festgestellt, dass die Einbindung von Wörtern in Wortfamilien das Verständnis und die Memorisierung neuer Vokabeln erleichtern kann (z.B. Kielhöfer 1994, Hausmann 2002, Stein 2002). Was z.B. das Verständnis unbekannter fremdsprachlicher Vokabeln angeht, können formal komplexe Wörter nicht nur durch den Kontext, sondern auch mit Hilfe von bereits bekannten Wörtern erschlossen werden, bspw. fr. sagesse durch das Adjektiv sage. Dies ist aber genauso gut in die umgekehrte Richtung möglich (Denninghaus 1976: 7, Meißner 1989: 377): Wer bereits das Wort sagesse kennt, kann sich dadurch die Bedeutung von sage erschließen. Auch bei Konversionspaaren wie z.B. it. volare - volo dürfte eine ggf. kontextgestützte gegenseitige Erschließbarkeit bestehen. Drittens haben Offline-Befragungen zur Motivierbarkeit einzelner Stimuli im Deutschen, Französischen und Italienischen gezeigt, dass die befragten Muttersprachler die Stimuli zwar bevorzugt durch die Ableitungsbasis motivieren, sofern diese relativ eindeutig ist, aber bisweilen auch auf andere, z.B. formal komplexere oder gleich komplexe Einheiten aus derselben Wortfamilie, zurückgreifen. Dies kommt insbesondere dann vor, wenn keine eindeutige formale Ableitungsbasis erkennbar ist wie bei it. buono ‘lecker’, aber auch in anderen Fällen: So wurde z.B. dt. unterfordern neben fordern und unter + fordern von einzelnen Sprechern durch Unterforderung, fördern oder überfordern motiviert (zu weiteren Beispielen s. Marzo et al. 2006, Umbreit 2010, 2011 sowie Marzo 2013a: 145-186 und Marzo/ Umbreit einger.). <?page no="107"?> 107 3.4.2 Ein Kontinuum der Direktionalität Ausgehend von der prinzipiellen Bidirektionalität von Motivationsbeziehungen und einer Graduiertheit ihrer Gerichtetheit lässt sich auch die in Kap. 1.3.4 getroffene Feststellung, dass verschiedene Kombinationen aus formalen und semantisch-kognitiven Relationen eindeutig unidirektional sein können, wenn eine gerichtete formale auf eine gerichtete semantisch-kognitive Relation trifft (z.B. bei Affigierung + metSim), aber auch eindeutig bidirektional, wenn eine nicht gerichtete formale auf eine nicht gerichtete semantisch-kognitive Relation trifft (z.B. Stammkonversion + semIdent), sinnvoll erfassen: Zwischen eindeutiger Uni- und eindeutiger Bidirektionalität sind je nach individuellem Motivationspaar mehrere Abstufungen denkbar, die ein Kontinuum ergeben. Dieses lässt sich im Detail folgendermaßen konzipieren: Da die Beziehung zwischen einem Motivationspartner a und einem Motivationspartner b aufgrund der prinzipiellen Bidirektionalität in zwei mögliche Richtungen, d.h. gemäß a → b oder gemäß a ← b, gerichtet werden kann, fällt auch eine eventuelle Tendenz zur Unidirektionalität zugunsten der einen oder der anderen Richtung aus. Dadurch ergeben sich für das Kontinuum die zwei unidirektionalen Pole a → b und a ← b, während genau in der Mitte zwischen den beiden Polen Bidirektionalität (a ↔ b) bzw. Unentscheidbarkeit (a - b) vorliegt: Pol 1 Pol 2 107 a → b a ↔ b a ← b a - b Abb. 8: Direktionalitätskontinuum Um ein bestimmtes Motivationspaar, wie z.B. it. a. viaggio ‘Reise’ - b. viaggiare ‘reisen’ mit Hilfe von Sprecherurteilen an einer bestimmten Stelle auf diesem Kontinuum verorten zu können, wird dieses am besten als Skala gefasst. Befragt man eine bestimmte Anzahl an Muttersprachlern zu einem bestimmten Paar, kann sein Platz auf der Skala je nach Verteilung der Antworten auf die beiden Richtungen oder auf Unentschiedenheit genau bestimmt werden. Je mehr Sprecher z.B. viaggiare von viaggio ableiten, also die Richtung a → b annehmen, desto näher würde sich das Wortpaar an Pol 1 befinden. Bevorzugen die Befragten hingegen eher die Ableitung von viaggio auf der Basis von viaggiare, würde das zu einer Verortung nahe Pol 2 führen. Falls die Sprecher 107 Welcher Pol wie nummeriert wird, ist hier nicht von Belang; genauso wenig, welcher Motivationspartner den Buchstaben a und welcher den Buchstaben b erhält. Wichtig ist nur, dass die beiden Pole jeweils für entgegengesetzte Ableitungsrichtungen stehen. <?page no="108"?> 108 beide Richtungen für mehr oder weniger gleich plausibel halten bzw. sich nicht zwischen den beiden Möglichkeiten entscheiden können, würde das Motivationspaar auf dem Kontinuum ungefähr in der Mitte liegen. 108 Dabei ist zu klären, ob die sich aus der Literatur ergebende Unterscheidung (s. auch Kap. 2.3) zwischen genuiner Bidirektionalität (a → b und a ← b kommen gleichermaßen in Frage) und Unentscheidbarkeit (die Richtung ist nicht eindeutig zu bestimmen) auf der Basis der Sprecherurteile aufrechterhalten werden kann oder nur auf theoretischer Ebene besteht, und wovon sie abhängt. Um dies zu überprüfen, kann in der Befragung, wie es auch Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) und Rube (2004) tun, den Sprechern zusätzlich zur Auswahl zwischen den beiden Ableitungsrichtungen die Möglichkeit gegeben werden, sich nicht auf eine bestimmte Richtung zwischen den beiden Motivationspartnern festzulegen. Diese Antwortoption steht dann für die Unentscheidbarkeit der Richtung, während sich eine genuine Bidirektionalität ergibt, wenn beide möglichen Ableitungsrichtungen von den Informanten gleich häufig ausgewählt werden. Unentscheidbarkeit und Bidirektionalität besetzen auf dem Kontinuum aber denselben Platz, nämlich die genaue Mitte der Skala. Im nächsten Teilkapitel werden die verschiedenen Antwortoptionen in eine Formel überführt, mit der die Gerichtetheitsstärke eines Motivationspaars berechnet werden kann. 3.4.3 Berechnung der Gerichtetheitsstärke Im vorangehenden Kapitel wurde die Entscheidung zwischen den zwei möglichen Ableitungsrichtungen bei einem Motivationspaar mit den Mitgliedern a und b als Kontinuum konzipiert, dessen Endpole jeweils a → b und a ← b lauten und deren Mittelpunkt für Bidirektionalität bzw. Unentscheidbarkeit (a ↔ b / a - b) steht (s. Abb. 8). Auf dieser Grundlage kann man hinsichtlich der Gerichtetheit des Wortpaars annehmen, dass sich die Zahl der Antworten, welche für die Richtung a → b stehen, und die Zahl der Antworten für die entgegengesetzte Richtung a ← b (teilweise) gegenseitig neutralisieren, wobei jedoch für die Richtung mit der höheren Stimmenanzahl eine Restsumme übrig bleibt, die die Gerichtetheitsstärke ausmacht. Je größer also die Differenz 108 Auch Crocco Galèas (1997: 53-62) entwickelt eine Direktionalitätsskala für Konversionen (in ihrer Terminologie „morphologische Metaphern“), die verschiedene Stufen von Unidirektionalität über Unentscheidbarkeit und Bidirektionalität zu Multifunktionalität vorsieht (s. auch Kap. 2.3). Diese Skala unterscheidet sich jedoch in wesentlichen Punkten von dem hier verwendeten Kontinuum: Erstens entstammt sie der Natürlichen Morphologie und ist typologisch ausgerichtet, soll also ganz unterschiedlichen Sprachtypen Rechnung tragen. Zweitens möchte die Autorin die Gerichtetheit eines Konversionspaars mit ihrer Skala bereits vorhersagen, während ein Motivationspaar in der vorliegenden Arbeit erst a posteriori aufgrund des Ergebnisses der Sprecherbefragung auf dem Direktionalitätskontinuum verortet wird. <?page no="109"?> 109 zwischen den Antwortenzahlen pro Richtung ist, desto stärker fällt die Gerichtetheit zugunsten der Richtung mit der höheren Antwortzahl aus. Die Antworten, die pro Motivationspaar auf die Antwortoption „keine bestimmte Richtung“ entfallen, sprechen hingegen dafür, dass die Ableitungsrichtung bei diesem Paar nicht zu entscheiden ist. Diese drei Werte (Richtung a → b, Richtung a ← b und a - b) gehen in die Formel zur Berechnung der Gerichtetheitsstärke ein. 109 Der Übersichtlichkeit halber werden die drei Werte durch die folgenden Variablen ersetzt: x = Anzahl der Antworten für die Richtung mit mehr Antworten (z.B. a → b) 110 y = Anzahl der Antworten für die Richtung mit weniger Antworten (z.B. a ← b) z = Anzahl der Antworten für „keine bestimmte Richtung“ zwischen den Stimuli (a - b) Nach dem Prüfen verschiedener Möglichkeiten zur Parametrisierung der drei Antwortoptionen zur Ableitungsrichtung hat sich die folgende Formel als am besten geeignet erwiesen, da sie den Einfluss der einzelnen Werte nachvollziehbar widerspiegelt: Gerichtetheitsstärke: (x² y²) : (x + y + z)² Abb. 9: Formel zur Berechnung der Gerichtetheitsstärke Die Differenz aus den quadrierten Werten x und y wird also durch die ebenfalls quadrierte Summe aus der Gesamtzahl der Antworten für a → b, a ← b 109 Antworten, die der Option „Ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“ zuzurechnen sind, können nicht in die Berechnung der Gerichtetheitsstärke einfließen, da die Vorbedingung hierfür ist, dass der/ die Befragte überhaupt von einer formal-semantischen Beziehung zwischen den Stimuli ausgegangen ist. Diese Antwortgruppe wird stattdessen für die Berechnung des Motiviertheitsgrades eines Wortpaars herangezogen (s. Kap. 3.3.1). 110 a → b und a ← b stehen hier nur beispielhaft für die Richtung mit mehr und die Richtung mit weniger Antworten. Es ist natürlich genauso denkbar, dass der Richtung a → b weniger Antworten zugewiesen wurden. Im Folgenden wird bei der Berechnung der Gerichtetheitsstärke immer die Richtung mit der geringeren Zahl an Antworten von der Richtung mit der höheren Zahl an Antworten abgezogen. Dies hat keine Auswirkung auf die Gerichtetheitsstärke, sondern dient lediglich einer besseren Handhabbarkeit des Subtraktionsergebnisses, da auf diese Weise negative Zahlen vermieden werden. <?page no="110"?> 110 und a - b dividiert. Gemäß der dritten binomischen Formel 111 lässt sich die Formel aus Abb. 9 umformen in ((x + y) : (x + y + z)) · ((x - y) : (x + y + z)). Der erste Faktor (d.h. die erste große Klammer) entspricht dabei dem Anteil der Informanten, die sich für eine der beiden Ableitungsrichtungen entschieden, also Unidirektionalität angenommen haben (x + y), bezogen auf die Gesamtzahl der auf einer Motivationsbeziehung beruhenden Antworten (x + y + z). Der zweite Faktor (d.h. die zweite große Klammer) entspricht hingegen der Differenz der Antworten für die beiden Ableitungsrichtungen (x - y) und damit dem Anteil der Antworten, die nicht durch die Gegenrichtung neutralisiert wurden und folglich auf der Gerichtetheitsskala das Pendel in eine der beiden Ableitungsrichtungen ausschlagen lassen. Auch sie werden auf die Gesamtzahl der drei Antworttypen bezogen (x + y + z). Die Antworten, die für Ungerichtetheit plädiert haben (a - b; in der Formel durch die Variable z vertreten), fließen indirekt in die Berechnung der Gerichtetheitsstärke ein, da sie Teil der Gesamtzahl der Antworten sind, durch die zum einen die Summe, zum anderen die Differenz aus den Antwortzahlen für die beiden Ableitungsrichtungen (x und y) geteilt wird. Aufgrund der Berücksichtigung von z ist der Einfluss der Werte x und y desto geringer, je mehr Antworten auf z, d.h. a - b, entfallen. Aus der Formel geht auch hervor, dass der Gerichtetheitswert mit einer wachsenden Differenz zwischen x und y zunimmt. Das bedeutet: Je mehr Informanten für eine der beiden Ableitungsrichtungen plädieren, desto stärker ist die Gerichtetheit, und zwar für die Richtung, die über die Mehrzahl der Sprecherantworten verfügt. Ist die Anzahl der Antworten hingegen (nahezu) gleichmäßig auf die beiden Richtungen verteilt, findet eine weitgehende Neutralisierung statt und die Gerichtetheit ist nur schwach ausgeprägt. Die Quadrierung der beiden Variablen x und y bietet dabei den Vorteil, die Werte leicht zu spreizen, d.h. die Abweichung zwischen ihnen zu betonen. Die Skala der Gerichtetheitsstärke zwischen 0% und 100% wird so besser ausgenutzt. Die folgenden Beispiele mögen diese Punkte illustrieren. Tab. 4 enthält die Antwortverteilungen für drei Wortpaare, die zur besseren Vergleichbarkeit alle einen Motiviertheitsgrad von 100% aufweisen. Alle Ergebnisse wurden in Prozent umgerechnet (und zu diesem Zweck mit 100 multipliziert). 111 Mit den Variablen x, y und z lauten die binomischen Formeln folgendermaßen (Duden. Rechnen und Mathematik 2000: 67): (x + y)² = x² + 2xy + y² (x - y)² = x² - 2xy + y² (x + y) (x - y) = x² y² Das Trinom (x + y + z)² lässt sich wie alle Quadratzahlen auflösen als (x + y + z) (x + y + z). <?page no="111"?> 111 Wortpaar 1 Wortpaar 2 Wortpaar 3 x (a → b) 26 15 9 y (a ← b) 2 9 3 z (a - b) 2 6 18 Gerichtetheitsstärke in % 75% für a → b 16% für a → b 8% für a → b Tab. 4: Beispiele für unterschiedliche Gerichtetheitswerte Die Berechnung der Gerichtetheitsstärke sei hier nur für Wortpaar 1 ausführlich dargestellt: (26² - 2²) : (26 + 2 + 2)² = 0,75 oder 75% für die dominierende Richtung a → b. Aus dem Vergleich der einzelnen Werte der Wortpaare und der Gerichtetheitsstärke ergibt sich für Wortpaar 1 ein hoher Gerichtetheitswert, da die Differenz zwischen x und y recht groß ist. Demgegenüber weist Wortpaar 2 mit einer kleineren Differenz zwischen x und y auch eine deutlich geringere Gerichtetheitsstärke für a → b auf. Wortpaar 3 verdeutlicht, dass die Gerichtetheitsstärke mit Zunahme des Wertes z sinkt: Zwar ist die Differenz zwischen x und y hier genauso groß wie bei Wortpaar 2, durch das vergleichsweise hohe z ergibt sich aber nur eine Gerichtetheitsstärke von 8% für a → b. Für den Fall, dass x und y genau gleich groß sind, führt die Formel zu einem Gerichtetheitswert von 0, d.h. zu einer vollständigen gegenseitigen Neutralisierung der Antworten pro Ableitungsrichtung und damit zu einer „absoluten“ Bidirektionalität. Auf der Skala der Gerichtetheit ist das betreffende Motivationspaar dann genau in der Mitte zwischen den beiden Polen angesiedelt. Da diese Bidirektionalität letztlich aber nur zustande kommt, weil sich zufällig die gleiche Anzahl von Entscheidungen für die beiden Ableitungsrichtungen ergeben hat, ist sie gerade nicht als absolut, sondern im Verhältnis zu betrachten: Die betreffenden Paare sind einfach noch einmal schwächer gerichtet als die Paare mit dem nächst höheren Gerichtetheitswert. Die Unterscheidung zwischen genuiner Bidirektionalität, bei der genau 50% der Informanten eine Ableitungsrichtung a → b und 50% der Informanten die umgekehrte Richtung a ← b annehmen, und einer absoluten Unentscheidbarkeit, die daraus resultiert, dass alle Befragten die Antwortoption „ich sehe keine bestimmte Richtung“ gewählt haben, wird in der oben entwickelten Formel nun scheinbar eingeebnet: Auch wenn beide Fälle über die Variablen x und y einerseits und z andererseits in der Formel repräsentiert sind, werden sie durch den Wert, der sich aus der Berechnung ergibt, nicht mehr differenziert. Dies erscheint aber insofern legitim, als sowohl genuine Bidirektionalität als auch absolute Unentscheidbarkeit bei Anwendung der Formel 0 ergeben, da in beiden Fällen bereits der Wert des Dividenden, also der ersten <?page no="112"?> 112 Klammer, 0 beträgt. Ferner fallen sie auf dem der Formel zugrunde gelegten Kontinuum ohnehin zusammen (vgl. Abb. 8). Da eine theoretisch sicherlich mögliche Unterscheidung der beiden Fälle mittels der verwendeten Formel diese zudem stark verkomplizieren und den Vergleich der untersuchten Motivationspaare untereinander erschweren würde, wird der Unterschied zwischen genuiner Bidirektionalität und Unentscheidbarkeit der Richtung bei der Errechnung von Gerichtetheitswerten nicht berücksichtigt, dafür aber unabhängig von der konkret errechneten Gerichtetheitsstärke noch einmal eingehend in Kap. 6.5.1 diskutiert. Wenn die Mehrheit der Antworten für ein Wortpaar der Option „Ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“ zuzuordnen ist, wird die Gerichtetheitsstärke nicht weiter berechnet, da das Wortpaar als nicht-motiviert gelten muss. Demzufolge sind alle anderen Paare motiviert und können dann als Motivationspaare bezeichnet werden. Durch den Vergleich von Motivationspaaren, die auf verschiedenen formalen und semantisch-kognitiven Relationen basieren, lässt sich auch genau feststellen, inwieweit sich die in Kap. 1.3 formulierten Annahmen bezüglich der Direktionalität der einzelnen Relationstypen aus der Sicht der linguistischen Laien bestätigen und ob weitere Parameter in die Entscheidung einfließen. Zu diesen Punkten werden im folgenden Teilkapitel drei Hypothesen formuliert. 3.4.4 Hypothesen zur Direktionalität Bereits in Kap. 1.3 hatte sich gezeigt, dass die Kombination aus formaler und semantisch-kognitiver Relation, die einem Motivationspaar aus den romanischen oder germanischen Sprachen zugrunde liegt, zu einer relativ eindeutigen Gerichtetheit, aber auch zur Bidirektionalität (die im Folgenden, sofern nicht genauer differenziert wird, Unentscheidbarkeit einschließt) führen kann, wobei zwischen diesen beiden Möglichkeiten verschiedene Abstufungen denkbar sind. Im Folgenden sollen nun Vermutungen darüber aufgestellt werden, wie sich die formale und die semantisch-kognitive Relation im Einzelnen auf die Stärke der Tendenz zu einer bestimmten Richtung auswirken. Diesbezüglich ergeben sich zum Teil ähnliche, zum Teil andere Vermutungen als für die Frage der Motiviertheit. Aus der Sicht von nicht-linguistisch gebildeten Muttersprachlern kann angenommen werden, dass, auch wenn ihnen lexikalische Einheiten aus Form und Bedeutung präsentiert werden, für die Frage der Ableitungsrichtung zunächst die Formen, d.h. ggf. der formale Unterschied oder auch die formale Gleichheit zwischen den Motivationspartnern, relevant sind. Auch linguistische Laien sind sich der Existenz von Affixen sowie der Tatsache, dass abgeleitete Wörter im Normalfall länger sind als nicht abgeleitete, bewusst. Sofern also bei einem Motivationspaar ein formaler Komplexitätsunterschied vor- <?page no="113"?> 113 liegt, kann bezüglich der Frage der Gerichtetheit vermutet werden, dass dieser für die Richtungsentscheidung ausschlaggebend ist, während der semantische Zusammenhang eine untergeordnete Rolle spielt. Dafür sprechen auch die Ergebnisse des Richtungstests von Bergenholtz/ Mugdan (s. Kap. 3.2.2). Bei formal unterschiedlich komplexen Wortpaaren wie dt. Apfelbaum im Vergleich zu Baum oder fr. pommier im Vergleich zu pomme tendieren Sprecher also vermutlich stark dazu, das komplexere Wort als abgeleitet einzustufen. Wenn auch, wie in Kap. 3.4.1 argumentiert wurde, aufgrund der prinzipiellen Bidirektionalität nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass sie, z.B. aufgrund semantischer oder anderer Kriterien, in die umgekehrte Richtung ableiten, besteht also nicht nur bezüglich der Motiviertheit, sondern auch bezüglich der Direktionalität ein Zusammenhang zum Prinzip des konstruktionellen Ikonismus. Weist ein Motivationspaar keinen Unterschied in der formalen Komplexität, aber dafür eine besondere morphologische Struktur auf wie z.B. fr. dîn-er V - dîner N , règle-ment - réglement-er (s. Kap. 2.2.5), fragt es sich, inwieweit die Sprecher sich hier dennoch der morphologischen Verhältnisse bewusst sind und diese in ihre Entscheidung einbeziehen. Es soll jedoch zunächst davon ausgegangen werden, dass die interne Gebildetheit keinen Einfluss auf die Direktionalität hat, da dazu Wortbildungskenntnisse erforderlich sind, über die Sprecher nicht selbstverständlich verfügen. 112 Bei den Stammkonversionen fällt die formale Diskrepanz im Vergleich zu den Affigierungen oder gar Komposita sehr klein aus. Daher ist es denkbar, dass selbst linguistische Laien intuitiv zwischen den (meist längeren) Wortbildungs- und den Flexionsmorphemen unterscheiden. Dann wäre zu erwarten, dass die Sprecher tendenziell keinen Unterschied zwischen den Stammkonversionen und den wirklich kongruenten formIdent-Paaren machen, sondern bei einem fehlenden formalen Komplexitätsunterschied bezüglich der Ableitungsrichtung unsicherer sind, was sich in einer schwächeren Direktionalität äußern würde. Diese Tendenz kann jedoch überdeckt werden, wenn sich aufgrund der Bedeutungsangaben eine Tendenz zur Gerichtetheit ergibt, z.B. auf der Basis der zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relation oder anderer Faktoren, z.B. außersprachlichen Wissens. 112 Für den Fall, dass weder ein formaler Komplexitätsunterschied noch eine wortinterne morphologische Gebildetheit vorliegen, könnte es sein, dass dennoch aufgrund vermeintlicher formaler Diskrepanzen über eine Ableitungsrichtung entschieden wird. So wäre es möglich, dass bei den V-N-Stammkonversionen wie z.B. fr. march-e - march-er oder it. vol-o - vol-are jeweils die Verben für abgeleitet gehalten werden, weil die Infinitivmorpheme phonisch und graphisch etwas länger sind und damit formal komplexer erscheinen als die Flexionsmarkierung des Substantivs, zumal ja die auf Konsonant endenden Substantive im Französischen (z.B. vol, don, recul) gar keine Flexionsmarkierung haben. Dazu wird hier aber keine eigene Hypothese aufgestellt. <?page no="114"?> 114 Aus diesen Annahmen ergeben sich die folgenden beiden Hypothesen [3] und [4]: [3a] Bei Wortpaaren mit Unterschied in der formalen Komplexität besteht eine stärkere Direktionalität als bei formal gleichen Wortpaaren. [3b] Eine wortinterne Gebildetheit hat keine Auswirkung auf die Direktionalität. [4] Bei Wortpaaren ohne Unterschied in der formalen Komplexität besteht im Normalfall eine schwächere Direktionalität als bei den formal unterschiedlich komplexen Wortpaaren, sie kann aber durch andere Faktoren verstärkt werden. Wie bereits erläutert wurde (s. Kap. 1.3.3), gilt die semantisch-kognitive Relation der metSim als unidirektional. Es kann aber bezweifelt werden, dass die von Linguisten identifizierten kognitiv bedingten Transfer-Muster (konkret → abstrakt etc.) auch von den Durchschnittsprechern einhellig erkannt und angewendet werden. Vielmehr ist zu vermuten, dass die individuellen Erklärungswege der Sprecher auch Umkehrungen dieser Muster beinhalten, was wiederum der prinzipiellen Bidirektionalität der lexikalischen Motivation entsprechen würde. Daher wird zunächst angenommen, dass alle semantischkognitiven Relationen bidirektional sein können. Dass die metSim-Relation meist bestimmten Transfermustern folgt, kann am besten dadurch gefasst werden, dass sich hier, genauso wie es für die verschiedenen Kont-Relationen angenommen wird (s. Radden/ Kövecses 1999, Handl 2011), eine bevorzugte Ableitungsrichtung ergibt, die sich auf eben solche kognitiv begründete Transfermuster zurückführen lässt. Dies ist ebenfalls mit dem angenommenen Kontinuum vereinbar: Genau wie bei den formalen Relationen manifestiert sich die Gerichtetheit der semantisch-kognitiven Relationen nicht in einer eindeutigen Dichotomie zwischen Uni- und Bidirektionalität, sondern nur in Tendenzen, die je nach Einzelfall unterschiedlich stark ausfallen können. Gemäß den in Kap. 1.3.3 vorgestellten Charakteristika der einzelnen semantischkognitiven Beziehungen kann angenommen werden, dass die Tendenz zur Gerichtetheit bei metSim besonders stark, bei semIdent hingegen besonders schwach ausfallen wird. Interessant ist auch die Frage, ob die bevorzugten Ableitungsrichtungen bei Kont (sollten sie sich bestätigen) eine ebenso starke Gerichtetheit wie metSim (sollte sich diese bestätigen) erreichen oder doch in stärkerem Maße zur Bidirektionalität tendieren. 113 113 Auf die anderen semantisch-kognitiven Relationen - den konzeptuellen Kontrast und die taxonomischen Relationen - wird hier genau wie in Bezug auf die Motiviertheit nicht eingegangen, da sie in den Sprecherbefragungen nur bei einzelnen Wortpaaren vertreten sind. Sie finden aber in der Ergebnisdiskussion in Kap. 6 Erwähnung. <?page no="115"?> 115 [5] Alle semantisch-kognitiven Relationen sind potenziell bidirektional, neigen aber in unterschiedlichem Maße zu einer bevorzugten Ableitungsrichtung. Diese Neigung ist bei metSim besonders stark, bei semIdent besonders schwach ausgeprägt. Ferner bleibt zu prüfen, welche weiteren semantischen Faktoren in die Entscheidungen der Sprachbenutzer eingehen. Ebenso wie es für die Motiviertheit vermutet wurde, könnte sich mangelnde Kompositionalität, z.B. in Form von idiomatischen Bedeutungen, negativ auf die Feststellbarkeit einer eindeutigen Ableitungsrichtung auswirken: Selbst wenn die Idiomatizität nicht so stark ausgeprägt ist, dass sie die Motiviertheit tangiert, wirken idiomatische Bedeutungen vermutlich doch einer eindeutigen Ableitbarkeit entgegen. Aufschlussreich könnte es auch sein, zu prüfen, ob die befragten linguistischen Laien implizit auch die anderen in Kap. 2.2.3 diskutierten semantischen Kriterien zur Bestimmung der Ableitungsrichtung (wie Gebrauchsrestriktionen, (proto-)typische Eigenschaften von Wortpaaren, außersprachliches Wissen) für ihre Entscheidung heranziehen. Alle diese semantischen Parameter werden bereits in Hypothese [4] unter dem Begriff „andere Faktoren“ erfasst. 114 3.5 Fazit zu Kapitel 3 In diesem Kapitel wurde die Basis für die anschließende empirische Untersuchung der Direktionalität aus der Sicht der Sprachbenutzer gelegt. Nachdem festgestellt wurde, dass linguistische Laien die beste Quelle für Erkenntnisse im Zusammenhang mit lexikalischer Motivation sind, wurden mögliche Untersuchungsmethoden vorgestellt und aufgrund der Probleme, die bei Online-Verfahren auftreten, eine Entscheidung für die Verwendung eines Offline-Fragebogens getroffen. Da eine Voraussetzung für eine Sprecherbefragung zur Ableitungsrichtung eines Wortpaars darin besteht, dass das Paar für die Sprecher motiviert ist, und dies daher ebenfalls in der Befragung geprüft werden muss, wurde beschrieben, wie die als graduiert verstandene Motiviertheit eines Wortpaars berechnet werden kann und in einem individuellen Motiviertheitsgrad resultiert. Außerdem wurden zwei Hypothesen dazu formuliert, von welchen formalen und semantischen Eigenschaften der Motiviertheitsgrad eines Wortpaars abhängt. Aufgrund der in den Kap. 1 und 2 gewonnenen Erkenntnisse zur Direktionalität wurde sodann dargelegt, dass der Koexistenz von eindeutig gerichteten und weniger eindeutig gerichteten 114 Aufgrund der Fülle von möglichen Einflussfaktoren wurden diese beim Untersuchungsmaterial für die Sprecherbefragungen nicht bewusst variiert (s. Kap. 4.2). Entsprechend werden diesbezüglich auch keine Hypothesen formuliert. <?page no="116"?> 116 Motivationspaaren am besten durch eine ebenfalls graduierte Gerichtetheitsstärke gerecht zu werden ist, die auf einer prinzipiellen Bidirektionalität aller Arten von Motivationspaaren basiert. Entsprechend sind bei jedem Motivationspaar beide Ableitungsrichtungen möglich, wobei die einzelnen Paare aber jeweils eine unterschiedlich starke Neigung zu einer der beiden Richtungen aufweisen. Letztere stellen also die Pole eines Kontinuums dar, in dessen Mitte die Bidirektionalität bzw. Unentscheidbarkeit der Richtung liegt. Aufgrund dieser Annahmen wurden eine Formel zur Berechnung der Gerichtetheitsstärke von Motivationspaaren entwickelt und dazu im Anschluss drei Hypothesen formuliert, die aus den in Kap. 1 angestellten Überlegungen zur Direktionalität der einzelnen formalen und semantisch-kognitiven Relationen hervorgehen und außerdem das Wirken weiterer Faktoren annehmen. Im folgenden Kapitel wird die durchgeführte Sprecherbefragung näher beschrieben. <?page no="117"?> 117 4 Konzeption der Sprecherbefragung In diesem Kapitel wird ein Offline-Befragungsverfahren vorgestellt, das gezielt formal und semantisch verwandte Wortpaare von muttersprachlichen Sprechern bewerten lässt und dadurch generelle Aussagen über die Motiviertheit und die Direktionalität von Motivationspaaren ermöglicht. Kap. 4.1 beschreibt die Entwicklung und die Durchführung dieses Testverfahrens. In Kap. 4.2 wird die Auswahl der untersuchten Wortformen und Bedeutungen erläutert, Kap. 4.3 umfasst die Auswertung der erhobenen Daten unter verschiedenen Gesichtspunkten. Das Kapitel schließt mit einem Fazit in 4.4. 4.1 Entwicklung eines Fragebogens Im Zuge der Entwicklung eines für die Untersuchung von Motiviertheit und Gerichtetheit optimal geeigneten Fragebogens werden zunächst eigene Pilotstudien vorgestellt (4.1.1). Die daraus hervorgehenden Erkenntnisse münden in die Konzeption der endgültigen Fragebögen (4.1.2). 4.1.1 Pilotstudien Um einerseits die Ergebnisse der beiden in Kap. 3.2.2 beschriebenen Vorgängerstudien von Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) und Rube (2004) zu replizieren, andererseits weitere Abfragemöglichkeiten auszuloten, wurden auf der Basis der beiden bereits existierenden Testentwürfe zwei eigene Pilotstudien durchgeführt. Da deutsche Muttersprachler leichter verfügbar waren, bezogen sich die Vortests auf das Deutsche, wobei zehn Stimulipaare aus Bergenholtz/ Mugdan verwendet wurden. Ein erster Fragebogen enthielt 20 Wortpaare, die unterschiedliche formale und semantisch-kognitive Relationen umfassten (siehe Anhang 9.1). Neu gegenüber den Studien von Bergenholtz/ Mugdan und Rube ist, dass in diesem Fragebogen auch Fälle von formaler Identität (formIdent) abgefragt wurden, da diese Teil des theoretischen Motivationsmodells von Koch (2001a) und Koch/ Marzo (2007) sind, das der Arbeit zugrunde liegt. Auch formIdent-Relationen können sich, wie in Kap. 1.3 gezeigt, hinsichtlich der Gerichtetheit der Beziehung stark unterscheiden. Bei den in Pilotstudie 1 verwendeten Paaren mit formIdent wurde im Unterschied zu den anderen Motivationspaaren immer eine Definition der Bedeutungen vorgegeben. Nachdem sich ausführliche Anweisungen für die Teilnehmer auch in den bereits durchgeführten Studien zur Motivierbarkeit (s. z.B. Marzo/ Rube/ Umbreit 2006; Umbreit 2010, 2011; Marzo 2013a; Marzo/ <?page no="118"?> 118 Umbreit einger.) als sinnvoll herausgestellt hatten, wurde die Aufgabenstellung ähnlich wie in Rube (2004) anhand eines Beispiels erklärt (s. Abb. 10). Wie in Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) wurden in Pilotstudie 1 drei Antwortmöglichkeiten vorgegeben, wobei im Falle einer Entscheidung für eine der beiden möglichen Ableitungsrichtungen aber wie in Rube (2004) zusätzlich eine Begründung verlangt wurde: einerseits, um von den Teilnehmern eine bewusste Bestätigung ihrer Auswahl zu erhalten, andererseits, um feststellen zu können, aufgrund welcher Kriterien entschieden wurde (s. auch Schütze 1996: 55). Vier Teilnehmer füllten den Fragebogen aus. Da es in diesem Fall nur darum ging, die Methode an sich zu prüfen, war diese geringe Zahl genauso wie die Tatsache, dass manche der Informanten linguistische Grundkenntnisse besaßen, akzeptabel. Testanweisung: Manche Wörter werden als von einem anderen abgeleitet empfunden. Z.B. könnte man sagen, dass sägen von Säge kommt (Säge -> sägen), weil sägen ‘eine Säge benutzen’ bedeutet. Nicht immer ist die Richtung der Ableitung eindeutig. Es findet sich nämlich auch die gegenläufige Meinung, dass Säge von sägen kommt (sägen -> Säge) und ‘Werkzeug, mit dem man sägt’, bedeutet. Es gibt hier also kein richtig oder falsch. Im Folgenden werden Dir mehrere Wortpaare vorgelegt. Bitte wähle jeweils zuerst aus, welche Ableitungsrichtung Du siehst. Beziehe dabei nicht nur die Formen der Wörter, sondern auch ihre Bedeutungen mit ein. Es ist auch möglich, dass Du Dich nicht entscheiden kannst. Hast Du eine bestimmte Richtung ausgewählt, so gib’ bitte eine kurze Begründung für Deine Entscheidung. Beispiel: A. sägen B. Säge □ A kommt von B, weil … X B kommt von A, weil … Säge ein Werkzeug ist, mit dem gesägt wird. □ Ich sehe keine bestimmte Richtung. 1. A. Angst B. ängstlich □ A kommt von B, weil … □ B kommt von A, weil … □ Ich sehe keine bestimmte Richtung. (…) Abb. 10: Pilotstudie 1 mit Testanweisung, Beispiel und Stimulipaar 1 <?page no="119"?> 119 Die Ergebnisse von Pilotstudie 1 sind recht vielversprechend, wenn auch weniger einheitlich als erwartet. 115 Es gab keinerlei Verständnisprobleme seitens der Befragten, sodass alle Antworten verwendet werden konnten. Auch die Paare mit formIdent wurden problemlos bearbeitet. Zwar trat allgemein auch hier der von Rube (2004: 78-79) beschriebene Widerspruch zwischen ausgewählter und begründeter Ableitungsrichtung auf, allerdings war dies nur bei fünf der insgesamt 80 Datenpunkte der Fall (= 6,3%), was als eine zulässige Menge erscheint. Allgemein zogen die Befragten eine Entscheidung für eine der beiden Ableitungsrichtungen gegenüber der dritten Antwortmöglichkeit vor. Weiterhin bestätigten sich bei ca. der Hälfte der aus Bergenholtz/ Mugdan (1979a, 1979b) übernommenen Wortpaare gerade nicht die Ergebnisse aus deren Umfrage. So war die einem Stimulipaar zugrunde liegende formale Relation weniger einflussreich auf die Entscheidung als gedacht. Entgegen der Annahme, dass das längere Wort immer als abgeleitet empfunden wird (s. Kap. 3.4.4), hat z.B. die Hälfte der Sprecher 116 bei a. zahlen b. bezahlen eine Richtung a ← b angesetzt, weil zahlen als Kurzform von bezahlen erschien. Zudem haben die Befragten ihre Entscheidung insgesamt häufiger semantisch begründet, was aber auch durchaus erwünscht und durch das vorgegebene Beispiel suggeriert worden war, um die von den Sprechern hergestellte semantische Relation feststellen zu können. Im Vergleich zur im Vorfeld angenommenen Gerichtetheit der Motivationspaare (s. Anhang 9.1), die sich auch auf die Ergebnisse von Bergenholtz/ Mugdan stützt, entstanden oft ganz andere Konstellationen aus Entscheidungen für eine der beiden Richtungen und für Unentscheidbarkeit. So gab es beim Wortpaar a. Sauberkeit b. sauber eine gleichmäßige Verteilung der Antworten auf die beiden Ableitungsrichtungen, obwohl aufgrund der formalen Diskrepanz eine eindeutige Entscheidung für a ← b erwartet worden war. Möglicherweise ist hierfür die ungerichtete Relation der semantischen Identität (semIdent) verantwortlich. Andererseits wies ein im Vorhinein als ungerichtet klassifiziertes Beispiel wie a. Ruhe - b. ruhen eine deutliche Bevorzugung der Richtung a → b auf (drei von vier Antworten, wobei die vierte Antwort auf Unentscheidbarkeit fällt). Diese und andere Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie die Introspektion des Linguisten und die Mehrheitsentscheidungen von Nicht-Linguisten divergieren können. Warum sich die Antwortverhältnisse von Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) nur bei ca. 50% der übernommenen Wortpaare bestätigten, kann aufgrund der geringen Teilnehmerzahl an der Pilotstudie nicht eindeutig erklärt werden. Denkbar ist, dass die Befragungsteilnehmer von Bergenholtz/ Mugdan durch die Erwartungen der Testentwickler beeinflusst waren 115 Auf eine detaillierte Darstellung aller Ergebnisse wird an dieser Stelle zugunsten der umfassenderen Studien zum Französischen und zum Italienischen verzichtet. Eine Übersicht über die verwendeten Stimuli ist in Anhang 9.1 zu finden. 116 Der Begriff Sprecher bezieht sich hier und im Folgenden sowohl auf männliche als auch auf weibliche Personen. <?page no="120"?> 120 und daher überwiegend formale Kriterien angewendet haben und/ oder dass die stärkere Einbeziehung der Semantik in den eigenen Pilotstudien zu den abweichenden Ergebnissen geführt hat. Eine zweite Pilotstudie umfasste zwei Fragebögen, die jeweils einheitliche formale Relationen aufwiesen: Fragebogen 2A enthielt ausschließlich V-N- Konversionspaare, Fragebogen 2B nur Suffigierungspaare. 117 Auch hier wurden einzelne Stimulipaare aus Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) verwendet. Mit den beiden Varianten sollte geprüft werden, ob sich die vermutete Tendenz zur Unidirektionalität der Suffigierungen und die vermutete Tendenz zur Bidirektionalität/ Unentscheidbarkeit der Konversionen klarer unterscheiden lassen. Beide Fragebögen umfassten zehn Stimulipaare ohne Bedeutungsangaben und wurden von je drei Sprechern ausgefüllt. Gegenüber der in Abb. 10 präsentierten Fragebogenkonzeption gab es nur eine Änderung, und zwar die Hinzufügung einer vierten Antwortmöglichkeit analog zum Fragebogen von Rube (2004): „Ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“. Diese zusätzliche Antwortmöglichkeit diente dazu, zu prüfen, ob die Sprecher zwischen motivierten und nicht-motivierten Wortpaaren unterscheiden können. Unterbleibt nämlich eine solche Prüfung, ist zu befürchten, dass auch diejenigen Sprecher für die Kategorie der unentschiedenen Antworten votieren, denen es nicht gelingt, eine Beziehung zwischen den beiden Motivationspartnern herzustellen. Tatsächlich sah keiner der Befragten bei den beiden Paaren ohne Bedeutungsbeziehung (wagen - der Wagen in Fragebogen 2A und Bettler - Bett in Fragebogen 2B) einen Zusammenhang. Aufgrund der zusätzlichen Antwortmöglichkeit wurde die dritte Option umformuliert in „Ich sehe einen Zusammenhang zwischen den Wörtern, aber keine bestimmte Richtung“. Auch hier mussten bei den beiden ersten Antworttypen wieder Begründungen gegeben werden. Beide Fragebögen produzierten im Wesentlichen gut verwertbare Resultate. In Fragebogen 2A manifestierte sich erneut häufig ein Widerspruch zwischen der gewählten Ableitungsrichtung und der Begründung (drei von 30 Datenpunkten, d.h. 10%), in Fragebogen 2B hingegen traten keine solchen Fälle auf. Wider Erwarten ergab Fragebogen 2A trotz der sich formal nur wenig unterscheidenden Konversionspaare keine erhöhte Anzahl an unentschiedenen Antworten hinsichtlich der Richtungsfrage. Vielmehr fand hier in nahezu allen Fällen eine Entscheidung für eine der beiden möglichen Richtungen statt: Meist wurde das Substantiv vom Verb abgeleitet, d.h. die Tätigkeit als Basis aufgefasst. Im Gegensatz dazu fanden sich in Fragebogen 2B, der nur 117 Als vorgegebenes Beispiel wurde hier nicht mehr A. Säge - B. sägen verwendet, sondern A. Bitterkeit - B. bitter, und es wurde bewusst eine Gerichtetheit entgegen der formalen Derivationsrichtung formuliert: „B kommt von A, weil … bitter ‘voller Bitterkeit’ bedeutet.“ <?page no="121"?> 121 Suffigierungspaare enthielt, deutlich mehr unentschiedene Antworten. Aufgrund der kleinen Sprechergruppen kann für die beiden Pilotstudien noch nicht entschieden werden, ob diese unerwarteten Resultate Ausdruck einer allgemeinen Tendenz sind, weniger formale als vielmehr semantische Charakteristika der Stimulipaare zu berücksichtigen, oder auf die individuellen Teilnehmer zurückgehen. Falls Ersteres der Fall ist, würde dies der in Kap. 3.4.4 formulierten Hypothese [3a] widersprechen. Fragebogen 2A zeigte die Notwendigkeit, bei allen Stimuli die Bedeutung festzulegen. So wurde das Unternehmen in Wortpaar 4 von einem Befragten im Sinne von ‘Firma’ verstanden, von einem anderen Teilnehmer als Nomen Actionis, also als ‘Tätigkeit des Unternehmens’, und ein (offensichtlich linguistisch informierter) Sprecher gab an, dass ein „Bedeutungswandel“ stattgefunden habe, sodass zu vermuten ist, dass auch er das Unternehmen als ‘Firma’ interpretiert hat. Wird aber ein Stimulus von den Befragten in unterschiedlichen Bedeutungen verstanden, ergeben sich verschiedene lexikalische Einheiten und damit mehrere Stimulipaare. Dadurch können die Ergebnisse dann nur noch für kleinere, weniger aussagekräftige Sprechergruppen generalisiert werden. Des Weiteren bestätigte die Analyse der Antworten aus beiden Fragebögen eine bereits in Rube (2004) festgestellte Tendenz der Sprecher, es sich bei den erbetenen Begründungen einfach zu machen und Analogien zu bereits bearbeiteten Stimulipaaren herzustellen: Sehr häufig wurde für ähnliche Stimulipaare dieselbe Ableitungsrichtung angenommen und bei den Begründungen dann entweder direkt auf eine bereits gegebene Begründung verwiesen oder es wurden Begründungsmuster aus dem vorgegebenen Beispiel oder von vorherigen ähnlichen Wortpaaren wieder verwendet. 118 Um derartige Antwortstrategien zu verhindern, erscheint es sinnvoll, die Stimulipaare in weiteren Studien bezüglich Wortarten, formaler sowie semantisch-kognitiver Relation zu variieren, anstatt homogene Fragebögen zu gestalten. 4.1.2 Die endgültigen Fragebögen Um die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Probleme zu vermeiden, wurde in den endgültigen Fragebögen auf die Abfrage homogener Stimuligruppen verzichtet. Die Fragebögen wurden also ähnlich wie in Pilotstudie 1 im Hinblick auf formale und semantisch-kognitive Relationen möglichst breit durchmischt. Alle Stimuli wurden mit einer Bedeutungsdefinition versehen. Auf die zusätzliche Illustrierung der Bedeutungen durch Beispielsätze wurde bei den Richtungstests aus mehreren Gründen verzichtet. Es hatte sich 118 So wurden freudig und traurig aus Fragebogen 2B beide als abgeleitet empfunden und - wahrscheinlich analog zum vorgegebenen Beispiel (s. Anm. 117) mit ‘voller Freude’ bzw. ‘voller Trauer’ paraphrasiert. Dummheit und Nervosität wurden beide als abgeleitet eingestuft und mit ‘dumm sein’ bzw. ‘nervös sein’ begründet. <?page no="122"?> 122 in Befragungen zur Motivierbarkeit (s. die Literaturangaben in Kap. 4.1.1) immer wieder gezeigt, dass die Teilnehmer die Beispielsätze anders als in der dazugehörigen Bedeutungsdefinition verstanden oder dass sie zu stark den gesamten Kontext des Beispiels in die Begründung ihrer Antwort einfließen ließen (s. auch Augst 1975: 207-208). Darüber hinaus sollte der Arbeits-, d.h. Leseaufwand, für die Teilnehmer in den Richtungstests etwas reduziert werden, nachdem sich zuvor durchgeführte Motivierbarkeitsstudien für einige Teilnehmer als zu komplex erwiesen hatten. Abb. 11: Französischer Internet-Fragebogen zur Ableitungsrichtung Die Teilnehmer wurden bei jedem Stimulipaar gefragt, ob sie eine Derivationsrichtung sehen, und wenn ja, welche. 119 Als Antwortmöglichkeiten wurden die vier Optionen der Pilotstudien 2A und 2B übernommen (s. Abb. 11 für das Französische), sodass auch die Motiviertheit der Stimulipaare überprüft werden konnte. Entsprechend wurde in jeden Fragebogen auch ein nicht-motiviertes Kontrollpaar eingebaut. Im Falle einer Entscheidung für 119 In den Fragebögen wurde von „Derivationsrichtung“ (fr. „direction de dérivation“, it. „direzione di derivazione“) gesprochen, um nicht den Begriff Motivation einführen zu müssen. Informelle Umfragen unter Muttersprachlern hatten ergeben, dass ersterer Begriff auch für Nicht-Linguisten verständlich war. Aus denselben Gründen wurden auch die Begriffe fr. „orientation“ (s. z.B. Tribout 2010) und it. „orientazione“ vermieden. <?page no="123"?> 123 eine der Ableitungsrichtungen musste nach wie vor eine Begründung gegeben werden. Auf eine Differenzierung des Sicherheitsgrades, mit dem eine Richtungsentscheidung gefällt wird, wie in Rube (2004), wurde verzichtet, da dies die Berechnung der Gerichtetheitsstärke unnötig verkompliziert hätte. Die Anweisung für die Teilnehmer wurde aus den Pilotstudien übernommen und in die jeweilige Untersuchungssprache übersetzt: Auf eine detaillierte Einleitung folgte ein Beispiel, das sowohl für das Französische als auch für das Italienische ein Konversionspaar enthielt, bei dem eine der Ableitungsrichtungen mittels einer semantischen Paraphrase begründet wurde (s. den Auszug aus der Anleitung für das Italienische in Abb. 12). Diese Art der Begründung hatte den Vorteil, auf alle Arten von Stimulipaaren übertragbar zu sein, während eine formale Begründung bspw. nicht auf ein Wortpaar mit formaler Identität (formIdent) hätte angewendet werden können. Ein Nachteil könnte allerdings sein, dass die Sprecher auf diese Weise besonders auf semantische Begründungen konditioniert wurden, obwohl dies nicht intendiert war. Im Unterschied zu Bergenholtz/ Mugdan (1979a, b) und zur ersten Pilotstudie wurde es vermieden, Wörter aus derselben Wortfamilie in mehr als einem Stimulipaar pro Fragebogen zu verwenden, um mögliche Einflüsse auf die Sprecher über die Stimuli hinweg auszuschließen. Ebenfalls zur Nivellierung möglicher Einflüsse wurden die Stimulipaare randomisiert dargeboten. Bei der Präsentation der nebeneinander angeordneten Motivationspartner (s. Abb. 11) wurde eine größtmögliche Ausgeglichenheit im Hinblick auf die Abfolge der beteiligten Wortarten und auf die vermutete Ableitungsrichtung angestrebt. So wurden bspw. die V-N-Paare gleich häufig in der Reihenfolge Wort a: V - Wort b: N und in der Reihenfolge Wort a: N - Wort b: V angeordnet und es wurde mal der vermutlich abgeleitete, mal der vermutlich nicht abgeleitete Motivationspartner zuerst genannt, um zu verhindern, dass immer dieselbe Ableitungsrichtung plausibel erschien. Mit Ausnahme von Fragebogen F1 und den vorgegebenen Beispielen wurden Substantive mit dem bestimmten Artikel in Klammern angegeben, um eventuelle Wortartverwechslungen zu verhindern. <?page no="124"?> 124 Abb. 12: Auszug aus der Einleitung zum italienischen Richtungstest Jeder Fragebogen enthielt 25 Stimulipaare, was einem Zeitaufwand von ca. 30 Minuten für die Teilnehmer entsprach. Pro Sprache wurden 75 Motivationspaare, also drei Fragebögen, untersucht - eine Menge, die eine ausreichend große Zahl an Stimulipaaren mit jeweils derselben Parameterkombination garantieren sollte. Bezüglich der Teilnehmeranzahl war es das Ziel, für jeden der drei Fragebögen pro Sprache 25 bis 30 Teilnehmer mit verwertbaren Antworten zu gewinnen - eine Anzahl, die bisherigen Erfahrungen zufolge (Fill 1981: 217, Dörnyei 2010: 62) stabile Ergebnisse liefert. Teilnahmebedingung war zunächst nur die Muttersprachlichkeit der Informanten und eine spontane, d.h. ohne Hilfsmittel wie Wörterbücher auskommende, Bearbeitung des Fragebogens. Informanten, bei denen sich im Nachhinein herausstellte, dass sie diese Kriterien nicht erfüllten, wurden nachträglich von der Auswertung ausgeschlossen (s. Kap. 4.3.1). Selbstverständlich sind die so gewonnenen Teilnehmergruppen nicht repräsentativ für die französische oder italienische Gesamtbevölkerung. Dies wird hier auch gar nicht angestrebt. Die Fragebögen wurden mittels PHP-Skripten ins Internet gestellt, sodass sie für die französischen und italienischen Befragungsteilnehmer unaufwendig verfügbar waren. Zwar war dadurch keinerlei Kontrolle über die Vorgehensweise der Sprecher beim Ausfüllen möglich, es wurden aber für jeden Fragebogen so viele Teilnehmer gesammelt, dass solche, deren Antworten qualitativ unzureichend waren, im Nachhinein aus der Auswertung ausgeschlossen werden konnten. 120 Zur Steigerung der Teilnahmebereitschaft wurden unter jeweils 30 Informanten 50 Euro oder ein Buchgutschein in diesem 120 Zu weiteren Vor- und Nachteilen von internetgestützten Befragungen s. Reips (2002) und Dörnyei (²2010: 71-72). <?page no="125"?> 125 Wert verlost. Am Ende des Fragebogens wurden die Teilnehmer um einige demographische Angaben wie Alter, Geburts- und Wohnort, Beruf, Muttersprache, Fremdsprachenkenntnisse und Hobbys gebeten. Diese Angaben waren freiwillig. Sie sollten sowohl bestätigen, dass die Teilnehmer Muttersprachler waren, als auch deren soziokulturellen Hintergrund erhellen und ggf. besonders auffällige Antworten erklärbar machen, die z.B. durch den Beruf, die Sprachkenntnisse oder die Freizeitbeschäftigungen des oder der Befragten veranlasst worden sein könnten. Alle Fragebögen wurden zwischen Dezember 2007 und Dezember 2008 ausgefüllt. 4.2 Auswahl des Sprachmaterials Zum Zwecke eines umfassenden Überblicks über die verwendeten Stimulipaare wird zunächst die allgemeine Verteilung des Sprachmaterials auf die verschiedenen formalen und semantisch-kognitiven Relationen dargestellt (4.2.1). Es folgt die Beschreibung der Quellen für die einzelnen Wortformen und Bedeutungen (4.2.2). Schließlich wird die Festlegung einer vermuteten Ableitungsrichtung erläutert (4.2.3). 4.2.1 Aufbau des Untersuchungskorpus Um die in Kap. 3.4.4 dargelegten Hypothesen überprüfen zu können, wurden die Schwerpunkte der Sprecherbefragung zur Ableitungsrichtung formal gesehen auf die Affigierungen, die Konversionen und formIdent gelegt, sodass sich das Untersuchungskorpus aus formal stark divergierenden, nur geringfügig divergierenden und formal identischen Wortpaaren zusammensetzt und so die Hypothesen [1] zur Motiviertheit und [3] und [4] zur Ableitungsrichtung überprüft werden können. 121 Dabei wurden bewusst echte und unechte Ableitungsverhältnisse gemischt, da lexikalische Motivation ja gerade auch Beziehungen zwischen Wortfamilienmitgliedern umfasst, die nicht direkt voneinander abgeleitet wurden (s. Kap. 1). Darüber hinaus lässt sich so prüfen, ob die formale und semantische Kompositionalität wie in den Hypothesen [1] und [2] vermutet für die Motiviertheit (und ggf. auch für die Gerichtetheit) eine Rolle spielt, d.h. ob die Fragebogenteilnehmer Stimulipaare, 121 Bei den Affigierungen und Konversionen wurden Wortpaare mit Stammalternanzen möglichst vermieden, da Allomorphie die Motiviertheit oder sogar die Gerichtetheit der Beziehung einschränken könnte (Rettig 1981: 166, Dressler 1987: 102-103, Koch 2001a: 1162-1164,). Ausnahmen sind fr. a. mensuel - b. (le) mois (F1-5), das aber im Nachhinein von der Auswertung ausgeschlossen wurde, und fr. a. vieux - b. vieillir (F3-20, s. dazu die Ergebnisdiskussion in Kap. 6). Die hier verwendeten Kürzel des Typs F1-5 dienen der Identifikation der Stimulipaare, zu denen die vollständigen Informationen in den Anhängen 9.2 bis 9.4 zu finden sind. <?page no="126"?> 126 die nicht auf einem direkten Ableitungsverhältnis beruhen, seltener als motiviert (und gerichtet) bewerten. 122 Was die Bedeutungen angeht, beschränken sich die Stimulipaare im Wesentlichen auf die drei semantisch-kognitiven Relationen semantische Identität (semIdent), Kontiguität (Kont) und metaphorische Similarität (metSim), die sich vermutlich hinsichtlich ihrer Motiviertheit und Direktionalität unterscheiden und somit in Kombination mit den drei formalen Gruppen, wie in den Hypothesen [2] und [5] formuliert, unterschiedliche Motiviertheitsgrade und Gerichtetheitsstärken vermuten lassen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den viel diskutierten V-N-Konversionen, bei denen die Ableitungsrichtung des fehlenden formalen Komplexitätsunterschieds wegen besonders schwer zu bestimmen ist. Liegt semIdent vor, sind beide Ableitungsrichtungen denkbar, bei Kont hingegen könnte sich die Bevorzugung einer bestimmten Richtung ergeben, z.B. V → N, wenn das Substantiv das Resultat des durch das Verb ausgedrückten Vorgangs beschreibt (s. auch Rube 2004: 79 und Kap. 4.3.5). Die Gruppe der V-N-Stammkonversionen macht in beiden Sprachen fast die Hälfte der Stimulipaare aus. Wortkonversionen wie z.B. fr. a. savoir V - b. savoir N wurden nur im Französischen untersucht. Die Affigierungen und formIdent stellen jeweils ca. ein Viertel der Stimulipaare dar. In semantisch-kognitiver Hinsicht dominiert die Kont-Relation, während sem- Ident weniger häufig und metSim deutlich weniger häufig vertreten sind. Diese Verteilung der semantisch-kognitiven Relationen spiegelt anzunehmenderweise die quantitativen Verhältnisse im Gesamtwortschatz der hier untersuchten Sprachen wider (s. z.B. Koch/ Marzo 2007: 280, 281 zum Französischen). Bei den im Fokus stehenden V-N-Stammkonversionen sind Kont und semIdent aber ungefähr gleichhäufig vertreten. Bezüglich des Bedeutungszusammenhangs ergab die Auswertung der Sprecherantworten bei der Mehrheit der Stimulipaare jedoch auch andere semantisch-kognitive Relationen als die ursprünglich angenommenen. 123 Da bei den meisten Motivationspaaren mehrere Motivationszusammenhänge hergestellt werden können (s. z.B. Marzo/ Umbreit einger.: 4, 17-19), ist dies nichts Unerwartetes, sondern zeigt noch einmal, dass die wahrgenommene semantisch-kognitive Relation genau wie die anderen Motivationsparameter subjektiv ist. 122 Als Beispiele seien hier a. départ - b. partir (F1-3) für fehlende formale und a. (il) colpo ‘percossa, urto’ - b. colpire ‘impressionare, meravigliare’ (I2-5) für fehlende semantische Kompositionalität angeführt. Im ersten Fall liegt diachronisch betrachtet keine Präfigierung vor, da départ laut PR von afr. départir ‘aufbrechen, weggehen‘ abgeleitet ist. Bei (il) colpo - colpire besteht gleichzeitig ein Wechsel der Wortart und ein metSim-basierter Transfer. 123 Alle Originaldaten inkl. Sprecherantworten können unter http: / / www.narr-shop. de/ zur-direktionalitat-der-lexikalischen-motivation.html eingesehen werden. <?page no="127"?> 127 Das Vorkommen einiger Stimulipaare, die andere semantisch-kognitive Relationen wie konzeptuellen Kontrast, taxonomische Super- oder Subordination (taxSuperSub) oder kotaxonomische Similarität (kotaxSim) aufweisen, ist dadurch zu erklären, dass im ersten Fragebogen (F1) noch eine etwas andere Strategie verfolgt wurde. Hier wurde eine größere Bandbreite an Kombinationen aus formalen und semantisch-kognitiven Relationen verwendet, um zu verhindern, dass die Sprecher - wie in den Pilotstudien 2A und 2B und auch in Rube (2004) geschehen - die Homogenität der Stimuligruppen erkennen und im Verlauf des Fragebogens nur noch in Analogie zu vorhergehenden Wortpaaren über die Ableitungsrichtung entscheiden bzw. die Richtungsauswahl begründen. Da sich dadurch aber zahlreiche Einzelpaare ergaben, deren formal-semantische Kombination quantitativ zu selten vorkam, um Verallgemeinerungen in Bezug auf Motiviertheit und Direktionalität zuzulassen, wurde in den beiden folgenden französischen und vor allem in den drei italienischen Fragebögen auf diese „Füllerpaare“ mit Ausnahme einiger weniger Gruppen, wie z.B. die Adj.-V-Stammkonversionen, verzichtet und stattdessen vermehrt auf V-N-Stammkonversionen auf der Basis von semIdent und Kont zurückgegriffen. Solche Füllerpaare werden in der Ergebnisdarstellung zwar aufgeführt, Schlussfolgerungen zur grundsätzlichen Motiviertheit und Gerichtetheit der jeweiligen Kombination werden aber nur sehr eingeschränkt gezogen. Sprecherantworten, die ausschließlich Analogien zu anderen Stimulipaaren herstellen, kommen nun nur vereinzelt vor. Hinsichtlich der beteiligten Wortarten beschränkt sich die Untersuchung auf Substantive, Verben und Adjektive. Die größte Gruppe der in den Fragebögen vorkommenden Wortarten stellen die Substantive dar, gefolgt von den Verben und mit deutlichem Abstand den Adjektiven. Auch dies dürfte in etwa die Verteilung der drei Wortarten im Gesamtwortschatz der beiden Sprachen widerspiegeln (s. z.B. Aitchison 2003: 105, 113; Mihatsch 2006: 10). Die (vermutlich) nicht-motivierten Kontrollpaare wurden so gewählt, dass sie formal eine Pseudosuffigierung (f. chant - chant(-)ier, it. cantare - (il) cant(-)iere) oder Pseudokonversion (fr. sal(-)e - sal(-)er) darstellen, aber nicht auf einer nachvollziehbaren semantisch-kognitiven Relation beruhen. 124 Es ist zu erwarten, dass die Sprecher hier im Gegensatz zu allen anderen Stimulipaaren mehrheitlich keinen Zusammenhang zwischen den vorgegebenen Wörtern sehen. Im Einzelnen verteilen sich die Stimulipaare in den beiden Sprachen auf die in den Tab. 5 und 6 aufgeführten Kombinationen (s. auch die Übersichtstabellen im Anhang 9.2): 124 Dennoch gelang es einzelnen Fragebogenteilnehmern, einen semantischen Zusammenhang herzustellen, etwa bei fr. a. sale - b. saler (F3-25) über die „couleur grise du sel“ (Sprecher 419). <?page no="128"?> 128 Französisch Tab. 5: Übersicht über die Verteilung der französischen Stimulipaare auf formale und semantisch-kognitive Relationen sem- Ident Kont met- Sim Kontrast taxSuperSub kotax- Sim Summe formale Identität 8 6 3 1 18 Stammkonversion V-N 14 17 31 Stammkonversion V-Adj. 2 2 Stammkonversion Adj.-N 1 1 2 Wortkonversion V-N 3 3 Präfigierung 1 1 2 1 5 Suffigierung 6 5 11 Summe 22 36 7 2 4 1 75 (einschl. der 3 nichtmotivierten Kontrollpaare) <?page no="129"?> 129 Italienisch Tab. 6: Übersicht über die Verteilung der italienischen Stimulipaare auf formale und semantisch-kognitive Relationen 4.2.2 Auswahl von Wortformen und Bedeutungen Die Grundidee bei der Stimuliauswahl war, weitgehend das Sprachmaterial aus dem Wortpool für die Informantenbefragungen des Projekts B6 zu verwenden (s. Anm. 23 in Kap. 1.2), um für dieselben Stimuli möglichst umfassende Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu erhalten, z.B. über die Salienz unterschiedlicher Bedeutungen, über die Motivierbarkeit einzelner Stimuli sowie über die Motiviertheit und die Gerichtetheitsstärke von Motivationspaaren. Daher wurde für die Materialauswahl soweit wie möglich auf die im Projekt verwendeten Quellen zurückgegriffen, d.h. auf die sog. Tübinger Polysemiedatenbank und die ihr zugrunde liegenden Frequenzlisten. Die Datenbank enthält je 400 französische und italienische Wortformen, deren verschiedene Bedeutungen mit Hilfe einer Produktionsaufgabe (dem sog. Sentence Generation & Definition Task, abgekürzt SG&DT) ermittelt wurden. sem- Ident Kont met- Sim Kontrast taxSuperSub kotax- Sim Summe formale Identität 8 8 16 Stammkonversion V-N 14 16 1 31 Stammkonversion V-Adj. 1 3 4 Präfigierung 5 1 6 Suffigierung 6 9 15 Summe 21 41 10 75 (einschl. der 3 nichtmotivierten Kontrollpaare) <?page no="130"?> 130 Die Teilnehmer dieses Experiments sollten zu allen Bedeutungen einer vorgegebenen Wortform, die ihnen einfielen, einen Beispielsatz formulieren und eine Definition oder Paraphrase geben (zu ausführlichen Informationen s. Marzo et al. 2007, Marzo/ Umbreit 2008, Marzo 2013a: 121-126). Die Wortformen entsprechen unterschiedlichen Tranchen, die eigens erstellten Frequenzlisten entnommen wurden. Bei letzteren handelt es sich um Auflistungen aller lexikalischen Wörter 125 aus den Frequenzwörterbüchern von Juilland et al. (1970) für das Französische und Juilland/ Traversa (1973) für das Italienische. 126 Den Einträgen in den Wörterbüchern sind außer zur Homonymie- und bisweilen Polysemiedifferenzierung keine Bedeutungen zugeordnet, weshalb diese mit Hilfe des SG&DT ermittelt wurden. Weder die Einheiten aus der Polysemiedatenbank noch die umfangreicheren Frequenzlisten reichten jedoch aus, um genügend Stimuli für die Fragebögen zur Ableitungsrichtung zu finden, die die verschiedenen Parameterkombinationen abgedeckt sowie eine gleichmäßige Verteilung garantiert hätten. Aus diesem Grund wurden noch weitere, in einsprachigen Wörterbüchern überprüfte Motivationspartner hinzugefügt. Bei den Stimuli, die aus der Tübinger Polysemiedatenbank kommen, konnte auf die von den Informanten differenzierten Bedeutungen zurückgegriffen werden, denen unterschiedliche Salienzen entsprechen. 127 Für die Verwendung der Wortformen in den Richtungstests wurde üblicherweise die salienteste Bedeutung (S1) ausgewählt, d.h. diejenige, die von den Informanten am häufigsten genannt wurde. Im Fall von formIdent wurden meist die salienteste und die zweitsalienteste (S2) Bedeutung für die Motivationspartner herangezogen. Bedeutungen mit geringeren Salienzen wurden bisweilen ausgewählt, um bestimmte semantisch-kognitive Relationen zum Motivationspartner abzudecken, oder wenn sich ansonsten eine nicht eindeutige Relation zum Motivationspartner ergeben hätte. 128 Aus denselben Gründen wurden 125 Unter lexikalischen Wörtern sind die Autosemantika zu verstehen, d.h. Substantive, Verben, Adjektive und bestimmte Adverbien. 126 Der Grund für die Verwendung dieser älteren Frequenzwörterbücher liegt darin, dass sie aufgrund gleicher Erstellungskriterien einen direkten Vergleich der beiden Sprachen Französisch und Italienisch ermöglichen. 127 Die Klassifizierung dieser Bedeutungen basierte auf der Annahme, dass die Anzahl der Nennungen einer Bedeutung durch verschiedene Sprecher ihrer Salienz entspricht: Gemäß Langackers „ease of activation“ (1991: 45, 159) handelt es sich dabei um die Bedeutungen, die die Sprecher am leichtesten aktivieren konnten. Folglich steigt die Salienz einer Bedeutung, je mehr Sprecher sie in einem Beispielsatz nennen (Marzo et al. 2007; Marzo/ Umbreit 2008; Marzo 2013a: 124; Marzo/ Umbreit einger.: 6, 8). 128 Bspw. wäre es für die Teilnehmer der Richtungstests schwieriger gewesen, fr. écarter in der salientesten Bedeutung ‘ausbreiten, spreizen # Arme, Beine’ (# steht hier für „im Kontext von“) mit dem Substantiv écart ‘distance qui sépare deux choses’ in Verbindung zu bringen, als in der Bedeutung mit S2 ‘auseinanderstellen, -schieben, -rücken’ (ins Französische übersetzt als ‘mettre des choses à quelque distance les unes des autres’). <?page no="131"?> 131 gelegentlich auch von den Sprechern im SG&DT unterschiedene Bedeutungen wieder zusammengefasst. Grundsätzlich wurde darauf geachtet, möglichst eindeutige und verständliche Paraphrasen zu formulieren, was auch unter Zuhilfenahme der von den Sprechern selbst formulierten Paraphrasen geschah. Bei den Wörtern, die nicht aus der Polysemiedatenbank, sondern aus den Frequenzlisten stammen, oder die frei hinzugefügt wurden, lagen im Vorfeld keine Bedeutungsangaben vor, auf die man hätte zurückgreifen können. Für diese Gruppe dienten einsprachige Wörterbücher als Quelle, wobei darauf geachtet wurde, möglichst zentrale Bedeutungen auszuwählen, von denen angenommen werden konnte, dass sie den Sprechern vertraut waren. Als „veraltet“ oder „selten“ gekennzeichnete Bedeutungen wurden vermieden. Pro Sprache wurden jeweils zwei Wörterbücher benutzt (der PR électronique 1994 und der TLF informatisé für das Französische, der ZI 12 1999 und De Mauro 2000 für das Italienische) und daraus die auf die gewünschte semantisch-kognitive Relation passende Definition für jede lexikalische Einheit ausgewählt. Häufig wurden diese oft sehr komplexen Definitionen noch vereinfacht oder leicht umformuliert, um sicherzustellen, dass sie für die Teilnehmer verständlich waren. Weiterhin wurden die Paraphrasen der beiden Motivationspartner so weit wie möglich unabhängig voneinander formuliert, um den Teilnehmern nicht von vornherein eine Ableitungsrichtung zu suggerieren. Wie sich bei der Auswertung herausstellte, kann dennoch eine derartige Beeinflussung nicht immer gänzlich ausgeschlossen werden (s. dazu ausführlich Kap. 4.3.2). Aus den oben beschriebenen Gründen waren Frequenz- und Salienzangaben nicht für alle Stimuli verfügbar. Die zugrunde gelegten Hypothesen zur Motiviertheit und zur Direktionalität stützen sich aber ohnehin auf andere Parameter (s. Kap. 3.3.2 und 3.4.4). Angesichts der Tatsache, dass die Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen im Rahmen dieser Arbeit in zwei Sprachen untersucht wird, bietet sich ein direkter Vergleich zwischen dem Französischen und dem Italienischen an. Aus diesem Grund hat ein Teil der Stimulipaare eine sowohl formale als auch semantische Entsprechung 129 in der jeweils anderen Sprache, vgl. fr. a. grand 129 Mit „formaler Entsprechung“ ist hier keine graphisch-phonetische Identität der Form gemeint, sondern eine Gleichheit bezüglich des lateinischen Etymons sowie des den Wörtern zugrunde liegenden Wortbildungsverfahrens (Suffigierung, Konversion, Komposition etc.), sodass auch eine morphologische Übereinstimmung besteht. „Semantische Entsprechung“ ist so zu verstehen, dass die beiden Bedeutungen auf dasselbe Konzept verweisen, nicht aber, dass die Definitionen vollkommen identisch formuliert sein müssen. Die oft divergierenden Paraphrasen sind den unterschiedlichen Quellen geschuldet, die als Grundlage dienten. Mit Ausnahme der entsprechend gekennzeichneten Stimuli (s. Anhang 9.2) wird davon ausgegangen, dass auch bei abweichenden Formulierungen auf ein- und dasselbe Konzept referiert wird. Zum Problem der Bedeutungsäquivalenz allgemein s. auch Schaeder (1990b). <?page no="132"?> 132 ‘de haute taille’ - b. grand ‘important, célèbre’ (F1-19) und it. a. grande ‘superiore alla misura ordinaria in quanto alle dimensioni’ - b. grande ‘importante, famoso’ (I1-19). Solche formal-semantische Entsprechungen in mehreren (nicht notwendigerweise verwandten) Sprachen sind in synchronischen Ansätzen unter dem von Schaeder (1990a: 43) geprägten Begriff Interlexeme bekannt. Volmert (1990: 53) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „[i]m allgemeinen […] nur bestimmte Bedeutungen (Sememe) eines Lexems der einen Sprache mit bestimmten Bedeutungen des Vergleichlexems in einer anderen Sprache [koinzidieren]“. 130 Die Entsprechung liegt also auf der Ebene der lexikalischen Einheiten. Folglich können Motivationspaare, deren zwei lexikalische Einheiten jeweils ein Interlexem in der anderen Sprache aufweisen, als Interlexempaare bezeichnet werden. 131 Wenn auch eine Menge von zehn Stimulipaaren 132 zu gering ist, um allgemeingültige Aussagen bezüglich einzelsprachlicher Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu treffen, können mit dieser Terminologie doch immer wieder leicht parallele Paare vergleichend betrachtet werden. Abb. 13 veranschaulicht das Verhältnis zwischen den hier verwendeten Termini: 130 Weitere Aspekte des Terminus Interlexem sind u.a. in Braun/ Schaeder/ Volmert (1990) und Meißner (1993) zu finden. 131 Zwar sind die hier als Interlexeme betitelten Stimuli alle auch Kognaten, da dieser Begriff aber diachronisch-etymologischer Herkunft ist (s. Lass 1996: 123-139, Schendl 2001: 17 und die Beiträge in Mihatsch/ Steinberg 2004), erscheint ersterer Terminus vor dem Hintergrund einer synchronisch konzipierten Arbeit adäquater. 132 Ursprünglich betrug die Anzahl der Interlexempaare 13, drei Paare entfielen aber durch den nachträglichen Ausschluss von Motivationspaaren (s. dazu Kap. 4.3.1). Die verbleibenden Interlexempaare haben die Kurz-IDs F1-18/ I1-18, F1-19/ I1-19, F1-20/ I1-20, F1- 22/ I1-22, F1-24/ I1-25, F2-15/ I2-15, F2-18/ I2-18, F3-9/ I3-8, F3-17/ I3-17 und F3-22/ I3-22. Vollständige Informationen zu den einzelnen Stimulipaaren finden sich in den Anhängen 9.2 und 9.4. <?page no="133"?> 133 lexikal. Einheit lexikal. Einheit fr. Motivationspaar fr. (formIdent, metSim) Interlexeme Interlexeme it Motivationspaar it. (formIdent, metSim) lexikal. Einheit lexikal. Einheit Interlexempaar Abb. 13: Übersicht über die Termini Motivationspaar, Interlexeme und Interlexempaar. Die rechteckigen Kästen stellen lexikalische Einheiten dar. 4.2.3 Die vermutete Ableitungsrichtung Zwar soll die endgültige Beurteilung der Gerichtetheit ausschließlich den nicht linguistisch gebildeten Muttersprachlern vorbehalten bleiben, bei der Vorbereitung des Sprachmaterials mussten aber bereits Vermutungen über die dominierende synchronische Ableitungsrichtung angestellt werden, um die Hypothesen empirisch überprüfen zu können. Diese Annahmen trugen auch zu einer annähernd ausgeglichenen Verteilung der Stimulipaare auf die beiden jeweils möglichen Ableitungsrichtungen insgesamt und bei der Abfolge der Motivationspartner im Fragebogen selbst bei. Weiterhin kann der Vergleich der linguistischen Kriterien und der Mehrheitsentscheidung der Sprechergruppe interessante Einsichten darüber bieten, wann Linguisten und Laien zu denselben und wann zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangen. Die Annahmen über eine dominierende Ableitungsrichtung beruhen einerseits auf den Hypothesen zur Gerichtetheitsstärke, andererseits auf den üblicherweise angewendeten Hilfskriterien zur Richtungsbestimmung, sofern diese zu eindeutigen Entscheidungen führten. Da sich hieraus aber nicht immer eine eindeutige Gerichtetheit ergab, wurde in vielen Fällen von vorngrand ‘de haute taille’ grand ‘important, célèbre’ grande ‘superiore alla misura ordinaria in quanto alle dimensioni’ grande ‘importante, famoso’ <?page no="134"?> 134 herein Bidirektionalität bzw. Unentscheidbarkeit angenommen. In Übereinstimmung mit Hypothese [3] wurde die formale Relation als am wichtigsten erachtet und daher bei den Affigierungen grundsätzlich der formal komplexere Motivationspartner als abgeleitet betrachtet. Bei den drei französischen Wortkonversionen wurden aufgrund der wortinternen Gebildetheit, erkennbar durch das im Substantiv enthaltene Infinitivmorphem, die Substantive als abgeleitet betrachtet. Die wortinterne Gebildetheit liegt auch einigen Richtungsentscheidungen bei den Stammkonversionen 133 und einer formIdent- Relation zugrunde: Bspw. gilt für fr. a. mélanger - b. (le) mélange (F3-12) aus linguistischer Sicht die Richtung N → V, weil mélange bereits mittels -ange von mêler abgeleitet ist. Auch wenn eine synchronische formale Transparenz zweifelhaft ist, wie z.B. bei fr. a. questionner - b. (la) question (F3-2), wurde die Präsenz von (Pseudo-)Affixen (hier -(i)on) ebenfalls zur wortinternen Gebildetheit gezählt, da es sein könnte, dass die Sprecher diese Elemente einer bestimmten Wortart zuordnen (s. Marchand 1964: 16). 134 Bei dem formIdent- Paar it. pubblicazione (I3-18) ergibt sich eine anzunehmende Richtung aus dem Zusammenwirken von wortinterner Gebildetheit und Semantik: Das Suffix - (z)ione bildet primär Nomina Actionis, die Einheit mit der Resultatsbedeutung muss also abgeleitet sein. 135 Auch bei der französischen Adj.-N-Stammkonversion a. extérieur - b. (l‘)extérieur (F1-16) wurde das Substantiv aufgrund seiner inneren Gebildetheit als abgeleitet eingestuft: Zwar ist fr. -eur in erster Linie ein deverbales substantivbildendes Suffix, kann aber im gelehrten Paradigma fr. extérieur - extériorité, antérieur - antériorité etc. (vgl. Dubois/ Dubois- Charlier 1999: 223, Schpak-Dolt 2 2006: 100) als adjektivbildend betrachtet werden, sodass - vorausgesetzt, dass die Befragungsteilnehmer über die entsprechende Kenntnis des gelehrten Wortschatzes verfügen - bei F1-16 das Adjektiv als Basis der Ableitung näher liegen sollte. Bei den Adj.-V-Paaren wurde immer die Richtung Adj. → V angesetzt, weil die umgekehrte Richtung der Wortbildungsliteratur zufolge in den romanischen Sprachen nicht existiert (s. Anm. 69 in Kap. 2.2.3.3). Was die semantisch-kognitive Relation angeht, wurde nur bei metSim aufgrund der vermuteten starken Neigung zur Unidirektionalität (s. Hypothese 133 Für das Französische orientieren sich die Annahmen bezüglich der Ableitungsrichtung am Korpus von Delphine Tribout, das unter http: / / www.llf.cnrs.fr/ Gens/ Tribout / corpus/ corpus-oriente.html eingesehen werden kann. 134 Die wortinterne Gebildetheit wurde jedoch nicht als Kriterium verwendet, wenn beide Motivationspartner mit demselben Affix gebildet sein können (z.B. a. (il) con-fine - b. confinare, I2-13). It. soin a. (il) soggiorno - b. soggiornare (I3-3) wurde nicht als Präfix behandelt, da es laut (Iacobini 2004: 134) nicht nur nicht produktiv, sondern auch „difficilmente identificabile, o non identificabile, per il parlante comune“ ist. 135 Obwohl -(z)ione auch in it. riparazione (I3-17) bzw. als -ation auch im französischen Interlexempaar réparation (F3-17) vorhanden ist, ergibt sich bei diesen Paaren keine eindeutige Ableitungsrichtung, da beide Motivationspartner als Nomina Actionis verstanden werden können. <?page no="135"?> 135 [5]) eine Ableitungsrichtung angenommen. Alle anderen semantisch-kognitiven Relationen wurden gemäß Hypothese [5] als bidirektional bzw. unentscheidbar eingestuft, auch wenn das insbesondere für Kont nicht einheitlich gelten muss. Es wird sich zeigen, ob in den potenziell bidirektionalen Fällen auch die Teilnehmerantworten mehrheitlich für Bidirektionalität/ Unentscheidbarkeit sprechen oder ob in einigen dieser Fälle enzyklopädisches Wissen herangezogen wird. Abschließend soll noch einmal betont werden, dass die Vermutungen über die jeweils dominierende Ableitungsrichtung vorläufigen Charakter haben. Die Kategorisierung des gesamten Sprachmaterials im Hinblick auf die vermutete Ableitungsrichtung findet sich in Anhang 9.2. 4.3 Auswertung der Sprecherbefragung Für die Auswertung der erhobenen Sprachdaten war zunächst eine Erhebung über den Hintergrund der Sprecher und ggf. ein Ausschluss aus der Gruppe der verwerteten Informanten erforderlich (4.3.1). Ebenso mussten einige Stimulipaare aus verschiedenen Gründen im Nachhinein von der Auswertung ausgeschlossen werden (4.3.2). Daran anschließend wird die genaue Vorgehensweise bei der Interpretation der Daten dargestellt (4.3.3.) und beschrieben, welche Begründungsarten die Sprecher verwendet haben und wie die den Antworten zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relationen festgestellt wurden (4.3.4). Eine besondere Behandlung erfordern auch unerwartet aufgetretene Verschiebungen bei den Substantivlesarten in den Fragebögen (4.3.5). 4.3.1 Bereinigung und Profil der Sprecher Für jeden Fragebogen wurden etwas mehr Teilnehmer als die angestrebten 30 gesammelt (s. Kap. 4.1.2), da an Internet-Befragungen wie den hier beschriebenen immer wieder Sprecher teilnehmen, deren Antworten aus verschiedenen Gründen nicht verwertbar sind. Ein Bereinigungsdurchgang diente dazu, diejenigen nachträglich von der Auswertung auszuschließen, die die Aufgabenstellung nicht oder falsch verstanden, überwiegend Scherzantworten gegeben, im Lauf der Befragung auf Begründungen für ihre Entscheidungen verzichtet hatten oder bei denen zu viele Antworten nicht gewertet werden konnten, weil sie bspw. die Bedeutungsdefinitionen der Stimuli nicht richtig erfasst hatten (s.u.). Auch Teilnehmer, bei denen die Überprüfung der demographischen Angaben zeigte, dass ihre Muttersprache nicht mit der Untersuchungssprache übereinstimmte, wurden nicht zugelassen. Informanten, die neben der Untersuchungsnoch eine weitere Muttersprache angegeben hatten, wurden hingegen akzeptiert. Bei drei Fragebögen blieben auch nach dem Ausschluss solcher „schwarzen Schafe“ noch mehr als 30 Teilnehmer übrig, <?page no="136"?> 136 die alle in die Wertung einbezogen wurden (siehe Tab. 7), da es nicht notwendig war, für jeden Fragebogen die gleiche Zahl an Antworten zu haben. Bei den Fragebögen F3 und I1 fanden sich erst bei der Auswertung noch problematische Informanten, die nachträglich ausgeschlossen werden mussten, weil sie sich als Nicht-Muttersprachler erwiesen oder denselben Fragebogen zweimal ausgefüllt hatten. Somit beträgt die Gesamtzahl der verwertbaren Teilnehmer bei Fragebogen F3 nur 27. Tab. 7: Teilnehmerzahlen für die verschiedenen Fragebögen Ferner mussten einzelne Antworten der Fragebogenteilnehmer von der Wertung ausgeschlossen werden. Dies geschah beispielsweise, wenn aus der Begründung für die Richtungsentscheidung hervorging, dass der Sprecher offensichtlich oder mit großer Wahrscheinlichkeit einen der Motivationspartner in einer anderen als der vorgegebenen Bedeutung verstanden hatte, 136 wenn seine Begründung so widersinnig war, dass die gesamte Antwort in Verbindung mit der gewählten Ableitungsrichtung keinen Sinn ergab, 137 oder wenn die Begründung keinerlei Zusammenhang zwischen den Stimuli herstellte. 138 Solche Antworten sind in den Originaldaten (s. unter http: / / www.narrshop.de/ zur-direktionalitat-der-lexikalischen-motivation.html) als FALSCHER STIMULUS bzw. als VÖLLIG UNKLAR markiert, in der Spalte „Richtung Bearbeiter“ und bei der Ergebniszählung ist „0“ angezeigt. 136 So hatte Informant 141 beim Stimulipaar F2-11 (fr. a. border ‘garnir d‘un contour ou d‘une limite’ - b. (le) bord ‘contour, limite’) border in der Bedeutung ‘an etw. entlangführen, etw. umgeben’ gebraucht: „border cest longer le bord de quelque chose“. Die Begründungen der jeweiligen Sprecher werden hier und im Folgenden unkorrigiert übernommen. Alle Orthographie- und Interpunktionsfehler stammen also aus den Originalantworten. 137 Siehe z.B. Sprecher 312 bei a. (la) conquista - b. (il) conquistatore (I1-6), der sich für die Ableitungsrichtung a ← b entschieden hatte, als Begründung aber angab: „sono entrambi deverbali“, was eine gemeinsame Motivationsbasis impliziert und damit einer direkten Ableitungsrichtung widerspricht. 138 Dies ist bei it. a. (il) confine - b. confinare (I2-13) der Fall, wo in der Begründung von Sprecher 337 („perché confine indica la linea che divide un territorio da un altro“) der Bezug zu confinare fehlt, da „divide“ kein passendes Synonym ist. Fragebogen Teilnehmerzahl Fragebogen Teilnehmerzahl F1 37 I1 33 F2 30 I2 30 F3 27 I3 34 <?page no="137"?> 137 Je mehr Antworten pro Sprecher vorliegen, die aus derartigen Gründen nicht gewertet werden können, desto höher ist das Risiko, dass die betroffenen Teilnehmer auch bei den zunächst unauffälligen Antworten die vorgegebenen Informationen nicht sorgfältig genug beachtet haben und ihre Richtungsentscheidung auf anderen Bedeutungen als den vorgegeben beruht. Deshalb wurden nach der Datenauswertung noch Teilnehmer grundsätzlich ausgeschlossen, die mehr als drei Nicht-Wertungen (12% der Antworten pro Sprecher) aufwiesen. Ein Grund dafür, gerade bei dieser Zahl eine Grenze zu ziehen, 139 liegt darin, dass sie sich quasi natürlich ergibt: Fünf Teilnehmer (von insgesamt 191) weisen drei Nicht-Wertungen auf, kein Teilnehmer hat vier Nicht-Wertungen, aber bei zwei Teilnehmern an Fragebogen I3 konnten fünf bzw. sechs Antworten nicht gewertet werden, was 20% und 24% der Antworten pro Sprecher ausmachen würde. Entsprechend wurden diese beiden Sprecher komplett ausgeschlossen. Die Teilnehmerzahl bei I3 beträgt dadurch 34 (s. Tab. 7). Was den soziokulturellen Hintergrund der Fragebogenteilnehmer betrifft, lässt sich auf der Basis der freiwilligen demographischen Daten sagen, dass die Altersspannbreite bei den Franzosen mit 19 bis 78 Jahren und den Italienern mit 17 bis 74 Jahren ungefähr gleich ist. Das Durchschnittsalter ist allerdings bei den französischen Befragten (41 Jahre) höher als bei den italienischen (33,9 Jahre). Wie es bei einer komplexen metasprachlichen Aufgabe nicht anders zu erwarten ist, verfügen beide Gruppen von Teilnehmern über einen relativ hohen Bildungsstand: Von den französischen Informanten haben mindestens 88% einen Hochschulabschluss oder sind Studierende, 18% sind sogar promoviert. Im Italienischen ist die Zahl der eindeutigen Hochschulabsolventen und Studierenden mit 71% (davon 4% Promovierte) niedriger, was hauptsächlich dadurch bedingt ist, dass unter den Teilnehmern 18 Gymnasiasten sind. Auch haben 12% der französischen Teilnehmer linguistische Kenntnisse angegeben, im Italienischen sind es nur 2%. Dennoch sind die Antworten der italienischen Informanten keineswegs „schlechter“ oder naiver. Vielmehr spiegeln gerade die italienischen Daten ein hohes Sprachbewusstsein wider: Die Anzahl metasprachlicher Reflexionen in den Antworten ist bei den italienischen Informanten ungefähr doppelt so hoch wie bei den französischen (s. auch Kap. 5 und 6). Da die Sprechergruppen aufgrund ihres Umfangs und ihres überdurchschnittlichen Bildungsgrades jedoch nicht repräsentativ sind, soll es hier bei der reinen Feststellung dieses Unterschieds bleiben. 139 Oft werden in der experimentellen Linguistik Teilnehmer mit mehr als 10% nicht-verwertbaren Daten ausgeschlossen (z.B. Albert/ Marx 2010: 101), diese Zahl ist jedoch variabel. <?page no="138"?> 138 4.3.2 Bereinigung der Daten Einzelne Antworten konnten aufgrund technischer Probleme nicht verwendet werden. Außerdem fand sich im Nachhinein bei Fragebogen F1 ein Fehler im Skript, durch den die von den Sprechern gegebene Begründung bei ihrem jeweils letzten Stimulipaar nicht gespeichert worden war. Da aber zum einen eine Begründung nur bei zwei der vier Antwortmöglichkeiten verlangt war und zum anderen bei der Gesamtauswertung der Antworten auch Richtungsentscheidungen ohne (verständliche) Begründungen gewertet wurden (s. auch Kap. 4.3.4), erschien ein Ausschluss der betroffenen Antworten nicht erforderlich. Diese Fälle zählten auch nicht als Ausschlussgrund für den betroffenen Teilnehmer. Hinsichtlich der Gesamtzahl nicht verwertbarer Antworten wurde genau wie bei den Teilnehmern auch bei den Stimulipaaren eine Höchstgrenze nicht verwertbarer Antworten eingeführt. Denn auch hier gilt: Je mehr Sprecher bei einem Motivationspaar eine nicht nachvollziehbare Richtungsauswahl bzw. Begründung liefern oder eine vorgegebene Bedeutung nicht berücksichtigen, desto mehr besteht Grund zu der Annahme, dass das betreffende Paar für die Befragung ungeeignet ist, z.B. aufgrund nicht salienter Bedeutungen oder eines veralteten Stimulus. Parallel zu den Nicht-Wertungen pro Sprecher wurde auch bei den Stimulipaaren eine Höchstgrenze von 12% der Antworten festgesetzt. Wie viele Antworten das sind, hängt jeweils von der Teilnehmerzahl des betreffenden Fragebogens ab. Durch die 12%-Grenze ergaben sich fünf Ausschlusspaare, die in Anhang 9.3 aufgeführt sind. Die Ursache für die Häufung von Nicht-Wertungen liegt bei diesen Stimuli mit Ausnahme des Motivationspaars it. cercare - (la) cerca (I3-11), das mit la cerca einen veralteten Stimulus enthält, vor allem in nicht mehr tolerierbaren Verwechslungen von Ereignis- und Nicht-Ereignislesarten beim Substantiv (s. ausführlich dazu Kap. 4.3.5). Diese Verwechslungen treten zwar auch bei anderen V-N-Paaren auf, jedoch in weit geringerem Ausmaß. Des Weiteren zeigte sich bei einigen Stimulipaaren eine mögliche Beeinflussung aufgrund der Formulierungen der vorgegebenen Bedeutungsdefinitionen. Vor allem bei den semIdent-basierten Motivationspaaren waren die Bedeutungsdefinitionen notwendigerweise nahezu identisch formuliert und unterschieden sich oft nur dadurch, dass einer der Stimuli eine etwas längere, auf der Paraphrase des Motivationspartners beruhende Bedeutungsdefinition hatte. Dieser wurde dann auffällig oft als abgeleitet eingestuft, wie der Vergleich der Interlexempaare F3-21 und I3-21 in Tab. 8 verdeutlicht: <?page no="139"?> 139 Antwortoption F3-21 I3-21 (la) beauté ‘caractère de ce qui plaît à l‘œil’ beau ‘ce qui plaît à l‘œil’ (la) bellezza ‘aspetto gradevole’ bello ‘che ha un aspetto gradevole’ nicht gewertet 0 0 a → b 5 19 a ← b 17 5 a - b 5 10 keine Beziehung 0 0 Gesamtzahl der Antworten 27 34 Tab. 8: Beispiele für eine mögliche Beeinflussung der Befragungsteilnehmer durch die vorgegebenen Bedeutungsdefinitionen Im Französischen entspricht die dominierende Ableitungsrichtung a ← b auch der aufgrund des formalen Komplexitätsunterschiedes erwarteten Richtung. Im Italienischen hingegen, wo die Anordnung der Stimuli dieselbe wie im Französischen ist, erweist sich die umgekehrte Ableitungsrichtung a → b als die stärkere. Die Verteilung der Antworten ist in den beiden Sprachen ungefähr spiegelbildlich. Es liegt nun nahe, zu vermuten, dass hierfür die vorgegebenen Bedeutungsdefinitionen der Stimuli verantwortlich sind: Im Französischen greift die Definition für (la) beauté diejenige des Motivationspartners beau auf, im Italienischen wird genau umgekehrt das Adjektiv bello auf der Basis des Substantivs (la) bellezza definiert, was direkt mit der jeweils dominierenden Ableitungsrichtung übereinstimmt. Vermutlich haben sich die Befragten hier also durch die voneinander abhängigen Definitionen leiten lassen. Im gesamten Stimulimaterial finden sich zwar auch einige Motivationspaare, bei denen sich die offensichtliche Abhängigkeit einer Bedeutungsdefinition von der anderen nicht in der dominierenden Ableitungsrichtung widerspiegelt (z.B. F1-13, I2-14, I3-1, I3-14), da aber auch in diesen Fällen ein Einfluss auf die Fragebogenteilnehmer nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, wurden alle Motivationspaare, bei denen eine semantische Abhängigkeit suggerierende Bedeutungsdefinitionen auftraten, vorsichtshalber ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen. Dadurch steigt die Gesamt- <?page no="140"?> 140 zahl der ausgeschlossenen Stimulipaare im Französischen auf acht, im Italienischen auf 17, was insgesamt eine nachträgliche Reduzierung der Stimulimenge um 16.7% bedeutet. Sie betrifft in erster Linie semIdent-, aber auch einzelne Kont-basierte Stimulipaare. Eine ausführliche Auflistung aller ausgeschlossenen Stimulipaare findet sich im Anhang 9.3. Aufgrund der unterschiedlichen Teilnehmerzahlen pro Fragebogen und des notwendigen Ausschlusses von Sprechern, Stimuli und einzelnen Antworten ergibt sich für jedes untersuchte Motivationspaar eine unterschiedliche Gesamtsumme an verwertbaren Antworten. Dies führt bei der Anwendung der beiden Formeln zur Berechnung des Motiviertheitsgrades und der Gerichtetheitsstärke zu einer minimalen Verzerrung der Ergebnisse und damit zu einer geringfügigen Einschränkung der Vergleichbarkeit der einzelnen Werte. Letztere können Anhang 9.4 entnommen werden. 4.3.3 Vorgehensweise bei der Auswertung der Ergebnisse Auch die Auswertung erfolgte auf php-Seiten, die unter http: / / www.narrshop.de/ zur-direktionalitat-der-lexikalischen-motivation.html eingesehen werden können. Als erster Schritt wurde die Richtungsentscheidung der Sprecher klassifiziert, wofür in einem Dropdown-Menü die fünf Optionen Richtung a → b, Richtung a ← b, Bidirektionalität/ Unentscheidbarkeit (a - b), keine Relation (Keine rel) sowie „0“ für nicht verwertbare Antworten zur Verfügung standen. Sofern es sich bei den Antworten um eine Entscheidung für eine der beiden Ableitungsrichtungen handelte, wurde daraufhin die Art der Begründung im Kommentarfeld angegeben. Für alle als „semantisch“ klassifizierten Begründungen wurde ferner - soweit feststellbar - die von den Teilnehmern beschriebene semantisch-kognitive Relation mittels eines weiteren Dropdown-Menüs ausgewählt (zu beiden Parametern s. Kap. 4.3.4). Schließlich wurden die verschiedenen Antworttypen (z. T. automatisch) addiert. Die formale Relation wurde hingegen nicht aufgrund der Sprecherantworten bestimmt, sondern mit Ausnahme der formalen Mehrschrittrelation (s.u.) bereits im Vorfeld festgelegt. Wie es bei Offline-Fragebögen häufig der Fall ist, waren nicht alle Antworten bzw. Begründungen der Teilnehmer problemlos zu klassifizieren, auch wenn grundsätzlich bei nicht ganz eindeutigen Antworten zugunsten des Sprechers angenommen wurde, dass er das Richtige meinte. Insbesondere bei Begründungen, die sich auf die Bedeutungen der <?page no="141"?> 141 Stimuli bezogen, waren hierzu bisweilen komplexere Inferenzen nötig. 140 Die folgenden Sonderfälle traten regelmäßig auf: • Ein bereits aus den eigenen Pilotstudien und der Sprecherbefragung von Rube (2004) bekanntes Phänomen waren Widersprüche zwischen der ausgewählten Richtung und deren Begründung: Es kam nicht selten vor, dass die Sprecher im Freitext die ihrer Auswahl entgegen gesetzte Ableitungsrichtung begründeten, was besonders durch den Vergleich mit anderen Antworten für dasselbe Stimulipaar augenfällig wurde. Da es aber durchaus denkbar war, dass die Sprecher bei der Entscheidung für eine der vier Antwortoptionen in der Zeile verrutscht waren, wurde bei Widersprüchen generell der bewusst formulierten Begründung mehr Gewicht beigemessen und die aus dem Freitext hervorgehende Ableitungsrichtung für die Zählung berücksichtigt. In den Fällen, in denen ein Widerspruch zwischen Richtungsauswahl und Begründung möglich, aber nicht hundertprozentig sicher war, wurde die vom Teilnehmer ausgewählte Richtung gezählt und lediglich im Kommentarfeld „Die Antwort könnte auch für die umgekehrte Richtung stehen“ vermerkt. • Sehr häufig geschah es, dass die Teilnehmer in ihrer Begründung entweder einen der vorgegebenen Stimuli selbst oder dessen Paraphrase in einer abweichenden Wortart gebrauchten, und zwar vor allem in Form von nominalisierten Adjektiven, nominalisierten Infinitiven oder Nomina Actionis für Verben und umgekehrt. 141 Da allgemein davon ausgegangen werden kann, dass für die Sprecher das außersprachliche Konzept selbst im Vordergrund stand - Wortartwechsel kamen vor allem dann vor, wenn die Auswahl semantisch begründet wurde -, ist die verwendete Wortart in diesem Fall gar nicht von primärem Interesse. Solange noch semantische Identität zwischen den Konzepten, auf die referiert wurde, angenommen werden konnte, wurden solche Wortartabweichungen daher zugelassen. Nur wenn eindeutig keine semIdent mehr gegeben war, weil mit dem Wortartwechsel auch eine Änderung des Konzepts einherging, kam es zum Ausschluss der betroffenen Antwort. Als Referenz wurden die bereits genannten einsprachigen Wörterbücher herangezogen. Der Gebrauch von brossage anstelle von brosser ‘nettoyer en frottant avec un instrument adéquat’ (F3-6) ist also bspw. zulässig, ebenso der Gebrauch von la quiete 140 Hier nur ein Beispiel: Bei I3-8 lässt sich bspw. nur dann ein Zusammenhang zwischen a. forzare und b. (la) forza herstellen, wenn man die Begründung von Sprecher 453 („la parola B nasce con luomo“) so versteht, dass (la) forza im Unterschied zu forzare angeboren und daher primär ist. 141 So verwendeten bei it. a. (il) respiro - b. respirare (I2-9) allein acht von 30 Sprechern in ihren Begründungen das Verb respirare in Form eines nominalisierten Infinitivs. Bei I3- 17 und I3-18 wurden die Stimuli riparazione und pubblicazione oder deren Paraphrasen in ca. 50% der Begründungen verbal ausgedrückt. <?page no="142"?> 142 statt quieto ‘calmo’ (I1-15), 142 nicht aber il misero statt misero ADJ ‘insufficiente, inadeguato’ (I1-16), weil die Nominalisierung laut ZI online nur in der Bedeutung ‘chi è afflitto da povertà e sventura’ vorkommt, die nicht im Fragebogen vorgegeben war. Auch die Verwendung von prezioso ADJ ‘che è particolarmente importante in senso affettivo o morale’ (I3-15) als Substantiv musste ausgeschlossen werden, weil dessen Bedeutung 'oggetto d'oro, di pietre o altri metalli preziosi' (ZI online) ebenfalls von den Vorgaben abwich. • In einigen Fällen, in denen kein direktes Ableitbarkeitsverhältnis zwischen den Stimuli besteht, haben auch einzelne Teilnehmer keine direkte Gerichtetheit zwischen den Stimuli hergestellt, sondern diese über einen formalen oder semantischen Zwischenschritt miteinander verbunden. Diese Antworten treffen strenggenommen keine Aussage über die eigentliche Frage - die nach der Ableitungsrichtung zwischen den vorgegebenen Stimuli. Da sie aber in Fällen vorkommen, in denen in der Tat die Beziehung zwischen den Stimuli nur über einen „Umweg“ hergestellt werden kann, 143 wurden die betroffenen Antworten nicht von der Auswertung ausgeschlossen, sondern in den Originaldaten als formale oder semantische Mehrschritt-Relation gekennzeichnet. Auf sie wird bei der Ergebnisdiskussion in Kap. 6.4.2.2 unter dem Stichwort „Kompositionalität“ eingegangen. • Auf einen weiteren Sonderfall, bei den vorgegebenen Substantiven auftretende Lesartenverschiebungen, wird wegen eines notwendigen theoretischen Exkurses gesondert in Kap. 4.3.5 eingegangen. 4.3.4 Arten von Begründungen Bevor die einzelnen Begründungstypen erläutert werden, muss vorausgeschickt werden, dass viele der auf den Auswertungsseiten einsehbaren Klassifizierungen uneinheitlich erscheinen mögen. Nun erfordert aber die Auswertung der Sprecherantworten bisweilen ein gewisses Interpretationsvermögen und trotz der Entwicklung klarer Kriterien für jede Kategorie sind deren Grenzen im Einzelfall schwer zu ziehen, was nicht zuletzt auch durch die Fülle der Daten (insgesamt 3886 Sprecherantworten nach Ausschluss von 142 Vgl. fr. a. (la) brosse - b. brosser (F3-6), Sprecher 229: „la brosse existe avant le brossage“ und I1-15, Sprecher 267: „atto di procurare quiete“. 143 So z.B. die semantische Mehrschrittrelation bei it. a. (il) colpo - b. colpire (I2-5), Sprecher 384: „nella derivazione il verbo perde, nel caso specifico, il significato originario di urtare, percuotere, e viene usato metaforicamente“. D.h. also: colpo ‘percossa, urto’ → colpire ‘urtare, percuotere’ → colpire ‘impressionare, meravigliare’. Ein Beispiel für eine formal-semantische Mehrschrittrelation liefert Sprecher 328 bei it. a. puntualizzare - b. (il) punto (I2-24): „passando per laggettivo puntuale (preciso) si arriva da punto a puntualizzare“, folglich punto ‘questione specifica, argomento particolare’ → puntuale ‘preciso’ → puntualizzare ‘spiegare in modo chiaro ed esatto’. <?page no="143"?> 143 Sprechern und Stimulipaaren) bedingt ist. Weiterhin gehen die Begründungstypen nicht in die der Hypothesenüberprüfung dienenden Berechnungen der Ergebnisse ein, sondern stellen vielmehr eine zusätzliche, aufschlussreiche Information dar, die zeigt, welche Kriterien die Sprecher für ihre Entscheidung heranziehen, und die so auch einen Abgleich mit den Kriterien zur Bestimmung der Ableitungsrichtung aus der Literatur erlaubt (s. Kap. 6.5.3). Grundsätzlich galt das Vorhandensein einer Begründung in der Sprecherantwort nicht als obligatorisch. Die Gründe dafür sind folgende: Sie waren nicht bei allen Antwortkategorien erforderlich, in einzelnen Fällen wurden sie aufgrund technischer Fehler nicht gespeichert und schließlich waren manche Begründungen auch unverständlich oder schlichtweg unzureichend. Auch solche Antworten gingen also in die Berechnung von Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke ein. Wie Tab. 9 entnommen werden kann, wurde in diesen Fällen „Begründung fehlt“ bzw. „Begründung unklar“ im Kommentarfeld vermerkt. Auch mussten die Begründungen nicht unbedingt inhaltlich korrekt sein, um einem Begründungstyp zugeordnet zu werden. Gerade bei den „formalen“ und den „semantisch-metasprachlichen“ Antworten kam es aus linguistischer Sicht zu einigen Ungenauigkeiten. Die unten stehende Tabelle enthält alle auf den Auswertungsseiten vorkommenden Begründungstypen mit einer Beschreibung und einem Beispiel sowie ggf. einem Hinweis darauf, mit welchen der in Kap. 2.2 vorgestellten Hilfskriterien eine Übereinstimmung besteht. Bei der Auswertung wurden auch Kombinationen von Begründungsarten vergeben. Begründungstyp Zuweisungskriterien Beispiel für entsprechende Sprecherantworten Entsprechung zu Hilfskriterien semantische Begründung Die Begründung gründet sich auf die Beziehungen zwischen den Bedeutungen der Stimuli. F2-1, oublier - (l’)oubli, Sprecher 122: „oublier est laction de commettre un oubli“ semantische Abhängigkeit, Muster und Reichweite, typische Eigenschaften von Wortarten und kognitiv fundierte Kriterien (Kap. 2.2.3.1, 2.2.3.2, 2.2.3.3) semantisch-metasprachliche Begründung Zusätzlich zum Zusammenhang zwischen den Konzepten wird auch auf Para- I1-23, (il) cuore, Sprecher 263: „per metafora: il cuore è lorgano centrale del corpo“ -- <?page no="144"?> 144 meter der semantischen Sprachbeschreibung, wie z.B. rhetorische Figuren, zurückgegriffen. enzyklopädische Begründung Es wird explizit auf enzyklopädisches, außersprachliches Wissen Bezug genommen, z.B. auf historische oder chronologische Abfolgen. - I1-24, (il) caffè, Sprecher 277: „è luso massiccio della bevanda che ha fatto aprire esercizi veloci di distribuzione di essa“ - F3-18, (la) femme, Sprecher 222: „Une femme est dabord un être humain de sexe féminin avant dêtre lépouse de quelquun / dêtre appropriée par quelquun“ außersprachliche Abfolge (Kap. 2.2.3.4) formale Begründung - Die Begründung geht auf Wortbildungsregeln oder Wortartwechsel ein. - Es werden Ableitungsketten gebildet, die eine der möglichen Ableitungsrichtungen ausschließen. - I1-3, (lo) sfondo - (il) fondo, Sprecher 306: „Perché vi è laggiunta del prefiso -s con funzione intensiva“ - F1-17, (le) vieux - vieux, Sprecher 14: „le vieux est un adjectif substantivé“ - F2-22, (le) sentiment - sentir, Sprecher 124: „sentir dérivé de sens, sentiment notion plus précise, intellectuelle.“ z. T. morphologische Kriterien (Kap. 2.2.5) diachronische Begründung Die Begründung gibt ein diachronisches Verhältnis zwischen den Stimuli an. I2-12, guidare - (la) guida, Sprecher 345: „credo che il verbo sia nato prima.“ historische Kriterien (Kap. 2.2.1) <?page no="145"?> 145 etymologische Begründung Die Begründung gibt (lateinische) Etyma an oder geht auf etymologische Informationen (z.B. frühere Bedeutungen) ein. I1-4, (il) popolo - (la) popolazione, Sprecher 262: „deriva dal latino populus credo e da ciò deriva la parola popolazione“ historische Kriterien (Kap. 2.2.1) stilistische Begründung Die Begründung geht auf unterschiedliche Register ein (wobei angenommen wird, dass alles nicht Standardsprachliche abgeleitet ist). F2-5, a. (la) structure - b. structurer, Sprecher 139: „le mot B fait très langue dentreprise. Je ne peux pas imaginer que A puisse dériver de B.“ Gebrauchsrestriktionen (Kap. 2.2.2) Begründung aufgrund von Frequenz Die Begründung stützt sich auf die unterschiedlichen Frequenzen der Stimuli (wobei angenommen wird, dass der Stimulus mit der geringeren Frequenz abgeleitet ist). F3-10, a. taper - b. (la) tape, Sprecher 482: „B nest pas très usité, taper est plus fréquent“ Gebrauchsrestriktionen (Kap. 2.2.2) grammatische Begründung Die Begründung bezieht sich auf Grammatik und Syntax, z.B. hinsichtlich einer Einschränkung im Gebrauch der abgeleiteten Form. I3-6, bisognare - (il) bisogno, Sprecher 437: „Luso impersonale di questo verbo e il forte significato del sostantivo mi fa pensare che il verbo derivi dal sostantivo“ Gebrauchsrestriktionen (Kap. 2.2.2) analogische Begründung Die Begründung stellt einen Vergleich zu ähnlichen Wortpaaren oder Bedeutungen her, woraus F1-6, roman - romancier, Sprecher 3: „lhomme qui écrit des romans est un romancier, comme lhomme qui vend des épices est un épicier.“ Paradigmatische Kriterien (Kap. 2.2.4) <?page no="146"?> 146 Tab. 9: Unterschiedene Begründungsarten bei der Klassifizierung der Antworten in den Richtungstests Wie die Tabelle zeigt, lassen sich fast alle Begründungsarten auf die in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Richtungsfrage verwendeten Kriterien zurückführen. Eine Ausnahme sind nur die semantisch-metasprachlichen Begründungen, 145 die vor allem dann auftreten, wenn formIdent-ba- 144 Die Begründung fehlt in solchen Fällen insofern, als, wie Abb. 11 in Kap. 4.1.2 zeigt, der Satz „Das Wort A bzw. B ist von Wort B bzw. A abgeleitet“ bereits Teil der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ist. Daher ist eine Begründung, in der für die Stimuli lediglich die Wortarten eingesetzt werden, von ihrem Informationsgehalt her redundant. 145 Natürlich sind im Prinzip alle Begründungen der Informanten metasprachlich. Daher tritt dieser Begriff nur in Kombination mit semantisch auf, sodass sich die Bezeichnung die Ableitungsrichtung hervorgeht. Begründung fehlt - Es liegt überhaupt keine Begründung vor. - Die Begründung ist unzureichend oder wiederholt lediglich die bereits vorgegebene Richtungsauswahl. - F1-3, départ - partir, Sprecher 3: „une intuition“ - F1-11, être - (l’)être, Sprecher 60: „le substantif vient du verbe“ 144 Begründung unklar Die Begründung ist unverständlich, d.h. nicht mit der ausgewählten Ableitungsrichtung in Einklang zu bringen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Begründung theoretisch als semantisch, formal etc. einzuordnen wäre. - I1-7, credere - credibile, Sprecher 262: „cred è la radice“ - I2-15, (il) giorno, Sprecher 391: „specifica meglio la definizione B“ <?page no="147"?> 147 sierte Stimulipaare Metaphern oder Metonymien darstellen. Diese rhetorischen Stilmittel werden in den theoretischen Ansätzen, die die Ableitungsrichtung meist anhand der Konversion erörtern, nicht diskutiert. Umgekehrt haben die Fragebogenteilnehmer so gut wie alle theoretisch möglichen Kriterien auch angewendet, 146 allerdings mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit (s. dazu Kap. 6.5.3). Alle Sprecherbegründungen, die als semantisch eingestuft werden konnten, wurden zusätzlich wenn möglich auch hinsichtlich ihrer semantisch-kognitiven Relation klassifiziert. Dadurch ergaben sich Hinweise darauf, ob die ursprünglich angenommenen Relationen (s. Anhang 9.2) auch von den Fragebogenteilnehmern wahrgenommen wurden. In der Tat sind die wenigsten Stimulipaare bezüglich der semantisch-kognitiven Relationen, die aus den Sprecherantworten hervorgehen, homogen. Die Aussagekraft der semantischen Klassifikation ist generell geringer als die gewählte Antwortoption und auch als die Begründungsart. So kann nicht jeder Datenpunkt hinsichtlich der semantisch-kognitiven Relation klassifiziert werden: Zum einen, weil es bei den Optionen „keine bestimmte Ableitungsrichtung“ und „keine Relation“ nicht sinnvoll gewesen wäre, eine Begründung zu verlangen. Zum anderen, weil den Teilnehmern bei den beiden Antwortoptionen mit obligatorischer Begründung keine Vorgaben gemacht worden waren, sodass nicht immer semantisch argumentiert wurde - wenn auch die semantischen Begründungen, zum Teil in Kombination mit anderen Typen, die weitaus häufigsten waren. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Begründungen nicht eindeutig genug waren, um zweifelsfrei einer der semantisch-kognitiven Relationen zugeordnet werden zu können. Eine Auszählung der interpretierbaren semantischen Begründungen kann aber zeigen, welche Relationen bei einem Stimulipaar von den Sprechern überhaupt gesehen wurden und mit welcher Häufigkeit sie vorkommen. Die folgende Tab. 10 exemplifiziert die Zuordnung der semantisch-kognitiven Relationen zu verschiedenen Sprecherantworten. ausschließlich auf semantische Beschreibungen, die über die reine Bedeutungsebene hinausgehen, bezieht. 146 Ausgenommen sind die Daten des ersten Nachweises (Kap. 2.2.1), die den Fragebogenteilnehmern ohne Wörterbuch nicht zugänglich waren. <?page no="148"?> 148 sem.-kogn. Relation Zuweisungskriterien Beispiel für entsprechende Sprecherantworten semantische Identität (semIdent) - Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass die Konzepte der beiden Stimuli abgesehen von der Wortart bzw. von den wortarttypischen Merkmalen her identisch sind. - Paraphrasen des Typs V = fr. faire/ it. fare N (auch mit anderen passe-partout-Verben 147 ) bzw. N = fr. action de/ it. azione di bzw. fr. le fait de / it. il fatto di V. - I3-13, sfogare - (lo) sfogo, Sprecher 467: „lo sfogo non è altro che sfogare i propri sentimenti e/ o stati danimo“ - F1-16, extérieur - (l’)extérieur, Sprecher 33: „lextérieur est ce qui est extérieur de lendroit où on se trouve“ - I1-10, (l’)aumento - aumentare, Sprecher 250: „fare un aumento = aumentare“ - F1-2, apparaître - apparition, Sprecher 85: „car lapparition est le fait dapparaître“ metaphorische Similarität (metSim) - Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass die beiden Konzepte verschieden sind, aber ein gemeinsames Merkmal teilen oder dass eine Ausweitung der Bedeutung auf einen anderen Konzeptbereich stattfindet. - Es ist direkt von Metapher oder metaphorischer Relation die Rede. - I1-19, grande, Sprecher 256: „limportanza rende il soggetto più visibile così come un oggetto sovradimensionato“ - I1-23, (il) cuore, Sprecher 279: „trasferisce il significato dal piano fisico corporale a quello esterno“ - I1-22, solido, Sprecher 251: „è il senso metaforico del significato di b“ Kontiguität (Kont) - Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass die Konzepte in einem kontigen Verhältnis zueinander stehen: Prozess - Resultat, Teil - Ganzes, Gegenstand / Eigenschaft - Person, die mit diesem Gegenstand zu tun hat oder die Eigenschaft aufweist, räumliche oder - I2-1, riservare - riserva, Sprecher 327: „riserva è ciò che è stato riservato“ - I2-15, (il) giorno, Sprecher 387: „Il giorno di 24 ore si è poi suddiviso in giorno e notte“ - F1-4, ami - amitié, Sprecher 8: „des amis sont des personnes liées damitié entre elles“ 147 Zu passe-partout-Wörtern s. z.B. Koch/ Oesterreicher (²2011: 108-114), Mihatsch (2006: 191-215) und Lange (2007). <?page no="149"?> 149 zeitliche Zusammenhänge etc. - Es ist direkt von Metonymie oder metonymischer Relation die Rede. 148 - F3-16, (le) bar, Sprecher 436: „cest le lieu dans lequel se trouve le bar/ comptoir“ - I1-18, (la) lingua, Sprecher 294: „B è una metonimia, il mezzo per lazione“ (konzeptueller) Kontrast Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass das eine Konzept das Gegenteil des anderen Konzepts ist. - F1-9, habile - inhabile, Sprecher 41: „inhabile est le contraire de habile“ - F3-19, défavorable - favorable, Sprecher 224: „être défavorable cest ne pas être favorable“ taxonomische Superbzw. Subordination (taxSuperSub) - Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass das eine Konzept das Hyperonym oder Hyponym des anderen Konzepts ist. - Es wird mit Bedeutungsverengung oder -erweiterung argumentiert. - F1-8, appeler - rappeler, Sprecher 7: „rappeler cest appeler de nouveau“ - I1-21, impossibile, Sprecher 277: „perchè quello di insopportabile comprende impossibile e non viceversa“ - F2-16, (l’)homme, Sprecher 185: „le sens être humain de sexe masculin est une spécialisation du sens B.“ kotaxonomische Similarität (kotaxSim) - Aus der Sprecherbegründung geht hervor, dass die beiden Konzepte Hyponyme desselben Hyperonyms sind. - F1-21, plainte, Sprecher 3: „La douleur peut être autre que seulement physique.“ - F1-25, parler, Sprecher 15: „parler, cest toujours sexprimer.“ Tab. 10: Zuweisungskriterien für die semantisch-kognitiven Relationen bei den als semantisch klassifizierten Sprecherantworten 148 Viele semantisch-metasprachliche Begründungen konnten nicht eindeutig einer semantisch-kognitiven Relation zugeordnet werden, weil sie mit Bedeutungsverschiebungen von konkret zu abstrakt, von materiell zu intellektuell, von der wörtlichen zur figurativen Bedeutung oder mit Begriffen wie fr. „extension du sens“, it. „derivazione retorica“ oder „slittamento semantico“ argumentieren, die sowohl auf metSim als auch auf Kont zutreffen können (vgl. z.B. den Wechsel von konkret(er) zu abstrakt(er) bei typischen Metaphern wie fr. grand (F1-19) / it. grande (I1-19) a. ‘in der Ausdehnung über dem Durchschnitt liegend’ - b. ‘wichtig, berühmt’, aber auch beim metonymischen fr. langue (F1-18) / it. lingua (I1-18) ‘Zunge’ - ‘Sprache’). Derartige Fälle wurden in Bezug auf die semantisch-kognitive Relation als „unklar“ bewertet. <?page no="150"?> 150 4.3.5 Lesartenverschiebungen bei Substantiven Bei der zentralen Gruppe der Motivationspaare aus Verb und Substantiv ergab sich - unabhängig von der formalen Relation zwischen den Motivationspartnern - ein unerwartetes, aber nahezu systematisches Phänomen, das sich auch schon im Fragebogen von Rube (2004) manifestiert hatte: Bestimmte Bedeutungsvarianten, die bei Substantiven auftreten können, wie z.B. die Ereignis-, die Resultats- und die Tatsachenlesart, wurden selbst bei eindeutigen Bedeutungsvorgaben von den Informanten vermischt. Insbesondere wurden Nomina mit Ereignislesart in der Begründung für die Ableitungsrichtung V → N als Resultate des durch den verbalen Motivationspartner ausgedrückten Vorgangs bezeichnet. Bspw. äußerten einige Fragebogenteilnehmer bei fr. a. mélanger ‘unir des choses différentes de manière à former un tout’ - b. (le) mélange ‘action de mêler’ (F3-12) als Begründung für die Richtungswahl a → b: „le mélange est le résultat de laction de mélanger“ (Sprecher 421). Umgekehrt wurde zwar auch für Nomina, die in einer Nicht-Ereignislesart vorgegeben waren, eine Ereignisbedeutung des verbalen Motivationspartners angenommen, dies geschah aber mit 12,8% der Antworten sehr viel seltener als bei der Verschiebung von der Ereigniszur Nicht-Ereignislesart (35.5% der Antworten). 149 Aus zwei Gründen, die in den folgenden beiden Teilkapiteln 4.3.5.1 und 4.3.5.2 erläutert werden, wurden solche Lesartverwechslungen der Informanten in bestimmten Fällen nicht von der Auswertung ausgeschlossen, sondern als akzeptabel eingestuft. In Kap. 4.3.5.3 wird detailliert beschrieben, welche Lesartenverschiebungen in die Wertung der Sprecherantworten eingingen und welche nicht. 149 Die Zahlen fassen die französischen und die italienischen Stimuli sowie beide möglichen Ableitungsrichtungen zusammen. Die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf die Gesamtzahl der semantisch begründeten Sprecherantworten und schließen in diesem Fall auch die wegen zu stark abweichender Lesarten ausgeschlossenen Antworten ein. Interessant ist auch, dass nur bei 16,2% der V-N-Paare mit vorgegebener Nicht-Ereignislesart überhaupt Bedeutungsverschiebungen hin zum Ereignis auftreten, während es bei V-N-Paaren mit vorgegebener Ereignislesart 61,8% sind, bei denen sich Verschiebungen zu einem Nicht-Ereignis finden lassen. Bezüglich der angenommenen Richtung kommen Lesartenverschiebungen deutlich häufiger vor, wenn das Substantiv als abgeleitet betrachtet wird: Bei den hier ausgezählten Abweichungen beträgt das Verhältnis 69,6% (V → N) zu 30,9% (N → V). <?page no="151"?> 151 4.3.5.1 Konkretisierungen von Nomina Actionis Ein erster Grund dafür, dass Lesartenverschiebungen wie die oben beschriebenen nicht prinzipiell aus den Sprecherantworten ausgeschlossen wurden, liegt darin, dass die Interpretation einer Ereignisbedeutung als Nicht-Ereignisbedeutung auf allgemeine kognitive Prinzipien zurückgeht: Sowohl derivierte als auch nicht-derivierte Nomina Actionis bilden in vielen, wenn nicht allen Sprachen regelmäßig sekundäre Bedeutungen aus. Dies ist in der Literatur schon vielfach diskutiert worden (s. Paul 10 1995 [1880]: 99-100, Apresjan 1974, Bréal 1976 [1924]: 137-142, Lüdtke 1978, Ehrich/ Rapp 2000, Meinschaefer 2005 und den Überblick in Rainer 1996). Häufig werden diese metonymischen Verschiebungen als Konkretisierungen beschrieben, die dadurch entstehen, dass die Sprecher dazu neigen, Substantive mit abstrakteren und daher wenig greifbaren Bedeutungen zu „typischeren“ Substantiven zu machen, indem sie sie in salienteren (d.h. konkreteren) Lesarten gebrauchen (s. Mayerthaler 1982: 38-42, Panagl 1985: 220 und Gaeta 2002: 212 aus natürlichkeitstheoretischer, Langacker 1993: 30, Blank 1997: 246, 260, Radden/ Kövecses 1999: 44-46, Schmid 2005: 171-174, Mihatsch 2006: 19-20 aus kognitiver Perspektive; weiterhin Ehrich/ Rapp 2000: 294, 300). 150 Dies ist insofern kognitiv begründet, als Wörter mit konkreten Bedeutungen über die (z.B. visuelle) Wahrnehmung erfassbare Objekte, Handlungen oder Eigenschaften bezeichnen, die gute Gestalten darstellen und dadurch kognitiv salienter sind und entsprechend leicht erfasst werden können (s. auch Kap. 5.3.4 und 6.4.2.1 sowie Kleiber 1994: 48-64; Schwanenflugel/ Gaviskà 2005: 17, 37; Mihatsch 2006: 12-15; zur Gestaltpsychologie s. z.B. Goldstein 2 2002: 190-205). Für Wörter mit abstrakten Bedeutungen ist eine Gestaltwahrnehmung hingegen ausgeschlossen (Ungerer/ Schmid 1996: 37), weshalb sie weniger tief verankert und in der Online- (und vermutlich auch in der Offline-)Verarbeitung semantisch schwieriger zu verifizieren und klassifizieren sind (Schwanenflugel/ Gaviskà 2005: 1737). 151 Wörter mit konkreten Bedeutungen werden von Sprechern also 150 Evtl. kann auch noch eine pragmatische Ebene hinzukommen, z.B. wenn Sprecher im Diskurs besonders betonen wollen, dass ein Ereignis ein bestimmtes Ergebnis hervorgebracht hat (s. Detges 2000 zu einer ähnlichen Beobachtung bei Perfektpartizipkonstruktionen). 151 Die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Bedeutungen bzw. genau genommen zwischen den zugehörigen Referenten wird überwiegend auf Substantive angewendet. Substantive mit konkreten Bedeutungen sind solche, die physische Objekte (einschließlich Menschen und Tiere) bzw. direkt über die Sinne wahrnehmbare Entitäten bezeichnen, während Substantive mit abstrakten Bedeutungen auf nicht-materielle und nicht unmittelbar wahrnehmbare Referenten wie en. truth oder economy verweisen (s. z.B. Lyons 1977: 438-452, 1991: 162-180; Schwanenflugel 1991: 223). Verben und Adjektive werden weitaus seltener in konkret und abstrakt eingeteilt. Die für Substantive geltende Definition kann aber leicht auf die anderen beiden Wortarten übertragen werden: Konkrete Verben bezeichnen dann Aktionen, die konkrete Objekte beinhalten und direkt wahrnehmbar sind (z.B. en. to jump, to drink), abstrakte Verben solche, die keine <?page no="152"?> 152 bevorzugt, weil sie besser und schneller verstanden werden. Daher werden onomasiologisch betrachtet abstrakte Bedeutungen häufig konkret konzeptualisiert, indem z.B. nicht ein Vorgang selbst, sondern sein Resultat versprachlicht wird. Für die meisten Vertreter kognitiver Ansätze beginnt die Verdinglichung, d.h. die Konkretisierung, sogar schon mit der Bildung der deverbalen Nominalisierung selbst: Aus Verben und Adjektiven, die ja typischerweise Handlungsbzw. Ereigniskonzepte einerseits und Eigenschaftskonzepte andererseits ausdrücken, werden nominale Konzepte, die den begrifflichen Status von ‘Dingen’ zu haben scheinen […] und zwar selbst dann noch, wenn sie Abstrakta sind. (Schmid 2005: 171, s. auch Talmy 2000: 43-45 und Langacker 1991: 22) Kleiber (1994: 48-64) stellt zudem klar, dass deverbale oder deadjektivische Nominalisierungen wie z.B. fr. explosion und blancheur eigentlich gar nicht abstrakt sind, weil sie genau wie ihre Wortbildungsbasen exploser und blanc direkt wahrnehmbar sind und im Gegensatz zu genuin abstrakten Substantiven wie fr. tristesse oder réflexion auf materielle Referenten verweisen. Anders als Substantive mit genuin konkreter Bedeutung wie fr. chien wiederum sind sie aber nicht selbst materiell (Kleiber 1994: 62). Aus Kleibers Differenzierungen auf der Basis von Materialität und Wahrnehmbarkeit ergeben sich also unterschiedliche Stufen der Konkretheit und Abstraktheit, die auch auf die sekundären Lesarten von Nomina Actionis anwendbar sind: Auch wenn ein deverbales Substantiv wie it. costruzione in der Ereignislesart (als ‘Vorgang des Bauens’) im Grunde schon konkret ist, ist doch seine Resultatslesart (‘Gebautes’) noch einmal konkreter, weil sich hier eine materielle Bedeutung ausgebildet hat, in der das Substantiv dann auch einen eigenen, unabhängigen Referenten besitzt (Kleiber 1994: 52). Um dem anzunehmenden Kontinuum zwischen Abstraktheit/ Nicht-Materialität und Konkretheit/ Materialität Rechnung zu tragen, wird im Folgenden bezüglich der Bedeutungen von potenziell deverbalen Substantiven von „konkreteren“ und „abstrakteren“ Lesarten die Rede sein. Dass die vorgegebenen Bedeutungen von Nomina Actionis wie auch von anderen abstrakteren Substantiven für die Sprachbenutzer nicht besonders salient sind, hat hinsichtlich der Richtungsfragebögen zwei Folgen: Zum einen sind die Informanten nicht in der Lage, die verschiedenen eher abstrakten konkreten Objekte beinhalten und nicht direkt wahrnehmbar sind (z.B. en. to remember, to hate). Adjektive sind konkret, wenn sie Eigenschaften konkreter Objekte beschreiben, z.B. en. cubical, abstrakt, wenn sie Eigenschaften abstrakter Entitäten beschreiben oder wertend sind, z.B. en. moody, admirable (Marzo et al. 2007; die Beispiele stammen z. T. aus Schwanenflugel/ Gaviskà 2005: 1737). <?page no="153"?> 153 Lesarten, in denen potenziell deverbale Substantive vorkommen können, 152 genau zu erfassen, sodass es bei der Begründung der Richtungsentscheidung zu Ungenauigkeiten kommt. Zum anderen neigen die Informanten semasiologisch betrachtet auch deshalb dazu, Stimuli mit abstrakteren Lesarten bei der Entscheidung über das Verhältnis zum Motivationspartner zu Wörtern mit konkreteren Lesarten „umzukonzeptualisieren“, weil so eine Entscheidung über die Ableitungsrichtung einfacher wird: Substantive, die im Vergleich zum zugrunde liegenden Verb eine Resultatsbedeutung aufweisen, sind zum Beispiel sehr viel eindeutiger gemäß V → N gerichtet als Substantive mit einer Ereignisbedeutung. Wie in Anm. 149 beschrieben kommen Lesartenverschiebungen bei V → N mehr als doppelt so häufig vor wie bei N → V. Wird letztere Ableitungsrichtung angenommen, verschiebt sich die Bedeutung des N vor allem dann zu einer konkreteren Lesart, wenn dies eine Begründung des Typs „V = ‘N tun, haben etc.’“ ermöglicht, z.B. bei F1-12, fr. regarder = ‘poser son regard’, wo die Bedeutung von regard nicht mehr der vorgegebenen Ereignislesart, sondern der des Blicks, d.h. des Organs Auge, das die Handlung regarder ermöglicht, entspricht. Die Verschiebung von einer Nicht-Ereignislesart zur Ereignislesart lässt sich nicht mit dem Salienzprinzip erklären. Zwar ist dieser Vorgang viel seltener als der umgekehrte Fall, er ist jedoch ebenfalls seit jeher belegt. 153 Auch muss berücksichtigt werden, dass das Salienzprinzip keine absolut geltende Regel darstellt, sondern lediglich eine Tendenz zum Ausdruck bringt. Es ist also - ähnlich wie bei der Tendenz zur Unidirektionalität eines Wortpaars (s. Kap. 3.4) - nicht auszuschließen, dass für einzelne Sprecher oder in bestimmten Fällen ein Ereignis salienter ist als sein Ergebnis oder andere konkretere Lesarten. 154 Daher wurden die Verschiebungen vom Nicht-Ereignis zum Ereignis parallel zu den Verschiebungen vom Ereignis zum Nicht-Ereignis behandelt (Genaueres s. u. und Tab. 12). 152 Nur zum Teil finden sich die sekundären Bedeutungen in den hier verwendeten Wörterbüchern wieder. Allerdings ist die Darstellung oft weder eindeutig noch einheitlich. Hinzu kommt, dass weitere sekundäre Lesarten im Prinzip immer möglich, aber noch nicht unbedingt soweit lexikalisiert sind, dass sie bereits Eingang in die Wörterbücher gefunden haben. Bisweilen werden die folgenden Paraphrasen verwendet, meist aber werden diese vermieden und die Lemmata mittels mehr oder weniger klarer Synonyme definiert. Z.B. PR online/ TLF: l’action de, le fait de, manière de + V, le résultat de cette action bzw. ce que + V etc. De Mauro (2000)/ ZI online: azione, atto, circostanza, il fatto di + V, cio che + V etc. 153 Zu verschiedenen Beispielen und theoretischen Herangehensweisen s. z.B. Paul ( 10 1995 [1880]: 100), Jezek (2007: 252) und Gross/ Kiefer (1995: 49). 154 Zum Faktor Salienz kommt auch hinzu, dass die vorgegebenen Bedeutungsparaphrasen der Stimulipaare nicht immer mit der nötigen Sorgfalt gelesen wurden. Auch könnten die Verschiebungen auf Beeinflussungen der Informanten durch vorhergehende Stimulipaare im Fragebogen zurückzuführen sein. <?page no="154"?> 154 4.3.5.2 Die Vielzahl möglicher Lesarten Ein zweiter Grund für den Nicht-Ausschluss von Sprecherantworten, die semantische Verschiebungen beinhalten, liegt darin, dass - wie die folgende Übersicht zeigt - die Unterscheidungsmöglichkeit von semantischen Nuancen bei Nominalisierungen nahezu unbegrenzt ist, von Nicht-Linguisten aber nur die wesentlichen Kategorien nachvollzogen werden können. Zu den konkreteren Lesarten zählen üblicherweise nicht nur die klassische Resultatsbedeutung, sondern auch Nomina Agentis, Instrumenti und Loci sowie die (nicht resultative) Objektlesart. Bei den sehr feinkörnigen Unterscheidungen von regelmäßig auftretenden Lesarten, die bspw. in der Literatur zu Nominalisierungen zu finden sind, zeigt sich aber, dass auch bei diesen Bedeutungen noch zahlreiche Differenzierungen gemacht werden können: Im Hinblick auf die Resultatsbedeutung unterscheidet z.B. Meinschaefer (2005: 30-35) zwischen (abstrakteren) Resultatszuständen wie in Bsp. (14a) und (konkreten) Resultatsobjekten wie (14b). 155 Hinzu kommen noch die (abstrakteren) „Ereignisnominalisierungen mit perfektivem Aspekt“ oder „Nomina Actus“ 156 (Meinschaefer 2005: 33) wie in (14c), die Bauer (1983: 185) als zählbare Resultate 157 bezeichnet. (14a) fr. La destruction de la ville était minime. (14b) fr. Cette construction est équipée d’un chauffage central. 155 Wie die meisten Autoren betrachtet Meinschaefer (2005: 33-34) die semantischen Entwicklungen von deverbalen Substantiven als konzeptuelle, d.h. sekundäre Verschiebungen. Eine Ausnahme macht sie jedoch bei der Resultatszustandslesart, die grammatisch generiert sei, da sie bei allen Verben, die einen Resultatszustand implizieren, verfügbar sei. Meinschaefer selbst deutet jedoch an anderer Stelle (2005: 33) an, dass auch die Resultatsobjektlesart direkt von der Bedeutung des Basisverbs abhängt, nämlich z.B. davon, ob das Verb einen Zustandswechsel impliziert oder ob effizierte Objekte im Spiel sind (vgl. auch Bierwisch 1989: 61-64 und Ehrich/ Rapp 2000: 294-299). Entsprechend sollten beide Resultatslesarten einheitlich behandelt werden. Dafür, dass diese nur in Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Verb verfügbar sind, spricht auch, dass einfache, d.h. nicht abgeleitete Ereignisnomina keine Resultatslesart entwickeln (vgl. z.B. fr. fête ‘Feier’, it. funerale ‘Beerdigung’), obwohl sie grundsätzlich auch sekundäre Lesarten ausbilden können (z.B. en. noise ‘Lärm‘, das laut Bauer 1983: 187 je nach Kontext eine Ereignis-, Tatsachen-, Zustands- oder Art-und-Weise-Lesart hat). Ferner ist anzunehmen, dass bei sekundären Entwicklungen grundsätzlich eine Kompatibilität mit der Semantik der Basis vorliegen muss. Diesem Thema kann in der vorliegenden Arbeit aber nicht weiter nachgegangen werden. 156 Die Bezeichnung Nomen Actus geht wohl auf Wandruszka (z.B. 1976: 41) zurück und ist nicht mit dem Begriff Nomen Acti gleichzusetzen, welcher ganz allgemein „das Ergebnis der Verbalhandlung“ (Bußmann 2008, s.v.) bezeichnet, also für eine undifferenzierte Resultatslesart steht. 157 Als Gegenstück existieren auch nicht-zählbare Resultate, z.B. en. condensation in The condensation on the inside of the window impaired my view (Bauer 1983: 185). <?page no="155"?> 155 (14c) en. There have been several confrontations between students and the minister of education. Eine weitere Unterteilung nimmt Brandtner (2011: 33-41) vor, indem sie abstrakte Resultate (s. 14d) von den Resultatszuständen einerseits, den konkreten Resultatsobjekten (14e) andererseits abgrenzt. 158 (14d) dt. Die Übersetzung ist fehlerhaft. (14e) dt. Die Übersetzung liegt auf dem Tisch. Ein abstraktes Resultat liegt ihr zufolge dann vor, wenn eine Verbalhandlung ein abstraktes Ergebnis hervorbringt. Dabei kann die betreffende Nominalisierung zugleich über die Lesart eines konkreten Resultatsobjekts verfügen (vgl. 14d und 14e), dies ist aber nicht immer der Fall: dt. Entscheidung hat bspw. nur eine abstrakte Resultatslesart. Die Abgrenzung von abstrakten Resultaten und konkreten Resultatsobjekten erfolgt dadurch, dass ersteren das Merkmal [+ immateriell] zugeordnet wird (s. auch Kleiber 1994: 48-64). Der Unterschied zwischen abstrakten Resultaten und Resultatszuständen wiederum besteht Brandtner zufolge darin, dass nur letztere wie die Ereignisse einen zeitlichen Verlauf ausdrücken, was bei ihr mit dem Merkmal [+ Dauer] gekennzeichnet wird. Auch in Bezug auf die Ereignisbedeutung kann noch weiter differenziert werden, z.B. zwischen einer Ereignisnominalisierung im engeren Sinne und einer Prozessnominalisierung (Ehrich/ Rapp 2000: 251). Der Unterschied liegt darin, ob der Vorgang einen inhärenten Schlusspunkt hat, also telisch ist (= Ereignis) oder nicht (= Prozess). Ehrich/ Rapp nehmen außerdem noch Zustandsnominalisierungen an, die wiederum resultativ (dt. Absperrung) oder nicht-resultativ (dt. Bewunderung) sein können. Die Ereignislesarten werden weiterhin von einer Tatsachenbedeutung abgegrenzt (Lees 1968: 59-67, Vendler 1967: 122-146), die dadurch gekennzeichnet ist, dass die entsprechenden Substantive ein Argument von Verben der propositionalen Einstellung (dt. überzeugt sein von, fürchten, leugnen) sind (15b). Substantive mit einer reinen Ereignisbedeutung (15a) können demgegenüber laut Meinschaefer (2005: 35) mit Verben wie dt. stattfinden, geschehen, Zeuge sein von etc. kombiniert werden. Außerdem kommen sie mit zeit- oder dauerbezogenen Verben, Adverbien und Präpositionalphrasen vor und können individuiert, pluralisiert und quantifiziert werden. Beides trifft auf die Substantive mit Tatsachenbedeutung nicht zu. 158 Zusätzlich unterteilt Brandtner die abstrakten Resultate ebenso wie die Resultatsobjekte sogar noch in Untergruppen, was hier aber zu weit führen würde. <?page no="156"?> 156 (15a) fr. Après plusieurs fermetures de l’usine dues aux manque de gaz et d’électricité, les allemands [sic] quittent Billancourt le 16 août. (15b) fr. Les employés de Catelli craignent la fermeture de l’usine de la rue Notre- Dame. Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich die Tatsachenbedeutung anders als die bisher genannten Lesarten verhält. So scheint sie grundsätzlich für alle Substantive, die eine Ereignisbedeutung haben, erhältlich zu sein (Gaeta 2002: 212, Anm. 5, Jezek 2007: 256, Anm. 12). Laut Jezek sind Tatsachenbedeutungen nicht auf die inhärenten semantischen Eigenschaften eines Nomen Actionis zurückzuführen, sondern entstehen durch coercion - ausgelöst z.B. durch die oben genannten faktiven Prädikate. 159 Aus diesem Grund schließt sie die Tatsachenbedeutung aus der Betrachtung von Nominalisierungsbedeutungen aus (ebenso Brandtner 2011: 149). In den in dieser Arbeit verwendeten Fragebögen wird die betreffende Kategorie jedoch beibehalten, da das genaue Zustandekommen einer Bedeutung oder Lesart unerheblich ist, so lange sie für die Sprecher relevant ist. Zudem legen auch bereits einige der vorgegebenen Definitionen eine Tatsachenlesart nahe, z.B. bei fr. apparition ‘le fait de se montrer aux yeux’ (F1-2). Tab. 11 enthält noch einmal eine Übersicht über die vorangegangene Aufzählung der Lesarten, die in der Literatur unterschieden werden: 159 Jezek (2007: 264) zufolge fehlen in der Forschung generell noch Kriterien für die Unterscheidung zwischen inhärenten Lesarten und solchen, die lediglich durch coercion entstehen. <?page no="157"?> 157 Lesart Beispiel Quelle Ereignis (Nomen Actionis) fr. Après plusieurs fermetures de l’usine… Meinschaefer (2005: 30-35) Prozess dt. Bei der Beklebung der Wand… Ehrich/ Rapp (2000: 252) Tatsache fr. Les employés … craignent la fermeture de l’usine… Meinschaefer (2005: 30-35) Zustand dt. Die Bewunderung für die Diva. Ehrich/ Rapp (2000: 251, 270) perfektives Ereignis (Nomen Actus) en. There have been several confrontations… Meinschaefer (2005: 30-35) Resultatszustand fr. La destruction de la ville était minime. Meinschaefer (2005: 30-35) abstraktes Resultat dt. Die Übersetzung ist fehlerhaft. Brandtner (2011: 36) Resultatsobjekt fr. Cette construction est équipée de… Meinschaefer (2005: 30-35) Tab. 11: Verschiedene mögliche Lesarten von Substantiven Das folgende Teilkapitel beschreibt, wie mit den Lesarten, die in den Sprecherantworten aus den Fragebögen zur Ableitungsrichtung auftreten, verfahren wird. 4.3.5.3 Umgang mit Lesartenverschiebungen in den Fragebögen Wie im vorangehenden Kapitel angedeutet, scheint die mögliche Feinheit der Lesartenunterscheidung v. a. von Nominalisierungen kaum Grenzen zu kennen. Auch gibt es aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Termini Überschneidungen zwischen den einzelnen Lesarten. Entsprechend ist es hier nicht mehr sinnvoll, für jede in der Literatur beschriebene Lesart eine eigenständige Bedeutung im Sinne von Polysemie anzunehmen. Durch unterschiedliche Lesarten ergeben sich also nicht zwangsläufig andere lexikalische Einheiten. Abgesehen von einigen besonders häufig auftretenden und gut etablierten Bedeutungen von deverbalen Nominalisierungen, wie z.B. die Ereignis- und die Resultatsobjektlesart, handelt es sich hier um semantische Varianz unterhalb der Polysemieebene. Für solche Phänomene sind verschiedene Termini in Gebrauch, u.a. Kontextvarianz, Vagheit, Facetten oder Mikrobe- <?page no="158"?> 158 deutungen (Blank 2001: 108-110, Croft/ Cruse 2004: 116-140), denen jeweils verschiedene Eigenschaften zugesprochen werden. Pinkal (1991: 266) führt für den Zwischenbereich zwischen Vagheit und Ambiguität (wobei letztere Polysemie und Homonymie und damit den Bereich der eigenständigen Bedeutungen umfasst) die Bezeichnung Verwendungsvielfalt ein, die hier übernommen wird, da dieser Terminus definitorisch am besten auf das Phänomen der Lesartenverschiebung passt (vgl. auch das Beispiel Schule als Institution und Gebäude in Pinkal 1991: 265). 160 Ein Kriterium Blanks (2001: 109) zur Unterscheidung zwischen eigenständigen und nicht eigenständigen Bedeutungen ist die Frage, ob die betreffenden Bedeutungsvarianten derselben Referentenklasse zuzuordnen sind oder nicht. Für die Beispiele in (15a) und (15b) ist bspw. anzunehmen, dass sie sich auf dieselbe Klasse von Referenten beziehen, während für die Ereignis- und die konkrete Resultatsobjektlesart von fr. construction oder chauffage verschiedene Referenten vorliegen (s. auch Defrancq/ Willems 1996: 222). Für die Differenzierung solcher verschiedener Bedeutungsvarianten eines Substantivs stehen zwar distributionelle Tests wie z.B. die oben angesprochene Kombinierbarkeit von Ereignis- und Tatsachenlesart mit unterschiedlichen Verbgruppen zur Verfügung (s. Ehrich/ Rapp 2000: 252-254, Meinschaefer 2005: 30-35), im alltäglichen Sprachgebrauch werden solche Unterteilungen der ohnehin weniger salienten abstrakteren Bedeutungen jedoch kaum wahrgenommen und sind daher für die nicht linguistisch gebildeten Sprachbenutzer nicht zugänglich. Außerdem kann die Anwendung der etablierten Testkriterien im Einzelfall schwierig sein (s. z.B. Ostwald 2005: 2, 3). Daher wird von vielen Autoren eine nicht-diskrete Interpretation der verschiedenen Substantivbedeutungen bevorzugt: Defrancq/ Willems (1996: 222, 227) nehmen ein Kontinuum zwischen abstrakteren und konkreteren Bedeutungen an. Ungerer (2002b: 553) spricht deverbalen Substantiven, die Ereignis- und Resultatslesarten aufweisen, generell ein „floating concept“ zu, das nur durch den Kontext oder aufgrund von Lexikalisierung stabilisiert werden kann. Hinzu kommt, dass die Disambiguierung häufig erst durch den sprachlichen Kontext ermöglicht wird (vgl. z.B. die im Vorhergehenden dargestellten Kriterien für die Feststellung der Tatsachenbedeutung), der in den hier verwendeten Fragebögen aber nicht vorhanden ist. Auch was die Fragebögen zur Ableitungsrichtung angeht, wird davon ausgegangen, dass bei einem Großteil der semantischen Verschiebungen Verwendungsvielfalt vorliegt. Hier sollte es daher vermieden werden, von Bedeutungen zu sprechen, wohingegen der Begriff Lesart legitim ist, weil Lesarten 160 Eine ähnliche Lösung wählt Bierwisch (1989: 37-49), indem er bei den sekundären Bedeutungen von Nominalisierungen „konzeptuelle Verschiebungen“ annimmt, die er zwischen echter Ambiguität und Vagheit ansiedelt und die sich ihm zufolge ergeben, indem die ursprüngliche semantische Form durch Schablonen („SF-templets“) ergänzt wird. <?page no="159"?> 159 nicht dahingehend spezifiziert sind, ob sie eigenständige Bedeutungen darstellen oder nicht. In der Auswertung werden bei deverbalen Nominalisierungen nur lexikalische Einheiten mit eindeutig definierbaren Bedeutungen, die auf verschiedene Referenten verweisen, also z.B. Ereignis und Resultat, als eigenständig angenommen. Leicht abweichende Verwendungen fallen folglich in den Bereich der Lesarten und stellen dadurch keine Missachtung der vorgegebenen lexikalischen Einheiten dar. So sind die Resultatszustandslesart und die Lesart des abstrakten Resultats als abstraktere Lesarten im Unterschied zur Resultatsobjektlesart schwieriger vom Ereignis selbst oder der Tatsachenlesart zu trennen. 161 Hinzu kommt, dass einige Substantive mehr als eine der verschiedenen Resultatslesarten haben können (vgl. dt. Übersetzung in 14d und e), die nur durch spezifische Kontexte unterschieden werden können. Bezieht man auch das Nomen Actus, d.h. die Ereignisnominalisierung mit perfektivem Aspekt im Sinne Meinschaefers (s.o.) ein, ergibt sich ein fließender Übergang vom Nomen Actionis über das Nomen Actus zum - sofern vorhanden - Resultatszustand oder abstrakten Resultat bis zum Resultatsobjekt: 162 - Konkretheit + Ereignis / perfektives Resultatsabstraktes Resultats- Tatsache Ereignis zustand Resultat objekt Abb. 14: Zunehmende Konkretheit bei sekundären Lesarten von Nomina Actionis Wie durch den Fettdruck angedeutet werden soll, ist auf diesem Kontinuum nur die Resultatsobjektlesart klar von der Ereignisbzw. der Tatsachenlesart zu unterscheiden. Daher werden die Lesarten des perfektiven Ereignisses, des 161 Das zeigt sich auch darin, dass einige Sprecher das Nomen selbst dann als Resultat des Verbs sehen, wenn es sich um ein atelisches Verb handelt, dass eigentlich gar kein Resultat hervorbringen kann. Solche Fälle finden sich z.B. bei F3-10, a. taper - b. (la) tape („quil en resulte“, Sprecher 233) und I2-9, a. (il) respiro - b. respirare („il respiro è il risultato del respirare“, Sprecher 329). 162 Wie bereits angesprochen, kann nicht jedes Nomen Actionis automatisch auch einen Resultatszustand und/ oder ein Resultatsobjekt ausdrücken. Die Lesart als Nomen Actus scheint demgegenüber weniger beschränkt zu sein, allerdings fehlen hierzu noch genaue Untersuchungen. Z.B. hat fr. mélange (F3-12) als vermutliche Ableitung von einem accomplishment-Verb keine Resultatszustandslesart (Osswald 2005: 260), eine Lesart als Nomen Actus scheint aber unproblematisch zu sein: Vgl. Nous avons fait plusieurs mélanges… oder après quelques mélanges…, für die sich zahlreiche Google-Belege (zuletzt konsultiert am 23.11.2013) finden lassen. <?page no="160"?> 160 abstrakten Resultats und des Resultatszustands im Übergangsbereich zwischen den beiden eindeutig verschiedenen Bedeutungen angesiedelt und in den Sprecherantworten als zulässig gewertet, wenn sie bei vorgegebener Ereignis-, Tatsachen- oder Resultatsobjektlesart auftraten. Alle in den Fragebögen vorkommenden Lesarten sind in der unten folgenden Tab. 12 aufgeführt und jeweils durch ein Beispiel illustriert. Die in gewisser Weise zwischen den etablierten Bedeutungen ‘Ereignis’ und ‘Resultat’ liegenden abstrakteren Resultatslesarten sind in Tab. 12 in einer gesonderten Spalte aufgeführt, die den Übergangsbereich zwischen diesen Bedeutungen markiert. Die gestrichelten Linien zeigen an, dass es sich um Varianten unterhalb der Bedeutungsebene handelt. Anders verhält sich die Resultatsobjektlesart: Bezieht sich eine vorgegebene Stimulusparaphrase eindeutig auf die Ereignisbedeutung, können Sprecherbegründungen, die implizit ein Resultatsobjekt annehmen, nicht mehr in die Wertung einbezogen werden, da eindeutig ein anderer Referent vorliegt. Nicht nur ist hier der Abstand auf dem zugrunde gelegten Kontinuum am größten, die beiden unterschiedlichen Bedeutungen können auch von Nicht-Linguisten intuitiv voneinander abgegrenzt werden. 163 Deuteten Sprecherantworten also mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das (Resultats-)Objekt hin, wurden sie bei vorgegebener Ereignislesart nicht mehr als zulässig erachtet, was in Tab. 12 durch die durchgezogene Linie kenntlich gemacht ist. Beispielsweise kann bei fr. donner - (le) don (F2-14) eine Begründung des Typs „le don résulte du fait de donner“ (Sprecher 162) noch als Variante der vorgegebenen Paraphrase von don, ‘action de céder gratuitement la propriété d‘une 163 Einen Beleg dafür liefert der in Kap. 4.2.2 vorgestellte Sentence Generation & Definition Task zur Ermittlung der Bedeutungen von Wortformen: Aus dieser Befragung ergibt sich z.B. für fr. mélange und it. pubblicazione, dass nicht linguistisch gebildete Sprecher in der Produktionsaufgabe zwar durchaus die Ereignislesart von der konkreten (Resultats-)Objektlesart trennen, innerhalb der abstrakten (Resultats-)Lesarten jedoch weitaus weniger differenzieren, als es häufig in der linguistischen Literatur geschieht. Auch aus den Sprecherbefragungen zur Motivierbarkeit von Marzo (2013a: 120-189) ergibt sich, dass die Informanten potenziell deverbale Substantiven meist nur dann in erster Linie durch eine andere Bedeutung desselben Wortes motivieren, wenn sehr konkrete Lesarten vorgegeben wurden: Meist genannte Motivationspartner sind z.B. it. studio ‘Studieren’ bei studio ‘Arbeitszimmer’ und fr. alimentation ‘Ernährung (als Vorgang)’ bei alimentation ‘Lebensmittelladen’. Umgekehrt wurden Substantive mit weniger konkreten Bedeutungen bevorzugt extrinsisch, d.h. durch ein anderes Wort aus derselben Wortfamilie motiviert, z.B. it. commemorazione ‘Gedenkfeier’ durch memoria ‘Erinnerung’ anstatt durch commemorazione ‘Gedenken (als Vorgang)’. Auch bei vorgegebener Ereignislesart wurde selbst beim Vorliegen konkreter Bedeutungen, eher extrinsisch motiviert, z.B. fr. concurrence ‘Konkurrenz, das Konkurrieren’ durch concourir ‘konkurrieren’ anstatt durch concurrence ‘Konkurrenten’ (weitere Beispiele in Marzo 2013a: 144-171). <?page no="161"?> 161 chose à quelqu’un’ gewertet werden, wenn man die Lesart eines Nomen Actus zugrunde legt. 164 Demgegenüber ist bei fr. mélanger - (le) mélange (F3-12) bei der Begründung von Sprecher 412, „le mélange est obtenu lorsque lon a bien mélangé“, höchstwahrscheinlich die Resultatsobjektlesart gemeint (vgl. „obtenu“, „bien“), was mit der Vorgabe ‘action de mêler’ von (le) mélange nicht mehr vereinbar ist, sodass diese Antwort von der Auswertung ausgeschlossen wurde. Dieselben Kriterien gelten auch für den umgekehrten Fall, d.h. wenn aus vorgegebenen Objekt- oder Zustandsbedeutungen Ereignislesarten gemacht wurden: Vgl. z.B. I3-7, governare - (il) governo, wo die vorgegebene Substantivbedeutung ‘organo statale che determina l‘indirizzo politico dello stato’ relativ konkret ist. Da die Antwort von Sprecher 417, „è latto del governare“, auf die Ereignisbedeutung verweist, wurde sie deshalb als zu weit entfernt von der vorgegebenen Definition eingestuft und nicht gewertet. Die drei Resultatsvarianten Zustand, abstraktes Objekt und konkretes Objekt können auch auftreten, ohne das Ergebnis einer Handlung zu bezeichnen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn für ein V-N-Paar die Ableitungsrichtung N → V angenommen wird: Wenn Sprecher 174 bei fr. donner - (le) don (F2-14) N → V auswählt und dies mit „il faut un don pour pouvoir donner“ begründet, geht er von einer Objektlesart aus, die aber nicht aus der Verbhandlung resultiert, da er das Verb ja als sekundär betrachtet. Auch hier weicht die Lesart zu stark von der vorgegebenen Paraphrase ‘action de céder gratuitement la propriété d‘une chose à quelqu’un’ ab und muss von der Auswertung ausgeschlossen werden. Die nicht resultativen Objekt- und Zustandslesarten sind in Tab. 12 in jeweils eigenen Zeilen aufgeführt. 164 Bei einer großzügigen Auslegung könnte man die Antwort von Sprecher 162 sogar noch als die vorgegebene Ereignislesart betrachten, da ja Nomina Actionis typischerweise deverbal sind und folglich „aus einem Verb resultieren“. <?page no="162"?> 162 Bedeutung Lesarten Beispiel sem.kogn. Relation Ereignis 165 • perfektives Ereignis (Nomen Actus) • Resultatszustand • abstraktes Resultat • Ereignis: „rappresenta lazione del disturbare“ (I1-12, disturbo, Sprecher 253) • Tatsache: „car lapparition est le fait dapparaître“ (F1-2, apparition, Sprecher 85) sem- Ident Tatsache Resultat • perfektives Ereignis oder abstraktes Resultat: „le don résulte du fait de donner“ (F2-14, don, Sprecher 162) • Resultatszustand: „le doute est le résultat de laction de douter“ (F3- 3, doute, Sprecher 216) • abstraktes Resultat: „il respiro è il prodotto dellatto del respirare“ (I2-9, respiro, Sprecher 327) Kont Resultatsobjekt Resultatsobjekt: „le mélange est obtenu lorsque lon a bien mélangé“ (F3- 12, mélange, Sprecher 412) Objekt abstraktes Objekt abstraktes Objekt: „il respirare è linsieme dei respiri“ (I2-9, respiro, Sprecher 360) Kont konkretes Objekt konkretes Objekt: „il faut un don pour pouvoir donner“ (F2-14, don, Sprecher 174) 165 Manche Informanten scheinen zwischen action und acte im Französischen bzw. azione und atto im Italienischen zu unterscheiden. Dieser Unterschied wird aber nicht einheitlich genug gemacht, um diesbezüglich eine grundlegende aspektuelle Lesartenunterscheidung, wie sie sich z.B. in Pena (1976: 26-51) oder Bartsch (1981) findet, annehmen zu können. <?page no="163"?> 163 Zustand Zustand: „menace est un état ; menacer correspond à une intention“ (F1-10, menace, Sprecher 37) sem- Ident/ Kont Art und Weise Art und Weise: „façon deffectuer laction de regarder“ (F1-12, regard, Sprecher 82) Kont Instrument Organ Instrument: „disturbo è il mezzo con cui disturbare“ (I1-12, disturbo, Sprecher 266) Organ: „on sait regarder grâce à notre regard (yeux)“ (F1-12, regard, Sprecher 54) Kont Ort Ort: „il cammino è lo spazio in cui si svolgo il camminare.” (I2-11, cammino, Sprecher 329) Kont Zeitspanne Zeitspanne: „e lintervallo temporale che deriva dallattivita di soggiornare“ (I3-3, soggiorno, Sprecher 414) Kont Tab. 12: Bei der Auswertung der Fragebögen unterschiedene Substantivlesarten Was die Zuordnung einer semantisch-kognitiven Relation zu den einzelnen Sprecherantworten angeht, so gilt gemäß den in Kap. 4.3.3 dargelegten Kriterien im Falle einer eindeutigen Ereignisbedeutung die Relation zum verbalen Motivationspartner als semIdent. Auch die Beziehung zwischen Verb und Tatsachenbedeutungen wurde als semIdent eingestuft, da sich die Tatsachen- und die Ereignislesart nur durch die Verbgruppen unterscheiden, mit denen sie in einer konkreten Äußerung auftreten (vgl. Bspe. 15a und 15b). Drückt ein Substantiv einen Zustand aus, hängt die semantisch-kognitive Relation vom verbalen Motivationspartner ab: Wenn es sich um ein Zustandsverb handelt, liegt semIdent vor, ansonsten Kont (s. auch die Zeile „Zustand“ in Tab. 12). Die Resultatslesarten und alle anderen in der Tabelle verzeichneten Lesarten basieren auf Kont. Die ersten vier Bedeutungen der oben stehenden Tabelle treten in den Fragebögen bei Substantiven aus V-N-Paaren regelmäßig auf, während es sich bei den letzten fünf um Einzelfälle handelt, die sich aus dem spezifischen <?page no="164"?> 164 Konzeptbereich des Stimulussubstantivs (wie z.B. regard, F1-12) ergeben. Abweichende Bedeutungen, die grundsätzlich aus der Wertung ausgeschlossen wurden, sind nicht aufgeführt. Wie erwähnt stehen in den beiden linken Spalten durchgezogene Linien zwischen den drei linken Spalten für verschiedene Bedeutungen eines Substantivs. Verschiebungen auf dieser Ebene in den Fragebögen wurden von der Wertung ausgeschlossen. Die gestrichelten Linien hingegen deuten auf unterschiedliche Lesarten hin, deren Vermischung als zulässig erachtet und gewertet wurde. Die Zulassung unterschiedlicher Lesarten trägt auch der Tatsache Rechnung, dass nicht alle vorgegebenen Bedeutungsparaphrasen bezüglich der Lesart genau spezifiziert sind. Dasselbe gilt auch für die Antworten der Informanten. Hierzu zwei Beispiele: • Der Stimulus (le) doute (F3-3) ist als ‘hésitation, incertitude’ definiert. Die in der Paraphrase verwendeten Synonyme können für ein Ereignis, für eine Tatsache oder für ein Resultat stehen und damit ist auch der Stimulus doute selbst hinsichtlich der Lesart ambig. 166 • Bei F1-2 begründet Sprecher 33 seine Richtungsauswahl V → N folgendermaßen: „lapparition nous permet de voir ce qui apparait“. Apparition kann in der Sprecherantwort ein Ereignis, eine Tatsache oder ein Resultat bezeichnen. Wenn der Stimulus selbst bereits mehrere mögliche Lesarten umfasst, werden diese natürlich auch bei den Antworten als zulässig gewertet. Des Weiteren begründen, wie in Kap. 4.3.4 ausführlich beschrieben wurde, nicht alle Sprecher ihre Richtungsauswahl überhaupt semantisch. Werden diachronische oder formale Gründe für die Richtungsentscheidung angeführt, ist eine Bestimmung der Lesart generell unmöglich. 4.4 Fazit zu Kapitel 4 Auf der Grundlage zweier in Kap. 3.2.2 vorgestellter Pilotstudien zur Ableitungsrichtung wurde in diesem Kapitel der für die Sprecherbefragungen verwendete Fragebogen entwickelt und es wurden die Materialauswahl, die Datenbereinigung und die Vorgehensweise bei der Auswertung erläutert. In diesem Zusammenhang machte ein unerwartet aufgetretenes Phänomen - die 166 Demgegenüber hinsichtlich einer einzigen Lesart spezifiziert sind Stimuli wie fr. (le) mélange ‘action de mêler’ (F3-12) = Ereignislesart, apparition ‘le fait de se montrer aux yeux’ (F1-2) = Tatsachenlesart und it. (la) riserva ‘l‘insieme delle cose messe in serbo’ (I2-1) = (Resultats-)Objektlesart. <?page no="165"?> 165 Verschiebung der vorgegebenen Bedeutung von Substantiven zu meist konkreteren Lesarten durch die Sprecher - einen theoretischen Exkurs notwendig, in dem zum einen dargestellt wurde, warum Konkretisierungen kognitiv begründet sind. Zum anderen wurde gezeigt, dass die verschiedenen möglichen Lesarten so feinkörnig sind, dass sie größtenteils unterhalb der Grenze zur eigenständigen Bedeutung liegen. Verschiebungen, die nicht zu eigenen, von den vorgegebenen Stimuli abweichenden lexikalischen Einheiten führten, konnten daher für die Auswertung der Ergebnisse berücksichtigt werden. Das nun folgende Kapitel ist den Ergebnissen der Sprecherbefragung im Hinblick auf den Motiviertheitsgrad der Stimuli gewidmet. <?page no="166"?> 166 5 Ergebnisse I: Motiviertheitsgrad Aus den Sprecherbefragungen ergibt sich zunächst der Motiviertheitsgrad der Stimulipaare, der gemäß der bereits vorgestellten Formel errechnet wird. Diese Werte werden im vorliegenden Kapitel präsentiert und unter Berücksichtigung der Hypothesen zur Motiviertheit diskutiert. Nach einer ersten, allgemeinen Übersicht über die Verteilung der Motiviertheitswerte (5.1) werden die Ergebnisse vergleichend für das Französische und das Italienische dargestellt, und zwar zuerst aus der Perspektive der formalen Relationen (5.2) und dann aus der der semantisch-kognitiven Relationen (5.3), was die Überprüfung der Hypothesen [1] und [2] erlaubt. Im letzten Unterkapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst (5.4). 167 In den Fällen, in denen aus Gründen der Übersichtlichkeit die besprochenen Stimulipaare aus dem Untersuchungsmaterial nicht vollständig angegeben sind, können alle weiteren Informationen mit Hilfe der Identifikationsnummer (Kurz-ID) den Anhängen 9.2 und 9.4 entnommen werden. 5.1 Verteilung der Motiviertheitswerte Wie erwartet wurden bis auf die sechs mutmaßlich nicht-motivierten Kontrollpaare alle anderen Stimulipaare von den Fragebogenteilnehmern als motiviert erachtet. Tab. 13 zeigt, dass sich bei den nicht-motivierten Paaren Durchschnittswerte von unter 6% im Französischen und von unter 3% (bei zwei Wortpaaren sogar 0%) im Italienischen ergeben. 167 Die in diesem und in Kap. 6 präsentierten Ergebnisse beanspruchen keine statistische Repräsentativität, da das Untersuchungsmaterial zu klein ist, viele Variablen enthält und auch die Informanten nicht nach repräsentativen Kriterien ausgewählt werden konnten. Die mit den eigens entwickelten Formeln errechneten Ergebnisse (s. Kap. 3.3.1 und 3.4.3) sind recht feinkörnig und daher statistisch höchstwahrscheinlich nicht signifikant. Aus diesem Grund werden sie nur mit den Verfahren der deskriptiven Statistik dargestellt. Da die erhobenen Daten außerdem nicht nur quantitativer, sondern aufgrund der im offenen Teil des Fragebogens verlangten Begründungen auch qualitativer Natur sind, kämen die Verfahren der inferentiellen Statistik ohnehin nur für Teilaspekte in Frage (s. auch Albert/ Marx 2010: 2, 66, 156; Marzo 2013a: 120-121). <?page no="167"?> 167 Französisch Italienisch FB Wortpaar Motiviertheitsgrad FB Wortpaar Motiviertheitsgrad F1 chant - chantier 5.4% I1 (il) cantiere - cantare 0% F2 sale - saler 3.3% I2 (il) cantiere - cantare 0% F3 saler - sale 3.7% I3 (il) cantiere - cantare 2.9% Tab. 13: Ergebnisse für die nicht-motivierten Kontrollpaare Da nur dann Motiviertheit angenommen wurde, wenn die Mehrheit der Befragten eine Beziehung zwischen den Motivationspartnern erkennen konnte, sodass sich ein Motiviertheitsgrad von mindestens 50% ergibt (s. Kap. 3.3.1), bestätigt sich hier also die angenommene Nicht-Motiviertheit der Kontrollpaare in allen sechs Fällen. Demgegenüber weisen die als motiviert erachteten 64 französischen und 55 italienischen Stimulipaare 168 einen Motiviertheitsgrad zwischen 100% und 62,2% im Französischen (Durchschnitt 96.5%) und zwischen 100% und 69,7% im Italienischen (Durchschnitt 94.3%) auf, sind also alle eindeutig motiviert. Interessanterweise sind es meist nur einzelne Wortpaare, die maßgeblich zur Einschränkung des Motiviertheitsgrades des einzelsprachlichen Untersuchungsmaterials beitragen. So beträgt der Motiviertheitsgrad im Französischen nur in sieben von den insgesamt 26 Fällen, die überhaupt eine Einschränkung aufweisen, weniger als 90%. Im Italienischen ist die Zahl höher. Hier liegt der Motiviertheitsgrad in elf von insgesamt 33 Fällen mit Einschränkung unter 90%. Solche „Ausreißer“ mit einem Motiviertheitsgrad unter 90% sind in den Tab. 14 und 15 aufgeführt. Da ihre Charakteristika sich besonders deutlich auf die Motiviertheit auszuwirken scheinen, wird bei der Ergebnisdiskussion in den nächsten Teilkapiteln auf diese Motivationspaare ein besonderes Augenmerk gerichtet. 168 Ursprünglich betrug die Gesamtmenge 75 Wortpaare pro Sprache. Die oben angegebenen Zahlen beziehen sich auf die verbleibenden motivierten Stimulipaare nach dem nachträglichen Ausschluss von acht französischen und 17 italienischen Paaren (s. Kap. 4.3.2). <?page no="168"?> 168 Französisch Kurz- ID Stimulus A Stimulus B form. Relation/ sem.-kogn. Relation Anzahl der Entscheidungen gegen Motiviertheit 169 Motiviertheitsgrad F1-11 être ‘exister’ l'être ‘personne humaine’ Wortkonversion Kont 4 88.9% F1-20 comprendre ‘saisir intellectuellement’ comprendre ‘contenir’ formIdent metSim 14 62.2% F1-24 penser ‘imaginer’ penser ‘réfléchir’ formIdent Kont 5 86.5% F2-19 arriver ‘se passer’ arriver ‘parvenir au lieu où l’on voulait aller’ formIdent metSim 6 79.3% F2-24 signifier ‘avoir pour sens’ (le) signe ‘chose, phénomène qui indique l’existence ou la vérité d’une chose’ Suffigierung Kont 3 88.9% F3-17 (la) réparation ‘dédommagement’ (la) réparation ‘remise en bon état d’une construction ou d’une habitation’ formIdent Kont 3 88% F3-22 prendre apprendre ‘s’instruire, acquérir des Präfigierung metSim 6 77.8% 169 Dass die gleichen absoluten Zahlen hier und in Tab. 15 in unterschiedlichen Motiviertheitswerten resultieren, liegt daran, dass die Gesamtzahl der Antworten pro Stimuluspaar jeweils leicht divergiert (s. auch Kap. 4.3.2). <?page no="169"?> 169 ‘mettre avec soi, amener à soi’ connaissances’ Tab. 14: Motivationspaare mit einem Motiviertheitsgrad unter 90% im Französischen Italienisch Kurz- ID Stimulus A Stimulus B form. Relation/ sem.-kogn. Relation Anzahl der Entscheidungen gegen Motiviertheit Motiviertheitsgrad I1-3 (lo) sfondo ‘in un campo visivo, la parte più distante rispetto a chi guarda’ (il) fondo ‘parte inferiore di qualcosa’ Präfigierung Kont 10 69.7% I1-7 credere ‘pensare’ credibile ‘attendibile, plausibile’ Suffigierung Kont 4 87.9% I1-9 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ ricercare ‘analizzare, esaminare, indagare’ Präfigierung Kont 3 89.7% I1-11 battere ‘colpire, percuotere ripetutamente qualcosa’ abbattere ‘buttare giù, far cadere’ Präfigierung Kont 4 87.9% I1-20 comprendere ‘capire, afferrare’ comprendere ‘contenere, includere’ formIdent metSim 5 84.9% I1-21 impossibile ‘che non si può realizzare’ impossibile ‘insopportabile’ formIdent Kont 6 81.8% <?page no="170"?> 170 I2-1 riservare ‘prenotare’ riserva ‘l’insieme delle cose messe in serbo’ Stammkonversion Kont 5 81.5% I2-16 inghiottire ‘mandar giù nell’esofago cibo o bevande’ ghiotto ‘goloso’ Präfigierung Kont 5 83.3% I3-5 (la) striscia ‘pezzo stretto e lungo di materiale vario’ strisciare ‘muoversi sfiorando o sfregando sopra una superficie’ Stammkonversion Kont 9 73.5% I3-16 (il) credito ‘considerazione, fiducia’ (il) credito ‘diritto a una prestazione pecuniaria’ formIdent Kont 8 75.8% I3-22 prendere ‘afferare qualcosa con le mani’ apprendere ‘imparare, acquisire con la mente’ Präfigierung metSim 5 83.9% Tab. 15: Motivationspaare mit einem Motiviertheitsgrad unter 90% im Italienischen 5.2 Motiviertheitsgrad und formale Relationen Um die Auswirkung der zugrunde liegenden formalen Relation auf den Motiviertheitsgrad der Stimulipaare unter allen relevanten Aspekten betrachten zu können, wird in Kap. 5.2.1 ein Überblick über die Ergebnisse pro formale Relation gegeben. Anschließend erfolgt die Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [1] in Kap. 5.2.2. <?page no="171"?> 171 5.2.1 Überblick Tab. 16 gibt eine Übersicht über die durchschnittlichen Motiviertheitsgrade pro formale Relation im Französischen, im Italienischen und insgesamt: 170 Tab. 16: Durchschnittlicher Motiviertheitsgrad pro formale Relation Im Italienischen ergibt sich ein etwas niedrigerer Gesamtmotiviertheitsgrad für die formalen Relationen als im Französischen. Mit 96.5% und 94.3% fallen die Einschränkungen zwar gering aus, die italienischen Fragebogenteilnehmer haben aber offensichtlich etwas häufiger von der Antwortoption „ich sehe keinerlei Beziehung zwischen den beiden Wörtern“ Gebrauch gemacht als die französischen Informanten. Die Motiviertheitsgrade für die einzelnen formalen Relationen sowie der Gesamtwert über beide Sprachen hinweg zeigen, dass der Motiviertheitsgrad bei den Stammkonversionen, gefolgt von den Suffigierungen, in beiden Sprachen nur knapp unter 100% liegt, während er bei Wortkonversion, formaler Identität (formIdent) und Präfigierung etwas 170 Es ist natürlich fraglich, inwieweit Ergebnisse für Einzelsprachen einfach zusammengefasst werden können. Aufgrund der engen Verwandtschaft der untersuchten Sprachen erscheint es im vorliegenden Fall jedoch zulässig: So kann der Einfluss bestimmter formaler bzw. semantisch-kognitiver Relationen besser herausgearbeitet werden. 171 Die 31 französischen Stammkonversionen bestehen aus 27 V-N-, zwei V-Adj.- und zwei Adj.-N-Paaren. Im Italienischen handelt es sich um 21 V-N- und vier V-Adj.-Paare. 172 Bei den beiden Wortkonversionen im Französischen handelt es sich um nominalisierte Infinitive. Motiviertheitsgrad formale Relation Französisch (Anzahl) Italienisch (Anzahl) insgesamt (Anzahl) formale Identität 91.5% (18) 93.2% (16) 92.3% (34) Stammkonversion 171 99.4% (31) 96.8% (25) 98.3% (56) Wortkonversion 172 94.4% (2) -- 94.4% (2) Präfigierung 94.5% (5) 84.2% (6) 88.9% (11) Suffigierung 97.8% (8) 96% (8) 96.9% (16) Gesamtdurchschnitt 96.5% (64) 94.3% (55) 95.5% (119) <?page no="172"?> 172 geringer ausfällt. Dabei weist im Französischen die Gruppe der formIdent den geringsten Durchschnitts-Motiviertheitsgrad auf, während es im Italienischen sowie im Gesamtdurchschnitt die Präfigierungen sind, die die stärkste Einschränkung der Motiviertheit offenbaren und noch einmal einen deutlich niedrigeren Wert als die französischen Präfigierungen haben. Im Vergleich zu den nicht-motivierten Kontrollpaaren handelt es sich bei den Motiviertheitswerten zwar um geringfügige Unterschiede, die sicher größtenteils keine statistische Signifikanz beanspruchen können. Bedenkt man aber, dass die Motiviertheitsskala eigentlich nur den Bereich zwischen 50% und 100% umfasst, weil darunter liegende Wortpaare als nicht-motiviert erachtet wurden, sind die Abweichungen im Verhältnis gesehen größer als es auf den ersten Blick aussieht. Außerdem weisen sie eine gewisse Systematizität auf, wie sich im Folgenden zeigen wird, insofern sie die unterschiedliche Wahrnehmbarkeit der verschiedenen formalen Relationen sowie den Einfluss weiterer Faktoren widerspiegeln. Angeordnet nach abnehmendem Motiviertheitsgrad pro Sprache entsteht für die formalen Relationen die folgende Skala: Abb. 15: Motiviertheitsgrad nach formaler Relation im Sprachvergleich Auch wenn die einzelnen formalen Relationen in den beiden Untersuchungssprachen bezüglich des Motiviertheitsgrades etwas unterschiedlich gewichtet sind, ergibt sich sowohl aus den Zahlen pro Einzelsprache als auch insgesamt 75 80 85 90 95 100 105 Motiviertheitsgrad der formalen Relationen Französisch Italienisch insgesamt <?page no="173"?> 173 eine Trennlinie zwischen Stammkonversion und Suffigierung mit einem geringfügig eingeschränkten Motiviertheitsgrad (insgesamt ≥ 96.9%) einerseits und formIdent, Wortkonversion und Präfigierung mit einem etwas deutlicher eingeschränkten Motiviertheitsgrad andererseits (insgesamt ≤ 94.4%). 5.2.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [1] In Kap. 3.3.2 waren ausgehend von den Annahmen der Natürlichen Morphologie die folgenden Hypothesen formuliert worden: [1a] Wortpaare, die einen formalen Komplexitätsunterschied aufweisen, sind stärker motiviert als Paare ohne formalen Komplexitätsunterschied. [1b] Wortpaare, die formal kompositional sind, sind stärker motiviert als nicht formal kompositionale Paare. Wie der Ergebnisüberblick zeigt, trifft Hypothese [1a] nur teilweise zu. So weisen zwar die formal unterschiedlich komplexen Suffigierungspaare wie erwartet eine nahezu uneingeschränkte Motiviertheit auf, die Präfigierungspaare aber eine vergleichsweise stark eingeschränkte, obwohl der formale Komplexitätsunterschied bei beiden Affigierungsgruppen in etwa gleich groß ist. Im Italienischen liegt der Motiviertheitsgrad der Präfigierungen sogar noch unter dem der formIdent. Ebenso erweisen sich die formal gleich komplexen Paare als heterogen: Die auf formIdent beruhenden Stimulipaare 173 und die beiden französischen Wortkonversionen sind wie erwartet schwächer motiviert, aber die Stammkonversionen, die ebenfalls formal gleich komplex sind, erreichen eine noch höhere Motiviertheit als die Suffigierungen. In der Übersicht in Tab. 17 sind Übereinstimmungen mit Hypothese [1a] durch „=“, Nicht-Übereinstimmungen durch „≠“ angedeutet. 173 Die bei formIdent häufig eingeschränkte Motiviertheit könnte auf den ersten Blick als ein Widerspruch zu den Ergebnissen des Sentence Generation & Definition Tasks gesehen werden (vgl. Kap. 4.2.2), da die Stimulipaare aus dem Richtungstest ja zum Großteil auf diesen Daten beruhen. Jedoch hatten die Teilnehmer am SG&DT nicht die Aufgabe, nur semantisch miteinander verwandte Bedeutungen zu nennen, sodass sie möglicherweise selbst gar keine Beziehungen zwischen den von ihnen in Beispielsätzen illustrierten Bedeutungen angenommen hätten. Ferner erfordert das bewusste Suchen von Bedeutungen zu einer vorgegebenen Wortform ganz andere metasprachliche Kriterien als die Beurteilung von vorgegebenen Beziehungen und kann daher nicht direkt mit letzterer verglichen werden. <?page no="174"?> 174 formale Relation formaler Komplexitätsunterschied Motiviertheitsgrad formIdent nein = niedriger Stammkonversion nein ≠ höher Wortkonversion nein = niedriger Präfigierung ja ≠ niedriger Suffigierung ja = höher Tab. 17: Übersicht über die Verhältnisse zwischen formaler Relation, formalem Komplexitätsunterschied und Motiviertheitsgrad Auch aus den beiden Listen der Paare mit besonders eingeschränktem Motiviertheitsgrad (Tab. 14 und 15) geht hervor, dass in erster Linie formIdent- und Präfigierungspaare von einer vergleichsweise niedrigen Motiviertheit betroffen sind. Die anderen formalen Relationen bleiben Einzelfälle. Es fragt sich also, warum gerade so formal unterschiedliche Relationen wie formIdent und Präfigierung relativ betrachtet die größten Einschränkungen im Motiviertheitsgrad aufweisen. Auch die fast uneingeschränkte Motiviertheit der Stammkonversionen ist zu klären. Evtl. heben letztere sich (mit Ausnahme der Adj.-N-Paare) durch den Wechsel der Flexionssuffixe von den formal kongruenten Wortkonversions- und formIdent-Paaren ab, es könnte aber auch noch andere Gründe geben. Die Präsenz der „eingefrorenen“ Flexionsmarker bei den Wortkonversionen (s. Kap. 1.3.2) scheint hingegen keinen positiven Einfluss auf die Motiviertheit zu haben. Als Erklärung für die Divergenz innerhalb der Affigierungen lässt sich gemäß Hypothese [1b] die formale Kompositionalität anführen. In der Tat besteht diesbezüglich ein gewisser quantitativer Unterschied zwischen Präfigierungen und Suffigierungen: Bei den Präfigierungen sind insgesamt 27.3% nicht formal kompositional, bei den Suffigierungen nur 18.8%. 174 Außerdem handelt es sich bei fünf der insgesamt sechs Fälle um italienische Wortpaare. Dieses Ergebnis könnte also bereits den unerwarteten Unterschied zwischen Präfigierungen und Suffigierungen einerseits, den Unterschied zwischen dem Französischen und dem Italienischen andererseits erklären. Es ist aber noch zu prüfen, inwieweit sich gemäß Hypothese [2] die 174 Fehlende formale Kompositionalität bedeutet bei den Affigierungen, dass das formal einfachere Wort nicht die direkte Ableitungsbasis für den formal komplexeren Motivationspartner darstellt (s. Kap. 1.1, Anm. 8). Dies ist innerhalb der Präfigierungen bei fr. a. départ - b. partir (F1-3), it. a. (lo) sfondo - b. (il) fondo (I1-3) und a. inghiottire - b. ghiotto (I2-16) der Fall, innerhalb der Suffigierungen bei it. a. (il) popolo - b. (la) popolazione (I1- 6), a. (la) conquista - b. (il) conquistatore (I1-6) und a. puntualizzare - b. (il) punto (I2-24). Zur Kompositionalität s. auch Kap. 6.4.2.2 und 6.4.3. <?page no="175"?> 175 semantisch-kognitiven Relationen und eine eventuelle Idiomatizität auswirken, und zwar auch im Vergleich zu den anderen, formal gleich komplexen Gruppen, auf die die formale Kompositionalität keinen Einfluss zu haben scheint: Obwohl weder die Stammnoch die Wortkonversionen oder form- Ident formal kompositional sind, weisen sie recht unterschiedliche Motiviertheitsgrade auf. Hypothese [1b] bestätigt sich also nur für die Relationen mit formalem Komplexitätsunterschied. Weiterhin kommt eine Feststellung aus der Psycholinguistik für den Unterschied zwischen den beiden Affigierungstypen in Frage: In verschiedenen Studien hat sich eine Asymmetrie zwischen Präfigierungen und Suffigierungen gezeigt: So sind präfigierte Wörter gegenüber suffigierten „benachteiligt“, was z.B. die Vorkommenshäufigkeit sowie die Reaktionszeit, Korrektheit und Fazilitation bei Worterkennungs- oder lexikalischen Entscheidungsaufgaben angeht (z.B. Cutler et al. 1985, Segui/ Zubizarreta 1985 sowie Colé et al. 1986 speziell zum Französischen). Auch ist der Wortanfang für den Abruf oder die Erkennung von Wörtern salienter als das Wortende oder gar seine Mitte (Cutler et al. 1985: 736-737). Geht man wie die Mehrheit der Wortbildungsforscher davon aus, dass bei der Worterkennung grundsätzlich dekomponiert werden kann (McQueen/ Cutler 1998), 175 besteht aus diesen Gründen eine eindeutige Präferenz für die Abfolge Wortstamm - Affix, also Suffigierung, da hierbei vor allem in gesprochener, aber auch in geschriebener Sprache zuerst der Stamm mit der für das Verständnis entscheidenden lexikalisch-semantischen Information verarbeitet werden kann. Sofern sich diese sog. Suffixpräferenz auch bei metasprachlicher Reflexion bemerkbar macht, könnte sie also eine Erklärung für den niedrigen Motiviertheitsgrad der Präfigierungen gegenüber den Suffigierungen aus dem eigenen Untersuchungsmaterial bieten. Allerdings ist zu vermuten, dass derartige Präferenzen bei der Verwendung von Offline-Methoden durch die zeitlich unbegrenzte Bearbeitungszeit weitgehend ausgeglichen werden (s. auch Marzo 2013a: 250). Wichtiger ist in diesem Zusammenhang der Faktor der Idiomatizität, denn dass diese die Motiviertheit einschränken kann, ist unbestritten (s. Kap. 1.1 und 3.3.2). In der Tat argumentiert Hay (2003: 44) auf der Basis der Suffixpräferenz, dass auf Präfigierungen wegen der für das Verständnis ungünstigeren 175 Dies ist jedoch keineswegs unumstritten. Aus der Vielzahl der Varianten von Wortverarbeitungsmodellen (Einen Überblick geben z.B. McQueen/ Cutler 1998: 409-414, Jensen 1999: 76-104, Hay 2003: 6-9 und Prestin 2003) kristallisiert sich aber die allgemeine Annahme heraus, dass flektierte Formen dekomponiert werden und entsprechend keinen eigenen Eintrag im mentalen Lexikon besitzen, sondern mittels Regeln immer wieder neu generiert werden. Derivierte Wörter hingegen besitzen zwar einen eigenen Eintrag, sind aber mit verwandten Wörtern über Netzwerke verbunden und können bei der Verarbeitung wenn nötig in ihre Bestandteile zerlegt werden (sog. „dual route models“, s. McQueen/ Cutler 1998: 423 und Kap. 3.1). <?page no="176"?> 176 Abfolge der Morpheme eher als Ganzes zugegriffen wird, während Suffigierungen öfter dekomponiert werden. Daher hält sie Präfigierungen für geeigneter als Suffigierungen, intransparente, d.h. idiomatische Bedeutungen, zu entwickeln (Hay 2003: 44), was sich für ihr Wortmaterial bestätigt. 176 Der formal-semantische Zusammenhang ist ihren Ergebnissen zufolge also zwischen einer Suffigierung und ihrer Basis auf den ersten Blick eindeutig leichter zu erkennen als bei Präfigierungen und ihren Basen. Je idiomatischer die Bedeutungen eines Stimuluspaares sind, desto stärker sollte auch die Motiviertheit eingeschränkt sein (s. Hypothese [2b]). Sofern die hier untersuchten Präfigierungspaare also idiomatischer sind als die Suffigierungspaare, ließe sich der Unterschied im Motiviertheitsgrad durch diesen Faktor erklären - unabhängig davon, ob eine generelle Suffixpräferenz besteht oder nicht. In den nächsten Teilkapiteln wird sich zeigen, dass vor allem die Kombination mit bestimmten semantisch-kognitiven Relationen und damit einhergehend die Idiomatizität, aber auch weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen, um zu erklären, warum die in Hypothese [1] formulierten Erwartungen nur teilweise zutreffen. 5.3 Motiviertheitsgrad und semantisch-kognitive Relationen Analog zu Kap. 5.2 wird in diesem Teil der Motiviertheitsgrad der verschiedenen semantisch-kognitiven Relationen dargestellt. Dazu wird in Kap. 5.3.1 wieder ein Überblick über die Ergebnisse gegeben. Es folgen die Diskussion von Hypothese [2a] in Kap. 5.3.2 und die genauere Betrachtung der Interaktionen der semantisch-kognitiven mit den formalen Relationen sowie von Hypothese [2b] in Kap. 5.3.3. Die letzten beiden Unterkapitel gehen auf einzelne Gruppen semantisch-kognitiver Relationen ein: zuerst auf die beiden zentralen Relationen der metaphorischen Similarität und der Kontiguität (5.3.4), dann auf die im Stimulimaterial nur selten vertretenen taxonomischen Relationen und den konzeptuellen Kontrast (5.3.5). 176 Dabei ergibt sich wie von ihr erwartet eine Interaktion mit der Phonotaktik der Morphemgrenzen bei Präfigierungen: „Illegale“, weniger häufig auftretende phonologische Übergänge an den Morphemgrenzen (z.B. en. inhumane) favorisieren die Dekomposition und haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, semantisch transparent zu sein, während „legale“, häufiger auftretende Übergänge (z.B. en. insincere) eine niedrigere Wahrscheinlichkeit haben. Zwar ist diese Tendenz nicht signifikant (Hay 2003: 60), bei Suffigierungen entsteht im Vergleich dazu jedoch überhaupt keine Interaktion von semantischer Transparenz und Phonotaktik an den Morphemgrenzen (Hay 2003: 67-69). <?page no="177"?> 177 5.3.1 Überblick Die folgende Tabelle stellt den Motiviertheitsgrad pro semantisch-kognitive Relation und im Gesamtdurchschnitt dar. Es ist allerdings zu beachten, dass es sich hierbei um die von der Autorin bei der Zusammenstellung des Untersuchungsmaterials angenommenen Relationen handelt, während sich aus den Begründungen der Fragebogenteilnehmer insbesondere im Bereich von semantischer Identität (semIdent) und Kontiguität (Kont) andere bzw. ganz verschiedene semantisch-kognitive Beziehungen für die einzelnen Motivationspaare ergeben (s. auch Kap. 4.2.1). Da diese jedoch zu heterogen sind, um sinnvolle Auswertungen zu erlauben (vgl. die Originaldaten unter http: / / www.narr-shop.de/ zur-direktionalitat-der-lexikalischen-motivation.html), werden im vorliegenden Teilkapitel die ursprünglich angenommenen semantisch-kognitiven Relationen zugrunde gelegt. Auch beschränkt sich die Diskussion des Motiviertheitsgrades zunächst auf die drei Relationen semIdent, Kont und metSim, da die Kontrastrelation sowie die taxonomischen Relationen nur in den französischen Fragebögen und damit insgesamt zu selten vorkamen, um aussagekräftig zu sein. Sie sind aber in Tab. 18 aufgeführt und werden kurz im letzten Teilkapitel besprochen. Tab. 18: Durchschnittlicher Motiviertheitsgrad pro semantisch-kognitive Relation Motiviertheitsgrad ursprgl. angenommene sem.-kogn. Relation Französisch (Anzahl) Italienisch (Anzahl) insgesamt (Anzahl) metaphorische Similarität (metSim) 86% (7) 94% (10) 90.7% (17) semantische Identität (semIdent) 99.6% (16) 100% (8) 99.7% (24) Kontiguität (Kont) 97.2% (34) 93.1% (37) 95.1% (71) konzeptueller Kontrast 98.7% (2) -- 98.7% (2) taxonomische Super- und Subordination (taxSuperSub) 96% (4) -- 96% (4) kotaxonomische Similarität (kotaxSim) 93.3% (1) -- 93.3% (1) Gesamtdurchschnitt 96.5% (64) 94.3% (55) 95.5% (119) <?page no="178"?> 178 Hinsichtlich des Motiviertheitsgrades pro semantisch-kognitive Relation weisen die beiden Untersuchungssprachen teilweise ähnliche, teilweise unterschiedliche Ergebnisse auf. Den stärksten Motiviertheitsgrad haben auf sem- Ident beruhende Motivationspaare. Ihr Wert liegt in beiden Sprachen nur knapp unter bzw. bei 100%. Demgegenüber verfügen metSim und Kont über reduzierte Motiviertheitsgrade. Im Französischen hat vor allem metSim zu einem deutlich niedrigeren Motiviertheitsgrad der betreffenden Wortpaare geführt, wohingegen im Italienischen die Einschränkung bei metSim geringer ausfällt, sodass sie sogar noch einen etwas höheren Motiviertheitsgrad als Kont hat. Insgesamt ergibt sich damit für die metSim-Paare mit einem Motiviertheitsgrad von 90,7% eine stärkere Einschränkung der Motiviertheit als für die Kont-Paare mit 95,1%. Auch hierbei handelt es sich im Vergleich zu den nicht-motivierten Kontrollpaaren wieder um feinkörnige Unterschiede, die aber dennoch kognitiv fundiert werden können. Abb. 16 ordnet die semantisch-kognitiven Relationen nach abnehmendem Motiviertheitsgrad pro Sprache an: Abb. 16: Motiviertheitsgrad bezüglich semIdent, Kont und metSim im Sprachvergleich Wie sich vor allem anhand der Diskussion der in Kap. 5.1 (Tab. 14 und 15) aufgelisteten „Ausreißer“ zeigen wird, ist sowohl die Art der semantisch-kognitiven Relation eines Stimulipaars als auch dessen Interaktion mit der formalen Relation einerseits, mit Idiomatizität und weiteren nuancierenden Faktoren bei metSim und Kont andererseits für diese Ergebnisse ausschlaggebend. 75 80 85 90 95 100 105 semIdent Kont metSim Motiviertheitsgrad der sem.-kogn. Relationen Französisch Italienisch insgesamt <?page no="179"?> 179 5.3.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [2a] Hypothese [2a] zufolge haben auch die semantisch-kognitiven Relationen einen Einfluss auf die Motiviertheit der Stimulipaare: [2a] SemIdent-basierte Stimulipaare sind am stärksten motiviert, metSimbasierte am schwächsten. Kont liegt im Mittelfeld. Wie sich bereits in der vorangehenden Überblicksdarstellung gezeigt hat, bestätigt sich Hypothese [2a] bezüglich semIdent. Dieses Ergebnis spricht also für einen offensichtlichen Bedeutungszusammenhang bei Motivationspaaren, die sich nur durch ihre Wortart unterscheiden. Des Weiteren bestätigt sich Hypothese [2a] auch für metSim und Kont im Französischen: Hier hat metSim einen vergleichsweise niedrigen Motiviertheitsgrad von nur 86%, Kont aber liegt mit 97.2% nur unwesentlich unter semIdent. Im Italienischen hingegen sind metSim mit 94% und Kont mit 93.1% ungefähr gleich stark motiviert, wobei metSim sogar noch einen leicht höheren Wert aufweist. Offensichtlich sind also die italienischen Kont-Paare schwächer motiviert als die französischen, die italienischen metSim-Paare aber deutlich stärker motiviert als die französischen. Hypothese [2a] erweist sich also nur zum Teil als zutreffend, wofür sich aber unter Betrachtung des Einflusses der formalen Relationen und der Idiomatizität im folgenden Teilkapitel Gründe finden lassen. 5.3.3 Interaktionen von semantisch-kognitiver und formaler Relation und Idiomatizität der Bedeutungen (Hypothese [2b]) Zur Beurteilung möglicher Interaktionen zwischen den beiden Dimensionen der Motivation wird geprüft, mit welchen formalen Relationen die drei schwerpunktmäßig untersuchten semantisch-kognitiven Relationen semIdent, metSim und Kont am häufigsten vorkommen. Daraus sowie durch Berücksichtigung des Faktors Idiomatizität gemäß der unten wiederholten Hypothese [2b] lassen sich dann einige Erklärungen dafür ableiten, dass Hypothese [1] und [2a] nur teilweise bestätigt wurden. [2b] Eine Idiomatizität der Bedeutungen wirkt sich zusätzlich einschränkend auf die Motiviertheit aus. Als Erstes sei hier die semIdent besprochen, die wie vermutet eine fast uneingeschränkte Motiviertheit aufweist. Dazu trägt auch bei, dass semIdent grundsätzlich nicht mit der formal gleich komplexen formIdent kombiniert werden kann und daher im hier verwendeten Wortmaterial nur mit Stammkonversionen und Affigierungen auftritt, wobei die Stammkonversionen in <?page no="180"?> 180 beiden Sprachen die größte Gruppe ausmachen (s. Tab. 19). Dadurch ist aufgrund der notwendigerweise unterschiedlichen Wortarten mit Ausnahme der Adj.-N-Stammkonversionen ein zumindest geringfügiger formaler Unterschied sichtbar (s. auch Mayerthaler 1981: 112, 123). Auch spielt bei semIdent der potenzielle Einfluss der Idiomatizität natürlich keine Rolle, da sich sem- Ident und Idiomatizität grundsätzlich ausschließen. Tab. 19: Verteilung von semIdent auf formale Relationen SemIdent scheint hier also entweder wie im Fall der Affigierungen gemeinsam mit dem formalen Komplexitätsunterschied die hohe Motiviertheit noch zu verstärken oder aber im Falle der ebenfalls stark motivierten Stammkonversionen den nicht vorhandenen formalen Komplexitätsunterschied zu „überstimmen“. Daraus lässt sich schließen, dass die semantisch-kognitive Relation der wichtigere Faktor für die Motiviertheit ist. Die semantisch-kognitive Relation mit dem insgesamt niedrigsten Motiviertheitsgrad ist die metSim. Auch hier ergeben sich Korrelationen mit der formalen Relation: semantische Identität (semIdent) Französisch Motiviertheitsgrad Italienisch Motiviertheitsgrad Präfigierung (1) 97.2% -- Suffigierung (3) 98.9% Suffigierung (1) 100% Stammkonversion (12) 100% Stammkonversion (7) 100% Gesamtdurchschnitt (16) 99.6% Gesamtdurchschnitt (8) 100% <?page no="181"?> 181 Tab. 20: Verteilung von metSim auf formale Relationen Die auf metSim basierenden Motivationspaare gehören größtenteils der Gruppe der formIdent an, die sich, wie in Kap. 5.2 beschrieben, unter den formalen Relationen ebenfalls durch einen niedrigen Motiviertheitsgrad auszeichnet. Weiterhin zählt jeweils ein metSim-Paar pro Sprache zu den Präfigierungen, der formalen Gruppe mit der insgesamt stärksten Einschränkung des Motiviertheitsgrades. Die italienische Stammkonversion ist ein Einzelfall. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass auch bei metSim die semantisch-kognitive Relation ein wichtigerer Faktor ist als die formale Relation: Zwar scheint sie bei den formIdent-Paaren zusammen mit dem fehlenden formalen Komplexitätsunterschied die ohnehin schon niedrige Motiviertheit zu verstärken. Auch bei den formal unterschiedlich komplexen Präfigierungen aber trägt sie dazu bei, dass die betreffenden Paare besonders stark in ihrer Motiviertheit eingeschränkt sind. Prüft man nun Hypothese [2b], zeigt sich, dass die metSim-basierten Paare in der Tat stark idiomatisch sind. Um diesen Faktor genauer zu bestimmen, vergleicht Hay (2003) die Wörterbuchdefinitionen von abgeleiteten Wörtern, in ihrem Fall Präfigierungen, mit denen ihrer Basiswörter. Als semantisch stark transparent, also als nicht idiomatisch, stuft sie Präfigierungen ein, die mittels ihres Basiswortes definiert sind, während die Abwesenheit des Basiswortes in der Definition der Präfigierung auf eingeschränkte Transparenz bzw. Idiomatizität (verursacht durch „semantic drift“, Hay 2003: 57) hindeutet (ähnlich Marslen-Wilson et al. 1994). Hays Bestimmung der semantischen metaphorische Similarität (metSim) Französisch Motiviertheitsgrad Italienisch Motiviertheitsgrad Präfigierung (1) 77.8% Präfigierung (1) 83.9% formIdent (6) 87.3% formIdent (8) 94.6% -- Stammkonversion (1) 100% Gesamtdurchschnitt (7) 86% Gesamtdurchschnitt (10) 94% <?page no="182"?> 182 Transparenz anhand von Definitionen lässt sich leicht auch auf die vorgegebenen Bedeutungsdefinitionen im eigenen Sprachmaterial anwenden. 177 Dabei zeigt sich, dass es bei keinen der metSim-basierten Motivationspaare eine Übereinstimmung zwischen den lexikalischen Wörtern der vorgegebenen Bedeutungsparaphrasen gibt (vgl. Anhang 9.2 und 9.4). Das hängt natürlich zum einen damit zusammen, dass hier verschiedene Frames beteiligt sind. Zum anderen ist die geringe semantische Transparenz bei formIdent aber auch dadurch bedingt, dass ein gewisser semantischer Unterschied bestehen muss, um die Verschiedenheit der lexikalischen Einheiten zu gewährleisten. Tab. 20 zeigt aber auch erneut den Unterschied zwischen den beiden Sprachen: Im Französischen sind die Motiviertheitswerte noch einmal deutlicher eingeschränkt als im Italienischen, obwohl mehr als die Hälfte der Paare Interlexempaare sind, die sich in ihrer Idiomatizität nicht vom Italienischen unterscheiden. Dasselbe gilt für die „Ausreißer“ in den Tab. 14 und 15, auf die im folgenden Teilkapitel genauer eingegangen wird. Es scheint also, als wäre metSim von den italienischen Fragebogenteilnehmern besser erkannt worden als von den französischen. Was nun die Kont-basierten Stimulipaare betrifft, so sind diese im Sprachvergleich ebenfalls heterogen: Im Französischen zeigen sie nur eine schwache Einschränkung im Motiviertheitsgrad, im Italienischen aber ist dieser Wert sogar noch leicht niedriger als bei den metSim-Paaren. Ein Zusammenhang zu den formalen Relationen ist bei Kont schwieriger herzustellen, da diese sich auf alle formalen Gruppen verteilt: 177 Eine alternative Methode zur Bestimmung der semantischen Transparenz stellen Ratings dar (z.B. Derwing 1976, Marslen-Wilson et al 1994, Jensen 1999), die aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu aufwendig gewesen wären. <?page no="183"?> 183 Tab. 21: Verteilung von Kont auf formale Relationen Die größte Kont-basierte Gruppe stellen die Stammkonversionen dar. Daneben finden sich einige formIdent- und Suffigierungspaare sowie im Italienischen auch Präfigierungen. Auch hier zeigt sich, dass das Französische bei Kont jeweils höhere Motiviertheitswerte aufweist als das Italienische. Beiden Sprachen gemeinsam ist aber, dass formIdent die niedrigsten Werte aufweist, während Suffigierungen und Stammkonversionen stärker motiviert sind. Die italienischen Präfigierungen fallen hingegen stark von den anderen Gruppen ab. Auch der Blick in die „Ausreißer“-Tabellen 14 und 15 in Kap. 5.1 zeigt, dass unter den Paaren mit besonders stark eingeschränkter Motiviertheit viele Kont-basierte Fälle sind, und zwar vor allem formIdent-Paare, aber auch Präfigierungen und einzelne Konversions- und Suffigierungspaare (s. Kap. 5.3.4). Durch die zusätzliche Einbeziehung des Faktors Idiomatizität findet sich nun ein weiterer Grund dafür, dass bei den Präfigierungen vor allem im Italienischen die Motiviertheit eingeschränkter ist als bei den Suffigierungen. Im Französischen, wo die Präfigierungen mit 94.5% nicht ganz so stark eingeschränkt sind wie im Italienischen, kommt dieser Wert dadurch zustande, dass nur ein einzelnes Präfigierungspaar, nämlich das auf der schwächer motivierten metSim basierende a. prendre - b. apprendre (F3-22), stark idiomatisch ist und damit den Gesamtdurchschnitt der Präfigierungen senkt. Allen anderen Präfigierungspaaren liegen die relativ stark motivierten Relationen sem- Ident, Kontrast oder taxonomische Subbzw. Superordination (taxSuperSub) Kontiguität (Kont) Französisch Motiviertheitsgrad Italienisch Motiviertheitsgrad -- Präfigierung (5) 84.3% Suffigierung (5) 97.2% Suffigierung (7) 95.5% Wortkonversion (2) 94.4% -- Stammkonversion (19) 99.1% Stammkonversion (17) 95.3% formIdent (8) 93.3% formIdent (8) 91.9% Gesamtdurchschnitt (34) 97.2% Gesamtdurchschnitt (37) 93.1% <?page no="184"?> 184 zugrunde (s. dazu Anhang 9.2 und Kap. 5.3.5), die zugleich auch weniger idiomatisch sind. 178 Diese Fälle weisen genau wie die semIdent- und Kont-basierten Suffigierungen keine oder nur eine geringe Einschränkung im Motiviertheitsgrad auf. Im Italienischen aber basieren die Präfigierungen (wie auch die Suffigierungen) mehrheitlich auf Kont, die hier im Durchschnitt niedriger motiviert ist als im Französischen. Darin liegt der Grund für die etwas niedrigere Motiviertheit der italienischen Suffigierungen im Vergleich zu den französischen. Dass innerhalb des Italienischen die Präfigierungen auffällig stark eingeschränkt sind, ist darauf zurückzuführen, dass bis auf a. (lo) sfondo - b. (il) fondo (I1-3) alle idiomatisch im Sinne Hays sind. Die betroffenen komplexen Wörter (inklusive I1-3, s. Tab. 15) weisen also keine semantische Kompositionalität auf und werden vermutlich nicht als eindeutige Präfigierungen wahrgenommen werden. Dadurch kommt es zur Senkung des Motiviertheitsgrades. Auch unter den Kont-basierten Suffigierungen finden sich einige idiomatische Fälle, diese Gruppe ist aber insgesamt regelmäßiger und transparenter als die (italienischen) Präfigierungen 179 , was sich auch daran zeigt, dass hier nur zwei Fälle mit besonders niedriger Motiviertheit unter 90%, a. signifier - b. (le) signe, F2-24, und a. credere - b. credibile, I1-7, vorkommen (s. Tab. 14 und 15). 180 Natürlich könnte sich beim Unterschied der Motiviertheitswerte auch eine eventuelle generelle Suffixpräferenz bemerkbar machen, sofern diese in Offline-Untersuchungen zutage tritt. Allerdings sind auch die Kont-basierten Stammkonversionen weniger eingeschränkt in der Motiviertheit als form- Ident und die Präfigierungen. Das liegt daran, dass es sich hier wie auch bei einigen Suffigierungen größtenteils um V-N-Paare handelt, denen relativ regelmäßige Subrelationen wie H ANDLUNG - R ESULTAT oder H ANDLUNG - O B- JEKT zugrunde liegen, die für die Sprecher gut zu erkennen und meist auch 178 Mit Ausnahme des semIdent-basierten Paars F1-3, a. départ - b. partir, sind alle weiteren französischen Präfigierungspaare semantisch transparent im Sinne Hays, d.h. nicht idiomatisch, da die Definitionen beider Motivationspartner ein identisches lexikalisches Wort enthalten. 179 Im Französischen ist immerhin die Hälfte der Suffigierungspaare semantisch transparent gemäß dem Kriterium von Hay (2003), im Italienischen ein Viertel. 180 Bezüglich der semantischen Transparenz nach Hay finden sich unter den 19 französischen Kont-basierten Stammkonversionen zehn transparente und drei nicht transparente Fälle. Dazu kommen sechs Fälle, deren Bedeutungsdefinitionen zumindest eindeutige Synonyme enthalten, sodass sie im Prinzip auch als semantisch transparent eingestuft werden können. Analog sind im Italienischen von den 17 Kont-basierten Stammkonversionen sechs Fälle semantisch transparent, sieben nicht transparent, vier Fälle gründen sich auf Synonyme. Die höhere Anzahl an transparenten Fällen im Französischen korreliert damit, dass sowohl die Stammkonversionen als auch Kont dort einen höheren Motiviertheitsgrad haben als im Italienischen. <?page no="185"?> 185 semantisch transparent sind. Demgegenüber sind die Subrelationen bei form- Ident und den Präfigierungen heterogener und idiomatischer und haben dadurch sehr unterschiedliche Salienzen (s. auch Kap. 5.3.4). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Relation der semIdent nicht mit Idiomatizität einhergeht, metSim aber ganz eindeutig. Kont umfasst sowohl regelmäßige, tendenziell transparente Subrelationen wie z.B. H AND- LUNG - R ESULTAT als auch sehr unregelmäßige wie z.B. it. a. (lo) sfondo - b. (il) fondo (I1-3) und kann sich daher unterschiedlich auf die Motiviertheit auswirken. Insofern sprechen die Unterschiede zwischen Präfigierungen und Suffigierungen neben den verschiedenen semantisch-kognitiven Relationen eher für einen Einfluss des Faktors Idiomatizität als für eine grundsätzliche Benachteiligung von Präfigierungen gegenüber Suffigierungen und bestätigen damit Hypothese [2b]. Gleichzeitig erklärt der Faktor Idiomatizität auch ein Stück weit, warum sich Hypothese [2a] in Bezug auf die Motiviertheit von metSim und Kont im Italienischen nicht bestätigt: Dort tritt Kont mit einigen Präfigierungen auf und umfasst dabei ganz verschiedene Subrelationen, die zu einer starken Idiomatizität neigen. Im Französischen hingegen kommt Kont neben formIdent vor allem mit Suffigierungen und Stammkonversionen vor, die eher semantisch transparent sind. Im Vergleich dazu scheint sich die hohe Idiomatizität der metSim im Französischen stärker auszuwirken und führt dort zu den gemäß Hypothese [2a] erwarteten Ergebnissen. Letztlich haben also die semantisch-kognitiven Relationen, gepaart mit einem unterschiedlichen Potenzial zur Idiomatizität, einen stärkeren Einfluss auf die Motiviertheit als der formale Komplexitätsunterschied, was die folgende Tabelle noch einmal verdeutlichen soll. <?page no="186"?> 186 formale Relation formaler < Komplexitätsunterschied sem.-kogn. Relation(en) Motiviertheitsgrad formIdent nein = v.a. metSim, = Kont niedriger Stammkonversion nein ≠ v.a. semIdent, = Kont höher Wortkonversion nein = Kont = niedriger Präfigierung F ja ≠ Kontrast, = taxSuperSub, semIdent, metSim niedriger Präfigierung I ja ≠ Kont = niedriger Suffigierung F ja = semIdent, Kont = höher Suffigierung I ja = semIdent, Kont = höher Tab. 22: Übersicht über die Verhältnisse zwischen formaler Relation, formalem Komplexitätsunterschied, semantisch-kognitiver Relation und Motiviertheitsgrad Wie das Symbol „<“ andeutet, beeinflussen die zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relationen die Motiviertheit stärker als das formale Komplexitätsverhältnis. Während die beteiligten semantisch-kognitiven Relationen semIdent und Kont bei den Suffigierungen gemeinsam mit dem formalen Komplexitätsunterschied zu einer hohen Motiviertheit führen, verstärken metSim im Französischen und Kont im Italienischen bei formIdent die aufgrund der Gleichheit in der Komplexität verhältnismäßig niedrige Motiviertheit. In der Tabelle wird dies in beiden Fällen durch „=“ angedeutet. Dieser Fall trifft wohl auch bei den französischen Wortkonversionen zu, die aber nur zwei Fälle umfassen und daher wenig aussagekräftig sind. Bei den Stammkonversionen hingegen „überstimmen“ semIdent und Kont die Gleichheit in der Komplexität und bewirken eine hohe Motiviertheit. Ebenso wird bei den Präfigierungen der formale Komplexitätsunterschied überdeckt. Im Französischen geschieht das nur durch ein einzelnes metSim-basiertes Paar und daher in deutlich geringerem Ausmaß als im Italienischen, wo einige Kont-basierte, semantisch intransparente Fälle die Motiviertheit besonders stark einschränken und dazu führen, dass der Motiviertheitsgrad der Präfigierungen dort noch unter dem Wert für formIdent liegt. Diese beiden Gruppen sind in Tab. 22 wie die Stammkonversion durch das Symbol „≠“ markiert; die ausschlaggebende semantisch-kognitive Relation ist jeweils hervorgehoben. Dass semantische <?page no="187"?> 187 Faktoren für die Feststellbarkeit von Motiviertheit schwerer wiegen als formale, ist aus der Sprecherperspektive durchaus nachvollziehbar (s. auch Bybee 1985: 118): Die Sprecher wissen, dass formale Ähnlichkeiten zwischen Wörtern zufällig sein können und nicht unbedingt eine Verwandtschaft bedeuten müssen. Entsprechend fällt auch die unterschiedliche oder gleiche formale Komplexität weniger ins Gewicht als ursprünglich angenommen. Eine semantische Verbindung ist hingegen wesentlich für die Annahme eines grundsätzlichen Zusammenhangs zwischen den Stimuli. Um auch die restlichen auffällig niedrigen Motiviertheitswerte der in den Tab. 14 und 15 aufgeführten „Ausreißer“ erklären zu können, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die beiden semantisch-kognitiven Relationen zu werfen, die diesen Fällen zugrunde liegen, nämlich metSim und Kont. Dies geschieht im folgenden Teilkapitel. 5.3.4 Weitere Einflussfaktoren bei metSim und Kont Wie sich in der vorangegangen Diskussion gezeigt hat, neigen metSim- und Kont-basierte Wortpaare vor allem in Kombination mit formIdent besonders zur Idiomatizität. Dennoch weisen nicht alle von ihnen einen eingeschränkten Motiviertheitsgrad auf. Im Folgenden werden daher anhand der im Gesamtvergleich besonders niedrig motivierten Stimulipaare weitere Einflussfaktoren auf die Motiviertheit beschrieben. Die einschlägige Literatur beschränkt sich überwiegend auf die Beschreibung der kognitiven Abläufe bei der Herstellung von metSim- oder Kont-basierten Relationen zwischen Konzepten (z.B. Blank 1997, Radden/ Kövecses 1999, Schmid 2005: 194-205). Die Wahrnehmbarkeit bereits vorhandener Relationen, um die es in der vorliegenden Arbeit geht, wird nur marginal thematisiert (z.B. Marzo 2013a, allerdings zur Motivierbarkeit von einzelnen Stimuli). Die in den Richtungsfragebögen beobachteten Einschränkungen in der Motiviertheit lassen sich aber mithilfe derselben allgemeinen kognitiven Prinzipien erklären, die auch für die Produktion solcher Relationen zwischen Konzepten herangezogen werden: Wie erwartet ist es bei metSim-Paaren aufgrund der ganz unterschiedlichen Konzeptbereiche schwieriger als bei den anderen semantisch-kognitiven Relationen, eine semantische Verbindung zwischen den Bedeutungen herzustellen, was natürlicherweise auch mit einer starken Idiomatizität, verstanden als semantische Nicht-Transparenz, einhergeht. Dies zeigt sich besonders bei den metSim-Paaren mit den niedrigsten Motiviertheitswerten (wie F1-20, F2- 19, F3-22, I1-20 und I3-22, s. die Tab. 14 und 15). Es kommt aber noch ein weiterer Faktor ins Spiel, der unter dem Begriff „dead metaphor theory“ bekannt ist (Lakoff/ Turner 1989: 128-131, Ungerer/ Schmid 1996: 117; zu unterschiedlichen Habitualisierungsgraden von Metaphern s. Koch 1994: 203-209). Fälle <?page no="188"?> 188 wie fr. arriver (F2-19) sind „tote“ Metaphern: Sie sind bereits so stark konventionalisiert bzw. lexikalisiert, dass viele Sprecher keine Ähnlichkeitsbeziehung mehr zwischen den beteiligten Konzepten wahrnehmen und die Formidentität für zufällig, d.h. für Homonymie halten. Zwar sehen Lakoff/ Turner die Bezeichnung als „tote“ Metapher kritisch, da ihnen zufolge die Lebendigkeit und Aktivität von Metaphern nicht mit deren Bewusstheit verwechselt werden darf, 181 und Danesi (2005: 267) weist darauf hin, dass metaphorische Zusammenhänge wieder aktiviert werden können, wenn eine metasprachliche Ebene eingenommen wird. Dennoch ist anzunehmen, dass diese Bewusstmachung, die eine Grundvoraussetzung für die Beurteilung eines Wortpaars als motiviert ist, je nach Sprecher und betroffenem metSim-Paar unterschiedlich gut gelingt. 182 Ein weiterer Faktor, der sich bei metSim-Paaren negativ auf das Verständnis und die Herstellung eines semantischen Zusammenhangs durch die Informanten auswirken könnte, ist die Tatsache, dass viele der Motivationspaare mit den niedrigsten Motiviertheitswerten, unabhängig davon, ob sie auf metSim oder Kont basieren, eine oder zwei abstrakte(re) Bedeutung(en) haben. 183 Wie bereits in Kap. 4.3.5 ausgeführt ist die Dominanz der konkreten und vor allem der materiellen Entitäten und ihrer Interaktionen in unserer Wahrnehmung der Grund dafür, dass die schlechter verankerten abstrakteren Konzepte häufig mittels konkreterer Konzepte erfasst und ausgedrückt werden (Lakoff/ Johnson 1980: 25-32, Ungerer/ Schmid 1996: 109, Blank 1997: 181 „The mistake derives from a basic confusion: it assumes that those things in our cognition that are most alive and most active are those that are conscious. On the contrary, those that are most alive and most deeply entrenched, efficient, and powerful are those that are so automatic as to be unconscious and effortless.“ (Lakoff/ Turner 1989: 129, s. auch Ungerer/ Schmid 1996: 119). 182 Diese Annahme bestätigt sich in den Ergebnissen von Klepousniotous (2002, 2008) Primingexperimenten zu Homonymie und metaphorischer und metonymischer Polysemie, auch wenn in der Argumentation der Autorin einige prinzipielle Probleme auftreten (s. Marzo 2013a: 214-216): Da bei Metonymie der stärkste Primingeffekt entsteht, während Metaphern diesbezüglich zwischen Metonymie und Homonymie angesiedelt sind, sieht Klepousniotou (2002: 216, 2008: 39) Metaphern in der Übergangsphase zwischen (durch lexikalische Regeln) generierten Bedeutungen (was den Metonymien entsprechen würde) und separat im Lexikon gespeicherten Bedeutungen (wie bei Homonymie). Auch wenn dies sicher nicht für alle metSim-basierten Relationen gilt, bestätigt Klepousniotous Datendiskussion doch, dass einige metSim-Paare so stark lexikalisiert sind, dass die Beziehung aus Sprechersicht als „tot“ beschrieben werden muss. 183 Unter den „Ausreißern“ sind F1-11, F1-20, F2-19, F2-24, F3-17, F3-22, I1-9, I1-20, I2-1, I2- 16 und I3-22 Motivationspaare, bei denen eine Bedeutung eher abstrakt ist. Paare mit zwei eher abstrakten Bedeutungen sind F1-24, I1-7, I1-21 und I3-16. Zu genaueren Angaben s. die Tab. 14 und 15 und Kap. 6.4.3. Zu den Klassifikationskriterien als konkret(er) oder abstrakt(er) s. Anm. 151 in Kap. 4.3.5.1. <?page no="189"?> 189 173-178, 378-379), wodurch Metaphern bzw. allgemeiner metSim-basierte Relationen entstehen. Nun sollte sich letzteres Prinzip eigentlich auch positiv auf das Verständnis von metSim-Relationen auswirken - zumindest im Vergleich zu Paaren, bei denen beide Konzepte eher abstrakt sind. Gerade bei denjenigen metSim-Paaren aber, für die sich in der Informantenbefragung ein besonders niedriger Motiviertheitsgrad ergeben hat, fr. comprendre und arriver (F1- 20, F2-19) bzw. it. comprendere (I1-20), ist die Similaritätsrelation aufgrund gemeinsamer Merkmale schwer zu erkennen, da bei Verben keine Materialität besteht (Kleiber 1994: 49-64). Ähnliches gilt für fr. apprendre/ it. apprendere in den Präfigierungspaaren F3-22 und I3-22 (s. Tab. 14 und 15). In allen diesen Fällen wurden die Bedeutungen wohl als völlig unabhängig voneinander wahrgenommen und die Beziehungen daher als opak beurteilt. Demgegenüber kann bei dem einzigen Stimulipaar mit der Kombination formIdent / metSim, das überhaupt keine Einschränkung des Motiviertheitsgrades aufweist - it. cuore mit den Bedeutungen a. ‘organo vitale che pompa il sangue nel corpo’ und b. ‘centro di qualcosa’ (I1-23) - auch die metaphorische Bedeutung konkret und materiell sein (z.B. it. il centro della città), sodass bei diesem Paar beide Bedeutungen gut wahrnehmbar und daher salient sind, was vermutlich ursächlich für die starke Motiviertheit der Beziehung ist. Zusammenfassend kann also angenommen werden, dass bei metSim-Paaren häufig tote Metaphern, d.h. eine als Homonymie aufgefasste formale Identität zwischen den Mitgliedern des Stimulipaars, und/ oder abstrakte Bedeutungen zu einer Senkung des Motiviertheitsgrades führen. Auch viele Kont-basierte Motivationspaare haben eine oder zwei abstrakte Bedeutung(en) (s. Anm. 183). Gerade bei den drei Kont-basierten formIdent- Paaren mit besonders niedrigen Motiviertheitsgraden (fr. penser, it. impossibile und credito, s. die Tab. 14 und 15) sind jeweils beide Bedeutungen nicht nur intransparent, sondern auch abstrakt, sodass sich wie bei den metSim-Relationen eine Interaktion zwischen dem schlecht wahrnehmbaren formalen Ableitungsverhältnis und den schwer zu erfassenden, weniger tief verankerten Bedeutungen ergibt. Dennoch kann die eingeschränkte Motiviertheit mancher Kont-basierter Paare nicht einfach mit der Einschränkung bei den metSim-Paaren, wie sie im Vorhergehenden beschrieben wurde, gleichgesetzt werden. So gelten Kont-basierte Relationen erstens generell als kognitiv weniger prägnant als metSim-basierte (Marzo 2013a: 187-188, 191, 249), zweitens gehören die Kont-Relationen im Unterschied zu metSim-basierten Fällen zwar immer demselben Frame an, dennoch umfasst Kont sehr verschiedene Subrelationen, die unterschiedlich gut wahrnehmbar sind. 184 Dadurch kann 184 Die Bandbreite im Motiviertheitsgrad verschiedener Kont-Relationen deutet sich bereits außersprachlich in der unterschiedlichen Eignung kontiger Zusammenhänge für die sprachliche Nutzung an. Diese hängt davon ab, wie gut die betreffenden Konzepte voneinander zu unterscheiden sind: „The greater the conceptual contrast between vehicle <?page no="190"?> 190 es im Unterschied zu metSim-Paaren sein, dass die jeweiligen Bedeutungen sehr nah beieinander liegen. Rémi-Giraud (2006: 124-127) unterscheidet bspw. zwischen einer starken und einer feinen Polysemie, je nachdem, wie groß der Abstand und damit die Unterscheidbarkeit zwischen den jeweiligen Bedeutungen sind. Zwar macht sie den Abstand vor dem Hintergrund eines (neo-) strukturalistischen Ansatzes daran fest, ob der semantische Unterschied auf der Semebene („polysémie fine“) oder der Archisemem- und Sem-Ebene („polysémie forte“) angesiedelt ist, weshalb die „polysémie fine“ in erster Linie Taxonomie-basierte Paare betrifft. 185 Rémi-Giraud (2006: 126-127) führt jedoch auch das metonymische Beispiel fr. regard, das sowohl ein Ereignis als auch die Art und Weise des Blickens ausdrücken kann (s. auch die Ergebnisse für das Motivationspaar F1-12), unter „polysémie fine“ auf und sieht hier eine Instabilität des zwischen zwei Lesarten alternierenden Archisemems als ursächlich für die Schwierigkeit an, die beiden Lesarten (vor allem in konkreten Kontexten) zu unterscheiden. 186 Auch über die strukturalistische Sichtweise Rémi-Girauds hinaus kann festgehalten werden, dass die Bedeutungen bzw. Konzepte bei Kont-Relationen, bspw. bei den drei bereits genannten Fällen fr. penser, it. impossibile und credito, so eng beieinander liegen können, dass sie - zumal für Nicht-Linguisten - kaum unterscheidbar sind. So sind die Übergänge zwischen ‘réfléchir’ und ‘imaginer’ bei fr. penser fließend, da die Bedeutungen sich gegenseitig bedingen (wer nachdenkt, stellt sich auch Dinge vor und umgekehrt). 187 Dasselbe gilt für die beiden Bedeutungen von it. credito (wem man vertraut, der bekommt Anrecht auf einen Kredit und wer Anrecht auf einen Kredit erhalten hat, gilt als vertrauenswürdig) sowie von it. impossibile: Was unerträglich ist, sollte auch unmöglich sein und was unmöglich ist, wäre häufig auch unerträglich. 188 Im Vergleich dazu würden die formIdent-/ Kont-Paare mit 100and target, the better is a relationship suited to be exploited metonymically.“ (Radden/ Kövecses 1999: 30). 185 Z.B. sind Rémi-Giraud (2006: 125-126) zufolge die beiden Lesarten ‘rennen’ und ‘eilen’ von fr. courir ein Fall von „polysémie fine“, weil ‘eilen’ im Vergleich zu ‘rennen’ nicht die genaue Art der Fortbewegung beschreibe, also ein Sem verliere, während das Archisemem ‘sich fortbewegen’ erhalten bleibe. Demgegenüber weise das (Kont-basierte) fr. bureau mit den Bedeutungen ‘Schreibtisch’ und ‘Arbeitszimmer’ „polysémie forte“ auf, da sich das Archisemem hier von ‘Tisch’ zu ‘Zimmer’ verschiebe. 186 So spricht sie von „[…] l’extrême difficulté qu’il y a à les distinguer nettement l’un de l’autre: s’il s’agit bien d’une métonymie, celle-ci opère par un glissement presque insensible de l’action à la manière.“ (Rémi-Giraud 2006: 126). Zu den verschiedenen Lesarten von Substantiven s. auch Kap. 4.3.5. 187 Das Interlexempaar I1-25, it. pensare ‘immaginarsi’ - ‘riflettere’, scheint den italienischen Informanten jedoch kaum Probleme bereitet zu haben: Hier beträgt der Motiviertheitsgrad 97%. 188 Die Fragebogenteilnehmer, denen bei I1-21 die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen den Stimuli gelungen ist, haben jedoch bei der Richtungsentscheidung entweder <?page no="191"?> 191 prozentiger Motiviertheit, fr. bar (F3-16), it. caffè (I1-24) und pubblicazione (I3- 18), bei Rémi-Giraud zur „polysémie forte“ zählen, da die jeweiligen Bedeutungen nicht nur größtenteils konkret und materiell, sondern auch von ihren semantischen Merkmalen her als recht verschieden gelten können (zu den einzelnen Bedeutungen s. Anhang 9.4). Aus der Sicht von Koch (2001b: 221-228 und Anm. 32; 2004: 20-41) wären unter den drei Polysemie-Fällen mit besonders eingeschränktem Motiviertheitsgrad vermutlich zumindest penser und impossibile als weniger zentrale Metonymietypen zu beschreiben, da sie zwar den definitorischen Figur- Grund-Effekt aufweisen und auf der Konzeptebene angesiedelt sind („Konzept-Orientierung“), aber nicht unbedingt Referenten-sensitiv sind, da ihre Referenten, wie aus der gegenseitigen Bedingtheit hervorgeht, teilweise überlappen. Aus der Perspektive der Beurteilung von Motiviertheit nun können Bedeutungen, deren Referenten nicht eindeutig unterscheidbar sind, vermutlich schwieriger erfasst und auseinander gehalten werden, was aber eine der Voraussetzungen dafür wäre, dass ein Bedeutungszusammenhang zwischen ihnen erkannt wird. Bei eindeutig distinkten Referenten hingegen fällt dies leichter (s. auch Chaffin/ Herrmann 1984 zu unterschiedlichen Typen von Teil-Ganzes-Beziehungen) und wird noch einmal einfacher, wenn konkrete bzw. materielle Bedeutungen im Spiel sind. Anders als bei metSim-Paaren mit formIdent haben sich bei diesen drei Kont-/ formIdent-Paaren also nicht die Konzepte aufgrund von Konventionalisierung zu weit voneinander entfernt, um noch als zusammengehörig verstanden zu werden, sondern die eingeschränkte Motiviertheit ergibt sich dadurch, dass die Konzepte von Vornherein zu nahe beieinander liegen und nicht als unterschiedlich genug wahrgenommen werden (s. auch Marzo 2013a: 249), was durch die formal gleich komplexe formIdent, die Idiomatizität und die Abstraktheit der Bedeutungen noch verstärkt wird. 189 Etwas anders verhält sich das ebenfalls idiomatische formIdent-Paar fr. réparation (F3-17), das über eine nur potenziell abstrakte und eine konkrete Bedeutung verfügt (vgl. a. ‘dédommagement’ und b. ‘remise en bon état d‘une construction ou d‘une habitation’). Es handelt sich also nicht um „polysémie fine“. Die eingeschränkte Motiviertheit rührt hier vielmehr daher, dass die Kontiguität für die Informanten nicht eindeutig erkennbar war. Vermutlich die Bedeutung ‘insopportabile’ als abgeleitet betrachtet oder für „keine bestimmte Richtung“ votiert. 189 Bei semIdent hingegen wirkt sich die Abstraktheit der Bedeutungen offensichtlich kaum auf den Motiviertheitsgrad aus. Wie bereits in Kap. 4.3.5 beschrieben scheint es vielmehr, dass die Sprecher bei den größtenteils zur Gruppe der V-N-Paare gehörenden semIdent-Paaren oft die schlechtere Erfassbarkeit von abstrakteren Bedeutungen dadurch ausgeglichen haben, dass sie die Substantive zu konkreteren Resultats- oder Objektnomina uminterpretiert haben. <?page no="192"?> 192 ist diese Schwierigkeit auch dadurch bedingt, dass die Bedeutung ‘dédommagement’ nicht genau genug hinsichtlich einer finanziellen oder aber moralischen Lesart spezifiziert war (vgl. demgegenüber it. riparazione, I3-17). So gehen aus den Antworten der wenigen Sprecher, die sich überhaupt für eine der Ableitungsrichtungen entschieden haben, neben der Kont-Subrelation U RSA- CHE - W IRKUNG (z.B. „le dédommagement permet la remise en état“, Sprecher 215) ungefähr ebenso oft auch metSim („symboliquement le dédommagement est une reconstruction“, Sprecher 229) oder taxSub („le mot A est au sens général et le mot B est un cas particulier“, Sprecher 198) hervor. Wie letztere Antwort zeigt, besteht bei réparation auch keine eindeutige Referenten-Sensitivität. Hier ist es also die Konkurrenz zwischen verschiedenen zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relationen, von denen keine durch eine besonders hohe Salienz hervorsticht, die die Annahme eines Zusammenhangs (sowie die Entscheidung für eine Ableitungsrichtung, vgl. die hohe Zahl an diesbezüglich unentschiedenen Antworten, Anhang 9.4) erschwert hat. Schließlich bleiben noch einige weitere Kont-basierte Stimulipaare mit besonders stark eingeschränktem Motiviertheitsgrad (s. Tab. 14 und 15): It. a. (la) striscia - b. strisciare (I3-5), a. credere - b. credibile (I1-7), a. riservare - b. riserva (I2-1) sowie fr. a. être - b. l’être (F1-11) und a. signifier - b. (le) signe (F2- 24), also Stammkonversionen, Suffigierungen und eine Wortkonversion. Auf den ersten Blick sind die Abstraktheit oder die Nähe der Bedeutungen zueinander nicht besonders ausgeprägt. Auch liegt mit Ausnahme von I1-7 bei jedem Paar ein Substantiv mit (potenziell) materieller Bedeutung vor. Hier ist es wohl wieder in erster Linie die in allen Fällen hohe Idiomatizität, die sich einschränkend auswirkt. Zu dieser Vermutung passt auch, dass bei den betreffenden Paaren mit Ausnahme von (la) striscia - strisciare die Motiviertheit nicht ganz so niedrig ist wie in Fällen, in denen mehrere einschränkende Faktoren zusammen kommen. Nur das Paar (la) striscia - strisciare fällt mit einem Motiviertheitsgrad von nur 73.5% aus diesem Rahmen heraus. Allerdings müssen die entsprechenden Konzepte genau wie bei fr. réparation nicht unbedingt im selben Frame verortet werden. So ging aus der Richtungsentscheidung einiger Informanten auch hier eine metSimanstatt einer Kont-Relation hervor, z.B. bei Sprecher 464: „strisciare è un movimento che ricorda la striscia“. Folglich handelt es sich um ein weiteres Paar, bei dem eine semantisch-kognitive Beziehung besonders schwer zu erkennen ist. 190 190 Ferner kann auch bei einer Kont-basierten Polysemierelation genau wie bei der Metapher dadurch sekundäre Homonymie entstehen, dass die betreffenden Konzepte als zu disparat empfunden werden, um noch als motiviert zu gelten. Dies ist dann häufig durch außersprachlichen Wandel bedingt. Blank (2001: 112) nennt z.B. die Bedeutungen von it. fioretto ‘Blümchen’ und ‘Florett’, zwischen denen keine Beziehung mehr hergestellt wird, weil es nicht mehr üblich ist, die Florettspitze mit einer blumenverzierten Kugel zu überstülpen. Auch durch den Wegfall von Zwischenbedeutungen kann sekundäre Homonymie entstehen, vgl. das von Koch (2001b, Anm. 10) angeführte Beispiel dt. <?page no="193"?> 193 Zuletzt soll im folgenden Teilkapitel noch auf die selten und nur im Französischen vertretenen semantisch-kognitiven Relationen konzeptueller Kontrast, kotaxonomische Similarität (kotaxSim) sowie taxonomische Super- und Subordination (taxSuperSub) eingegangen werden, auch wenn die Ergebnisse keine Aussagekraft beanspruchen können. 5.3.5 Taxonomische Relationen und konzeptueller Kontrast Bei den taxonomischen Relationen und dem konzeptuellen Kontrast traten nur geringe Einschränkungen des Motiviertheitsgrades auf. Innerhalb dieser Gruppe zeichnet sich die kotaxSim (mit allerdings nur einem Fall) durch den niedrigsten Motiviertheitsgrad von 93.3% aus, während der konzeptuelle Kontrast eine Motiviertheit von fast 99% erreicht und taxSuperSub nur wenig darunter liegt. Diese Ergebnisse waren durchaus erwartbar, da sich die beiden kontrastbasierten Präfigierungen ähnlich wie die semIdent-Fälle durch eine gute Wahrnehmbarkeit und semantische Transparenz auszeichnen (deutlicher formaler Komplexitätsunterschied durch das Präfix + eindeutiger semantischer Zusammenhang 191 bei fr. a. habile - b. inhabile, F1-9 und a. favorable - b. défavorable, F3-19), während sich bei dem kotaxSim-basierten Paar, fr. classe (F2-17), trotz semantischer Transparenz durch die formIdent einerseits, die enge semantische Verbindung andererseits ein schlechter nachzuvollziehender Zusammenhang ergibt. 192 Die taxSuperSub-Paare liegen gegenüber den anderen beiden Relationen mit 96% im Mittelfeld: Zwar weisen auch sie mit plainte, homme und femme (F1-21, F2-16 und F3-18) formIdent auf, die Bedeutungen sind aber konkret, teilweise sogar materiell (homme, femme) und damit salient oder zumindest semantisch transparent (plainte). 193 Allerdings müssten die sich andeutenden Muster bei allen drei Relationen noch durch Flegel ‘Gerät zum Dreschen’ und ‘ungehobelter Kerl, Rüpel’: Letztere Bedeutung ist über den nicht mehr existenten Zwischenschritt ‘Bauer, der mit dem Dreschflegel arbeitet’ (und mit dem wohl eine gewisse Ungehobeltheit assoziiert wurde) entstanden. Bei den Kont-basierten Stimulipaaren im eigenen Untersuchungsmaterial ließen sich aber keine solchen Fälle finden. 191 Dass der semantische Zusammenhang zwischen den Mitgliedern eines Kontrastpaars besonders salient ist, zeigen die in Kap. 3.2.2 diskutierten Assoziationstests, in denen in vielen Fällen das Gegenteil eines Stimulus am häufigsten genannt wird (Raible 1981: 12). 192 Auch hier könnte aus strukturalistischer Sicht wieder das per definitionem gemeinsame Archisemem und damit eine polysémie fine ausschlaggebend für die schlechte semantische Wahrnehmbarkeit sein (s. Kap. 5.3.4). Bei kotaxSim lässt sich vorerst keine Übereinstimmung von Motiviertheits- und Idiomatizitätsgrad feststellen, da bei diesem Einzelfall die eher niedrige Motiviertheit im Widerspruch zur semantischen Transparenz steht. Dies könnte sich aber bei einer Untersuchung weiterer kotaxSim-Paare wieder nivellieren. 193 Keine Einschränkung in der Motiviertheit gab es bei dem Präfigierungspaar a. rappeler - b. appeler (F1-8), dessen Bedeutungen beide semantisch stark transparent und konkret sind. <?page no="194"?> 194 weitere Daten geprüft werden. Vorläufig ergibt sich aus der Einbeziehung der drei weiteren semantisch-kognitiven Relationen die Motiviertheitsskala in Abb. 17: Abb. 17: Motiviertheit aller semantisch-kognitiver Relationen im Sprachvergleich Zu einer etwas anderen kognitiven Gewichtung der Motiviertheit der drei genannten Relationen kommt man auf der Basis von Mihatsch (2006: 23-41), die sich auf die Ergebnisse von Klix (1984) stützt. Klix unterscheidet u.a. auf der Basis von Experimenten einerseits zwischen Kont-basierten Relationen, die im Gedächtnis verankert sind und daher nicht hergeleitet, sondern nur wahrgenommen werden (den sog. „zwischenbegrifflichen“ Relationen, Klix 1984: 15ff.) und andererseits den logischen, taxonomischen und kontrastbasierten Relationen („innerbegriffliche“ Relationen, Klix 1984: 17ff.), die nicht direkt wahrnehmbar sind, sondern erst abgeleitet werden müssen. Die Übertragbarkeit der unterschiedlichen Wahrnehmbarkeit der Relationen auf die metasprachlichen Beurteilungen in den Richtungsfragebögen vorausgesetzt, müsste sich also eigentlich eine deutlich stärkere Motiviertheit von Kont gegenüber den innerbegrifflichen Relationen ergeben (s. dazu auch Klix 1984: 56), was aber insbesondere für den konzeptuellen Kontrast (im Durchschnitt etwas stärker motiviert als Kont), und taxSuperSub (durchschnittlich nur leicht schwächer motiviert als Kont), nicht zutrifft. 75 80 85 90 95 100 105 Motiviertheitsgrad der sem.-kogn. Relationen Französisch Italienisch insgesamt <?page no="195"?> 195 Jedoch zeigt Mihatsch (2006: 31-35), dass, was kontrastbasierte Relationen betrifft, aus kontradiktorischen oder komplementären, innersprachlichen Kontrastbeziehungen durch Lexikalisierung konträre Antonymie werden kann, die ihr zufolge dann wie Kont eine zwischenbegriffliche Beziehung ist. Auch bei den beiden Kontrastfällen aus dem eigenen Material, fr. habile - inhabile (F1-9) und favorable - défavorable (F3-19), handelt es sich - bedingt durch die Präfixe in- und dés- (Mihatsch 2006: 32) - um konträre Antonyme. Geht man davon aus, dass die Kontrastrelation bei diesen beiden Stimulipaaren dann ebenso direkt wahrnehmbar ist, wie es bei den typischen Kont-Relationen der Fall ist, erklärt sich, warum hier kein wesentlicher Unterschied im Motiviertheitsgrad besteht bzw. warum, zusätzlich befördert durch den formalen Komplexitätsunterschied der Präfigierung und die semantische Transparenz, der konzeptuelle Kontrast eine noch etwas höhere Motiviertheit erreicht. Es wäre zu prüfen, ob sich diese - momentan natürlich noch sehr vorläufige - Annahme bei der Untersuchung einer größeren Menge von Stimulipaaren, die auf verschiedenen Kontrastrelationen beruhen, bestätigt. Auch innerhalb der restlichen innersprachlichen Relationen werden Abstufungen angenommen. So gibt es Belege aus verschiedenen Bereichen dafür, dass kotaxSim besser zu erkennen ist als taxSuperSub (Klix 1984: 56, Mihatsch 2006: 39-40, 71-74; gegenteilige Ergebnisse finden sich jedoch in Klix et al. 1984: 165-166). Ein Grund ist vermutlich, dass die Kohyponyme im Gegensatz zu Hyponym und Hyperonym auf derselben Ebene angesiedelt sind, was eine (bildlich gestützte) Beziehung zwischen Gestalten ermöglicht. Ferner besteht bei Kohyponymie zusätzlich zur Similarität auch noch eine Kontrast- und ggf. eine Kont-Relation (Mihatsch 2006: 72). Diese Erkenntnis wird nun zwar nicht durch die Daten aus den französischen Richtungsfragebögen bestätigt, wo kotaxSim einen deutlich niedrigeren Motiviertheitsgrad erreicht als taxSuperSub, allerdings liegt mit classe (F2-17) nur ein einzelner Fall von kotaxSim vor, bei dem womöglich die bereits angeführten Einflussfaktoren (s.o. und Anm. 192) die prinzipiell gute Wahrnehmbarkeit überdecken. Auch bezüglich dieser Vermutungen bestände also Bedarf an der Abfrage größerer Mengen an kotaxonomischen Motivationspaaren. 5.4 Fazit zu Kapitel 5 Die vorangegangenen Teilkapitel haben gezeigt, dass sich der Grad der Motiviertheit von potenziellen Motivationspaaren aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt. Die Hypothesen [1a] und [1b], die sich auf das formale Komplexitätsverhältnis und die formale Kompositionalität gründen, bestätigen sich nur teilweise, da sich andere Faktoren als einflussreicher erweisen. Dies ist zum einen die semantisch-kognitive Relation, deren Einfluss auf den Motiviertheitsgrad, <?page no="196"?> 196 wie er in Hypothese [2a] formuliert wurde, sich zwar auch nur teilweise bestätigt. Aufgrund der Interaktion der beiden Arten von Relationen und Hypothese [2b], die sich auf den Idiomatizitätsfaktor der Bedeutungen bezieht, lassen sich diese Ergebnisse aber erklären. So wird die niedrige Motiviertheit der formIdent- (und Wortkonversions-)Paare weniger durch deren Gleichheit in der formalen Komplexität und das daraus entstehende Fehlen von formaler Kompositionalität verursacht, als vielmehr durch die zugrunde liegenden Relationen metSim und Kont, die zu einer hohen Idiomatizität tendieren. Ebenso wirkt sich die hohe Idiomatizität der Bedeutungen vor allem im Italienischen auf die formal unterschiedlich komplexen, aber seltener formal kompositionalen Präfigierungen aus und verursacht hier die unerwartet niedrige Motiviertheit. Demgegenüber basieren die Stammkonversionen und die Suffigierungen entweder auf der sehr transparenten und stark motivierten semIdent oder aber auf regelmäßigen Kont-Subrelationen. Dies gilt für die Stammkonversionen noch stärker als für die Suffigierungen, sodass bei ersteren erneut die Gleichheit in der formalen Komplexität und die fehlende formale Kompositionalität vom stärkeren Einfluss der semantisch-kognitiven Relation überdeckt werden und es zu einer fast uneingeschränkten Motiviertheit kommt, während bei den Suffigierungen der formale Komplexitätsunterschied, die häufigere formale Kompositionalität und die tendenziell stärker motivierten semantisch-kognitiven Relationen zusammenwirken und zu einer hohen Motiviertheit führen. Dem Unterschied in der Idiomatizität zwischen Präfigierungen und Suffigierungen könnte die u.a. von Cutler et al. (1985) festgestellte Suffixpräferenz zugrunde liegen. Allerdings fällt diese in metasprachlichen Aufgaben sicher weniger ins Gewicht als in Online-Experimenten. Weiterhin schränken die aufgrund unterschiedlicher Frames begünstigte Konventionalisierung der Konzepte bei metSim sowie die bisweilen als Homonymie empfundene formIdent und die zum Teil auftretende Abstraktheit der Bedeutungen die Motiviertheit ein. Letzterer Faktor wirkt sich auch auf die Kont-Relationen aus. Hier kommt außerdem noch hinzu, dass die kontigen Konzepte sehr nah beieinander liegen und überlappende Referenten haben können, so dass sich eine schlechte Wahrnehmbarkeit ergibt. Im Sprachvergleich hat sich gezeigt, dass die Motiviertheit im Italienischen insgesamt etwas niedriger ist, während es im Französischen vor allem Einzelfälle sind, die die Motiviertheit beeinträchtigen. Wesentliche Unterschiede treten ansonsten insbesondere bei den Präfigierungen auf, die im Italienischen eine deutlich niedrigere Motiviertheit haben als im Französischen, und beim Verhältnis zwischen metSim und Kont, da im Französischen die Kont kaum, die metSim aber stark eingeschränkt ist, wohingegen im Italienischen beide Relationen im mittleren Bereich der Einschränkung liegen. Beide Unterschiede können teilweise durch die Interaktion mit anderen Faktoren, vor allem mit der Idiomatizität der betreffenden Wortpaare erklärt werden. <?page no="197"?> 197 Es scheint aber auch, dass die italienischen Fragebogenteilnehmer allgemein besser mit metSim-basierten Relationen umgehen konnten. Über die beiden untersuchten Sprachen hinweg ergibt sich, wie in Tab. 18 dargestellt, eine etwas höhere Motiviertheit von Kont (durchschnittl. 95.1%) gegenüber metSim (durchschnittl. 91.1%). 194 Insofern bestätigt sich tendenziell die in Hypothese [2a] formulierte Vermutung, dass bei der Beurteilung von Motiviertheit zwischen vorgegebenen Stimuli Kont gegenüber metSim im Vorteil ist, weil die betreffenden Konzepte demselben Frame angehören. Allerdings hat sich gezeigt, dass dieser Zusammenhang auch zu eng oder durch Idiomatisierung verdunkelt sein kann. Im Ganzen betrachtet ist die Wahrnehmbarkeit eines formal und semantisch verbundenen Wortpaars also das Resultat verschiedenster Parameter, die in unterschiedlichem Maße die Motiviertheit der einzelnen Paare erhöhen oder senken. Das formale Komplexitätsverhältnis der Relationen und die formale Kompositionalität eines Motivationspaars erweisen sich dabei allerdings als weniger relevant als die semantisch-kognitive Relation sowie damit einhergehend die Idiomatizität der Bedeutungen. Auch die potenzielle Homonymie bei formIdent, die Abstraktheit der Bedeutungen oder eine Bedeutungs- und Referentenüberlappung sowie ggf. auch eine generelle Suffixpräferenz wirken sich eher nuancierend aus. Eine abschließende Gesamtübersicht über den Motiviertheitsgrad für die verschiedenen formal-semantischen Kombinationen, die im Untersuchungsmaterial auftreten, findet sich in Abb. 18, und zwar angeordnet nach abnehmendem Motiviertheitsgrad. 195 Bei allen Gruppen ist die Anzahl ihres Vorkommens im Untersuchungsmaterial in Klammern angegeben. Die als Ganzes geklammerten formal-semantischen Kombinationen treten nur bei einem 194 Unter Absehung von den einzelsprachlichen Differenzen verhält sich dieses Ergebnis genau spiegelbildlich zu den Resultaten von Marzo (2013a) zur Motivierbarkeit, denen zufolge Stimuli, die über metSim motiviert werden können, eine bessere Motivierbarkeit zeigen als Stimuli, die über Kont motiviert werden können. Aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Methoden in den jeweiligen Sprecherbefragungen (Vorgabe eines Motivationspaars in den eigenen Fragebögen, Vorgabe eines einzelnen Stimulus in Marzo 2013a) sind diese Ergebnisse aber nicht als widersprüchlich, sondern als komplementär anzusehen (s. auch Marzo 2013a: 212, Anm. 7): Was die bewusste Motivierbarkeit angeht, ist metSim als verbindende Relation kognitiv salienter als Kont, da eine Verbindung über Frames hinweg hergestellt wird, bei der Beurteilung von Motiviertheit ist hingegen Kont tendenziell im Vorteil, da die Konzepte selbstverständlicher zusammengehören. 195 Gegenüber dem auf der Motivierbarkeit einzelner Stimuli beruhenden formalen und semantischen Transparenzmodell von Marzo (2013a: 251) bezieht sich Abb. 18 explizit auf die Motiviertheit von Stimulipaaren. Auch ist sie grober als Marzos Modell, umfasst aber mehr formale und semantisch-kognitive Relationen. Mit Hilfe von weiteren Studien zu Motivierbarkeit und Motiviertheit ließe sich noch detaillierter zeigen, inwieweit diese beiden Aspekte der Motivation durch dieselben oder unterschiedliche Faktoren und deren parallele oder entgegengesetzte Wirkung beeinflusst werden. <?page no="198"?> 198 einzigen Wortpaar auf und haben daher kaum Aussagekraft. Ohne sie würden die Extreme - einige Fälle von 100-prozentiger Motiviertheit einerseits, eine mehr als 20-prozentige Einschränkung andererseits - wegfallen, sodass es in der Tat sinnvoll ist, sie bei der Betrachtung außen vor zu lassen. Wie sich zeigt, kommen dann (unter Absehung von der quantitativ marginalen Kontrastrelation) die formalen Relationen der Stammkonversion und der Suffigierung, gepaart mit semIdent und an zweiter Stelle Kont, dem „perfekten Gleichgewicht zwischen formaler und inhaltlicher Perzeptivität“ (Marzo 2013a: 249), das sowohl die Motivierbarkeit als auch die Motiviertheit ausmacht, am nächsten. 196 Es wäre natürlich wünschenswert, die für eine begrenzte Anzahl an Stimulipaaren erhaltenen Ergebnisse anhand einer größeren Datenmenge zu überprüfen. So ist es durchaus denkbar, dass es weitere Einflussfaktoren gibt, die sich positiv oder negativ auf die Motiviertheit der verschiedenen Stimulipaare ausgewirkt haben könnten. Hierbei ist vor allem an Parameter wie die Produktivität der beteiligten Wortbildungsverfahren und die Frequenz und Salienz der Formen und Bedeutungen zu denken (s. Marzo 2013a: 230-232 und 252). Da zu diesen Faktoren keine Daten vorliegen, wurden sie in dieser Arbeit ausgeklammert, könnten aber in weiteren Studien zur Motiviertheit berücksichtigt, d.h. bereits im Vorfeld bestimmt werden. Im Rahmen der Ergebnisdarstellung zur Gerichtetheitsstärke im folgenden Kapitel wird in 6.5.2 auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke eingegangen. 196 Dass semIdent und Kont in der abschließenden schematischen Darstellung in Verbindung mit Konversion und Suffigierung, also den für V-N-Paare typischen formalen Relationen, besonders nahe beieinander liegen, deutet indirekt auch wieder auf die enge Verbindung und dementsprechend schwierige Unterscheidbarkeit der semIdent- und Kont-basierten Lesarten der beteiligten Substantive hin (s. dazu ausführlich Kap. 4.3.5). <?page no="199"?> 199 Durchschnittliche Motiviertheit in % Französisch Italienisch (Präfigierung + taxSuperSub, 1) 197 100 100 (Stammkonversion + metSim, 1) Stammkonversion + semIdent (12) (Suffigierung + semIdent, 1) Stammkonversion + semIdent (7) Stammkonversion + Kont (19) 99.1 Suffigierung + semIdent (3) 98.9 Präfigierung + Kontrast (2) 98.7 Suffigierung + Kont (5) 97.2 (Präfigierung + semIdent, 1) 95.5 Suffigierung + Kont (7) 95.3 Stammkonversion + Kont (17) formIdent + taxSuperSub (3) 94.7 94.6 formIdent + metSim (8) Wortkonversion + Kont (2) 94.4 (formIdent + kotaxSim, 1) 93.3 formIdent + Kont (8) 93.3 91.9 formIdent + Kont (8) formIdent + metSim (6) 87.3 84.3 Präfigierung + Kont (5) 83.9 (Präfigierung + metSim, 1) (Präfigierung + metSim, 1) 77.8 Abb. 18: Abnehmender Motiviertheitsgrad je nach formal-semantischen Kombinationen im Französischen und Italienischen 197 Die vertikalen Abstände zwischen den einzelnen Motiviertheitswerten sind jeweils der Größe der Diskrepanz angenähert. <?page no="200"?> 200 6 Ergebnisse II: Gerichtetheitsstärke In diesem Kapitel werden die Gerichtetheitswerte der einzelnen Stimulipaare, die sich aus der dafür entwickelten Formel ergeben, im Hinblick auf die Hypothesen zur Gerichtetheitsstärke präsentiert und diskutiert sowie unter weiteren Gesichtspunkten betrachtet. Kap. 6.1 gibt einen ersten Überblick über die Verteilung der einzelnen Werte auf den Bereich zwischen 0% und 100%. Um Hypothese [3] zu prüfen, werden in Kap. 6.2 die Gerichtetheitswerte in Bezug auf die verschiedenen formalen Relationen betrachtet. Analog geht es in Kap. 6.3 um die Gerichtetheitswerte aus dem Blickwinkel der zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relationen und damit um Hypothese [5]. Kap. 6.4 betrachtet die Gerichtetheitswerte unter den Aspekten der Interaktion von formalen und semantisch-kognitiven Relationen sowie des Einflusses weiterer Faktoren, was in eine Gesamtübersicht und abschließend in die Diskussion von Hypothese [4] mündet. In Kap. 6.5 schließlich werden einige weitere interessante Aspekte im Zusammenhang mit der Sprecherbefragung zur Direktionalität erörtert. Kap. 6.6 fasst die Ergebnisse zusammen. In den Fällen, in denen die besprochenen Stimulipaare aus dem Untersuchungsmaterial aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht vollständig angegeben sind, können alle weiteren Informationen mit Hilfe der Identifikationsnummer (Kurz-ID) den Anhängen 9.2 und 9.4 entnommen werden. 6.1 Verteilung der Gerichtetheitswerte Als erste Übersicht soll hier gezeigt werden, wie der Spielraum der Gerichtetheitsstärke zwischen 0% und 100% von den einzelnen Motivationspaaren ausgenutzt wird. Zu diesem Zweck wurde der Bereich in fünf Abschnitte eingeteilt, die, wie aus den Tab. 23 und 24 hervorgeht, den Kategorien „sehr stark gerichtet“, „stark gerichtet“, „mittel gerichtet“, „schwach gerichtet“ und „sehr schwach gerichtet“ entsprechen und jeweils eine Spannbreite von 20% haben. Auf diese Kategorien wird auch in den folgenden Teilkapiteln Bezug genommen. <?page no="201"?> 201 Französisch Tab. 23: Verteilung der französischen Motivationspaare auf die fünf Bereiche der Gerichtetheit Italienisch Tab. 24: Verteilung der italienischen Motivationspaare auf die fünf Bereiche der Gerichtetheit Es zeigt sich, dass die Verteilung auf die unterschiedlichen Abschnitte im Französischen und Italienischen sehr ähnlich ist. In beiden Sprachen nimmt die Ausnutzung der Bereiche von oben nach unten fast kontinuierlich zu. Dass sich die Gerichtetheitswerte im schwach und sehr schwach gerichteten Bereich konzentrieren, ist zum Teil auf die verwendete Formel zurückzufüh- 198 In dieser Kategorie sind auch die Fälle mit einer Gerichtetheitsstärke von 0% enthalten, da dieser Wert zwar einerseits für absolute Bidirektionalität steht, andererseits aber auch relativ zu den anderen Gerichtetheitswerten noch einmal niedriger ist (s. auch Kap. 3.4.3). Dies gilt auch für Tab. 24. sehr stark gerichtet 100 - 80% stark gerichtet 79 - 60% mittel gerichtet 59 - 40% schwach gerichtet 39 - 20% sehr schwach gerichtet 198 19 - 0% gesamt Anzahl 3 5 8 23 25 64 Anzahl in Prozent 4.7% 7.8% 12.5% 35.9% 39.1% 100% sehr stark gerichtet 100 - 80% stark gerichtet 79 - 60% mittel gerichtet 59 - 40% schwach gerichtet 39 - 20% sehr schwach gerichtet 19 - 0% gesamt Anzahl 0 4 15 13 23 55 Anzahl in Prozent 0% 7.3% 27.3% 23.6% 41.8% 100% <?page no="202"?> 202 ren, die niedrige Werte begünstigt. Aber auch die Methode der Sprecherbefragung spielt eine Rolle: Bei 27 oder mehr befragten Personen finden sich so gut wie immer auch Entscheidungen für weniger nahe liegende Antwortoptionen, wodurch nur wenige Motivationspaare im sehr stark und stark gerichteten Bereich liegen. Die dadurch insgesamt relativ niedrige Gerichtetheit ist jedoch insofern unerheblich, als für die nun folgende Überprüfung der in Kap. 3.4.4 aufgestellten Hypothesen vor allem die Verhältnisse zwischen den einzelnen formal-semantischen Kombinationen, auf denen die Motivationspaare beruhen, von Interesse sind. Folglich sind die Gerichtetheitswerte nicht als absolut, sondern immer in Relation zu den jeweiligen Vergleichsgruppen zu betrachten. 6.2 Gerichtetheitsstärke und formale Relationen Parallel zu den Ergebnissen zur Motiviertheit im vorangehenden Kapitel wird nun die Gerichtetheitsstärke der Motivationspaare ausgehend von den verschiedenen formalen Relationen dargestellt. Dabei wird zuerst ein Überblick über die Ergebnisse gegeben, die dann noch weiter in Untergruppen differenziert werden (6.2.1). Im Anschluss werden die Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [3] diskutiert (6.2.2). 6.2.1 Überblick Tab. 25 enthält eine Übersicht über die durchschnittliche Gerichtetheitsstärke der einzelnen formalen Relationen pro untersuchte Sprache und im Gesamtdurchschnitt. 199 In Klammern steht jeweils die Anzahl der abgefragten Motivationspaare. Tab. 25: Durchschnittliche Gerichtetheitsstärke pro formale Relation 199 Zur Einbeziehung des Gesamtdurchschnitts s. Anm. 170 in Kap. 5.2.1. Gerichtetheitsstärke formale Relation Französisch (Anzahl) Italienisch (Anzahl) insgesamt (Anzahl) formale Identität 19% (18) 27.1% (16) 22.7% (34) Stammkonversion 31.4% (31) 24.5% (25) 28% (56) Wortkonversion 46.5% (2) -- 46.5% (2) Präfigierung 57.2% (5) 45.7% (6) 50.9% (11) Suffigierung 36.8% (8) 49.8% (8) 43.3% (16) Gesamtdurchschnitt 31.1% (64) 31.2% (55) 31.1% (119) <?page no="203"?> 203 Betrachtet man zunächst nur den Gesamtdurchschnitt in der rechten Spalte von Tab. 25, zeigt sich, dass die Präfigierungen am stärksten gerichtet sind, gefolgt von den (allerdings nur im Französischen abgefragten) Wortkonversionen und den Suffigierungen. Die Stammkonversionen sind im Gesamtdurchschnitt deutlich schwächer gerichtet, liegen aber noch vor den form- Ident-Relationen, die die niedrigste Gerichtetheitsstärke aufweisen. Gemäß der in Kap. 6.1 vorgenommenen Einteilung entsteht eine Abstufung vom mittel gerichteten Bereich (Präfigierungen, Wortkonversionen, Suffigierungen) zum schwach gerichteten Bereich (Stammkonversionen, formIdent). Aufgeschlüsselt nach Einzelsprache ergeben sich leichte Modifikationen in der Abstufung der formalen Relationen. Graphisch lässt sich dies folgendermaßen darstellen: Abb. 19: Gerichtetheitsstärke nach formaler Relation im Sprachvergleich Bei den Affigierungen ist das Verhältnis zwischen Französisch und Italienisch spiegelbildlich: Im Französischen sind die Präfigierungen gemäß Tab. 25 mit 57.2% am stärksten gerichtet, während die Suffigierungen mit 36.8% noch unter den Wortkonversionen im oberen schwach gerichteten Bereich liegen. Im Italienischen hingegen sind die Suffigierungen mit 49.8% die am stärksten gerichtete Relation, die Präfigierungen liegen knapp darunter ebenfalls noch im 0 10 20 30 40 50 60 70 Gerichtetheitsstärke der formalen Relationen Französisch Italienisch insgesamt <?page no="204"?> 204 mittel gerichteten Bereich. Auch ist die Diskrepanz zwischen Präfigierungen und Suffigierungen im Französischen deutlich größer (20.4%) als die zwischen Suffigierungen und Präfigierungen im Italienischen (4.1%). Ebenfalls spiegelbildlich verhalten sich Stammkonversionen und formIdent-Relationen im Sprachvergleich. Im Französischen sind die formIdent-Relationen mit 19% im Durchschnitt nur schwach gerichtet, während die Stammkonversionen 31.4% erreichen, was einen Unterschied von 12.4% ergibt. Im Italienischen ist die Differenz wieder deutlich geringer (2.6%), jedoch liegt die Gerichtetheit der formIdent-Relationen mit 27.1% noch etwas über der der Stammkonversionen mit 24.5%. Diese zweifach gegenläufigen Ergebnisse werden durch den Einbezug weiterer Parameter erklärbar und daher in Kap. 6.4 noch einmal ausführlich diskutiert. Zunächst aber muss aus der Perspektive der formalen Relationen noch ein etwas differenzierterer Blick auf die einzelnen Affigierungen einerseits, die Konversionen andererseits geworfen werden, da es für diese Gruppen aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll ist, sie noch einmal in Unterkategorien zu unterteilen. Bei den Affigierungen war im Vorfeld eine Tendenz zur Gerichtetheit gemäß der Ableitungsrichtung von formal einfach zu formal komplex angenommen worden. Auch wenn es in der Sprecherbefragung so gut wie immer Stimmen für beide Ableitungsrichtungen gibt, entfällt bei den meisten der abgefragten Präfigierungs- und Suffigierungspaare die Mehrheit der Antworten wie erwartet auf diese Richtung. Es treten jedoch auch einzelne Fälle auf, bei denen mehrheitlich für die umgekehrte Richtung Ableitung → Basis votiert wurde. Auch bei den französischen Wortkonversionen sowie bei einzelnen Stammkonversionen war im Vorfeld u.a. bei einer wortinternen Gebildetheit eine Ableitungsrichtung festgelegt worden (s. Kap. 4.2.3), die sich bei den Wortkonversionen vollständig, bei den Stammkonversionen nur zum Teil bestätigt hat. Bei formIdent wiederum war bei metSimbasierten Paaren eine Ableitungsrichtung bestimmt worden. Was die Stammkonversionen angeht, ist außerdem eine Differenzierung nach beteiligten Wortarten angezeigt: Gerade um die aufgetretenen Lesartenverschiebungen bei den Substantiven (s. Kap. 4.3.5) bewerten zu können, muss unterschieden werden, ob mehrheitlich vom Verb zum Substantiv abgeleitet wurde (V → N) oder umgekehrt (N → V). Dasselbe gilt für die Paare, an denen Adjektive beteiligt sind (Adj. - V, Adj. - N). Weiterhin finden sich einzelne Fälle mit einer zufälligen absoluten Bidirektionalität, d.h. mit einer Gerichtetheitsstärke von 0%. Diese sind in der folgenden Tab. 26, die eine Aufteilung der Gerichtetheitswerte nach den genannten Parametern enthält, mit dem zweiseitigen Pfeil (↔) gekennzeichnet. <?page no="205"?> 205 Tab. 26: Verteilung der Stimulipaare auf formale Relationen, dominierende Ableitungsrichtung und Wortartenabfolge Bei vier Affigierungspaaren läuft die dominierende Ableitungsrichtung insofern der erwarteten zuwider, als hier mehrheitlich für die Richtung Ableitung → Basis gestimmt wurde. Dadurch, dass bei Annahme dieser Ableitungsrichtung vorhandene Affixe entfernt werden müssten, entsprechen sie eigentlich dem Verfahren der Rückbildung (s. auch Kap. 1, Anm. 30). Sie sind in der folgenden Tab. 27 einzeln aufgeführt. formale Relation Französisch Anzahl der Wortpaare pro dominierende Richtung und Wortartenabfolge Italienisch Anzahl der Wortpaare pro dominierende Richtung und Wortartenabfolge formale Identität mit Richtungsannahme Basis → Abl. (6) Basis → Abl. (9) formale Identität ohne Richtungsannahme 12 7 Stammkonversion mit Richtungsannahme, hier getrennt nach beteiligten Wortarten Basis → Abl. (9): V → N (2) N → V (5) Adj. → N (1) Adj. → V (1) Abl. → Basis (2): V → Adj. (1) V → N (1) Basis → Abl. (5): N → V (2) Adj. → V (3) Abl. → Basis (6): V → N (2) N → V (2) N ↔ V (1) Adj. ↔ V (1) Stammkonversion ohne Richtungsannahme, hier getrennt nach beteiligten Wortarten V → N (5) N → V (13) N ↔ V (1) Adj. → N (1) V → N (3) N → V (11) Wortkonversion Basis → Abl. (2) -- Präfigierung Basis → Abl. (5) Basis → Abl. (5) Abl. → Basis (1) Suffigierung Basis → Abl. (7) Abl. → Basis (1) Basis → Abl. (6) Abl. → Basis (2) Summe 64 55 <?page no="206"?> 206 formale Relation Kurz- ID Motivationspaar Gerichtetheitsstärke Stimulus A Stimulus B Suffigierung F3-23 (la) nourriture ‘entretien alimentaire d‘une personne’ nourrir ‘fournir les aliments nécessaires’ 12% Präfigierung I2-16 inghiottire ‘mandar giù nell‘ esofago cibo o bevande’ ghiotto ‘goloso’ 19% Suffigierung I2-20 tenacia ‘forza, costanza nella volontà, nell‘azione’ tenace ‘costante, saldo nei propositi’ 35% Suffigierung I1-16 misero ‘insufficiente, inadeguato’ miseria ‘povertà estrema’ 20% Tab. 27: Rückgebildete Affigierungspaare Wie sich zeigt, liegen die Gerichtetheitswerte dieser vier Paare unter dem Gesamtdurchschnitt (s. Tab. 25) und sind eher im sehr schwach anstatt im mittel bis schwach gerichteten Bereich angesiedelt. Die Ergebnisse für diese abweichenden Paare werden aufgrund verschiedener Interaktionen und Einflussfaktoren erklärbar. Daher werden diese an den entsprechenden Stellen in Kap. 6.4 eingehend besprochen. Bei den Stammkonversionen, für die eine Richtungsannahme besteht, bestätigt sich diese im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse im Französischen in neun von elf Fällen, im Italienischen jedoch nur in knapp der Hälfte der Fälle. Auf sie wird im folgenden Teilkapitel in Verbindung mit Hypothese [3b] genauer eingegangen. Bei den V-N-Stammkonversionen ohne angenommene Richtung zeigt sich, dass die Verhältnisse im Französischen und Italienischen relativ ähnlich sind. In beiden Sprachen sind die Fälle mit N → V als dominierender Ableitungsrichtung viel zahlreicher als die gemäß V → N gerichteten. Bei den wenigen V-Adj.-Stammkonversionen sind beide Richtungen vertreten, Adj. → V kommt als dominierende Relation über die Sprachen hinweg aber häufiger vor. Die Ableitung des Verbs auf der Basis des Substantivs bzw. Adjektivs scheint also allgemein bevorzugt zu werden. Die beiden französischen Adj.- N-Paare sind beide gemäß Adj. → N gerichtet. <?page no="207"?> 207 Bei formIdent hat sich bei den (überwiegend metSim-baiserten) Stimulipaaren, bei denen im Vorfeld eine Ableitungsrichtung angenommen worden war, diese in allen Fällen bestätigt (s. auch Kap. 6.3.2). 6.2.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [3] Zum Abschluss der Betrachtung der Gerichtetheitswerte aus der Perspektive der formalen Relationen sollen diese nun in Bezug auf die in Kap. 3.4.4 formulierten Hypothesen [3a] und [3b] diskutiert werden, die hier noch einmal wiederholt werden: [3a] Bei Wortpaaren mit Unterschied in der formalen Komplexität besteht eine stärkere Direktionalität als bei formal gleichen Wortpaaren. [3b] Eine wortinterne Gebildetheit hat keine Auswirkung auf die Direktionalität. Hypothese [3a] bestätigt sich nun insofern, als Paare mit formalem Komplexitätsunterschied, also die Affigierungen, insgesamt tatsächlich die formalen Relationen mit der im Durchschnitt höchsten Gerichtetheitsstärke sind, während die Relationen ohne formalen Komplexitätsunterschied mit Ausnahme der Wortkonversion schwächer gerichtet sind. Zwar ist die Differenz zwischen unterschiedlicher und gleicher Komplexität nicht besonders hoch und bewegt sich innerhalb des mittel bis schwach gerichteten Bereichs, dennoch ergibt sich im Gesamtdurchschnitt sowie für das Italienische eine relativ eindeutige Trennung zwischen Affigierung einerseits, Stammkonversion und formIdent andererseits (vgl. die Durchschnittswerte in Tab. 25). Im Französischen aber entsteht von den Präfigierungen über die Wortkonversionen und Suffigierungen, gefolgt von den Stammkonversionen und den formIdent-Relationen, eine mehr oder weniger kontinuierliche Abstufung vom mittel über den schwach zum sehr schwach gerichteten Bereich. Zum einen ist also festzustellen, dass die Gerichtetheitswerte vorwiegend den mittel und (sehr) schwach gerichteten Bereich ausnutzen. Zum anderen entsteht nicht zwangsläufig eine deutliche Dichotomie zwischen den beiden Komplexitätsgruppen, sondern es kann sich auch, wie im Französischen, ein Kontinuum der Direktionalität ergeben. Letzteres Ergebnis entspricht aber voll und ganz der Annahme, dass die Direktionalität von Motivationspaaren als graduiert anzusehen ist und sich auf einem Kontinuum abbilden lässt (Kap. 3.4.2). Die tendenziell niedrigen Durchschnittswerte für formIdent und für die Stammkonversionen sprechen zunächst einmal dafür, dass hier unabhängig von der zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relation generell die Direktionalität einschränkt ist, dass also in erster Linie das formale Verhältnis zwischen zwei Motivationspartnern für die Gerichtetheit ausschlaggebend ist und erst an zweiter Stelle die semantisch-kognitive Relation oder zusätzliche <?page no="208"?> 208 Einflüsse ins Spiel kommen (Hypothese [4]). Die Sprecher scheinen sich also wie vermutet an der Regel zu orientieren, dass abgeleitete Wörter typischerweise länger sind als die Ausgangsformen. Entsprechend besteht mehr Uneinigkeit und folglich eine niedrigere Gerichtetheitsstärke, wenn die beiden Stimuli sich formal nicht (wesentlich) unterscheiden. Dagegen sprechen nur die beiden Wortkonversionen, die trotz formal gleicher Komplexität stärker gerichtet sind als die Suffigierungen. Durch die geringe Anzahl dieses Konversionstyps bedingt sind Erklärungen für diese unerwartet hohe Gerichtetheit schwierig. Am wahrscheinlichsten sind semantische Faktoren sowie die wortinterne Gebildetheit, wie sich im Folgenden noch zeigen wird. Allerdings deutet die Tatsache, dass sich die Gerichtetheitswerte bei form- Ident und den Stammkonversionen in den beiden Einzelsprachen genauso wie bei den Präfigierungen und Suffigierungen spiegelbildlich verhalten, darauf hin, dass die formalen Eigenschaften durch andere Faktoren überdeckt werden können. Zu beachten ist auch, dass bei einzelnen Affigierungspaaren die gegenläufige Ableitungsrichtung dominiert, was der implizit auf der gängigen Richtung von einfach zu komplex aufbauenden Hypothese [3a] zu widersprechen scheint. Allerdings ist Hypothese [3a] ja bewusst als Tendenz konzipiert. Folglich können sich einzelne Fälle dieser Tendenz entziehen. Hypothese [3a] erweist sich also als bestätigt, wenn man berücksichtigt, dass sich gemäß den in den Hypothesen [4] und [5] formulierten Erwartungen Interaktionen und damit Nuancierungen ergeben, die dazu führen, dass sich die angenommene deutliche Direktionalität nur tendenziell in den Verhältnissen zwischen den einzelnen formalen Relationen, nicht aber in absoluten Werten manifestiert. Diese Relativität entspricht gerade auch dem angenommenen Kontinuum der Direktionalität. Wie die verschiedenen Interaktionen und anderen Einflussgrößen ineinander wirken, wird in den folgenden Teilkapiteln im Detail aufgezeigt. Ein Gesamtbild der verschiedenen Gerichtetheitswerte entsteht also erst aus der Betrachtung aller möglichen Interaktionen. Im Gesamtdurchschnitt aus den beiden Sprachen ist die Gerichtetheitsstärke bei den Präfigierungen mit 50.9% höher als bei den Suffigierungen mit 43.3% (s. auch Tab. 25). Auch jenseits der Betrachtung verschiedener Interaktionen (s. Kap. 6.4.1.1) lässt sich eine Begründung für dieses Gesamtbild finden: Zunächst fällt auf, dass sich das Ergebnis genau spiegelbildlich zu den Motiviertheitswerten verhält, wo die Suffigierungen im Gesamtdurchschnitt eine höhere Motiviertheit, zugleich aber tendenziell eine niedrigere Gerichtetheitsstärke als die Präfigierungen aufweisen. Auf den ersten Blick erscheint dieses gegenläufige Verhalten erstaunlich. So hatte sich in Kap. 5.2.2 herausgestellt, dass die Präfigierungen eher zur Idiomatizität neigen als die Suffigierungen, was unter Umständen auf das Phänomen der Suffixpräferenz (Cutler et al. 1985) zurückgehen könnte. Aufgrund dessen wäre es nun naheliegend, zu vermuten, dass die Suffigierungen nicht nur einen höheren Motiviertheits- <?page no="209"?> 209 grad, sondern auch eine höhere Gerichtetheitsstärke haben. Aus dem folgenden Grund spielen diese Faktoren jedoch in Bezug auf die Direktionalität gerade keine Rolle: Zunächst setzt die Bestimmung einer Ableitungsrichtung ja voraus, dass ein formaler sowie ein semantischer Zusammenhang zwischen den Stimuli erkannt wird, dass also Motiviertheit besteht. Auch wenn dieses Erkennen bei Stimulipaaren mit hoher Idiomatizität evtl. mehr Aufwand erfordert, hat der Grad an Idiomatizität einen geringeren Einfluss, sobald erst einmal eine semantische Beziehung hergestellt wurde. An diesem Punkt erst macht sich vermutlich der Unterschied zwischen Präfigierungen und Suffigierungen bezüglich der Gerichtetheitsstärke bemerkbar, allerdings genau umgekehrt zur Motiviertheit der beiden formalen Gruppen. Was letzteren Wert angeht, spielt die Semantik wie in Kap. 5.2.2 gezeigt eine stärkere Rolle als der formale Komplexitätsunterschied. Daher ist es einfacher, beim Vergleich der weniger idiomatischen Suffigierungen mit ihren Basen einen Zusammenhang zu erkennen, als bei den idiomatischeren Präfigierungen und ihren Basen. Sofern die Suffixpräferenz auch in Offline-Befragungen zum Tragen kommt, könnte die Motiviertheit auch dadurch gefördert werden, dass bei Suffigierungen zuerst der Wortstamm mit der für das Verständnis entscheidenden Information kommt. Was die Ableitungsrichtung betrifft, wirkt sich hingegen das formale Verhältnis zwischen den Motivationspartnern stärker auf die Entscheidungen der Fragebogenteilnehmer aus. Dadurch könnte bei den Präfigierungen, bei denen der Wortanfang nicht dem der Basis entspricht, der Unterschied in der Abfolge von Affix und Stamm gerade der Grund dafür sein, dass es hier leichter ist, eine Ableitungsrichtung zu bestimmen: Die formale Divergenz zwischen den Stimuli fällt sofort auf, wohingegen bei den Suffigierungen zunächst der identische Wortstamm augenfällig ist und der formale Unterschied am weniger salienten Wortende gesucht und zudem von irrelevanten Flexionsmarkierungen unterschieden werden muss. Dies könnte die Sprecher auch in einer Offline-Befragung dazu verleiten, den formalen Unterschied bei Suffigierungspaaren als weniger wichtig für die Ableitungsrichtung zu werten als bei Präfigierungspaaren. Sofern sich der Unterschied in der Gerichtetheitsstärke von Präfigierungen und Suffigierungen bei der Offline-Untersuchung größerer Datenmengen als stabil erweist, wäre es also vielleicht angebracht, hinsichtlich der Ableitungsrichtung von einer „Präfixpräferenz“ zu sprechen. Indes interagiert diese u.a. mit bestimmten semantisch-kognitiven Relationen und kann bspw. überdeckt werden, wenn wie im Italienischen die Präfigierungen durch andere Faktoren bedingt weniger stark gerichtet sind (s. Kap. 6.4.1.1 und 6.4.3). Hypothese [3b], der zufolge eine wortinterne Gebildetheit keine Auswirkung auf die Direktionalität hat, scheint durch das Ergebnis für die französischen Konversionen widersprochen zu werden, da nur zwei von elf Stammkonversionspaaren der erwarteten Richtung zuwiderlaufen und auch die <?page no="210"?> 210 Wortkonversionen gemäß den Annahmen gerichtet sind (s. Tab. 26). Im Italienischen hingegen bestätigt sich Hypothese [3b] eher, da die angenommene Richtung nur bei der Hälfte der Stammkonversionen eine Mehrheit hat. Es fragt sich jedoch, ob in den Fällen, in denen sich die erwartete Richtung bestätigt hat, auch wirklich die wortinterne Gebildetheit für die Richtungsentscheidungen ausschlaggebend war. Bei den V-N-Stammkonversionen ist dies in beiden Sprachen zu bezweifeln: Die Sprecherbegründungen sind hier fast ausschließlich semantischer Natur und mit wenigen Ausnahmen haben die Befragten nicht die Struktur der Stimuli kommentiert. 200 Da die meisten Fälle außerdem zu Gruppen gehören, in denen die semantisch-kognitive Relation und die Paraphrasierbarkeit der Richtungen die zentrale Rolle für die Richtungsentscheidung spielt (s. Kap. 6.4.1.2), ist vielmehr anzunehmen, dass die Ableitungsrichtung, die sich aus der wortinternen Gebildetheit ergibt, und diejenige, die den semantischen Präferenzen entspricht, zufällig übereinstimmen. Etwas anders verhält sich das Adj.-N-Paar fr. a. extérieur - b. (l‘)extérieur (F1-16): Hier haben vergleichsweise viele Sprecher (25%) darauf verwiesen, dass es sich um ein nominalisiertes Adjektiv handelt. Es kann jedoch bezweifelt werden, dass dies aufgrund des Suffixes -eur erkannt wurde, 201 da beim zweiten Adj.-N-Paar, fr. a. (le) vieux - b. vieux, das nicht wortintern gebildet ist, ein noch höherer Anteil an Sprechern (31,3%) das nominalisierte Adjektiv identifiziert hat. Insofern scheinen sich auch hier die Entscheidungen eher auf semantische Kriterien zu gründen. Die beiden französischen Wortkonversionen nun erreichen trotz formaler Gleichheit eine stärkere Gerichtetheit als die Suffigierungen. Daher könnte es in der Tat sein, dass die Präsenz von Flexionsaffixen, die eindeutig einer bestimmten Wortart - in diesem Fall dem Infinitiv - zuzuordnen sind, die Ableitungsrichtung vom Verb zum Substantiv favorisieren. Jedoch ist der Anteil an Fragebogenteilnehmern, die auf die Nominalisierung eines Infinitivs verweisen, nur bei a. savoir - b. (le) savoir (F2-21) mit 40,9% vergleichsweise hoch. Bei a. être - b. (l‘)être (F1-11) beträgt er nur 3%. Eine Erklärung ist hier wegen der geringen Mitgliederzahl dieser formalen Gruppe schwierig. Denkbar wäre entweder, dass -oir ein salienteres Infinitivsuffix ist als -re oder dass bei F1-11 aufgrund der salienten Personenbezeichnung semantische Begründungen für diejenigen Sprecher, die einen Zusammenhang zum Verb erkannt haben, näher liegen. Solide Aussagen hierüber wären aber erst nach der Abfrage größerer Mengen an Wortpaaren mit nominalisiertem Infinitiv möglich. 200 Eine Ausnahme stellt z.B. Sprecher 196 dar, der bei fr. a. débattre - b. (le) débat (F3-13) eine Derivationskette bildet: „battre > débattre > débat“. Da débattre von battre abgeleitet ist, ist die Richtung débat → débattre ausgeschlossen und es ergibt sich débattre → débat. 201 Zumal das zugrunde liegende gelehrte Paradigma antérieur - antériorité, extérieur - extériorité etc. nur eine geringe Mitgliederzahl hat (s. auch Kap. 4.2.3). <?page no="211"?> 211 Noch offen ist, wie das spiegelbildliche Verhältnis von Präfigierungen und Suffigierungen einerseits, von Stammkonversionen und formIdent-Relationen andererseits im Französischen und Italienischen erklärt werden kann und wie es dazu kommt, dass bei manchen Affigierungspaaren die Richtung Ableitung → Basis die dominierende ist. Diese Fragen werden sich in den folgenden Abschnitten klären. Das folgende Teilkapitel befasst sich zunächst näher mit den Gerichtetheitswerten pro semantisch-kognitive Relation und damit zusammenhängend mit Hypothese [5]. 6.3 Gerichtetheitsstärke und semantisch-kognitive Relationen Analog zur Darstellung der formalen Relationen wird auch in diesem Kapitel, das den semantisch-kognitiven Relationen gewidmet ist, ein Überblick über die Ergebnisse gegeben (6.3.1), auf den dann die Diskussion in Bezug auf Hypothese [5] folgt (6.3.2). 6.3.1 Überblick Die im Folgenden dargestellten semantisch-kognitiven Relationen beziehen sich genau wie bei der Diskussion der Motiviertheit (Kap. 5.3) auf die von der Autorin zugrunde gelegten Relationen, die von den aus den Sprecherbegründungen hervorgehenden Relationen abweichen können. Wie Tab. 28 verdeutlicht, ergibt sich auch hinsichtlich von Kont, metSim und semIdent in den beiden untersuchten Sprachen nur tendenziell ein einheitliches Bild. <?page no="212"?> 212 Tab. 28: Durchschnittliche Gerichtetheitsstärke pro semantisch-kognitive Relation In beiden Sprachen erweist sich Kont als die Relation mit der stärksten Gerichtetheit, die jeweils einen sehr ähnlichen Durchschnitts-Gerichtetheitswert hat, aber nur im schwach gerichteten Bereich liegt. Im Französischen erzielen metSim und semIdent ungefähr gleiche Werte, die im unteren schwach gerichteten Bereich liegen. MetSim ist leicht stärker gerichtet als semIdent. Im Italienischen ist metSim jedoch nur unwesentlich schwächer gerichtet als Kont, liegt also ebenfalls im oberen mittel gerichteten Bereich, wohingegen nur semIdent mit einer im Durchschnitt sehr schwachen Gerichtetheit deutlich abfällt. Was die marginalen Kontrast-, taxSuperSub- und kotaxSim-basierten Motivationspaare im Französischen angeht, zeigt sich, dass sie die Extreme des Kontinuums ausmachen: Die beiden Kontrastpaare weisen mit 76% eine überdurchschnittlich starke Gerichtetheit auf, während das kotaxSim-Paar nur eine sehr niedrige Gerichtetheit von 5% erreicht. TaxSuperSub bewegt sich mit 37% im schwach gerichteten Bereich und ist etwas stärker gerichtet als Kont. Unter Einbeziehung auch dieser drei Relationen stellen sich die Gerichtetheitsverhältnisse bei den semantisch-kognitiven Relationen graphisch folgendermaßen dar: Gerichtetheitsstärke ursprgl. angenommene sem.-kogn. Relation Französisch (Anzahl) Italienisch (Anzahl) insgesamt (Anzahl) metaphorische Similarität (metSim) 22.4% (7) 32.8% (10) 28,5% (17) semantische Identität (semIdent) 21.4% (16) 16.4% (8) 19.7% (24) Kontiguität (Kont) 34.9% (34) 34% (37) 34.4% (71) konzeptueller Kontrast 76% (2) -- 76% (2) taxonomische Super- und Subordination (taxSuperSub) 37% (4) -- 37% (4) kotaxonomische Similarität (kotaxSim) 5% (1) -- 5% (1) Gesamtdurchschnitt 31.1% (64) 31.2% (55) 31.1% (119) <?page no="213"?> 213 Abb. 20: Gerichtetheitsstärke bezüglich aller semantisch-kognitiver Relationen im Sprachvergleich 6.3.2 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [5] Um die oben beschriebenen Ergebnisse nun in Bezug auf Hypothese [5] diskutieren zu können, sei diese hier noch einmal wiederholt: [5] Alle semantisch-kognitiven Relationen sind potenziell bidirektional, neigen aber in unterschiedlichem Maße zu einer bevorzugten Ableitungsrichtung. Diese Neigung ist bei metSim besonders stark, bei sem- Ident besonders schwach ausgeprägt. Hypothese [5] trifft generell zu, da alle semantisch-kognitiven Relationen, auch die metSim, Stimmen für beide Ableitungsrichtungen aufweisen und damit nicht 100-prozentig unidirektional sind. Insofern erscheint es in der Tat wie in Kap. 3.4.4 postuliert aus der Sicht der Sprachbenutzer angemessener, auch die allgemein als unidirektional geltende metSim als prinzipiell bidirektional zu fassen. Dennoch verhält sich die metSim anders als die anderen semantisch-kognitiven Relationen, da bei allen metSim-Paaren die aufgrund der einschlägigen Transfermuster zu erwartende Ableitungsrichtung auch die mehrheitlich von den Sprechern gewählte ist: bei den formIdent-Paaren 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Gerichtetheitsstärke der sem.-kogn. Relationen Französisch Italienisch insgesamt <?page no="214"?> 214 (s. Tab. 26) ebenso wie bei den beiden Einzelfällen der metSim-basierten Präfigierung und der Stammkonversion. Dies zeigt, dass die gängigen Transfermuster wohl auch den kognitiven Präferenzen der linguistischen Laien entsprechen. Bei semIdent und Kont hingegen traten auch Motivationspaare auf, die der formal bedingt erwarteten Ableitungsrichtung widersprachen, indem die nicht erwartete Richtung mehr Antworten bekommen hatte (s. dazu die Tab. 26 und 27). Jedoch erweist sich metSim nicht als die am stärksten gerichtete semantisch-kognitive Relation, sondern liegt bezüglich der Direktionalität entweder, wie im Italienischen, fast gleichauf mit Kont oder sogar, wie im Französischen, noch deutlich darunter. Auch wenn dies sicher zum Teil dadurch bedingt ist, dass metSim in erster Linie bei der insgesamt schwächer gerichteten formIdent auftritt, ist es doch auffällig, dass ihre höchsten Gerichtetheitswerte nur bei 38% (Französisch) und 58% (Italienisch) liegen, während andere Relationen, vor allem Kont und Kontrast, zum Teil Gerichtetheitswerte über 60% oder gar 80% erreichen (vgl. die einzelnen Werte im Anhang 9.4). Kont ist also unter den drei zentralen semantisch-kognitiven Relationen insgesamt die am stärksten gerichtete Relation, wobei sie aber im Durchschnitt nicht über den schwach gerichteten Bereich hinauskommt und sich im Italienischen auch kaum von metSim unterscheidet. Da Kont auch die quantitativ am stärksten vertretene Relation ist und sich über alle formalen Gruppen verteilt, lässt sich vermuten, dass hier weniger bestimmte Interaktionen mit formalen Relationen, sondern vielmehr wie in Hypothese [4] formuliert außersprachliche oder anderweitige Faktoren die Richtungsentscheidung beeinflussen. Auf diese wird in den folgenden Teilkapiteln noch eingegangen (s. insbesondere Kap. 6.4.4). SemIdent hingegen ist in beiden Sprachen nur schwach gerichtet und bestätigt damit, dass diese semantisch-kognitive Relation stark zur Bidirektionalität tendiert. Dies hängt auch damit zusammen, dass bei identischen Konzepten zusätzliche, insbesondere außersprachliche Faktoren kaum zum Tragen kommen. Auch die Ergebnisse bei Kontrast, taxSuperSub und kotaxSim sind natürlich wieder zu den unterschiedlichen formalen Relationen in Bezug zu setzen und außerdem angesichts der wenigen Beispielfälle unter Vorbehalt zu betrachten. Dennoch bestätigen sich auch die Erwartungen bezüglich der Direktionalität dieser semantisch-kognitiven Relationen: Die beiden Kontrastfälle erreichen keine 100-prozentige Gerichtetheit, folgen aber mit großer Mehrheit dem Muster positiv/ unmarkiert → negativ/ markiert (s. Kap. 1.3.3), sodass auch hier wohl ein außersprachlicher Faktor die prinzipielle Bidirektionalität modifiziert - allerdings zusätzlich verstärkt durch die formale Relation der Präfigierung. Auch die taxSuperSub-Paare erreichen trotz prinzipieller Bidirektionalität eine relativ starke Gerichtetheit, wobei freilich noch, wie es im <?page no="215"?> 215 Folgenden geschehen wird, zwischen der Präfigierung und den drei form- Ident-Paaren unterschieden werden muss. Dennoch ist auch hier das Einwirken zusätzlicher Faktoren nicht ausgeschlossen, wohingegen die sehr niedrige Gerichtetheitsstärke bei kotaxSim dafür spricht, dass sich hier wie bei semIdent keine kognitiv oder wissensbedingt bevorzugte Richtung durchsetzt, was aber auch wieder durch die niedrig gerichtete formIdent verstärkt wird. Hypothese [5] erweist sich also bezüglich der Annahme einer prinzipiellen Bidirektionalität aller semantisch-kognitiven Relationen als richtig. Dass metSim dabei in stärkerem Maße zur Bevorzugung einer Ableitungsrichtung neigt als die anderen Relationen, manifestiert sich nur darin, dass bei dieser Relation keine Fälle auftreten, bei denen die unerwartete Ableitungsrichtung dominiert. Hinsichtlich der Gerichtetheitsstärke erreichen der Kontrast sowie einzelne Fälle von Kont und taxSuperSub die höchsten Werte, allerdings vermutlich in deutlicher Interaktion mit weiteren Faktoren. Auf diesen Zusammenhang wird im folgenden Teilkapitel eingegangen. 6.4 Interaktionen und weitere Einflussfaktoren Wie sich in den beiden vorangegangenen Kapiteln bereits angedeutet hat, ist die Gerichtetheit der verschiedenen Motivationspaare nie allein aufgrund der formalen oder der semantisch-kognitiven Relation erklärbar, sondern immer eine Funktion von beiden sowie vermutlich von weiteren Einflussgrößen. In einem ersten Teilkapitel sollen daher die möglichen Interaktionen aus formalen und semantisch-kognitiven Relationen betrachtet werden (Kap. 6.4.1). Sowohl bei den formal unterschiedlich komplexen als auch bei den gleich komplexen Relationen wirken zusätzliche Einflussfaktoren. Hierbei handelt es sich um die bereits bei der Diskussion der Motiviertheit identifizierten Parameter des Abstraktheitsgrades der Bedeutungen und der formalen und semantischen Kompositionalität, außerdem um den Faktor der Paraphrasierbarkeit (Kap. 6.4.2). Durch die Betrachtung der Interaktionen sowie der Zusatzparameter werden auch die noch offenen Fragen zu den einzelsprachlichen Unterschieden in der Direktionalität bei den formalen und semantischkognitiven Relationen und zu den rückgebildeten Affigierungspaaren beantwortet. Abschließend werden die feststellbaren Einflüsse auf die Gerichtetheitsstärke zusammengeführt (Kap. 6.4.3) und in Bezug auf Hypothese [4] diskutiert (Kap. 6.4.4). <?page no="216"?> 216 6.4.1 Interaktionen von formalen und semantisch-kognitiven Relationen Die Interaktionen zwischen formalen und semantisch-kognitiven Relationen werden getrennt nach den drei großen formalen Gruppen betrachtet: Affigierungen (6.4.1.1), Stamm- und Wortkonversionen (6.4.1.2) und formIdent (6.4.1.3). 6.4.1.1 Affigierungen Betrachtet man die Affigierungen in Bezug auf die semantisch-kognitiven Relationen, mit denen sie verbunden sind (Tab. 29 und 30), finden sich weitere Gründe dafür, dass im Italienischen im Gegensatz zum Französischen und zum Gesamtdurchschnitt die Suffigierungen einen höheren Gerichtetheitswert haben als die Präfigierungen. Präfigierungen Französisch Italienisch Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs semIdent 1 (5) 21% Basis → Abl. (F1-3) Kont 5 (6) 53% Basis → Abl. (I1-3, I1-8, I1-9, I1- 11) 19% Abl. → Basis (I2-16) metSim 1 (5) 38% Basis → Abl. (F3-22) 1 (6) 43% Basis → Abl. (I3-22) taxSuper- Sub 1 (5) 75% Basis → Abl. (F1-8) Kontrast 2 (5) 76% Basis → Abl. (F1-9, F3-19) gesamt 5 (5) 57.2% Basis → Abl. 6 (6) 51% Basis → Abl. 19% Abl. → Basis Tab. 29: Gerichtetheitsstärke der Präfigierungen nach semantisch-kognitiven Relationen <?page no="217"?> 217 Wie Tab. 29 zeigt, basieren im Französischen zwei der insgesamt fünf Präfigierungen auf der stark gerichteten Kontrastrelation, sodass hier eine deutlich gerichtete formale und eine vermutlich deutlich gerichtete semantisch-kognitive Relation zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken: Trotz der prinzipiellen Bidirektionalität der Kontrastrelation scheint es sich zu bestätigen, dass der positive Motivationspartner als unmarkiert, der negative als markiert empfunden wird, sodass sich in Kombination mit der stark gerichteten Präfigierungsrelation (s. Kap. 6.2.1) eine sehr deutliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung Basis → Präfigierung ergibt. Das Präfigierungspaar mit taxSuperSub erzielt ebenfalls einen starken Gerichtetheitswert. Nur die auf metSim und semIdent basierenden Präfigierungspaare fallen mit Werten im schwach gerichteten Bereich etwas ab. Im Italienischen entfallen die am stärksten gerichteten Kombinationen mit Kontrast und taxSuperSub. Schon allein deshalb fällt die Gerichtetheit bei den italienischen Präfigierungen niedriger aus als im Französischen. Die sechs Präfigierungen verteilen sich hier auf fünf Kont-basierte Paare und ein metSim-basiertes Paar. Wie die vier Kont-basierten Fälle, die der Richtung Basis → Ableitung entsprechen, zeigen, erreicht Kont aufgrund idiomatischerer Bedeutungen (s. Kap. 6.4.2.2 und 6.4.3) nur eine mittlere Gerichtetheit, die unter der starken Gerichtetheit der französischen taxSuperSub- und Kontrastpaare zurückbleibt. Der Durchschnittswert von 53% ergibt sich aus den drei V-V-Paaren I1-8, I1-9 und I1-11 mit Werten über 50% sowie dem N-N-Paar I1- 3, das mit 42% etwas abfällt. Hinzu kommt das rückgebildete, von der Ableitung zur Basis gerichtete Paar a. inghiottire - b. ghiotto (I2-16), das nur 19% erreicht. Bei den beiden metSim-Paaren hat F3-22 einen etwas niedrigeren Gerichtetheitswert als das Interlexempaar I3-22, was der allgemeinen Diskrepanz zwischen den französischen und den italienischen metSim-Paaren entspricht (s. Kap. 6.3 und 6.4.1.3). <?page no="218"?> 218 Suffigierungen Französisch Italienisch Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs sem- Ident 3 (8) 36.5% Basis → Abl. (F1-2, F2-22) 12% Abl. → Basis (F3-23) 1 (8) 35% Abl. → Basis (I2-20) Kont 5 (8) 41.8% Basis → Abl. (F1-4, F1-6, F1-7, F2- 24, F3-24) 7 (8) 57.5% Basis → Abl. (I1-4, I1-6, I1-7, I1-14, I2-24, I3-24) 18% Abl. → Basis (I1-16) gesamt 8 (8) 40.3% Basis → Abl. 12% Abl. → Basis 8 (8) 57.5% Basis → Abl. 26.5% Abl. → Basis Tab. 30: Gerichtetheitsstärke der Suffigierungen nach semantisch-kognitiven Relationen Die Aufschlüsselung der Gerichtetheitswerte nach semantisch-kognitiven Relationen für die Suffigierungen in Tab. 30 liefert nun eine Erklärung dafür, dass diese im Französischen eine niedrigere Gerichtetheitsstärke haben als im Italienischen: Der Anteil an insgesamt schwächer gerichteten semIdent-basierten Suffigierungen ist im Französischen höher als im Italienischen (drei Fälle vs. ein Fall). Dass die drei französischen semIdent-Paare einzeln betrachtet recht unterschiedliche Gerichtetheitswerte haben, erklärt sich dadurch, dass es sich hier um Paare aus Verb und Nomen Actionis handelt, bei denen das Substantiv ähnlich wie bei den entsprechenden Stammkonversionspaaren mehr oder weniger zahlreiche Lesartenverschiebungen aufweist (s. Kap. 4.3.5, 6.4.1.2 und 6.4.2.3). So finden sich bei F1-2, a. apparaître ‘devenir visible, distinct’ - b. apparition ‘le fait de se montrer aux yeux’, sechs Sprecherantworten, die die vorgegebene Tatsachenlesart als Resultat oder gar Objekt interpretiert haben. Da dies meist zu einer Auswahl der Ableitungsrichtung V → N führt, erreicht diese eine vergleichsweise hohe Gerichtetheitsstärke von 44%. Bei F2-22, a. (le) sentiment ‘émotion, passion’ - b. sentir ‘éprouver, ressentir’ mit 29% kamen solche Resultatslesarten nur dreimal vor. Bei dem dritten Fall, fr. a. (la) nourriture ‘entretien alimentaire d‘une personne’ - b. nourrir ‘fournir les aliments nécessaires’ (F3-23), wird die vorgegebene Tatsachenlesart des Substantivs sogar bei elf Antworten zur Objekt-, in einer Antwort zur Resultatsobjektlesart konkretisiert. Bei Annahme der Objektlesart wird bevorzugt die Richtung N → V nach dem Muster „nourrir est laction dapporter de <?page no="219"?> 219 la nourriture à un être vivant“ (Sprecher 232) gewählt, die dann häufiger als die erwartete Richtung von formal einfach zu formal komplex vorkommt, was nicht nur die Rückgebildetheit von F3-23, sondern auch den sehr schwachen Gerichtetheitswert von 12% erklärt. Zusätzlich sind unter den italienischen Suffigierung/ Kont-Paaren in Tab. 30 zwei stark (I2-24, I3-24) und drei mittel gerichtete Fälle (I1-6, I1-7, I1-14) und nur ein schwach (I1-4) und ein sehr schwach gerichtetes Paar (I1-16), während die französische Gruppe nur einen einzelnen sehr stark gerichteten Fall (F1-6) aufweist, ansonsten aber ein mittel, zwei schwach und ein sehr schwach gerichtetes Paar (s. auch Anhang 9.4). Die Kombination der Präfigierungen und Suffigierungen mit verschiedenen semantisch-kognitiven Relationen und die unterschiedlichen quantitativen Verhältnisse dieser Kombinationen erklären also ebenfalls ein Stück weit das im Sprachvergleich spiegelbildliche Verhältnis der Präfigierungen und Suffigierungen sowie die unterschiedlich große Diskrepanz zwischen ihnen: Im Französischen sind die Präfigierungen aufgrund der spezifischen Kombination mit semantisch-kognitiven Relationen mehrheitlich stark, die Suffigierungen nur mittel gerichtet. Im Italienischen fällt das Verhältnis zwischen den überwiegend Kont-basierten Präfigierungen und Suffigierungen zugunsten einer stärkeren Gerichtetheit der Suffigierungen aus, aber das Verhältnis ist ausgeglichener als im Französischen. Zu weiteren Faktoren s. Kap. 6.4.3. 6.4.1.2 Stamm- und Wortkonversionen Was die Konversionen angeht, so verteilen sich diese mit einer Ausnahme im Italienischen (die metSim-basierte Stammkonversion a. (il) colpo - b. colpire, I2-5) auf die beiden semantisch-kognitiven Relationen semIdent und Kont. Setzt man die in Kap. 6.2.1 dargestellte Abfolge der beteiligten Wortarten bei den Stammkonversionen in Bezug zu den zugrunde liegenden semantischkognitiven Relationen, ergibt sich das in den Tab. 31 und 32 dargestellte Bild. <?page no="220"?> 220 Tab. 31: Gerichtetheitsstärke der französischen Stammkonversionen nach sem.-kogn. Relationen und dominierender Wortartenabfolge 202 Auf der Basis von semIdent sind gemäß V → N gerichtet: F1-12, F2-1, F2-14, F3-12, F3- 13. Gemäß N → V sind gerichtet: F1-10, F2-4, F3-1, F3-3, F3-5, F3-10. 203 Auf der Basis von Kont sind gemäß V → N gerichtet: F2-3, F2-12, F3-11. Gemäß N → V sind gerichtet: F2-5, F2-6, F2-7, F2-9, F2-11, F2-13, F3-2, F3-4, F3-6, F3-7, F3-8, F3-9. Stammkonversionen Französisch Verteilung Gerichtetheitsstärke pro Wortartabfolge (Anzahl bzw. Kurz-IDs) Gerichtetheitsstärke insgesamt semIdent 12 (31) 20.8% V → N (5) 19.3% N → V (6) 202 16% Adj. → N (F1-16) 19.7% Kont 19 (31) 17.7% V → N (3) 50.3% N → V (12) 203 0% N ↔ V (F2-10) 27% Adj. → V (F3-20) 2% V → Adj. (F1-15) 53% Adj. → N (F1-17) 38.8% Gesamtzahl 31 (31) 19.6 % V → N (8) 39.9% N → V (18) 0% N ↔ V (1) 27% Adj. → V (1) 2% V → Adj. (1) 34.5% Adj. → N (2) 31.4% Stammkonversionen Italienisch Verteilung Gerichtetheitsstärke pro Wortartabfolge (Anzahl bzw. Kurz-IDs) Gerichtetheitsstärke insgesamt semIdent 7 (25) 21.3% V → N (I1-10, I1-12, I2-8) 14% N → V (I3-3, I3-13) 0% N ↔ V (I2-9) 4% Adj. → V (I1-17) 13.7% Kont 17 (25) 26% V → N (I2-4, I2-12) 27% <?page no="221"?> 221 Tab. 32: Gerichtetheitsstärke der italienischen Stammkonversionen nach sem.-kogn. Relationen und dominierender Wortartenabfolge Bei den Stammkonversionen sind die Durchschnittswerte von semIdent und vor allem im Italienischen auch von Kont niedriger als bei den Vergleichsgruppen der Präfigierungen und Suffigierungen (vgl. die Tab. 29, 30, 31 und 32). Das Gesamtbild spricht also dafür, dass wie vermutet zunächst einmal der formale Komplexitätsunterschied dafür verantwortlich ist, dass von den Informanten bei Affigierungen leichter eine Ableitungsrichtung bestimmt werden kann als bei den formal gleich komplexen Stammkonversionen. Zusätzlich wirkt es sich bei den Stammkonversionen aber deutlich auf die Gerichtetheitsstärke aus, ob semIdent oder Kont die zugrunde liegende semantisch-kognitive Relation ist und, damit interagierend, welcher Wortartabfolge die dominierende Ableitungsrichtung entspricht: Bei semIdent als semantisch-kognitive Relation ist das Verhältnis zwischen V → N und N → V relativ ausgeglichen. Auch die durchschnittliche Gerichtetheitsstärke ist bei den zwei Gruppen in den beiden Sprachen ungefähr gleich hoch, nämlich zwischen 14% und 21.3% und folglich im sehr schwach bzw. knapp im schwach gerichteten Bereich angesiedelt, wenn auch mit einer etwas größeren Diskrepanz im Italienischen. Diese relative Ausgeglichenheit der betroffenen Gruppen verdeutlicht die schwache Gerichtetheit der semIdent-basierten Stammkonversionen insgesamt. Liegt Kont zugrunde, wird die Richtung N → V hingegen eindeutig bevorzugt: Im Französischen ist sie bei zwölf von insgesamt 15 V-N-Paaren die häufigere Richtung, nur bei drei Paaren dominiert V → N, einmal besteht Gleichstand. Im Italienischen fällt die Differenz ähnlich aus: Bei zwölf Kont-basierten Paaren ist N → V die häufiger gewählte Richtung, in nur zwei Fällen V → N. Dabei fällt im Französischen ein Unterschied bei der Gerichtetheitsstärke auf: Bei V → N liegt der 204 Auf der Basis von Kont sind gemäß N → V gerichtet: I2-1, I2-3, I2-6, I2-7, I2-11, I2-13, I3- 2, I3-5, I3-6, I3-7, I3-8, I3-9. 31.1% N → V (12) 204 12% Adj. → V (I1-15, I2-21) 0% Adj. ↔ V (I3-19) metSim 1 (25) 58% N → V (1) 58% Gesamtzahl 25 (25) 23.2% V → N (5) 30,6% N → V (15) 0% N ↔ V (1) 12.7% Adj. → V (3) 0% Adj. ↔ V (1) 24.5% <?page no="222"?> 222 Durchschnittswert mit 17.7% ungefähr auf derselben Ebene wie die semIdent- Werte im sehr schwach gerichteten Bereich. Mit 50.3% ist die durchschnittliche Gerichtetheitsstärke bei N → V hingegen fast dreimal so hoch. Im Italienischen besteht das gleiche Verhältnis, ist aber mit 26% (V → N) und 31.1% (N → V) deutlich weniger ausgeprägt als im Französischen. Das unterschiedliche Ergebnis für semIdent und Kont ist in erster Linie auf die semantischen Abhängigkeitsverhältnisse zurückzuführen, die sich in der Leichtigkeit ausdrücken, mit der eine bestimmte Richtung paraphrasiert werden kann: Im Falle der semIdent-basierten Motivationspaare aus Verb und Nomen Actionis sind beide Richtungen ungefähr gleich attraktiv, da sie sich beide gut semantisch begründen lassen: 205 Der Blick in die einzelnen Teilnehmerantworten (s. unter http: / / www.narr-shop.de/ zur-direktionalitatder-lexikalischen-motivation.html) zeigt, dass bei semIdent für V → N Paraphrasen wie fr. „l’action/ l’acte/ le fait de V“ und it. l’azione/ l’atto/ il fatto di V“ zur Verfügung stehen. Hinzu kommen hier die Fälle, in denen manche Sprecher das Substantiv zum Resultat des durch V ausgedrückten Prozesses konkretisiert haben, sodass sich eine Kont-Relation ergibt (entsprechend wird dann N paraphrasiert mit fr. „le résultat/ l’effet de V“, it. „il risultato/ l’effetto di V“ etc.). Die umgekehrte Richtung N → V lässt sich bei allen semIdentbasierten Stammkonversionen begründen, in dem V mithilfe eines passe-partout-Verbs auf der Basis von N paraphrasiert wird. Als Beispiel sei hier fr. a. taper ‘frapper du plat de la main’ - b. (la) tape ‘coup donné avec le plat de la main’ (F3-10) angeführt, bei dem die schwache Gerichtetheit von 8% eine relative Ausgeglichenheit der beiden Ableitungsrichtungen widerspiegelt. Wird die Richtung V → N gewählt, führt dies häufig zu einer Paraphrasierung von tape als „l’action de taper“ oder „le fait de taper“, auch eine Lesartenverschiebung zum Resultat findet sich ungeachtet der Tatsache, dass tape kein telisches Verb ist (s. auch Kap. 4.3.5.3, Anm. 161). Umgekehrt wird bei Auswahl der Richtung N → V taper recht einheitlich als „donner une tape“ paraphrasiert. Eine vergleichsweise hohe, nämlich mittlere Gerichtetheit für V → N ergibt sich bei den semIdent-basierten Stammkonversionen nur, wenn die Resultatslesart von N besonders salient ist, weil sie wie bei fr. don (F2-14, 38%) und mélange (F3-12, 34%) auch als konkreter Gegenstand verstanden werden kann, und zwar selbst dann noch, wenn die Sprecher, die sich bei der Richtungsentscheidung explizit auf die konkrete Bedeutung des Substantivs beziehen, ausgeschlossen wurden. Bei it. aumento (I1-10, 31%) scheint hingegen der Resultatszustand besonders salient zu sein. Anzunehmenderweise haben 205 Semantische Begründungen der Fragebogenteilnehmer sind bei den Stammkonversionen nahezu die einzige vorkommende Begründungsart. Alle anderen Typen von Begründungen treten hier noch einmal seltener auf als bei den anderen Stimuligruppen. Eine ausführliche Beschreibung der Begründungsarten folgt in Kap. 6.5.3. <?page no="223"?> 223 die Sprecher bei diesen drei Paaren also aufgrund der besonders salienten Resultatslesarten entschieden, dass das Substantiv auch in anderen Lesarten vom Verb abgeleitet sein muss. Im Unterschied zu den semIdent-Fällen ist bei den Kont-basierten Stammkonversionen die Richtung N → V deutlich häufiger die dominierende, was mit einem höheren durchschnittlichen Gerichtetheitswert einhergeht. Das wiederum wird erneut vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Paraphrasen nachvollziehbar: 206 In der Mehrheit der Fälle haben die nominalen Mitglieder der V-N-Paare hier keine Ereignislesart. Dadurch steht bei V → N nur ein Begründungsmuster, nämlich das Kont-basierte, für die Erklärung von N auf der Basis von V zur Verfügung (H ANDLUNG für R ESULTAT , O BJEKT , I NSTRUMENT etc.). Demgegenüber kann die umgekehrte Richtung N → V (R ESULTAT , O BJEKT , I NSTRUMENT etc. für H ANDLUNG ) wie bei semIdent immer einfach mit dem Schema V = passe-partout-Verb + N begründet werden, z.B. bei fr. a. marquer ‘rendre reconnaissable au moyen d‘un repère’- b. (la) marque ‘signe matériel mis sur une chose pour servir de repère’ (F3-7): „marquer cest donner une marque“ (Sprecher 486). Außerdem wird N oft auch als Voraussetzung für V empfunden, z.B. bei it. a. lacrimare - b. (la) lacrima (I2-7): „Prima cè la lacrima che produce il lacrimare“ (Sprecher 387). 207 Die Bevorzugung von N → V steht im Einklang mit der Feststellung von Schmid (2005: 204), dass die Kont-basierte Ableitung von V zu N „konzeptuell weniger hilfreich und produktiv zu sein“ scheint als die umgekehrte Ableitungsrichtung, was sich auch darin widerspiegelt, dass denominale Verben auf Kont-Basis im Englischen, aber auch in den romanischen Sprachen (s. z.B. Thiele ²1985: 25, 102; Thornton 2004: 534), produktiver sind als deverbale Substantive. 208 206 Dass die Bevorzugung von N → V formal begründet ist, weil das Verb länger als das Substantiv erscheint, kann hingegen ausgeschlossen werden, da die Fragebogenteilnehmer dies nur in Einzelfällen als Begründung anführen (s. Kap. 6.5.3). Die Mehrheit der Informanten rechtfertigt ihre Entscheidung semantisch. 207 Zudem wurde in einzelnen Fällen ein Frequenz- oder Registerunterschied von V gegenüber N empfunden, der zur Wahl der Richtung N → V geführt hat, z.B. bei a. (la) structure - b. structurer (F2-5), a. (la) date - b. dater (F2-6) und a. pensionner - b. (la) pension (F2- 7). S. dazu Kap. 6.5.3. 208 Schmid führt die Bevorzugung von N → V sowie Adj. → V darauf zurück, dass diese Ableitungen einer T EIL -für-G ANZES -Beziehung, also der klassischen Synekdoche, entsprechen, weil eine Komponente einer Szene für die ganze Handlung steht. Bei V → N liegen entsprechend G ANZES -für-T EIL -Beziehungen (z.B. des Typs H ANDLUNG für E R- GEBNIS ) vor, die Schmid (2005: 204) zufolge auch außerhalb der Wortbildung seltener vorkommen, da sie „weniger griffig“, d.h. wohl schlechter verankert sind. Hierüber besteht in der kognitiv orientierten Literatur allerdings keine Einigkeit: Für Radden/ Kövecses (1999: 31), die sich auf Langacker (1993: 31) berufen, sind gerade die G ANZES -für- T EIL -Beziehungen, z.B. en. America für ‘United States’ besonders natürlich und daher weiter verbreitet als der umgekehrte Beziehungstyp, der dafür allerdings auffälliger sei. Für die Festlegung einer Ableitungsrichtung ist aber wahrscheinlich gerade diese Auffälligkeit relevant, sodass sich die Aussagen von Schmid und Radden/ Kövecses unter <?page no="224"?> 224 Diese Erklärung stimmt auch mit der metasprachlichen Beurteilung der V-N- Paare in den Fragebögen überein: Wo sich eine Abhängigkeitsrelation des Typs H ANDLUNG für R ESULTAT etc. nicht anbietet, etwa, weil N als Voraussetzung für V erscheint, sind die Gerichtetheitswerte für N → V im Allgemeinen besonders hoch. Allerdings besteht hier noch ein Unterschied zwischen den Sprachen, da selbst die am eindeutigsten gemäß N → V gerichteten Fälle im Italienischen nicht ganz so hohe Gerichtetheitswerte wie im Französischen erreichen, vgl. z.B. die beiden jeweils am stärksten gerichteten Paare F2-9, a. (le) bouton - b. boutonner (93%), und F2-6, a. (la) date - b. dater (81%), mit I2-13, a. (il) confine - b. confinare (74%), und I2-7, a. lacrimare - b. (la) lacrima (53%), wodurch auch die divergierenden Gesamtdurchschnittswerte von 50.3% (Französisch) und 31.1% (Italienisch) zustande kommen. Gründe für diesen Unterschied lassen sich bei Betrachtung weiterer Einflussfaktoren anführen (s. Kap. 6.4.3). Zugleich finden sich bei Kont auch Fälle, bei denen die Ableitungsrichtung V → N bevorzugt wird: Genau wie bei semIdent ist das dann der Fall, wenn z.B. das Resultat einer Handlung besonders salient und das entsprechende Begründungsmuster dann doch konzeptuell hilfreich ist, z.B. bei fr. a. ruiner - b. (la) ruine (F3-11), oder wenn das Motivationspaar das Ableitungsmuster H ANDLUNG für A GENS erlaubt (it. a. guidare ‘precedere qualcuno per indicargli la strada’ - b. (la) guida ‘cicerone’, I2-12) und der hoch saliente Agens dann bevorzugt als vom Verb abhängig betrachtet wird: „guida è colui che guida“ (Sprecher 384). Auch wenn das N nicht nur eine Kont-basierte Lesart hat, sondern auch ein Nomen Actionis sein kann, verhält sich das entsprechende Motivationspaar eher wie die semIdent-Paare und die Gerichtetheitsstärke ist niedriger (z.B. bei it. a. (il) lavoro - b. lavorare mit 19% für N → V) oder fällt sogar zugunsten von V → N aus, wie bei F2-12, fr. a. écarter - b. (l‘)écart mit 18%. Ferner kann es sein, dass bei Kont-basierten Stammkonversionen eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, sodass beide Ableitungsrichtungen ungefähr gleich gut zu paraphrasieren sind. Das führt dann entsprechend zu sehr niedrigen Gerichtetheitswerten. It. a. (il) commento - b. commentare (I2-4) z.B. hat je zehn und 14 Antworten für die beiden Ableitungsrichtungen bekommen, aber nur sechs für „ich sehe keine bestimmte Richtung“. Dies führt zu einer sehr schwachen Gerichtetheitsstärke von 11%. Bei fr. a. (le) pli - b. plier (F2-10) sind die Zahlen für die beiden Ableitungsrichtungen sogar genau gleich, sodass sich für dieses Motivationspaar absolute Bidirektionalität (0%) ergibt. Damit erweist sich bei den V-N-Stammkonversionen die Abhängigkeit der Gerichtetheitswerte von den zur Verfügung stehenden semIdent- oder Kont- Absehung von den unterschiedlichen formalen Relationen der angeführten Beispiele in dieser Frage ergänzen. <?page no="225"?> 225 basierten Lesarten sowie damit zusammenhängend von der jeweiligen Begründbarkeit der Ableitungsrichtungen V → N und N → V (s. dazu auch Kap. 6.4.2.3) über die beiden Untersuchungssprachen hinweg als stabiles Muster. Es treten jedoch auch unerwartete Ergebnisse auf. So würde sich bei manchen Kont-basierten Paaren eine Beschreibung gemäß des Musters H ANDLUNG für R ESULTAT anbieten, was aber nur sehr schwach ausgeprägt ist, sodass N → V dominiert, z.B. bei fr. a. (le) chagrin ‘état moralement douloureux’ - b. chagriner ‘rendre triste, faire de la peine à quelqu'un’ (F2-13) und it. a. (la) perfezione ‘l‘essere perfetto’ - b. perfezionare ‘migliorare, rifinire’ (I3-9). 209 Auch bei dem einzelnen metSim-Paar im Italienischen (a. (il) colpo - b. colpire, I2-5) dominiert N → V mit einer Gerichtetheitsstärke von 58%, während die Gegenrichtung überhaupt nicht gewählt wurde. Hier findet sich also ein weiteres Indiz für die indirekte Tendenz zur eindeutigen Direktionalität der metSim (s. Kap. 6.3). Bei den V-Adj.-Stammkonversionen, von denen für das Französische zwei Paare und für das Italienische vier Paare abgefragt wurden, dominiert die Richtung Adj. → V. Nur bei einem französischen Motivationspaar ist V → Adj. knapp stärker und bei einem italienischen Paar sind beide Richtungen gleich stark. Insgesamt scheint also die Ableitung vom Adjektiv zum Verb bevorzugt zu werden, was nicht nur der laut Literatur einzig möglichen Ableitungsrichtung, sondern auch wieder den kognitiv fundierten Annahmen von Schmid (2005, s. Anm. 208) entspricht. Vielleicht sind sich also auch die Durchschnittssprecher zumindest intuitiv der Tatsache bewusst, dass aus linguistischer Sicht mit Ausnahme der departizipialen Fälle in den romanischen Sprachen keine durch Konversion abgeleiteten deverbalen Adjektive existieren. Allerdings weist diese Gruppe dafür, dass es sich vorwiegend um Kont- Relationen handelt, eine äußerst schwache Gerichtetheit auf: im Französischen im Durchschnitt 14.5% (Kont), im Italienischen 11.3% (Kont) und 4% (semIdent). Es lässt sich bei den V-Adj.-Paaren also eine gewisse Unentschiedenheit feststellen, die der Eindeutigkeit, mit der die Ableitungsrichtung in der Wortbildungsliteratur postuliert wird (s. Anm. 69 in Kap. 2.2.3.3), zuwiderläuft. Semantisch betrachtet geht die tendenzielle Ausgeglichenheit der 209 Eine Erklärungsmöglichkeit für das Ergebnis bei a. (la) perfezione - b. perfezionare wäre die wortinterne Gebildetheit, der zufolge -ione eindeutig substantivbildend ist, sodass das Verb nicht die Basis sein kann (s. zum fraglichen Einfluss dieses Kriteriums aber Kap. 6.2.2). Bei a. (le) chagrin - b. chagriner wäre es denkbar, dass die Sprecher (le) chagrin vom Adjektiv chagrin ableiten, woraus sich ebenfalls die Richtung N → V ergibt. In den Sprecherantworten zu diesem Stimuluspaar deutet aber nur die Begründung eines Sprechers (125) auf diese Strategie hin. Chagrin ADJ ist im PR online als veraltet bzw. literarisch gekennzeichnet, sodass es keineswegs sicher ist, dass den Sprechern der deadjektivische Charakter von chagrin N noch bewusst ist. Bei beiden Paaren wirkt sich aber auch die Abstraktheit der beteiligten Bedeutungen aus (s. Kap. 6.4.2.1). <?page no="226"?> 226 Richtungen aus der Tatsache hervor, dass eine beidseitige Abhängigkeit gesehen werden kann. So wählten die Befragten für Adj. → V sehr häufig Begründungen des Typs it. quietare „vuol dire rendere quieto“ (I1-15, Sprecher 253), für V → Adj. solche mit dem Muster fr. „sale correspond au résultat du verbe salir“ (F1-15, Sprecher 37). Vergleicht man die V-Adj.-Stammkonversionen mit Suffigierungspaaren, bei denen das Adjektiv das Suffix trägt (fr. a. fâcher - b. fâcheux, F1-7; it. a. credere - b. credibile, I1-7), zeigt sich dort eine stärkere (im schwach bzw. mittleren Bereich angesiedelte) Gerichtetheit für die Richtung V → Adj., allerdings vermutlich verursacht durch den formalen Komplexitätsunterschied. Die französischen Adj.-N-Paare in Tab. 31 manifestieren in einigen Sprecherantworten explizit ein Bewusstsein für nominalisierte Adjektive (s. auch Kap. 6.2.2 und 6.5.3). Bei dem semIdent-basierten Paar fr. a. extérieur - b. (l‘)extérieur sehen die meisten Sprecher aber keine bestimmte Richtung. Bei fr. a. (le) vieux - b. vieux (F1-17) hingegen scheint sich eine semantische Abhängigkeit des Substantivs vom Adjektiv zu ergeben, da die Gegenrichtung in lediglich zwei Fällen ausgewählt wurde: Ähnlich wie bei it. guidare - (la) guida (I2-12) ist hier die salientere Personenbezeichnung einfacher durch das weniger spezifische Adjektiv paraphrasierbar als umgekehrt. Entsprechend ist das Kont-basierte Adj.-N-Paar F1-17 wieder deutlich stärker gerichtet als das sem- Ident-basierte Adj.-N-Paar F1-16. Parallel dazu wird auch bei der stark gerichteten Wortkonversion a. être - b. l’être (F1-11) eindeutig die Paraphrasierung der Personenbezeichnung l’être mittels des Verbs bevorzugt. Beim abstrakten Paar a. savoir - b. (le) savoir (F2-21) hingegen besteht mehr Uneinigkeit und entsprechend nur eine mittlere Gerichtetheit. 6.4.1.3 Formale Identität Die formIdent-Relationen in der unten stehenden Tab. 33 manifestieren niedrige Durchschnittswerte, und zwar bei Betrachtung des Gesamtdurchschnitts (s. Tab. 25 in Kap. 6.2.1) noch einmal ausgeprägter als die Stammkonversionen. Dass die Gerichtetheit bei formIdent niedriger ist als bei den Konversionen, ist auch hier zum Teil durch die formale Relation bedingt: Im Vergleich zu den Stammkonversionen weist formIdent nicht mal einen kleinen, durch den Austausch der Flexionsaffixe bedingten formalen Unterschied und auch keinen Wortartenwechsel auf. Entsprechend gibt es hier keinerlei formale Hinweise auf eine mögliche Gerichtetheit des Motivationspaars. <?page no="227"?> 227 Tab. 33: Gerichtetheitsstärke der formIdent-Paare nach semantisch-kognitiven Relationen Auffällig ist, dass Tab. 33 zufolge anders als im Gesamtdurchschnitt der semantisch-kognitiven Relationen die metSim-basierten formIdent-Paare in beiden Sprachen leicht höhere Gerichtetheitswerte haben als die Kont-basierten Paare. Zwar bestätigen auch die Werte für formIdent nicht direkt Hypothese [5], der zufolge metSim die am stärksten gerichtete semantisch-kognitive Relation ist, da z.B. die höchste Gerichtetheitsstärke bei einem Kont-Paar 77% beträgt (it. (il) caffè, I1-24), bei einem metSim-Paar aber nur 57% (it. (il) cuore, I1-23). Sie zeigen aber, dass metSim und bestimmte Kont-Relationen beide durchaus höhere Gerichtetheitswerte erreichen können, was für semIdent nicht der Fall ist. Auch die drei französischen taxSuperSub-Paare bewegen sich von ihrem Gesamtdurchschnitt her im Bereich der metSim- und Kontbasierten Paare. Das kotaxSim-basierte fr. (la) classe (F2-17) hingegen sticht durch eine besonders niedrige Gerichtetheit von nur 5% hervor, was aber in Anbetracht des Einzelfalls nicht aussagekräftig ist. Wie lässt sich nun aus der Perspektive der Interaktion zwischen formalen und semantisch-kognitiven Relationen erklären, dass im Italienischen form- Ident anders als im Französischen eine etwas höhere Gerichtetheitsstärke er- 210 Den oberen vier Gruppen liegen die folgenden Paare zugrunde: Französisch, Kont: F1- 18, F1-24, F1-25, F2-15, F2-18, F2-20, F3-16, F3-17. Französisch, metSim: F1-19, F1-20, F1- 22, F1-23, F2-19, F3-15. Italienisch, Kont: I1-18, I1-21, I1-24, I1-25, I2-15, I2-18, I3-16, I3-18. Italienisch, metSim: I1-19, I1-20, I1-22, I1-23, I2-17, I2-19, I3-15, I317. formale Identität Französisch Italienisch Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs Verteilung Gerichtetheitsstärke/ Kurz-IDs Kont 8 (18) 18.1% 8 (16) 25.8% metSim 6 (18) 19.8% 8 (16) 210 28.4% taxSuperSub 3 (18) 24.3% (F1-21, F2-16, F2-18) kotax- Sim 1 (18) 5% (F2-17) gesamt 18 (18) 19% 16 (16) 27.1% <?page no="228"?> 228 reicht als die Stammkonversionen (s. Tab. 25 und Kap. 6.2.1)? Einerseits weisen die Kont-basierten N → V-Stammkonversionen im Französischen mit 50.3% eine höhere Gerichtetheit als im Italienischen mit 31.1% auf (zu den Ursachen hierfür s. Kap. 6.4.3). Einer der Gründe dafür ist, dass selbst die am eindeutigsten gerichteten Fälle - diejenigen, bei denen das nominale Element nicht als Resultat des vom Verb bezeichneten Prozesses beschrieben werden kann - im Italienischen nicht so hohe Gerichtetheitswerte erzielen wie im Französischen (s. Kap. 6.4.1.2). Dieser Unterschied führt auch zu dem niedrigeren Gesamt-Gerichtetheitswert der italienischen Stammkonversionen gegenüber den französischen in Tab. 25. Umgekehrt zeichnen sich die italienischen Kont-basierten formIdent-Paare durch einen im Vergleich zum Französischen höheren durchschnittlichen Gerichtetheitswert aus (25.8% vs. 18.1%, s. Tab. 33). Betrachtet man die Kont-Paare des Italienischen im Einzelnen, zeigt sich, dass der hohe Durchschnittswert eigentlich nur durch ein Paar mit einer überdurchschnittlich starken Gerichtetheit zustande kommt, nämlich (il) caffè (I1-24) mit 77%. Dieses Paar weicht sowohl deutlich von den anderen formIdentals auch vom Gesamtdurchschnitt der Kont-Relationen des italienischen Untersuchungsmaterials ab. Offensichtlich ist die Ableitungsrichtung vom Getränk zum Gastronomiebetrieb für die italienischen Muttersprachler besonders evident. Lässt man dieses Paar außen vor, ergibt sich für die italienischen Kont-basierten formIdent-Paare auch nur eine durchschnittliche Gerichtetheitsstärke von 18.4%, die sich dann in derselben Größenordnung wie die französischen Vergleichspaare mit ihren 18.1% bewegen. Zusätzlich haben die italienischen metSim-basierten formIdent-Paare eine deutlich höhere Durchschnitts-Gerichtetheitsstärke als die französischen und erhöhen damit den Gesamtdurchschnitt der italienischen formIdent-Paare. Diese drei Umstände bewirken also, dass das Gerichtetheitsverhältnis der Stammkonversionen und der formIdent-Relationen im Italienischen umgekehrt zum Französischen ist. Was metSim angeht, bestätigt sich, dass, wie bereits hinsichtlich des Motiviertheitsgrades beobachtet wurde, bei den italienischen Fragebogenteilnehmern ein größeres Bewusstsein für metaphorische Relationen zu bestehen scheint als bei den französischen. Das zeigt sich nicht nur in der höheren Gerichtetheitsstärke, sondern auch darin, dass die italienischen anders als die französischen Sprecher in ihren Antworten sehr häufig explizit den Begriff der Metapher verwenden (nämlich bei 36 Antworten, die vor allem bei (il) cuore (I1-23) und der Stammkonversion a. (il) colpo - b. colpire (I2-5) vorkommen, gegenüber einem einzigen Fall im Französischen bei arriver, F2-19). Demgegenüber scheint der Begriff der Metonymie bzw. der Synekdoche zumindest im Italienischen weit weniger bekannt zu sein als der der Metapher (sechs italienische Antworten bei (la) lingua (I1-18) und (il) caffè (I1-24), drei <?page no="229"?> 229 französische bei (le) bar, F3-16). Als repräsentativ können diese Beobachtungen aufgrund der geringen Menge an befragten Personen aber natürlich nicht gelten. 211 Ein Blick auf die formIdent-Paare im Einzelnen zeigt, dass trotz des insgesamt niedrigen Durchschnitts einige Paare sehr wohl höhere Gerichtetheitswerte haben: Eine starke Gerichtetheit erreicht allerdings nur das Kont-basierte it. (il) caffè (I1-24), auf dessen besonderes Verhalten bereits eingegangen wurde. Im mittel gerichteten Bereich finden sich die formIdent-Paare it. (la) lingua (I1-18), grande (I1-19) und (il) cuore (I1-23), bei denen von den Sprechern sehr gut erkannt wurde, dass jeweils eine der Bedeutungen figurativ ist, also einen Tropus darstellt. 15 formIdent-Paare liegen hinsichtlich der Gerichtetheitsstärke im schwach gerichteten Bereich, die restlichen 15 formIdent-Paare nur im sehr schwach gerichteten. Allgemein gilt, dass bei den Paaren mit mindestens schwacher Gerichtetheitsstärke der Tropus, d.h. die figurative Bedeutung von den Befragten gut erkannt wurde, was sich z.B. darin niederschlägt, dass 67.5% der gesamten bei formIdent vorkommenden semantisch-metasprachlichen Begründungen in diesen Gruppen auftreten, im Vergleich zu 32.5% bei den sehr schwach gerichteten formIdent-Paaren. 212 In diesen Begründungen der Informanten wurde entweder wie oben beschrieben direkt die Metapher oder Metonymie genannt oder aber allgemeiner auf eine semantische Extension, eine figurative Bedeutung, eine Verschiebung von konkret zu abstrakt etc. verwiesen. So z.B. Sprecher 75 bei fr. grand a. ‘de haute taille’ und b. ‘important, célèbre’ (F1-19) für die Richtung a → b: „cest lemploi au sens figuré du mot B et que le concret préexiste à labstrait“. Auch insgesamt kommt der Großteil der semantisch-metasprachlichen Begründungen, nämlich 87.2%, bei den formIdent-Paaren vor. 213 Offensichtlich werden übertragene Bedeutungen besser erkannt, wenn zwischen den Motivationspartnern kein formaler Unterschied besteht, weil in diesem Fall die Aufmerksamkeit notwendigerweise nur auf die Bedeutungen bzw. Konzepte gerichtet ist. Weiterhin sind semantisch-metasprachliche Begründungen bei metSim-basierten Motivationspaaren häufiger (61.5%) als bei Kont-basierten 211 Sollten sich die Beobachtungen in weiteren Studien bestätigen, wäre zu fragen, worin der Grund für die größere Vertrautheit der Italiener mit Metaphern und metSim-basierten Relationen im Vergleich zu den Franzosen liegt. Denkbar wäre z.B., dass im italienischen Schulunterricht ein größerer Schwerpunkt auf das Erkennen rhetorischer Stilmittel und Tropen gelegt wird. 212 Zu den verschiedenen Arten von Begründungen siehe auch die Kap. 4.3.4 und 6.5.3. 213 Eine Ausnahme ist die Stammkonversion it. a. (il) colpo - b. colpire (I2-5), die 6.7% der semantisch-metasprachlichen Begründungen aufweist. Hier wirkt sich aber die Tatsache aus, dass es sich um ein metSim-basiertes Motivationspaar handelt und damit eine der Bedeutungen figurativ ist. <?page no="230"?> 230 (38%). Auf TaxSuperSub entfallen nur 0.5%, auf semIdent gar keine. Die vergleichsweise häufigen semantisch-metasprachlichen Begründungen bei form- Ident zeigen also, dass, sofern eine Metapher als solche erkannt wird, diese auch eindeutig und stärker gerichtet wird als Kont, die als überwiegend bidirektional gilt (s. Kap. 1.3.3) und bei der in der Sprecherbefragung zudem die Metonymie seltener erkannt wird. Hier kommt die auch von Marzo (2013a: 119, 216, 257) in Bezug auf die Motivierbarkeit festgestellte größere Auffälligkeit von metSim gegenüber Kont zum Tragen: Wird von den Befragten erst einmal ein formal-semantischer Zusammenhang zwischen den Stimuli festgestellt, d.h. ist das formIdent-Paar für sie motiviert, dann wird bei Metaphern aufgrund des „Sprungs“ von einem Frame zu einem anderen eher erkannt, dass es sich um ein sprachliches Stilmittel handelt (und zwar immer mehrheitlich für die üblicherweise angenommene Ableitungsrichtung, s. auch Kap. 6.3) als bei der unauffälligeren Kont-Relation, bei der kein Framewechsel stattfindet. Ferner ist ausschlaggebend, dass die Bedeutungen nicht zu nah beieinander liegen, aber auch nicht zu weit voneinander entfernt sind - beides senkt wie bereits gezeigt auch den Motiviertheitsgrad. Prädestiniert für metasprachliche Aussagen seitens der Befragten sind also metSim-basierte formIdent-Paare, bei denen die Metapher noch lebendig ist, z.B. bei fr. grand/ it. grande (F/ I1-19) oder it. cuore (I1-23). Aus den Begründungen der Sprecher für ihre Richtungsentscheidung geht ein weiterer Einflussfaktor hervor, der sich ebenfalls in erster Linie bei den formIdent-Paaren manifestiert und dort die Gerichtetheitsstärke positiv beeinflusst: enzyklopädisches Wissen, das gerade, wenn jegliche formale Hinweise fehlen, dort, wo es sich anbietet, gerne für die Richtungsentscheidung herangezogen wird. Bspw. haben bei fr. (la) terre a. ‘planète où vit l'humanité’ - b. ‘l'élément où poussent les végétaux’ (F2-18) viele Sprecher argumentiert, dass der Erdboden schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte genutzt wurde, wohingegen Erkenntnisse über das Planetensystem erst sehr viel später gewonnen wurden. 214 Auch die enzyklopädischen Begründungen kommen bei den schwach gerichteten formIdent-Paaren häufiger vor (60%) als bei den nur sehr schwach gerichteten (40%). Anders als bei den semantisch-metasprachlichen Begründungen sind sie dabei mit 77.1% vor allem im Französischen und mit 65.7% vor allem bei Kont-basierten Paaren zu finden. Für Letzteres ist der hier charakteristische außersprachliche Zusammenhang ausschlaggebend. Auch wenn für die beiden marginal vertretenen semantisch-kognitiven Relationen taxSuperSub und kotaxSim gemäß Hypothese [5] eine prinzipielle 214 So z.B. in unterschiedlicher Ausführlichkeit: „on a commencé par connaître lélément sous nos pieds avant de connaître le concept de planète. Une fois découvert ce concept, on a donné à la planète le nom de la chose la plus évidente dont elle semblait faite (? )“ (Sprecher 120) und „Lagriculture precede lastronomie.“ (Sprecher 130). <?page no="231"?> 231 Bidirektionalität angenommen wird, entsprechen die unterschiedlichen Ergebnisse für die betreffenden formIdent-Paare durchaus den Erwartungen, und zwar erst recht, wenn man sie in Interaktion mit formIdent betrachtet. Bei kotaxSim besteht wie erwartet eine nur sehr schwach ausgeprägte Gerichtetheit (s. Tab. 33), einhergehend mit einer dominierenden Anzahl an Antworten, die keine bestimmte Richtung sehen, da Kohyponyme per definitionem gleichwertig sind und sich lediglich durch ihre Bezogenheit auf das gemeinsame Hyperonym definieren (s. Kap. 1.3.3). Die drei formIdent/ taxSuperSub- Paare sind durch eine im Vergleich zu kotaxSim stärkere Gerichtetheit gekennzeichnet, die aber auch nicht über den schwach gerichteten Bereich hinauskommt und sich deutlich von der stark gerichteten Kombination aus Präfigierung und taxSuperSub bei fr. a. rappeler - b. appeler (F1-8) unterscheidet. Hier zeigt sich erneut, wie stark die semantisch-kognitive mit der formalen Relation interagieren kann. Unter den drei formIdent-Paaren wird bei homme (12%, F2-16) und femme (36%, F3-18) genau wie beim Präfigierungspaar eine Ableitungsrichtung vom Oberbegriff zum untergeordneten Begriff bevorzugt. Dies entspricht der traditionellen Annahme, dass die Ableitung von der allgemeineren zur spezifischeren oder komplexeren Bedeutung verläuft (Iacobini 2000, s. auch Kap. 1.3.3) und wird auch dadurch gestützt, dass die Ableitung bei femme (wie auch bei fr. a. rappeler - b. appeler) von der Basisebene ausgeht, die das bevorzugte Expansionszentrum für lexikalische Innovationsprozesse darstellt (Mihatsch 2006: 54, 64). 215 Nur bei fr. plainte (F1-21, 25%) ist die Ableitungsrichtung vom Unterbegriff (‘expression de douleur’) zum übergeordneten Begriff (‘expression de mécontentement’) stärker. Allerdings stehen die Motivationspartner hier weniger eindeutig in einer taxSuperSub-Relation zueinander als die anderen Paare: In den Sprecherantworten deutet die Mehrheit der Begründungen auf eine Kont-Relation hin, z.B. des Typs U RSA- CHE - F OLGE wie bei „expression interne (pas content! ) suit lexpression externe (douleur)“ von Sprecher 54. Diese Annahmen für die taxonomischen Relationen müssten aber zunächst noch durch die Untersuchung weiterer Motivationspaare auf der Basis von kotaxSim und taxSuperSub bestätigt werden. In vielen Fällen erklärt sich das aus der Perspektive der Hypothesen [3] und [5] zunächst unerwartete Verhalten einzelner Gruppen von Motivationspaaren also bereits durch die Interaktion aus formaler und semantisch-kognitiver Relation. Außerdem wirken sich bei den verschiedenen formalen Relationen spezifische formale oder semantische Eigenschaften auf die Gerichtetheitsstärke aus: die evtl. bestehende „Präfixpräferenz“ bei den Affigierungen, 215 Bei fr. homme (F2-16) hingegen liegt wohl eher die mehrheitlich als abgeleitet eingestufte Einheit ‘être humain de sexe masculin’ auf der Basisebene, die motivierende Einheit ‘être humain’ ist oberhalb der Basisebene angesiedelt. Es liegt dabei aber ebenfalls eine Ableitung vom allgemeineren zum spezifischeren Begriff vor. <?page no="232"?> 232 die beteiligten Wortarten und Lesarten und das daraus resultierende semantische Abhängigkeitsverhältnis bei den Stammkonversionen sowie die Erkennbarkeit des Stilmittels und enzyklopädisches Wissen bei den formIdent- Paaren. Zusätzlich zu diesen spezifischen Eigenschaften existieren auch Faktoren, die globaler wirken, d.h. alle oder zumindest mehrere Untergruppen von Motivationspaaren betreffen. Diese werden im folgenden Teilkapitel beschrieben. 6.4.2 Zusätzliche Einflussfaktoren Neben den zugrunde liegenden formalen und semantisch-kognitiven Relationen wirken sich weitere Faktoren auf die Gerichtetheitsstärke mehrerer Gruppen von Motivationspaaren aus, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Deren Einfluss soll in diesem Kapitel systematisch dargestellt werden. Zu diesen Faktoren zählt der aus der Diskussion der Motiviertheit bekannte Abstraktheitsgrad der beteiligten Bedeutungen (Kap. 6.4.2.1). Auch die Idiomatizität der Bedeutungen, spielt - hier als semantische Kompositionalität in Ergänzung zur formalen Kompositionalität des potenziell abgeleiteten Motivationspartners - eine Rolle (Kap. 6.4.2.2). Ein dritter Faktor ist die bereits bei den Interaktionen der Stammkonversionen thematisierte Paraphrasierbarkeit der möglichen Ableitungsrichtungen, die sich aus den semantischen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den Motivationspartnern ergibt (Kap. 6.4.2.3). 6.4.2.1 Abstraktheitsgrad (A, M) Bereits bei der Analyse der Motiviertheitswerte in Kap. 5 hatte sich gezeigt, dass die Fragebogenteilnehmer besser mit konkreten als mit abstrakten Bedeutungen umgehen können: Je konkreter die Bedeutungen eines Stimulipaars sind, desto geringere Einschränkungen bestehen hinsichtlich seines Motiviertheitsgrades. Den semantisch-kognitiv orientierten Ansätzen zur Direktionalitätsfrage zufolge besteht derselbe Zusammenhang zwischen Abstraktheit und Direktionalität, und zwar in dem Sinne, dass Motivationspaare mit zwei abstrakten Bedeutungen (zumindest aus semantischer Sicht) keine eindeutige Gerichtetheit aufweisen (vgl. en. love ‘Liebe’- to love ‘lieben’ und Kap. 2.2.3.2). Dies bestätigt sich nun in den Sprecherbefragungen: Motivationspaare mit konkreten oder gar materiellen Bedeutungen tendieren deutlicher zu einer bestimmten Ableitungsrichtung als Paare mit abstrakten Bedeutungen, was beginnend mit den Affigierungen nun anhand ausgewählter Beispiele veranschaulicht werden soll. Eine exhaustive Übersicht über die Einwirkung von Einflussfaktoren auf die verschiedenen Motivationspaare ist in Kap. 6.4.3 zu finden. Bedeutungen, die prinzipiell sowohl konkrete als auch abstrakte Referenten haben können, gelten als konkret. <?page no="233"?> 233 Bei den Suffigierungen zeigt sich, dass die Paare mit einer sehr starken und starken Gerichtetheit (z.B. fr. a. roman ‘œuvre littéraire en prose’ - b. romancier ‘écrivain qui écrit en prose’, F1-6, mit 84%, it. a. fangoso ‘limaccioso, melmoso’ - b. (il) fango ‘poltiglia di terra e acqua’, I3-24, mit 77%) meist konkrete und mit Ausnahme von fangoso auch materielle Bedeutungen haben. Das kann auch für den mittel gerichteten Bereich gelten, allerdings wirken hier oft andere Faktoren einer noch stärkeren Direktionalität entgegen, z.B. bei it. a. (la) prigione ‘luogo adibito alla custodia dei condannati che scontano la pena’ - b. (il) prigioniero ‘chi è rinchiuso sotto sorveglianza’ (I1-14) und it. a. (la) conquista ‘raggiungimento, conseguimento’ - b. (il) conquistatore ‘chi ottiene qualcosa con la forza, p.es. con azioni militari’ (I1-6, s. zu diesen Motivationspaaren auch die beiden folgenden Teilkapitel). Außerdem finden sich hier auch einzelne Motivationspaare mit einer oder zwei abstrakten Bedeutung(en), z.B. fr. a. signifier ‘avoir pour sens’ - b. (le) signe ‘chose, phénomène qui indique l'existence ou la vérité d'une chose’ (F2-24, 43%) und it. a. credere ‘pensare’ - b. credibile ‘attendibile, plausibile’ (I1-7, 48%). Liegen Suffigierungspaare trotz des formalen Komplexitätsunterschieds nur im schwach gerichteten Bereich, sind die Bedeutungen anteilsmäßig noch öfter abstrakt, z.B. bei dem französischen Verb-Adj.-Paar mit formal komplexerem Adjektiv (fr. a. fâcher ‘mettre dans un état d'irritation’ - b. fâcheux ‘qui est une cause de déplaisir’, F1-7, 31%), oder bei fr. a. (le) sentiment ‘émotion, passion’ - b. sentir ‘éprouver, ressentir’ (F2-22, 29%). Die beiden italienischen Adj.-N-Paare (a. tenacia - b. tenace, I2-20, 35%, und a. misero - b. miseria, I1-16, das mit 18% nur sehr schwach gerichtet ist), sind sogar rückgebildet, also gemäß der Richtung Ableitung → Basis gerichtet. Hier wirkt sich die Abstraktheit (gemeinsam mit anderen Faktoren) so stark aus, dass die Ableitungsrichtung in die Gegenrichtung ausschlägt. Bei dem ebenfalls rückgebildeten und sehr schwach gerichteten V-N-Paar F3-23, a. (la) nourriture - b. nourrir, hingegen findet wie bereits geschildert eine Konkretisierung der Bedeutung durch die Sprecher statt, da die vorgegebene Lesart von nourriture von den Fragebogenteilnehmern sehr einheitlich als Objektlesart (‘Nahrung‘) gedeutet wurde, was wie bei den Kont-basierten V-N-Stammkonversionen zu einer semantischen Abhängigkeit des Verbs vom Substantiv führt. Dadurch ergibt sich eine Mehrheit von Antworten für die Richtung Ableitung → Basis und somit eine Rückbildung. Bei den Präfigierungen sind die Bedeutungen größtenteils konkret, aber nicht materiell. Aber auch wenn letztere etwas abstrakter sind, wirkt sich dies aufgrund der mutmaßlichen „Präfixpräferenz“ nicht so deutlich aus wie bei den Suffigierungen. Die beiden französischen Kontrastpaare F1-9, a. habile ‘qui exécute une chose avec adresse’ - b. inhabile ‘qui manque d'adresse’, und F3-19, a. défavorable ‘qui manifeste une attitude désobligeante envers quelqu‘un’ - b. favorable ‘qui manifeste une attitude bienveillante envers quelqu‘un’, mit jeweils zwei abstrakten Bedeutungen erreichen bspw. immer <?page no="234"?> 234 noch den stark gerichteten Bereich. Hier fällt die Kombination aus einer tendenziell gerichteten formalen und einer tendenziell gerichteten semantischkognitiven Relation stärker ins Gewicht als die Abstraktheit der Bedeutungen. Bei den beiden metSim-Paaren fr. a. prendre - b. apprendre bzw. it. a. prendere - b. apprendere (F3-22, I3-22), bei denen jeweils die präfigierte Form eine abstrakte Bedeutung hat, ist wiederum die lediglich mittlere Gerichtetheit auch durch weitere Einflussfaktoren mitverursacht, ebenso die (sehr) schwache Gerichtetheit bei dem semIdent-Paar F1-3, a. départ - b. partir, das konkrete Bedeutungen hat, oder dem rückgebildeten Kont-Paar I2-16, a. inghiottire - b. ghiotto mit einer abstrakten Bedeutung (s. ausführlicher dazu die beiden folgenden Teilkapitel). Bei den Stammkonversionen geht die schwache Gerichtetheit der sem- Ident-basierten N-V-Paare auch damit einher, dass der Anteil abstrakter Bedeutungen bei den semIdentim Vergleich zu den Kont-basierten Stammkonversionen etwas höher ist (50% bei semIdent im Vergleich zu 34.5% bei Kont). Wie bereits gezeigt führen Konkretisierungen der Ereignislesart beim Substantiv aber zu einer stärkeren Gerichtetheit, z.B. bei fr. don oder mélange. Im Unterschied zu den semIdent-Fällen ist bei den insgesamt stärker gerichteten Kont-basierten Stammkonversionen der Anteil konkreter Bedeutungen höher (65.5% im Vergleich zu 50% bei semIdent). Auch für die unerwartete Gerichtetheit gemäß N → V bei einzelnen Kont-basierten Fällen, bei denen es sich anbieten würde, das Substantiv als Resultat zu betrachten, findet sich in Anbetracht der abstrakten Bedeutungen eine weitere Begründung, vgl. fr. a. (le) chagrin ‘état moralement douloureux’ - b. chagriner ‘rendre triste, faire de la peine à quelqu'un’ (F2-13) und it. a. (la) perfezione ‘l‘essere perfetto’ - b. perfezionare ‘migliorare, rifinire’ (I3-9): Dadurch, dass die Substantive eindeutig abstrakte Bedeutungen haben, ist ihre Konzeptualisierung als Resultat des jeweiligen verbalen Vorgangs weniger salient als bei Substantiven, die neben der Ereignisauch eine konkrete Resultatsobjektbedeutung haben können (s. auch Anm. 209). Auch die Gerichtetheitswerte der formIdent-Paare sind durch den Abstraktheitsgrad der Bedeutungen beeinflusst. Bei dem mit 77% stark gerichteten it. (il) caffè (I1-24) sind beide Bedeutungen konkret und materiell und damit klar voneinander abgegrenzt, hängen aber doch eindeutig zusammen. Im mittleren Bereich weisen die drei italienischen Paare (la) lingua a. ‘organo muscolare della bocca che serve all‘articolazione’ - b. ‘modo di parlare peculiare di una comunità umana’ (I1-18), grande a. ‘superiore alla misura ordinaria in quanto alle dimensioni’ - b. ‘importante, famoso’ (I1-19) und (il) cuore a. ‘organo vitale che pompa il sangue nel corpo’ - b. ‘centro di qualcosa’ (I1-23) mit Ausnahme der metaphorischen Bedeutung von grande ebenfalls konkrete Bedeutungen auf. Vergleicht man die schwach gerichteten formIdent-Paare mit den sehr schwach gerichteten, zeigt sich erneut eine Korrelation zum Abs- <?page no="235"?> 235 traktheitsgrad. Die 15 formIdent-Paare, die hinsichtlich der Gerichtetheitsstärke noch im schwachen Bereich liegen, weisen eher konkrete oder gar materielle Bedeutungen auf (63.3% der Bedeutungen sind konkret, 36.7% abstrakt; innerhalb der konkreten Bedeutungen sind 52.6% auch materiell). Bei den 15 formIdent-Paaren mit einer nur sehr schwachen Gerichtetheitsstärke ist das Verhältnis zwischen konkreten und abstrakten Bedeutungen genau umgekehrt (63.3% abstrakte Bedeutungen vs. 36.7% konkrete Bedeutungen, von denen 45.5% auch materiell sind). Eine Konkretheit der Bedeutungen wirkt sich auch positiv auf die Erkennbarkeit der figurativen Bedeutung aus: Drei Viertel der metasprachlichen Begründungen kommen bei Paaren mit mindestens einer konkreten Bedeutung vor. Häufig wird dann ein Transfer von konkret zu abstrakt beschrieben. Dadurch haben z.B. nicht nur metSim-, sondern auch einige Kont-basierte Paare, z.B. fr. langue (F1-18), eine vergleichsweise hohe Anzahl an metasprachlichen Antworten. Zur Kennzeichnung des Abstraktheitsgrades in der Gesamtübersicht in Kap. 6.4.3 werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nur drei Stufen angenommen, die als A+ (= abstrakt), A- (= konkret) und M (= materiell) gekennzeichnet sind. Für jedes Motivationspaar werden zwei durch einen Schrägstrich getrennte Kürzel angegeben, wobei sich das erste auf die Bedeutung des erstgenannten, das zweite auf die des zweitgenannten Motivationspartners bezieht. Bei F2-24, a. signifier - b. (le) signe, steht also A+/ Adafür, dass die Verbbedeutung abstrakt, die Substantivbedeutung konkret ist. 216 It. a. (la) prigione - b. (il) prigioniero (I1-14, s.o.) weist mit seinen zwei materiellen Bedeutungen die Kennzeichnung M/ M auf. 6.4.2.2 Kompositionalität (K) Wenn man unter Kompositionalität versteht, dass ein abgeleitetes Wort sowohl formal als auch semantisch direkt aus seinen Bestandteilen zusammengesetzt ist (s. Kap. 1.1, 3.3.2 und 3.4.4), betrifft sie in erster Linie Affigierungen und Komposita. Da die Kompositionalität bereits gestört ist, sobald die motivierte Einheit entweder nicht formal oder nicht semantisch direkt von der motivierenden Einheit abgeleitet werden kann, sind Konversionen und formIdent- Paare prinzipiell nicht kompositional. Bei ihnen kann aber der semantische Aspekt der Kompositionalität geprüft werden, der sich entweder in einer regelmäßigen Bedeutung oder in Idiomatizität (und verschiedenen Zwischenstufen) manifestiert. Naheliegenderweise wirkt sich eine bestehende formalsemantische Kompositionalität parallel zum Motiviertheitsgrad positiv auf die Feststellbarkeit einer Ableitungsrichtung aus, fehlende formale und/ oder semantische Kompositionalität aber negativ. Letzteres äußert sich bisweilen 216 Dass Zeichen theoretisch auch materiell sein können, wird hier außen vor gelassen. <?page no="236"?> 236 darin, dass die Fragebogenteilnehmer die Ableitungsrichtung über ein weiteres Wort als Zwischenschritt herstellen (s. auch Anm. 143 in Kap. 4.3.3). Bei den Präfigierungen z.B. sind die am stärksten gerichteten französischen Paare F1-8, F1-9 und F3-19 (fr. a. rappeler - b. appeler, a. habile - b. inhabile, a. défavorable - b. favorable) gleichzeitig auch kompositional, da der komplexere Motivationspartner eindeutig direkt vom einfachen abgeleitet ist und den Präfixen jeweils eine Bedeutung zugewiesen werden kann: Negation bei den beiden Kontrast-Paaren, Wiederholung beim taxSuperSub-Paar. Bei dem nur schwach gerichteten semIdent-basierten Präfigierungspaar fr. a. départ - b. partir (F1-3) kommt hingegen zur generell weniger gerichteten semIdent noch dazu, dass zwar semantisch aufgrund der direkten Ableitbarkeit von départ Kompositionalität besteht, aber nicht formal 217 (s. auch Anm. 122 in Kap. 4.2.1). Umgekehrt ist das metSim-basierte apprendre (F3-22, 38%), ebenso wie das italienische Interlexem in I3-22 (43%), formal direkt von fr. prendre bzw. it. prendere ableitbar, aber idiomatisch. Auch bei den Kont-basierten, immerhin im starken Bereich liegenden, italienischen V-V-Paaren besteht keine Kompositionalität, da die Präfixe zwar erkennbar sind, ihnen aber keine eindeutige semantische Funktion zugewiesen werden kann. 218 Genauso besteht bei den Paaren it. a. (lo) sfondo - b. (il) fondo (I1-3, 42%) sowie a. inghiottire - b. ghiotto (I2-16, 19%, rückgebildet) weder formal noch semantisch eine direkte Ableitbarkeit: fondo und ghiotto sind keine eindeutigen formalen Basen für ihre komplexeren Motivationspartner sfondo und inghiottire und den Präfixen entspricht im Zusammenhang mit ihren Basen keine semantische Funktion. 219 Auch ist es nicht unbedingt naheliegend, sfondo ‘Hintergrund’ auf der Basis von fondo ‘Boden, Grund’ zu paraphrasieren oder umgekehrt, genauso wenig inghiottire ‘verschlucken’ auf der Basis von ghiotto ‘naschhaft’ oder umge- 217 Anders als bei der Diskussion des Motiviertheitsgrades in Kap. 5 wird semantische Kompositionalität bzw. Ableitbarkeit hier nicht wie für die semantische Transparenz auf der Basis Hays (2003) an lexikalischen Übereinstimmungen in den vorgegebenen Definitionen festgemacht, sondern an der Regelmäßigkeit der semantischen Beziehung: Die Entscheidung für eine Ableitungsrichtung setzt ja bereits voraus, dass von den Fragebogenteilnehmern ein formaler und semantischer Zusammenhang zwischen den Stimuli erkannt wurde. Insofern ist für die Richtungsentscheidung weniger die genaue Wortwahl der Bedeutungsdefinitionen relevant als vielmehr, dass ein Ableitungsverhältnis zwischen den Stimuli hergestellt werden kann. Dies ist bei a. départ - b. partir (F1-3) relativ einfach möglich, weil es sich um ein Paar aus Nomen Actionis und zugrunde liegendem Verb handelt. 218 Manche Sprecher betrachteten die Präfixe bei a. ricercare - b. cercare (I1-9) und a. battere - b. abbattere (I1-11) aber als Intensivierung: „riintensifica il significato basico“ (Sprecher 313), “abbattere è composto di a+battere e assume significato rinforzato quindi si colpisce qualcosa per farla cadere“ (Sprecher 256). Provenire im Paar a. provenire - b. venire (I1-8) wurde vielfach als ‘venire + da’ analysiert. 219 Laut ZI online ist sfondo von sfondare abgeleitet, inghiottire wurde bereits im Spätlateinischen gebildet. <?page no="237"?> 237 kehrt. Damit zusammenhängend sind beide Paare auch durch einen stark eingeschränkten Motiviertheitsgrad gekennzeichnet, was bei fehlender Kompositionalität häufig zu beobachten ist (s. Kap. 6.5.2). Ebenso ergibt sich bei den Suffigierungen eine stärkere Gerichtetheit, wenn Kompositionalität besteht, z.B. - zusätzlich zur Konkretheit der Bedeutungen - bei den (sehr) stark gerichteten Paaren fr. a. roman ‘œuvre littéraire en prose’ - b. romancier ‘écrivain qui écrit en prose’, F1-6, mit 84% und it. a. fangoso ‘limaccioso, melmoso’ - b. (il) fango ‘poltiglia di terra e acqua’, I3-24, mit 77%. 220 Die formal komplexeren Motivationspartner lassen sich z.B. wie folgt analysieren: romancier (F1-6) = roman + -cier ‘Hersteller‘, fangoso (I3-24) = fango + -so ‘voll von‘. Im stark gerichteten Bereich besteht Kompositionalität bei it. (la) prigione - (il) prigioniero (I1-14), bei dem die gegenseitige semantische Abhängigkeit einer noch stärkeren Gerichtetheit entgegen wirkt (s. Kap. 6.4.2.3). Bei it. a. (la) conquista ‘raggiungimento, conseguimento’ - b. (il) conquistatore ‘chi ottiene qualcosa con la forza, p.es. con azioni militari’ (I1-6) ist die Kompositionalität eingeschränkt, da es näher liegen würde, conquistatore vom Verb conquistare abzuleiten (was einzelne Sprecher auch getan haben) anstatt vom Substantiv conquista. Die mittel und schwach gerichteten Bereiche umfassen einige eindeutig nicht kompositionale Motivationspaare, bei denen das formale und/ oder semantische Ableitungsverhältnis erst über einen Umweg hergestellt werden muss: semantisch z.B. bei fr. a. signifier ‘avoir pour sens’ - b. (le) signe ‘chose, phénomène qui indique l'existence ou la vérité d'une chose’ (F2-24) und bei it. a. credere ‘pensare’ - b. credibile ‘attendibile, plausibile’ (I1-7); formal bei it. a. (il) popolo - b. (la) popolazione (I1-4), das eine auffällig hohe Zahl an unentschiedenen Antworten und daher eine für die italienischen Suffigierungen unterdurchschnittliche Gerichtetheitsstärke von 34% hat. 221 Alle anderen Suffigierungspaare mit einer mittleren oder schwachen Gerichtetheitsstärke (F1-2, F1- 4, F1-7, F2-22, I2-20) sind kompositional. Hier erklärt sich der jeweilige Gerichtetheitswert durch die anderen Einflussfaktoren Abstraktheit und Paraphrasierbarkeit (s. auch Kap. 6.4.3). 220 Eine Ausnahme stellt it. a. puntualizzare ‘spiegare in modo chiaro ed esatto’ - b. (il) punto ‘questione specifica, argomento particolare’ (I2-24) dar, das eigentlich formal nicht direkt ableitbar ist, da das Adjektiv puntuale ‘genau‘ als Zwischenschritt angenommen werden muss (s. auch Sprecher 328 und 333). Dass I2-24 mit 78% dennoch sehr stark gerichtet ist, liegt daran, dass semantisch durchaus direkt abgeleitet werden kann (z.B. „puntualizzare significa andare al punto, allo specifico della questione“, Sprecher 326) und sich zudem nur eine einseitige semantische Abhängigkeit, d.h. Paraphrasierbarkeit ergeben hat. 221 Sprecher 313 stellt hier eine formale Mehrschrittrelation her, indem er versucht, (la) popolazione über den Zwischenschritt popolare von (il) popolo abzuleiten: „dipende (credo) da popolare, che a sua volta si forma su popolo“. Es ist aber nicht klar, ob er das Adjektiv oder das Verb popolare meint. <?page no="238"?> 238 Was die drei sehr schwach gerichteten Affigierungspaare angeht, ist nur it. a. misero ‘insufficiente, inadeguato’ - b. miseria ‘povertà estrema’ (I1-16) nicht kompositional, weil das formal komplexere miseria semantisch nicht direkt von misero ableitbar ist. Das Paar stellt einen Sonderfall dar, da sich, je nachdem, ob man formal oder semantisch argumentiert, gegensätzliche Ableitungsrichtungen ergeben: Formal ist das Substantiv komplexer, semantisch aber hat das Adjektiv eine übertragene Bedeutung. Offensichtlich haben die Sprecher die semantische Perspektive bevorzugt, sodass die aufgrund des formalen Komplexitätsunterschieds erwartete Richtung weniger Stimmen erhalten hat. Dadurch entsteht hier eine Rückbildung. Auch das V-N-Paar a. (la) nourriture - b. nourrir (F3-23) gehört zu den rückgebildeten Fällen, nourriture kann aber als kompositional gelten. Allerdings bewirkt hier eine aus den Sprecherantworten hervorgehende Konkretisierung, dass beide Ableitungsrichtungen ungefähr gleich gut paraphrasierbar sind. Fr. codifier ‘réunir des dispositions légales dans un recueil’, das ein Paar mit (le) code ‘recueil de lois’ bildet (F3-24), ist hingegen sowohl erwartungsgemäß gerichtet als auch kompositional. Die Gerichtetheitsstärke von lediglich 18% kommt hier durch die gegenseitige Abhängigkeit der Bedeutungen zustande (s. auch Kap. 6.4.2.3). Bei den prinzipiell nicht-kompositionalen Konversionen kann wie bereits erläutert zumindest bewertet werden, ob eine regelmäßige semantische Beziehung zwischen den Motivationspartnern besteht und mit den notwendigerweise unterschiedlichen Wortarten übereinstimmt oder ob der Zusammenhang nur über Umwege oder Transferprozesse hergestellt werden kann. Bei einer regelmäßigen Beziehung müsste z.B. das Verb auf der Basis des Substantivs paraphrasierbar sein oder das Substantiv den verbalen Vorgang selbst oder dessen Resultat ausdrücken. Bei der Mehrheit der Konversionen ist diese semantische Ableitbarkeit gegeben (s. auch Kap. 6.4.1.2). Ausnahmen sind die Wortkonversion fr. a. être ‘exister’ - b. l’être ‘personne humaine’ (F1- 11), die zwar eine starke Gerichtetheit, aber dafür einen deutlich eingeschränkten Motiviertheitsgrad aufweist, sowie einige idiomatische Stammkonversionspaare, z.B. fr. a. rester ‘continuer d'être dans un lieu ou dans un état’ - b. (le) reste ‘ce qui subsiste d'un ensemble (auquel on a retranché une partie)’ (F2-3), it. a. riserva ‘prenotare’ - b. riservare ‘l‘insieme delle cose messe in serbo’ (I2-1), a. (il) colpo ‘percossa, urto’ - b. colpire ‘impressionare, meravigliare’ (I2-5) u.a. Unter diesen Paaren hat nur I2-5 aufgrund der gut erkennbaren metaphorischen Beziehung eine mittlere Gerichtetheitsstärke, die anderen beiden Fälle liegen im schwach und sehr schwach gerichteten Bereich. Auch hinsichtlich des Motiviertheitsgrads weisen einige der semantisch unregelmäßigen Paare starke Einschränkungen auf (s. Kap. 6.5.2). Bei den formIdent-Paaren schließlich sind kaum regelmäßige Bedeutungen vorhanden, was damit zusammenhängt, dass aufgrund der Formidentität zumindest semantisch ein gewisser Unterschied bestehen muss und dass bei figurativen Bedeutungen immer ein semantischer Transfer zu leisten ist (s. <?page no="239"?> 239 auch Kap. 5.3.3). Des Weiteren hat hier die semantische Ebene nicht nur keinen formalen, sondern ohne den Wortartwechsel der Konversionen nicht einmal einen kategoriellen Gegenpart. Die absolute formale Kongruenz ist also direkt an eine semantische Nicht-Ableitbarkeit geknüpft und beides zusammen bedingt die im Gesamtdurchschnitt niedrige Gerichtetheit der form- Ident-Paare. 222 Als Kennzeichnung der Kompositionalität werden in der in Kap. 6.4.3 folgenden Gesamtübersicht bei allen Motivationspaaren, unabhängig davon, ob die Kompositionalität auf formaler, auf semantischer oder auf beiden Ebenen tangiert ist, die Kürzel K+ (= kompositional) und K- (= nicht kompositional) verwendet. Entsprechend ist das Suffigierungspaar fr. a. roman - b. romancier (F1-6) also mit dem Kürzel K+ versehen, die Stammkonversion it. a. riservare ‘prenotare’ - b. riserva ‘l‘insieme delle cose messe in serbo’ (I2-1) als K-. 6.4.2.3 Paraphrasierbarkeit (P, PU) Als weitere Einflussgröße auf die Gerichtetheitsstärke der untersuchten Motivationspaare erweist sich, in enger Verbindung mit den besonders beliebten semantischen Begründungen der Fragebogenteilnehmer für ihre Richtungsentscheidung (s. Kap. 4.3.4 und 6.5.3), der Faktor der Paraphrasierbarkeit. Er hängt also eng mit der semantischen Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Motivationspartnern nach Marchand (1964) zusammen, die wiederum mit der semantisch-kognitiven Relation, dem Abstraktheitsgrad und der Kompositionalität des Wortpaars interagiert. Mit Paraphrasierbarkeit ist gemeint, dass entweder eine gegenseitige Abhängigkeit der Bedeutungen feststellbar ist, sodass beide möglichen Ableitungsrichtungen mit gleichem Aufwand semantisch begründbar sind. Das spiegelt sich dann in einem eher niedrigen Gerichtetheitswert wider, der meist durch die gleich starke Ausnutzung beider Richtungen, bisweilen aber auch durch eine hohe Anzahl an Antworten für die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ bedingt ist (s. dazu auch Kap. 6.5.1). Oder aber die Abhängigkeit ist einseitig und eine der beiden Richtungen kann viel besser, d.h. unaufwendiger paraphrasiert werden als die an- 222 Eine Tendenz zur semantischen Ableitbarkeit lässt sich höchstens bei einzelnen Fällen wie fr. homme a. ‘être humain de sexe masculin’ - b. ‘être humain’ (F2-16), louer a. ‘donner à loyer’ - b. ‘prendre à loyer’ (F2-20) und it. pubblicazione a. ‘divulgazione per mezzo della stampa’ - b. ‘opera stampata’ (F3-18) feststellen, bei denen die abgeleitete Bedeutung entweder genau über ein semantisches Merkmal mehr verfügt (Bedeutung a bei homme, s. auch Kap. 1.3.3) oder bei denen eine Bedeutung logisch aus der anderen hervorgeht (Bedeutung b bei louer und pubblicazione). Allerdings kommen auch hier die Gerichtetheitswerte nicht über den schwach bis sehr schwach gerichteten Bereich hinaus, sodass dem Faktor der semantischen Kompositionalität bei den formIdent-Paaren in keinem Fall eine deutliche Wirksamkeit zugesprochen werden kann. <?page no="240"?> 240 dere, was zu einer mehr oder weniger deutlichen Gerichtetheit zugunsten dieser Richtung führt. Eine Variante dieser zweiten Möglichkeit besteht darin, dass sich die Sprecherantworten ungefähr gleich stark auf eine der beiden Ableitungsrichtungen und die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ verteilen. In diesen ebenfalls eher schwach gerichteten Fällen (bei denen oft auch keine semantische Kompositionalität gegeben ist, s. Kap. 6.4.2.2) war es also schwierig, überhaupt eine Ableitungsrichtung zu bestimmen. Gelang dies aber, konnte aus verschiedenen Gründen eine der beiden Richtungen zugunsten der anderen ausgeschlossen werden, z.B. bei it. inghiottire - ghiotto (I2-16, s.u.). In Kap. 6.4.1.2 hatte sich bereits gezeigt, inwiefern die Paraphrasierbarkeit bei den Stammkonversionen mit semIdent und Kont interagiert und sich entsprechend auf die unterschiedliche Direktionalität der beiden Stammkonversionsgruppen auswirkt. Noch einmal kurz zusammengefasst sind bei sem- Ident meist beide Ableitungsrichtungen gleich gut begründbar, während es bei Kont häufig Präferenzen für eine Richtung, in erster Linie N → V, gibt, aber vor allem bei V-Adj.-Paaren auch Fälle mit gleich guter Paraphrasierbarkeit zu finden sind. Die Betrachtung der anderen beiden formalen Gruppen, der Affigierungen und der formIdent-Paare, unter diesem Aspekt zeigt, dass auch hier eine einseitige oder beidseitige semantische Abhängigkeit die Gerichtetheitsstärke beeinflussen kann. Dies soll hier wieder an ausgewählten Beispielen verdeutlicht werden (zu einer Gesamtdarstellung s. Kap. 6.4.3). Bei der am stärksten gerichteten Gruppe, den insgesamt elf Präfigierungen, verstärkt eine einseitige Paraphrasierbarkeit die hohen Gerichtetheitswerte noch, da die Stimmen hier bis auf wenige Ausnahmen auf die erwartete Richtung von der Basis zur Ableitung fallen, auch wenn gerade bei den Kontrastrelationen unter semantischem Gesichtspunkt eigentlich beide Richtungen gleich gut zu begründen wären. 223 Offensichtlich wird die theoretisch mögliche Paraphrasierbarkeit beider Ableitungsrichtungen hier von anderen Gegebenheiten wie dem formalen Komplexitätsunterschied, der Kompositionalität und der tieferen Verankerung des unmarkierten Motivationspartners bei den Kontrastpaaren überdeckt. Bei dem schwach gerichteten Paar F1-3, a. départ - b. partir, hingegen ergibt sich durch die zugrunde liegende semIdent eine gute Paraphrasierbarkeit beider Richtungen und entsprechend mit acht zu 18 Stimmen eine größere Ausgeglichenheit als bei den anderen Präfigierungspaaren. Das ebenfalls schwach gerichtete und nicht kompositionale italienische Paar I2-16, a. inghiottire - b. ghiotto, stellt mit seiner Gerichtetheit von der Ableitung zur Basis einen der Fälle dar, in denen entweder von vielen 223 So wäre bei F1-9, a. habile - b. inhabile, sowohl die Paraphrase „inhabile est le contraire d’habile“ als auch „habile est le contraire d‘inhabile“ möglich. Allerdings haben die Befragten fast ausschließlich von der ersten Paraphrase Gebrauch gemacht, sich also für die Ableitungsrichtung a → b entschieden. <?page no="241"?> 241 Sprechern überhaupt keine Richtung festgestellt werden konnte oder, wenn doch, gerade die einer Rückbildung entsprechende Ableitungsrichtung besser paraphrasierbar war, und zwar nach dem Muster „chi è goloso inghiotte molto cibo“ (Sprecher 327), wohingegen sich die Gegenrichtung semantisch kaum begründen lässt. 224 Somit trägt die Paraphrasierbarkeit hier zur Gerichtetheit gemäß der nicht erwarteten Richtung bei, die bei den rückgebildeten Paaren typischerweise recht niedrig ausfällt, weil es immer auch Entscheidungen für die erwartete Richtung oder eine allgemeine Unentschiedenheit gibt. Bei den 16 Suffigierungen sind die Verhältnisse insofern ähnlich, als auch hier im sehr stark und stark gerichteten Bereich bei fr. a. roman ‘œuvre littéraire en prose’ - b. romancier ‘écrivain qui écrit en prose’ (F1-6), it. a. puntualizzare ‘spiegare in modo chiaro ed esatto’ - b. (il) punto ‘questione specifica, argomento particolare’ (I2-24) und a. fangoso ‘limaccioso, melmoso’ - b. (il) fango ‘poltiglia di terra e acqua’ (I3-24) von den Sprechern im Grunde nur die erwartete Richtung gewählt und paraphrasiert wird, weil eine einseitige Abhängigkeit gesehen wird, z.B. bei it. I2-24 (78%), wo die Richtung a ← b nur ein einziges Mal gewählt wurde. Eine beidseitige Paraphrasierbarkeit ergibt sich aber bei einigen mittel gerichteten Kont-basierten Suffigierungspaaren, obwohl man aufgrund von Kompositionalität und besonders salienter und konkreter Bedeutungen wie z.B. Personenbezeichnungen eine stärkere Gerichtetheit erwartet hätte. Ein Beispiel ist it. a. (la) prigione ‘luogo adibito alla custodia dei condannati che scontano la pena’ - b. (il) prigioniero ‘chi è rinchiuso sotto sorveglianza’ (I1-14), wo anstatt der Gerichtetheitsstärke von 55% ein Wert in Höhe von 84% wie bei roman - romancier nicht erstaunlich gewesen wäre. Gerade bei diesem Paar aber hatte auch die Richtung a ← b einige Befürworter, da sie leicht als „è il luogo in cui si detengono i prigionieri“ (Sprecher 254) paraphrasiert werden konnte. Ebenso wäre auch bei dem mit 33% schwach gerichteten Paar fr. a. ami ‘personne avec qui on est lié d'une affection réciproque’ - b. amitié ‘sentiment réciproque d'affection ou de sympathie’ (F1- 4) eine stärkere Gerichtetheit zu erwarten gewesen, aber auch hier hat sich trotz der Diskrepanz zwischen einer salienten Personenbezeichnung und einem abstrakten Konzept eine gegenseitige Abhängigkeit der Bedeutungen ergeben, sodass der formale Komplexitätsunterschied weniger stark ins Gewicht fällt: Vgl. die beiden Begründungsmuster „lamitié est ce quon éprouve pour un ami“ (Sprecher 18) für a → b und „lami est la personne digne damitié“ für a ← b (Sprecher 89). Im sehr schwach gerichteten Bereich sind die Stimmen für die beiden Richtungen meist noch deutlicher ausgeglichen: Bei 224 Das zeigt auch die Antwort des einzigen Sprechers (384), der für diese Ableitungsrichtung votiert hat. Ihm gelingt nur die Beschreibung eines formalen Ableitungsverhältnisses, nicht aber eine semantische Richtung: „sul piano morfologico A deriva certamente da B, sul piano semantico cè una relazione, hanno, con molta probabiltà, unorigine comune, ma nientaltro“. <?page no="242"?> 242 fr. a. codifier ‘réunir des dispositions légales dans un recueil’- b. (le) code ‘recueil de lois’ (F3-24) wurde zwar von 14 Befragten das Verb auf der Basis des Substantivs erklärt (z.B. „codifier est réaliser un code“, Sprecher 222), aber auch von acht Sprechern das Substantiv als Resultat des Verbs gesehen (z.B. „il faut codifier pour obtenir un code“, Sprecher 233), was zu dem recht niedrigen Gerichtetheitswert von 18% führt. Bei den rückgebildeten Suffigierungspaaren spielt die Paraphrasierbarkeit ebenfalls eine Rolle: Das italienische Adj.-N-Paar a. tenacia - b. tenace, I2-20, hat einen verhältnismäßig hohen Gerichtetheitswert für die nicht erwartete Richtung. Hier führt wie bereits erwähnt trotz semIdent die Abstraktheit der beteiligten Bedeutungen zu einer etwas besseren Paraphrasierbarkeit der Richtung Ableitung → Basis (vgl. „tenace è colui che ha tenacia“ bei I2-20, Sprecher 343) gegenüber der umgekehrten Richtung Basis → Ableitung, wo eine aufwendigere Formulierung erforderlich ist (vgl. „perché la tenacia è la qualità di chi è tenace“ bei I2-20, Sprecher 328). Bei dem V-N-Paar F3-23, a. (la) nourriture - b. nourrir, bewirkt die bereits beschriebene Konkretisierung der vorgegebenen Bedeutung durch die Sprecher, dass beide Richtungen gut paraphrasierbar sind, wobei sich die Richtung von der Ableitung zur Basis durchsetzt. Bei formIdent zeigt das stark gerichtete Paar it. (il) caffè (I1-24), dass hohe Gerichtetheitswerte dadurch begründet sind, dass nur eine Ableitungsrichtung (nämlich a. ‘bevanda aromatica di colore scuro’ → b. ‘bar’) gewählt wird, weil die Gegenrichtung nicht plausibel erscheint. 225 Offensichtlich ist in diesem spezifischen Fall bei so gut wie allen Sprechern das nötige enzyklopädische Wissen vorhanden, um die Ableitungsrichtung aufgrund dieser Kenntnisse bestimmen zu können. Dasselbe gilt in etwas schwächerem Ausmaß für das mittel gerichtete it. lingua (I1-18). Etwas anders gelagert sind die ebenfalls mittel gerichteten metSim-basierten Paare it. grande (I1-19) und cuore (I1-23): Bei metaphorischen Relationen ist die aus einer unidirektionalen Sicht erwartete Richtung meist leichter zu paraphrasieren, auch wenn sich fast immer ein paar Gegenstimmen finden. 226 Bei den restlichen formIdent-Paaren hatte sich bereits gezeigt, dass die schwach gerichtete und die sehr schwach gerichtete Gruppe mit unterschiedlichen Abstraktheitsgraden der Bedeutungen einhergehen (Kap. 6.4.2.1). Eine weitere Korrelation ergibt sich auch dadurch, dass in der immerhin noch schwach gerichteten Gruppe von den Fragebogenteilnehmern meist nur eine 225 Vgl. die einzige Begründung für die Ableitungsrichtung a. ‘bevanda aromatica di colore scuro’ ← b. ‘bar’: „il caffè è la bevanda tipica bevuta nei caffè“ (Sprecher 248). 226 Allerdings entsprechen diese dann oft nicht mehr einer metSim-Relation, s. z.B. die Begründung von Sprecher 262 bei it. cuore für die Richtung a. ‘organo vitale che pompa il sangue nel corpo’ ← b. ‘centro di qualcosa’: „dal centro deriva lorgano che è al centro del corpo“, die eine Kont-Relation oder auch taxSuperSub zum Ausdruck bringt. <?page no="243"?> 243 einseitige Abhängigkeitsrelation wahrgenommen wurde, was wiederum damit zusammenhängt, dass hier mehr konkrete Bedeutungen vorhanden sind und dadurch die Metapher oder die Metonymie besser erkannt wurde, z.B. bei it. (il) padre a. ‘iniziatore, fondatore’ - b. ‘uomo che ha generato uno o più figli’ (I2-19) mit folgender Verteilung: 2 Antworten für a → b, 18 Antworten für a ← b und 9 für a - b. Bei den nur sehr schwach gerichteten formIdent- Paaren mit ihren tendenziell eher abstrakten Bedeutungen besteht entweder eine ungefähre Ausgeglichenheit der Begründungen für beide Ableitungsrichtungen oder aber es entfällt - anders als bei den Affigierungen und Stammkonversionen - die Mehrheit der Antworten auf die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ (im Folgenden auch als „unentschiedene Antworten“ bezeichnet), was dann eher für eine allgemeine Unschlüssigkeit bei den tendenziell abstrakten Bedeutungen als für die Gleichwertigkeit der beiden Richtungsoptionen spricht (s. dazu auch Kap. 6.5.1). So lautet z.B. die Verteilung bei fr. jour a. ‘période de temps de 24 heures’ - b. ‘phase temporelle pendant laquelle il fait clair’ (F2-15) folgendermaßen: 5 Antworten für a → b, 8 Antworten für a ← b und 16 für a - b. Das italienische Interlexempaar giorno (I2-15) verhält sich mit 3 Antworten für a → b, 7 Antworten für a ← b und 19 für a - b genauso. Ferner finden sich auch hier wieder Fälle, deren Antworten sich auf „keine bestimmte Richtung“ und nur eine der beiden Ableitungsrichtungen verteilen, was bedeutet, dass die andere Richtung recht eindeutig verworfen werden kann. Besonders offenkundig ist das bspw. bei fr. arriver a. ‘se passer’ - b. ‘parvenir au lieu où l'on voulait aller’ (F2-19), das eine Antwortenverteilung von 0 Stimmen für a → b, 8 Stimmen für a ← b und 15 Stimmen für a - b aufweist. Wenn nur eine Richtung sinnvoll paraphrasierbar ist, kann dies auch durch fehlende Kompositionalität bedingt sein, was sich vor allem bei Nicht- Affigierungen zusätzlich in einer hohen Zahl an Antworten für die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ ausdrückt, z.B. bei fr. a. rester - b. (le) reste (F2-3), bei dem sich die Antworten auf elf Stimmen für die Richtung a → b, zwei Stimmen für a ← b, aber 15 Stimmen für a - b verteilen. Zusammengefasst resultiert die Paraphrasierbarkeit einer oder beider Ableitungsrichtungen also aus den semantischen Abhängigkeitsverhältnissen, die einerseits mit der beteiligten semantisch-kognitiven Relation zusammenhängen: Bei semIdent sind typischerweise beide Ableitungsrichtungen gut begründbar, bei metSim nur eine. Auch bei Kont besteht meist eine einseitige Abhängigkeit, es kommen aber auch Fälle vor, bei denen beide Richtungen gut paraphrasierbar sind und die dann eine niedrige Gerichtetheitsstärke haben. Des Weiteren besteht ein gewisser Zusammenhang zum Abstraktheitsgrad, insofern als konkrete Bedeutungen die Paraphrasierbarkeit von nur einer Richtung favorisieren, und zur Kompositionalität, da gerade bei nichtkompositionalen Fällen häufig ein Gleichstand zwischen unentschiedenen Antworten und Antworten für eine der beiden Richtungen besteht. <?page no="244"?> 244 Für die Kennzeichnung der Motivationspaare in der Gesamtübersicht in Kap. 6.4.3 werden die Kürzel P1 (= einseitige Paraphrasierbarkeit) und P2 (= beidseitige Paraphrasierbarkeit) verwendet. Ist die dritte Antwortoption „ich sehe keine bestimmte Richtung“ am stärksten vertreten, besteht also Unentscheidbarkeit, wird danach unterschieden, ob sich die verbleibenden Antworten eher auf eine Ableitungsrichtung beschränken (= P1U) oder sich ungefähr gleichmäßig auf beide Richtungen verteilen (= P2U). Das oben besprochene it. caffè (I1-24) hat also das Kürzel P1, fr. arriver (s. ebenfalls oben) ist durch P1U gekennzeichnet. 6.4.3 Gesamtübersicht: Die Direktionalität der einzelnen Motivationspaare In den vorangehenden Kapiteln wurde gezeigt, wie sich die Interaktion aus formalen und semantischen Kombinationen sowie allgemeine und spezifische Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitsstärke der untersuchten Motivationspaare auswirken können. Diese verschiedenen Größen sollen nun zusammengeführt werden, um die Verhältnisse zwischen den Motivationspaaren in Bezug auf ihre Gerichtetheitswerte erklären zu können, und zwar nicht nach Sprachen, sondern - da dieser Unterschied zunächst wichtiger ist - nach formalen Gruppen getrennt. Zu diesem Zweck wird in Abb. 21 zunächst noch einmal eine Übersicht über die allgemeinen Einflussfaktoren, ihre Kürzel und die Auswirkung auf die Gerichtetheitsstärke gegeben: <?page no="245"?> 245 Faktor Gerichtetheitsstärke niedrig hoch Abstraktheitsgrad A+/ A+ A+/ A- A+/ M A-/ A- A-/ M 227 M/ M Kompositionalität K- K+ Paraphrasierbarkeit P2U P1U P2 P1 Abb. 21: Auswirkung der globalen Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitsstärke In den nun folgenden Tabellen wird für jedes Motivationspaar zusammen mit der Angabe der zugrunde liegenden semantisch-kognitiven Relation aufgeführt, in welcher Ausprägung die drei Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitsstärke einwirken. Dabei stehen links des „vs.“ die Faktoren, welche die Gerichtetheitsstärke erhöhen, rechts die Faktoren, die die Gerichtetheitsstärke senken. Die Motivationspaare sind nach abnehmender Gerichtetheitsstärke angeordnet. Sofern auch die semantisch-kognitive Relation eine direkte Auswirkung auf den jeweiligen Gerichtetheitswert hat, ist sie fett gedruckt. Vorausgeschickt werden muss nun noch, dass nicht jede kleine oder auch größere Differenz zwischen zwei Gerichtetheitswerten unmittelbar auf einen Unterschied bei den Einflussfaktoren oder bei der semantisch-kognitiven Relation zurückgeführt werden kann, da die Ergebnisse von Offline-Untersuchungen immer eine gewisse Kontingenz beinhalten. Dass manche Gerichtetheitswerte unerwartet sind oder sich nicht nahtlos in ihre Umgebung einfügen, kann außerdem auch durch die leichte Verzerrung der Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Gesamtantwortzahlen pro Motivationspaar bedingt sein (s. auch Kap. 4.3.2). Eine weitere Verzerrung entsteht dadurch, dass sich generell eine leichte Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b ergab, und zwar vor allem bei Motivationspaaren, bei denen die Richtung nicht von Vornherein evident war: Aufgrund der in den untersuchten Sprachen gebrauchten dextrograden Schrift entspricht diese Richtung der üblichen Lesebewegung von links nach rechts. Dadurch bedingt gilt das, was weiter links 227 Die jeweilige Reihenfolge der abstrakten, konkreten oder materiellen Bedeutungen bei den Kombinationen A+/ A-, A+/ M und A-/ M kann auch umgekehrt sein. Ferner wurde nicht geprüft, ob die vier mittleren Kombinationen noch einmal individuelle Auswirkungen auf die Gerichtetheitsstärke haben. Daher müsste deren Anordnung möglicherweise anders aussehen. <?page no="246"?> 246 steht, als primär. Entsprechend sind die Gerichtetheitswerte dann am aussagekräftigsten, wenn Gruppen von Paaren mit jeweils relativ homogenen Werten verglichen werden. Für die Präfigierungen nun, bei denen generell aufgrund der formalen Faktoren des Komplexitätsunterschieds und evtl. der „Präfixpräferenz“ im Gesamtdurchschnitt die höchste Gerichtetheitsstärke aller formaler Gruppen besteht, ergibt sich die folgende Abstufung der Gerichtetheitswerte: Kurz-ID Motivationspaar semkogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F1-9 habile inhabile Kontrast 79% stark K+, P1 vs. A+/ A+ F1-8 rappeler appeler taxSuper- Sub 75% stark A-/ A-, K+, P1 F3-19 défavorable favorable Kontrast 73% stark K+, P1 vs. A+/ A+ I1-8 provenire venire Kont 59% mittel A+/ A-, K-, P1 I1-9 cercare ricercare Kont 59% mittel A-/ A-, K-, P1 I1-11 battere abbattere Kont 52% mittel A-/ A-, K-, P1 I3-22 prendere apprendere metSim 43% mittel A-/ A+, P1 vs. K- I1-3 (lo) sfondo (il) fondo Kont 42% mittel A-/ A-, P1 vs. K- F3-22 prendre apprendre metSim 38% schwach A-/ A+, P1 vs. K- F1-3 départ partir semIdent 21% schwach A-/ Avs. K-, P2 I2-16 inghiottire ghiotto Kont 19% sehr schwach A-/ A+ vs. K-, P1U rückgebildet Tab. 34: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der Präfigierungspaare Wie Tab. 34 zeigt, wirkt bei den Präfigierungspaaren neben der Art der semantisch-kognitiven Relation vor allem der Faktor Kompositionalität, der auch den Unterschied zwischen dem Französischen und dem Italienischen erklärt: Von den italienischen Präfigierungspaaren ist keines kompositional, sodass die vermutliche Präfixpräferenz hier überdeckt wird. Im Französischen hingegen sind immerhin drei von fünf Paaren kompositional und zugleich <?page no="247"?> 247 auch die am stärksten gerichteten Paare. Hinzu kommt der Faktor der Paraphrasierbarkeit, der die beiden niedrigsten Werte, die bei F1-3 und I2-16 auftreten, erklärt, während der Abstraktheitsgrad keine so deutliche Rolle spielt, da die Präfigierungen mit Ausnahme der beiden Kontrastpaare mindestens eine konkrete, aber keine materielle Bedeutung haben. Für die Suffigierungen folgt die Übersicht in Tab. 35. Personenbezeichnungen wurden generell als materiell eingestuft, weil sie einen materiellen Referenten haben. Sie genießen bei der Untersuchung von Motiviertheit und Gerichtetheit eine besonders hohe Salienz, sodass sich bei den betreffenden Paaren tendenziell höhere Gerichtetheitswerte ergeben als bei Paaren ohne Personenbezeichnung. Kurz-ID Motivationspaar semkogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F1-6 roman romancier Kont 84% sehr stark M/ M, K+, P1 Personenbezeichnung I2-24 puntualizzare (il) punto Kont 78% stark A-/ A+, P1 vs. K- I3-24 fangoso (il) fango Kont 77% stark A-/ M, K+, P1 I1-14 (la) prigione (il) prigioniero Kont 55% mittel M/ M, K+ vs. P2 Personenbezeichnung I1-6 (la) conquista (il) conquistatore Kont 53% mittel A-/ M vs. K-, P2 Personenbezeichnung I1-7 credere credibile Kont 48% mittel P1 vs. A+/ A+, K- F1-2 apparaître apparition semIdent 44% mittel A-/ A-, K+ vs. P2 F2-24 signifier (le) signe Kont 43% mittel A+/ Avs. K-, P2 I2-20 tenacia tenace semIdent 35% schwach K+, P1 vs. A+/ A+ rückgebildet I1-4 (il) popolo (la) popolazione Kont 34% schwach M/ M, P1 vs. K- <?page no="248"?> 248 F1-4 ami amitité Kont 33% schwach M/ A+, K+ vs. P2 Personenbezeichnung F1-7 fâcher fâcheux Kont 31% schwach K+ vs. P2, A+/ A+ F2-22 (le) sentiment sentir semIdent 29% schwach K+, P1 vs. A+/ A+ F3-24 codifier (le) code Kont 18% sehr schwach A-/ M, K+ vs. P2 I1-16 misero miseria Kont 18% sehr schwach P1 vs. A+/ A+, Krückgebildet F3-23 (la) nourriture nourrir semIdent 12% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Konkretisierung der Substantivbedeutung zu M; rückgebildet Tab. 35: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der Suffigierungspaare Während die semantisch-kognitive Relation hier nur zwischen der eher stärker gerichteten Kont und der eher schwächer gerichteten semIdent wechselt, zeigt sich, nicht zuletzt auch durch die etwas größere Menge an Motivationspaaren bedingt, eine größere Bandbreite hinsichtlich der Wirkung der allgemeinen Einflussfaktoren: So können sich sowohl fehlende Kompositionalität als auch beidseitige Paraphrasierbarkeit und das Vorhandensein zweier abstrakter Bedeutungen einzeln oder in Kombination negativ auf die Gerichtetheitsstärke auswirken. 228 Umgekehrt finden sich einige materielle Bedeutungen, die die Gerichtetheitsstärke erhöhen, sodass bei den Suffigierungsim Unterschied zu den Präfigierungspaaren sogar der sehr stark gerichtete Bereich vertreten ist. Die insgesamt deutlich niedrigere Gerichtetheitsstärke der französischen Suffigierungen gegenüber den italienischen (s. Tab. 25 in Kap. 6.2.1), lässt sich nun darauf zurückführen, dass erstere mit 25% seltener nur einseitig paraphrasierbar sind als letztere mit 75%. Bei den anderen beiden Faktoren hingegen verhalten sich die beiden Sprachen ungefähr gleich. Bei den Stammkonversionen ist die Gerichtetheitsstärke, bedingt durch den fehlenden formalen Komplexitätsunterschied, im Allgemeinen etwas niedriger als bei den Affigierungen. Für diese Gruppe werden die Ergebnisse 228 Zum Ausnahmefall I2-24, a. puntualizzare - b. (il) punto, s. Anm. 220. <?page no="249"?> 249 der Übersichtlichkeit halber nach zugrunde liegender semantisch-kognitiver Relation, dominierender Ableitungsrichtung und beteiligten Wortarten bzw. Wortartenabfolge aufgeteilt. Außerdem haben sich gerade diese Parameter in Kap. 6.4.1.2 als einflussreich auf die Gerichtetheitswerte erwiesen: SemIdentbasierte Stammkonversionspaare sind schwächer gerichtet als Kont-basierte, eine dominierende Richtung V → N führt zu tendenziell niedrigeren Werten als eine dominierende Richtung N → V, Adj.-V-Paare sind eher schwächer gerichtet als V-N-Paare etc. Die erste Übersicht enthält die gemäß V → N gerichteten semIdent-basierten Paare: Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F2-14 donner (le) don semIdent 38% schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Konkretisierung der Substantivbedeutung zu M F3-12 mélanger (le) mélange semIdent 34% schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Konkretisierung der Substantivbedeutung zu M I1-10 (l’)aumento aumentare semIdent 31% schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Konkretisierung der Substantivbedeutung zum Resultat I1-12 disturbare (il) disturbo semIdent 17% sehr schwach K+ vs. A+/ A+, P2 I2-8 studiare (lo) studio semIdent 16% sehr schwach K+ vs. A+/ A+, P2 F1-12 regarder regard semIdent 12% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Konkretisierung der Substantivbedeutung zu ‘Organ (Augen)’ <?page no="250"?> 250 F2-1 oublier (l’)oubli semIdent 12% sehr schwach K+ vs. A+/ A+, P2 F3-13 débattre (le) débat semIdent 8% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Tab. 36: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der gemäß V → N gerichteten semIdent-basierten Stammkonversionspaare In Tab. 36 ergeben sich zwei Gruppen von V → N-Stammkonversionen: diejenigen mit einer schwachen Gerichtetheitsstärke zwischen 30% und 40% und diejenigen mit einer sehr schwachen Gerichtetheitsstärke unter 20%. Die Wirkung der drei allgemeinen Einflussfaktoren erklärt dieses Verhältnis nicht allein, da bei allen Paaren beidseitige Paraphrasierbarkeit vorliegt und konkrete Bedeutungen in beiden Gruppen auftreten. Hier kommt jedoch die für die semIdent-basierten V-N-Paare typische Lesartenverschiebung hinzu: Bei den drei schwach gerichteten Paaren in Tab. 36 treten Konkretisierungen zum Resultat auf, die die Gerichtetheit gemäß V → N verstärken (s. auch Kap. 6.4.1.2). Auch bei F1-12 findet eine Konkretisierung zu der spezifisch für regard geltenden Lesart ‘Organ (Augen)’ statt, die allerdings gleichermaßen beide Ableitungsrichtungen betrifft und somit keine höhere Gerichtetheitsstärke verursacht. Die Sprecherantworten, die solche Lesartenverschiebungen aufweisen, sind dann nicht mehr semIdent-, sondern Kont-basiert. Bei den restlichen, sehr schwach gerichteten Paaren treten sie deutlich seltener auf. Eine ähnliche, relationsspezifische Besonderheit wirkt auch auf die sem- Ident-basierten Paare in Tab. 37, bei denen N → V die dominierende Richtung ist: Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F3-1 (le) rêve rêver semIdent 30% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 N wird als Voraussetzung für V empfunden. F3-3 douter (le) doute semIdent 30% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 N wird als Voraussetzung für V empfunden. <?page no="251"?> 251 F2-4 (le) respect respecter semIdent 29% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 N wird als Voraussetzung für V empfunden. I3-3 (il) soggiorno soggiornare semIdent 14% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 I3-13 sfogare (lo) sfogo semIdent 14% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 F1-10 menace menacer semIdent 11% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 F3-5 (l’)estime estimer semIdent 8% sehr schwach K+ vs. A+/ A+, P2 F3-10 taper (la) tape semIdent 8% sehr schwach K+, A- / Avs. P2 Tab. 37: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der gemäß N → V gerichteten semIdent-basierten Stammkonversionspaare Auch in Tab. 37 ergibt sich eine Zweiteilung, hier zwischen Paaren mit einer Gerichtetheitsstärke um die 30% und Paaren mit Werten unter 15%. Ähnlich wie bei den gemäß der umgekehrten V-N-Abfolge gerichteten Paaren geht die Zweiteilung nicht direkt aus den allgemeinen Einflussfaktoren hervor, da auch hier einheitlich beidseitige Paraphrasierbarkeit besteht und der Abstraktheitsgrad nicht den jeweiligen Gerichtetheitswerten entspricht. Vielmehr weisen auch die drei Paare mit ca. 30% eine erhöhte Anzahl an Kont-basierten Antworten auf, die hier aber nicht für Resultate stehen, sondern erkennen lassen, dass das Substantiv in diesen Fällen sehr häufig als Voraussetzung für den durch das Verb ausgedrückten Vorgang empfunden wurde. Demgegenüber ist bei den sehr schwach gerichteten Paaren der Anteil an Antworten, denen eigentlich Kont zugrunde liegt, geringer. Bei den wenigen Kont-basierten V-N-Stammkonversionen, bei denen die Richtung V → N die stärkere ist (Tab. 38), sticht das Paar I2-12 mit einer mittleren Gerichtetheitsstärke hervor, während der Rest dem sehr schwach gerichteten Bereich angehört. Grund ist hier die besonders saliente Personenbezeichnung (la) guida, die zu einer bevorzugten Paraphrasierung dieses Substantivs auf der Basis des Verbs führt („guida è colui che guida“, Sprecher 384), wenn auch die Gegenrichtung ebenso gut begründbar wäre (vgl. z.B. „significa fare da guida“, Sprecher 383 zu guidare). Auch bei anderen Paaren aus Tab. 38 kommen materielle Bedeutungen vor, diese beziehen sich aber <?page no="252"?> 252 entweder auf einen Gegenstand und überdecken dadurch nicht die beidseitige Paraphrasierbarkeit (F3-11) oder werden ihrerseits durch mangelnde Kompositionalität überdeckt (F2-3). Bei den restlichen beiden Paaren F2-12 und I3-4 traten Lesartenverschiebungen hin zur Ereignisbedeutung auf, d.h. die vorgegebenen Bedeutungen wurden von manchen Sprechern abstrakter gemacht. Da die Annahme von semIdent die Auswahl der Richtung V → N fördert, nähern sich diese beiden Paare der semIdent-basierten V→N-Gruppe in Tab. 36 an. Tab. 38: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der gemäß V → N gerichteten Kont-basierten Stammkonversionspaare Die quantitativ deutlich größere Gruppe der Kont-basierten, gemäß N → V gerichteten Stammkonversionen schöpft das ganze Spektrum zwischen sehr starker und sehr schwacher Gerichtetheit aus. In Tab. 39 sind auch das einzelne metSim-basierte Stammkonversionspaar, das ebenfalls gemäß N → V gerichtet ist, sowie die beiden absolut bidirektionalen N-V-Paare F2-10 und I2-9 integriert: Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar I2-12 guidare (la) guida Kont 41% mittel A-/ M, K+ vs. P2 Personenbezeichnung F3-11 ruiner (la) ruine Kont 20% sehr schwach A-/ M, K+ vs. P2 F2-12 écarter (l’)écart Kont 18% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 z. T. Ereignislesart F2-3 rester (le) reste Kont 15% sehr schwach A-/ M vs. K-, P1U I2-4 (il) commento commentare Kont 11% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 z. T. Ereignislesart <?page no="253"?> 253 Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F2-9 (le) bouton boutonner Kont 93% sehr stark M/ A-, K+, P1 F2-6 (la) date dater Kont 81% sehr stark A-/ A-, K+, P1 I2-13 (il) confine confinare Kont 74% stark A-/ A-, K+, P1 F2-7 pensionner (la) pension Kont 62% stark A-/ A-, K+, P1 F3-2 questionner (la) question Kont 60% mittel A-/ A-, K+, P1 I2-5 (il) colpo colpire metSim 58% mittel A-/ A+, P1 vs. Kgute Erkennbarkeit der fig. Bedeutung F2-13 (le) chagrin chagriner Kont 57% mittel K+ vs. P2, A+/ A+ F2-11 border (le) bord Kont 56% mittel A-/ A-, K+ vs. P2 I2-7 lacrimare (la) lacrima Kont 53% mittel A-/ M, K+ vs. P2 I3-8 forzare (la) forza Kont 53% mittel A+/ A-, P1 vs. K- F2-5 (la) structure structurer Kont 46% mittel A-/ A-, K+ vs. P2 F3-9 (la) force forcer Kont 43% mittel A-/ A+, P1 vs. K- F3-4 discipliner (la) discipline Kont 37% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 F3-6 (la) brosse brosser Kont 35% schwach M/ A-, K+ vs. P2 I3-9 (la) perfezione perfezionare Kont 35% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 I3-6 bisognare - (il) bisogno Kont 34% schwach K+, P1 vs. A+/ A+ <?page no="254"?> 254 Tab. 39: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der gemäß N → V gerichteten und der absolut bidirektionalen Kont- und metSim-basierten Stammkonversionspaare Aufgrund der vielen Mitglieder dieser Gruppe ist es hier schwieriger, zu einer genauen Gewichtung der Einflussfaktoren zu gelangen. Es fällt aber auf, dass die italienischen Kont-basierten N → V-Paare seltener kompositional sind als die französischen (64.3% gegenüber 92.3%) und mehr abstrakte Bedeutungen haben (46.4% gegenüber 18.2% im Französischen). So erklärt sich der einzelsprachliche Unterschied in der Gerichtetheitsstärke der Kont-basierten N → V-Paare (s. Tab. 31 und 32). Bei den Adj.-V-Stammkonversionen sind die unterschiedlichen dominierenden Ableitungsrichtungen bzw. die absolute Bidirektionalität (s. „Kommentar“) wegen ihrer geringen Anzahl in einer Tabelle zusammengefasst: I2-3 rischiare (il) rischio Kont 33% schwach K+ vs. A+/ A+, P2 I2-1 riservare riserva Kont 29% schwach A+/ M, P1 vs. K- F3-8 former (la) forme Kont 19% sehr schwach A-/ M, K+ vs. P2 I2-6 (il) lavoro lavorare Kont 19% sehr schwach A+/ A-, K+ vs. P2 I3-7 governare (il) governo Kont 18% sehr schwach A+/ A-, K+ vs. P2 I3-5 (la) striscia strisciare Kont 15% sehr schwach M/ Avs. K-, P1U F3-7 marquer (la) marque Kont 14% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 I3-2 vincolare (il) vincolo Kont 6% sehr schwach A+/ A+, K- , P2 I2-11 camminare (il) cammino Kont 4% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2U F2-10 (le) pli plier Kont 0% sehr schwach A-/ A-, K+, P2 abs. bidirektional I2-9 (il) respiro respirare Kont 0% sehr schwach A-/ A-, K+, P2 abs. bidirektional <?page no="255"?> 255 Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F3-20 vieux vieillir Kont 27% schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Adj. → V I2-21 seccare secco Kont 19% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Adj. → V I1-15 quietare quieto Kont 15% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 Adj. → V I1-17 beneficare benefico semIdent 4% sehr schwach K+ vs. A+/ A+, P2U Adj. → V F1-15 salir sale Kont 2% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 V → Adj. I3-19 variare vario Kont 0% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P2 abs. bidirektional Tab. 40: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der Adj.-V-Stammkonversionspaare Obwohl bei allen Fällen prinzipiell beidseitige Paraphrasierbarkeit besteht, scheint diese bei F3-20 weniger ausgeprägt zu sein als bei F1-15 oder gar I3- 19. Hierfür könnte evtl. ein formaler Faktor, nämlich die Stammalternanz von a. vieux - b. vieillir ausschlaggebend gewesen sein, da Formen, die den Stamm vieil(-) aufweisen, den Sprechern vermutlich als sekundär erscheinen. Schließlich werden in den beiden folgenden Tab. 41 und 42 der Vollständigkeit halber auch die beiden Adj.-N-Stammkonversionen sowie die zwei Wortkonversionen aufgeführt, auch wenn die Parameterverteilung hier keine hohe Aussagekraft hat. Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F1-17 (le) vieux vieux Kont 53% mittel M/ A-, K+, P1 Adj. → N F1-16 extérieur (l’)extérieur semIdent 16% sehr schwach A-/ A-, K+ vs. P1U Adj. → N Tab. 41: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der Adj.-N-Stammkonversionspaare <?page no="256"?> 256 Der auffällige Unterschied bezüglich der Gerichtetheitsstärke zwischen den beiden Adj.-N-Paaren ist einerseits darauf zurückzuführen, dass in einem Fall Kont, im anderen semIdent vorliegt. Andererseits führt aber auch wieder die hoch saliente Personenbezeichnung bei F1-17 zu einer mittleren Gerichtetheitsstärke, während bei F1-16 einige Unsicherheit hinsichtlich der Ableitungsrichtung bestand, sodass sich die Antworten auf „ich sehe keine bestimmte Richtung“ und die Ableitungsrichtung Adj. → N verteilen. Dass letztere Richtung bei beiden Paaren bevorzugt wird, ist auch auf das Bewusstsein einiger Sprecher für die Nominalisierung von Adjektiven und auch Infinitiven (s. Tab. 42) zurückzuführen, das aus den Begründungen für die Richtungsentscheidung hervorgeht (s. Kap. 6.5.3). Kurz- ID Motivationspaar sem-kogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Kommentar F1-11 être (l’)être Kont 61% stark A+/ M, P1 vs. K- Personenbezeichnung F2-21 savoir (le) savoir Kont 32% schwach K+, P1 vs. A+/ A+ Tab. 42: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der Wortkonversionspaare Ähnlich wie in den Fällen aus Tab. 41 kommen die Gerichtetheitswerte der beiden Wortkonversionen einerseits durch das Bewusstsein der Sprecher für Nominalisierungen, andererseits durch die zugrunde liegende Kont-Relation zustande. Auch hier erklärt sich der Unterschied zwischen den Gerichtetheitswerten durch die saliente Personenbezeichnung bei F1-11, die das Fehlen einer semantischen Kompositionalität überdeckt, und zusätzlich noch durch die Abstraktheit der Bedeutungen des Paars F2-21. Da bei der ebenfalls großen Gruppe der formIdent-Paare grundsätzlich keine Kompositionalität besteht (s. Kap. 6.4.2.3), wird dieser Faktor in der folgenden Tab. 43 außen vor gelassen. Die fehlende Kompositionalität ist vermutlich neben der formalen Kongruenz mit verantwortlich dafür, dass die formIdent-Relation im Gesamtdurchschnitt die niedrigste Gerichtetheitsstärke aufweist. Zusätzlich findet sich rechts aber eine Spalte mit der Angabe der Anzahl von metasprachlichen und enzyklopädischen Begründungen, die bei formIdent wie in Kap. 6.4.1.3 ausgeführt noch einmal andere, von den Sprechern herangezogene Kriterien für die Richtungsentscheidung erkennen lassen. <?page no="257"?> 257 Kurz- ID Motivationspaar semkogn. Relation Gerichtetheitswert Stärke d. Gerichtetheit Allgemeine Einflussfaktoren Weitere Faktoren aufgr. Begründungsarten I1-24 (il) caffè Kont 77% stark M/ M, P1 8 metasprachl. / 4 enzyklopäd. I1-23 (il) cuore metSim 57% mittel M/ A-, P1 16 metasprachl. I1-18 (la) lingua Kont 45% mittel M/ Avs. P2 9 metasprachl. I1-19 grande metSim 44% mittel A-/ A+, P1 13 metasprachl. F1-18 langue Kont 39% schwach M/ Avs. P2 6 metasprachl. / 2 enzyklopäd. I2-19 (il) padre metSim 38% schwach M/ M, P1 8 metasprachl. F3-18 (la) femme taxSuperSub 36% schwach M/ M, P1 5 enzyklopäd. F1-22 solide metSim 35% schwach A+/ A-, P1 8 metasprachl. F1-25 parler Kont 35% schwach A-/ A+ vs. P2 1 metasprachl. F1-19 grand metSim 32% schwach A-/ A+, P1 10 metasprachl. I1-21 impossibile Kont 31% schwach P1 vs. A+/ A+ 8 metasprachl. I1-22 solido metSim 30% schwach A+/ A-, P1 9 metasprachl. F1-23 richesse metSim 28% schwach P1 vs. A+/ A+ 6 metasprachl. I1-20 comprendere metSim 28% schwach A+/ A-, P1 7 metasprachl. F1-21 plainte taxSuperSub 25% schwach A-/ A-, P1 2 metasprachl. F3-16 (le) bar Kont 23% schwach M/ M vs. P2 5 metasprachl. / <?page no="258"?> 258 2 enzyklopäd. I3-18 (la) pubblicazione Kont 23% schwach A+/ M, P1 3 metasprachl. F2-18 (la) terre Kont 21% schwach M/ M vs. P2 8 enzyklopäd. I3-17 (la) riparazione metSim 21% schwach A+/ A-, P1 9 metasprachl. F3-17 (la) réparation Kont 16% sehr schwach A+/ Avs. P1U 1 metasprachl. F2-16 (l’)homme taxSuperSub 12% sehr schwach M/ M vs. P2 5 enzyklopäd. F2-19 arriver metSim 12% sehr schwach A+/ Avs. P1U 4 metasprachl. I2-18 (la) terra Kont 12% sehr schwach M/ M vs. P1U 5 metasprachl. / 1 enzyklopäd. F1-20 comprendre metSim 10% sehr schwach A+/ Avs. P2U 3 metasprachl. I3-16 (il) credito Kont 8% sehr schwach A+/ A+, P2U 3 metasprachl. I3-15 prezioso metSim 7% sehr schwach A+/ A+, P1U 3 metasprachl. F2-15 (le) jour Kont 5% sehr schwach A-/ A+ vs. P2U 6 metasprachl. / 4 enzyklopäd. F2-17 (la) classe kotax Sim 5% sehr schwach A+/ A+, P2U 1 enzyklopäd. I2-15 (il) giorno Kont 5% sehr schwach A-/ A+ vs. P2U 4 metasprachl. / 2 enzyklopäd. I1-25 pensare Kont 5% sehr schwach A+/ A+, P2U 3 metasprachl. F1-24 penser Kont 4% sehr schwach A+/ A+, P2U 0 F3-15 (le) but metSim 2% sehr schwach A+/ M, P2U 3 metasprachl. <?page no="259"?> 259 F2-20 louer Kont 2% sehr schwach A+/ A+, P1U 0 I2-17 prolungare metSim 2% sehr schwach A-/ A+ vs. P1U 4 metasprachl. / 1 enzyklopäd. Tab. 43: Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitswerte der formIdent-Paare Wie bereits aus den Kapiteln zu den beiden Parametern Abstraktheitsgrad und Paraphrasierbarkeit hervorgeht, spielen diese bei formIdent, wo der Faktor der formalen Kompositionalität entfällt, eine entscheidende Rolle. Für die insgesamt niedrigere Gerichtetheit der französischen gegenüber den italienischen formIdent-Paaren (s. Tab. 25 in Kapp. 6.2.1), ist vor allem die Paraphrasierbarkeit verantwortlich, da die französischen Fälle mit 27.8% seltener einseitig paraphrasierbar waren als im Italienischen mit 56.3%. Abstrakte, konkrete und materielle Bedeutungen sind hingegen in beiden Sprachen ungefähr gleich verteilt. Bei den sehr schwach gerichteten Paaren wirken sich die beiden Faktoren insofern aus, als hier die tendenziell häufigere Abstraktheit der Bedeutungen mit einer hohen Unentschiedenheit bezüglich der Ableitungsrichtung korreliert, die dann mit einseitiger oder beidseitiger Paraphrasierbarkeit einhergehen kann. Im stark bis mittel sowie oberen schwach gerichteten Bereich wirkt sich die verstärkte Präsenz materieller Bedeutungen positiv auf die Gerichtetheitsstärke aus. Eine weitere Nuancierung ergibt sich bei formIdent insgesamt durch die Erkennbarkeit der figurativen Bedeutungen, die sich wie in Kap. 6.4.1.3 gezeigt in semantisch-metasprachlichen Begründungen äußert. Sieht man davon ab, dass diese Begründungen öfter im Italienischen als im Französischen und öfter bei metSim als bei Kont auftreten, zeigt sich, dass sie ebenfalls tendenziell mit der Präsenz konkreter bzw. materieller Bedeutungen korrelieren und folglich vor allem im stark bis schwach gerichteten Bereich zur Wirkung kommen. Umgekehrt sind die enzyklopädischen Begründungen eher im Französischen und eher bei Kont und taxSuper- Sub als bei metSim vertreten. Sie stehen für die Erkennbarkeit einer Ableitungsrichtung aufgrund außersprachlichen Wissens, das sich ebenfalls positiv auf die Gerichtetheitsstärke auswirken kann, allerdings in einem kleineren Ausmaß als die Figurativität der Tropen (s. auch Kap. 6.5.3). 6.4.4 Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf Hypothese [4] Nachdem im Vorhergehenden die Interaktionen von formalen und semantisch-kognitiven Relationen sowie zusätzliche Einflussfaktoren auf die Gerichtetheitsstärke ausführlich beschrieben und in eine Gesamtübersicht zu den Gerichtetheitswerten aller Motivationspaare überführt wurden, können <?page no="260"?> 260 sie nun noch einmal aus der Perspektive von Hypothese [4] synthetisiert werden. Zu diesem Zweck sei diese hier noch einmal genannt: [4] Bei Wortpaaren ohne Unterschied in der formalen Komplexität besteht im Normalfall eine schwächere Direktionalität als bei den formal unterschiedlich komplexen Wortpaaren, sie kann aber durch andere Faktoren verstärkt werden. Als erster Teilaspekt bestätigt sich im Großen und Ganzen der angenommene Unterschied zwischen formal unterschiedlichen und formal gleich komplexen Relationen, da die Affigierungen insgesamt eine höhere Gerichtetheitsstärke aufweisen als die anderen formalen Gruppen. Eine Ausnahme hiervon bilden die Wortkonversionen, die aber aufgrund der geringen Anzahl der untersuchten Fälle kein aussagekräftiges Ergebnis darstellen. Weiterhin besteht im Gesamtdurchschnitt noch einmal ein Unterschied in der Gerichtetheitsstärke zwischen Stammkonversionen und formIdent-Relationen, auch wenn beide formal gleich komplex sind. Das hängt einerseits damit zusammen, dass bei ersteren die Motivationspartner durch den Wortartwechsel bedingt formal immerhin noch geringfügig voneinander abweichen, 229 was das Erkennen eines Ableitungsverhältnisses im Vergleich zu den formIdent-Paaren, wo auch Homonymie vorliegen könnte, vereinfacht. Andererseits spielen auch die Interaktionen mit den semantisch-kognitiven Relationen (v.a. semIdent oder Kont bei den Stammkonversionen, v.a. metSim oder Kont bei den formIdent- Paaren) und anderen Faktoren eine wichtige Rolle, durch die bestimmte form- Ident-Paare eine starke Gerichtetheit erreichen können und dann sogar wie im Italienischen die tendenziell stärkere Gerichtetheit der Stammkonversionen überdecken. Was nun zweitens die Gerichtetheitsstärke bei den formal gleich komplexen Relationen angeht, wurden neben den semantisch-kognitiven Relationen in der Tat mehrere andere Einflussfaktoren identifiziert, die entweder spezifisch für einzelne Untergruppen sind oder sich global auf die Gerichtetheitsstärke auswirken, und zwar entweder zugunsten einer deutlichen Direktionalität oder dagegen. Sie erklären auch die zum Teil spiegelbildlichen Verhältnisse zwischen den einzelnen formalen Relationsgruppen der beiden Einzelsprachen. 229 Davon auszunehmen sind die beiden Adj.-N-Stammkonversionen, bei denen durch die identischen Maskulinum-Singular-Formen bedingt doch eine formale Kongruenz besteht. Sie sind aber im Durchschnitt sogar stärker gerichtet als die anderen Stammkonversionspaare, da den Sprechern hier wie bei den Wortkonversionen bewusst zu sein scheint, dass es sich um Nominalisierungen handelt (s. auch Kap. 6.5.3). <?page no="261"?> 261 • Als globaler, semantisch-kognitiv fundierter Faktor hat sich der Abstraktheitsgrad der beteiligten Bedeutungen erwiesen. Wie bereits aus vielen semantischen Untersuchungen bekannt ist (s. den Überblick in Kap. 4.3.5.1) bestätigt sich auch in den in dieser Arbeit durchgeführten Informantenbefragungen, dass sich die Konkretheit von Bedeutungen positiv auf das Verständnis und die Verarbeitung auswirkt: Zwischen Wörtern mit konkreten Bedeutungen kann leichter ein Zusammenhang hergestellt werden, was sich in einem höheren Motiviertheitsgrad manifestiert, und es kann auch leichter eine Ableitungsrichtung bestimmt werden, was mit einer höheren Gerichtetheitsstärke einhergeht. Dieser Faktor ist auch die Ursache für die Abweichung der Gerichtetheitswerte zwischen dem Französischen und dem Italienischen bei den Kont-basierten N→V-Stammkonversionen. Dass der Abstraktheitsgrad auch bei den formal unterschiedlichen Affigierungen eine Rolle spielt, erklärt die dort auftretende gewisse Bandbreite in der Gerichtetheitsstärke, die zusätzlich noch durch den vermuteten relationsspezifischen Faktor der „Präfixpräferenz“ sowie durch die folgenden beiden allgemeinen Faktoren modifiziert wird. • Einen globalen Einfluss auf die Gerichtetheitsstärke hat auch die Paraphrasierbarkeit der beiden möglichen Ableitungsrichtungen, die direkt die ein- oder beidseitige Abhängigkeit zwischen den Bedeutungen widerspiegelt und am stärksten bei den Stammkonversionen zum Tragen kommt: Sie interagiert als beidseitige Paraphrasierbarkeit mit den eher abstrakten Bedeutungen der semIdent-Fälle sowie in beiden Ausprägungen mit den eher konkreten Bedeutungen der Kont-Paare und ist insofern mit verantwortlich für die unterschiedlichen Gerichtetheitsstärken. Auch bei den formIdent-Paaren wirkt die Paraphrasierbarkeit mit dem Abstraktheitsgrad der beteiligten Bedeutungen zusammen, indem sie entweder zu einer schwachen oder zu einer sehr schwachen Gerichtetheitsstärke in Verbindung mit einer hohen Zahl unentschiedener Antworten führt. Ferner erklärt sie die schwächere Gerichtetheit der französischen Suffigierungen und formIdent-Paare, die beide gegenüber dem Italienischen einen höheren Anteil an beidseitig paraphrasierbaren Fällen haben. • Der Faktor Kompositionalität gliedert sich in eine formale und eine semantische Dimension. Die Kompositionalität beeinflusst direkt die Gerichtetheitsstärke der Affigierungen und erklärt daher auch die einzelsprachlichen Unterschiede zwischen dem Französischen und dem Italienischen, wirkt sich indirekt aber auch auf die Stammkonversionen und formIdent-Paare aus, wo aufgrund fehlender formaler Komplexität im Allgemeinen eine niedrigere Gerichtetheit besteht. Des Weiteren ist sie mitverantwortlich für die Abweichung zwischen den beiden Sprachen bei den Kont-basierten N→V-Stammkonversionen. <?page no="262"?> 262 • Bei den V-N-Stammkonversionen und zum Teil auch bei den Affigierungen ist ferner, auch wieder in Wechselwirkung mit den Faktoren Abstraktheitsgrad und Paraphrasierbarkeit, das Lesartenspektrum des beteiligten Substantivs relevant. Bei den Nomina Actionis besteht eine gute Paraphrasierbarkeit beider Richtungen und entsprechend eine meist geringe Gerichtetheitsstärke. Nicht-Ereignis-Nomina ergeben meist eine deutliche Gerichtetheit zugunsten von N → V, es sei denn, es handelt sich beim Substantiv um ein salientes Resultat oder ein Nomen Agentis, was das Pendel in Richtung V → N ausschlagen lässt. Lesartenverschiebungen können die Gerichtetheitswerte zusätzlich verstärken oder senken. • Die formIdent-Paare schließlich sind etwas stärker gerichtet, wenn für die Informanten die Tatsache, dass eine der beteiligten Bedeutungen figurativ ist (d.h. die Metapher, aber auch die Metonymie gut erkennbar ist), was wiederum mit dem Abstraktheitsgrad interagiert. Ein weiterer positiv wirkender Faktor ist enzyklopädisches Wissen, das sich in entsprechenden Begründungen niederschlägt. Hypothese [4] bestätigt sich also im Wesentlichen: Zusätzliche Faktoren können eine höhere, aber auch eine niedrigere Gerichtetheitsstärke auslösen und damit für eine mehr oder weniger deutliche Direktionalität verantwortlich sein. Sie wirken aber nicht nur bei formal gleich komplexen, sondern bei allen Motivationspaaren. Je nach Ausprägung fördern sie eine bestimmte Ableitungsrichtung oder sorgen für einen Ausgleich zwischen den Richtungen bzw. für eine Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung (s. 6.5.1). 6.5 Weitere Aspekte der Direktionalität In diesem Teilkapitel geht es um die Beschreibung der Direktionalität der Motivationspaare unter einigen zusätzlichen Aspekten, die die bisherigen Ergebnisse noch ergänzen. Dazu gehören die Betrachtung der Ergebnisse aus der Perspektive der Antworten für die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ (6.5.1), Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Gerichtetheitsstärke und Motiviertheitsgrad (6.5.2) sowie die Arten von Begründungen, die die Fragebogenteilnehmer für die Auswahl einer Ableitungsrichtung angegeben haben (6.5.3). <?page no="263"?> 263 6.5.1 Unidirektionalität, Bidirektionalität und Unentscheidbarkeit der Richtung Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln vor allem beschrieben wurde, unter welchen Bedingungen die Fragebogenteilnehmer sich für eine der beiden möglichen Ableitungsrichtungen entschieden haben, soll in diesem Kapitel die Perspektive der Anzahl der Teilnehmer, die eine Beziehung, aber keine bestimmte Richtung, und damit eine Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung gesehen haben („unentschiedene Antworten“), im Vordergrund stehen. So liefert das quantitative Verhältnis zwischen der Anzahl der unentschiedenen Antworten und den Zahlen für die beiden Ableitungsrichtungen komplementäre Ergebnisse zu den bisher besprochenen Gerichtetheitswerten. Wie bereits beschrieben unterscheidet sich eine Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung von echter Bidirektionalität, die sich darin äußert, dass beide möglichen Richtungen gleichermaßen in Frage kommen. Vom Gesamtergebnis her äußert sich dieser Unterschied zwar nicht direkt in den Gerichtetheitswerten, da die zu deren Berechnung verwendete Formel die beiden Fälle nicht differenziert. Unentscheidbarkeit und Bidirektionalität lassen sich aber wie im vorliegenden Kapitel bei der Betrachtung der Antwortenverteilung selbst voneinander trennen, da bei ersterer die unentschiedenen Antworten die höchste Anzahl aufweisen, wohingegen bei letzterer die Verteilung der Antworten auf die beiden möglichen Ableitungsrichtungen ausgeglichen ist. Ausgehend von den Zahlen, die jedes Motivationspaar für die Antwortoption „keine bestimmte Richtung“ erhalten hat, kristallisieren sich drei Gruppen heraus: Erstens die Gruppe der Motivationspaare, bei denen diese Zahl zwischen der Anzahl der Antworten für die dominierende Richtung und der Anzahl der Antworten für die schwächere Richtung liegt (im Folgenden „Gruppe 1“). Bei fr. a. fâcher ‘mettre dans un état d'irritation’ - b. fâcheux ‘qui est une cause de déplaisir’(F1-7) z.B. beträgt die Antwortenverteilung 20 für a → b und 4 für a ← b, aber 11 für a - b. Die betreffenden Motivationspaare sind in den Tab. 44 und 45 dargestellt. <?page no="264"?> 264 unentschiedene Antworten zwischen Richtung 1 230 und Richtung 2 oder unentschiedene Antworten = Richtung 1 Anzahl/ Gesamtzahl 231 formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Präfigierung/ semIdent F1-3 1/ 1 Präfigierung/ taxSuperSub F1-8 1/ 1 Präfigierung/ Kontrast F3-19 1/ 2 Präfigierung/ metSim F3-22 1/ 1 Suffigierung/ semIdent F1-2, F2-22, F3-23 3/ 3 Suffigierung/ Kont F1-4, F1-6, F1-7, F2- 24 4/ 5 Wortkonversion/ Kont F1-11, F2-21 2/ 2 Stammkonversion/ semIdent F2-1, F2-4 2/ 12 Stammkonversion/ Kont F1-17, F2-6, F2-13, F3-2, F3-4, F3-7, F3-9, F3-11, F3-20 9/ 19 formale Identität/ Kont F1-18, F1-25, F2-18, F3-16 4/ 8 formale Identität/ metSim F1-19, F1-22, F1-23 3/ 6 formale Identität/ taxSuperSub F1-21, F2-16, F3-18 3/ 3 Tab. 44: Französische Motivationspaare mit einer mittleren Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 1) unentschiedene Antworten zwischen Richtung 1 und Richtung 2 oder unentschiedene Antworten = Richtung 1 Anzahl/ Gesamtzahl formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Präfigierung/ Kont I1-3, I1-8, I1-9, I1-11 4/ 5 Präfigierung/ metSim I3-22 1/ 1 Suffigierung/ Kont I1-4, I1-6, I1-7, I1-16, I2-24, I3-24 6/ 7 Stammkonversion/ semIdent I3-13 1/ 7 230 Richtung 1 = Richtung mit der höheren Antwortenzahl, Richtung 2 = Richtung mit der niedrigeren Antwortenzahl. 231 Für die jeweilige Gruppe besonders typische Kombinationen aus formalen und semantisch-kognitiven Relationen sind fett gedruckt. <?page no="265"?> 265 Stammkonversion/ Kont I2-1, I2-7, I2-13, I3-2, I3-6, I3-8, I3-9 7/ 17 Stammkonversion/ metSim I2-5 1/ 1 formale Identität/ Kont I1-18, I1-21, I1-24, I3- 18 4/ 8 formale Identität/ metSim I1-19, I1-20, I1-22, I1- 23, I2-19, I3-17 6/ 8 Tab. 45: Italienische Motivationspaare mit einer mittleren Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 1) Dieses Verhältnis gilt typischerweise für Affigierungen und andere Motivationspaare, die eine eher stärkere Gerichtetheit aufweisen. Auch aus dem Blickwinkel der unentschiedenen Antworten besteht also bei einem formalen Komplexitätsunterschied eine deutliche Direktionalität, die mit wenigen Ausnahmen (s. Kap. 6.1.2) der Ableitungsrichtung von einfach zu komplex entspricht. Demgegenüber kann in dieser Gruppe die andere Richtung (üblicherweise die von komplex zu einfach) von vielen Sprechern eindeutiger ausgeschlossen werden als eine prinzipielle Unentscheidbarkeit der Richtung des betreffenden Motivationspaars, für die die unentschiedenen Antworten stehen. Zur ersten Gruppe gehören auch einzelne Fälle von semIdent-basierten Stammkonversionen, bei denen allerdings die Verteilung der Antworten auf die drei Auswahloptionen im Vergleich zu den Affigierungen relativ ausgeglichen ist (s. Anhang 9.4): Fr. a. oublier - b. (l‘)oubli (F2-1), a. (le) respect - b. respecter (F2-4) und it. a. sfogare - b. (lo) sfogo (I3-13). Kont-basierte Stammkonversionen sind hier sehr viel häufiger vertreten. Sie verteilen sich ungefähr gleichmäßig auf Gruppe 1 (s. Tab. 44 und 45) und Gruppe 2, welche durch eine geringe Anzahl an unentschiedenen Antworten gekennzeichnet ist (s. unten, Tab. 46 und 47). Ein Beispiel aus Gruppe 1 ist it. a. (il) confine ‘linea che circoscrive un territorio’ - b. confinare ‘essere vicino, limitrofo’ (I2-13), bei dem die Anzahl der unentschiedenen Antworten immerhin noch vier beträgt, während sich für die Richtung a ← b nur eine Antwort fand, a → b aber von 25 Sprechern gewählt wurde. Diese relativ eindeutige Direktionalität der Kont-basierten Stammkonversionen geht tendenziell mit einer einseitigen semantischen Abhängigkeit, d.h. Paraphrasierbarkeit von nur einer Ableitungsrichtung einher, die wiederum durch die verfügbaren Lesarten bedingt ist (s. Kap. 6.4.1.2 und 6.4.2.3). Abweichend von der Mehrheit der Adj.-V-Stammkonversionen verhält sich das französische Paar a. vieux - b. vieillir (F3-20), das auf eine mittlere Menge von unentschiedenen Antworten kommt und eine für diese formale Gruppe relativ hohe Gerichtetheit von 27% für Adj. → <?page no="266"?> 266 V hat. Ursächlich könnte hier die bereits angesprochene Stammalternanz sein (s. Kap. 6.4.3). Auch viele formIdent-Paare gehören zur ersten Gruppe. Hierbei handelt es sich dann vor allem um die stark, mittel oder schwach gerichteten Paare mit eher konkreten Bedeutungen, z.B. fr. langue (F1-18), bei dem sich die Antworten auf 22 für die Richtung a → b, 3 für die Richtung a ← b und 10 für die Richtung a - b verteilen, während sich die sehr schwach gerichteten Paare eher in Gruppe 3 befinden (s.u.). Charakteristisch für Gruppe 1 sind also Paare mit formalem Komplexitätsunterschied, Kont-basierte Stammkonversionen sowie generell Paare mit eher konkreten Bedeutungen und einer einseitigen Paraphrasierbarkeit. Die zweite Gruppe, die sich aus den Antwortzahlen für „keine bestimmte Richtung“ ergibt, umfasst Motivationspaare, bei denen das Verhältnis zwischen den beiden möglichen Ableitungsrichtungen relativ ausgeglichen und die Zahl der unentschiedenen Antworten äußerst niedrig ist. Als Beispiel sei it. a. disturbare ‘infastidire, importunare’ - b. (il) disturbo ‘fastidio, molestia’ (I1-12) mit einer Antwortenverteilung von 18 für a → b, 12 für a ← b und 3 für a - b genannt. unentschiedene Antworten niedriger als Richtung 1 und Richtung 2 oder unentschiedene Antworten = Richtung 2 Anzahl/ Gesamtzahl formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Präfigierung/ Kontrast F1-9 1/ 2 Suffigierung/ Kont F3-24 1/ 5 Stammkonversion/ semIdent F1-10, F1-12, F2- 14, F3-1, F3-3, F3- 5, F3-10, F3-12, F3- 13 9/ 12 Stammkonversion/ Kont F1-15, F2-5, F2-7, F2-9, F2-10, F2-11, F2-12, F3-6, F3-8 9/ 19 Tab. 46: Französische Motivationspaare mit einer niedrigen Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 2) <?page no="267"?> 267 unentschiedene Antworten niedriger als Richtung 1 und Richtung 2 oder unentschiedene Antworten = Richtung 2 Anzahl/ Gesamtzahl formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Suffigierung/ semIdent I2-20 1/ 1 Suffigierung/ Kont I1-14 1/ 7 Stammkonversion/ semIdent I1-10, I1-12, I2-8, I2-9, I3-3 5/ 7 Stammkonversion/ Kont I1-15, I2-3, I2-4, I2- 6, I2-12, I2-21, I3- 7, I3-19 8/ 17 Tab. 47: Italienische Motivationspaare mit einer niedrigen Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 2) Die Ausgeglichenheit zwischen den Sprecherantworten für die beiden Ableitungsrichtungen verdeutlicht, dass bei den betreffenden Motivationspaaren beide Richtungen ähnlich gut begründet werden können. Die Verteilung der Wortpaare in den Tab. 46 und 47 auf Affigierungen und vor allem Stammkonversionen erstaunt aber insofern, als man aufgrund des fehlenden Komplexitätsunterschieds bei letzteren mehr unentschiedene Antworten hätte erwarten können. Offensichtlich ist ein Ableitungsverhältnis bei den Stammkonversionen aufgrund des Wortartwechsels recht gut zu erkennen, und zwar oft auch für beide Richtungen. Gruppe 2 enthält also Motivationspaare, die zu einer echten Bidirektionalität der Motiviertheit tendieren. Dazu gehören zunächst die Stammkonversionen mit eher abstrakten Bedeutungen auf der Basis von semIdent, es finden sich aber auch Kont-Paare mit eher konkreten Bedeutungen. Letztere haben hier eine geringe Anzahl an unentschiedenen Antworten und verhalten sich damit ähnlich wie die semIdent-basierten Stammkonversionen. Bspw. ist die Anzahl der unentschiedenen Antworten beim Kont-Paar fr. a. (le) pli ‘marque demeurant sur une matière souple qui a été rabattue sur elle-même’- b. plier ‘rabattre une matière souple sur elle-même’ (F2-10) mit jeweils 13 Antworten genau ausgeglichen, während nur drei Sprecher für Unentscheidbarkeit votiert haben. Die Zugehörigkeit der Kont-basierten Stammkonversionen zu Gruppe 1 oder 2 korreliert mit dem Faktor Paraphrasierbarkeit: Die Mitglieder von Gruppe 1 sind eher einseitig, diejenigen von Gruppe 2 eher beidseitig paraphrasierbar. Die Adj.-V-Stammkonversionen tendieren mit Ausnahme von F3-20, a. vieux - b. vieillir (s.o.), ebenfalls zur Bidirektionalität: Die Anzahl der unentschiedenen Antworten ist bei vier der insgesamt sechs Fälle niedrig und die beiden Ableitungsrichtungen sind relativ ausgeglichen. <?page no="268"?> 268 Schließlich finden sich in der zweiten Gruppe auch einzelne Affigierungen wieder, obwohl diese generell eher in der ersten Gruppe zu finden sind. Hierbei handelt es sich z.B. um das rückgebildete Paar it. a. tenacia - b. tenace (I2- 20), bei dem die erwartete Ableitungsrichtung mit der leichteren Paraphrasierbarkeit der Gegenrichtung konkurriert (s. Kap. 6.4.2.3). Fr. a. codifier - b. (le) code (F3-24) ist offensichtlich (ungefähr) gleichwertig bezüglich der Begründbarkeit beider Ableitungsrichtungen. Fr. a. habile - b. inhabile (F1-9) ist mit einem Gleichstand zwischen den unentschiedenen Antworten und denen für die seltener gewählte Richtung ein Grenzfall und gehört mit seiner starken Gerichtetheit eigentlich eher in Gruppe 1. Ähnliches gilt für das mittel gerichtete it. a. (la) prigione - b. (il) prigioniero (I1-14), bei dem sich die weniger starke Richtung und die unentschiedenen Antworten quantitativ nur geringfügig unterscheiden. Die Mitglieder von Gruppe 2 sind also typischerweise Stammkonversionen und beidseitig paraphrasierbar, d.h. bidirektional. Auffälligerweise treten in dieser Gruppe, die einer echten Bidirektionalität am nächsten kommt, keine formIdent-Paare auf. Die bezüglich der Anzahl der unentschiedenen Antworten dritte Gruppe schließlich enthält Motivationspaare, bei denen die Antwortoption „ich sehe keine bestimmte Ableitungsrichtung“ über die höchste Antwortenzahl verfügt, wie z.B. bei fr. louer a. ‘donner à loyer’ - b. ‘prendre à loyer’ (F2-20): Tab. 48: Französische Motivationspaare mit einer hohen Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 3) unentschiedene Antworten höher als Richtung 1 und Richtung 2 Anzahl/ Gesamtzahl formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Stammkonversion/ semIdent F1-16 1/ 12 Stammkonversion/ Kont F2-3 1/ 19 formale Identität/ Kont F1-24, F2-15, F2-20, F3-17 4/ 8 formale Identität/ metSim F1-20, F2-19, F3-15 3/ 6 formale Identität/ kotaxSim F2-17 1/ 1 <?page no="269"?> 269 unentschiedene Antworten höher als Richtung 1 und Richtung 2 Anzahl/ Gesamtzahl formale/ semantisch-kognitive Relation Kurz-ID Präfigierung/ Kont I2-16 1/ 5 Stammkonversion/ semIdent I1-17 1/ 7 Stammkonversion/ Kont I2-11, I3-5 2/ 17 formale Identität/ Kont I1-25, I2-15, I2-18, I3- 16 4/ 8 formale Identität/ metSim I2-17, I3-15 2/ 8 Tab. 49: Italienische Motivationspaare mit einer hohen Anzahl an unentschiedenen Antworten (Gruppe 3) Interessanterweise zählen vor allem diejenigen formIdent-Paare zu Gruppe 3, die sich durch eine hohe Anzahl abstrakter Bedeutungen auszeichnen. Die Verteilung der formIdent-Paare auf Gruppe 1 und 3 bestätigt noch einmal die in Kap. 6.4.2.1 getroffene Unterscheidung zwischen den formIdent-Paaren mit einer deutlicheren Gerichtetheitsstärke im stark bis schwach gerichteten Bereich und eher konkreten Bedeutungen einerseits (Gruppe 1) und den sehr schwach gerichteten Paaren mit eher abstrakten Bedeutungen, bei denen die Ableitungsrichtung generell schwer bestimmbar zu sein scheint, andererseits (Gruppe 3). Anhand der Tatsache, dass in Gruppe 2 keine formIdent-Paare enthalten sind, zeigt sich, dass diese nicht zur Bidirektionalität neigen. Es ergibt sich also ein prinzipieller Unterschied zwischen den sehr schwach gerichteten formIdent-Paaren mit ihrer Tendenz zur Unentscheidbarkeit der Richtung und den Stammkonversionen in Gruppe 2, wo die ebenfalls vergleichsweise schwache Gerichtetheit gerade aus der gleich guten Begründbarkeit beider Ableitungsrichtungen, d.h. aus einer tendenziellen Bidirektionalität, resultiert. Nur drei Kont-basierte Stammkonversionspaare gehören in Gruppe 3: it. a. camminare - b. (il) cammino (I2-11), a. (la) striscia - b. strisciare (I3-5) und fr. a. rester - b. (le) reste (F2-3). Bei I2-11 kommt zur großen Unentschiedenheit auch noch eine stark ausgeprägte Ausgeglichenheit der Antworten für die beiden Ableitungsrichtungen hinzu. Bei a. (la) striscia ‘pezzo stretto e lungo di materiale vario’ - b. strisciare ‘muoversi sfiorando o sfregando sopra una superficie’ war die Ableitungsrichtung für die Befragten aufgrund der Idiomatizität generell schwieriger zu bestimmen, was sich neben der Dominanz an unentschiedenen Antworten und einem niedrigen Motiviertheitsgrad (s. Kap. <?page no="270"?> 270 5.3.4 und 6.5.2) auch darin widerspiegelt, dass die Begründungen bei den wenigen Richtungsentscheidungen nicht nur heterogen (Kont-, aber auch metSim-basiert), sondern bisweilen auch recht fantasievoll sind. 232 Das französische Paar a. rester ‘continuer d'être dans un lieu ou dans un état’ - b. (le) reste ‘ce qui subsiste d’un ensemble (auquel on a retranché une partie)’ schließlich hätte erwarten lassen, dass das Substantiv einheitlicher als Subjekt oder Resultat des durch das Verb ausgedrückten Vorgangs beschrieben wird. Auch hier führt die fehlende semantische Kompositionalität (das Verb bezieht sich typischerweise auf Personen, das Substantiv aber auf Gegenstände) dazu, dass von den Sprechern häufig keine direkte Ableitungsbeziehung zwischen den Motivationspartnern gesehen wurde - wenn doch, dann aber für die Richtung V → N. Ebenso ist beim bereits mehrfach besprochenen italienischen Präfigierungspaar a. inghiottire ‘mandar giù nell‘esofago cibo o bevande’ - b. ghiotto ‘goloso’ (I2-16) die Dominanz von unentschiedenen Antworten, einhergehend mit der Bevorzugung einer Rückbildung, durch die Nicht-Kompositionalität verursacht. Bei der semIdent-basierten Adj.-V- Stammkonversion a. beneficare ‘aiutare, fare del bene’ - b. benefico ‘che fa bene, che è salutare’ (I1-17) sind hingegen die Stimmen für die beiden Ableitungsrichtungen relativ ausgeglichen, was verdeutlicht, dass hier keine Richtung eindeutig salienter ist. Viele Sprecher waren wohl auch aufgrund der zwei abstrakten Bedeutungen unschlüssig und haben daher die Option „ich sehe keine bestimmte Richtung“ gewählt. Zusammengefasst ist Gruppe 3 durch formal gleich komplexe Motivationspaare gekennzeichnet, die oftmals idiomatisch sind und/ oder eher abstrakte Bedeutungen haben. Der Einfluss dieser Charakteristika nicht nur auf den Motiviertheitsgrad (s. Kap. 5.3.4), sondern auch auf die Gerichtetheitsstärke ist durchaus einleuchtend: Durch sie sind beide Ableitungsrichtungen schwierig(er) zu begründen. Allerdings ist Idiomatizität keine Voraussetzung für die Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung. Zudem kann die hohe Anzahl an unentschiedenen Antworten auch mit einer Paraphrasierbarkeit von nur einer Richtung einhergehen, was ebenfalls durch Idiomatizität bedingt sein kann. Letztlich stehen die drei Gruppen, die sich aus der Antwortenverteilung ergeben, also für eine Tendenz zur Unidirektionalität (Gruppe 1), eine Tendenz zur Bidirektionalität (Gruppe 2) und eine Tendenz zur Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung (Gruppe 3). Typische Vertreter für Gruppe 1 sind Affigierungen und Motivationspaare, die auf Kont oder metSim beruhen, für Gruppe 2 semIdent- oder Kont-basierte Stammkonversionen und für Gruppe 3 formIdent-Paare mit abstrakten Bedeutungen, die ebenfalls vor allem mit 232 Vgl. „strisciare vuol dire muoversi come farebbe una striscia” (Sprecher 422), „strisciare significa muoversi lungo una striscia” (Sprecher 432), „strisciare su qualcosa lascia una striscia” (Sprecher 466) etc. <?page no="271"?> 271 Kont und metSim auftreten. Damit deckt sich das Ergebnis der Sprecherbefragungen ungefähr mit den theoretischen Annahmen zur Direktionalität einzelner formaler oder semantisch-kognitiver Relationen (s. Kap. 1). Die vorangegangene Datendiskussion hat aber gezeigt, dass dieses grobe Bild differenzierter betrachtet werden muss, da viele der einzelnen Kombinationen aufgrund verschiedener Faktoren von der allgemeinen Tendenz abweichen. 6.5.2 Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Gerichtetheitsstärke und Motiviertheitsgrad Wie aus den vorangehenden Ergebnisdarstellungen bereits hervorgegangen ist, sind für die Feststellung von Motiviertheit vor allem semantische Aspekte wie Idiomatizität und Abstraktheit relevant, bei der Beurteilung der Direktionalität hingegen fallen zunächst die formalen Eigenschaften der Wortpaare ins Gewicht, auch wenn letztlich beide Aspekte für Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke eine Rolle spielen. Im Vergleich von Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke lassen sich daher sowohl Gemeinsamkeiten als auch Abweichungen finden. Betrachtet man als Erstes die Abstufungen zwischen den Gesamtwerten 233 der verschiedenen formalen Gruppen in Bezug auf Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke, zeigen sich wie in Abb. 22 zum Teil Übereinstimmungen, in erster Linie aber gegenläufige Ergebnisse: 233 Auf einen Vergleich für die Einzelsprachen wird hier verzichtet, um eine zu große Komplexität der Darstellung zu vermeiden. <?page no="272"?> 272 Motiviertheitsgrad + Gerichtetheitsstärke 234 Stammkonversionen Präfigierungen Suffigierungen (Wortkonversionen) 235 (Wortkonversionen) Suffigierungen formIdent Stammkonversionen Präfigierungen formIdent - Abb. 22: Vergleich der formalen Relationen hinsichtlich Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke Gemeinsam ist beiden Werten nur, dass die Suffigierungen jeweils im mittleren Bereich, die formIdent-Paare im unteren Bereich der Skalen liegen. Die Suffigierungen sind weder bezüglich der Motiviertheit noch bezüglich der Direktionalität besonders auffällig, was sowohl durch die Tendenz zur semantischen Transparenz/ Regelmäßigkeit, als auch durch den günstigen formalen Komplexitätsunterschied bedingt ist. FormIdent hingegen erweist sich, was beide Werte angeht, als am problematischsten. Dass sich der fehlende formale Komplexitätsunterschied einerseits, die starke Tendenz zur Idiomatizität, abstrakte Bedeutungen und die Besonderheiten von Metaphern und Metonymien andererseits hier sowohl negativ auf das Erkennen eines formal-semantischen Zusammenhangs als auch auf die Bestimmung einer Ableitungsrichtung auswirken, wurde in den vorangehenden Kapiteln bereits ausführlich dargestellt. Die Stammkonversionen fallen durch einen sehr hohen Motiviertheitsgrad und zugleich eine niedrige Gerichtetheit auf. Während die niedrige Gerichtetheitsstärke voll der in Hypothese [3a] geäußerten Annahme entspricht, hat sich in Kap. 5.3.3 gezeigt, dass der unerwartete nahezu uneingeschränkte Motiviertheitsgrad durch die starke semantische Transparenz und 234 Die vertikalen Abstände sind jeweils der Größe der Diskrepanz bei den Werten angenähert. Wenn horizontal zwei Gruppen auf derselben Eben liegen, bedeutet das nicht, dass sich Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke genau entsprechen. Es sind vielmehr die Verhältnisse innerhalb der beiden Spalten relevant. 235 Die Wortkonversionen werden hier nicht weiter berücksichtigt, da sie nur mit zwei Motivationspaaren und nur im Französischen vertreten sind. <?page no="273"?> 273 Regelmäßigkeit der zugrunde liegenden Bedeutungen verursacht wird. Ebenfalls gegenläufig bezüglich der beiden Werte verhalten sich die Präfigierungen, die einen äußerst niedrigen Motiviertheitsgrad, aber zugleich eine sehr hohe Gerichtetheitsstärke aufweisen. Wie bereits dargestellt wurde (Kap. 5.2, 5.3 und 6.4.1.1), ist ersterer Wert durch die hohe Idiomatizität der untersuchten Präfigierungspaare, evtl. einhergehend mit einer Tendenz zur generellen Benachteiligung von Präfigierungen gegenüber Suffigierungen (Suffixpräferenz) bedingt, die hohe Gerichtetheitsstärke durch den formalen Komplexitätsunterschied sowie damit einhergehend dadurch, dass bei Präfigierungen der formale Unterschied zwischen den Motivationspartnern evtl. deutlicher und schneller ins Auge fällt als bei den Suffigierungen („Präfixpräferenz“). Auch beim Vergleich hinsichtlich der semantisch-kognitiven Relationen ergeben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke: Motiviertheitsgrad + Gerichtetheitsstärke semIdent (Kontrast) 236 (Kontrast) (taxSuperSub) (taxSuperSub) Kont Kont (kotaxSim) metSim metSim semIdent (kotaxSim) - Abb. 23: Vergleich der semantisch-kognitiven Relationen hinsichtlich Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke 236 Die geklammerten semantisch-kognitiven Relationen werden hier nicht weiter berücksichtigt, da sie nur bei wenigen Motivationspaaren und nur im Französischen vertreten sind. <?page no="274"?> 274 Sowohl beim Motiviertheitsgrad als auch bei der Gerichtetheitsstärke hat Kont in der Gesamtansicht einen höheren Wert als metSim. Was den Motiviertheitsgrad angeht, hängt dieses Verhältnis vor allem damit zusammen, dass Kont neben einigen individuellen und stark idiomatischen Paaren auch regelmäßige Subrelationen wie z.B. H ANDLUNG - R ESULTAT umfasst, die vor allem bei den Stammkonversionen vorkommen. MetSim hingegen tritt hauptsächlich bei den stark idiomatischen formIdent-Paaren auf. Aufgrund des hohen Anteils an formIdent ist die Gerichtetheitsstärke bei metSim ebenfalls niedrig, während Kont auch einige insgesamt stärker gerichtete Affigierungspaare beinhaltet. SemIdent hingegen verhält sich bezüglich der beiden Werte genau gegensätzlich. Die starke Motiviertheit einerseits, die niedrige Gerichtetheit andererseits waren erwartet worden (s. Hypothesen [2a] und [5]), da die semantische Transparenz aufgrund der identischen Konzepte hoch ist, woraus sich zugleich auch keinerlei Bevorzugung einer Ableitungsrichtung ergibt. Ein weiterer Grund für die niedrige Gerichtetheit von semIdent liegt darin, dass sie am häufigsten in Kombination mit den ebenfalls schwächer gerichteten Stammkonversionen auftritt. Ausgehend von den 18 Paaren mit einem besonders niedrigen Motiviertheitswert von unter 90% (s. Tab. 14 und 15 in Kap. 5.1) lässt sich feststellen, dass sieben Paare, also mehr als ein Drittel, auch nur eine sehr schwache Gerichtetheitsstärke aufweisen. Dabei handelt es sich vor allem um formIdent- Paare. Dass diese Paare keine deutliche Tendenz zu einer Richtung zeigen, erstaunt nicht: Die höhere Idiomatizität und die höhere Zahl an abstrakten Bedeutungen wirken sich in erster Linie negativ auf die Motiviertheit aus, können aber auch die Wahl einer Ableitungsrichtung erschweren. Das gilt auch für die anderen die Motiviertheit einschränkenden Faktoren (s. Kap. 5.3.3 und 5.3.4). Ist das Erkennen eines Bedeutungszusammenhangs z.B. erschwert, weil die metaphorisch verbundenen Konzepte stark konventionalisiert sind (wie bei fr. comprendre und arriver) oder weil die abstrakten Kontbasierten Konzepte sehr nahe beieinander liegen (wie bei fr. penser und it. credito), wirkt sich dies auch ungünstig auf die Feststellbarkeit einer Ableitungsrichtung aus. Selbst wenn bei (nahezu) „toten“ Metaphern noch ein vager Bedeutungszusammenhang erkannt wird, reicht dieser häufig nicht aus, um auch noch eine bestimmte Ableitungsrichtung zu suggerieren. Bei den Kontbasierten Fällen hingegen führt die große Nähe der Konzepte zu einer gegenseitigen Bedingtheit, die beide Ableitungsrichtungen erlauben würde. Durch die niedrige Salienz sowohl der Motivationsbeziehung als auch der Direktionalität dieser Paare erklärt sich auch das eher seltene Vorkommen von semantisch-metasprachlichen Begründungen. In den Bereich der sehr schwachen Gerichtetheit fallen weiterhin die V-N-Stammkonversion it. a. (la) striscia - b. strisciare (I3-5) und das Präfigierungspaar it. a. inghiottire - b. ghiotto (I2-16), <?page no="275"?> 275 bei denen sich die mangelnde formale und semantische Kompositionalität sowohl auf die Motiviertheit als auch auf die Direktionalität ungünstig auswirken. Auf letztere wirkt zusätzlich noch der Faktor der Paraphrasierbarkeit ein. Weitere sechs Paare mit Motiviertheitswerten unter 90% weisen eine mittlere oder sogar starke Gerichtetheit auf. Wie zu erwarten ist, handelt es sich hier vor allem um die Affigierungen, sodass der formale Komplexitätsunterschied für die höhere Gerichtetheitsstärke ausschlaggebend ist. Stark gerichtet ist die Wortkonversion a. être - b. (l‘)être (F1-11), was vermutlich mit der einseitigen Paraphrasierbarkeit zusammenhängt. Ein niedriger Motiviertheitsgrad geht also nicht automatisch mit einer niedrigen Gerichtetheitsstärke einher. Die restlichen vier Paare liegen im schwach gerichteten Bereich: It. comprendere weist eine Gerichtetheit von 28% gemäß der erwarteten Ableitungsrichtung auf und schneidet auch bezüglich der Motiviertheit immer noch besser ab als das französische Interlexempaar. Auch fr. a. prendre - b. apprendre (F3-22) bleibt mit 38% leicht hinter dem italienischen Interlexempaar zurück. Es handelt sich also um zwei Belege für das größere Metaphernbewusstsein der italienischen Fragebogenteilnehmer. Bei it. impossibile, das eine Gerichtetheitsstärke von 31% erreicht, lässt sich grundsätzlich sagen, dass die Sprecher hier entweder die semantische Verschiebung von a. ‘che non si può realizzare‘ zu b. ‘insopportabile‘ erkannt oder sich für „keine bestimmte Richtung“ entschieden haben. Bei it. a. riservare - b. riserva (I2-1) ist die deutliche Bevorzugung der Richtung N → V für den für die Stammkonversionen relativ hohen Wert verantwortlich. Aus der Feststellung, dass die semantischen Eigenschaften der Motivationspaare besonders den Motiviertheitsgrad beeinflussen, wohingegen für die Direktionalität auch die formalen Eigenschaften relevant sind, folgt, dass der Faktor Kompositionalität unterschiedliche Auswirkungen auf die beiden Werte hat: Eine fehlende formale Kompositionalität, wie sie z.B. bei fr. a. départ - b. partir (F1-3) auftritt, schränkt vor allem die Gerichtetheitsstärke ein. Ist jedoch die semantische Kompositionalität beeinträchtigt, senkt dies in erster Linie den Motiviertheitsgrad, bspw. bei it. a. riservare - b. riserva (I2-1). Beide Einschränkungen können zusammenfallen, wie z.B. bei it. a. (lo) sfondo - b. (il) fondo (I1-3) und a. inghiottire - b. ghiotto (I2-16), bei denen sowohl der Motiviertheitsgrad als auch die Gerichtetheitsstärke auffällig niedrig sind. Eine Ausnahme von dieser Tendenz ist aber it. a. vincolare ‘condizionare con obblighi’ - b. (il) vincolo ‘relazione di natura affettiva o sociale’ (I3-2), dessen Bedeutungen semantisch nicht voneinander ableitbar sind, das aber dennoch nur eine geringfügige Einschränkung im Motiviertheitsgrad aufweist. Offen- <?page no="276"?> 276 sichtlich hatten die Fragebogenteilnehmer keine Mühe dabei, affektive Bindungen mit dem Eingehen von Verpflichtungen zu assoziieren. 237 Zum anderen stellt it. a. (il) colpo - b. colpire (I2-5) eine Ausnahme dar: Trotz des aufgrund von metSim erforderlichen semantischen Transfers hat dieses Paar sowohl einen uneingeschränkten Motiviertheitsgrad von 100% als auch eine vergleichsweise hohe Gerichtetheitsstärke von 58%. Die Bedeutungen bei diesem letzten Paar sind also noch nicht so stark konventionalisiert, dass die metaphorische Beziehung bereits „tot“ wäre (s. Kap. 5.3.4). 6.5.3 Begründungen für die Richtungswahl Der letzte relevante Aspekt für die Darstellung der Gerichtetheit sind die verschiedenen in Kap. 4.3.4 definierten Begründungsarten. Sie sollen hier einerseits mit den in der Literatur zur Bestimmung der Ableitungsrichtung beschriebenen Kriterien in Zusammenhang gebracht werden, andererseits mit den im Untersuchungsmaterial vorkommenden formalen und semantischkognitiven Gruppen von Motivationspaaren. Dazu ist erst einmal in Erinnerung zu rufen, dass eine Begründungsart nur in den Fällen bestimmt werden kann, in denen sich die Informanten für eine der beiden Ableitungsrichtungen entschieden haben. Bei den anderen beiden Antwortoptionen („ich sehe keine bestimmte Richtung“/ “ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“) war keine Möglichkeit, einen Freitext einzugeben, vorgesehen. Ferner mussten einige der vorhandenen Begründungen als fehlend (z.B., weil nur die vorgegebene Antwort wiederholend) oder als unklar klassifiziert werden. Wie bereits vermutet wurde, griffen die Fragebogenteilnehmer am weitaus häufigsten auf semantische Kriterien bei ihrer Entscheidung für eine Ableitungsrichtung zurück (Kap. 2.2.3): Die verwertbaren Begründungen sind zu mehr als 70% semantisch (die Kombinationen aus semantischen mit anderen Begründungsarten noch nicht mitgerechnet). Allerdings ist dieser prozentuale Wert nur eingeschränkt aussagekräftig, da semantische Paraphrasen prinzipiell bei allen Motivationspaaren verwendet werden konnten, wohingegen viele andere Begründungsarten nur bei bestimmten Motivationspaaren überhaupt möglich waren (z.B. formale, frequenzbasierte und stilistische Begründungen) oder spezielles Wissen erforderten (z.B. etymologische und metasprachliche Begründungen). Umgekehrt bot sich bei formal gleich komplexen Motivationspaaren wie z.B. den am zahlreichsten vertretenen Stammkonversionen eine semantische Begründung am ehesten an. Zusätzlich kann eine Sprecherantwort eine Kombination aus verschiedenen Begründungstypen 237 Die fehlende direkte Ableitbarkeit der Bedeutungen manifestiert sich jedoch darin, dass die Begründungen der Sprecher für ihre Richtungsentscheidung äußerst heterogen und bisweilen auch schwer zu interpretieren sind. <?page no="277"?> 277 darstellen, was ebenfalls die Zählung erschwert. Aus diesen Gründen wird im Folgenden auf die Angabe genauer prozentualer Verhältnisse verzichtet. Durch den Ausschluss einer größeren Menge an Stimulipaaren im Italienischen sind dort die absoluten Zahlen für die verschiedenen Begründungsarten immer etwas geringer, sodass im Folgenden nur die Gesamtzahlen ohne Differenzierung nach Sprachen genannt werden. Die umfangreiche Gruppe der insgesamt 1782 semantischen Begründungen soll hier nur kurz gestreift werden, da solche Begründungen eng mit dem Faktor der semantischen Abhängigkeit, d.h. mit der Paraphrasierbarkeit zusammenhängen und sie in den vorangegsngenen Kapiteln bereits vielfach zur Illustration der Richtungsentscheidungen herangezogen wurden. Semantische Begründungen wurden immer dann angesetzt, wenn von den Befragten auf die Bedeutung eines oder beider Motivationspartner(s) Bezug genommen, dabei aber nicht eindeutig auf enzyklopädisches, also außersprachliches Wissen zurückgegriffen wurde. Sie entsprechen dem Kriterium der semantischen Abhängigkeit von Marchand (1964: 12, s. Kap. 2.2.3.1), das sich wie vermutet als dasjenige Kriterium erweist, dass der Intuition der Durchschnittssprecher am nächsten kommt. Ein besonderer Fall von semantischer Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Motivationspartner als logische Voraussetzung für den anderen empfunden wurde, z.B. bei den gemäß N → V gerichteten Stammkonversionen („brosser est laction et on ne peut brosser sans la brosse“, Sprecher 442 zu F3-6, a. (la) brosse - b. brosser), aber auch bei formIdent-Relationen wie fr. louer a. ‘donner à loyer’ - b. ‘prendre à loyer’ (F2-20) oder it. pubblicazione a. ‘divulgazione per mezzo della stampa’ - b. ‘opera stampata’ (I3-18): „il faut que A existe pour quil soit possible de louer (au sens B)“ (Sprecher 126) bzw. „l opera stampata bisogna appounto prima stamparla“ (Sprecher 451). Der semantisch-metasprachliche Begründungstyp geht auf keines der in Kap. 2 dargestellten Kriterien für die Bestimmung der Ableitungsrichtung zurück. Das hängt damit zusammen, dass diese Begründungen vor allem bei formIdent-Paaren auftreten (s. Kap. 6.4.1.3), die in den Ansätzen zur Direktionalitätsfrage kaum eine Rolle spielen. An zweiter Stelle nach den formIdent- Paaren stehen die Stammkonversionen, wobei der relativ hohe Anteil an metasprachlichen Begründungen vor allem durch das Paar it. a. (il) colpo ‘percossa, urto’ - b. colpire ‘impressionare, meravigliare’ (I2-5) zustande kommt, da sich hier die zugrunde liegende metSim besonders für semantisch-metasprachliche Begründungen anbot. Bei den restlichen Fällen, in denen solche Begründungen auftraten - Kont-basierte Stammkonversionen und Kont-basierte Suffigierungen - sahen die Sprecher figurative Bedeutungen, Extensionen oder Transfers von konkret zu abstrakt (vgl. z.B. F1-4, F2-11, F2-12, F3-11, I1-16, I2-12, I3-8). Drei semantisch-metasprachliche Begründungen finden sich auch bei dem metSim-basierten Präfigierungspaar I3-22, a. prendere ‘afferare qualcosa con le mani’ - b. apprendere ‘imparare, acquisire con la mente’, wo ebenfalls die semantische Extension erkannt wurde. <?page no="278"?> 278 Enzyklopädische Begründungen entsprechen dem semantischen Kriterium der außersprachlichen Abfolge (Kap. 2.2.3.4). Sie liegen, was die Häufigkeit ihres Auftretens angeht, mit 13 reinen und 37 kombinierten Fällen ungefähr im Mittelfeld, was dadurch bedingt ist, dass sie nicht in allen Fällen angewendet werden können (s. auch Štekauer 1996: 128). In beiden Sprachen wurden sie gerne mit anderen, vor allem semantischen Begründungen, kombiniert und wie bereits beschrieben am häufigsten bei formIdent-Relationen angewendet. Am zweithäufigsten finden sich Stammkonversionen, gefolgt von Suffigierungen. Bei Präfigierungspaaren traten keine enzyklopädischen Begründungen auf. Während bei den Affigierungen andere Begründungsarten - naheliegenderweise vor allem die formale Begründung - wichtiger waren, scheinen also enzyklopädische Begründungen bevorzugt bei formal gleich komplexen Stimulipaaren vorzukommen, wo zwangsläufig eher die Bedeutungen bzw. Konzepte der vorgegebenen Wortformen im Fokus stehen. Auch ist es gerade bei formIdent für die Befragten zunächst nicht selbstverständlich, dass zwischen den Stimuli überhaupt ein Ableitungsverhältnis besteht, in vielen Fällen kann aber mit Hilfe von außersprachlichem Wissen einfach ein Zusammenhang hergestellt werden. Im Einzelnen umfassen die Begründungen die Muster „Konzept X war im Vergleich zu Konzept Y zuerst da, wurde zuerst erfunden oder eingerichtet“ (z.B. Sprecher 161 zu fr. langue a. ‘organe de la parole, située dans la bouche’ - b. ‘langage propre à un certain groupe de locuteurs’, F1-18: „[…] lhomme primitif a identifié son organe langue avant de savoir quil existait dautres langages que le sien“ und „Konzept X entspricht einem primären Empfinden oder einem primären Status, während Konzept Y eine größere Abstraktion oder eine spezielle Bewusstwerdung erfordert“ (z.B. Sprecher 125 zu fr. a. (le) sentiment - b. sentir, F2-22: „le vécu B est perçu avant même de pouvoir sexprimer (A)“). Auch kann die Kenntnis bestimmter historischer, soziologischer oder kausaler Zusammenhänge zu einer Richtungsentscheidung führen, 238 bis hin zu durchaus kognitiv fundierten Argumentationen wie bei it. prolungare a. ‘rendere più lungo nello spazio’ - b. ‘aumentare la durata nel tempo’ (I2-17) von Sprecher 360 (hier zugleich semantisch-metasprachlich): „luomo fin da piccolo tende ad esporare sempre prima lo spazio e poi il tempo. Essendo il tempo un concetto astratto si tende a spiegarlo mediante metafore spaziali, per cui concetti legati 238 Historisch: Sprecher 419 zu fr. a. questionner ‘interroger’ - b. (la) question ‘demande qu‘on adresse à quelqu‘un afin d‘apprendre quelque chose de lui’, F3-2: „la question était une torture au moyen age, les gens étaient soumis à la question“; soziologisch: Sprecher 120 zu fr. (l’)homme a. ‘être humain de sexe masculin’ - b. ‘être humain’, F2-16: „historiquement la valeur sociologique des humains non-masculins était si négligeable quon a logiquement donné le nom masculin à toute lespèce... (bonnes questions ! )“; kausal: Sprecher 277 zu it. caffè a. ‘bevanda aromatica di colore scuro’ - b. ‘bar’, I1-24: „è luso massiccio della bevanda che ha fatto aprire esercizi veloci di distribuzione di essa“. <?page no="279"?> 279 allo spazio.“ Zu diesen Begründungsmustern passt auch, dass enzyklopädische Begründungen vor allem bei Kont-basierten Motivationspaaren auftraten, bei denen der Zusammenhang zwischen den Konzepten in der außersprachlichen Realität selbst zu finden ist. Auch bei taxSuperSub, die auf eine menschliche Kategorisierung der Welt zurückgeht, wurden aber gerne enzyklopädische Begründungen gewählt, was wohl auf die spezifischen Stimuli homme und femme zurückzuführen ist, mit denen viel historisches und soziologisches Wissen verbunden ist (s. auch Anm. 238 und 239). 239 MetSim-basierte Paare erfordern hingegen eher eine metasprachliche Perspektive, für semIdent reichen meist einfache semantische Paraphrasen. Formale Begründungen betreffen in erster Linie Motivationspaare mit formalem Komplexitätsunterschied, also die Affigierungen. Nur am Rande finden sich dabei Begründungen, die den in Kap. 2.2.5 besprochenen morphologischen Kriterien entsprechen (s. dazu unten). Die formalen Begründungen stehen quantitativ an dritter Stelle nach den semantischen und semantischmetasprachlichen Begründungsarten: Sie kommen 96-mal alleine und 55-mal in Kombination vor. Verbunden wurden sie gerne mit semantischen, aber auch mit diachronischen oder etymologischen Begründungen. Interessanterweise treten sie bei den Präfigierungspaaren im Französischen doppelt, im Italienischen viermal so häufig auf wie bei den Suffigierungspaaren. Dieses Ergebnis stützt die bereits in Kap. 6.2.2 geäußerte Vermutung, dass der formale Unterschied bei den Präfigierungen deutlicher ins Auge fällt als bei den Suffigierungen. Dies hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Gerichtetheitsstärke, sondern schlägt sich auch in einer Häufung von formalen Begründungen nieder. In diesen Begründungen wurde dann entweder das hinzugefügte Element selbst mit oder ohne dessen Funktion genannt (z.B. Sprecher 256 zu it. a. battere - b. abbattere, I1-11: „abbattere è composto di a+battere e assume significato rinforzato quindi si colpisce qualcosa per farla cadere“) oder auch explizit die Begriffe „Präfix“, „Suffix“ oder verwandte Termini verwendet (Sprecher 14 zu fr. a. habile - b. inhabile, F1-9: „sens opposé donné par le préfix in“), allerdings nicht immer ganz korrekt (z.B. Sprecher 23 zu fr. a. départ - b. partir, F1-3 : „ajout du suffixe dé mais la notion de base est contenue dans le radical part“, Hervorhebung B.U.). Ein morphologisches Kriterium im Sinne der in Kap. 2.2.5 dargestellten Charakteristika liegt vor, wenn die Befragten Derivationsketten bildeten, aus denen sich die Ableitungsrichtung ergibt, z.B. bei a. (le) sentiment - b. sentir, F2-22: „sentir dérivé de sens, sentiment notion plus précise, intellectuelle.“ (Sprecher 124). Da sentir dem Sprecher zufolge also von sens abgeleitet ist, kann es nicht von sentiment abgeleitet sein und es ergibt sich die Richtung sentir → sentiment. Bei den Konversionen 239 Bei fr. femme a. ‘épouse’ - b. ‘être humain de sexe féminin’ (F3-18) wurde die Ableitungsrichtung a ← b z.B. relativ einheitlich damit begründet, dass der Status der Ehefrau gegenüber dem eines weiblichen menschlichen Wesens sekundär ist. <?page no="280"?> 280 spielen formale Begründungen in Form von Hinweisen auf den Wortartwechsel eine Rolle, und zwar auffälligerweise vor allem bei den beiden Wortkonversionen und den beiden nominalisierten Adjektiven im Französischen: Bei a. savoir - b. (le) savoir (F2-21) haben viele Sprecher explizit darauf hingewiesen, dass es sich um die Nominalisierung eines Infinitivs handelt, ebenso haben bei a. (le) vieux - b. vieux (F1-17) und a. extérieur b. (l‘)extérieur (F1-16) viele der Befragten das nominalisierte Adjektiv erkannt. Wie bereits argumentiert wurde (Kap. 6.2.2), spielen hierfür aber nicht nur morphologische Indizien (z.B. -oir und -eur), sondern auch semantische Gründe eine Rolle, z.B. ein implizites Wissen über prototypische Eigenschaften von Wortarten. Bei den V- N-Stammkonversionen kommen formale Begründungen überwiegend dann vor, wenn das Verb als abgeleitet betrachtet wurde, weil es länger als das Substantiv ist oder weil der Infinitivmarker als Wortbildungssuffix interpretiert wurde, z.B. „grammaticalement la désinence verbale indique le sens de la dérivation“ (F1-12, Sprecher 75). Das war zwar nur bei einzelnen Fragebogenteilnehmern der Fall, diese haben dann aber oft einheitlich alle V-N-Stamm- Konversionen nach diesem Schema beurteilt (z.B. Sprecher 328), sodass doch eine gewisse Anzahl derartiger Begründungen zusammenkommt. Außerdem hat ein offensichtlich linguistisch bewanderter Sprecher (306) im Fragebogen I1 einheitlich das Nomen als mittels Nullsuffix abgeleitet betrachtet. Auch bei den Stammkonversionen finden sich einzelne Fälle von Derivationsketten aufgrund von wortinterner Gebildetheit, wie sie von Tribout (2010) als Richtungskriterium herangezogen wird (Kap. 2.2.5): So z.B., wenn einer der Motivationspartner als morphologisch komplex empfunden wurde wie bei fr. a. discipliner - b. (la) discipline (F3-4), wo Sprecher 196 folgende Kette gebildet hat: „disciple (élève) > discipline > discipliner“. Discipline ist in seinen Augen also mittels -ine von disciple abgeleitet, sodass die Richtung discipliner → discipline ausgeschlossen ist und sich discipline → discipliner ergibt. Bei formIdent schließlich sind formale Begründungen erwartungsgemäß marginal. Quantitativ folgen auf die formalen die diachronischen Begründungen, die 40-mal alleine und 65-mal in Kombination vorkommen, und zwar vor allem gemeinsam mit semantischen, aber auch mit enzyklopädischen Begründungen. Im Unterschied zu den außersprachlich fundierten enzyklopädischen Begründungen beziehen sich diachronische Begründungen auf die Herkunft der Wörter oder der Bedeutungen selbst. Sie traten vor allem bei form- Ident- und Stammkonversionspaaren auf - bei den Affigierungen hingegen lagen wohl formale Begründungen näher - und setzen ein gewisses Gefühl für oder gar genaues Wissen um das Alter eines Wortes oder einer Bedeutung voraus. Typische Muster sind folglich „Wort/ Bedeutung X ist älter als Wort/ Bedeutung Y“ bzw. „Wort/ Bedeutung Y ist jünger als Wort/ Bedeu- <?page no="281"?> 281 tung X“ oder „Wort/ Bedeutung Y hat sich aus Wort/ Bedeutung X entwickelt“ mit zahlreichen Varianten, 240 z.B. „le sens B existait avant le sens A (qui se reporte à lidée dun calendrier)“ bei fr. jour a. ‘période de temps de 24 heures’ - b. ‘phase temporelle pendant laquelle il fait clair’ (F2-15, Sprecher 124) oder „penso che inizialmente i due significati fossero coperti dalla solo parola popolo, in un secondo momento si è creato popolazione […]“ bei it. a. (il) popolo - b. (la) popolazione (I1-4, Sprecher 251). In einzelnen Fällen wurde auch direkt auf die lateinische Herkunft eines Motivationspartners Bezug genommen, z.B. „je crois que donner vient du latin et que don dérive du verbe“ (Sprecher 171 zu F2-14, a. donner - b. (le) don). Etymologische Begründungen hingegen treten seltener auf (neunmal im Französischen, 13-mal im Italienischen), stellen also eine marginalere Begründungsart dar. Eine Antwort wurde nur dann als etymologisch klassifiziert, wenn darin direkt auf ein (vermeintliches) Etymon und/ oder dessen Bedeutung Bezug genommen wurde und nicht nur auf eine lateinische Herkunft im Allgemeinen. Beispiele sind fr. „son ancêtre latin amicitia est un dérivé de lautre ancêtre, amicus“ (Sprecher 75 für das Paar a. ami - b. amitié, F1-4) oder it. „il significato originario è prendere insieme (cum+prendere) cioè raccogliere da cui contenere e per estensione capire cioè contenere nella mente“ (Sprecher 256 für comprendere a. ‘capire, afferrare’ - b. ‘contenere, includere’, I1-20). Auch die etymologischen Begründungen gehen oft mit semantischen, aber auch mit formalen und diachronischen Begründungen einher. Anders als die diachronischen Begründungen sind sie ungefähr gleichmäßig auf alle formalen (und auch semantisch-kognitiven) Relationen verteilt. Wie der Blick in die demographischen Angaben der Fragebogenteilnehmer zeigt, sind es nicht nur Informanten mit linguistischem Wissen, die etymologische Begründungen geliefert haben: Der Anteil der Experten beträgt in beiden Untersuchungssprachen nur ca. 30% von denjenigen, die überhaupt etymologische Begründungen gegeben haben. Solche Begründungen setzen aber zumindest Lateinkenntnisse oder Kenntnisse älterer Sprachstufen voraus. Die diachronischen und die etymologischen Begründungen entsprechen ungefähr den in Kap. 2.2.1 besprochenen historischen Kriterien, wurden von den Informanten aber intuitiv, d.h. ohne Hinzuziehung von Hilfsmitteln wie Wörterbücher, angewendet. Stilistische Begründungen, d.h. Hinweise auf Registerunterschiede zwischen den Motivationspartnern, gehören zu den Gebrauchsrestriktionen (Kap. 2.2.2) und treten schon allein deswegen nur sporadisch auf (insgesamt 240 Im Einzelnen: fr. „X est plus ancien / premier / a donné le nom à Y / est antérieur / a précédé Y / est devenu… / issu du mot Y / vient de Y / est plus récent / en a pris le nom / vient ensuite / dérive de Y / a dû se développer plus tard“; it. „X è originario / originale / primordiale / più antico / precede Y / utilizzato prima / nato prima / antecedente / più recente / originato da Y / venuto dopo / ne deriva / nellorigine significava … / gli ha dato il nome “. <?page no="282"?> 282 achtmal), weil solche Abweichungen bei der Materialauswahl möglichst vermieden wurden. Aber auch wenn die Stimuli doch unterschiedlichen Stilebenen angehören, sind es immer nur einzelne Sprecher, die dies in ihre Begründungen einfließen lassen. Es scheint sich also nicht um ein besonders salientes Kriterium für die Richtungsentscheidung der linguistischen Laien zu handeln. Kombinationen ergaben sich mit semantisch-(metasprachlich)en oder diachronischen Begründungen. Im Einzelnen beinhalten stilistische Begründungen Hinweise auf technisches oder wissenschaftliches Vokabular (s. z.B. Sprecher zu fr. a. (la) structure - b. structurer, F2-5: „le mot B fait très langue dentreprise. Je ne peux pas imaginer que A puisse dériver de B“) oder auf familiäre Ausdrücke, z.B. Sprecher 158 zu fr. chagriner, F2-13: „il a une connotation un peu familière, là où le mot chagrin est plus noble“. Einen weiteren Fall von Gebrauchsrestriktion stellen Begründungen dar, die sich auf Frequenz stützen. Auch sie traten mit fünf Fällen nur vereinzelt auf. Unter frequenzbasierten Begründungen wurden Aussagen wie „usage plus répandu“ (Sprecher 14 zu roman, F1-6), „je ne connais pas le mot A, je pense quil est rare, donc créé à partir de B“ (Sprecher 185 zu fr. a. pensionner - b. (la) pension, F2-7) oder „termine più comune nel senso venale“ (Sprecher 395 zu it. prezioso a. ‘che è particolarmente importante in senso affettivo o morale’ - b. ‘che ha un alto valore economico’, I3-15) zusammengefasst. Daraus, dass bei der Materialauswahl extrem infrequente Stimuli vermieden wurden, lässt sich schließen, dass weniger gravierende Frequenzunterschiede für die Befragten nicht sehr salient sind. Auch die einzelne grammatische Begründung bei it. a. bisognare - b. (il) bisogno (I3-6) gehört zu den Gebrauchsrestriktionen: “Luso impersonale di questo verbo e il forte significato del sostantivo mi fa pensare che il verbo derivi dal sostantivo” (Sprecher 437). Die fundierten Grammatikkenntnisse, über die der Sprecher offensichtlich verfügt, führten ihn zu der Annahme, dass ein ausschließlich unpersönlicher Gebrauch eines Verbs eine Einschränkung darstellt, die es gegenüber dem entsprechenden Substantiv sekundär erscheinen lassen. Selten sind auch analogische Begründungen, die zu den paradigmatischen Kriterien (Kap. 2.2.4) zu rechnen sind (sieben Vorkommen im Französischen, drei im Italienischen). Hier wurde die gewählte Ableitungsrichtung durch eine Analogie mit anderen Wortpaaren begründet, welche den vorgegebenen Paraphrasen entnommen oder aber frei gewählt sein konnten. Dabei ist die Analogie unterschiedlich zutreffend bzw. genau, vgl. „revenir est dériver de venir de la même façon“, Sprecher 5 zu fr. a. rappeler - b. appeler (F1-8) und „ne e` un derivato lessicale (come la cassiera dalla cassa) [...]”, Sprecher 302 zu it. a. (la) prigione - b. (il) prigioniero (I1-14), wobei aber cassa im Unterschied zu prigione keinen Ort bezeichnet. Bei it. a. variare - b. vario (I3-19) wandte ein Sprecher (451) sogar unbewusst das OAC (s. Kap. 2.2.4) an, indem er ein Stammkonversionspaar zu einem synonymen Suffigierungspaar in Bezug <?page no="283"?> 283 setzte: „un sinonimo alla parola vario è diverso quindi siccime variare vuol dire diversificare deriva da vario“. Die Kategorien „unklare“ und „fehlende“ Begründungen 241 machen jeweils nur knapp 5% aller Begründungen aus. Pro Motivationspaar bedeutet dies meist ein bis drei fehlende und/ oder unklare Begründungen. Prüft man, bei welchen Stimuli mehr als drei solcher nicht zu verwertender Begründungen auftreten, stellt sich eine gewisse Häufung bei semIdent-basierten N-V- Stammkonversionen heraus (z.B. F1-10, I1-10, I1-12). Offensichtlich ist hier aufgrund der identischen Konzepte und des fehlenden formalen Komplexitätsunterschieds eine Begründung besonders schwierig. Eine weitere Häufung findet sich bei den Kont-basierten Adj.-V-Stammkonversionen (z.B. F1- 15, I1-15), wo sich die Fragebogenteilnehmer ebenfalls oft auf die Angabe der beteiligten Wortarten beschränkt haben. Etwas anders liegt das Problem bei den beiden französischen Kontrastpaaren a. habile - b. inhabile (F1-9) und a. défavorable - b. favorable (F3-19): Hier hielten es einige Teilnehmer für ausreichend, auf einen nicht näher beschriebenen Gegensatz zu verweisen. Da eine Kontrastrelation aber in beide Richtungen funktioniert (s. Kap. 1.3.3), ist dies noch kein hinreichendes Argument für eine konkrete Richtungsauswahl. Dadurch mussten diese Begründungen als unklar gelten, sodass es auch hier zu einer vergleichsweise hohen Zahl dieses Begründungstyps kommt. Insgesamt bestätigt sich also erneut, was bereits durch die Rolle des Faktors Paraphrasierbarkeit zum Ausdruck kam: Die Sprecher ziehen vor allem semantische, auf innersprachlichen Abhängigkeitsrelationen beruhende Kriterien für ihre Richtungsentscheidung heran. Auch die verwandten semantisch-metasprachlichen und enzyklopädischen Begründungen spielen (vor allem bei formIdent) eine gewisse Rolle, sofern sie für die betreffenden Motivationspaare in Frage kommen. Diese Parameter entsprechen den in Hypothese [4] angeführten „anderen Faktoren“, die sich auf die Richtungsentscheidung auswirken. Formale Kriterien werden vor allem bei formal unterschiedlich komplexen Motivationspaaren angewendet, und zwar häufiger bei Präfigierungen, wo der Formunterschied salienter ist, als bei Suffigierungen. Dieses Ergebnis bestätigt noch einmal die Annahme, dass Durchschnittssprecher davon ausgehen, dass abgeleitete bzw. motivierte Wörter mehr Form aufweisen als ihre Basen (Hypothese [3a]). Die morphologischen Kriterien, wie sie in Kap. 2.2.5 beschrieben wurden, spielen jedoch wie erwartet kaum eine Rolle (Hypothese [3b]), ebenso wenig wie Gebrauchsrestriktionen und analogische Kriterien. Letztere haben also, wie bereits Rainer (1993: 52) annimmt, keine „psychologische Realität“ für Nicht-Linguisten. Demgegenüber zeigt sich aber, dass die Sprecher über ein gewisses historisches Wissen verfügen, das sich in diachronischen (und etymologischen) Begründungen manifestiert. Alle in Kap. 2 aufgeführten Kriterien schlagen sich also in den Begründungen 241 Zu einer genauen Beschreibung der Kategorien „fehlend“ und „unklar“ s. Kap. 4.3.4. <?page no="284"?> 284 der Fragebogenteilnehmer nieder, allerdings wie vermutet in sehr unterschiedlichem Ausmaß. 6.6 Fazit zu Kapitel 6 Genau wie für die Motiviertheitswerte wäre es auch bezüglich der Gerichtetheitswerte wünschenswert, die hier präsentierten ersten Explorationen zur Direktionalität aus Sprechersicht durch größere Datenmengen zu ergänzen und zu erweitern, um die im Folgenden noch einmal zusammengefassten Ergebnisse auf eine breitere Basis zu stellen. Im vorangehenden Kapitel wurden die Gerichtetheitswerte zunächst aufgeschlüsselt nach formaler Relation betrachtet. Dabei hat sich gezeigt, dass die formal unterschiedlich komplexen Relationen tendenziell stärker gerichtet sind als die formal gleich komplexen, was Hypothese [3a] bestätigt. Allerdings ergeben sich im Sprachvergleich einerseits spiegelbildliche Verhältnisse zwischen den Präfigierungen und den Suffigierungen, andererseits zwischen Stammkonversionen und formIdent, die erst durch die Interaktionen mit der semantisch-kognitiven Relation sowie durch das Einwirken weiterer Faktoren erklärbar werden. Was die wortinterne Gebildetheit als Kriterium für die Richtungsentscheidung angeht, bestätigt sich, dass sie kaum eine Rolle spielt, wie gemäß Hypothese [3b] erwartet wurde. Aus der Perspektive der semantisch-kognitiven Relationen erweist sich die in Hypothese [5] angenommene prinzipielle Bidirektionalität als richtig. Die geringste Gerichtetheitsstärke weist wie vermutet semIdent auf, die stärkste allerdings Kont. MetSim tendiert entgegen der Annahmen nur insofern deutlicher zur Bevorzugung einer Motivationsrichtung, als keine Fälle mit unerwarteter dominierender Ableitungsrichtung auftreten. Insofern scheinen die Transfermuster, die metSim zugrunde liegen, auch für Laien in metasprachlichen Aufgaben erkennbar zu sein. Die Interaktionen aus formaler und semantisch-kognitiver Relation erklären einige der unerwarteten Ergebnisse. Außerdem wirken sich relationsspezifische formale oder semantische Eigenschaften auf die Gerichtetheitsstärke aus: eine vermutliche „Präfixpräferenz“ bei den Affigierungen, die beteiligten Wortarten und Lesarten bei den Stammkonversionen sowie die Erkennbarkeit des Stilmittels und enzyklopädisches Wissen bei den formIdent-Paaren. Zusätzlich zu diesen spezifischen Eigenschaften wirken sich globale Faktoren wie der Abstraktheitsgrad der beteiligten Bedeutungen, die formale und/ oder semantische Kompositionalität der Motivationspaare und die aus den semantischen Abhängigkeitsverhältnissen hervorgehende Paraphrasierbarkeit einer oder beider Ableitungsrichtung(en) auf die Stärke der Direktionalität aus. Diese Faktoren beeinflussen sich auch gegenseitig und tragen zudem zu den zum Teil unerwarteten einzelsprachlichen Ergebnissen bei. Durch sie kann <?page no="285"?> 285 wie in Hypothese [4] vermutet der Unterschied zwischen formal unterschiedlich und gleich komplexen Motivationspaaren nivelliert oder aber auch verstärkt werden. Was das Verhältnis der unentschiedenen Antworten zu den Zahlen für die beiden Ableitungsrichtungen angeht, ergeben sich aus der Antwortenverteilung drei Gruppen, die für eine Tendenz zur Unidirektionalität (Gruppe 1), eine Tendenz zur Bidirektionalität (Gruppe 2) und eine Tendenz zur Unentscheidbarkeit der Ableitungsrichtung (Gruppe 3) stehen. Dabei enthält die erste Gruppe typischerweise Affigierungen und Motivationspaare, die auf Kont oder metSim beruhen, die zweite Gruppe semIdent- oder Kont-basierte Stammkonversionen und die dritte Gruppe metSim- oder Kont-basierte form- Ident-Paare mit abstrakteren Bedeutungen. Aus dem Vergleich von Motiviertheitsgrad und Gerichtetheitsstärke geht hervor, dass für die Motiviertheit vor allem die semantischen Eigenschaften der Motivationspaare relevant sind, während die Gerichtetheit in stärkerem Maße auch durch formale Eigenschaften, d.h. Komplexitätsverhältnisse, beeinflusst wird, was auf die erforderlichen Kenntnisse und Strategien der Sprecher zurückzuführen ist. Daraus ergibt sich, dass bei den Suffigierungen sowohl der Motiviertheitsgrad als auch die Gerichtetheitsstärke im oberen Bereich liegen, während bei formIdent beide Werte tendenziell niedrig sind. Die Präfigierungen zeichnen sich durch eine hohe Gerichtetheitsstärke, aber einen niedrigen Motiviertheitsgrad aus, bei den Stammkonversionen ist das Verhältnis genau umgekehrt. Damit übereinstimmend gehen die Stimulipaare mit einem besonders niedrigen Motiviertheitsgrad von unter 90% meist mit einer (sehr) niedrigen Gerichtetheitsstärke einher, wenn sie auf formIdent beruhen, und mit einer etwas höheren Gerichtetheitsstärke, wenn es sich um Affigierungen handelt. Hinsichtlich der Begründungsarten, die die Fragebogenteilnehmer für ihre Richtungsentscheidungen angeführt haben, bestätigt es sich noch einmal, dass die Sprecher vor allem semantische, auf innersprachlichen Abhängigkeitsrelationen beruhende Kriterien für ihre Richtungsentscheidung heranziehen. Dies ist aber nicht nur auf die Intuitivität dieses Kriteriums zurückzuführen, sondern auch auf die Zusammensetzung des Stimulimaterials. Auch die verwandten semantisch-metasprachlichen und enzyklopädischen Begründungen sowie formale Kriterien spielen eine gewisse Rolle, letztere aber vor allem, wenn ein formaler Komplexitätsunterschied zwischen den Motivationspartnern auftritt. Diachronisches Wissen manifestiert sich ebenfalls in den Begründungen, Gebrauchsrestriktionen und analogische Kriterien sind jedoch nur marginal vertreten. <?page no="286"?> 286 7 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, die bisher weitgehend ungeklärte Frage der Direktionalität der lexikalischen Motivation erstmals empirisch auf der Basis von Sprecherbefragungen zu untersuchen. Im Unterschied zu den meisten bisherigen Ansätzen zum Direktionalitätsproblem wurde nicht versucht, für jedes der französischen und italienischen Motivationspaare eine Entscheidung gemäß einer eindeutigen Uni- oder Bidirektionalität bzw. zwischen den beiden theoretisch möglichen Ableitungsrichtungen herbeizuführen. Vielmehr hat sich aus der Diskussion der Gerichtetheit der einzelnen formalen und semantisch-kognitiven Relationen, die zwischen einem französischen oder italienischen Motivationspaar bestehen können (Kap. 1), sowie der Bewertung verschiedener theoretischer Ansätze zur Direktionalitätsfrage (Kap. 2) als Ausgangspunkt der Untersuchung eine graduierbare Direktionalität ergeben, der zufolge jedes Motivationspaar prinzipiell bidirektional ist, aber zugleich eine unterschiedlich stark ausgeprägte Tendenz zu einer bestimmten Gerichtetheit aufweist. Zur Berechnung des Motiviertheitsgrades und der Gerichtetheitsstärke von Motivationspaaren wurden eigens Formeln entwickelt (Kap. 3). Durch eine Sprecherbefragung (Kap. 4) konnte zunächst gezeigt werden, dass der Grad der Motiviertheit eines Wortpaars durch die zugrunde liegende formale und semantisch-kognitive Relation geprägt wird, wobei aber semantische Faktoren die wichtigere Rolle spielen (Kap. 5). Die Gerichtetheitsstärke von Motivationspaaren nun kommt einerseits ebenfalls durch die formale Relation und ihre Interaktion mit der semantisch-kognitiven Relation, durch die die Motivationspartner verbunden sind, zustande. Hier fällt die formale Relation aber insgesamt stärker ins Gewicht als die semantische. Andererseits wirken sich auch zusätzliche Faktoren, vor allem der Abstraktheitsgrad der beteiligten Bedeutungen und die formale und semantische Kompositionalität sowie die ein- oder beidseitige Paraphrasierbarkeit des semantischen Zusammenhangs auf die Stärke der Tendenz zur Direktionalität aus. Dadurch bedingt neigen Affigierungen und Motivationspaare, die auf Kontiguität oder metaphorischer Similarität beruhen, am deutlichsten zur Unidirektionalität, Stammkonversionen auf der Basis von semantischer Identität oder Kontiguität am stärksten zur genuinen Bidirektionalität und Paare mit formaler Identität und abstrakten Bedeutungen, die auf metaphorischer Similarität oder Kontiguität basieren, am deutlichsten zur Unentscheidbarkeit der Richtung (Kap. 6). Diese Ergebnisse entsprechen im Großen und Ganzen denen, die sich aus einer theoretischen Perspektive ergeben, belegen aber in differenzierterer Weise, aus welchen einzelnen Faktoren sich die Gerichtetheitsstärke eines Motivationspaars zusammensetzt. <?page no="287"?> 287 Insgesamt konnte also gezeigt werden, welche formalen und semantischen Bedingungen dafür ausschlaggebend sind, dass Muttersprachler besser oder schlechter einen Zusammenhang und ggf. ein Ableitungsverhältnis zwischen zwei Wörtern aus derselben Wortfamilie herstellen können. Die Relevanz der einzelnen Einflussfaktoren für das Erkennen von Zusammenhängen zwischen Wörtern und für ihre Abhängigkeit von bestimmten Wortfamilienmitgliedern bestätigt und ergänzt bisherige Offline-Untersuchungen zu Motiviertheit und Direktionalität und deckt sich auch mit Erkenntnissen aus Psycho- und Kognitiver Linguistik, z.B. zu Idiomatizität und Abstraktheit (vgl. Kap. 3.1, 3.2 und 4.3.5). Insofern leisten die hier erzielten Ergebnisse nicht nur einen Beitrag zur Ermittlung der metasprachlichen lexikalischen Strategien der Sprachbenutzer, sondern tragen auch zum Verständnis der Funktionsweise des mentalen Lexikons bei. Sie können auch für konkrete Anwendungen nutzbar gemacht werden, z.B. im Bereich des Spracherwerbs für das Verständnis und die Memorisierung unbekannter Wörter. Dazu wären die beschriebenen Ergebnisse optimalerweise zunächst durch weitere, noch gezieltere Studien zu Motiviertheit und Gerichtetheit von Wortpaaren zu bestätigen und ggf. zu modifizieren: In der vorliegenden Arbeit wurde explorativ eine gewisse Bandbreite an verschiedenen Wortpaaren untersucht. Nun wäre es interessant, für einzelne Kombinationen aus formalen und semantisch-kognitiven Relationen das Untersuchungsmaterial zu vergrößern und so möglichst noch solidere Werte zu erhalten, die dann eventuell auch bei einer Prüfung mit den Verfahren der inferentiellen Statistik Signifikanz erreichen würden. <?page no="288"?> 288 8 Literaturverzeichnis 8.1 Wörterbücher und Nachschlagewerke Augst, G. (1998): Wortfamilienwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. In Zusammenarbeit mit K. Müller, H. Langner, A. Reichmann. Tübingen: Niemeyer. Bußmann, H. (Hg.) ( 4 2008) : Lexikon der Sprachwissenschaft. Unter Mitarbeit von H. Lauffer. Stuttgart: Kröner. De Mauro, T. (2000): Il dizionario della lingua italiana. Torino: Paravia. DUW = Duden. Deutsches Universalwörterbuch. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim u.a.: Dudenverlag, 5 2003. Duden. Rechnen und Mathematik. Das Lexikon für Schule und Praxis. Herausgegeben von Meyers Lexikonredaktion. Bearbeitet von Prof. Dr. H. Scheid. 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Relation vermutete Abl.richtung 1 Angst ängstlich Suffigierung Kont → 2 fragen Frage Konversion semIdent ↔ 3 Ruhe ruhen Konversion Kont ↔ 4 Tag ‘Zeitraum von 24 Stunden’ Tag ‘Gegenteil von Nacht’ formIdent Kont ↔ 5 Ruhe ruhig Suffigierung semIdent → 6 säubern sauber Konversion Kont ← 7 Sauberkeit sauber Suffigierung semIdent ← 8 Maus ‘Bildschirmzeigegerät’ Maus ‘Nagetier’ formIdent metSim ← 9 zahlen bezahlen Präfigierung semIdent → 10 Wissen wissen Konversion Kont ← 11 Glas ‘Trinkgefäß’ Glas ‘durchsichtiges Material’ formIdent Kont ↔ 12 ruhig ruhen Suffigierung Kont ← 13 grün grünen Konversion Kont → 14 Erde Erde formIdent ↔ <?page no="307"?> 307 ‘Planet’ ‘Erdboden’ Kont 15 groß Größe Suffigierung semIdent → 16 Schäferhund Hund Komposition taxSuperSub ← 17 Ziel ‘Ort, den jemand erreichen will’ Ziel ‘angestrebtes Ergebnis des Handelns’ formIdent metSim → 18 Auge ‘Sehorgan’ Auge ‘Fettauge in der Suppe’ formIdent metSim → 19 Essen essen Konversion semIdent/ Kont ← 20 erröten rötlich Affixalternanz Kont ↔ Pilotstudie 2A Nr. Stimulus A Stimulus B formale Relation sem.-kogn. Relation vermutete Abl.richtung 1 schließen das Schloss Stammkonversion mit Vokalwechsel Kont → 2 leben das Leben Wortkonversion semIdent → 3 die Reise reisen Stammkonversion semIdent ↔ 4 unternehmen das Unternehmen Wortkonversion Kont → 5 der Schlaf schlafen Stammkonversion semIdent ↔ 6 das Futter füttern Stammkonversion mit Umlaut Kont → 7 wagen der Wagen keine keine - 8 die Schau schauen Stammkonversion Kont ↔ 9 sitzen der Sitz Stammkonversion Kont ↔ 10 der Fluss fließen Stammkonversion mit Vokalwechsel Kont ← <?page no="308"?> 308 Pilotstudie 2B Nr. Stimulus A Stimulus B formale Relation sem.-kogn. Relation vermutete Abl.richtung 1 dumm Dummheit Suffigierung semIdent → 2 Freude freudig Suffigierung Kont → 3 lachen lächeln Suffigierung kotaxSim → 4 nervös Nervosität Suffigierung semIdent → 5 Trauer traurig Suffigierung Kont → 6 Bettler Bett keine keine - 7 Alter alt Pseudosuffigierung semIdent ← 8 traurig trauern Suffigierung semIdent ← 9 Locher Loch Suffigierung Kont ← 10 Fahrer fahren Suffigierung Kont ← <?page no="309"?> 9.2 Das Untersuchungsmaterial Die durchgestrichenen Stimuli wurden nachträglich aus der Auswertung ausgeschlossen. Zu näheren Informationen s. Kap. 4.2. Französisch Kurz -ID Motivationspartner 1 ‘Bedeutung’ Quelle Motivationspartner 2 ‘Bedeutung’ Quelle beteiligte Wortarten form. Relation sem.-kogn. Relation vermutete Ableitungsrichtung Entscheidungskriterium F1-1 chant ‘émission de sons musicaux’ PR électron. / TLF chantier ‘lieu où l’on procède à des travaux de construction’ PR électron. / TLF N - N keine Relation keine Relation keine Relation F1-2 apparaître ‘devenir visible, distinct’ Frequenzliste apparition ‘le fait de se montrer aux yeux’ Polysemie- Datenbank V - N Suffigierung semIdent → formaler Komplexitätsunterschied F1-3 départ ‘action de quitter un lieu’ Frequenzliste partir ‘s’éloigner d’un endroit’ Polysemie- Datenbank N - V Präfigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied F1-4 ami ‘personne avec qui on est lié Polysemie- Datenbank amitié Frequenzliste N - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied 309 <?page no="310"?> d’une affection réciproque’ ‘sentiment réciproque d’affection ou de sympathie’ F1-5 mensuel ‘relatif à une des douze divisions de l’année’ PR électron. / TLF mois ‘une des douze divisions de l’année’ Polysemie- Datenbank Adj. - N Suffigierung semIdent ← formaler Koplexitätsunterschied F1-6 roman ‘œuvre littéraire en prose’ Frequenzliste romancier ‘écrivain qui écrit en prose’ Polysemie- Datenbank N - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied F1-7 fâcher ‘mettre dans un état d’irritation’ PR électron. / TLF fâcheux ‘qui est une cause de déplaisir’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied F1-8 rappeler ‘inviter une personne à revenir en prononçant son nom’ Frequenzliste appeler ‘inviter une personne à venir en prononçant son nom’ Polysemie- Datenbank V - V Präfigierung taxSuperSub ← formaler Komplexitätsunterschied F1-9 habile ‘qui exécute une chose avec adresse’ Polysemie- Datenbank inhabile ‘qui manque d’adresse’ PR électron. / TLF Adj. - Adj. Präfigierung Kontrast → formaler Komplexitätsunterschied 310 <?page no="311"?> F1- 10 menace ‘manifestation de l’intention que l’on a de faire du mal’ Frequenzliste menacer ‘chercher à intimider quelqu’ un en manifestant son intention de faire du mal’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ F1- 11 être ‘exister’ Polysemie- Datenbank l'être ‘personne humaine’ Frequenzliste V - N Wortkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: Infinitivsuffix F1- 12 regarder ‘faire en sorte de voir’ Polysemie- Datenbank regard ‘action de diriger les yeux vers un objet, afin de le voir’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Präfix re- F1- 13 aider ‘donner un coup de main’ Frequenzliste aide ‘coup de main’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion semIdent ↔ F1- 14 le dîner ‘repas du soir’ Polysemie- Datenbank dîner ‘prendre le repas du soir’ Frequenzliste N - V Wortkonversion Kont ← wortinterne Gebildetheit: Infinitivsuffix F1- 15 salir ‘altérer la netteté ou pureté de quelque chose’ PR électron. / TLF sale ‘qui n’est pas net’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Stammkonversion Kont ← Im Französischen existiert nur Adj. → V. 311 <?page no="312"?> F1- 16 extérieur ‘situé dans l’espace hors de quelque chose’ Frequenzliste l'extérieur ‘ce qui est en dehors’ Frequenzliste Adj. - N Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: Suffix -eur F1- 17 le vieux ‘personne qui a vécu déjà longtemps’ Polysemie- Datenbank vieux ‘d’un âge avancé’ Polysemie- Datenbank N - Adj. Stammkonversion Kont ↔ F1- 18 langue ‘organe de la parole, située dans la bouche’ Polysemie- Datenbank langue ‘langage propre à un certain groupe de locuteurs’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ F1- 19 grand ‘de haute taille’ Polysemie- Datenbank grand ‘important, célèbre’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. formIdent metSim → Transfer konkret → abstrakt F1- 20 comprendre ‘saisir intellectuellement’ Polysemie- Datenbank comprendre ‘contenir’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt F1- 21 plainte ‘expression de douleur’ Polysemie- Datenbank plainte ‘expression de mécontentement’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent taxSuperSub ↔ F1- 22 solide ‘durable, sur qui on peut compter’ Polysemie- Datenbank solide ‘qui résiste aux efforts ou à Polysemie- Datenbank A - A formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt 312 <?page no="313"?> l’usure par sa composition’ F1- 23 richesse ‘possession de grands biens’ Polysemie- Datenbank richesse ‘caractère de ce qui contient nombreux éléments d’importance’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent metSim → Transfer konkret → abstrakt F1- 24 penser ‘imaginer’ Polysemie- Datenbank penser ‘réfléchir’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent Kont ↔ F1- 25 parler ‘s’exprimer en usant les sons d’une langue’ Polysemie- Datenbank parler ‘être capable de s’exprimer dans une certaine langue’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent Kont ↔ F2-1 oublier ‘cesser de penser à qc.’ Frequenzliste (l')oubli ‘défaillance de la mémoire’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion semIdent ↔ F2-2 (la) réserve ‘quantité mise de côté en vue d’un usage ultérieur’ Polysemie- Datenbank réserver ‘mettre de côté quelque chose pour plus tard’ Frequenzliste N - V Stammkonversion Kont ← wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Präfix ré- F2-3 rester ‘continuer d’être dans un Polysemie- Datenbank (le) reste ‘ce qui subsiste d’un ensemble Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ↔ 313 <?page no="314"?> lieu ou dans un état’ (auquel on a retranché une partie)’ F2-4 (le) respect ‘sentiment qui incite à traiter quelqu’un avec considération’ Frequenzliste respecter ‘porter une profonde estime à quelqu’un’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ F2-5 (la) structure ‘manière dont un ensemble est envisagé dans ses parties’ Polysemie- Datenbank structurer ‘donner un plan, une organisation à quelque chose’ PR électron. / TLF N - V Stammkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -ure F2-6 (la) date ‘indication du jour, du mois et de l’année où un fait s’est produit’ Polysemie- Datenbank dater ‘attribuer une indication temporelle à quelque chose’ Frequenzliste N - V Stammkonversion Kont ↔ F2-7 pensionner ‘pourvoir quelqu’un d’une allocation’ PR électron. / TLF (la) pension ‘allocation versée périodiquement à une personne’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ← wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -ion F2-8 (le) report ‘le fait de renvoyer quelque PR électron. / TLF reporter Frequenzliste N - V Stammkonversion semIdent ← wortinterne Gebildetheit: Präfix re- 314 <?page no="315"?> chose à plus tard’ ‘renvoyer quelque chose à plus tard’ F2-9 (le) bouton ‘petite pièce servant à la fermeture d’un vêtement’ Frequenzliste boutonner ‘fermer ou attacher un vêtement au moyen de petites pièces’ PR électron. / TLF N - V Stammkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: Suffix -on F2- 10 (le) pli ‘marque demeurant sur une matière souple qui a été rabattue sur elle-même’ Frequenzliste plier ‘rabattre une matière souple sur elle-même’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion Kont ↔ F2- 11 border ‘garnir d’un contour ou d’une limite’ Frequenzliste (le) bord ‘contour, limite ou extrémité d’une surface’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ↔ F2- 12 écarter ‘mettre des choses à quelque distance les unes des autres’ Polysemie- Datenbank (l’)écart ‘distance qui sépare deux choses’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ↔ 315 <?page no="316"?> F2- 13 (le) chagrin ‘état moralement douloureux’ Polysemie- Datenbank chagriner ‘rendre triste, faire de la peine à quelqu’un’ PR électron. / TLF N - V Stammkonversion Kont ↔ F2- 14 donner ‘passer quelque chose à quelqu’un’ Polysemie- Datenbank (le) don ‘action de céder gratuitement la propriété d’une chose à quelqu’un’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent ↔ F2- 15 (le) jour ‘période de temps de 24 heures’ Polysemie- Datenbank (le) jour ‘phase temporelle pendant laquelle il fait clair’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ F2- 16 (l’)homme ‘être humain de sexe masculin’ Polysemie- Datenbank (l’)homme ‘être humain’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent taxSuperSub ↔ F2- 17 (la) classe ‘ensemble de personnes du même niveau social’ Frequenzliste (la) classe ‘ensemble des élèves suivant le même cours’ Frequenzliste N - N formIdent kotaxSim ↔ F2- 18 (la) terre ‘planète où vit l’humanité’ Frequenzliste/ in Analogie zum Italienischen (la) terre ‘l’élément où poussent les végétaux’ Frequenzliste/ in Analogie zum Italienischen N - N formIdent Kont ↔ 316 <?page no="317"?> F2- 19 arriver ‘se passer’ Polysemie- Datenbank arriver ‘parvenir au lieu où l’on voulait aller’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt F2- 20 louer ‘donner à loyer’ Frequenzliste louer ‘prendre à loyer’ Frequenzliste V - V formIdent Kont 242 ↔ F2- 21 savoir ‘avoir présent à l’esprit’ Polysemie- Datenbank le savoir ‘ensemble des connaissances d’une personne’ PR électron. / TLF V - N Wortkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: Infinitivsuffix F2- 22 (le) sentiment ‘émotion, passion’ Frequenzliste sentir ‘éprouver, ressentir’ Polysemie- Datenbank N - V Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied F2- 23 lier ‘mettre ensemble’ Polysemie- Datenbank (la) liaison ‘action de mettre ensemble’ Frequenzliste V - N Suffigierung semIdent → formaler Komplexitätsunterschied F2- 24 signifier ‘avoir pour sens’ Frequenzliste (le) signe ‘chose, phénomène qui indique l’existence ou la vérité d’une chose’ Frequenzliste V - N Suffigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied 242 Aufgrund des Vorliegens einer Auto-Konverse besteht hier zusätzlich eine Kontrastrelation (Blank 1997: 274, 2001: 84). 317 <?page no="318"?> F2- 25 sale ‘qui n’est pas net’ Polysemie- Datenbank saler ‘assaisonner avec du sel’ PR électron. / TLF Adj. - V keine Relation keine Relation keine Relation F3-1 (le) rêve ‘activité psychique pendant le sommeil’ Frequenzliste rêver ‘avoir en dormant une activité psychique’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ F3-2 questionner ‘interroger’ PR électron. / TLF (la) question ‘demande qu’on adresse à quelqu’un afin d’apprendre quelque chose de lui’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ← wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -(i)on F3-3 douter ‘être incertain de la réalité ou vérité d’un fait’ Frequenzliste (le) doute ‘hésitation, incertitude’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent ↔ F3-4 discipliner ‘rendre obéissant à une règle de conduite’ PR électron. / TLF (la) discipline ‘règle de conduite imposée’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ← wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -ine F3-5 (l’)estime ‘considération, respect’ Frequenzliste estimer ‘avoir bonne opinion de quelqu’un ou quelque chose’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ 318 <?page no="319"?> F3-6 (la) brosse ‘ustensile de nettoyage consistant de filaments souples ajustés sur une monture’ Frequenzliste brosser ‘nettoyer en frottant avec un instrument adéquat’ PR électron. / TLF N - V Stammkonversion Kont ↔ F3-7 marquer ‘rendre reconnaissable au moyen d’un repère’ Frequenzliste (la) marque ‘signe matériel mis sur une chose pour servir de repère’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ F3-8 former ‘faire exister quelque chose en arrangeant des éléments’ Frequenzliste (la) forme ‘ensemble des contours d’un objet’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ F3-9 (la) force ‘puissance d’action’ Polysemie- Datenbank forcer ‘soumettre à une pression ou sujétion’ Frequenzliste N - V Stammkonversion Kont ↔ F3- 10 taper ‘frapper du plat de la main’ Polysemie- Datenbank (la) tape ‘coup donné avec le plat de la main’ PR électron. / TLF V - N Stammkonversion semIdent ↔ 319 <?page no="320"?> F3- 11 ruiner ‘endommager gravement’ Polysemie- Datenbank (la) ruine ‘débris d’un édifice ancien’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ↔ F3- 12 mélanger ‘unir des choses différentes de manière à former un tout’ PR électron. / TLF (le) mélange ‘action de mêler’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion semIdent ← wortinterne Gebildetheit: Suffix -ange F3- 13 débattre ‘examiner contradictoirement avec un ou plusieurs interlocuteurs’ Polysemie- Datenbank (le) débat ‘échange de vues contradictoires’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Präfix dé- F3- 14 (l’)emprunt ‘action d’obtenir quelque chose à titre de prêt’ Frequenzliste emprunter ‘obtenir quelque chose à titre de prêt’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ F3- 15 (le) but ‘ce que l’on se propose d’atteindre’ Frequenzliste (le) but ‘objet que l’on vise afin de le toucher avec un projectile’ Frequenzliste N - N formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt F3- 16 (le) bar ‘lieu public où l’on sert des boissons’ Polysemie- Datenbank (le) bar ‘comptoir où sont posées les consommations Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ 320 <?page no="321"?> et devant lequel se placent les consommateurs’ F3- 17 (la) réparation ‘dédommagement’ Polysemie- Datenbank (la) réparation ‘remise en bon état d’une construction ou d’une habitation’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont 243 ↔ F3- 18 (la) femme ‘épouse’ Polysemie- Datenbank (la) femme ‘être humain de sexe féminin’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent taxSuperSub ↔ F3- 19 défavorable ‘qui manifeste une attitude désobligeante envers quelqu’un’ Frequenzliste favorable ‘qui manifeste une attitude bienveillante envers quelqu’un’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. Präfigierung Kontrast ← formaler Komplexitätsunterschied F3- 20 vieux ‘d’un âge avancé’ Polysemie- Datenbank vieillir ‘prendre de l’âge’ Frequenzliste Adj. - V Stammkonversion Kont → Im Französischen existiert nur Adj. → V. F3- 21 (la) beauté ‘caractère de ce qui plaît à l’œil’ Frequenzliste beau ‘ce qui plaît à l’œil’ Polysemie- Datenbank N - Adj. Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied 243 Hier wäre auch metSim denkbar. 321 <?page no="322"?> F3- 22 prendre ‘mettre avec soi, amener à soi’ Polysemie- Datenbank apprendre ‘s’instruire, acquérir des connaissances’ Frequenzliste V - V Präfigierung metSim → formaler Komplexitätsunterschied F3- 23 (la) nourriture ‘entretien alimentaire d’une personne’ Frequenzliste nourrir ‘fournir les aliments nécessaires’ Polysemie- Datenbank N - V Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied F3- 24 codifier ‘réunir des dispositions légales dans un recueil’ PR électron. / TLF (le) code ‘recueil de lois’ Frequenzliste V - N Suffigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied F3- 25 saler ‘assaisonner avec du sel’ PR électron. / TLF sale ‘qui n’est pas net’ Polysemie- Datenbank V - Adj. keine Relation keine Relation keine Relation 322 <?page no="323"?> Italienisch Kurz -ID Motivationspartner 1 ‘Bedeutung’ Quelle Motivationspartner 2 ‘Bedeutung’ Quelle beteiligte Wortarten form. Relation sem.-kogn. Relation vermutete Ableitungsrichtung Entscheidungskriterium I1-1 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ De Mauro / ZI cantare ‘modulare musicalmente la voce’ De Mauro / ZI N - V keine Relation keine Relation keine Relation I1-2 uscire ‘andare fuori da un luogo chiuso’ Polysemie- Datenbank (l’)uscita ‘atto dell’andare fuori’ Frequenzliste V - N Suffigierung semIdent → wortinterne Gebildetheit: Partizipsuffix I1-3 (lo) sfondo ‘in un campo visivo, la parte più distante rispetto a chi guarda’ Polysemie- Datenbank (il) fondo ‘parte inferiore di qualcosa’ Frequenzliste N - N Präfigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied I1-4 (il) popolo ‘insieme delle persone che appartengono a una stessa collettività etnica’ Polysemie- Datenbank (la) popolazione ‘l’insieme delle persone che abitano in un luogo’ Frequenzliste N - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied I1-5 (la) verità Frequenzliste vero ‘reale, giusto’ Polysemie- Datenbank N - Adj. Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied 323 <?page no="324"?> ‘condizione di ciò che è reale, giusto’ I1-6 (la) conquista ‘raggiungimento, conseguimento’ Polysemie- Datenbank (il) conquistatore ‘chi ottiene qualcosa con la forza, p.es. con azioni militari’ De Mauro / ZI N - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied I1-7 credere ‘pensare’ Polysemie- Datenbank credibile ‘attendibile, plausibile’ De Mauro / ZI V - Adj. Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied I1-8 provenire ‘essere originario di un luogo’ Polysemie- Datenbank venire ‘arrivare da qualche parte’ Polysemie- Datenbank V - V Präfigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied I1-9 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ Polysemie- Datenbank ricercare ‘analizzare, esaminare, indagare’ Frequenzliste V - V Präfigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied I1-10 (l’)aumento ‘accrescimento in dimensioni o quantità’ Polysemie- Datenbank aumentare ‘diventare più grande in dimensioni o quantità’ Frequenzliste N - V Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -mento I1-11 battere Frequenzliste abbattere ‘buttare giù, far cadere’ Polysemie- Datenbank V - V Präfigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied 324 <?page no="325"?> ‘colpire, percuotere ripetutamente qualcosa’ I1-12 disturbare ‘infastidire, importunare’ Polysemie- Datenbank (il) disturbo ‘fastidio, molestia’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent ↔ I1-13 depositare ‘affidare qualcosa in custodia a una persona o a un ente’ Polysemie- Datenbank (il) deposito ‘l’affidare qualcosa in custodia a una persona o a un ente’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent ← wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Element -ito I1-14 (la) prigione ‘luogo adibito alla custodia dei condannati che scontano la pena’ Frequenzliste (il) prigioniero ‘chi è rinchiuso sotto sorveglianza’ Polysemie- Datenbank N - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied I1-15 quietare ‘calmare’ Frequenzliste quieto ‘calmo’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Stammkonversion Kont ← Im Italienischen existiert nur Adj. → V. I1-16 misero ‘insufficiente, inadeguato’ Polysemie- Datenbank miseria ‘povertà estrema’ Frequenzliste Adj. - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied 325 <?page no="326"?> I1-17 beneficare ‘aiutare, fare del bene’ De Mauro / ZI benefico ‘che fa bene, che è salutare’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Stammkonversion semIdent ← Im Italienischen existiert nur Adj. → V. I1-18 (la) lingua ‘organo muscolare della bocca che serve all’articolazione’ Polysemie- Datenbank (la) lingua ‘modo di parlare peculiare di una comunità umana’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ I1-19 grande ‘superiore alla misura ordinaria in quanto alle dimensioni’ Polysemie- Datenbank grande ‘importante, famoso’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. formIdent metSim → Transfer konkret → abstrakt I1-20 comprendere ‘capire, afferrare’ Frequenzliste/ in Analogie zum Französischen comprendere ‘contenere, includere’ Frequenzliste/ in Analogie zum Französischen V - V formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt I1-21 impossibile ‘che non si può realizzare’ Polysemie- Datenbank impossibile ‘insopportabile’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. formIdent Kont ↔ I1-22 solido ‘affidabile, duraturo’ Polysemie- Datenbank solido ‘difficilmente deformabile, robusto’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt 326 <?page no="327"?> I1-23 (il) cuore ‘organo vitale che pompa il sangue nel corpo’ Polysemie- Datenbank (il) cuore ‘centro di qualcosa’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent metSim → Transfer konkret, nah → potenziell abstrakt, fern I1-24 pensare ‘immaginarsi’ Polysemie- Datenbank pensare ‘riflettere’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent Kont ↔ I1-25 (il) caffè ‘bevanda aromatica di colore scuro’ Polysemie- Datenbank (il) caffè ‘bar’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ I2-1 riservare ‘prenotare’ Polysemie- Datenbank riserva ‘l’insieme delle cose messe in serbo’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: Präfix ri- I2-2 (il) trasporto ‘azione del portare da un luogo a un altro’ Polysemie- Datenbank trasportare ‘portare da un luogo a un altro’ Frequenzliste N - V Stammkonversion semIdent ← wortinterne Gebildetheit: Präfix tras- I2-3 rischiare ‘azzardare’ Frequenzliste (il) rischio ‘pericolo’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I2-4 (il) commento ‘esposizione riassuntiva di un evento con Frequenzliste commentare ‘esprimere giudizi, opinioni’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -mento 327 <?page no="328"?> osservazioni e giudizi’ I2-5 (il) colpo ‘percossa, urto’ Frequenzliste colpire ‘impressionare, meravigliare’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion metSim → Transfer konkret → abstrakt I2-6 (il) lavoro ‘occupazione retribuita’ Polysemie- Datenbank lavorare ‘esercitare un mestiere’ Frequenzliste N - V Stammkonversion Kont ↔ I2-7 lacrimare ‘versare gocce di pianto’ De Mauro / ZI (la) lacrima ‘goccia di pianto che sgorga dagli occhi’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I2-8 studiare ‘applicare la propria intelligenza all’apprendimento di una disciplina o simile’ Frequenzliste (lo) studio ‘applicazione intesa a sapere, imparare o conoscere una cosa’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion semIdent ↔ I2-9 (il) respiro ‘movimento dell’inspirazione e dell’espirazione di aria’ Polysemie- Datenbank respirare ‘inspirare ed espirare aria’ Frequenzliste N - V Stammkonversion semIdent ← wortinterne Gebildetheit: Präfix re- I2-10 (il) risparmio Frequenzliste risparmiare ‘mettere da Polysemie- Datenbank N - V Konversion ↔ 328 <?page no="329"?> ‘il denaro che si ha messo da parte’ parte del denaro’ Kont I2-11 camminare ‘spostarsi a piedi’ Frequenzliste (il) cammino ‘strada, via da percorrere’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I2-12 guidare ‘precedere qualcuno per indicargli la strada’ Frequenzliste (la) guida ‘cicerone’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I2-13 (il) confine ‘linea che circoscrive un territorio’ Polysemie- Datenbank confinare ‘essere vicino, limitrofo’ De Mauro / ZI N - V Stammkonversion Kont ↔ I2-14 ricordare ‘avere presente nella memoria’ Polysemie- Datenbank (il) ricordo ‘il fatto di avere presente nella memoria’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Präfix ri- I2-15 (il) giorno ‘periodo di 24 ore’ Polysemie- Datenbank (il) giorno ‘periodo di luce fra l’alba e il tramonto’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ I2-16 inghiottire ‘mandar giù nell’esofago cibo o bevande’ Polysemie- Datenbank ghiotto ‘goloso’ De Mauro / ZI V - Adj. Präfigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied 329 <?page no="330"?> I2-17 prolungare ‘rendere più lungo nello spazio’ Polysemie- Datenbank prolungare ‘aumentare la durata nel tempo’ Polysemie- Datenbank V - V formIdent metSim → Transfer konkret → abstrakt I2-18 (la) terra ‘pianeta su cui vivono gli uomini’ Polysemie- Datenbank (la) terra ‘l’elemento in cui crescono le piante’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont ↔ I2-19 (il) padre ‘iniziatore, fondatore’ Polysemie- Datenbank (il) padre ‘uomo che ha generato uno o più figli’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent metSim ← Transfer nah, vertraut → fern, fremd I2-20 tenacia ‘forza, costanza nella volontà, nell’azione’ De Mauro / ZI tenace ‘costante, saldo nei propositi’ Polysemie- Datenbank N - Adj. Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied I2-21 seccare ‘privare dell’ umidità’ Frequenzliste secco ‘privo di umidità’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Stammkonversion Kont ← Im Italienischen existiert nur Adj. → V. I2-22 (l’)affidamento ‘il consegnare alla cura di qualcuno’ De Mauro/ ZI affidare ‘consegnare alla cura di qualcuno’ Polysemie- Datenbank N - V Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied I2-23 commemorare ‘ricordare qualcuno o qualcosa pubblicamente Frequenzliste (la) commemorazione ‘cerimonia con cui si ricorda qualcuno o Polysemie- Datenbank V - N Suffigierung Kont → formaler Komplexitätsunterschied 330 <?page no="331"?> e in modo solenne’ qualcosa pubblicamente e in modo solenne’ I2-24 puntualizzare ‘spiegare in modo chiaro ed esatto’ De Mauro / ZI (il) punto ‘questione specifica, argomento particolare’ Polysemie- Datenbank V - N Suffigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied I2-25 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ De Mauro / ZI cantare ‘modulare musicalmente la voce’ De Mauro / ZI N - V keine Relation keine Relation keine Relation I3-1 (il) taglio ‘azione di dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ Frequenzliste tagliare ‘dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ I3-2 vincolare ‘condizionare con obblighi’ De Mauro / ZI (il) vincolo ‘relazione di natura affettiva o sociale’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I3-3 (il) soggiorno ‘permanenza per un certo periodo in un luogo’ Polysemie- Datenbank soggiornare ‘trattenersi per un certo periodo in un luogo’ De Mauro / ZI N - V Stammkonversion semIdent ↔ 331 <?page no="332"?> I3-4 cenare ‘consumare il pasto della sera’ De Mauro / ZI (la) cena ‘pasto della sera’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I3-5 (la) striscia ‘pezzo stretto e lungo di materiale vario’ Polysemie- Datenbank strisciare ‘muoversi sfiorando o sfregando sopra una superficie’ De Mauro / ZI N - V Stammkonversion Kont ↔ I3-6 bisognare ‘essere necessario’ Polysemie- Datenbank (il) bisogno ‘necessità di procurarsi qualcosa che manca’ Frequenzliste V - N Stammkonversion Kont ↔ I3-7 governare ‘esercitare il potere politico di uno stato’ Polysemie- Datenbank (il) governo ‘organo statale che determina l’indirizzo politico dello stato’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I3-8 forzare ‘obbligare, costringere’ Frequenzliste forza ‘vigore fisico’ Polysemie- Datenbank V - N Stammkonversion Kont ↔ I3-9 (la) perfezione ‘l’essere perfetto’ Frequenzliste perfezionare ‘migliorare, rifinire’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion Kont → wortinterne Gebildetheit: Suffix -ione I3-10 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ Polysemie- Datenbank (la) cerca De Mauro / ZI V - N Stammkonversion semIdent ↔ 332 <?page no="333"?> ‘attività diretta a trovare qualcosa o qualcuno’ I3-11 (il) dono ‘atto del dare qualcosa ad altri senza compenso’ Polysemie- Datenbank donare ‘dare qualcosa ad altri senza compenso’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent ↔ I3-12 (la) cattura ‘il prendere, l’arrestare’ De Mauro / ZI catturare ‘prendere, arrestare’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -ura I3-13 sfogare ‘manifestare liberamente sentimenti o stati d’animo precedentemente repressi’ Polysemie- Datenbank (lo) sfogo ‘libera manifestazione di sentimenti o stati d’animo precedentemente repressi’ Frequenzliste V - N Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: Präfix s- I3-14 (il) merito ‘l’essere degno di avere o ricevere qualcosa’ Frequenzliste meritare ‘essere degno di avere o ricevere qualcosa’ Polysemie- Datenbank N - V Stammkonversion semIdent → wortinterne Gebildetheit: (Pseudo-)Suffix -ito I3-15 prezioso ‘che è particolarmente importante in Polysemie- Datenbank prezioso ‘che ha un alto valore economico’ Polysemie- Datenbank Adj. - Adj. formIdent metSim ← Transfer konkret(er) → abstrakt(er) 333 <?page no="334"?> senso affettivo o morale’ I3-16 (il) credito ‘considerazione, fiducia’ Polysemie- Datenbank (il) credito ‘diritto a una prestazione pecuniaria’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont 244 ↔ I3-17 (la) riparazione ‘risarcimento di un danno morale’ in Analogie zum Französischen 245 (la) riparazione ‘l’aggiustare oggetti rotti’ in Analogie zum Französischen N - N formIdent metSim ← Transfer konkret → abstrakt I3-18 (la) pubblicazione ‘divulgazione per mezzo della stampa’ Polysemie- Datenbank (la) pubblicazione ‘opera stampata’ Polysemie- Datenbank N - N formIdent Kont → wortinterne Gebildetheit/ Semantik: Suffix -(z)ione bildet primär Nomina Actionis. I3-19 variare ‘diversificare’ Frequenzliste vario ‘costituito da elementi disuguali ma non contrapposti’ Polysemie- Datenbank V - Adj. Stammkonversion Kont ← Im Italienischen existiert nur Adj. → V. I3-20 verde ‘del colore dell’erba’ Frequenzliste verdeggiare De Mauro / ZI Adj. - V Suffigierung semIdent / Kont → formaler Komplexitätsunterschied 244 Hier wäre auch metSim denkbar. 245 Allerdings sind die beiden Bedeutungen im Italienischen nicht ganz identisch zu den französischen Bedeutungen. 334 <?page no="335"?> ‘essere o diventare del colore dell’erba’ I3-21 (la) bellezza ‘aspetto gradevole’ Frequenzliste bello ‘che ha un aspetto gradevole’ Polysemie- Datenbank N - Adj. Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied I3-22 prendere ‘afferare qualcosa con le mani’ Polysemie- Datenbank apprendere ‘imparare, acquisire con la mente’ Polysemie- Datenbank V - V Präfigierung metSim → formaler Komplexitätsunterschied I3-23 (la) traduzione ‘attività del trasferire da una lingua a un’altra’ Frequenzliste tradurre ‘trasferire da una lingua a un’altra’ Polysemie- Datenbank N - V Suffigierung semIdent ← formaler Komplexitätsunterschied I3-24 fangoso ‘limaccioso, melmoso’ Polysemie- Datenbank (il) fango ‘poltiglia di terra e acqua’ Frequenzliste Adj. - N Suffigierung Kont ← formaler Komplexitätsunterschied I3-25 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ De Mauro / ZI cantare ‘modulare musicalmente la voce’ De Mauro / ZI N - V keine Relation keine Relation keine Relation 335 <?page no="336"?> 336 9.3 Ausgeschlossene Stimulipaare Zu näheren Informationen s. Kap. 4.3. A. Ausschluss wegen zu vieler ungültiger Sprecherantworten Kurz- ID Stimulipaar Menge der ausgeschlossenen Antworten Begründung a. b. F2-2 (la) réserve ‘quantité mise de côté en vue d’un usage ultérieur’ réserver ‘mettre de côté quelque chose pour plus tard’ 4 von 30 = 13,3% - Für réserve wurden zu viele abweichende Bedeutungen angenommen: ‘Lager’ (2x) und ‘Reservierung’. - Außerdem eine abweichende Bedeutung von réserver (‘reservieren’). Vorgegebene Bedeutung(en) zu wenig salient? I1-1 uscire ‘andare fuori da un luogo chiuso’ (l’)uscita ‘atto dell’andare fuori’ 5 von 34 = 14,7% Uscita wurde zu oft in der abweichenden Bedeutung ‘Ausgang’ verstanden. Vorgegebene Bedeutung zu wenig salient? I2-10 (il) risparmio ‘il denaro che si ha messo da parte’ risparmiare ‘mettere da parte del denaro’ 5 von 30 = 16,7% Risparmio wurde zu oft in der Ereignislesart ‘das Sparen’ verstanden. Vorgegebene Bedeutung zu wenig salient? (Laut ZI online kommt sie vor allem in Verbindung mit der Pluralform risparmi vor.) <?page no="337"?> 337 I3-10 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ (la) cerca ‘attività diretta a trovare qualcosa o qualcuno’ 7 von 34 = 20,6% - Cerca ist nach Auskunft mehrerer Muttersprachler veraltet bzw. auf die Jägersprache beschränkt. - Die Paraphrase von cerca wurde in drei Fällen falsch verstanden (diretta als Adjektiv) I3-11 (il) dono ‘atto del dare qualcosa ad altri senza compenso’ donare ‘dare qualcosa ad altri senza compenso’ 7 von 34 = 20,6% Dono wurde zu oft in der abweichenden Bedeutung ‘Geschenk’ verstanden. Vorgegebene Ereignislesart zu wenig salient? B. Ausschluss wegen möglicher Beeinflussung der Informanten durch die vorgegebenen Paraphrasen Kurz- ID Stimulipaar Begründung a. b. F1-5 mensuel ‘relatif à une des douze divisions de l’année’ mois ‘une des douze divisions de l’année’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen F1-13 aider ‘donner un coup de main’ aide ‘coup de main’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen F1-14 le dîner ‘repas du soir’ dîner ‘prendre le repas du soir’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen F2-8 (le) report ‘le fait de renvoyer quelque chose à plus tard’ reporter ‘renvoyer quelque chose à plus tard’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen F2-23 lier ‘mettre ensemble’ (la) liaison mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen <?page no="338"?> 338 ‘action de mettre ensemble’ F3-14 (l’)emprunt ‘action d’obtenir quelque chose à titre de prêt’ emprunter ‘obtenir quelque chose à titre de prêt’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen F3-21 (la) beauté ‘caractère de ce qui plaît à l’œil’ beau ‘ce qui plaît à l‘œil’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I1-5 (la) verità ‘condizione di ciò che è reale, giusto’ vero ‘reale, giusto’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I1-13 depositare ‘affidare qualcosa in custodia a una persona o a un ente’ (il) deposito ‘l’affidare qualcosa in custodia a una persona o a un ente’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I2-2 (il) trasporto ‘azione del portare da un luogo a un altro’ trasportare ‘portare da un luogo a un altro’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I2-14 ricordare ‘avere presente nella memoria’ (il) ricordo ‘il fatto di avere presente nella memoria’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I2-22 (l’)affidamento ‘il consegnare alla cura di qualcuno’ affidare ‘consegnare alla cura di qualcuno’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I2-23 commemorare ‘ricordare qualcuno o qualcosa pubblicamente e in modo solenne’ (la) commemorazione ‘cerimonia con cui si ricorda qualcuno o qualcosa pubblicamente e in modo solenne’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen <?page no="339"?> 339 I3-1 (il) taglio ‘azione di dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ tagliare ‘dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-4 cenare ‘consumare il pasto della sera’ (la) cena ‘pasto della sera’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-12 (la) cattura ‘il prendere, l’arrestare’ catturare ‘prendere, arrestare’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-14 (il) merito ‘l’essere degno di avere o ricevere qualcosa’ meritare ‘essere degno di avere o ricevere qualcosa’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-20 verde ‘del colore dell’erba’ verdeggiare ‘essere o diventare del colore dell’erba’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-21 (la) bellezza ‘aspetto gradevole’ bello ‘che ha un aspetto gradevole’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a → b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen I3-23 (la) traduzione ‘attività del trasferire da una lingua a un’altra’ tradurre ‘trasferire da una lingua a un’altra’ mögliche Bevorzugung der Ableitungsrichtung a ← b aufgrund der vorgegebenen Paraphrasen <?page no="340"?> 9.4 Motiviertheits- und Gerichtetheitswerte Die durchgestrichenen Stimuli wurden nachträglich aus der Auswertung ausgeschlossen. Zur Beschreibung und Diskussion der Ergebnisse s. die Kap. 5 und 6. Französisch Ergebnisse aus der Sprecherbefragung: Verteilung der Antworten Kurz- ID Motivationspartner 1 ‘Bedeutung’ Motivationspartner 2 ‘Bedeutung’ Gesamtzahl der Antworten nicht gewertet („0“) x bzw. y (Richtung a → b) x bzw. y (Richtung a ← b) z (keine bestimmte Richtung, a - b) gar kein Zs.hang Motiviertheitsgrad 246 Gerichtetheitsstärke 247 F1-1 chant ‘émission de sons musicaux’ chantier ‘lieu où l’on procède à des travaux 37 0 1 0 1 35 (100 : 37) x 2 = 5,41% wird nicht berechnet, da die abso- 246 Formel: (G - AKZ) : G, wobei G = Gesamtzahl der verwertbaren Antworten pro Stimuluspaar, AKZ = Antworten für die Antwortoption „ich sehe gar keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern“ (s. Kap. 3.3.1). Darstellung in Prozent: ((G - AKZ) : G) · 100. 247 Formel: (x² y²) : (x + y + z)² (siehe Kap. 3.4.3). Darstellung in Prozent: Multiplikation des Ergebnisses mit 100. x steht immer für die Richtung mit der höheren Anzahl an Antworten. 340 <?page no="341"?> de construction’ lute Mehrheit der Informanten keinen Zs.hang sieht F1-2 apparaître ‘devenir visible, distinct’ apparition ‘le fait de se montrer aux yeux’ 37 0 25 4 8 0 (100 : 37) x 37 = 100% (25² - 4²) : 37² = 0,44 = 44% F1-3 départ ‘action de quitter un lieu’ partir ‘s’éloigner d’un endroit’ 37 1 8 18 9 1 (100 : 36) x 35 = 97,22% (18² - 8²) : 35² = 0,21 = 21% F1-4 ami ‘personne avec qui on est lié d’une affection réciproque’ amitié ‘sentiment réciproque d’affection ou de sympathie’ 37 1 21 6 8 1 (100 : 36) x 35 = 97,22% (21² - 6²) : 35² = 0,33 = 33% F1-5 mensuel ‘relatif à une des douze divisions de l’année’ mois ‘une des douze divisions de l’année’ 37 0 4 27 6 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F1-6 roman romancier 37 0 34 1 2 0 (100 : 37) x 37 = 100% (34² - 1²) : 37² = 0,84 = 84% 341 <?page no="342"?> ‘œuvre littéraire en prose’ ‘écrivain qui écrit en prose’ F1-7 fâcher ‘mettre dans un état d’irritation’ fâcheux ‘qui est une cause de déplaisir’ 37 2 20 4 11 0 (100 : 35) x 35 = 100% (20² - 4²) : 35² = 0,31 = 31% F1-8 rappeler ‘inviter une personne à revenir en prononçant son nom’ appeler ‘inviter une personne à venir en prononçant son nom’ 37 0 0 32 5 0 (100 : 37) x 37 = 100% (32² - 0²) : 37² = 0,75 = 75% F1-9 habile ‘qui exécute une chose avec adresse’ inhabile ‘qui manque d’adresse’ 37 0 32 2 2 1 (100 : 37) x 36 = 97,3% (32² - 2²) : 36² = 0,79 = 79% F1-10 menace ‘manifestation de l’intention que l’on a de faire du mal’ menacer ‘chercher à intimider quelqu’un en manifestant son intention de faire du mal’ 37 0 18 13 6 0 (100 : 37) x 37 = 100% (18² - 13²) : 37² = 0,11 = 11% F1-11 être ‘exister’ l'être ‘personne humaine’ 37 1 25 2 5 4 (100 : 36) x 32 = 88,89% (25² - 2²) : 32² = 0,61 = 61% 342 <?page no="343"?> F1-12 regarder ‘faire en sorte de voir’ regard ‘action de diriger les yeux vers un objet, afin de le voir’ 37 0 19 14 4 0 (100 : 37) x 37 = 100% (19² - 14²) : 37² = 0,12 = 12% F1-13 aider ‘donner un coup de main’ aide ‘coup de main’ 37 0 15 14 7 1 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F1-14 le dîner ‘repas du soir’ dîner ‘prendre le repas du soir’ 37 0 17 11 9 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F1-15 salir ‘altérer la netteté ou pureté de quelque chose’ sale ‘qui n’est pas net’ 37 0 17 16 4 0 (100 : 37) x 37 = 100% (17² - 16²) : 37² = 0,02 = 2% F1-16 extérieur ‘situé dans l’espace hors de quelque chose’ l'extérieur ‘ce qui est en dehors’ 37 1 15 4 17 0 (100 : 36) x 36 = 100% (15² - 4²) : 36² = 0,16 = 16% 343 <?page no="344"?> F1-17 le vieux ‘personne qui a vécu déjà longtemps’ vieux ‘d’un âge avancé’ 37 0 2 27 8 0 (100 : 37) x 37 = 100% (27² - 2²) : 37² = 0,53 = 53% F1-18 langue ‘organe de la parole, située dans la bouche’ langue ‘langage propre à un certain groupe de locuteurs’ 37 0 22 3 10 2 (100 : 37) x 35 = 94,59% (22² - 3²) : 35² = 0,39 = 39% F1-19 grand ‘de haute taille’ grand ‘important, célèbre’ 37 1 20 3 12 1 (100 : 36) x 35 = 97,22% (20² - 3²) : 35² = 0,32 = 32% F1-20 comprendre ‘saisir intellectuellement’ comprendre ‘contenir’ 37 0 3 8 12 14 (100 : 37) x 23 = 62,16% (8² - 3²) : 23² = 0,10 = 10% F1-21 plainte ‘expression de douleur’ plainte ‘expression de mécontentement’ 37 2 16 0 16 3 (100 : 35) x 32 = 91,43% (16² - 0²) : 32² = 0,25 = 25% F1-22 solide ‘durable, sur qui on peut compter’ solide ‘qui résiste aux efforts ou à l’usure par sa composition’ 37 2 1 20 13 1 (100 : 35) x 34 = 97,14% (20² - 1²) : 34² = 0,35 = 35% 344 <?page no="345"?> F1-23 richesse ‘possession de grands biens’ richesse ‘caractère de ce qui contient nombreux éléments d’importance’ 37 0 18 2 14 3 (100 : 37) x 34 = 91,89% (18² - 2²) : 34² = 0,28 = 28% F1-24 penser ‘imaginer’ penser ‘réfléchir’ 37 0 6 9 17 5 (100 : 37) x 32 = 86,49% (9² - 6²) : 32² = 0,04 = 4% F1-25 parler ‘s’exprimer en usant les sons d’une langue’ parler ‘être capable de s’exprimer dans une certaine langue’ 37 1 21 3 11 1 (100 : 36) x 35 = 97,22% (21² - 3²) : 35² = 0,35 = 35% F2-1 oublier ‘cesser de penser à qc.’ (l')oubli ‘défaillance de la mémoire’ 30 0 13 8 9 0 (100 : 30) x 30 = 100% (13² - 8²) : 30² = 0,12 = 12% F2-2 (la) réserve ‘quantité mise de côté en vue d’un usage ultérieur’ réserver ‘mettre de côté quelque chose pour plus tard’ 30 4 8 13 5 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen 345 <?page no="346"?> F2-3 rester ‘continuer d’être dans un lieu ou dans un état’ (le) reste ‘ce qui subsiste d’un ensemble (auquel on a retranché une partie)’ 30 0 11 2 15 2 (100 : 30) x 28 = 93,33% (11² - 2²) : 28² = 0,15 = 15% F2-4 (le) respect ‘sentiment qui incite à traiter quelqu’un avec considération’ respecter ‘porter une profonde estime à quelqu’un’ 30 0 17 5 8 0 (100 : 30) x 30 = 100% (17² - 5²) : 30² = 0,29 = 29% F2-5 (la) structure ‘manière dont un ensemble est envisagé dans ses parties’ structurer ‘donner un plan, une organisation à quelque chose’ 30 0 21 5 4 0 (100 : 30) x 30 = 100% (21² - 5²) : 30² = 0,46 = 46% F2-6 (la) date ‘indication du jour, du mois et de l’année où un fait s’est produit’ dater ‘attribuer une indication temporelle à quelque chose’ 30 0 27 1 2 0 (100 : 30) x 30 = 100% (27² - 1²) : 30² = 0,81 = 81% 346 <?page no="347"?> F2-7 pensionner ‘pourvoir quelqu’un d’une allocation’ (la) pension ‘allocation versée périodiquement à une personne’ 30 0 4 24 2 0 (100 : 30) x 30 = 100% (24² - 4²) : 30² = 0,62 = 62% F2-8 (le) report ‘le fait de renvoyer quelque chose à plus tard’ reporter ‘renvoyer quelque chose à plus tard’ 30 0 9 16 4 1 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F2-9 (le) bouton ‘petite pièce servant à la fermeture d’un vêtement’ boutonner ‘fermer ou attacher un vêtement au moyen de petites pièces’ 30 0 29 1 0 0 (100 : 30) x 30 = 100% (29² - 1²) : 30² = 0,93 = 93% F2-10 (le) pli ‘marque demeurant sur une matière souple qui a été rabattue sur ellemême’ plier ‘rabattre une matière souple sur elle-même’ 30 1 13 13 3 0 (100 : 29) x 29 = 100% (13² - 13²) : 29² = 0,00 = 0% 347 <?page no="348"?> F2-11 border ‘garnir d’un contour ou d’une limite’ (le) bord ‘contour, limite ou extrémité d’une surface’ 30 1 4 22 3 0 (100 : 29) x 29 = 100% (22² - 4²) : 29² = 0,56 = 56% F2-12 écarter ‘mettre des choses à quelque distance les unes des autres’ (l’)écart ‘distance qui sépare deux choses’ 30 0 15 8 7 0 (100 : 30) x 30 = 100% (15² - 8²) : 30² = 0,18 = 18% F2-13 (le) chagrin ‘état moralement douloureux’ chagriner ‘rendre triste, faire de la peine à quelqu’un’ 30 1 22 2 5 0 (100 : 29) x 29 = 100% (22² - 2²) : 29² = 0,57 = 57% F2-14 donner ‘passer quelque chose à quelqu’un’ (le) don ‘action de céder gratuitement la propriété d’une chose à quelqu’un’ 30 3 18 7 2 0 (100 : 27) x 27 = 100% (18² - 7²) : 27² = 0,38 = 38% F2-15 (le) jour (le) jour 30 0 5 8 16 1 (100 : 30) x 29 = 96,67% (8² - 5²) : 29² = 0,05 = 5% 348 <?page no="349"?> ‘période de temps de 24 heures’ ‘phase temporelle pendant laquelle il fait clair’ F2-16 (l’)homme ‘être humain de sexe masculin’ (l’)homme ‘être humain’ 30 0 6 12 12 0 (100 : 30) x 30 = 100% (12² - 6²) : 30² = 0,12 = 12% F2-17 (la) classe ‘ensemble de personnes du même niveau social’ (la) classe ‘ensemble des élèves suivant le même cours’ 30 0 7 3 18 2 (100 : 30) x 28 = 93,33% (7² - 3²) : 28² = 0,05 = 5% F2-18 (la) terre ‘planète où vit l’humanité’ (la) terre ‘l’élément où poussent les végétaux’ 30 0 2 13 13 2 (100 : 30) x 28 = 93,33% (13² - 2²) : 28² = 0,21 = 21% F2-19 arriver ‘se passer’ arriver ‘parvenir au lieu où l’on voulait aller’ 30 1 0 8 15 6 (100 : 29) x 23 = 79,31% (8² - 0²) : 23² = 0,12 = 12% F2-20 louer ‘donner à loyer’ louer ‘prendre à loyer’ 30 0 4 1 22 3 (100 : 30) x 27 = 90% (4² - 1²) : 27² = 0,02 = 2% F2-21 savoir ‘avoir présent à l’esprit’ (le) savoir 30 1 17 4 8 0 (100 : 29) x 29 = 100% (17² - 4²) : 29² = 0,32 = 32% 349 <?page no="350"?> ‘ensemble des connaissances d’une personne’ F2-22 (le) sentiment ‘émotion, passion’ sentir ‘éprouver, ressentir’ 30 1 1 15 12 1 (100 : 29) x 28 = 96,55% (15² - 1²) : 28² = 0,29 = 29% F2-23 lier ‘mettre ensemble’ (la) liaison ‘action de mettre ensemble’ 30 1 20 2 7 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F2-24 signifier ‘avoir pour sens’ (le) signe ‘chose, phénomène qui indique l’existence ou la vérité d’une chose’ 30 3 3 16 5 3 (100 : 27) x 24 = 88,89% (16² - 3²) : 24² = 0,43 = 43% F2-25 sale ‘qui n’est pas net’ saler ‘assaisonner avec du sel’ 30 0 0 0 1 29 (100 : 30) x 1 = 3,33% wird nicht berechnet (s.o.) F3-1 (le) rêve ‘activité psychique pendant le sommeil’ rêver ‘avoir en dormant une activité psychique’ 27 0 16 6 5 0 (100 : 27) x 27 = 100% (16² - 6²) : 27² = 0,30 = 30% 350 <?page no="351"?> F3-2 questionner ‘interroger’ (la) question ‘demande qu‘on adresse à quelqu’un afin d’apprendre quelque chose de lui’ 27 0 2 21 4 0 (100 : 27) x 27 = 100% (21² - 2²) : 27² = 0,60 = 60% F3-3 douter ‘être incertain de la réalité ou vérité d’un fait’ (le) doute ‘hésitation, incertitude’ 27 0 6 16 5 0 (100 : 27) x 27 = 100% (16² - 6²) : 27² = 0,30 = 30% F3-4 discipliner ‘rendre obéissant à une règle de conduite’ (la) discipline ‘règle de conduite imposée’ 27 0 4 17 6 0 (100 : 27) x 27 = 100% (17² - 4²) : 27² = 0,37 = 37% F3-5 (l’)estime ‘considération, respect’ estimer ‘avoir bonne opinion de quelqu’un ou quelque chose’ 27 0 11 8 8 0 (100 : 27) x 27 = 100% (11² - 8²) : 27² = 0,08 = 8% F3-6 (la) brosse ‘ustensile de nettoyage brosser ‘nettoyer en frottant avec 27 0 17 6 4 0 (100 : 27) x 27 = 100% (17² - 6²) : 27² = 0,35 = 35% 351 <?page no="352"?> consistant de filaments souples ajustés sur une monture’ un instrument adéquat’ F3-7 marquer ‘rendre reconnaissable au moyen d’un repère’ (la) marque ‘signe matériel mis sur une chose pour servir de repère’ 27 2 6 11 8 0 (100 : 25) x 25 = 100% (11² - 6²) : 25² = 0,14 = 14% F3-8 former ‘faire exister quelque chose en arrangeant des éléments’ (la) forme ‘ensemble des contours d’un objet’ 27 1 6 12 6 2 (100 : 26) x 24 = 92,31% (12² - 6²) : 24² = 0,19 = 19% F3-9 (la) force ‘puissance d’action’ forcer ‘soumettre à une pression ou sujétion’ 27 0 17 0 9 1 (100 : 27) x 26 = 96,3% (17² - 0²) : 26² = 0,43 = 43% F3-10 taper ‘frapper du plat de la main’ (la) tape ‘coup donné avec le plat de la main 27 0 8 11 8 0 (100 : 27) x 27 = 100% (11² - 8²) : 27² = 0,08 = 8% F3-11 ruiner (la) ruine 27 0 13 5 9 0 (100 : 27) x 27 = 100% (13² - 5²) : 27² = 0,20 = 20% 352 <?page no="353"?> ‘endommager gravement’ ‘débris d’un édifice ancien’ F3-12 mélanger ‘unir des choses différentes de manière à former un tout’ (le) mélange ‘action de mêler’ 27 1 16 5 5 0 (100 : 26) x 26 = 100% (16² - 5²) : 26² = 0,34 = 34% F3-13 débattre ‘examiner contradictoirement avec un ou plusieurs interlocuteurs’ (le) débat ‘échange de vues contradictoires’ 27 0 11 8 8 0 (100 : 27) x 27 = 100% (11² - 8²) : 27² = 0,08 = 8% F3-14 (l’)emprunt ‘action d’obtenir quelque chose à titre de prêt’ emprunter ‘obtenir quelque chose à titre de prêt’ 27 0 11 8 8 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F3-15 (le) but ‘ce que l’on se propose d’atteindre’ (le) but ‘objet que l’on vise afin de le toucher avec un projectile’ 27 0 7 8 11 1 (100 : 27) x 26 = 96,3% (8² - 7²) : 26² = 0,02 = 2% 353 <?page no="354"?> F3-16 (le) bar ‘lieu public où l’on sert des boissons’ (le) bar ‘comptoir où sont posées les consommations et devant lequel se placent les consommateurs’ 27 0 5 14 8 0 (100 : 27) x 27 = 100% (14² - 5²) : 27² = 0,23 = 23% F3-17 (la) réparation ‘dédommagement’ (la) réparation ‘remise en bon état d’une construction ou d‘une habitation’ 27 2 2 9 11 3 (100 : 25) x 22 = 88% (9² - 2²) : 22² = 0,16 = 16% F3-18 (la) femme ‘épouse’ (la) femme ‘être humain de sexe féminin’ 27 0 0 15 10 2 (100 : 27) x 25 = 92,59% (15² - 0²) : 25² = 0,36 = 36% F3-19 défavorable ‘qui manifeste une attitude désobligeante envers quelqu’ un’ favorable ‘qui manifeste une attitude bienveillante envers quelqu’ un’ 27 0 0 23 4 0 (100 : 27) x 27 = 100% (23² - 0²) : 27² = 0,73 = 73% 354 <?page no="355"?> F3-20 vieux ‘d’un âge avancé’ vieillir ‘prendre de l’âge’ 27 0 15 5 7 0 (100 : 27) x 27 = 100% (15² - 5²) : 27² = 0,27 = 27% F3-21 (la) beauté ‘caractère de ce qui plaît à l’œil’ beau ‘ce qui plaît à l’œil’ 27 0 5 17 5 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen F3-22 prendre ‘mettre avec soi, amener à soi’ apprendre ‘s’instruire, acquérir des connaissances’ 27 0 13 0 8 6 (100 : 27) x 21 = 77,78% (13² - 0²) : 21² = 0,38 = 38% F3-23 (la) nourriture ‘entretien alimentaire d’une personne’ nourrir ‘fournir les aliments nécessaires’ 27 0 11 6 10 0 (100 : 27) x 27 = 100% (11² - 6²) : 27² = 0,12 = 12% F3-24 codifier ‘réunir des dispositions légales dans un recueil’ (le) code ‘recueil de lois’ 27 0 8 14 5 0 (100 : 27) x 27 = 100% (14² - 8²) : 27² = 0,18 = 18% F3-25 sale ‘qui n’est pas net’ saler ‘assaisonner avec du sel’ 27 0 1 0 0 26 (100 : 27) x 1 = 3,7% wird nicht berechnet (s.o.) 355 <?page no="356"?> Italienisch Ergebnisse aus der Sprecherbefragung: Verteilung der Antworten Kurz- ID Motivationspartner 1 ‘Bedeutung’ Motivationspartner 2 ‘Bedeutung’ Gesamtzahl der Antworten nicht gewertet („0“) x bzw. y (Richtung a → b) x bzw. y (Richtung a ← b) z keine bestimmte Richtung, a ↔ b) gar kein Zs. hang Motiviertheitsgrad Gerichtetheitsstärke I1-1 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ cantare ‘modulare musicalmente la voce’ 33 0 0 0 0 33 (100 : 33) x 0 = 0% wird nicht berechnet, da die absolute Mehrheit der Informanten keinen Zs.hang sieht I1-2 uscire ‘andare fuori da un luogo chiuso’ (l’)uscita ‘atto dell’andare fuori’ 33 5 19 4 5 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I1-3 (lo) sfondo ‘in un campo visivo, la (il) fondo ‘parte inferiore di qualcosa’ 33 0 2 15 6 10 (100 : 33) x 23 = 69,7% (15² - 2²) : 23² = 0,42 = 42% 356 <?page no="357"?> parte più distante rispetto a chi guarda’ I1-4 (il) popolo ‘insieme delle persone che appartengono a una stessa collettività etnica’ (la) popolazione ‘l’insieme delle persone che abitano in un luogo’ 33 0 18 1 12 2 (100 : 33) x 31 = 93,94% (18² - 1²) : 31² = 0,34 = 34% I1-5 (la) verità ‘condizione di ciò che è reale, giusto’ vero ‘reale, giusto’ 33 0 12 12 9 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I1-6 (la) conquista ‘raggiungimento, conseguimento’ (il) conquistatore ‘chi ottiene qualcosa con la forza, p.es. con azioni militari’ 33 3 22 3 5 0 (100 : 30) x 30 = 100% (22² - 3²) : 30² = 0,53 = 53% I1-7 credere ‘pensare’ credibile ‘attendibile, plausibile’ 33 0 20 0 9 4 (100 : 33) x 29 = 87,88% (20² - 0²) : 29² = 0,48 = 48% 357 <?page no="358"?> I1-8 provenire ‘essere originario di un luogo’ venire ‘arrivare da qualche parte’ 33 0 1 23 6 3 (100 : 33) x 30 = 90,91% (23² - 1²) : 30² = 0,59 = 59% I1-9 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ ricercare ‘analizzare, esaminare, indagare’ 33 4 20 1 5 3 (100 : 29) x 26 = 89.66% (20² - 1²) : 26² = 0,59 = 59% I1-10 (l’)aumento ‘accrescimento in dimensioni o quantità’ aumentare ‘diventare più grande in dimensioni o quantità’ 33 0 8 20 5 0 (100 : 33) x 33 = 100% (20² - 8²) : 33² = 0,31 = 31% I1-11 battere ‘colpire, percuotere ripetutamente qualcosa’ abbattere ‘buttare giù, far cadere’ 33 0 21 1 7 4 (100 : 33) x 29 = 87,88% (21² - 1²) : 29² = 0,52 = 52% I1-12 disturbare ‘infastidire, importunare’ (il) disturbo ‘fastidio, molestia’ 33 0 18 12 3 0 (100 : 33) x 33 = 100% (18² - 12²) : 33² = 0,17 = 17% I1-13 depositare ‘affidare qualcosa in custodia a (il) deposito ‘l’affidare qualcosa in custodia a 33 3 14 8 8 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen 358 <?page no="359"?> una persona o a un ente’ una persona o a un ente’ I1-14 (la) prigione ‘luogo adibito alla custodia dei condannati che scontano la pena’ (il) prigioniero ‘chi è rinchiuso sotto sorveglianza’ 33 0 25 5 3 0 (100 : 33) x 33 = 100% (25² - 5²) : 33² = 0,55 = 55% I1-15 quietare ‘calmare’ quieto ‘calmo’ 33 1 10 16 6 0 (100 : 32) x 32 = 100% (16² - 10²) : 32² = 0,15 = 15% I1-16 misero ‘insufficiente, inadeguato’ miseria ‘povertà estrema’ 33 4 5 13 10 1 (100 : 29) x 28 = 96,55% (13² - 5²) : 28² = 0,18 = 18% I1-17 beneficare ‘aiutare, fare del bene’ benefico ‘che fa bene, che è salutare’ 33 0 9 11 13 0 (100 : 33) x 33 = 100% (11² - 9²) : 33² = 0,04 = 4% I1-18 (la) lingua ‘organo muscolare della bocca che serve all‘articolazione’ (la) lingua ‘modo di parlare peculiare di una comunità umana’ 33 0 21 2 8 2 (100 : 33) x 31 = 93,94% (21² - 2²) : 31² = 0,45 = 45% 359 <?page no="360"?> I1-19 grande ‘superiore alla misura ordinaria in quanto alle dimensioni’ grande ‘importante, famoso’ 33 2 20 0 10 1 (100 : 31) x 30 = 96,77% (20² - 0²) : 30² = 0,44 = 44% I1-20 comprendere ‘capire, afferrare’ comprendere ‘contenere, includere’ 33 0 2 15 11 5 (100 : 33) x 28 = 84,85% (15² - 2²) : 28² = 0,28 = 28% I1-21 impossibile ‘che non si può realizzare’ impossibile ‘insopportabile’ 33 0 15 0 12 6 (100 : 33) x 27 = 81,82% (15² - 0²) : 27² = 0,31 = 31% I1-22 solido ‘affidabile, duraturo’ solido ‘difficilmente deformabile, robusto’ 33 1 1 16 12 3 (100 : 32) x 29 = 90,63% (16² - 1²) : 29² = 0,30 = 30% I1-23 (il) cuore ‘organo vitale che pompa il sangue nel corpo’ (il) cuore ‘centro di qualcosa’ 33 0 25 2 6 0 (100 : 33) x 33 = 100% (25² - 2²) : 33² = 0,57 = 57% I1-24 (il) caffè (il) caffè ‘bar’ 33 0 29 1 3 0 (100 : 33) x 33 = 100% (29² - 1²) : 33² = 0,77 360 <?page no="361"?> ‘bevanda aromatica di colore scuro’ = 77% I1-25 pensare ‘immaginarsi’ pensare ‘riflettere’ 33 0 3 8 21 1 (100 : 33) x 32 = 96,97% (8² - 3²) : 32² = 0,05 = 5% I2-1 riservare ‘prenotare’ riserva ‘l’insieme delle cose messe in serbo’ 30 3 2 12 8 5 (100 : 27) x 22 = 81,48% (12² - 2²) : 22² = 0,29 = 29% I2-2 (il) trasporto ‘azione del portare da un luogo a un altro’ trasportare ‘portare da un luogo a un altro’ 30 1 7 15 7 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I2-3 rischiare ‘azzardare’ (il) rischio ‘pericolo’ 30 1 8 18 2 1 (100 : 29) x 28 = 96,55% (18² - 8²) : 28² = 0,33 = 33% I2-4 (il) commento ‘esposizione riassuntiva di un evento con osservazioni e giudizi’ commentare ‘esprimere giudizi, opinioni’ 30 0 10 14 6 0 (100 : 30) x 30 = 100% (14² - 10²) : 30² = 0,11 = 11% 361 <?page no="362"?> I2-5 (il) colpo ‘percossa, urto’ colpire ‘impressionare, meravigliare’ 30 1 22 0 7 0 (100 : 29) x 29 = 100% (22² - 0²) : 29² = 0,58 = 58% I2-6 (il) lavoro ‘occupazione retribuita’ lavorare ‘esercitare un mestiere’ 30 0 16 9 5 0 (100 : 30) x 30 = 100% (16² - 9²) : 30² = 0,19 = 19% I2-7 lacrimare ‘versare gocce di pianto’ (la) lacrima ‘goccia di pianto che sgorga dagli occhi’ 30 0 3 22 5 0 (100 : 30) x 30 = 100% (22² - 3²) : 30² = 0,53 = 53% I2-8 studiare ‘applicare la propria intelligenza all’ apprendimento di una disciplina o simile’ (lo) studio ‘applicazione intesa a sapere, imparare o conoscere una cosa’ 30 1 14 8 7 0 (100 : 29) x 29 = 100% (14² - 8²) : 29² = 0,16 = 16% I2-9 (il) respiro ‘movimento dell’inspirazione e dell’ espirazione di aria’ respirare ‘inspirare ed espirare aria’ 30 0 13 13 4 0 (100 : 30) x 30 = 100% (13² - 13²) : 30² = 0,00 = 0% 362 <?page no="363"?> I2-10 (il) risparmio ‘il denaro che si ha messo da parte’ risparmiare ‘mettere da parte del denaro’ 30 5 8 11 6 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I2-11 camminare ‘spostarsi a piedi’ (il) cammino ‘strada, via da percorrere’ 30 3 7 9 11 0 (100 : 27) x 27 = 100% (9² - 7²) : 27² = 0,04 = 4% I2-12 guidare ‘precedere qualcuno per indicargli la strada’ (la) guida ‘cicerone’ 30 2 19 6 3 0 (100 : 28) x 28 = 100% (19² - 6²) : 28² = 0,41 = 41% I2-13 (il) confine ‘linea che circoscrive un territorio’ confinare ‘essere vicino, limitrofo’ 30 1 25 0 4 0 (100 : 29) x 29 = 100% (25² - 0²) : 29² = 0,74 = 74% I2-14 ricordare ‘avere presente nella memoria’ (il) ricordo ‘il fatto di avere presente nella memoria’ 30 0 16 11 3 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I2-15 (il) giorno ‘periodo di 24 ore’ (il) giorno ‘periodo di luce fra 30 0 3 7 19 1 (100 : 30) x 29 = 96,67% (7² - 3²) : 29² = 0,05 = 5% 363 <?page no="364"?> l’alba e il tramonto’ I2-16 inghiottire ‘mandar giù nell’esofago cibo o bevande’ ghiotto ‘goloso’ 30 0 11 1 13 5 (100 : 30) x 25 = 83,33% (11² - 1²) : 25² = 0,19 = 19% I2-17 prolungare ‘rendere più lungo nello spazio’ prolungare ‘aumentare la durata nel tempo’ 30 0 4 1 24 1 (100 : 30) x 29 = 96,67% (4² - 1²) : 29² = 0,02 = 2% I2-18 (la) terra ‘pianeta su cui vivono gli uomini’ (la) terra ‘l’elemento in cui crescono le piante’ 30 0 3 10 14 3 (100 : 30) x 27 = 90% (10² - 3²) : 27² = 0,12 = 12% I2-19 (il) padre ‘iniziatore, fondatore’ (il) padre ‘uomo che ha generato uno o più figli’ 30 0 2 18 9 1 (100 : 30) x 29 = 96,67% (18² - 2²) : 29² = 0,38 = 38% I2-20 tenacia ‘forza, costanza nella volontà, nell’ azione’ tenace ‘costante, saldo nei propositi’ 30 0 19 7 4 0 (100 : 30) x 30 = 100% (19² - 7²) : 30² = 0,35 = 35% I2-21 seccare secco 30 0 9 16 5 0 (100 : 30) x 30 = 100% (16² - 9²) : 30² 364 <?page no="365"?> ‘privare dell’ umidità’ ‘privo di umidità’ = 0,19 = 19% I2-22 (l’)affidamento ‘il consegnare alla cura di qualcuno’ affidare ‘consegnare alla cura di qualcuno’ 30 1 0 22 6 1 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I2-23 commemorare ‘ricordare qualcuno o qualcosa pubblicamente e in modo solenne’ (la) commemorazione ‘cerimonia con cui si ricorda qualcuno o qualcosa pubblicamente e in modo solenne’ 30 0 22 0 8 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I2-24 puntualizzare ‘spiegare in modo chiaro ed esatto’ (il) punto ‘questione specifica, argomento particolare’ 30 2 1 23 2 2 (100 : 28) x 26 = 92,86% (23² - 1²) : 26² = 0,78 = 78% I2-25 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ cantare ‘modulare musicalmente la voce’ 30 0 0 0 0 30 (100 : 30) x 0 = 0% wird nicht berechnet (s.o.) 365 <?page no="366"?> I3-1 (il) taglio ‘azione di dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ tagliare ‘dividere un oggetto in più pezzi usando una lama affilata’ 34 0 14 10 8 2 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-2 vincolare ‘condizionare con obblighi’ (il) vincolo ‘relazione di natura affettiva o sociale’ 34 1 9 12 11 1 (100 : 33) x 32 = 96,97% (12² - 9²) : 32² = 0,06 = 6% I3-3 (il) soggiorno ‘permanenza per un certo periodo in un luogo’ soggiornare ‘trattenersi per un certo periodo in un luogo’ 34 1 16 10 7 0 (100 : 33) x 33 = 100% (16² - 10²) : 33² = 0,14 = 14% I3-4 cenare ‘consumare il pasto della sera’ (la) cena ‘pasto della sera’ 34 0 2 28 4 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-5 (la) striscia ‘pezzo stretto e lungo di materiale vario’ strisciare ‘muoversi sfiorando o sfregando 34 0 10 3 12 9 (100 : 34) x 25 = 73,53% (10² - 3²) : 25² = 0,15 = 15% 366 <?page no="367"?> sopra una superficie’ I3-6 bisognare ‘essere necessario’ (il) bisogno ‘necessità di procurarsi qualcosa che manca’ 34 0 1 18 12 3 (100 : 34) x 31 = 91,18% (18² - 1²) : 31² = 0,34 = 34% I3-7 governare ‘esercitare il potere politico di uno stato’ (il) governo ‘organo statale che determina l’indirizzo politico dello stato’ 34 3 8 15 7 1 (100 : 31) x 30 = 96,77% (15² - 8²) : 30² = 0,18 = 18% I3-8 forzare ‘obbligare, costringere’ (la) forza ‘vigore fisico’ 34 0 0 24 9 1 (100 : 34) x 33 = 97,06% (24² - 0²) : 33² = 0,53 = 53% I3-9 (la) perfezione ‘l’essere perfetto’ perfezionare ‘migliorare, rifinire’ 34 2 19 5 7 1 (100 : 32) x 31 = 96,88% (19² - 5²) : 31² = 0,35 = 35% I3-10 cercare ‘tentare di trovare qualcosa o qualcuno’ (la) cerca ‘attività diretta a trovare qualcosa o qualcuno’ 34 7 11 7 9 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen 367 <?page no="368"?> I3-11 (il) dono ‘atto del dare qualcosa ad altri senza compenso’ donare ‘dare qualcosa ad altri senza compenso’ 34 7 12 9 6 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-12 (la) cattura ‘il prendere, l’arrestare’ catturare ‘prendere, arrestare’ 34 0 12 17 4 1 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-13 sfogare ‘manifestare liberamente sentimenti o stati d’animo precedentemente repressi’ (lo) sfogo ‘libera manifestazione di sentimenti o stati d’animo precedentemente repressi’ 34 3 8 14 9 0 (100 : 31) x 31 = 100% (14² - 8²) : 31² = 0,14 = 14% I3-14 (il) merito ‘l’essere degno di avere o ricevere qualcosa’ meritare ‘essere degno di avere o ricevere qualcosa’ 34 3 13 6 10 2 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-15 prezioso ‘che è particolarmente importante in senso affettivo o morale’ prezioso ‘che ha un alto valore economico’ 34 3 1 8 21 1 (100 : 31) x 30 = 96,77% (8² - 1²) : 30² = 0,07 = 7% 368 <?page no="369"?> I3-16 (il) credito ‘considerazione, fiducia’ (il) credito ‘diritto a una prestazione pecuniaria’ 34 1 8 4 13 8 (100 : 33) x 25 = 75,76% (8² - 4²) : 25² = 0,08 = 8% I3-17 (la) riparazione ‘risarcimento di un danno morale’ (la) riparazione ‘l’aggiustare oggetti rotti’ 34 0 3 15 14 2 (100 : 34) x 32 = 94,12% (15² - 3²) : 32² = 0,21 = 21% I3-18 (la) pubblicazione ‘divulgazione per mezzo della stampa’ (la) pubblicazione ‘opera stampata’ 34 0 17 5 12 0 (100 : 34) x 34 = 100% (17² - 5²) : 34² = 0,23 = 23% I3-19 variare ‘diversificare’ vario ‘costituito da elementi disuguali ma non contrapposti’ 34 3 11 11 6 3 (100 : 31) x 28 = 90,32% (11² - 11²) : 28² = 0 = 0% I3-20 verde ‘del colore dell’ erba’ verdeggiare ‘essere o diventare del colore dell’ erba’ 34 0 26 1 5 2 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen 369 <?page no="370"?> I3-21 (la) bellezza ‘aspetto gradevole’ bello ‘che ha un aspetto gradevole’ 34 0 19 5 10 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-22 prendere ‘afferare qualcosa con le mani’ apprendere ‘imparare, acquisire con la mente’ 34 3 17 1 8 5 (100 : 31) x 26 = 83,87% (17² - 1²) : 26² = 0,43 = 43% I3-23 (la) traduzione ‘attività del trasferire da una lingua a un’altra’ tradurre ‘trasferire da una lingua a un’altra’ 34 1 12 12 9 0 Stimuluspaar von der Wertung ausgeschlossen I3-24 fangoso ‘limaccioso, melmoso’ (il) fango ‘poltiglia di terra e acqua’ 34 0 0 29 4 1 (100 : 34) x 33 = 97,06% (29² - 0²) : 33² = 0,77 = 77% I3-25 (il) cantiere ‘area in cui si svolgono lavori di costruzione’ cantare ‘modulare musicalmente la voce’ 34 0 0 0 1 33 (100 : 34) x 1 = 2,94% wird nicht berechnet (s.o.) 370 <?page no="371"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! JETZT BES TELLEN! Daniela Marzo Polysemie als Verfahren lexikalischer Motivation Theorie und Empirie am Beispiel von Metonymie und Metapher im Französischen und Italienischen Tübinger Beiträge zur Linguistik, Band 537 2013, 279 Seiten €[D] 68,00/ SFr 85,50 ISBN 978-3-8233-6755-0 Vor dem Hintergrund der Kognitiven Linguistik wird sowohl theoretisch als auch empirisch fundiert die verbreitete Ansicht widerlegt, Polysemie sei antiikonisch. Am Beispiel metonymie- und metaphernbasierter Polysemie im Französischen und Italienischen wird demonstriert, dass Polysemie Ikonizität und Motivation im Lexikon nicht nur maßgeblich fördert, sondern die Art der Polysemie eines Wortes auch die Art seiner formalen Motivierbarkeit determiniert. Auf dieser Grundlage wird ein neuartiges Modell graduierter lexikalischer Transparenz entworfen, das erstmals die Interaktion der formalen und der semantischen Dimension derselben berücksichtigt. <?page no="372"?> Tübinger Beiträge zur Linguistik www.narr.de Ausgehend von der auf Saussure zurückgehenden Unterscheidung zwischen relativ motivierten und arbiträren Wörtern befasst sich die Arbeit mit der bislang ungeklärten Frage der Gerichtetheit von Motivationsbeziehungen, die erstmals empirisch mit Hilfe von Sprecherbefragungen zum Französischen und Italienischen untersucht wird. Entgegen der traditionell unidirektionalen Konzeption bestätigt sich die Annahme, dass lexikalische Motivation als prinzipiell bidirektional zu betrachten ist. Zugleich kann je nach Wortpaar aber ein unterschiedlicher Grad an Gerichtetheit festgestellt werden, der von verschiedenen morphologischen und semantischen Faktoren abhängt.